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German Pages 290 [291] Year 2006
A M I R D. BERNSTEIN
Von der Balance of Power zur Hegemonie
Historische Forschungen Band 84
Von der Balance of Power zur Hegemonie Ein Beitrag zur europäischen Diplomatiegeschichte zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt 1805-1806
Von Amir D. Bernstein
Duncker & Humblot • Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft Die Philosophische Fakultät I der Humboldt Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 3-428-12126-0 978-3-428-12126-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Schrift entstand aus einer Untersuchung zur deutschen Geschichte, die ich 1999/2000 im Rahmen meines Magisterstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und an der Tel-Aviv-Universität durchfühlte. Diese Studie stellte den Ausgangspunkt für das Dissertationsprojekt dar, welches ich im Herbst 2001 am Institut für Geschichtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin aufnahm. Die Realisierung des Projektes erstreckte sich thematisch sowie geographisch weit über die Landesgrenze hinaus. Bei all denen in Berlin, Bremen, Lübeck, Hamburg, Dresden, Marburg, Paris, London und Wien, die mich dabei unterstützten, möchte ich mich herzlich bedanken! Ein besonderer Dank gilt dabei meinem Betreuer Prof. Dr. Wolfgang Hardtwig, der den Werdegang der Arbeit mit großem Interesse verfolgte, Prof. Dr. Konrad Canis für die Erstattung des Zweitgutachtens im Promotionsverfahren, meiner Freundin Vera Oelbracht, die während des Studiums stets an meiner Seite stand, Ruth Nübe, die mir bei der Entschlüsselung einiger wichtiger Dokumente assistierte, Maja Sandler für ihre persönliche Betreuung während meines Aufenthaltes in Berlin und nicht zuletzt Eva Hertel, Andrea Sorgenfrei, Thorsten Kogge, Yvonne Renger und Rebekka Denz für ihre wichtigen Textkorrekturen. Die Veröffentlichung der Schrift wurde durch die Mittel der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung ermöglicht. Ihr und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft möchte ich meinen Dank für ihre freundliche Unterstützung aussprechen. Nachsicht seitens meiner Familie ließ diese Arbeit zustande kommen. Meinen Eltern Chaim und Erika Bernstein widme ich diese Abhandlung.
Berlin & Zürich, im Frühjahr 2006 vwjin
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Amir D. Bernstein in
Inhaltverzeichnis Einleitung I. Problemfeld und Methode II. Forschungsstand und Quellenbasis
11 11 19
A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power II. Die Akteure
30 30 37
B. Balance of Power oder Hegemonie I. Die antifranzösische Koalition II. Talleyrand, Napoleon und das europäische Gleichgewicht III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung V. Exkurs: Spannungen in der Peripherie und auf dem Kontinent
49 49 58 63 69 87
C. Vom Rheinbund zu einer confédération
du nord de l'Allemagne
I. Die Anfänge der europäischen Neuordnung II. Exkurs: Zum Ursprung der norddeutschen Politik Preußens III. Territorialpolitik: Preußen, Kurhessen und der Nordbund IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz: Kursachsen, Preußen und der Nordbund.. V. Handels- und Außenpolitik: Preußen, die Hansestädte und der Nordbund...
110
110 121 129 139 150
D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement? I. Der Oubril-Vertrag II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung III. Vom Rétablissement zum Umbruch IV. Der Weg nach Jena V. Von der Balance of Power zur Hegemonie
160 160 165 174 185 212
E. Schlussbetrachtungen I. Strukturwandel auf dem Kontinent II. Europa und der Orient III. Außenpolitik und außenpolitische Praxis IV. Frieden und Krieg V. Diplomatie im Übergang
227 227 229 230 231 232
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Inhaltverzeichnis
F. Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archivalien II. Gedruckte Quellen III. Zeitungen, Zeitschriften und Periodika IV. Lexika V. Sekundärliteratur
236 236 239 243 244 244
G.Anhang I. Kurzbiographien II. Personen-, Orts- und Sachregister
260 260 278
Abkürzungsverzeichnis Abt. ADB AE AHL AHRF Art. ASA ASG Best. BFW CJCG CN CP DN DNB DR Ebd. E.K.D. f° Fasz. FBPG GG GH GStA HA HHStA HJ HStAM HT HZ ISIRO Kart. Konv. LL.AA.SS. Loc. MD
Abteilung Allgemeine Deutsche Biographie Archives du ministère des affaires étrangère, Paris Archiv der Hansestadt Lübeck Annales historiques de la révolution française Artikel Altes Senatsarchiv Archiv für Sächsische Geschichte Bestand Bailleu, Paul (Hg.): Briefwechsel König Friedrich Wilhelm's III. Meyer, Philip: Staatsakten für Geschichte und öffentliches Recht Napoléon : Correspondance de Napoléon I e r Correspondance Politique Tulard , Jean (Hrsg.): Dictionnaire Napoléon Stephen, Leslie Sir: The Dictionary of National Biography Deutsche Rundschau Ebenda Eure Kurfürstliche Durchlaucht Folio Faszikel Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte Geschichte und Gesellschaft German History Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem Hauptabteilung Haus- Hof- und Staatsarchiv, Wien The Historical Journal Hessisches Staatsarchiv Marburg Stamm-Kuhlmann: Karl August von Hardenberg 1750-1822 Historische Zeitschrift Sbornik: Imperatorskago Russkago istoriceskago obscestva Karton Konvolut Leur Altesses Sérénissimes Locat Mémoires et Documents
10
NA NASG ND Nl. NP o. O. PFDK PJ RA Rep. RPTA RTCR RTF S.A.S. SDFO SHStA S.M. StAB StAH TL TM undat. unpag. V.M. ZBL ZfP ZIB
Abkürzungsverzeichnis
The National Archives, Kew Neues Archiv für Sächsische Geschichte Nachdruck Nachlass Metternich-Winneburg: Aus Metternich's nachgelassenen Papieren ohne Ort Bailleu, Paul (Hg.): Preußen und Frankreich von 1795 bis 1807 Preußische Jahrbücher Ratsarchiv Repositur Martens , George Frédéric: Recueil des principaux traités d'alliance Martens : Recueil des Traités et Convention conclus par la Russie Clercq , Jean Henri Alexandre de: Recueil des traités de la France Son Altesse Sérénissime Rose, John Holland: Despatchesfrom the British Foreign Office Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden Sa Majesté, Seine Majestät Staatsarchiv Bremen Staatsarchiv Hamburg Talleyrand: Lettres inédites de Talleyrand Talleyrand: Mémoires du Prince de, hrsg. von Duch de Broglie undatiert n icht paginiert Votre Majesté Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Politik Zeitschrift für Internationale Beziehungen
Einleitung
I. Problemfeld und Methode Die Französische Revolution transformierte Frankreich. Die Revolutionskriege transformierten Europa. Aus der militärischen und politischen Auseinandersetzung zwischen Frankreich und den Kräften der Restauration entstanden auf dem Kontinent während des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts neue staatliche sowie zwischenstaatliche Strukturen. Unter der Herrschaft Napoleons erreichte der Strukturwandel in Europa seinen Höhepunkt. Indem Napoleon neue Staatsgebilden einführte - z. B. die Schweizer Eidgenossenschaft 1803 und das polnische Herzogtum 1807 - und zugleich die alte Ordnung zerstörte - z. B. durch die Absetzung legitimer Herrscher in Portugal und den Niederlanden 1806 - , unterminierte der General, Konsul und spätere Kaiser der Franzosen die europäische Balance of Power. Durch Krieg und Frieden focht er die politische Welt des Ancien Régime an, um seine hegemonialen Aspirationen zu verwirklichen. Das Zentrum der politisch-militärischen Aktivitäten Napoleons lag im deutschsprachigen Mitteleuropa. Dort stachen sein Wirken und dessen Auswirkungen zurzeit der großen Schlachten von Austerlitz und Jena/Auerstedt besonders hervor. 1 Im Laufe dieser kurzen Zeitspanne wurde Mitteleuropa im Tauziehen zwischen Napoleon und der antifranzösischen Koalition neu gestaltet. Bayern, Württemberg und Baden erfuhren weitgehende territoriale Veränderungen, die süddeutschen Fürsten schlossen sich im Rahmen des Rheinbundes zu einem neuen föderativen Gebilde zusammen, der letzte römisch-deutsche Kaiser Franz II. löste das Alte Reich auf, und Preußen leitete infolge seiner verheerenden Niederlage auf dem Schlachtfeld umfassende innere Reformen ein. Diese und andere Ereignisse, die das Zentrum des Kontinents zwischen Dezember 1805 und Oktober 1806 prägten, werden in der modernen, zumal der deutschen Historiographie oft auf die deutsche Geschichte bezogen und auf den Endpunkt des bekannten historischen Narratives fixiert. Dementsprechend betrachten Historiker wie Louis Medlein und Paul Schroeder die Drei-Kaiser1 Hierzu siehe: Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1987, S. 11.
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Einleitung
Schlacht als das Ende des alten kontinentalen Gleichgewichtssystems und den Anfang der napoleonischen Hegemonie.2 Ähnlich bildet auch die Doppelschlacht von 1806, wie John Jürgen belegte, den Nullpunkt in der preußischdeutschen historischen Erzählung. 3 Dabei werden aber unter dem Eindruck der großen Ereignisse die vergangenen Handlungen nach ihren bekannten Endergebnissen rekonstruiert und andere durchaus plausible Eventualitäten des Geschichtsablaufs von vornherein ausgeschlossen.4 In diesem Kontext und aufgrund von Anzeichen in der Literatur für andere historische Entwicklungslinien in der preußischen5 und europäischen Geschichte 6 stellt die vorliegende Arbeit die Frage nach der Existenz von strukturellen Optionen und Alternativen zur von Napoleon angestrebten Vorherrschaft in Europa. Ziel ist es dabei, die internationalen Beziehungen zwischen Dezember 1805 und Oktober 1806 ausführlich zu rekonstruieren und die Tragweite der großen Schlachten dieser Epoche für die gesamte Staatenwelt auszuloten. Angesichts von Forschungsdefiziten in der Diplomatiegeschichte der Übergangszeit, die - wie Heinz Duchhardt moniert - weiterhin existieren, 7 erscheint die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex besonders opportun. 8 Im Hinblick auf konstruktive Ansätze zur Erneuerung der Disziplin arbeiten die vorliegenden Untersuchungen das „zwischenstaatliche Neben-, Mit- und Gegeneinander" in den Jahren 1805/06 extensiv aus.9 Dabei versuchen sie, den methodischen sowie den geographischen Horizont der gängigen Geschichtsschreibung der Diplomatiegeschichte zu erweitern.
2 Medlein, Louis: Histoire du consulat et de l'empire, Bd. 6, Paris 1949, S. 146; Schroeder, Paul W. : The Transformation of European Politics 1763-1848, Oxford 1994, S. 286. 3 Jürgen, John: „Jena 1806" - Symboldatum der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 179. 4 Granier, Jacques: Jena und die Erhebung Preußens, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 15; Granier bezieht sich dabei nur auf die Schlacht von Jena/Auerstedt. Seine Bemerkung trifft aber auf den Fall der Schlacht von Austerlitz zu. 5 Hierzu siehe z. B. Schmidt, Adolf: Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen. Zweite Abteilung. Der norddeutsche Reichsbund 1806, Berlin 1851. 6 z. B. Raumer, Kurt von: Politiker des Masses? Talleyrands Strassbourger Friedensplan (17. Oktober 1805), in: HZ 193 (1961), S. 286-368. 7 Duchhardt, Heinz: Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648-1806 (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 4), München 1990, S. 1. 8 Pommerin, Reiner: Das europäische Staatensystem zwischen Kooperation und Konfrontation 1739-1856, in: Aufbruch aus dem Ancien Régime. Beiträge zur Geschichte des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Helmut Neuhaus, Köln 1993, S. 80 ff. 9 Duchhardt (1990), S. 1.
I. Problemfeld und Methode
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Methodisch weichen die Untersuchungen vom linearen historiographischen Schema ab, welches fast teleologisch auf das Endresultat zentraler Ereignissequenzen fokussiert ist. Da sich dieses Untersuchungsmuster explizit für ausgewählte, auf das Schlussergebnis bezogene Indikatoren interessiert, wird, so Reinhart Koselleck, „nicht nur das Darstellungspotential [begrenzt], sondern vom Historiker sachgerechte Zuwendungen zum Quellenbestand [verlangt]". 10 Als Lösung für diese Problematik schließt sich die Arbeit dem theoretischen Ansatz von Ute Daniel an und räumt der Erklärungskraft des Ephemeren größeres Gewicht ein. 11 Die darauf fundierte Geschichtsrekonstruktion konzentriert sich folglich auf wenig oder unbeachtete Nebenlinien der Geschichte, die in der vorhandenen Literatur nicht vollständig zutage treten, und integriert diese in die zentrale geschichtliche Erzählung. Anhand dieses theoretischen Ansatzes identifiziert die Arbeit unbekannte Entwicklungsoptionen im europäischen Staatensystem. Zunächst erschließt sie dadurch unterbelichtete Aspekte des Machtkampfs zwischen den Kräften der Balance of Power und dem nach Hegemonie strebenden Napoleon. In diesem Kontext wird neben den napoleonischen Staatsverträgen und den späteren Friedensverhandlungen mit Russland und England (1806) auch dem Projekt Talleyrands nachgegangen, eine Allianz mit Wien zu schließen. Dabei wird auch sein späterer Plan dargelegt, in Norddeutschland einen Nordbund unter preußischer Ägide zu stiften. 12 Die Analyse dieses Plans, dessen Rezeption und der preußischen Versuche, ihn umzusetzen, hinterfragt die Durchführbarkeit der Ideen Talleyrands und seiner Gesinnungsgenossen im französischen Außenministerium. Dabei wird in erster Linie danach gefragt, inwiefern der Strukturwandel in Mitteleuropa eine „Fortsetzung des Krieges im Frieden" 13 und eine weitere Stufe in der von Napoleon anvisierten Territorialexpansion Frankreichs über die Rheingrenze hinaus darstellte 14 oder ob diese strukturelle Umbildung
10
Koselleck, Reinhart: Darstellung, Ereignis und Struktur, in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt 1992, S. 144. 11 Daniel, Ute: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 455-457. 12 Siehe z. B. Schroeder (1994), S. 303; Erdmann, Karl Dietrich: Die Umgestaltung Deutschlands im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. 1786-1815, in: Deutsche Geschichte im Überblick. Ein Handbuch, hrsg. von Peter Rassow, 3. Aufl., Stuttgart 1973, S. 377. 13 Rohden, Peter Richard: Die klassische Diplomatie. Von Kaunitz bis Metternich, Stuttgart 1972, S. 76-77. 14 Weis, Eberhard: Napoleon und der Rheinbund, in: Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, hrsg. von Armgard von Reden-Dohna (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Abteilung Universalgeschichte, hrsg. von Karl Otmar Freiherr von Aretin, Beiheft 5), Wiesbaden 1979, S. 57-58; Conrad, Hermann: Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund. Eine Episode der deutschen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts?, in: Gedächtnisschrift Hans Peters, hrsg. von ders.,
14
Einleitung
eher den Gegenvorstoß Talleyrands zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung widerspiegelte. In diesem Zusammenhang werden schließlich auch die bekannten historischen Ereignisse, wie die Gründung des Rheinbundes, die Auflösung des Alten Reichs und nicht zuletzt der Krieg zwischen Preußen und Frankreich, aus einer neuen Perspektive beleuchtet. Dadurch sollen neue Aufschlüsse über das europäische Staatensystem im Zenit der napoleonischen Macht, über Außenpolitik und außenpolitisches Handeln gewonnen werden. Bei der historischen Rekonstruktion der Ereignisse und bei der Analyse der Thematik greifen die Untersuchungen sowohl traditionelle als auch moderne Bearbeitungsmethoden auf. In Anlehnung an die konventionelle Geschichtsschreibung der Diplomatiegeschichte basiert die vorliegende Arbeit auf der Annahme, dass zurzeit des Ancien Régime die Außenpolitik und das außenpolitische Handeln in der klassischen Schnittstelle zwischen Staatsoberhaupt, Kabinett und diplomatischem Kader konzipiert wurde und für externe Einflüsse, wie die öffentliche Meinung, kaum anfällig war. 15 Folglich werden in der vorliegenden Geschichtsrekonstruktion vor allem das Vorgehen, die Präferenzen und die Regierungspraxis des Staatsoberhauptes und seiner Minister verfolgt. Zugleich werden aber auch moderne Methoden angewendet, um den Untersuchungshorizont zu erweitern. Hierbei schließen sich die Untersuchungen der Theorie von Giandomenico Majone an, die zwischen der grundsätzlichen politischen Ausrichtung (policy) und der politischen Praxis (politics) trennt, um die komplexe Interaktion zwischen Interessen und politischer Aktivität analysieren zu können.16 Anknüpfend daran differenziert die Arbeit zwischen Außenpolitik (den Maximen und den langfristigen Staatsinteressen) und außenpolitischer Praxis (dem konkreten Handeln in der internationalen Arena und den unmittelbaren kurzfristigen Interessen). Durch diese Differenzierung soll die Ideen- und Gedankenwelt von Regierenden und Regierungen in Europa und ihre Rolle bei Entscheidungsprozessen untersucht werden. Hierzu werden erstens, in Anlehnung an die Ansätze von Hans-Ulrich Wehler, auch das so genannte „officiai mind" (die offizielle Grundhaltung des Regimes) in die Aufarbeitung der Außenpolitik und außenpolitischen Praxis der großen Kabinette mit einbezogen werden. 17 Gestützt auf die Ansätze von Ursula Lehmkul werden zweitens politisch-kulturelle Faktoren für die Auswertung politischer
Berlin 1967, S. 58; ähnlich auch bei: WoolfStuart: Napoleon's Integration of Europe, London 1991, S. 20-22. 15 Schroeder , Paul W.: Austria, Great Britain and the Crimean War. The Destruction of the European Concert, London 1972, S. xiii. 16 Majone , Giandomenico: Evidence, Argument and Persuasion in the Policy Process, London 1989, S. 147-148. 17 Dies nach Wehlers Ansatz; Wehler , Hans-Ulrich: „Moderne" Politikgeschichte? oder Willkommen im Kreis der Neorankeaner vor 1914, in: GG 22 (1996), S. 258-262.
I. Problemfeld und Methode
15
Entscheidungen, vor allem die des sächsischen Kurstaates und des schwedischen Monarchen, mit zu berücksichtigen sein,18 um die Gründe und Hintergründe ihrer Entschlüsse nachvollziehen zu können. Denn, wie Lehmkul notierte, es beeinflussen auch kulturelle Erscheinungen wie, Weltbilder, Glauben, Gefühle usw., die Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen.19 Schließlich behandelt die Arbeit „high political" Aspekte in der Außenpolitik der Großmächte. Die Schule der „High Politics", welche sich in England in den 1960er Jahren als Kritik an der liberalen Geschichtsschreibung entwickelte, hebt die Rolle willkürlicher Elemente und des Informellen in der Politik hervor. 20 Dabei konzentriert sich diese auf das Individuum am Geflecht der politischen Beziehungen im Kabinett bzw. im Abgeordnetenhaus, um die Abläufe auf höchster politischer Ebene und deren Einfluss auf die Außenpolitik genau verfolgen zu können.21 Eine parallele Schule in der deutschen Historiographie existiert nicht, wie Brendan Simms notiert. 22 Es liegen aber einige Werke vor, welche auf den Einfluss persönlicher Beziehungen innerhalb eines Kabinetts auf dessen außenpolitische Orientierung hinweisen, wie die Aufsätze von Carl Schmitt und die Monographie von Norbert Elias. 23 Beide, vor allem Schmitt, bieten ein wichtiges Modell für die Erforschung des „Kampfs um den Zugang zum absoluten Monarchen" 24 und der Gestaltung der Außenpolitik. Die Anwendung dieses „high political" Ansatzes soll ermöglichen, die Entscheidungen von Diplomaten, Ministern und Monarchen sowie die historischen Geschehnisse genauer zu erklären. Geographisch erstrecken sich die Untersuchungen weit über die Grenzen des deutschsprachigen Mitteleuropas hinaus. In Anlehnung an die Werke von Paul Shupp und Ernst Heymann werden auch Ereignisse in der geographischen Peri18
Lehmkul, Ursula: Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte. Möglichkeiten und Grenzen einer kulturwissenschaftlichen Fundierung außenpolitischer Entscheidungsmodelle, in: Internationale Geschichte. Themen - Ergebnisse - Aussichten, hrsg. von Winfried Loth/Jürgen Osterhammel, München 2000, S. 191, 205. 19 Ders.: Diplomatiegeschichte als internationale Kulturpolitik. Theoretische Ansätze und empirische Forschung zwischen Historischer Kulturwissenschaft und Soziologischem Institutionalismus, in: GG 27 (2001), S. 414 f. 20 Brent, Richard: Butterfield's Tories. ,High Polities' and the Writing of Modern British Political History, in: HJ 30 (1987), S. 945-948. 21 Bentley , Michael: Politics without Democracy. Great Britain 1815-1914. Perception and Preoccupation in British Government, Oxford 1984. 22 Simms , Brendan: The Impact of Napoleon, Cambridge 1997, S. 14-15. 23 Schmitt, Carl: Der Zugang zum Machthaber, ein zentrales verfassungspolitisches Problem, in: ders.: Verfassungsgeschichtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954. Materialien zu einer Verfassungslehre, Berlin 1954, S. 430-439; Ders.: Gespräche über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Pfullingen 1954; Elias, Norbert: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Gesellschaft, Neuwied 1969. 24 Schmitt (1954), S. 430.
16
Einleitung
pherie in die Analyse mit einbezogen,25 um weitere Aspekte der Außenpolitik und der außenpolitischen Praxis der Mächte zu erschließen. Im geographischen und thematischen Mittelpunkt der Untersuchungen steht vor allem die politische Umbildung Mitteleuropas. Thematisiert werden dabei zunächst die Zerstörung der alten Ordnung durch die Trennung der süddeutschen Staaten vom Alten Reich, die Abkoppelung Preußens von der antifranzösischen Koalition und der Ausschluss Österreichs aus den deutschen Gebieten. Anschließend behandeln die Ausführungen die Versuche, durch die Bildung des Rheinbundes, die Friedensverhandlungen mit Russland und England und das Nordbund-Projekt eine neue Ordnung zu etablieren. Der Nordbund, dessen Faktizität bisher allein in isolierten Beiträgen wie in denen von Adolf Schmidt und Hermann Conrad geschildert worden ist, 26 wird hier ausführlich erörtert. Seine Geschichte, die aufgrund Schmidts These über die Inhärenz des Projektes zu Preußens Deutschlandpolitik27 Forschungskapazitäten auf die interne preußischdeutsche Sphäre ablenkte,28 soll im Rahmen dieser Arbeit im breiten geographischen Kontext eruiert werden. Die Analyse von Ereignissen in der europäischen Peripherie vervollständigt das geographisch und historisch zentrale Narrativ. Wie Paul Schroeder bereits feststellte, waren die Vorgänge aller politischen Akteure sowohl im kontinentalen Zentrum als auch an dessen Rand eng miteinander verquickt. 29 Es bedarf also einer Untersuchung, welche auch die Aktivitäten der Akteure außerhalb des bekannten geographischen Brennpunktes ergründet, um die Vorgänge im Zentrum des Geschehens möglichst genau interpretieren zu können. Dementsprechend schließen die folgenden Untersuchungen außenpolitische Vorgänge ein, die in der Peripherie des Kontinents stattfanden und bisher oft nur als Randerscheinungen charakterisiert worden sind. So behandelt die Arbeit zum einen die Ereignisse im Südosten, an der Adria - vor allem die Krise zwischen Petersburg und Paris vor dem Hintergrund der russischen Besetzung der Bucht von Cattaro. Zum anderen werden auch die Spannungen im Norden, rund um die Kontrollfrage über Hannover zwischen Preußen und England respektive Schweden dargelegt. Denn diese scheinbar marginalen Geschehnisse wurden, wie Ernst Heymann bereits andeutete,30 durch das Handeln der Großmächte in Mitteleu-
25 Shupp, Paul F.: The European Powers and the Near Eastern Question 1806-1807, Phil. Diss., New York 1931; Heymann, Ernst: Napoleon und die großen Mächte 1806 (= Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, hrsg. von Georg von Below et al., Heft 22), Berlin/Leipzig 1910. 26 Conrad, S. 50-65; Schmidt, Adolf (1851). 27 Ders. (1867). 28 Siehe z. B. bei: Simms (1997). 29 Schroeder (1972), S. xv. 30 Heymann, S. 18 f.
I. Problemfeld und Methode
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ropa ausgelöst und wirkten wiederum auf die Europapolitik der betreffenden Mächte zurück. Die Bearbeitung der Geschichte Mitteleuropas in ihrem großen Kontext wird sich konsequent damit befassen, die Rolle der orientalischen Frage und die Wechselbeziehung zwischen der Orient- und Europapolitik der Großmächte ausführlich zu erläutern. Dadurch sollen über die Ursachen der Ereignisse auf dem Kontinent, wie des Krieges zwischen Preußen und Frankreich, neue Klarheit verschafft und neue Erkenntnisse über die Außenpolitik und die außenpolitische Praxis der europäischen Kabinette gewonnen werden. Diesen zentralen Fragestellungen gehen die Untersuchungen in vier Teilen nach, welche dreizehn Monate europäischer Diplomatiegeschichte in chronologischer Reihenfolge umfassen. Zur zentralen Thematik der Arbeit - die Frage nach Machtkonzentrierung bzw. -Verteilung - wird (Teil A. I.) eine kurze Erörterung der geschichtlichen Problematik des Gleichgewichtssystems angeboten. Im Anschluss daran soll (Teil A. II.) eine Einführung in die Außenpolitik und dessen zentrales Instrument (d. h. das Außenministerium) der betreffenden Staaten ermöglichen, die historischen Ereignisse und vor allem die außenpolitischen Aktivitäten der Pentarchie-Mächte sowie der nördlichen und der wichtigsten norddeutschen Reichsstände zu verfolgen. Der zweite Untersuchungsteil beginnt die Ergänzung des historischen Narratives. Zunächst (Teil B. I.) wird der Komplexität der Beziehungen innerhalb der antifranzösischen Koalition nachgegangen, vor allem in Bezug auf das Schwanken Preußens zwischen Frankreich und den Alliierten, und auf die Bemühungen der Ostmächte (Österreichs und Russlands), am Vorabend der Schlacht von Austerlitz zu einem friedlichen Einvernehmen mit Napoleon zu gelangen. Danach (Teil B. II.) knüpfen die Ausführungen die These von Emile Dards an und untersuchen, inwiefern ähnliche Zwistigkeiten (zwischen Napoleon und Talleyrand) auch in Paris existierten. 31 Anschließend (Teil B. III.) werden die politischen Folgen des militärischen Sieges Napoleons, nämlich die neuen Verträge mit den süddeutschen Staaten und mit Österreich vom Dezember 1805, ausgeführt und die Frage gestellt, ob auch nach der Drei-Kaiser-Schlacht eine neue, kontinentale Balance of Power weiterhin eine Option darstellte. Dabei soll (Teil B. IV.) im Zusammenhang mit der preußischen außenpolitischen Praxis detailliert erörtert werden, wie sich Berlin angesichts des Zusammenbruchs der dritten Koalition und der Neuordnung Europas außenpolitisch positionierte und wie es dadurch die Entstehung einer neuen zwischenstaatliche Konstellation beeinflusste. An den ersten Untersuchungsteil schließt ein detaillierter Exkurs (Teil B. V.) über die Auswirkungen der neuen, kontinentalen Ordnung auf die euro31
Dard , Émile: Napoléon et Talleyrand, Paris 1947.
18
Einleitung
päische Peripherie an, welche im Norden (im Hannover-Konflikt) und im Südosten (in der Cattaro-Affäre) zum Ausdruck kamen. Dabei wird gefragt, wie diese neuen Spannungsfelder die kontinentale Lage beeinflussten, und ob sie im Frühjahr 1806 einer napoleonischen Vorherrschaft oder einem balancierten Staatensystem zugute kamen. Der dritte Untersuchungsteil konzentriert sich auf die Geschehnisse in Mitteleuropa, vornehmlich auf die Umbildung der deutschen Gebiete. Zunächst werden (Teil C. I.) die Pläne Talleyrands und Napoleons zur Neugestaltung Europas analysiert. Gefragt wird dabei - angesichts der Auflösung des Alten Reichs im August 1806 - nach den Zielen des Rheinbundes in der Außenpolitik beider Protagonisten. Anschließend thematisieren die Darstellungen den Vorstoß Talleyrands zur Bildung eines preußischen Nordbundes und dessen Bedeutung für die Pläne des französischen Außenministers. Im Anschluss daran verfolgen die Ausführungen im Rahmen eines kurzen Exkurses (Teil C. II.) die Ursprünge der norddeutschen Idee in Preußen selbst. Dadurch soll festgestellt werden, welche Motivation hinter dem preußischen Nordbund-Projekt stand und wie diese sich auf die Rezeption des Projektes von Talleyrand auswirkte. Schließlich wird ausführlich die Frage nach der Durchführbarkeit des Nordbundes angesichts des Handelns der wichtigsten norddeutschen Reichsstände (Kurhessen, Kursachsen und die Hansestädte) abgehandelt. Dabei werden in drei Kapiteln (B. III. bis V.) die territorial-, handelspolitischen und politischkulturellen Aspekte bei der Gestaltung des Projektes diskutiert und anschließend geklärt, inwiefern diese die preußischen Versuche beeinflussten, Talleyrands norddeutschen Plan umzusetzen. Der vierte Untersuchungsteil setzt sich mit den französischen Friedensbemühungen im Sommer 1806 auseinander. Er geht zunächst ausführlich den Friedensverhandlungen zwischen Paris und Petersburg (Teil D. I.) respektive London (D. II.) nach und untersucht die Hintergründe der Konferenzen und des Versuchs, die Spannungsfelder im Südosten und im Norden zu neutralisieren. Anschließend (Teil D. III.) wird die Entscheidung des Zaren behandelt, den Vertrag mit Frankreich zurückzuweisen. In dieser Hinsicht stellen sich die Fragen nach den Motiven dieses Entschlusses und nach dessen Auswirkungen auf das Tauziehen zwischen Napoleon und seinem Außenminister Talleyrand sowie auf die englisch-französischen Friedensgespräche. Hierauf (Teil D. IV.) durchleuchten die Untersuchungen ausführlich die außenpolitische Praxis Preußens nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen. In erster Linie soll dabei geklärt werden, wie sich die preußische außenpolitische Praxis in Bezug auf den Nordbund und auf Berlins Beziehungen zur antifranzösischen Koalition änderte und inwiefern diese Änderung auf die Preußenpolitik Napoleons und auf seine bellizistische Disposition gegenüber Berlin wirkte. Schließlich (Teil D. V.) schildern die Ausführungen die Entwicklungen, die unmittelbar zum Krieg zwischen Frankreich und Preußen führten. Hierbei wird die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung die Doppelschlacht von Jena/Auerstedt für das gesamte Staa-
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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tensystem und für den Machtkampf zwischen den Kräften der kontinentalen Balance of Power und dem nach Hegemonie strebenden Napoleon wirklich hatte. Die vier Untersuchungsteile konzentrieren sich auf einen geographisch ausgedehnten und einen zeitlich begrenzten Rahmen, greifen aber vor allem bezüglich der Hintergründe der preußischen Außenpolitik auf die Vorgeschichte zurück. Dabei zielen die Untersuchungen darauf ab, das geläufige historische Narrativ der internationalen Beziehungen zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt mit geschichtlichen Nebenlinien zu ergänzen und somit die Bedeutung der bekannten Ereignisse der Epoche neu zu gewichten. Die vier Teile schließen, neben Angaben zu den Quellen und zur Literatur, eine Reihe von Kurzbiographien über Monarchen, Minister, Diplomaten und Militärs ein. Sie sind als begleitender Anhang beigefügt worden und sollen zur Orientierung im dichten diplomatischen Netzwerk des frühen 19. Jahrhunderts dienen.
IL Forschungsstand und Quellenbasis Die Geschichte der Zeitspanne zwischen Austerlitz und Jena wird in der Forschungsliteratur stets im Lichte der großen Ereignisse erzählt. Das Wirken Napoleons,32 die Drei-Kaiser-Schlacht, die Gründung des Rheinbundes,33 die Auflösung des Alten Reichs 34 und nicht zuletzt die Doppelschlacht von 180635 dominieren die historische Erzählung. Vermeintliche „Randerscheinungen" werden oft herausgelöst vom breiten historischen Kontext eruiert oder im Schatten berühmter Schlussergebnisse aus dem historischen Narrativ schlechthin ausgeblendet. Die meisten thematischen Schwerpunkte werden in der Literatur aus dem schmalen Blickwinkel einer Nationalgeschichte verfolgt. Den Zusammenbruch der dritten Koalition bei Austerlitz betrachtet z. B. Thomas Nipperdey aus der
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Dazu Tulard , Jean: Les études napoléoniennes en 1969. Bilan bibliographique du 2 centenaire de la naissance de Napoléon, in: AHRF 42 (1970), S. 558-568; siehe auch: Driault , Edouard: Napoléon et l'Europe, Bd. 2, Paris 1912. 33 Bitterauf \ Theodor: Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1, München 1905 (ND: Hildesheim /Zürich/New York 1983). 34 Aretin , Karl Otmar von: Heiliges Römisches Reich 1776-1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, hrsg. von Martin Göhring, Bd. 38), Teil 1, Wiesbaden 1967; Raumer, Kurt von: Deutschland um 1800. Krise und Neugestaltung 1789-1815 (= Handbuch der deutschen Geschichte, hrsg. von Leo Just, Bd. 3/1), Wiesbaden 1980. 35 Koser, Reinhold: Die preuszische Politik von 1786 bis 1806, in: Deutsche Monatsschrift für das gesamte Leben der Gegenwart 9 (1907), S. 453-480, 612-637. e
Einleitung
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Perspektive der modernen deutschen Geschichte und Louis Medlein vom Standpunkt der national geprägten französischen Historiographie. 36 Beide ziehen nicht die Existenz alternativer struktureller Optionen für den gesamten Kontinent nach 1805 in Betracht. Auf ähnliche Weise wurde das gängige Urteil über das preußische Vorgehen in den Wochen vor und nach dem 2. Dezember 1805 in einem eingegrenzten Kontext gebildet. So stimmt die moderne Historiographie - Historiker wie Brendan Simms und Karl Otmar von Aretin - 1 mit der alten - Geschichtsschreiber wie Ranke und Cavaiganc - 3 8 überein, dass Preußen nach der russisch-österreichischen Niederlage seinen außenpolitischen Kurs radikal änderte und sich dem politischen System Napoleons fügte. 39 Dabei stellten sie aber nicht die Frage, ob diese Neuorientierung des außenpolitischen Handelns den Grundinteressen Berlins eigentlich zugute kommen konnte. Auch einige der „Randerscheinungen", von denen manche Historiker bereits im 19. Jahrhundert berichteten, wurden bei ihrer Bewertung oft vom Zeitgeist oder von der Nationalgeschichte geprägt. Am Beispiel des preußischen Nordbundes von 1806 ist es besonders auffallend, dass Historiker die Ideen ihrer Epoche in die Geschichte des Nordbundes hineinprojizierten. So gewährte die ältere, deutsche Historiographie erst unter dem Eindruck der Märzrevolution 1848 und der Erfurter Union 1849/185040 der Geschichte des Nordbundes von 1806 sachkundige Zuwendung. 1851 publizierte Adolf Schmidt seine kommentierte Quellenedition,41 die durch eine fast vollständige Wiedergabe des betreffenden Konvoluts aus dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin einen ersten Einblick in den Sachverhalt dieses historischen Falls aus der Perspektive der preußisch-deutschen Nationalbewegung verschaffte. 42 Abgelei36
Nipperdey , S. 11; Medlein , S. 146. Simms (1997), S. 231; Aretin , Karl Otmar von: Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, Göttingen 1980, S. 104. 38 Ranke , Leopold von (Hrsg.): Denkwürdigkeiten des Staatsministers Fürsten von Hardenberg. Vom Jahre 1806 bis zum Jahre 1813, Bd. 1, Leipzig 1877, S. 576; Cavaiganc, Godefroy: La formation de la Prusse contemporaine, Paris 1891, S. 214. 39 Siehe auch bei: Hansing , Karl: Hardenberg und die dritte Koalition (= Historische Studien, Heft 12), Göttingen 1899, S. 81; sowie bei: Jena, Detlef: Zwischen Jena und Erfurt. Die Stellung Preußens zwischen Frankreich und Russland in den Jahren 1 SOSCOS, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 133. 40 Zur Geschichte des ersten Versuches, einen Bund der norddeutschen Staaten im Sinne von Kleindeutschland zu gründen, siehe z. B. bei: Warren , B. M.: The Prussian Plan for Union: Traditional Policy by „Revolutionary" Means, The Historian 33 (1977), S. 515-530; oder bei: Schubert , Werner: Die für das Reichsgericht der Erfurter Union bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte (germanische Abteilung) 101 (1984), S. 169-199. 41 Schmidt , Adolf (1851). 42 Hierzu: GStA I. HA. Rep. 12., Nr. 142, Fasz. 1. 37
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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tet von dieser Publikation dominierte auch bei Historikern wie Karl Kliipfel (1853) und Karl von Kaltenborn (1857) 43 eine preußenzentrierte Grundhaltung, welche die einschlägigen politischen Umstände und die Bedeutung des Nordbundes für das gesamte Staatensystem übersieht. Nach 1866 orientierte sich die Geschichtsschreibung am bismarckschen Norddeutschen Bund. Diese Stoßrichtung artikulierte sich vorab in Schmidts zweiter Abhandlung, die nach den Hintergründen und Ursprüngen des kleindeutschen Bundes suchte.44 Ebenso deutete Treitschke das Scheitern des norddeutschen Projektes von 1806 im Hinblick auf Bismarcks Erfolg und führte es auf die Schwäche nationaler Kräfte in Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. 45 Allein die jüngste Auseinandersetzung mit dem Thema, ein kurzer Artikel von Hermann Conrad (1967), 46 löste sich gewissermaßen von der Nationalgeschichtsschreibung. Dabei setzte Conrad aber zugleich den Stellenwert des Nordbundes von 1806 für die deutsche Geschichte herab und bewertete das Projekt als eine Kuriosität. Fast alle diese Untersuchungen behandelten den Nordbund als eine innerpreußisch-deutsche Angelegenheit und fragten weder nach seiner Bedeutung für die zwischenstaatliche Ordnung noch nach seiner Resonanz bei der damals wichtigsten deutschen Macht, Österreich, oder bei den großen norddeutschen Höfen, der Zielgruppe des norddeutschen Projektes. Eine Ausnahme zu dieser Tendenz bilden die bereits erwähnten Forschungsarbeiten von Ernst Heymann (1910) und Paul F. Shupp (1931). 47 Heymann in seinem „Napoleon und die großen Mächte 1806" und Shupp in seiner akademischen Qualifikationsschrift „The European Powers and the Near Eastern Question 1806-1807" versuchen eine umfassende europäische Geschichte dieser Zeitspanne vorzulegen, die Ereignisse sowie Strukturänderungen aus einem grenzüberschreitenden Standpunkt behandelt. Obwohl Heymann und Shupp auch manche unterbelichtete, historische Begebenheiten in ihre Analyse integrieren, vermögen sie nicht, ein genaues historisches Bild wiederzugeben, da ihre Werke fast ausschließlich auf Sekundärliteratur und Quelleneditionen basieren. 48 Eine weitere Tendenz in der Historiographie der Übergangszeit ist es, die gesamte französische außenpolitische Aktivität in den betreffenden Jahren Napo43
Klüpfel, Karl: Die deutschen Einheitsbestrebungen in ihrem geschichtlichen Zusammenhang, Leipzig 1853; Kaltenborn, Karl von: Geschichte der Deutschen Bundnisverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806 bis 1856, 2 Bde., Berlin 1857. 44 Schmidt, Adolf: Preußens deutsche Politik. 1785, 1806, 1849, 1866, 3. Aufl., Leipzig 1867. 45 Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, 6. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1913, S. 239. 46 Conrad, S. 50-65. 47 Hey mann; Shupp. 48 Vor allem die Bände der Correspondance de Napoléon I e r .
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leon zuzuschreiben. Dies ergibt sich aus der singulären Bedeutung Napoleons und betrifft ebenfalls die so genannten „Randerscheinungen" im historischen Narrativ. So rechnen auch Shupp und Heymann die französisch-russischen Friedensverhandlungen dem französischen Staatsoberhaupt zu, 49 obwohl sein Außenminister die Unterhandlungen mit dem russischen Gesandten auf eigene Initiative geführt hatte. Ähnlich führt Coquelle (1904) die Friedenskonferenzen zwischen London und Paris auf den französischen Kaiser zurück, 50 obwohl diese aus einer privaten Korrespondenz zwischen dem englischen Außenminister Fox und Talleyrand hervorgingen und Napoleon nur in die letzte Phase der Verhandlungen intervenierte. Dieser zentralen Frage nach der Rolle Talleyrands in der Formulierung und Umsetzung der französischen Außenpolitik und nach seiner Beziehung zu Napoleon ging bisher allein der französische Historiker Emile Dard (1947) in seinem „Napoleon et Talleyrand" ausführlich nach.51 Dard differenzierte als Erster zwischen der Gedankenwelt und der Vorgehensweise des französischen Außenministers und der des französischen Staatsoberhaupts. Dabei übersah er aber erstens die Tragweite dieser Differenzen für die gesamten Entwicklungen in der Staatenwelt, besonders für Mitteleuropa, und zweitens ihren Einfluss auf die Entscheidungen der europäischen Kabinette. Das dritte Merkmal der Geschichtsschreibung über das napoleonische Zeitalter ist die Festlegung der historischen Erzählung auf die Schlussergebnisse bekannter Entwicklungslinien, wobei die „Randerscheinungen" aus dem historischen Narrativ ausgeblendet werden. So wird im Schatten des Symboldatums 14. Oktober 1806 die Bedeutung anderer Vorgänge heruntergespielt, obwohl auch sie letzten Endes den Hintergrund zu den großen Ereignissen bildeten. Auf diese Weise verloren z. B. die Geschichte der Zwistigkeiten zwischen Frankreich und Russland respektive Österreich um die Kontrolle über die Bucht von Cattaro und deren direkten sowie indirekten Auswirkungen auf die preußische außenpolitische Praxis in der Historiographie an Bedeutung, obwohl gerade dieses Thema den preußischen Monarchen und das preußische Kabinettsministerium zwischen Februar und Oktober 1806 intensiv beschäftigte. 52 Die Fixierung auf das bekannte Endresultat führt schließlich dazu, dass zentrale Begebenheiten und deren Erklärungskraft bagatellisiert werden. Das Geschichtsbild des Zeitalters und die Geschichtsschreibung über die Epoche bleiben daher, mit wenigen Ausnahmen, unverändert. 49
Shupp, S. 92; Heymann , S. 23-36. Coquelle , P.: Napoleon and England 1803-1813. A Study from unprinted Documents, aus dem Französischen übersetzt von Gordon D. Knox, London 1904, S. 86-89; ähnlich behauptet auch Ernst Heymann, siehe: Heymann , S. 103. 51 Dard . 52 So belegen unter anderem die folgenden Konvoluten im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin: GStA, I. HA., Rep. 1, Abt. I. Nr. 192, Vols. I, II sowie Nr. 193.1, 193.3; und auch: ebd., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 408. 50
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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Die vorliegende Arbeit stellt sich diesen Tendenzen entgegen, um eine andere Sichtweise und eine neue Interpretation des historischen Narrativs anbieten zu können. Eine wichtige Grundlage für die Untersuchungen bietet zunächst das vielseitige Repertoire historischer Abhandlungen zum napoleonischen Zeitalter und zur Außenpolitik der europäischen Staaten. Neben den Standardwerken von Aretin, Raumer, Bitterauf, Sorel und anderen, 53 die den Strukturwandel in Europa porträtieren, sind Monographien zum englischen „decision making", 54 zur russischen, österreichischen und preußischen Politik von großer Relevanz.55 Diese sollen durch Biographien einzelner Staatsmänner und Monarchen, vornehmlich Napoleon, Talleyrand, Fox, Lord Granville, Hardenberg, König George III., König Friedrich Wilhelm III., Kaiser Franz II. und Zar Alexander I., ergänzt werden. 56 Zusammen bilden diese das Fundament für das Narrativ der Epoche und decken den politischen Raum Zentral-, Nord- sowie Südosteuropas ab. In Bezug auf Preußen und Norddeutschland sind es in erster Linie die Abhandlung von Adolf Schmidt 57 und der wichtige Artikel von Rudolf Usinger, 58 die auf die norddeutsche Angelegenheit und auf den tatsächlichen Umfang des preußischen Nordbund-Plans hinweisen. Im Umfang begrenzt scheint hingegen die Literaturlage im Hinblick auf die kleinen norddeutschen Höfe. Für die Hansestädte stehen bis auf Burghart Schmidts59 Hamburgische Geschichte und Patemanns60 Beschreibung der Beziehungen zwischen Bremen und Frankreich vorwiegend ältere Studien wie die von Adolf Wohlwill und Friedrich Hildebrand zur Verfügung. 61 Die Sekundärliteratur zu Kursachsens und Kurhessens
53
Aretin (1967); Raumer (1980); Bitterauf. z. B. Burrows, Montagu: The History of the Foreign Policy of Great Britain, Edinburgh/London 1895. 55 z. B. Steon-Watson, Hugh: The Russian Empire 1801-1917, Oxford 1967; Beer, Adolf: Zehn Jahre österreichische Politik 1801-1810, Leipzig 1872; Bourel, Dominique: Zwischen Abwehr und Neutralität. Preußen und die Französische Revolution 1789 bis 1795, 1795 bis 1803/06, in: Preußen und die revolutionäre Herausforderung seit 1789, hrsg. von Otto Büsch/Monika Neugebauer-Wölk (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 78), Berlin 1991, S. 43-57. 56 Zu den einzelnen Bänden siehe ausfuhrlich im Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit. 51 Schmidt, Adolf (1867). 58 Usinger, Rudolf: Napoleon und der nordische Bund: in: PJ 14 (1864), S. 577-616. 59 Schmidt, Burghart: Hamburg im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons (1789-1815), Teil 1, Hamburg 1998. 60 Patemann, Reinhard: Die Beziehungen Bremens zu Frankreich bis zum Ende der französischen Herrschaft 1813, in: Francia 1 (1973), S. 482-507. 61 Siehe unter anderem Wohlwill, Adolf: Aus drei Jahrhunderten der Hamburgischen Geschichte 1648-1888 (= Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten, 54
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politischem Vorgehen beschränkt sich ebenso auf vereinzelte neue Werke von Dorit Petschel (zur sächsischen Geschichte)62 und von Karl Demandt sowie Walter Heinemayer (zur hessischen Geschichte).63 Die Beiträge zur Außenpolitik Kassels und Dresdens basieren maßgeblich auf früheren Forschungsergebnissen des Archivs für Sächsische Geschichte64 respektive Loschs historischer Darstellung der Geschichte Kurhessens.65 Ein weiteres wesentliches Fundament stellen edierte Quellenausgaben dar. Diese beinhalten den zentralen ministeriellen Schriftverkehr und geben eine wichtige Einsicht in die Entscheidungsprozesse der europäischen Kabinette. Die „Correspondance de Napoléon I e r " 6 6 und Talleyrands veröffentlichte Briefe und Aufzeichnungen, die den Inhalt der Faszikels France 658, 659 aus den Mémoires et Documents in den Archiven des französischen Außenministeriums größtenteils wiedergeben, 67 spiegeln zentrale Segmente des historischen Handlungsablaufs wider. Sie vermögen aber selten, den diplomatischen Verkehr auf der Botschafterebene mit einzuschließen. Ähnlich können der von Paul Bailleu herausgegebene Briefwechsel des preußischen Monarchen und dessen Diplomaten 68 sowie Leopold von Ranke in seinen mehrbändigen Denkwürdigkeiten Hardenbergs 69 allein Teile respektive Teilaspekte der außenpolitischen Aktivität in Mitteleuropa ans Licht bringen. 70 Auch Aspinalls „Correspondence of George III." und der publizierte Schriftwechsel über die englisch-französischen Friedensverhandlungen können lediglich einige der zentralen Themen der Außenpolitik Englands aufdecken. 71 Essenziell für die Untersuchungen sind die Bd. 14 (1896), Beiheft 5), Hamburg 1897; Hildebrand , Friedrich: Die hanseatischen Konferenzen im Herbste 1806, Phil. Diss., Hildesheim 1906. 62 Petschel , Dorit: Sächsische Außenpolitik unter Friedrich August I. Zwischen Rétablissement, Rheinbund und Restauration, Köln 2000; siehe vor allem Petschels Bemerkungen zum Literaturstand der sächsischen Geschichtsschreibung, ebd. S. 6-8. 63 Demandt , Karl E.: Geschichte des Landes Hessen, Kassel/Basel 1972. 64 Hierzu siehe z. B. Witzleben , Job von: Die Verhandlungen über den norddeutschen Bund (Juli bis Oktober 1806), in: ASG 6 (1868), S. 36-75, 113-158. 65 Losch, Philipp: Geschichte des Kurfürstentums Hessen 1803 bis 1866, Marburg 1922. 66 CN, Bde. 11-13. 67 TL. 68 Siehe z. B. PFDK. 69 Ranke (1877). 70 Beide Werke stützen sich überwiegend auf Dokumente aus den Archiven in Paris und Berlin, vor allem: AE, CP Prusse 237-239; sowie GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 408. 71 Aspinall , A. (Hrsg.): The later Correspondence of George III, Bd. 4, Cambridge 1968; Papers relative to the negotiation with France. Printed by His Majesty's command, to both Houses of Parliament; 22. December 1806. Darin werden fast alle Dokumente abgedruckt, welche in folgenden Konvoluten vorhanden sind: AE, CP Angleterre 603, 604; sowie: NA, FO 27/74.
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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russischen Editionen von Sbornik und Nikolaj Michailovich. 72 Für die Donaumonarchie liegen keine nennenswerten Quellenpublikationen zu den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts vor. 73 Manche Lücken vermögen teilweise die Sammelwerke von Martens über europäische Verträge und Konventionen zu schließen.74 Es bestehen allerdings fernerhin große Defizite in der urkundlichen Erfassung dieser Zeitspanne. Dies gilt insbesondere für die Hanse und die norddeutschen Höfe, für welche außer Strippelmanns Quellenmaterial zur kurhessischen Geschichte keinerlei Veröffentlichungen vorhanden sind. 75 Die oft veralteten Quelleneditionen können also lediglich einige Gesichtspunkte des historischen Narrativs verfolgen. Eine kritische Verwendung von Tagebüchern, Memoiren und Privataufzeichnungen prominenter Staatsmänner, wie die Lebenserinnerungen des hessischen Kurfürsten oder die des Fürsten Czartoryski, 76 erweitert hier die klassische Untersuchungsperspektive, 77 die sich oft auf formelle Skripten beschränkt. Dies ergänzt die Einbeziehung zeitgenössischer Zeitungen, Zeitschriften und Pamphlete in die Analyse, um Regierungsmentalität und das „official mind" wahrzunehmen und die jeweilige Regierungspraxis genauer nachzuvollziehen. In Anbetracht des aktuellen Literaturbestands sowie unzulänglicher Akteneditionen und publizierter Quellen zur Materie erschien eine intensive Archivrecherche unerlässlich. Aufgrund des breiten geographischen Bearbeitungsspektrums der Thematik bedurfte es hierzu einer multi-archivalischen Recherche. Recherchiert wurde in den Materialien der Archive in Berlin, Dresden, Marburg, Hamburg, Bremen und Lübeck sowie in den wichtigen europäischen Sammlungen in Paris, London und Wien. In erster Linie widmete sich die Recherche Aktenbestände aus den Jahren 1805/06. Zudem wurden gelegentlich auch frühere Bestände in die Untersuchung einbezogen, um die Kontinuität oder Entwicklung der Außenpolitik respektive der außenpolitischen Praxis der ent72
ISIRO; Michailovich, Nikolaj (Hrsg.): Comte P. A. Stroganoff, Bde. 2-3, St. Petersburg 1903. 73 Die Papiere von Metternich sind für die hier ausgearbeitete Zeitspanne von begrenzter Relevanz; NP. 74 Hierzu z. B. RTCR, Bd. 6. 75 Strippelmann, F. G. L.: Beiträge zur Geschichte Hessen-Kassels. Hessen Frankreich. Geschichte der Napoleonischen Usurpation Kurhessens und Achtserklärungen im Jahr 1806, Heft 2, Marburg 1878. 76 Wilhelm /., Kurfürst, von Hessen: Wir Wilhelm von Gottes Gnaden. Die Lebenserinnerungen Wilhelm I., aus dem Französischen übersetzt und hrsg. von Rainer von Hessen, Frankfurt/New York 1996. 77 Duchhardt, Heinz: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700-1785 (= Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd. 4), Paderborn 1997, S. 3-4.
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sprechenden Staaten erfassen zu können. Das Ziel dieser umfassenden Erforschung war es, die historischen Handlungsvorgänge möglichst präzise zu rekonstruieren. Bei der Einsichtnahme und der Bearbeitung der Archivalien war es notwendig, spektral vorzugehen und in Bezug auf jede Regierung deren Beziehungen zu allen europäischen Staaten zu untersuchen, mit denen sie diplomatische Kontakte unterhielt. So wurde zum Beispiel in den französischen Archives du ministère des affaires étrangères nicht nur die interne ministerielle Korrespondenz zwischen Napoleon und Talleyrand konsultiert, sondern auch die Akten und der Schriftverkehr mit Preußen, Kursachsen, Kurhessen, Hamburg, Russland, Österreich, England und Schweden sowie mit den dort ansässigen französischen Repräsentanten systematisch studiert. 78 Der Untersuchungskern der preußischen Außenpolitik und außenpolitischen Praxis besteht aus einer umfangreichen Bearbeitung der Bestände im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Vor allem die in der elften Repositur (Auswärtige Beziehungen) enthaltenen Kommuniqués und Schreiben führender preußischer Kabinettsmitglieder und Vertreter im Ausland sowie Meldungen aus deutschen und europäischen Höfen wurden sorgfältig gesichtet, um die preußische diplomatische Vernetzung und Aktivität auf norddeutscher sowie europäischer Ebene genauestens zu spezifizieren. Ein besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die politischen Beziehungen Preußens zu London und Paris gerichtet, die in Reskripten und im Schriftverkehr der jeweiligen Gesandtschaften zutage kommen. Diese Ausarbeitung wurde durch eine Rekonstruktion von „high political" 7 9 Aspekten am Berliner Herrscherhof und antichambre vervollständigt, welche die nachgelassenen Papiere des Königs, des Grafen von Hardenberg sowie des Kabinettsministers und Botschafters in Paris Luchesinis widerspiegeln. In Bezug auf die preußische außenpolitische Praxis in Norddeutschland und das Vorgehen der norddeutschen Reichsstände wurde ergänzend auch in weiteren Archiven geforscht. Zunächst ermöglichten es Rechercheaufenthalte im Hessischen Staatsarchiv in Marburg und im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden, sowohl die preußischen Beziehungen zu den Kurstaaten als auch de78 Die Archivalien werden in der vorliegenden Arbeit in verkürzter Form nach dem folgenden Beispiel zitiert: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, BerlinDahlem, I. HA. Repositur 11. Auswärtige Beziehungen, Nr. 66-70, Dänemark, Konvolut 91A, f° 176 [zitiert: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 66-70, Konv. 91A, f° 176]. Nicht durchgängig folierte Akten werden mit „unpag." bei Ersterwähnung versehen. Bei allen Quellenzitaten wurde zur Bewahrung des formellen Charakters und der sprachlichen Eigenheiten die ursprüngliche Diktion beibehalten; allein die Orthographie wurde, außer bei Namen und Titeln, den heutigen Regeln angepasst. 79 z. B. Simms, Brendan: The Road to Jena: Prussian High Politics 1804-6, in: GH 12 (1994), S. 385-387.
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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ren Beziehungen zu Preußen und Frankreich zu analysieren. Im Hinblick auf die Beitrittsfrage zum Rhein- oder Nordbund erschloss die Recherche neue Materialien über territorial- und politisch-kulturelle Aspekte in der Außenpolitik Kassels und Dresdens. Kurze Forschungsaufenthalte in Hamburg, Bremen und Lübeck rundeten die Lageanalyse ab. Im Bremer Ratsarchiv, im Lübecker Alten Senatsarchiv und in den hamburgischen Senatsakten wurden die Korrespondenzen der hanseatischen Delegationen in Paris, London und Berlin, der Schriftwechsel der Städte mit ausländischen Agenten sowie der Hansetag zu Lübeck untersucht, auf dem unter anderem die Haltung der Hanse zum preußischen Nordbund diskutiert wurde. Dabei wurden die Besonderheiten der hanseatischen Handels- und Außenpolitik auf europäischer Ebene in ihrem großen Zusammenhang und in ihrem vollen Umfang erkennbar. Zur Analyse des Vorgehens der Großmächte auf dem Kontinent wurden die Bestände der Archive in Paris, London und Wien benutzt. In den Archiven des französischen Außenministeriums konzentrierte sich die Arbeit auf die Correspondance Politique und die Mémoires et Documents. Dadurch konnten die Beziehungen Frankreichs zu den europäischen sowie norddeutschen Staaten in den Jahren 1805/06 präzise rekonstruiert und die Bedeutung des NordbundProjektes im französischen außenpolitischen Denken genau interpretiert werden. So wurde unter den Korrespondenzen und Vorträgen und Denkschriften im Archiv auch ein bisher unbekanntes Memorandum Talleyrands ausfindig gemacht,80 das einen wichtigen Bezugspunkt für die Analyse der Europapolitik Talleyrands und der interkollegialen Verhältnisse zwischen ihm und Napoleon darstellt. Die außenpolitische Praxis und die Außenpolitik Englands konnten durch eine Einsichtnahme in die Akten der National Archives in Kew bei London, seit Frühjahr 2003 Nachfolger des traditionsreichen Public Record Office, 81 zurückverfolgt werden. Als bedeutend erwies sich dabei, neben der General Correspondence englischer Vertreter in Paris, Wien, Petersburg, Dresden, Kopenhagen und Stockholm, vor allem der Schriftverkehr mit Preußen und der hamburgischen Hansestadt. Diese lieferten aufschlussreiche Erkenntnisse über die englisch-preußischen Beziehungen von der Hannover-Krise bis zur Retablierung des Einvernehmens zwischen beiden Staaten. Zudem konnte auch ein Teil des alten Rapports des englischen Sonderbeauftragten Lord Morpeth gesichtet werden, der im Oktober 1806 in Geheimmission zum preußischen König entsandt worden war. Diese sowie die wichtigen Akten über die Friedensverhand-
80
AE, MD Prusse 9, f° 123-131. Im April 2003 wurden die Bestände von Public Record Office mit denen der Historical Manuscripts Commission zusammengelegt und sind seitdem unter dem Namen The National Archives angefühlt. 81
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lungen zwischen Paris und London komplettieren das Gesamtbild der englischen diplomatischen Aktivitäten in Europa in dieser Zeitspanne. Das genaue Vorgehen und die Interessen der Wiener Hofburg ließen sich durch eine Recherche im Haus-, Hof- und Staatsarchiv verfolgen. 82 Die Einsichtnahme in die Akten der Staatenabteilungen bestätigte die Vermutung, dass Österreich sich zwischen Austerlitz 1805 und Aspern/Wagram 1809 bewusst außenpolitisch isolierte und an diplomatischen Aktivitäten nur eingeschränkt teilnahm. Vor allem in Bezug auf Preußen wurde festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt zwischen Wien und Berlin keine diplomatischen Beziehungen auf formeller Ebene existierten. Dennoch gewährte die Bearbeitung der Akten der österreichischen Botschaft in Paris (damals unter der Leitung des jungen Metternichs) Einblicke in die bisher kaum bekannte Haltung der Wiener Hofburg gegenüber Berlin, zu einer Zeit, als erstmals in der Geschichte Europas keine politische Verbindung zwischen Preußen und Österreich bestand.83 Weitere interessante Informationen enthielten auch die Schriftstücke des österreichischen Gesandten in Kopenhagen Grunne, der über die Haltung Dänemarks zum preußischen Nordbund-Projekt Bericht erstattete. Sprachliche sowie bürokratische Barrieren verhinderten einen Besuch in den Moskauer Archiven und eine intensive Recherche des Vorgehens des Zaren. Um diese Lücke einigermaßen schließen zu können, richteten die Untersuchungen der Archivalien in Berlin, Lübeck, Paris, London und Wien ein besonderes Augenmerk auf die Beziehungen zu Petersburg, 84 um die russische Außenpolitik und außenpolitische Praxis durch ihre Widerspiegelung in Berichten und Rapporten ausländischer Vertreter zu rekonstruieren. Zusätzlich konnte die russische Haltung durch die oben erwähnten Quelleneditionen ergänzt und so ein möglichst umfassendes Bild der Geschehnisse aus der russischen Perspektive ermittelt werden. Im Gegensatz zu Russland war, der Forschungsliteratur zufolge, die politische Rolle von Dänemark und Schweden in den Jahren 1805/06 relativ marginal. 85 Aufgrund ihrer Position als Reichsstände in Norddeutschland - Schweden als Vertreter des nördlichen Teils Vorpommerns und Dänemark durch die Per82
Das Wiener Haus-, Hof und Staatsarchiv wurde in den letzten drei Jahren umfassend saniert. Es ist daher erst seit Mitte 2004 unter Einschränkungen für Benützer zugänglich. Da zur Zeit des Archivaufenthalts (Juli - August 2004) die Rücksiedlung der Bestände zum Haus am Minoritenplatz noch nicht vollständig erfolgte, konnten nicht alle relevanten Akten konsultiert werden. 83 Dazu siehe die Bemerkungen bei Fournier , August: Österreich und Preußen im Neunzehnten Jahrhundert. Ein Vortrag, Wien/Leipzig 1907, S. 5-12. 84 Lübeck vertrat die Interessen aller Hansestädte in Petersburg. Weder Bremen noch Hamburg unterhielten eigene diplomatische Kontakte zu Russland. 85 Hierzu siehe vor allem: Heymann , S. 58-60; Klose , Olaf (Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 6, Neumünster 1960, S. 298-301.
II. Forschungsstand und Quellenbasis
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sonalunion mit Holstein - 8 6 und aufgrund der schwedischen Teilnahme an der dritten antifranzösischen Koalition wurden diese in die Untersuchung mit einbezogen. Ein Archivaufenthalt erwies sich dennoch als nicht erforderlich, da die Quellenedition von Martens und die betreffenden Bestände in den Archiven in Berlin, Paris, Wien und London ausreichend waren, um die durchaus interessante Nebenrolle dieser Staaten in der diplomatischen Arena zu verfolgen.
86
Christian VII., der Herzog von Schleswig und Holstein, war zugleich der König von Dänemark und Norwegen.
A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power Unter Napoleon vollzog sich ein umfassender Strukturwandel auf dem Kontinent. Dieser stellt den Höhepunkt eines fortwährenden politischen sowie militärischen Ringens in Europa dar, dessen Ursprung bereits auf strukturelle Entwicklungen im 15. Jahrhundert zurückgeht. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung stand das Grundproblem des modernen europäischen Staatensystems, Machtverteilung oder -konzentrierung, Gleichgewicht oder Hegemonie. Das moderne Staatensystem entstand aus der Erosion der mittelalterlichen zwischenstaatlichen Struktur und dem Abstieg der zentralen Gewalt. Die Abschwächung äußerer Gefahren im späten Mittelalter - die Barbaren, der Islam (in Südspanien) und die Normanen - beraubte das Imperium seiner raison d'etre. Das Zusammenwirken unter den europäischen Staaten bzw. Dynastien schien sich erübrigt zu haben. Die Zentralregierung des Alten Reichs unter dem österreichischen Haus Habsburg büßte dadurch an politischem Gewicht ein.1 Die Schwäche des Zentrums nutzten im 15. Jahrhundert die neu aufkommenden Staaten - vornehmlich Frankreich, England und Spanien - , die sich allmählich zu Mächten ersten Ranges entwickelten. Als die wohl gefährlichste Konkurrenz für die Habsburger erwies sich Frankreich unter dem Haus Valois. Mit dem Einfall Königs Charles VIII. in italienisches Gebiet 1494 forderte Frankreich nicht nur die Herrschaft der österreichischen Dynastie über die Halbinsel heraus, sondern stellte zudem die habsburgische Hegemonie auf dem Kontinent in Frage. 2 Aus dem Antagonismus zwischen den Häusern Habsburg und Valois
1
Dehio, Ludwig: Gleichgewicht oder Hegemonie. Betrachtungen über ein Grundproblem der neueren Staatengeschichte, Krefeld 1948, S. 21-24. 2 Ebd., S. 28-34.
I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power
31
kam ein bipolares Machtsystem zustande, welches die erste Grundlage des modernen Staatensystems darstellte. 3 Die italienischen Staaten, auf deren Territorium sich dieses bipolare System etabliert hatte, lieferten zugleich das Modell und das Prinzip für dasselbe. Im Laufe des 15. Jahrhunderts kristallisierte sich auf der italienischen Halbinsel aus den anarchischen Zuständen (d. h. aus der Abwesenheit einer Zentralregierung) ein politischer Mechanismus heraus, welcher die fünf italienischen Großstaaten (Florenz, Neapel, Mailand, Venedig und der Kirchenstaat) „in modo bilanciate" hielt und somit die Übermacht eines einzelnen von vornherein verhinderte und die Sicherheit aller gewährte. Dieses kleine System des Gleichgewichts wurde im Zuge der Verwurzelung der Rivalität zwischen Habsburg und Frankreich auch auf die internationalen Beziehungen übertragen. 4 Solange Österreich und Frankreich als die einzigen Großmächte galten, positionierten sich die übrigen europäischen Staaten abwechselnd an der einen oder der anderen Seite, um das Gleichgewicht der Kräfte zwischen beiden aufrechtzuerhalten. Denn, so glaubte man, die Übermacht eines Staates destabilisiere den Kontinent und könne unter Umständen zum Krieg führen. Dieser Gleichgewichtgedanke rechtfertigte alle möglichen diplomatischen Kombinationen und Allianzen. So schlossen sich beispielsweise im 16. Jahrhundert Schweden, das Osmanische Reich und Polen dem französischen Königsreich an, um ein vermutetes Übergewicht des Kaisers Karl V. auszubalancieren.5 Eine gerechte Machtverteilung unter den christlichen Völkern Europas erlaubte also auch eine Allianz mit den Osmanen. An der Schwelle zum 17. Jahrhundert nahm die Gleichgewichtsidee neue Bedeutung und neue Dimensionen an, wie die ersten Schriften über das Thema aus dieser Zeit belegen. In einer der wichtigsten zeitgenössischen Abhandlungen zum Thema, der „Discours au Roy Henry III. sur les moyens de diminuer l'Espagnol" von 1584, erörterte der Verfasser Philip Duplessis-Mornay zum ersten Mal die Anwendung des Gleichgewichtsprinzips auf der breiten europäischen Ebene. Darin rief er dazu auf, zwecks der Eindämmung Habsburgs eine europäische Großallianz um den französischen König zu bilden. 6 Es folgte, ein Jahr später, eine bildliche Darstellung der Gleichgewichtsidee, in welcher die Metapher der politischen 3 Duchhardt (1997), S. 7; Kaeber, E.: Die Idee des europäischen Gleichgewichts in der publizistischen Literatur vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Chemnitz 1902, S. 22. 4 Anderson, M. S.: The Rise of Modern Diplomacy 1450-1919, London 1993, S. 150-154; Nys, Ernst M.: La théorie de l'équilibre européen, in: Revue de droit international et de législation compare 25 (1893), S. 35-37. 5 Ebd., S. 41 f. 6 Anderson, S. 153 f.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
Waage (mit Habsburg auf einer Schale und den restlichen Staaten auf der anderen) zum ersten Mal zum Vorschein kam.7 Anlehnend an die Physik gingen die Staatstheoretiker davon aus, dass sich auch auf einer politischen Waage gleiche Kräfte ausgleichen und dass es dadurch zu einem Ruhestand (d. h. Frieden) kommen würde. In der Staatstheorie des 16. Jahrhunderts verstand man also das Gleichgewichtssystem als den einzigen Garant, um ein potenzielles Chaos in Europa abwenden zu können.8 Im 17. Jahrhundert war die alte Staaten weit des Mittelalters durch die Einführung des Gleichgewichtsprinzips endgültig erodiert. Man betrachtete nun wie Giovanni Botero in seiner Schrift von 1605 das System der Balance of Power als Teil der natürlichen Ordnung und als ein auf der Vernunft basierendes Prinzip. Die von der katholischen Kirche sanktionierte Weltordnung unter einem Universalmonarchen wurde nun von einer auf der Aufklärung basierenden Idee eines gleichgewichtigen Staatensystems abgelöst.9 Man erkannte jetzt die Funktion und die Mechanismen des bipolaren Systems unter Habsburg und Frankreich. „Ces princes [Karl V. und Philip II. von Frankreich]", notierte der Publizist Réal de Curban vor dem Hintergrund des Krieges zwischen Frankreich, den Niederlanden und England gegen das Haus Habsburg (1556-1603), „... regardent l'Europe comme une balance dont le coté plus chargé enlève l'autre, et croient qu'afin que l'Europe soit dans une assiette solide et tranquille". 10 Nach dem Gleichgewichtsprinzip standen beide Großmächte stets unter dem Verdacht, eine hegemoniale Position, nämlich eine Universalmonarchie, erlangen zu wollen. So kritisierte 1641 im Hinblick auf den Dreißigjährigen Krieg der Publizist Wunefried Alman von Warendorff in seiner Flugschrift Frankreich, das aus Staatsegoismus die Weltherrschaft anstrebe und am Krieg gegen Habsburg teilnehme, nur um sich selbst eine überragende Stellung zu verschaffen. 11 François-Paul de Lisola erklärte 1667 in seiner „bouclier d'État et de justice", dass zwei Großmächte die Weltordnung determinieren und dass alle anderen darauf bedacht sein müssen, das Gleichgewicht zwischen diesen entweder durch Allianzen oder durch Krieg aufrechtzuerhalten, um die Sicherheit und die Stabilität Europas zu garantieren. 12
7
Kaeber, S. 22-27. Duchhardt (1997), S. 11-12. 9 Kaeber, S. 41-44. 10 Nys,S. 42-43. 11 Warendorff veröffentlichte seine Schrift unter dem Titel „Jean Petage, oder Französischer Brillenreißer, Das ist: Die heut zu Tage verübte Frantzösische Kriegs-Actiones in Deutschland, wo solche hinaussehen, und wie sie in künfftigen ablauffen möchten, durch ein hell Brillenglas". Ebd., S. 45-46. 12 Ebd., S. 59-50. 8
I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power
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In diesem System der Balance of Power ließ man England eine besondere Rolle zuteil werden. In der Gleichgewichtsmetapher sowie in der politischen Wirklichkeit sah sich nämlich England als das Zünglein an der Waage.13 William Camden argumentierte in seiner „History of the most renowned and Victorious Princess Elisabeth, late Queen of England" (London, 1675), die Königin habe als Regulator der Verhältnisse zwischen Frankreich und Habsburg fungiert. 14 In diesem Sinne rief auch eine englische Denkschrift von 1671 - noch vor dem französischen Angriff auf Holland - dazu auf, England möge in den Niederlanden intervenieren, um die Balance zu halten und Frankreich den Weg zur Eroberung Europas zu versperren. 15 Der englische Begriff - Balance of Power - deckte also inhaltlich die Idee des Gleichgewichts der Kräfte oder „balance du pouvoir". In London verstand man allerdings darunter ein System der Balance zwischen den Mächten unter englischer Aufsicht. Englands neue und selbst proklamierte politische Rolle erhob es zugleich zum Rang einer Großmacht. Dies sowie der Abstieg weiterer Staaten führten zur Umbildung des Staatensystems. Russland, dessen Expansionsdrang nach Westen im Nordischen Krieg zutage trat, und Preußen, das sich im Siebenjährigen Krieg als eine neue Großmacht behaupten konnte, veränderten die politische Konstellation auf dem Kontinent. 16 Das bipolare Gleichgewichtssystem ging allmählich in ein fünfpoliges, in eine Pentarchie über, welches letztendlich auch den ursprünglichen Konflikt zwischen Habsburg und Frankreich überdauerte. 17 Die politische Doktrin des Gleichgewichts korrespondierte mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein der europäischen Staaten.18 Allmählich entstanden auch Subsysteme unter regionalen Kräften, welche das primäre System des Gleichgewichts unter den Pentarchie-Kräften untermauerten. So etablierte 1648 der Westfälische Frieden ein Gleichgewicht in den deutschen Gebieten durch konfessionelle Parität, um die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Reichs zu garantieren. 19 Ein Jahrhundert später entwickelte sich das Subsystem der „Ruhe 13 Gollwitzer, Heinz: Geschichte des weltpolitischen Denkens, Bd. 1, Göttingen 1972, S. 244 f. 14 Kaeber, S. 28-29. 15 Ebd., S. 55-57. 16 Ebd., S. 78-79, 106 f. 17 1756 kam es auf die Initiative des österreichischen Außenministers Kaunitz zu einem Abschluss einer Allianz zwischen Habsburg und Frankreich, welche die lange Rivalität beider Staaten (bis zur Französischen Revolution) beendete. 18 Gollwitzer, S. 244. 19 Somit setzte sich der Begriff der Balance of Power im deutschsprachigen Raum durch; siehe: Brunner, Otto, et al. (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 965968.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
des Nordens" zwischen Russland, Polen und den skandinavischen Ländern, welches die Stabilität des Alten Reichs in Nordeuropa sichern konnte. 20 Dieses in der Praxis bewährte Prinzip einer vorsichtigen Macht- und Einflussteilung durch gegenseitige Eindämmung wurde im 18. Jahrhundert auch völkerrechtlich verankert. Im Frieden von Utrecht (1713) zwischen England und Spanien verwies Art. 2 zum ersten Mal auf das Gleichgewichtsprinzip und dessen zentrale Funktion für die Erhaltung des Friedens. 21 Die Idee der Balance of Power wurde zum Axiom in den internationalen Beziehungen. Wie es in einer anonymen englischen Flugschrift aus dieser Zeit (1720) formuliert wurde: „There is not... any doctrine in the law of nations, of more certain truth, of greater and more general importance to the prosperity of civil society, or that mankind has learnt at a dearer rate than this of the Balance of Power." 22 Das Gleichgewicht wurde somit von einer literarischen Figur zu einem Motiv und Maßstab politischen Handelns erhoben. 23 In der völkerrechtlichen Literatur kam es nun zu einer Diskussion über die Nützlichkeit und Anwendbarkeit des Gleichgewichtsprinzips. Einige, wie der Jurist Nikolaus Hieronymus Gundling (1716) oder Ludwig Martin Kahle (1744) in seiner „Die Balance von Europa", argumentierten, man dürfe im Rahmen des Gleichgewichtssystems auch militärisch vorgehen, um eine übermäßige anwachsende Macht eines Staates in Schach zu halten. Denn - so z. B. Johann Christoph Muhrbeck (1773) - nur die Aufrechterhaltung der Balance zwischen den Staaten garantiere die gerechte Machtverteilung der Kräfte unter den Völkern. 24 Teilweise kam es zu einer Idealisierung des Gleichgewichts. So beurteilte der Publizist Friedrich Gentz, der später (in der Übergangszeit) auch eine umfassende Definition dieser Idee lieferte, 25 die Prinzipien der „balance du pouvoir" als die modernsten und aufgeklärten Grundsätze überhaupt. 26 Auch Herder beurteilte die Idee positiv als eine natürliche Entwicklung, die aus an-
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Gollwitzer , S. 245. Brunner , S. 971-972. 22 Anderson^. 163-164. 23 Strohmeyer , Arno: Theorie der Interaktion. Das europäische Gleichgewicht der Kräfte in der frühen Neuzeit, Köln 1994, S. 78. 24 Brunner , S. 973; Nys, S. 52. 25 Gentz definierte das Gleichgewichtsprinzip als „diejenige Verfassung neben einander stehender und mehr oder weniger mit einander verbundener Staaten, vermöge dessen keiner unter ihnen die Unabhängigkeit oder die wesentlichen Rechte eines anderen, ohne wirksamen Widerstand von irgend einer Seite, und folglich ohne Gefahr fur sich selbst, beschädigen kann."; siehe: Gentz , Friedrich von: Fragmente aus der neuesten Geschichte des politischen Gleichgewichts in Europa, St. Petersburg 1806, S. 1. 26 Gulick , Edward Vose: Europe's Classical Balance of Power. A Case History of the Theory and Practice of One of the Great of Concepts of European Statescraft, New York 1967, S. 46-51. 21
I. Zur Geschichte der europäischen Balance of Power
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wachsenden Kräften hervorgehe und zwangsläufig zu ihrer gegenseitigen Beschränkung führe. Ähnlich betrachtete der Mainzer Historiker Niklas Vogt (einer der akademischen Lehrer Metternichs) das Gleichgewichtsprinzip als zentral für das menschliche Leben, welches seiner Meinung nach mit einer Tendenz zum Ausgleich verbunden sei. Ein Gleichgewichtssystem sei daher „ein nützliches und praktisches Resultat der Geschichte, der Philosophie und der Erfahrungen". 27 Und in diesem Sinne erklärte auch der Schweizer Emeric de Vattel die Entstehung des Gleichgewichts in seinem „Le droit de gens" (1758) als das Ergebnis der Existenz unterschiedlicher Völker und Interessen in Europa. 28 Staatsmänner und Theoretiker begriffen das System des Gleichgewichts als ein natürliches bzw. als ein physikalisches Phänomen, auf das der Mensch keinen Einfluss ausüben kann. Der österreichische Staatskanzler Kaunitz glaubte dementsprechend, das Gleichgewicht funktioniere mechanisch und unabhängig von menschlichem Wirken. 29 Friedrich der Große verglich das System mit einem Uhrwerk und in England berief man sich auf Newtons Physik, um die automatische Funktion des Gleichgewichtsprinzips darzustellen. 30 Als eine Art Contrabalance für die Idealisierung der Gleichgewichtsidee erschien in Zentraleuropa auch Kritik am Prinzip und an dessen Funktion. Der Leipziger Kammeralist Johann Heinrich Gottlob von Justi verurteilte in seinem „Chimäre des Gleichgewichts von Europa" (1758) das System als ungerecht und als hemmend für die Entwicklung stärkerer Staaten. Die Gleichgewichtsidee lasse sich laut Justi auf den Neid gegen blühende Staaten zurückführen und fordere daher den Frieden nicht, sondern sei vielmehr verantwortlich für Kriege auf dem Kontinent. 31 Immanuel Kant in seiner Abhandlung „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" (1793) warnte davor, das Gleichgewichtssystem biete eine trügerische und labile Sicherheit, und forderte eine Universalrepublik. 32 Friedrich der Große zog hingegen - unter Bezugnahme auf dieselbe Problematik des Gleichgewichtssystems - die Retablierung einer Universalmonarchie in Europa in Betracht. Aber das System der Balance of Power setzte sich trotzt aller Kritik durch, denn es war in seiner Essenz nichts anderes als eine Abstraktion aus den tatsächlichen politischen Verhältnissen in West- und Mitteleuropa. 33
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Brunner, S. 983-984. Nys, S. 54. 29 Hierzu siehe Strohmeyers weitere Bemerkungen über den Ursprung der Gleichgewichtsidee; Strohmeyer, S. 17. 30 Anderson, S. 167. 31 Nys, S. 52-53. 32 Brunner, S. 982. 33 Kaeber, S. 77. 28
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
Die Grundlagen der Gleichgewichtsdoktrin dominierten den diplomatischen Diskurs. Mitte des 19. Jahrhunderts verankerte sie der englische Politologe Henry Lord Brougham in seinem Kodex über die „General Principles of Foreign Policy". 34 In der diplomatischen Praxis etablierten sich noch vor Brougham einige ungeschriebene Richtlinien und Mechanismen, die das Verhalten der Akteure im Staatensystem bestimmten. Alle basierten auf der Grundidee, dass das Gleichgewichtssystem nicht nur den Frieden, sondern vor allem die Existenz des Einzelnen in der Staatengemeinschaft (und demzufolge auch die Erhaltung des Systems) zu sichern habe.35 Zu diesem Zweck war Wachsamkeit (vigilance) das erste Gebot. Alle Staaten informierten sich mittels ihres diplomatischen Netzwerkes im Ausland über die anderen, über ihre Außen- sowie Innenpolitik, über die Lage ihrer Finanzen, die Stärke der Armee usw. Dadurch glaubten sie, die sich stets veränderte potenzielle Stärke jedes Staates genau ausloten zu können. So konnten die Regierungen Schwankungen in der Machtverteilung registrieren und durch entsprechende Aktionen (politisch oder militärisch) das Gleichgewicht aufrechterhalten. Der zweite Mechanismus war die Bildung von Allianzen - in der Regel mit einer genauen Bestimmung der im Falle des casus foederis zur Disposition zu stellenden Truppenzahl. Diese nutzte man, um Machtungleichheit unter den Staaten zu konterkarieren und die Machtbalance aufrechtzuerhalten. Aus diesen beiden Grundsätzen ergab sich das dritte Prinzip des Systems, die Intervention. Dies dürfe allerdings nur dazu dienen, das Gleichgewicht der Kräfte nach einer übermäßigen bzw. einem unzulässigen Machtzuwachs eines Akteurs wiederherzustellen. 36 Einen Allianz- bzw. einen Vertragsabschluss bestimmte stets die Regel „pacta sunt servanda rebus sie stantibus" d. h., die Verträge galten nur, solange die Umstände unverändert blieben. 37 So war eine Allianzbildung und -umbildung stets möglich, wie das renversement des alliance von 1756 bewies. Eine weitere Grundlage des Systems war die Bereitschaft aller Teilnehmer zu einer gegenseitigen Entschädigung. So hielt man die relative territoriale Größe aller Staaten (ein zentraler Faktor in der Kalkulation ihres Machtpotenzials) durch Teilung und Tausch von Gebieten - oft auf Kosten der Kleinstaaten - in Balance. Dazu gehörte auch eine gewisse Selbsteinschränkung im Verhalten und Vorgehen der Akteure. Kein Staat aus der Pentarchie sollte die Existenz von Gegengewichten gefährden, indem er z. B. eine andere Großmacht zu vernichten drohte. 38 Dies gewährte den Akteuren eine 34
Brougham , Henry Lord: Historical and Political Dissertations (= Works of Henry Lord Brougham, F. R. S., Bd. 8), Glasgow 1857, S. 69-102. 35 Gulick, S. 30 f. 36 Ebd., S. 53-65. 37 Schroeder( 1994), S. 5-11. 38 Kleine Staaten fielen hingegen (wie im Fall Polen) oft den Großen zur Beute.
II. Die Akteure
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notwendige gegenseitige Existenzsicherung. In Extremfällen wie zurzeit der Revolutionskriege garantierte ein weiteres Instrument das Bestehen des Systems und dessen Mitglieder, nämlich die Bildung von Koalitionen. Als Koalition galt eine Allianz von mindestens vier Staaten. Sie wurde zur Aufrechterhaltung bzw. zur Wiederherstellung des Gleichgewichts der Kräfte abgeschlossen, indem sie durch den Zusammenschluss mehrerer Großmächte ein kritisches Gegengewicht schuf. Als das letzte und ultimative Instrument des Gleichgewichts galt die Kriegsführung. Dabei hielt man jeden Krieg zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung der europäischen Balance of Power automatisch für gerecht. 39 Die Instrumente und Mechanismen des Gleichgewichtssystems gewährleisteten das Bestehen der Balance of Power und das Fortbestehen der Hauptmitglieder in der Staatengemeinschaft. In erster Linie sorgten sie dafür, dass keiner eine Übermacht erlangen würde, welche die Position der einzelnen Staaten unterminieren könnte. 40 Das Gleichgewicht an sich war daher nie eine Voraussetzung für Frieden, sondern vielmehr eine Doktrin, ein System, welches darauf abzielte, Änderungen im kontinentalen Status quo zu minimieren. Mit den Revolutionskriegen erlebte Europa neue hegemoniale Anstrengungen.41 Der alte Gegensatz zwischen Österreich und Frankreich entbrannte erneut. Das Gleichgewichtsprinzip kam wiederum zur Anwendung, um der Kräfteverschiebung zugunsten Frankreichs und der Gefahr für die zwischenstaatlichen und gesellschaftlichen Strukturen des Ancien Régime vorzubeugen. 42
II. Die Akteure Die Akteure - die Mächte der Pentarchie, die nördlichen und die norddeutschen Reichsstände - bestimmten die Entwicklung des Staatensystems maßgeblich mit. Deren Institutionen, deren außenpolitische Ausrichtung und deren Grundinteressen sind der Schlüssel zum Verständnis der Ereignisse im europäischen System in der Zeitspanne zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt. In England, das sich seit der Union von 1801 „Vereinigter Königreich von Großbritannien und Irland" nannte, kam es erst 1782 durch die Trennung der Aufgaben zwischen dem Home Secretary und dem Foreign Secretary zur Bildung eines eigenständigen Departments für auswärtige Angelegenheiten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich das Southern Department (zuständig für die südlichen englischen Grafschaften, Irland, die amerikanischen Kolonien, die
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Kaeber, S. 148; Gulick, S. 70-91. Gulick, S. 30-34. Dehio (1948), S. 122. Brunner, S. 984 ff.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
Schweiz, Frankreich, Spanien, die italienischen Staaten, das Osmanische Reich und die Barbareskenstaaten in Nordafrika) und das Northern Department (zuständig für das Alte Reich, Russland, die Niederlande und Skandinavien) die Administration der Kontakte und der Beziehungen zwischen der englischen Krone und den auswärtigen Staaten bzw. britischen Besitzungen im In- und Ausland geteilt. Institutionell war das Foreign Secretary (seit 1808 „Foreign Office") in den ersten Jahren und Jahrzehnten seiner Entstehung von bescheidendem Umfang. Lediglich ein führender Geschäftsträger (d. h. ein Außenminister) und zwei Untersekretäre - der eine unterhielt die Kontakte mit dem Parlament und der andere fungierte als permanenter Assistent des Außenministers - leiteten die auswärtigen Geschäfte Englands. Bis auf den König, der in seiner Eigenschaft als Kurfürst von Hannover häufig in die Entscheidungsprozesse der Reichspolitik seines Landes eingriff, dirigierten und administrierten diese Drei praktisch eigenhändig die Kontakte zwischen dem britischen Kolonialreich, dessen Vertretungen in Übersee und den ausländischen Staaten.43 Die außenpolitische Ausrichtung Englands war in erster Linie nicht durch die so genannte große Politik, sondern durch das wirtschaftliche Interesse geprägt. Denn aufgrund seiner ökonomischen Vorrangstellung in der Welt galt England seit dem Ende des 18. Jahrhunderts - ungeachtet der Verlust der amerikanischen Kolonien 1776 - als die erste unter den Mächten der Pentarchie. Mit der zweitgrößten Einwohnerzahl in Europa (16 Millionen) und einer enormen Wertschöpfung in der britischen Wirtschaft (ca. 30 % der Beschäftigten um 1800 arbeiteten im Gewerbebereich) konnte sich das Vereinigte Königreich Ende des 18. Jahrhunderts als Großmacht ersten Ranges behaupten.44 Der junge englische Premier (und später - 1806 - Außenminister) Pitt wusste von dieser ökonomischen Stärke seines Landes Gebrauch zu machen. Seit 1793 führte er den Krieg um die europäische Stabilität und vor allem um die Verteidigung der englischen Handelsinteressen auf dem Kontinent und in Übersee, indem er durch Subsidienzahlungen die konservativen Kontinentalmächte der Reaktion zum Vorgehen gegen Frankreich und die Revolution animierte. 45 Der lange Krieg, zu dessen Finanzierung schließlich auch eine Einkommenssteuer eingeführt wurde, belastete den britischen Haushalt. 1802 kam 43 Die englischen diplomatischen Missionen im Ausland - so wie die aller anderer europäischer Länder - bestanden in der Regel aus einem leitenden Vertreter, dem Botschafter, und einem Legationssekretär. Die Korrespondenz zwischen London und den Vertretungen in Übersee führten der Außenminister und die Botschafter bzw. chargé d'affaires persönlich. 44 Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und Erneuertes Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1785-1830 (= Handbuch der Internationalen Beziehungen, hrsg. von Heinz Duchhardt/Franz Knipping, Bd. 5), Paderborn 2004, S. 94-97. 45 Ausführlich zur Politik und Person Pitts siehe die folgende Biographie: Reilly.
II. Die Akteure
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es in Amiens zu einem Friedensvertrag mit Frankreich. Pitt trat zurück. Aber die Grundsätze der englischen Außenpolitik, nämlich die Verteidigung der britischen, der dynastischen und der kommerziellen Interessen des Königreichs und der Stabilitätsstiftung in Europa blieben unverändert. Frankreich besaß noch vor den Revolutionskriegen einen hoch entwickelten diplomatischen Apparat. 46 Bereits 1713 wurde unter Louis XIV. das Außenministerium (in seiner modernen Form) gegründet, welches von vier Secrétaires d'État verwaltet worden war. 47 In der Revolutionszeit (1791) wurde das Ressortprinzip eingeführt. Zwei Jahre später wurde das Konsulwesen, das bisher dem Marineressort unterstellt war, ins Außenministerium eingegliedert, um das Wissen und die Stellung der Konsuln für außenpolitische Zwecke verwenden zu können. Das Ministerium war in zwei politische Sektionen aufgeteilt - die nördliche (erste Sektion) und die südliche (zweite Sektion).48 Die erste Sektion pflegte die Kontakte zu Spanien, Portugal, dem Osmanischen Reich, der Schweiz, den italienischen Staaten und (ab 1802) den USA. Die zweite betreute die Korrespondenz mit England (bis 1803), Holland, Österreich, Russland, Preußen, Schweden, Dänemark und den übrigen deutschen Reichsständen.49 Wie in den meisten europäischen Staaten unterteilten sich auch die französischen Vertretungen im Ausland in drei Klassen: eine Botschaft (geführt von einem Botschafter), 50 eine Legation (unter einem Minister oder einem außerordentlichen bzw. bevollmächtigten Gesandten) und schließlich eine Residenz (in den Händen eines Residenten oder eines chargé d'affaires en titre). 51 Somit verfügte der amtierende Minister zurzeit der Revolutionskriege - seit 1797 (mit kurzer Unterbrechung im Jahre 1799) Talleyrand - über ein weltumfassendes diplomatisches Netz. Napoleon hingegen bemühte sich stets, die Außenpolitik selbst zu steuern und die Rolle des Außenministers auf die eines hohen Beamten zu reduzieren. 52 In einigen Fällen intervenierte der französische Staatschef sogar direkt in den Kompetenzbereich Talleyrands und diktierte das außenpolitische Vorgehen auf der Vertretungsebene. 53
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Whitcomb, Edward A.: Napoleon's Diplomatie Service, Durham 1979, S. 3. Das Verwaltungspersonal kam vorwiegend aus dem Bürgertum. 48 1812 wurden die Sektionen in Nord, Zentrum, Ost und West aufgeteilt. Die neue Organisation wurde allerdings nur teilweise implementiert. 49 Ebd., S. 19-20. 50 Bei Abwesenheit des Ministers (Botschafters) übernahm der erste Sekretär als chargé d'affaires ad interim die Geschäftfiihrung. 51 Ebd., S. 4 f. 52 Ebd., S. 149-150. 53 Bemerkenswert ist die Intervention Napoleons 1805 in die Unterhandlungen zwischen Preußen und Frankreich. Damals bemühte sich Laforest, der französische Botschafter in Berlin, darum, Preußen zur Aufrechterhaltung seiner Neutralität im bevorste47
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
Außenpolitisch bildete Frankreich - die zweitwichtigste europäische Großmacht - stets den Gegenpol zu England. 1776 unterstützte Paris die amerikanischen Kolonien. Nachdem es seine Besitzungen in Nordamerika (Louisiana und Kanada) verloren hatte, konkurrierte es weiter mit der englischen Kolonialmacht. 1779 bemächtigte es sich der westafrikanischen Küste und der karibischen Inseln (Guayua, Mauritius und Réunion) und sicherte sich die Kontrolle über zentrale Handelsrouten. Der Wettbewerb mit London führte bereits 1763 infolge des Siebenjährigen Krieges zu Reformen in der Kriegsmarine, zu einem Ausbau der Flotte und der Kriegshäfen (Brest, Cherbourg und Dünkirchen). Dennoch gelang es dem französischen Staat nicht, mit der britischen Seemacht gleichzuziehen. Unter der Leitung des Kriegsministers Claude de SaintGermain begann Frankreich im Revolutionsjahr 1789 die Organisation seiner Streitkräfte zu reformieren, um zumindest dem politischen Übergewicht Englands auf dem Kontinent standhalten zu können. Mit der Revolution, der Gründung der ersten Republik und der Hinrichtung des Monarchen Louis XVI. (1793) verlor Paris seinen wohl wichtigsten Verbündeten, Österreich. 54 Von da an zielte die französische Außenpolitik auf zweierlei: erstens die Fortsetzung der traditionellen Konkurrenz mit England in verschärfter Form (wie in Trafalgar 1805 und in den späteren Invasionsplänen) und zweitens die Abschirmung Frankreichs von den neuen Rivalen in Europa (z. B. durch die Verträge von Campo Forimo und Luné ville). 5 5 Ein Außenministerium im modernen Sinne wurde in Österreich erst im 18. Jahrhundert etabliert, als Kaiserin Maria Theresia am 14. Februar 1742 die Hof(Staats)Kanzlei von der österreichischen Staatskanzlei trennte und für das neue Amt die Funktion des Hofkanzlers (Außenministers) schuf. Unter der Bezeichnung „Geheime (Haus-), Hof- und Staatskanzlei" erfüllte das Amt von 1753 bis 1848 die Funktion eines Außenministeriums nach dem Vorbild der französischen Secrétaires d'État. 56 Die Staatskanzlei wurde in einem Palais am Wiener Ballhausplatz untergebracht (dem heutigen Sitz des österreichischen Bundeskanzleramtes und des Außenministeriums). Unter dem Grafen von Kaunitz wurde die Kanzlei zu einem echten Außenministerium. Experten aus dem
henden Krieg zu bewegen. Napoleon sandte Auf eigene Initiative, und ohne dies mit seinem Minister zu koordinieren, seinen aide de camp Duroc nach Berlin, um die Führung der Verhandlungen zu übernehmen. Talleyrand schrieb er, Laforest dürfe nur in der Anwesenheit Durocs verhandeln; siehe: Napoleon an Talleyrand. Paris, 24. August 1805, in: AE, MD 1776, f° 28. 54 Frankreich war seit dem Vertrag von Versailles (1756) und der Umkehr der Allianzen der Verbündete Habsburgs. 55 Wahl, Albrecht: Geschichte des europäischen Staatensystems im Zeitalter der Französischen Revolution und der Freiheitskriege 1789-1815, München/Berlin 1912, S. 146-147. 56 Ebd., S. 50-51. Zur Gründungsurkunde des neuen Amtes siehe Ebd., S. 181.
II. Die Akteure
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Bürgertum wurden eingestellt und der Verwaltungsapparat reorganisiert. Der Personalbestand blieb allerdings bis zum Ende der Koalitionskriege äußerst gering. Erst Metternich (seit 1809 Geschäftsträger der auswärtigen Angelegenheiten) gelang es schließlich, die Reihen des Ministeriums zu erweitern. 57 Die Außenpolitik Österreichs wurde durch seine übergreifende geographische Stellung in Europa stark beeinflusst. Der Erzherzog von Österreich und römisch-deutsche Kaiser beherrschte ein Imperium, das sich von dem Balkan bis zu den Niederlanden erstreckte. In Ostmitteleuropa versuchte Wien seit 1772 - z. B. durch die Polnischen Teilungen - die russische Expansion aufzuhalten. In Südeuropa musste es das Osmanische Reich stets zurückdrängen. Und in den deutschen Gebieten (d. h. im Alten Reich) konkurrierte es seit dem Verlust von Schlesien an Preußen (1740) mit dem Königreich der Hohenzollern über die Einflussnahme auf Zentraleuropa. Hierzu trat, infolge der Französischen Revolution, die alte Rivalität mit Frankreich wieder zutage. Auf der italienischen Halbinsel und im niederländischen Raum musste Österreich nun seine Konkurrenz mit Paris austragen, um die französische Machtausdehnung ins Zentrum des Kontinents zu bremsen. Aufgrund dieser geographischen Stellung bemühte sich Österreich stets um die Aufrechterhaltung des Status quo.5S Mit der Pillnitzer Erklärung vom 25. August 1791 und der Bildung der ersten antifranzösischen Koalition setzte sich das Habsburgreich einerseits für die alte Ordnung des Ancien Régime, andererseits für die Erhaltung seiner Stellung auf dem Kontinent ein. Obwohl Wien über das größte Heer Europas (300,000 Mann im Jahre 1791) verfügte, scheiterten seine Bemühungen immer wieder, da das Habsburgreich ineffizient verwaltet war und seine Ressourcen nicht optimal verwertet wurden. Die Staatsschulden erreichten bereits 1798 ca. 572 Millionen Gulden und stiegen 1811 auf knapp 727 Millionen auf. Die Finanzmisere erschwerte letztlich die Unterhaltung der Streitkräfte und schwächte das wirkliche militärische Potenzial Österreichs. In Russland existierte seit 1717 ein so genanntes „Kollegium" für auswärtige Angelegenheiten. Das Kollegium bestand aus zwei Abteilungen, die Kanzlei und die Dienstabteilung. Die Erste war für die Ausfertigung von Schriftstücken (Depeschen, Mitteilungen, chiffrierten Berichten usw.) zuständig, und die Letztere befasste sich mit den politischen Entscheidungen, d. h. mit der Formulierung und in erster Linie mit der Durchsetzung der russischen Außenpolitik. An der Spitze der Dienstabteilung stand der Kanzler, der - bis zur Schaffung des Außenministeriums - faktisch als Außenminister fungierte. 1802 kam es auf Ini-
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Erbe, S. 48-49. Ebd., S. 133-137.
A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
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tiative des Zaren Alexander I. zur Konsolidierung des russischen auswärtigen Dienstes durch die Errichtung eines wirklichen Außenministeriums, das dem Staatsoberhaupt direkt unterstellt war. Das Ministerium beschäftigte, im Vergleich zu den übrigen europäischen Außenministerien, eine Vielzahl (hunderte) von Mitarbeitern (z. B. Schreibern, Archivaren, Dechiffreuren und Übersetzern). Diese betreuten nicht nur die diplomatische Korrespondenz zwischen Russland und dem Ausland, sondern sorgten vor allem für die Aufrechterhaltung der Verbindungen zwischen der Zentralregierung in Petersburg und den Völkerschaften im mittleren Orient und in Sibirien. Das neue Ministerium diente also zugleich als Instrument der Außenpolitik und als zentraler Verwaltungsapparat für das russische Riesenreich (ca. 19. Millionen qkm mit einer Bevölkerung von 37 Millionen im Jahre 1800). Zum letzteren Zweck (d. h. Ordnungsstiftung im Innern) unterhielt Russland ungeachtet geringer Einahmen und ständiger finanzieller Schwierigkeiten ein übermäßig großes Heer (470.000 Mann um 1780). 59 Das russische Zarenreich betrieb eine Expansionspolitik in alle Richtungen. Der Grund hierfür lag nicht im Populationszuwachs, sondern vielmehr an den russischen Handelsinteressen in Westeuropa. 60 Im Vertrag von Kü9ük Kaynarca (1774) erhielt es von der Hohen Pforte neue Gebiete am Schwarzen Meer. Durch die Polnischen Teilungen drängte es Richtung Westen. 1801 expandierte es Richtung Kaukasus durch die Annexion von Georgien. Zugleich baute Russland seine Präsenz im Mittelmeerraum aus. 1798 übernahm der orthodoxe Zar Paul I. die Position des Großen Meisters des Ordens der Ritter von St. Johann von Jerusalem und somit die Kontrolle über die strategisch wichtige Insel Malta, die seit dem Mittelalter von diesem Orden kontrolliert und regiert worden war. 61 1799 nahm Russland, das über die viertstärkste Flotte in Europa verfügte, 62 die Ionischen Inseln ein und stärkte seine Position entlang den wichtigen Handelsrouten im Mittelmeer. Jenseits der Handelsinteressen waren die konservativen russischen Zaren auch stets darauf bedacht, die alte europäische Ordnung aufrechtzuerhalten. Paul I. beabsichtigte nach Ausbruch der Revolution, Österreich militärisch zu unterstützen, und wurde nur infolge des überraschenden Sieges Napoleons in Italien (1797) davon abgehalten. Paul schloss sich aber später der zweiten Koalition an. Alexander I., obwohl er von der Idee durchdrungen war, das Abendland im christlichen Sinne zu erneuern, folgte der Idee seines Vaters.
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Ebd., S. 237-243. Russland war ein wichtiger Exporteur von Hanf, Eisen und Holz für Schiffbau und besaß jahrzehntelang das Monopol für Masten. 61 Gregory, Desmond: Malta, Britain and the European Powers 1793-1815, London 1996, S. 35, 107, 119 f. 62 Insgesamt verfugte die russische Rotte über 53 Linienschiffe. 60
II. Die Akteure
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Zwar wirkte er zunächst gemeinsam mit dem französischen Konsul für die Regulierung der Entschädigungsfrage der linksrheinischen Reichsfürsten, aber er betrachtete diesen stets als Usurpator und sobald der Letzte das Legitimitätsprinzip verletzte - im Fall des Prinzen Enghien - rief er Österreich, Schweden und Preußen zum Kampf gegen Frankreich. In Preußen leitete der Monarch persönlich den Schriftverkehr mit den Gesandten im Ausland. Diese waren deshalb seit 1716 dazu verpflichtet, untereinander zu korrespondieren und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.63 Erst zwölf Jahre später legte König Friedrich Wilhelm II. per Dekret die Grundlagen zu einem eigenständigen preußischen Außenministerium. Am 8. Dezember 1728 richtete er das Kabinettsministerium vor, das unter anderem auch als Gremium für auswärtige Angelegenheiten fungierte. Der Aufgabenbereich des Ministeriums reichte von der politischen und rechtlichen Beratung über die Betreuung der Beziehungen Preußens zum Alten Reich und zu auswärtigen Staaten bis zu Zuständigkeiten im Handels- und Konsularwesen. Seit der Etablierung des Ministeriums amtierten zwei Minister gleichzeitig, wobei das Ministerium in der Regel seinen Sitz im Privathaus des leitenden Ministers hatte. 64 Die Minister leiteten die Außenpolitik selbstständig, handelten mit akkreditierten Vertretern und verfassten Schriftsätze. Sie waren aber stets dazu verpflichtet, den Monarchen über außenpolitische Gegenstände verbal oder schriftlich zu unterrichten, und benötigten seine Zustimmung in allen zentralen Fragen. 65 In der Übergangszeit wurde das preußische Kabinettsministerium mehrmals reformiert. 1791 wurden die Zuständigkeiten im preußischen Kabinettsministerium aufgeteilt. 66 Weitere Reformen des Kabinettsministeriums erfolgten am 10. Oktober 1795 mit der Einführung eines umfassenden Reglements und der Schaffung der Stellen eines Direktors und eines Vizedirektors. 67 1798 wurde das Ministerium konsolidiert, als Friedrich Wilhelm II. (nach 70 Jahren) die kollegiale Geschäftsführung in den auswärtigen Angelegenheiten beendete und die Verantwortungsbereiche des Ressorts aufteilte. 68 Nach Alvenslebens Tod (1802) wandelte Haugwitz das Ressort in eine selbstständige Zentralbehörde um. Die für den unpolitischen Schriftwechsel verantwortliche Geheime Staatskanzlei wurde ein Jahr später abgeschafft und in die Kanzlei des Kabinettsmi63
Kohnke, Meta: Das preußische Kabinettsministerium. Ein Beitrag zur Geschichte des Staatsapparates im Spätfeudalismus, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 2 (1978), S. 193 f. 64 Ebd., S. 319-322; ders.: Das preußische Kabinettsministerium. Ein Beitrag zur Geschichte des Staatsapparates im Spätfeudalismus, Phil. Diss., Berlin 1968, S. 146. 65 Ders. (1978), S. 319-322. 66 Ebd., 342-344. 67 Ders. (1968), S. 142-147. 68 Ebd., S. 153-155; ders. (1978), 345-346.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
nisteriums integriert. 69 Erst 1808, mit den Reformen Steins und Hardenbergs infolge der preußischen Niederlage bei Jena/Auerstedt 1806, wurde das Kabinettsministerium zum „preußischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten" umbenannt.70 In seinem außenpolitischen Vorgehen war Preußen stets darum bemüht, eine vom Alten Reich unabhängige Politik zu betreiben. Dies ermöglichte dem preußischen Monarchen seine doppelte politische Positionierung als Reichsstand (Kurfürst von Brandenburg) und als vom Reich getrennter Herrscher (König von Preußen). Dabei bestimmte sein geopolitisches Denken seine außenpolitische Praxis. Das ungeachtet der Bestrebungen Friedrich des Großen weiterhin zersplitterte preußische Staatsgebiet zu konsolidieren, war das Ziel alle regierenden Monarchen. Hannover sowie kirchliche Territorien trennten Preußen von seinen westlichen Besitzungen. Ansbach und Bayreuth waren preußische Enklaven mitten in Bayern. Preußen verfügte praktisch über keine militärische Grenze, die man verteidigen konnte. 71 Der preußische Staat sah sich von Osten (Russland) und von Westen (Frankreich) bedroht. Hierzu kam die traditionelle Rivalität mit dem Haus Habsburg, welche die preußische Politik gegenüber Österreich seit den Schlesischen Kriegen prägte. 72 Diese verstärkte in den Augen Berlins den Druck auf seine Ostgrenze. Die Situation verschärfte sich aufgrund der Polnischen Teilungen (1793 und 1795) und des darauf folgenden Verschwindens der Pufferzone zwischen Preußen und dem russischen Zarenreich. 73 Aus diesen Gründen unterhielt Preußen ein zu seiner Bevölkerungsgröße (ca. 5,4 Millionen im Jahre 1790) ungewöhnlich starkes Heer. Bis zum Tode Friedrich II. verfügte die preußische Armee über 190.000 Mann. Das Militär verschlang knapp zwei Drittel der Staatsausgaben und war neben dem veralteten Steuersystem und der starken Regulierung der Wirtschaft einer der Hauptgründe für die Verschuldung des Staates.74 Im Reichsdeputationshauptschluss (1803) konnte Preußen dank seinem militärischen und politischen Gewicht die Mainzschen Besitzungen in Thüringen, Hildesheim, Paderborn sowie die Reichstädte Goslar, Mühlhausen und Nordhausen in sein Staatsgebiet eingliedern. 75 Seine Arrondierungspolitik setzte Berlin auch nach Austerlitz und bis zur Niederlage bei Jena/Auerstedt mit großem Elan fort.
69
Ebd., S. 158-170. Ebd., S. 180. 71 Simms (1994), S. 71-73. 72 Ebd., S. 105-108. 73 Ebd., S. 73-74. 74 Die preußischen Staatschulden betrugen 1797 ca. 48 Millionen Taler. 1806 beliefen sie sich auf 53 Millionen Taler; Erbe, S. 146. 75 Ebd., S. 141 f. 70
II. Die Akteure
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Neben den Mächten der Pentarchie spielten auch die nördlichen Reichstände, Schweden und Dänemark eine Rolle in der diplomatischen Arena zurzeit Napoleons. Obwohl sie sich am geographischen Rande des Geschehens befanden, beeinflussten ihre Außenpolitik und ihr außenpolitisches Vorgehen in einem nicht unbeträchtlichen Maße die Vorgänge im Zentrum des Kontinents. Schweden, einst eine europäische Großmacht, büßte seit dem Abschluss des Westfälischen Friedens an Bedeutung ein. Mit 2.5 Millionen Einwohnern (davon 0.5 in Finnland) galt es aber weiterhin als eine wichtige Macht im Norden. Die schwedische Außenpolitik steuerte alleine der Monarch, der sich stets als sein eigener Außenminister verstand. 76 Erst 1791 schuf dieser ein „Büro für auswärtige Korrespondenz", das einem ständigen Sekretär unterstellt war. Das Büro stellte allerdings den verlängerten Arm des königlichen Kabinetts dar und unterstand der unmittelbaren Kontrolle des Königs. 77 Seine Außenpolitik richtete der Monarch, Gustav III., zurzeit der Französischen Revolution nach den Grundmaximen des Ancien Régime aus - Legitimität, Balance of Power und Solidarität unter den Monarchen. Er verweigerte daher der jungen französischen Republik die offizielle Anerkennung. Nach dem misslungenen Fluchtversuch Louis XVI. wirkte er am Bund der europäischen Fürsten mit, um dem festgehaltenen Monarchen zu Hilfe zu kommen. Nachdem Gustav III. 1792 einem Mordanschlag zum Opfer fiel, übernahm der Herzog Karl von Södermanland die Regentschaft. Vier Jahre später bestieg Gustav IV. den Thron. Der neue König heiratete 1797 eine badische Prinzessin und hatte stets starke Sympathien für das Alte Reich, dem er als Herzog von Pommern angehörte. Gustav IV. setzte die konservative außenpolitische Linie seines Vaters fort. Gegen die Umbildung des Reichs nach dem Reichsdeputationshauptschluss erhob er laut Protest. Infolge der Entführung des Herzogs Enghien durch französische Soldaten aus dem badischen Eltenheim, welche er während seines Urlaubs in Baden persönlich miterlebte, schloss er sich der dritten Koalition an. Die Schwäche der schwedischen Währung und die daraus resultierte Destabilisierung der schwedischen Wirtschaft führte allerdings dazu,78 dass Stockholm am antifranzösischen Krieg nur beschränkt teilnehmen konnte. 79 Dänemark hingegen vermied von vornherein eine Verwicklung in die Koalitionskriege. Die dänische Außenpolitik steuerte seit 1734 die „königlich Teut-
76 Ein modernes Ministerium für auswärtige Angelegenheiten wurde in Stockholm erst 1840 eingerichtet. 77 Erbe, S. 53-54. 78 Schweden hatte 1803 Wismar an den Herzog von Mecklenburg-Schwerin auf 100 Jahre für 1.25 Millionen Reichstaler verpfändet, um seine Währung zu stabilisieren. 1903 verzichtete Schweden für immer auf die Einlösung. 79 Ebd., S. 224-227.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
sehe Canzlei der in- und ausländischen Affairen". Diese unterstand einem Staatssekretär, der die Arbeit der auswärtigen Abteilung und die Abteilung für die deutschen Provinzen koordinierte. Die Staatssekretäre waren meist deutscher Abstammung und Beratungen erfolgten in der Regel auf Deutsch. Im Dezember 1774 wurde das für auswärtige Angelegenheiten zuständige Büro zu einer eigenständigen Behörde erhoben, obwohl dessen Leiter weiterhin auch für die Verwaltung der deutschen Provinzen verantwortlich blieb. Das Amt verfügte bis zur Reform von 1848 über einen kleinen Personalbestand.80 Das territorienreiche Königreich, das außer dem dänischen Kerngebiet auch die Ostseeinsel Bornholm, die Herzogtümer Schleswig und Holstein, Norwegen (samt der Faröer, Island und Grönland) sowie die westindischen Inseln St. Croix, St. Thomas und St. John umfasste, hatte eine relativ kleine Einwohneranzahl im Kerngebiet (900.000) und konnte daher nur eine bescheidende Militärmacht aufstellen. In seiner Außenpolitik beharrte Kopenhagen daher stets auf einer neutralen Position. Eine Reihe von Ministern, die aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des geisteskranken Königs Christian VII. die Politik des Landes maßgeblich bestimmten, machte die dänische Neutralität zur außenpolitischen Maxime. Der Hannoveraner Bernstorff, der die deutsche Kanzlei leitete, prägte in diesem Zusammenhang das Prinzip der „Ruhe des Nordens" als Rechtfertigung für die dänische Neutralitätspolitik. Zum Kurswechsel in der Außenpolitik Kopenhagens kam es erst 1807, als Dänemark gezwungen war, der napoleonischen Kontinentalsperre beizutreten. Die englische Reaktion auf die neue dänische Politik - nämlich die Beschlagnahmung der dänischen Flotte und die Zerstörung der Werftanlagen in Kopenhagen - führte schließlich zu einem Bündnis zwischen Dänemark und Paris. 81 Auch die deutschen Kleinstaaten und die hanseatischen Stadtrepubliken spielten in dieser Zeitspanne eine nicht unbeträchtliche politische Rolle. Aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen war ihre Position in der diplomatischen Arena für die europäischen Mächte von großer Bedeutung. Kursachsen mit 1,8 Millionen Einwohnern und seiner europaweit bedeutenden Gewerberegion - Leipzig war eine Messestadt ersten Ranges - profilierte sich als wirtschaftliches Zentrum. Von seiner Position machte der Kurfürst Friedrich August III. Gebrauch, um gegen die Französische Revolution diplomatisch aktiv zu werden. Mit dem Geheimen Konsilium als beratendem Gremium an seiner Seite, bestimmte er die Außenpolitik seines Landes und formulierte die Instruktionen an die kursächsischen Gesandten im Ausland. 82 Der konservative Fürst initiierte 1791 die Pillnitzer Erklärung und erwies sich als eine 80 81 82
Ebd., S. 53. Ebd., S. 220-232. Kursachsen verfügte über keinen auswärtigen Apparat im modernen Sinne.
II. Die Akteure
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wichtige ideologische Triebkraft der antifranzösischen Koalition. 83 Am Reichskrieg gegen Frankreich beteiligte er sich mit einem Kontingent von 10.000 Mann. Aufgrund der prekären geographischen Position seines Landes - zwischen Preußen, Österreich und den Frankreich zugeneigten süddeutschen Staaten - nahm er nach dem Reichsdeputationshauptschluss eine neutrale Position • 84
ein.
Kurhessen, mit 455.000 Einwohnern der drittwichtigste norddeutsche Reichsstand nach Preußen und Kursachsen, betrieb unter dem Landgrafen und seit 1803 Kurfürsten Wilhelm IX. (Kurfürst Wilhelm I.) eine opportunistische Außenpolitik. 1792 nahm es an der Seite Preußens und Österreichs am Krieg gegen Frankreich teil. Seine Streitkräfte, die auch als Söldner im Dienst Englands im Kampf gegen die aufständischen Kolonien in Nordamerika kämpften, gehörten zu den besten ihrer Zeit. Das nach preußischem Muster aufgebaute Heer wurde 1794 durch Umstrukturierung, die der Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht nachkam, reformiert und verstärkt. Ungeachtet der Stärke seiner Armee unterließ aber der Fürst eine weitere direkte Einmischung in den europäischen Krieg. 1795 trat er dem preußischen Neutralitätssystem bei. Seitdem bemühte er sich, durch Verhandlungen mit Frankreich sowie mit den Alliierten seine Territorialinteressen durchzusetzen. 1803 erhielt er schließlich im Reichsdeputationshauptschluss die erwünschte Expansion seiner Länder sowie den lang ersehnten Kurfürstentitel. Erfolglos manövrierte er zwischen den rivalisierenden Mächten in Europa. Sein Land erklärte er zwar 1806 kurz vor Kriegsausbruch für neutral, aber seine Neutralität wurde von Frankreich nicht respektiert. Nach der preußischen Niederlage wurde Kurhessen aufgelöst. 85 Die Hansestädte (Hamburg, Bremen und Lübeck) profilierten sich im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts als wichtige Wirtschaftszentren. Hamburg lieferte seit Beginn der Revolution Bargeld an Frankreich und wickelte zugleich englische Transaktionen für die Auszahlung von Subsidien an die antifranzösische Koalition ab. 86 Der Lübecker Ostseehafen fungierte als zentraler Umschlagplatz für russische Handelsschiffe, und Bremen betrieb einen regen Warenhandel mit England. In der Hanse liefen die Fäden des internationalen Handels zusammen. Die ökonomischen Interessen der Hanse bestimmten darum maßgeblich ihr außenpolitisches Vorgehen. Stets waren die drei Städte darauf
83 Böttiger, Carl Wilhelm: Geschichte des Kurstaats und Königreiches Sachsen, bearb. von Theodor Flathe, Bd. 2, Gotha 1870, S. 593-594. 84 Erbe, S. 164-166. 85 Ebd., S. 174-176. 86 Bruguière , Michel: Remarques sur les rapports financiers entre la France et l'Allemagne du nord à l'époque napoléonienne: Hambourg et „la partie de la paix", in: Francia 1 (1973), S. 468-475.
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A. Historischer Hintergrund und Rahmenbedingungen
bedacht, ihre kommerziellen Interessen auf europäischer Ebene durchzusetzen. Es gelang ihnen, die zentralen Grundsätze ihrer Politik - nämlich: Unabhängigkeit, Handelsfreiheit und Neutralität - auch im Reichsdeputationshauptschluss (1803) verankern zu lassen.87 Die Hanse sah sich im Großen und Ganzen viel mehr an die europäischen als an die deutschen oder norddeutschen Staatenverhältnisse gebunden.88 Ohne einen auswärtigen Apparat und ohne Streitkräfte bemühten sich Hamburg, Bremen und Lübeck, durch ihr Netzwerk von Konsuln und Wirtschaftsvertretern ihre Interessen wahrzunehmen. Erfolg hatten sie allerdings oft nur dann, wenn die internationale Machtkonstellation zufälligerweise mit ihren Zielen korrespondierte. Über ihre Stellung in Europa entschied letzten Endes der Machtkampf der Großmächte.
87
Schmidt, Burghart, S. 162. Williams, Ernst: Der Gedanke einer Neutralisierung der Hansestädte 1795-1803. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideen, in: Hansische Geschichtsblätter 49 (1924), S. 1. 88
B. Balance of Power oder Hegemonie
I. Die antifranzösische Koalition Seit Beginn der Revolutionskriege unterminierte der französische Machtzuwachs in Europa das etablierte System des Gleichgewichts der Kräfte. Die drohende Gefahr einer französischen Hegemonie für die kontinentale Stabilität war den Reaktionsmächten unverkennbar. Diese abzuwehren wurde folglich die erklärte Absicht der antifranzösischen Koalition. Ihr primäres Ziel war es dabei, die vorrevolutionäre Balance of Power wiederherzustellen. Der Kampf der Koalitionsmächte um das europäische Gleichgewicht prägte auch die Historiographie des revolutionären Zeitalters. Aus der Geschichtsschreibung der so genannten Koalitionskriege geht eine oft dichotomische Unterscheidung zwischen dem nach Hegemonie strebenden Frankreich und den Kräften des alten Gleichgewichts hervor. 1 In der Tat aber existierte auch unter den Alliierten oft latente und zuweilen offenbare Dissonanzen. Zwischen der Gedanken- und Ideenwelt des russischen Zaren und den kommerziellen und dynastischen Interessen des englischen Königreichs bestanden erhebliche Unterschiede. Der Zar, Hauptträger der Idee des europäischen Gleichgewichts, wünschte seit dem Ende der zweiten Kampfrunde (1798-1802) ein friedliches Einvernehmen mit Frankreich im Rahmen einer Erneuerung der kontinentalen Balance of Power. 2 Obwohl er Napoleon stets als Usurpator verurteilte, wollte Alexander I. den Herrscher an der Seine aufgrund dessen militärischer Erfolge nicht weiter herausfordern. Aus taktischen Überlegungen zog er es daher temporär vor, die neue französische Regierung zu tolerieren. Diese Duldung der napoleonischen Herrschaft endete abrupt in dem Moment, da Napoleon die politische Weltanschauung des Zaren attackierte. Die auf Napoleons Befehl erfolgte Entführung eines französischen Émigré, des Herzogs von Enghien und Prinzen von Bourbon, aus Baden, seine Verhaftung in Paris, die in seine Verurteilung und sein anschließendes Füsilieren am 20. März 1804 1 2
Siehe exemplarisch: Schroeder (1994). Paleolouque, Maurice: Alexander I der rätselhafte Zar, Berlin 1937, S. 33-35.
B. Balance of Power oder Hegemonie
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mündete,3 betrachtete Alexander als einen direkten Angriff auf das Ancien Régime. Die Verletzung der Souveränität des neutralen Herzogtums Baden bei der Entführung des schuldlosen Prinzen war für ihn eine respektlose Provokation aller legitimen Herrscher. Die Meldung über das Schicksal des Prinzen ließ daher in Petersburg das bereits abgeklungene Ressentiment gegenüber Napoleon erneut aufflackern. Peter Oubril, der russische chargé d'affaires in Paris, wurde folglich Ende Mai 1804 abberufen. Wie der französische Minister Fouché vermutet hatte,4 führte die durch die Affäre um den Prinzen von Bourbon ausgelöste Empörung innerhalb kurzer Zeit zu einem Konflikt mit Frankreich. 5 Die englische Entscheidung zur Wiederaufnahme der Koalitionskriege kann man zunächst auf die Handelspolitik Englands zurückführen. Die anwachsende Bedrohung der britischen Wirtschaftsinteressen führte zu einem Bruch mit Frankreich. Als England im Vertrag von Amiens am 27. März 1802 Separatfrieden mit Frankreich schloss und aus der Koalition ausschied, sicherte es sich zwar den Frieden, büßte aber zugleich seine auf merkantiler Dominanz basierende Übermacht ein.6 In Übersee überließ England, gemäß den Vertragsbestimmungen, das Kap der Guten Hoffnung der von Frankreich annektierten batavischen Republik und musste darüber hinaus seine Streitkräfte aus besetzten Kolonien abziehen. Was den Orient betrifft wurde das Kabinett von St. James durch Napoleons Pläne alarmiert, auf die britische Herrschaft in Indien Anspruch zu erheben. Auf dem Kontinent blockierte die verlängerte französische Präsenz in den Niederlanden durch die Kontrolle über den Fluss Scheidt und über Antwerpen den Export englischer Waren nach Nordeuropa und verstieß dadurch gegen den Vertrag von Amiens.7 Die Umsetzung des Friedensvertrags in Übersee und seine Missachtung in Europa dienten den französischen Machtbestrebungen und gefährdeten zugleich die britischen Handelsinteressen. Infolgedessen reifte an der Themse die Erkenntnis, dass Napoleon Frieden als Fortsetzung des Eroberungskrieges mit anderen Mitteln verstand.8 In London bereitete man sich folg3
Der Herzog von Enghien (Prinz Henri Antoine von Bourbone) wurde am 14. März 1804 von 200 französischen Soldaten aus Eltenheim im neutralen Herzogtum Baden entführt und in Paris inhaftiert. Nach einem Eilprozess wurde er wegen angeblicher Konspiration gegen Napoleon und den französischen Staat zum Tode verurteilt und exekutiert. Siehe den Überblick in: DN, Bd. 1, S. 724-727. 4 Die Exekution des Prinzen kommentierte Fouché mit einem lapidaren Satz: „c'était plus qu'une crime, c'était une faute". Hierzu: Tulard, Jean: Joseph Fouché, Paris 1998, S. 170. 5 Steon-Watson, S. 85-86. 6 Chamberlain , Muriel, E.: ,Pax Britannica?'. British Foreign Policy 1789-1914, London 1988, S. 31. 7 Turner , L. C. F.: The Cape of Good Hope and the anglo-french Conflict 1797-1806, in: Historical Studies. Australia and New Zealand 36 (1961), S. 374-375. 8 Reilly , Robin: Pitt the Younger 1759-1806, London 1978, S. 321.
I. Die antifranzösische Koalition
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lieh auf eine neue militärische Konfrontation mit Frankreich vor. Auf die abermals hinausgezögerte Räumung der niederländischen Territorien, welche im Frieden von Amiens vereinbart worden war, konterte nun der englische Premierminister Henry Addington, indem er die planmäßige Räumung von Malta widerrief. 9 Die angespannte Situation eskalierte allmählich und führte zum Bruch mit Frankreich. Die englische Handelspolitik bestimmte weiterhin die außenpolitische Praxis Englands mit. Zum offenen Konflikt mit Frankreich kam es allerdings erst nach einer unmittelbaren Verletzung der englischen Souveränität und der englischen dynastischen Interessen. Am 16. Mai 1803 nahmen französische Truppen - als Gegenreaktion auf die Verzögerung bei der Räumung Maltas - Hannover ein. Das Vorgehen Frankreichs löste beim aus der hannoverischen Dynastie stammenden englischen König (und Kurfürsten von Hannover) George III. Empörung aus. Auf diese direkte Missachtung seiner kontinentalen Landeshoheit reagierte er noch am selben Tag und erklärte Frankreich offiziell den Krieg. 10 Aus unterschiedlichen Motiven (Verteidigung legitimer Herrschaft sowie kommerzieller und dynastischer Interessen) waren Russland und England bereit, in den Krieg zu ziehen. Nach einer dreijährigen Phase der Détente auf dem Kontinent kam im Frühjahr 1804 die einstmalige diplomatische Konstellation erneut zustande. Um die Achse Petersburg-London bildete sich die neue antifranzösische Koalition. Am 11. April 1805 unterzeichnete der englische Botschafter Lord Granville Levenson Gower zusammen mit den leitenden russischen Ministern Czartoryski und Novossilzoff den Koalitionsvertrag. 11 Österreich (am 9. August) 12 sowie Schweden (am 3. Oktober) 13 traten der Koalition bei und garantierten gegen er-
9
Die Garnison auf Malta musste England nach dem Frieden von Amiens räumen. Coquelle, S. 44-49; Reilly, S. 310-311. Zu Maltas strategischer Bedeutung siehe: Gregory, S. 256-264. 10 Chamberlain , S. 27-29; Gates, David: The Napoleonic Wars 1803-1815, New York/London 1997, S. 16-17; Brandes, Karl Friedrich: Hannover in der Politik der Großmächte. 1801-1807, in: FBPG 51 (1939), 52 (1940), S. 247. 11 Steon-Watson, S. 87. 12 Déclaration de Stadion à Czartoryski. Petersburg, 9. August 1805, in: RPTA, Bd. 8., S. 343-345; Déclaration de Czartoryski à Stadion. Petersburg, 9. August 1805, in: ebd., S. 343-345; Déclaration de Czartoryski à Lord Granville Levenson Gower. Petersburg, 9. August 1805, in: ebd., S. 347. 13 Traité entre Sa Majesté britannique et le roi de Suède. Beckascog, 3. Oktober 1805, in: ebd., S. 356-358.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
hebliche Subsidienzahlungen ihr militärisches Engagement in der bevorstehenden Auseinandersetzung mit Frankreich. 14 Die unterschiedlichen Interessen der Alliierten wurden im Koalitionsvertrag auf einen Nenner gebracht, nämlich auf die vom Zaren propagierte Idee, die europäische Balance of Power wiederherzustellen. Dementsprechend wurde auch die Widerherstellung des Friedens und des Gleichgewichts (de la paix et de l'équilibre) in Europa (Art. 1 des Koalitionsvertrags), das durch die überproportionale Territorialexpansion Frankreichs (Präambel) gestört worden war, zum primären Ziel des militärisch-politischen Bündnisses.15 Im Rahmen dieses erneuerten Gleichgewichts sollten die partikulären Interessen der Großmächte gesichert werden. Durch die Restitution von Hannover und der Niederlande (Art. 2.a, b) - eine englische Forderung - 1 6 und durch den kompletten französischen Rückzug aus Italien (Art. 2.c, d) - ein österreichisches Anliegen - wollte man auch den spezifischen Interessen der betreffenden Staaten Folge leisten. Dabei sollte der Vertrag in erster Linie eine am Prinzip des Gleichgewichts ausgerichtete territoriale Reduzierung Frankreichs auf seine vorrevolutionäre Grenze vollziehen. 17 Eine Intervention in die innere französische Konstitution respektive die Entthronung Napoleons, die zehn Jahre später auf dem Wiener Kongress zielgerichtet oktroyiert wurde, war hierbei nicht anvisiert. 18 Vielmehr wollten die Alliierten Frankreich in ein neues europäisches „système fédératif ' (sechster Separatartikel) mit einbeziehen, um die künftige Neuordnung Europas zu konsolidieren. 19 Der Zweck dieser Eindämmungspolitik der Alliierten war es, die hegemonialen Ambitionen Napoleons zu unterdrücken und den Status quo ante bellum
14 Der Vertrag (Art. 3) stellte den Verbündeten englische Subsidienzahlungen in Höhe von 240.000£ per annum für je 100.000 Mann in Aussicht. Die Auszahlung erfolgte (Art. 4) auf monatlicher Basis. 15 Traité entre la Grande-Bretagne et l'empereur de toutes les Russies de concert avec l'Autriche. Petersburg, 11. April 1805, in: ebd., S. 330-333. 16 Damit visierte England die Wiederherstellung seiner vorherigen maritimen und territorialen Position vor dem Frieden von Amiens an; hierzu: Duffy, Michael: British Diplomacy and the French Wars 1789-1815, in: Britain and the French Revolution 1789-1815, hrsg. von H. T. Dickinson, London 1989, S. 133-134; Brandes, S. 254. 17 Hierzu siehe auch den sechsten Separatartikel des KoalitionsVertrags vom 11. April 1805, in: RPTA, Bd. 8, S. 336-337. 18 In London und in Wien war man anfangs überzeugt, dass die Etablierung einer erblichen Monarchie in Frankreich (1804) die dortigen inneren Zustände stabilisiere und das französische außenpolitische Vorgehen mäßige. Hierzu: Coquelle, S. 4-5; Beer (1872), S. 51-52. 19 Siehe den sechsten Separatartikel und vgl. auch mit Art. 2.e. zum Koalitionsvertrags, in: RPTA, Bd. 8, S. 336-337. Der Begriff „système fédératif 4 wird in diesem Kontext nicht erläutert. Es handelt sich wahrscheinlich um die Erneuerung des europäischen Mächtekonzerts; vgl.: Rohden, S. 78-79 sowie Chamberlain , S. 34.
I. Die antifranzösische Koalition
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wieder herzustellen. Die kommerziellen Interessen Englands und die territorialen Interessen Österreichs konvergierten dabei mit dem allgemeinen Wunsch aller Beteiligten - vor allem des russischen Zaren und des schwedischen Königs nach einem erneuerten kontinentalen Äquilibrium. Als einziger Staat aus dem ursprünglichen Koalitionslager stand Preußen außerhalb des neuen Arrangements. Die preußische Monarchie verfolgte, ähnlich wie Frankreich, ihre partikularen Interessen einer Macht- und Territorialexpansion. Diese entsprachen allerdings nicht dem Grundprinzip des europäischen Gleichgewichtssystems. Vom aktiven militärischen Vorgehen gegen Frankreich oder gar vom gesamteuropäischen System hatte sich Berlin bereits ein Jahrzehnt zuvor distanziert. Dies ermöglichte die Sonderstellung Preußens im Alten Reich. Der preußische Monarch, der als Kurfürst von Brandenburg im Reich integriert war und sich gleichzeitig als König von Preußen außerhalb des Reichs befand, konnte in seiner letzteren Eigenschaft autonom in der diplomatischen Arena lavieren. So kam es dazu, dass sich Friedrich Wilhelm III. aufgrund finanzieller Nöte und hoher Staatsschulden, die trotz englischer Subsidienzahlungen nicht zu amortisieren waren, für ein rapprochement an Paris entschied.20 Kurz nach Beginn der Feindseligkeiten gegen Frankreich erkannte der König am 25. Oktober 1792 die junge französische Republik an. 21 Friedrich Wilhelm III., einer der Mitstreiter der ersten Koalition, ebnete damit den Weg für ein künftiges friedliches Einvernehmen mit Paris. 22 Während George III. in den Jahren 1804/05 von seiner Stellung im Reich Gebrauch machte, um sich in die kontinentalen Angelegenheiten einzumischen, nutzte Preußen seine Position außerhalb des Reichs (wie England im Jahre 1802), um vom etablierten europäischen System abzurücken. Der Höhepunkt dieser autonomen Politik Preußens war die Unterzeichnung eines Separatfriedens mit Frankreich. Den Vertrag schloss der preußische Minister und Sondergesandte von Hardenberg am 5. April 1795 mit Barthélémy (Frankreichs chargé d'affaires in der helvetischen Republik) in Basel ab. 23 Durch diese Übereinkunft, welche (Art. 1, 6, 7) die politischen sowie kommerziellen Beziehungen zu Frankreich normalisierte, löste sich das konfliktscheue
20 Bailleu, Paul: König Friedrich Wilhelm II. und die Genesis des Friedens von Basel, in: HZ 75 (1895), S. 244-250; Hintze, Otto: Die Hohenzollern und ihr Werk, 3. Aufl., Berlin 1915, S. 421-422. 21 Die preußische Deklaration beinhaltete unter anderem die Zusicherung, keine französischen Emigranten in Preußen aufzunehmen. 22 Bourel, S. 50-53. 23 Traité entre S. M. le roi de Prusse et la République française. Basel, 5. April 1795, in: RPTA, Bd. 6, S. 45-48; hierzu siehe auch bei: Haussherr, Hans: Hardenberg und der Friede von Basel, in: HZ 184 (1957), S. 292-335, S. 292 f.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
Preußen aus dem Koalitionslager. 24 Mit der anschließenden Angliederung weiterer norddeutscher Reichsstände an den französisch-preußischen Vertrag 25 erfolgte kurz darauf unter preußischer Ägide die Absonderung Norddeutschlands vom Alten Reich. 26 Dieser Separationsprozess Norddeutschlands vom Reichssystem wurde durch zwei weitere Verträge befördert, indem diese eine Demarkationslinie festlegten 27 und somit die norddeutsche Neutralität formell etabliert e 28 ten. Infolge des Basler Vertragsabschlusses fasste Preußen zum ersten Mal Fuß in ganz Norddeutschland. 29 Durch die dritte Polnische Teilung am 24. Oktober 1795 konnte Preußen seine Machtstellung in Europa weiter ausbauen, indem es Masowien samt Warschau, das Gebiet zwischen Weichsel, Bug und Njemen sowie einen Teil des Bezirks Krakau erwarb. Diese selektive Teilnahme an der internationalen Ordnung - d. h. die Etablierung des Neutralitätssystems außerhalb des Reichs einerseits und die Mitwirkung bei der Polnischen Teilung anderseits - diente dem Bestreben Preußens, sein Territorium zu arrondieren und sich durch Machtexpansion im Norden gegenüber dem römisch-deutschen (später österreichischen) Kaiser besser zu positionieren. Preußens Arrondierungspolitik berücksichtigte stets seine heikle politische Position zwischen Russland und Frankreich. Daher mied Berlin, sofern möglich, jede Verpflichtung gegenüber den rivalisierenden Staaten. Als zehn Jahre nach der Etablierung des Basler Systems England durch Subsidienzahlungen die preußische Regierung auf eine mit der antifranzösischen Front konforme Linie
24 Dwyer, Philip D.: The Politics of Prussian Neutrality 1795-1805, in: GH 12 (1994), S. 353. 25 Der Beitritt von weiteren norddeutschen Reichsständen zum Neutralitätssystem forderte Art. 11 ultimativ. Dabei war eine Frist von drei Monaten (beginnend mit der Ratifikation des Vertrags) für die norddeutschen Staaten gesetzt, nach deren Ablauf sie automatisch als feindselig gelten sollten. 26 Real, Willy: Vom Potsdam nach Basel. Studien zur Geschichte der Beziehungen Preußens zu den europäischen Mächten vom Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. bis zum Abschluss des Frieden von Basel 1786-1795 (= Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, hrsg. von Edgar Bonjour/Werner Kaegi, Bd. 70), Basel/Stuttgart 1958, S. 130-131. 27 Die Demarkationslinie verlief entlang dem Main und bestimmte zum ersten Mal die Mainlinie als Grenze zwischen Nord- und Süddeutschland. 28 Traité relatif à la neutralité d'une partie de l'Empire. Basel, 17. Mai 1795, in: RPTA, Bd. 6, S. 52-55. Die darin festgelegte Grenze Norddeutschlands wurde ein Jahr danach neu markiert; siehe: Traité relatif à une nouvelle ligne de démarcation pour assurer la neutralité du nord de l'Allemagne. Berlin, 5. August 1796, in: ebd., S. 56-58. Für den genauen Verlauf der Demarkationslinie siehe: Art. 1 zum oben genannten Vertrag. 29 Braubach, Max: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, hrsg. von Herbert Grundmann, 9. Aufl., Bd. 3, Stuttgart 1970, S. 18-19.
I. Die antifranzösische Koalition
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bringen wollte (entweder durch Beitritt zur Koalition oder durch eine bewaffnete Neutralität), 30 stieß es in Berlin auf ausdrückliche Ablehnung. Obwohl Preußen neben Subsidienzahlungen als territoriale Prämie umfassende Gebietserwerbungen in den Niederlanden von Antwerpen bis Maastricht einschließlich Luxemburg in Aussicht gestellt wurde, 31 hielt sich Berlin vom Koalitionsblock fern. Grund hierfür war, dass der französische Marschall und Sondergesandten Duroc Preußen eine Allianz mit Frankreich antrug. Um Preußen in den französischen Einflussbereich hineinziehen,32 versprach Duroc Berlin die Annexion von Hannover als Belohnung.33 Unter diesen Umständen war es für Berlin die einzige vernünftige Handlungsweise, auf einer neutralen Position zu beharren. Im kontinentalen Systemzwang war der inmitten Europas platzierte preußische Staat genötigt, permanent zwischen den Kontrahenten zu manövrieren, um seine politische Autonomie zu bewahren. Die widersprüchlichen Interessen Preußens und der Koalitionsstaaten führten zunächst zu einer Verschlechterung der preußisch-russischen Beziehungen. Die Situation eskalierte im Herbst 1805 beinahe zu einem Krieg, als Alexander I., nach dem Scheitern der englischen Anträge in Berlin, durch ein Manöver russischer Streitkräfte in Richtung der preußischen Ostgrenze Preußens Beitritt zur Koalition forcieren wollte. 34 Preußen entgegnete prompt und beschloss in einer Ministerkonferenz am 9. Oktober 1805, seine Armee zu mobilisieren, um seine Neutralität gegenüber Russland zu behaupten.35 Ein Jahrzehnt nach dem Ausscheiden Preußens aus der Koalition drohte die unmittelbare Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung unter ehemaligen Alliierten. Um diese noch abzuwehren, entsandte der Zar den russischen Gene-
30 So lauteten die Instruktionen des Außenministers Lord Mulagrave an den englischen Sondergesandten in Berlin Lord Harrowby. Sollte sich Preußen lediglich auf eine bewaffnete Neutralität einlassen, hatte Harrowby die angebotenen Subsidienzahlungen (nämlich: 12£ und 10p pro Mann, pro Jahr) zu halbieren; siehe: Lord Mulgrave an Lord Harrowby. London, Downing Street, 27. Oktober 1805, in: SDFO, Nr. 100. 31 Ders. an dens. London, Downing Street, 7. Juni 1805, in: ebd., Nr. 85. 32 Die Absicht des geplantenfranzösisch-preußischen Vertrags war unter anderem, Preußen zum Vorgehen gegen die englische Präsenz in den Niederlanden zu verleiten; siehe: Talleyrand an Duroc. Paris, 20. September 1805, in: AE, CP Prusse 236, f° 439442. 33 Projet de traité avec la Prusse. Paris, 20. September 1805, in: ebd., f° 443-445; La Tour, Jean de: Duroc, Duc de Frioul. Grand Maréchal du Palais impérial 1772-1813, Paris 1913, S. 191-194; Brandes, S. 259. 34 Taack, Merete van: Zar Alexander I. Napoleons genialer Antipode, Tübingen 1983, S. 177-178; Ulmann, Heinrich: Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. Urkundlich dargestellt, Leipzig 1899, S. 216-217. 35 Höpfner, Eduard: Der Krieg von 1806 und 1807. Ein Beitrag zur Geschichte der preußischen Armee, nach den Quellen des Kriegs-Archivs bearbeitet, Bd. 1, Leipzig 1850, S. 18-20.
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raladjutanten Prinz Basil Dolgorouky nach Berlin, um an die alte russischpreußische Freundschaft persönlich zu appellieren. 36 Doch ehe er dort eintraf, veränderte sich die politische Lage radikal. Ein unangekiindigter Durchmarsch von 20.000 Mann der französischen Truppen durch das preußische Territorium in Ansbach veranlasste Preußen Anfang Oktober zu einem abrupten politischen Kurswechsel. 37 Der entrüstete Friedrich Wilhelm III. war im Begriff, Duroc und den französischen Botschafter Laforest auszuweisen, und wurde davon nur durch die sofortige Intervention des Kabinettsministers Hardenberg abgehalten. 38 Die französische Provokation wirkte zugunsten der Koalitionskräfte. Gleich nach seiner Ankunft konnte Dolgorouky von einer pro-russischen Stimmung in Preußen berichten. Daraufhin entschloss sich der Zar am 16. Oktober, sich persönlich nach Berlin zu begeben. Zehn Tage später saß er bereits am Verhandlungstisch. 39 Der drohende Krieg mündete schließlich in einer neuen Allianz. Aus den russisch-preußischen Konferenzen in Potsdam ging eine Geheimkonvention hervor, die am 3. November 1805 im königlichen Schloss von Sanssouci besiegelt wurde. 40 Die Potsdamer Konvention sollte die innere Spaltung in der antifranzösischen Front durch die Wiederaufnahme Preußens in das Koalitionslager definitiv überwinden. Für den Zaren stellte sie darüber hinaus das Fundament einer künftigen europäischen Kombination dar, durch die ein neuer kontinentaler Status quo etabliert und erhalten werden könnte. Der geplante Frieden sah eine
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Diese wurde 1802 im Monarchentreffen zu Memel etabliert; Steon-Watson, S. 84. Talleyrand selbst glaubte dabei, die nördliche Neutralität im Sinne des Basler Vertrags respektiert zu haben, da sich diese auf Norddeutschland und nicht auf die preußischen Gebiete außerhalb der Demarkationslinie (z. B. Ansbach) bezog. Siehe: Talleyrand an Duroc. Straßburg, 5. Oktober 1805, in: AE, CP Prusse 237, f° 115-118; hierzu auch: Lévy , Arthur: Napoléon et la Paix, Paris 1902, S. 361-362. Hingegen siehe: Taack, S. 179; sowie Metternichs Beurteilung der Ereignissen in: NP, Bd. 1, S. 47-48. Napoleon selbst äußerte sich während seines Treffens mit dem Sondergesandten von Haugwitz Ende Dezember 1805 zu dem Fall, und meinte, er habe sich dabei auf die „amitié de la Prusse" verlassen und daher nicht mit einer übermäßigen Reaktion Preußens gerechnet; siehe in: Bericht Haugwitz über seine Sendung. Berlin, 25. Dezember 1805, in: Ranke (1877), Bd. 1, S. 220-243. 38 Dwyer, S. 364-368; Bailleu, Paul: Haugwitz und Hardenberg, in: DR 20 (1879), S. 268-298, S. 290-292; detaillierte Darstellung unter anderem bei: Wertheimer, Eduard: Geschichte Österreichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, 2 Bde., Leipzig 1884, S. 281-285. 39 Taack, S. 181-182; Gielgud, Adam (Hrsg.): Memories of Prince Adam Czartoryski and correspondence with Alexander I, Bd. % London 1888 (ND: New York 1971), S. 96-101. 40 Convention secrète entre la Russie et la Prusse. Potsdam, 3. November 1805, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 193.1, f° 235-238; abgedruckt bei: RTCR, Bd. 2, S. 480-489. 37
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freiwillige Einschränkung Frankreichs (Art. 2) auf die Grenzen von 180141 sowie (Art. 5, 6) einen Friedenskongress mit der Teilnahme aller Großmächte vor, welcher sich mit der Errichtung eines neuen europäischen Systems befassen sollte. Durch die geplante Aufnahme Österreichs in den Pakt hoffte der junge Zar, eine Troika zu schaffen, die sich gemeinsam für das kontinentale System einsetzen könnte. 42 Der anvisierte Frieden ergänzte somit den Koalitionsvertrag. 43 Im Hinblick auf die vernichtende österreichische Niederlage bei Ulm (am 19. Oktober) einerseits und den spektakulären maritimen Triumph des britischen Admirais Horatio Nelson am Kap Trafalgar (am 21. Oktober 1805) andererseits präsentierte die Konvention einen für die rivalisierenden Seiten annehmbaren und der realen militärischen Lage angemessenen Kompromiss zur Wiederherstellung der europäischen Balance of Power. Für Preußen bedeutete die Vertragsunterzeichnung das Ende der Neutralitätspolitik und zumindest vorläufig die Rückkehr ins Koalitionslager. 44 Durch seine „médiation armée" (Art. 1) verpflichtete sich Berlin vertraglich zur Ausführung des Potsdamer Plans. Mit einer von England subventionierten Interventionsarmee von 180.000 Mann sollte es ferner (Art. 8, 9) die Forderungen der Alliierten nachdrücklich demonstrieren und, im Falle einer französischen Weigerung, militärisch agieren. 45 Ungeachtet des Kurswechsels in der außenpolitischen Praxis Preußens änderten sich seine außenpolitischen Ziele nicht. Seit dem Basler Frieden, über den Reichsdeputationshauptschluss (1803) 46 bis zur Potsdamer Konvention trieb Berlin eine stetige Arrondierungspolitik in Europa vornehmlich in Norddeutschland voran. Preußens Vorgehen hatte mit der von der Koalition anvisierten kontinentalen Stabilität wenig gemein. Diese Tendenz in der preußischen Außenpolitik wurde gerade im offiziellen Akt des Anschlusses an den antifranzösischen Block deutlich. Denn durch seinen Beitritt sollte Preußen (Art. 9) „une frontière plus sûre que celle qu'elle a actuellement, soit par acquisition, soit par
41 Dieser Plan bedeutete für Österreich territoriale Verluste in Norditalien sowie der Verzicht auf alle linksrheinischen Gebieten. 42 Die Idee wurde erst 1815 in der Heiligen Allianz realisiert. 43 Hingegen lief die déclaration additionnelle zur Potsdamer Konvention dem Koalitionsvertrag zuwider. 44 Noack, S. 21-22; vgl. hingegen mit: Thielen, Peter Gerrit: Karl August von Hardenberg 1750-1822. Eine Biographie, Köln 1967, S. 147; siehe hingegen: Ranke (1877), Bd. 1, S. 534-535; sowie: Hansing, S. 74. 45 RTCR, Bd. 2, S. 480-489. 46 Im Reichsdeputationshauptschluss (Art. 3) erhielt Preußen unter anderem das Gebiet um Erfurt, Nordhausen, Paderborn, Goslar und Münster; siehe: Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation. Regensburg, 25. Februar 1803; vollständiger Text bei: CJCG, S. 12-54.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
échanges" erhalten. 47 Demnach trug Russland dem preußischen Staat in der beilegenden déclaration additionnelle (Art. I ) 4 8 - im Widerspruch zum Koalitionsvertrag - die Besitznahme Hannovers an, das englische Einverständnis vorausgesetzt.49 Russland machte sich sozusagen den Antrag des französischen Sondergesandten Duroc von Ende September 1805 zu Eigen. In der Downing Street wurde der russische Antrag als Ehrverletzung der britischen Krone empfunden. 50 Aus der Lösung der Zwistigkeiten zwischen Preußen und Russland und dem neuen Zusammenschluss der Koalition entstanden so letztlich in Bezug auf Hannover neue Reibungsflächen zwischen Berlin und London.
IL Talleyrand, Napoleon und das europäische Gleichgewicht Ideen für eine Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts kursierten auch im französischen Lager. Um den Staatsminister Talleyrand agierte im Vorfeld der Schlacht von Austerlitz ein enger Kreis von Beamten des ministère des relations extérieures , deren außenpolitisches Denken eher den Vorstellungen der Alliierten als denen des französischen Kaisers entsprach. 51 Am Vorabend des militärischen Zusammenstoßes auf dem Kontinent, als die Grande Armée der bayerischen Grenze entgegenmarschierte, 52 entschied sich Talleyrand, entgegen der offiziellen Linie Napoleons zu handeln. Hierzu bewog ihn ein stetiges Bangen um den Ausgang der bevorstehenden Kampfhandlungen. Talleyrand wünschte daher die kriegerische Auseinandersetzung von vornherein abzuwenden. Gemeinsam mit La Besnardière (Unterdirektor im französischen Außenministerium) und d'Hauterive (Staatsrat und Abteilungsleiter im Ministerium) suchte er nach einer möglichen friedlichen Regelung der europäi-
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RTCR, Bd. 2, S. 487. Déclaration additionnelle. Potsdam, 3. November 1805, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 193.1, f° 239-240; abgedruckt bei: ebd., S. 491-493. 49 Ranke (1877), Bd. 1, S. 535-536. Ranke behauptet, Preußen habe das Legitimitätsprinzip verstoßen, für welches es in den Kampf eintrat. Er übersieht allerdings, dass die Alliierten, indem sie die napoleonische Usurpation tolerierten, in dieser Hinsicht bereits einen Präzedenzfall geschaffen hatte. 50 Hierzu: Lord Mulgrave an Lord Harrowby. London, Downing Street, 23. November 1805, in: SDFO, Nr. 108. Als Lord Harrowby davon Kenntnis nahm, fiel er in Ohnmacht; Kraehe, Enno E.: Metternich's German Policy, Bd. 1, Princeton 1963, S. 40. 51 Wie Rohden unterstreicht, sah sich Talleyrand vielmehr einem Frieden in Europa denn dem französischen Staatsoberhaupt verpflichtet; Rohden, S. 82. 52 Wierichs, Marion: Napoleon und das „Dritte Deutschland" 1805-1806. Die Entstehung der Großherzogtümer Baden, Berg und Hessen (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 3. Geschichte und ihre Hilfswissenschaft, Bd. 99), Frankfurt a. M. 1978, S. 15-16. 48
II. Talleyrand, Napoleon und das europäische Gleichgewicht
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sehen Verhältnisse. 53 In einer Reihe von Konferenzen in Straßburg konzipierte die Arbeitsgruppe von Talleyrand erste diplomatische Alternativen zur von Napoleon angestrebten französischen Hegemonie. Die zwei Staatssekretäre skizzierten das Resultat in einem langen Memorandum, das der Außenminister Napoleon persönlich am 17. Oktober 1805, zwei Tage vor der Kapitulation der österreichischen Streitkräfte bei Ulm, vorlegte. 54 Der von den Ideen der raison d'état des 18. Jahrhunderts geprägte Staatsmann wünschte die Außenpolitik weiterhin nach den Maximen des Ancien Régime zu steuern. 55 Schon 1792 hatte er die Politik des Rétablissements in Europa propagiert und wollte Frankreich auf seine „propres limites" einschränken. 56 Dementsprechend strebte er im Herbst 1805 nach einer neuen Machtverteilung, einer Wiederbelebung des europäischen Konzerts und nach einer kontinentalen Friedensregelung, die mit den neuen Machtverhältnissen in Europa korrespondieren würden. Sein primäres Ziel war dabei, künftige Konflikte von vornherein zu neutralisieren. Eine solche Konfliktsneutralisation habe aber bisher, so Talleyrand, die antifranzösische Koalition behindert. Seiner Lageanalyse zufolge - solange Österreich und England natürliche Verbündete (alliées naturelles) seien und Wien mit Petersburg nicht konkurriere - würden die drei Mächte weiterhin gegen Frankreich paktieren, woraus sich ein permanenter Kriegszustand ergebe. 57 Die Grundlage eines Friedens in Europa müsste daher ein neues système de rapports bilden, in dessen Mittelpunkt eine französisch-österreichische Allianz stünde.58 Mittels des geplanten Bündnisses mit Wien beabsichtigte Talleyrand dreierlei zu erreichen: Frankreich ins europäische Staatensystem zu reintegrieren, den französischen Einfluss auf die deutschen Gebiete zu verstärken und die kontinentale Lage zu stabilisieren. 59 Dadurch erhoffte sich Talleyrand, zum einen die territorialen Ansprüche Napoleons endgültig zu saturieren und zum anderen ein modifiziertes System einer Balance of Power zu etablieren.
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Raumer (1961), S. 297-298. Ebd., S. 301; zur Denkschrift samt Anlage siehe: AE, MD France 658, f° 200-213; hier nach dem Abdruck bei: TL, Nr. CXI. 55 Raumer (1961), S. 331-332. 56 Hierzu siehe: Rosenthal, Willy: Fürst Talleyrand und die auswärtige Politik Napoleons I, Phil. Diss., Leipzig 1905, S. 2. 57 So im Begleitschreiben zum Straßburger Projekt, in: TL, Nr. CXI., S. 156-165. 58 Dies notierte Talleyrand auch in seinen Memoiren; siehe: TM, Bd. 1, S. 296. 59 Vgl. mit Lacour-Gayet, Georges: Talleyrand, Paris 1928 (ND: Paris 1990), S. 547549. 54
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B. Balance of Power oder Hegemonie
Diese Friedensstrategie manifestierte sich illustrativ im Memorandum an Napoleon, das Talleyrand dem projet von Straßburg beifügte. 60 In diesem detaillierten Plan konkretisierte sein Arbeitskreis die in der Denkschrift vorgestellten Ideen zur Anpassung des alten Staatensystems an ein neues Gleichgewicht der Kräfte. Nach diesem Plan sollte erstens das französische Kaiserreich wieder in die Staatengemeinschaft aufgenommen werden. Dazu war es vorgesehen, (Art. 2) Frankreich auf die Trennungslinie des Reichsfriedens von Luneville (1801) einzuschränken und (Art. 3) die napoleonische Besetzung Italiens durch Österreich anerkennen zu lassen.61 Die österreichische Sanktionierung der neuen Grenzen sollte zugleich der Ausgangspunkt zur Reintegrierung des französischen Staates sein. Zweitens sollte der französische Einfluss in Mitteleuropa ausgebaut werden, um Napoleons Expansionswünschen teilweise gerecht zu werden und zugleich die Lage innerhalb des Reichs zu stabilisieren. Das sollte durch einen Ausschluss Österreichs (Art. 4, 7) aus den bayerischen, fränkischen und schwäbischen Kreisen realisiert werden, da, so das Memorandum, die habsburgische Präsenz in Mitteleuropa zu einem wiederholten Zusammenprall mit Frankreich geführt habe. Im Anschluss daran plante man (Art. 8) die Autonomie der süddeutschen Staaten innerhalb des Reichs zu stärken, sie durch einen Sondervertrag an Paris zu binden und schließlich einen französisch gesinnten Regenten im unabhängigen Tirol einzusetzen.62 Diese Elemente im Straßburger Plan dienten einer Umstrukturierung des Alten Reichs, indem man Frankreich anstelle des österreichischen Staates ins Reichssystem einbeziehen wollte. 63 Schließlich beabsichtigte Talleyrand, die Lage auf dem vom Krieg erschütterten Kontinent zu stabilisieren. Dies wollte er durch die gleichzeitige Absicherung der Ostgrenze und die Zerstörung der trilateralen Allianz bewirken. Zu diesem Zweck sollte das österreichische Kaiserreich durch (Art. 9, 10) die Eingliederung der Moldau, der Walachei, von Besarabien und Nordbulgarien 64 ein Bollwerk gegen russisches Eindringen in Mitteleuropa bilden. 65 Dabei gedachte der Minister einen Dominoeffekt zu erzeugen, nämlich Wiens macht-
60 Medlein, Bd. 5, S. 339-340. Zum vollständigen Projekttext, welcher als Friedensvertrag zwischen Paris und Wien konzipiert worden war, siehe: TL, Nr. CXI, S. 165172. 61 Vgl. mit Art. 2 der Potsdamer Konvention. 62 Die Schaffung eines Staates in Tirol bestimmte Art. 1 der convention additionnelle renfermant les projets de répartition, in: TL, Nr. CXI, S. 172-174. 63 Gemäß Art. 8 sollten strukturelle Veränderungen innerhalb des Alten Reichs durch dessen rechtliche Organen sanktioniert werden. 64 Die Souveränität über die genannten Gebiete sollte (Art. 10) der Sultan dem österreichischen Staatsoberhaupt übertragen. 65 Art. 12 garantierte zudem eine gegenseitige Unterstützung im Falle eines russischen Angriffs; vgl. mit folgendem Schreiben: Talleyrand an Napoleon. Wien, 5. Dezember 1805, in: ebd., Nr. CXXXVIII; hierzu siehe auch: Fournies August: Napoleon I. eine Biographie, Bd. 2, Wien/Leipzig 1913, S. 111-114.
II. Talleyrand, Napoleon und das europäische Gleichgewicht
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politischen Schwerpunkt durch die territoriale Entschädigung in Richtung Osten zu verlagern, um dort eine Feindschaft zwischen Österreich und Russland heraufzubeschwören. Zugleich sollten auch die Russen weiter ostwärts gedrängt werden, bis sie in Mittelasien auf englische Konkurrenz stoßen würden. 66 Auf diese Weise, also mittels der Zerstörung der Koalition im Osten, sollte die Aktivität der Koalitionsmächte im Westen gebremst werden. Durch die freiwilligen Selbstbeschränkungen des französischen Kaiserreichs, durch seine Rehabilitation und durch eine Konfliktkanalisierung nach Osten meinte die Gruppe um Talleyrand nicht weniger als ein renversement des alliances ähnlich wie Kaunitz zu bewirken und das Bündnisnetz des vorherigen Jahrhunderts wieder zu spannen. Angestrebt hatten sie dabei, die kontinentale Bellizität abzubauen und eine neue gleichgewichtige Machtkonstellation zu etablieren, die sich weniger auf Österreich als auf Frankreich stützen sollte. Die Absichten Talleyrands, La Besnardière und d'Hauterive stimmten dabei mit dem Hauptanliegen der dritten Koalition, wie es im Potsdamer Vertrag zum Ausdruck kam, größtenteils überein. 67 Sowohl die Verbündeten als auch Talleyrand und seine Amtskollegen wollten Napoleons hegemoniale Ambitionen in Schach halten 68 und sein politisches Vorgehen an Konventionen des Ancien Régime binden. 69 Der Ausschluss Österreichs aus Mitteleuropa hätte freilich nicht den von Talleyrand vorgesehenen französisch-österreichischen Arrangements im Wege gestanden. Denn schon im Reichsdeputationshauptschluss (1803) war Wien bereit, Territorialverluste in den deutschen Gebieten hinzunehmen.70 Wie der englische Historiker John Holland Rose zu Recht behauptete, hätte die Umsetzung des Plans den dritten Koalitionskrieg mit großer Wahrscheinlichkeit abwenden können.71 Die Ereignisse überholten allerdings die Diplomatie. Im Schatten des militärischen Erfolgs bei Ulm und im Hinblick auf Napoleons eigene Vorstellung ei-
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Hierzu: Dard, S. 109. Oer, Rudolfine Freiin von: Der Friede von Preßburg. Ein Beitrag zur Diplomatiegeschichte des napoleonischen Zeitalters (= Neue Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, hrsg. von Kurt von Raumer, Bd. 8), Münster 1965, S. 18-22. 68 Das Vorgehen von Talleyrand betrachtet Emile Dard als eine offene Demarche gegen Napoleon; siehe: Dard, S. 105-107. 69 Mowat, Robert B.: The Diplomacy of Napoleon, London 1924, S. 147-148. 70 Gemäß dem Reichsdeputationshauptschluss (Art. 1) musste Österreich (abgesehen von Gebieten in Italien) unter anderem auf die Ortenau und die Breisgau verzichten; siehe hierzu: Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation. Regensburg, 25. Februar 1803; vollständiger Text bei: CJCG, S. 12-54. 71 Rose, John Holland: The Life of Napoleon I., Bd. 2, London 1902, S. 47-48. 67
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ner neuen europäischen Ordnung blieb das Konzept von Talleyrand und seiner Weggefährten eine Arbeitsskizze im Sekretär. 72 Die außenpolitischen Präferenzen Napoleons wichen von denen seines Außenministers ab. Zwar wollte selbst der französische Kaiser Ende November den Frieden mit Österreich schließen,73 aber der Zweck dieses geplanten Abkommens war ein völlig anderer. Während Talleyrand sich bemühte, die alten Strukturen der herrschenden politischen Situation anzupassen, schwebte dem französischen Kaiser vor, das europäische System auseinander zu nehmen und ein neues sowohl auf dem Kontinent als auch in der europäischen Peripherie zu etablieren. Hierzu plante er zweierlei: den französischen Einfluss Richtung Südosten auszubauen und durch Zerstörung der bestehenden zwischenstaatlichen Strukturen die französische Position in Mitteleuropa zu stärken. Das Reichsgebilde, die Grundlage der mitteleuropäischen Ordnung, wollte Napoleon gezielt zersetzen. Bereits Anfang Oktober informierte er seinen Minister: „Mon intention est de comprendre Darmstadt dans ma fédération germanique, composée de la Bavière, de Darmstadt, de Wurtemberg et de Bade." 74 Ungefähr drei Wochen darauf konnte Talleyrand seinem Mitarbeiter d'Hauterive mitteilen, das deutsch-europäische Zentrum solle aus drei Kaiserreichen bestehen: einem französischen, einem österreichischen und einem preußischen.75 Napoleon wollte somit eindeutig eine neue Ordnung in Europa errichten und den Reichsrahmen sprengen. 76 Der zweite Pfeiler des napoleonischen Ansatzes war eine französische Expansion in der Peripherie, d. h. Richtung Südosten.77 Im Orient intendierte Napoleon, Russlands Zugang zum Mittelmeer sowie Österreichs Weg nach Osten zu sperren und Venedig - einen wichtigen Stützpunkt auf der Orientroute - un-
72 Raumer (1961), S. 350-351; Talleyrand selbst bezeichnete das Projekt als Entwurf (ébauche); siehe: TL, Nr. CXI, S. 172. 73 Napoleon an Talleyrand. Brünn, 30. November 1805, in: CN, Bd. 11, Nr. 9532. 74 Ders. an dens. Hauptquartier zu Ettlingen, 2. Oktober 1805, in: ebd., Nr. 9307. 75 An d'Hauterive schrieb der Außenminister: „Nous travaillons tous les jours à des plans de pacification. En voici un nouveau que je vous laisse à faire; envoyez-m'en le tracé. Plus d'empereur d'Allemagne! Trois empereurs en Allemagne: France, Autriche et Prusse [...]". Talleyrand an d'Hauterive. München, 27. Oktober 1805, in: Talleyrand , Charles Maurice de: Mémoires du Prince de Talleyrand, hrsg. von Paul Louis Couchoud, Bd. 1, Paris 1957, S. 385-386; hierzu siehe: Koppen , Wilhelm: Deutsche gegen Deutschland. Geschichte des Rheinbundes, Hamburg 1936, S. 56. 76 Nach Louis Medlein habe das Reich bereits mit dem Preßburger Frieden zu existieren aufgehört. Medlein, Bd. 6, S. 146. Oer, die das obige Schreiben Talleyrands nicht kannte, meinte hingegen, Napoleon habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgehabt, das Alte Reich aufzulösen; Oer, S. 47-48. 77 Vandal, Albert: Napoléon et Alexandre I e r , Bd. 1, Paris 1891, S. 8-10; LacourGayet, S. 552.
III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa
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ter französische Herrschaft zu stellen.78 Folglich gab er die Konzeption eines Vertrags mit Österreich in Auftrag, der (Art. 14) die französische Kontrolle über Venedig garantieren sollte. 79 Im außenpolitischen Denken Napoleons waren also die orientalischen Pläne stets präsent. 80 Während die Europapolitik Talleyrands und seiner Amtskollegen deren Vorhaben im Orient diktierte, bestimmte Napoleons Orientpolitik sein Handeln in Europa mit. Die erste Zerreißprobe an der Spitze der französischen Regierung vor Austerlitz endete mit dem politischen Sieg Napoleons. Der französische Kaiser konnte sich auf dem Schlachtfeld von Austerlitz durchsetzen. Seine Tatkraft entschied das außenpolitische Handeln Frankreichs. Talleyrand beschloss folglich, sich zu fügen. Seine Grundhaltung änderte sich jedoch nicht. Für ihn war nach wie vor die Umgestaltung Europas kein Instrument der französischen Hegemonialpolitik, sondern ein Mittel, um die europäische Balance of Power wiederherzustellen.
III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa Auf dem Schlachtfeld erlitten sowohl die Pläne der Koalition als auch die des Arbeitskreises von Talleyrand einen harten Rückschlag. Kurz nach Kriegsbeginn kapitulierte Wien kampflos. Gut zwei Wochen später, am 2. Dezember 1805, stürzte Napoleon bei der Drei-Kaiser-Schlacht die kontinentalen Machtverhältnisse um. Nach Austerlitz steuerte Napoleon die französische Außenpolitik und setzte seinen militärischen Sieg in einen bedeutsamen politischen Gewinn auf dem Kontinent und in der europäischen Peripherie um. Direkt nach Einstellung der kriegerischen Handlungen und der Unterzeichnung des Waffenstillstands zu Austerlitz am 6. Dezember 1805 begann Napoleon seinen militärischen Triumph in einen machtpolitischen Profit umzuwandeln. 81 In einer Reihe von Bündnisverträgen mit den mitteldeutschen Staaten (Württemberg, Bayern und Baden), die in Brünn während der zweiten Dezemberwoche unterzeichnet wurden, begann Napoleon, Schritt für Schritt das alte 78
Driault, Edouard: La politique orientale de Napoléon, Paris 1904, S. 55-6; Roloff Gustav: Die Orient Politik Napoleons I, Weimar 1916, S. 15-16. 79 Der bisher kaum bekannte Vertragsentwurf wurde im Annex zu Oers Monographie abgedruckt; Vertragsentwurf, 1. Dezember 1805 in: Oer, S. 250-254; hierzu siehe auch den Begleitbrief: Talleyrand an Napoleon. Wien, 1. Dezember 1805, in: TL, Nr. CXXXV, S. 202 f. 80 Roloff,; S. 60; Rose (1902), S. 88. 81 Armistice conclu entre L.L. M.M. I.I. de France et d'Autriche à Austerlitz. Austerlitz, 6. Dezember 1805, in: RPTA., Bd. 8, S. 386-387.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
Reichssystem zu zerstören. 82 Erstens baute er durch die Allianz mit den süddeutschen Staaten seinen Einfluss in Mitteleuropa aus.83 Zweitens, indem er Württemberg, Bayern und Baden in österreichischen Reichsbesitzungen vertragsgemäß arrondieren ließ, 84 drängte er das Haus Habsburg aus den deutschen Territorien. Schließlich stärkte er die Position Württembergs und Bayerns durch eine Rangerhöhung zum Königreich und die Stellung Badens, von nun an ein Großherzogtum, durch eine Garantie seiner Souveränität innerhalb des Reichs. Obwohl Württemberg und Bayern weiterhin als co-Etat und prince électeur im Reich galten,85 verletzten ihre neuen Souveränitätsansprüche die Reichskonstitution. Die Reichsstrukturen und dadurch auch das Reichsoberhaupt wurden somit fundamental geschwächt. Mit den Brünner Verträgen wollte Napoleon die österreichische Hegemonie in den deutschen Gebieten durch eine französische ablösen. Die Allianz, die Beseitigung der österreichischen Präsenz in Mitteleuropa und die anfängliche Abkoppelung Süddeutschlands vom Reich eröffneten den Weg für eine potenzielle napoleonisch-französische Hegemonie. Mit dem Abschluss der Verträge übernahm der französische Kaiser vorläufig auch die tatsächliche Leitung der französischen Außenpolitik. Talleyrand und seine Amtskollegen akzeptierten Napoleons Diktat. Im Dienst des französischen Kaisers verfassten sie bereits Ende November die ersten Entwürfe (die so genannten Münchner Entwürfe) zu den Brünner Verträgen, obwohl diese ihren eigenen Ideen und Plänen für Europa nicht entsprachen. 86 Gegenüber Preußen agierte Napoleon eigenmächtig. Er setzte sich über sein eigenes Außenministerium hinweg und vertraute dem Sondergesandten Duroc die Führung der Verhandlungen mit Berlin an. Den Inhalt
82
Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Bayern]. 10. Dezember 1805, in: RTF, S. 135138; Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Württemberg]. 11. Dezember 1805, in: ebd., S. 138-140; Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Baden]. 12. Dezember 1805, in: ebd., S. 140-143. 83 Siehe jeweils das Präambel in den oben genannten Verträgen. 84 Württemberg durfte sich in den folgenden Gebieten arrondieren: in Ehingen, Munder-Kingen, Riedlingen, Mengen und Saulgau, Hohimberg, Nellenburg, Altorf, Breisgau und Bondorf; Bayern in Burgau, Passau, Salzburg, Tirol, Hohenems, Königsegg-Rothenfels, Tetnang, Argen und Lindau; und Baden in Ortenau, Konstanz, Meinau und die von Württemberg nicht besetzten Teilen des Breisgaus; hierzu siehe Art. 4 zum Vertrag zwischen Frankreich und Württemberg respektive Bayern, sowie Art. 1 zum Vertrag zwischen Frankreich und Baden. 85 Siehe jeweils Art. 3 zum Vertrag zwischen Frankreich und Württemberg respektive Bayern. Auch Baden behielt seinen Status als Kurstaat (siehe Art. 2 zum Vertrag zwischen Frankreich und Baden). Seine Rangerhöhung zum Großherzogtum lief der Reichsverfassung nicht zuwider, welche hingegen Königreiche innerhalb des Reichs nicht duldete. 86 Hierzu siehe: Talleyrands Entwurf eines Bündnisvertrags mit den Südstaaten. München, 28. November 1805, in: Obser, K. (Hrsg.): Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden 1783-1806, Bd. 5, Heidelberg 1901, Nr. 393.
III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa
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des abzuschließenden Vertrags diktierte Napoleon wortwörtlich. 87 Die am 15. Dezember 1805 unterzeichnete französisch-preußische Allianz zu Schönbrunn war somit eine direkte Folge seiner außenpolitischen Praxis. 88 Erst in den Friedenskonferenzen mit Österreich setzte Napoleon seinen Außenminister erneut ein, sofern dieser die außenpolitische Linie seines Staatsoberhaupts vertreten konnte. Die Aufnahme der Verhandlungen mit Österreich wurde zunächst durch den erneuten Versuch Talleyrands ermöglicht, auf sein Vorhaben von Mitte Oktober zurückzugreifen. In der ersten Phase der Vorverhandlungen versuchte Talleyrand nach wie vor, den Ansatz des Straßburger Projektes zu verfolgen. In einem Sondierungsgespräch mit dem österreichischen Unterhändler Graf Gyulai suggerierte er, im Rahmen einer Allianz mit Frankreich könnte sich Österreich im Orient (d. h. in der Moldau, in der Wallachei, in Besarabien und Bulgarien) territorial entschädigen. 89 Diese anvisierte Allianz mit Österreich wollte Talleyrand in die Richtung seines projet von Mitte Oktober lenken. Seinen Vorschlag wiederholte er während der Verhandlungen vermutlich aufgrund einer direkten Anweisung Napoleons nicht mehr. Sein Vorstoß sowie seine Andeutung, dass sich das seit Anfang Oktober besetzte Wien allein durch ein schnelles Einvernehmen mit Paris von weiteren französischen Repressionen entlasten könne, bewogen Graf Gyulai, Friedensverhandlungen mit Frankreich aufzunehmen. 90 Die Ausgangsposition der Donaumonarchie in den bevorstehenden Verhandlungen mit Frankreich wurde aufgrund der zuvor abgeschlossenen Abkommen schwer beeinträchtigt. Die Stärkung Süddeutschlands gegenüber dem Reichsoberhaupt und das Ausscheiden Preußens aus der Koalition in der Allianz von Schönbrunn (obwohl diese nie in Kraft trat) isolierten Österreich in Europa. 91 Der österreichische Staatsminister Cobenzel fand sich mit vollendeten Tatsachen konfrontiert und geriet zunehmend unter Druck. 92
87
Kieseritzsky, Ernst: Die Sendung Haugwitz nach Wien. November und Dezember 1805, Phil. Diss., Göttingen 1895, S. 37. 88 Über die französisch-preußischen Verhandlungen und die Geschehnisse in Nordeuropa im Gefolge der Schlacht von Austerlitz siehe ausführlich hier, Teil B. IV. 89 Bericht Gyulais. Wien, 15. Dezember 1805, in: HHStA, Abt. V, Friedensakten 102g, f° 80-82; vgl. mit Art. 9 und 10 zum Straßburger Projekt, siehe Teil B. II. 90 Bericht Gyulais, siehe vorherige Anm. 91 Duncker, Max: Abhandlungen aus der Neueren Geschichte, Leipzig 1887, S. 81. 92 Hierzu siehe: Napoleon an Talleyrand. Schönbrunn, 14. Dezember 1805, in: CN, Bd. 11, Nr. 9573; vgl. mit der Textkorrektur in: Fournier, August: Zur Textkritik der Korrespondenz Napoleons I, Wien 1903, S. 104. Demnach wollte Napoleon auf den Austausch der Ratifikationen mit Preußen warten, ehe er die Verhandlungen mit Österreich in die entscheidende Runde brachte.
B. Balance of Power oder Hegemonie
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Napoleon taktierte also aus einer klaren Machtposition heraus. Den Frieden wie den Sieg auf dem Schlachtfeld erzwang er mit Gewalt. Ungeachtet der österreichischen Verhandlungsbereitschaft steigerte er die Pressionen und drohte Österreich mit der Übernahme der Hauptstadtverwaltung, falls die Stadtverpflegung und damit die der Grande Armée nicht garantiert würde. 93 Angesichts des anhaltenden politisch-militärischen Drucks gab Wien am 25. Dezember 1805 nach. Stadion (Cobenzels Nachfolger in der Staatskanzlei) instruierte seinen Repräsentanten von Lichtenstein, die Konferenzen mit Talleyrand zum sofortigen Abschluss zu bringen. Die Argumentation des neuen Staatskanzlers lässt nicht anzweifeln, dass die fortdauernde französische Besatzung Österreich zum Frieden zwang. „Nur die dringendste Notwendigkeit, Frieden zu schließen" schrieb Stadion dem Fürsten von Lichtenstein - „und das lebhafte Interesse, welches Seine Majestät an der Befreiung der Provinzen von der Geißel des Krieges hegt, konnten sie bestimmen, sich den ebenso harten wie demütigenden Bedingungen nicht zu versagen." 94 Napoleon unternahm seinerseits alles, um die Friedensverhandlungen prompt und erfolgreich zu beendigen. Bereits am 25. Dezember teilte er Kaiser Franz II. mit, dass nach einem Bericht von Talleyrand der Vertrag in seiner Finalversion bereits redigiert sei. 95 Die Mitteilung war allerdings frei erfunden, um auf den österreichischen Kaiser erneut Druck auszuüben, damit er den Vertrag ohne jede Verzögerung unterzeichnen würde. 96 Die nach den Instruktionen Napoleons paragraphierten Vertragsartikel waren erst am Tag darauf reif für die Unterschreibung. 97 Die Unterzeichnungszeremonie fand am 27. Dezember 98 um 5 Uhr früh im Spiegelsaal des Primatialpalasts (Palais Batthyany) in Preßburg
93
Oer, S. 166-171. Weisungen Stadions an Liechtenstein. Hollitsch, 25. Dezember 1805, in: HHStA, Abt. V, Friedensakten 102g, f° 130-134. 95 Napoleon an Franz II. Wien, 25. Dezember 1805, in: CN, Bd. 11, Nr. 9612. 96 Seinen Außenminister setzte Napoleon über den Inhalt des Schreibens an den Franz II. erst nachträglich in Kenntnis; hierzu: ders. an Talleyrand. Wien, 25. Dezember 1805, in: ebd., Nr. 9613. 97 Siehe ausfuhrlich bei: Oer, S. 180-182. 98 Gemäß demfranzösischen Senatsbeschluss erfolgte in Frankreich Ende 1805 ein Wechsel vom revolutionären zum gregorianischen Kalender. Nach dem Wunsch des abergläubischen Napoleons sollte der Vertrag vor dem Kalenderwechsel in Paris signiert werden. Deshalb ließ er den Vertrag um einen Tag retrodatieren. An Talleyrand schrieb er in diesem Zusammenhang: „Enfin, s'il n'y a pas moyen de signer sur-le-champ, attendez et signez au nouvel an; car j'ai un peu préjugés, et je suis bien aise que la paix date du renouvellement du calendrier grégorien [...]", in: Napoleon an Talleyrand. Wien, 25. Dezember 1805, in: CN, Bd. 11, Nr. 9613. Der Friedensvertrag von Preßburg war damit das letzte Staatsabkommen, welches sowohl das revolutionäre als auch das gregorianische Datum trägt; hierzu: Oer, S. 183. 94
III. Napoleons Friedensstiftung in Mitteleuropa
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(heute Bratislava) statt." Unter Napoleons Druck signierten Talleyrand für Frankreich und von Lichtenstein und der Graf Gyulai für Österreich den Vertrag. Der Preßburger Frieden ergänzte die bereits abgeschlossenen Abkommen mit Württemberg, Bayern und Baden. 100 Durch den Vertrag vervollständigte Napoleon zunächst die Umgestaltung Süddeutschlands. Dies bewirkte er, indem er Österreich die Territorialvergrößerungen (Art. 8, 14) 101 und Rangerhöhungen (Art. 7) Württembergs, Bayerns und Badens sanktionieren ließ. Diese in den Brünner Verträgen diktierte Umbildung des Südens konsolidierte er ferner (Art. 6) durch eine von Wien anerkannte Allianz zwischen Frankreich und den süddeutschen Staaten. Zugleich zwang er Österreich (Art. 15), auf künftige Ansprüche auf die fränkischen, bayerischen und schwäbischen Kreise zu verzichten und somit den in Brünn von Frankreich festgelegten Ausschluss Österreichs aus Mitteleuropa selbst zu legitimieren. Der Ausbau des französischen Einflusses inmitten des Alten Reichs war Ende 1805 allem Anschein nach abgeschlossen. Zweitens gelang es Napoleon durch den neuen Vertrag, zum ersten Mal an der Adria Fuß zu fassen. Napoleon optierte, wie erwähnt, im Gegensatz zu Talleyrand einen französischen Einflusszuwachs im Orient und die Begrenzung der Expansionsmöglichkeiten Wiens nach Osten. 102 Im Abkommen mit Österreich (Art. 4, 23) legte er nun in Anlehnung an das Vertragskonzept vom 1. Dezember die Einverleibung der venezianischen Republik samt ihrer Besitzungen im Adriaraum in das italienische Staatsgebiet fest. 103 Darunter befanden sich strategisch bedeutsame Gebiete, wie die venezianisch-adriatischen Inseln, Istrien,
99 Mikoletzky, Hans Leo: Österreich. Das entscheidende 19. Jahrhundert, Wien 1972, S. 118. 100 Zum Vertragstext siehe: Traité de paix conclu à Pressbourg. 26. Dezember 1805, in: RTF, S. 145-151; eine Kopie befindet sich ebenfalls in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 193.1, f° 352-356. 101 Vgl. Art. 8 mit Art. 4 des Vertrags zwischen Frankreich und Württemberg respektive Bayern, sowie mit Art. 1 des Vertrags zwischen Frankreich und Baden; hierzu auch: Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Bayern]. 10. Dezember 1805, in: RTF, S. 135-138; Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Württemberg]. 11. Dezember 1805, in: ebd., S. 138-140; Traité conclue à Brünn [Vertrag mit Baden]. 12. Dezember 1805, in: ebd., S. 140-143. 102 Österreichs Expansionsmöglichkeiten im Osten konnte Napoleon bereits im Vertrag mit Berlin begrenzen, der (Art. 3) die Integrität des Osmanischen Reichs bestimmte; siehe Art. 1 zum erwähnten Vertrag, in: Traité d'alliance offensive et défensive conclu à Vienne. 15. Dezember 1805, in: RTF, S. 143-144; hierzu auch bei: Dard , S. 115. 103 Siehe hier Teil B. I.
B. Balance of Power oder Hegemonie
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Dalmatien und nicht zuletzt die Bucht von Cattaro (Bocca di Cattaro). 104 Als König von Italien 105 übertrug sich Napoleon durch den Vertrag mit Österreich die Kontrolle über das adriatische Meer. 106 Der Meerzugang der Donaumonarchie war somit versperrt und die französische Position im Südosten Europas scheinbar gesichert. Drittens konnte Napoleon durch den Vertrag die radikale Präsenzreduktion der Hofburg in den deutschen Gebieten besiegeln und die österreichische Hegemonie in Mitteleuropa beenden.107 Indem er Österreich die neue Ordnung in Süddeutschland legitimieren ließ, die Stellung der süddeutschen Staaten innerhalb der confédération germanique verstärkte und eben den Friedensvertrag ohne jegliches Mitwirken der Reichsinstitutionen abschloss,108 unterminierte der französische Kaiser die Fundamente des Reichs, 109 auf welche bislang die hegemonische Position der Habsburger im Reich sowie in Europa gegründet war. Die geschwächten Reichsstrukturen begann Napoleon also systematisch durch die Verträge mit Österreich und den süddeutschen Staaten zu ersetzen. Trotz mancher Ähnlichkeiten mit dem projet von Straßburg 110 und ungeachtet Talleyrands Ansatz zu dessen Erneuerung verfolgte Napoleon im Preßburger Frieden eine vom Plan seines Ministers abweichende außenpolitische Zielsetzung. 111 Das neue Arrangement markierte zugleich seinen ersten offenen Bruch mit dem bisherigen europäischen Staatensystem. Denn in einer Abweichung von der völkerrechtlichen Tradition hatte der Preßburger Frieden ältere Verträge weder affirmiert noch erwähnt. 112 Um seine neue zwischenstaatliche Ordnung durchsetzen zu können, rückte das französische Staatsoberhaupt von Formen und Formalitäten des Ancien Régime ab. 104
Siehe bei: Traité de paix conclu à Pressbourg. 26. Dezember 1805, in: RTF, S. 145-151; die Abtretung der oben genannten Gebiete an Italien sollte (Art. 23) spätestens sechs Wochen nach der Vertragsratifikation stattfinden. 105 Am 10. Mai 1805 wurde Napoleon in Monza zum König von Italien gekrönt; siehe: Rößler, Helmuth: Napoleons Griff nach der Karlskrone, München 1957, S. 10. 106 Roloff, S. 62. 107 Hierzu siehe die Bemerkungen von Richard Charmatz in: Charmatz, Richard: Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert, Teil 1, Leipzig 1912, S. 29. 108 Der Begriff „confédération germanique" war ein übliches Synonym für das Alte Reich („Empire de l'Allemagne"); hierzu: Oer, S. 190-191. Zur Stellung der süddeutschen Staaten nach dem Preßburger Frieden siehe: Driault (1912), S. 280-281. 109 Raumer (1980), S. 160. 110 Vgl. mit Art. 4, 7, 8 des Straßburger Projektes. 111 Oer, S. 241-242. 112 Talleyrands Straßburger Projekt enthält ebenfalls keine Klauseln über die Affirmation von vorherigen Staats Verträgen. Allerdings wollte Talleyrand (Art. 8) die geplanten Territorialmodifikationen durch die Reichsinstitutionen sanktionieren lassen; siehe: TL, Nr. CXI, S. 167 f.
IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung
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Dem Anschein nach sicherte sich Napoleon durch die Neuorganisation Europas eine Vormachtstellung. Ungeachtet seiner Attacke auf die bestehenden zwischenstaatlichen Strukturen und trotz der deutlichen Schwächung des Reichssystems113 war der Mechanismus des europäischen Gleichgewichts dennoch weiterhin vorhanden. 114 Auch nach Austerlitz und auch in Norddeutschland existierte eine Alternative zur napoleonischen Hegemonie im Sinne der europäischen Balance of Power.
IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung Auch im Norden, gegenüber Preußen bestimmte Napoleon mit seiner militärischen Tatkraft die französische außenpolitische Praxis. So wie Österreich fand sich Preußen nach der Drei-Kaiser-Schlacht in einer unterlegenen Position. Gegenüber dem überlegenen Rivalen büßte die in der Potsdamer Konvention vorgesehene preußische Vermittlung an Bedeutung ein. Die preußische Vermittlungsmission wurde zunächst durch logistische Komplikationen bei der Mobilisierung der preußischen Streitkräfte beeinträchtigt. Diese geriet aufgrund mangelnder Mobilität und veralteter Organisation in Verzug. 115 König Friedrich Wilhelm III. konnte daher, solange seine Truppen nicht zur unmittelbaren Verfügung standen, die russisch-preußischen Forderungen nur schwerlich geltend machen. 116 Er ernannte zwar Außenminister Graf von Haugwitz als envoyé extraordinaire zum napoleonischen Hauptquartier in Brünn, aber er konnte der Mission des Grafen keine militärische Rückendeckung zusichern. 117 Vergeblich verzögerte Haugwitz seine Ankunft, um Zeit zu gewinnen. 118 In Brünn kam er schließlich Ende November an, noch ehe der Herzog von Braunschweig das preußische Heer zusammengezogen hatte. Aus einer geschwächten Position heraus unterbreitete also Graf Haugwitz am 28. November 1805 dem französischen Kaiser im Namen der Koalitionsmächte 113
Raumer (1980), S. 160. Siehe hingegen die These von Louis Medlein; Medlein, Bd. 6, S. 146. 115 Shanahan, William Oswald: Prussian Military Reforms 1786-1813, Phil. Diss., New York 1945, S. 82-86; ähnlich auch bei: Noack, Friedrich: Hardenberg und das Geheime Kabinett Friedrich Wilhelm III. Vom Potsdamer Vertrag bis zur Schlacht von Jena (= Gießener Studien auf dem Gebiet der Geschichte, Bd. 2), Phil. Diss., Gießen 1881, S 23-24. 116 Kieseritzsky, S. 15-16; vgl. hingegen: Ranke (1877), Bd. 1, S. 541. Die Behauptung Rankes, dass der Herzog von Braunschweig den Kampf absichtlich verzögerte, scheint angesichts des Zustandes der preußischen Armee unplausible. 117 Gemäß der Potsdamer Konvention (Art. 8, 9) sollte eine preußische Interventionsarmee von 180.000 Mann den Forderungen der Koalition Nachdruck verleihen. 118 Ebd., S. 543; Kieseritzsky, S. 20-21. 114
B. Balance of Power oder Hegemonie
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das preußische Vermittlungsangebot. 119 Napoleon lehnte den Antrag strikt ab. Er kannte den Inhalt der Potsdamer Konvention sowie den Hintergrund der preußischen Vermittlungsmission. 120 Jetzt nutzte er diese Information als Druckmittel in den Konferenzen mit Haugwitz. Er kritisierte zunächst Preußens Pakt „avec les ennemies de la France" 121 und übte anschließend Druck genau in der Hannover-Frage aus, die Berlin zum Abschluss der Potsdamer Konvention bewogen hatte. Unterrichtet über die konkreten Vorstellungen Preußens von einer Änderung der norddeutschen Verhältnisse drohte nun Napoleon, ohne vertragliches Arrangement die Kontrolle über das hannoverische Kurfürstentum der Grande Armée zu überlassen und darüber hinaus seinen in Holland und Mitteleuropa stationierten Truppen keinen Rückmarschbefehl zu erteilen. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung der preußischen Interessen im Norden spielte Haugwitz sein Vermittlungsangebot herunter. Während seiner zweistündigen Audienz in Talleyrands provisorischer Wiener Kanzlei am 1. Dezember reduzierte er die geplante „médiation armée" auf eine „simple décélération portant offre de bons offices et de médiation". Die französische Reaktion konnte er allerdings dadurch nicht abmildern. Die eingegangene Nachricht über den Ablauf des Feldzuges bei Austerlitz erübrigte ohnehin die Vermittlungsdienste des Grafen von Haugwitz. 122 Nach dem Sieg Napoleons wollte sich der französische Außenminister auf das neue Angebot nicht mehr einlassen.123 Die Forderung der angeschlagenen Koalitionsmächte vermochte nun der preußische Gesandte nicht durchzusetzen, da diese nicht mehr der herrschenden militärischen sowie politischen Lage entsprach. 124 Während seiner zweiten Audienz bei Napoleon am 14. Dezember schien Haugwitz die Gefahr für die preußischen Interessen in Norddeutschland größer als je zuvor, da - wie Napoleon behauptete - Österreich dem Erzherzog Carl für den Verlust seines Salzburger
119
Zur vollständigen Darstellung der Audienz vom Grafen Haugwitz bei Napoleon siehe: Bericht Haugwitz über seine Sendung. Berlin, 25. Dezember 1805, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 220 ff; vgl. auch mit ebd., S. 190 ff. 120 Nach dem Bericht Metternichs informierte Haugwitz den französischen Botschafter in Berlin, Laforest, über den Inhalt der Potsdamer Konvention; siehe: Kieseritzsky, S. 35; NP, Bd. 2, S. 100 ff; vgl. mit: Ranke, Leopold von: Notiz über die Memoiren des Grafen von Haugwitz, in: Leopold von Ranke's Sämtliche Werke, Bd. 47, Leipzig 1880, S. 317-318. 121 Ders. (1877), Bd. 5, S. 228. 122 Über den Ausgang des Krieges setzte Talleyrand Haugwitz erst am 5. Dezember in Kenntnis; so berichtet Friedrich Wilhelm III. seinem Botschafter in Petersburg: Friedrich Wilhelm III. an Goltz. Berlin, 8. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171175, Fasz. 156A,f° 11-15. 123 Talleyrand an Napoleon. Wien, 2. Dezember 1805, in: TL, Nr. CXXXVII. 124 Lombard, Johan Wilhelm: Matériaux pour servir à l'histoire des années 1805, 1806 et 1807, Leipzig/Frankfurt 1808, S. 128-129.
IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung
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Kursitzes eben in Hannover habe entschädigen lassen wollen. 125 Ohne konkrete Instruktionen und in Anbetracht der wachsenden Gefahr orientierte sich der Kabinettsminister an den traditionellen Maximen der preußischen Außenpolitik. Am 14. Dezember entschied er sich schließlich, Preußens Grundinteressen anstelle des Vertrags mit den Alliierten durch eine Allianz mit Frankreich durchzusetzen. In einer Audienz bei Napoleon erklärte er folglich, Preußen werde der in den Brünner Verträgen geplanten Territorialrevision zustimmen, wenn es das hannoverische Kurfürstentum, so wie es die déclaration additionnelle zur Potsdamer Konvention vorsah, in Besitz nehmen könne. 126 Napoleon nutzte nun die Gunst der Stunde, um Preußen an sein Vertragssystem zu binden. Er beauftragte den mit den Verhältnissen am Berliner Hof vertrauten Duroc umgehend mit dem Verhandlungsabschluss. 127 Diesem diktierte Napoleon den Vertragsinhalt wortwörtlich. 128 Am 15. Dezember 1805 fügte von Haugwitz seine Unterschrift der alliance offensive et défensive zu Schönbrunn bei. 1 2 9 Zu Recht glaubte er, im besten Interesse Preußens gehandelt zu haben, denn im Wesentlichen respektierte die Übereinkunft das traditionelle preußische Territorialinteresse in Norddeutschland. 130 Durch die neue Allianz konnte einerseits Napoleon seinen Einfluss auf Nordeuropa ausweiten und andererseits Preußen seine Position im nördlichen Reichsteil festigen. 131 Mit der Bindung Preußens an Frankreich in einer „éternelle union" (Präambel) hoffte Napoleon, das außenpolitische Vorgehen Preußens beeinflussen zu können. Zwar sagte die Allianz (Art. 1) beiden Kontrahenten einen gegenseitigen Beistand im Kriegsfall und eine gegenseitige Garantie der respektiven Besitzungen (einschließlich der neuen preußischen Er125 Dies bestätigt das Schreiben Talleyrands vom 13. Dezember; siehe: Talleyrand an Napoleon. Wien, 13. Dezember 1805, in: TL, Nr. CXL. Talleyrand warnte allerdings, Frankreich riskiere durch die Abtretung Hannovers an Österreich sowohl eine Wiederherstellung der österreichischen Macht in Mitteleuropa als auch einen offenen Konflikt mit Berlin. Er empfahl daher das österreichische Ersuchen zurückzuweisen. Da Napoleon bereits in den Brünner Verträgen begann, Österreich aus dem Reich auszuschließen, lässt sich vermuten, dass seine Bemerkungen gegenüber Haugwitz aus taktischen Gründen erfolgten. 126 Napoleon an Talleyrand. Schönbrunn, 14. Dezember 1805, in: CN, Bd. 11, Nr. 9573. 127 Ähnliche Anträge machte Duroc bereits drei Monate zuvor; siehe hier Teil B. I. 128 Kieseritzsky, S. 37. 129 Ebd., S. 27-28. 130 Albert Sorel bezeichnete den Vertrag zu Recht als eine "capitulation lucrative"; Sorel, Albert: L'Europe et la Révolution Française, Bd. 7, 2. Aufl., Paris 1904, S. 82; siehe ähnlich bei: Lévy , S. 470 f. Siehe hierzu auch die eigenen Bemerkungen von Haugwitz in seinen Memoiren; Haugwitz, Christian August Graf von: Fragment des mémoires inédites du Comte de Haugwitz, Jena 1807, S. 17-18. 131 Zum vollständigen Text siehe: Traité d'alliance offensive et défensive conclu à Vienne. 15. Dezember 1805, in: RTF, S. 143-144.
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Werbung in Hannover) zu, dennoch spielte diese Reziprozität vor allem in die Hände des französischen Kaisers, denn dadurch konnte Napoleon Berlin vom Koalitionslager isolieren und somit Norddeutschland in sein Vertragssystem eingliedern. 132 Im Gegensatz zu seinem Vorhaben von Ende Oktober 1805, die Kontrolle über den deutschen Raum zwischen Frankreich, Österreich und Preußen aufzuteilen, wollte jetzt Napoleon aufgrund seines Erfolgs bei Austerlitz indirekt durch die Verbindung mit Preußen auch den Norden unter seine Kontrolle bringen. 133 Für ihn war also die jüngste Allianz ein weiterer Schritt zur Verwirklichung seiner hegemonialen Ansprüche in ganz Europa. Dennoch, Preußen trat der Allianz freiwillig bei und verlor nicht seine Unabhängigkeit, wie in der modernen und der alten Historiographie oft argumentiert wird. 1 3 4 Denn dieselbe Allianz stärkte zugleich die preußische Position in Norddeutschland. Gegen einen Verzicht (Art. 3, 4, 5) auf Bayreuth und die Ansbacher Enklave (zugunsten Bayerns), auf das Herzogtum Cleve (zugunsten Frankreichs) und auf Neuchâtel (zugunsten der Schweiz) übertrug sie Berlin (Art. 2) „en tout souveraineté" und ohne die Kurwürde die deutschen Gebiete Königs George I I I . 1 3 5 Mit dieser Erwerbung, die bereits in der Potsdamer Konvention bestimmt worden war, gewann Preußen eine neue Perspektive in Norddeutschland. Sein späteres Vorgehen gegenüber Russland zeigt ferner, dass Preußen sich trotz der Verbindung mit Frankreich von der Koalition nicht vollständig trennte 136 und dass es weiterhin seine eigene außenpolitische Zielsetzung verfolgte. 137 Sowohl Napoleon als auch Friedrich Wilhelm III. betrachteten sich also nach dem Vertragsabschluss in ihrer jeweiligen Expansionspolitik gestärkt. In Berlin kam es jetzt zu einer Diskussion über das Resultat der Verhandlungen in Schönbrunn. Die Überlegungen des preußischen Kabinetts und des preu132 Hierzu ließ Napoleon Preußen das napoleonische System durch (Art. 6) eine offizielle Anerkennung der Brünner Verträge legitimieren. 133 Nach dem Schreiben Talleyrands gedachte Napoleon, das Alte Reich in drei Imperien zu teilen: "Nous travaillons tous les jours à des plans de pacification. En voici un nouveau que je vous laisse à faire; envoyez m'en le tracé. Plus d'empereur d'Allemagne! Trois empereurs en Allemagne: France, Autriche et Prusse [...]." Talleyrand an d'Hauterive. München, 27. Oktober 1805, in: Talleyrand (1957), S. 385-386. 134 Hierzu siehe exemplarisch bei: Ranke (1877), Bd. 1, S. 576; Cavaiganc, S. 214. Für eine ähnliche Interpretation in der modernen Geschichtsschreibung siehe: Simms (1997), S. 231 ; Aretin (1980), S. 104. 135 Vorgesehen war die Abtretung Neuchâtels an Frankreich und anschließend dessen Übergabe an die helvetische Republik. 136 Siehe hingegen die Thesen von Karl Hansing und Detlef Jena; Hansing, S. 81; Jena, S. 133. 137 Siehe hingegen die These von Ernst Kieseritzsky, der die Anpassung der preußischen außenpolitischen Praxis an die neuen Umstände als einen Systemwechsel betrachtet; Kieseritzsky, S. 43.
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ßischen Monarchen, den Vertrag zu ratifizieren oder abzulehnen, belegen, dass in Preußen ungeachtet persönlicher Rivalitäten innerhalb des Außenministeriums ein Konsens über das primäre außenpolitische Ziel herrschte. Die einzige Unstimmigkeit im preußischen Kabinett zeichnete sich über das taktische Vorgehen Preußens gegenüber Frankreich ab. Über diese Frage der anzuwendenden Taktik positionierten sich die leitenden Personen im preußischen Außenministerium, Haugwitz und Hardenberg, gegenüber dem König. Haugwitz und Hardenberg führten seit dem Sommer 1804 gemeinsam das preußische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (das so genannte Kabinettsministerium). 138 Für beide war darum die Frage der Allianz mit Frankreich auch von großer Bedeutung für ihren Rang innerhalb des Ministeriums. Haugwitz, der als Erster 1802 die traditionelle kollegiale Amtsführung des Ministeriums für zwei Jahre hatte aussetzen können, 139 erkannte während seiner Mission in Wien erneut eine Chance, die Leitung des Außenministeriums für sich allein in Anspruch zu nehmen. 140 Durch eine sofortige Ratifikation „seiner" Allianz von Schönbrunn wünschte er also nicht nur einer direkten militärischen Kollision mit dem siegreichen Napoleon vorzubeugen, sondern zugleich, nach zwei Jahren im Schatten des Barons von Hardenberg, seine Position im Kabinett zu stärken. 141 Als er aus Wien zurückkehrte, stellte er den König am Schluss seines mehrseitigen Rapports über die Konferenzen in Brünn und in Wien vor eine einfache Wahl: „Le roi reste maître de choisir entre la ratification du traité [...] ou la guerre". 142 Bewusst vermied er eine differenzierte Darstellung der Lage, um den König zur Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde zu animieren. 143 Die Entscheidung über den Vertrag sowie über die politische Zukunft beider Minister sollte Ende Dezember fallen, als der König, von Haugwitz und Geheimrat von Lombard in Berlin zusammenkamen, um die Details der zu ratifizierenden Allianz zu erörtern. Hardenberg, der Urheber des preußischen Neutralitätssystems, den man am Hof weiterhin für einen Gegner jegliche Annäherung an Frankreich hielt, 144 wurde von vornherein von der Konferenz ausge-
138
Siehe hierzu bei: Kohnke (1968), S. 153-159; ders. (1978), S. 345-347. Dies nach dem Tod seines Amtskollegen von Alvensleben im Jahre 1802; siehe hierzu bei: ebd., S. 345-347. 140 Hierzu siehe: Ranke (1877), Bd. 3, S. 138-139. 141 Ebd., Bd. 5, S. 240 ff. 142 Ebd., S. 236. 143 Zum Charakter des Königs siehe: Schrempf, Claus: Blücher, Friedrich Wilhelm III, Stein, Stuttgart 1940, S. 128-129. 144 Darum verbot Napoleon seinem Botschafter Laforest seit dem 20. Dez. 1805 mit Hardenberg zu verkehren; siehe: Stamm-Kuhlmann, Thomas: König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992, S. 203. 139
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schlossen.145 In der Besprechung kam es letztlich zu keiner Entscheidung.146 Haugwitz konnte aber durch die Konferenz seine Position gegenüber seinem Amtskollegen verbessern. 147 Der Ausschluss des Barons aus der Sitzung sowie seine Überlegungen Anfang Januar 1806, den Dienst zu quittieren, 148 machen dies deutlich. Hardenberg war seinerseits mit dem Resultat der Verhandlungen des Grafen Haugwitz in Wien äußerst unzufrieden. 149 Um den König noch überzeugen zu können, legte er einen Alternativplan vor. Dabei verfolgte er eine doppelte Absicht: das neue Arrangement mit Frankreich ins bestehende Staatensystem zu integrieren und seine eigene Position im preußischen Kabinettsministerium aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zu seinem berüchtigten antifranzösischen Ruf befürwortete auch der Baron eine Allianz mit Frankreich, dies allerdings unter der Auflage, so Hardenberg in seiner ersten Denkschrift, dass der Vertrag der preußischen Krone die Herrschaft über ganz Norddeutschland „soit soumis à la souveraineté de la Prusse ou à son influence décisive" einräumen würde. 150 In seinem zweiten Memorandum stellte er sogar fest, es sei von französischem Interesse, die Einflusszone in Mitteleuropa zwischen Frankreich in Süddeutschland und Preußen in Norddeutschland aufzuteilen, um die Lage auf dem Kontinent zu stabilisieren. 151 Im Gegensatz zu Haugwitz wollte aber Hardenberg nicht bilateral gegenüber Frankreich, sondern multilateral gegenüber allen Großmächten vorgehen. Hierzu reichte er Anfang Januar 1806 ein eigenes Projekt zur Regelung der französisch-preußischen Beziehungen ein. 1 5 2 Der Schwerpunkt seiner Skizze lag darin, die bilaterale Allianz in die bestehende zwischenstaatliche Ordnung einzubetten. Zu diesem Zweck plante Hardenberg (Geheimartikel 7), das Alte Reich umzustrukturieren und (Art. 5) das in Basel 1795 festgelegte
145 Nach dem Bericht von Laforest wurde der Vertragsinhalt vor Hardenberg geheim gehalten; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 28. Dezember 1805, in: AE, CP Prusse 237, f° 321-326; darin vor allem den chiffrierten Teil, f° 321-322. 146 Über den genauen Verlauf der Konferenz legen weder Archivalien noch Publikationen vor. 147 Simms (1994), S. 385-387. 148 Dass Hardenberg zurücktreten wollte, wusste der englische Botschafter bereits Anfang Januar; siehe: Lord Harrowby an Lord Mulgrave. Berlin, 7. Januar 1806, in: NA, FO 64/70, unpag. 149 Nach dem obigen Rapport des englischen Botschafters in Berlin: "[...] Bfaron] Hardenberg exposed his extreme disgust with the result of Haugwitz's negotiations and declared that he had respectably offered his resignation to the King"; zitiert nach ebd. 150 Erste Denkschrift Hardenbergs über die Allianz von Schönbrunn. Berlin, 30. Dezember 1805, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 243-256. 151 Zweite Denkschrift Hardenbergs über die Allianz von Schönbrunn. Berlin, 1. Januar 1806, in: ebd., S. 263-266. 152 Traité secret d'Alliance. Berlin, 1. Januar 1806, in: ebd., S. 269-271.
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Neutralitätssystem von allen Mächten sanktionieren zu lassen.153 Die angestrebte Neuordnung müsse, so Hardenberg, international anerkannt sein. Demzufolge dürfe (Art. 2) Hannover nur im Rahmen eines französisch-englischen Vertrags, d. h. mit klarem englischem Einverständnis, von Preußen einverleibt werden. 154 Hardenberg strebte das gleiche Ziel an, das Haugwitz mit einer offiziellen Preisgabe der preußischen Neutralität realisieren wollte, 155 nämlich eine preußische Territorialexpansion in Hannover und Friedenssicherung im Norden. Von der Annahme seines Projektes erhoffte sich Hardenberg zugleich, seine eigene Stellung im Ministerium gegenüber seinem Amtskollegen von Haugwitz weiter behaupten zu können. Dass er sich infolge der Annahme des von Haugwitz unterzeichneten Vertragstexts bereit erklärte, von seinem Amt zurückzutreten, 156 weist darauf hin, dass seine außenpolitische Orientierung mit einem persönlichen politischen Ehrgeiz verknüpft war. Die leitenden Personen im preußischen Außenministerium verfolgten also das gleiche Ziel - eine preußische Machtexpansion in Norddeutschland. Beide vertraten die außenpolitischen Leitgedanken des preußischen Monarchen. Allein das strategische Handeln unterschied letzten Endes die Amtskollegen. Bei ihrem Vorgehen mischte sich klares „high political" Kalkül mit außenpolitischer Strategie, die fast unmittelbar an ihre persönliche Zukunft im Ministerium gebunden war. Die Entscheidung über die Ratifizierung des Vertrags traf schließlich König Friedrich Wilhelm III. alleine. Ebenso wie Hardenberg wollte auch er dem vollständigen Ausscheiden Preußens aus der dritten Koalition ausweichen. Er nahm daher den Vertrag nur mit Einschränkungen an. In einem zur Ratifikationsurkunde beigelegten „mémoire explicatif 4 an den französischen Kaiser, datiert auf Freitag, den 3. Januar 1806, forderte er von Napoleon, ähnlich wie in den ausgehändigten Memoranden Hardenbergs, die preußische Besitznahme von Hannover an ein französisch-englisches Abkommen zu koppeln. 157 Im Begleit-
153 Die neue konstitutionelle Basis sollte, so Hardenberg, "adaptée[] aux circonstances" sein; ebd., S. 270. 154 Bereits vor dem Krieg erwog Hardenberg einen Tauschplan mit England. Nach diesem sollte Preußen das Kurfürstentum (ohne Deipholz, Osnabrück, und Teile von Hoya) aber mit der Kurwürde erhalten und dem englischen König die westfälischen Besitzungen Berlins (außer Minden und Ravensburg) einräumen; hierzu: Brandes, S. 266269. 155 Hierzu siehe auch die programmatische Denkschrift Hardenbergs: Denkschrift Hardenbergs. Berlin, 11. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 405, unpag. 156 Lord Harrowby an Lord Mulgrave. Berlin, 7. Januar 1806, in: NA, FO 64/70. 157 Zum vollständigen Text siehe: Mémoire explicatif. Berlin, 3. Januar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 392-394; abgedruckt auch bei: Hanoteau, Jean/Prince Napoléon (Hrsg.): Lettres personnelles des Souverains à l'Empereur Napoléon I e r , Bd. 1, Paris
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schreiben bot der König fernerhin seine Schlichtungsdienste zwischen Paris und Petersburg an, 158 in der Erwartung, durch einen zusätzlichen französischrussischen Vertrag die Änderungen im Norden sanktionieren lassen zu können. 159 Die bedingte Ratifikation zielte also darauf ab, die komplette Trennung Preußens von der Koalition (eines der Ziele Napoleons) zu verhindern. Die preußische Territorialpolitik in Norddeutschland sowie das Handeln Frankreichs bestimmten das Vorgehen des preußischen Monarchen in der Allianz-Frage und schließlich auch seine Stellung innerhalb der Koalition, vor allem gegenüber England und Österreich, mit. „Um die Grundlage zu den Veränderungen für das nördliche Deutschland festzusetzen [...]" 1 6 0 entsandte Friedrich Wilhelm III. den Grafen Haugwitz mit einer Botschaft an Napoleon nach Paris. Dennoch - so wie bei der Vermittlungsmission von Haugwitz Ende November 1805 - veränderte sich die Lage noch vor der Ankunft des Grafen in Paris. Die französische Ratifikationsurkunde kam in Berlin bereits Ende Dezember an. 161 Vermutlich aus Sorge vor einer Ablehnung seiner bedingten Ratifikation entschloss sich der König, unilateral zu agieren. Im Januar 1806 deklarierte er offiziell, dass zum Schutz und zur Sicherung des Nordens Kurbraunschweig (d. h. Hannover) „bis zur Abschließung des allgemeinen Friedens [...] in Verwährung und Administration" genommen werden solle. 162 Der General Graf von Schulenburg-Kehnert, der auf königlichen Befehl Ende Januar in den Kurstaat einmarschierte, 163 kündigte die engli1939, S. 307-309. Hierzu auch: Hellwig, Leo: Schulenburg-Kehnert unter Friedrich Wilhelm III. 1798-1806, Berlin 1936, S. 111-112. 158 Dies schlug der Herzog von Braunschweig in seiner Denkschrift vor; siehe: Ranke (1877), Bd. 5, S. 259-261, darin vor allem S. 260. 159 Friedrich Wilhelm III. an Napoleon. Berlin, 4. Januar 1806, in: ebd., Bd. 2, S. 401-402. 160 Dies nach folgendem Bericht des kurhessischen Botschafters an den Kurfürsten: Baron von Malsburg an Wilhelm I. Berlin, 7. Januar 1806, in: Strippelmann, S. 21-22. 161 Siehe hierzu: Talleyrand an Laforest. Paris, 31. Dezember 1805, in: AE, CP Prusse 237, f° 331-333. 162 Offizielle Bekanntmachung des Königs über die Besitznahme von Hannover zur Erhaltung der Ruhe im Norden. Abdruck. Berlin, 27. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 28-29. Die offizielle Nachricht erhielt der englische Botschafter in Berlin Francis James Jackson den Tag darauf um vier Uhr; siehe: Authentische Aktenstücke zur Geschichte des Bruches zwischen Großbritannien und Preußen, Kassel 1806, Nr. 1; Die Deklaration wurde erst drei Tage später publiziert; siehe: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Donnerstag, 30. Januar 1806. Ähnliche Gründe gab der König für sein Vorgehen in einer formellen Bekanntmachung an Friedrich August von Sachsen an; siehe: Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August. Berlin, 9. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 41, Nr. 402, unpag. 163 Dabei musste von Schulenburg den Rückzug der russischen Soldaten unter dem Kommando von General Tolstoy finanzieren, welche seit Herbst 1805 in Hannover Stel-
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sehe Zivilverwaltung in Hannover und implementierte den Allianzvertrag im Namen der preußischen Krone. 164 Preußen sicherte sich die im Vertrag vorgesehenen territorialen Vorteile, ohne dies mit dem französischen Kontrahenten oder mit den Koalitionskräften koordiniert zu haben. In London und Wien stieß die preußische diplomatische Aktivität auf Missfallen, denn aus der Perspektive der Koalition konnte man die Annäherung Preußens an Frankreich nur als einen preußischen Austritt aus dem Koalitionslager interpretieren. An der Themse war die Enttäuschung über Preußens Vorgehen besonders groß. Ungeachtet des russisch-österreichischen Militärdebakels wollte das Kabinett von St. James Berlin weiterhin für eine abermalige Offensive gewinnen, um den preußischen Staat wieder ins Koalitionslager zu ziehen. Daher autorisierte der englische Außenminister Lord Mulgrave den Sondergesandten Lord Harrowby, dem Berliner Kabinett Subsidienzahlungen für eine beliebige Truppenanzahl anzutragen. 165 Vergeblich erwartete Mulgrave, dass Friedrich Wilhelm III. seinen Verpflichtungen gemäß der Übereinkunft vom November 1805 nachkommen würde. Der Versuch, Preußen von Frankreich zu separieren, scheiterte. 166 Im englischen diplomatischen Corps spekulierte Anfang 1806 keiner mehr auf ein preußisches Engagement gegen Frankreich. Berlins Annäherung an Paris wurde schließlich geduldet. 167 Endgültig
lung hielten; siehe: Jacksons Tagebuch. Eintrag vom 4. Februar 1806, in: Jackson , George: Diaries and Letters of Sir George Jackson. From the Peace of Amiens to the Battle of Talavera, hrsg. von Lady Jackson, Bd. 1, London 1872, S. 397; Höpfner , S. 28-29. 164 Hellwig , S. 113; detailliert über die preußische Verwaltung Hannovers bei: Thimme , Friedrich: Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter der französisch westfälischen Herrschaft 1806-1813, Hannover/Leipzig 1893, S. 148-183. Vermutlich fiel die Wahl auf von Schulenburg, da er bereits 1802/03 die durch den Reichsdeputationshauptschluss neu erworbenen Provinzen organisierte und deren Integrierung in das preußische Staatsgebiet durchführte; dazu ausführlich: Hellwig , S. 84-107. 165 Lord Mulgrave an Lord Harrowby. London, Downing Street, 10. Januar 1806, in: NA, FO 64/70. Nach den vorgeschlagenen Subsidienmodalitäten sollte Preußen gegen eine Besoldung in Höhe von 2.250.000£ ein Heer von 180,000 Mann aufstellen; ebenfalls sollten Schweden mit 100.000 Soldaten und die Kurhöfe von Sachsen und Hessen-Kassel (mit einer unbestimmten Soldatenanzahl) gegen Subsidienzahlungen in den Kampf treten; siehe: Note sur le règlement des subsides que l'Angleterre aurait à payer, undat. [Annex zum obigen Schreiben], in: ebd. 166 Eine Antwort auf den Antrag war weder im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin noch in den National Archives in Kew zu finden. 167 Siehe z. B. die Bemerkungen Gran villes in seinem Brief an den englischen Botschafter in Wien: Lord Granville Levenson Gower an Sir Arthur Paget. Berlin, 6. Januar 1806, in: Paget , Augustus Sir (Hrsg.): The Paget Papers. Diplomatie and other Correspondence of the Right Hon. Sir Arthur Paget 1794-1807, Bd. 2, London 1896, S. 265266.
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desillusioniert wurde man in Windsor in dem Moment, da man von der preußischen Besitzergreifung der englischen „electoral dominions" erfuhr. 168 Auch für Österreich bedeutete der französisch-preußische Vertrag das Ausscheiden Preußens aus der Koalition. Stadion beurteilte ihn als eine de facto Allianz zwischen Preußen und Frankreich, da, so der Außenminister, Preußen sich darin verpflichtet habe, sich für die französische Neuordnung in Süddeutschland einzusetzen.169 Eine direkte oder gar indirekte Intervention, um die europäischen Machtverhältnisse auszugleichen, war für Wien undenkbar. Nach der jüngsten Niederlage distanzierte sich Österreich prinzipiell von allen kontinentalen Angelegenheiten. Die unmittelbaren Ziele der österreichischen Außenpolitik nach Austerlitz waren zum einen, in London auf diplomatischen Wegen den Restbetrag der englischen Subsidienzahlungen einzutreiben, und zum anderen, den vereinbarten Frieden mit Paris zu erhalten und die Beziehungen zu Frankreich zu normalisieren. 170 Eine territoriale Änderung in Norddeutschland infolge der preußischen Besitznahme von Hannover, sofern dies den nördlichen Reichsteil konsolidieren könnte, schloss Graf Stadion daher nicht aus. 171 Österreich schien somit dem preußischen König die Verantwortung über den norddeutschen Reichsteil überlassen zu haben. Offiziell weihte Berlin weder Wien noch London in seine diplomatischen Aktivitäten in Schönbrunn und in Paris ein. Sowohl am Ballhausplatz als auch in der Downing Street duldete man zumindest vorläufig die preußische opportunistische Politik, obwohl die neue Allianz zwischen Frankreich und Preußen einen klaren Bruch mit der Koalition darstellte. Historiker wie Karl Hansing und Ernst Kieseritzsky leiten daraus die These ab, dass Preußen sich somit von seinen Alliierten vollkommen getrennt habe. 172 Dagegen spricht allerdings das
168 „Electoral dominions" war die gängige Bezeichnung in England für die Gebiete des hannoverischen Kurfürstentums; siehe z. B. die königliche Botschaft ans Parlament vom 21. April 1806, bei: Hansard, Thomas C. (Hrsg.): The Parliamentary Debates, Ist Series, Bde. 6, 8, London 1812 (ND: New York 1970), S. 805. 169 So schrieb der Außenminister an den österreichischen Vertreter in Russland; siehe: Stadion an Marveldt. Petersburg, 24. März 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 203, unpag. 170 So nach dem Schreiben Stadions an den österreichischen Gesandten in London; siehe: Stadion an Starhemberg. Wien, 11. März 1806, in: ebd., England, Kart. 153, f° 711. Hierzu siehe auch: Rößler (1957), S. 38-39; sowie Drimmel, Heinrich: Kaiser Franz. Ein Wiener übersteht Napoleon, München 1981, S. 252-253. 171 Stadion an Starhemberg , Wien, 11. März 1806, in: HHStA, Abt. VIII, England, Kart. 153, f° 31-32; hierzu siehe auch: Rößler, Helmuth: Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung, Bd. 1, Hamburg 1940, S. 198. Sogar Metternich bedachte, im Rahmen des modifizierten europäischen Gleichgewichts eine potenzierte preußische Macht zuzulassen; siehe: Metternichs Aufsatz über einen politischen Plan. Januar 1806, in: NP, Bd. 2, S. 104-105. 172 Hansing, S. 81; Kieseritzsky, S. 43.
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weitere preußische Vorgehen gegenüber dem russischen Zaren, dem Initiator der dritten Koalition. Die Nachricht über den französisch-preußischen Vertrag nahmen der Zar und seine Minister mit Skepsis auf. 173 Sie alle richteten sich weiterhin nach dem Gleichgewichtsprinzip und waren darum besorgt, die kontinentale Balance of Power zugunsten Frankreichs verlagert gesehen zu haben. In Petersburg dachte man folglich daran, das napoleonische diplomatische Handeln durch eine eigene Aktion zu kontern. In diesem Sinne erklärte Czartoryski, der leitende Minister im petersburgschen Regierungsrat, die durch die neue Allianz in Norddeutschland entstehende französische Übermacht bedinge einen Ausgleich. Er schlug also vor, ein Bündnis zwischen Russland und Preußen zu schließen, um das vorherige Gleichgewicht aufrechterhalten zu können. 174 „Berlin", fügte der Minister hinzu, „doit devenir l'un des principaux pivots de la politique de la Russie" und dürfe deshalb nicht in den Einflussbereich des napoleonischen Frankreichs fallen. In einem Memorandum von Ende Januar warnte er ferner eindeutig vor der opportunistischen preußischen außenpolitischen Praxis, welche gegen die Grundlagen des europäischen Gleichgewichts verstoße. „La Prusse [...]", notierte er darin, „cherche partout de profit, se mêle de toutes les affaires de l'Europe pour l'y trouver". 175 Durch ein russisch-preußisches Bündnis hoffte Czartoryski, Preußen an Russland und somit an das alte Gleichgewichtssystem zu binden und sein für die Balance of Power gefährliches Verhalten in der diplomatischen Arena, sofern möglich, zu zügeln. Der russische Zar teilte die Meinung seines Ministers. 176 Dennoch vertraute er weiterhin auf die „amitié mutuelle" beider Monarchen und wies darum die Warnungen Czartoryskis zurück. Er wartete zunächst auf die Erklärungen des preußischen Monarchen. 177 Diese kamen in der dritten Februarwoche. Ende Januar sandte Friedrich Wilhelm III. den Herzog von Braunschweig nach Petersburg, 178 ausstaffiert mit Kopien des Vertragstexts von Schönbrunn und der bedingten Ratifikation sowie 173 Zawdzki, W. H.: A Man of Honour. Adam Czartoryski as a Statesman of Russia and Poland 1795-1831, Oxford 1993, S. 148. 174 Denkschrift Czartoryskis. Petersburg, 17. Januar 1806, in: Gielgud, S. 113-121. 175 Denkschrift Czartoryskis. Petersburg, 29. Januar 1806, in: ISIRO, Nr. 81; vgl. ebenfalls mit der vorherigen Denkschrift Czartoryskis. 176 Das belegt sein späterer Plan zur Aufnahme Preußens ins russische System. 177 So äußerte sich der Zar im folgenden Schreiben an seinen Gesandten in Berlin; Alexander I. an Alopeus. Petersburg, 3. Februar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 305307. 178 Die Wahl fiel auf den Herzog von Braunschweig, vermutlich weil er sich bereits Ende Dezember für die Erneuerung des guten Einvernehmens zwischen Petersburg und Berlin und für ein preußisches Engagement zur Vermittlung zwischen Frankreich und Russland äußerte; siehe: Denkschrift des Herzogs von Braunschweig. Berlin, 31. Dezember 1805, in: ebd., S. 259-261, darin vor allem S. 260.
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mit ausführlichen Explikationen über das preußische Vorgehen. 179 Das Ziel seiner Mission lag darin, einen Bruch mit der Koalition zu verhindern. Erreicht werden sollte dieses durch eine russische Sanktionierung des jüngst abgeschlossenen französisch-preußischen Vertrags. Am 19. Februar traf der Herzog in Petersburg ein. Sein gesamtes Vorgehen am zaristischen Hof stand im Widerspruch zu den Grundsätzen der preußischen Allianz mit Frankreich. Durch sein Auftreten wollte er den Eindruck erwecken, dass Preußen weiterhin zum Koalitionsblock gehörte. Dementsprechend distanzierte sich der Herzog von Braunschweig in seinen Erklärungen und Vorschlägen von dem jüngst unterzeichneten Abkommen zwischen Paris und Berlin. Zunächst versicherte er, dass, ungeachtet der neuen Allianz, die alten russischpreußischen Vereinbarungen ihre Gültigkeit nicht verlieren würden. 180 Dabei meinte er auch die alliance défensive vom Jahre 1800 zwischen Paul I. und König Friedrich Wilhelm III. Diese (Art. 11) verwehrte Preußen den Abschluss eines Separatfriedens mit Frankreich und wurde nun von dem Herzog hervorgehoben, um die Bedeutung des Vertrags mit Paris zu marginalisieren und um die Unterstützung des Zaren für die preußische Politik zu gewinnen. 181 Im Anschluss daran lancierte der Herzog einen an die „mémoire explicatif 4 des Königs anlehnenden Plan für eine vertragliche Beilegung der russischfranzösischen Auseinandersetzung unter preußischer Vermittlung. Seine Absicht war es dabei, das französisch-preußische Arrangement durch Petersburg sanktionieren zu lassen.182 Aus diesem Grund bemühte sich der Herzog, dem Zaren die preußische Inbesitznahme von Hannover schmackhaft zu machen. Denn zu Recht vermutete er, dass der Zar, Verfechter des Ancien Régime, an dieser gegen das Legitimitätsprinzip verstoßenden Besitznahme keinen Gefallen finden würde. Darum bezeichnete der Herzog von Braunschweig bei seiner zweiten Unterredung am 25. Februar die Besitzergreifung von Hannover als „possession [...] hypothétique" und betonte ferner, dass diese ausschließlich im
179 So informiert der König die Gesandtschaft in Petersburg; siehe: Friedrich Wilhelm III. an Goltz. Berlin, 8. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A,f° 11-15. 180 Nach folgendem Bericht: Herzog von Braunschweig an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, 27. Februar 1806, in: ebd., f° 43-44. 181 Gemeint war die alliance défensive vom Jahre 1800 zwischen dem Zaren Paul I. und König Friedrich Wilhelm III. Nach dieser (Art. 11) durfte Preußen unter anderem keinen Separatfrieden mit Frankreich schließen. Zum Vertragstext siehe: traité d'alliance avec la Prusse. Pèterhoff, 28. Juli 1800, in: RTCR, Bd. 6, S. 270-280. 182 Hierzu: Herzog von Braunschweig an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, 27. Februar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 43-44; vgl. mit der in der Denkschrift von Hardenberg ausgearbeiteten Anweisung an den Herzog von Braunschweig; siehe: Denkschrift Hardenbergs für den Herzog von Braunschweig bei seiner Sendung nach Petersburg. Berlin, 17. Januar 1806, in: ebd., f° 5-11; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 5, S. 278-287.
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Rahmen eines französisch-englischen Friedens in Anspruch genommen werde. 183 Schließlich argumentierte er, dass nur dank der preußischen Besatzung eine Übernahme des Kurfürstentums durch einen „prince étranger aux intérêts du nord de l'Allemagne" verhindert werden könne. 184 Trotz seiner Bemühungen gelang es dem Herzog dennoch nicht, den unangekündigten preußischen Einmarsch in Hannover überzeugend zu rechtfertigen. Sein gesamter Argumentationskomplex scheiterte schließlich an diesem zentralen Punkt. Denn eine Annäherung an Alexander I. war nur schwer möglich, solange Preußen, ähnlich wie Napoleon, in seiner außenpolitischen Praxis der politischen Weltanschauung des Zaren zuwiderhandelte. Der Zar interpretierte die Argumente des Herzogs als einen Versuch, die preußische Annäherung an Paris und die Verletzung des Legitimitäts- und Gleichgewichtsprinzips zu verdecken. In seiner Botschaft an König Friedrich Wilhelm III. übte er vehemente Kritik an Preußen. Er stellte pro-französische Tendenzen hinter der preußischen diplomatischen Praxis fest und rechnete diese der außenpolitischen Linie des Grafen von Haugwitz zu. 1 8 5 Er war keinesfalls bereits, die französisch-preußische Allianz zu legitimieren. Stattdessen gedachte Alexander, Preußen wie in der Potsdamer Konvention an seine Seite zu ziehen. Zu diesem Zweck regte er eine defensive Union aller Staaten außerhalb des französischen Einflusskreises an, als Gegenpol zum geplanten napoleonischen „système fédératif \ 1 8 6 Die Union wollte er auf einer neuen russisch-preußischen Defensivallianz begründen. 187 Dabei sollte sich Preußen unter anderem für den Rückzug der französischen Truppen aus Mitteleuropa und die Aufrechterhaltung des Handelsverkehrs im Norden engagieren. Im Gegenzug versicherte der Zar seinerseits, im Falle einer französischen Aggression zugunsten Preußens zu
183 Note des Herzogs von Braunschweig an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, 25. Februar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 51-52; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 2, S. 538-540. Vgl. auch mit: Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. Berlin, 7. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 5556. 184 Dies behauptet der Herzog von Braunschweig in seiner Note; siehe vorherige Anm. Eine weitere Bestätigung liefert von Haugwitz, der bei seiner Mission in Paris fest daran glaubte, Napoleon plane seinen Schwager Murat in das hannoverischen Kurfürstentum einzusetzen; hierzu: Ranke (1877), Bd. 2, S. All. 185 Alexander I. an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, undat., in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 59-61. Dem Inhalt nach wurde der Brief kurz nach respektive kurz vor der Entstehung der Memoire des Zaren an den Herzog von Braunschweig (25. Februar 1806) verfasst. 186 Gemeint ist die Verbindung Frankreichs mit den süddeutschen Staaten. 187 Aus Berlin berichtete Laforest, man glaube, dass unter dem Einfluss des Herzogs von Braunschweig Russland eine "alliance générale de toutes les Puissances du Nord" als Gegengewicht zur französischen Aktivität in Süddeutschland plane; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 22. Februar 1806, in: AE, CP Prusse 238, f° 158-164.
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intervenieren. 188 Zudem versprach er Preußen, den rechtmäßigen Erwerb von Hannover gegen eine angemessene Entschädigung an England zu unterstützen, um Friedrich Wilhelm III. zu einem resoluten Kurswechsel in der Außenpolitik zu bewegen. Durch die anvisierte Union versuchte der Zar also, genau wie in der Potsdamer Konvention drei Monate vorher, die von Preußen gewünschte Territorialexpansion in Norddeutschland mit dem politischen System der Alliierten zu harmonisieren. Sein Ziel war es wie zuvor, Berlin ins Koalitionslager hineinzumanövrieren, um die alte kontinentale Machtverteilung und die europäische Balance of Power aufrechterhalten zu können. Während der Zar und der Herzog von Braunschweig verhandelten, erteilte Napoleon der preußischen bedingten Ratifikation eine klare Absage. Aufgrund der Modifikationen im Allianzvertrag und der Annährung Friedrich Wilhelms III. an Russland war er jetzt über die preußischen Absichten im Zweifel. Besorgt hatten ihn zunächst die Änderungen im Vertragstext. Dazu bemerkte er schlicht, es würden „deux textes différents d'un même traité" existieren. 189 Sie seien, notierte er in einem Schreiben an Berhtier, eine Abweichung sowohl von der Form als auch vom Inhalt des ursprünglichen Vertrags. 190 Aus diesem Grund könne er die preußische Ratifikation nicht billigen. 191 Sein Argwohn gegenüber Berlin wurde zweitens durch die preußische diplomatische Demarche in Russland verstärkt. Napoleon wusste von den Konferenzen des Herzogs von Braunschweig in Petersburg. Das Ziel seiner Mission kannte Napoleon aber nicht. Hinter diesem Vorgang vermutete er aufgrund einer zur Sendung des Herzogs parallelen Mobilisierung der russischen Truppen in Schlesien und in Anbetracht einer Verstärkung der preußischen Streitkräfte an der französischen Ostgrenze Vorbereitungen für einen eventuellen Angriff auf Frankreich. 192 Napoleon bezweifelte die preußischen Intentionen und wies Talleyrand dementsprechend an, die Differenzen zwischen den beiden Staaten in einem neuen Vertrag beizulegen.193 Schon am gleichen Tag teilte Talleyrand dem preußischen Corps diplomatique in Paris per Note mit, aufgrund einer Überschreitung der vereinbarten Ratifizierungsfrist sei die Allianz annulliert. 194 Da aber die 188 Memoire des Zaren für den Herzog von Braunschweig. Petersburg, 25. Februar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 552-563. 189 Napoleon an Talleyrand. Paris, 4. Februar 1806, in: CN, Bd. 12, Nr. 9742. 190 So berichtet Napoleon dem Marschall Berthier; ders. an Berthier. Paris, 8. Februar 1806, in: ebd., Nr. 9777. 191 Ders. an Talleyrand. Paris, 4. Februar 1806, in: ebd., Nr. 9742. 192 Hierzu: ders. an Berthier. Paris, 8. Februar 1806, in: ebd., Nr. 9777. 193 Ders. an Talleyrand. Paris, 4. Februar 1806, in: ebd., Nr. 9742. Gemäß Art. 8 musste der Vertrag innerhalb von drei Wochen ratifiziert werden; hierzu in: RTF, S. 144. 194 Note Talleyrands [Kopie]. Paris, 4. Februar 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Hardenberg, E. 8/1, f° 47.
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Frist von Preußen in Wahrheit eingehalten wurde, empfing Napoleon den Sondergesandten Haugwitz, der die preußische Ratifikation der Allianz überbrachte, erst am 8. Februar, d. h. drei Tage nach dem Fristablauf. 195 Graf Haugwitz fand sich erneut, wie schon Anfang Dezember 1805, ohne konkrete Instruktionen und darüber hinaus mit einer neuen Situation konfrontiert. Im Gegensatz zu seinem Verhalten nach Austerlitz wies er zunächst alle Ideen für eine neue Konvention zurück und lehnte es sogar prinzipiell ab, sich mit der Materie auseinander zu setzen.196 Zum ersten Mal favorisierte der Kabinettsminister eine russische Allianz. Dementsprechend riet er auch dem König, den Herzog von Braunschweig über die Problematik der neuen Lage zu verständigen und einen Militärplan für eine eventuelle kriegerische Konfrontation mit Frankreich zu erarbeiten. 197 Nichtsdestotrotz gab Haugwitz, genau wie zwei Monate zuvor, unter dem Druck Napoleons nach. Er befürchtete nun, dass eine Opposition gegen das napoleonische Friedensdiktat zum Krieg mit Frankreich führen würde, ohne dass Preußen sich darauf rechtzeitig vorbereiten könne. Er habe daher, argumentierte er, nach kurzen Unterhandlungen mit Talleyrand und Duroc am 15. Februar 1806 den Vertrag von Paris abgeschlossen.198 Der Vertrag wiederholte größtenteils den Inhalt der Allianz von Schönbrunn und stimmte mit ihrem Zweck völlig überein. Durch das Abkommen versuchte Napoleon, so wie in Schönbrunn, abermals, Berlin in sein Vertragssystem hineinzuziehen. Hierzu zielten die Neuerungen im Abkommen auf zweierlei ab: Preußen zu einer korrekten und prompten Umsetzung der Vereinbarungen von Schönbrunn zu verpflichten 199 und es darüber hinaus zu einem dezidierten politischen Kurswechsel gegen die Koalition zu zwingen. 200 Das erste Ziel wollte Napoleon durch eine genaue Regulierung der im vorherigen Vertrag vorgesehenen Territorialtransaktionen verwirklichen. Indem Preußen und Frankreich (Art. 5, 6) die respektiven Territorien garantierten, die vorherige Allianz (Art. 8) er-
195 Haugwitz traf in Paris Anfang Februar ein; hierzu: Haugwitz an Friedrich Wilhelm III. Paris, 12. Februar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 471-475. 196 In seinem Bericht vom 12. Februar schrieb Haugwitz: "Les propositions de M. de Talleyrand pour un nouveau traité sont de nature à ne pas m'en occuper"; siehe: ebd., S. 471-475. 197 Ebd., S. 473-474. 198 So notiert der Minister in seinem zweiten Rapport; siehe: Haugwitz an Friedrich Wilhelm III. Paris, 15. Februar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 406, unpag.; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 2, S. 476-482; siehe hierzu auch: ebd., Bd. 1, S. 570-571. 199 Darauf deutet bereits der Titel des Vertrags hin. 200 Traité conclu à Paris le 15. février entre la France et la Prusse pour la cession du Hanovre à la Prusse et le règlement de divers échanges de territoires, in: RTF, S. 154156 ; auch in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 483-485; vgl. z. B. Art. 1, und 2 des Pariser Vertrags mit Art. 2, 3, 4 und 5 zum Schönbrunner Vertrag.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
neuerten und die Landabtretungen im Vertrag präzise terminierten, 201 legte Napoleon die Implementierung der Vereinbarungen in der Dezember-Allianz und somit die Eingliederung Preußens in sein System bindend fest. Zur Durchsetzung des zweiten Ziels, Berlin mit dem Koalitionsblock zu entzweien, plante der französische Kaiser, Preußen dazu zu zwingen, gegen die Interessen der ehemaligen preußischen Alliierten zu handeln. Indem Preußen sich im Vertrag verpflichten musste (Art. 1), Hannover ohne die Kurwürde bedingungslos zu übernehmen 202 und (Art. 4) sämtliche Flussmündungen an der Nord- und Ostsee sowie alle norddeutschen Häfen, einschließlich des von russischen Frachtern häufig frequentierten Lübecker Ankerplatzes, für den englischen Handel zu schließen, beabsichtigte er, Preußen frontal gegen England zu lenken. Durch den Vertrag von Paris glaubte Napoleon also, Preußen von der Koalition trennen zu können und definitiv an sein System zu binden. Dennoch stärkte das Abkommen zugleich, so wie schon die vorherige Allianz, die preußische Position im nördlichen Reichsteil. Die Schließung der norddeutschen Häfen und die Inbesitznahme Hannovers gefährdeten die preußischen Beziehungen zu England. Gemäß dem Vertrag von Paris genoss Berlin weiterhin einen großen und relativ freien Spielraum, um unbehindert die Verhältnisse in den Gebieten hinter der Demarkationslinie von 1796 selbst regulieren zu können. Neben der napoleonischen hegemonialen Stoßrichtung bestand also im neuen Vertrag weiterhin die Möglichkeit, dass Preußen die Verantwortung für die norddeutschen Staaten übernehmen würde und dass die Kontrolle über Mitteleuropa entsprechend dem Gleichgewichtsprinzip zwischen Preußen im Norden und Frankreich im Süden geteilt würde. Der Vertragstext gelangte erst eine Woche nach seiner Unterzeichnung in die Kanzlei des Königs Friedrich Wilhelm III. Um die Angelegenheit zu erörtern, berief der König wie Ende Dezember 1805 eine Konferenz seiner engsten Berater und Minister. Diese tagte lediglich einmal, am 24. Februar 1806. An der Besprechung nahmen der Minister und Gesandte in Paris, Luchesini, die Kabinettsräte Lombard und Beyme, die Generäle von Rüchel und von Köckritz und der Generaladjutant von Kleist teil. 2 0 3 Den Teilnehmern war aufgrund der objektiven militärischen Lage klar, dass diesmal nur zwei Alternativen bestanden:
201
Die jeweilige Übernahme der abgetretenen Gebiete sollte (Art. 3) am fünften Tag (die Übernahme der Garnisonen von Hameln durch Preußen und Wesel durch Frankreich am zehnten Tag) nach dem Austausch der Ratifikationen stattfinden. Im Schönbrunner Vertrag wurde hingegen die Implementierung des Vertrags weder terminiert noch organisatorisch bestimmt. 202 Die Behauptung von Friedrich Thimme, Preußen habe Hannover samt der Kurwürde einverleibt, ist daher unbegründet; siehe: Thimme, S. 134 f. 203 Zum vollständigen Protokoll der Konferenz siehe: Ranke (1877), Bd. 2, S. 488490.
IV. Preußen und die napoleonische Neuordnung
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„l'acception du traité de Paris ou la guerre avec la France." Sie hielten nämlich eine kriegerische Auseinandersetzung mit der an der preußischen Grenze stationierten Grande Armée infolge einer Nichtratifizierung des Vertrags für wahrscheinlicher und gefährlicher als einen militärischen Konflikt mit England, den die Inbesitznahme Hannovers durch Preußen provozieren könnte. Eine Ratifizierung sei daher, argumentierten sie, der einzige Weg, die drohende Kriegsgefahr abzuwenden. Sie stimmten folglich für die sofortige und bedingungslose Annahme des Vertrags. Allein Hardenberg, der an der Konferenz nicht teilnahm, wies in einer supplementären Denkschrift auf eine defensive militärische Option hin. 2 0 4 Er hatte allerdings keine Gelegenheit, dem König sein Memorandum vorzutragen. Bereits am 25. Februar, d. h. einen Tag nach der Konferenz, fasste Friedrich Wilhelm III. den Entschluss, den Vertrag von Paris zu ratifizieren. Tags darauf unterzeichnete er das Abkommen und betraute seinen Gesandten in Frankreich, Luchesini, mit der Übergabe der Ratifikationsurkunde. 205 Die Umsetzung des Vertrags erfolgte unmittelbar nach der Ratifizierung. Um den Landtausch durchzuführen, nominierte der König den Geheimrat Nagler für Ansbach, Militärrat Rappard für Cleve und den preußische Botschafter in Bern, Chambrier d'Oleïres für Neuchâtel. 206 Marschall Bernadotte rückte allerdings in Ansbach ein, noch ehe Preußen den Vertrag annahm.207 Preußen trat Neuchâtel vertragsgemäß Ende Februar an die helvetische Republik ab. 208 Die gegenseitige Räumung von Wesel und Hameln, welche Anfang März in einer nachträglichen Konvention geregelt wurde, 209 verzögerte sich. Sie fand erst statt, nachdem General von Schulenburg den Abmarsch seines französischen Gegenspielers General Barbot mit 1.000.000 Reichstalern subventioniert hatte. 210
204
Memoire Hardenbergs über den Vertrag vom 15. Februar 1806. Berlin, 24. Februar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 406; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 2, S. 490-496. 205 Acte de ratification du traité entre S. M. le roi de Prusse et S. M. l'Empereur des Français et Roi d'Italie signé à Paris le 15. février 1806. Berlin, 24 Februar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz 406. 206 Hierzu siehe: Friedrich Wilhelm II. an Haugwitz. Berlin, 26. Februar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 497-501. 207 Dies geschah (so Hardenberg) bereits am 24. Februar; ebd., S. 502. 208 Erklärung Friedrich Wilhelms III. an den Staatsrat von Neuenburg. Berlin, 28. Februar 1806, in: Ghillany, F. W. (Hrsg.): Diplomatisches Handbuch. Sammlung der wichtigen europäischen Friedensschluesse, Congressacten und sonstigen Staatsurkunden, Teil 2, Noerdlingen 1855, S. 645-646. 209 Convention conclue à Paris le 8 mars 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz 406; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 2, S. 517-518; hierzu siehe auch bei: Höpfner, S. 31. 210 Barbot steckte 800.000 Taler in seinen Beutel und sprach dem ranggleichen Rapp lediglich 20 % des Gewinns zu. Hellwig, S. 115; vgl. mit Ranke (1877), Bd. 2, S. 518519.
B. Balance of Power oder Hegemonie
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Ungeachtet des Vertragsabschlusses mit Frankreich bemühte sich Preußen weiterhin, die Kontakte zur Koalition durch seine guten Beziehungen zu Alexander I. aufrechtzuerhalten. Als der Herzog von Braunschweig Mitte März auf dem Rückweg nach Berlin die Nachricht über das neue Abkommen erhielt, kehrte er sofort um. 2 1 1 Obwohl die französische Missbilligung der bedingten preußischen Ratifikation seine Gespräche in Petersburg zunichte gemacht hatte, hoffte er immer noch, in Petersburg für die Unterstützung des Zaren werben zu können. 212 Seine Erklärungen und die Rechtfertigung des Königs, zur Unterzeichnung des neuen Vertrags mit Napoleon gedrängt worden zu sein, 213 hatten jedoch auf den russischen Zaren kaum Wirkung. Wohl weil Czartoryski Alexander bereits Ende Januar auf die Eventualität einer Abweisung der preußischen bedingten Ratifikation und auf mögliche Komplikationen in den französisch-preußischen Beziehungen hingewiesen hatte, 214 begnügte sich der Zar jetzt mit einer lakonischen Antwort, in der er die Entscheidung des Königs bedauerte und ihn auf sein Februar-Projekt zur Bildung einer defensiven Union gegen Frankreich verwies. 215 Dennoch, obwohl der Herzog den Zaren von der Notwendigkeit des preußischen außenpolitischen Vorgehens nicht überzeugen konnte, ermöglichte ihm die bloße Kontaktaufnahme mit Russland, zumindest den Kanal zum alten Koalitionsblock zu unterhalten. 216 Napoleon gelang es also nur teilweise, Preußen in sein Vertragssystem einzugliedern. 217 Preußen unterhielt weiterhin über den russischen Zaren Kontakte zu den Alliierten. Europa schwankte weiterhin zwischen Balance of Power und Hegemonie. Die Allianz zwischen Preußen und Napoleon stärkte einerseits den Einfluss des französischen Kaisers in Norddeutschland. Ebenda schuf sie aber andererseits strukturelle Rahmenbedingungen für eine neue Machtverteilung zwischen Nord- und Süddeutschland nach dem alten Gleichgewichtsprinzip.
211
Der Herzog von Braunschweig befand sich zu diesem Zeitpunkt in Memel. Herzog von Braunschweig an Friedrich Wilhelm III. Memel, 16. März 1806, in: ebd., S. 568-571. 213 Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. Berlin, 28. Februar 1806, in: ebd., S. 501502. 214 Siehe: Czartoryski an Alexander I. Petersburg, 28. Januar 1806, in: ISIRO, Nr. 79. 215 Note écrite par le Duc de Brunswick sous la dictée de l'Empereur Alexandre. Petersburg, 11. März 1806, in: Ranke (1877), Bd. 2, S. 571 (eine Kopie befindet sich auch in: GStA, VI. HA, Nl. Hardenberg, E. 9, f° 9); zum Februar-Projekt des Zaren siehe: Alexander I. an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, undat., in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 59-61. 216 Ranke (1877), Bd. 1, S. 583-584. Dies belegt auch das spätere russische Engagement zur Beilegung des Konflikts zwischen Preußen und Schweden; siehe hier Teil B. V. 217 Siehe hingegen: Simms (1997), S. 231. 212
V. Exkurs: Spannungen in der Peripherie und auf dem Kontinent
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V. Exkurs: Spannungen in der Peripherie und auf dem Kontinent Die neuen Verträge in Nord- und Mitteleuropa blieben nicht ohne Wirkung auf die zwischenstaatlichen Konstellationen. Aus den Allianz- und Friedensverträgen entstanden neue Spannungen sowohl auf dem Kontinent als auch in dessen Peripherie. In Nordeuropa - in Hannover - und an der Adria - in der „Bocca di Cattaro" (heute die Region um die Stadt Kotor in Montenegro) - waren die direkten sowie die indirekten Wirkungen der jüngsten Verträge zwischen Frankreich und Österreich respektive Preußen deutlich zu spüren. Der Konflikt verlagerte sich vorläufig in die europäische Peripherie. Als Erstes verlagerte Russland, infolge seiner Niederlage auf dem Kontinent, seine Auseinandersetzung mit dem französischen Kaiser nach Südosten. Nach Austerlitz konzentrierte Russland seine Bemühungen auf die Eindämmung der napoleonischen Machtexpansion in die Peripherie, an die Adria, ebendahin, wo der Preßburger Frieden die französische Machtstellung stärken sollte. Artikel 23 zum genannten Vertrag bestimmte, wie im vorherigen Kapitel erwähnt, die Inbesitznahme strategischer Gebiete in der Region (unter anderem Istrien, Dalmatien und Cattaro) durch französische Truppen. 218 Mit dieser Klausel zielte Napoleon darauf ab, die englischen Handelsrouten an der Adria und im Mittelmeerraum zu sperren. 219 Diese Ausrichtung in der außenpolitischen Praxis Napoleons nahm man aber ausgerechnet in Petersburg und nicht etwa in London als Bedrohung wahr. 220 Russland sah nämlich durch die französische Aktivität an der Adria Gefahr für seine Machtposition im Südosteuropa. Folglich beabsichtigte man im Petersburger Kabinett, Napoleon an dieser Grenze zum Orient in Schach zu halten. Dass Russland dort immer noch über eine schlagkräftige Marine verfügte, der die französischen Seestreitkräfte nicht gewachsen waren, erwies sich schnell als ein großer Vorteil. Zunächst wollte Russland politisch und nicht lediglich militärisch vorgehen. In diesem Kontext entwarf der russische Minister Czartoryski im Januar 1806 erste Konzepte zur Blockierung der französischen Einflussausweitung an der 218 Zum Text siehe: Traité de paix conclu à Pressbourg. 26. Dezember 1805, in: RTF, S. 145-151. 219 Wertheimer, Bd. 2, S. 110; Roloff, S. 63-64; und ähnlich auch bei: Driault (1912), S. 389. 220 Ebd., S. 390-391; sowie Bradisteanu, Stancu: Die Beziehungen Russlands und Frankreichs zur Türkei in den Jahren 1806 und 1807, Phil. Diss., Berlin 1912, S. 58; hierzu siehe auch den Bericht des russischen Botschafters in Wien: Rasumovskij an Czartoryski. Wien, 11. Januar 1806, in: Wassiltchikow, Alexandre: Les Razoumowski, Bd. 2, Teil 2, Halle s.S. 1893, S. 310-311. Napoleons Instruktionen an den neuen Botschafter in Konstantinopel Sebastiani, eine antirussische Achse mit der Pforte zu etablieren und die Bosporus für die russische Marine zu schließen, kannte man in Petersburg nicht; hierzu: Driault (1912), S. 404-405.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
Adria und im Mittelmeerraum. Dies wollte er indirekt, und zwar durch die Schaffung von halb-autonomen Staaten, erreichen. An der Ostküste der Adria plante er, Herzegowina, Montenegro und Dalmatien in einen panslawischen Pufferstaat unter osmanischer Souveränität zusammenzuschließen,221 und ein Pendant zur verstärkten französischen Präsenz in der Region zu errichten. In einem anschließenden Projekt arbeitete er ferner den Plan aus, die Route Napoleons zum Mittelmeer und im Endeffekt Richtung Bosporus zu versperren. Dies wollte Czartoryski durch die Bildung einer Ionischen Republik erzielen, die alle griechischen Völkergruppen vereinigen und einen weiteren Pufferstaat auf Napoleons Weg nach Osten bilden sollte. 222 Mit diesen halb-autonomen Staaten glaubte Czartoryski, die geplante französische Machtexpansion an der Adria konterkarieren zu können. Seine Pläne konnte er aber letztlich nicht umsetzten. Er überlegte sich vielmehr, direkt vorzugehen und die russische Präsenz in der Region zu erhöhen. Er fasste jetzt die Bucht von Cattaro ins Auge, eine erstrangige strategische Region an der dalmatinischen Ostküste. Bereits in der letzten Januarwoche lenkte der Minister die Aufmerksamkeit seiner Regierung auf die Bai. In einem Memorandum referierte er: „Cette province surtout mérite une attention particulière par l'excellence de ses ports, la force de sa position et des dispositions connues des [slawischen] habitants, qui détestent les français." 223 Czartoryski erkannte also das strategische Potenzial von Cattaro und die prorussische Gesinnung seiner Einwohner. Noch ehe er allerdings seine Politik konkretisieren konnte, kam es aufgrund einer Eigeninitiative der russischen Admiralität zu einer unautorisierten militärischen Aktion in der Bucht. Der notorisch rabiate Admirai Senjawin, Kommandeur des russischen Geschwaders auf Korfu, nahm aus eigenem Impuls und ohne jegliche Anweisung
221 Dabei sollte sich Cattaro Montenegro anschließen und gemeinsam dem neuen staatlichen Gebilde beitreten; hierzu: zweite Denkschrift Czartoryskis. Petersburg, 23. Januar 1806, in: ISIRO, Nr. 77; vgl. mit dem Projekt einer Depesche Czartoryskis an Strogonoff. Petersburg, Februar 1806, in: Michailovich, Bd. 3, Nr. 201; vgl. auch mit den konkreteren Vorstellungen des russischen „projet de création d'un royaume serboslovène" von Anfang Mai 1807. Nach diesem sollte der Zar selbst den Titel eines serboslowenischen Königs annehmen; abgedruckt bei: Mouraiefj\ Boris: L'alliance russoturque au milieu des guerres napoléoniennes, Brüssel 1954, Annex II, S. 342-343. Der Plan passte durchaus zur Politik des Zaren, der sich als „empereur de tous les Slaves d'Orient" betrachtete; siehe: Waliszewski, K : Le règne d'Alexandre I e r . La bastille russe et la révolution en marche 1801-1813, Paris 1923, S. 149. 222 Schiemann , Theodor: Kaiser Alexander I und die Ergebnisse seiner Lebensarbeit (= Geschichte Russlands unter Kaiser Nikolaus I, Bd. 1), Berlin 1904, S. 270; sowie: Shupp, S. 15-16, 24-25. 223 Erste Denkschrift Czartoryskis. Petersburg, 23. Januar 1806, in: ISIRO, Nr. 75; vgl. auch mit dessen Schreiben an den russischen Botschafter in London; Czartoryski an Stroganoff. Petersburg, 6. Februar 1806, in: Michailovich , Bd. 2, Nr. 176.
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seiner Regierung 224 die Durchsetzung der russischen Interessen an der Adria in Angriff. 225 Dabei verfolgte er genau die Ansätze von Czartoryski. Auch er erkannte die Bedeutung der Bucht und die pro-russische Stimmung unter ihren Bewohnern. Folglich agierte er militärisch und spannte die Montenegriner für die Absicherung der russischen Position in Cattaro ein. Ende Februar 1806 beorderte er das Linienschiff „Asien" zusammen mit den Fregatten „Expedition", ,Michael" und „Venus" in die Adria. 2 2 6 Schon am Freitag, den 21. Februar, tauchte die „Asien" unter dem Kommando von Kapitän Bailee vor der Bucht auf. Senjawin instruierte den Kapitän, ganz im Sinne des Memorandums von Czartoryski, den Montenegrinern russische Protektion anzubieten. Dem Schiffskapitän gelang es, die Unterstützung des örtlichen Metropolits, Pierre Petrovich Negochund, und der lokalen Herrenversammlung zu gewinnen. Mit deren Einverständnis konnte er bereits eine Woche darauf in die Hafenstadt einlaufen. 227 Dieser lokale Beistand trug ferner zur reibungslosen Eroberung von Cattaro bei. Der österreichische General und Kommissar von Dalmatien Ghiselieri 2 2 8 und dessen Landsmann, der Gouverneur Baron von Bardy, fürchteten nämlich eine Konfrontation mit der russisch gesinnten Bevölkerung. Sie gerieten in Panik. 229 Aus Furcht und Kleinmut lieferten sie schließlich am 5. März 1806 Cattaro an Bailee aus. 230 Dieser verfügte nicht über Landungskräfte und
224
In einem Schreiben an den preußischen König erklärte Zar Alexander, Senjawin habe „sans des ordres positifs de ma part!" agiert; siehe: Alexander I. an Friedrich Wilhelm III. Petersburg, 24. Mai 1806, in: BFW, Nr. 100. Senjawins Instruktionen bezogen sich im Allgemeinen auf die Verteidigung der Ionischen Inseln und des Osmanischen Reichs vor einem französischen Angriff; siehe: Mouraieff, S. 114. 225 Der russische Botschafter in Wien, Rasumovskij, bemerkte über Senjawin: „F Amiral Senjavin [est] un homme disposé à des actions violentes", in: Wassiltchikow , S. 374. 226 Ursprünglich wurde Senjawin Ende September 1805 nach Portsmouth geschickt, um gegebenenfalls Admirai Nelson zu assistieren. Erst als sich das russische Mitwirken erübrigte, segelte der russische Admirai Richtung Mittelmeer und bezog Anfang Februar 1806 seine Stellung auf der griechischen Insel. Senjawin verfügte über beträchtliche Seekräfte: elf Linienschiffe, sieben Fregatten, sieben Briggs und fünf Korvetten; hierzu: Mouraieff,\ S. 114. 227 Ebd., S. 118-122. 228 Ghiselieri wurde mit der Übergabe von Cattaro an Frankreich beauftragt; hierzu: Bericht Finckensteins. Wien, 22. März 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 192, Vol. I,f° 142-144. 229 Nach dem Bericht des englischen Botschafters in Wien Sir Arthur Paget geriet der österreichische General in Panik, obwohl er über genügende Truppen verfügte, um einem russischen Angriff standzuhalten; siehe: Paget an Fox. Wien, 31. März 1806, in: NA, FO 7/79, unpag. 230 Aufgrund seiner Entscheidung wurde Ghiselieri später degradiert und ins Exil geschickt. Dies nach dem Bericht in der Gazette nationale ou le moniteur universel (Paris), Sonntag, 29. Juni 1806.
B. Balance of Power oder Hegemonie
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eroberte Cattaro mit seinen Matrosen und mit einem einzigen Kanonenwarnschuss. Am selben Tag ließ er die russische Fahne auf der Festung CastelNuovo hissen. 231 Senjawin und Bailee begnügten sich nicht mit der russischen Kontrolle über Cattaro. In nachfolgenden Manövern sicherten sie Russland auch die Seehoheit in der östlichen Adria. Bailee ordnete am 14. März eine Blockade aller von Frankreich besetzten Häfen im Adriaraum an. 232 Senjawin traf zehn Tage später in Cattaro ein und ernannte Generalmajor Pouchkine zum Kommandanten über die gesamte Region. Anschließend nahm er am 31. März die Insel Lissa und am 10. April die Insel Curzola vor der dalmatinischen Küste in Besitz. Die russische Stellung im östlichen Teil der Adria war somit gesichert. 233 Senjawin realisierte die Ideen von Czartoryski. Dazu besaß der Admiral zwar keine Instruktionen, aber ähnlich wie von Haugwitz in Schönbrunn kannte er die Maximen seiner Regierung genau. Er wusste, dass man in Petersburg die französische Expansion Richtung Osten durchkreuzen wollte, 234 und obwohl er schließlich eigenmächtig vorging, vertrat er die Ziele des Petersburger Kabinetts. Die Verlagerung des Konflikts mit Frankreich nach Südosten hatte eine europäische Dimension, da die russische Besitzergreifung von Cattaro nicht nur die französische Expansion in der Region eindämmte, sondern zugleich die Umsetzung der im Preßburger Frieden festgelegten Übergabe der Hafenstadt durch Österreich an Frankreich vereitelte. Nach Art. 23 des französischösterreichischen Friedensvertrags war die Abtretung von Istrien, Dalmatien samt Cattaro sowie sämtlicher Inseln in der Adria an den Abzug der französischen Streitkräfte aus Mitteleuropa und den österreichischen Territorien (unter anderem der Stadt Braunau) geknüpft. 235 Diese Vertragsbestimmungen nutzte Napoleon jetzt, um die Wiener Hofburg dazu zu bewegen, an der Adria resolut vorzugehen. Seine Taktik lautete dabei, den Konflikt erneut nach Westen zu verlagern. Dort, zumal nach dem großen Sieg bei Austerlitz, lag seine Stärke, und dort konnte er von seiner überlegenen Machtstellung Gebrauch machen, um auf Österreich Druck auszuüben. Deshalb proklamierte der französische Kaiser Mitte Mai: „Mes troupes sont toujours en Allemagne, que je ne veux pas
231
Die Stadt eroberte Kapitän Bailee mit seiner Schiffsbesatzung (180 Matrosen). Zum vollständigen Text siehe: Deklaration Bailees. An Bord des Linienschiffs ,Asien", geankert im Kanal der Bucht von Cattaro, 14. März 1806, abgedruckt bei: Mouraieff, S. 123, Anm. 1. 233 Wassiltchikow, S. 321-323; Shupp, S. 36-39. 234 Ebd., S. 81-82; Heymann, S. 47. 235 Text bei: Traité de paix conclu à Pressbourg. 26. Dezember 1805, in: RTF, S. 145-151. Die Stadt Braunau sollte Österreich (Art. 22) auch nach dem französischen Rückzug für weitere drei Monate zur Disposition der Grande Armée stellen. 232
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évacuer que je n'aie les bouches de Cattaro." 236 Durch eine Europäisierung der Cattaro-Angelegenheit hoffte Napoleon nun, seine Interessen im Südosten durchsetzen zu können. Im Gegensatz zu Napoleon wollte Österreich die Cattaro-Affäre auf Südosteuropa begrenzen. In Wien ahnte man, dass das Geschehen an der Adria sich sonst als ein „conflit sérieux" erweisen könne. 237 Folglich setzte man sich für die Umsetzung des Preßburger Friedens und für eine prompte Konfliktbeilegung ein und stimmte einer engen Kooperation mit Paris zu. Zu Österreichs Unglück scheiterten aber all die gemeinsamen Bemühungen mit Frankreich, den Konflikt einzugrenzen. Die Gründe hierfür waren genau dieselben, welche die russische Besitzergreifung von Cattaro ermöglicht hatten, nämlich: das entschlossene Vorgehen der russischen Admiralität und die lokale Unterstützung, die Russland unter den Einwohnern Montenegros genoss. Am 24. Mai schloss Österreich auf französischen Antrag die Häfen von Fiume (heute die Stadt Rijeka in Kroatien) und Triest für russische Schiffe, um Petersburg unter Druck zu setzen. Admirai Senjawin reagierte allerdings prompt. Er kommandierte Anfang Juni seine Kriegsschiffe in den Golf von Triest und in die Kavaerner Bucht und erzwang mit Waffengewalt die Aufhebung der Schließung beider Häfen. 238 Österreich gelang es also nicht, die Vertragsbestimmungen von Preßburg umzusetzen. Eine Konvention vom 9. April 1806 zwischen Stadion und dem französischen Botschafter in Wien, La Rochefoucauld, gewährte der Grande Armée Durchmarschrechte über die österreichischen Erbländer in Richtung Dalmatien und Cattaro. Diese konnte allerdings aufgrund der pro-russischen Haltung der Montenegriner nicht den gewünschten Effekt erzielen. 239 Als am 28. Mai die französischen Truppen in Ragusa einmarschierten, leistete die Bevölkerung Widerstand. 240 Mit russischer Unterstützung 241 kesselte
236 Napoleon an den König von Neapel. Saint Cloud, 19. Mai 1806, in: CN, Bd. 12, Nr. 10250. 237 Beer , Adolf: Die orientalische Politik Österreichs seit 1774, Prag/Leipzig 1883, S. 163; Wassiltchikow , S. 326-327. 238 Die Verordnung des österreichischen Kaisers zur Aufhebung der Schließung erfolgte bereits am 24. April; siehe den Bericht in: Gazette nationale ou le moniteur universel (Paris), Mittwoch, 7. Mai 1806; sowie: ebd., Sonntag, 1. Juni 1806; ähnlich berichtete Rasumovskij: Rasumovskij an Czartoryski. Wien, 9. Juni 1806, in: Wassiltchikow , S. 366-368. 239 Bericht Finckensteins. Wien, 12. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 192, Vol. I, f° 171-175. Stadion erklärte sich schon Ende März bereit, den französischen Truppen den Durchgang über Österreich zu gewähren; hierzu: ebd., f° 146-147; Shupp, S 40-41. 240 Bulletin. 22. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 410, unpag. 241 Russland sicherte der Republik Ragusa seine Unterstützung bereits im Mai 1806 zu, als Senjawin auf Einladung des dortigen Senats die Hauptstadt besuchte; hierzu: Mouraieff,\ S. 127.
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eine kombinierte Offensive von montenegrinischen Land- und russischen Seekräften den französischen General Lauriston ein und belagerte die Zitadelle von Ragusa.242 Die österreichisch-französischen Bemühungen um eine militärische Lösung der Krise an der Adria scheiterten. Infolge dieser Serie von Misserfolgen beim Versuch, den Konflikt im Südosten einzudämmen, begann die Cattaro-Affäre ihren geographischen sowie politischen Rahmen zu überschreiten. Da Napoleon seine Ziele an der Adria nicht durch eine direkte Aktion (d. h. vor Ort) erreichte, versuchte er parallel zur Zusammenarbeit mit Wien den Konflikt zu europäisieren. In seinen Augen haftete Österreich weiterhin für die Durchsetzung der Preßburger Klauseln betreffend Cattaro. Mit einer Konfliktverlagerung nach Westen gedachte er also, Österreich durch Repressionen zur aktiven Umsetzung des Vertrags zu zwingen. Zu diesem Zweck ließ er den Aufenthalt seiner Grande Armée in Mitteleuropa verlängern und stockte die Truppenanzahl in Italien durch die Entsendung weiterer 20.000 Soldaten auf. 243 Die Cattaro-Affäre - ließ La Rochefoucauld verlauten sei die einzige Bedrohung für die Stabilität des Kontinents. 244 Und Murat machte klar: „Que l'exécution d'un article du traité de Pressbourg par l'occupation des bouches du Cattaro par des troupes russes avait motivé les changements de direction des armées françaises en Allemagne". 245 Die Europäisierung des Konflikts an der Adria war im Gang. Allmählich wirkte sich die Affäre auch auf die preußisch-französischen Beziehungen aus. Berichte über den aufgeschobenen Abzug der französischen Truppen aus Mitteleuropa beunruhigten das preußische Kabinett. Ende April wusste man in Berlin mit Gewissheit, dass die Verzögerung aus der partiellen Umsetzung des Preßburger Vertrags resultierte. Der österreichische General Vincent, Vertreter seiner Regierung in Paris, verriet dem preußischen Botschafter, der Rückzug werde wahrscheinlich erst nach der Übergabe von Cattaro an Frankreich stattfinden. 246 Noch Anfang April rechnete Graf Haugwitz mit einer baldigen Räumung Mitteleuropas. 247 Aber den jüngsten Meldungen zufolge 242
Ebd., S. 135-137. So berichtete der preußische Gesandte in Paris; siehe: Luchesini an Haugwitz. Paris, 11. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 408, unpag. 244 Hierzu: Bericht Finckensteins. Wien 17. Mai 1806, in: ebd., Rep. 1, Abt. I., Nr. 192, Vol. I,f° 214-216. 245 So berichtete Luchesinis über sein Gespräch mit Murat am 6. Mai; Luchesini an Haugwitz. Paris, 13. Mai 1806, in: ebd., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409, unpag. 246 Dies nach folgendem Bericht: ders. an dens. Paris, 25. April 1806, in: ebd.; ähnlich berichtete der preußische Botschafter in Wien; siehe: Bericht Finckensteins. Wien, 5. April 1806, in: ebd., Rep. 1, Abt. I., Nr. 192, Vol. I, f° 160. 247 Haugwitz an Luchesini. Berlin, 5. April 1806, in: ebd., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 408; vgl. auch mit dem Schreiben von Haugwitz an den preußischen Botschafter in Istanbul: ders. an Bielfeld. Berlin, 7. April 1806, in: ebd., Rep. 11, Nr. 275d Türkei, Fasz. 92, unpag. 243
V. Exkurs: Spannungen in der Peripherie und auf dem Kontinent
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stellte er bereits Mitte des Monats fest, dass Napoleon aufgrund der CattaroAffäre den Vertrag mit Wien als gebrochen (rompu) betrachtete und seine in den deutschen Gebieten stationierten Soldaten daher nicht abziehen würde. 248 Die Spannungen in der europäischen Peripherie sorgten für Schlagzeilen auch in der Berliner Presse. Nach einem Bericht der in Berlin erscheinenden Vossischen Zeitung war die weiterhin bestehende Präsenz der französischen Armee an der preußischen Grenze direkt auf die Cattaro-Affäre zurückzuführen. 249 Auch der preußische Monarch erkannte im Frühsommer 1806, dass die neue Krise in Europa „aufgrund dieser verdammten Cattaro-Angelegenheit, die kein Ende nehmen will", entstanden war. 250 In Berlin befürchtete man jetzt die Ausweitung des Konflikts. Die Ereignisse an der Adria verschärften allmählich die Lage im Zentrum des Kontinents. Sie stellten eine potenzielle Gefahr für das gute Einvernehmen zwischen Frankreich und Preußen dar. 251 Solange man aber in der preußischen Metropole die friedliche Beendigung der Cattaro-Krise abwartete, 252 war ihre Ausweitung zu einem neuen kontinentalen Konflikt abgewendet. Parallel zu den Ereignissen an der Adria entfachte in Nordeuropa ein weiterer Konflikt. Aus dem französisch-preußischen Februar-Vertrag ergaben sich nun neue Reibungsflächen und schließlich auch eine neue Auseinandersetzung zwischen England und Preußen. Dieser Konflikt sei, so Paul Schroeder und Heinrich Heymann, das unvermeidliche Ergebnis der im französisch-preußischen Vertrag bestimmten Inbesitznahme Hannovers durch Preußen. 253 Die vergangenen Erfahrungen lehrten in der Tat, dass Hannover stets im Brennpunkt gegensätzlicher Interessen stand, und dass es aus diesem Grund wiederholt zu einem Ringen um die Kontrolle über das Kurfürstentum kam. Die Hannover-Frage löste bereits 1803 - wie oben erwähnt - einen Krieg zwischen England und Frankreich aus. 254 Auch in Berlin wusste man, dass die Lage in Hannover stets konfliktgeladen war. Graf von
248
Ders. an dens. Berlin, 14. April 1806, in: ebd. Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Dienstag, 13. Mai 1806. 250 Friedrich Wilhelm III. an Louise. Charlottenburg, 29. Juli 1806, in: Griewank , Karl von (Hrsg.): Briefwechsel der Königen Luise mit ihrem Gemahl Friedrich Wilhelm III. 1793-1810, Leipzig 1929, Nr. 163. 251 Und eben nicht nur für die Beziehungen zwischen Frankreich und Russland, wie oft argumentiert wird. Siehe z. B. Bradisteanu , S. 58-64; Shupp, S. 15-16. 252 So äußerte sich von Haugwitz im Mai und Juni, siehe z. B. Haugwitz an Luchesini. Berlin, 19. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409; sowie ders. an Hardenberg. Berlin, 28. Juni 1806, in: ebd., VI. HA, Nl. Hardenberg, E. 8/II, f° 28. 253 Schroeder (1994), S. 302; Heymann , S. 18. 254 Siehe hier Teil B. I. 249
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Schulenburg, der spätere Befehlshaber der preußischen Besatzungskräfte in Hannover, warnte Ende Dezember 1805 sogar ausdrücklich vor einer Besitzergreifung des Kurfürstentums. Eine solche, schrieb er, werde man an der Themse als „hostilité contre le roi d'Angleterre" interpretieren. 255 Dennoch nahm Berlin ungeachtet aller Warnsignale das Kurfürstentum in Besitz und lief damit bewusst Gefahr, englischen Widerstand hervorzurufen. An der Spree spekulierte man nämlich auf englische Kulanz, denn es gab neben den oben erwähnten und oft zitierten Streitigkeiten um Hannover auch Fälle englisch-preußischer Kooperation, um die Frage friedlich zu regeln. So billigte London beispielsweise 1801 eine preußische Invasion in Hannover bis zum Abschluss des französischenglischen Vertrags von Amiens. 256 Ähnlich versuchte George III. zwei Jahre später durch seinen aide de camp, Major Johann von der Decken, Friedrich Wilhelm III. dazu zu bewegen, das Kurfürstentum zum Schutz vor französischen Aggressionen vorläufig zu besetzen.257 Wohl daher ging man in Berlin im Winter 1806 von einer gemäßigten englischen Reaktion auf das preußische Vorgehen aus. 258 Tatsächlich kritisierte anfangs auch das Kabinett von St. James nicht die preußische „military occupation" von Hannover. Die militärische Inbesitznahme der englischen Territorien, argumentierte Anfang März selbst der englische Außenminister Fox, könne die französischen Truppen von der Kurfürstentumsgrenze fernhalten. Eine vorläufige preußische Präsenz in Hannover sei deshalb, so Fox, durchaus wünschenswert. 259 In London war man also Preußen prinzipiell wohl gesonnen. Die Inbesitznahme von Hannover hätte nicht zwangsläufig zu Spannungen führen müssen. Der Plan Napoleons, England und Preußen zu Feinden zu machen, hätte eigentlich scheitern müssen. Dennoch kam es zu einem Konflikt und zuletzt sogar zu einem Krieg zwischen den beiden ehemaligen Alliierten England und Preußen. Aus einer zum Teil zufälligen Verkettung von Ereignissen innerhalb der englischen Regierung entstand in London vor dem Hintergrund des HannoverKonflikts eine bellizistische Disposition gegenüber Preußen. Ihre Wirkung auf die englisch-preußischen Beziehungen verhinderte jegliche friedliche Einigung unter den einstigen Verbündeten.
255
Denkschrift des Grafen Schulenburg. Berlin, 31. Dezember 1805, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 256-258. 256 Krauel, R.: Preußen und England vor Hundert Jahren, in: Deutsche Revue 31 (1906), S. 171-172. 257 Preußen beschränkte seine Neutralität auf das preußische Staatsgebiet und lehnte den englischen Antrag strikt ab; hierzu: Dwyer, S. 325-326, 359. 258 Hierzu die Diskussion in der vom preußischen König einberufenen Beraterkonferenz am 24. Februar 1806; siehe: Ranke (1877), Bd. 2, S. 488-490. 259 Fox an Francis James Jackson. London, Downing Street, 2. März 1806, in: NA, FO 95/204, unpag.
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Auf die Beziehungen zwischen England und Preußen wirkte zunächst ein unvorhersehbarer Personalwechsel in der Downing Street, der die politische Veranlagung Englands zu Ungunsten des preußischen Staates beeinflusste. Nach dem plötzlichen Tod von Premierminister William Pitt am 23. Januar 1806 wurde das Kabinett umgebildet. Auf den ausdrücklichen Wunsch Königs George III. hin mussten jetzt die zwei größten englischen Parteien eine Regierung bilden. Das kombinierte Tory-Whig Kabinett, das so genannte Ministry of all Talentsunter der nominalen Leitung von Lord Granville trat an die Stelle der Regierung Pitts. Das Foreign Secretary , bisher in den Händen von Lord Mulgrave, übernahm jetzt Charles James Fox. Die Rückkehr von Fox zu seinem alten Posten nach fast 24 Jahren hatte einen starken Einfluss auf die englische Preußenpolitik. Obwohl der friedlich gesinnte Fox, wie oben erwähnt, den preußischen Einmarsch in Hannover zunächst nicht verurteilte, richtete er schließlich seine Politik nach den dynastischen Interessen seines Monarchen aus. 260 Dadurch wollte Fox seine bislang gestörten Beziehungen zur Krone verbessern, die sich seit seiner ersten Amtszeit konstant verschlechtert hatten. Damals klang seine Amtsperiode nach lediglich neun Monaten aufgrund einer Kontroverse über die Zuständigkeiten der „East India Company" mit einem aufgenötigten Rücktritt und ohne eine Abschiedsaudienz beim König aus. 261 Mit seinem späteren Ausschluss aus dem Privy Council (1798) war der Tiefpunkt im Verhältnis zu George III. erreicht. 262 In seiner zweiten Amtsperiode nahm Fox sich daher vor, von der Krise in Hannover Gebrauch zu machen, um seine Kontakte zum Königshaus zu normalisieren. Darum passte er seit dem Frühjahr 1806 seine Politik den Interessen seines Staatsoberhaupts an und stellte sich dem preußischen Vorgehen im Kurfürstentum entgegen. So erhob sich Fox Ende April von seinem Platz im House of Commons und erklärte in diesem Sinne den Abgeordneten: „[...] we should make a signal example of the court of Prussia, and whatever principle theorist may lay down about restoring the balance of Europe, I think we shall do more to restore the sound and true principle that ought to pre260
Zum Einfluss des englischen Königs auf die Außenpolitik seines Kabinetts siehe die Bemerkungen von Pares in: Pares , Richard: King George III and the Politicians. The Ford Lectures delivered in the University of Oxford 1952, Oxford 1988, S. 93-94. 261 Während seiner kurzen Amtszeit plante Fox, durch eine Abtretung der politischen Zuständigkeiten der „East India Company" an Kommissare in London die Verwaltung Indiens zu reformieren. Der König betrachtete diesen Plan als Einschränkung seiner Souveränrechte auf dem indischen Subkontinent und überzeugte die englischen Bischöfe, gegen die Gesetzesvorlage zu votieren. Infolge seiner Niederlage im Oberhaus am 18. Dezember 1783 wurde Fox per Note benachrichtigt, dass der König auf seinen Dienst verzichte; siehe ausfuhrlich bei: Hibbert , Christopher: George III. A personal History, London 1998, S. 243-246. 262 Das „Privy Council" (das Geheimkonsilium) fungierte als Ratsversammlung des englischen Souveräns. Mitglieder waren ehemalige sowie amtierende Minister und Beamte. In das Geheimkonsilium wurde man auf Lebenszeit aufgenommen; siehe hierzu: Mitchell Leslie G.: Charles James Fox, Oxford 1992, S. 225-226.
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vail in Europe by showing the world, in this instance, that this country will not abandon them." 263 Bereits vor seiner Rede fokussierte Fox in einem Gespräch mit dem preußischen Botschafter in London Jacobi-Kloest die englische Kritik an Preußen auf Hannover. 264 Diese neue Anpassung an die politische Leitlinie Windsors charakterisierte seit April 1806 die Außenpolitik des neuen englischen Außenministers und ist auf rein „high political" Motive zurückzufüh265
ren. Die Haltung von George III. in der hannoverischen Frage war kompromisslos. 266 Obwohl er als erster König aus der hannoverischen Dynastie auf der britischen Insel geboren und erzogen wurde, 267 war er mit seinen kontinentalen Domänen eng verbunden. So nutzte er seit seinem Anschluss an den Deutschen Fürstenbund (1785) seine Position im Reich (in Hannover), um sich in die kontinentalen Angelegenheiten einzumischen.268 Auch 1806 setzte er sich angesichts des preußischen Vorgehens in Norddeutschland konsequent für die Verteidigung seiner dynastischen Interessen auf dem Kontinent ein. Er forderte sogar den ihm verfassungsmäßig zustehenden Beistand des Reichsoberhaupts und der Reichsstände.269 In seinem Namen ersuchte auch von Münster, der ehemalige englische Vertreter in Hannover, den kurhessischen Gesandten in London,
263
Foxs Rede im Parlament. London, 23. April 1806, in: Fox, Charles James: The Speeches of the Right Honourable Charles James Fox in the House of Commons, Bd. 6, London 1815, S. 642-646, hier S. 646; vgl. auch mit dem Inhalt der Berichte in: The Times (London), Donnerstag, 24. April 1806; und in: Courrier d'Angleterre (London), Freitag, 25. April 1806. 264 So informiert der preußische Botschafter; siehe: Bericht Jacobi-Kloests. London, 4. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 129-130. 265 Simms , Brendan: ,An odd Question enough'. Charles James Fox, the Crown and British Policy during the Hanoverian Crisis of 1806, in: HJ 38 (1995), S. 594-595. 266 Es ist zu bemerken, dass der psychisch erkrankte George III. zu diesem Zeitpunkt in einem guten gesundheitlichen Zustand war. Seine Politik, wie Macalpine und Hunter zu Recht notieren, wurde im Zeitraum zwischen 1805 und 1810 nicht von seiner Krankheit beeinflusst; siehe: Macalpine, Ida/Hunter, Richard: George III and the MadBusiness, London 1991, S. 138-143. 267 Sowohl George I. (1660-1727; der erste englische König aus der hannoverischen Dynastie) als auch sein Nachfolger George II. (1683-1760) wurden in Hannover geboren und dort nach ihrem Tod beerdigt. 268 Bis zu seinem freiwilligen Anschluss an den Fürstenbund von 1785 beschrieb George III. Hannover als: „that horrid Electorate which has always lived upon the very vitals of this poor country", dazu: Blanning , T. C. W.: ,That horrid Electorate' or ,ma partie germanique'? George III, Hanover, and the Fürstenbund of 1785, in: HJ 20 (1977), S. 313-314, 337-339; dazu auch bei: Ward , Adolphus William: Groß-Britannien und Hannover. Betrachtungen über die Personalunion, übersetzt von Kaethe Woltereck, Hannover/Leipzig 1906, S. 224-225; Dann, Uriel: Hanover and Great Britain 17401769. Diplomacy and Survival, London 1991, S. 145-146. 269 Hierzu siehe: Deklaration Georges III. Windsor, 20. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 188-189.
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Lorenz, die Unterstützung des Kurfürsten, um die deutsche Reichsverfassung aufrechtzuerhalten. 270 George III. war ein Verfechter des Ancien Régime. Er hielt am alten Reichskomplex und an den politischen Konventionen des 18. Jahrhunderts fest. Zu seiner Politik fehlte in London jegliche Opposition, die das englische Vorgehen hätte mäßigen können. Stattdessen entstand eine seltene Interessengemeinschaft zwischen dem König und seinem Außenminister. Diese erwies sich für Preußen als besonders nachteilig, denn aus dieser Interessenkonvergenz zwischen dem Königshaus und der Downing Street kam binnen kurzem eine einheitliche antipreußische Front auf der britischen Insel zustande. Zur antipreußischen Haltung Englands trug darüber hinaus die Informationspolitik des Berliner Kabinetts bei. Erklärungen für das preußische Vorgehen in Norddeutschland, welches der englischen kontinentalen Sicherheitspolitik durchaus entsprach, 271 lieferte Berlin erst im Nachhinein. Über die Inbesitznahme Hannovers unterrichtete man das Kabinett von St. James erst am 27. Januar 1806, d. h. nach erfolgter Besatzung und Absetzung der englischen Zivilverwaltung in der Provinz. 272 Von den Ereignissen in Hannover erfuhren der hannoverische Vertreter in Berlin und die englischen Repräsentanten im Ausland nur durch Zufall. So geschah es, dass der englische Botschafter in Petersburg, Lord Granville Levenson Gower, erst Ende Februar 1806 beiläufig vom Minister Czartoryski erfuhr, dass Preußen in das Kurfürstentum einmarschiert sei. 273 Diesen Kommunikationsfehler der preußischen Regierung bei der Inbesitznahme von Hannover verdeutlicht besonders der Fall des hannoverischen Gesandten in Berlin, Ludwig Freiherr von Ompteda. Wie Levenson Gower erfuhr auch er nur mittelbar von dem Geschehen. Bei einem Diner des bayerischen Gesandten von Bray erhielt Ompteda Kenntnis über die Ereignisse in seinem Land. Den perplexen Hannoveraner mied man seitdem konsequent. Hardenberg richtete ihm schließlich indirekt über den russischen Gesandten Maxim Maksimiovic Alopeus aus, man könne ihn nicht weiter als offiziellen hannoveri-
270
Münster an Lorenz. London, 24. April 1806, in: HStAM, Best. 9b, XIV. Gesandtschaft zu London, Vol. II, Nr. 5, unpag. Die Antwort des hessischen Kurfürsten liegt weder im Hessischen Staatsarchiv noch in den englischen National Archives vor. 271 So wiederholt Friedrich Wilhelm III. in der offiziellen Bekanntmachung die Argumentationen von Fox für eine preußische Präsenz in Hannover, nämlich dass man dadurch einen Einzug von französischen Truppen in das Kurfürstentum verhindern könne; hierzu: Offizielle Bekanntmachung des Königs über die Besitznahme von Hannover zur Erhaltung der Ruhe im Norden. Abdruck. Berlin, 27. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 28-29. 272 Zur offiziellen Bekanntmachung siehe obige Anm. 273 Siehe: Lord Granville Levenson Gower an Lord Mulgrave. Petersburg, 27. Februar 1806, in: ebd., FO 65/62, f° 108-113. Von der Besitznahme wusste man in London bereits seit Ende Januar 1806.
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B. Balance of Power oder Hegemonie
sehen Gesandten akkreditieren. 274 Am 8. April überreichte ihm schließlich der preußische Minister seinen Pass. Ompteda verließ die Stadt noch am selben Tag und machte sich auf den Weg in das Kurfürstentum. 275 Diese beiden Episoden unterstreichen die misslungene, fast fehlende Informationspolitik Preußens. Auch wenn Hardenberg den englischen Gesandten in Berlin, Francis James Jackson, beschwichtigte, Hannover bleibe lediglich „bis zum Friedensschluss zwischen England und Frankreich" in preußischen Händen, ließ man fast alle anderen englischen Diplomaten im Ausland sowie den offiziellen hannoverischen Gesandten am Berliner Hof im Ungewissen über die Ziele der preußischen Inbesitznahme von Hannover. 276 Dies konnte nur den Verdacht Englands erhärten, dass hinter dem preußischen Vorgehen in Hannover mehr als eine vorläufige militärische Besatzung stand. Aus den Verhältnissen in englischen Regierungskreisen sowie aufgrund des groben Fehlers der preußischen Diplomatie entstand in London eine bellizistische Grunddisposition gegen Berlin. Zur direkten Kollision beider Staaten kam es allerdings erst im April 1806, als Preußen ernsthaft die direkten Interessen Englands gefährdete. Für neuen Zündstoff sorgte die preußische Entscheidung, die norddeutschen Häfen für den englischen Handel zu schließen und das Kurfürstentum dem preußischen Staat einzuverleiben. Die Krise löste zunächst der preußische Angriff auf die englischen Handelsinteressen aus, denn er bedrohte unmittelbar die wirtschaftliche Vormachtstellung Englands in Europa. Ende März, nach der Räumung von Wesel und Hameln durch Frankreich, vollzog Preußen entsprechend der Vereinbarung mit Napoleon den vierten Paragraphen des Pariser Vertrags. 277 Folglich verkündete der preußische Befehlshaber in Hannover, General von Schulenburg, am 28. März 1806 die Schließung der norddeutschen Häfen an den Mündungen von Weser und Elbe sowie der Trave für den gesamten englischen Schiffsverkehr. 278 Diese direkte Bedrohung der traditionellen englischen Handelsinteressen verursachte, ähnlich wie nach dem Vertrag von Amiens im Jahre 1802, Entrüstung in London. Bereits Anfang Mai berichtete JacobiKloest, das gesamte englische Kabinett beurteile die Schließung der norddeutschen Häfen einstimmig (qu'il n'y a en qu'une voix) als eine „agression hostile
274 Ompteda, Ludwig Freiherr von: Politischer Nachlass des hannoverschen und Cabinets-Minister Ludwig von Ompteda aus den Jahren 1804 bis 1813, hrsg. von Friedrich von Ompteda, Bd. 2, Jena 1869, Nr. 91. 275 Hardenberg an Ompteda. Berlin, 8. April 1806, in: ebd., Nr. 92. 276 Ders. an Francis James Jackson. Berlin, 26. Januar 1806, in: Authentische Aktenstücke, Nr. 1. 277 Hierzu siehe Teil B. IV. 278 Proklamation des Grafen von Schulenburg. Hannover, 28. März 1806 in: Authentische Aktenstücke, Nr. 5.
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et un outrage qu'aucun considérations des malheurs d'une nouvelle guerre ne devait induire l'Angleterre à souffrir". 279 Die Gefahr des preußischen Vorgehens für die englische Wirtschaft war evident. Die Krise zwischen Preußen und England spitzte sich zunehmend zu. Der zweite Auslöser der Krise war der preußische Angriff auf das dynastische Interesse des englischen Monarchen. Solange Preußen sich nicht den Kursitz von George III. aneignete, konnte Windsor die Anwesenheit der preußischen Truppen - wie selbst Fox meinte - als Schutz vor einem eventuellen französischen Einfall durchaus akzeptieren. Der offiziellen preußischen Begründung der hannoverischen Inbesitznahme, dass diese nämlich das einzige Mittel sei, um den Einmarsch der französischen Truppen in die Provinz zu verhindem, 2 8 0 konnte man daher Glauben schenken. Anfang April 1806 änderte sich infolge der preußischen Deklaration über die endgültige Besitznahme von Hannover die englische Beurteilung des preußischen Vorgehens radikal. In seiner Erklärung vom 1. April gab Friedrich Wilhelm III. Folgendes bekannt: „Da [...] seitdem die wirkliche Besitzergreifung der hannoverischen Lande, gegen die Abtretung dreier Provinzen unserer Monarchie, zu einem dauerhaften Ruhestand unserer Untertanen und der angrenzenden Staaten unumgänglich notwendig ist", sei Hannover im Rahmen einer Vereinbarung mit Napoleon und aufgrund des Eroberungsrechts endgültig annektiert worden. 281 Drei Tage später verlas der preußische Botschafter in London, Jacobi-Kloest, diese Bekanntmachung dem Außenminister Fox als note verbale. 282 Die Absichten Preußens in Hannover wurden der englischen Regierung eindeutig. Die jüngste Entscheidung Friedrich Wilhelms III., Hannover einzuverleiben, verletzte die dynastischen Interessen des englisch-hannoverischen Hauses. Gegenüber Jacobi-Kloest bemerkte Fox, das preußische Vorgehen in Hannover sei ein Vergehen gegen die britische „honore nationale". 283 Die Argumentationslinie des Botschafters,
279 Bericht Jacobi-Kloests. London, 6. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 200-202. 280 offizielle Bekanntmachung des Königs über die Besitznahme von Hannover zur Erhaltung der Ruhe im Norden. Abdruck. Berlin, 27. Januar 1806, in: ebd., f° 28-29. 281 Offizielle Bekanntmachung. Berlin, 1. April 1806, abgedruckt in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Donnerstag, 10. April 1806; hierzu siehe auch bei: Thimme, S. 146. 282 Bericht Jacobi-Kloests. London, 4. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 129-130; siehe auch: Krauel (1906), S. 350-351. Datiert wurde die Unterredung zwischen Fox und Jacobi-Kloest nach dem Verweis im Schreiben des englischen Botschafters in Berlin an Haugwitz; siehe: Francis James Jackson an Haugwitz. Berlin, 19. April 1806, in: NA, FO 64/71, f° 117-120. 283 In seiner Unterredung vom 15. Mai mit Jacobi-Kloest äußerte sich Fox (nach Aussage des preußischen Botschafters) folgendermaßen: „Non! non! il faut parler clairement. J'ai compris que S.M. Prussienne a quelque confiance dans mes dispositions conciliatoires, mais je vous dirai franchement que le silence que votre dépêche garde sur
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B. Balance of Power oder Hegemonie
nämlich dass die preußische Präsenz in Hannover die Provinz vor einer französischen Offensive abschirme, also dieselbe Argumentation, welche Fox selbst Anfang März 1806 verfolgt hatte, 284 wies der englische Außenminister jetzt umgehend zurück. 285 Die Missachtung der dynastischen Interessen seines Monarchen konnte Fox nicht übergehen. Preußen attackierte zugleich die zwei zentralen Fundamente des englischen Regimes, nämlich: die englische Monarchie und den britischen Handel. Eine freiwillige Einschränkung auf eine militärische Besatzung in Hannover, wie sie scheinbar zuerst geplant war, und eine eingeschränkte Schließung der norddeutschen Häfen hätte die Auseinandersetzung mit der englischen Großmacht abgewendet. Das Vorgehen Preußens und die bellizistische Disposition Englands führten aber dazu, dass der englische Monarch und sein Kabinett in der Hannover-Angelegenheit nicht einlenkten, sondern stattdessen mit einer Reihe von Repressalien und nicht zuletzt auch mit einer Kriegserklärung an Preußen reagierten. Bereits in seiner Konferenz mit Jacobi-Kloest am 4. April 1806 gab Fox die Gegenmaßnahmen seiner Regierung bekannt. 286 Diese - Abbruch der diplomatischen Beziehungen, Embargo über Preußen und Beschlagnahmung des preußischen Besitzes in England - wurden unmittelbar danach in Kraft gesetzt.287 Am gleichen Tag wies Fox den englischen Botschafter in Berlin, Francis James Jackson, an, seinen Posten zu verlassen. 288 Gleich nach dem Eingang der Anweisung, am 19. April 1806, verlangte Jackson seinen Pass,289 und schon am folgenden Tag brach er nach London auf. 290 Am 6. April, zwei Tage nach Erlass der Anweisungen an den Botschafter in Berlin, belegte London die norddeut-
la Hanovre n'empêcha de vous rien répondre". Bericht Jacobi-Kloests. London, 16. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 209-212. 284 Hierzu siehe: Fox an Francis James Jackson. London, Downing Street, 2. März 1806, in: NA, FO 95/204. 285 Fox an Jacobi-Kloest. London, Downing Street, 20. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 223. 286 Fox war scheinbar über die note verbale des preußischen Botschafters bereits vor ihrer Bekanntmachung informiert und konnte dementsprechend schnell reagieren. 287 Bericht Jacobi-Kloests. London, 4. April 1806, in: ebd., f° 129-130. 288 Fox an Francis James Jackson. London, Downing Street, 4. April 1806, in: NA, FO 95/204. Das Schreiben Foxs überbrachte der Bruder des Botschafters, George Jackson. Dieser blieb in Berlin und unterhielt später einen halboffiziellen diplomatischen Kanal zwischen Preußen und England; siehe den Bericht des hannoverischen Legationsekretärs von Hugo; hierzu: Hugo an Ompteda. Berlin, 20. April 1806, in: Ompteda, Nr. 99. 289 Francis James Jackson an Haugwitz. Berlin, 19. April 1806, in: NA, FO 64/71, f° 117-120. 290 Jacksons Tagebuch. Eintrag vom 20. April 1806, in: Jackson, Bd. 1, S. 427-431.
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sehen Häfen mit einem Embargo. 291 Noch ehe Graf Schulenburg die Schließung der Häfen vollständig ausführen konnte, 292 waren englische Frachter vom Hamburger Hafen unter dem Schutz der britischen Marine Richtung Cuxhaven ausgeschifft 293 und die englische Blockade verhängt. Schließlich ging London gegen den preußischen Besitz in England vor. Ende April begannen die englischen Behörden konsequent, alle in englischen Häfen vor Anker liegenden preußischen Schiffe zu konfiszieren. 294 Die englischen Repressalien zielten darauf ab, den preußischen Handel und Warenexport zu beeinträchtigen, um durch Druck auf die preußische Wirtschaft Berlin zu Zugeständnissen in der Hannover-Frage zu veranlassen. Obwohl Berlin von den Sanktionen spürbar getroffen wurde, beharrte es weiter auf seiner Position. Dies führte schließlich zu einer Verschärfung des Konflikts und einer offiziellen Kriegserklärung. Am 20. April antwortete George III. auf die preußische Erklärung vom 4. April mit einer Gegendeklaration. Darin bezeichnete er die Einverleibung Hannovers und die Schließung der Häfen als inakzeptabel und feindselig und bewertete zum ersten Mal die neue politische Lage zwischen London und Berlin als einen „guerre ouverte!". 295 Fox brach unterdessen die Erörterungen mit Jacobi-Kloest ab, da Preußen in der Hannover-Frage nicht nachgab296 und dessen Botschafter einer Diskussion über das brisante Thema gezielt auswich. 297 Der Außenminister orientierte sich weiterhin am politischen Kurs des Königshauses und trug zur Verschärfung der Lage bei, indem er am 14. Mai einen „State of hostilities" ausrief. 298 Berlin berief folglich Jacobi291
Bericht Jacobi-Kloests. London, 7. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 135-136. Nach Jacobi-Klosts Informationen durfte die englische Marine preußische Schiffe auch mit Gewalt aufhalten. 292 Die Schließung der Häfen erfolgte erst am 14. April 1806; Hellwig , S. 118. 293 Immediatbericht Steins. Berlin, 4. April 1806, in: Botzenhart , Erich (bearb.): Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften, hrsg. von Walther Hubatsch, Bd. 2, T. 1, Stuttgart 1959, Nr. 178. 294 Bericht Jacobi-Kloests. London, 2. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 197; vgl. die Datierung der Ereignisse mit: Krauel , R.: Stein während des preußisch-englischen Konflikts im Jahre 1806, in: PJ 137 (1909), S. 433. Jacobi-Kloest selbst kundschafte in allen englischen Großhäfen aus und erstellte eine präzise Liste der konfiszierten Schiffe; siehe: Jacobi-Kloest an Haugwitz. London, 15. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 181A, f° 35-44. 295 Deklaration Georges III. Windsor, 20. April 1806, in: ebd., Konv. 180C, f° 188189; vgl. auch mit: Kings Message respecting Prussia. House of Lords, London, 21. April 1806, in: Hansard, Bd. 6, S. 805-806; auch in: Fox (1815), S. 641-642 (darin allerdings, datiert London, 23. April 1806). 296 So äußerte sich Fox Ende Mai: „Mr. Fox is very sorry to say that he sees no disposition in the Court of Berlin to take the only steps that can stop the impending mischiefs"; siehe: Fox an Jacobi-Kloest. London, Downing Street, 20. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 223. 297 Krauel (1909), Stein, S. 432. 298 Ders. (1906), S. 161, 354-355.
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Kloest ab und ließ den Legationssekretär Louis Balan die Geschäfte der preußischen Londoner Mission eigenständig leiten. 299 Durch den nun auch von der Seite Preußens erfolgten Abbruch der diplomatischen Beziehungen und die englische Deklaration kam es zu einem offenen Krieg. 300 In einem eigenartigen Ritual erschien George III. am Mittwoch, den 11. Juni 1806 mit einem entblößten Dolch in der Hand am offenen Fenster des St. James Palasts, während ein Herold unter Pauken- und Trompetenklang eine Kriegsproklamation gegen Preußen verlas. 301 Der Krieg unter den ehemaligen Alliierten vertiefte die Spaltung im alten Koalitionsbündnis. Als letztes Bindeglied zwischen Preußen und der Koalition fungierte auch jetzt, wie schon bei den Potsdamer Konferenzen im Oktober und November 1805, das russische Kaiserreich. Außenminister Czartoryski wünschte wie Ende 1805, durch eine russische Intervention die Spannungen im Norden zu entschärfen. 302 Er weigerte sich daher einerseits, Druck auf Berlin auszuüben, 303 damit es Hannover räumte, und stimmte andererseits der Blockade der Nordseeküste zu. 3 0 4 Er lavierte zwischen London und Berlin und wollte sich dabei als ehrlicher Vermittler profilieren. Zu einer Schlichtung unter russischer Leitung kam es allerdings nicht. Bei der von Lord Granville Levenson Gower verbreiteten Nachricht über eine russische Vermittlungsmission handelte es sich bloß um ein Gerücht. 305 Russland versuchte am Ende nicht, sich in den neuen Konflikt einzumischen. Es blieb dennoch die letzte wichtige Verbindung Preußens zum Koalitionslager und es wünschte wie zuvor, durch seine Kontakte mit allen Seiten das tief gespaltene Koalitionslager zusammenzuhalten. Den Krieg in Nordeuropa vermochte es aber nicht zu stoppen. Die Hannover-Krise weitete sich aus. London und Berlin befanden sich im Kriegszustand. Zu einer direkten militärischen Auseinandersetzung kam es
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Ebd., 344-345. Nach dem Bericht des ehemaligen englischen Botschafters fiel bereits am 15. Mai 1806 die Entscheidung, Preußen den Krieg zu erklären; hierzu siehe: Francis James Jackson an George Jackson. London, 16. Mai 1806, in: Jackson, S. Bd. 1, 434. 301 Der Dolch wurde bis zur Beendigung der Feindseligkeiten in einer Kirche aufbewahrt; siehe ausführlich bei: Krauel (1906), S. 161. 302 So Czartoryski an den preußischen Botschafter in Petersburg in deren gemeinsamer Gesprächsrunde; siehe: Bericht von Goltz über seine Gespräche mit Czartoryski. Petersburg, 8. und 9. März 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 171-175, Fasz. 156A, f° 64-66. 303 Darum bat der englische Außenminister; siehe: Fox an Czartoryski. London, 17. März 1806, in: Gielgud, S. 132-137. 304 Czartoryski an Fox. Petersburg, 13. Mai 1806, in: ebd., S. 137-145. 305 Bericht Jacobi-Kloests. London, 13. Juni 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 259-260. 300
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nicht, dennoch waren die Auswirkungen dieses (kalten) Krieges in Preußen sowie in Norddeutschland zu spüren. Der kalte Krieg mit England wirkte sich besonders stark auf den preußischen Exporthandel und folglich auf den ostpreußischen Adel aus. 306 Während England alternative Märkte (z. B. Russland) für sich erschließen konnte, war der preußische Export auf den englischen Markt angewiesen. Der größte Kenner Englands im preußischen Kabinett, Wirtschafts- und Finanzminister von Stein, 307 warnte bereits Mitte April genau vor diesen Folgen. 308 In einem langen Rapport führte von Stein die Auswirkungen der englischen Vergeltungsmaßnahmen auf den preußischen Handel aus: „Vernichtung unserer bedeutenden Reedereien, Stockung in unseren Aus- und Einfuhrgeschäften, äußerst erschwerte Versorgung der östlichen Provinzen der Monarchie mit Salz, [und] bedeutender Verlust an der Einnahme von Seezöllen." 309 Die Warnungen des Grafen von Haugwitz an die in England ansässige preußische Kaufmannschaft kamen zu spät. 310 Die wirtschaftlichen Fundamente des preußischen Staates wurden durch die englischen Sanktionen schwer erschüttert. 311 Von den englischen Vergeltungsmaßnahmen gegen Preußen war nicht nur der preußische Markt, sondern der gesamte Handelsverkehr der Staaten hinter der Demarkationslinie betroffen. Kursachsen musste infolge des englischen 306 Die Junker dominierten den preußischen Großhandel mit Holz und Getreide; dazu bei Eisner, Kurt: Das Ende des Reiches. Deutschland und Preußen im Zeitalter der großen Revolution, Berlin 1907, S. 250-251. 307 1786/87 unternahm Stein eine Studienreise durch England. Beeinflusst von der wirtschaftlichen Organisation Englands zog er auch stets die englische ökonomische Literatur zu Rate; siehe ausfuhrlich bei: Hubatsch, Walter: Der Freiherr vom Stein und England, Köln 1977, S. 20-34, 38. 308 Immediatbericht Steins. Berlin, 18. April 1806, in: Botzenhart, Nr. 183; hierzu auch bei: Krauel (1909), Stein, S. 435-438. Siehe auch die spätere Denkschrift Steins: „Die Irrungen mit England". Mai 1806, abgedruckt in: Krauel, R.: Eine Denkschrift des Freiherrn vom Stein aus dem Jahre 1806, in: HZ 102 (1909), S. 558-561. 309 Stein an Haugwitz. Berlin, 20. April 1806, in: Botzenhart, Nr. 184. 310 In einem Sondererlass äußerte sich von Haugwitz zur Krise mit England und warnte die preußische Kaufmannschaft vor den englischen Repressalien. Darin schrieb er: „Die neuesten Berichte aus London ergeben, dass von Seiten der englischen Regierung nicht nur allein auf alle königlichen preußischen Schiffe in den dortigen Häfen ein Embargo gelegt wurde, sondern dass noch weitergehende Feindseligkeiten gegen die Schifffahrt und das Eigentum der preußischen Untertanen zu erwarten sein dürften. Der hiesige königliche Hof hat aber die bei den hiesigen Kaufmannschaften von jener plötzlichen Wendung unterrichten wollen, damit die königlichen Untertanen zu möglichster Sicherung ihres Eigentums Bedacht nehmen können". Erlass des Grafen von Haugwitz auf Befehl des Königs. Berlin, 19. April 1806, abgedruckt in: Kaiserlich-königliche privilegierte Wiener Zeitung, Mittwoch, 14. Mai 1806. 311 Nach einer Kalkulation büßte der preußische Staat nach Schließung der Häfen mehr als ein Viertel seiner Einnahmen ein; hierzu: Fisher, Herbert A. L.: Studies in Napoleonic Statesmanship - Germany, Oxford 1903, S. 127.
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Boykotts seine Lieferungen aus dem Ostseeraum vollständig unterbrechen. 312 Kurhessen, das über das englische Embargo informiert war, 313 durfte zwar Teile seiner Transporte nach und von England auf neutrale dänische Schiffe laden, aber es erhielt keine Sonderpassiergenehmigung für die eigene Kaufmannschaft. 314 In erster Linie trafen aber die neuen Handelseinschränkungen die Hansestädte, da ihre wirtschaftlichen sowie politischen Fundamente in beträchtlichem Maße auf internationalen Handelsbeziehungen beruhten. Angesichts dessen versuchten Hamburg, Bremen und Lübeck - zum Teil erfolgreich - , ihre Handelsinteressen direkt gegenüber England durchzusetzen. In Bremen stockte zunächst der Handelsverkehr. Im Spätsommer kam er aber in Bewegung, als der dort residierende englische Konsul begann, „Certificates" (vermutlich eine Art Passierschein) für die Bremer Handelsschiffe auszustellen.315 Hamburg appellierte vergeblich an den englischen Ministerresidenten Sir Thornton, um eine Aufhebung der Blockade zu bewirken. 316 Die Stadt konnte allerdings durch die Teilverlegung der Hafenaktivität nach Tönning die finanziellen Einbußen minimieren. 317 Allein Lübeck gelang es, ungeachtet der englischen Sperre, seine Position als freie Handelsstadt aufrechtzuerhalten. Vorausschauend hatte Lübeck bereits vor dem Kriegsausbruch an Talleyrand appelliert. Der Ratsherr Rodde bemühte sich dabei vergeblich, eine französische Garantie für die hanseatische Navigations- und Handelsfreiheit zu erhalten. 318 Nach der Verhängung der englischen Sperre wandte sich die Stadt gleichzeitig an London und Petersburg, um der Blockade ein Ende zu setzten.319 Der hanseatische Agent Johann Georg Wiggers unterstrich in Petersburg die Bedeutung von Lübeck als Finanz312 So informierte Minister Loß den kursächsischen Gesandten in Berlin; siehe: Loß an Goertz. Dresden, 28. April 1806, in: SHStA, Loc 3013, Vol. IV a , f° 372-375. 313 Der englische Außenminister setzte den kurhessischen Vertreter in London über die englischen Repressalien persönlich in Kenntnis; siehe: Fox an Lorenz. London, Downing Street, 8. April 1806, in: HStAM, Best. 9b, XIV. Gesandtschaft zu London, Vol. II, Nr. 6, unpag. 314 Ders. an dens. London, Downing Street, 24. April 1806, in: ebd. 315 Hierzu: Bremer Wöchentliche Nachrichten, Donnerstag, 21. August 1806, Beilage Nr. 65. 316 Bürgermeister Dr. von Graffen an Sir Edward Thornton. Hamburg, 25. April 1806, in: NA, FO 33/32, f° 62-64. Eine direkte Antwort von Fox liegt nicht vor, sondern lediglich seine Bemerkung, dass das Ersuchen der Stadt einer näheren Diskussion bedürfe; siehe: Fox an dens. London, Downing Street, 6. Mai 1806, in: ebd., f° 6. 317 Dies tat die Hansestadt bereits 1803/05 infolge des Bruchs zwischen England und Frankreich und angesichts der darauf folgenden Blockade (bis Anfang Oktober 1805). Nach Tönning konnten Schiffe durch den 1784 erbauten Eiderkanal fahren; siehe: Vogel, Walther: Die Hansestädte und die Kontinentalsperre (= Pfingstblätter des Hansischen Geschichtsvereins, Blatt IX), München/Leipzig 1912, S. 12-14. 318 Appell des Lübecker Senats an Talleyrand; Bürgermeister und Senat von Lübeck an Talleyrand. Lübeck, 28. März 1806, in: AHL, ASA, Externa, Hanseatica 345, unpag. 319 Von der englischen Sperre nahm Lübeck Anfang April Kenntnis; siehe: Note Foxs. London, Downing Street, 8. April 1806, in: ebd., Hanseatica 333, f° 43.
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Zentrum, „entrepöt" für den Handelsverkehr zwischen Nord- und Südeuropa und als Umschlagplatz für russische Waren. Aufgrund dessen erbat er die Intervention des russischen Zaren zugunsten der Hanse. 320 Fast gleichzeitig verhandelte der Kaufmann Christian Joachim Smidt in London mit Vertretern des dortigen Kabinetts, damit England die Blockade aussetzen würde. 321 Lübeck wollte das russische Interesse am Baltikum als Hebel benutzen, um die eigene Politik durchzusetzen. Diese Politik erwies sich anscheinend als erfolgreich. Am 20. Mai eröffnete Fox dem Corps diplomatique, die englische Seebelagerung werde nicht auf die Trave erweitert. 322 Die englische Entscheidung interpretierte Lübeck als Erfolg seiner Außenpolitik. 323 Dennoch wusste man in London, Petersburg und Berlin, dass England nur aus Rücksicht auf die russischen Interessen im Baltikum eine Ausnahmeregelung für Lübeck traf. 324 Die englischen Repressalien gegen Preußen hatten also schwere Konsequenzen für den gesamten norddeutschen Wirtschaftsraum. Sie trübten schließlich auch die Beziehungen zwischen Preußen und den norddeutschen Reichsständen. Den Kurhöfen und vor allem den Hansestädten brachte die preußische außenpolitische Praxis deutliche Nachteile. Kurhessen und Kursachsen standen König Friedrich Wilhelm III. dennoch weiterhin bei. Hamburg, Bremen und Lübeck rückten hingegen von Berlin ab und agierten autonom in der diplomatischen Arena. Berlins Stellung im Norden, die es durch die Inbesitznahme von Hannover hatte konsolidieren wollen, wurde nun durch die Nachwirkungen der Hannover-Krise wirtschaftlich sowie politisch geschwächt. Die Hannover-Affäre hatte im hohen Norden ein Nachspiel. Die Angelegenheit komplizierte nämlich auch die Beziehungen zwischen Berlin und Stock-
320 Wiggers an Czartoryski. Petersburg, 7. Februar 1806, in: ebd., Ruthenica 135, unpag.; vgl. mit dem späteren Appell an den Zaren: Beilage zu Wiggers Brief. Note der Hanse an Czartoryski. Petersburg, 29. April 1806, in: ebd. 321 Abgesehen von der Sendung des Kaufmanns Christian Joachim Smidt nach London (am 26. April 1806), um die Aufhebung der Blockade zu bewirken (siehe: Übersicht über das Geschehen in den Jahren 1806-1810, in: ebd., f° 20) nahm Lübeck auch mit der englischen Vertretung in Petersburg Kontakt auf; hierzu: Wiggers an Granville Levenson Go wer. Petersburg, 4. Mai 1806, in: ebd., Ruthenica 135. 322 Note Foxs. London, Downing Street, 20. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 180C, f° 234. Preußen wurde umgehend informiert, dass das Embargo die Küstenlinie zwischen Elbe und Brest umfassen würde; siehe: Note Foxs. London, Downing Street, 16. Mai 1806, in: ebd., f° 226. 323 Den Kaufmann Christian Joachim Smidt belohnte die Hansestadt für seine diplomatische Tätigkeit mit einem „mit dem Wappen der Stadt gezierten Silbergerät"; siehe: Übersicht über das Geschehen in den Jahren 1806-1810, in: AHL, ASA, Externa, Hanseatica 333, f° 20. 324 Bericht Jacobi-Kloests. London, 3. Juni 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 7275, Konv. 180C, f° 236-238; dazu ebenfalls: Bericht Jacobi-Kloests. London, 13. Juni 1806, in: ebd., f° 252-253.
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holm. 325 Der Grund für den neuen Konflikt in Nordeuropa lag vor allem in einer Diskrepanz zwischen der politischen Kultur Preußens und der Prinzipien des schwedischen Monarchen Gustav IV., einem unerbittlichen Verfechter der alten kontinentalen Ordnung. Die politischen Vorstellungen des schwedischen Königs, an erster Stelle sein Einsatz für das Ancien Régime, und seine Beziehungen zu England bestimmten seine außenpolitische Praxis. Bereits 1804 protestierte Gustav IV., der sich in seiner Eigenschaft als Vertreter des nördlichen Teils Vorpommerns stets als Reichsstand betrachtete, 326 vehement im Regensburger Reichstag gegen die grobe Verletzung der Reichsverfassung durch die österreichische Rangerhöhung. 327 Aus ähnlichen Gründen beendete er im Januar 1806 wegen „Gesetzwidrigkeiten" infolge des unilateralen Abschlusses des Preßburger Friedens seine Tätigkeit bei allen Reichshandlungen.328 Zudem beeinflussten auch Gustavs IV. gute Kontakte zu London sein Vorgehen in der internationalen Arena. Fast ein halbes Jahr vor dem Abschluss des dritten Koalitionsvertrags, im Dezember 1804, sicherte der schwedische König dem damals neu gewählten Premierminister William Pitt die aktive Teilnahme Stockholms bei künftigen Konfrontationen mit Frankreich zu. 3 2 9 Unter seiner Regentschaft sah sich Schweden weiterhin als eine Garantiemacht des Westfälischen Friedens (1648) und war folglich der englischen Krone verpflichtet. 330 Vor diesem Hintergrund kann man auch das Vorgehen Gustavs IV. im Frühjahr 1806 nachvollziehen. Damals, wie auch im Jahre 1804, setzte er sich freiwillig für die englischen Interessen und für das Legitimitätsprinzip ein. Infolge der preußischen Einverleibung Hannovers und der Deklaration vom 1. April 325 Die englisch-schwedische Korrespondenz (NA, FO 73/76, unpag.) nimmt keinen Bezug auf die preußisch-schwedischen Spannungen und scheint in dieser Hinsicht lückenhaft zu sein. 326 Heymann, S. 59. 327 Seinen Protest legte der schwedische König durch die Vertretung Vorpommerns ein. Das Reichsdirektorium setzte sich allerdings darüber hinweg und beschloss am selben Tag (am 12. November 1804), einen außerordentlichen Urlaub anzutreten; siehe: Srbik, Heinrich Ritter von: Das österreichische Kaisertum und das Ende des Heiligen Römischen Reiches 1804-1806, Berlin 1927, S. 34-35. 328 Ebd., S. 40-41. 329 Die schwedische Mitwirkung an der dritten Koalition war in der folgenden Konvention vereinbart: Convention préliminaire et secrète entre S. M. britannique et le roi de Suède. Stockholm, 3. Dezember 1804, in: RPTA, Bd. 8, S. 330-333. Dieser Vertrag wurde im Sommer 1805 erneuert; siehe: Traité entre Sa Majesté britannique et la roi de Suède. Heisingborg, 31. August 1805, in: ebd., S. 350-352. 330 Nicht umsonst bezeichnete man ihn zu jener Zeit als „Don Quixote de la paix de Westphalie"; so z. B. auch Bourrienne der französische chargé d'affaires im niedersächsischen Kreis; siehe: Bourrienne, Louis Antoine Fauvelet de: Der Staatsminister oder Geheime Memoiren über Napoleon, das Directorium, das Consulat, das Kaiserreich und die Restauration, Bd. 7, Stuttgart 1830, S. 84.
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mischte er sich unaufgefordert in den Konflikt zwischen England und Preußen ein und kommandierte das schwedische Armeekorps von General Graf von Löwenheim in die englischen Gebiete von Lauenburg ab. 331 Seine Aktion und die preußische Reaktion darauf komplizierten die Situation im Norden und führten zu einem Zusammenstoß zwischen den beiden Staaten. Nach dem Einmarsch der schwedischen Truppen in Lauenburg Ende April kam es zu einem örtlichen Schusswechsel. Die preußischen Husaren vertrieben die Schweden und nahmen nach einem kurzen Gefecht Lauenburg wieder in Besitz. 332 Die Krise hätte somit beendet sein können, aber aufgrund der übermäßigen preußischen Reaktion breitete sie sich schnell zu einem regionalen Krieg aus, als Berlin mit einem Überfall auf die Territorien in Schwedisch-Pommern konterte. 333 Damit konnte sich Preußen im Nordosten arrondieren und die traditionellen Ziele seiner Territorialpolitik zumindest provisorisch verwirklichen. 334 Seine Position im Norden wurde aber bald durch die Repressalien kompromitiert, die König Gustav IV. einleitete. Die schwedischen Vergeltungsmaßnahmen folgten prompt und ähnelten in Form und Zweck den englischen. Am 23. April erklärte Schweden Preußen den Krieg. 335 Kurz danach verhängte Schweden eine Blockade über den preußischen Schiffsverkehr im Ostseeraum. 336 Als Verfechter der Reaktion und als selbstermächtigter Interessenvertreter der englischen Krone in Nordeuropa glaubte Gustav IV. an die alte Ordnung und an die alten Konventionen. Für ihn war daher nichts natürlicher, als einem anderen Monarchen im Kampf um seine legitimen Rechte Beistand zu leisten. So forderte er von Preußen auch die Wiedereröffnung der Elbe für den englischen Handelsverkehr 337 und erwiderte auf den darauf folgenden preußischen Protest, 338 er könne als „garant de la Constitution germanique" seine Interessen nicht von den englischen trennen. 339 Auch die schwedische Hafensperre zielte explizit auf die Absicherung der englischen Interessen im Alten Reich ab. Die schwedische Kriegserklärung machte dies be331
Déclaration du Roi de Suède. 23. April 1806, in: AE, CP Suède Supplément: 14, f° 285-287. 332 Heymann , S. 60. 333 Siehe hierzu: Haugwiz an Luchesini. Berlin, 26. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409; sowie die Bemerkung bei Heymann , S. 60. 334 Kohnke (1968), S. xxxiii. 335 Déclaration du Roi de Suède. 23. April 1806, in: AE, CP Suède Supplément: 14, f° 285-287. 336 Note des Grafen von Fersen, Marschall von Schweden [Kopie]. Stralsund, 27. April 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11., Nr. 249a3, Fasz. 189, f° 17-18. 337 Gustav IV. an Friedrich Wilhelm III. Greifswald, 14. Mai 1806, in: RPTA, Bd. 8, S. 532. 338 Friedrich Wilhelm III. an Gustav IV. Berlin, 14. Mai 1806, in: ebd., S. 532-533. 339 Gustav IV. an Friedrich Wilhelm III. Greifswald, 21. Mai 1806, in: ebd., S. 533534.
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sonderes deutlich. Demnach sei das Ziel der Sanktionen: „la conversation des possessions électorales du Roi d'Angleterre sur le continent." 340 Friedrich Wilhelm III. äußerte sich Ende Juni besorgt darüber, dass die Spannungen zwischen Schweden und Preußen Napoleon in die Hände spielen würden. 341 Erneut nutzte er zur Lösung eines Konflikts seine guten Beziehungen zum Zaren und ersuchte eine russische Intervention, um die Streitigkeiten mit Stockholm beizulegen. Russland wollte seinerseits intervenieren, da es hoffte, damit die zersplitterte Koalition zusammenhalten zu können. Aufgrund dieser Interessenkonvergenz kam es zu einer russischen Schlichtung. Am 1. Mai bat Friedrich Wilhelm III. um die Unterstützung des Zaren als Vermittler zwischen Berlin und Stockholm. 342 Anfang Juni nominierte der Zar General Graf von Stackelberg zum Vermittler. 343 Preußen nahm die Schlichtung umgehend an. 344 Es meinte, damit eine sofortige Suspension der Blockade durch Gustav IV. herbeiführen zu können. 345 In einem Treffen von Haugwitz und Stackelberg am 5. Juni 1806 zeichnete sich schließlich ein Kompromiss ab. Nach einer vorläufigen Vereinbarung war Berlin bereit, sich unter einer russischen Garantie (Art. 2, 3, 6) aus Schwedisch-Pommern und aus Lauenburg zurückzuziehen. Anschließend sollte (Art. 5) die schwedische Blockade des Baltikums aufgehoben werden. 346 Preußen war bereit, auf Lauenburg zu verzichten, um den Schiffsverkehr in der Ostsee, den einzigen Meerzugang Preußens seit der Verhängung der englischen Sperre, freigeben zu können. Die preußische Wirtschaft diktierte in diesem Fall die außenpolitische Praxis. Schweden zeigte sich allerdings nicht kompromissbereit und wies den Plan zurück. 347 Gustav IV. forderte jetzt nicht nur den Rückzug Preußens, sondern auch die sofortige Auflösung der preußischen Administration in der Provinz. 348 Weiterhin trat er für die Prinzipien einer vergan-
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Déclaration du Roi de Suède. 23. April 1806, in: AE, CP Suède Supplément: 14, f° 285-287; abgedruckt in: Gazette nationale ou le moniteur universel (Paris), Dienstag, 13. Mai 1806. 341 Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. Charlottenburg, 23. Juni 1806, in: BFW, Nr. 106. 342 Ders. an dens. Potsdam, 1. Mai 1806, in: ebd., Nr. 98. 343 So berichtete die Wiener Zeitung; Kaiserlich-königliche privilegierte Wiener Zeitung, Mittwoch, 25. Juni 1806. 344 Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. Berlin, 7. Juni 1806, in: BFW, Nr. 103. 345 Zu den genauen preußischen Vorstellungen einer russischen Vermittlung siehe: ders. an dens. Charlottenburg, 23. Juni 1806, in: ebd., Nr. 105. 346 Projet de déclaration à échanger entre la Prusse et la Suède. Berlin, 5. Juni 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 249a3, Fasz. 189, f° 100; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 5, S. 332-333. 347 So berichtet der neue russische Außenminister; siehe: Budberg an Stroganoff. Petersburg, 2. Juli 1806, in: Michailovich, Bd. 3, Nr. 227. 348 Alopeus an Haugwitz. Greifswlad, 15. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11., Nr. 249a3, Fasz. 189, f° 166-167.
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genen Ära ein. Sein streng an den Maximen des Ancien Régime gebundenes Vorgehen stand dabei in markantem Widerspruch zur ehrgeizigen und opportunistischen außenpolitischen Praxis Friedrich Wilhelms III. Dieser fundamentale Dissens in der politischen Kultur und in den politischen Vorstellungen Berlins und Stockholms verhinderte eine Einigung unter den ehemaligen Alliierten. Bis zum Spätsommer 1806 blieb daher die Lage im Norden weiterhin gespannt. Die Rückwirkungen der neuen Konflikte waren in ganz Europa zu spüren. Die Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Österreich wegen Cattaro belastete die Beziehungen des Kabinetts von St. Cloud zu Wien. Die von Napoleon anvisierte Europäisierung des Konflikts und die daraus resultierende Verzögerung bei der Räumung der Grande Armée aus Mitteleuropa trübten letzten Endes auch die preußisch-französischen Verhältnisse. Durch die Nachwirkungen seines Vorgehens in Hannover wurde Preußen geschwächt. Die Konflikte mit England und Schweden isolierten Berlin in Europa, und die Sanktionen entfremdeten Teile des eigenen norddeutschen Lagers, nämlich die Hansestädte. Eine klare Entscheidung zwischen Balance of Power und Hegemonie war noch nicht gefallen. Einerseits schwächten die Ereignisse an der Adria den hegemonialen Vorstoß Napoleons, andererseits stärkten ihn die neuen Konflikte im Norden. Die neuen Reibungsflächen in Norddeutschland, in Europa und in der Peripherie beeinflussten das Geschehen in der diplomatischen Arena bis zum Frieden von Tilsit im Jahre 1807.
C. Vom Rheinbund zu einer confédération du nord de V Allemagne I. Die Anfänge der europäischen Neuordnung Ungeachtet des Vorstoßes Napoleons zur Etablierung einer französischen Hegemonie auf dem Kontinent wandte sich Talleyrand abermals gegen sein Staatsoberhaupt. Erneut setzte er sich für das europäische Gleichgewicht ein und versuchte das napoleonische Vertragssystem in seine Bahnen zu lenken. Das neue Vertragssystem Napoleons forderte eine Neuregulierung der Verhältnisse in Mitteleuropa. Infolge der Brünner Verträge mussten die süddeutschen Staaten ihre Beziehungen untereinander und zum deutschen Reich klären, die durch die neuen Abkommen konflikthaltiger geworden waren. Zu diesem Zweck tagten in München bereits seit Februar 1806 Vertreter der jüngst instituierten Königreiche von Bayern, Württemberg und des Großherzogtums Baden. Auf der Tagesordnung standen die Beilegung von Territorialdisputen, Grenzstreitigkeiten sowie die Festlegung einer gemeinsamen Demarkationslinie.1 Nach etlichen fruchtlosen Debatten mischte sich Talleyrand - zunächst durch einen Vertreter - in die Konferenzen ein, um eine Entscheidung in der Angelegenheit zu erzwingen. Hierfür ließ er jetzt seinen Gesandten in Bayern, Louis-Guillaume Otto, das Präsidium der Konferenzen übernehmen.2 Otto verfolgte allerdings die Absicht Napoleons und favorisierte die Zerstörung des gesamten Reichsgebildes. In diesem Sinne konzipierte er Mitte März eine Konvention zwischen den süddeutschen Fürsten und Frankreich mit dem Ziel „de lier les trois souverains par un nouveau droit public de manière à les mettre dans l'impuissance de se rattacher au corps germanique". 3 Diese Vorstellungen entsprachen nicht den Plänen Talleyrands, der (wie zuvor) das Reichssystem reformieren und nicht destruieren wollte. Da die Unterhandlungen ohnehin stagnierten, verlagerte sie der Außenminister Ende März an die Seine,4 wo er die
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Wierichs, S. 87. Talleyrand an Otto. Paris, undat., „vers février 1806", in: Obser, Nr. 533. 3 Otto an Talleyrand. München, 15. März 1806, in: AE, CP Bavière 182, f° 109 f. 4 Nach folgendem Rapport: Bericht Luchesinis. Paris, 13. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409; teils abgedruckt bei: PFDK, Nr. 349. Hierzu auch: Wierichs, S. 89-90. 2
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Konferenzen persönlich beaufsichtigen konnte. Anschließend arbeitete er ein eigenes Projekt zur Regelung der mitteleuropäischen Verhältnisse aus.5 Am 22. Mai 1806 überreichte Talleyrand dem französischen Kaiser seinen Plan zur „organisation de l'Empire d'Allemagne", 6 in dem er sich auf sein altes projet von Straßburg stützte.7 Der neue Plan zielte darauf ab, das Reich umzustrukturieren. „Le corps et l'équilibre de l'Europe", schrieb Talleyrand seinem Staatschef, „exigent impérieusement une reforme dans la constitution germanique".8 Das Ziel dieser Reform war es, das europäische Zentrum - die Grundlage des kontinentalen Gleichgewichts - zu stabilisieren. Talleyrand wollte dafür die bestehenden Strukturdefizite im Reich ausgleichen und dem Reichsgebilde mehr Konsistenz verleihen. Nach seinem Konzept sollte Frankreich zum einen durch seine Verbindung zu den süddeutschen Höfen ins Reichssystem integriert werden und zum anderen durch die Ausweitung seiner Machtsphäre den Einfluss der deutschen Mächte - Österreichs und Preußens - auf Mitteleuropa einschränken. Konkret plante er dazu den Aufbau eines „vereinigten Rheinkreises" aller süddeutschen Staaten unter französischem Schutz. Eine Reduzierung der Kreisanzahl auf acht sollte Frankreich im Kurfürstenkollegium die Rolle einer Balancemacht zwischen Wien und Berlin einräumen.9 Frankreich konnte dann dank der pro-französischen Stimmen von Bayern, Württemberg, Baden und Cleve zwischen der preußisch gesinnten (mit vier Stimmen) und der österreichisch gesinnten Fraktion (mit drei Stimmen) die Balance halten. 10 Einem supplementären Rapport zufolge erwog Talleyrand darüber hinaus durch die Schaffung eines neuen Kurstaates in Nordwestdeutschland, den französischen Einfluss auf die deutschen Gebiete zu verstärken. 11 Dieser sollte in Verbindung mit
5 Der von Wierichs (ebd., S. 90) gesuchte Text des „projet de traité pour la formation d'une nouvelle confédération en Allemagne" ist vermutlich der Entwurf vom Monat Mai, welcher im Pariser Archiv ermittelt wurde, nämlich: Idées sur une nouvelle organisation de l'Empire d'Allemagne. Paris, 13. Mai 1806, in: AE, MD Allemagne 118, f° 367-373. Der unsignierte Entwurf stammte wahrscheinlich aus Talleyrands Arbeitskreis, welcher im Herbst 1805 das Straßburger Projekt skizzierte. 6 Talleyrand an Napoleon. Paris, 22. Mai 1806, in: ebd., f° 372. 7 Hierzu siehe Teil B. II. 8 Idées sur une nouvelle organisation de l'Empire d'Allemagne; siehe: Bericht Luchesinis. Paris, 13. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409. 9 Die anderen Kreise waren: Westfalen, Franken, Schwaben, Österreich, Bayern, Nieder- und Obersachsen. Demnach gehörte Preußen zum Reich kraft des Stimmrechts des Kurfürsten von Brandenburg. 10 Auch im Fürstenkollegium konnte Paris (mit 17 pro-französischen Stimmen) zwischen dem pro-preußischen Lager (15 Stimme) und dem pro-österreichischen (16 Stimmen) die Balance halten. Das Kollegium der Freistädte sollte demnach abgeschafft werden. 11 Dieser sollte unter anderem die folgenden Gebiete (am rechten Rheinufer) umfassen: Berg, das Herzogtum Mark, Münster, Osnabrück und Diepholz.
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einer Allianz mit einem nördlichen Staat - Schweden oder Dänemark - die französische Übermacht in einem unstrukturierten Reichssystem festlegen. 12 Mit seinem Projekt wollte Talleyrand wie im Oktober 1805 die veralteten Reichsstrukturen erneuern, um dadurch ein zugunsten Frankreichs revidiertes europäisches Gleichgewicht instand zu setzen. Für Talleyrand galten weiterhin die Konventionen der alten Ordnung. Daher wünschte er nicht die Zersetzung des Alten Reichs, sondern seine Anpassung an die neuen Machtverhältnisse. Seine Ideen und ebenso die Welt des 18. Jahrhunderts, welche er mit seiner Politik vertrat, 13 waren allerdings Kaiser Napoleon völlig fremd. Bereits Ende Oktober 1805, am Vorabend der Schlacht von Austerlitz, hatte der französische Kaiser die Sprengung des Reichssystems in Erwägung gezogen. Jetzt griff er auf diesen alten Plan zurück. 14 Demonstrativ erklärte er seinem Außenminister Ende Mai: ,J'aurai [...] arrangé la partie de l'Allemagne qui m'intéresse: il n'y aura plus de diète à Ratisbonne [...] plus d'Empire germanique, et nous en tiendrons là." 15 Folglich forderte er Talleyrand auf, seinen Plan neu zu formulieren. Seine Absicht war es dabei, Talleyrands Projekt zur Umbildung des Reichs in die Bahnen seiner Hegemonialpolitik zu lenken. 16 Auf Anweisung Napoleons stellte nun Talleyrand eine Reihe von Projekten zur Umbildung Süddeutschlands auf, die letzten Endes das Fundament des neuen Rheinbundes bildeten. Der Kern aller Entwürfe lag in der völligen Trennung 12 Rapport à Sa Majesté - De l'influence de la France, de l'Autriche et de la Prusse sur les divers petits Etats de l'Allemagne. Mai 1806. [Talleyrand?], in: AE, MD France 463, f° 213-225, hier vor allem f° 221-225. Wie das obige Projekt lässt sich auch hier nach dem Inhalt des Rapports vermuten, dass er im selben Arbeitskreis des französischen Außenministeriums verfasst wurde. 13 Vermutlich war Talleyrands Projekt von der ersten „Rheinischen Allianz" beeinflusst. Diese wollten 1658 Fürstbischof von Münster, Pfalzgraf von Neuburg, der König von Schweden, der Landgraf von Hessen-Kassel, der Herzog von BraunschweigLüneburg und der französische König Louis XIV schließen, um gegen die geplante Übernahme der Niederlande durch den neuen römisch-deutschen, Kaisers Leopold I., ein Gegengewicht zu bilden und die europäische Balance of Power aufrechtzuerhalten. Der erste Rheinbund stellte eine Alternative zur pro-habsburgischen Orientierung des Alten Reichs dar. Er wurde 1668 aufgelöst. Siehe hierzu: Schindling, Anton: Der erste Rheinbund und das Reich, in: Alternativen zur Reichs Verfassung in der Frühen Neuzeit?, hrsg. von Volker Press (= Schriften des Historischen Kollegs, hrsg. von der Stiftung Historisches Kolleg, Kolloquien 23), München 1995, S. 123-127. 14 Siehe Teil B. III. 15 Napoleon an Talleyrand. St. Cloud, 31. Mai 1806, in: ebd., MD France 1777, f° 40; abgedruckt in: CN, Bd. 12, Nr. 10298. 16 Siehe hingegen die These von Georg Schmidt, nach der für Napoleon der Rheinbund ein „zentraler Eckpfeiler einer [...] europäischen Friedensordnung" gewesen sei; Schmidt, Georg: Der napoleonische Rheinbund - ein erneuertes Altes Reich?, in: Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit?, hrsg. von Volker Press (= Schriften des Historischen Kollegs, hrsg. von der Stiftung Historisches Kolleg, Kolloquien 23), München 1995, S. 228.
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der süddeutschen Staaten vom Alten Reich. Seinen ersten Entwurf zu einer „confédération de la Haute Allemagne" legte Talleyrand Anfang Juni vor. 17 Darin war es zum ersten Mal vorgesehen, die historische Bindung der süddeutschen Staaten an das Reichsgebilde endgültig zu beseitigen.18 Die bearbeitete Version dieses Projektes vom 27. Juni 1806 - die „fédération des souverains du Rhin" - konkretisierte den von Napoleon gewünschten Trennungsplan des Südens vom Reich. Wie bereits Zeitzeugen zu Recht bemerkten, stellte das die zweite und letzte Vorstufe zur Gründung des Rheinbundes dar. 19 Der neue Plan sollte durch eine pauschale Aberkennung aller Titel, Rechte und Funktionen der süddeutschen Kurwürdenträger ihre in den Verträgen vom Dezember 1805 eingeleitete Trennung vom Alten Reich vollenden. 20 Diese Grundidee kam am 12. Juli 1806 in der endgültigen Fassung der rheinischen Konföderation zur Geltung. Der Hintergedanke war hierbei, die Erweiterung der französischen Machtsphäre und die Etablierung einer französischen Hegemonie auf dem Kontinent zu fördern. Zur Realisierung dieser Zwecke war im neuen Vertrag im Wesentlichen Folgendes vorgesehen. Erstens wollte man das gesamte Süddeutschland in den französischen Einflussbereich einbeziehen, indem man (Art. 1) alle süddeutschen Regenten in einer Konföderation, den „Etats confédérés du Rhin", zusammenschloss.21 Zweitens war geplant, (Art. 3) alle Bundesmitglieder durch eine Aberkennung ihrer Reichstitel vom Alten Reich zu lösen. 22 Drittens war beabsichtigt, die innere Organisation des neuen Staatsgebildes zu rationalisieren, indem man (Art. 24) die kleinen Fürstenhäuser mediatisierte und (Art. 1319) die territoriale Ordnung innerhalb der Konföderationsgrenze vereinfachte. Schließlich bestimmte man vertraglich die Ausweitung des französischen Einflusses in Mitteleuropa, indem man Napoleon (Art. 12) zum „protecteur" des Bundes ernannte und (Art. 35) anhand einer defensiv-offensiven Allianz die Rheinbundesstaaten an Frankreich koppelte.23 Durch die Trennung der süddeutschen Höfe vom Alten Reich und die Bildung der rheinischen Konföderation
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Talleyrand an Napoleon. Paris, 6. Juni 1806, in: TL, Nr. CLXI. Hierzu ausführlich bei: Wierichs, S. 93; Bitterauf \ S. 375. 19 Gagern schrieb z. B. über das Projekt, es handele sich um „das erste Geschriebene, was über den rheinischen Bund zum Vorschein" gekommen sei; siehe: Gagern, Hans Christoph Ernst von: Mein Antheil an der Politik, Bd. 1, Stuttgart/Tübingen 1823, S. 141. 20 Wierichs, S. 95-97; gemäß den Brünner Verträgen durften die süddeutschen Regenten ihre Kurwürde beibehalten und ihre Funktionen im Reich weiterhin ausüben. 21 Mitglieder des Rheinbundes in seiner Gründungsstunde waren: Bayern, Württemberg, Baden, Berg und Cleve, Hessen-Darmstadt, Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Salms-Kyrburg, Isenburg-Birstein, Aremberg, Liechtenstein und der Erzkanzler Dalberg. 22 Hierzu siehe auch bei: Kraehe (1963), S. 46. 23 Als „protecteur" war Napoleon (Art. 4) durch den Fürstprimat Erzkanzler Dalberg in Angelegenheiten des Rheinbundes vertreten. 18
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schien Napoleon sich den Zielen seiner Hegemonialpolitik weiter anzunähern. Denn die Allianz mit dem neuen Bund und seine persönliche Stellung als dessen Schutzherr garantierten ihm die Kontrolle über Süddeutschland.24 Für den französischen Kaiser war also der neue Bund in seiner Geburtsstunde kein reines Militärbündnis, sondern ein politisches Instrument zur Durchsetzung seiner hegemonialen Ansprüche auf dem Kontinent. 25 Die neuen „Etats confédérés du Rhin" lösten mit der feierlichen Aktsignierung in Paris die Obrigkeit des Alten Reichs südlich des Mains ab. Die vom französischen Kaiser geplante Sprengung des Reichssystems in Mitteleuropa nahm jetzt weitere konkrete Züge an. In einer scheinbar koordinierten diplomatischen Offensive mit dem Rheinbund erklärte Becher, der französische Repräsentant in Regensburg, Anfang August 1806 dem dortigen Reichstag, dass Napoleon aufgrund der Entstehung der neuen staatlichen Ordnung in Süddeutschland die alte Reichsverfassung nicht mehr anerkennen könne. 26 In einer anschließenden Bekanntmachung bestätigten die Rheinbundesstaaten die Bildung der neuen Konföderation und trennten sich offiziell vom Reichsgebilde.27 Napoleon unterminierte somit die Fundamente des Alten Reichs. Sein Rheinbund war dabei, wie es Talleyrand formulierte, „la plus étonnante que le monde ait vue
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Der Plan zum Rheinbund stammte aus Napoleons Feder. Talleyrand nahm nicht an der Bearbeitung der neuen Vertragsfassung teil; dies englischen Berichten zufolge, siehe z. B. Bericht George Jacksons. Berlin, 26. Juli 1806, in: NA, FO 64/71, f° 297-299. 25 Vgl. hingegen exemplarisch mit den folgenden Thesen: Mowat, S. 159; Weis, S. 57; und Vietsch, Eberhard von: Das europäische Gleichgewicht. Politische Idee und staatsmännisches Handeln, Leipzig 1942, S. 88 und Bonnefons , André: Un allié Napoléon. Frédéric-Auguste, premier roi de Saxe et grand duc de Varsovie 1763-1827, Paris 1902, S. 141-143. 26 „Sa Majesté l'Empereur et Roi est donc obligé de déclarer, qu'il ne reconnaît plus l'existence de la constitution germanique, en reconnaissant néanmoins la souveraineté entière et absolue de chacun des princes dont les états composent aujourd'hui l'Allemagne et en conservant avec eux les mêmes relations qu'avec les autres puissance indépendantes de l'Europe. Sa Majesté l'Empereur et Roi a accepté le titre de Protecteur de la Confédération du Rhin"; siehe: Note remise à la diète de Ratisbonne par Mr. Bacher. chargé d'affaires de France. Regensburg, 1. August 1806, abgedruckt in: Walder, Ernst (Hrsg.): Das Ende des Alten Reichs (= Quellen zur neueren Geschichte, hrsg. vom Historischen Seminar der Universität Bern, Heft 10), Bern 1948, S. 82-84; siehe auch die Presseberichte: Relations-Courier (Hamburg), Donnerstag, 7. August 1806; ähnlich auch im Bericht aus 2. August in: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Dienstag, 12. August 1806. Hierzu siehe auch: Rößler (1940), S. 224-225; Drimmel, S. 251. 27 Bekanntmachung der Rheinbundstaaten. Regensburg, 1. August 1806, in: Walder, S. 84-87; siehe auch den Bericht in: Staats- und Gelehrte Zeitung des hamburgischen unparteyischen Correspondenten, Freitag, 8. August 1806; hierzu auch bei: Pölitz , Karl Heinrich Ludwig: Geschichte des österreichischen Kaiserstaates, Leipzig 1817, S. 253254.
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depuis cinq siècles; [denn] elle [der Rheinbund] entraîne la dissolution d'un antique empire et en complète un autre". 28 Nach der Etablierung seines Vertragssystems in Süddeutschland zielte Napoleon darauf ab, das gesamte Reichssystem abzuschaffen. Hierzu übte er jetzt Druck auf Wien aus, die Krone des „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation" niederzulegen. 29 Aus zwei Gründen verlangte er den Verzicht auf die Krone: erstens, weil mit der Konstituierung des Rheinbundes der südliche Reichsteil bereits von Wien losgebunden sei, und zweitens, weil der nördliche Reichsteil sich ohnehin seit 1795 dem preußischen politischen Kurs unterordnet habe.30 Da das Alte Reich de facto nicht mehr existiere, habe Wien - so lautete die Argumentation Napoleons - keinen Grund, an einem inhaltslosen Titel festzuhalten. Daher beabsichtigte Napoleon auch nicht, die deutsche Kaiserkrone für sich in Anspruch zu nehmen.31 Ungeachtet der Gerüchte, die unmittelbar nach der Gründung des Rheinbundes in Europa kursierten, 32 wollte er eindeutig nicht das Reichssystem übernehmen, sondern, wie oben verdeutlicht, es durch sein eigenes Vertragssystem ablösen. In Wien war man sich bezüglich der Intentionen Napoleons nicht im Klaren. Aus der Politik des österreichischen Kaisers lässt sich rückblickend schließen, dass die Regierung an der Donau stets mit einer Übernahme des Reichs durch Napoleon gerechnet hatte. Im Frühjahr 1806 glaubte man, diese Möglichkeit sei nun konkret geworden. In diesem Kontext riet Mitte Mai von Hügel, der Oberleiter der österreichischen Mission in Regensburg, Kaiser Franz II. zu einer freiwilligen Abdankung. 33 Denn dadurch - so Hügel - könne Wien Napoleons Weg zum deutschen Kaiserthron blockieren und den französischen Einfluss auf Mitteleuropa eindämmen.34 Der österreichische Staatsminister Stadion schloss sich dem Vorschlag Hügels an. Auch er trat jetzt für einen Verzicht auf den Ti-
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Talleyrand an Napoleon. Paris, 13. Juli 1806, in: TL, Nr. CLXVIII. Projet de note pour la cour de Vienne. 20. Juli 1806, in: AE, CP Autriche 379, f° 47-51. 30 Dies nach dem Schreiben des französischen Botschafters in Wien; siehe: La Rochefoucauld an Stadion. Wien, 2. August 1806, in: HHStA, Abt. VII, Paris, Kart. 1, f° 13-18. 31 Hierzu siehe z. B. Kraehe (1963), S. 45; sowie Raumer, Kurt von: Hügels Gutachten zur Frage der Niederlegung der deutschen Kaiserkrone (17. Mai 1806), in: ZBL 27 (1964), S. 393; vgl. hingegen mit Rößler (1957), S. 17-19, 24-27. 32 Siehe z. B. das Schreiben des kursächsischen Gesandten in Berlin an Minister Loß in Dresden: Halbig an Loß. Berlin, 20. Juli 1806, in: SHStA, Loc. 3013, Vol. IV b , f° 228-230. 33 Raumer (1964), S. 396. 34 Gutachten über die Frage, ob das Österreichische Haus nach den eingetretenen Folgen des Preßburger Friedens die römisch-deutsche Kaiserkrone noch forttragen solle. Wien, 17. Mai 1806, abgedruckt in: ebd., S. 399-408. 29
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tel ein, zumal die kaiserlichen Prärogative ohnehin nicht mehr auszuüben waren. 35 Hügels Idee lässt sich bis in das Jahr 1804 zurückverfolgen. Damals - am 10. August 1804 - 3 6 missachtete Kaiser Franz das Reichsreglement und nahm den Titel eines Kaisers von Österreich an, um eine Rangparität mit Napoleon zu erlangen. 37 Ihm muss wohl schon damals bewusst gewesen sein, dass dies mit einer Abdankung und einem Verzicht auf das römisch-deutsche Prädikat einhergehen mochte. Vor diesem Hintergrund konnte also Kaiser Franz II. das im Sommer 1806 von Frankreich gestellte Ultimatum zur Aufgabe der Kaiserkrone akzeptieren. Die jüngsten Entwicklungen, der tatsächliche Verlust der Kontrolle über das Reich durch die Umbildung Süddeutschlands sowie die preußischen Pläne zur Umbildung Norddeutschlands gaben ihm jetzt den Impuls, diese Option wahrzunehmen. 38 Die Entscheidung für eine Resignation fiel in einer Marathonsitzung mit Graf Stadion am 1. August um 4 Uhr morgens. 39 Bereits am 6. August wurde die kaiserliche Erklärung offiziell bekannt gegeben. Am selben Tag informierte Kaiser Franz Napoleon über seinen Entschluss.40 Dem Schreiben an den französischen Kaiser legte Franz II. in seinem letzten amtlichen Akt als römisch-deutscher Kaiser die offizielle Bekanntmachung bei. 41 Von nun an war er als Franz I. von Österreich bekannt.
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Beer (1872), S. 229-230. Bibl, Viktor: Kaiser Franz. Der letzte römisch-deutsche Kaiser, Leipzig/Wien 1938, S. 127. Napoleon selbst war geneigt die Titelparität anzuerkennen, vorausgesetzt dass die Hofburg seine eigene Rangerhöhung akzeptieren würde; siehe hierzu: Srbik, Heinrich Ritter von: Die Schicksalsstunde des alten Reiches, Jena 1937, S. 18-25; Beer (1872), S. 57-58. 37 In der Urkunde steht: „égalitéde titre et die dignit éh éréditaires avec les premiers souverains et puissances de l'Europe", siehe: Patente de S. M. l'Empereur romain au sujet de l'adoption du titre d'Empereur héréditaire d'Autriche. 11. August 1804, in: RPTA, Bd. 8, S. 225-228. Eine Kopie (mit späterer Datierung) in der deutschen Sprache liegt im Berliner Archiv vor, siehe: Bekanntmachung Österreichs über Annahme der kaiserlichen Würde. Regensburg, 25. August 1804, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 193.3, f° 18; hierzu auch: Erklärung Kaisers Franz II. Regensburg, undat., in: ebd., f° 19-20. 38 „L'Empereur d'Allemagne" schrieb Stadion dem Grafen Starhemberg in London „placé entre deux confédération, celle du Midi, qui était déjà fixée par des signatures, et celle du Nord, que la Prusse présentait à ces co-états... n'existerait plus de fait, sa dignité ne devenait pas seulement illusion, mais elle n'offrait dorénavant que des embarrasses et des humiliations"; siehe: Stadion an Starhemberg. Wien, 11. August 1806, in: HHStA, Abt. VIII, England, Kart. 153, f° 33-36. 39 Srbik (1927), S. 60; Rößler, Helmuth: Graf Johann Philipp Stadion. Napoleons deutscher Gegenspieler, Bd. 1, Wien/München 1966, S. 252. 40 Franz I. an Napoleon. Baden, 6. August 1806, in: Hanoteau, S. 38-39; hierzu auch die Benachrichtigung an den französischen Botschafter in Wien: Stadion an La Rochefoucauld. Wien, 6. August 1806, in: HHStA, Abt. VII, Paris, Kart. 1, f° 9-12. 41 Erklärung Kaisers Franz II. Wien, 6. August 1806, abgedruckt in: CJCG, S. 107108. Die amtliche Deklaration wurde anschließend in der Presse veröffentlicht; siehe: Kaiserlich-königliche privilegierte Wiener Zeitung, Samstag, 9. August 1806. Die Nach36
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Der kaiserliche Resignationsakt ging über den Würden verzieht hinaus. Die Absicht des österreichischen Kaisers war es schließlich, nicht nur die Kaiserkrone niederzulegen, sondern das gesamte Reichssystem aufzulösen. In diesem Sinne gab Franz II. in der vorletzten Passage der Deklaration bekannt: „Wir erklären [...] dass wir das Band, welches uns bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen [...] und die [...] bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen." 42 Mit dieser Formalität 43 schaffte er das seit Jahrhunderten wackelige politische Konstrukt 44 in einem Zug ab. 45 Damit meinte er, die vermeintliche Machtergreifung durch Napoleon abwenden zu können. Hinter diesem diplomatischen Coup stand der antinapoleonische Rheinländer Graf Stadion.46 Dieser glaubte, indem er die Resignation mit der Auflösung des gesamten Reichssystems verband, Napoleon den Weg zu einer Vorherrschaft im Reich versperren zu können.47 Stadion wusste allerdings nicht, dass Napoleon in keinster Weise die Absicht hegte, die Führungsposition im Reich zu übernehmen. Es handelte sich also bei dem Resignationsakt nicht um einen diplomatischen Meisterstreich Stadions, wie Helmuth Rößler behauptet,48 sondern um das Resultat einer Fehleinschätzung des Grafen Stadion. Denn die Reichsauflösung behinderte nicht, sondern erleichterte schließlich die Umsetzung der napoleoni-
richt wurde später auch in Berlin bekannt gegeben, siehe: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Dienstag, 19. August 1806; eine Version in französischer Sprache wurde in Paris publiziert; siehe: Gazette nationale ou le moniteur universel, Donnerstag, 14. August 1806. 42 Erklärung Kaisers Franz II. Wien, 6. August 1806; siehe obige Anm. 43 Boldt, Hans: Deutsche Verfassungsgeschichte. Politische Strukturen und ihr Wandel, Bd. 1, Nördlingen 1984, S. 284-285. 44 Damit hörte der gesamte diplomatische Kader Österreichs auf, das Alte Reich zu vertreten. Der junge Metternich kam in Paris Anfang August als „Ambassadeur de Sa Majesté l'Empereur des Romains et d'Autriche" an. Er war an der Türschwelle Talleyrands aufgehalten worden, bis er einwilligte, als Botschafter Österreichs akkreditiert zu werden; hierzu siehe: Bozenhart, Manfred: Metternichs Pariser Botschaftszeit (= Neue Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 10), Münster 1967, S. 27-28, 3739; sowie den Bericht Metternichs. Paris, 11. August 1806, abgedruckt in: Grunwald, Constantin de: Les débuts diplomatiques de Metternich à Paris (documents inédites), in: Revue de Paris 43 (1936), S. 492-537, S. 492-505. 45 Dabei verletzte Franz I. die Reichsverfassung, die eine Ratifizierung der kaiserlichen Erklärung im Regensburger Reichstag verlangte. Nach Hubers Ansicht handelt es sich deshalb lediglich um eine Reichssuspension. Die Geschichts-entwicklung widerspricht allerdings dieser These; hierzu: Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, Stuttgart 1990, S. 71-73. 46 Langsam, William C.: Count Stadtion and the Archduke Charles, in: Journal of Central European Affairs 6 (1946), S. 147-151, S. 147; Rößler (1966), S. 251. 47 Ebd., S. 253; ders. (1957), S. 63-64; vgl. auch mit: Falk, Minna R.: Stadion, adversaire de Napoléon (1806-1809), in: AHRF 34 (1962), S. 297-298. 48 Rößler (1966), S. 253.
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sehen Hegemonialpolitik, indem sie die Trennung weiterer deutscher Fürsten vom Reich und deren Beitritt zum Rheinbund ermöglichte. 49 Die Gründung des Rheinbundes und die Auflösung des Alten Reichs transformierten die Verhältnisse in Mitteleuropa radikal. Dennoch beendeten diese grundlegenden Änderungen nicht das Ringen um das kontinentale Gleichgewicht. 50 Im Rheinbund sah der französische Außenminister, im Gegensatz zu Napoleon, kein Werkzeug zur Etablierung einer französischen Hegemonie, sondern eine potenzielle Alternative zum niedergegangenen Reich. Durch den neuen Bund glaubte er Strukturdefizite auf dem Kontinent auszugleichen, die politischen Kräfte im südwestlichen Reichsteil zu konzentrieren und somit das innerdeutsche bzw. mitteleuropäische Gleichgewicht in einer neuen Form wiederherzustellen. In diesem Kontext betrachtete Talleyrand die Bildung einer weiteren Konföderation im nördlichen Reichsteil - d. h. nördlich der Mainlinie - als das notwendige Pendant zum Rheinbund. Denn durch einen parallelen Bund konnte man eine weitere französische Expansion Richtung Osten eindämmen und somit neue Grundlagen für die mitteleuropäische Balance of Power legen.51 Vor diesem Hintergrund riet Talleyrand bereits Anfang 1806 dem französischen Kaiser, Norddeutschland Preußen zu überlassen. 52 Gemeinsam mit dem Arbeitskreis des projet von Straßburg konkretisierte er diese Idee Mitte August in einem neuen Projekt zur Bildung eines zum Rheinbund äquivalenten Nordbundes, nämlich einer confédération du nord de V Allemagne. 52
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Hierzu siehe hierunter, Teil D. V. Siehe hingegen die These von Enno Kraehe, nach der mit der Gründung des Rheinbundes die Epoche zu Ende gegangen sei, in der die europäischen Mächte „checked and balanced each other's influence in Germany"; Kraehe, Enno: From Rheinbund to Deutscher Bund. The Road to European Equilibrium, in: Consortium on Revolutionary Europe 4 (1974), S. 163. 51 Zum Zusammenhang zwischen dem europäischen und dem innerdeutschen Gleichgewicht siehe: Epstein, Karl: The Genesis of German Conservatism, Princeton 1966, S. 596. 52 Denkschrift Talleyrands. „vu le 8. février 1806", undat., abgedruckt bei: Heymann, S. 157-161. Dabei erklärte Talleyrand dem französischen Kaiser, Frankreich habe weder die Ressourcen noch die Notwendigkeit, die norddeutschen Gebiete zu kontrollieren. 53 Dies im Gegensatz zur geläufigen Annahme französischer wie deutscher Historiker, wie z. B. Jean de Pange und Adolf Schmidt, dass Napoleon selbst den norddeutschen Plan lancierte; hierzu: Pange, Jean de: L'Allemagne depuis la Révolution française 1789-1945, Paris 1947, S. 43-44 sowie Schmidt, Adolf (1867), S. 80-82. Ähnlich auch bei: Wachsmuth, Wilhelm: Das Zeitalter der Revolution. Geschichte der Fürsten und Völker Europa's seit dem Ausgange der Zeit Friedrichs des Großen, Bd. 4, Leipzig 1848, S. 42-43; Manso, Johann Caspar Friedrich: Geschichte des Preußischen Staates vom Frieden zu Huberstburg bis zur zweiten Pariser Abkunft, Bd. 2, Leipzig 1839, S. 117; Rotteck, Karl von: Allgemeine Geschichte vom Anfang der Französischen 50
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Den Nordbund-Plan skizzierte d'Hauterive in einer in der Forschung bisher unbekannten Denkschrift. 54 Das Ziel des neuen Plans war es - ähnlich wie im projet von Straßburg - , die französische Machtexpansion in Europa durch die Einführung eines „système définitif' zu beenden. Der programmatische Ansatz des Projektes bestand aus der Integration Norddeutschlands en bloc in das Vertragssystem, um durch dieses Gegengewicht das hegemoniale System Napoleons in ein balanciertes umzuwandeln. Die Denkschrift kritisierte zunächst die ungleichgewichtigen Machtverhältnisse in Mitteleuropa, die sich aus der faktischen Eingliederung Süddeutschlands ins französische Kaiserreich durch den Preßburger Frieden und den Rheinbund ergeben hatten. Die Kräfte, die bisher für Gegenbalance gesorgt hatten, nämlich Preußen und Österreich, stünden jetzt außerhalb des neuen Staatensystems. Dieses gestörte Gleichgewicht wollte Talleyrand wiederherrichten. Hierzu suggerierte er: „Elle [Frankreich] peut à son gré compléter son système fédératif." 55 Folglich schlug der Außenminister vor, Preußen durch die Bildung einer norddeutschen Gegenkonföderation unter der Herrschaft eines preußischen Kaisers in das neue System verstärkt mit einzubeziehen,56 um dadurch das politische Übergewicht des französisch gesinnten Bundes in Mitteleuropa auszugleichen. Der französische Außenminister orientierte sich also weiterhin am alten Gleichgewichtsprinzip. Aus politisch-kulturellen und geopolitischen Gründen betrachtete er die Einbeziehung Preußens ins neue System als ein wichtiges Fundament für die Retablierung des mitteleuropäischen Äquilibriums. Denn politisch-kulturell gesehen stehe Preußen, so Talleyrand, jenseits des Ancien Régime, weshalb dort keine Ressentiments gegenüber Paris - z. B. wegen des Umsturzes der Bourbonen-Dynastie - bestünden.57 Darum passte Preußen ins neue System und konnte fernerhin diesem eine innere Stabilität gewähren. Auch aus geopolitischen Motiven hielt Talleyrand die Teilnahme Preußens an der neuen Organisation für ratsam. Denn Preußen könne - so wie Österreich im
Revolution bis zur Stiftung der heiligen Allianz, Freiburg 1827, S. 594-596, sowie Medlein, Bd. 6, S. 174-175. 54 Rapport à L'Empereur. 1806, undat. redigiert von Hauterive; signiert von Talleyrand, in: AE, MD Prusse 9, f° 123-131. Dem Inhalt nach soll die Denkschrift Mitte August verfasst worden sein. 55 Ebd., f° 123-124. 56 Ebd., f° 128. Die Annahme einer preußischen Kaiserwürde sah Talleyrand bereits in seinen Münchner Entwürfen vor - damals ebenfalls im Rahmen einer Umbildung Mitteleuropas; siehe: Talleyrands Entwurf eines Bündnisvertrags mit den Südstaaten. München, 28. November 1805, in: Obser, Nr. 393. 57 „La France a besoin de n'être pas contrariée dans ses vues par les préventions qui naissent du ressentiment et des regrets, ni par des idées de suprématie de religion, de parenté et d'ancienneté. La Prusse est entièrement dégagé à tous ces égards", zitiert nach: Rapport à L'Empereur. 1806, undat. redigiert von Hauterive; signiert von Talleyrand, in: AE, MD Prusse 9, f° 126.
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projet von Straßburg - die Ostgrenze decken und dadurch den russischen Einfluss auf Mitteleuropa mäßigen.58 Aus diesen Gründen war für Talleyrand die Integration Preußens an der Spitze eines Nordbundes in das französisch geprägte Staatensystem mit den Interessen des französischen Kaiserreichs durchaus kompatibel. 59 Diesen Grundgedanken, den Talleyrands Arbeitskreis im Projekt von Mitte August formulierte, hatte der Außenminister bereits Mitte Juli 1806 entwickelt. Schon damals unterbreitete er der preußischen Regierung und deren Vertretern seine Idee einer nördlichen Konföderation unter preußischer Leitung. Lediglich drei Tage nach der Gründung des Rheinbundes deutete er Laforest, dem französischen Botschafter in Berlin, an: „la France sera toujours disposée à s'entendre avec la Prusse sur des moyens d'étendre et de consolider sa puissance dans le Nord de l'Allemagne". 60 Kaum eine Woche später ließ Talleyrand über die französische Mission in Russland dem preußischen Gesandten die Bildung eines Nordbundes antragen. Er übermittelte General Ruffin in Petersburg eine Kopie des acte de la confédération du Rhin und ließ dem preußischen Vertreter durch Ruffin erklären, Preußen könne nach der Umbildung Süddeutschlands die Kontrolle über den Norden im Rahmen eines „nouvelle loi fédérative" mit einer preußischen Kaiserwürde 61 oder in einer „fédération des Etats du Nord de l'Allemagne" übernehmen. 62 Auch Laforest in Berlin wiederholte diese Anträge wortwörtlich beim preußischen Kabinettsminister von Haugwitz. 63 Beide Anträge wurden im Namen Napoleons vorgebracht. 64 Vermutlich deshalb und aufgrund früherer Äußerungen Napoleons65 rechnen Historiker wie
58
Ebd., f° 125. Darum ist es wohl unwahrscheinlich, dass Talleyrand die Bildung des Nordbundes nicht ernst meinte und sie Berlin nur spöttisch antrug, wie Franz Mehring behauptete; siehe: Mehring, Franz: Jena und Tilsit. Ein Kapitel ostelbischer Junkergeschichte, Leipzig 1906, S. 83. 60 Talleyrand an Laforest. Paris, 15. Juli 1806, in: PFDK, Nr. 388. 61 Damit ist wahrscheinlich eine teilweise Erneuerung des Reichs im Norden gemeint. 62 „C'est à la cour de Prusse à tirer parti d'une conjecture aussi favorable pour agrandir et fortifier son système [...] Elle peut réunir sous une nouvelle loi fédérative les Etats qui appartiennent encore à l'Empire Germanique et faire entrer la dignité impériale dans la maison de Brandebourg, Elle peut si elle le préfère former une fédération des Etats du Nord de l'Allemagne qui se trouve plus particulièrement placés dans sa sphère d'activité"; siehe: Talleyrand an Ruffin. Paris, 22. Juli 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 157-158. 63 In seiner Unterredung mit Haugwitz am 24. Juli wiederholte Laforest wortwörtlich das Gesuch von Ruffin; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 1. August 1806, in: ebd., f° 177-184, hierzu vor allem f° 182. 64 Siehe in den respektiven Noten; vorige Anm. 59
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Jean de Pange, Adolf Schmidt und zuletzt auch Heinz Duchhardt den norddeutschen Plan irrtümlich dem französischen Kaiser und nicht Talleyrand und seinen Amtskollegen zu. 66 In die Details des norddeutschen Projektes scheint der französische Kaiser aber nicht eingeweiht gewesen zu sein. Die Bemerkung des Historikers Kurt Eisner, der Plan habe „sich durchaus in das System Bonapartes" gefügt, 67 übersieht die Komplexität der Situation innerhalb der französischen Regierung. Denn für Napoleon war die Idee des Nordbundes von einer völlig anderen Bedeutung - nämlich die Zersetzung und nicht die Umbildung des Reichssystems. Im Sommer 1806 war es also Talleyrand und eben nicht Napoleon, der den Nordbund konzipierte, um die Weichen für einen Kurswechsel zur alten französischen Außenpolitik des Gleichgewichts zu stellen und von der neuen napoleonischen Politik der Expansion abzukehren.
II. Exkurs: Zum Ursprung der norddeutschen Politik Preußens Die Entscheidung zwischen Balance of Power und Hegemonie hing auch mit der Rezeption des norddeutschen Projektes und mit den Wurzeln der norddeutschen Politik in Preußen zusammen. Diese erwiesen sich sowohl für die Wahrnehmung als auch für die Umsetzung des Nordbund-Plans als richtungweisend. Die norddeutsche Idee hatte in Preußen eine eigene Tradition. Seitdem sich Preußen im 17. Jahrhundert eigenmächtig zum Königreich erhöht hatte, war sie bei allen preußischen Monarchen mit dem Wunsch verbunden, die Eigenständigkeit des Staates sowie seine territoriale Stärke in Europa geltend zu machen. In der Praxis bedeutete dies zweierlei: die Selbstbehauptung Preußens gegenüber dem deutschen Kaiserreich respektive Österreich und eine Erweiterung des preußischen Territoriums respektive des preußischen Einflusses in den norddeutschen Gebieten.68
65 Bereits im Herbst 1805 spielte Napoleon mit dem Gedanken eines preußischen Kaisertums; siehe Talleyrand an d'Hauterive. München, 27. Oktober 1805, in: Talleyrand (1951), S. 3S5-3S6. 66 Siehe hierzu: Pange, S. 43-44; Schmidt, Adolf (1867), S. 80-82 sowie Duchhardt, Heinz: Protestantisches Kaisertum und Altes Reich. Die Diskussion über die Konfession des Kaisers in Politik, Publizistik und Staatsrecht (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches, Nr. 1, hrsg. von Karl Otmar Freiherr von Aretin, et al., Bd. 87), Wiesbaden 1977, S. 322-323. Ähnlich auch bei: Wachsmuth, S. 42 f; Manso, S. 117; Rotteck, S. 594-596; sowie Medlein, Bd. 6, S. 174-175. 67 Eisner, S. 253. 68 Über die primären Ziele der preußischen Außenpolitik seit 1648 siehe z. B. bei: Kohnke (1968), S. xxxiii.
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Diese zwei Maximen beherrschten das preußische außenpolitische Denken und bestimmten die Richtung der preußischen Außenpolitik in Norddeutschland bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Sie kamen sowohl in der außenpolitischen Praxis als auch in offiziellen Denkschriften preußischer Minister und Beamter sowie in der Publizistik zum Vorschein. Der Gedanke an eine politische Union der norddeutschen Staaten mit Preußen an der Spitze kam in Berlin zum ersten Mal am Ende des 18. Jahrhunderts auf. Damals prägte er die preußische Reichspolitik und bezog sich in erster Linie auf die Machtstellung Preußens gegenüber dem Alten Reich. Die ursprüngliche Idee einer norddeutschen Union entstand aus einem Konflikt zwischen Preußen und dem römisch-deutschen Kaiser Joseph II. Dieser plante durch den Gebietstausch der Niederlande gegen Bayern seine Position im südlichen Reichsteil zu stärken. Preußen, das sich unter Friedrich dem Großen bereits in den Schlesischen Kriegen (1740/41) eine Territorialexpansion in Richtung Osten gesichert hatte, widersetzte sich der Ausweitung des österreichischen Einflusses im Süden, da diese das innerdeutsche Gleichgewicht gestört hatte. Um die österreichische Expansion zu blockieren, forderte Friedrich der Große 1785 den Kurfürsten von Hannover - den englischen König George III. - und den Kurfürsten von Sachsen zu einem staatlich-strategischen Zusammenschluss der norddeutschen Höfe im Rahmen eines „Deutschen Fürstenbundes" auf. Dieser Bund wurde am 23. Juli 1785 in Berlin geschlossen und besiegelt. Bis Ende 1787 traten dem Fürstenbund weitere norddeutsche Reichsstände bei, darunter auch Braunschweig, Gotha, Weimar, Mecklenburg, Osnabrück, Hessen-Kassel und Anhalt. Sogar einige süddeutsche Reichsstände wie der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, die Herzöge von Zweibrücken, Baden und Ansbach schlossen sich dem Fürstenbund an. 69 Das gemeinsame Ziel aller Mitglieder war es, die habsburgische Expansion in Süddeutschland zu konterkarieren. 70 Der Bund unterminierte aber zugleich die Fundamente des Reichs und stärkte Preußens Stellung gegenüber dem römisch-deutschen Kaiser. Somit stellte er die erste Alternative zum alten Reichsgebilde dar. 71 Der preußische Fürstenbund 69 Hierzu detailliert bei: Ranke, Leopold von: Die deutschen Mächte und der Fürstenbund. Deutsche Geschichte von 1780 bis 1790, Bd. 1, Leipzig 1871. Zum Vertragstext siehe: Deutscher Fürstenbund. Berlin, 23. Juli 1785, abgedruckt bei: Duchhardt, Heinz (Bearb.): Quellen zur Verfassungsentwicklung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1495-1806) (= Quellentexte zur Neueren und Neuesten Geschichte, hrsg. von Winfried Baumgart), Darmstadt 1983, S. 106-110. 70 Der Geheimarchivar von Dohm sah im Plan eine Verbindung des corporis evangelicorum. Dabei ignorierte er die klaren politischen Zwecke dieses Bundes. Zudem ahnte er noch nicht, dass kaum zwei Jahre später der Mainzer Erzbischof in den „Deutschen Fürstenbund" aufgenommen würde; siehe: Dohm, Christian Wilhelm von: Über den deutschen Fürstenbund, Berlin 1785, S. 124-125. 71 Stievermann, Dieter: Der Fürstenbund von 1785 und das Reich, in: Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit? , hrsg. von Volker Press (= Schriften des
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von 1785 hing also deutlich mit den machtpolitischen Interessen Preußens gegenüber Wien zusammen und diente Preußen als Instrument, um diese durchsetzen zu können.72 Die Tatsache, dass der Bund erst infolge der preußischösterreichischen Annäherung in der Konvention von Reichenbach und nach dem Tod von Joseph II. (1790) aufgelöst wurde, unterstreicht seine politische Bedeutung im langen Tauziehen zwischen Wien und Berlin. Zehn Jahre später, mit dem Abschluss des Basler Friedens, trat die norddeutsche Idee in der außenpolitischen Praxis Preußens erneut hervor. 73 Im Vertrag von Basel (1795) und in der anschließenden Festlegung (1796) der norddeutschen Demarkationslinie zeichnete sich vor allem die faktische Absonderung Norddeutschlands unter preußischer Ägide vom Reich ab. 74 Denn durch den Basler Frieden konnte Preußen wie schon zuvor im Fürstenbund seinen politischen Einfluss auf den Norden ausdehnen und sich dabei auch gegenüber Wien stärker positionieren. Die Basler Ordnung stellte also die Weichen für eine preußische Führung in Norddeutschland. Im Vertrag spiegelten sich die traditionellen Grundsätze der preußischen Außenpolitik auf dem Kontinent wider. Bereits 1800 nutzte Preußen die in Basel gestellten Weichen im Rahmen einer alliance défensive mit Russland, um sein Neutralitätssystem abzusichern. 75 Mit russischer Unterstützung wollte Berlin durch einen Separat- und Geheimartikel die großen norddeutschen Reichsstände (England-Hannover, Kurhessen und Kursachsen) sowie die nordeuropäischen Staaten (Schweden und Dänemark) in einer nördlichen Liga zusammenschließen. Dieser Geheimartikel wurde schließlich nicht umgesetzt. Er verdeutlicht aber, dass Preußen sich stets bemühte seine Position im Reich zu stärken und seinen Einfluss in Norddeutschland entsprechend zu vergrößern. Im Anschluss an den Frieden von 1795 versuchten auch einige preußische Beamte und Minister, von die Basler Ordnung zu nutzen, um die Interessen Preußens durch eine Konsolidierung des Neutralitätssystems durchzusetzen. Der Offizier Freiherr Christian von Maßenbach erkannte als Erster die neuen Optionen für den preußischen Staat, die sich aus den geopolitischen Änderun-
Historischen Kollegs, hrsg. von der Stiftung Historisches Kolleg, Kolloquien 23), München 1995, S. 210-224. 72 Jastrow sieht in den späteren preußischen norddeutschen Plänen eine Erneuerung des alten Deutschen Fürstenbundes; hierzu: Jastrow, Jgnaz: Geschichte des deutschen Einheitstraumes und seiner Erfüllung, Berlin 1885, S. 247. 73 Traité entre S. M. le roi de Prusse et la République française. Basel, 5. April 1795, in: RPTA, Bd. 6, S. 45-48. 74 Hierzu siehe auch bei: Völlderndorff\ Otto von: Deutsche Verfassungen und Verfassungsgeschichte, Berlin 1890, S. 3-6. 75 Zum Vertragstext siehe: traité d'alliance avec la Prusse. Péterhoff, 28. Juli 1800, in: RTCR, Bd. 6, S. 270-280, hier S. 279-280.
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gen in Norddeutschland infolge des Friedens mit Frankreich ergaben. 76 In seinen Denkschriften warb er ausdrücklich für eine „Vereinigung des nördlichen Deutschlands mit Preußen" im Rahmen eines „mächtigen Föderativstaates zwischen der Memel und dem Main". 7 7 Bereits 1801 plädierte Maßenbach für eine Reform der Reichsverfassung. Diese wollte er auf einer Dreiteilung des Alten Reichs begründen und hierzu auch die norddeutschen Reichsstände unter die Herrschaft eines preußischen Erbkaisers bringen. 78 Der König las die Aufzeichnungen Maßenbachs nicht vollständig. 79 In Berlin waren sie aber im Umlauf, wie die Wiedergabe seiner Ideen in der Presse belegt. George Heinrich Kaiser, Hans von Held oder Heinrich Dietrich von Bülow („Blick auf zukünftige Begebenheiten", 1801) 80 und der Theologe Karl Gottlieb Brettschneider („Deutschland und Preußen oder das Interesse Deutschlands am preußischen Staate", 1806) schlossen sich von Maßenbach an und verbreiteten seine Idee einer norddeutschen Union. 81 Die Ziele dieser von Maßenbach und seinen Nachahmern propagierten norddeutschen Union entsprachen den alten Maximen des preußischen Staates: die Stärkung Preußens in Norddeutschland durch die Bildung einer norddeutschen Union unter Preußen und die Verbesserung der preußischen Machtstellung gegenüber Wien durch die Rangerhöhung des preußischen Monarchen zum Kaiser. Diese Idee, das Basler System in einer staatlichen Form zu konsolidieren, wurde auch in Frankreich verbreitet. Dort vermutete man bereits im Herbst 1804, dass Preußen die Staaten hinter der Demarkationslinie unter seiner Oberaufsicht vereinigen wollen würde. Der französische Resident in Frankfurt
76
Schulz, Hermann: Vorschläge zu Reichsreformen in der Publizistik von 18001806, Phil. Diss., Gießen 1926, S. 65-70. 77 Maßenbach, Christian Karl August von: Historische Denkwürdigkeiten zur Geschichte des preußischen Staats seit 1794, Teil 1, Amsterdam 1809, S. 33; hierzu siehe auch: Droz, Jacques: L'idéologie facteur de la politique internationale. La neutralité prussienne et l'opinion publique de 1795 à 1806, in: Mélanges Pierre Renouvin. Etudes d'histoire des relations internationales (= Publications de la faculté des lettres et sciences humaines de Paris, sérié: Etudes et Méthodes, Bd. 13), Paris 1966, S. 102-103. 78 Maßenbachs Denkschrift. Einige Bemerkungen über die jetzigen allgemeinen Angelegenheiten in Bezug auf die militärische Grenze der preußischen Monarchie. Januar 1801, abgedruckt in: Maßenbach Christian Karl: Memoiren des preußischen Staats unter den Regierungen Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III., Bd. 3, Amsterdam 1809, S. 397-416. 79 Ders. (1809): Denkwürdigkeiten, Teil II, S. 11. Im Gegensatz zu Maßenbachs Eindruck nahm Friedrich Wilhelm III. seine Denkschriften im Frühsommer 1806 durchaus zur Kenntnis, wenn er diese auch abschätzig betrachtete und meinte, er sei „mit seinen Denkschriften gelangweilt worden"; siehe: Friedrich Wilhelm III. an Luise. Charlottenburg, 7. Juli 1806, in: Griewank (1929), Nr. 154. 80 Bülow, Adam Heinrich Dietrich von: Blick auf zukünftige Begebenheiten, aber keine Prophezeiungen. Geschrieben im April 1801, Leipzig 1806. 81 Schulz, Hermann, S. 48-49, 71-75.
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Joseph Hirsinger war sogar fest davon überzeugt, dass Preußen die Bildung einer „ligue de démarcation" in Norddeutschland plane. 82 Bei dieser Vermutung der Franzosen handelte es sich allerdings lediglich um Gerüchte. Die Idee nahm aber in Preußen ein Jahr später konkrete Züge an. 1805 regte der preußische Gesandte in Dresden, von Brockhausen, erstmalig an, das Basler Neutralitätssystem durch militärische Konventionen mit den betreffenden Staaten zu festigen. 83 Seit dem Basler Frieden bildete Brockhausens Projekt somit den ersten Vorstoß, den preußischen Anspruch auf die Kontrolle über Norddeutschland vertraglich festzusetzen. 84 Den zweiten konkreten Plan zur Umbildung Norddeutschland formulierte von Hardenberg Anfang Januar 1806. Anknüpfend an Brockhausens Idee und Maßenbachs Memoranden entwarf er ein Grundschema zur Umbildung des Alten Reichs.85 Der Zweck seines Projektes war die Trennung des Nordens vom Reich, im Rahmen einer neuen Konstitution. 86 Diese allgemeine Skizze konkretisierte er in einem Projekt, das er am 5. Februar 1806 im Anschluss an die Signierung des Vertrags von Schönbrunn vorstellte. 87 Darin visierte Hardenberg die Umstrukturierung des gesamten Reichssystems an, erstens, indem er ähnlich wie Maßenbach das Alte Reich (Art. 6) in drei Konföderationen - eine österreichische, eine mitteldeutsche unter bayerischer Herrschaft und eine norddeutsche unter preußischer Führung - aufteilen wollte, und zweitens, indem er plante (Art. 4, 5) die Kreisorganisation zu vereinfachen. 88 Obwohl der römisch-deutsche Kaiser weiterhin als Staatsoberhaupt und Direktor der Reichsversammlung (Art. 2) fungieren sollte, bedeutete Hardenbergs Projekt die faktische Schaffung einer politisch strukturierten Trias im Reich. 89
82
Hierzu siehe: Hirsinger an Talleyrand. Frankfurt, 10. Oktober 1804, in: AE, CP Allemagne 730, f° 142-143. 83 Projet d'une convention à conclure entre S.M. le Roi de Prusse & S.A.S. l'Electeur de Saxe. Brockhausen. Dresden, undat., wahrscheinlich von Anfang Oktober 1805, in: GStA, I. HA, Rep. 41, Nr. 402. 84 Haugwitz wies allerdings den Plan in einem ad contra als undurchsetzbar zurück und meinte, man solle sich auf den Beitritt der sächsischen Häuser zum Neutralitätssystem beschränken; siehe: Haugwitz an Brockhausen. Berlin 7. Oktober 1805, in: ebd. 85 GriewanK Karl: Hardenberg und die preußische Politik 1804-1806, in: FBPG 47 (1935), S. 302-304. 86 Projet d'un traité. Berlin, 1. Januar 1806, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 266-269. 87 So schrieb Hardenberg im Begleitbrief an Haugwitz; siehe: Hardenberg an Haugwitz. Berlin, 5. Februar 1806, in: GStA, HA. I. Rep. 96A, Nr. 9Bb4, f° 21. Zum Projekttext Hardenbergs siehe: Hardenbergs Entwurf zu einer neuen Verfassung des Reichs. Berlin, 5. Februar 1806, in: ebd., f° 21-29; abgedruckt bei: Ranke (1877), Bd. 5, S. 294301. 88 Dabei war eine Reduzierung der Kreisanzahl auf sechs vorgesehen: ein österreichischer, ein brandenburgischer, ein bayerischer, ein sächsischer, ein hessischer und ein schwäbischer Kreis. 89 Ebd., Bd. 1, S. 588-589; Burg, Peter: Die deutsche Trias in Idee und Wirklichkeit. Vom alten Reich bis zum Deutschen Zollverein (= Veröffentlichungen des Instituts für
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Wie Brockhausens Projekt und die Denkschriften Maßenbachs folgte auch Hardenbergs geplante Reichsreform den Maximen der preußischen Außenpolitik, denn im Rahmen der norddeutschen Konföderation hätte Preußen seinen Einfluss in Norddeutschland erweitern und dies selbst von seinem großen Rivalen, Österreich, sanktionieren lassen können. Obwohl Hardenberg konkrete Schritte zur Umsetzung seines Projektes unternahm und sogar Graf Haugwitz empfahl, den preußischen Juristen von Hänlein mit der Formulierung des Plans zu beauftragen, scheiterte das Projekt noch im ersten Stadium.90 Haugwitz lehnte den Plan ab. Hardenbergs halboffizieller Versuch, 91 den hessischen Kurfürsten für seine Idee zu gewinnen, schlug ebenfalls fehl. 92 Grund hierfür waren die eigenen Vorstellungen, die Graf Haugwitz von einer Neuordnung Mitteleuropas hatte. Diese ähnelten in ihren Zielen dem Projekt von Hardenberg, unterschieden sich aber in ihrer Form, insofern sie mit einer klaren Abkoppelung vom Reichssystem und einer Kooperation mit Frankreich verbunden waren. 93 In diesem Sinne regte Haugwitz Anfang Juli 1806 - also unmittelbar vor dem Eingang der französischen Einladung zur Bildung des Nordbundes - eine weitere
Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, hrsg. von Karl Otmar Freiherr von Aretin, Bd. 136), Stuttgart 1989, S. 27; vgl. hingegen mit Zierke, welcher meint, es handle sich lediglich um eine technische Umbildung des Alten Reichs und nicht um eine Dreiteilung; hierzu: Zierke, Fritz: Die deutsche Politik Hardenbergs in der ersten Periode seines staatsmännischen Wirkens 1770-1807. Ein Beitrag zum politischen Bilde des preußischen Staatskanzlers und zur Geschichte des preußisch-deutschen Problems im Zeitalter der Französischen Revolution, Phil. Diss., Frankfurt 1932, S. 89. 90 Ranke (1877), Bd. 2, S. 453-454. 91 Anscheinend setzte Hardenberg seinen Amtskollegen von Haugwitz über sein Vorgehen nicht in Kenntnis. 92 Das von Wittgenstein am kurhessischen Hof vorgestellte Projekt gleicht dem Februar-Plan Hardenbergs. Eine Reaktion des Kurfürsten auf Hardenbergs Antrag liegt im Marburger Archiv nicht vor. Da die vorhandenen Schriftstücke auf das Projekt keinen Bezug nehmen, lässt sich vermuten, dass dieses in der kurhessischen Regierung niemals ernsthaft erörtert wurde; siehe: Ein Plan zur Umgestaltung Deutschland. Berlin, 17. März 1806, in: HStAM, Best. 4 f, Frankreich 1820, f° 74 [französische Fassung]; abgedruckt bei: Strippelmann, S. 38-40 [deutsche Fassung]. Der Historiker Wilhelm Weyer ist der Meinung, der hessische Kurfürst habe stets zwischen Berlin und Paris geschwankt, und sei den Anträgen beider Seite ausgewichen; siehe: Weyer, Wilhelm: Die Anfänge des preußischen Haus- und Polizeiministers Fürsten Wilhelm Ludwig Georg zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770-1806). Ein Lebensbild aus der Zeit der Französischen Revolution und des Untergangs des Deutschen Reiches sowie ein Beitrag zur preußisch-hessischen Geschichte von 1795-1806, Phil. Diss., Marburg 1927, S. 142143. 93 Zum Grafen Haugwitz Anhänger zählten unter anderem Lombard und Beyme. Für die Ansicht Beymes über die Vorteile einer engen Kooperation mit Frankreich siehe: Denkschrift Beymes. Berlin, 4. Juli 1806, abgedruckt in: Dehio, Ludwig: Eine ReformDenkschrift Beymes aus dem Sommer 1806, in: FBGP 38 (1926), S. 330-338, hier vor allem S. 324, 332.
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Annäherung an Paris und die Errichtung einer „union étroite" 94 aller großen norddeutschen Höfe an. 95 In Kurhessen wollte er bereits im Juni 1806 durch Mediatisierung der nordhessischen Fürsten und Zusammenlegung des kurhessischen Territoriums Kurfürst Wilhelm I. zu einer aktiven Mitwirkung in Norddeutschland motivieren. 96 Diese geplante Union war, wie der französische Gesandte in Frankfurt präsumierte, die Grundlage einer „confédération qui mettrait sous la protection immédiate et le dépendance presque absolu de la Prusse un grand nombre de petits états trop faibles". 97 Mit dieser Konföderation wollte von Haugwitz ebenso wie Hardenberg, Brockhausen und Maßenbach die traditionellen Ziele der preußischen Außenpolitik realisieren. Die einzigen Differenzen zwischen den preußischen Ministern, Diplomaten und Publizisten, welche die norddeutsche Idee verfochten, lagen schließlich in ihrer praktischen Umsetzung. Vor diesem Hintergrund konnte das von Talleyrand angetragene norddeutsche Projekt in Berlin auf positive Resonanz stoßen. Dazu trug die Grundhaltung Friedrich Wilhelms III. in dieser Angelegenheit bei, der seit Anfang 1806 selbst eine Aufteilung des Einflusses zwischen Berlin und Paris für den deutschen Raum favorisierte, „l'une dans le nord, l'autre dans le midi". 9 8 In Berlin war man also über die Anträge sowie die vermeintlichen Absichten des französischen Kaisers erfreut. Mit Genugtuung berichtete der Kabinettsminister Haugwitz: „Soweit als meine Ansicht der politischen Verhältnisse geht, kann ich mir nicht denken, dass in dem Augenblick, in welchem Napoleon in dem Ton der Freundschaft uns seinen Plan mit Süddeutschland anzeigt, dessen weitere Kommunikation verspricht und uns einladet, einen ähnlichen in Nord-
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Denkschrift des Grafen Haugwitz. Berlin, 10. Juli 1806, in: Ranke (1877), Bd. 5, S. 349-356. 95 Denkschrift des Grafen Haugwitz. Berlin, Juli 1806, in: ebd., S. 356-364; ähnlich berichtet der kursächsische Vertreter in Berlin dem Minister Loß in Dresden; siehe: Halbig an Loß. Berlin, 20. Juli 1806, in: SHStA, Loc. 3013, Vol. IV b , f° 228-230. In der Praxis nutzte aber Haugwitz Teile von Hardenbergs Projekt; siehe: Srbik, Heinrich Ritter von: Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz, Bd.l, 3. Aufl., München 1940, S. 159-161. 96 Zu diesem Zweck präsentierte Haugwitz durch den Gesandten Wittgenstein ein umfassendes Projekt zur Territorial Vergrößerung Kurhessens; zum Inhalt seines Plans siehe: Hirsinger an Talleyrand. Frankfurt, 13. Juni 1806, in: AE, CP Allemagne 730, f° 300-301. Hierzu siehe auch den Bericht über Wittgensteins Eröffnungen am kurhessischen Hof: ders. an dens. Frankfurt, 6. Juni 1806, in: ebd., f° 297-298. 97 Ebd., f° 298. 98 Dies nach einer Unterredung Laforests mit Haugwitz; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 5. Januar 1806 in: PFDK, Nr. 326. Eine ähnliche Meinung vertrat auch von Hardenberg; siehe: Denkschrift Hardenbergs. Berlin, 11. Januar 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 405.
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deutschland zu besorgen, dass in diesem Augenblick, sage ich, er die Absicht haben solle, uns den Krieg zu machen."99 Bei der Aufnahme und Durchsetzung des norddeutschen Plans orientierte sich Preußen allerdings nicht an den französischen Ideen, sondern an seinen traditionellen Staatsinteressen. Unter einer „confédération du nord de l'Allemagne" verstand man daher in Berlin weder eine Ergänzung des Staatensystems und Stabilisierung Mitteleuropas im Sinne Talleyrands noch eine Isolierung Preußens zugunsten einer französischen Expansion im Zentrum des Kontinents im Sinne Napoleons. Für Preußen war die norddeutsche Idee seit 1785 ein Instrument zur Durchsetzung seiner Territorialpolitik im Norden. Diese politische Tradition Preußens determinierte die Rezeption der französischen Einladung zur Errichtung einer nördlichen Konföderation. 100 Preußen erkannte die Absichten Talleyrands nicht, noch konnte es zwischen seiner außenpolitischen Linie und den Plänen Napoleons unterscheiden. Vielmehr projizierte es in den Vorstoß Talleyrands zur Vervollständigung des neuen Staatensystems die eigenen Vorstellungen von einem norddeutschen Bund. Nichtsdestotrotz hätte die Umbildung Norddeutschlands nach preußischen Vorstellungen durchaus zum geplanten System des französischen Außenministers passen können. Denn das Resultat des norddeutschen Projektes, nämlich die Bildung einer stabilen staatlichen Struktur im Norden, wäre der europäischen Stabilität und der kontinentalen Balance of Power durchaus zugute gekommen, auch wenn aus preußischer Sicht ein Nordbund vor allem den eigenen außenpolitischen Interessen dienen sollte. Anknüpfend an die Basler Ordnung und an die Konzepte von Maßenbach plante Preußen also schon im Juli 1806, eine preußische norddeutsche Konföderation ins Leben zu rufen. 101 Als Laforest am Donnerstag, dem 24. Juli 1806, die französische Initiative präsentierte, sondierte Haugwitz bereits mit dem kurhessischen Hof über einen eventuellen Zusammenschluss der norddeutschen Staaten in einer neuen politischen Organisation. 102 Die französischen Anträge gaben letztlich den entscheidenden Impuls zur Umsetzung der Idee. Erst nach der Konferenz mit dem französischen Botschafter wurde Haugwitz mit einer offiziellen königlichen Vollmacht ausgestattet, um ein „Allianztraktat und einige weitere Verabredungen zur Verfestigung unserer engen Verhältnisse und zur
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Haugwitz an Kleist. Berlin, 29. Juli 1806, in: PFDK, Nr. 379. Schmidt, Adolf (1867), S. 80-82. 101 So berichtete der französische Botschafter über seine Unterredung vom 26. Juli mit dem Kabinettsminister Haugwitz; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 26. Juli 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 162-166. Hierzu auch bei: Simms (1994), S. 292-294; ähnlich bei Schmidt, Adolf (1867), S. 85-87. 102 Ausführlich hierzu im folgenden Teil. 100
III. Territorialpolitik: Preußen, Kurhessen und der Nordbund
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gemeinschaftlichen Erhaltung des Ruhestands im nördlichen Deutschland" abzuschließen.103
III. Territorialpolitik: Preußen, Kurhessen und der Nordbund Das norddeutsche Projekt stand in der politischen Tradition Preußens. Die Auseinandersetzung mit den politisch bzw. wirtschaftlich bedeutsamen Reichsständen im Norden bestimmte die Umsetzung des Projektes mit. Als entscheidend hierfür zeigte sich in der ersten Umsetzungsphase - nämlich in den Verhandlungen mit Kurhessen - vor allem die territorial-politische Dimension des Projektes. Gleich nach der Anerkennung des Rheinbundes durch Preußen am 28. Juli 1806 begann Berlin, das von Frankreich angetragene norddeutsche Projekt durchzuführen. 104 Im Vorgriff auf Verhandlungen mit den norddeutschen Reichsständen ließ Kabinettsminister Haugwitz einen Plan zur Bildung eines Nordbundes ausarbeiten, der in seinen Zielen und in seinen Details den preußischen Grundinteressen und politischen Maximen entsprach. 105 Mit der Konzipierung des norddeutschen Projektes beauftrage Haugwitz den Juristen von Hänlein. 106 Dieser, den Hardenberg zur Formulierung seines Februar-Plans vorgesehen hatte, 107 musste infolge der Abtretung Ansbachs an Bayern (gemäß dem französisch-preußischen Vertrag) seinen Posten als Direktorialgesandter beim fränkischen Kreis aufgeben 108 und stand infolgedessen seinem Kabinett zur freien Verfügung. Bereits kurz nach seiner Einbestellung konnte er Graf von Haugwitz am 24. Juli 1806 109 eine programmatische Skizze, „Ideen zu
103
Vollmacht für Kabinettsminister von Haugwitz. Friedrich Wilhelm. Berlin, 24. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 73-74. Laforest erfuhr in seiner Konferenz mit Haugwitz, dass der preußische Monarch eine „réunion des Etats du Nord" plane; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 29. Juli 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 169-172, hier vor allem f° 172. 104 Dies nach dem Bericht Laforests über die Audienz des Grafen Haugwitz beim König; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 3. August 1806, in: FPDK, Nr. 388. 105 Tomuschat, Walter: Preußen und Napoleon I. Ein Jahrzehnt preußischer Geschichte, Bd. 1, Leipzig 1911, S. 74 f. 106 Ranke (1877), Bd. 3, S. 84-86. 107 Siehe Teil C. II. 108 Darüber berichtet eine Zeitungsartikel in: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haudische Zeitung), Donnerstag, 22. Mai 1806. 109 Am selben Tag, an dem Laforest die französische Nordbund-Initiative in Berlin unterbreitete.
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einem Nordischen Reichsbund", vorlegen. 110 Mit seinem provisorischen Grundriss suchte der Jurist, den Maximen der preußischen Außenpolitik gerecht zu werden. 111 Das erste Ziel des Nordbundes war demnach, Preußen gegenüber dem römisch-deutschen respektive österreichischen Kaiser besser zu positionieren. Dies wollte Hänlein zunächst durch eine Inanspruchnahme der Kontrolle über den nördlichen Reichsteil garantieren. Grundlage hierfür war (Präambel) eine Aberkennung der Legitimität und sogar der bloßen Existenz des Alten Reichs. Wie der Titel des anvisierten Bundes bereits andeutet, plante Berlin, das Erbe des nach seiner Auffassung praktisch aufgelösten Reichs in Norddeutschland anzutreten. Aus diesem Grund achtete Hänlein bewusst auf die Bezeichnung „Reichsbund" und berief sich in seinem Projekt auf die Reichstradition. Zudem sah Hänlein (Art. 2) durch die Bildung einer eigenen Staatskörperschaft die förmliche Trennung Norddeutschlands vom Reich vor. Diese sollte (Art. 5) aus den Staaten der vormaligen norddeutschen Reichskreise bestehen, nämlich aus dem kurrheinischen, oberrheinischen, niederrheinisch-westfälischen, niedersächsischen, obersächsischen und aus dem fränkischen Kreis. 112 Innerhalb der Demarkationsgebiete sollte also eine eigenständige Konföderation mit einer Fläche von über 235.490 km 2 und mehr als neun Million Einwohnern entstehen. 113 Die Loslösung von der Souveränität des deutschen Kaisers wollte Hän110
Ideen zu einem Nordischen Reichsbund. Berlin, 24. Juli 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 23-27; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 263. 111 Selbst in Art. 12 zum Projekt vermerkte Hänlein, es handele sich um einen provisorischen Plan. 112 Die potenziellen Mitgliedstaaten waren: die Fürstentümer Erfurt, Eichsfeld mit der Grafschaft Treffurt, Fritzlar und Amoeneburg aus dem kurrheinischen Kreis; die Landgrafschaft Hessen mit den Grafschaften von Katzenellenbogen, Wittgenstein, Waldeck, Hanau-Müntzenberg, die Fürstentümer von Hersfeld sowie Fulda aus dem oberrheinischen Kreis; das Herzogtum Oldenburg, die Grafschaften von Horstmar, Dühmen, Steinfurt, Bentheim, Lingen, Teklenburg, Diepholz, Hoya, Ravensberg, Schauenburg, Lippe, Pyrmont, Rittberg, Marek, Dortmund, Holtzapffel, sowie die Herrschaften von Buchholz und Aahaus, Anholt und Gehmen, Werden, Gimborn und Neustadt, die Fürstentümer von Ostfriesland, Münster, Meppen, Rheina-Wolbeck, Osnabrück, Verden, Minden, Paderborn, Corvey, Essen, und die Länder Dirz, Siegen, Dillenburg und Hadamar aus dem niederrheinisch-westfälischen Kreis; die Herzogtümer Magdeburg, Bremen, Sachsen-Lauenburg, Holstein, und die Fürstentümer Halberstadt, Wolfensbüttel, Blankenburg, Hildesheim, Grubenhagen, Calenberg, Lüneburg oder Zelle, Lübeck, sowie die Länder von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Sterlitz und die Reichsstädte (und Hansestädte) von Hamburg, Bremen und Lübeck aus dem niedersächsischen Kreis; die Fürstentümer Anhalt, Weimar, Eisenach, Gotha, Altenburg, Coburg und Quedlinburg, sowie die Grafschaften von Schwarzburg, Hohenstein, Wernigerode und Stollberg und Mansfeld sowie Mark Brandenburg, das Herzogtum Pommern (sofern die Streitigkeiten mit Schweden beigelegt würden), die Herrschaft Schönburg, und die Länder von Reuß aus dem obersächsischen Kreis; die Grafschaft Henneberg und das Fürstentum Bayreuth aus dem fränkischen Kreis. 113 Hier wurden die preußischen Meilenangaben in Quadratkilometer umgerechnet.
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lein ferner (Art. 9, 10) durch die Errichtung einer autonomen Justiz sichern, die als Oberinstanz die alten Zuständigkeiten der Reichsgerichte übernehmen sollte. Schließlich wollte Hänlein die gestärkte preußische Position gegenüber der Hofburg durch eine Rangerhöhung Friedrich Wilhelms III. zum Kaiser absichern, indem er in seinem Entwurf dem preußischen Monarchen nicht nur das Präsidium über das neue Staatsgebilde, sondern auch (Art. 6) „alle Vorrechte des deutschen Kaisers in den ständischen Landen" zusicherte. 114 Das zweite Ziel des norddeutschen Projektes bestand darin, die Macht- und Einflusserweiterung Preußens in Norddeutschland festzulegen. Hierzu wollte Hänlein den geplanten Justizapparat für die preußische Zwecke nutzen. Dieser zielte nämlich nicht nur darauf ab, Preußen von Wien loszulösen, sondern sollte es dem preußischen Staat (Art. 10) zugleich ermöglichen, mittels eines neuen Obertribunals in Berlin in die Justizangelegenheiten ehemaliger norddeutscher Reichsstände zu intervenieren und somit die preußische Einflussnahme auf ihre Gebiete auszudehnen. Hierzu sollte ferner eine gemeinsame Militärmacht in Norddeutschland gebildet werden. Zwecks Rekrutierung der Streitkräfte (insgesamt 300.000 Soldaten) sollte (Art. 8) Norddeutschland in drei Kreise aufgeteilt werden, und zwar in einen preußischen, einen kursächsischen und einen kurhessischen Kreis. Die Zuständigkeit für die Organisation der Rekrutierung übertrug man dem jeweiligen Kreisvorsteher - d. h. dem König von Preußen respektive den Kurfürsten von Sachsen und Hessen. Dieses System gewährte einerseits die Effizienz der Mobilisierung in Kriegszeiten, beschnitt aber andererseits die Souveränitätsrechte der kleinen Reichsstände zugunsten der großen. In erster Linie Preußen, aber auch die Kurstaaten konnten sich dadurch einen fast unmittelbaren Einfluss auf die Sicherheitsangelegenheiten ihrer norddeutschen Nachbarstaaten verschaffen. Ein weiteres Element zum Ausbau des preußischen Einflusses in Norddeutschland war die Sonderstellung Preußens im Bund und auf dem Gründungskongress in Hildesheim. Dort sollten (Art. 7) die Einzelheiten des norddeutschen Projektes unter preußischem Vorsitz ausgearbeitet werden. Diese zentrale Führungsposition Preußens bei der Gestaltung des Nordbundes wollte Hänlein auch bei der Leitung des Bundes durch die bereits erwähnte Rangerhöhung des preußischen Monarchen zum Kaiser beibehalten. Hänleins Begründung hierfür lautete (Art. 6), dass „der Hauptzweck des Bundes - Schutz und Sicherheit von innen und außen - ein mächtiges Oberhaupt [fordert] [und] nur Preußen diese Bedingung... verbürgen [kann]". Hinter seiner Argumentation verbarg sich allerdings die klare Intention, Berlins Einfluss auf ganz Norddeutschland erweitern zu wollen. Hänleins „Ideen zu einem Nordischen Reichsbund" bezweckten also in erster Linie die Durchsetzung der preußischen Interessen im Rahmen eines neuen 114 Im Fall einer Minderjährigkeit des Kaisers hatten (Art. 6) die Kurfürsten von Sachsen und Hessen den Nordbund alternierend zu leiten.
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staatlichen Gebildes. Für den Fortbestand dieses Gebildes bürgte eine Allianz der Hauptmitglieder des Bundes - Preußen, Kursachsen und Kurhessen. Durch diese „feste und unauflösliche Allianz" wollte Kabinettsminister Haugwitz dem neuen Nordbund eine solide Basis geben. 115 In Anlehnung an den „Deutschen Fürstenbund" Friedrichs des Großen (1785) sollte die Allianz (Art. 4) die norddeutsche Organisation politisch und militärisch konsolidieren sowie (Art. 3) den drei Hauptmitgliedern deren jeweilige Besitzungen garantieren. Im Nordbund und in der Tripelallianz spiegelten sich die Kerninteressen des preußischen Staates wider. Darum standen diese im Sommer 1806 im Zentrum der preußischen Außenpolitik. Beim Nordbund handelt es sich also nicht um eine „Episode" deutscher Geschichte, wie Hermann Conrad argumentiert, 116 sondern um das Anliegen der preußischen Diplomatie nach der Gründung des Rheinbundes. Im Juli 1806 nahm Preußen Sondierungsgespräche zur Umsetzung des von Talleyrand angetragenen norddeutschen Projektes auf. Scheinbar gezielt versuchte Berlin zuerst die Gespräche mit Kurhessen, da man in Kassel zu Recht eine positive Grunddisposition gegenüber dem Nordbund registrierte. Der hessische Kurfürst Wilhelm I. erwog aber zunächst, seine territorialen Interessen im Rahmen einer Allianz mit Frankreich durchzusetzen. Ähnlich wie Preußen versuchte Kurhessen im unmittelbaren Anschluss an den Februar-Vertrag zwischen Berlin und Paris ein Arrangement mit Frankreich zu treffen, das Kassel territoriale Vorteile in Norddeutschland einräumen würde. Schon am 19. Februar 1806 konnte der kurhessische Gesandte in Paris, von Malsburg, den Kurfürsten darüber informieren, dass Kurhessen das Oberamt Münden, Darmstadt sowie Teile von Südhannover und Göttingen für 1.000.000 Reichstaler von Frankreich erwerben könnte. Der Kurfürst müsse aber zuerst, so Malsburg, 200.000 Taler für den Erwerb der Kurwürde im Jahre 1803 entrichten. Wilhelm I. zögerte nicht, die Territorialexpansion seines Staates mit Barmitteln zu sichern. Am 28. Februar sagte er die Zahlung für den Kurtitel zu. Zugleich deutete er an, er sei bereit, für den Erwerb der oben genannten Gebiete eine weitere Million zu investieren. 117 Mitte März konkretisierte Malsburg in zwei Konzepten zur vertraglichen Verbindung mit Frankreich den Plan des Kurfürsten. Diese sollten Kurhessen beachtliche Landzuwächse bescheren - unter anderem den Erwerb von Frankfurt und die Mediatisierung der benachbarten
115 Entwurf zum Allianzvertrag. Berlin, 27. Juli 1806, in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 264; siehe die Kopie in: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 83-85. Gemäß Art. 3 sollte eine parallele Allianz mit Kursachsen abgeschlossen werden. 116 Conrad, S. 50-65. 117 Bericht von Malsburg, abgedruckt in: Strippelmann, S. 43-44.
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hessischen Fürstenhäuser. 118 Der Kurfürst billigte die Konzepte und wies Malsburg an, ein zum französisch-preußischen Vertrag äquivalentes Abkommen auszuhandeln.119 Die geplante Allianz sollte eine enge Verbindung zu Frankreich schaffen. Sie sah den Beitritt Kurhessens zum napoleonischen Vertragssystem durch (Art. 3) den Abschluss einer offensiv-defensiven Allianz vor. 1 2 0 Zudem schloss die Allianz den kurhessischen Staat faktisch aus der aktiven Teilnahme an der Reichspolitik aus, indem sie (Art. 4) festlegte, dass Kassel sich in die geplante Neuordnung des Alten Reichs nicht einmischen würde. Obwohl der Kurfürst nicht zu Unrecht befürchtete, dass durch die napoleonische Übermacht seine Rechte als Souverän beschnitten würden, 121 ließ er sich auf Vorverhandlungen mit Frankreich ein, um die Garantie für die lang ersehnte „Vergrößerung des Territoriums" seiner Länder zu erlangen. 122 Den Ausgang der Gespräche in Paris bestimmte aber Talleyrand und nicht der Kurfürst. Der französische Außenminister selbst wies die Konzepte von Malsburg zurück, vermutlich weil er nicht wünschte, dass Norddeutschland - oder auch nur ein Teil Norddeutschlands - in das mitteleuropäische Vertragssystem Napoleons aufgenommen wird. Obwohl Napoleon weiterhin auf einem französisch-kurhessischen Bündnis insistierte, 123 um ein Zusammenrücken des hessischen Kurfürsten (und preußischen Feidmarschalls) mit Berlin zu verhindern, 124 ließ Talleyrand die Verhandlungen scheitern. Er überflog das Dokument des kurhessischen Gesandten und legte es schließlich ad acta. Am 20. Juni wurden die Präliminarien in Paris kurzerhand abgebrochen. 125 Solange Talleyrand die französische Außenpolitik steuerte, sorgte er dafür, dass Norddeutschland außerhalb der Reichweite Napoleons blieb.
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Der erste Entwurf sicherte dem Kurfürsten sogar den Königstitel zu; zum Text siehe: ebd., S. 49-51; zur zweiten Fassung siehe: ebd., S. 52-53. 119 Wilhelm I. an Malsburg. o. O., 16. Mai 1806, in: ebd., S. 65-66. 120 Zum Vertragstext, siehe: Malsburg an Wilhelm I. Paris, 28. Mai 1806, in: ebd., S. 68-69. 121 So informierte von Waitz den Botschafter in Paris; siehe: Waitz an Malsburg, o. O., 6. Juni 1806, in: ebd., S. 70. 122 Diese Bestimmung wurde im vorgeschlagenen Vertragstext nicht konkretisiert. 123 Malsburg an Waitz. Paris, 26. Juni 1806, in: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 13-15. 124 Dies geht aus dem späteren Schreiben Wittgensteins über sein Treffen mit Malsburg hervor. Nach diesem sagte der kurhessische Botschafter: „Kaiser Napoleon sei auf die Freundschaft des Kurfürsten eifersüchtig und es wäre ihm nicht gleichgültig, dass sie geteilt würde"; siehe: Wittgenstein an Haugwitz. Pyrmont, 23. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 77-79, hier f° 77. 125 Malsburg an Wilhelm I. Paris, 31. Mai 1806, in: Strippelmann, S. 72.
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Noch vor dem Scheitern der Vorverhandlungen an der Seine zog Wilhelm I. in Betracht, seine Interessen mit preußischer Unterstützung wahrzunehmen. 126 Zu diesem Zweck prüften sein Kriegsrat und Gesandter in Berlin - von Baumbach und von Waitz - bereits Anfang Mai, d. h. parallel zur offiziellen Kontaktaufnahme mit Talleyrand, die Möglichkeit, auf der Basis des 1614 abgeschlossenen Erbverbrüderungsvertrags mit Kurbrandenburg und Kursachsen eine neue defensive Koalition der norddeutschen Staaten zu bilden. 127 Etwa sechs Wochen später deutete Malsburg vor dem Hintergrund der Rheinbund-Pläne auf die konkrete Option hin, durch die Bildung einer parallelen Konföderation im Norden der kurhessischen Territorialpolitik neuen Schub zu geben. Dem Kurfürsten erklärte er, Preußen könnte „ein ähnliches Arrangement [wie der Rheinbund] für das nördliche Deutschland treffen und die Anhänglichkeit E.K.D. durch Vergrößerung im Norden belohnen [,..]". 1 2 8 In seiner Unterredung mit dem preußischen Gesandten Wittgenstein am 23. Juli präzisierte Malsburg seine Idee und schlug zum ersten Mal die Errichtung eines „neuen Reichs Verbands [...] und... [die] Annahme der Kaiserwürde von Norddeutschland [durch Preußen]" 129 vor. Das Vorgehen Wilhelms I. war also vom Primat der Territorialpolitik gekennzeichnet.130 Ähnlich wie Preußen ging auch er opportunistisch vor und sondierte simultan mit beiden Seiten über eventuelle Möglichkeiten zur Arrondierung seiner Gebiete. 131 Er fingierte später sogar eine französische Einladung zum Rheinbund, um von Berlin weitere Konzessionen zu erpressen. 132 Die au126 Schulz, Georg: Zum Verständnis der Politik des Kurfürsten Wilhelm von HessenCassel im Jahre 1806, Phil. Diss., Greifswald 1908, S. 25-28. 127 Dies schlugen von Waitz und Minister Baumbach vor, mit der Intention dadurch „im nördlichen Deutschland die deutsche Konstitution und Unabhängigkeit zu erhalten, und auf diese Art ein Soutien zu gewinnen, auf das man sich im Falle der Not stützen könne". Siehe: Denkschrift Waitzs und Baumbachs. Kassel, 1. Mai 1806, in: Strippelmann, S. 60-63. 128 Malsburg an Wilhelm I. Paris, 11. Juli 1806, in: ebd., S. 86-87. 129 Wittgenstein an Haugwitz. Pyrmont, 23. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 77-79, hier f° 78. 130 Siehe hingegen die Thesen von Philipp Losch, wonach Wilhelm I. dem Nordbund beigetreten sei, um das Alte Reich in einer neuen Struktur wiederzubeleben, und dass er folglich eine vom preußischen Plan stark abweichende Vorstellung der Projektziele gehabt habe; Losch, S. 30. 131 Aus Geiz versäumte es der Kurfürst 1803, die für die Grenzmarkierungen im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses zuständigen französischen Teilungskommissare zu bestechen. Daher konnte er lediglich Fritzltal erwerben und musste noch dazu die Festung Rheinfels sowie St. Goar an Frankreich abtreten; hierzu bei: Vehse, Carl Eduard: Die Höfe zu Hessen, Leipzig (ND 1991), S. 96. 132 Dies bestätigte Bignon selbst in seiner historischen Schrift; siehe: Bignon, LouisPierre-Éduard Baron de: Histoire de France depuis le 18 brumaire (novembre 1799) jusqu'à la paix de Tilsit (juillet 1807), Bd. 5, Bruxelles 1830, S. 335-336; siehe auch: Schulz, Georg, S. 31-34, 41-42.
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ßenpolitische Praxis des Kurfürsten, wie die des preußischen Königs, richtete sich allein nach den eigenen Vorteilen. Wie der kurhessische Minister Baumbach dem französischen chargé d'affaires in Kassel, Bignon, Ende August offen gestand: „Tout la question était [vor der Gründung des Rheinbundes] qu'il y avait plus à gagner avec la France qu'avec la Prusse, mais à présent il est trop tard; la France n'a plus rien à donner". 133 Preußen kannte diese Grundeinstellung des kurhessischen Hofes. Ebenfalls wusste es, dass Wilhelm I. einen Anschluss oder zumindest eine Annäherung an Paris erwog. 134 Aus diesen Gründen entschied man sich in Berlin, Ende Juli 1806 mit Kassel Kontakt aufzunehmen. So wollte man sowohl die propreußischen Tendenzen in Kassel zur Durchsetzung des norddeutschen Projektes nutzen, als auch der Gefahr eines erneuten kurhessischen rapprochement an Frankreich vorbeugen. Die ersten inoffiziellen Gespräche mit Kassel über die norddeutsche Angelegenheit fanden in Bad Pyrmont statt, wo sich in den ersten Juliwochen die erkrankte preußische Königin Luise zur Kur aufhielt. 135 Dort fanden sich unter den hochrangigen Besuchern neben anderen auch Wittgenstein, Vertreter und Vertrauter des preußischen Monarchen, 136 von Waitz, der kurhessische Gesandte in Paris, und selbst Kurfürst Wilhelm I. Hinter den Kulissen und am Rande feierlicher Bankette tauschten die preußischen Vertreter mit den kurhessischen Repräsentanten erste Ideen zur Reorganisation der norddeutschen Sphäre aus. Dort signalisierte auch der preußische Gesandte Wittgenstein auf Anweisung des Kabinettsministers von Haugwitz am 15. Juli zum ersten Mal, dass Preußen die politische Kooperation mit den norddeutschen Reichsständen zu intensivieren beabsichtige.137 Konkrete Schritte zur Durchführung des norddeutschen Projektes traf man allerdings erst nach Eingang des französischen Antrags in Berlin
133 Über sein Gespräch mit Baumbach unterrichtete Bignon den Außenminister im folgenden Schreiben: Bignon an Talleyrand. Kassel, 26. August 1806, in: AE, CP Hesse-Cassel 20, f° 131-135. 134 Nach Luchesinis Bericht von Ende Mai erhielt Malsburg, der kurhessische Botschafter in Paris, Instruktionen zum Abschluss einer Allianz mit Frankreich; siehe: Luchesini an Haugwitz. Paris, 30. Mai 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 409; zwei Wochen später glaubte Luchesini, Napoleon sei bereit, dem Kurfürsten den Besitz von Frankfurt einzuräumen, wenn er auf seine Position in der preußischen Armee verzichten würde; siehe: ders. an dens. Paris, 13. Juni 1806, in: ebd. 135 Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Dienstag 29. Juli 1806. 136 Branig, Hans: Fürst Wittgenstein. Ein preußischer Staatsmann der Restaurationszeit (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, hrsg. von Friedrich Banninghoven/Cecile Lowenthal-Hensel, Bd. 17), Köln/Wien 1981, S. 19-21. 137 Haugwitz an Wittgenstein. Berlin, 15. Juli 1806, in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 257.
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am 24. Juli 1806. 138 Schon drei Tage danach ließ Haugwitz durch seinen Vertreter in Kassel Graf Waitz den Entwurf zur Tripelallianz überreichen. Vier Tage später lud Wittgenstein auf königlichen Befehl von Waitz zu offiziellen Unterhandlungen nach Berlin. 139 Vermutlich bei dieser Gelegenheit erhielt der Graf auch den ersten Entwurf Hänleins zum Nordbund. 140 Die Reaktion des Kurfürsten auf den preußischen Plan war von seiner Territorialpolitik geprägt. Wie bei seinen Verhandlungen mit Frankreich suchte Wilhelm I. auch Anfang August 1806 durch eine Allianz mit Berlin seine Gebiete zu arrondieren. Gleich in seiner ersten Antwort an Preußen monierte er, die Wünsche Kurhessens nach einer Territorialvergrößerung seien im NordbundPlan nicht adäquat beachtet worden. Im Anschluss daran spielte er auf die alten französischen Allianzanträge an und erklärte (laut eines Berichtes Wittgensteins): „Wenn er sich in diesem Augenblick bloß von seinem Interesse leiten ließe, so hätte er nur den Einladungen des französischen Gouvernements Gehör zu geben." 141 Schließlich behauptete er sogar, Bignon habe ihm Fulda, Corvey, Waldeck, Lippe und Würzburg als Dotation für eine Allianz mit Frankreich zugesichert. 142 Diese Behauptungen erregten Sorge in Berlin, dass Kassel allmählich ins politische Gravitationsfeld Frankreichs hineingezogen würde. Denn abgesehen von den angeblichen französischen Anträgen wusste man in Berlin sehr wohl, dass Art. 39 der acte de la confédération du Rhin die Aufnahme weiterer deutscher Reichsstände in den Rheinbund ermöglichte und somit Kurhessen den Weg zur von Frankreich kontrollierten Konföderation stets offen ließ. 143 Aus diesem Grund und unter Verweis auf einen eventuellen Gebrauch des oben erwähnten Passus' der Rheinbundakte riet Wittgenstein am 3. August seinem Kabinett, im Nordbund-Entwurf Hänleins Änderungen zugunsten Kurhessens vorzunehmen. Er schlug folglich vor, in einem Separatartikel zu Hänleins Plan, Pa-
138 Siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 1. August 1806, in: ebd., f° 177-184, hierzu vor allem f° 182. 139 Dies nach der Benachrichtigung des Grafen Haugwitz; siehe: ders. an dens. Berlin, 31. Juli 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 123-126. 140 Da der Kurfürst auf den Inhalt des norddeutschen Plans bereits am 2. August reagierte, lässt sich vermuten, dass er davon frühestens am 31. Juli über seinen Vertreter von Waitz Kenntnis nahm. 141 Dies nach dem Bericht des Fürsten Wittgensteins; siehe: Wittgenstein an Haugwitz. Bad Hof Geismar, 2. August 1806, in: ebd., f° 163-164. 142 Ebd., f° 164; vgl. mit folgendem Schriftstück: Wilhelm I. an Waitz. o. O., 3. August 1806, in: Strippelmann, S. 134-135. 143 Im Text steht explizit: „Les hautes parties contractantes se réservent d'admettre par la suite dans la nouvelle confédération d'autres princes et états d'Allemagne qu'il sera trouvé de l'intérêt d'y admettre". Siehe: Acte de la confédération du Rhin. Paris, 12. Juli 1806, abgedruckt bei: Walder , S. 68-81, hier S. 81.
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derborn an Kurhessen abzutreten, 144 um die Möglichkeit einer abermaligen kurhessischen Annäherung an Frankreich von vornherein auszuschließen. Noch ehe aber die Empfehlung Wittgensteins in Berlin eintraf, konnte Wilhelm I. mit seinen Forderungen und durch sein Vorgehen auf die Planung des Nordbundes Einfluss ausüben. Den kurhessischen Aufforderungen kam Preußen bereits am zweiten Augusttag nach. Aufgrund der Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit dem benachbarten Kursachsen 145 befasste man sich jetzt in Berlin ohnehin mit einem neuen Entwurf zum Nordbund. Dabei wurden gleich auch die Wünsche des hessischen Kurstaates nach einer weiteren Territorialvergrößerung berücksichtigt. Am 2. August 1806 präsentierte Hänlein seine neuen „Grundzüge des Nordischen Reichsbundes".146 Abgesehen von formellen Änderungen 147 enthielt der neue Plan auf den ausdrücklichen Wunsch des Kurfürsten Wilhelm I. einige Modifikationen. Erstens sagte der Nordbund-Plan Kassel die lang ersehnte Landesarrondierung formell zu. Er räumte (Art. 8) Kurhessen die Einverleibung von Lippe, Waldeck, Bad Pyrmont, Bückeburg und Rittberg ein und sicherte dem Kurstaat ebenso Paderborn unter der Auflage zu, dass Kassel die Freizügigkeit der Handelsroute über die Gebiete Paderborns nach Preußen gewährleisten würde. 148 Zweitens versprach der Plan Kurhessen eine Erweiterung seines indirekten Einflusses auf die hessischen Länder. Gemäß den neuen Vertragsbestimmungen sollte z. B. (Art. 10) die Oberinstanz für ganz Hessen auf Kassel übertragen und (Art. 5-8) die Kreisaufteilung von einer militärischen - im ersten Entwurf Hänleins - zu einer politischen Organisation heraufgesetzt werden, in deren Rahmen (Art. 9) das Entscheidungsrecht über die Gesetzgebung sowie Polizei- und Justizangelegenheiten allein dem Kurfürst obliege. Ungeachtet dieser Zugeständnisse an Kurhessen - sowie ähnlicher und weiterer an Kursachsen - 1 4 9 entsprach der neue Nordbund-Plan weiterhin den preußischen Kerninteressen. Erstens sicherte sich Preußen darin die neue Position gegenüber dem österreichischen Kaiser, indem es (Art. 2) Österreich aus dem Bund ausschloss. Und zweitens konnte Preußen nach dem Prinzip des Primats der Territorialpolitik seinen Einfluss und seine Gebiete erweitern. Denn zum ei144 Wittgenstein an Haugwitz. o. O., 3. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 165-166. 145 Hierzu ausführlich Teil C. IV. 146 Grundzüge des Reichsbundes. Berlin, 2. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 28-29; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 271. 147 Diesen geht der nächste Teil der Arbeit im Kontext der Unterhandlungen zwischen Berlin und Dresden detailliert nach. 148 Dies regelte von Haugwitz in einer Note an den kurhessischen Unterhändler; siehe: Haugwitz an Waitz. Berlin, 6. August 1806, in: Strippelmann, S. 116-117. 149 Hierzu siehe Teil C. IV.
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nen war im preußischen Kreis (Art. 6) die Dominanz Berlins - unter anderem auch über die wirtschaftlich bedeutsamen Hansestädte - festgesetzt, und zum anderen sollte Friedrich Wilhelm III. weiterhin (Art. 3) „die Direktion und obere Leitung" des Nordbundes, wenn auch ohne den Kaisertitel, innehaben. Preußen konnte also seine Grundziele - zumindest auf dem Papier - realisieren, auch wenn diese nach den politischen Bedürfnissen Kurhessens sowie Kursachsens gewissermaßen neu justiert werden mussten. Dank der Änderungen im Plan gewann Preußen die kurhessische Unterstützung. Von Waitz, Befürworter des Nordbundes, 150 überredete den Kurfürsten schon am 9. August, die Tripelallianz zu unterzeichnen. Denn diese sei - so Waitz - „nur als eine Akte anzusehen, wodurch [Kurhessen] sich des wirklichen Beitritts [] zur Union versichern will, und wodurch höchstdies mit [Kur]sachsen zur Teilnahme an der Organisation des nördlichen] Deutschlands qualifiziert werden". 151 Wilhelm I. war nun überzeugt, seine Interessen im Rahmen des Nordbundes geltend machen zu können. 152 Am 12. August bevollmächtigte er von Waitz, den Vertrag mit Preußen zu unterzeichnen. 153 Markant ist, dass es erst am 20. August zur Unterzeichnung kam, 1 5 4 nämlich erst nachdem Preußen die vorgesehene Territorialvergrößerung in Kurhessen - vor allem die Eingliederung von Bückeburg und Lippe-Detmold - 1 5 5 erneut schriftlich zusicherte. 156 Wilhelm I. unternahm also als Erster unter den norddeutschen Fürsten den Schritt dazu, Norddeutschland in einem neuen Staatsgebilde zusammenzuschließen. Seine Entscheidung war letztlich keine „blinde Selbstüberschätzung", wie Karl Demandt behauptet, sondern ein politisches Kalkül, um den Interessen Kurhessens gerecht zu werden. 157
150 Kurz vor seiner Entsendung nach Berlin sprach sich von Waitz für eine engere Verbindung der drei norddeutschen Höfe aus; siehe: Waitz an Loß. Dresden, 24. Juli 1806, in: Strippelmann, S. 150. 151 Waitz an Wilhelm I. Berlin, 9. August 1806, in: ebd., S. 137-139. 152 Den Inhalt des preußischen Projektes kannte der Kurfürst bis ins Detail. Seine Annahme des Allianzvertrags ist daher zugleich auch eine Zustimmung zum geplanten Norddeutschen Bund. Eine Kopie des definitiven Entwurfs Hänleins liegt im Marburger Archiv, siehe: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 194-202. 153 Wilhelm I. an Waitz. o. O., 12. August 1806, in: Strippelmann, S. 139-140; vgl. auch mit Wittgensteins Bericht: Wittgenstein an Haugwitz. o. O., 12. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 176-177. 154 Allianzvertrag zwischen Preußen und Kurhessen. Berlin, 20. August 1806, in: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 208-211; hierzu: Weyer, S. 151. 155 Waitz an Wilhelm I. Berlin, 19. August 1806, in: Strippelmann, S. 123-124. 156 So versprach Haugwitz in seiner Note an Waitz; siehe: Haugwitz an Waitz. Berlin, 20. August 1806, in: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 207-208. 157 Demandt, S. 545.
IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz
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IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz: Kursachsen, Preußen und der Nordbund Parallel zur Kontaktaufnahme mit Kurhessen suchte Berlin auch die Mitwirkung des kursächsischen Hofes am preußischen norddeutschen Projekt. Der zweite norddeutsche Kurstaat sollte dabei ein weiteres zentrales Fundament in der neuen Organisation Norddeutschlands darstellen. Die Konferenzen mit Dresden über die Umsetzung des anvisierten Nordbundes gerieten allerdings in Schwierigkeiten aufgrund einer politisch-kulturellen Dissonanz zwischen den beiden Staaten. Ende Juli 1806 lancierte Preußen in Dresden in einer diplomatischen Offensive seine norddeutsche Initiative. Am 26. des Monats ersuchte Friedrich Wilhelm III. Kurfürst Friedrich August III. um seine Teilnahme am geplanten Nordbund. 158 Noch am Tag zuvor hatte der Kabinettsminister Haugwitz den kursächsischen Minister Loß zum Beitritt in die Tripelallianz aufgefordert. 159 Am Monatsende entsandte Preußen einen Unterhändler, den Flügeladjutanten Major Graf von Götzen, mit einer offiziellen Einladung nach Dresden. 160 Dieser letzte diplomatische Vorstoß erwies sich zunächst als erfolgreich. In einer Audienz bei Friedrich August III. am Morgen des 28. Juli gelang es dem Major, Dresdens Sorge vor einer negativen Reaktion Frankreichs auf das norddeutsche Projekt zu zerstreuen. Paris, beschwichtigte er den Kurfürsten, werde gegen den preußischen Plan keine Einwände erheben und ihn im Gegenteil sogar unterstützen. Schon am selben Abend informierte Friedrich August III. den preußischen Sondergesandten, er werde Graf von Görtz zu ersten Verhandlungen nach Berlin deputieren. 161 Preußen stellte sich von vornherein auf die Verhandlungen mit Dresden ein. Die Grundunterschiede zwischen Preußen und Kursachsen waren dem Berliner Kabinett durchaus bewusst. Man erkannte die religiösen und ideologischen, d. h. politisch-kulturellen Differenzen mit Kursachsen. Und man wusste wohl auch, dass der sächsische Kurstaat - mit einer protestantischen Mehrheit und einem katholische Monarchen - gemäß dem im Westfälischen Frieden (1648) 158
Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August III. Berlin, 26. Juli 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV, unpag. 159 Haugwitz an Loß. Berlin, 25. Juli 1806, in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 262. 160 Instruktionen an Götzen. Berlin, 25. Juli 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 12-15; vgl. auch mit der Erstfassung der Instruktionen, in: ebd., f° 3-6. 161 Bericht von Götzen. Dresden, 28. Juli 1806, in: ebd., f° 16-17. Götzen sollte den bisherigen kursächsischen Gesandten am preußischen Hof von Halbig ablösen; siehe: Loß an Halbig. Dresden, 3. August 1806, in: SHStA, Loc. 3013, Vol. IV b , f° 273. Der kursächsische Vertreter, Görtz, traf erst am 6. August in Berlin ein. Dies bestätigt Haugwitz in einem Schreiben an Wittgenstein, siehe: Haugwitz an Wittgenstein. Berlin, 6. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 155-156.
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festgelegten Prinzip von „cuius regio, eius religio" als einziger katholischer Hof im mehrheitlich protestantischen Norddeutschland galt. Preußen dürfte sich auch darüber im Klaren gewesen sein, dass der sächsische Kurfürst und Initiator der Pillnitzer Erklärung vom 25. August 1791 eine konservative außenpolitische Linie verfolgte 162 und dass diese mit dem opportunistischen Vorgehen Preußens schwer zu vereinbaren war. Die Bedeutung dieser Unterschiede und ihre Wirkung auf die Gestaltung des geplanten Nordbundes hatte Preußen jedoch deutlich unterschätzt. Zunächst versuchte Berlin seine Pläne für Norddeutschland den Bedürfnissen Kursachsens nach Reichskontinuität und Verfassungsmäßigkeit anzupassen. Wohl deshalb überreichte von Götzen dem Kurfürsten nicht den ersten - und in Kassel bereits unterbreiteten - Entwurf Hänleins, sondern wartete auf eine neue Bearbeitung. Die neuen „Grundzüge des Nordischen Reichsbundes" waren, wie im vorherigen Kapitel bemerkt, ein Versuch, die Maximen der preußischen Außenpolitik mit den Wünschen von Kurhessen und Kursachsen in Einklang zu bringen. 163 Im Falle Kursachsens manifestierte sich dies in zwei Aspekten: in der Anpassung der Ordnung des neuen Bundes an das alte Reichssystem und in der Erweiterung der Zuständigkeiten der Hauptmitglieder als Ausgleich für die zersetzten Reichsstrukturen. Die Harmonisierung des Nordbundes mit dem Reichssystem bestand vorerst aus der Beibehaltung (Art. 15) „der Formen in der Geschäftsbehandlung [des Nordbundes] nach der bisherigen Reichs- und Kreisverfassung". Im Detail bedeutete dies unter anderem (Art. 5-8), dass die Kreisaufteilung von einer militärischen zu einer politischen Organisation (wie im Alten Reich) qualitativ aufgewertet wurde. Zudem war Preußen bereit (Art. 3), auf den Kaisertitel zu verzichten, um den Eindruck, Preußen würde Anspruch auf das Reichserbe erheben, zu entkräften. Der zweite Aspekt, nämlich die Ausdehnung des politischen Einflusses Kursachsens in Norddeutschland, besagte erstens (Art. 9, 10) die Übertragung der Entscheidungsrechte über Gesetzgebung, Polizei- und Justizangelegenheiten in ganz Sachsen auf den Dresdener Hof, und zweitens den Ausschluss Österreichs aus dem geplanten Bund, durch den die Reichssouveränität über den Kurstaat endgültig beseitigt werden sollte. Bei all diesen Änderungen wollte Preußen weiterhin die führende Position im Nordbund für sich beanspruchen. Zugleich konnte aber Preußen durch die Modifikationen im Projekt Kursachsen ein abgeschwächtes Modell der norddeutschen Konföderation unter preußischer Führung vorstellen, das sich an die traditionellen Formen und Konventionen des Reichssystems anlehnte. Ungeachtet aller Annäherungsversuche an Dresden enthielt Preußen dem kursächsischen Hof den neuen Plan vor. Friedrich August III. übermittelte 162
Böttiger, S. 593-594. Grundzüge des Reichsbundes. Berlin, 2. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 28-29; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 271. 163
IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz
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schließlich Berlin nicht den zweiten Entwurf Hänleins, sondern ein Projekt des Geheimrats Peter Lombard. Zu Preußens Überraschung war die erste offizielle Reaktion Kursachsens vom 31. Juli 1806 auf die preußische Einladung zum Nordbund ausweichend.164 Der Kurfürst ging nicht direkt auf den preußischen Antrag ein, sondern verlangte vielmehr eine Erneuerung des alten Allianzvertrags - des ErbverbrüderungsVertrags von 1614 - unter den drei Kurhöfen Kurbrandenburg, Kurhessen und Kursachsen. Die Allianz, welche damals die Reichsordnung ergänzt hatte, sollte jetzt auf Wunsch Kursachsens die Basis des Nordbundes innerhalb des Reichsrahmens bilden. 165 Dementsprechend wies der sächsische Kurfürst am 3. August 1806 seinen Gesandten in Berlin an, eine neue, auf dem Vertrag von 1614 basierende Allianz abzuschließen.166 Während Berlin den nördlichen Reichsteil durch sein neues norddeutsches System ablösen wollte, hielt Kursachsen an der Tradition des Alten Reichs fest. Scheinbar wurde Preußen erst jetzt klar, dass es auch durch den zweiten Entwurf Hänleins nicht die tiefe politisch-kulturelle Diskrepanz mit Kursachsen würde überwinden können. Wohl aus diesem Grund übermittelte man dem kursächsischen Hof statt des zweiten Entwurfes das neue Projekt von Geheimrat Lombard. Lombards Projekt sollte eine Brücke zwischen Dresden und Berlin schlagen. Der Ursprung seines Projektes lag in der russisch-preußischen alliance défensive aus dem Jahre 1800, die in einem Separat- und Geheimartikel den Zusammenschluss einer Liga der nördlichen Staaten - Preußen, Hannover, Kursachsen, Kurhessen, Dänemark und Schweden - mit russischer Beteiligung vorsah. 167 Auf diese nie realisierte Klausel griff der Geheimrat jetzt zurück. Damit beabsichtigte er, die zerfallenen Reichsstrukturen durch ein lockereres staatliches Gebilde zu ersetzen. Dabei folgte er wie in Hänleins Entwürfen den traditionellen Maximen der preußischen Außenpolitik. 168 Zunächst sollten (Art. 14)
164 Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm. Pillnitz, 30. Juli 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 21. 165 Ebd., f° 21; siehe auch: Bülau, Friedrich: Geschichte des Sächsischen Volkes und Staates, Bd. 3, Leipzig 1853, S. 323. 166 Friedrich August III. an Görtz. Dresden, 3. August 1806, in: ebd., Loc. 2978, Vol. IV; hierzu siehe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Die Regierung Friedrich August, König von Sachsen, Teil 1, Leipzig 1830, S. 274-275; Witzleben, S. 68. 167 Zum Vertragstext siehe: traité d'alliance avec la Prusse. Péterhoff, 28. Juli 1800, in: RTCR, Bd. 6, S. 270-280, hier S. 279-280. 168 Entwurf zum nördlichen Bund, undat., wahrscheinlich von Anfang August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 30-31; vgl. mit dem Text bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 272. Der bei Schmidt als Art. 13 nummerierte Absatz ist im Original durchgestrichen. Die letzten zwei Passagen wurden entsprechend umnummeriert. Die hier zitierten Absätze beziehen sich auf den Originaltext im Berliner Archiv. Vgl. ebenfalls mit dem Kommentar von Usinger, welcher allerdings nicht auf den Zusammenhang zwischen der Allianz von 1800 und dem „nördlichen Bund" hinweist; Usinger, S. 584.
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die Schaffung einer Oberinstanz in Berlin - anstelle des Reichskammergerichts eine (Art. 5) Loslösung aller Mitglieder vom Alten Reich sowie (Art. 10) ein preußischer Präsidialstatus im geplanten Nordbund den preußischen Interessen in Norddeutschland entgegenkommen. Denn durch diese Bestimmungen sicherte sich Berlin zum einen größeren Einfluss auf die norddeutschen Reichsstände und zum anderen die zumindest nominale Direktion über ein politisches Gebilde, das die Position Friedrich Wilhelms III. gegenüber Österreich stärkte. Zugleich beabsichtigte man im neuen Projekt, durch die Gründung einer lockeren Staatsorganisation über die politisch-kulturellen Hindernisse der alten Reichsstrukturen hinwegzukommen. Hierzu wollte man die alten politischen Barrieren unter den Reichsständen durch (Art. 3) die Gründung einer wirklichen Konföderation für (Art. 4) rein defensive Zwecke sowie durch (Art. 7, 8, 9) eine immerwährende Bundesversammlung, zum ersten Mal ohne eine Aufteilung in Kollegien, abbauen. Zudem war eine Europäisierung des neuen Staatsgebildes durch (Art. 2) die Miteinbeziehung von Staaten außerhalb der Demarkationslinie, darunter (Art. 2.p) auch Russland durch seine Besitzungen in Jever, eingeplant. 169 Lombards Ideen fanden am preußischen Hof große Beachtung. Einige seiner Formulierungen wurden sogar in den endgültigen Entwurf von Hänlein zum Nordbund aufgenommen. In Dresden stießen sie allerdings Anfang August 1806 auf eine ablehnende Reaktion, 170 denn das preußische Projekt griff die traditionellen Interessen und völkerrechtlichen Konventionen an, die den Kern der kursächsischen Politik ausmachten. Der Kurfürst, wie man auch in Kassel wusste, hatte stets „strenge Anhänglichkeit an die alte deutsche Reichsverfassung" bewiesen und könne daher „die vorige Ordnung der Dinge nicht aufgeben". 171
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Jever fiel 1793 nach dem Erlöschen der männlichen Linie des Fürstentums Anhalt-Zerbst in die Hände der Zarin Katharina II., einer gebürtigen Prinzessin von Zerbst. Erst 1818 übertrug Zar Alexander I. die Herrschaft seinem Onkel, dem Herzog von Oldenburg. Die weiteren vorgesehenen Mitglieder des Nordbundes waren: Preußen, Kursachsen, Kurhessen, Braunschweig, Mecklenburg, Anhalt, Sachsen-Gotha, Sachsen-Weimar, Coburg, Hildburghausen, Fulda, Oldenburg, Waldeck, Schwarzburg, Lippe, Reuß, die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck. 170 Lombards Projekt traf in Dresden am 9. August 1806 ein. Eine Kopie seines Plans ist im Dresdner Archiv vorhanden; siehe: Entwurf zum nördlichen Bund, undat., wahrscheinlich aus Anfang August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. Hierzu auch bei: Witzleben, S. 72-74; Witzleben wusste allerdings nicht, dass Kursachsen nicht nur Lombards Projekt, sondern auch den letzten Entwurf Hänleins erhielt; darauf wies bereits Sturmhoefel hin, siehe: Sturmhoefel, Konrad: Illustrierte Geschichte des Albertinischen Sachsens, 1. Abteilung, Bd. 2, Leipzig 1908, S. 599-600. 171 Baumbach an Malsburg. o. O., 9. September 1806, in: Strippelmann, S. 159-160. Nachrichten aus Dresden erhielt Kurhessen über die Missionen in Berlin und Paris. Zwischen 1756 und 1817 gab es keinen direkten Schriftwechsel zwischen den beiden Kurstaaten; siehe: Schulz, Georg, S. 11.
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Auch die Nachricht über den österreichischen Verzicht auf die römischdeutsche Krone und die offizielle Auflösung des Alten Reichs, welche dem Eingang des preußischen Projektes in Dresden folgte, konnte den Kurfürsten nicht umstimmen. Ungeachtet der Entwicklungen in Mitteleuropa rückte Friedrich August III. nicht von seiner Position ab. Aus seiner Sicht existierten weiterhin die alten politisch-kulturellen Barrieren. Aus diesem Grund fiel auch die Beurteilung von Lombards Projekt im Dresdner Geheimkonsilium negativ aus. Das Geheimkonsilium trat am 13. August auf Anweisung von Friedrich August III. zusammen, um die preußischen Anträge zu begutachten.172 Am gleichen Tag beurteilte das Konsilium den Nordbund-Plan als eine Gefahr für die traditionellen Interessen Kursachsens. Man befürchtete nämlich, Berlin wolle sich durch seine vorgesehene Führung in der Bundesversammlung die Dominanz im Nordbund verschaffen. Die Gefahr einer preußischen Übermacht in Norddeutschland wurde ferner durch die Erklärung des österreichischen Staatskanzlers Stadion gesteigert, 173 die Hofburg werde sich infolge ihres politischen Rückzugs aus Mitteleuropa nicht am Nordbund beteiligen. 174 Wie man in Dresden zu Recht vermutete, war somit Preußens Weg zur Vorherrschaft im norddeutschen System - ohne österreichisches Gegengewicht - geebnet. Auch die Schaffung einer neuen Oberinstanz erregte an der Elbe Sorgen, denn diese verstand das Konsilium als eine Beschneidung der traditionellen fürstlichen Freiheiten. 175 Der Plan, so stellte Graf von Görtz später fest, sei aus kursächsischer Sicht eine Usurpation der Reichsverfassung. 176 Das Konsilium hielt weiterhin an den alten Formen des bereits untergegangenen Reichs fest. Angesichts des österreichischen Verzichtes auf die Kaiserkrone prüfte es sogar die Möglichkeit, die Vikariatsrechte des Kurfürsten in Kraft zu setzen und - anstelle des zurückgetretenen römisch-deutschen Kaisers - die Reichsdirektion selbst zu übernehmen. 177 Der Gedanke wurde schließlich verworfen, da es „nicht ratsam [ist], sich unaufgefordert an die Spitze zu stellen und [sich] unendlichen Schwierigkeiten [...] auszusetzen".178
172 Vortrag der Geheimräte. Dresden, 13. August 1806, in: SHStA, Loc. 5026, f° 1324; hierzu siehe auch den Kommentar bei: Petschel, S. 276. 173 Mehr zu den Ansichten Österreichs bezüglich des norddeutschen Projektes Preußens siehe Teil D. IV. 174 Dies nach dem Bericht des kursächsischen Vertreters in Wien; siehe: Bericht Schönfelds. Wien, 13. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. 175 Siehe oben Art. 8 respektive Art. 10 zum Projektentwurf. 176 Bericht von Görtz. Berlin, 14. August 1806, in: ebd. 177 Witzleben, S. 119. 178 Vortrag der Geheimräte. Dresden, 13. August 1806, in: SHStA, Loc. 5026, f° 1324, hier f° 15; siehe hierzu auch den Kommentar bei: Petschel, S. 276.
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Kurz nach dem Scheitern seiner ersten diplomatischen Offensive lancierte Berlin einen neuen Nordbund-Plan. Im August ließ Haugwitz von Hänlein einen dritten Plan für den Nordbund erarbeiten, der den neuen zwischenstaatlichen Umständen in Europa entsprechen sollte. Hänlein griff folglich auf seinen ursprünglichen Plan vom Juli 1806 zurück und schlug erneut vor, in Norddeutschland ein Kaiserreich unter preußischer Führung zu gründen. Mitte August formulierte er seine „vorläufigen Grundzüge zu einer neuen Konstitution für das nördliche Deutschland". 179 In seinem neuen Entwurf brachte er verstärkt die Maxime der preußischen Außenpolitik zum Ausdruck. Erstens sicherte er Preußen durch einfache Maßnahmen einen Zuwachs an Macht und Einfluss in Norddeutschland. Eine Aufteilung des Bundes (Art. 7-9) in einen preußischen, sächsischen und hessischen Kreis sollte zunächst eine preußische Vorherrschaft über die angrenzenden Länder garantieren. Die Bildung eines Direktoriums (Art. 5) der drei Hauptmitglieder unter (Art. 6) preußischem Vorsitz, um die Verfassung in der Bundesversammlung zu bestimmen, gewährte Preußen einen entscheidenden Einfluss bei der Gestaltung des Bundes. Zweitens stärkte Hänlein durch den geplanten Bund Preußens Position gegenüber dem ehemaligen römischdeutschen und nun österreichischen Kaiser. Hierzu kam er auf seinen ersten Entwurf zurück und räumte (Art. 13) Preußen den Kaisertitel von Norddeutschland und somit die preußische Souveränität über den gesamten Bund ein. Außer der Absicherung der traditionellen Interessen Preußens machte Hänlein in seinem dritten Projekt einige Zugeständnisse zugunsten der Hauptmitglieder, um ihnen den Beitritt zum preußischen Nordbund zu erleichtern. Zu diesem Zweck sprach der Plan den Hauptmitgliedern eine bessere Stellung und eine größere Mitbestimmung in den Bundesangelegenheiten zu. Dementsprechend sollte jetzt Kurhessen und Kursachsen (Art. 2) den Königstitel und dazu (Art. 17-19) weitere Bestimmungsrechte über Militär-, Sicherheits- und Polizeiangelegenheiten im eigenen Kreis erlangen. Zudem wollte Hänlein das preußische Interventionsrecht in die inneren Angelegenheiten der Kreise einschränken. Hierzu plante er, den preußischen Einfluss über den vorgesehenen Justizapparat zu beschneiden, indem er (Art. 21) die Verantwortung für die Oberinstanz des Bundes nicht Preußen, wie in seinem ersten Entwurf, sondern einer neutralen Stadt - nämlich einer der Hansestädte - übertragen wollte. Hänlein milderte also einerseits den Plan ab und sorgte andererseits weiterhin dafür, dass Preußen durch den Nordbund seine Ziele realisieren konnte. 180 Die Auflösung des Alten Reichs und der Verzicht auf die römisch-deutsche Kaiserkrone, 179
Definitiver Entwurf zum Norddeutschen Bund. Berlin, undat., wahrscheinlich von Mitte August 1806 (siehe dazu die Datierung Schmidts in seinen Unionsbestrebungen, Nr. 279); in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 33-40. 180 Usinger bezeichnet den dritten Entwurf als milder. Dabei übersieht er aber den Zweck der Modifikationen im Bundes vertrag, nämlich die Sicherung der preußischen Dominanz; siehe: Usinger, S. 591-595.
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auf die Hänlein bewusst in der Präambel zu seinem Entwurf verwies, waren zweifellos ausschlaggebend für die Formulierung seines dritten Projektes. Denn aus preußischer Sicht beseitigten sie die alten politischen sowie politischkulturellen Barrieren, die bisher ein Einvernehmen in der norddeutschen Angelegenheit erschwerten. Ohne diese - so dachte man in Berlin - stand der Bildung des Nordbundes nichts mehr im Weg. 1 8 1 Dresden teilte die preußische Beurteilung der Lage nach der Reichsauflösung nicht. An der Elbe wollte man sich nicht auf das preußische Projekt einlassen, sondern zog sich zu Beratungen zurück, um die Handlungsalternativen zu erörtern. Noch ehe der neue preußische Plan in Dresden eintraf, kamen die kursächsischen Geheimräte zusammen. Auf ihrer Tagesordnung standen fünf Handlungsoptionen, welche Friedrich August III. zur Diskussion gestellt hatte. 182 Die ersten beiden Optionen, nämlich der Anschluss an Österreich oder die Aufrechterhaltung der kursächsischen Neutralität, verwarf das Konsilium, denn beiden Möglichkeiten fehlte die notwendige militärische Rückendeckung.183 Die dritte Handlungsoption, der Beitritt zum Rheinbund, war nach Ansicht des Konsiliums mit den Grundsätzen des Kurstaates nicht vereinbar, zumal man darüber hinaus Gefahr lief, in ein französisches Protektorat zu geraten. 184 Einen Zusammenschluss der sächsischen Häuser unter kursächsischer Leitung lehnten die Geheimräte ebenfalls ab, 185 da dieser die traditionellen fürstlichen Freiheiten einschränkte, für die sich der Kurfürst stets eingesetzt habe. 186 Das Geheimkonsilium stimmte überraschend für eine Kooperation mit Preußen. Die Geheimräte gelangten nämlich zu der Überzeugung, dass Preußen der einzige Staat sei, der Kursachsen sowohl militärisch als auch politisch unterstützen könne. 187 Den-
181 Tiedemann, Helmut: Der deutsche Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress (= Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, hrsg. von Julius Gierke, Heft 143), Breslau 1932, S. 30. 182 In einem Schreiben an die Geheimräte zählte der Kurfürst fünf Optionen auf, welche zur Diskussion standen; siehe: Friedrich August III. an die Geheimräte. Dresden, 21. August 1806, in: SHStA., Loc. 5026, f° 29-32. Hierunter werden die fünf Punkte neben den Bemerkungen der Geheimräte (gemäß dem Konferenzprotokoll) vorgebracht; siehe: Konferenzprotokoll der Geheimräte. Dresden, 23. August 1806, in: ebd., f° 33-40; ausführlich auch bei: Petschel, S. 276-277. 183 Punkt 1. respektive 3. im Schreiben des Kurfürsten 184 Punkt 2. zum obigen Schriftstück. 185 Punkt 5. 186 Ebenfalls lehnte der Kurfürst den Plan des Konsiliums ab, durch einen Übertritt zum Rheinbund die herzöglich-sächsisch-ernestinischen Häuser Kursachsen einzuverleiben. 187 Punkt 4. auf der Liste des Kurfürsten. Wie oben erwähnt, instruierte Friedrich August III. seinen Vertreter in Berlin bereits am 3. August 1806, ein auf dem Erbverbrüderungsvertrag basierendes Abkommen mit Preußen zu verhandeln; siehe hierzu das Schreiben des Kurfürsten an Görtz: Friedrich August III. an Görtz. Dresden, 3. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV.
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noch bedeutete eine Zusammenarbeit mit Berlin für Dresden keinen bedingungslosen Beitritt zum geplanten Nordbund, sondern vielmehr eine Neuorganisation Norddeutschlands nach den alten Konventionen des Ancien Régime. Als Hänlein im Auftrag seines Kabinetts nach Dresden reiste, 188 um den kursächsischen Hof für sein norddeutsches Projekt zu gewinnen, 189 war Kursachsen also bereits im Begriff, die diplomatische Aktion Preußens zu konterkarieren. Um die Zusammenarbeit mit Preußen in Norddeutschland zu regeln, stellte Kursachsen nach der Konferenz im Konsilium einen eigenen alternativen Plan für Norddeutschland auf. 190 Das Gegenprojekt Kursachsens entsprach den Maximen der Außenpolitik Friedrich Augusts III. Es erkannte die Reichsauflösung nicht an und war dementsprechend formuliert, um die - für die meisten Staaten bereits aufgehobene - Reichsverfassung nicht zu verletzen. In erster Linie zielte das kursächsische Projekt darauf ab, (Präambel, Art. 1) anstelle der von Preußen angeregten Tripelallianz den Erbverbrüderungsvertrag aus dem Jahre 1614 zu erneuern. 191 Darum klammerte Dresden aus dem Text die Erwähnung des Nordbundes aus und beschränkte sich auf die Bildung eines „verbündeten Ganzen" auf der Basis eines „[vorläufigen] föderativen Defensivbundes". 192 Kursachsen visierte also durch die Abstimmung der geplanten Tripelallianz mit den Grundlagen des Alten Reichs an, 193 die vorrevolutionären Strukturen wiederzubeleben, obwohl diese der politischen Realität in Europa nicht mehr entsprachen. Diese politische Grunddisposition Kursachsens kam deutlich auch in seiner Kritik am dritten Nordbund-Plan Preußens zum Vorschein. Diese konzentrierte sich nämlich vor allem auf die fehlende Übereinstimmung des geplanten Bun-
188 Nach unbestätigten Zeitungsberichten sollte Hänlein sogar zum neuen preußischen Gesandten in Dresden nominiert werden; siehe hierzu: Hamburgische Neue Zeitung, Freitag, 29. August 1806. 189 Nach dem Bericht des Ministers Loß traf Hänlein am 24. August in Dresden ein. Sein Besuch - so Loß - sei nicht notwendig, da Kursachsen seine Interessen durch den Gegenentwurf zum Nordbund geltend machen würde; siehe: Loß an Görtz. Dresden, 24. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. 190 Witzleben, S. 126. 191 Kursächsisches Gegenprojekt zum Allianzvertrag, o. O., 25. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 86-89; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 308. Minister Loß wiederholte dies auch dem französischen Repräsentanten in Dresden; siehe: Durand an Talleyrand. Dresden, 27. August 1806, in: AE, CP Saxe Electorale et Royale 76, f° 125-127, hier f° 116-117. 192 Änderungen Kursachsens zum Gegenprojekt, o. O., undat., vermutlich von Ende August, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 90-91; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 309. 193 Fehrnbach, Elisabeth: Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress (= Oldenburg Grundriß der Geschichte, hrsg. von Jochen Bleicken, et al., Bd. 12), München 1996, S. 82.
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des mit der Reichsverfassung. 194 Für den Kurfürsten, den Verfechter des Ancien Régime, war die offizielle Reichsauflösung gegenstandslos, da die Bekanntmachung des römisch-deutschen Kaisers vom Regensburger Reichstag nicht gesetzmäßig ratifiziert worden war. 195 Darum kritisierte er zunächst die Bezugnahme auf die Reichsauflösung in der Projektpräambel 196 und verlangte (Art. 2), den Beitritt zum norddeutschen System von einer eventuellen Rangerhöhung abzukoppeln. Kursachsen befürwortete eine provisorische Organisation, solange sie den Reichsrahmen nicht sprengen würde. Eine solche Organisation konnte aus kursächsischer Sicht nur durch eine Dezentralisierung des geplanten Nordbundes garantiert werden. Dies bedeutete konkret (Art. 6), 1 9 7 bei der Führung des Bundesdirektoriums ein Rotationsprinzip einzuführen und (Art. 20-23) in jedem Bundeskreis eine Oberinstanz einzurichten. 198 In Dresden registrierte man wohl, dass der Reichsrahmen bereits zersetzt war, aber man wollte dies aus einer Anhänglichkeit an die alten Formen nicht offiziell anerkennen. Die Unterschiede in der politischen Kultur, die vor der Reichsauflösung eine Einigung zwischen Berlin und Dresden verhindert hatten, erschwerten also ungeachtet des
194 Erst am 21. August eröffnete Haugwitz dem kursächsischen Vertreter, er werde eine Kopie des Projektes zur Disposition Kursachsens stellen; siehe: Bericht von Görtz. Berlin, 21. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV; hierzu auch: Pölitz (1830), S. 276-281. Seinen Plan reichte Hänlein vermutlich persönlich am 25. August 1806 ein. 195 Dies wiederholte auch Minister Loß explizit in einem Schreiben an den Gesandten in Berlin; siehe: Loß an Görtz. Dresden, 6. September 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. V, unpag. 196 Bemerkungen über den von Preußen übermittelten Plan zur Organisation eines nordischen Bundes. Dresden, 27. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 105-111; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 310. 197 Die Artikel in der kursächsischen Kritik beziehen sich auf die korrespondierenden Passagen im Hänleins Entwurf. 198 In dieser Hinsicht unternahmen auch die übrigen sächsischen Häuser - vertreten durch den Herzog Carl August von Weimar - konkrete Schritte. Aus Sorge vor den preußischen Plänen für Norddeutschland beantragten sie in Dresden die Bildung einer alternativen Oberinstanz für alle sächsischen Länder im einstigen obersächsischen Reichskreis. Dadurch wollten sie es, womöglich mit russischer Garantie, vorbeugen, dass die sächsischen Gebiete in die Hände einer unerwünschten (d. h. preußischen) Gerichtsobrigkeit fallen. Siehe hierzu den Bericht des preußischen Konsuls in Dresden: Lautier an Haugwitz. Dresden, 25. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV; sowie: Carl August an Friedrich August III. Leipzig, 25. August 1806, in: Andreas, Willy (Hrsg.): Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar (= Quellen zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, veröffentlicht von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 38), Bd. 2, Stuttgart 1958, Nr. 407; und ders. an Alexander I. Weimar, 28. August 1806, in: ebd., Nr. 410. Dazu auch der Kommentar bei: Virck, Hans: Carl August von Weimar und die deutsche Politik, Weimar 1915, S. 24, 27; sowie bei: Germar, Bruno von: Napoleon I. und Karl August von Weimar, Ruhla 1912, S. 5-7.
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österreichischen Verzichts auf die Reichskrone weiterhin die Zusammenarbeit beider Staaten.199 Vergebens bemühte sich Haugwitz, Graf von Görtz zuzureden, dass vor der vermeintlichen Krönung Napoleons zum neuen deutschen Kaiser der Bundesvertrag abgeschlossen werden müsse.200 Dresden stand einem preußischen Kaisertum kritisch gegenüber, zumal das kursächsische Konsilium wusste, dass Napoleon nicht die deutsche Kaiserkrone anstreben würde. 201 Aufgrund dieser Verzögerung beauftragte Haugwitz am 25. August den damals in Berlin anwesenden preußischen Repräsentanten in Kursachsen, Brockhausen, mit einer neuen Vermittlungsmission. 202 Dieser sollte jetzt einen neuen Weg finden, um die unterschiedlichen politischen und politisch-kulturellen Ansichten beider Staaten zu überbrücken. 203 Am 27. August leitete Brockhausen im Auftrag seines Kabinetts die neue preußische Initiative in die Wege. Der Sondergesandte erkannte sofort die Existenz einer politisch-kulturellen Diskrepanz zwischen Preußen und Kursachsen. In seinen „réflexions rapides relatives au traité d'union" schlug er daher vor, diese Differenz mit der Einführung von nationalen Elementen in den Nordbund-Plan zu überwinden. 204 „La langue allemande", erläuterte Brockhausen in seiner Denkschrift, „devait nécessairement être l'organe d'une telle union, qui doit rassembler les faisceaux épars d'une bonne partie de la nation allemande". Eine populäre Komponente sollte also einem politischen Zusammenschluss der norddeutschen Fürsten den Weg ebnen. In einem Folgeentwurf zum „Bund des nördlichen Deutschlands,205 l'association des états du Nord de l'Allemagne", spezifizierte Brockhausen seine Grundvorstellung für die geplante staatliche Organisation. 206 Dabei visierte er zweierlei an, erstens, die Struktur des projek199 Oncken, Wilhelm: Österreich und Preußen im Befreiungskriege, Bd. 2, Berlin 1879, S. 233. 200 Bericht von Görtz. Berlin, 21. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. 201 Hierzu siehe: Loß an Görtz. Dresden, 24. August 1806, in: ebd. 202 Haugwitz an Brockhausen. Berlin, 23. August 1806, in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 301. Der Brief wurde erst zwei Tage später an Brockhausen übermittelt. Hierzu auch bei: Böttiger, S. 634. 203 Über Brockhausens erste Amtszeit und Tätigkeit am Dresdener Hof siehe: Brockhausen, Hans-Joachim von: Carl Christian Friedrich von Brockhausen. Ein preußischer Staatsmann um die Wende des XVIII Jahrhunderts, Greifswald 1927, S. 58-99. 204 Réflexions rapides relatives au traité d'union. Berlin, 27. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 75-76; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 302. 205 Im Gegensatz zu Witzlebens Behauptung und trotz mancher Ähnlichkeiten mit Lombards Projekt handelt es sich um eine originale Skizze Brockhausens und nicht um eine Bearbeitung von Lombards Ideen; siehe: Witzleben, S. 138 f. 206 Vereinigungstraktat zwischen den Höfen von Berlin, Dresden, und Kassel. Berlin. Ende August 1806, in: GStA, Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 22, f° 40-43; abge-
IV. Politisch-kulturelle Diskrepanz
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tierten Bundes gezielt zu schwächen, und zweitens, ein nationales Element in den Nordbund einzubringen. Zur Schwächung respektive Lockerung der Bundesstruktur wollte Brockhausen (Präambel) eine wirkliche Föderation mit (Art. 3) einer Gleichstellung aller Mitglieder in der Repräsentanten ver Sammlung gründen und hierzu (Separatartikel) für die Hauptmitglieder das Prinzip der Titelgleichheit festlegen. 207 Diese paritätische Leitung und Organisation manifestierte sich auch in weiteren Vertragsbestimmungen, die den Kurhöfen eine größere Mitsprache im Bund zusagten.208 Die Einbeziehung einer deutschnationalen Komponente in den Nordbund sollte zweitens für die neue Organisation eine breitere Basis in der gesamten norddeutschen Bevölkerung schaffen. Diese Nationalidee milderte Brockhausen leicht ab. Er bezog sich nicht mehr auf die „nation allemande", wie in seinem Memorandum, sondern regte vielmehr (Art. 11) die Idee einer evangelisch-lutherischen Gemeinschaft als zentrales Fundament für die geplante Föderation an. Somit setzte sich der Sondergesandte über den katholischen Hof von Dresden hinweg und wandte sich an die mehrheitlich protestantische Bevölkerung in Kursachsen. Er handelte dabei bewusst gegen das Prinzip „cuius regio, eius religio" und die Konventionen des Ancien Régime. Durch seine Innovationen in der Organisation des geplanten Bundes hoffte Brockhausen, Kursachsen zur Zusammenarbeit am norddeutschen Projekt bringen zu können. Dabei verfolgte er weiterhin - wie schon seine Vorgänger Hänlein und Lombard - die traditionellen Maximen der preußischen Außenpolitik. Indem Preußen (Art. 5-7) die militärische Führung aller Bundesstreitkräfte sowie (Art. 3) das Entscheidungsrecht im Fall einer Stimmengleichheit in der Repräsentantenversammlung überlassen wurde, kam Brockhausens Plan, wenn auch in abgeschwächter Form, den preußischen Expansionszielen in Norddeutschland zugute. Der geplante „Bund des nördlichen Deutschlands" stieß wie schon die Pläne zuvor auf Ablehnung in Dresden, da dieser durch seine nationale Komponente gerade die politischen Grundprinzipien des kursächsischen Staates verletzte. Seine Einwände gegen den neuen preußischen Plan konkretisierte der kursächsische Hof schließlich in einem zweiten Gegenprojekt. 209 Aus einer Konferenz des Dresdner Konsiliums ging am 10. September 1806 ein eigener Entwurf zu einem Nordbund hervor, der den Maximen des sächsischen Kurhofes gerecht
druckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 303. Der Titel des neuen Bundes wurde in Art. 9 zum Vertrag bestimmt. 207 Während Separatartikel 4 Kursachsen und Kurhessen das Königsprädikat garantierte, musste Friedrich Wilhelm III. nach Brockhausens Plan auf eine Rangerhöhung zum Kaiser verzichten. 208 z. B. gemäß Art. 10 durften neue Mitglieder nur mit Einverständnis aller Gründungsmitglieder in den Bund aufgenommen werden. 209 Böttiger, S. 635.
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wurde. 210 In diesem Bund sah Friedrich August III. weiterhin einen Garanten des Fortbestands der Reichsidee und der alten Rechts- und Friedensordnung in Mitteleuropa. 211 Dementsprechend schlug er vor, die alten konstitutionellen Prinzipien in einer modifizierten Struktur in Norddeutschland wieder einzuführen. Hierzu regte der Kurfürst an, (Art. 5-8) die geplanten Kreise nach dem Reichsmuster aufzuteilen 212 und (Art. 4) eine Exekutive in Form eines Direktoriums der drei norddeutschen Großhöfe nach einem Rotationsprinzip zu konstituieren. Konsequent mied Friedrich August III. jede Bezugnahme auf die bereits vollzogenen Änderungen im Reichssystem, dessen völlige Auflösung und die Gründung des Rheinbundes. Der kursächsische Entwurf legte lediglich die Richtlinien zum Nordbund fest. 213 Er belegt aber eindeutig, dass der Kurfürst sich stets an den Konventionen des Ancien Régime orientierte und eine Verletzung der Reichsprinzipien durch die Bildung eines alternativen Staatsgebildes nach dem Vorbild des Rheinbundes nicht akzeptieren konnte. Den kursächsischen Gegenentwurf beurteilte Preußen ablehnend als unzureichendes Mittel zum Zweck. 214 Brockhausen musste folglich seine Tätigkeit in Dresden unterbrechen und auf Anordnung von Haugwitz nach Berlin zurückkehren. 215 Die anpassungsfähige außenpolitische Praxis Preußens war nicht mit dem konservativen Vorgehen Kursachsens vereinbar. Berlin, das sich angesichts der drohenden Gefahr eines Krieges mit Frankreich ohnehin auf die Bildung der Tripelallianz konzentrierte, ließ schließlich die Verhandlungen mit dem kursächsischen Hof ausklingen. 216
V. Handels- und Außenpolitik: Preußen, die Hansestädte und der Nordbund Die Durchführung des norddeutschen Projektes Preußens war auch mit einer wirtschaftlichen Dimension verbunden. Diese dominierte die Verhandlungen über den Beitritt der drei Hansestädte zum geplanten Nordbund.
210 Kursächsischer Gegenentwurf. Dresden, 10. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 110-115; abgedruckt in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 311. 211 Petschel, S. 280. 212 Und zwar in drei Kreise: einen brandenburgischen, sächsischen und hessischen. 213 Der Vertragsentwurf zum Nordbund sollte nach Art. 3 zwischen Preußen, Kursachsen und Kurhessen koordiniert werden. 214 Äußerungen des Grafen Haugwitz zum kursächsischen Entwurf. Berlin, 16. September 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. V. 215 Witzleben, S. 139-140. 216 Ebd., S. 149.
V. Handels- und Außenpolitik
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Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bemühte sich die Hanse angesichts der Umwälzung der zwischenstaatlichen Strukturen auf dem Kontinent, ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen auf europäischer Ebene wahrzunehmen. Bereits 1795 forderte der hamburgische Syndikus Dormann in einem Brief an Talleyrand die französische Anerkennung der drei Grundinteressen der Hanse, nämlich ihre Unabhängigkeit, Neutralität und Handelsfreiheit. 217 Diese drei Elemente der hanseatischen Außenpolitik, wie Dormann wohl wusste, waren eng miteinander verknüpft. Denn die Unabhängigkeit und die neutrale Position der Städte gewährten eine Handelsfreiheit, durch welche diese Bedeutung als internationaler Umschlagplatz gewannen. In dieser Position wiederum konnten sie ihre Forderungen nach Neutralität und Unabhängigkeit gegenüber den europäischen Mächten nachdrücklich geltend machen. Das Zusammenspiel dieser drei Grundinteressen erleichterte es der Hanse, ihre Außenpolitik gegenüber den europäischen Mächten durchzusetzen. Das ermöglichte es schließlich den Städten, ihre Sonderrechte im Reichsdeputationshauptschluss (1803) und somit in der neuen Ordnung Europas völkerrechtlich zu verankern. 218 In Regensburg argumentierten die hanseatischen Vertreter Rodde (Lübeck), Horn (Bremen) und Sieveking (Hamburg), dass man den drei Städten gewisse Privilegien einräumen solle, da sie als Drehscheibe des Warenimports und -exports für ganz Europa allen - auch den rivalisierenden - Staaten dienen würden. Die Hanseaten beriefen sich dabei unter anderem auf das alte Privileg von Kaiser Franz I. aus dem Jahre 1746, das ihnen den Handel mit Frankreich auch in Kriegszeiten erlaubte. 219 Aus diesen Gründen forderten sie vor dem Beschluss der Reichsdeputation, dass ihre Neutralität und Unabhängigkeit auch in Kriegszeiten, ihr altes Recht auf die Unterhaltung diplomatischer Beziehungen mit Feinden des Alten Reichs sowie die Handelsfreiheit mit allen Ländern und mit allen Gütern außer Munition förmlich anerkannt würden. 220 Die Forderungen der Hansestädte waren nicht unbegründet. In Wirklichkeit fungierten sie als Finanzplatz für internationale Transaktionen beider Kriegsparteien. 221 Hamburg z. B. lieferte seit Beginn der Revolution einerseits 217 So der Syndikus in einem Schreiben an Talleyrand; siehe: Dormann an Talleyrand. Hamburg, 10. Juni 1795, in: StAH, 111-1, CI. I. Lit Pb., Vol. 8g Fasz. 16, f° 1-2; hierzu auch: Wohlwill, Adolf: Die Hansestädte beim Untergange des alten deutschen Reiches, in: Historische Aufsätze dem Andenken an Georg Wait gewidmet, Hannover 1936, S. 596-597. Eine Antwort auf das Schreiben an Talleyrand liegt weder in den Archiven der Hansestädte noch im Pariser Archiv vor. 218 Um die internationale Anerkennung ihrer Sonderrechte baten die Städte in ihrem Dictum Ratisbonne; siehe: Deklaration der Hansestädte. Ratisbon, 2. Oktober 1802, in: AHL, ASA, Externa, Hanseatica 348, f° 1-2. 219 Hildebrand, S. 10. 220 Siehe: Dormann an Talleyrand. Hamburg, 10. Juni 1795, in: StAH, 111-1, CI. I. Lit Pb., Vol. 8g Fasz. 16, f° 1-2. 221 Schmidt, Burghart, S. 168.
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Bargeld an Frankreich, wickelte aber andererseits auch den Geldtransfer von englischen Subsidienzahlungen ab. 222 Dank dem Zusammenspiel von wirtschaftlicher Sonderstellung und politischer Freiheit - und zum Teil auch durch Geldschenkungen an Schlüsselfiguren im Pariser Außenministerium und im französischen Corps diplomatique - konnten sich die drei Städte vor dem Regensburger Reichstag behaupten.223 Im Reichsdeputationshauptschluss (Art. 27) sicherten sie sich zunächst ihren ursprünglichen Status als Frei- und Reichsstädte ab. 224 Kaum drei Monate später erhielten sie von Talleyrand die Zusicherung, dass Frankreich die „indépendance et la tranquillité politique" sowie die Handelsfreiheit der Hanse respektieren werde. 225 Somit verließen die Städte noch vor der Reichsauflösung den Boden der Reichspolitik und fanden auf internationaler Ebene eine Regelung für ihre Beziehungen.226 Ein ähnliches Vorgehensmuster kennzeichnete die Politik der Hanse gegenüber Preußen und dessen geplanten Nordbund. Wie in Regensburg 1802 bevorzugten die drei Städte auch im Sommer 1806 eine europäische Regelung für ihre Verhältnisse. Die desolate Finanzsituation Preußens motivierte König Friedrich Wilhelm III. dazu, die vermögende Hanse in das preußischen System eingliedern zu wollen. Folglich ordnete er seinen bevollmächtigten Minister im niedersächsischen Kreis, Graf von Grote, an, durch eine note verbale die Hansestädte über den geplanten Nordbund in Kenntnis zu setzen und Sondierungsgespräche über den Nordbund einzuleiten. Um sie zum Beitritt in den Bund zu veranlassen, sollte Grote die alten Freiheiten und Prärogative der Hanse garantieren. 227
222 Nach Schätzungen des französischen Residenten in Hamburg Bourrienne wurden etwa 4 % der Subsidien über hamburgische Kreditinstitute überwiesen; Bruguiere, S. 467-475; Vogel, S. 5-8. 223 Im Juni 1802 zahlte der Bremer Gesandte in Paris, Gröning, Talleyrand drei Millionen Taler aus, um der Hanse politische Vorteile bei der Neuorganisation Deutschlands zu sichern. Ähnlich musste Hamburg bereits im April 1802 4.2 Millionen Taler aufbringen, um seine Neutralität durch Frankreich sanktionieren zu lassen; siehe: Patemann,, S. 499; Schmidt, Burghart, S. 160-161. 224 Art. 27 bestimmt: „Das Kollegium der Reichstädte besteht in Zukunft aus den freien und unmittelbaren Städten: Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt, Bremen und Hamburg. Sie genießen in dem ganzen Umfang ihrer respektiven Gebiete die volle Landeshoheit und alle Gerichtsbarkeit ohne Ausnahme und Vorbehalt; jedoch der Appellation an die höchsten Reichsgerichte unbeschadet". Siehe: Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation. Regensburg, 25. Februar 1803; vollständiger Text bei: CJCG, S. 12-54; hierzu auch bei: Schmidt, Burghart, S. 162. 225 Talleyrand an den Senat von Bremen. Paris, 15. Mai 1803, in: StAB, RA, 2-Dd., 5.b., unpag. 226 Williams, S. 1-7; ähnlich bei: Wohlwill (1936), S. 596-597. 227 Friedrich Wilhelm III. an Grote. Berlin, 3. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 46-47; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 285.
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Den Nordbund-Plan selbst wollte Berlin mit den Interessen der Städte abstimmen. Die zunächst geplante Eingliederung der Hanse in den preußischen Kreis, die im zweiten Plan von Hänlein (Art. 6c) vorgesehen war, lehnte Haugwitz nun strikt ab. 228 Im neuen Projekt listete man (Art. 3) die Hansestädte in der Reihe der souveränen Bundesmitglieder auf und erkannte darüber hinaus (Art. 12) ihre Freiheiten in einem separaten Passus an. 229 Bei den Bemühungen um die Gunst der Hanse spekulierte Preußen auf ihren Beitritt in das neue norddeutsche System, scheinbar weil sie bereits zeitweilig am alten Neutralitätssystem teilgenommen hatte. 230 Man ignorierte anscheinend, dass sich die Hanse noch im Frühjahr 1806 infolge der Krise zwischen London und Berlin und der Verhängung der Blockade über die Nord- und Ostsee von Preußen distanziert hatte, 231 um ihre Handelsfreiheit aufrechterhalten zu können. Bei den Hansestädten fand daher der norddeutsche Plan keinen Anklang. Auf die Einladung zum Nordbund, die der preußische Gesandte, von Grote, am 6. August 1806, dem Tag der Reichsauflösung, Hamburg förmlich überreicht hatte, reagierte die Hanse hinhaltend. Aus Sorge vor einer militärischen preußischen Reaktion 232 im Falle einer klaren Ablehnung des Nordbund-Plans einerseits und aus Sorge vor einem Beitritt zum preußisch dominierten System andererseits wichen die drei Städte einer konkreten Diskussion über den preußischen Antrag konsequent aus. Der Hamburger Bürgermeister von Graffen erklärte Grote, der Gegenstand erfordere eine eingehende Diskussion in der Bürgerschaft. 233 Dem preußischen Gesandten verweigerte er schließlich den Zugang zum Senat und bestand darauf, dass allein der Syndikus Sienen dem Stadtmagistrat die preußische Note vortrage. 234 In Bremen erwartete den preußischen Vertreter eine verblüffend ähnliche Reaktion, denn noch ehe er an der Weser angekommen war, benachrichtigte Sienen die Schwesterstadt über Grotes
228
Neben Art. 6c zum zweiten Entwurf Hänleins vermerkte von Haugwitz das Wort „Nein" in einem roten Stiftzug; siehe: Grundzüge des Reichsbundes. Berlin, 2. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 28-29. 229 Entwurf zum nördlichen Bund, undat., wahrscheinlich von Anfang August 1806, in: ebd., f° 30-31; vgl. mit dem Text bei: Schmidt , Adolf (1857), Nr. 272. 230 Wohlwill (1936), S. 597-598. 231 Siehe Teil B. V. 232 Bereits im Jahre 1803 besetzten preußische Soldaten für kurze Zeit die Stadt Bremen infolge der Räumung Hannovers durch Frankreich; siehe: Patemann , S. 500. 233 So berichtete der Hamburger Syndikus Gries dem russischen Botschafter in Berlin; siehe: Gries an Alopeus. Hamburg, 13. August 1806, in: StAH, 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8c Fasz. 5, Nr. 18, unpag. 234 Nach dem Bericht Grotes; siehe: Grote an Friedrich Wilhelm III. Hamburg, 7. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 50-52; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 286.
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mündliche Eröffnung. 235 Als dieser am 10. August mit den Bremer Senatoren Smidt und Horn zusammentraf, waren die beiden über den Zweck seiner Mission bereits unterrichtet. Dementsprechend stimmte die Antwort Bremens mit der hamburgischen überein. Bremen, so erklärten die beiden, befürworte eine „vollkommene Neutralität der Flaggen und für die Gebiete der Hansestädte in allen Land- und Seekriegen" unter einer Garantie der Großmächte. Überdies, setzten Smidt und Horn fort, benötige man in der norddeutschen Angelegenheit eine Überlegungszeit und einen Meinungsaustausch mit den Schwesterstädten. 236 In Lübeck wiederholten Syndikus Curtius und Ratsherr Rodde, welche von Hamburg ebenfalls mit der Nachricht über die Eröffnung von Grote in Kenntnis gesetzt worden waren, am 14. August die Antwort ihrer Kollegen. Parallel zum politischen Ausweichmanöver gegenüber Preußen betrieben die Hansestädte eine diplomatische Großoffensive gegenüber den europäischen Kabinetten. Wie selbst Grote wusste, favorisierten die Städte eine gesamteuropäische Garantie ihrer Neutralität und Unabhängigkeit anstatt eines Beitritts zum preußisch dominierten Bündnissystem.239 Zu diesem Zweck erbat die Hanse systematisch die Intervention rivalisierender europäischer Regierungen, um rund um das hanseatische Dreieck ein eigenes Gleichgewicht der Kräfte herzustellen, das die Städte vor jeglicher fremder Einmischung schützen würde. Im Visier hatte die Hanse Frankreich, Russland und England. Diese sollten nach Ansicht der drei Städte den hanseatischen Sonderstatus garantieren. Als Erstes griff Frankreich in die hanseatischen Angelegenheiten ein. In der dritten Augustwoche bot Talleyrand der Hanse den Schutz Frankreichs an, da er argwöhnte, dass eine Änderung im Status der Hanse - z. B. ihr Beitritt zum Nordbund - den französischen Handelsinteressen im Norden schaden könne. 240 An235
Friedrich Wilhelm Siennen an den Senat von Bremen. Hamburg, 8. August 1806, in: StAB, RA, 2-M.l., b., unpag.; hierzu siehe auch: Bourrienne, S. 111-112. 236 Grote an Friedrich Wilhelm III. Hamburg, 12. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 53-56; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 287. 237 Curtius bestätigt den Erhalt der Nachricht im folgenden Schreiben. Die Note selbst war weder im Lübecker noch im Hamburger Archiv zu ermitteln; siehe: Curtius an den Senat von Hamburg. Lübeck, 9. August 1806, in: StAH, 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8c Fasz. 5, Nr. 18; eine Kopie liegt ebenfalls im Lübecker Archiv vor, siehe: AHL, ASA, Externa, Borussica 126, nur teils paginiert, f° 27. 238 So schrieb Curtius an den hanseatischen Vertreter in Berlin; siehe: Curtius an Woltmann. Lübeck, 26. August 1806, in: ebd.; ähnlich bei: Grote an Friedrich Wilhelm III. Lübeck, 16. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 57-58; abgedruckt bei: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 288. 239 Friedrich Wilhelm Siennen an den Senat von Bremen. Hamburg, 8. August 1806, in: StAB, RA, 2-M.l. Hierzu auch bei: Wohlwill, Adolf: Neuere Geschichte der Freien und Hansestadt Hamburg insbesondere von 1789 bis 1815, Gotha 1914, S. 318. 240 So erklärte es dem Grafen Haugwitz zwei Wochen später der französische Botschafter in Berlin; siehe hierzu: Laforest an Talleyrand. Berlin, 3. September 1806, in: FPDK, Nr. 421.
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gesichts der französischen Bekundung erübrigte sich ein Appell der Hanse an Paris. Jetzt suchten aber die Städte weitere Sicherheiten beim antifranzösischen Koalitionslager, um einen eventuellen Druck der rivalisierenden Seiten neutralisieren zu können. 241 Gegenüber Russland taktierten gleichzeitig Lübeck und Hamburg. Im Namen der drei Städte gelang es ihnen, der Hanse die nominale russische Unterstützung zu sichern. Lübeck unterstrich bereits Anfang April 1806 gegenüber Alexander I. die „utilité [der Hansestädte] pour toutes les nations et pour les relations commerciales du vaste Empire de Votre Majesté en particulier". Der Senat von Lübeck argumentierte daher, Russland solle den Städten seinen Schutz „dans ce moment de crise" gewähren. 242 Dieser Argumentationslinie folgte Mitte August auch der hamburgische Syndikus Gries. Über den russischen Botschafter in Berlin, Alopeus, erbat er die Intervention des Zaren zugunsten der Hanse. 243 Anfang September erhielt er die Zusicherung von Alopeus, der Zar werde im Rahmen einer preußisch-russischen Vereinbarung für die hanseatischen Interessen eintreten. 244 Gleichzeitig bemühten sich die Städte auch um englische Unterstützung. Dieses Vorhaben gestaltete sich besonders einfach, da die unabhängige und neutrale Stellung der Hanse für den Handelsverkehr Englands mit dem Festland ohnehin von großem Interesse war. So warnte bereits Anfang August der englische Ministerresident im niedersächsischen Kreis, Sir Thornton, persönlich vor gravierenden finanziellen Konsequenzen für den britischen Handel, falls die Hanse dem Nord- respektive Rheinbund beitreten sollte. 245 Folglich riet er Außenminister Fox dazu, den traditionellen Sonderstatus der Städte abzusichern, damit sie nicht in den französischen Einflussbereich hineingezogen würden. 246 Etwa zehn Tage darauf wiederholte Thornton dem hamburgischen Syndikus Dormann seine persönliche Zustimmung zu einer von beiden Konföderationen unabhängigen Stellung der Hanse. 247 Die drei Städte erkannten die positive Stimmung im englischen Corps diplomatique und wandten sich Anfang September durch den Bremer Vertreter,
241
So äußerte sich auch der Hamburger Senator Amsnick in einem Schreiben an den hanseatischen Vertreter in London; siehe: Amsnick an Heymann. Hamburg, 12. August 1806, in: StAH, 132-5/7, 1., Bd. I, f° 351. 242 Senat und Bürgermeister von Lübeck an Alexander I. Lübeck, 16. April 1806, in: AHL, ASA, Externa, Ruthenica 62, unpag. 243 Gries an Alopeus. Hamburg, 13. August 1806, in: StAH, 111-1, CI. I. Lit Pb., Vol. 8c Fasz. 5, Nr. 18. Die Bitte wiederholte Hamburg im Namen der Hanse am 29. August, siehe: ders. an dens. Hamburg, 29. August 1806, in: ebd. 244 Alopeus an Gries. Berlin, 6. September 1806, in: ebd.; vgl. mit: Wohlwill (1914), S. 321-322; und ders. (1936), S. 601-602. 245 Thornton an Fox. Hamburg, 8. August 1806, in: NA, FO 33/33, f° 161-163; siehe auch: ders. an dens. Hamburg, 12. August 1806, in: ebd., f° 175-176. 246 Ders. an dens. Hamburg, 15. August 1806, in: ebd., f° 187-188. 247 Dormann an Heymann. Hamburg, 26. August 1806, in: StAH, 132-5/7, 1., Bd. I, f° 305-306.
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C. Vom Rheinbund zu einer confédération
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Heymann, direkt an London. In einem gemeinsamen Appell an den englischen Premierminister Lord Granville erklärten sie, die Aufrechterhaltung der hanseatischen Freiheit sei „perhaps [the] only remaining key to the commerce of the continent of Europe in future war". Im Hinblick auf die englisch-französischen Friedenskonferenzen in Paris ersuchte die Hanse darüber hinaus eine Berücksichtigung ihrer Interessen in einem zukünftigen kontinentalen Frieden. 248 Diese Wünsche entsprachen auch den Interessen des Kabinetts von St. James. Wohl deshalb, noch ehe der hanseatische Appell verfasst worden war, wies Fox Sir Thornton an, den Städten von einem Beitritt zum Nord- respektive Rheinbund abzuraten, damit sie nicht in europäische Querelen oder gar in ein französischpreußisches Querfeuer geraten würden. Der Hanse versprach nun Fox militärischen Beistand und politische Unterstützung, sobald England seine Präsenz auf dem Kontinent - nämlich in Hannover - wiedererlangen würde. 249 Die außenpolitische Praxis der drei Städte diente, wie bereits von Christian Matzen demonstriert, 250 primär ihren wirtschaftlichen Grundinteressen. Diese konnte die Hanse geltend machen, da sie denen der Großmächte korrespondierten. Diese Ökonomisierung der hanseatischen außenpolitischen Praxis hing also mit deren Europäisierung zusammen. Preußen übersah wie bereits in der Vergangenheit, dass die Hansestädte an ein europäisches und nicht an ein norddeutsches Staatengeflecht gebunden waren. Obwohl die Städte ihre Missbilligung über den Nordbund signalisierten, warb man in Berlin weiterhin um den Beitritt der Städte in das neue norddeutsche System. In Preußen erhärtete sich im Laufe des Augusts der Verdacht, dass die Hanse sich von Norddeutschland absondern wolle. Grote berichtete am 20. August, dass die Hanse einen eigenen Bund gegenüber dem Nordbund vorziehe. 251 In der Presse kursierte das Gerücht, dass die Städte eine „nouvelle confédération hanséatique" planen würden. 252 Aus Sorge, dass die Hanse sich von Preußen weiter distanzieren und dadurch die Umsetzung des Nordbund-Plans gefährden würde, versuchte Berlin erneut, das Wohlwollen der drei Städte zu gewinnen. An der Spree beobachtete man die Ökonomisierung der hanseatischen außenpo248
Appell der Hanse an die englische Regierung. London, 7. September 1806, in: StAB, RA, 2-C.4.b.2.c., unpag. 249 Fox an Thornton. London, Downing Street, 5. September 1806, in: NA, FO 33/32, f° 3-5. 250 Matzen, Christiane: Die Politik der Hansestädte im Hinblick auf den Beitritt zum Rheinbund (1806-1810), Magisterarbeit, Hamburg 1990, S. 27. 251 Dies nach dem Bericht Grotes; siehe: Grote an Haugwitz. Hamburg, 20. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 136-137; hierzu auch: ders. an dens. Hamburg, 22. August 1806, in: ebd., f° 138-140. 252 Spectateur du nord (Hamburg), Samstag, 23. August 1806.
V. Handels- und Außenpolitik
157
litischen Praxis und glich sich folglich den wirtschaftlichen Interessen der Städte an, um ihnen einen Beitritt zum Nordbund attraktiver zu machen. In diesem Sinne ließ Friedrich Wilhelm III. Ende August durch von Grote in Hamburg verlauten, Preußen werde die Neutralität und Handelsfreiheit der Hansestädte im Rahmen des geplanten Nordbundes stets respektieren. 253 Eine ähnliche Ankündigung machten anschließend auch die Konsuln Platzmann in Lübeck und Delius in Bremen. 254 Die preußischen Bemühungen erwiesen sich allerdings als unwirksam, denn, obwohl Preußen die Bedeutung ökonomischer Faktoren im hanseatischen Vorgehen richtig erkannt hatte, übersah es jetzt die Europäisierung der Politik der drei Städte. Vorerst zögerten die drei Städte ihre Reaktion auf die jüngsten preußischen Anträge hinaus. Wie man selbst in Preußen wusste,255 planten sie eine Zusammenkunft ihrer Vertreter, um das Vorgehen gegenüber Berlin zu koordinieren. 256 Anfang September 1806 trafen sich die Städte auf eine Initiative Hamburgs zu Konsultationen an der Trave. 257 Dort tagten von Freitag, dem 5. bis Dienstag, dem 8. September, der Lübecker Syndikus Curtius - Vorsitzender der Konferenzen - , der hamburgische Syndikus Dormann und der Bremer Senator ICO
Smidt. Die erste Konferenzrunde setzte sich aus fünf Sitzungen zusammen. Auf der Tagesordnung standen vier Diskussionspunkte. Erstens befassten sich die Hanseaten mit der Beitrittsfrage zum Nord- respektive Rheinbund. Zweitens diskutierten sie die Errichtung einer eigenen hanseatischen Gerichtsinstanz. Drittens erwogen sie, das hanseatische Bündnis zu konsolidieren, und viertens behandelten sie die Frage einer Geldschenkung an den französischen Minister in Hamburg, Bourrienne, 260 um die hanseatischen Interessen beim Kabinett von St. Cloud durchbringen zu können. 261 Das Ziel der Konferenzen bestand darin, 253 Friedrich Wilhelm III. an Grote. Berlin, 30. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 148-149; vgl. auch mit: Haugwitz an dens. Berlin, 22. August 1806, in: ebd., f° 135. 254 Grote an Friedrich Wilhelm III. Hamburg, 2. September 1806, in: ebd., f° 153154. 255 Dies nach den Berichten Grotes und Delius'; siehe: ebd., f° 154; respektive: Delius an dens. Bremen, 4. September 1806, in: ebd., f° 167-170. 256 Die Einladungen zu den Konferenzen ergingen aus Lübeck; siehe z. B. die Einladung an Bremen: Bürgermeister und Rat von Lübeck an den Senat von Bremen. Lübeck, 18. August 1806, in: StAB, RA, 2-B.5.e., 1, unpag. 257 Hildebrand, S. 14-15; sowie Bippen, Wilhelm von: Geschichte der Stadt Bremen, Bd. 3, Halle a. S./Bremen 1904, S. 330. 258 Ders. (1921), S. 73. 259 Weitere Sitzungen fanden in einer zweiten Runde zwischen dem 4. und dem 15. Oktober 1806 statt; hierzu siehe hierunter Teil D. IV. 260 Zur Sendung Bourriennes nach Hamburg siehe: Didelot, Jean: Bourrienne et Napoléon, Levallois 1999, S. 125-127. 261 Hildebrand, S. 12.
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C. Vom Rheinbund zu einer confédération
du nord de l'Allemagne
wie die drei letzten Tagesordnungspunkte bereits andeuten, den Hansebund zu stärken und von Frankreich die hanseatischen Grundinteressen sanktionieren zu lassen. Dies alles lief in erster Linie darauf hinaus, die Unabhängigkeit der drei Städte gegenüber dem Nord- und Rheinbund aufrechtzuerhalten. In der norddeutschen Frage trafen die Vertreter eine schnelle Vereinbarung. Sie einigten sich bereits in der ersten Konferenzrunde auf die faktische Autonomie der Hanse vom norddeutschen System. Hierzu debattierten sie zunächst - in den ersten Konferenzen vom 5. bis zum 7. September - die Höhe der geplanten Geldschenkung an Bourrienne, die diesen dazu animieren sollte, sich bei seiner Regierung für die Neutralität der Hanse einzusetzen.262 Darüber hinaus besprachen die Hanseaten die Notwendigkeit einer europäischen Garantie für ihren freien und unabhängigen Status. In der vierten Sitzung - am 8. September - erstellten sie einen langen Katalog von Staaten, deren Garantie für die hanseatischen Freiheiten gesichert werden müsse. Darunter zählten die Deputierten neben den europäischen Großmächten auch die Vereinigten Staaten, Spanien, Portugal, Neapel, Italien, Holland, Schweden, Dänemark und sogar einige norddeutsche Staaten - namentlich: Kurhessen, Kursachsen, Oldenburg und Mecklenburg. 263 Um einen erzwungenen Beitritt zum preußischen Nordbund zu umgehen, beabsichtigte die Hanse also, sich ihren alten Sonderstatus auf europäischer Ebene neu garantieren zu lassen. In den Konferenzen sprachen sich die Hansestädte dementsprechend klar gegen einen Anschluss an das preußisch-norddeutsche Projekt aus. Diese Stoßrichtung in ihrer außenpolitischen Praxis konkretisierten die Repräsentanten in der fünften Sitzung. Dort stimmten sie überein, „auf die nähere Einladung und Eröffnung Preußens keine bestimmte Abneigung zu zeigen, sondern vielmehr nur Aufschub und Zeit zu gewinnen", bis die Rechte der freien Städte auf europäischer Ebene garantiert würden. 264 Nach der fünften Sitzung wurden die Konferenzen abrupt unterbrochen. Bourrienne, der über die Zusammenkunft informiert war, 265 lud den Syndikus Dormann zu sich, um „quelque chose d'importance" - nämlich seine Geldschenkung - zu diskutie-
262 Dormann schlug in der ersten Sitzung vor, der französischen Regierung 300.000 Taler zu bezahlen, von denen ein Drittel erst nach dem Eingang offizieller Garantien von Paris zu entrichten sei; siehe ausführlich: Hanseatische Deputation oder Hansetag zu Lübeck, in: StAh, 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8b Fasz. 30b, f° 1-8, hier f° 5. Duplikaten der Protokolle und des anschließenden Gutachtens sind ebenfalls im Lübecker und Bremer Archiv vorhanden; siehe: AHL, ASA, Externa, Hanseatica 346, respektive StAB, RA, 2-B.5.e., 1. 263 Hanseatische Deputation oder Hansetag zu Lübeck, in: 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8b Fasz. 30b, f° 16-20. 264 Ebd., f° 20-24; hierzu auch bei: Bippen, Wilhelm von: Johann Smidt. Ein hanseatischer Staatsmann, Stuttgart/Berlin 1921, S. 74. 265 So nach seinem Schreiben an denfranzösischen Außenminister; Bourrienne an Talleyrand. Hamburg, 2. September 1806, in: AE, CP Hambourg 119, f° 118-119.
V. Handels- und Außenpolitik
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ren. 266 Bis zu Dormanns Rückkehr vertagten die Hanseaten die Konsultatio267
nen. Das Vorgehen der Hanse war also in der ersten Konferenzrunde darauf bedacht, ihre wirtschaftliche wie politische Freiheit zu behaupten. Es kam aber zunächst zu keiner definitiven Entscheidung, auch nicht bezüglich des preußischen Nordbundes.
266 Ders. an Dormann. Hamburg, 2. September 1806, in: StAB, RA, 2-B.5.e., 3, f° 22; nach eigenen Angaben forderte Bourrienne sechs Millionen livres von der Hanse; siehe: Bourrienne , S. 89-90 sowie Hildebrand , S. 25-26. 267 Die Konferenzen wurden Anfang Oktober 1806 wieder aufgenommen; siehe ausführlich Teil D. IV.
D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
I. Der Oubril-Vertrag Die Ergänzung des mitteleuropäischen Systems durch den Nordbund bildete nur einen Teil von Talleyrands Bemühungen zur Sicherung des Friedens auf dem Kontinent. Ihm war stets bewusst, dass die jüngsten Spannungen im Südosten (in der Bucht von Cattaro) und im Norden (in Hannover), der langjährige Konflikt mit England und nicht zuletzt Napoleons eigene hegemonialen Ambitionen seinem Projekt eines gesamteuropäischen Rétablissements im Wege stünden. Gezielt fing er daher an, die neuen sowie die alten Spannungen mit den europäischen Mächten abzubauen, um die Rivalen Frankreichs in ein neues balanciertes System zusammenzuschließen. Als ersten Schritt spannte er hierzu im Frühjahr 1806 eine russische Friedensinitiative für die Zwecke seines Projekts ein. Zu Verhandlungen zwischen Frankreich und Russland kam es aufgrund einer russischen Initiative. Aus zwei Gründen initiierte Alexander I. die Friedensgespräche mit Paris. Erstens wünschte er scheinbar nicht, infolge der Friedensabschlüsse zwischen Frankreich und Österreich respektive Preußen und den süddeutschen Staaten in Mitteleuropa isoliert zu werden. Zweitens glaubte er, jetzt (Ende April), nachdem sich Russland gegenüber Frankreich militärisch und machtpolitisch in Cattaro und in Ragusa hatte behaupten können, aus einer stärkeren Position verhandeln und dementsprechend bessere Friedenskonditionen erhalten zu können.1 Den ehemaligen russischen chargé d'affaires in Paris, Peter Jakolevic Baron de Oubril, 2 betraute der Zar daher mit der geheimen Mission, die „bonne harmonie avec la France sur des bases solides" wiederherzustellen.3 Ende Juni 1806 entsandte er Oubril nach Paris unter dem Deckmantel eines „agent pour les prisonniers", um angeblich die Befreiung russischer Kriegs-
1
Mouraieff, S. 185. Tatiscev, Sergej: Alexandre I e r et Napoléon. D'après leur correspondance inédite 1801-1812, Paris 1891, S. 98-99. Oubril wurde Ende Mai 1804 infolge der EnghienAffâre abberufen; siehe hier oben Teil B. I. 3 Alexander I. an Oubril. Petersburg, 30. April 1806, in: RPTA, Bd. 8, S. 475-476. 2
I. Der Oubril-Vertrag
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gefangener zu veranlassen.4 Oubrils eigentliches Mandat lautete allerdings, gemeinsam mit dem englischen Repräsentanten Friedensverhandlungen mit Frankreich aufzunehmen und jeden Vertrag, der den russischen Interessen entspräche, sub spe rati (d. h. in der Hoffnung, er werde angenommen) zu unterzeichnen.5 Mit diesen Instruktionen war es beabsichtigt, die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition zu stärken und die politische Zielsetzung Petersburgs friedlich durchzusetzen. In den Konferenzen sollte Oubril stets darauf bedacht sein, den Status quo in Dalmatien, Ragusa und Sizilien aufrechtzuerhalten, die Integrität der Schweizer Eidgenossenschaft garantieren zu lassen und in erster Linie der Umwälzung Mitteleuropas vorzubeugen.6 Dieses letzte Ziel der russischen Mission erwies sich als der Schwachpunkt in seinen Anweisungen. Denn bis Oubril schließlich in Paris eintraf, hatte sich die Lage in Europa radikal verändert, so dass der Gesandte sich letztlich gezwungen sah, die Interessen seines Landes nach eigenem Ermessen zu vertreten. Während Oubril vergeblich hoffte, von der russischen machtpolitischen Stärke im Südosten Gebrauch machen zu können, um Frankreich zum Frieden in Westeuropa zu drängen, gelang es Talleyrand, die französische Machtüberlegenheit in Mitteleuropa als Druckmittel in den Verhandlungen mit Russland zu benutzen und Russland zu Zugeständnissen im Südosten des Kontinents zu zwingen. Bis der französische Außenminister die Umbildung Süddeutschlands besiegelte und somit die französische Verhandlungsposition verbessert hatte, zögerte er die Aufnahme der Verhandlungen mit Oubril hinaus. Zunächst ließ er Oubril an der Straßburger Grenze aufhalten. Unter dem Vorwand, dass man Instruktionen aus Paris erwarte, 7 verwehrten die Grenzposten dem Baron die Durchfahrt nach Paris vier Tage lang.8 Als dieser in Paris ankam, erklärte ihm Talleyrand am 9. Juli 1806, er werde gemeinsame Konferenzen mit Russland und England nach dem Zusammenbruch der dritten Koalition nicht akzeptieren. 9 Als der russische Gesandte in dieser Angelegenheit schließlich einlenkte, begann Talleyrand Oubril in der europäischen Frage unter Druck zu setzen und den thematischen Schwerpunkt der Verhandlungen vom Südosten nach Westen zu verlagern. Schon während des ersten Gespräches signalisierte Talleyrand, dass die Zukunft der Organisation Mitteleuropas von der russischen Entschei-
4
Tatiscev, S. 98-99; siehe hierzu auch die früheren Bemerkungen von Czartoryski; Czartoryski an Talleyrand. Petersburg, 12. Mai 1806, abgedruckt in: Mouraiejf, S. 178179. 5 Vollmacht des Zaren Alexander I. an Oubril. Petersburg, 12. Mai 1806, abgedruckt in: ebd., S. 178. 6 So lässt sich aus einem späteren Schreiben Oubrils an den russischen Außenminister schließen; siehe: Oubril an Czartoryski. Paris, 9. Juli 1806, in: ISIRO, Nr. 122. 7 Der Präfekt von Niederrhein an Oubril. Straßburg, 29. Juni 1806, in: ebd., Nr. 114. 8 Oubril an Czartoryski. Straßburg, 3. Juli 1806, in: ebd., Nr. 120. 9 Ders. an dens., Paris, 9. Juli 1806, in: ebd., Nr. 121.
162
D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
dung abhängig sei, Frieden mit Frankreich zu schließen.10 Durch den englischen Repräsentanten in Paris, Lord Yarmouth, der seit Juni inoffiziell mit der französischen Regierung sondierte, ließ der französische Außenminister ferner durchsickern: „que si la paix ne se faisait pas, l'empire germanique serait détruit...". 11 Talleyrand war sich im Klaren darüber, dass der russische Zar, ein Verfechter des Ancien Régime, alles in seiner Macht tun würde, um die Zerstörung des Alten Reichs und somit die Umwälzung der alten Ordnung zu verhindern. Dem russischen Kontrahenten enthielt er daher jegliche Information über die faktisch bereits vollzogene Umbildung Europas durch die Gründung des Rheinbundes vor und drängte ihn zum Abschluss eines Vertrags mit Frankreich. Am 19. Juli forderte Talleyrand Oubril ultimativ dazu auf, innerhalb von 24 Stunden einen Vertrag zu unterzeichnen oder die Stadt zu verlassen. 12 Im Laufe der vorhergegangenen 36 Stunden, notierte sich Oubril tags darauf, habe er 30 Konferenzen mit dem französischen Außenminister absolviert. 13 Unter Druck und aus Sorge vor einer grundlegenden Änderung im europäischen System, die ohne sein Wissen bereits erfolgt war, paraphierte Oubril am 20. Juli 1806 den von Talleyrand diktierten Allianzvertrag. 14 Gemäß seinen Instruktionen und ungeachtet Talleyrands Protest fügte er seiner Unterschrift die Bezeichnung sub spe rati bei. 15 Der Oubril-Vertrag ermöglichte Talleyrand, das napoleonische Vertragssystem in neue Bahnen zu lenken. Durch die Allianz konnte er sich dem Ziel einer „pacification générale de l'Europe" (Vertragspräambel) nach dem alten Gleichgewichtsprinzip weiter nähern. 16 Indem Talleyrand (Art. 9) den Frieden schloss, (Art. 12, 10) die diplomatischen sowie die kommerziellen Beziehungen zu Russland normalisierte und (Art. 3) Petersburg den Preßburger Vertrag mit Österreich sanktionieren ließ, bezog er Russland ins neue System mit ein. Somit neutralisierte er auch von vornherein jeglichen Druck auf die Ostgrenze des Rhein- respektive des künftigen Nordbundes und sicherte sein künftiges System ab. Zweitens gelang es dem Außenminister, Spannungen in Mittel-, Nord- und Südosteuropa, zumindest auf dem Papier, abzubauen. Die russische Bereitschaft
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Siehe vorherige Anm. Ders. an dens., Paris, 10. Juli 1806, in: ebd., Nr. 123. Ähnlich äußerte sich Yarmouth gegenüber dem englischen Kabinett: „If peace was made, Germany should remain in its present state"; siehe: Yarmouth an Fox. Paris, 9. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 19. 12 Oubril an Stroganoff. Paris, 29. Juli 1806, in: Michailovich , Bd. 3, Nr. 221. 13 Ders. an dens. Paris, 20. Juli 1806, in: ebd., Nr. 231. 14 Traité de paix et d'alliance conclu à Paris le 20. juillet 1806 entre la France et la Russie, abgedruckt in: RTF, S. 180-182; siehe hierzu auch den Bericht in: Kaiserlichkönigliche privilegierte Wiener Zeitung, Mittwoch, 6. August 1806. Shupp, S.101. 16 Zum Vertragstext siehe: Traité de paix et d'alliance conclu à Paris le 20. juillet 1806 entre la France et la Russie, abgedruckt in: RTF, S. 180-182. 11
I. Der Oubril-Vertrag
163
(Art. 3, 4, 5), Cattaro, Ragusa und die Ionischen Inseln zu räumen, und die französische Erklärung (Art. 7), nach der Übergabe der Bucht die Grande Armée aus den deutschen Gebieten abzuziehen, sollte sowohl die Streitigkeiten im Südosten als auch die in Mitteleuropa definitiv beilegen. Zudem sollte auch die angespannte Lage in Norddeutschland durch russische Intervention (Separatartikel 2) für die Rückgabe von Schwedisch-Pommern an Gustav IV. entschärft werden. Um die Rahmenbedingung für seine geplante Friedenskonstellation zu schaffen, integrierte Talleyrand schließlich auch das napoleonische Frankreich in sein System. Hierzu kam er einerseits den Forderungen Napoleons zur Stärkung der französischen Macht an der Adria und im Mittelmeer nach17 und ließ andererseits (Art. 6) die Integrität des Osmanischen Reichs sowohl von Frankreich als auch von Russland vertraglich garantieren. Somit hoffte Talleyrand, wie in seinem projet von Straßburg, Napoleons Machtaspirationen, vor allem im Orient, ein für allemal zu saturieren. Der Oubril-Vertrag spiegelte darum nicht die hegemoniale Außenpolitik des französischen Kaisers wider, wie Paul Shupp und Ernst Heymann behaupteten,18 sondern war vielmehr gegen diese gerichtet. Mit seiner Entscheidung wollte Oubril dem Wunsch des Zaren Alexander I. nach Frieden und Gleichgewicht nachkommen. Er agierte, im Gegensatz zu der These von Theodor Schiemann, nach den außenpolitischen Maximen seiner Regierung und darum durchaus im Rahmen seiner Vollmacht. 19 Er erkannte den Zusammenhang zwischen der Räumung der adriatischen Bucht und dem Abzug der französischen Truppen aus Mitteleuropa. Er wusste darüber hinaus, dass allein davon die europäische Stabilität abhing. In dem Sinne erläuterte er dem russischen Gesandten in London Stroganoff, dass er durch seine Unterzeichnung den völligen Zusammenbruch Österreichs und des gesamten Gleichgewichtssystems habe abwenden wollen. 20 Ähnlich legte er auch nach seiner Ankunft in Petersburg dem neuen russischen Außenminister, Baron Andreas von Budberg, dar, 21 dass mit dem neuen Friedensvertrag der Rückzug der französischen Streitkräfte aus Deutschland und damit die Wiederkehr des Friedens endlich gesichert seien.22 Für die Stabilisierung der Lage auf dem Kontinent war 17
Dies wollte er durch die Absetzung des Königs von Sizilien und Neapel Ferdinand IV. (Separatartikel 1) erreichen. Als Entschädigung sollte Ferdinand IV. die Balearen erhalten; siehe: Heymann, S. 94-95. 18 Ebd., S. 23-36; Shupp, S. 92. 19 Schiemann, S. 273. 20 Oubril an Stroganoff. Paris, 21. Juli 1806, in: MichailovicK Bd. 3, Nr. 222. 21 Mouraieff\ S. 189. Budberg übernahm am 29. Juni 1806 das Ressort des zurückgetretenen Ministers Czartoryski. Von diesem Personal Wechsel im russischen Ministerium scheint Oubril, erst nach seiner Rückkehr nach Russland am 6. August erfahren zu haben. 22 Oubril an Budberg. Petersburg, 7. August 1806, in: ISIRO, Nr. 136.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
Oubril also bereit, auf Cattaro, den wichtigsten russischen Stützpunkt an der Adria - der Stein des Anstoßes zwischen Paris und Petersburg - , zu verzichten. Seine Entscheidung für die Preisgabe von Cattaro erklärte nun Oubril damit, dass die militärische Macht Russlands an der dalmatinischen Küste ohnehin unzureichend sei, um künftige französische Aggressionen abzuwehren. 23 Im Anschluss daran ließ Oubril seinen Beschluss umsetzen. Er informierte Admirai Senjawin über die Vertragsbestimmungen und ordnete die Räumung von Cattaro an. 24 Oubrils Entscheidung in der Cattaro-Angelegenheit war umstritten. Nachträglich übte sogar Außenminister Budberg daran Kritik, Oubril habe in dieser Hinsicht „entièrement contraire aux instructions" gehandelt.25 Oubril selbst beteuerte hingegen, er sei „conforment aux pouvoirs" vorgegangen. 26 In Wahrheit scheint er tatsächlich dem Ziel seiner Regierung gefolgt zu sein und im Rahmen seiner Vollmacht agiert zu haben. Ähnlich wie Haugwitz im Dezember 1805 sah sich auch Oubril Mitte Juli 1806 mit einer neuen Situation konfrontiert, die in seinen konkreten Instruktionen nicht vorgesehen war. Wie Haugwitz orientiert sich daher auch Oubril an den Maximen seiner Regierung und an dem russischen „officiai mind", an den Ideen, Konzepten und Ansichten in petersburgschen Regierungskreisen. Dort kursierten auch Stimmen, die andeuteten, man dürfe auf Cattaro, trotz seiner strategischen Bedeutung, zwecks kontinentaler Friedenssicherung verzichten. So sprach sich z. B. Czartoryski, Budbergs Amtsvorgänger, bereits Anfang Mai eindeutig aus, man solle Cattaro, im Fall einer direkten Gefährdung Österreichs durch Frankreich, räumen. 27 Selbst der Zar habe geglaubt, schrieb Budberg, „qu'il ne serait d'autre parti à prendre que de laisser les Autrichiens entrer dans cette place [Cattaro]", und ordnete sogar drei Tage vor der Vertragsunterzeichnung mit Frankreich den Abzug der russischen Truppen aus der Bucht an. 28 Diese Meinungen dürfte Oubril gekannt ha-
23 So äußerte sich Oubril am Tag der Vertragsunterzeichnung gegenüber dem russischen Gesandten in London; siehe: ders. an Stroganoff. Paris, 20. Juli 1806, in: Michailovich, Bd. 3, Nr. 231. 24 Projet de lettre à Mr. l'Amiral Senjawin. Paris, 20. Juli 1806, in: AE, CP Russie 144, f° 102-105; vgl. auch mit dem folgenden Schreiben: Oubril an Senjawin. Paris, 20. Juli 1806, in: ISIRO, Nr. 132. 25 Budberg an Rasumovskij. Petersburg, 31. Juli 1806, in: Michailovich, Bd. 3, Nr. 245; hierzu auch: Schiemann, S. 273. 26 Projet de lettre à Mr. l'Amiral Senjawin. Paris, 20. Juli 1806, in: AE, CP Russie 144, f° 103 f. 27 Denkschrift Czartoryskis. Petersburg, 2. Mai 1806, in: ISIRO, Nr. 18. 28 Dies den Instruktionen Budbergs an den russischen Gesandten in Wien zufolge; siehe: Budberg an Rasumovskij. Petersburg, 17. Juli 1806, abgedruckt in: Wassiltchikow, S. 284-286; so berichtete auch der österreichische Gesandte in Petersburg bereits Ende April nach einer Audienz beim Zaren; siehe: Merveldt an Stadion. Petersburg, 26. April 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 108, f° 279-282, hier f° 279.
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung
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ben. Auf deren Grundlage entschloss er sich, den Vertragstext zu signieren, zumal er keine positiven Instruktionen besaß. Ungeachtet der anfänglichen Kritik Budbergs am Vorgehen des russischen Sondergesandten, schien Ende Juli 1806 der Frieden zwischen Frankreich und Russland besiegelt gewesen zu sein. Die Ratifizierung des jüngsten Vertrags sollte (gemäß Artikel 13.) innerhalb von 25 Tagen erfolgen. In Paris erwartete man dabei keine Schwierigkeiten. Der Vorstoß Talleyrands zu einem gesamteuropäischen Rétablissement gewann dadurch einen wichtigen Vorsprung. 29 Angesicht der Gründung des Rheinbundes, der Planung eines parallelen Bundes im Norden, des Friedens mit Österreich und der Allianz mit Preußen schien zu diesem Zeitpunkt, im Zenit der napoleonischen Herrschaft, die Idee des Gleichgewichts auf dem Vormarsch gewesen zu sein. Die neue Ordnung sollte jetzt vervollständigt werden und genau hierfür nahm Talleyrand, parallel zu den Konferenzen mit Oubril, Friedensverhandlungen mit England auf.
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung Noch im Frühjahr 1806 dachte der französische Außenminister daran, den bisherig größten Rivalen des Kaiserreichs, nämlich England, in sein Friedenssystem einzubeziehen.30 Wie bei den Verhandlungen mit Russland griff er auch in diesem Fall die Initiative des Gegners auf und spannte sie für seine politischen Ziele ein. Die Friedensverhandlungen zwischen England und Frankreich initiierte das Kabinett von St. James. Die Entwicklungen innerhalb der englischen Regierung, aus denen eine kriegerische Einstellung gegenüber Preußen hervorging, führten zugleich zu einer neuen Friedensbereitschaft gegenüber Englands größtem Feind, Frankreich. Das neue Ministry of all Talents trug zur Änderung der englischen Frankreichpolitik bei. 31 Lord Granville, der einst gemeinsam mit Pitt die englische Koalitionspolitik konzipiert hatte, dirigierte das neue Kabinett. Es war allerdings Außenminister Fox, der die außenpolitische Praxis des Talents determinierte. Gegenüber Paris zeigte sich Fox, selbst der Meinung französischer His-
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Siehe hingegen die These von Paul Shupp und Ernst Heymann, nach der vornehmlich Napoleon den Friedensvertrag mit Russland zur Förderung seiner Hegemonialpolitik initiierte; Heymann, S. 23-36; Shupp, S. 92. 30 Siehe hingegen die These von Coquelle; Coquelle, S. 86-89; ähnlich auch: HeymannS. 103. 31 Schweder (1994), S. 302.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
toriker zufolge, 32 durchaus friedlich gesinnt. Bereits 1805 sprach er sich deutlich gegen den dritten Koalitionskrieg aus und bezeichnete ihn als „the foolishest of all wars!". 33 Nach dem Scheitern der dritten Koalition bei Austerlitz wurde Fox klar, dass man eine friedliche Lösung für den englisch-französischen Konflikt finden musste. Jetzt sah er zum einen, dass die antifranzösische Front Napoleon nicht mit militärischen Mitteln besiegen würde. Zum anderen verstand er angesichts der Umbildung Mitteleuropas und des Verlustes der englischen kontinentalen Besitzungen in Hannover, dass England politisch benachteiligt wäre, wenn es an der neuen Ordnung nicht aktiv teilnähme. Aus diesen Gründen entschied sich Fox strategisch für einen Frieden mit Frankreich. Mit einer politischen Geste nahm er nun ersten Kontakt mit Talleyrand auf. Am 20. Februar 1806 wandte sich Fox direkt an seinen französischen Antipoden und übermittelte ihm Geheiminformation über ein vermeintlich geplantes Attentat an Napoleon. 34 In Paris nutzte Talleyrand diese Ouvertüre, um England schrittweise für seinen Friedensplan einzuspannen.35 Anfang März signalisierte er seinem Amtskollegen, Frankreich suche weiterhin den Frieden mit England. 36 Talleyrands klare Andeutung fand an der Themse Gehör. Es folgte ein Noten- und Ideenaustausch unter den Kontrahenten, die schrittweise den Charakter von Friedenspräliminarien annahmen. Englands Ziel im Frieden war es, den Status quo ante bellum wieder herzustellen und eine neue Ordnung des Gleichgewichts in Europa zu etablieren. Hierzu schlug Fox vor, die Verhandlungen auf der Basis des Vertrags von Amiens (1802) zu führen, 37 denn dieser sicherte die englische Einflussnahme auf den Kontinent (namentlich auf Hannover) und schränkte zugleich die französische Machtsphäre auf die Grenze von 1801 ein. England wünschte also die Ziele der Koalitionskriege zumindest teilweise im Frieden zu realisieren. Es betrieb weiterhin die Koalitionspolitik und bestand aus diesem Grund auf einem gemeinsamen Auftreten mit Russland in den Verhandlungen wie auch zuvor im
32 Siehe z. B. Lefebvre, Georges: Napoléon, Paris 1935, S. 219; sowie: Lefebvre, Armand: Histoire des cabinets de l'Europe pendant le consulat et l'Empire 1800-1815, Bd. 2, Paris 1845, S. 338. 33 Mitchell S. 199-200, 217. 34 Fox an Talleyrand. London, Downing Street, 20. Februar 1806, in: AE, CP Angleterre 603, f° 14. 35 So behauptet Talleyrand auch in seinen Memoiren; siehe: TM, Bd. 1, S. 303. 36 Talleyrand an Fox. Paris, 5. März 1806, in: Fox, Charles James: Memorial and Correspondence of Charles James Fox, hrsg. von Lord John Russell, Bd. 4, London 1857, S. 147-148. 37 Fox an Talleyrand. London, Downing Street, 26. März 1806, in: AE, CP Angleterre 603, f° 27-30.
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung
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Krieg. 38 „Toute négociation où la Russie ne serait pas compris comme partie", erklärte dementsprechend Fox dem französischen Außenminister „est absolument inadmissible".39 Talleyrand teilte, wie im Frühherbst 1805 auch im Frühjahr 1806, die Ziele der Koalition. Der Frieden von Amiens schien auch ihm eine annehmbare Verhandlungsbasis, 40 da er wohl glaubte, dadurch die napoleonische hegemoniale Expansion auf dem Kontinent in Schach halten zu können. Allerdings konnte er nach dem Zusammenbruch der dritten Koalition gemeinsame englisch-russische Verhandlungen auf keinem Fall akzeptieren und insistierte daher auf „traiter seul à seul". 41 Wie bei den Unterhandlungen mit Oubril visierte der Außenminister aus Prinzip sowie aus verhandlungstaktischen Gründen separate Konferenzen an. Die Aufnahme von Verhandlungen zwischen London und Paris wurde durch die Frage nach der Form der künftigen Konferenzen erschwert. Zu einer Wende kam es erst Mitte Juni 1806. In dem Moment, da England von der Sendung eines russischen Unterhändlers nach Paris erfuhr, entschloss sich das Kabinett von St. James, in den Verhandlungen ohne Russland aufzutreten. Hierzu wurde eilig ein eigener Unterhändler nominiert. 42 Die Wahl fiel auf Lord Yarmouth, der sich seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Frankreich in der französischen Metropole aufhielt. 43 Bereits Mitte Juni 1806, d. h. noch bevor Oubril in Paris eintraf, eröffnete der englische Diplomat erste Sondierungsgespräche mit Talleyrand in dessen Amtssitz im Hotel Matignon. 44 Die Sondierungsgespräche zwischen Talleyrand und Yarmouth wurden von drei Themen dominiert: erstens, der Restitution des hannoverischen Kurfürstentums, zweitens, dem Besitz von Malta und des Kaps der Guten Hoffnung und schließlich der Frage der Kontrolle über Sizilien. 45 38
Jupp, Peter: Lord Granville 1759-1834, Oxford 1985, S. 370-373; dabei erhielt er die Unterstützung des Königs; siehe: George III. an Fox. Windsor, 9. April 1806, in: Aspinall, Nr. 3329. 39 Ders. an dens. London, Downing Street, 21. April 1806, in: AE, CP Angleterre 603, f° 62-68. 40 Talleyrand an dens. Paris, 1. April 1806, in: ebd., f° 33-36. 41 Siehe hierzu vorherige Anm. sowie: ders. an dens. Paris, 16. April 1806, in: ebd., f° 51-53. 42 Kabinettsprotokoll. London, Downing Street, 13. Juni 1806, in: Aspinall, Nr. 3265; König George III. nahm den Kabinettsvorschlag den Tag darauf an: George III. Windsor, 14. Juni 1806, in: ebd. 43 Yarmouth selbst wies sein Kabinett darauf hin, dass die französische Regierung einen geheimen Verhandlungskanal suche; siehe: Yarmouth an Fox. Paris, 13. Juni 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 12. 44 Lorion , André: L'hotel Matignon pendant le consulat et l'empire, in: Revue de l'Institut Napoléon 101 (1966), S. 181-186, S. 183. 45 Thiers , Adolphe: Histoire du Consulat et de l'Empire, Bd. 6, Paris 1884, S. 542544.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
In den Gesprächen stellte Yarmouth die Forderung auf, das Prinzip von uti possidetis („was man besitzt") 46 als neue Basis für die künftigen Friedenskonferenzen, mit Ausnahme von Hannover, einzuführen. 47 Durch diese Richtlinie beabsichtigte er, dem englischen Königreich die Besitzungen am Kap, auf Malta und auf Sizilien sowie die Restitution von Hannover definitiv zu sichern. Dabei zielte er, wie im dritten Koalitionsvertrag, darauf ab, die dynastischen Interessen (in Hannover) sowie die Handelsinteressen Englands geltend zu machen. Talleyrand war seinerseits bereit, in fast allen Fragen einzulenken. „They [die Franzosen]", berichtete Yarmouth, „considered [...] Hanover for the honour of the crown, Malta for the honour of the navy, and the Cape of Good Hope for the honour of the British commerce". 48 Talleyrand wollte England die gewünschten kommerziellen Vorteile einräumen und die englische Krone in Norddeutschland wiederherstellen, um London in sein europäisches System eingliedern zu können. Allein in der Sizilien-Frage konnte er keine Kompromisse machen, denn Talleyrand lavierte, wie zuvor nicht nur gegenüber England, sondern auch gegenüber Napoleon. So musste er in den Verhandlungen mit Yarmouth zugleich die englischen Forderungen berücksichtigen und die napoleonische Machtexpansion bremsen. 49 In der Sizilien-Angelegenheit weigerte sich Napoleon nachzugeben. Den König von Sizilien und Neapel, Ferdinand IV., wollte er durch seinen Bruder Joseph ablösen.50 Dabei plante er, nicht nur die Präsenz der Bourbonen-Dynastie in Europa definitiv zu beseitigen, sondern vor allem auch die französische Position im Mittelmeerraum auszubauen. Um Napoleons Unterstützung für einen Frieden mit England zu gewinnen, musste Talleyrand also in dieser Frage dem Wunsch seines Staatsoberhaupts nachkommen. Wohl darum hielt er Yarmouth die merkwürdige Argumentation vor, Sizilien könne (und werde) von den französischen Streitkräften mühelos eingenommen werden, weshalb das uti possidetis in diesem Fall nicht gelte, obwohl gegenwärtig Ferdinand IV. weiterhin über die Insel regiere. 51 Für England wie für Napoleon hatte Sizilien eine wichtige kommerzielle und strategische Bedeutung. Man wollte daher nicht ohne weiteres das englische Protektorat in Sizilien aufgeben, zumal die Insel sich weiterhin in den Händen des England wohl gesonnenen Ferdinands IV. befand. Talleyrand hoffte den46
D. h. die Regel, nach der jede Seite seine tatsächlichen Besitzungen behält. Yarmouth an Fox. Paris, 19. Juni 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 14. 48 Siehe vorherige Anm. 49 Zur Bedeutung Siziliens in den Augen Napoleons siehe: Note sur la situation de mes affaires politiques pour le ministre des relations extérieurs. Paris, undat., in: AE, MD France 1777, f° 74-77, hier f° 75. 50 Thiers, S. 542-544. 51 Yarmouth, an Fox. Paris, 1. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 16. 47
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung
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noch, einen Kompromiss in der Sizilien-Frage erzielen zu können. Gleich im Anschluss an seine Sizilien-Erklärung schlug er vor, den König nach seiner Absetzung mit der Kontrolle über die Hansestädte zu entschädigen.52 Diese etwas bizarre Idee wies London sofort zurück, ließ aber die prinzipielle Möglichkeit einer alternativen Entschädigung durchaus offen. 53 So prüften in den ersten Juliwochen beide Seiten verschiedene Kompensationsmodalitäten für Ferdinand IV. Fox zog Talleyrands Idee in Betracht, Dalmatien, Albanien und Ragusa an den König abzutreten, vorausgesetzt dass ihm auch der Besitz der strategischen Gebiete von Istrien und Venedig, womöglich inklusive der Lagunenstadt selbst, eingeräumt würde. 54 Der englische Außenminister hoffte dadurch, den Einfluss Londons in der Adria aufrechterhalten zu können. Folglich instruierte er Lord Yarmouth, vom Prinzip des uti possidetis abzurücken und einen passenden Ausgleich für Sizilien zu suchen. Nur wenn dies nicht gelänge, so Fox, müsse Yarmouth auf das uti possidetis zurückgreifen. 55 Die Sondierungsgespräche zwischen Yarmouth und Talleyrand führten zunächst weder zu einem Kompromiss noch zur Aufnahme offizieller Friedensverhandlungen. Erst infolge der russischen Vertragsunterzeichnung kamen die Gespräche in Gang, denn diese machten die englischen Forderungen nach gemeinsamen Verhandlungen mit Russland zunichte und regelten, zumindest auf dem Papier, die Kontrollfrage über Sizilien ohne englische Beteiligung. 56 Bereits am 19. Juli konnte Yarmouth den englischen Außenminister benachrichtigen, dass der Abschluss eines Friedens zwischen Frankreich und Russland bevorstehe. Im Rahmen dieses Vertrags, fügte Lord Yarmouth hinzu, solle Ferdinand IV. auf Sizilien ab- und auf den Balearen (Mallorca, Ibizia und Menorca) eingesetzt werden. 57 Unter diesen Umständen entschied sich der englische Gesandte, offizielle Verhandlungen mit dem französischen Kaiserreich aufzunehmen. Gegen seine Anweisungen, die es ihm kategorisch verboten, seine Vollmacht vor der Regelung der Sizilien-Frage vorzuweisen, 58 zeigte er auf eigene Initiative am 21. Juli 52
Ders. an dens. Paris, 1. Juli 1806, 24:00 Uhr, in: ebd., Nr. 17. Fox an Yarmouth. London, Downing Street, 5. Juli 1806, in: ebd., Nr. 18. 54 Yarmouth an Fox. Paris, 9. Juli 1806, in: ebd., Nr. 19. 55 Fox an Yarmouth. London, Downing Street, 18. Juli 1806, in: ebd., Nr. 20. 56 Über die Schwierigkeiten beim Versuch, das Vorgehen beider Mächte zu koordinieren, siehe z. B. Granville an Fox. Dropmore, 22. Juni 1806, in: Fitzpatrick, Walter (Hrsg.): Report on the Manuscripts of J. B. Fortescue, Esq. preserved at Dropmore, Bd. 8, London 1912, S. 195-196. 57 Yarmouth an Fox. Paris, 19. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 21; siehe hierzu auch: Shupp, S. 97-98. Dies wurde in der Tat im OubrilVertrag (Separatartikel 1) bestimmt; Heymann , S. 94-95. 58 So erklärte Fox dem englischen Monarchen Ende Juni; siehe: Fox an George III. Stable Yard, 22. Juni 1806, in: Aspinall, Nr. 3271. 53
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
sein Mandat vor. 59 In London sorgte die Aktion des Diplomaten für Aufruhr. Fox warf seinem Gesandten die Schwächung der englischen Position in den Verhandlungen vor und rügte ihn: „by producing your Powers on the very day after the signature of the Russian treaty, an impression may have been created very unfavourable to the further progress of the negotiations."60 Auf Wunsch des Premiers Lord Grenvile wurde nun Lord Yarmouth ein zusätzlicher und gehorsamerer Unterhändler zugeteilt.61 König George III. bestätigte umgehend die Nominierung des zweiten Unterhändlers. 62 Zwei Tage später teilte Fox Yarmouth mit, dass sich der Earl von Lauderdale ihm baldig anschließe und dass er bis zu dessen Ankunft die Konferenzen zeitweilig aussetzen möge.63 Durch den Abschluss des Oubril-Vertrags konnte also Talleyrand seinen Gegner in einem diplomatischen Coup schwächen und ihn zu offiziellen Verhandlungen bewegen. Gleich im Anschluss daran drängte er London, die Konferenzen zu einem prompten Abschluss zu bringen. Nachdem Yarmouth seine Vollmacht vorgelegt hatte, nutzte Talleyrand die neue Dynamik in den Gesprächen, um England zu Konzessionen zu drängen. Er kannte die Bedeutung Hannovers für die englische Krone und die Wünsche der Regierung Georges III., den Status quo aufrechtzuerhalten, und begann daher diesbezüglich Druck auf Yarmouth auszuüben. Zunächst warnte er, wie zuvor bei den Verhandlungen mit Oubril, dass England nur durch einen schnellen Friedensabschluss die Änderungen in Europa, vornehmlich in dessen deutschem Zentrum, abwenden könne. 64 Damit London seine Entscheidung über einen Friedensschluss nicht aufschieben würde, ließ er anschließend durchblicken, dass man sich in Paris überlege, Preußen die Kontrolle über Hannover endgültig zu überlassen. Nach dem Bericht des englischen Unterhändlers meinte Talleyrand hierzu: „Prussia demands from us [Frankreich] a declaration respecting Hanover; we can not [...] lose the only ally France has had since the revolution; the declaration once made nous n'en pouvons nous rétracter." 65
59 Yarmouth an Fox. Paris, 21. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 23. 60 Fox an Yarmouth. London, Downing Street, 26. Juli 1806, in: ebd., Nr. 26. 61 Observations on Lord Yarmouth. Lord Granville. London, 21. Juli 1806, in: FitzpatricK S. 244-246. 62 George III. an Granville. Windsor, 26. Juli 1806, in: ebd., S. 246. Der König selbst meinte am selben Tag: „[Yarmouth] has not shown great judgement in his proceedings". 63 Fox an Yarmouth. London, Downing Street, 28. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 27. 64 Siehe hierzu auch die Rede Yarmouths im englischen Unterhaus am 5. Januar 1807, in: Hansard, Bd. 8, S. 325-332. 65 Yarmouth an Fox. Paris, 30. Juli 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 28.
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung
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Talleyrand konnte nun einen wichtigen Erfolg verbuchen. Infolge seiner diplomatischen Offensive legte Godard, der englische Legationssekretär in Paris, am 6. August ein umfassendes Friedensprojekt vor, welches die von Talleyrand anvisierte europäische Neuordnung legitimieren sollte. 66 Im Vertragsprojekt akzeptierte nämlich England den ersten Separatartikel im Oubril-Vertrag und erklärte sich bereit (Art. 4, 5.), zugunsten des jungen Josephs auf Sizilien zu verzichten und (Geheimartikel I.) nach Abdankung Ferdinands IV. seinen Sohn als Herrscher der Balearen anzuerkennen. Für einen Moment schien England also die Zielrichtung von Talleyrands Projekt, nämlich ein gesamteuropäisches Rétablissement, durchschaut zu haben. Wohl aus diesem Grund war es nun auch dazu bereit (Art. 7), die Restitution von Hannover mit einer angemessenen territorialen Entschädigung für Preußen zu verbinden, 67 so dass der Frieden zwischen Paris und Berlin nicht gefährdet würde. Darüber hinaus plante England (Geheimartikel II.), anstelle der Kurwürde von Hannover den Titel eines Großherzogs respektive eines Königs anzunehmen und somit die Reichsdesintegration noch vor dem offiziellen Auflösungsakt anzuerkennen. Das englische Projekt passte durchaus ins System Talleyrands. Mit seiner Realisierung hätte sowohl die Friedensstiftung auf dem Kontinent als auch die Einbeziehung Englands und Frankreichs in eine neu balancierte europäische Ordnung erfolgen können. Die Verhandlungen kamen aber erneut in Verzug und die englische Initiative wurde letztlich nicht konkret erörtert. Als am 5. August der zweite englische Unterhändler, Lord Lauderdale, in Paris eintraf, 68 änderte die englische Vertretung die Verhandlungstaktik und zeigte sich wenig kompromissbereit. Der Grund für den neuen Ton der englischen Vertreter war nicht nur die Berufung Lauderdales zum zweiten Unterhändler, sondern in erster Linie die vollzogenen geographischen und politischen Änderungen in Süddeutschland und im Alten Reich. Die Pläne für Süddeutschland, die dem französischen Außenminister zuvor als Druckmittel bei den Verhandlungen dienen konnten, wirkten jetzt gegen ihn. Gegenüber Clarke, Kriegsminister und zweiter französischer Unterhändler, 69 erklärte nun Lauderdale un66
Projekt des englischen Legationsekretärs Godard vom 1. August 1806 (präsentiert am 6. des Monats), in: CN, Bd. 13, Fußnote bei Nr. 10604. Der Text wurde in den Papieren des englischen Parlaments zu den Friedensverhandlungen (Papers relative to the negotiation with France) intendiert nicht abgedruckt; siehe hierzu: Coquelle, S. 109115. 67 Preußen wurde im Projekttext (Geheimartikel III) ein Territorium mit 400.000 Einwohnern (ohne konkrete Angabe zur Entschädigungsregion) zugesprochen. 68 Seit dem 5. August war Lauderdale als offizieller Unterhändler zugelassen; siehe: Lauderdale an Talleyrand. Paris, 5. August 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 31 A. 69 Clarke wurde am 7. August (nach der Nominierung Lauderdales) als zweiter französischer Unterhändler eingesetzt; siehe: ders. an Fox. Paris, 7. August 1806, in: ebd., Nr. 32.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
missverständlich: „La France a acquis de nouveaux avantages par les changements étendus qu'elle a faits dans la constitution de l'empire germanique, un arrangement [der Rheinbund], dont la prévention a été soumise par elle à la cour de la Grande Bretagne comme un motif puissant pour la conclusion immédiate de la paix...". 70 Lauderdale sah also in der Umgestaltung Mitteleuropas einen Grund, um die ursprüngliche Verhandlungsbasis von uti possidetis wieder in die Konferenzen einzuführen. Denn mit der Umstrukturierung des Alten Reichs veränderte sich zugleich auch das mitteleuropäische Gleichgewicht der Kräfte und somit die Grundlage für die gesamte kontinentale Balance of Power. Auf die englische Forderung reagierte Clarke ablehnend. Er rückte erneut die Sizilien-Frage ins Zentrum der Gespräche. Am 8. August wies er die Wiedereinführung von uti possidetis zurück und wiederholte die Behauptung Talleyrands von Anfang Juli, dass Frankreich die Insel mühelos in Besitz nehmen könne.71 Diese Argumentation löste die erste Krise in den Verhandlungen aus. Denn zum einen war Sizilien weiterhin in den Händen Ferdinands IV. und zum anderen wussten Yarmouth und Lauderdale seit Anfang August, dass ein französischer Überfall auf die Insel unwahrscheinlich war, da es General John Stuart noch im Juni gelungen war, in Kalabrien zu landen, dort strategische Schlüsselpositionen einzunehmen und sich darüber hinaus der für die Invasion in Sizilien bestimmten Vorräte der französischen Armee zu bemächtigen.72 Angesichts dessen konnten die englischen Unterhändler den Behauptungen von Clarke keine ernsthafte Bedeutung beimessen. Um den französischen Kontrahenten unter Druck zu setzen, verlangten sie tags darauf ihre Pässe.73 Das Gesuch wurde zweimal wiederholt, am 10. und am 11. August. 74 Talleyrand ließ die Passübergabe an Lauderdale und Yarmouth allerdings in die Länge ziehen.75 Dabei intendierte er: „de prolonger de quelques jour l'espoir de pacifier deux grandes Etats; et de faire cesser le fléau de la guerre sur les quatre parties du monde." 76 Der friedlich gesinnte Fox stimmte Talleyrand zu. Er wies seinen Bevollmächtigten an, das Gesuch um ihre Pässe zurückzunehmen und die Verhandlungen in Paris fortzusetzen. 77 Die erste Krise war überstanden.
70
Ders. an Clarke. 7. August 1806, in: ebd., Nr. 35A. Clarke an Lauderdale & Yarmouth. Paris, 8. August 1806, in: ebd., Nr. 35D. 72 Shupp, S. 120. 73 Lauderdale & Yarmouth an Clarke. Paris, 9. August 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 35F. 74 Siehe: ders. an Talleyrand. Paris, 10. August 1806, in: ebd., Nr. 36A; respektive ders. an dens. Paris, 11. August 1806, in: ebd., Nr. 36B. 75 Seine spätere Begründung lautete, Napoleon sei nach Rambouillet zum Jagen gegangen und habe daher die Pässe nicht unterschreiben können; siehe: Talleyrand an Lauderdale & Yarmouth. Paris, 16. August 1806, in: ebd., Nr. 39D. 76 Ders. an dens. Paris, 11. August 1806, in: ebd., Nr. 36E. 77 Fox an dens. London, Downing Street, 14. August 1806, in: ebd., Nr. 37. 71
II. England, Talleyrand und die kontinentale Neuordnung
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Die Sizilien-Frage dominierte aber weiterhin die Konferenzen im Hotel Matignon. Kurz nachdem Yarmouth auf eigenen Wunsch nach England zurückgekehrt war, 78 fingierte Lauderdale eine neue Krise, um in dieser Angelegenheit seinen französischen Antipoden zu überspielen. Am 22. August bat er wiederum um seinen Pass, diesmal lediglich provisorisch, für den Fall, dass die Unterhandlungen nach der englischen Vorgabe (d. h. nach dem Prinzip von uti possidetis mit Ausnahme von Hannover) nicht weiterverfolgt werden könnten.79 Drei Tage später übermittelte er Talleyrand seine angeblich definitive Forderung nach dem Pass.80 Talleyrand konnte in dieser Angelegenheit aber nicht nachgeben, denn er wusste, dass man nur durch die Besitznahme Siziliens die napoleonischen Expansionsbestrebungen im Mittelmeerraum befriedigen konnte. Seine Bemerkung am 27. August, dass Napoleon lieber in den Krieg ziehe, als auf Sizilien zu verzichten, war mehr als ein taktisches Manöver in den Verhandlungen. Sie spiegelte die wahre Sorge des französischen Außenministers vor dem Vorgehen seines eigenen Staatsoberhaupts wider. 81 Dies sah Lauderdale allerdings nicht ein. Er betrachtete die Erklärung Talleyrands als reine Taktik und erneuerte gegenüber Clarke und Champagny, dem französischen Innenminister und seit Ende August dritten Unterhändler, seine Forderung nach der Verhandlungsbasis von uti possidetis .82 Talleyrand reagierte mit einem Ablenkungsmanöver. Er mied bis zur voraussichtlichen Annahme des Oubril-Vertrags die Diskussion über Sizilien und stellte stattdessen England neue Vorteile in den französischen Kolonien in Aussicht. Clarke und Champagny ließ er am 29. August ankündigen, dass Frankreich in einem Friedensvertrag seine Besitzungen in Tobago und St. Lucie, die niederländischen Kolonien und den Malaiischen Archipel an England abtreten werde. 83 Durch diese Erklärung war die Krise in den Konferenzen beigelegt. Lord Lauderdale äußerte sich den Tag darauf optimistisch über den Ausgang der Verhandlungen. Die französischen Unterhändler, so schrieb er Außenminister Fox, „spoke in a style so perfectly different from any thing I had before heard, that I should not be more surprised if, at our next conference, they were to give them [die französischen Besitzungen in Übersee] up, than I was at the change of tone manifested on this occasion".84 Lauderdale
78 Siehe hierzu den folgenden Bericht: Lauderdale an Fox. Paris, 17. August 1806, in: ebd., Nr. 40. 79 Ders. an Talleyrand. Paris, 22. August 1806, in: ebd., Nr. 42A. 80 Ders. an dens. Paris, 25. August 1806, in: ebd., 42B. 81 So beschreibt Lauderdale seine Unterredung mit Talleyrand; siehe: ders. an Fox. Paris, 29. August 1806, in: ebd., Nr. 43. 82 Ders. an Clarke & Champagny. Paris, 29. August 1806, in: ebd., Nr. 43D. 83 Ders. an dens. Paris, 28. August 1806, in: AE, CP Angleterre 603, £° 192-193; hierzu auch die Bemerkungen bei: Coquelle, S. 119. 84 Lauderdale an Fox. Paris, 30. August 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 44. Zur Bedeutung der Kolonien für die englische Außenpolitik siehe:
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
wusste allerdings nicht, dass Clarke und Champagny gemäß einer direkten Anweisung Talleyrands handelten und dass dieser dabei lediglich Zeit gewinnen wollte, bis der Oubril-Vertrag ratifiziert sein würde. 85 Die Sizilien-Frage blieb also stets im Hintergrund. Der französische Außenminister glaubte weiterhin, sich durch ihre definitive Regelung im Rahmen des französisch-russischen Vertrags sowohl gegenüber Napoleon als auch gegenüber dem englischen Repräsentanten in Paris besser positionieren zu können, um die Verhandlungen zum gewünschten Friedensschluss zu bringen.
III. Vom Rétablissement zum Umbruch Talleyrands Projekt zu einem gesamteuropäischen Rétablissement erreichte im August 1806 eine kritische Phase. Da alle bisherigen Verträge und Verhandlungen aufeinander aufgebaut und miteinander eng verquickt waren, drohte der eventuelle Rückzug auch nur eines Staates, den fragilen Friedenskomplex von Talleyrand kollabieren zu lassen. Als Russland den Vertrag mit Frankreich nicht ratifizierte, kam es dann tatsächlich zum Umbruch. Alexander I. beschloss, den Vertrag mit Frankreich zurückzuweisen. In erster Linie war es die Umbildung Süddeutschlands, die den Zaren zum politischen Kurswechsel bewog. Alexander erkannte nämlich die Intention des französischen Außenministers nicht und sah deshalb die Gründung des Rheinbundes und die radikale Umgestaltung Mitteleuropas nicht im Kontext des Projektes von Talleyrand, sondern als eine weitere Stärkung der französischen Position auf dem Kontinent, d. h. als Teil der napoleonischen Hegemonialpolitik. General Ruffin, der aus Petersburg nach Paris mit der Nachricht über die Ablehnung des Vertrags zurückkehrte, äußerte sich folgendermaßen: „la nouvelle des événements en Allemagne avait en effet décidé le refus de Russie de ratifier cet acte de paix séparé." 86 Genau der Verhandlungsgegenstand, der Oubril Ende Juli 1806 zur Unterzeichnung animierte, führte ironischerweise zur Zurückweisung des Vertrags. Zudem trug zweitens auch der unbeständige Charakter des jungen Zaren dazu bei, dass er die russische Kompromisspolitik gegenüber dem Kabinett von St. Cloud so abrupt änderte. Als er von der Bildung des Rheinbundes
Mackesy, Piers: Strategie Problems of the British War Effort, in: Britain and the French Revolution 1789-1815, hrsg. von H. T. Dickinson, London 1989, S. 149-155. 85 Talleyrand an Clarke & Champagny. Paris, 28. August 1806, in: AE, CP Angleterre, f° 192-193. 86 So berichtete der österreichische Gesandte in Paris seinem Staatsminister; siehe: Metternich an Stadion. Paris, 16. September 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Frankreich, Kart. 198, Berichte, Metternich an Stadion, VII-VIII. 1806, f° 81-82, hier f° 81.
III. Vom Rétablissement zum Umbruch
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Kenntnis erlangte, reagierte er impulsiv. 87 Ohne zwischen der Politik Napoleons und der Talleyrands zu differenzieren, entschloss er sich, den Friedensplan zu verwerfen und fortan dezidierter gegen Frankreich aufzutreten. Im Hintergrund wirkten aber nicht zuletzt auch die russisch-preußischen Beziehungen auf die Entscheidung des Zaren. Nach langen geheimen Verhandlungen signierte der Zar am 24. Juli einen Allianzvertrag mit Berlin. 88 Dieser erweckte in Petersburg nun neue Hoffnungen auf eine Kooperation mit Preußen gegen Frankreich und auf eine Wiederbelebung der alten antifranzösischen Koalition. 89 Sie trug schließlich zum Kurswechsel in der Frankreichpolitik des russischen Staatschefs bei. Um diesen plötzlichen Kurswechsel im russischen außenpolitischen Handeln zu rechtfertigen, diskreditierte man das Vorgehen des russischen Sondergesandten in Paris. Budberg lastete ihm an, er sei „loin de remplir les instruction de S.M. l'Empereur". 90 Oubril, der sich bei seinem Handeln gegenüber Talleyrand getreu an den außenpolitischen Maximen seiner Regierung orientiert hatte, wurde allem Anschein nach zum Sündenbock gemacht. Denn immerhin waren auch andere russische Vertreter der Meinung, dass Oubril die Politik seiner Regierung aufrichtig vertrat. So glaubte z. B. der russische Botschafter in Wien, Rasumovskij, dass ungeachtet der Zurückweisung des Vertrags die Sicherheit des österreichischen Verbündeten einen Verzicht auf Cattaro bedinge. Folglich wies er Admiral Senjawin an, den Vertrag zu implementieren und die Hafenstadt unverzüglich zu räumen. 91 Als Oubril am 6. August in Petersburg erschien, gab Budberg dem französischen Außenminister den Entschluss des russischen Staatsoberhaupts bekannt. Bei der offiziellen Bekanntmachung teilte er Talleyrand mit, der Zar könne weder in der Sizilien-Frage noch in der Cattaro-Angelegenheit Zugeständnisse machen und stimme daher dem signierten Vertrag nicht zu. 92 Alexander selbst
87
Paleolouque, S. 7-9. So berichtete Hardenberg; siehe: Hardenberg an Friedrich Wilhelm III. Tempelberg, 19. August 1806, in: Ranke (1877), Bd. 3, S. 91-94. 89 Bradisteanu, S. 68. 90 Bulletin Nr. 61, an Haugwitz, Herzog von Braunschweig und General Schulenburg. 30. August 1806, aus Petersburg, 12. & 15. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz.410. 91 Rasumovskij an Budberg. Wien, 16. August 1806, in: Wassiltchikow, S. 391-394. 92 Budberg an Talleyrand. Petersburg, 6. August 1806, in: Michailovich, Bd. 3, Nr. 254. Die Entscheidung des Zaren, den Vertrag nicht zu ratifizieren, unterbreitete Budberg anschließend auch den ausländischen Gesandten in Petersburg und den russischen Vertretern im Ausland; siehe hierzu: Note des Herrn Budberg an die russischen Gesandten im Ausland. Petersburg, 16. August 1806, in: RPTA, Bd. 8, S. 477-478; respektive: Note des russisch-kaiserlichen Staatsministers der auswärtigen Angelegenheiten an die ausländischen Gesandten, wegen verweigerter Ratifikation des zwischen den russischen 88
D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
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nahm in seiner Deklaration keinen Bezug auf Cattaro oder auf Sizilien. Stattdessen ließ er verlauten, dass der Vertrag „ni à la dignité de notre Empire ni aux intérêts de nos allies" entspreche. „Nous", legte er schließlich offen, „désirons la paix", dennoch nur, wenn der Frieden mit den russischen Interessen konform 93
ginge. Die Bucht von Cattaro räumte Petersburg schließlich nicht. 94 Die Folgen der russischen Entscheidung für die Verhandlungen mit England und für die Beziehungen zu Preußen waren verheerend. Talleyrands Vorstoß, die Spannungen in Südost-, Nord- und Mitteleuropa abzubauen und Russland in ein neues europäisches System der Ordnung und des Gleichgewichts zu integrieren, erlitt eine schwere Niederlage. 95 Infolge der russischen Entscheidung kam es in den Friedenskonferenzen zwischen Frankreich und England zu einem kritischen Wendepunkt. Wie Napoleon und Alexander I. übersah auch der englische Außenminister das primäre Ziel der Pläne Talleyrands. Den Oubril-Vertrag betrachtete er dementsprechend nicht als Fundament einer neuen Friedenskonstellation, sondern als eine Gefahr für die Interessen Englands am Mittelmeer, nämlich in Sizilien. Aus diesem Grund hoffte Fox zunächst, die Ratifizierung des Vertrags vereiteln zu können. Hierzu wies er den englischen Botschafter in Petersburg an, er solle sich für die Zurückweisung des Vertrags einsetzen oder zumindest (wenn dies misslänge) dafür sorgen, dass der Vertrag erst nach einem englisch-französischen Friedensabschluss in Kraft treten würde. 96 Einen Kompromiss im Falle einer russischen Ratifizierung schloss Fox scheinbar nicht aus.97 Als aber am 9. August die
und französischen Bevollmächtigten verabredeten Friedensvertrags. Petersburg, 15. August 1806, in: ebd., S. 476-477. 93 Deklaration des Zaren an seine Untertanen. Petersburg, 18. August 1806 [das Dokument wurde allein mit dem julianischen Datum versehen; die obige Angabe bezieht sich auf den gregorianischen Kalender], in: AE, CP Russie 144, f° 134. 94 Senjawin bezweifelte die Authentizität des Räumungsbefehls und entschloss sich letzten Endes, die neuen Anweisungen zu ignorieren; das belegt der Bericht Stadions an den österreichischen Gesandten in Petersburg; siehe: Stadion an Merveldt. Wien, 10. September 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 205, unpag. 95 Siehe hingegen die Thesen von Driault und Heymann; Driault, S. 440; Heymann, S. 134-137. 96 So äußerte sich Fox in einem Schreiben an den englischen Gesandten in Petersburg; siehe: Fox an Lord Levenson Gower. London, Downing Street, 27. Juli 1806, in: NA, FO 65/62, f° 62-69. 97 Vermutlich deshalb durfte Godard am 6. August sein Friedensprojekt in Paris offiziell vorlegen; siehe Projekt des englischen Legationsekretär Godard vom 1. August 1806 (präsentiert am 6. des Monats), in: CN, Bd. 13, Fußnote bei Nr. 10604.
III. Vom Rétablissement zum Umbruch
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Nachricht über die Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags in London ankam,98 wich er sofort auf die alte außenpolitische Praxis aus. Folglich stagnierten die Friedensverhandlungen in Paris. Der englische Unterhändler Lauderdale entschied sich am 7. September, angesichts der jüngsten Entwicklungen, die Konferenzen zu vertagen, bis er neue Instruktionen erhalten würde. 99 Seine Entscheidung leitete sich aus einem Schreiben des Außenministers Fox von Ende August ab. Darin deutete Fox an, Lauderdale solle im Falle einer Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags auf die erste englische Grundforderung (gemeinsame Verhandlungen mit Russland) zurückgreifen. 100 Am selben Tag, an dem Lauderdale seinem Außenminister über seine Entscheidung Bericht erstattete, beschloss auch das Kabinett von St. James, fortan auf die ursprünglich vorgeschlagene Form der Verhandlungen und auf die erste Forderung (dem Status quo in Sizilien) zu insistieren. 101 Denn nach dem Entschluss des Zaren standen jetzt sowohl die Form- als auch die Sizilien-Frage erneut offen zur Diskussion. Entsprechend der neuen politischen Linie in London bekam Lord Lauderdale am 10. September von Kriegsminister Windham neue Instruktionen. 102 In der Form müsse er jetzt auch die russischen Interessen vertreten und folglich fordern, dass Frankreich Dalmatien und Albanien räumen würde. In der Substanz-Frage müsse er darauf bestehen, dass Sizilien für Ferdinand IV. weiterhin garantiert werde. 103 Die Zurückweisung des Vertrags, dessen Unterzeichnung Yarmouth zur Aufnahme von Friedensverhandlungen animiert hatte, veranlasste London jetzt, seinen politischen Kurs gegenüber Frankreich zu ändern. 104 Die Friedensverhandlungen zwischen England und Frankreich erhielten also einen ersten schweren Rückschlag. Den zweiten erlitt der französisch-englische Friedensprozess gleich am 13. September 1806, als der friedlich gesinnte Fox
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Die offizielle Nachricht über die Zurückweisung des Vertrags übermittelte der englische Gesandte in Petersburg Anfang August; siehe: Stuart an Fox. Petersburg, 9. August 1806, in: NA, FO 65/63, f° 98-102, hier f° 102. 99 Lauderdale an dens. Paris, 7. September 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 47. Die Nachricht über die Nichtratifizierung erreichte die englische Vertretung an der Seine erst Anfang September. 100 Fox an Lauderdale. London, Downing Street, 23. August 1806, in: NA, FO 27/74, unpag. 101 Kabinettsprotokol. London, Downing Street, 7. September 1806, in: Fitzpatrick , S. 312. 102 Das noch ehe sein Schreiben vom 7. September 1806 Fox erreichte. Dieses traf in London erst am 11. September ein. 103 Windham an Lauderdale [Kopie]. London, Downing Street, 10. September 1806, in: NA, FO 181/5, unpag. 104 Coquelle, S. 129.
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seiner langen Erkrankung erlag. 105 Obwohl das Scheitern der Verhandlungen dem Tod des Außenministers nicht direkt zugeschrieben werden kann, 106 verloren diese infolge seines plötzlichen und definitiven Austritts aus dem politischen Leben an Triebkraft. Die auswärtigen Geschäfte betreute jetzt interimistisch, bis zur Übergabe des Foreign Secretary an Viscount Howiek Ende September, Innenminister Lord Spencer, der weder mit der Thematik noch mit der Problematik der Friedensgespräche vertraut war. 107 Selbst Talleyrand fürchtete jetzt eine Abkehr Englands von der Friedenspolitik des verstorbenen Foxs. Zum letzten Mal unternahm er daher den Versuch, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, um sein Friedensprojekt zu realisieren. Als er am 17. September die Nachricht vom Tod des englischen Staatsmanns empfing, 108 begann er, das Verhandlungstempo mit England zu steigern. Hierzu schlug er in der Form-Frage einen Kompromiss vor und meinte, Lauderdale könne in die Verhandlungen auch Gegenstände betreffend der russischen Interessen einbringen, statt mit Russland gemeinsam zu verhandeln. 109 Diesem Vorschlag, der ohnehin Lauderdales neuen Instruktionen entsprach, stimmte der englische Unterhändler zu. 1 1 0 Talleyrand intensivierte jetzt die Gespräche weiter und nutzte wie bei seinen Gesprächen mit Oubril die Situation in Mitteleuropa, um Lauderdale unter Druck zu setzen. So ließ er am 25. September über Champagny verlauten, dass im Falle eines prompten Friedensabschlusses mit Frankreich (d. h. innerhalb einer Woche) Napoleon die angeblich geplante Militäraktion gegen Preußen widerrufen werde. 111 Dies konnte allerdings die Konferenzen nicht in Bewegung bringen, denn bald traten die altneuen Differenzen über die Sizilien-Frage wieder auf. Ungeachtet der Erklärung Lauderdales, die Insel und das Schicksal deren Monarchen sei sowohl ein englisches als auch ein russisches Interesse, gab Champagny nicht in dieser Angelegenheit nach. 112 Die Notwendigkeit, dem Wunsch Napoleons im Fall Siziliens
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Fox litt seit Juni 1806 an Wassersucht. Er konnte nichtsdestotrotz bis kurz vor seinem Tod seinen amtlichen Verpflichtungen nachkommen; siehe hierzu: Ayling, Stanley: The Life of Charles James Fox, London 1991, S. 228-230. 106 Ward, Adolphus William/Göoc/i, G. P. (Hrsg.): The Cambridge History of British Foreign Policy 1783-1919, Bd. 1, Cambridge 1920, S. 355; siehe hingegen: Levy, S. 530. 107 Jupp, S. 376-377. 108 Talleyrand an dens. Paris, 17. September 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 49D. 109 Siehe hierzu: Lauderdale an Spencer. Paris, 19. September 1806, in: ebd., Nr. 50; sowie: Talleyrand an Lauderdale. Paris, 18. September 1806, in: ebd., Nr. 50A. 110 Lauderdale an Talleyrand. Paris, 19. September 1806, in: ebd., Nr. 50B. 111 So schrieb Lauderdale dem Marine- und später Außenminister Viscount Howiek; siehe: ders. an Howiek. Paris, 26. September 1806, in: NA, FO 27/74. 112 Ders. an Spencer. Paris, 26. September 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 51; hierzu auch: Shupp, S. 126.
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nachzukommen, diktierte weiterhin das Vorgehen des französischen Außenministers und verhinderte wie zuvor eine Einigung mit London. Die Hartnäckigkeit des französischen Unterhändlers in dieser Hinsicht und seine Forderung, zunächst ein separates Abkommen mit England abzuschließen und erst dann die russischen Verhandlungsgegenstände zur Diskussion zu stellen, führten zum englischen Entschluss, die Gespräche abzubrechen. 113 Am 26. September verlangte Lauderdale seinen Pass114 und bereits am 9. Oktober 1806 waren er und seine Sekretäre auf dem Rückweg nach London. 115 Die Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags und die Umbildung des englischen Kabinetts nach Foxs Tod machten alle Friedenshoffnungen zunichte. In London schien der neue Außenminister Viscount Howiek auf ein friedliches Einvernehmen mit Paris verzichten zu wollen. Die anschließenden politischen Entwicklungen in Nordeuropa, die neuen Spannungen zwischen Preußen und Frankreich sowie die spätere Entscheidung Preußens, seine Armee zu mobilisieren, mögen ihn ferner überzeugt haben, dass England seine Interessen nicht im Frieden, sondern nur in einem neuen Krieg wirksamer geltend machen könnte. Die Friedensverhandlungen in Paris tangierten auch den preußischen Staat. Die Unterzeichnung des Oubril-Vertrags löste die ersten Spannungen zwischen Berlin und Paris aus. An demselben Tag, an dem Franz II. die römisch-deutsche Krone niederlegte, London sein Friedensprojekt vorstellte und Oubril mit seinem Vertrag zum Petersburger Außenministerium gelangte, sandte der preußische Botschafter in Paris Luchesini eine alarmierende Eilmeldung über das vermeintliche Resultat des französisch-russischen Friedens. 116 Nach seinen Informationen beinhaltete das Abkommen einen Geheimartikel, der die Abtretung preußischer Kerngebiete in Pommern an ein künftiges polnisches Königreich unter dem Zepter des russischen Großherzogs Konstantin und an die schwedische Monarchie bestimmte. 117 Diese Vertragsbestimmung attackierte direkt das preußische Grundinteresse der Integrität des Staatsterritoriums. Darüber hinaus glaubte Luchesini, es bestehe die Gefahr, dass Alexander I. aufgrund des Ab-
Lauderdale an Talleyrand. Pans, 26. September 1806, in: Papers relative to the negotiation with France, Nr. 52. 114 Ders. an Talleyrand. Paris, 26. September 1806, in: ebd., Nr. 52A. 115 Das geht aus den Reiseplänen des Unterhändlers hervor; siehe: ders. an Howiek. Paris, 6. Oktober 1806, in: ebd., Nr. 55. 116 Luchesini an Haugwitz. Paris, 6. August 1806, in: GStA, IV. HA, Nl. Luchesini, Nr. 31, f° 219-220. Der Bericht traf in Berlin am Tag darauf ein; hierzu: Häusser, Ludwig: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, Bd. 2, Berlin 1869, S. 602. 117 Nach der von Napoleon initiierten Gründung des polnischen Herzogtums am 9. Juli 1807 durfte Preußen seine Besitzungen in Pommern behalten. Dies mag daraufhinweisen, dass weder Napoleon noch Talleyrand je planten, Preußen zu einem Verzicht auf diese Territorien zu zwingen.
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kommens dem napoleonischen Vertragssystem beitreten und somit, ähnlich wie im Jahre 1756, eine Umkehr der Allianzen zu Preußens Ungunst bewirken würde. Aus diesen Gründen drängte Luchesini den König nun, den Zaren persönlich aufzusuchen, um gemeinsam den für Berlin bedrohlichen französischen Friedensplänen entgegenzuwirken. 118 Luchesinis Sorge spiegelte seine Unfähigkeit wider, zwischen der talleyrandischen und der napoleonischen Politik zu differenzieren. Wie der Zar und Minister Fox verwechselte auch der preußische Gesandte die Pläne des französischen Außenministers mit der Außenpolitik des französischen Kaisers. Darum sah er im neuen Abkommen zwischen Frankreich und Russland keine Erneuerung des alten Gleichgewichtssystems, sondern einen Angriff auf die alte Ordnung. Bei seiner Warnung vor einer direkten Verletzung des preußischen Interesses in Pommern erlag der Minister zudem einem gravierenden Irrtum. Seine Meldung vom 6. August 1806, den Oubril-Vertrag betreffend, bezog sich nämlich auf einen Passus, der im Abkommen überhaupt nicht existierte. Die Quelle dieser Falschauskunft von Luchesini ist in den relevanten Archiven nicht zu ermitteln. Ein verblüffend ähnlicher Rapport des kursächsischen Gesandten in Paris, von Senfft, an das Dresdner Kabinett lässt vermuten, 119 dass jemand im Pariser Corps diplomatique den Inhalt des fiktiven Vertragsartikels kolportierte. Dies mag, wie Rudolf Usinger und Georges Lefebvre annehmen, Lord Yarmouth gewesen sein, 120 denn Lord Yarmouth dürfte von der Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags bereits gewusst haben und hatte sehr wohl Interesse daran, zwischen Preußen und Frankreich Feindschaft zu säen, um Berlin ins alte Koalitionslager zurückzuziehen. Die Rolle von Yarmouth in dieser Affäre bleibt letzten Endes aber unklar. Gewiss ist nur, dass der Bericht auf die preußische außenpolitische Praxis einwirkte. Obwohl man in Berlin den Inhalt des OubrilVertrags gekannt haben dürfte, wurde dem Ondit aus Paris mehr Glaubwürdigkeit geschenkt als dem wirklichen Vertragstext. 121 Das Misstrauen gegenüber dem Kabinett von St. Cloud nahm ständig zu, und dies trug schließlich zur Auslösung einer neuen Krise zwischen Frankreich und Preußen bei. 1 2 2
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Luchesini an Haugwitz. Paris, 6. August 1806, in: GStA, IV. HA, Nl. Luchesini, Nr. 31, f° 219-220. Zum Bericht siehe auch: Stamm-Kuhlmann (1992), S. 221-222. 119 Siehe hierzu: Bericht Senffts. Paris, 17. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. 120 Usinger, S. 587-589; Lefebvre, Georges, S. 222-223. 121 Dem Bericht von Haugwitz zufolge passierte Oubril am 29. Juli Berlin mit dem Vertrag. Es lässt sich daher annehmen, dass man im preußischen Kabinett den Vertrag kannte, zumal eine Kopie des Abkommens im Berliner Archiv vorhanden ist; siehe hierzu: Haugwitz an Finckenstein. Berlin, 1. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I., Nr. 192, Vol. II, f° 35. Zur Kopie des Oubril-Vertrags siehe: ebd., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 406. 122 Clausewitz, Karl von: Nachrichten über Preußen in seiner Katastrophe, 1908, S. 463.
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In Paris war man über die Korrespondenz des preußischen Gesandten informiert. Man erkannte sofort die in seinem Rapport verborgene Gefahr für das gute Einvernehmen zwischen Preußen und Frankreich. 123 Talleyrand sah einen weiteren Pfeiler des europäischen Systems kurz vor dem Einsturz und bemühte sich jetzt verzweifelt, den Frieden mit Preußen aufrechtzuerhalten. Er ließ am 9. August durch den Gesandten in Berlin, Laforest, den Inhalt des vermeintlichen Vertragsartikels dementieren und erklären, der französisch-russische Vertrag enthalte keine nachteiligen Bestimmungen für den preußischen Staat. 124 Laforests Bemühungen in seiner Audienz bei Haugwitz am 16. August, die „bruits absurdes" Luchesinis abzustreiten, schlugen dennoch fehl, 125 denn in Berlin hatte man einen weiteren Grund, an den friedlichen französischen Absichten zu zweifeln. Vor dem Hintergrund der hannoverischen Angelegenheit versetzten die englisch-französischen Friedensverhandlungen Preußen in Missmut über das Kabinett von St. Cloud. Hannover stellte sowohl einen zentralen Gegenstand der englisch-französischen Verhandlungen als auch das Fundament des französischpreußischen Februar-Vertrags dar. Die Inbesitznahme Hannovers durch Preußen ebnete im Winter 1806 den Weg für den französisch-preußischen Friedensschluss. Seine Rückgabe an England sollte nun im Sommer 1806 auch den Frieden zwischen London und Paris ermöglichen. Obwohl Laforest in Berlin verdeutlichen sollte, dass Preußen auch im Rahmen eines Abkommens zwischen Frankreich und England die hannoverischen Besitzungen behalten werde, 126 häuften sich in Berlin Berichte, nach denen die Rückgabe Hannovers an England kurz bevorstünde. 127 Die hannoverische Angelegenheit, welche die englisch-preußischen Beziehungen seit dem Frühjahr 1806 belastete, führte nun auch zu Spannungen in den Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen. 128 Talleyrand erkannte, dass sich aus einem Vertrag mit London ein Bruch mit Preußen ergeben könnte. Aus diesem Grund dachte er daran, Berlin zu einer freiwilligen Abtretung des Kurfürstentums zu bewegen.129 Hierzu erstellte er ein 123
Die Depesche von Luchesini wurde von der französischen Polizei abgefangen und dechiffriert; hierzu: Thiers, S. 560 sowie: Hüffer, Hermann: Zwei neue Quellen zur Geschichte Friedrich Wilhelm III. Aus dem Nachlass Johann Wilhelm von Lombards und Girolamo Luchesinis (= Bonner Akademische Rede), Bonn 1882, S. 17. 124 Talleyrand an Laforest. Paris, 9. August 1806, in: PFDK, Nr. 397. 125 Laforest an Talleyrand. Berlin, 19. August 1806, in: ebd., Nr. 407. 126 Napoleon an dens. St. Cloud, 2. August 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10586. 127 Laforest an dens. Berlin, 9. August 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 207-212, siehe hier den chiffrierten Teil: f° 211-212. 128 Siehe hierzu: Andreas, Willy: Das Zeitalter Napoleons und die Erhebung der Völker, Heidelberg 1955, S. 351-352. 129 Dies nach einem späteren Schreiben Talleyrands an die französischen Unterhändler; siehe: Talleyrand an Clarke & Champagny. Paris, 28. August 1806, in: AE, CP Angleterre 603, f° 192-193.
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Landtauschprojekt, um Preußen im Falle der Restitution Hannovers abzufinden. 130 An der Stelle von Neuchâtel, Cleve, Essen, Werden und Elten, die der preußische Monarch gegen die Übernahme der hannoverischen Territorien hatte abtreten müssen, wollte der Außenminister Preußen mit den anhaltinischen Fürstentümern, mit Lippe, Waldeck, Pyrmont, Rittberg, Hohenlimburg und Rheda, und eventuell auch mit Corvey, Fulda und Dortmund entschädigen.131 Seinen Plan enthielt er allerdings Berlin vor, vermutlich weil er sich noch im ersten Stadium befand. Diese Entscheidung verhinderte aber jegliche Entspannung in den Beziehungen zwischen Berlin und Paris und vereitelte Talleyrands eigene Bemühungen, den Frieden in Europa zu wahren. Der dritte Auslöser der Spannungen zwischen Preußen und Frankreich war paradoxerweise die Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags. Die Zurückweisung des Vertrags, dessen Abschluss zu ersten Spannungen geführt hatte, entlastete die französisch-preußischen Beziehungen nicht, sondern rief vielmehr eine Zuspitzung der Lage hervor, denn an den französisch-russischen Vertrag war - im Gegenzug zur Räumung von Cattaro - der Abzug der französischen Streitkräfte aus Mitteleuropa gebunden. Die Zurückweisung des Abkommens bedeutete daher, dass die Grande Armée an der preußischen Grenze weiterhin verweilen würde. Diese potenziell gefährliche Situation war dem preußischen Kabinett nicht entgangen. In Berlin fürchtete man jetzt, 1 3 2 dass Napoleon planen würde, französische Truppen über Preußen an der russischen Grenze zu stationieren. Dazu meinte selbst der englische Gesandte in Wien: „It is not difficult to see that in the event of the emperor Alexander not ratifying the treaty, Bonaparte will endeavour to attack him on the side of Poland [d. h. über Preußen]." 133 Wie auch Laforest berichtete, sei das preußische Kabinett davon ausgegangen, dass Frankreich nach Zurückweisung des Oubril-Vertrags seine Streitkräfte aus den deutschen Gebieten nicht zurückziehen werde. 134 Dass die Räumung Mitteleu-
130 Ders. an Napoleon. Paris, 4. August 1806, in: TL, Nr. CLXXIII; hierzu: Usinger , S. 587-588. 131 Ein ähnliches Projekt entwarf Napoleon bereits Ende Mai; siehe: Napoleon an Talleyrand. St. Cloud, 31. Mai 1806, in: CN, Bd. 12, Nr. 10298. Die Behauptungen des Historikers Henry Houssaye, Napoleon habe die preußischen Interessen während der Friedenskonferenzen mit England nicht berücksichtigt, sind daher unbegründet; Houssaye, Henry: Iena et la Campagne de 1806, Paris 1912, S. 14-15. 132 Im August spekulierte Haugwitz immer noch auf die Räumung von Cattaro und den daran anschießenden Rückzug der französischen Armee; siehe hierzu: Haugwitz an Jacobi-Kloest. Berlin, 1. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 181A, f° 26. 133 Adair an Lord Granville Levenson Gower. Wien, 16. August 1806, in: Adair, Robert Sir: Historical Memoir of a Mission to the Court of Vienna in 1806, London 1844, S. 324-326. 134 Laforest an Talleyrand. Berlin, 9. September 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 304307.
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ropas tatsächlich aufgeschoben wurde, allerdings um Österreich (zur Umsetzung des Pressburger Friedens) und nicht Preußen unter Druck zu setzen,135 erkannte man in Berlin nicht. Aus preußischer Sicht stellte der verzögerte Abzug der Grande Armée eine direkte Bedrohung dar. „La guerre" prophezeite damals der preußische Gesandte in Petersburg „sera la conséquence" der Nichtratifizierung des französisch-russischen Vertrags. 136 Die vermeintlich vorgesehene Abtretung von Teilen von Pommern im preußischen Kerngebiet an Schweden (gemäß dem Oubril-Vertrag), die angeblich bevorstehende Restitution Hannovers (eine der Grundlage des geplanten Nordbundes) 137 und die scheinbare Aufforderung Napoleons an Kurhessen, sich dem Rheinbund anzuschließen,138 liefen allesamt den preußischen Grundinteressen in Norddeutschland zuwider. Vor diesem Hintergrund entschloss sich Berlin, zu seiner Verteidigung die Initiative zu ergreifen. Als Defensiv- respektive Präventivmaßnahmen mobilisierte König Friedrich Wilhelm III. am 8. August seine Streitkräfte, um seine Position in Norddeutschland gegenüber Frankreich geltend zu machen. In einer Unterredung mit Laforest am 11. August legte Haugwitz die Entscheidung des Monarchen folgendermaßen aus: „de quel côte que le Roi ait jeté les yeux, ces trois jours dernières, il n'a vu que des chose inexplicable qui provoquaient les mesures les plus soudaines."139 Die Sorge in Berlin um einen möglichen Verlust seiner zentralen Position in Norddeutschland sei, so wusste selbst Laforest, einer der Hauptgründe gewesen, weshalb Berlin seine Armee in Kriegsbereitschaft hielt. 1 4 0
135 So glaubte man zumindest in Österreich; siehe hierzu das Schreiben des Erzherzogs; Carl von Österreich an Franz I. Wien, 25. August 1806, in: Albert/Wilhelm, Erzherzoge von Österreich (Hrsg.): Ausgewählte Schriften weilend seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzog Carl von Österreich, Bd. 6, Wien/Leipzig 1894, S. 222-225. 136 Goltz an Hardenberg. Petersburg, 21. August 1806, in: Ranke (1877), Bd. 3, S. 127-134. Ähnlich beurteilte Woltmann, der hanseatische Gesandte, die Lage; siehe: Bericht Woltmanns. Berlin, 30. August 1806, in: StAB, RA, 2-B.ll.a.2.c.2.II., f° 140 f; sowie Bericht desselben. Berlin, 6. September 1806, in: ebd., f° 146. 137 Die Gründung des Nordbundes, wie Ludwig Stacke zu Recht behauptet, war mit der Kontrolle über Hannover eng verbunden; siehe: Stacke, Ludwig: Deutsche Geschichte, Bd. 2, Bielefeld/Leipzig 1881, S. 565-566. 138 Schulz, Georg, S. 31-34, 41-42. Das bestätigte später von Malsburg; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 16. August 1806, in: PFDK, Nr. 405; nach dem Bericht Laforests wiederholte Talleyrand seine Versicherung, dass eine Allianz zwischen Kurhessen und Preußen den Beziehungen Kurhessens zu Paris nicht zuwiderlaufe; siehe: ders. an dens. Berlin, 30. August 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 375-381. Sogar Bignon, der französische Gesandte in Kassel, meinte in seinem historischen Werk, die Behauptungen des Kurfürsten seien frei erfunden gewesen; siehe: Bignon, S. 335-336. 139 Laforest an Talleyrand. Berlin, 12. August 1806, in: PFDK, Nr. 402. 140 Ders. an dens. Berlin, 19. August 1806, in: ebd., Nr. 407.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
Preußen änderte erneut seine außenpolitische Praxis und setzte seinen politischen Zickzackkurs fort. Im Gegensatz zu den Behauptungen von Leopold Ranke oder Adolph Thiers handelte es sich hierbei nicht um einen grundlegenden Kurswechsel in der preußischen Außenpolitik, 141 denn Berlin orientierte sich weiterhin an seinen traditionellen außenpolitischen Zielen. Diese wollte es seit dem Februar-Vertrag im Rahmen einer Kooperation mit Frankreich erreichen. Angesichts vermeintlicher Veränderungen in der französischen Preußenpolitk im Sommer 1806 wollte Berlin aber die gleichen Ziele mit anderen Mitteln, nämlich durch eine diplomatisch-militärische Machtdemonstration gegen Frankreich, durchsetzen. Aus der Sicht Napoleons schien die Mobilmachung der preußischen Armee mit der Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags zusammenzuhängen.142 Für ihn handelte es sich dabei um ein russisch-preußisches Großmanöver gegen Frankreich. 143 Selbst Talleyrand vermutete am 11. September, die jüngste preußische Aufrüstung sei das Resultat einer aggressiven antifranzösischen Außenpolitik mit russischer Teilnahme. 144 Für Napoleon erhärtete sich der Verdacht, die Mobilmachung Berlins sei eine „prélude d'une nouvelle coalition." 145 Die preußische Mobilisierung im Kontext der Abweisung des Oubril-Vertrags konnte Napoleon als „le résultat d'une coalition avec la Russie" oder als „seulement... de l'irréflexion du cabinet" verstehen. 146 Ihm wurde aber allmählich der vermeintliche Zusammenhang zwischen der preußischen Mobilmachung und der russischen Nichtratifizierung immer klarer. In der Realität existierte allerdings dieser Zusammenhang nicht. Die Entscheidungen in Berlin und in Petersburg, obwohl beinah gleichzeitig getroffen, wurden nicht koordiniert. Napoleons Eindruck war schlechthin inkorrekt. Seine Reaktion führte aber dazu, dass seine falsche Vermutung, sich doch selbst erfüllte. Selbst in Berlin befürchtete man jetzt, die preußische Machtdemonstration könnte in einen militärischen Konflikt ausarten. Haugwitz versuchte daher, die
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Siehe hierzu: Ranke (1877), Bd. 1, S. 618; Thiers, S. 560-561; ähnlich auch bei: Häusser, S. 601; Levy, S. 524-525. 142 Gates, S. 53. 143 Siehe: Napoleon an Laforest. St. Cloud, 12. September 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10765; sowie die Lageanalyse Laforests: Laforest an Talleyrand. Berlin, 21. September 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 365-370; siehe auch: Shupp, S. 187 sowie Jena, S. 133134. 144 Talleyrand an Knobeisdorff, o. O., 11. September 1806, in: Der Rheinische Bund. Eine Zeitschrift historisch-politisch staatlich-geographischen Inhalts, hrsg. von Peter Adolf Winkopp, Bd. 1, Heft 2, Frankfurt a.M. 1806 , S. 295-300. 145 Das berichtete der Außenminister dem französischen Gesandten in Berlin; siehe: Talleyrand an Laforest. Paris, 19. September 1806, in: PFDK, Nr. 434. 146 So Napoleon in einem Schreiben an den König von Bayern; siehe: Napoleon an Joseph Maximilian IV. St. Cloud, 21. September 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10850.
IV. Der Weg nach Jena
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Situation zu beruhigen. Er äußerte sich zunächst zuversichtlich, dass die beiden neuen Konföderationen (die südliche und die nördliche) künftig in ein Bündnis eintreten würden, um die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu konsolidieren. 147 Anschließend ließ er Luchesini, der mit seiner Meldung die Krise maßgeblich evozierte, 148 durch den erfahrenen General von Knobeisdorff ablösen.149 Der neue versöhnliche Ton aus Berlin und der Wechsel an der Spitze der Pariser Mission genügten jedoch nicht, um die Differenzen zwischen Preußen und Frankreich friedlich auszutragen. Mit der Reaktion Napoleons auf die preußische Mobilmachung spitzte sich die Lage dramatisch zu.
IV. Der Weg nach Jena Das kontinentale Staatensystem verlor zunehmend an Stabilität. Im Gefolge der missglückten Friedensverhandlungen zwischen Paris und London und der jüngsten französisch-preußischen Spannungen kristallisierten sich allmählich die alten politischen Lager wieder heraus. Diese Zuspitzung der alten Gegensätze führte zu einem Kurswechsel in der außenpolitischen Praxis Preußens. Infolge der Verzögerung bei der Räumung Mitteleuropas wechselte Berlin nach sieben Monaten an der Seite Frankreichs seine Sympathien und näherte sich dem alten Koalitionsblock an. Sein Ziel war dabei, die Vorteile in Norddeutschland wahrzunehmen, die es sich durch den Februar-Vertrag verschafft hatte. Die Durchsetzung der traditionellen außenpolitischen Maximen Preußens wirkte nun zugunsten des Koalitionslagers. Rund um Preußen begann sich die alte antifranzösische Front neu zu gruppieren. Die außenpolitische Umorientierung setzte in Preußen bereits Ende August 1806 ein. Noch zuvor verstärkte sich aber in Berlin eine alternative außenpolitische Strömung zur pro-französischen Position des Kabinettsministers Haugwitz. Diese außenpolitische Alternative vertrat der ehemalige Minister Hardenberg. Mitte Juni 1806 drängte er den König zu einer Annäherung an Russland, um dadurch die außenpolitische Ausrichtung Preußens zu korrigieren. 147 So berichtet Laforest über seine Audienz bei Haugwitz am 21. August; siehe: Laforest an Talleyrand. Berlin, 22. August 1806, in: PFDK, Nr. 409. 148 Luchesinis Behauptung vom 9. Oktober 1806, die Entscheidung sei bereits vor dem Eingang seiner Depesche getroffen worden, war lediglich ein Versuch, sein Vorgehen zu rechtfertigen; siehe hierzu: Gentz, Friedrich von: Geheime Geschichte des Anfangs des Krieges von 1806 (= Minerva, Oktober/November 1836, Januar/April 1837), Berlin 1836-1837, S. 52-65. 149 Lévy , S. 546 f. Die Abberufung Luchesinis mag auf Napoleons Ersuchen erfolgt sein; siehe hierzu: Senfft, Friedrich Christian Ludwig: Mémoires du comte de Senfft, ancien ministre de Saxe. Empire, Organisation politique de la Suisse 1806-1813, Leipzig 1863, S. 9.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
Die Gründe für sein Vorgehen sind auf Hardenbergs politische sowie , Jiigh political" Interessen zurückzuführen. Zum einen war Hardenberg der festen Überzeugung, dass der hinausgeschobene Abzug der Grande Armée aus Mitteleuropa und die französischen Pläne, Süddeutschland und das Alte Reich umzugestalten, die Sicherheit und die politische Position Preußens in Mitteleuropa stark gefährden würden. Zum anderen hoffte der einst führende Minister, durch seine Initiative in seine alte Position im Zentrum der politischen Bühne zurückkehren zu können, welche er im Frühjahr 1806 aufgrund seiner Kritik an der Arbeitsweise des Kabinetts verloren hatte. 150 Hardenbergs „high political" Motive mischten sich also mit seinen politischen Ansichten und bestimmten sein Handeln mit. 1 5 1 In diesem Kontext brachte Hardenberg seine diplomatische Initiative auf den Weg. Von seiner Residenz in Tempelberg aus 152 stellte er am 18. Juni die Weichen für eine alternative politische Linie. In einer Denkschrift riet er dem preußischen König, zwischen der französischen und der antifranzösischen (d. h. pro-russischen) Option zu wählen. 153 Seinem Memorandum legte er einen Entwurf einer königlichen Deklaration bei, 1 5 4 die das Fundament zu einer neuen antifranzösischen Front in Nordeuropa legen sollte. Das anvisierte Arrangement bestand aus zwei zentralen Elementen: nämlich (Art. 1) der Erneuerung der russisch-preußischen alliance défensive vom Jahre 1800 155 und (Art. 3) der Beilegung des Konflikts zwischen Preußen und Schweden unter russischer Vermittlung. Auf die Denkschrift reagierte Friedrich Wilhelm III. positiv. Er beharrte zwar weiterhin auf einer Allianz mit Frankreich, ließ aber Hardenberg in Anbetracht der angespannten Situation in Europa Geheimverhandlungen mit Russland aufnehmen. 156 Seine Bemühungen um ein neues russisch-preußisches Einvernehmen begann Hardenberg jetzt zu intensivieren. Um kein Aufsehen beim Ber-
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Hardenbergs Kritik konzentrierte sich in erster Linie auf die Rolle der Kabinettsräte im Entscheidungsprozess des Kabinetts; hierzu ausführlich: Ranke (1877), Bd. 2, S. 559-605. 151 Simms (1994), S. 389-390. 152 Am 21. April, gleich nach seinem Rücktritt, zog sich der Baron auf seine Residenz in Tempelberg zurück; siehe: Ranke (1877), Bd. 2, S. 607. 153 Denkschrift Hardenbergs. Tempelberg, 18. Juni 1806, in: ebd., Bd. 3, S. 34-37. 154 Projet de déclaration du Roi. Charlottenburg, Juni 1806, in: ebd., S. 37-39. 155 Gemeint war die alliance défensive vom Jahre 1800 zwischen dem Zaren Paul I. und König Friedrich Wilhelm III. Nach dieser (Art. 11) durfte Preußen unter anderem keinen Separatfrieden mit Frankreich schließen; zum Vertragstext siehe: traité d'alliance avec la Prusse. Péterhoff, 28. Juli 1800, in: RTCR, Bd. 6, S. 270-280. 156 Friedrich Wilhelm lehnte Art. 3 allerdings strikt ab, denn er weigerte sich, das schwedische Territorium zu garantieren. Er wies Hardenberg folglich an, nur mit Russland zu verhandeln und nicht unautorisiert in weitere auswärtige Angelegenheiten der Monarchie einzugreifen; hierzu: Friedrich Wilhelm III. an Hardenberg. Charlottenburg, 26. Juni 1806, in: Ranke (1877), Bd. 3, S. 43-45.
IV. Der Weg nach Jena
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liner Corps diplomatique - vor allem nicht beim französischen Gesandten Laforest - zu erregen, begab sich der russische Vertreter Maxim Maksimiovic Alopeus nach Tempelberg, wo Hardenberg und er verhandelten. 157 Bereits am 1. Juli konnten die beiden eine Einigung über einen neuen russisch-preußischen Allianz vertrag erzielen. 158 Der neue Vertrag legte den zentralen Grundstein für eine potenzielle antifranzösische Koalition und stellte also mehr als einen Wechsel von einer profranzösischen zu einer pro-russischen politischen Linie dar, wie der Historiker Brendan Simms konstatiert. 159 Der Vertrag markierte nämlich den Ausgangspunkt zu einer kompletten Umorientierung der preußischen außenpolitischen Praxis. 160 Die Achse Berlin-Petersburg, die zuletzt in der Potsdamer Konvention vom November 1805 wiederbelebt wurde, sollte jetzt (Art. 1) durch die Retablierung der russisch-preußischen Allianz und (Art. 5) die Bildung einer gemeinsamen Front gegen Napoleon erneuert werden. Zugleich wollte man eine Erweiterung der Koalition ermöglichen. Dazu sollte Preußen (Art. 6) die gegen England gerichtete Blockade der Nordseehäfen aufheben, um das englische Vertrauen und die entscheidende finanzielle Unterstützung Londons zu gewinnen. Stets behielt Preußen aber seine politischen Ziele im Auge. So sicherte sich Preußen im Vertrag russische Unterstützung für den Kriegsfall und zudem auch die Erneuerung der alten Konvention, die bereits 1800, gemäß einem Separatund Geheimartikel, die Bildung einer defensiven Liga norddeutscher Reichsstände bestimmte.161 Dem preußischen Staat wurde somit eine Ausdehnung seines Einflusses auf Norddeutschland erneut in Aussicht gestellt. Der russische Zar begrüßte die Rückkehr Preußens in die Koalition. Alexander I., dem der preußische Gesandte von Goltz das Abkommen vorlegte, 162 unterschrieb die neue Konvention bereits am 24. Juli 1806. Die Nachricht darüber kam erst drei Wochen später in Berlin an. 163 Sogleich begab sich Hardenberg, 157
Ebd., S. 45. Ebd., S. 45-48. 159 Simms (1994), S. 389. 160 Zum Text siehe die russische Deklaration: contra déclaration russe. KamenniOstrow, 24. Juli 1806, in: GStA, VI. HA., Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 18, f° 57-60. 161 Im Geheimartikel stand: „S.M. l'Empereur de toutes les Russies et S.M. le Roi de Prusse, voulant donner le plus de poids et de force possible au Traité d'alliance défensive qui a été conclu entre Eux... sont convenus d'y inviter et d'y faire accéder les Cours de Suède et de Danemark, la Porte Ottomane, les Electeurs de Saxe et d'Hanovre [d. h. der englische König] et le Landgrave de Hesse-Cassel... à leurs relations respectives les obligations qu'Elles auraient à remplir."; siehe: traité d'alliance avec la Prusse. Péterhoff, 28. Juli 1800, in: RTCR, Bd. 6, S. 270-280, hier S. 279 f. 162 Hardenberg an Goltz. Tempelberg, 2. Juli 1806, in: Ranke (1877), Bd. 3, S. 51158
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Ders. an Friedrich Wilhelm III. Tempelberg, 19. August 1806, in: ebd., S. 91-94.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
der Initiator des Plans, nach Berlin, um den König zur Unterzeichnung zu animieren. In einem schriftlichen Appell an seinen Monarchen betonte er die Bedeutung des Vertrags für die preußische Sicherheit und unterstrich, dass Russland seine prompte Annahme erwarte. 164 Drei Tage darauf, am 29. August 1806, entschied sich Friedrich Wilhelm III. tatsächlich für den Vertrag. 165 Zur Unterzeichnung veranlassten ihn vermutlich nicht nur Hardenbergs Schreiben, sondern in erster Linie die Entwicklungen im europäischen Staatensystem. Angesichts der französischen Aufrüstungen und der Verzögerung bei der Räumung der Grande Armée aus Mitteleuropa war er nun gewillt, seinen außenpolitischen Kurs zu ändern. Eine Allianz mit Russland kam ihm gerade jetzt zugute, da diese seiner Armee erheblichen militärischen Beistand im Kriegsfall versprach. Die politische Achse Berlin-Petersburg nahm mit dem Abschluss des Vertrags neue Gestalt an. Hardenbergs außenpolitische Linie kam gleich nach dem Abschluss der Verhandlungen mit Alopeus - d. h. noch vor dem Eingang der russischen Ratifikation - in der schwedischen Krise zur Geltung. Die Regelung der schwedischpreußischen Verhältnisse nahm der König Mitte August selbst in Angriff. Der Zweck seines Vorgehens war, die Situation im Norden zu stabilisieren, um im Falle eines Krieges gegen Frankreich seine in Lauenburg stationierten Streitkräfte an die preußische Westgrenze verlagern und gegebenenfalls auch logistischen Beistand von Schweden erhalten zu können. 166 Folglich gab Friedrich Wilhelm III. allen schwedischen Forderungen nach und zog Mitte August seine Truppen aus Lauenburg ab. Am 20. August, nach der erfolgten Besitznahme Lauenburgs durch die schwedische Armee, erklärte Gustav IV. den Krieg für beendet und hob die Blockade über die preußischen Häfen auf. 167 „Au nom de S.M. Britannique]" besetzte Schweden anschließend den lauenburgischen Teil von Hannover. 168 Der Konflikt mit Schweden war somit friedlich beigelegt. In
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Ders. an dens. Berlin, 26. August 1806, in: ebd., S. 103-104. Friedrich Wilhelm III. an Hardenberg. Charlottenburg, 29. August 1806, in: ebd., S. 118-119. 166 Berlin bezog den größten Teil der Naturalien über Schweden und Russland. Der Vertrag mit Schweden war daher wichtig, um die Versorgung der preußischen Streitkräfte zu sichern; siehe: Asch, Rudolf: Mecklenburgs auswärtige Politik, insbesondere seine Beziehungen zu Preussen vom Reichskrieg gegen Frankreich (1792) bis Jena (1806), Phil. Diss., Rostock 1922, S. 96-99. 167 Gustav IV. an Friedrich Wilhelm III. Greifswald, 17. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 249a3, Fasz. 189, f° 171. Das Schreiben erhielt der König vom schwedischen Oberst von Meillinet am 20. August mit einem Begleitbrief des Königs; hierzu: ders. an dens. Greifswald, 20. August 1806, in: ebd, f° 177. 168 Dies nach der Note David Maksimovic Alopeus (der russische Gesandte in Stockholm) an den Zaren; siehe: Alopeus an Alexander I. Stockholm, 3. September 1806, in: ebd, f° 190. 165
IV. Der Weg nach Jena
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dem Moment, da der preußische Monarch sich für den Frieden mit Stockholm entschied, vollzog sich die Kursänderung in seiner außenpolitischen Praxis. Ein weiterer Schritt zum Zusammenschluss der antifranzösischen Kräfte in einer vierten Koalition war die Miteinbeziehung Englands in das neue Arrangement. Dies war, wie erwähnt, bereits im russisch-preußischen Abkommen (Art. 6) vorprogrammiert. Der tatsächliche Ansatz zur Aufnahme des Kabinetts von St. James in die anvisierte Koalition kam aber von der englischen Mission in Wien, vom Gesandten Sir Robert Adair. 1 6 9 Seine Initiative ebnete den Weg für Friedensverhandlungen mit Preußen. Viererlei motivierte Adair, den Kontakt zu seinem preußischen Gegner zu suchen. Erstens interpretierte er das preußische norddeutsche Projekt als eine potenzielle "counter-federation" gegen Frankreich und den Rheinbund, welche nach seiner Ansicht eine stabile Grundlage für eine neue Koalition bilden könnte. 170 Zweitens erkannte er zu Recht die positive Grunddisposition Österreichs gegenüber Preußen, die eine wichtige Voraussetzung für eine Wiederbelebung des Koalitionspakts vom Jahre 1805 schaffte. Drittens betrachtete er die preußische Mobilmachung von Anfang August als ein positives Signal dafür, dass Preußen endgültig mit Frankreich brach. 171 Schließlich begriff Adair die Gefahr eines neuen kontinentalen Krieges infolge der Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags, der Napoleon stärken und den gesamten Kontinent destabilisieren könne. 172 Aus diesen Gründen, und obwohl er von dem Widerstand in Windsor gegen jegliche Annäherung an Berlin wusste,173 räumte Adair der Bildung einer neuen antifranzösischen Koalition mit preußischer Beteiligung vor den englischen dynastischen Interessen in Norddeutschland den Vorrang ein. Über den Grafen Hardenberg - den hannoverischen Gesandten in Wien und den Cousin des ehemaligen preußischen Ka-
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Adair löste Anfang 1806 den Botschafter Sir Arthur Paget ab. Später zog sogar Adair in Erwägung, den Nordbund in die neue antifranzösische Front zu integrieren; siehe: Adair an Hardenberg. Wien, 19. September 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 18, f° 82-83. Zu diesem Zeitpunkt besaß Adair lediglich vereinzelte Informationen über den preußischen Bund; siehe: ders. an Fox. Wien, 7. September 1806, in: Adair, S. 127-128. 171 Dem Außeniminster Fox berichtete Adair: „The Emperor [Franz I.] and his Ministers are perfectly well disposed towards Prussia and are ready to sacrifice all their just causes of resentment if they could see any reasonable prospect of inducing her [Preußen] to act a firm and honourable part."; in: Adair an Fox. Wien, 3. September 1806, in: NA, FO 7/80, unpag. 172 So äußerte sich Adair in einem Schreiben an den englischen Gesandten in Petersburg; siehe: ders. an Lord Granville Levenson Gower. Wien, 16. August 1806, in: ebd., S. 324-326. 173 Bereits vor Adairs Abreise nach Wien ermahnte ihn sein guter Freund Fox: „The King was so offended with the conduct of Prussia, that he would not hear of any approach of her."; siehe: Adair , S. 90. 170
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binettsministers Baron von Hardenberg - nahm er Kontakt mit Preußen auf. 174 Gezielt wandte er sich dabei an den Baron, um seine Friedensinitiative vor dem in London als pro-französisch verrufenen Grafen Haugwitz geheim zu halten 175 und die neue antifranzösische politische Strömung in Berlin zu stärken. Bei Hardenberg stieß Sir Adairs Friedensinitiative auf positive Resonanz. Denn mit dieser, so wusste der Baron, könnte er seine eigene politische Position erheblich verbessern. Er setzte also gleich am 31. August den König über Adairs Eröffnung in Kenntnis und bat um Erlaubnis, Verhandlungen mit dem englischen Gesandten aufnehmen zu dürfen. 176 In der königlichen Kanzlei traf das Ersuchen des ehemaligen Kabinettsministers zu einem günstigen Zeitpunkt ein. Denn zum einen war Friedrich Wilhelm III. im Begriff, seine außenpolitische Praxis auf die alt-neue antifranzösische Richtung hinzulenken, und zum anderen spürte man in Berlin eine gewisse englische Kulanz in der HannoverFrage. Adair signalisierte nämlich, dass der Streit über Hannover „très peu de difficultés" darstelle und dass die Aufhebung der preußischen Blockade über die Nordseehäfen ausreiche, um das gute Einvernehmen zwischen Berlin und dem Kabinett von St. James wiederherzustellen. 177 Zudem erhielt das preußische Kabinett bereits Ende Juli die ermutigende Nachricht aus London, dass der Premier Granville bereit sei, die Rückgabe Hannovers bis zum Abschluss eines Friedens zwischen England und Frankreich aufzuschieben. 178 Die letzte Nachricht des Botschafters Kloest vom 4. August bekräftigte zusätzlich Londons neuen versöhnlichen Ton. 1 7 9 Vor diesem Hintergrund entschied sich Friedrich Wilhelm III., auf die Friedensinitiative des englischen Gesandten einzugehen.180 Als vertrauensbildende Maßnahme ließ er sogar Anfang September die Sperre 174
Die Kontaktaufnahme erfolgte über etliche Umwege. Zunächst wandte sich Adair am 23. August mit seiner Friedensinitiative an den Grafen Hardenberg. Der Graf übermittelte den Vorschlag dem ehemaligen hannoverischen Repräsentanten in Berlin von Ompteda und erst dieser unterbreitete dem früheren Kabinettsminister Baron Hardenberg Adairs Initiative. Scheinbar wusste Adair aber nicht, dass von Ompteda seit dem 8. April 1806 als der Vertreter von Hannover in Berlin nicht mehr akkreditiert war. Ompteda, der am 9. April Berlin in Richtung Hannover verließ, muss wohl später als Privatperson nach Berlin zurückgekehrt sein. Eine genaue Datierung oder Darstellung der Begebenheiten liegt weder in den Archiven noch in der Literatur vor; hierzu siehe hier Teil B. V. 175 Adair, S. 124-125. 176 Hardenberg an Friedrich Wilhelm III. Tempelberg, 31. August 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 18, f° 67-69. 177 Dies dem Schreiben Hardenbergs zufolge; siehe vorherige Anm., darin vor allem, f° 67-68. 178 Jacobi-Kloest an Haugwitz. London, 22. Juli 1806, in: ebd., I. HA, Rep 11, Nr. 72-75, Konv. 181A, f° 33-34. 179 Ders. an dens. London, 4. August 1806, in: ebd., f° 59-60. 180 Friedrich Wilhelm III. an Hardenberg. Charlottenburg, 9. September 1806, in: Ranke (1877), Bd. 3, S. 138-139.
IV. Der Weg nach Jena
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der Häfen für den englischen Handel aufheben. 181 Die preußische Entscheidung stärkte die Aussicht auf eine friedliche Einigung zwischen den Rivalen. Und selbst Adair äußerte am 29. September in einem Schreiben an seinen Außenminister seine Zuversicht, im Rahmen einer neuen Vereinbarung mit Österreich und Russland das Kabinett von Berlin für den Kampf gegen Napoleon abwerben zu können. 182 Der Optimismus war auf beiden Seiten des Ärmelkanals allerdings verfrüht, denn unerwartete innere Entwicklungen im englischen Kabinett unterminierten Adairs Friedensinitiative. 183 Nach der Neubesetzung des Foreign Secretary schlug an der Themse der versöhnliche Ton gegenüber Berlin um. Dementsprechend bekam Sir Adair nun die Benachrichtigung vom jüngst nominierten Außenminister Lord Howiek, er müsse in Preußen klarstellen, dass allein die Restitution Hannovers einen Frieden und eine Suspendierung der englischen Blockade herbeiführen werde. 184 Das zentrale Streitobjekt, das selbst Adair vorher in seiner Korrespondenz mit Hardenberg bagatellisiert hatte, 185 rückte jetzt abermals ins Zentrum der englisch-preußischen Beziehungen und blockierte erneut eine Beilegung des Konflikts. Die Sondierungskorrespondenz zwischen Hardenberg und Adair wurde somit im Keim erstickt. Nichtsdestotrotz gab es weiterhin Hoffnung auf einen Frieden zwischen den Rivalen, denn gleich nach dem Scheitern Adairs ergriff Preußen die Initiative und leitete offizielle Friedensgespräche mit England ein. Mitte September 1806 entsandte man Jacobi-Kloest nach Hamburg, um dort Verhandlungen mit dem englischen Gesandten Sir Edward Thornton aufzunehmen. 186 Am 20. September entschied sich auch das englische Kabinett für die Aufnahme offizieller Verhandlungen mit Berlin. 187 Dem Unterhändler Sir Thornton schrieb man genau vor, wie er die Interessen des Landes und insbesondere die der Krone durchzusetzen habe. Gemäß diesen Anweisungen sollte sich Thornton bei den Verhandlungen strikt nach den dynastischen und kommerziellen Interessen Englands richten. Hierzu definierte Außenminister Howiek die Rückgabe Hannovers nun
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Brandes, S. 40-42. Adair an Fox. Wien, 29. September 1806, in: Adair, S. 133-137; vom Tod des Ministers Fox erfuhr Adair erst Ende September 1806. 183 Adair benachrichtigte Fox erst am 19. September über das positive Signal aus Berlin; hierzu: ders. an dens. Wien, 19. September 1806, in: NA, FO 7/80. 184 Howiek an Adair. London, Downing Street, 30. September 1806, in: NA, FO 7/80. 185 Siehe: Adair an Hardenberg. Wien, 19. September 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 18, f° 82-83. 186 Hamburg wurde als Ort der Verhandlungen gewählt, um sie vor Frankreich geheim zu halten; siehe: Thornton an Fox. Hamburg, 16. September 1806, in: NA, FO 33/34, f° 89-90. 187 Jupp, S. 382-383 182
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als conditio sine qua non für die Gespräche. Dessen Restitution dürfe Thornton darum bis zum Abschluss eines allgemeinen europäischen Friedens verschieben (Punkt 1), aber nur wenn (so Punkt 3) Preußen umgehend die englische Zivilverwaltung im Kurfürstentum wiederherstellen würde. Berlins Rolle in Hannover sollte also wie 1801 auf die einer Interventionsmacht beschränkt werden. Zudem hatte Thornton im Interesse des britischen Handels (Punkt 4) ultimativ darauf zu bestehen, dass die Häfen im Norden für den englischen Handelsverkehr zugänglich gemacht würden. 188 Nur wenn Preußen in diesen zentralen Punkten einlenkte, so Howiek, dürfe Sir Thornton einen Waffenstillstand abschließen und Preußen die militärische Unterstützung Englands anbieten.189 Diese strikten Instruktionen ließen weiterhin einen gewissen Spielraum für Verhandlungen und weisen in ihrer Essenz auf die englische Bereitschaft zum Frieden hin. Sie hätten also durchaus den Weg zu einem englisch-preußischen Einvernehmen ebnen können. Aber ein Konflikt an der Spitze der englischen Regierung, zwischen dem Kabinett und der Krone, verhinderte die Zusendung der Instruktionen, weshalb die Konferenzen in Hamburg zum Scheitern verurteilt waren. Den Kern des Konflikts in England bildeten die neuen Anweisungen für Thornton selbst. George III. lehnte nämlich die Vollmacht an Thornton ab, da diese die Rückgabe Hannovers an die - bereits vollzogene - Aufhebung der preußischen Blockade knüpfen sollte. Der englische Monarch unterschied nicht zwischen seiner englischen und seiner hannoverischen Politik. 1 9 0 Wie seine Vorfahren betrieb er eine aktive Außenpolitik als deutscher Fürst, 191 weshalb er nun nicht bereit war, die Trennung beider Klauseln in Thorntons Vollmacht zu akzeptieren. 192 An der Elbe scheiterten die Verhandlungen, denn obwohl Jacobi-Kloest in seinem ersten Gespräch mit Thornton am 21. September in der Hannover-Frage Kompromissbereitschaft zeigte 193 und obschon man in London wusste, dass Preußen sich gegen englische Subsidienzahlungen an einem künftigen Feldzug gegen Napoleon beteiligen würde, 194 konnte der englische Unterhändler ohne genaue Instruktionen auf die preußische Annäherung gar nicht reagieren. Beide Verhandlungskanäle verstummten jetzt endgültig. Es kam nicht,
188 Scheinbar wusste Howiek nicht von der Aufhebung der preußischen Sperre Anfang September 1806. 189 Vollmacht an Thornton. Lord Howiek. London, Downing Street, 20. September 1806, in: Aspinall, Nr. 3298. 190 Ward, S. 224-225. 191 Blanning, S. 337-339. 192 George III. an Howiek. Windsor, 21. September 1806, in: Aspinall, Nr. 3298. 193 Thornton an dens. Hamburg, 23. September 1806, in: NA, FO 33/34, f° 107-112. 194 So berichtete George Jackson dem englischen Untersekretär im Außenministerium; siehe: George Jackson an Walpole. Hamburg, 22. September 1806, in: ebd., FO 64/71, f° 326-330.
IV. Der Weg nach Jena
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wie Adair hoffte, zu parallelen Friedensverhandlungen in Hamburg und, über den Postweg, in Wien. 1 9 5 Nichtsdestotrotz war England wie Preußen an einem Frieden und einer Kooperation im Kampf gegen Napoleon weiterhin interessiert. Darum beschloss das Kabinett von St. James bereits am 22. September, eine mit neuen Instruktionen ausstaffierte „confidential person" unverzüglich nach Berlin zu senden, um die Streitigkeiten zwischen England und Preußen beizulegen.196 Die Neuorientierung der preußischen außenpolitischen Praxis war beinah zuvor erfolgt. Ungeachtet aller Hindernisse unternahm Preußen wesentliche Schritte zur Errichtung einer neuen antifranzösischen Front. Der Frieden mit Schweden und die Allianz mit Russland sicherten die Grundlage für das neue Arrangement. Die Verhandlungen mit London und das grundsätzlich große Interesse Englands an einem Frieden mit Preußen ließen trotz aller Widrigkeiten die Option einer Großkoalition gegen Napoleon weiterhin offen. Fast parallel zu den Verhandlungen mit Russland, Schweden und England steuerte Preußen sein norddeutsches Projekt in eine neue Richtung. 197 Dieses sollte jetzt, angesichts der Spannungen mit Paris und der Annäherung an die Koalition, einen Teil der neuen antifranzösischen Front bilden. Die Grundlage zu diesem Kurswechsel in der norddeutschen politischen Praxis Preußens boten Lombards Plan und das neue Abkommen mit Petersburg. Der Plan Lombards sah, wie oben erwähnt, die Bildung einer defensiven Liga der nördlichen Staaten - Preußen, Hannover, Kursachsen, Kurhessen, Dänemark und Schweden mit russischer Beteiligung auf der Basis der jüngst erneuerten russischpreußischen Allianz vom Jahre 1800 vor und passte daher genau zur neuen außenpolitischen Richtung Preußens. In Anlehnung daran - und ohne den Plan Lombards als offizielles Verhandlungsangebot zu präsentieren - sandte Graf Haugwitz am 29. August ein Rundschreiben an alle ehemaligen norddeutschen Reichsstände, um das norddeutsche Projekt in Angriff zu nehmen. 198 Dabei zielte er darauf ab, alle Staaten nördlich der Demarkationslinie um sich zu versammeln, um die traditionellen preußischen Interessen im Rahmen des Nordbundes 195
Adair an Howiek. Wien, 8. Oktober 1806, in: ebd., FO 7/80. Kabinettsprotokol. London, Downing Street, 22. September 1806, in: Aspinall, Nr. 3299. 197 Auf diese neue Richtung des Nordbundes weist kurz (und außer dem Kontext der neuen Koalitionsbildung) Adolf Wohlwill hin; siehe: Wohlwill, Adolf: Zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich (1800-1807), in: HZ 62 (1889), S. 39; hingegen siehe: Doerries, Heinrich: Friedrich von Gentz „Journal de ce qui m'est arrivé de plus marquant... au Quartier-Général de S. M. le Roi de prusse" als Quelle Preuszischer Geschichte der Jahre 1805/06, Phil. Diss., Greifswald 1906, S. 19-21. 198 Zirkular des Grafen Haugwitz. Berlin, 29. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 144. 196
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durchzusetzen. Angesichts einer Welle des Hasses gegen Frankreich, die der bekannte Fall Palms auslöste, schien für Berlin dieses Ziel realer als je zuvor. 199 Zunächst versuchte Friedrich Wilhelm III. die Unterstützung Kursachsens für sein Vorgehen in Norddeutschland zu gewinnen. Zu diesem Zweck weihte er den Kurfürsten Ende August in die preußischen Militärpläne ein und verknüpfte diese mit der Ausführung seines norddeutschen Projektes. 200 Dieser neue Ansatz in der preußischen außenpolitischen Praxis stieß allerdings auf Skepsis in Dresden. Auf die erneute Einladung zum Nordbund reagierte Kursachsen sehr zurückhaltend. Grund hierfür waren die Differenzen in der politischen Kultur Preußens und Kursachsens, die wie schon Anfang August 1806 die Entscheidung des Kurfürsten in der norddeutschen Frage prägten. 201 Der Kurfürst vertrat weiterhin die alte Ordnung, obschon diese für die Mehrheit der europäischen Staaten aufgekündigt war. 202 Darum konnte er auch die Annahme der norddeutschen Kaiserwürde durch Preußen wider die Reichsordnung nicht anerkennen. 203 Preußen gelang es also auch nicht durch eine militärische Zusammenarbeit, Dresden zur Teilnahme am norddeutschen Unternehmen zu bewegen. Denn der Kurfürst setzte sich über die Verbindung des Nordbundes mit der Bildung einer antifranzösischen Front hinweg und machte einen klaren Unterschied zwischen der preußischen Mobilmachung und den Verhandlungen über das preußische Projekt. In Anbetracht der hinausgezögerten Reaktion Dresdens drängte Preußen den Kurfürsten erneut, den Allianzvertrag mit Berlin zu unterzeichnen. 204 Hierzu entsandte Friedrich Wilhelm III. Mitte September Brockhausen mit dem Auftrag nach Dresden, die politische sowie die militärische Zusammenarbeit beider 199 Der Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm wurde im August 1806 von französischen Soldaten festgenommen, da er die antifranzösische Schrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" vertrieb. Am 25. August wurde er zum Tode verurteilt und am selben Tag exekutiert; siehe: Everth, Erich: Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon, Jena 1931, S. 427-428; Mowat, S. 165-166. Zur Person Palms siehe in: ADB, Bd. 25, S. 102-104. 200 Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August III. o. O., 27. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV. 201 Zum Hintergrund der politisch-kulturellen Differenzen zwischen Kursachsen und Preußen siehe ausführlich Teil C. IV. 202 Siehe z. B. den Kommentar des kurhessischen Ministers: Baumbach an Malsburg, o. O., 9. September 1806, in: Strippelmann, S. 159-160. 203 So berichtete der Beauftragte des englischen Außenministeriums in Berlin; siehe: George Jackson an Fox. Berlin, 30. August 1806, in: NA, FO 64/71, f° 309-311. Zur offiziellen kursächsischen Reaktion siehe: Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm III. Pilnitz, 31. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV; siehe hierzu auch den Bericht Moustiers, des französischen Bevollmächtigten in Dresden: Moustier an Talleyrand. Dresden, 10. September 1806, in: AE, CP Saxe Electorale et Royale 76, f° 134-139. 204 Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August III. Charlottenburg, 16. September 1806, in: in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV.
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Staaten voranzutreiben. 205 Der erste Teil der Mission scheiterte kläglich, denn Friedrich August III. bestand weiterhin auf einer Erneuerung des alten Erbverbrüderungsvertrags und wich konsequent einem Beitritt zum preußisch geführten Bund aus. 206 Hingegen zeigte er sich in der Frage der militärischen Zusammenarbeit bereit, seine Streitkräfte den preußischen zu unterstellen, vorausgesetzt dass die preußischen Truppen die kursächsische Landeshoheit respektieren würden. 207 Am 23. September gab der Kurfürst dem preußischen Monarchen seine Entscheidung bekannt und ließ seine Streitkräfte unter den Oberbefehl des Prinzen von Hohenlohe stellen. Den Anschluss seines Landes an eine künftige norddeutsche Union schob er weiterhin hinaus. 208 Preußen konnte schließlich die alten politisch-kulturellen Differenzen mit Dresden in der norddeutschen Angelegenheit nicht überwinden. Es sicherte sich aber einen durchaus bedeutsamen militärischen Beistand Kursachsens für den bevorstehenden Krieg. Im Gegensatz zu Kursachsen versagten fast alle anderen norddeutschen Reichsstände dem preußischen Staat jegliche militärische Unterstützung, da sie die Befürchtung hegten, durch einen militärischen respektive politischen Anschluss an Berlin in einen Krieg zwischen Frankreich und Preußen verwickelt zu werden. Aus diesem Grund mied auch Kurhessen eine Teilnahme am Nordbund und an den militärischen Vorbereitungen. Als Wittgenstein Mitte August den Kurfürsten über die preußischen Präventivmaßnahmen unterrichtete, um Kurhessen zur Mobilmachung seiner Streitkräfte zu bewegen,209 bewirkte er ungewollt eine gegensätzliche Reaktion. Kurhessen, der einzige norddeutsche Staat, der den Allianzvertrag mit Preußen unterzeichnet hatte, rückte jetzt von Berlin ab. Am 30. August entschloss sich Wilhelm I., den von Waitz am 20. August unterzeichneten Allianzvertrag nicht zu ratifizieren. 210 Zehn Tage später benachrichtigte der kurhessische Kriegsrat Baumbach den Gesandten Malsburg in Paris, dass die preußischen Aufrüstungen den Vollzug des Vertrags behindern würden. Man sei überhaupt nicht sicher, schrieb Baumbach, ob dieser in die Tat umgesetzt werde. 211 Der Kurfürst erklärte König Friedrich Wilhelm III. unmiss205 Ders. an dens. [ausgehändigt von Brockhausen] Charlottenburg, 20. September 1806, in: ebd. 206 Siehe hierzu den folgenden Bericht: Loß an Görtz. Dresden, 23. September 1806, in: ebd. 207 Ders. an Senfft. Dresden, 21. September 1806, in: ebd. 208 Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm III. Pilnitz, 23. September 1806, in: ebd. 209 Wittgenstein an dens. o. O., 13. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 117g, Fasz. 62, f° 178. 210 Siehe hierzu den folgenden Bericht des französischen Botschafters in Berlin: Laforest an Talleyrand. Berlin, 30. August 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 375-381. 211 Baumbach an Malsburg. o. O., 9. September 1806, in: Strippelmann, S. 159-160.
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verständlich, er werde aufgrund der prekären politischen Situation seiner Länder, die an die Alliierten Frankreichs grenzen, seine Armee nicht mobilisieren und sei lediglich bereit, einen Teil seiner Streitkräfte unter dem Vorwand eines Herbstmanövers zusammenzuziehen.212 Ungeachtet des preußischen Drucks auf Kassel, die kurhessische Armee unter das Kommando des Generals Rlichel zu stellen, 213 mobilisierte Wilhelm I. seine Truppen, ohne sie an Preußen abzukommandieren, 214 um die Neutralität seines Landes - auch gegenüber Preußen zu behaupten.215 Denn man sah am kurhessischen Hof die durchaus reale Gefahr, in einen Krieg hineingezogen zu werden, bei dem es nicht um kurhessische Interessen ging, wenn die eigene Mobilisierung mit dem Nordbund in Verbindung gebracht würde. Ähnlich reagierte auch Dänemark auf das jüngste preußische Vorgehen. Berlins Einladung an den dänischen Ministerpräsident Graf Bernstorff, dem Nordbund beizutreten, erfolgte bereits in den ersten Augusttagen. Dem preußischen Wunsch gemäß sollte der dänische König Christian VII. als Herzog von Holstein in den neuen Staatenbund aufgenommen werden. 216 Kopenhagen hegte zunächst keinen Argwohn gegen das preußisch-norddeutsche Unternehmen. Am 12. August erklärte der dänische Ministerpräsident: „La cour de Danemark est entièrement pénétrée de la nécessité urgente d'un contre poids qui puisse contrebalancer le nouveau système fédératif du Sud de l'Allemagne." 217 Dennoch kam es bei Bernstorff Ende August angesichts der preußischen Mobilmachung zu einem radikalen Stimmungsumschwung, denn jetzt befürchtete er, dass die Verbindung von der Mobilmachung mit dem Nordbund die dänische Neutralitätspolitik in Gefahr bringen würde. Nun lehnte Graf Bernstorff einen Beitritt zum Nordbund strikt ab. 218 Wie Kurhessen ließ auch er die dänischen Truppen in Holstein unter dem Vorwand, ein Wintermanöver vorzubereiten, zusammenziehen, um die dänische Kontrolle über Holstein und die dänische Neut-
212
Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm III. o. O., September 1806, in: ebd., S. 192-193. 213 Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August III. Berlin, 19. September 1806. in: ebd., S. 194. 214 Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm III. o. O., 24. September 1806. in: ebd., S. 194; siehe hierzu auch: Schulz, Georg, S. 58-59. 215 Friedrich August III. an Malsburg. o. O., 30. September 1806, in: Strippelmann, S. 183; siehe auch: Losch, S. 31-32. 2,6 Haugwitz an Darrest. Berlin, 4. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 6670, Konv. 91A,f° 176. 217 So lautete die Nachricht, die der preußische Botschafter seinem Hof weiterleitete; siehe: Darrest an Haugwitz. Kopenhagen, 12. August 1806, in: ebd., f° 188-190. 218 Dies dem Bericht des englischen Gesandten in Kopenhagen zufolge; siehe: Garlike an Fox. Kopenhagen, 30. August 1806, in: NA, FO 22/48, f° 240-247.
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ralität gegenüber Preußen geltend zu machen.219 In Bezug auf Holstein selbst schrieb Darrest, der preußische Gesandte in Kopenhagen: „II parait que la confédération intentionnée par V.M. donnera une impulsion décisive sur le mode dont le Gouvernement disposera de cette province." 220 In Kopenhagen erkannte man also, dass Holstein der Schlüssel zum dänischen Beitritt in den Nordbund sei. Darum debattierte man über einen alternativen Weg, um die Kontrolle über das vom aufgelösten Reich abgeschnittene Herzogtum zu regulieren. Die Debatte dominierten drei Optionen: erstens Holstein als ein unabhängiges Herzogtum fortbestehen zu lassen, zweitens die Provinz dem Haus Augustenburg zu überlassen, 221 und drittens die holsteinischen Gebiete dem dänischen Staat einzuverleiben. 222 Die Entscheidung in der Holstein-Frage fiel Anfang September zugunsten einer Annexion des Herzogtums. Ungeachtet des Protests des Herzogs von Augustenburg, des Schwagers des dänischen Königs, 223 entschied sich Christian VII. am 9. September für die Einverleibung des Herzogtums samt Altona, der Herrschaft Pinneberg und der Grafschaft Ranzau, 224 um nicht in die preußische Einflusssphäre zu geraten. 225 Am 29. September, nach dem erfolgten Anschluss Holsteins an Dänemark, händigte der dänische Vertreter in Berlin, Baron de Selby, der preußischen Regierung die offizielle Bekanntmachung seines Kabinetts aus. 226 Preußen verlor einen wichtigen 219
Darrest an Haugwitz. Kopenhagen, 2. September 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 66-70, Konv. 91A, f° 205-207. 220 Siehe vorherige Anm., f° 206. 221 Klose, S. 299. 222 So berichtete Mitte September der österreichische Gesandte in Kopenhagen; siehe: Grunne an Stadion. Kopenhagen, 16. September 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Dänemark, Kart. 83, f° 385-390. Die Eingliederung Holsteins in Dänemark zog man in Kopenhagen bereits Anfang August in Erwägung. Dennoch hielt Preußen das Vorhaben damals für ein Gerücht; siehe hierzu Darrest an Haugwitz. Kopenhagen, 5. August 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 66-70, Konv. 91A, f° 180-182; sowie Haugwitz an Darrest. Berlin, 15. August 1806, in: ebd, f° 183. 223 Der Herzog bestand weiterhin auf seinem Erbrecht auf Holstein; siehe hierzu: Grunne an Stadion. Kopenhagen, 9. September 1806, HHStA, Abt. VIII, Dänemark, Kart. 83, f° 381-384. 224 Patent des Königs Christian VII. o. O., September 1806, in: Ghillany, S. 133-134; hierzu siehe auch die Erläuterungen von Darrest: Darrest an Haugwitz. Kopenhagen, 9. September 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 66-70, Konv. 91A, f° 212-216. 225 Garlike an Howiek. Kopenhagen, 27. September 1806, in: NA, FO 22/49, f° 6673; hierzu siehe auch die Depesche Stuarts von Mitte Oktober: Stuart an Howiek. Petersburg, 12. Oktober 1806, in: ebd., FO 65/64, f° 102-108. Der österreichische Gesandte in Kopenhagen schrieb an seine Regierung ähnlich: „Le crainte de voir la Prusse incessamment revendre à la charge avec les ouverture qu'elle a déjà faites une fois, a fait précipiter de la part de gouvernement danois la déclaration de la réunion du Holstein"; siehe: Grunne an Stadion. Kopenhagen, 13. September 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Dänemark, Kart. 83, f° 376-384. 226 Baron de Selby an Haugwitz. o. O., 19. September 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11., Nr. 122ab, Fasz. 32, unpag.
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Bundespartner in Norddeutschland. Die Taktik, die Mobilmachung an die Umsetzung des norddeutschen Projekts zu koppeln, erreichte das Gegenteil der gewünschten Wirkung. Auch in der Hanse stieß das preußische Vorgehen auf Ablehnung. Militärisch konnten die Städte Preußen ohnehin nicht beistehen, da sie nicht über die notwendigen Streitkräfte verfügten. Kabinettsminister Haugwitz war dies wohl bewusst, weshalb er in einem Schreiben an die Städte deren Beitritt zum Nordbund an Zahlungen an das preußische Heer knüpfte, anstatt ihn mit einer Mobilmachung zu verbinden. Als Gegenleistung versprach Haugwitz der Hanse preußischen Schutz im Kriegsfall. 227 Seinen Vorschlag nahm man in den Städten mit großer Skepsis entgegen. „Dass Preußen und die nordische Konföderation einzig im Stande seien die Hansestädte zu beschützen", argumentierte der Bremer Senator Smidt, „ist bei Licht betrachtet eine völlig grundlose Behauptung. Abgerechnet, dass Preußen die Erhaltung seiner eigenen Staaten nicht einmal zu bewirken im Stande gewesen."228 Zudem befürchtete man, dass eine Mitwirkung an der preußischen Mobilmachung die politische Position - vor allem gegenüber Frankreich - und die Neutralität der Hanse gefährden würde. Dementsprechend erklärte Hamburg am 12. September, man könne aufgrund der „völligen Neutralität" der Hanse keineswegs das preußische Heer mit Proviant beliefern, da eine derartig enge Kooperation mit Preußen den Unmut anderer Mächte provozieren und die neutrale Position der Stadt in Gefahr bringen werde. 229 Ähnlich reagierte auch Lübeck und ersuchte gleich nach dem Eingang des Schreibens von Haugwitz Preußen um eine offizielle Anerkennung seiner Neutralität. 230 Der Senat von Bremen griff ebenfalls die hamburgische Argumentationslinie auf und unterstrich, dass der Frieden in der Stadt nur durch „Erhaltung und Befestigung der absoluten Neutralität" und eben nicht durch eine Teilnahme an den preußischen militärischen Operationen gesichert werden kön231
ne. Geleitet von ihren traditionellen politischen Maximen - Neutralität, Unabhängigkeit und Handelsfreiheit - unternahmen die Hansestädte infolge der preußischen Mobilmachung konkrete Schritte, um ihre unabhängige Position zu 227 Siehe z. B. Haugwitz an den Senat der Stadt Bremen. Berlin, 29. August 1806, in: StAB, RA, 2-M.l.b; vgl. die Korrespondenz zwischen Hamburg und Bremen, siehe: Der Senat von Hamburg an den Senat von Bremen. Hamburg, 12. September 1806, in: ebd. 228 Aphorismen des Herrn Smidt, Paragraph lO.i, in: ebd., Vol. 8b Fasz. 30b, hier unpag.; hierzu siehe auch: Bippen (1921), S. 74. 229 Der Senat von Hamburg an Haugwitz [Kopie]. Hamburg, 12. September 1806, in: StAB, RA, 2-M.l.b. 230 Bürgermeister und Rat der Stadt Lübeck an dens. Lübeck, 29. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 216-217. 231 Bürgermeister und Senat von Bremen an dens. Bremen, 11. September 1806, in: ebd., f° 198-201.
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bewahren. Strukturdefizite, die nach der Reichsauflösung in den Städten entstanden waren, wurden jetzt behoben. So beschloss Hamburg am 20. August, sich de iure unabhängig zu erklären, und führte dementsprechend die neue offizielle Bezeichnung „Freie Hansestadt" anstelle der alten „Kaiserliche freie Reichsstadt" ein. 232 Bremen stärkte seine Unabhängigkeit, indem die Stadtväter eine eigene provisorische Appellinstanz anstelle des aufgelösten Reichsgerichts ins Leben riefen. 233 Zu demselben Zweck plante Lübeck, eine zentrale hanseatische Instanz an der Trave zu errichten. 234 So begannen die Hansestädte, um nicht an die preußischen Strukturen gebunden zu werden, ihrer selbstständigen Organisation mehr Konsistenz und größere Bedeutung zu verleihen. Auch an den kleinen norddeutschen Höfen gelang es Preußen nicht, die ehemaligen Reichsstände angesichts der Kriegsgefahr zu vereinigen und im geplanten Nordbund zusammenzuschließen. In kleinen Höfen mischten sich dabei partikulare Interessen mit der Sorge über ein preußisches Protektorat und über eine gewaltsame französische Reaktion im Falle ihres Beitritts zum Nordbund. Auf das Zirkular des Kabinettsministers von Haugwitz und auf seine Aufforderung an die norddeutschen Reichsstände, Preußen bei der Verpflegung der Armee Beistand zu leisten, 235 erhielt Preußen meist ausweichende oder gar ablehnende Reaktionen. Luise, Herzogin von Sachsen-Meiningen beispielsweise, bedankte sich für die Einladung des Grafen Haugwitz, behauptete aber zugleich, als Vormund für ihren Sohn und künftigen Herrscher müsse sie die Unabhängigkeit des Landes aufrechterhalten. 236 In einer ähnlichen Situation befand sich auch die Fürstin Pauline von Lippe-Detmold. Obwohl Haugwitz sie persönlich vor einem „Übertritt zu einem fremden Bund [dem Rheinbund]" warnte, 237 lehnte auch sie die Einladung zum Nordbund aus dynastischen Gründen ab. Ihre erste Pflicht als Regentin nach dem Tod des Fürsten Leopold (1802), erklärte sie dem Grafen 232
Schmidt, Burghart, S. 179. Verordnung der Stadt Bremen. Bremen, 15. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 253-254; hierzu siehe auch den Bericht des preußischen Konsuls in Bremen: Delius an Friedrich Wilhelm III. Bremen, 4. Oktober 1806, in: ebd., f° 250-252. 234 So berichtete der preußische Gesandte in Hamburg; siehe: Grote an dens. Hamburg, 26. September 1806, in: ebd., f° 277-238. 235 Zirkular des Grafen Haugwitz. Berlin, 29. August 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. l,f° 144. 236 Luise von Sachsen-Meiningen an dens. Elisabethburg, 29. August 1806, in: ebd., f° 184. 237 Haugwitz an Pauline von Lippe-Detmold. Berlin, 8. September 1806, abgedruckt in: Niebuhr, Hermann/Scholz, Klaus (bearb.): Der Anschluss von Lippe an NordrheinWestfalen. Behauptung und Ende staatlicher Selbständigkeit 1802/03-1947 (= Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen, Reihe C: Quellen und Forschungen, Bd. 20), Detmold 1984, S. 45-46. 233
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am 10. September in ihrer mémoire justifié , sei die Erhaltung der Unabhängigkeit des Staates für ihren Sohn. 238 Im Gegensatz zur Herzogin von SachsenMeiningen begab sich Fürstin Pauline aber unter französischen Schutz und trat schließlich dem Rheinbund bei. Denn nur auf diese Weise, meinte die Fürstin, könne sie das Land ihrem Sohn am besten erhalten. 239 Andere Staaten wie das zwischen Preußen und dem pro-französischen Bayern gelegene Sachsen-Coburg mieden hingegen, zumindest temporär, beide Optionen, die französische wie die preußische. 240 Auch Mecklenburg-Schwerin zog es vor, neutral zu bleiben. Die Forderung, zur Verpflegung der preußischen Armee beizutragen, wies es aufgrund der schlechten Ernte zurück. 241 Die thüringischen Staaten richteten sich stets nach der Politik Kursachsens und warteten auf ein Signal aus Dresden. Kursachsens zögerndes Vorgehen in der Nordbund-Frage hemmte ihre Entscheidung über einen möglichen Beitritt zum preußischen Bund. 242 Allein bei Sachsen-Weimar erzielte Preußen einen Erfolg, denn nach dem Scheitern seiner Pläne zur Stiftung einer sächsischen Union war der ohnehin pro-preußische Herzog Carl August von Weimar geneigt, 243 sich dem Nordbund und dem preußischen Heer anzuschließen, um Norddeutschland gemeinsam gegen Frankreich zu verteidigen. 244 Die meisten kleinen Staaten sahen sich aber durch das preußische Unternehmen ernsthaft bedroht. Obwohl
238 Pauline von Lippe-Detmold an Haugwitz. Detmold, 20. Sep. 1806, in: ebd., S. 4550; hierzu siehe auch: Arndt, Johannes: Das Fürstentum Lippe im Zeitalter der Französischen Revolution 1770-1820, Münster 1992, S. 173-175; sowie: Niebuhr, Hermann: Die lippische Außenpolitik unter der Vormundschaft der Fürstin Pauline, in: Kontinuität und Umbruch in Lippe. Sozialpolitische Verhältnisse zwischen Aufklärung und Restauration 1750-1820, hrsg. von Johannes Arndt/Peter Nitschke (= Lippische Studien, hrsg. von Johannes Arndt/Peter Nitschke, Bd. 13), Detmold 1994, S. 53-55. 239 Kiewning, Hans: Fürstin Pauline zur Lippe 1769-1820, Detmold 1930, S. 248253. 240 Keerl, Erich: Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg zwischen Napoleon und Metternich. Ein deutscher Kleinstaat im politischen Kraftspiel der Großmächte 1800-1830, Phil. Diss., Erlangen 1973, S. 35, 51-54. 241 Herzoglich mecklenburgisch verordnete mündliche Geheimerratspräsident und geheime Räte an Haugwitz. Schwerin, 3. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 185-186. 242 Bessenrodt, Otto: Die äußere Politik der thüringischen Staaten von 1806-1815, Mühlhausen 1925, S. 15-26. 243 Siehe hierzu: Bericht des preußischen Konsuls in Dresden: Lautier an Haugwitz. Dresden, 25. August 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. IV; sowie: Carl August an Friedrich August III. Leipzig, 25. August 1806, in: Andreas (1958), Nr. 407 und ders. an Alexander I. Weimar, 28. August 1806, in: ebd., Nr. 410. 244 Carl August an Friedrich Wilhelm III. Weimar, 31. August 1806, in: ebd., Nr. 414; hierzu siehe auch: Germar, S. 5-8. Bereits 1785 kooperierte Carl August mit Preußen und trat dem Deutschen Fürstenbund bei; siehe: Patze, Hans¡Schlesinger, Walter (Hrsg.): Geschichte Thüringens, Bd. 5, Teil 1, 2. Teilband (= Mitteldeutsche Forschungen, hrsg. von Reinhold Olesch et al., Bd. 48 /V/1/2), Köln 1984, S. 635-637.
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Berlin bei der Beitrittsaufforderung die Situation der jeweiligen Länder berücksichtigte, 245 bezweifelten die kleinen Höfe weiterhin die Notwendigkeit des preußischen Unternehmens. 246 Die neue Richtung des preußischen Nordbundes beeinflusste nicht nur das Handeln Dänemarks und der norddeutschen Reichsstände, sondern auch die außenpolitische Praxis der europäischen Großmächte. Als einzige europäische Macht befürwortete Österreich überraschenderweise den preußischen Nordbund. 247 Kaum eine Woche nach dem Verzicht auf die römisch-deutsche Kaiserkrone und der Auflösung des Alten Reichs gab Wien seine Unterstützung für das norddeutsche Projekt Preußens bekannt. 248 Die preußische Mobilmachung gegen Frankreich und ihre Verbindung mit dem Nordbund überzeugte die Hofburg nämlich von den Vorteilen der geplanten Konföderation. 249 Erstens konnte der geplante Bund die Unabhängigkeit Norddeutschlands gegenüber Frankreich sichern und somit eine französische Expansion Richtung Norden blockieren. 250 Zweitens war er für Wien „une barrière assez respectable contra la confédération du midi", welche die Ausweitung der französischen Macht in Richtung Österreich aufhalten könnte. 251 Schließlich konnte der Nordbund im Hinblick auf die preußische Mobilmachung eine Grundlage für eine gemeinsame politische Union gegen Frankreich bilden. 252 245 So wurde z. B. gegenüber dem Herzog von Oldenburg (einem Verwandten des russischen Zaren) betont, dass Russland den preußischen Plan billige; siehe: Haugwitz an Herzog von Holstein-Oldenburg. Berlin, 16. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 207-208. 246 Siehe ähnlich: Ziemssen, Ludwig: Die Zeit Napoleon's. Bilder aus der deutschen Geschichte, Berlin 1891, S. 154. 247 Siehe hingegen die Thesen bei: Usingers, S. 612; Treitschke (1913), S. 239. 248 Stadion an Binder. Wien, 11. August 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 204, unpag; siehe auch: Bulletin an Haugwitz, Herzog von Braunschweig, und General von Schulenburg, Nr. 63 (aus Wien, 27. August 1806). Berlin, 6. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 410; siehe hierzu auch: Rößler (1940), S. 236. 249 Dass Preußen seine Armee mobilisierte, erfuhr man in Wien erst Anfang September; hierzu siehe: Stadion an Metternich. Wien, 6. September 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Frankreich, Kart. 199, Weisungen, Stadion an Metternich, IX-XII. 1806, f° 14-15. Usingers Behauptungen, der Nordbund habe Argwohn in Wien erregt, sind angesichts der obigen Äußerungen von Stadion unbegründet; siehe: Usinger, S. 612. 250 Stadion an Merveldt. Wien, 21. August 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 204. 251 Ders. an dens. Wien, 24. August 1806, in: ebd.; vgl. auch mit: Stadion an Starhemberg. Wien, 6. September 1806, in: ebd., England, Kart. 153, f° 1-4; hierzu siehe auch: Rößler (1940), S. 237-239; sowie: Beer (1872), S. 237. 252 In dieser Hinsicht bezeichnete Stadion den Nordbund als: „un moyen qui dans l'occasion pourrait servir de centre à une réunion politique plus étendu4'; siehe Beer (1872), S. 237; hierzu siehe auch: Rößler (1940), S. 237-239; ders. (1966), S. 259.
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Ungeachtet dieser positiven Grundhaltung gegenüber Preußen konnte Österreich aber weder dem preußischen Projekt noch der anvisierten antifranzösischen Koalition seinen aktiven Beistand zusichern, denn seit Austerlitz 1805 stand die Donaumonarchie am Rande eines finanziellen Ruins und konnte den Aufwand einer militärischen Rekrutierung im großen Stil schlicht nicht finanziell tragen. 253 Der letzte Krieg, erklärte Stadion dem preußischen Botschafter, habe Österreich schwer niedergeschlagen. „La situation actuelle de ses affaires", argumentierte er weiter, „ne lui [Österreich] permettait de s'occuper d'autre chose que de conserver la paix et la tranquillité à ses Etats, qu'il avait donc adopté le système d'une stricte neutralité". 254 Die einzige Macht, die das norddeutsche Projekt guthieß, war letzten Endes aufgrund ihrer finanziellen und logistischen Lage dazu gezwungen, dem Nordbund und der neuen antifranzösischen außenpolitischen Praxis Berlins jegliche Unterstützung zu versagen. England blickte hingegen auf den norddeutschen Bund mit Misstrauen. Ungeachtet der Friedensverhandlungen zwischen Preußen und dem Kabinett von St. James und obwohl manche englische Diplomaten das Potenzial des Nordbundes als „counter-federation" gegen Frankreich und den Rheinbund erkannten, 255 betrachtete man das norddeutsche Projekt als einen Versuch, ganz Norddeutschland, einschließlich des englischen Hannovers, unter preußische Kontrolle zu bringen. Schon die ersten Berichte über das preußische Projekt ließen London an den Absichten Berlins zweifeln. 256 In einer Meldung informierte George Jackson, der scheinbar im Besitz von Lombards Plan war, Außenminister Fox, dass das preußische Kabinett Russland, Schweden, Dänemark und Österreich im Rahmen der anvisierten Konföderation zusammenschließen wolle, um unter anderem durch eine Teilnahme der Großmächte die preußische Besitznahme von Hannover sanktionieren zu lassen.257 In späteren Berichten des englischen Sondergesandten in Dresden, Baron Charles Stuart, von Anfang September war davon die Rede, dass Berlin beabsichtigte, den Kaisertitel von Norddeutschland in Anspruch zu nehmen.258 Aus 253
Dies nach dem folgenden Bericht des englischen Gesandten in Wien: Adair an Howiek. Wien, 9. Oktober 1806, in: NA, FO 7/80. 254 Finckenstein an Haugwitz. Wien, 3. Oktober 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I, Nr. 192, Bd. 2, f° 56-62, hier f° 56-57; hierzu auch: Staats- und Gelehrte Zeitung des hamburgischen unparteyischen Correspondenten, Freitag, 17. Oktober 1806. Zudem: Macartney, C. A.: The Habsburg Empire 1790-1918, London 1969, S. 154-155; sowie BibU Viktor: Der Zerfall Österreichs, Bd. 1, Wien/Berlin/Leipzig/München 1922, S. 154-156. 255 Adair an Fox. Wien, 7. September 1806, in: Adair, S. 127-128. 256 Die erste Meldung über den Nordbund erhielt London bereits Ende Juli 1806 über den Gesandten in Dresden, Sir Henry Wynn; siehe: Wynn an dens. Dresden, 28. Juli 1806, in: NA, FO 68/17. 257 George Jackson an dens. Berlin, 12. August 1806, in: ebd., FO 64/71, f° 303-305. 258 Siehe z. B. Wynn an dens. Dresden, 3. September 1806, in: ebd., FO 68/17.
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englischer Perspektive handelte Berlin, wenn es europäische Anerkennung seiner Einverleibung Hannovers und eine Rangerhöhung für Friedrich Wilhelm III. suchte, sowohl dem englischen dynastischen Interesse als auch dem europäischen Legitimitätsprinzip zuwider. Letzten Endes kam auch der Verdacht des Premiers, Lord Granville, hinzu: „that the whole plan has in reality been formed and concerted at Paris & is much more directed to the object of extending the dominions of Prussia than to that of limiting those of France". 259 Aus diesen drei Gründen und ungeachtet der preußischen Aufrüstung fiel die Beurteilung des norddeutschen Projektes in London negativ aus. Solange Preußen Hannover kontrolliere, äußerte Granville, werde sich England jedem Zusammenschluss der norddeutschen Staaten unter preußischem Zepter widersetzen. 260 In London erkannte man zwar das Potenzial des Bundes und wünschte diesen von einer „Prussian confederation" in eine antifranzösische „northern league" aller antifranzösischen Kräfte - einschließlich Russland, Dänemark, Schweden und England selbst - zu verwandeln. 261 Man weigerte sich aber stets, in den Kernfragen der englisch-preußischen Beziehungen nachzugeben. So erregte Preußen in London ironischerweise großes Misstrauen ausgerechnet in dem Moment, da es seine politische Orientierung und das Ziel des Nordbundes auf eine mit der Politik der Koalitionsmächte konforme Linie bringen wollte. Russland stand wie auch England dem norddeutschen Projekt skeptisch gegenüber. 262 Alexander I. orientierte sich wie George III. an den Konventionen des Ancien Régime und betrachtete daher, ungeachtet der jüngsten Kooperation mit Berlin gegen Frankreich, das norddeutsche Unternehmen als einen Verstoß gegen die Grundlage der alten kontinentalen Ordnung. Alexander erkannte nämlich nicht den förmlichen österreichischen Verzicht auf die römisch-deutsche Reichskrone an, da er glaubte, dieser sei von Napoleon erzwungen gewesen.263 Folglich konnte er auch den Nordbund nicht gutheißen, da dieser wegen der damit verbundenen Spaltung des Alten Reichs zwischen Preußen und Österreich der nach russischer Ansicht weiterhin rechtlich gültigen deutschen Reichsverfassung zuwiderlief. Für den Zaren, erläuterte Budberg, wäre ein Nordbund ohne Österreich „une répétition des procédés de Napoléon au midi de 259
Lord Granville an Stuart. London, Downing Street, 12. September 1806, in: ebd., FO 65/63, f° 50-54. Dies bestätigte der Bericht Jacksons, nach dem der Nordbund auf Napoleons Einladung ins Leben gerufen war; siehe: George Jackson an dens. Berlin, 13. September 1806, in: ebd., FO 64/71, f° 322-323. 260 Lord Granville an Stuart. London, Downing Street, 12. September 1806, in: ebd., FO 65/63, f° 50-54. 261 Siehe ebd. f° 53-54. 262 Offiziell erfuhr der Zar vom Nordbund erst im Laufe des Monats August; siehe: Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. o. O., August 1806, in: BFW, Nr. 114. 263 So äußerte sich Budberg Ende August in einem Gespräch mit dem österreichischen Gesandten in Petersburg; siehe: Merveldt an Stadion. Wien, 19. August 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Russland II, Kart. 111, unpag.
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l'Allemagne, établissait une seconde dictature et propageait les principes illégale de la France, au lieu de les arrêter". 264 Ein weiterer russischer Einspruch gegen den Nordbund richtete sich auf das vermeintliche Ziel der geplanten Konföderation. Der Zar befürchtete nämlich wie Fox und Granville, dass sich hinter dem geplanten Bund eine preußische Territorialexpansion im Norden unter französischer Aufsicht kaschierte. 265 Diese wollte Alexander nicht sanktionieren, zumal sie seiner Ansicht nach allen Legitimitätsprinzipien widersprach und das Gleichgewicht innerhalb Mitteleuropas störte. Im Gegensatz zu England war die Preußenpolitik des Zaren aber weiterhin von seiner persönlichen engen Freundschaft mit Friedrich Wilhelm III. geprägt. Darum behandelte er Preußen, wie auch nach der Unterzeichnung des Februar-Vertrags, mit Nachsicht. Wie Kursachsen differenzierte jetzt auch Alexander zwischen dem Nordbund und der Bildung der vierten Koalition. Um diese zu erleichtern, war er bei aller Kritik am norddeutschen Unternehmen weiterhin bereit, Preußen zu unterstützen. 266 So ließ er auf Preußens Ersuchen 267 den Baron Budberg in London für eine Milderung der englischen Sanktionen gegen Preußen eintreten. 268 Die Neuorientierung des Nordbundes und der Kurswechsel in der preußischen außenpolitischen Praxis wirkten massiv auch auf Napoleons Preußenpolitik. In der ersten Septemberwoche begann Napoleon, seinen Ton und seine Politik gegenüber Preußen zu ändern. 269 Hatte Napoleon Ende August General Berthier noch dahingehend beschwichtigt, dass man die preußischen "ridicules armements" ignorieren müsse,270 erwog er vierzehn Tage später, am 10. September 1806, zum ersten Mal einen Krieg gegen Preußen. 271 Napoleon registrierte nun sowohl die neue Richtung des Nordbundes als auch den Allianzabschluss zwischen Berlin und Petersburg und die preußischen Bemühungen, sich mit Schweden und England zu versöhnen. Bereits Anfang September lagen dem französischen Kaiser Meldungen vor, nach denen Öster264 265
Ders. an dens. Petersburg, 4. August 1806, in: ebd. Note Budberg [Kopie]. Petersburg, 25. September 1806, in: NA, FO 65/63, f°
120-122. 266
Stuart an Lord Granville. Petersburg, 2. September 1806, in: ebd., f° 162-164. Friedrich Wilhelm III. an Alexander I. Charlottenburg, 9. September 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Friedrich Wilhelm III., B. VI., Nr. 18, f° 74-75. 268 Note Budberg [Kopie]. Petersburg, 25. September 1806, in: NA, FO 65/63, f° 267
120-122. 269
Siehe hierzu auch Teil D. III. Napoleon an Berthier. Rambouillet, 26. August 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10696. 271 In einem Brief an Marschall Berthier schrieb Napoleon: „les mouvements de la Prusse continuent à être fort extraordinaires. Ils veulent recevoir une leçon... si les nouvelles continuent à faire croire que la Prusse a perdu la tête, je me rendrai droit à Würzburg ou à Bamberg."; siehe: Napoleon an Berthier. St. Cloud, 10. September 1806, in: ebd., Nr. 10757. 270
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reich und Russland dem Nordbund bereits beigetreten sein sollten. 272 Weitere Informationen ließen Paris glauben, dass im Rahmen des Nordbundes ein Zusammenschluss der russischen, preußischen, kursächsischen und kurhessischen Streitkräfte bereits erfolgt sei. 273 Aus Dresden meldete sich schließlich am 17. September der französische Gesandte Durand mit klaren Worten: „sous prétexte de former une confédération dans le nord de l'Allemagne, c'est une nouveau coalition qu'on cherche à élever contre la France, coalition qui se formait de la Prusse et de la Russe comme Puissant principales, de la Suède, du Danemark, de la Hesse, de la Saxe et des autres parts du nord de l'Allemagne comme puissances secondaires, et de l'Angleterre..." 274 Napoleon glaubte nun, dass sich eine neue antifranzösische Front rund um den Nordbund formierte. Den Behauptungen des preußischen Gesandten in Paris, Knobeisdorff, die militärischen Maßnahmen Berlins seien „purement défensives", 275 sprach er jetzt keine Glaubwürdigkeit zu. Zwar wünschte der französische Kaiser weiterhin den Frieden, aber - wie Talleyrand wusste - „il [Napoleon] préfère la guerre à la continuation d'un armement qui aurait pour lui tous les inconnivences d'une guerre réelle qui serait comme le prélude d'une nouvelle coalition". 276 Napoleons Verdacht erhärtete sich, als Durand meldete, die russische Armee habe auf dem Weg nach Schlesien die Vistula bereits überquert und werde Mitte Oktober in Kursachsen eintreffen. 277 Aus der Perspektive des französischen Kaisers schien die vierte Koalition bereits konkrete Züge angenommen zu haben. Angesichts dieser vermeintlichen Bedrohung wich Napoleon nun auf sein altes système de la guerre aus. Zunächst löste der General den Staatsmann, Außenminister Talleyrand, faktisch ab und übernahm die tatsächliche Leitung der auswärtigen Geschäfte. 278 Anschließend verstärkte er Anfang Oktober 1806 sei-
272 Siehe den Bericht des französischen Gesandten in Kassel; Bignon an Talleyrand. Kassel, 2. September 1806, in: AE, CP Hesse-Cassel 20, f° 142-145, hier f° 144. 273 Bulletin de Francfort. 22. September 1806, in: ebd., CP Allemagne 732, f° 350. 274 Durât an Talleyrand. Dresden, 17. September 1806, in: ebd., CP Saxe Electorale et Royale 76, f° 146-148, hier der chiffrierte Teil, f° 147 f. Anfang Oktober glaubte man in Paris, dass Preußen plant, von England Subsidienzahlungen in Höhe von 7.000.000£ zu fordern; siehe: Bourrienne , S. 102. 275 Knobelsdorffan Talleyrand. Paris, 20. September 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 362-363. 276 Talleyrand an Laforest. Paris, 19. September 1806, in: ebd., f° 358-360, hier f° 359-360. 277 So berichtet der französische Gesandte in Dresden, siehe: Durand an Talleyrand. Dresden, 21. September 1806, in: ebd., CP Saxe Electorale et Royale 76, f° 152-153. 278 Wahl, S. 166; Coquelle , S. 130. Von diesem Zeitpunkt an übermittelte Napoleon persönlich, und eben nicht über das Außenministerium, neue Instruktionen an sein Corps diplomatique.
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ne Streitkräfte entlang der preußischen Grenze. 279 Seine außenpolitische Praxis zielte jetzt darauf ab, Preußen zu einer Entwaffnung zu veranlassen und einem Krieg vorzubeugen. 280 Napoleon erkannte im preußischen Nordbund das Fundament der neuen Koalition und wies darum den französischen Gesandten in Berlin Laforest direkt an, auf Preußen in dieser Angelegenheit Druck auszuüben. Genau wie Friedrich Wilhelm III. brachte jetzt auch Napoleon den Nordbund in Verbindung mit der preußischen Aufrüstung. Folglich ließ er Berlin warnen, er erkenne keinesfalls eine unter Waffen zustande gebrachte politische Organisation an und werde ferner die Grande Armée aus Mitteleuropa nicht abziehen, ehe Preußen sich demobilisiere. 281 Parallel dazu lancierte Napoleon eine diplomatische Offensive gegen das preußische Projekt. Durch Drohungen und Warnungen brachte er jetzt die norddeutschen Kurhöfe sowie die Hanse von einer Teilnahme am preußischen Bund ab, indem er ihre bereits bestehende Animosität gegen Preußen nutzte. An Kurhessen richtete Napoleon in der norddeutschen Angelegenheit klare Forderungen. Der französische Gesandte in Kassel, Bignon, ließ am 12. September verlauten, Kurhessen dürfe dem Nordbund nicht beitreten. 282 Der Druck Napoleons, verbunden mit den eigenen Sorgen Kurhessens, zeigte Wirkung, zumal sich der Kurfürst Wilhelm I. infolge der preußischen Mobilmachung ohnehin von Berlin und vom norddeutschen Allianzvertrag distanzieren wollte. 283 Bereits am 27. September berichtete Bignon, dass das Abkommen mit Berlin nicht ratifiziert worden sei. 284 Kurz darauf erklärte Wilhelm I. sein Land für neutral. Anfang Oktober reiste er sogar zum preußischen Hauptquartier in Naumburg, um diese Neutralität von Preußen sanktionieren zu lassen.285 279
Nach Eingang der Meldung über die preußische Mobilmachung begann Napoleon, seine Bataillonen Richtung Preußen und die sächsische Grenze zu verlegen; hierzu siehe: Finckenstein an Haugwitz. Wien, 1. Oktober 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I, Nr. 192, Bd. 2, f° 51-52. 280 Note sur la Situation actuelle de mes affaires. St. Cloud, 12. September 1806, in: AE, MD France 1777, f° 109-111. Die nachträgliche Behauptung Luchesinis, Napoleon habe jeglichen Friedenswillen bereits verloren, ist daher unbegründet; hierzu siehe: Luchesini., Márchese: Historische Entwicklung der Ursachen und Wirkung des Rheinbundes, aus dem Italienischen von B. J. F. von Halem, Bd. 2, Leipzig 1821, S. 44. 281 Napoleon an Laforest. St. Cloud, 12. September 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10765; siehe hierzu auch den Bericht des kurhessischen Gesandten in Paris: Malsburg an Wilhelm I. Paris, 31. August 1806, in: Strippelmann, S. 167-168. 282 Note für eine Depesche an Bignon. St. Cloud, 12. September 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10767. 283 Später bestritt der Kurfürst gegenüber Paris die Existenz eines Abkommens mit Preußen; hierzu: Bignon an Talleyrand. Kassel, 20. September 1806, in: AE, CP HesseCassel 20, f° 165-168. 284 Bignon an Talleyrand. Kassel, 27. September 1806, in: ebd., f° 172-177. 285 Die Details seiner Unterhandlungen in Naumburg bleiben unklar; hierzu siehe die Bemerkungen bei: Strippelmann, S. 213, sowie: Schulz, Georg, S. 69-70.
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Schließlich, um im Kriegsfall Missverständnisse mit Frankreich zu vermeiden, ließ der Kurfürst entlang seiner Landesgrenze Neutralitätstafeln errichten „mit der leserlichen Aufschrift, schwarz auf weißem Grund - Electorat de Hesse, Pays Neutre". 286 Kursachsen war für Napoleon von überragender Bedeutung, da der Kur Staat strategisch günstig an Preußen lag und an den Rheinbund und an Österreich grenzte. Um Kursachsen von Preußen und dessen Bundesplan zu lösen, wandte Napoleon eine raffinierte diplomatische Taktik an. Anstatt Dresden unter politischen Druck zu setzten, stellte der französische Staatschef die Weichen für eine kursächsische Unabhängigkeit (von Preußen) und verstärkte die bereits vorhandenen partikularistischen Tendenzen. So ließ er dem Vertreter Kursachsens in Paris andeuten, es sei „bon" wenn der Kurfürst sich dem Rhein- oder Nordbund anschließe, aber „très bon encore", wenn er unabhängig und neutral bleibe und sich zum König erhebe. 287 Darüber hinaus ließ Napoleon Friedrich August III. davor warnen, der Kurfürst laufe durch einen Beitritt zum Nordbund Gefahr, unter preußische Vorherrschaft zu geraten und damit zu einem zweitrangigen Fürsten herabgesetzt zu werden. 288 Die Signale aus Paris waren deutlich. Kursachsen sollte sich für neutral und unabhängig erklären, wenn es seine Freiheit, seine territoriale Integrität und seine Selbstständigkeit langfristig aufrechterhalten wollte. Parallel zu seiner diplomatischen Aktivität am kursächsischen Hof bereitete Napoleon die zwischenstaatliche Grundlage für ein neues unabhängiges sächsisches Königreich. Er engagierte sich nämlich in Wien dafür, dass Österreich eine künftige Rangerhöhung Kursachsens sanktionieren würde. Er vermutete, dass Wien keine preußische Macht- und Einflussexpansion über Sachsen und somit in Richtung der österreichischen Grenze begrüßen würde, und ließ darum der Hofburg die preußischen Pläne mitteilen, den sächsischen Kurstaat in den Nordbund einzubinden.289 Stadion, der den Nordbund prinzipiell guthieß, wurde durch die französische Meldung alarmiert. Um Wien von einer unmittelbaren Nachbarschaft zu Preußen abschirmen zu können, gab er dem Plan Napoleons seine Zustimmung, anstelle des Beitritts Kursachsens zum
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Dies einer Verfügung von Ende Oktober 1806 zufolge; siehe: Verordnung des Kurfürsten von Hessen, o. O., 22. Oktober 1806, in: Strippelmann, S. 211; hierzu auch: Wilhelm /., S. 356. 287 So berichtete der kusächsische Gesandte in Paris; siehe: Senfft an Loß. Paris, 19. September 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. V. Driaults Behauptung, dass Napoleon Kursachsen zum Beitritt in den Rheinbund drängte, scheint unbegründet; siehe: Driault (1912), S. 467-468. 288 Senfft an Loß. Erster Bericht. Paris, 25. September 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. VI, unpag.; siehe auch: ders. an dens. Zweiter Bericht. Paris, 25. September 1806, in: ebd. 289 Talleyrand an La Rochefoucauld. Paris, 20. September 1806, in: AE, CP Autriche 379, f° 271-273.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
Nordbund ein unabhängiges pan-sächsisches Königreichs zu gründen. 290 Zudem bedankte sich Stadion für die französische „démonstration amicale" mit der Zusicherung, er werde Berlin, Petersburg und London über die strenge Neutralität (la plus stricte neutralité) Österreichs im Krieg unterrichten. 291 Durch die Unterstützung des kursächsischen Partikularismus und die österreichische Anerkennung der geplanten Neuordnung wollte Napoleon Kursachsen von Preußen lösen. Friedrich August III. betrieb allerdings eine selbstständige Außenpolitik. Wie bereits ausführlich diskutiert, lehnte er einerseits den Nordbund ab, war aber andererseits bereit, Preußen militärisch beizustehen. Seine Entscheidung führte jedoch zu einem Bruch mit Frankreich. Aus Protest gegen die militärische Zusammenarbeit Dresdens mit Berlin verlangte der französische Gesandte in Dresden, Durand, seinen Pass292 und verließ am 26. September die kursächsische Hauptstadt in Richtung Paris. 293 Ungeachtet dessen glaubte Napoleon, einen Teilerfolg erzielt zu haben, denn, obwohl sich Dresden der preußischen Armee anschloss, trat der Kurfürst nicht dem Nordbund bei und unterhielt weiterhin, durch seine Mission in Paris, Kontakte zu Frankreich. 294 Gegenüber der Hanse betrieb Napoleon eine ähnliche Politik. Auch dort nutze er die bereits existierenden partikularistischen Tendenzen sowie die in Paris bekannte Aversion der Hanse gegenüber Preußen und seinen NordbundPlänen, 295 um zwischen den Städten und Preußen einen Keil zu treiben. Im Unterschied zu seinem Vorgehen am kursächsischen Hof ging er bei der Hanse direkter vor und ließ deutlich seinen Einspruch gegen ihren Beitritt zum Nordbund verlauten. Bereits Ende August erklärte Napoleon Hamburg, Bremen und Lübeck unmissverständlich, dass die Hanse dem Nordbund nicht beitreten dürfe, 2 9 6 und forderte sie anschließend dazu auf, ihre Neutralität aufrechtzuerhal-
290
La Rochefoucauld an Talleyrand. Wien, 28. September 1806, in: ebd., f° 289-294. Ders. an dens. Wien, 4. Oktober 1806, in: ebd., f° 317-324. 292 Note Durands. Dresden, 22. September 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. V.; Loß an Durand. Dresden, 22. September 1806, in: ebd.; hierzu siehe: Blaschke, Karlheinz: Von Jena 1806 nach Wien 1815. Sachsen zwischen Preußen und Napoleon, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 144. 293 Loß an Goertz. o. O., 4. Oktober 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. VI. 294 Siehe hierzu: Hegner, Willi: Die politische Rolle des Grafen Senfft und seine Memoiren, Phil. Diss., Greifswald 1910, S. 14-15. 295 Siehe z. B. die Äußerungen des französischen Vertreters in Hamburg: „ce qui est certain, ce que les villes hanséatiques ont une grande aversion pour une confédération avec la Prusse." Bourrienne an Talleyrand. Hamburg, 2. September 1806, in: AE, CP Hambourg 119, f° 118-119. 296 Bericht Luchesinis. Paris, 26. August 1806, in: PFDK, Nr. 416. Napoleon wiederholte die Bekanntmachung Anfang September; siehe: Bericht Woltmanns. Berlin, undat., vermutlich von Anfang September 1806, in: StAB, RA, 2-B.l l.a.c.2.II., f° 154. 291
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ten. 297 Die französische Forderung entsprach durchaus den Wünschen der Städte, 2 9 8 denn diese waren sich längst darüber im Klaren, dass sie ihre Sonderrechte innerhalb des preußischen Nordbundes nicht weiter genießen würden. 299 Zudem witterten sie eine militärische Reaktion Frankreichs auf einen Anschluss and den preußischen Bund. 300 Die zentrale Frage nach dem angemessenen Vorgehen der Hanse in Norddeutschland blieb aber weiterhin offen. Sie beschäftigte nun die Teilnehmer der Konferenzen in Lübeck, 301 die am 3. Oktober nach der Rückkehr des hamburgischen Vertreters, Syndikus Dormann, aus seiner Heimatstadt erneuert wurden. 302 Angesichts des Drucks entschieden sich die hanseatischen Deputierten, den Aufforderungen Napoleons nachzukommen. Ungeachtet widersprüchlicher Andeutungen der russischen Gesandten in Berlin und in Stockholm über die Empfehlung des Zaren in der norddeutschen Angelegenheit 303 und obwohl Preußen drohte, die Städte zu besetzen,304 beschlossen die Deputierten, eine unabhängige und zugleich pro-französische Haltung einzunehmen.305 Dies hoben die Teilnehmer, Smidt, Dormann und Curtius, im resümierenden Gutachten der Konferenzen hervor. Zum einen vereinbarten die Städte darin, ihre Unabhängigkeit und Neutralität zu konsolidieren. 306 Hierzu
297 So nach folgendem Bericht: Gries an Alopeus. o. O., 9. September 1806, in: StAH, 111-1, CI. I. LitPb., Vol. 8c, Fasz. 5, Nr. 18. 298 Wohlwill (1897), S. 118-119; ders. (1906), S. 331. 299 Siehe z. B. die Äußerungen des hamburgischen Senators Amsnick; Amsnick an Heymann. Hamburg, 16. September 1806, in: StAH, 132-5/7, 1., Bd. I, f° 354-355. 300 Amsnik schrieb hierzu: „God forbid that the French should discover us in any coalition with their enemy"; siehe: ebd., f° 355. 301 Die Konferenzen wurden Anfang September aufgenommen und nach der fünften Sitzung vertagt. Siehe ausführlich Teil C. V. 302 So nach einer späteren Note desfranzösischen Gesandten in Hamburg; siehe: Bourrienne an Talleyrand. Hamburg, 28. Oktober 1806, in: AE, CP Hambourg 119, f° 143. 303 Während David Alopeus, der russische Gesandte in Stockholm, andeutete, der Zar rate den Städten, sich dem preußischen Nordbund anzuschließen, äußerte sein jüngerer Bruder Maxim Alopeus, der russische Gesandte in Berlin, die Gegenmeinung und ließ die Hanse verstehen, dass David Alopeus einen privaten und keinen offiziellen Standpunkt vertrete; siehe hierzu: Alopeus an Gries. Berlin, 6. September 1806, in: StAH, 111-1, CI. I. Lit Pb., Vol. 8c, Fasz. 5, Nr. 18; zudem auch: Wohlwill (1914), S. 321-322; ders. (1936), S. 601-602; Hildebrand, S. 66. 304 So berichtete derfranzösische Gesandter in Hamburg nachträglich; siehe: Bourrienne an Talleyrand. Hamburg, 28. Oktober 1806, in: AE, CP Hambourg 119, f° 143. 305 Hanseatische Deputation oder Hansetag zu Lübeck, in: StAH, 111-1, CI. I. Lit Pb., Vol. 8b Fasz. 30b, f° 26-28. Die Entscheidung wurde bereits in der siebten Konferenz (d. h. die zweite in der zweiten Konferenzrunde) getroffen. 306 Um ihre Neutralität aufrechtzuerhalten, planten die Städte, Talleyrand mit 150.000 livres zu belohnen. Die geplante Zahlung erübrigte sich schließlich, denn der Außenminister folgte in dieser Frage ohnehin den Anweisungen Napoleons als Befürworter einer hanseatischen Neutralität; siehe hierzu: Hildebrand, S. 29-31. Dem Ge-
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erklärten sie sich für „völlig freie und unabhängige Handelsrepubliken" und planten (Art. 5), gemeinsame Vertretungen im Ausland und (Art. 7) einen kooperativen Bundestag zu errichten. 307 Zum anderen einigten sich die Städte, sich in Norddeutschland nach der Politik Napoleons zu richten. Statt wie bisher einer Entscheidung in der Nordbund-Frage auszuweichen, sprachen sie sich jetzt klar gegen einen Beitritt zum preußischen Nordbund aus. 308 Napoleon gelang es also mühelos, die partikularistischen Tendenzen der Hanse zu intensivieren. Die hanseatische Neutralität diente jetzt seinen Interessen, da diese auf eine eindeutige Abwendung von Preußen und vom norddeutschen Projekt hinauslief. Napoleons Vorstoß, die Teilnahme der einstigen norddeutschen Reichsstände am preußischen Projekt zu untersagen, traf aber zugleich die Kerninteressen des preußischen Staates und löste darum eine massive preußische Gegenreaktion aus. 309 In Berlin registrierte man die diplomatische Offensive gegen den Nordbund. Im Zusammenhang mit dem abermals aufgeschobenen Rückzug der französischen Truppen aus Mitteleuropa und mit der jüngsten französischen Aufrüstung summierte sich in den Augen Preußens die außenpolitische Praxis Napoleons zu einer de facto Kriegserklärung. Seine Behauptung, er betrachte einen Krieg mit Preußen „comme une guerre civile", 3 1 0 schenkte man in Berlin keine Glaubwürdigkeit, denn der letzte Aufruf Napoleons gegen den Krieg stand aus preußischer Perspektive in einem markanten Widerspruch zu seiner außenpolitischen Praxis in Norddeutschland. Am 23. September begab sich Friedrich Wilhelm III. zu seinem Hauptquartier in Naumburg, aus dem er die militärische Offensive gegen die Grande Armée lancieren wollte. Das preußische Kabinett folgte dem König. Haugwitz betraute Hänlein mit der Fortsetzung der Verhandlungen zur Errichtung des Nordbundes 311 und überließ dem Legationsrat Lecoq die Stellvertretung des
sandten Bourrienne legten die Hansestädte eine Summe von 200.000 livres zurück, falls er eine ähnliche Schenkung fordern sollte. 307 Gutachten der hanseatischen Deputation. Lübeck, 15. Oktober 1806, in: StAH, 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8b Fasz. 30b, f° 2-8; siehe hierzu auch: Wohlwill (1906), S. 332. 308 Gutachten der hanseatischen Deputation. Lübeck, 15. Oktober 1806, in: StAH, 111-1, Cl. I. Lit Pb., Vol. 8b Fasz. 30b, f° 17-24; hierzu siehe auch: Matzen, S. 30. 309 Ähnlich behauptete Karl Disch, allerdings ohne auf die Bedeutung des Nordbundes in der preußischen Außenpolitik hinzuweisen; siehe: Disch, Karl: Der Kabinettsrat Beyme und die auswärtige Politik Preußens in den Jahren 1805/06, in: FBPG 41 (1928), 42 (1929), S. 341-343, 106. 310 Napoleon an Friedrich Wilhelm III. St. Cloud, 12. September 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10764. 311 Vollmacht für Hänlein. Charlottenburg, 21. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 220.
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Außenministeriums. 312 Erst am 25. September 1806 beantwortete der preußische König aus dem Hauptquartier das Schreiben Napoleons. 313 Darin warf er dem französischen Kaiser vor, den Interessen seines preußischen Verbündeten zuwidergehandelt zu haben. Seine Bemühungen, rund um den Nordbund eine neue antifranzösische Front zu konsolidieren, verheimlichte er weiterhin. In einem Katalog von Anschuldigungen zählte er vier französische Affronts auf, die ihn jetzt dazu motivierten, seine Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen. Erstens kritisierte er die französische Bereitschaft, Hannover an England zurückzugeben, obwohl der Kurstaat ein zentrales Fundament im norddeutschen Projekt darstellte. Zweitens verurteilte der Monarch die erzwungene Schließung der norddeutschen Häfen, da diese Preußens Handelsinteressen verletzte und seine Beziehungen zu den Koalitionsmächten, vor allem zu England, schwer belastete. Drittens beanstandete er den französischen Einspruch gegen den Beitritt von Kurhessen und den Hansestädten zum Nordbund, 314 weil er die preußische Macht- und Einflussexpansion in Norddeutschland unterminierte. Schließlich setzte der König die französische Mobilmachung aus. Denn „Sans ennemis et sans prétexte", wie Friedrich Wilhelm III. in seinem Schreiben erklärte, „...vous [Napoleon] avez laissé dans l'Allemagne une armée immense qui la dévaste sans objet apparent, mais vous l'avez renforcée en dernier lieu". 3 1 5 A l l dies spiegelte den Argwohn des preußischen Königs wider, 316 dass Napoleon mit seinem Vorgehen in Norddeutschland vorsätzlich die preußischen Grundinteressen angreife. Friedrich Wilhelm III. sah sich gezwungen, in die Offensive zu gehen. Im Anschluss an sein Rückschreiben an Napoleon erließ er ein Ultimatum mit drei Forderungen an Frankreich: 317 erstens, die französischen Truppen aus Mitteleuropa unverzüglich abzuziehen, zweitens, die Errichtung des Nordbundes zu ermöglichen, und drittens, Verhandlungen zwischen Paris und Berlin aufzunehmen, um alle Streitigkeiten beizulegen.318 Das zentrale Anliegen des Ultimatums war, wie zuvor, die Realisierung des Nordbundes. Wie selbst Talleyrand, der Initiator des Nordbundes, meinte: „des trois demandes que renferme cette note la première et la troisième ne sont faites que pour déguiser s'il en possible qu'on n'attache d'importance réelle qu'a la seconde [den
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Schmidt, Adolf (1857), Nr. 347. Friedrich Wilhelm III. an Napoleon. Naumburg, 25. September 1806, in: AE, MD France 1795, f° 87. 314 Hierzu auch: Wohlwill (1897), S. 119. 315 Friedrich Wilhelm III. an Napoleon. Naumburg, 25. September 1806, in: AE, MD France 1795, f° 87. 316 Koser, S. 628. 317 Eine Antwort erwartete der Monarch bis zum 8. Oktober. 318 Der Rheinische Bund, Bd. 1, Heft 3, S. 315-321; vgl. mit dem preußischen Kriegsmanifest. Erfurt, 9. Oktober 1806, abgedruckt in: Höpfner, S. I-XX. 313
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Nordbund]." 319 Der Nordbund verkörperte die preußische Expansionspolitik in Norddeutschland. Eine Behinderung seiner Umsetzung bedeutete deshalb für Berlin eine Bedrohung der preußischen Staatsinteressen. Aus diesem Grund reagierte Preußen auf die französische diplomatische Attacke auf sein norddeutsches Projekt mit dem Ultimatum und schließlich mit einer Kriegserklärung. Der Weg nach Jena, zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Preußen und Frankreich, war geebnet. Napoleon zog jetzt in den Krieg, den er aus seiner Perspektive zu Recht als Selbstverteidigung betrachtete. 320 Aufgrund der Aktion und der Reaktion beider Seiten spitzte sich den Konflikt zu. Aus dieser Situation, so der Historiker Kurt von Raumer, „ergab sich der merkwürdige Tatbestand, dass zwei Mächte, von denen jede den Krieg lieber verhütet haben würde, ihn durch wechselseitige Präventivmaßnahmen im Ergebnis unvermeidbar machten". 321
V. Von der Balance of Power zur Hegemonie Nach einer elfmonatigen Phase der Détente kam es in Europa erneut zu einem Krieg. In Berlin machten Zwistigkeiten innerhalb des Koalitionslagers die Bemühungen Preußens zunichte, seine ehemaligen Verbündeten für eine gemeinsame Aktion gegen Napoleon zu gewinnen. In Paris gelang es Talleyrand nicht, das napoleonische système de la guerre zu bändigen. Der französische Kaiser führte sein Land in den Krieg. Bei Jena und Auerstedt (14. Oktober 1806) vernichtete er die preußische Armee, in Friedland (14. Juni 1807) besiegte er Russland. Anschließend etablierte er binnen kurzer Zeit seine Hegemonie in Europa. Erst im September 1806 traf der preußische König die Entscheidung, „die Ehre und Sicherheit seiner Krone [...] den Waffen" anzuvertrauen. 322 Auf den bevorstehenden Krieg bereitete er sich aber nur unzureichend vor.
319 Talleyrand an Napoleon, o. O., 9. Oktober 1806, in: AE, CP Prusse 239, f° 400401. Vgl. auch die offizielle Reaktion Napoleons auf das preußische Kriegsmanifest. Darin wird behauptet: das Ziel Preußens sei „d'opposer une confédération rivale à celle du Rhin, c'était préparer des guerres éternelles, et éloigner l'Europe du but pacifique qui avait été l'objet de celle formée sous la protection de l'empire français" in: Réponse au manifeste du Roi de Prusse. Paris, 15. November 1806, S. 33-35. 320 Schreiben Napoleons an die Rheinbundländer. Bamberg, 7. Oktober 1806, in: Der Rheinische Bund, Bd. 1, Heft 2, S. 284-287. 321 Raumer (1984), S. 201. 322 Aus dem preußischen Kriegsmanifest. Erfurt, 9. Oktober 1806, abgedruckt in: Höpfner, S. I-XX.
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In erster Linie hatte die missliche finanzielle Lage Preußens die Kriegsvorbereitungen erschwert. Die kräftige Einbuße für den preußischen Handel und Export, infolge der englischen Blockade und der fehlenden Subsidienzahlungen, beeinträchtigten die Aufrüstung und Versorgung der preußischen Streitkräfte. Die von Minister Stein getroffenen Maßnahmen gegen die Finanzmisere zeigten lediglich eine geringe Wirkung. Obwohl er zum ersten Mal in Preußen Papiergeld drucken ließ, um die Zirkulationsmittel zu vergrößern, konnte er nicht rechtzeitig genug Geld für die Verteidigungsmaßnahmen aufbringen. 323 Sein Plan vom September 1806, in Preußen eine Einkommensteuer in Höhe von 30 % nach österreichischem Vorbild einzuführen, 324 sollte Mitte Oktober im Kabinett erörtert werden. Das Treffen fand allerdings aufgrund des Kriegsausbruchs und der Kampfhandlungen nicht statt. 325 Abgesehen von finanziellen Schwierigkeiten plagten Berlin auch die alten Strukturprobleme innerhalb des Kabinetts. „High politics" und Hofrivalitäten prägten wie zuvor die Arbeit der Regierung. Der führende Kabinettsminister von Haugwitz und sein Untersekretär von Lombard waren beim Koalitionsblock als pro-französisch verrufen 326 und diskreditierten dadurch in den Augen der Alliierten ganz Preußen. 327 Innerhalb des Kabinetts formierte sich ein Gegenpol rund um Königin Luise mit der Unterstützung Steins, der Prinzen Heinrich und Wilhelm (Brüder des Königs), des Prinzen Louis Ferdinand (Onkel des Königs) des Prinzen von Oranien und der Generäle Rüchel und Pfuel. 328 Diese wandten sich bereits Ende August 1806 an den König, um die Entlassung des Grafen Haugwitz und eine Umbildung des Kabinetts herbeizuführen. 329 Die Denkschrift, deren Umsetzung Preußens Beziehungen zur Koalition durchaus hätte entspannen können, zeigte beim König aber keine Wirkung. 330 Die Rivalität zwischen den Gruppierungen im preußischen Kabinett, der Mangel an regelmäßigem Meinungsaustausch und an einer Zusammenarbeit der Minister unterein323 Ein weiterer Vorschlag Steins, das gesamte goldene Tafelgeschirr des Hofes und Teile des silbernen einzuschmelzen, stieß beim König auf heftige Kritik; Lehmann, Max: Freiherr vom Stein, Bd. 1, Leipzig 1902, S. 418-424. 324 Immediatbericht Steins. Berlin, 26. September 1806, in: Botzenhart, Nr. 267. 325 Hubatsch, S. 40. 326 Clausewitz, S. 456-457; Gaide, Bruno: Der diplomatische Verkehr des Geheimen Kabinettsrat Lombard mit den Vertretern auswärtiger Mächte nach den Urkunden und seine Rechtfertigungsschrift, Phil. Diss., Greifswald 1911, S. 97-106. 327 Der englische Gesandte in Wien berichtete z. B. über eine „deeply rooted mistrust" in Wien gegenüber Preußen, die aufgrund der Aktivität des Grafen Haugwitz im preußischen Kabinett bestehe; siehe: Adair an Howiek. Wien, 17. September 1806, in: NA, FO 7/80. 328 Bailleu, Paul: Königen Luise. Ein Lebensbild, Berlin 1923, S. 164-169. 329 Immediatbericht Steins. Braunschweig, 25. August 1806/Berlin, 31. August 1806, in: Botzenhart, Nr. 249. 330 Ziemssen, S. 157-159.
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ander sowie mit dem König schwächten die Entscheidungs- und Reformfähigkeit des preußischen Staates331 und behinderten ein gemeinsames Engagement der preußischen Regierung im Kampf gegen Napoleon. Darüber hinaus unterminierte auch die stockende Bildung einer großen antifranzösischen Koalition die Kriegsvorbereitungen und schließlich auch den Angriff der preußischen Streitkräfte. England, das bisher alle Koalitionskriege mit Subsidienzahlungen unterstützt hatte, wirkte aufgrund des Konflikts mit Preußen nicht an der vierten Koalition mit. Die Friedensverhandlungen zwischen London und Berlin zogen sich hin. Erst Ende September nominierte das Kabinett von St. James den Sondergesandten Lord Morpeth, 332 um erneut Verhandlungen mit Berlin aufzunehmen. 333 Als Morpeth am 15. Oktober zum preußischen Hauptquartier gelangte, war die Schlacht bereits entschieden. 3 3 4 Seine Bitte um eine Audienz bei Haugwitz blieb unerwidert. 335 Die Mission von Morpeth scheiterte. 336 Die Ereignisse hatten die Diplomatie überholt. In Berlin versuchte man gleichzeitig, mit London in direkte Friedensgespräche einzutreten. Damit glaubte der Legationssekretär in der Londoner Mission Balan, die militärische Unterstützung der englisch-hannoverischen Legion sichern zu können. 337 Aus diesem Grund ordnete Haugwitz Jacobi-Kloest an, die Rückgabe Hannovers an England nach einem preußischen Sieg zuzusichern und Subsidienzah-
331 Hintze, Otto: Das preußische Staatsministerium im Neunzehnten Jahrhundert, in: Geist und Epochen der preußischen Geschichte. Gesammelte Abhandlungen, hrsg. von Fritz Härtung, Leipzig 1943, S. 563 f. 332 Dies geschah, nachdem zwei Nominierungen bereits gescheitert waren. Zunächst sollte Drummond nominiert werden. Man bevorzugte später Lord Henry Petty, welcher mit der Lage in Preußen vertraut war. Erst am 28. September wurde festgestellt, dass keiner Lord Petty als Zuständigen für das „seal of the exchequer" ablösen könnte. Unter diesen Umständen fiel die Wahl am 29. September auf Lord Morpeth; hierzu siehe: Howiek an George III. London, Downing Street, 25. September 1806, in: AspinalU Nr. 3300, sowie: ebd., Nr. 3305. 333 Dies den Instruktionen von Morpeth zufolge; siehe: ders. an Morpeth. London, 29. September 1806, in: NA, FO 95/204. 334 Dies nach dem Bericht von George Jackson; siehe: Jackson, Bd. 2, S. 10; vgl. auch den Bericht in: Gazette nationale ou le moniteur universel (Paris), Samstag, 9. Oktober 1806; Morpeth an Haugwitz. Elbingrode, 15. Oktober 1806, in: NA, FO 64/73, f° 45. 335 So nach dem Bericht Morpeths; siehe: ders. an Howiek. Braunschweig, 16. Oktober 1806, in: ebd., f° 40-42. 336 Vergeblich verfolgten Morpeth und seine Mitarbeiter den preußischen Minister von Ort zu Ort bis nach Frankenhausen. Von dort brachen sie schließlich nach England auf; hierzu siehe die folgende Beschreibung: Lady Henrietta an Lord Granville Levenson Gower. o. O., 28. Oktober 1806, in: Granville , Lord Levenson Gower (First Earl of Granville): Private Correspondence 1781 to 1821, hrsg. von Castalia Countess of Granville, Bd. 2, London 1917, S. 217-219; sowie: Jackson, Bd. 2, S. 28-29. 337 Balan an Haugwitz. London, 26. September 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 81, Nr. 237, f° 26-28.
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lungen zu beantragen. 338 Am 11. Oktober traf Jacobi-Kloest in London mit der Erklärung seines Kabinetts ein. Diese, meinte allerdings Außenminister Howiek, erfülle nicht die Forderungen des englischen Königs. 339 Auch der Appell Friedrich Wilhelms III. von Ende September an George III. für eine „retour de nos anciens sentiments" konnte die Differenzen zwischen Berlin und Windsor nicht überwinden. 340 Der englische Monarch erneuerte am 14. Oktober seine Forderung, Preußen möge Hannover unverzüglich restituieren, da dieses „nécessaire aux intérêts de ma famille et de mon peuple, et surtout à mon honneur" sei. 341 Eine englische Mitwirkung am Krieg respektive eine englische finanzielle Unterstützung wurde Preußen letzten Endes nicht gewährt. Preußen konnte auch nicht den österreichischen Hof für eine Kooperation gegen Frankreich gewinnen. Wien beharrte, wie bereits erwähnt, wegen seiner schwierigen Finanzlage auf seiner Neutralität. Das dringende Ersuchen Preußens vom 3. Oktober 1806 um materielle Beihilfe wies die Hofburg zurück, 342 da, so Stadion, Österreich zunächst die eigenen Vorräte wieder aufstocken müsse.343 Anfang Oktober entschied sich Österreich, seine Neutralität geltend zu machen, und stationierte ca. 70.000 Soldaten in Böhmen, an der sächsischen Grenze. 344 Vergeblich glaubte der preußische Gesandte am Wiener Hof, von Finckenstein, dass sich im Zuge des Kampfes die österreichische Armee der preußischen anschließen würde. 345 Russland war jetzt Preußens letzte Hoffnung. Aufgrund des Allianzvertrags vom Juli 1806 und der engen Freundschaft des Zaren mit dem königlichen
338 Hierzu siehe auch die Informationen des russischen Gesandten in London: Starhemberg an Stadion. London, 14. Oktober 1806, in: HHStA, Abt. VIII, England, Kart. 148, f° 19-20. 339 Howiek an Morpeth. London, Downing Street, 11. Oktober 1806, in: NA, FO 64/73, f° 21-24. 340 Friedrich Wilhelm III. an George III. Naumburg, 28. September 1806, in: Aspinall, Nr. 3303. 341 George III. an Friedrich Wilhelm III. Windsor, 14. Oktober 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 181B, f° 4. 342 Stadion an Metternich. Wien, 3. Oktober 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Kart. 199, Weisungen, Stadion an Metternich, IX-XII. 1806, f° 81-82. 343 Stadion an Binder. Wien, 3. Oktober 1806, in: ebd., Russland II, Kart. 205. Später behauptete Stadion, die schlechte Ernte ermögliche es nicht, Preußen mit Naturalien zu beliefern; siehe hierzu: Promemoria Stadions an Finckenstein. Wien, 8. Oktober 1806, in: Schmidt, Adolf (1857), Nr. 357. 344 Nach den Informationen Adairs wurden in Böhmen lediglich 70.000 Soldaten stationiert; siehe: Adair, S. 340-342. Der Bericht des preußischen Gesandten sprach hingegen von 100.000 Soldaten. Die finanzielle Lage Wiens lässt allerdings vermuten, dass es lediglich 70.000 Mann an der Grenze stationieren konnte. Zum Bericht siehe: Finckenstein an Haugwitz. Wien, 3. Oktober 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 1, Abt. I, Nr. 192, Bd. 2, f° 56-62, hier f° 57-8. 345 Ebd., f° 61.
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Paar 346 glaubte Preußen, sich zumindest der Beteiligung Petersburgs sicher sein zu können. 347 Die russische Hilfe geriet allerdings in Verzug. Die Depesche des preußischen Oberleutnants von Krusemarck an den Zaren mit dem dringenden Ersuchen um militärischen Beistand kam unter mysteriösen Umständen abhanden. Ein neu angefertigtes Exemplar der Depesche ging in der russischen Hauptstadt erst im Oktober ein. 348 Den Marschbefehl nach Preußen konnte Russland daher nicht vor dem 1. Oktober für 60.000 seiner Soldaten erteilen. 349 Diese erreichten die preußische Ostgrenze am 29. Oktober 1806. Zu einem gemeinsamen Auftreten beider Armeen gegen Frankreich kam es lediglich bei Preußisch-Eylau (7/8. Februar 1807), als ein preußischer Korps unter General Lestocq dem belagerten Heer des russischen Generals Bennigsen aus der Klemme half. Letzten Endes war es also Preußen, das Russland militärisch unterstützte. Auch der sächsische Kurfürst versagte schließlich den versprochenen Beistand. 350 Zwar machte er schon in der zweiten Septemberwoche 25 Bataillone (22.000 Mann) mobil, 3 5 1 aber er schob deren Einsatz im Kampf stets auf und beschränkte sich auf eine Bewachung des eigenen Territoriums. 352 Erst als Preußen am 3. Oktober Dresden erneut um militärische Unterstützung ersuchte und hierzu auch Vorteile im Frieden in Aussicht stellte, 353 kam man in Kursachsen in Bewegung. Am 10. Oktober erklärte Minister Loß, dass das casus foederis gemäß dem alten Erbverbrüderungsvertrag (1614) eingetreten sei. 354 Folglich stellte Kursachsen der preußischen Armee 20.000 Mann zur Verfügung, um gemeinsam Norddeutschland zu verteidigen. Zur tatsächlichen Mitwirkung der kursächsischen Streitkräfte kam es allerdings infolge der preußischen Niederla346
Paleolouque, S. 64-65. Im Hinblick auf den Aufruf des russischen Zaren, gemeinsam gegen Frankreich vorzugehen scheint Preußens Hoffnung durchaus realistisch gewesen zu sein; siehe: Russisches Kriegsmanifest. Petersburg, 16. November 1806, in: Petersburgische Zeitung, Dienstag, 20. November 1806. 348 Hierzu siehe ausführlich: Vehse, Carl Eduard: Die Höfe zu Preussen. Von Friedrich Wilhelm II. bis Friedrich Wilhelm III. 1786 bis 1840, Leipzig (ND 1993), S. 118119. 349 Goltz an Hardenberg. Petersburg, 1. Oktober 1806, in: GStA, VI. HA, Nl. Hardenberg, E. 9, f° 96-97. 350 Siehe hingegen: Bonnefons , S. 160 f. 351 Böttiger, S. 639. 352 Friedrich August III. an Friedrich Wilhelm III. o. O., 1. Oktober 1806; teilweise abgedruckt bei: Wiese, Hugo von: Friedrich Wilhelm Graf von Götzen. Schlesiens Held in der Franzosenzeit 1806-1807, Berlin 1902, S. 17. 353 Das Schreiben des preußischen Königs spezifizierte nicht die künftigen Vorteile für Kursachsen. Es lässt sich aber vermuten, dass Preußen dem Kurfürsten unter anderem die Herrschaft über alle sächsischen Häuser in Aussicht stellte; siehe: Friedrich Wilhelm III. an Friedrich August III. o. O., 3. Oktober 1806, in: Strippelmann, S. 214-215. 354 Loß an Goertz. Dresden, 10. Oktober 1806, in: SHStA, Loc. 2978, Vol. VI. 347
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ge nicht. 355 In dem Moment, da die Kriegsgefahr konkreter wurde, versagte Kursachsen Preußen seine Unterstützung. Der kursächsische Kriegsrat beschloss am 17. Oktober, also unmittelbar nach dem Eingag der Nachricht über die preußische Niederlage, 356 sich von Preußen zu trennen und für neutral zu erklären. 357 Nach kurhessischem Vorbild ließ jetzt Friedrich August III. entlang seiner Grenze Neutralitätstafeln - 30 cm hoch, 40 cm breit - mit der Inschrift: „Territoire de la Saxe Electorale. Pays neutre" platzieren. 358 Diplomatisch, militärisch und finanziell war Preußen also auf den Krieg mit Frankreich unzulänglich vorbereitet. Darüber hinaus unterschätzte Friedrich Wilhelm III. die Schlagkraft der Grande Armée und überschätzte die der eigenen Streitkräfte. 359 In Anbetracht dessen war seine Aussicht auf einen erfolgreichen Ausgang des Kriegsverlaufs eher gering. Der französische Kaiser konzentrierte sich jetzt auf die neue Konfrontation im Westen. Auf der Kontrolle über die adriatische Bucht - eine der zentralen Auslöser des Konflikts - beharrte er vorläufig nicht weiter. „Napoléon", erklärte La Rochefoucauld in Wien, „songent à écraser la Prusse, la question de Cattaro n'avait plus d'importance". 360 Am 12. Oktober 1806 erließ er seine letzte Warnung an den preußischen Monarchen - "Sire, Votre Majesté sera vaincue!". Die Nachricht erhielt der König erst nach der Aufnahme der Kampfhandlungen. 361 Am 9. Oktober kam es bei Schleiz und am Tag darauf bei Saalfeld zu ersten Gefechten. 362 Bei Jena und Auerstedt lieferten sich die französischen und
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Von der preußischen Niederlage erfuhr Dresden am 17. Oktober durch einen Kurier des Grafen von Görtz; hierzu siehe: Weber, Karl von: Zur Geschichte Sachsens während der letzten drei Monate des Jahres 1806, in: ASG 11 (1872), S. 9. 356 Treitschke, Heinrich von: Zur Geschichte der sächsischen Politik im Jahre 1806, in: HZ 42 (1879), S. 566-567; siehe hingegen die These von Witzleben, der allerdings die frühere Bereitschaft Kursachsens, Preußen zu unterstützen, hervorhebt, und die spätere Entscheidung des kursächsischen Hofes ausblendet; Witzleben, S. 167-158. 357 Böttiger, S. 652. 358 Philipp, Oskar: Eine Neutralitätstafel von 1806, in: NASG 38 (1917), S. 218-219. 359 Peter, Antonio: Stereotypen und Meinungsbilder der preußischen sowie der französischen Eliten im Vorfeld des Krieges von 1806, in: Umbruch im Schatten Napoleons. Die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen, hrsg. von Gerd Fesser/Reinhard Jonscher (= Jenaer Studien, Bd. 3), Jena 1998, S. 29-32. 360 Zitiert nach: Wassiltchikow, S. 401-402. 361 Napoleon an Friedrich Wilhelm III. Hauptquartier zu Gera, 12. Oktober 1806, in: CN, Bd. 13, Nr. 10990; hierzu auch: Exposé de la position dans la quelle se trouve la Monarchie depuis les désastres de la journée du 14. octobre de l'année présente. Graudenz, 5. November 1806, in : GStA, HA I., Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 412, f° 125-127, hier f° 125. 362 Auf dem Schlachtfeld von Saalfeld kam Prinz Louis Ferdinand ums Leben. Zu den Kampfhandlungen siehe ausführlich: Gates, S. 54-67.
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die preußischen Truppen am 14. Oktober 1806 die entscheidende Schlacht. 363 Dort scheiterte der preußische Angriff an der französischen Übermacht. Gegen 14 Uhr befanden sich die preußischen Truppen in Auflösung. Drei Tage später erfuhr man in Berlin von der Niederlage. 364 Obwohl Königin Luise ihren Gemahl aus der sicheren Ferne ermutigte, den Kampf gegen Napoleon fortzusetzen, 365 bat der König Napoleon bereits am 15. Oktober um einen Waffenstillstand 366 und zog sich schließlich mit dem ganzen Hof nach Stettin zurück. 367 Kaum zwei Wochen darauf, am 28. Oktober 1806, marschierte Napoleon durch das Brandenburger Tor in Berlin. 368 Am 30. Oktober unterzeichneten Duroc und Luchesini im Schloss Charlottenburg einen vorläufigen Waffenstillstand. 369 Erst jetzt versuchte Berlin seine politische Isolation zu durchbrechen. Friedrich Wilhelm III. war nun bereit, seine Ambitionen in Norddeutschland aufzugeben und seine Kriegsziele denen der Alliierten anzupassen. Nachdem man noch während der Schlacht von Saalfeld über den Nordbund verhandelt hatte, 370 zog Berlin infolge der Niederlage bei Jena/Auerstedt den norddeutschen Plan zurück. 371 Auf Hannover, das Herzstück des Projektes, welches Ende Oktober die französischen Truppen überfallen hatten, 372 verzichtete Preußen nach einer erneuten Forderung Englands. 373 In seinem Friedensprojekt vom 20. November
363 Erst an diesem Tag wurde das preußische Kriegsmanifest in Berlin publiziert; siehe die Berichterstattung des bayerischen Gesandten in Berlin: Bray, Graf François de: Aus dem Leben eines Diplomaten alter Schule. Aufzeichnungen und Denkwürdigkeiten, Leipzig 1901, S. 217 f. 364 Ebd., S. 220-221. Gleich darauf gab man die Nachricht offiziell bekannt; siehe: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Samstag, 18. Oktober 1806. 365 Louise an Friedrich Wilhelm III. Stettin, 20. Oktober 1806, in: Griewank (1929), Nr. 170; hierzu auch: Klatt, Tessa: Das politische Wirken der Königin Luise von Preußen, Diss. Phil, Berlin 1937, S. 75-76. 366 Friedrich Wilhelm III. an Napoleon, o. O., 15. Oktober 1806, in: AE, CP Prusse Supplément 13, f° 111. 367 Bailleu, Paul: Königen Luise im Kriege von 1806, in: DR 129 (1906), S. 32-44. 368 Mieck, Ilja: Napoléon et Berlin, in: Etudes Napoléoniennes 29 (1993), S. 555564. 369 Waffenstillstand zwischen Frankreich und Preußen. Charlottenburg, 30. Oktober 1806, in: GStA, I. HA, Rep. 11, Nr. 89, Fasz. 412, f° 63. 370 Waitz an Friedrich August III. Erfurt, 10. Oktober 1806, in: HStAM, Best. 4f, Preußen 934, f° 323-325. 371 Die Verhandlungen über den Nordbund in Berlin wurden bereits Ende September vertagt, nachdem sich der König und seine Minister zum Hauptquartier begaben hatten; siehe hierzu: Hänlein an Haugwitz. Berlin, 26. September 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 12, Nr. 142, Fasz. 1, f° 243-246. 372 Thimme, S. 187-188. 373 Note der englischen Regierung. London, 16. Oktober 1806, in: GStA, I. HA., Rep. 81, London, Nr. 236, f° 42-45, hier f° 42.
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1806 beschränkte sich Berlin (Art. 2), wie schon im Jahre 1801, auf die Rolle einer Interventionsmacht im englischen Kurfürstentum. 374 Die HannoverKlausel wurde auch in den Friedensvertrag übernommen, den Zastrow und Lord Hutchison am 18. Januar 1807 in Memel abschlossen.375 Mit der Beilegung der Krise beendeten die Kontrahenten ihre gegenseitigen Repressalien. Die Navigationsfreiheit an der preußischen Nordseeküste (Art. 3) wurde wiederhergestellt und (Art. 4) die in englischen Häfen festgesetzten preußischen Handelsschiffe wurden freigegeben. 376 In einem Vertrag über Subsidienzahlungen mit dem neuen englischen Außenminister George Canning vom 27. Juni 1807 erklärte Berlin seine Bereitschaft, sich für die Wiederherstellung der europäischen Balance of Power einzusetzen.377 Zum ersten Mal forderte Preußen dabei keine territorialen Vorteile in Norddeutschland. Kurz zuvor hatte Preußen am 26. April 1807 in Bartenstein eine Konvention mit Russland unterzeichnet, 378 die die militärische Unterstützung garantierte. Die Konvention von Bartenstein bedeutete eine grundlegende Änderung der preußischen Außenpolitik, denn damit traf Preußen die strategische Entscheidung, sich (Art. 2) für „la bien général" und für das europäische Gleichgewicht und eben nicht (Art. 13) für die eigenen territorialen Interessen einzusetzen. Zudem ließ sich Preußen nun (Art. 5) auf eine Kooperation mit dem österreichischen Rivalen ein. Zum ersten Mal seit 1795 war Preußen also bereit, gemeinsam mit Österreich auf die Bildung einer konstitutionellen Föderation in den deutschen Gebieten hinzuwirken. 379 In Bartenstein und in Memel verabschiedete sich Preußen für lange Zeit von den zwei zentralen Maximen seiner Außenpolitik - der Vergrößerung seines Territoriums und seiner Selbstbehauptung gegenüber Österreich. Berlin ging von nun an mit den Alliierten konform, um seine bloße Existenz zu retten.
374 In Art. 2 stand: „in case the... war should lead to the reoccupation of Hanover by the enemies of Prussia, His Prussian Majesty engages to take possession of the electorate only in the name of His Britannic Majesty"; hierzu siehe: Projekt eines Friedensvertrags. o. O., 20. November 1806, in: ebd., f° 94-97. 375 Dort ebenfalls als Art. 2; siehe: Traité de paix et d'amitié entre S.M. le roi de la Grande-Bretagne et d'Irlande et S.M. le roi de Prusse. Memel, 18. Januar 1807, in: ebd., Rep. 11, Nr. 72-75, Konv. 181C, f° 25-27. Martens scheint, sich bei der Datierung des Vertrags (nach ihm den 28. Januar 1807) geirrt zu haben; siehe: RPTA, Bd. 8, S. 601603; hierzu auch: Krauel (1906), S. 359-361; Krauels Datierung des Vertrags (28. Januar) folgte der Unstimmigkeit bei Martens. 376 Vgl. mit Art. 1, 3 und 4 zum Vertragsprojekt vom November 1806; siehe vorherige Anm. 377 Convention de subsides entre la Grande-Bretagne et la Prusse. London, 27. Juni 1807, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 615-617. 378 Convention entre la Russie et la Prusse. Bartenstein, 26. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 606-612. 379 Hierzu siehe auch: Schmidt, Adolf (1867), S. 164.
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Die Bildung der vierten Koalition war also erst nach der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen Anfang 1807 abgeschlossen. Die militärischen Begebenheiten überholten allerdings die politische Entscheidung Preußens. In den Monaten nach dem Abschluss der Konvention von Bartenstein kapitulierten fast alle preußischen Festungen zwischen Rhein und Oder. Nach der Schlacht um Preußisch-Eylau und nach der militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und Frankreich bei Friedland klang die letzte Kampfrunde mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Tilsit durch Berthier und den preußischen General Kalkreuth am 25. Juni 1807 aus. 380 Die faktische Niederlage Preußens war allerdings schon bei Jena/Auerstedt gegeben. Denn bereits infolge der Doppelschlacht erkannte Preußen, dass seine Pläne für Norddeutschland und seine außenpolitischen Interessen in der näheren Zukunft nicht durchsetzbar sein würden, und stellte folglich seine Außenpolitik grundlegend um. Napoleon konnte seinerseits gleich nach der Doppelschlacht seine Pläne realisieren und seine Hegemonie anstelle der alten kontinentalen Balance of Power etablieren. Die Tragweite der preußischen Niederlage geht weit über die preußische Geschichte hinaus. Bei Jena/Auerstedt erlitt letztlich nicht nur Preußen, sondern das gesamte alte Staatensystem eine schwere Niederlage. Dem Umbruch im preußischen Staat folgte ein totaler Zusammenbruch des Gleichgewichtssystems. Das Ende des alten Staatensystems und Napoleons definitive Abkehr vom droit public de VEurope hatte sich bereits im Herbst 1806 durch die Verhängung der Kontinentalsperre abgezeichnet. Am 21. November hatte der französische Kaiser von Berlin aus das Dekret über den blocus continental gegen England erlassen. 381 Das Dekret hatte zwei Ziele: zum einen die Grundlage eines neuen kontinentalen Hegemonialsystems zu schaffen und zum anderen England aus dieser neuen Ordnung auszuschließen. Der Ausschluss Englands vollzog sich durch (Art.l) die Blockade über die britische Insel und durch das Verbot (Art. 2), kommerzielle respektive private Beziehungen zu England zu unterhalten. Zugleich bildete die Kontinentalsperre eine wichtige Grundlage für das napoleonische Staatensystem. Denn alle von Frankreich besetzten und mit ihm alliierten Staaten mussten sich (Art. 2) dem blocus continental anschließen und sich somit dem System Napoleons de facto unterordnen. 382 Die Kontinentalsperre war also mehr als ein Handelskrieg gegen England. Sie stellte den ersten Schritt zur Etablierung einer neuen hegemonischen Ordnung dar. 380 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et le Roi de Prusse. Tilsit, 25. Juni 1807, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 635-636. 381 Décret Impérial qui déclare les îles britanniques en état de blocus. Hauptquartier zu Berlin, 21. November 1806, in: HHStA, Abt. VIII, Frankreich, Kart. 198, Berichte, Metternich an Stadion, XII. 1806, f° 10-11. 382 Ebd., f° 11.
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Napoleons zweiter Schritt bestand darin, die von Talleyrand gestellten Weichen für ein alternatives System in Nordeuropa, das norddeutsche Projekt, endgültig zu beseitigen. Der französische Kaiser nahm die Bausteine des geplanten Nordbundes auseinander und benutzte diese, um seine Herrschaft über Norddeutschland zu etablieren. Die Hansestädte, das wirtschaftliche Fundament des anvisierten Nordbundes, ließ er in Besitz nehmen. Am 6. November marschierte Marschall Bernadotte in Lübeck ein. 383 Am 19. November erklärte Marschall Mortier dem hamburgischen Senat die offizielle Inbesitznahme der Stadt am Tag darauf fiel auch Bremen in französische Hände. 384 Das Kurfürstentum Hannover, der Zankapfel zwischen Preußen, England, Schweden und Frankreich, das zugleich einen erheblichen Teil des Territoriums des geplanten Nordbundes bilden sollte, nahmen die Truppen der Grande Armée Ende November vollständig ein. 385 Die hannoverischen Territorien gliederte Napoleon später (1810) in sein System, in den neuen westfälischen Staat, ein. 386 Der hessische Kurstaat wurde ebenfalls besetzt. Obwohl der Kurfürst sich für neutral erklärt hatte und den Durchmarsch der preußischen Truppen hatte blockieren wollen, 387 zogen diese unter dem General Blücher am 5. Oktober 1806 durch seine Hauptstadt in Richtung Frankfurt, 388 während Wilhelm I. sich im preußischen Hauptquartier in Naumburg vergeblich um die Anerkennung seiner Neutralität durch Berlin bemühte. 389 Infolgedessen gab der französische Gesandte jetzt am kurhessischen Hof förmlich bekannt: „la neutralité de territoire n'existe plus." 390 Der letzte Versuch des Kurfürsten, durch die Beurlaubung seiner Streitkräfte (30.000 Mann) nach Jena/Auerstedt seine Neutralität unmissverständlich zu bezeugen,391 erwies sich als wirkungslos, denn schon am 30. Oktober fiel Marschall Mortier in Kurhessen ein und nahm es tags darauf in Be-
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Bippen (1904), S. 333. Obwohl die Stadträte an Bernadotte appellierten, Lübeck aufgrund seiner Bedeutung für den französischen Handelsverkehr zu verschonen, besetzte er die Stadt; hierzu siehe: Note der Stadt Lübeck an Marschall Bernadotte. Lübeck, 22. November 1806, in: AHL, ASA, Externa, Galica 166, f° 121-122. 384 Schmidt, Burghart, S. 186; Vogel, S. 18, 24. 385 Thimme, S. 187-188. 386 Ward, S. 336. 387 Wilhelm I. an Napoleon. Kassel, 5. Oktober 1806, in: HStAM, Best. 4f, Frankreich 1820, f° 336-337. 388 Bignon an Clarke. Kassel, 5. Oktober 1806, in: AE, CP Hesse-Cassel, Supplément 4, f° 290-291. 389 Ders. an Talleyrand. Kassel, 6. Oktober 1806, in: ebd., CP Hesse-Cassel 20, f° 185-190; hierzu auch: Strippelmann, S. 218-219. 390 Bignon an Talleyrand. Kassel, 6. Oktober 1806, in: AE, CP Hesse-Cassel 20, f° 191-192. 391 Heinemayer, Walter (Hrsg.): Handbuch der hessischen Geschichte (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 63), Bd. 4, Marburg 1998, S. 15.
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sitz. 392 Die Nacht zuvor hatte Wilhelm I. seine Residenz verlassen, um sich zu seinem Bruder, dem Landgrafen Karl Statthalter von Schleswig und Holstein, zu begeben. Schließlich gelangte er (1808) ins Prager Exil. 3 9 3 Das Kurfürstentum selbst wurde 1807 aufgelöst und in den von Napoleon geschaffenen westfälischen Staat integriert. Der sächsische Kurstaat, ein weiteres wichtiges Element des geplanten Nordbundes, war für Napoleon von besonderer Bedeutung. Dresdens strategische Position zwischen Preußen, Russland, Österreich und dem Rheinbund wollte der französische Kaiser stärken und für die Zwecke seines Systems benutzen. Darum rief er Kursachsen bereits vor dem Krieg mit Preußen auf, sich von Berlin zu befreien und seine Unabhängigkeit zu behaupten.394 Nach dem Krieg kam er der Bitte Friedrich Augusts III. nach, die Neutralität und die Integrität der kursächsischen Länder zu respektieren. 395 In einem Allianzvertrag, dem Frieden von Posen vom 11. Dezember 1806, konsolidierte Napoleon schließlich seine Beziehungen zu Friedrich August III. Darin gewährte er ihm Souveränität und (Art. 3) die bereits von Preußen im Rahmen des Nordbundes versprochene Rangerhöhung zum König (Friedrich August I.). 3 9 6 Durch die gleichzeitige Aufnahme des neuen sächsischen Königs in den Rheinbund war Sachsen nun in das Vertragssystem Napoleons völlig integriert. Napoleon gelang es also, die alten politisch-kulturellen Barrieren zwischen Kursachsen und dem neuen Europa mit bloßer Gewalt niederzureißen. Unter dem französischen militärischen Druck erkannte der Kurfürst die Auflösung des Alten Reichs an und ratifizierte am 20. Dezember den Vertrag mit dem französischen Kaiser. 397 Mit seiner militärischen Übermacht zerstörte Napoleon die Grundlagen der europäischen Balance of Power. Die Strukturdefizite auf dem Kontinent glich er nun durch den Ausbau seines Vertragssystems aus. Zu diesem Zweck erweiterte er den Rheinbund. Bereits am 11. Dezember nahm er, wie erwähnt, das neue
392
11062.
Note an den kurhessischen Hof zu Kassel. 31. Oktober 1806, in: CN, Bd. 13, Nr.
393 Rommel, Christian: Wilhelm der Erste, Kurfürst von Hessen. Eine Uebersicht seines öffentlichen Lebens, Kassel 1822, S. 23; Wilhelm /., S. 357-360. 394 Proclamation de Napoléon Empereur des Français et Roi d'Italie aux peuples de la Saxe. o. O., 10. Oktober 1806, in: AE, CP Saxe Electorale et Royale 76, f° 174-176; für eine deutsche Übersetzung siehe: Aufruf Napoleons an Sachsen, o. O., 10. Oktober 1806, in: Der Rheinische Bund, Bd. 1, Heft 3, S. 465-466. 395 Friedrich August III. an Napoleon, o. O., 27. Oktober 1806, in: Strippelmann, S. 233-234; hierzu siehe auch: Petschel, S. 294-295. 396 Traité de paix entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et S.A.S. l'électeur de Saxe. Posen, 11. Dezember 1806, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 553-554. 397 Brockhausen, S. 96.
V. Von der Balance of Power zur Hegemonie
223
sächsische Königreich in den Rheinbund auf. 398 Fünf Tage darauf traten auch die Häuser Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, SachsenHildburghausen und Sachsen-Coburg dem Rheinbund bei. 3 9 9 Am 18. April 1807 folgten die anhaltinischen Häuser Anhalt-Dessau, Bernburg und Cöthen, 400 die Fürsten von Reuß, 401 Lippe-Detmold und Lippe-Schaumburg, 402 Waldeck, 403 Schwarzburg-Sondershausen und Rudolstadt. 404 Zudem trat auch das jüngst errichtete Königreich Westfalen dem Rheinbund bei, das Napoleon in einem Dekret vom 18. August 1807 aus preußischen, hessischen und kurhessischen Territorien geschaffen hatte. 405 Durch diesen dritten Schritt konnte der französische Kaiser und Protektor der rheinischen Konföderation einen fast unmittelbaren politischen Einfluss auf Mitteleuropa nehmen. Darüber hinaus sicherte er sich durch die Ost- und Norderweiterung des Bundes den Oberbefehl über eine beträchtliche Streitkraft von 130.150 Mann, indem er die neuen Bundesmitglieder,
398 Traité de paix entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et S.A.S. l'électeur de Saxe. Posen, 11. Dezember 1806, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 553-554; darin siehe Art. 2. 399 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et LL.AA.SS. les ducs de Saxe-Weimar, Saxe-Gotha, Saxe-Meiningen, Saxe-Hildburghausen et Saxe-Coburg portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Posen, 15. Dezember 1806, abgedruckt in: ebd., S. 555-558. 400 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et les ducs d'Anhalt-Dessau, Bernbourg, Cöthen portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Warschau, 18. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 555-560. 401 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et les princes de Reuss, portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Warschau, 18. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 561-562. 402 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et les princes de LippeDetmold et Lippe-Schaumburg, portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Warschau, 18. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 562-563. Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et le prince de Waldeck, portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Warschau, 18. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 565-566. 404 Traité entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et les princes de Schwarzbourg-Sonderhausen et Rudolstadt, portant l'admission de ces princes à la confédération du Rhin. Warschau, 18. April 1807, abgedruckt in: ebd., S. 566-568. 405 Gemäß dem Dekret Napoleons (Art. 1) umfasste das neue Königreich die folgenden Länder: Braunschweig-Wolfenbüttel, Alt-Mark, Magdeburg, Halle, Hildesheim und Goslar, Halberstadt, Hohenstein, Grafschaft Mansfeld, Eichsfeld und Trelfurt, Mühlhausen, Nordhausen, Grafschaft Stollberg, die Gebiete von Hessen-Kassel (Kurhessen), Göttingen, Grubenhagen, Osnabrück, Padaborn, Ravensburg und die Grafschaft Rietberg-Kaunitz; hierzu: Décret de S.M. l'empereur des Français roi d'Italie portant réunion de différents états destinés à composer le royaume de Westphalie. 18. August 1807, abgedruckt in: ebd., S. 723-724.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
wie zuvor auch die alten, 406 dazu verpflichtete, 407 Truppen zur gemeinsamen Verteidigung zu stellen. 408 Der letzte Schritt zur Etablierung der napoleonischen Hegemonie über Mitteleuropa war die Festlegung und die Sicherung einer neuen Ostgrenze. Diese ersetzte nun die alte Grenzlinie des Reichsfriedens von Luné ville (1801) und sollte durch die Errichtung einer neuen politischen Befestigung den französischen Einflussbereich vom russischen Kaiserreich trennen. Das erste Fundament der Befestigung war die Schaffung eines neuen polnischen Staates zwischen Preußen und Russland. Die polnische Bevölkerung hatte Napoleon bereits vor dem Krieg für seine Zwecke einspannen wollen. So plante er im September 1806, zwei polnische Legionen zu bilden, um Berlin an der Ostflanke anzugreifen. 409 Im Zuge der französischen Expansion nach Osten, machte Napoleon von den polnischen Territorien Gebrauch, um seine neue Ostgrenze abzusichern. Nach den Kampfhandlungen schloss er im Rahmen eines Friedensvertrags mit Berlin - des Tilsiter Friedens vom 9. Juli 1807 - Danzig und die preußischen polnischen Besitzungen zu einem neuen polnischen Staat zusammen.410 Die Herrschaft über das neue polnische Herzogtum übertrug er in einem gesonderten Vertrag seinem neuen Alliierten Friedrich August I. als Herzog von Warschau. 411 Dieser verpflichtete sich vertraglich, im Herzogtum (Art. 5) eine Armee von 30.000 Mann zu unterhalten und (Art. 8) ein zusätzliches Kontingent von 30.000 französischen Soldaten dort aufzunehmen. Als am 17. September 1807 Friedrich August I. die Herrschaft über das Herzogtum von
406 Nach Art. 38 der acte de la confédération du Rhin vom 12. Juli 1806 mussten die Mitgliedstaaten im Kriegsfall folgende Kontingente aufstellen: Frankreich (als Protektor) 100.000 Soldaten, Bayern 30.000, Württemberg 12.000, Baden 8.000, Berg 5.000, Darmstadt 4.000 und der Prinz von Nassau 4.000 Mann; hierzu siehe: Acte de la confédération du Rhin. Paris, 12. Juli 1806, abgedruckt bei: Walder, S. 68-81, hier S. 79 f. 407 Siehe Art. 8 zum Posener Frieden, Art. 5 in der Verfassung Westfalens und jeweils Art. 5 in den Aufnahmeverträgen der oben erwähnten Staaten. 408 Die Berechnung schließt sowohl die Truppen der alten als auch die der neuen Mitglieder ein. 409 Recke, Walter: Die polnische Frage als Problem der europäischen Politik, Berlin 1927, S. 42-46. Es ist zu bemerken, dass zur gleichen Zeit so genannte polnische Patrioten in Preußen (z. B. der polnische Fürst Anton Radziwill) eine preußische Intervention zugunsten Polens befürworteten. So rief Radziwill in einer Denkschrift den König Friedrich Wilhelm III. dazu auf, polnische Legionen zu bilden und die Krone Polens für sich zu behaupten. Die Denkschrift bekam der König allerdings nicht zu lesen; hierzu siehe: Rüther, E.: Napoleon und Polen in den Jahren 1806 und 1807, Hamburg 1901, S. 1. 410 Traité de paix entre S.M. l'empereur des Français, roi d'Italie et S.M. le roi de Prusse. Tilsit, 9. Juli 1807, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 661-668; darin siehe Art. 1314. 411 Extrait de la convention entre la France et la Saxe, concernant la cession du duché de Varsovie. Dresden, 22. Juli 1807, abgedruckt in: ebd., S. 670-672.
V. Von der Balance of Power zur Hegemonie
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Warschau übernahm, 412 wurde das neue Polen durch seine Person an das erweiterte Vertragssystem des französischen Kaisers gebunden.413 Das zweite Element in der napoleonischen Sicherung der Ostgrenze war der bereits erwähnte Friedensvertrag mit Preußen. 414 Am Ende der zweiten Kriegsphase im Juni 1807 gliederte Napoleon Preußen in sein Vertragssystem wieder ein, um die neue Grenze zu Russland besser abzusichern. 415 Im Friedensvertrag musste sich Preußen folglich (Art. 27) der Kontinentalsperre anschließen und darüber hinaus (Art. 4) den Rheinbund sowie (Art. 3) die französischen Monarchen Louis in Holland, Joseph in Neapel und (Art. 6) Jérôme in Westfalen anerkennen. Zudem verschob Napoleon den politischen Schwerpunkt Preußens nach Osten. Im Vertrag trat Berlin (Art. 7) nämlich alle seine Territorien zwischen Rhein und Elbe an Frankreich ab und verlagerte zwangsläufig sein politisches Zentrum nach Osten. 416 Durch diese Verlagerung der preußischen Macht und ihre Einbindung ins Vertragssystem erweiterte Napoleon den territorialen Gürtel alliierter Staaten entlang der Grenze zwischen Westeuropa und Russland. Für die Sicherung der Ostgrenze bürgten außerdem neue Friedensverträge mit den Ostmächten - die Staaten hinter der neuen Grenzlinie. Am 7. Juli 1807 schloss Napoleon den Tilsiter Frieden mit Russland.417 Zum einen teilten Paris und Petersburg im Vertrag ihre Einflussbereiche zwischen Westen und Osten eindeutig auf, 418 und zum anderen erkannte Russland das neue System Napoleons jenseits der Ostgrenze offiziell an. 419 Im Anschluss daran ergänzte Napole412
Acte de la remise du douché de Varsovie par la France à la Saxe. Berlin, 17. September 1807, abgedruckt in: ebd., S. 675-677. Dabei erhielt Danzig den Status einer Freistadt unter einem gemeinsamen preußisch-sächsischen Protektorat; siehe hierzu Art. 19 zum Friedensvertrag zwischen Frankreich und Preußen; sowie Recke, S. 42-46. 413 Polen war bereits in den Jahren 1697 bis 1763 durch die Person des kursächsischen Kurfürsten und damaligen Königs von Polen ins mitteleuropäische Staatensystem integriert. Traité de paix entre S.M. l'empereur des Français, roi d'Italie et S.M. le roi de Prusse. Tilsit, 9. Juli 1807, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 661-668. 415 Butterfield, Herbert: The Peace Tactics of Napoleon 1806-1808, Cambridge 1929, S. 12-13. 416 Die westlichen Gebiete (z. B. Ostfriesland) übertrug Napoleon Holland, die östlichen Gebiete dem sächsischen Königreich und dem Herzogtum Warschau. 417 Traité de paix entre S.M. l'empereur des Français roi d'Italie et S.M. l'empereur de toutes les Russies. Tilsit, 7. Juni 1807, abgedruckt in: RPTA, Bd. 8, S. 637-643. 418 Hierzu erhielt Russland (Art. 4) alte Territorien im Osten, nämlich das Herzogtum von Magdeburg (den Teil östlich der Elbe), die Priegnitz, die Uckermark, die Mark Brandenburg (ohne den Kreis Cottbus, den Napoleon Kursachsen zusprach), Teile der Region Netze und die nach 1772 von Preußen besetzten Gebiete, und verzichtete (Art. 16) auf sein letztes Gebiet im Westen, nämlich Jever. 419 Der Zar erkannte offiziell (Art. 14) den neuen König von Neapel Joseph und den König von Holland Louis, den Rheinbund (Art. 15) und schließlich (Art. 18) Jérôme als König von Westfallen an.
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D. Europa auf dem Weg zum Rétablissement?
on am 10. Oktober 1807 den alten Friedensvertrag mit Wien, den Preßburger Frieden, durch eine neue Konvention. 420 Dieses Arrangement regelte nun endgültig die Cattaro-Angelegenheit, die bisher die französisch-österreichischen Beziehungen stark belastet hatte. Mit dem darin (Art. 5) vereinbarten Rückzug der russischen Truppen aus Cattaro wurden die Streitigkeiten beigelegt, die zu Spannungen und letzten Endes zum Krieg auf dem Kontinent geführt hatten. Beinahe zwei Jahre nach seiner Unterzeichnung wurde jetzt der Preßburger Frieden vollständig implementiert. 421 Durch all diese Maßnahmen - die Kontinentalsperre, die Verhinderung des Nordbundes, die Erweiterung des Rheinbundes und die Neumarkierung und Stabilisierung der Ostgrenze - etablierte der französische Kaiser seine Hegemonie über Mitteleuropa. Die Strukturdefizite im europäischen Staatensystem, die Talleyrand durch eine modifizierte Balance of Power wettmachen wollte, beglich Napoleon nach Jena/Auerstedt durch sein Vertragssystem. Talleyrand begriff nun, dass die neue politische Organisation das alte Europa des kontinentalen Gleichgewichts abgelöst hatte. Am 9. August 1807, gleich nach dem Abschluss des Tilsiter Friedens, 422 verließ er das Ministerium auf eigenen Wunsch, 423 da er das Hegemonialsystem Napoleons weder bändigen noch vertreten konnte. 424 In seinen Memoiren schrieb er: „En 1807 Napoléon s'était depuis longtemps déjà écarté, je le reconnais, de la voie dans laquelle j'ai tout fait pour retenir, mais je n'avais pu, jusqu'à l'occasion qui s'offrit alors, quitter le poste que j'occupais." 425
420 Convention additionnelle de paix et de limites entre l'empereur des Français roi d'Italie et l'empereur d'Autriche. Fontainebleau, 10. Oktober 1807, abgedruckt in: ebd., S. 697-699. 421 Der Vertrag wurde erst im Dezember 1807 mit dem Rückzug der französischen Truppen aus der besetzten österreichischen Stadt Braunau umgesetzt; hierzu siehe: Konvention vom 10. Dezember 1807. Braunau, in: HHStA, Abt. V, Friedensakten 102k, f° 1-2. 422 Talleyrand nahm an der Formulierung des Vertrags teil, aber dieser sei - wie Burckhardt zu Recht feststellte - nicht nach seinem Geschmack gewesen; siehe: Burckhardt, Jacob: Talleyrand, in: Jacob Burckhardt Vorträge, hrsg. von Emil Dürr (= Jacob Burckhardt-Gesamtausgabe, Bd. 14), Berlin/Leipzig 1933, S. 212. 423 Den Tilsiter Frieden zwischen Frankreich und Russland unterzeichnete Talleyrand als französischer Vertreter. Dies geschah vermutlich auf Anweisung Napoleons. 424 Rosenthal, S. 111. 425 TM, Bd. 2, S. 318.
E. Schlussbetrachtungen
I. Strukturwandel auf dem Kontinent Die Rekonstruktion der Diplomatiegeschichte von 1806 entfaltete die komplexen zwischenstaatlichen Beziehungen in Europa. Die dichte Vernetzung von Diplomatie und Staaten sowie die Wirkung unterschiedlicher Loyalitäten und Präferenzen von Staatsmännern und Ministern auf außenpolitische Entscheidungen und Handlungsoptionen traten so in all ihrer Komplexität zutage. Der theoretisch fundierte Ansatz der Untersuchung, geschichtliche „Randerscheinungen" in das zentrale historische Narrativ zu integrieren, machte dabei neue Quellen zugänglich und erweiterte den geographischen Raum (von Mitteleuropa bis in die Peripherie, an die Adria und ans Mittelmeer) sowie den politischen Kontext der Analyse (vom Staat als Akteur bis zum einzelnen Minister und Diplomaten und dessen Einfluss auf den Gang der Ereignisse). Durch eine klare Differenzierung zwischen dem Vorgehen Napoleons und der außenpolitischen Praxis seines Außenministers konnten die voranstellenden Ausführungen alternative Entwicklungsoptionen im europäischen Staatensystem präzise erfassen. Das Ergebnis lautete, dass der Strukturwandel auf dem Kontinent nicht nur ein Produkt der Auseinandersetzungen innerhalb Europas, sondern auch das Ergebnis des Machtkampfs an der Spitze der französischen Regierung war. 1 Beide Protagonisten an der Seine verfolgten die Absicht, die Strukturdefizite auf dem Kontinent nach dem Vollzug des Reichsdeputationshauptschlusses (1803) und der Niederlage der dritten Koalition (1805) auf unterschiedliche Weise zu beheben. Die erste Phase des europäischen Strukturwandels spiegelte vorwiegend die Hegemonialpolitik Napoleons wider. Die Brünner Verträge mit Württemberg, Bayern und Baden und den Preßburger Frieden mit Österreich initiierte Napoleon als Teil seiner Expansionspolitik. Der Rheinbund hingegen war in
1
Vgl. hingegen Hermann Conrad, Eberhard Weis und Stuart Woolf, welche die gesamte Entwicklung des Staatensystem zu dieser Zeit allein auf Talleyrands Pläne zurückfuhren: Conrad, S. 58; Weis, S. 57-58; Woolf S. 20-22; sowie Peter Richard Rohden, der die Umbildung Europas Napoleon und seiner Hegemonialpolitik zurechnete; Rohden, S. 76-77.
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E. Schlussbetrachtungen
seinem ersten Stadium ein Versuch Talleyrands, im Anschluss an sein Straßburger Projekt die napoleonische Hegemonialpolitik einzudämmen und ein neues Gleichgewicht zu etablieren. Erst die spätere Intervention des französischen Kaisers in die Gestaltung des Rheinbundes machte aus der Konföderation ein Instrument seiner Politik. Napoleons Machtansprüche schienen damit saturiert zu sein. Die kurze Phase der Détente nutzte Talleyrand seinerseits, um die übrigen kontinentalen Strukturdefizite nach seiner Vorstellung - d. h. nach dem Gleichgewichtsprinzip - auszugleichen. Das Nordbund-Projekt sollte ein Pendant zum Rheinbund bilden und die Grenze des französischen Kaiserreichs im Norden festlegen. Der Frieden mit Russland und die Friedensverhandlungen mit England dienten ebenfalls dazu, Spannungen im Staatensystem abzubauen und eine neue Ordnung nach den Maximen der europäischen Balance of Power herzustellen. Erst nach dem Scheitern Talleyrands infolge der Nichtratifizierung des Oubril-Vertrags und der Destabilisierung des Kontinents begann die zweite Phase der napoleonischen Territorialexpansion. Den Strukturausgleich, den Talleyrand durch ein balanciertes System hätte durchaus vollbringen können, bewirkte Napoleon dann, im Herbst 1806, durch eine weitere Ausdehnung des französischen Einflusses Richtung Osten. Weder die Französische Revolution (Michael Strümer) 2 noch der Reichsdeputationshauptschluss (Bruno Gebhart), 3 die Schlacht bei Austerlitz (Paul W. Schroeder) 4 oder die Gründung des Rheinbundes (Enno Kraehe) 5 beendeten das Zeitalter der europäischen Balance of Power. Der Strukturwandel in Europa vollzog sich erst im Herbst 1806. Napoleons militärische Kampagne gegen Preußen signalisierte den Auftakt dieses Wandels. Durch die Errichtung des blocus continental unmittelbar nach dem Ende der ersten Kampfhandlungen legte er die Fundamente für die Erweiterung seines Vertragssystems und für die Etablierung seiner Vorherrschaft in Europa. Die Schaffung des polnischen Herzogtums, des westfälischen sowie des sächsischen Königreichs, die Ausdehnung des Rheinbundes (1807) auf die potenziellen Mitglieder des geplanten Nordbundes und die Friedensverträge mit Petersburg und Berlin komplettierten sein Hegemonialsystem. Jena/Auerstedt war in diesem Kontext von struktureller Bedeutung auf europäischer Ebene, denn die Doppelschlacht markierte nicht nur den inneren Umbruch im preußischen Staat, sondern in erster Linie den Umbruch im Staatensystem.
2 Stürmer, Michael: Die Französische Revolution in Deutschland, in: ZfP 32 (1985), S. 255. 3 Gebhardt, Bruno: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert (= Am Ende des Jahrhunderts. Rückschau auf 100 Jahre geistiger Entwicklung, hrsg. von Paul Bornstein, Bd. 1), Berlin 1898, S. 20-21. 4 Schroeder (1994), S. 286. 5 Kraehe (1974), S. 163.
II. Europa und der Orient
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II. Europa und der Orient Der kontinentale Strukturwandel und die Entwicklungen innerhalb des Staatensystems wurden erheblich durch die Interaktion zwischen der Orient- und der Europapolitik beeinflusst. Für den kontinentalen Konflikt zwischen Napoleon und der Koalition gewann die orientalische Frage schon infolge der ersten englisch-französischen Auseinandersetzung über Ägypten (1798-1801) an Bedeutung.6 Später, im französisch-englischen Separatfrieden von Amiens (1802), trat die Frage im Kontext der Krise über die Kontrolle Maltas und des Mittelmeers (d. h. über den Zugang zum Orient) erneut in den Vordergrund. Der Streit um die Insel trug 1803 zur Verschärfung des englisch-französischen Konflikts und letztlich zur Ausbruch des dritten Koalitionskrieges bei. In der kritischen Übergangsphase von der Balance of Power zur Hegemonie (1805/06) nahm die orientalische Frage erneut einen zentralen Platz im machtpolitischen Kalkül der Akteure ein. Für Talleyrand diente die Orientpolitik der europäischen Friedensstiftung. Bereits im projet von Straßburg (Oktober 1805) versuchte er, den Konflikt im Westen nach Osten zu kanalisieren, um dadurch die kontinentale Bellizität abzubauen. Auf eine ähnliche Weise diktierte auch die Europapolitik der Flügelmächte deren Vorgehen im Orient mit. Dort, im Südosten, am Mittelmeer und an der Adria, nutzten sie ihre starke Position, um Napoleon anzugreifen und seinen politischen Einfluss auf das europäische Zentrum zu mäßigen. So war England nicht bereit, die Kontrolle über den Mittelmeerraum aufzugeben und auf Malta (1803) und an Sizilien (1806) zu verzichten. An der Themse wollte man ausschließlich zugunsten eines Friedensvertrags mit Paris und einer Eindämmung der napoleonischen Expansion in Europa aufgeben wollte. Russland nutzte ebenfalls seine starke Position an der Adria, um dort die Kräfte des französischen Kaisers zu schwächen. Die russische Aktion in der Bucht von Cattaro und auf den Inseln Lissa und Curzola vor der dalmatinischen Küste ermöglichte Petersburg nicht nur, Napoleons Weg Richtung Osten zu blockieren, sondern ihn in erster Linie in Europa zu treffen. Auch im außenpolitischen Denken Napoleons war die Orientpolitik stets präsent. Im Preßburger Frieden sicherte er sich neue Territorien am Tor zum Orient. 1806 ließ er die westliche Adriaküste (das Königreich von Neapel) einnehmen, und in den von Talleyrand geführten Verhandlungen mit England bestand er darauf, dass Sizilien an seinen Bruder Joseph abgetreten würde. Sobald Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner Orientpolitik auftraten, nutzte der französische Kaiser seine Europapolitik, um Druck auf die betreffenden Mächte 6 Napoleon landete 1798 in Ägypten und stationierte dort seine Streitkräfte. Diese kapitulierten schließlich vor der englischen Marine im September 1801 und verließen das Land Anfang 1802; hierzu siehe den Überblick bei: DN, Bd. 1, S. 702-703.
230
E. Schlussbetrachtungen
auszuüben. So schob er den Abzug seiner Streitkräfte aus Mitteleuropa auf, um Österreich dazu zu zwingen, zu seinen Gunsten in Russland zu intervenieren und die Übergabe Cattaros an Frankreich gemäß dem Preßburger Frieden durchzuführen. Bis auf Preußen agierten alle Kontrahenten abwechselnd im Orient und im Okzident, um sich in der diplomatischen Arena stärker zu profilieren. Ausgerechnet Berlin, das in der europäischen Peripherie weder direkte noch indirekte Interessen besaß, war von der Interaktion zwischen der Orient- und der Europapolitik in der Cattaro-Affäre massiv betroffen. Wie sich selbst König Friedrich Wilhelm III. selbst in seinem Ultimatum an Napoleon und in seinem Kriegsmanifest unmissverständlich erklärte, 7 führten die durch die Spannungen an der Adria ausgelösten Dissonanzen zwischen Paris und Berlin letzten Endes zur preußischen Entscheidung, Frankreich den Krieg zu erklären. Der Weg nach Jena führte über die Bocca di Cattaro.
III. Außenpolitik und außenpolitische Praxis Die Entscheidung in Berlin, nach zehn Jahren nomineller Neutralität wieder in den Krieg zu ziehen, lässt sich nicht allein auf Veränderungen der preußischen Position im zwischenstaatlichen Geflecht zurückführen. Auch das Zusammenspiel von Interessen und politischer Praxis in der preußischen Außenpolitik, welches dem Vorgehen aller Staaten, Staatsmänner und Diplomaten in der internationalen Arena zugrunde lag, beeinflusste Preußens Machtpolitik wesentlich. In diesem Kontext ließ die Differenzierung zwischen Außenpolitik und außenpolitischer Praxis nach dem theoretischen Ansatz von Giandomenico Majone die Logik der preußischen Diplomatie in der Übergangszeit erkennen,8 die sonst oft als unbeständig beurteilt wird. 9 So konnte demonstriert werden, dass sich hinter der rastlosen und widerspruchsvollen außenpolitischen Praxis Preußens ein kohärentes und konsequentes außenpolitisches Denken verbarg. Dieses zielte stets darauf ab, das preußische Territorium respektive den preußischen Einfluss in Norddeutschland auszudehnen und Preußen als Großmacht gegenüber dem römisch-deutschen und später österreichischen Kaiser besser zu positionieren. Diese außenpolitischen Ziele verfolgte Berlin mit allen Mitteln und auf allen erdenklichen Wegen - mit seiner Neutralität und dem Austritt aus der antifranzösischen Koalition (1795), durch den erneuten Beitritt zur Koalition 7
Der Rheinische Bund, Bd. 1, Heft 2, S. 315-321; vgl. das preußische Kriegsmanifest. Erfurt, 9. Oktober 1806, abgedruckt in: Höpfner, S. I-XX. 8 Majone, S. 147-148. 9 Siehe z. B. La Tour, S. 204-205.
IV. Frieden und Krieg
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(1805), durch den Anschluss an Frankreich (1805/06), mit der Planung eines Nordbundes (1806) und schließlich mittels einer erneuten Annäherung an die Alliierten und eines Krieges gegen Frankreich (1806). Obwohl Berlin sein strategisches Handeln stets an Schwankungen in den politischen Konstellationen auf dem Kontinent anpasste, blieb der Leitgedanke seiner Außenpolitik bis zur Niederlage konstant. Erst nach dem Umbruch in Preußen erfolgte auch das Umdenken in der preußischen Außenpolitik und letztlich der strategische langfristige Anschluss an die Koalitionsmächte. Die Trennung zwischen Außenpolitik - d. h. die Maximen und Ziele, die das Handeln eines Staates in der diplomatischen Arena leiten - und dem konkreten außenpolitischen Vorgehen macht dabei Preußens Diplomatie und letztlich auch seine Kriegsentscheidung begreiflicher.
IV. Frieden und Krieg Der Kriegsausbruch von 1806 kann nicht als Indiz dafür genommen werden, dass nach Austerlitz 1805 Frieden in Europa nach dem Gleichgewichtsprinzip keine reale Option war. Stets gab es Gegenströmungen und alternative Entwicklungslinien, welche einer friedlichen Beilegung der zwischenstaatlichen Streitigkeiten hätten zugute kommen können. In Cattaro wollte Russland zunächst politisch agieren. Nur aufgrund der Eigeninitiative eines Admirals verwickelte es sich in einen militärischen Schlagabtausch mit Frankreich. In Hannover neigte England zuerst dazu, eine preußische Besatzung zu akzeptieren. Lediglich wegen der preußischen Fehlentscheidung, sich das Kurfürstentum einzuverleiben und die norddeutschen Häfen vollständig zu sperren, reagierte England mit Vergeltungsmaßnahmen und erklärte Preußen schließlich den Krieg. Zudem existierten immer Kräfte, welche den neuen Krisen entgegenwirkten. Österreich kooperierte mit Frankreich in der Cattaro-Angelegenheit, um den Konflikt gemeinsam auszutragen. Der russische Zar bemühte sich, Preußen mit England und Schweden zu versöhnen. Angesichts der Gründung des Rheinbundes, der scheinbar bevorstehenden Bildung eines Nordbundes nach dem Vertragsabschluss mit Österreich (1805) und Russland (1806) und im Zuge der Friedensgespräche zwischen Paris und London schien im Sommer 1806 eine neue Friedenskonstellation zu entstehen. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Koalitionskriege 1792 war also ein Frieden in Europa wahrscheinlicher geworden als eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Zufall, Fehlinterpretation politischer Aktivitäten und subjektive Wahrnehmung der Ereignisse machten letztlich alle Friedenspläne zunichte. Talleyrands Kontrahenten vermochten nicht, zwischen seinem Friedensprojekt und der Hegemonialpolitik Napoleons zu unterscheiden. Darum betrachtete der Zar den
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E. Schlussbetrachtungen
Rheinbund als eine gefährliche Verlagerung des europäischen Gleichgewichts zugunsten Frankreichs und übersah die Pläne des französischen Außenministers, den Rheinbund im Rahmen einer neuen balancierten Ordnung ins kontinentale Staatensystem zu integrieren. Ähnlich nahm Fox den französisch-russischen Frieden als Bedrohung der englischen Interessen in Sizilien und nicht als Teil eines neuen Friedensplans wahr. Auch in Berlin erkannte man die friedliche Absicht des französischen Außenministers nicht. Das preußische Kabinett interpretierte den Frieden mit Russland und die vermeintlichen Ergebnisse eines Friedens mit England als eine feindliche Aktion, welche die traditionellen preußischen Interessen in Norddeutschland und in den preußischen Kerngebieten gefährden würde. Die massive preußische Reaktion auf diese vermutete Gefahr, nämlich die Mobilmachung der Armee und der Versuch, um den geplanten Nordbund eine neue antifranzösische Koalition zu formieren, unterminierte schließlich jegliche Möglichkeit, die Lage in Mitteleuropa zu befrieden. Zum Krieg zwischen Preußen und Frankreich kam es, als Napoleon begann, die Änderung in der außenpolitischen Ausrichtung Berlins zu registrieren. Ironischerweise witterte er die Entstehung einer neuen Koalition unter preußischer Führung gerade in dem Moment, da ihre Bildung in ernsthafte Schwierigkeiten geriet. Seine Reaktion, nämlich die diplomatische Attacke auf das Herzstück der geplanten antifranzösischen Front, den Nordbund, bestätigte in Berlin die Befürchtung, dass Napoleon stets einen Krieg gegen Preußen geplant hatte. Die preußischen Präventivmaßnahmen betrachtete wiederum der französische Kaiser als einen Beweis dafür, dass Preußen in den Krieg gegen Frankreich ziehen würde. Aus dieser paradoxen Situation ergab sich eine Verschärfung des Konflikts und letzten Endes ein Krieg.
V. Diplomatie im Übergang Der Zusammenprall zwischen dem französischen Kaiserreich und dem Ancien Régime spiegelte sich auch in der Diplomatie der Zeit wider. In dieser kurzen Übergangsphase von der Balance of Power bis zur Etablierung der napoleonischen Hegemonie mischte sich die alte diplomatische Tradition mit den aufkommenden Erscheinungen des Bonapartismus. Die Diplomatie alten Stils klang noch nicht aus.10 Sowohl in Frankreich als auch bei der Koalition existierten stets politische Kräfte, welche die alte Ordnung und die diplomatischen Konventionen des Ancien Régime weiterhin verfochten. So betrachteten George III. und Alexander I. die französische Regierung unter Napoleon als Usurpation und weigerten sich vehement, die Reichsauflösung anzuerkennen. Gustav IV. von Schweden, als Garant des 10
Siehe hingegen: Oer, S. 241-242.
V. Diplomatie im Übergang
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Westfälischen Friedens, verteidigte gegenüber Preußen die Besitzungen der englischen Krone in Hannover. In Frankreich vertrat Talleyrand die Welt des 18. Jahrhunderts und strebte nach einer „Organisation de l'Empire d'Allemagne" gemäß den alten Konventionen. Die Grundsätze von Teilung und Tausch waren in der europäischen Ordnungs- und Friedensstiftung sowohl für Napoleon als auch für Preußen (z. B. im Vertrag von Schönbrunn und im Pariser Vertrag) weiterhin gültig. Und auch das Ensemble von politisch-kulturellen Faktoren, wie Religion und politische Tradition, blieb für die Gestaltung der Außenpolitik und der zwischenstaatlichen Ordnung von Signifikanz, 11 wie am Beispiel Kursachsens verdeutlicht werden konnte. Diese Elemente bildeten, im Gegensatz zur These von Paul Schroeder, 12 in manchen Fällen den Mittelpunkt der Außenpolitik in der Übergangszeit. Zugleich wurden aber die Diplomatie und die Außenpolitik der Epoche auch von Missachtung der alten zwischenstaatlichen Spielregeln und von neuen Erscheinungen geprägt. Das wohl markanteste dabei war der Unilateralismus. Dieser manifestierte sich vor allem im außenpolitischen Handeln Napoleons, der sich seit der Drei-Kaiser-Schlacht konsequent über die alte Ordnung und die diplomatischen Konventionen hinwegsetzte. Im Preßburger Frieden mit Österreich vermied er es zum ersten Mal in der Geschichte Europas, alte Verträge zu erwähnen oder zu bestätigen. Im anschließenden Februar-Vertrag mit Berlin setzte er das Legitimitätsprinzip außer Kraft, indem er die Territorien der englischen Krone nicht nur in Besitz nahm, sondern auch nach eigenem Ermessen an ein drittes Land abtrat. Die spätere Schaffung neuer staatlicher Strukturen in Europa (in Polen, Sachsen und Westfalen) nach der preußischen Niederlage 1806/07 anstelle legitimer und anerkannter Staaten stellte den Gipfel der napoleonischen unilateralen Diplomatie dar. 13 Auch bei der antifranzösischen Koalition lässt sich ein ähnliches Vorgehensmuster feststellen. Ausgerechnet das konservative Österreich eiferte den Methoden Napoleons nach. Bereits im August 1804 handelte der römischdeutsche Kaiser der Reichsverfassung zuwider, indem er eigenmächtig einen österreichischen Kaisertitel annahm. Später umging er die in der Reichsverfassung vorgeschriebene Sanktionierung des Preßburger Friedens mit Frankreich durch den Reichstag. Schließlich verzichtete er auf die römisch-deutsche Würde und löste eigenmächtig das Alte Reich auf, ohne den Vorgang reichsverfassungsge11
Lehmkul (2000), S. 191. Schroeder (1994), S. 8. Darin schreibt Schroeder: „Religious ties, feelings and ambitions, thought still prominent in international politics, were more servants of reason of state than serious limits on it". 13 Polen bestand aus russischen Territorien, Sachsen aus der Zusammenlegung aller sächsischen Häuser unter dem Zepter des Kurfürsten Friedrich August III. und Westfalen aus preußischen Territorien sowie hessischen Ländern (unter anderem auch Kurhessen). 12
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E. Schlussbetrachtungen
mäß ratifizieren zu lassen. Die Abkehr von der alten Diplomatie war auch in Preußen auffallend. Seit dem Basler Frieden (1795) betrieb Berlin eine völlig unilaterale Politik. Durch den Vertrag mit Frankreich, die Inbesitznahme Hannovers und den Vorstoß in Richtung Norddeutschland mit dem darin artikulierten Anspruch auf das Erbe des Reichs löste sich der preußische Staat von den diplomatischen Formalitäten und letztlich auch von der Ordnung des 18. Jahrhunderts. Im diplomatischen Verkehr und in den außenpolitischen Entscheidungsprozessen der Übergangszeit spielte zudem auch das so genannte „officiai mind", d. h. die offizielle Grundhaltung der Regierung, eine zentrale Rolle. Dieses diente Gesandten und Vertretern zur Orientierung und bestimmte somit ihr Handeln maßgeblich mit. So richtete sich Haugwitz im Dezember 1805 mangels genauer Instruktionen nach dem preußischen „officiai mind" und traf ohne jegliche Autorisierung die Entscheidung, eine Allianz mit Frankreich abzuschließen. Ähnlich agierte auch der russische Sondergesandte in Paris, Oubril. Dieser leistete Verzicht auf die Bucht von Cattaro, ohne dazu spezifisch autorisiert worden zu sein, da er zu Recht glaubte, seine Entscheidung entsprach dem grundsätzlichen Wunsch des Zaren nach Frieden und Stabilität in Europa. In Anbetracht begrenzter direkter Kommunikationsmöglichkeiten mit der Regierung genossen Staatsvertreter einen relativ großen Verhandlungsspielraum und konnten die diplomatischen Beziehungen ihres Landes ausschlaggebend mitgestalten. Dabei orientierten sie sich oft mehr an den allgemeinen politischen Leitlinien ihrer Regierung als an konkreten Anweisungen. „High Politics" waren zu dieser Zeit für außenpolitische Entscheidungsprozesse ebenfalls zentral. Sowohl in London als auch in Berlin und Paris beeinflussten in den Jahren 1805/06 persönliche politische Faktoren auf der Ebene des Kabinetts die außenpolitische Praxis der Regierung. Auf der britischen Insel stach das Verhalten des Ministers Fox hervor, dessen Preußenpolitik von seiner belasteten Beziehung zu König George III. geprägt war. In Berlin bestimmte die langjährige Rivalität zwischen Haugwitz und Hardenberg die Entscheidungen des jeweiligen Ministers mit. In Paris bestand Talleyrand während der Friedenskonferenzen mit England im Sommer 1806 darauf, dass England auf Sizilien verzichtete, um die Unterstützung des französischen Kaisers für den Frieden zu gewinnen. Zumindest indirekt waren also „high political" Faktoren dafür maßgeblich mitverantwortlich, dass die Friedensverhandlungen mit England an dieser Kernfrage scheiterten. Die politischen Verhältnisse innerhalb einer Regierung wirkten sich auf die außenpolitische Praxis des Staates aus. Da zurzeit des Ancien Régime ein Außenminister oft zugleich in das politische Geflecht seines Landes und an zwischenstaatliche Netzwerke gebunden war, standen auch seine Entscheidungen in einer Wechselbeziehung zu beiden politischen Strukturen - dem Staat und der Staatenwelt. Eine solche Konstellation mehrerer Strukturen, wie Jürgen Kocka erklärt, kann letzten Endes - wie im Fall Napole-
V. Diplomatie im Übergang
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on und Talleyrand - die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Akteurs einen14
gen. Schließlich stellte sich das strategische Handeln als Charakteristikum der Diplomatie dieser Zeit für die Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen als besonders verheerend heraus. Anstatt kommunikativ zu handeln und in wirkliche Verhandlungen zu treten, taktierten in dieser Epoche Staatsmänner und Diplomaten gegenüber ihren Rivalen. 15 Talleyrand versuchte, den Mächten seine Ideen einer modifizierten Balance of Power vorzuschreiben. Auf der Seite der antifranzösischen Front drängte Russland Preußen, der dritten Koalition beizutreten, ohne den Wunsch Berlins nach Neutralität zu berücksichtigen. Und Napoleon glaubte, den Koalitionsstaaten seine eigene Vorstellung von einer europäischen Ordnung aufoktroyieren und den süddeutschen Staaten, Österreich und schließlich Preußen (1806) und Russland (1807) den Frieden diktieren zu können.16 In der Abwesenheit wirklicher Verhandlungen und gegenseitiger Zugeständnisse war aber das Fundament dieses Friedens schwach und seine Gültigkeit für die betreffenden Parteien gering. Denn, wie der amerikanische Historiker George F. Kenann feststellte: „This is the kind of peace you got... when you indulge yourself in the colossal conceit of thinking that you could suddenly make international life over into what you believe to be your own image; when you dismissed the past with contempt, rejected the relevance of the past to the future, and refused to occupy yourself with the real problems that a study of the past would suggest."17
14
Kocka , Jürgen: Sozialgeschichte. Begriff - Entwicklung - Probleme, Göttingen 1977, S. 73-77. 15 Mehr zur theoretischen Grundlage bei: Müller, Harald: Internationale Beziehungen als kommunikatives Handeln. Zur Kritik der utilitaristischen Handlungstheorien, in: ZIB 1 (1994), S. 25-27. 16 Dazu schreibt Stuart Woolf: „The profound belief in the possibility of creating a Europe in the image of France underlay Napoleon's reconstruction of Europe"; siehe: Woolf S. 32. 17 Dabei bezieht sich Kennan auf den Frieden von Versailles (1919); siehe: Kennan, George F.: American Diplomacy 1900-1950, Chicago 1951, S. 69.
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G. Anhang
I. Kurzbiographien Die folgenden Kurzbiographien schließen einige Namen von Monarchen, Ministern, Diplomaten und Militärs ein, die in der vorliegenden Arbeit erscheinen. Manche prominente Namen (z. B. Napoleon, Talleyrand, Friedrich Wilhelm III. oder Alexander I.) wurden intendiert von der Liste ausgeklammert, da sich ihre wohl bekannte, weit reichende Aktivität und Tätigkeit in einer kurzen Vita nicht umfassend darstellen lassen.1 Manche Namen konnten während der Recherche nicht ermittelt werden. In anderen Fällen war die zur Verfügung stehende Information lückenhaft. Die folgenden Biographien bieten daher ein zwingend unvollständiges Namenlexikon für die europäische Staatenwelt an. Dem Leser soll es zur Orientierung in dem dichten diplomatischen Netzwerk des frühen 19. Jahrhunderts dienen. Adair, Sir Robert (1763-1855).2 Englischer Diplomat. Enger Freund des Außenministers Charles James Fox. Er studierte an der Universität Göttingen. 1789 reiste Adair nach Berlin, Wien und Petersburg, um der Wirkung der Französischen Revolution in Europa nachzugehen. Unter Fox erfolgte (1806) seine Nominierung zum Gesandten in Wien. Der Außenminister George Canning (1807-1809) entsandte ihn nach Konstantinopel in einer diplomatischen Mission. 1828 wurde Adair ins königliche Geheimkonsilium (Privy Council) aufgenommen. 1831-1835 war er Gesandter in den Niederlanden. Alopeus, David Maksimovic (1768-1831).3 Russischer Diplomat. Seit 1803 Sondergesandter in Stockholm. 1808 saß er drei Monate in schwedischer Haft infolge der russischen Kriegserklärung am Schweden. Später vertrat er Russland in den Konferenzen mit Stockholm, welche 1809 zum Frieden von Frederikshamn führten. Von 1813 bis zu seinem Tod war Alopeus Botschafter in Berlin. Alopeus, Maxim Maksimovic (1748-1822).4 Russischer Diplomat. Bruder von Alopeus David Maksimovic. Er stand in engem Verhältnis zum Zaren Paul I. und betreute in dessen Namen die offizielle Korrespondenz mit Friedrich dem Großen. 1790-1807 1
Für ausführliche Biographien siehe das Literaturverzeichnis. DNB,Bd. 1, S. 573. 3 Wieczynski, Joseph L. (Hrsg.): The Modern Encyclopedia of Russian and Soviet History, Bd. 1, Gulf Breeze 1976-1981, S. 177. 4 Ebd., S. 177. 2
I. Kurzbiographien
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Botschafter in Berlin. 1807-1809 Botschafter in London. Alopeus ließ sich 1809 pensionieren. Barthélémy , François (1747-1830).5 Französischer Diplomat und Senator. 1768 Sekretär in der französischen Botschaft in Stockholm. 1775 Legationssekretär in Wien. 1784 chargé d'affaires und anschließend (ab 1787) Minister in London. Barthélémy wurde 1791 zum Botschafter in der Schweiz nominiert. Durch seine Intervention konnte Frankreich Proviant und Reitpferde aus der helvetischen Republik einführen. 1800 Senator und seit 1814 Präsident des Senats. Er wurde 1815 in das Oberhaus (chambre de pairs) gewählt. Bernstorff\ Christian Günther Graf von (1769-1835).6 Dänischer und preußischer Außenminister. 1791-1802 dänischer Gesandter, zunächst in Berlin und anschließend in Stockholm. Als Nachfolger seines Vaters im Außenministerium setzte Bernstorff 18031809 die dänische Neutralitätspolitik fort. 1810 leitete er die Wiener und ab 1816 die Berliner Mission. Er wechselte 1818 zum preußischen Dienst und übernahm bis 1825 das Ressort des Auswärtigen. Er betrieb eine konservative Politik und orientierte sich am, System Metternichs'. Bernstorff förderte die Gründung einer Zollunion als Garant der preußischen Vormacht im Deutschen Bund. Beyme, Karl Friedrich von (1765-1838).7 Preußischer Kabinettsrat. Er studierte Rechtswissenschaft in Halle. 1784 war er als Referendar am Berliner Kammergericht tätig. 1791 Kammergerichtsrat. 1798 wurde Beyme zum Geheimen Kabinettsrat nominiert. In dieser Funktion setzte er die Befreiung der Bauern auf staatlichen Domänen durch. 1808 Justizminister. Er wurde 1810 entlassen. 1816 berief ihn Hardenberg zur Justizimediatkommission. 1819 quittierte er den Dienst aus Protest gegen die Umsetzung der Karlsbader Dekrete in Preußen. Bignon, Louis-Pierre-Éduard Baron de (1771-1841).8 Französischer Diplomat. 1797 Sekretär der französischen Mission in der Schweiz. 1799-1803 Botschafter in Berlin und Kassel. Im Oktober 1806 wurde er Administrationskommissar für die besetzten preußischen Provinzen. 1808 Minister in Warschau. Ab 1810 Administrator in Litauen. Amtierte als Untersekretär im Außenministerium des Kabinetts der Hundert-Tage, das er später (23. Juni bis Anfang Juli 1815) kommissarisch leitete. Im Herbst 1815 schied Bignon aus der Politik aus.
5
D N , Bd. 1,S. 173. Gerhard, Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges, Stuttgart 1977, S. 117. 7 Ebd., S. 124; Handbuch über den königlich-preußischen Hof und Staat für das Jahr 1806, Berlin 1806, S. 37. 8 DN, Bd. 1,S. 228. 6
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G. Anhang
Bourrienne , Louis-Antoine Fauvelet de (1769-1834).9 Französischer Diplomat und enger Freund Napoleons. 1792 Sekretär in der Stuttgarter Vertretung. Als Émigré wurde er bei seiner Rückkehr nach Frankreich inhaftiert und nur dank der Intervention Napoleons freigelassen. Er schloss sich infolgedessen seinem alten Schulfreund an und fungierte als dessen Privatsekretär. Er formulierte zahlreiche diplomatische Verträge, unter anderem das Friedensabkommen von Campo-Formio (1797). 1802 chargé d'affaires im niedersächsischen Kreis in Hamburg. 1813 wurde er nach einer Verwicklung in mehreren Korruptionsaffären abberufen. Bourrienne wurde in der Restaurationszeit (unter Louis XVIII.) Staatsminister. Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von (1736-1806).10 Landesherr von Braunschweig und preußischer Generalfeldmarschall. Sohn des Herzogs Karl I. und seiner Gemahlin Philippine Charlotte, einer Schwester Friedrich des Großen. 1751/52 bereiste er Holland, Frankreich und Deutschland. Als leidenschaftlicher Soldat hatte er sich im Siebenjährigen Krieg an der Spitze zweier Bataillone in der Schlacht bei Hastenbeck hervorgetan. Nach der Schlacht widmete ihm der preußische König deshalb eine Ode. 1764 heiratete er die Tochter des englischen Prinzen von Wales. 1766 unternahm er Reisen nach Frankreich, Italien und in die Schweiz. Nach seiner Rückkehr sanierte der für seine Sparsamkeit bekannte Herzog gemeinsam mit seinem Finanzminister Geheimrat Féronce von Rotenkreuz den Landeshaushalt und rettete das Herzogtum vor dem Bankrott. 1782 berief er den Freiherrn von Hardenberg in den braunschweigschen Dienst und reformierte mit seiner Hilfe das Erziehungswesen des Landes. Er gründete unter anderem ein Schuldirektorium und unterstützte die Errichtung einer Schulbuchhandlung, um Druck, Verlag und Vertrieb zu erleichtern und Kosten zu sparen. Aufgrund von Streitigkeiten mit der Kirche über die Kompetenzen des Schuldirektoriums im Bereich der kirchlichen Schulen löste er 1790 das Direktorium auf. 1803 konnte er durch den Reichsdeputationshauptschluss das herzogliche Territorium mit der Einverleibung von Gandersheim (samt der Klöster Braunshausen und Klus) und den Stiften St. Blasii, St. Eyriaci, St. Ludgeri erweitern und neue Einnahmequellen erschließen. Um seine Untertanen zu entlasten, schaffte er noch zuvor die Kopfsteuer ab. Als Heeresführer, Diplomat und Berater stand der Herzog stets im preußischen Dienst und hatte den Rang eines preußischen Generalfeldmarschalls. 1785 engagierte er sich an der Seite Berlins für den deutschen Fürstenbund. 1787 intervenierte der Herzog im Namen des preußischen Königs im holländischen Krieg gegen die Republikaner und eroberte Amsterdam. Nach der Französischen Revolution nahm er in seinem Land Émigrés auf. Später fungierte er als Oberbefehlshaber der verbündeten Streitkräfte der ersten antifranzösischen Koalition. 1806 befand er sich in preußischem Dienst auf einer diplomatischen Mission in Petersburg. Im Herbst desselben Jahres trat der betagte Herzog im Krieg gegen Frankreich an die Spitze der preußischen Truppen. Er wurde auf dem Schlachtfeld schwer verwundet. Obwohl sein Herzogtum neutral blieb, wurde es aufgrund der Tätig-
9
Ebd., S. 305-306. ADB, Bd. 15, S. 272-281.
10
I. Kurzbiographien
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keit seines Herrn im preußischen Heer nicht verschont. Der verletzte Herzog war gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Über Hamburg gelang er nach Ottensen, wo er am 10. November 1806 seiner Verletzung erlag. Brockhausen, Carl Christian von (1766-1829).11 Preußischer Diplomat. König Friedrich Wilhelm II. nominierte ihn zum Legationsrat. In dieser Funktion war Brockhausen 1787 in Paris und 1788 in Haag tätig. Er reiste anschließend nach London und unterhandelte erfolglos einen Subsidienvertrag mit Pitt. 1791 Gesandter in Stockholm und 1795 in Dresden. 1806 bewirkte Brockhausen den Anschluss Kursachsens an die preußische Armee im Krieg gegen Frankreich. Nach dem Tilsiter Frieden 1807 war er Gesandter in Paris. 1810 wurde er abberufen. 1814-1816 Gesandter am holländischen Hof. 1817 ernannte ihn der König zum Staatsrat und Direktor der Abteilung für Handelsangelegenheiten. Budberg, Baron Andreas von (1748-1812).12 Russischer Staatsminister. Der gebürtige Russe westfälischer Herkunft lehrte den Großfürsten auf Befehl der Zarin Katharina Deutsch. Zusammen mit La Harpe erteilte er (trotz eigener eingeschränkter Erziehung) dem künftigen Zaren Alexander Unterricht. 1787 avanciert Budberg zum Generalmajor und zehn Jahre später zum Geheimrat. Anschließend wurde er Kriegsgouverneur von Petersburg. Ungeachtet seiner schweren Erkrankung übernahm Budberg am 16. Juli 1806 auf Wunsch des Zaren Alexander I. das Außenministerium. Aufgrund seiner Opposition zum Oubril-Vertrag verbat Napoleon seine Teilnahme an den Verhandlungen in Tilsit (1807). Champagny, Jean-Baptiste de Nompere de (1756-1834).13 Französischer Minister und Herzog von Cadore. 1774-1787 Offizier der königlichen Marine. Seit 1790 war er in der Marinekommission der Konstitutionsversammlung tätig. 1801 wurde er zum Botschafter in Wien nominiert. Während seiner Amtszeit sicherte er die österreichische Zustimmung für die Änderungen in der Organisation des Alten Reichs. Er wurde 1804 Innenminister und realisierte in dieser Funktion innerhalb von sechs Monaten einen umfassenden Zensus in Frankreich. Am 9. August 1807 löste er im Außenministerium den zurückgetretenen Fürsten Talleyrand ab. Er demissionierte 1811 aufgrund seiner propolnischen Gesinnung. 1813 wurde er Senator. Nach der Restauration wurde Champagny ins Oberhaus gewählt. Christian VII. (1749-1808).14 Herzog von Schleswig und Holstein, König von Dänemark und Norwegen. Er verzichtete im Vertrag von Sarskoje Selo 1772 auf seine Ansprüche auf Oldenburg und Delmenhorst zugunsten seiner russischen Verwandten. Die
11
Ebd., Bd. 3, S. 340-341. Budberg-Gemauert-Poniemon, Alexander Baron von: Beiträge zu einer Geschichte der Freiherrn von Böhninghausen genannt Budberg, Petersburg 1897, S. 69-72. 13 DN, Bd. 1, S. 416-417. 14 Gerhard, S. 200. 12
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G. Anhang
Regierung überließ der geisteskranke König seinem Sohn (später König Friedrich VI.) und dem Ministerium Bernstorffs. Clarke , Henry-Jacques-Guillaume, comte de Hunebourg, duc de Feltre (17651818).15 Französischer Minister, Diplomat und Marschall. Er studierte in der école militaire in Paris und wurde danach Offizier der Kavallerie. 1790 Attaché in der französischen Botschaft in London. 1793 Divisionsgeneral. Im Auftrag des Direktoriums wurde er in Geheimmission nach Italien entsendet. Clarke assistierte Napoleon bei seinem Staatsstreich. Der neue Staatschef nominierte ihn folglich zum Gesandten in Etrurien. 1805 Gouverneur von Nieder- und Oberösterreich. 1806-1815 Kriegsminister. 1806 nahm er als zweiter französischer Unterhändler an den Friedensverhandlungen mit England teil. Er verließ Paris nach dem Stürzt von Louis XVIII. Er kehrte allerdings 1816 zurück und übernahm seinen alten Posten im Kriegsministerium. Cobenzel , Johann Ludwig Graf von (1753-1809).16 Österreichischer Außenminister. 1772-1774 war er für die Verwaltung von Galizien zuständig. 1774-1779 Botschafter in Berlin und anschließend (1779-1795) in Petersburg. Zusammen mit Lehrbach und dem älteren Metternich vertrat er Österreich auf dem Rastatter Kongress. 1800-1805 Außenminister und Hof- und Staatsvizekanzler. Nach dem österreichischen Debakel bei Austerlitz wurde er entlassen. Czartoryski , Adam Jerzy Fürst von (1770-1861).17 Russischer Diplomat und Außenminister. Geboren in Warschau in einer polnischen Adelsfamilie. Er war mit dem künftigen Zaren Alexander I. befreundet und stand als enger Berater während der ersten fünf Jahre seiner Regentschaft in seinem Dienst. 1802 Assistent im russischen Außenministerium. 1804-1806 Außenminister. Czartoryski betrieb eine antifranzösische Politik. 1804/05 engagierte er sich für die Bildung der dritten Koalition. 1814 eskortierte er den Zaren nach London und entwickelte in seinem Auftrag Pläne zu einer Retablierung Polens. 1815 Präsident des neuen polnischen Senats. Während der Revolution (1830-1831) saß er der provisorischen polnischen Regierung vor. Kurz darauf floh Czartoryski nach Paris. Er starb 1861 im französischen Exil. Durand , Joseph de Mareuil (1770-?).18 Französischer Diplomat. Juni 1805 bis September 1806 Botschafter in Dresden. Er leitete 1807-1810 die Stuttgarter Vertretung. 1810 Gesandter in Neapel. Er kehrte 1813 zu seinem Dresdner Posten zurück. 1827 Botschafter in den USA. Duroc , Géraud-Christophe-Michel, duc de Frioul (1772-1813).19 Französischer General. Durch die Revolution wurde die militärische Karriere des Émigré unterbrochen.
15 16 17 18 19
DN, Bd. 1,S. 443-444. Gerhard, S. 210. Palmer , Alan: An Encyclopaedia of Napoleon's Europe, London 1984, S. 102. DN, Bd. 1,S. 691-692. Ebd., S. 692-693.
I. Kurzbiographien
265
1793 nahm er sie wieder auf. 1796 Napoleons Adjutant. Er diente in zahlreichen diplomatischen Sondermissionen, unter anderem in Berlin, Petersburg und Wien. 1805 wurde er Marschall des Palasts. Im gleichen Jahr schloss Duroc mit Preußen den Vertrag von Schönbrunn ab. Nach dem Feldzug in Friedland 1807 handelte er den Waffenstillstand mit Russland aus. 1813 starb er infolge einer Kriegsverletzung, die er sich auf dem Schlachtfeld von Görlitz zugezogen hatte. Fox, Charles James (1749-1806).20 Englischer Außenminister. Er verbrachte einen großen Teil seines politischen Lebens in der Opposition als Whig-Abgeordneter. Seine Devise lautete stets „Peace, Economy and Reform". Er war ein scharfer Kritiker des Kabinetts und unterstützte die rebellierenden Kolonisten während des Krieges in Nordamerika. 1782 Außenminister unter Rockingham. Er favorisierte die Anerkennung der amerikanischen Unabhängigkeit zur Friedenswiederherstellung. Angesichts von Streitigkeiten über die Zukunft der englischen Kolonien in Amerika verließ Fox das Kabinett nach wenigen Monaten. Er begrüßte die Französische Revolution und hegte Bewunderung für Napoleon. Nach dem Tod Pitts übernahm Fox 1806 die Leitung des Foreign Secretary. In dieser Funktion initiierte er die Friedensverhandlungen mit Frankreich. Kurz nach dem Scheitern der Friedenskonferenzen (am 13. September 1806) erlag er einer Krankheit. Friedrich August, der Gerechte (1750-1827).21 Kurfürst (III.) und König (I.) von Sachsen. Friedrich August übernahm 1768 unter der Vormundschaft seines Onkels Xaver die Regierung. Er konzentrierte sich zunächst auf den Wiederaufbau des Staates. 1785 trat er dem Deutschen Fürstenbund bei. 1791 lehnte Friedrich August die polnische Königskrone ab. Er stand 1806 auf preußischer Seite im Krieg gegen Frankreich. Im Gefolge der preußischen Niederlage schloss er sich dem Rheinbund an und erhielt im Frieden von Posen den Königstitel. 1813 kämpfte er auf der Seite Napoleons. Wurde bei Leipzig gefangen genommen. Erst auf dem Wiener Kongress 1815 wurde sein Königreich in einem reduzierten Territorium restituiert. Friedrich Wilhelm IL (1744-1797).22 König von Preußen. Er versuchte zunächst eine antiösterreichische Politik durch die Bildung des Fürstenbundes 1785 weiterzuverfolgen. Angesichts der Ereignisse in Frankreich alliierte er sich schließlich mit Österreich (im Wiener Vertrag 1791) und nahm persönlich am ersten Koalitionskrieg teil. Infolge des Scheiterns der Koalition schloss er einen Sonderfrieden mit Frankreich (1795) ab. Er pflegte die Kunst, Musik und Architektur in Preußen, verschleuderte dabei aber den Staatsschatz seines Vorgängers.
20 Treasure , Geoffrey (Hrsg.): Who's Who in British History. Beginnings to 1901, Bd. 1, London 1998, S. 471-474. 21 Gerhard , S. 386-397. 22 Ebd., S. 394.
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G. Anhang
Goltz, August Friedrich Ferdinand Graf von der (1765-1832).23 Preußischer Diplomat. 1788 Stellvertreter des preußischen Gesandten in Warschau. 1791 Gesandter in Kopenhagen. 1797 wurde er in einer Sondermission nach Stockholm entsendet. 17981802 zog sich Goltz auf seine Güter in Westpreußen zurück. 1802 Botschafter in Petersburg. 1807 Unterhändler im Tilsiter Frieden. Anfang Juli 1807 wurde er zum Außenminister ernannt. Er blieb im Amt bis zur Berufung Hardenbergs. 1816-1824 Gesandter beim Bundestag zu Frankfurt. Götzen, Friedrich Graf von (1767-1820).24 Preußischer General. Er wurde 1794 infolge einer Kabinettsorder geadelt. 1798 Stabrittmeister im Husarenbataillon. 1804 wurde Götzen zum königlichen Flügeladjutanten ernannt. 1805-1806 Sondergesandter in Dresden. Nach der preußischen Niederlage wurde er 1807 zum schlesischen Generalgouverneur nominiert. 1808 war er in der Kommission zur Umbildung der preußischen Armee tätig. Graffen, Friedrich von (1745-1820).25 Senator und Bürgermeister von Hamburg. Sohn eines Kaufmanns. 1766-1769 Student der Rechtswissenschaft in Göttingen. 1769 Lizenziat des Rechts. 1770 reiste Graffen in die Niederlande, wo er den russischen Prinzen (und späteren Vizekanzler des Zaren Paul I.) Alexander Kurakin kennen lernte. 1771 Aufenthalt in London. Noch in demselben Jahr kehrte er nach Hamburg zurück und war bei den Stadt- sowie Reichsgerichten tätig. 1781 Senator. 1782-1796 zuständig für die Hafen- und Wasserpolizei. 1797 wurde er zusammen mit Syndikus Dormann als Vertreter Hamburgs bei der Krönung des Zaren Paul I. nach Petersburg entsendet. 1801 Bürgermeister von Hamburg. Er präsidierte das provisorische Obergericht der Stadt nach der Senatsauflösung 1811. Graffen leitete 1814 die Erneuerung der Stadtinstitutionen an. Granville, William Wyndham, Baron (1759-1834).26 Englischer Staatsmann und Premierminister. Cousin von William Pitt. 1782 Parlamentsabgeordneter für den Wahlkreis seiner Familie in Buckingham. 1784 Innenminister und 1791 Außenminister. Er schied 1801 aufgrund seiner Opposition zum Frieden von Amiens aus seinem Amt aus. Er war ein erbitterter Gegner der Französischen Revolution. Nach Pitts Tod trat er an die Spitze des neuen „Ministry of All Talents". Am Ende seiner Amtszeit (1807) erreichte Granville die Abschaffung des Sklavenhandels. Er zog sich 1823 aus der Politik zurück. Grey, Charles, zweiter Earl von Grey und Viscount Howiek (1764-1845).27 Englischer Minister. Er wurde in Eton erzogen. Später studierte er in Cambridge. Er vertrat Northumberland im Unterhaus (House of Commons). Marineminister in „The Ministry
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ADB, Bd. 9, S. 351-353. Ebd., S. 514-515. 25 Graffen, Georg von: Andenken an Friedrich von Graffen. Ältesten Bürgermeister in Hamburg, Hamburg 1820. 26 Treasure , Bd. 1, S. 549-550. 27 Ebd., S. 553-556. 24
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of All Talents". Im Interim nach Fox Tod steuerte er die Außenpolitik (Oktober 1806 bis März 1807). Howiek wurde 1830 Premierminister. In dieser Funktion widmete er sich innen-politischen Angelegenheiten, vor allem dem „Reform Bill", welches 1832 die Wahlkreise umstrukturierte. 1834 zog sich Howiek 1834 ins Privatleben zurück. Gries, Johann Michael Dr. (1772-1827).28 Hamburgischer Syndikus und Diplomat. Student der Rechtswissenschaft in Göttingen. 1795 erlangte er die Doktorwürde. 1799 reiste Gries nach Paris. Syndikus (einer von vier Stadtverwaltern) seit 1800. Er galt als ein geschickter Diplomat. Während der französischen Besetzung fungierte er als Sekretär der hamburgischen Präfektur. 1813 wurde Gries nach Stockholm entsendet, wo er die zweite französische Besatzungszeit seiner Stadt verbrachte. Nach Ende der Besatzung übernahm Gries 1814 seinen alten Posten als Syndikus. Grote, Graf August Otto von (1747-1830).29 Preußischer Diplomat. Er studierte 1763 an der Ritterakademie in Lüneburg, anschließend an der Universität Göttingen und in der Straßburger Akademie. 1772 unternahm er eine Reise durch Deutschland, Italien, Frankreich und England und ließ sich dann 1775 in Hamburg nieder. 1776 war Grote als bevollmächtigter Minister von Kurköln im niedersächsischen Kreis tätig. Infolge der Säkularisierung trat von Grote in preußischen Dienst über und wurde 1804 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister im niedersächsischen Kreis. 1806 Minister im Herzogtum Holstein. 1807 kehrte er nach Hamburg zurück. 1809 wurde er in den preußischen Grafstand erhoben. Während der zweiten französischen Besetzungszeit in Hamburg führte er die preußische Mission in Dresden. Noch in demselben Jahr (nach der Befreiung von Hamburg) übernahm er seinen alten Posten. 1826 wurde Grote zum Ehrenbürger der Hansestadt ernannt. Gustav IV. (1778-1837).30 König von Schweden. Der streng gläubige Gustav IV. heiratete 1797 Friederike Dorothea, Tochter des Großherzogs von Baden. 1800 bestieg er den Thron, nachdem seine Krönung mehrmals verschoben worden war. Er bezeichnete sich selbst als fanatischer Gegner der französischen Republik. Seine labile mentale Konstitution erschwerte die Regierungsarbeit. 1809 musste er infolge eines Staatsstreichs abdanken. Der Herzog Charles übernahm die Regierung. Der kranke König floh nach Deutschland und ließ sich schließlich im schweizerischen St. Gallen nieder. Gyulai, Ignatius Graf von (1763-1831).31 Österreichischer Diplomat und General. 1789 kämpfte er im Feldzug gegen die Osmanen. 1796 kommandierte Gyulai die Armee des Erzherzogs Charles. 1805 trat er in den Verhandlungen mit Frankreich als Unterhändler auf. 1809 Kommandeur der österreichischen Streitkräfte in Italien. 1813 besieg-
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ADB, Bd. 9, S. 656-658. Ebd., S. 757-758; Handbuch über den königlich-preußischen Hof, S. 41. 30 The Encyclopaedia Britannica. A Dictionary of Arts, Sciences, Literature and General Information, 11. Aufl., Bd. 12, Cambridge 1910, S. 738. 31 DN, Bd. 1,S. 933. 29
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te er die Franzosen bei Leipzig. 1823 Gouverneur von Böhmen und seit 1829 von Wien. 1830 wurde er zum Präsidenten des österreichischen Kriegsrates nominiert. Hänlein, Konrad Siegmund Karl von (1760-1819).32 Preußischer Beamter. Er studierte Rechtswissenschaft in Erlangen und erlangte dort die Doktorwürde. 1798 wurde er zum Vizepräsidenten der Kriegs- und Domänenkammer nominiert. 1801 wurde er geadelt und zum Kreisdirektorialgesandten befördert. 1807 Vertreter Preußens in Aschaffenburg. 1813-1816 Geheimrat und Außerordentlicher Gesandter in Kassel. Hardenberg, Karl August Fürst von (1750-1822).33 Preußischer Staatsminister. 1770 Geheimerkammerrat in Hannover. Er trat 1782 in den Dienst von Braunschweig als Geheimrat über. 1790 verwaltete Hardenberg Ansbach-Bayreuth für den Markgrafen. Nach dem Übergang der Fürstentümer an Preußen wurde er 1792 zu einem Wirklichen Geheimstaatsrat und -minister in Berlin. 1795 schloss er im Auftrag des Königs Friedrich Wilhelm II. den Basler Frieden ab. 1804 vertrat er Haugwitz während seines Urlaubs. Im April 1806 wurde Hardenberg (auf eigenen Wunsch) wegen Zwistigkeiten mit Haugwitz Urlaub auf unbestimmte Zeit gewährt. Am 10. April 1807 erfolgte seine erneute Ernennung zum leitenden Minister. Nach dem Tilsiter Frieden wurde er allerdings aufgrund seiner antifranzösischen Einstellung entlassen. 1810 wurde er erneut Staatskanzler. 1814-1818 Außenminister. Harrowby, Lord: siehe Ryder, Dudley, erster Earl von Harrowby. Haugwitz, Christian Heinrich Kurt Graf von, Freiherr von Krappitz (1752-1832).34 Preußischer Diplomat und Staatsminister. Er studierte Rechtswissenschaft in Halle und Göttingen. Nach seinem Studium reiste er in die Schweiz, nach Italien und Holstein. 1781-1791 residierte Haugwitz auf seinen schlesischen Gütern. Er lernte den Thronfolger Friedrich Wilhelm kennen, der ihm 1791 seine erste diplomatische Mission in Wien anvertraute. 1792 wurde er Kabinettsminister. 1802-1804 Leiter des Ressorts des Auswärtigen. Er ließ sich 1804 beurlauben und legte schließlich sein Amt nieder. 1805 Sondergesandter in Wien. Im Herbst 1805 wurde Haugwitz Hardenbergs Amtskollege im Außenministerium, welcher aufgrund einer Uneinigkeit mit Haugwitz bei der Führung der Außenpolitik den Dienst quittierte. Infolge der preußischen Niederlage im Oktober 1806 begleitete Haugwitz den Hof nach Ostpreußen. Kurz darauf zog er sich aus der Politik zurück. 1811 Kurator der Universität Breslau. Hauterive, Alexandre-Maurice Blanc de La Nautte de (1754-1830).35 Französischer Staatsrat und Diplomat. Er debütierte als Attaché in den französischen Vertretungen von Jasi und Konstantinopel. 1792 Konsul in New York. 1793 trat er in den Dienst des Außenministeriums. 1803 Abteilungsleiter der Südsektion. Aufgrund seiner Expertise als 32 Ersch, J. SJ Gruber, J. G. (Hrsg.): Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Leipzig 1828, S. 170. 33 ADB, Bd. 10, S. 572-590. 34 Ebd., Bd. 11, S. 57-66. 35 DN, Bd. 1,S. 940-941.
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Kenner von Großbritannien wurde die Korrespondenz mit England in demselben Jahr aus der Nordsektion aus- und in die Südsektion eingegliedert. 1805 Staatsrat. In der Abwesenheit seines Ministers übernahm d'Hauterive etliche Male die Leitung der auswärtigen Geschäfte. Seit 1807 bis zu seinem Tod war er als Kurator der Archive des Außenministeriums tätig. Horn, Gottlieb Friedrich Carl von (1772-1844).36 Senator von Bremen. Als Student der Rechtswissenschaft in Jena lernte Horn den künftigen Senator Johann Smidt kennen. 1796-1797 Sekretär des preußischen Direktorialgesandten im niedersächsischen Kreis von Dohm. Er begleitete anschließend Dohm auf den Rastatter Kongress als sein Privatsekretär. Horn wurde durch seine Freundschaft mit Smidt in Bremen bekannt. 1801 Prokurator der Finanzen in Bremen. Seit 1802 Senator. Howard, George sechster Earl von Carlisle (1773-1848).37 Englischer Politiker und Diplomat. 1775-1825 genannt Lord Morpeth. 1792 Magister in Oxford. 1795 Parlamentsabgeordneter für die Whig-Partei im Wahlkreis seiner Familie in Morpeth. 1805 wurde er ins königliche Geheimkonsilium aufgenommen. Morpeth war zuständig für die Indien-Angelegenheiten unter Fox. Er vertrat seit 1806 Camberland im Unterhaus. 1820 verlor er seinen Sitz im Parlament. Morpeth folgte 1825 seinem Vater als Graf von Carlisle nach und übernahm seinen Platz im Oberhaus (House of Lords). 1838 Verwalter des British Museums. Howiek, Viscount: siehe Grey , Charles zweiter Earl von Grey. Jackson, Francis James (1770-1814).38 Englischer Diplomat. Bereits im Alter von sechzehn Jahren trat Jackson in den diplomatischen Dienst. 1789-1797 Legationssekretär in Berlin und später in Madrid. 1796 Botschafter in Konstantinopel. 1801 Gesandter in Paris. 1802-1806 Gesandter in Berlin (bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen). 1807 Sondergesandter in Dänemark. 1809 Botschafter in Washington. Jackson, Sir George (1785-1861).39 Englischer Diplomat. 1801 war er in der Pariser Mission als ehrenamtlicher Attaché seines Bruders tätig. Diesen begleitete er später (1802) nach Berlin. 1805 chargé d'affaires in Preußen. 1806 inoffizieller Vertreter Englands in Berlin. In dieser Funktion assistierte George Jackson Lord Morpeth bei dessen Sendung zum preußischen Hof. Er kehrte 1807 nach London mit dem Vertrag von Memel zurück. 1814 Botschafter in Berlin. 1816 Sekretär in Petersburg. 1822 wurde er in Geheimmission nach Madrid gesendet. 1823-1827 Kommissar in Washington und anschließend (1828) in Sierra Leone, in Rio de Janeiro (1832-1841) und in Surinam (1841-1845). 1859 ließ er sich pensionieren. 36 Bippen, Wilhelm von, et al. (bearb.): Bremische Biographie des neunzehnten Jahrhunderts, hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Künstlervereins, Bremen 1912, S. 226-227. 37 DNB, Bd. 10, S. 18-19. 38 Ebd., S. 527. 39 Ebd., S. 528.
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Jacobi-Kloest, Konstans Philipp Wilhelm Freiherr von (1745-1817).40 Preußischer Diplomat. Er diente zuerst als Privatsekretär beim Gesandten Freiherrn von Rohd am österreichischen Hof. Durch dessen Empfehlung wurde Jacobi-Kloest 1766 zum Legationssekretär in Wien nominiert. 1786 wurde er in den Adelsstand und 1788 in den Freiherrstand erhoben. 1792-1816 Gesandter in London (mit einigen Unterbrechungen). 1797-1799 zweiter preußischer bevollmächtigter Repräsentant auf dem Rastatter Kongress. Infolge der preußisch-englischen Krise wurde er von der Londoner Mission im Sommer 1806 abberufen. Er kehrte aber bereits im September 1806 nach London zurück. Jacobi-Kloest war 1815 auf dem Wiener Kongress tätig. Er starb in Dresden am 10. Juli 1817. La Besnardière, Jean-Baptiste de Gouey (1765-1843).41 Französischer Diplomat. 1795 trat er in den auswärtigen Dienst ein. Zunächst fungierte er als Unterdirektor und später als Direktor des Außenministeriums. 1815 Sekretär des Fürsten Talleyrand auf dem Wiener Kongress. Er ließ sich 1819 pensionieren. Laforest , Antoine-René-Charles-Mathurin comte de (1756-1846).42 Französischer Diplomat. 1778 Legationssekretär und ab 1789 Konsul in den USA. 1797 wurde er auf den Wunsch Talleyrands zum Abteilungsleiter im Außenministerium nominiert. 18051807 Gesandter in Berlin. 1807 französischer Staatsrat. Im Frühjahr 1808 übernahm Laforest die Leitung der französischen Botschaft in Madrid. Zwischen dem 3. April und dem 12. Mai 1812 führte er das Außenministerium. 1825 Staatsminister. Er quittierte den Posten nach der Juli-Revolution (1830). La Rochefoucauld, Alexandre-François comte de (1767-1841) 4 3 Französischer Diplomat. Als junger Émigré kämpfte er unter La Fayette. 1800 schloss er sich Napoleon an. Nach erster diplomatischer Tätigkeit in Dresden (1801-1805) avancierte La Rochefoucauld zum Botschafterposten in Wien. 1808-1810 Gesandter in Amsterdam. Danach hielt er sich lange Zeit von der Politik fern. 1822 Abgeordneter für die Präfektur von Oise. Lauderdale, James Maitland dritter Earl von Lauderdale (1759-1839).44 Englischer Politiker und Diplomat. 1780-1789 Parlamentsabgeordneter. Er folgte 1789 der Grafschaft seines Vaters nach und vertrat Schottland im Oberhaus. Er war ein Gegner der Außenpolitik Pitts und Befürworter eines Friedens mit Frankreich. 1792 reiste er nach Frankreich. Im Frühjahr 1806 leitete er auf der Seite Yarmouths die Friedensverhandlungen mit Napoleon. Später änderte der schottische Whigs-Anführer seine politische Couleur und stimmte 1832 gegen die Reformen zur Umstrukturierung der Wahlkreise.
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ADB, Bd. 13, S. 576. DN, Bd. 2, S. 123. Ebd., S. 134. Ebd., S. 152. The Encyclopaedia Britannica, Bd. 16, S. 280.
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Lestocq, Anton Wilhelm von (1738-1818).45 Preußischer General französischer Herkunft. 1758 Husar im preußischen Regiment. Er kämpfte während des Siebenjährigen Krieges und im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich. Als Leutnant-General stand er an der Spitze eines preußischen Korps, welches 1807 bei Eylau den russischen Truppen von Bennigsen zu Hilfe kam. Levenson Gower, Lord Granville, erster Earl von Granville (1773-1846).46 Englischer Diplomat. 1789 Student in Cambridge. 1795-1799 vertrat er Lichfield im Parlament. 1800 Finanzminister. Seit 1804 Mitglied im königlichen Geheimkonsilium. 18041805 Botschafter in Petersburg. 1815 Botschafter in Brüssel. Im gleichen Jahr wurde Levenson Gower Viscount und nahm seinen Platz im Oberhaus ein. 1825-1827 Botschafter in Paris. Loß, Johann Adolf Graf von (1731-1811).47 Kursächsischer Minister. 1774 Gesandter in Versailles. 1777 erhielt er das Innenressort des kursächsischen Staates. 1790 vertraute man ihm das Außenministerium an. Als Außenminister verfolgte Loß im Spannungsfeld zwischen Österreich und Preußen eine Politik der Neutralität, allerdings nicht ohne Antipathie gegen Preußen. Dem preußischen Nordbund wollte er nur auf der Grundlage des Erbverbrüderungsvertrags (1614) zwischen Brandenburg, Kursachsen und Kurhessen beitreten. Nach dem Krieg von 1806 konnte er seine Position im kursächsischen Kabinett noch kurze Zeit behalten. Aber als eine Depesche des englischen Gesandten in Dresden Wynn in Napoleons Hände fiel, welche die Änderung in der kursächsichen Außenpolitik zugunsten Frankreichs als vorgetäuscht erscheinen ließ, wurde er ohne Anrecht auf Pension entlassen. Er starb fünf Jahre später. Lombard, Peter (1775-1806).48 Preußischer Vortragender- und Geheimrat, französischer Herkunft. Ab 1797 Generalsekretär im Kabinettsministerium. 1800-1802 Legationssekretär in Paris. 1802 Vortragender Rat. 1806 folgte er dem Hof zum Hauptquartier und später nach Ostpreußen. Er wurde 1807 aufgrund seiner pro-französischen Politik entlassen. Luchesini, Girolamo Marchese (1751-1825).49 Preußischer Diplomat, italienischer Herkunft. 1780 Bibliothekar und Vorleser im Dienst Friedrich des Großen. 1789-1793 führte er die preußische Mission in Warschau. 1793-1797 Gesandter in Wien. 18001806 Botschafter in Paris. Zusammen mit General Zastrow unterzeichnete er am 10. Oktober 1806 den Präliminarfrieden mit Frankreich und am 16. November 1806 den Waffenstillstand von Charlottenburg. 1807 wurde er entlassen. Danach fungierte er als Oberhofmeister bei Napoleons Schwester Elisa Bacciochi in Lucca. 45
DN, Bd. 2, S. 196. DNB,Bd. 11, S. 1028-1029. 47 ADB, Bd. 19, S. 16. 48 Kohnke (1968), Anhang A, S. XXII; Handbuch über den königlich-preußischen Hof, S. 37, 39. 49 Gerhard, S. 740. 46
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Luise von Preußen (1776-1810).50 Königin von Preußen. Tochter des Herzogs Karls II. von Mecklenburg-Strelitz. 1793 heiratete Louise nach einer bildungsarmen Jugendzeit den künftigen König Friedrich Wilhelm III. Nach der preußischen Niederlage (1806) floh sie mit ihrer Familie nach Königsberg und später nach Memel. In Tilsit flehte sie Napoleon vergeblich an, mildere Friedensbedingungen zu diktieren. Luise stand in ihren letzten Jahren an der Seite der preußischen Reformer und unterstütze dabei die Berufung Hardenbergs (1810) zum Staatskanzler. Maßenbach, Christian Freiherr von (1758-1827).51 Preußischer Offizier und Publizist. Er studierte an der preußischen Militärakademie in Stuttgart und unterrichtete dort später auch. 1782 trat er in die preußische Armee ein. 1806 Generalquartiermeister. 1817 Mitglied des württembergischen Landtags. Er versuchte, den König zu erpressen, und wurde folglich wegen Hochverrats zu vierzehn Jahren Haft verurteilt. Maßenbach starb ein Jahr nach seiner Begnadigung. Metternich, Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von (1773-1859).52 Österreichischer Staatskanzler. 1788-1790 Student der Rechtswissenschaft in Straßburg und Mainz. Infolge der Revolutionskriege übersiedelte er nach Wien, wo er 1795 die Enkelin des Staatsministers Kaunitz heiratete. 1801 Gesandter in Dresden, 1803 in Berlin und 1806 in Paris. Er löste 1809 Stadion im Außenministerium ab. Metternich leitete eine Politik des diplomatischen Realismus gegenüber Napoleon ein und vermittelte die Ehe Napoleons mit der Kaisertochter Marie-Luise. Er verhandelte insgeheim mit dem russischen Zaren und war die treibende Kraft der Restaurations- und Legitimitätspolitik. 1813 trat er der antifranzösischen Koalition bei. 1815 dirigierte Metternich den Wiener Kongress und die Eingliederung Frankreichs ins Mächtekonzert. Erst 1821 erfolgte seine offizielle Ernennung zum Hof- und Staatskanzler. Infolge der Revolution von 1848 musste Metternich zurücktreten. Morpeth, Lord: siehe Howard, George sechster Earl von Carlisle. Otto, Louis-Guillaume comte de Mosloy (1754-1817).53 Französischer Diplomat, hessischer Abstammung. 1776 Attaché des französischen Gesandten in Bayern und 1779 in den USA. 1785 Legationssekretär in Washington. 1791 kehrte er nach Frankreich zurück und übernahm die Leitung der politischen Abteilung im Außenministerium. 1798 begleitete er den neuen Botschafter Sieyès nach Berlin. 1803 Gesandter in Bayern. 1809-1813 Botschafter in Wien. Otto zog sich infolge der Restauration aus der Politik zurück. Paget, Sir Arthur (1771-1840).54 Englischer Diplomat. 1787-1791 studierte Paget in Oxford. Seit 1791 im diplomatischen Dienst. 1794-1807 Parlamentsabgeordneter für 50
Ebd., S. 749. Ebd., S. 782-783. 52 Ebd., S. 806. 53 DN, Bd. 2, S. 439-440. 54 DNB,Bd. 15, S. 45-46. 51
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Anglesey. 1794 Sondergesandter in Berlin. 1798 Minister in Regensburg. 1800 Gesandter in Neapel. 1801-1806 Gesandter in Wien. In dieser Funktion wirkte Paget an der Bildung der dritten Koalition mit. Er wurde 1807 in Konstantinopel akkreditiert. Ab 1809 war er Mitglied des königlichen Geheimkonsiliums. Pitt, William (1759-1806).55 Englischer Staatsmann. Ab 1780 Parlamentsabgeordneter für Appleby. 1783 reiste er auf seiner einzigen Auslandsreise nach Frankreich und lernte Talleyrand und Necker kennen. 1783-1803 Premierminister. 1789 trat Pitt für die Rechte des Königs ein, dem aufgrund seiner labilen mentalen Konstitution der Verlust der Regentschaft drohte. Pitt sympathisierte zuerst mit der Französischen Revolution und plädierte für eine eingeschränkte Monarchie in Frankreich. Später fürchtete er aber die daraus resultierende Gewaltbereitschaft. Er führte die Koalitionskriege gegen Napoleon durch Subsidienzahlungen an die Alliierten. 1802 lehnte er den Frieden mit Frankreich ab und trat folglich zurück. Mit der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten 1803 bekam Pitt eine neue Chance. Im Mai 1804 wurde er erneut Premierminister. Nach Austerlitz verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand. Er starb nach langer Krankheit am 23. Januar 1806. Rasumovskij, Andrej Kirillovic Graf von (1752-1836).56 Russischer Diplomat. Geboren in der ukrainischen Kleinstadt Gluchow. Seine Eltern ermöglichten ihm und seinen Brüdern eine Erziehung in der Hauptstadt, wo er sich mit dem künftigen Zaren Paul I. anfreundete. Im Alter von 17 Jahren trat er den Dienst in der russischen Rotte an. Drei Jahre später wurde er Kapitänleutnant und Fregattenkommandeur. 1772 Höfling im russischen Zarenhof. 1777 begann seine diplomatische Karriere mit seiner Nominierung zum Botschafter in Neapel. Auf dem Weg dorthin wurde er in Wien zwei Jahre aufgehalten, da er auf die Einreiseerlaubnis des Königs von Neapel warten musste. Während dieser Zeit wurde Rasumovskij in die Wiener Gesellschaft aufgenommen und spannte ein Netz von persönlichen Kontakten zu Adelsfamilien und Hofbeamten. Nach elf Jahren in Neapel diente er 1784-1786 als Botschafter in Dänemark und anschließend (1786-1788) in Schweden. 1788 heiratete er die Tochter des österreichischen Grafen von Thun. 1790 wurde er zum Gesandten und zwei Jahre später zum Botschafter in Wien ernannt. Rasumovskij war beliebt und populär in der Wiener Gesellschaft und blieb auch nach seiner Abberufung 1807 in der österreichischen Hauptstadt. Er wurde als Musikmäzen bekannt (unter anderem widmete ihm Beethoven drei seiner Violinquartette). 1813-1814 vertrat er Russland als einziger gebürtiger Russe in einer kosmopolitischen Delegation auf dem Wiener Kongress. Zehn Jahre nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1816 die 30 Jahre jüngere Gräfin Konstantine von Türheim. Er lebte mit ihr
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Treasure, Bd. 2, S. 989-994. Palmer, S. 232; Istschenko, Viktor: Der russische Botschafter in Österreich A. Rasumowski: Mensch und Politiker, in: 200 Jahre Russisches Außenministerium, hrsg. von der Generaldirektion des österreichischen Staatsarchivs (= Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, Bd. 50), S. 79-86. 56
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in der Nähe von Linz. Kurz vor seinem Tod trat Rasumovskij zum katholischen Glauben über. Er starb am 11. September 1836. Rüchel, Ernst Friedrich von (1754-1823).57 Preußischer General. Geboren in Zizenow in Pommern. Seine Erziehung erhielt er in der preußischen Kadettenschule in Berlin. Später, im Alter von 18 Jahren, trat er den Militärdienst an. Unter Friedrich II. wurde er zum Kapitän. 1795 avancierte Rüchel zum General. 1806 traf er in Jena verspätet ein und verlor den größten Teil seines Korps im Kampf. Nach dem Tilsiter Frieden zog er sich auf seine Güter in Pommern zurück. Ruffin, Frangois-Amable (1771-1811).58 Französischer General. 1792 Freiwilliger in der französischen Armee. Ruffin zeichnete sich als Soldat und später als Offizier besonders aus. 1805 wurde er General. 1806/07 nahm er am Feldzug gegen Preußen und Polen teil. Er kämpfte anschließend in Spanien und starb als Gefangener an Bord eines englischen Schiffs in Portsmouth. Ryder, Dudley, erster Earl von Harrowby, Viscount Sandon und zweiter Baron Harrowby (1762-1847).59 Englischer Minister und Diplomat. 1782 Magister in St. Johan's College in Cambridge. Seit 1784 Parlamentsabgeordneter für Tiverton. 1789 Untersekretär im Außenministerium. Ab 1790 Mitglied im königlichen Geheimkonsilium. Er saß ab 1803 im Oberhaus. 1804 Außenminister unter Pitt. Ende 1804 fiel Harrowby die Treppe des Ministeriums in der Downing Street hinunter und verunfallte. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes musste er den Dienst quittieren. Ab 1805 war er wieder diplomatisch aktiv in Sondermissionen in Wien, Petersburg und Berlin. 1809 wurde er zum Earl von Harrowby und Viscount Sandon geadelt. 1812 Minister unter Liverpool. Der liberal gesinnte Harrowby unterstütze Fox in seiner Kampagne zur Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien. Schulenburg-Kehnert, Friedrich Wilhelm Graf von der (1742-1815).60 Preußischer General und Kabinettsminister. 1760 trat er in die Armee ein. Er verließ den aktiven Dienst bereits nach sechs Jahren aufgrund von schweren Verletzungen. 1782 wurde er mit der Leitung des Seehandels betraut. 1790 avancierte er zum Generalleutnant der Kavallerie. 1791 wurde Schulenburg zum Kabinettsminister ernannt. 1806 übernahm er die Verwaltung der besetzten hannoverischen Gebiete. Nach dem Kriegsausbruch wurde er zum Interimsgouverneur von Berlin. Als seine Besitzungen ans neu geschaffene Königreich Westfalen fielen, verlor Schulenburg den Status eines preußischen Untertans. Folglich wurde er von all seinen Ämtern enthoben. 1808 war er zeitweilig Divisionsgeneral und Staatsrat im Königreich Westfalen. Danach zog er sich ins Privatleben zurück.
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DN, Bd. 2, S. 671. Ebd., S. 672. DNB, Bd. 17, S. 531-533. Kohnke (1968), Anhang A, S. XVI- XVII.
I. Kurzbiographien
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Senjawin, Dimitri Nikolevitch (1763-?).61 Russischer Admiral. 1779 trat er den Dienst in der russischen Flotte an. Senjawin navigierte im Atlantik sowie im Schwarzen Meer. Er nahm an der Errichtung des maritimen Stützpunktes in Sebastopol teil. Leutnant seit 1784 und seit 1787 Kapitän. 1803 Kommandant der Marine in Sebastopol und 1805 in Reval. Anfang 1806 wurde er mit der Sicherung des Mittelmeer- und Adriaraumes beauftragt. Senfft, Pilsach Friedrich Christian Ludwig Graf von (1774-1853).62 Kursächsischer und österreichischer Diplomat. In seiner Jugendzeit reiste Senfft durch Italien und Dänemark. Später war er in den kursächsischen Gesandtschaften in Regensburg und Rastatt tätig. 1806-1809 kursächsischer Gesandter in Paris. 1809-1813 Minister in Dresden. Anschließend Berater und Minister am österreichischen Hof. Seymour, Francis Ingram, zweiter Marquis von Hertford und Earl von Yarmouth (1743-1822).63 Englischer Politiker und Diplomat. Erzogen in Eton. 1762 Magister in Oxford. 1761-1768 vertrat er Lisburne im irischen Unterhaus. 1766-1768 repräsentierte er Lostwithel im englischen Oberhaus. Seit 1793 Earl von Yarmouth. 1793-1794 Sondergesandter in Wien und Berlin. 1806 wurde er mit den Verhandlungen eines Friedensvertrags mit Frankreich betraut. Aufgrund des Scheiterns der Verhandlungen schied Yarmouth aus dem diplomatischen Dienst aus. 1807 wurde er zum Ritter geschlagen. Smidt, Johann (1773-1857).64 Senator und Bürgermeister von Bremen. Sohn eines Predigers. 1792-1794 studierte Smidt Theologie in Jena. 1797 wurde er in Zürich zum Prediger ordiniert. Nach seiner Rückkehr in die Hansestadt wurde er Professor der Theologie. Er gründete 1799 das „Hanseatische Magazin" (es erschienen bis 1804 sechs Bände). Ab 1800 Senator. 1806 vertrat er Bremen auf dem Hansetag in Lübeck. Nach der Befreiung Bremens (1813) übernahm Smidt das Ressort des Auswärtigen. 1815 repräsentierte er seine Stadt auf dem Wiener Kongress. 1849 wirkte er an der neuen Verfassung Bremens mit. 1857 wurde er zum Bürgermeister auf Lebenszeit gewählt. Smidt starb im gleichen Jahr. Stadion, Johann Philipp Graf von (1763-1824).65 Österreichischer Außenminister. Seit 1787 war er in Stockholm, London, Berlin und Petersburg diplomatisch tätig. 18051809 Außenminister. Nach Austerlitz engagierte er sich für Reformen in der Armee und für die Schaffung einer Landwehr nach französischem Vorbild. 1809 löste ihn Metter61
Mouraieff, S. 114, Anm. 1. Senfft. 63 DNB, Bd. 17, S. 1256-1257. 64 Bippen (1912), S. 460-474; Bremischer Staat oder Verzeichnis der Verfassung in Policey-Kirchen- und Militair-Sachen im Jahre 1806, S. 8-9; Gildemeister, Otto: Johann Smidt. Eine Lebensskizze, in: Johann Smidt. Ein Gedenkbuch zur Säcularfeier seines Geburtstags, hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Künstlervereins zu Bremen, Bremen 1873, S. 1-38. Über Smidts politische Aktivität siehe ausführlich auch bei: Spitta, A. Theodor: Bürgermeister Smidt, Göttingen 1926. 65 Gerhard, S. 1154. 62
G. Anhang
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nich im Außenministerium ab. 1814-1824 Präsident der Hofkammer. Er widmete sich der Neuordnung der Staatsfinanzen und der Gründung der österreichischen Nationalbank. Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum (1757-1831).66 Preußischer Minister. Er studierte Rechtswissenschaft in Göttingen und war später beim Reichskammergericht tätig. 1780 trat er in den preußischen Staatdienst. 1786-1802 Oberpräsident aller Kammern der preußischen Westprovinzen. 1804 Handels-, Wirtschafts- und Finanzminister. Er setzte die Aufhebung der preußischen Binnenzölle durch. 1806 lehnte er die Übernahme des Außenministeriums ab, weil er sich der Aufgabe nicht gewachsen sah. Folglich musste Stein 1807 den Dienst quittieren. Nach dem Tilsiter Frieden erfolgte seine Nominierung zum Minister. Auf französisches Ersuchen wurde er ein Jahr später entlassen. Seitdem lebte er im Prager Exil. Er rief 1813 zur Erhebung gegen Frankreich auf. 1814 verwaltete er die befreiten deutschen Gebiete. Stein agierte auf dem Wiener Kongress als Berater des russischen Zaren. Danach zog er sich aus der Politik zurück. Er gründete 1819 die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde". Bis zu seinem Tod blieb Stein Marschall des westfälischen Provinzlandtages. Stroganoff, Pavel Aleksandrovic Graf (1772-1817).67 Russischer Diplomat. 1797 lernte er den künftigen Zaren Alexander I. bei der Krönung seines Vaters kennen. Bis 1802 Berater des Zaren und Mitglied des Geheimen Komitees (Neglasny Komitet). 1802-1806 Vizeminister im Innenministerium. 1805 begleitete Stroganoff den Zaren nach Austerlitz. 1806 übernahm er eine Sondermission in London. Nach dem Tilsiter Frieden wurde Stroganoff von seinen Ämtern entbunden. Er blieb bis zu seinem Tod ein wichtiger Senatsabgeordneter. Stuart, Charles Baron Stuart de Rothesay (1779-1845).68 Englischer Diplomat. 1806 Gesandter in Petersburg und zeitweilig auch Sondergesandter in Dresden. 1808 chargé d'affaires in Madrid. 1801 Gesandter in Portugal. 1812 wurde er ins königliche Geheimkonsilium aufgenommen. 1815-1816 Botschafter in Haag. Stuart kehrte 1841 als Botschafter zu seinem alten Posten in Petersburg zurück. Baron seit 1828. Thornton, Sir Edward (1766-1852).69 Englischer Diplomat. 1789 arbeitete er als Erzieher der Söhne von Sir James Bland Burges, eines Untersekretärs im Foreign Secretary. Dieser empfahl ihn an seinen Minister (Duke von Leeds) weiter und ebnete Thornton damit den Weg für eine Karriere im Außenministerium. 1793 Vizekonsul in Madrid. 1796 Legationssekretär in Washington. 1798 erlangte er seinen Magister an der Universität Cambridge. 1800-1804 chargé d'affaires in Washington. 1805-1806 Minister im niedersächsischen Kreis. Im Zuge der französischen Besetzung von Hamburg floh 66 67 68 69
Ebd., S. 1162-1163. Palmer, S. 263. DNB, Bd. 19, S. 75. Ebd., S. 779.
I. Kurzbiographien
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Thornton nach Kiel und kehrte 1807 nach London zurück. 1807-1808 Gesandter in Stockholm. 1811 Unterhändler der Allianzverträge mit Schweden und Russland. 18131815 begleitete er den schwedischen Prinzen Bernadotte auf seinen Feldzügen. 1817 wurde er ins königliche Geheimkonsilium aufgenommen. Im gleichen Jahr wurde er zum Botschafter in Portugal nominiert. 1824 ging Thornton in den Ruhestand. Waitz von Eschen, Friedrich Siegmund Freiherr (1745-1808).70 Kurhessischer Minister und Diplomat. 1769 Kammerassessor in Kassel. 1770 Kriegs-, Domänen- und Bergrat. 1773 wurde er Geheimer Legationsrat und 1783 Steuerdirektor. 1786 Präsident und Direktor der Berg-, Salz- und Blaufarben werke. 1790/91 Sondergesandter in Wien. 1791 heiratete Waitz Sophie von Rheinfarth, Tochter des Geheimen Rats Karl Wilhelm von Rheinfarth. 1795 verhandelte er mit Frankreich den Beitritt von Hessen-Kassel zum Basler Frieden und somit zum norddeutschen Neutralitätssystem. Am 25. Juni 1796 wurde Waitz Wirklicher Geheimer Staatsminister. Im selben Jahr erhielt er den hessischen goldenen Löwenorden. 1800 gründete er das nach ihm benannte Gut Waitzrott. 1803 leitete er die Verhandlungen, die dahin führten, dass der Landgraf Wilhelm IX. die lang ersehnte Kurwürde erhielt. 1806 strebte er im Dienst des Kurfürsten eine Territorialexpansion der kurhessischen Länder an. Als Sondergesandter in Berlin unterzeichnete er in demselben Jahr die Tripelallianz, welche letztlich aber nicht ratifiziert wurde. Mit der Auflösung von Kurhessen im November 1806 verlor von Waitz seine Posten. Wilhelm /. (1743-1821).71 Landgraf Wilhelm IX. und seit 1803 Kurfürst von HessenKassel. Regent seit 1785. Sein Vorbild war der preußische König Friedrich II., dessen Fürstenbund er im selben Jahr beitrat. Mit der Hilfe seines Bankiers Meyer Amschel Rothschild betrieb er erfolgreich einen Soldatenhandel. 1795 schloss sich Wilhelm I. dem Basler Frieden an. 1803 wurde er für seine linksrheinischen Territorien mit einigen Randbezirken von Mainz und der Kurwürde entschädigt. Wegen seiner unentschlossenen Haltung gegenüber Preußen einerseits und gegenüber dem Rheinbund andererseits wurden seine Länder von Frankreich besetzt und ans Königreich Westfalen angeschlossen. 1806, nach der Einverleibung seiner Länder in das neue westfälische Königreich, ging er ins Exil. Erst 1813 kehrte er in sein Land zurück. Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Georg Graf (Fürst) zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1770-1851).72 Preußischer Diplomat und Minister. 1791 trat er den Dienst als kurpfälzisch-bayerischer Geheimrat an. 1794 wurde er vom preußischen König beauftragt, in Kassel eine Anleihe von sechs Millionen Talern für Preußen zu überbringen. 1795 wurde er offiziell in den preußischen Dienst aufgenommen. Seit 1797 Oberhofmeister der Königin Luise. Wittgenstein genoss das Vertrauen des königlichen Paares. 1806 preußischer Gesandter in Kassel. Mit der Rückkehr des Hofes nach Berlin wurde er 1810 Oberkammerherr. 1812 übernahm Wittgenstein die Leitung der Polizei und wurde zwei
70 71 72
ADB, Bd. 40, S. 599-602. Gerhard, 1307. ADB, Bd. 43, S. 626-629.
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Jahre später Polizeiminister. Er war bekannt für seine reaktionäre Politik und seine skrupellosen Methoden. 1819 Minister des königlichen Hauses. Wynn, Sir Henry Watkin Williams (1783-1853).73 Englischer Diplomat. Seit 1779 Beamter im Außenministerium. 1801 Privatsekretär bei seinem Onkel, dem Außenminister Lord Granville. 1803-1807 Gesandter in Dresden. Zwischen Januar und April 1807 vertrat er den Wahlkreis Midhurst im Unterhaus. 1822 wurde Wynn zum Gesandten in der Schweiz ernannt. Er verzichtete aufgrund parlamentarischer Kritik an seiner Tätigkeit auf den Posten und begnügte sich mit einer vergleichbaren Stelle in Württemberg. 1824-1851 Gesandter in Kopenhagen. Yarmouth, Lord: siehe Seymour, Francis Ingram, zweiter Marquis von Hertford und Earl von Yarmouth. Zastrow, Friedrich Wilhelm Christian von (1752-1830).74 Preußischer General und Kabinettsminister. 1766 begann Zastrow seine militärische Karriere. 1787 wurde er zum Major befördert. Unter Friedrich Wilhelm II. wurde er königlicher Flügeladjutant. 1805 Sondergesandter in Petersburg. Am 26. Oktober 1806 verhandelte er zusammen mit dem Marquis Luchesini den Friedensvertrag mit Frankreich. Im Dezember 1806 trat er an die Stelle des zurückgetretenen Kabinettsministers von Haugwitz. Er wurde im Mai 1807 wegen Differenzen mit Hardenberg entlassen. 1816 Gesandter in München, 1823 Gouverneur in Neuchätel und 1824 General der Infanterie.
II. Personen-, Orts- und Sachregister Die Großmächte (England, Frankreich, Russland, Österreich, Preußen), die bedeutendsten norddeutschen Reichsstände (Kursachsen, Kurhessen und die Hansestädte), die nordischen Mächte (Dänemark und Schweden) sowie bedeutende Staatsmänner und Diplomaten (z. B. Napoleon, Talleyrand, Fox, Haugwitz oder Oubril) werden nur an wichtigen Stellen erfasst. Verwendete Abkürzungen: bay. brem. dän
73 74
bayerisch bremischer dänisch
eng. Fl. Fr.
DNB, Bd. 21, S. 1171-1172. Kohnke (1968), Anhang A, S. XVIII-XIX.
englisch Fluss Frieden (von)
II. Personen-, Orts- und Sachregister
franz. Gft. Ghzm. ham. hannov. hans. Hrt. Hzm. Ins. Kgr. Kon. kurhess. kursächs.
französisch Grafschaft Großherzogtum hamburgisch hannoverisch hanseatisch Herrschaft Herzogtum Insel Königreich Konvention kurhessisch kursächsisch
lüb. österr. preuß. röm-deu. russ. Schi. schwed. Seeschi. Vtg. Vhl. Wfstd.
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Lübecker österreichisch preußisch römisch-deutsch russisch Schlacht (bei) schwedisch Seeschlacht Vertrag bzw. Verträge (von) Verhandlungen Waffenstillstand (von)
Personenregister Adair, Sir Robert, eng. Gesandter in Wien (1763-1855) 180, 189, 190 ff Addington, Henry, eng. Premierminister (1757-1844)51 Alexander I., Zar von Russland (17771825) 23, 42 f, 49 ff, 55 ff, 78 ff, 86, 108, 155 f, 160, 162 f, 164, 174 ff, 179, 182, 187, 203 f, 235 f Alopeus, David Maksimovic, russ. Botschafter in Stockholm (1768-1831) 168 Alopeus, Maxim Maksimiovic, russ. Botschafter in Berlin (1748-1822) 98, 155 f, 186 Alvensleben, Hundisburg, Philipp Karl Graf von, preuß. Außenminister (17451802) 43 Bailee, russ. Kapitän zur See 89 f Balan, Louis, preuß. Legationssekretär in London, (1769-1807) 102, 214 Barbot, Marie Baron de, franz. General (1770-1839) 86 Bardy, Baron von, österr. Gouverneur von Dalmatien 89 Barthélémy, François, franz. Diplomat u. Senator (1747-1830) 53 Baumbach, kurhess. Kriegsrat 134 f, 195
Bennigsen, Levin Graf von, russ. General (1735-1826)216 Bernadotte, Jean-B aptiste-Jules, franz. Marschall (1763-1844) 85, 221 Bernstorff, Christian Günther Graf von, dän. u. preuß. Außenminister (17691835) 46, 196 Berthier, Louis-Alexandre, franz. General (1753-1815) 204, 220 Beyme, Karl Friedrich von, preuß. Kabinettsrat (1765-1838) 84 Bignon, Louis-Pierre-Éduard Baron de, franz. Gesandter in Kassel (1771-1841) 135 f, 206 Bonaparte, Jérôme, König von Westfalen (1784-1860) 225 Bonaparte, Joseph, König von Neapel (1768-1844) 168,225,228 Bonaparte, Louis, König von Holland (1778-1846) 225 Bonaparte, Napoleon - s. Napoleon Bourrienne, Louis-Antoine Fauvelet de, franz. Gesandter in Hamburg (17691834)158,159 Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von, preuß. Generalfeldmarschall (1736-1806) 69, 79 ff, 86
280
G. Anhang
Bray, Graf François de, bay. Gesandter in Berlin (1765-1832) 98 Brockhausen, Carl Christian von, preuß. Diplomat (1766-1829) 125 ff, 148 ff, 194 Budberg, Baron Andreas von, russ. Staatsminister (1748-1812) 163 f, 175, 203, 204
sandter (1772-1813) 55, 56, 58, 64, 71, 83,218
Canning, George, eng. Außenminister (1770-1827)219 Carl August, Herzog von SachsenWeimar (1757-1828) 200 Carl, Ferdinand Erzherzog von Österreich (1781-1850) 70 Champagny, Jean-Baptiste de Nompère de, franz. Minister (1756-1834) 173, 178 Christian VII., Herzog von Schleswig u. Holstein, König von Dänemark u. Norwegen (1749-1808) 46, 196, 197 Clarke, Henry-Jacques-Guillaume, franz. Minister, Diplomat u. Marschall (17651818) 171 ff Cobenzel, Johann Ludwig Graf von, österr. Außenminister (1753-1809) 65 f Curtius, lüb. Syndikus 154, 158, 209 Czartoryski, Adam Jerzy Fürst von, russ. Außenminister (1770-1861) 25, 51, 79, 86, 88, 89, 90, 97, 102, 164
Ferdinand IV., König von Sizilien u. Neapel (1747-1825) 168, 169, 177 Finckenstein, preuß. Gesandter in Wien 215 Franz I., röm-deu. Kaiser (1708-1765) 152 Franz von Österreich, Joseph Karl, römdeu. (II.) u. österr. (I.) Kaiser (17861835) 11,23, 66, 115 ff, 152, 180, 234 f Fox, Charles James, eng. Außenminister (1749-1806) 22, 23, 94 ff, 99 ff, 156, 165 f, 168, 169, 170 ff, 173, 176 ff, 179, 202 f, 234, 236 Friedrich August, der Gerechte, Kurfürst (III.) u. König (I.) von Sachsen (17501827) 46 f, 139 ff, 143, 145 ff, 147, 150, 194, 207 f, 216 f, 222 f, 224 Friedrich der Große, König von Preußen (1712-1786) 35, 122, 132 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen (1744-1797) 43 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen (1770-1840) 53, 56, 69, 72, 75 ff, 79 ff, 94, 99 f, 106, 108 f, 127, 131, 138 f, 142, 153, 157, 183, 186 ff, 190, 193 ff, 202, 204, 206, 210 ff, 213, 215, 217, 230
Darrest, preuß. Gesandter in Kopenhagen 196 Decken, Major Johann von der, aide de camp Georges III. (1769-1840) 94 Delius, preuß. Konsul in Bremen 157 Dolgorouky, Prinz Basil Vassilievitch, russ. Generaladjutant (1752-1812) 55 f Dormann, ham. Syndikus 151, 156, 158 f, 209 Durand, Joseph de Mareuil, franz. Botschafter in Dresden (1770-?) 205, 208 Duroc, Géraud-Christophe-Michel, duc de Frioul, franz. General u. Sonderge-
Ghiselieri, österr. Kommissar von Dalmatien 89 Godard, eng. Legationssekretär in Paris 170 Goltz, August Friedrich Ferdinand Graf von der, preuß. Botschafter in Petersburg (1765-1832) 182,187 Götzen, Friedrich Graf von, preuß. General u. Sondergesandter in Dresden (1767-1820) 139 f Graffen, Friedrich von, Senator u. Bürgermeister von Hamburg (1745-1820) 154
II. Personen-, Orts- und Sachregister
Granville, William Wyndham, Baron, eng. Premierminister (1759-1834) 95, 156, 165, 190, 202 f Gries, Dr. Johann Michael, ham. Syndikus u. Diplomat (1772-1827) 154 Grote, Graf August Otto von, preuß. Gesandter im niedersächsischen Kreis (1747-1830) 153 f, 155, 157 Grunne, österr. Gesandter in Kopenhagen 28 Gustav III., König von Schweden (17461792) 46 Gustav IV., König von Schweden (17781837) 45, 53, 106 ff, 163, 188, 233 Gyulai, Ignatius Graf von, österr. Diplomat u. General (1763-1831) 65, 66 Hänlein, Konrad Siegmund Karl von, preuß. Beamter (1760-1819) 126, 136 ff, 140 ff, 144 ff, 150, 153,210 Hardenberg, Karl August Fürst von, preuß. Staatsminister (1750-1822) 44, 53, 56, 73 ff, 85, 98, 125 ff, 129, 185 ff, 190 f, 234 Harrowby, zweiter Baron von, eng. Minister u. Diplomat (1762-1847) 77 Haugwitz, Christian Heinrich Kurt Graf von, Freiherr von Krappitz, preuß. Diplomat u. Kabinettsminister (1752-1832) 43 f, 45, 69 ff, 81, 83, 90, 93, 103, 108, 120, 126 ff, 129 f, 132, 136, 139, 144, 148, 150, 153, 164, 180, 183 ff, 189, 193, 197 ff, 210, 212 ff, 234 Hauterive, Alexandre-Maurice Blanc de La Nautte de, franz. Staatsrat u. Diplomat (1754-1830) 58, 61, 62, 119 Hirsinger, Joseph, franz. Resident in Frankfurt 125 Horn, Gottlieb Friedrich Carl von, brem. Senator (1772-1844) 152, 154 Howiek, Viscount, eng. Minister (17641845) 177, 179, 191,215
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Hügel, Aloys Joseph Freiherr von, Oberleiter der österr. Mission in Regensburg (1753-1826) 115 Hutchison, Lord, eng. Diplomat 219 Jackson, Francis James, eng. Botschafter in Berlin (1770-1814) 98, 100, 101 Jackson, Sir George, eng. Diplomat (1785-1861)202 Jacobi-Kloest, Konstans Philipp Wilhelm Freiherr von, preuß. Botschafter in London (1745-1817) 96, 99 ff, 190 ff, 214 f Joseph II., röm-deu. Kasier (1741-1790) 122, 123 Kalkreuth Friedrich Adolf Graf von, preuß. General (1737-1818) 220 Karl, Herzog von Södermanland, schwed. Regent 45 Kaunitz, Wenzel Anton Graf von, österr. Außenminister (1711-1794) 35, 40, 61 Kleist, Generaladjutant von, preuß. Militär 85 Knobeisdorff, Heinrich von, preuß. General (1775-1826) 184, 205 Krusemarck, Friedrich Wilhelm Ludwig von, preuß. Diplomat (1767-1822) 216 La Besnardière, Jean-Baptiste de Gouey, franz. Diplomat (1765-1843) 58, 61 Laforest, Antoine-René-Charles-Mathurin comte de, franz. Botschafter in Berlin (1756-1846) 56, 120, 128 f, 181 ff, 186, 206 La Rochefoucauld, Alexandre-François comte de, franz. Botschafter in Wien (1767-1841)91 f, 217 Lauderdale, James Maitland dritter Earl von Lauderdale, eng. Politiker u. Diplomat (1759-1839) 170 ff, 176 f, 178 Lauriston, Jacques-Alexandre-Bernard Law, franz. General (1768-1828) 92 Lestocq, Anton Wilhelm von, preuß. General (1738-1818) 216
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G. Anhang
Levenson Gower, Lord Granville, erster Earl von Granville, eng. Botschafter in Petersburg (1773-1846) 51, 97 f, 102 Lichtenstein, Johann Joseph Fürst von, österr. Diplomat (1760-1836) 66 Lombard, Peter, preuß. Vortragender- u. Geheimrat (1775-1806) 73, 84, 141 f, 143, 150, 193,202,213 Lorenz, kurhess. Gesandter in London 98 Loß, Johann Adolf Graf von, kursächs. Minister (1731-1811) 139,216 Louis Ferdinand von Preußen, Prinz u. Onkel des Königs (1772-1806) 213 Louis XVI, König von Frankreich (17541792) 40, 46 Löwenheim, Graf von, schwed. General 107 Luchesini, Girolamo Marchese, preuß. Botschafter in Paris (1751-1825) 27, 84 f, 179 f, 184,218 Luise, Königin von Preußen (1776-1810) 135,213,218 Luise, Herzogin Eleonore von SachsenMeiningen (1763-1837) 199 Malsburg, kurhess. Gesandter in Paris 133 f, 195 Maßenbach, Christian Freiherr von, preuß. Offizier u. Publizist (1758-1827) 124-128 Metternich, Klemens Lothar Fürst von, österr. Diplomat u. Staatskanzler (17731859) 35,41 Morpeth, Lord, eng. Politiker u. Sondergesandter in Preußen (1773-1848) 214 Mortier, Adolpe-Eduard-Casimir-Joseph, franz. Marschall (1768-1835) 221 Mulgrave, Lord Henry Phipps, eng. Außenminister (1755-1831) 77, 95 Münster, engl. Vertreter in Hannover 97 Murat, Joachim, franz. Marschall u. König von Neapel (1767-1815) 92
Nagler, Carl Ferdinand Friedrich von, preuß. Geheimrat (1770-1846) 85 Napoleon Bonaparte, General, Konsul u. Kaiser von Frankreich (1769-1821) 11 f, 18, 22, 26, 40, 42, 49f, 61-68, 69-72, 82-84, 86 f, 90-92, 95, 109-111, 113115, 121, 133, 163, 168, 173 f, 183 ff, 204-211,221-226, 227 ff, 235 Nelson, Horatio, eng. Admirai, (17581805)57 Novossilzoff, russ. Minister 52 Oleïres, Chambrier de, preuß. Botschafter in Bern 85 Ompteda, Ludwig Karl Georg Freiherr von, hannov. Gesandter in Berlin (17671854) 98 Otto, Louis-Guillaume comte de Mosloy, franz. Gesandter in Bayern (1754-1817) 110 Oubril, Peter Jakolevic Baron de, russ. Diplomat 50, 160-165, 167, 174 ff, 179, 234 Palm, Johann Philipp (1768-1806), Nürnberger Buchhändler 193 Paul I., Zar von Russland (1754-1801) 42, 80 Pauline, Fürstin von Lippe-Detmold (1769-1820) 199 f Pfuel, General von, preuß. General, (1733-1808) 213 Pitt, William, eng. Staatsmann (17591806) 39, 95, 106, 165 Platzmann, preuß. Konsul in Lübeck 157 Rappard, preuß. Militärrat 85 Rasumovskij, Andrej Kirillovic Graf von, russ. Diplomat (1752-1836) 175 Rodde, Ratsherr von, lüb. Diplomat 105, 152, 154 Rüchel, Ernst Friedrich von, preuß. General (1754-1823) 84, 195,213 Ruffin, François-Amable, franz. General (1771-1811) 120, 174
II. Personen-, Orts- und Sachregister
Saint-Germain, Claude-Louis de, franz. Kriegsminister (1707-1787) 40 Schulenburg-Kehnert, Friedrich Wilhelm Graf von der, preuß. General u. Kabinettsminister (1742-1815) 76, 86, 94, 98, 101 Selby, Baron de, dän. Gesandter in Berlin 197 Senfft, Pilsach Friedrich Christian Ludwig Graf von, kursächs. Gesandter in Paris (1774-1853) 180 Senjawin, Dimitri Nikolevitch, russ. Admiral (1763-?) 89-91, 164, 175 Sienen, Friedrich Wilhelm, ham. Syndikus 154 Sieveking, Johann Peter, ham. Diplomat (1763-1806) 152 Smidt, Christian Joachim, hans. Kaufmann in London 105 Smidt, Johann, brem. Senator u. Bürgermeister (1773-1857) 154, 158, 198, 209 Stackelberg, Gustav Ernst Graf Stackelberg, russ. Diplomat (1766-1850) 108 Stadion, Johann Philipp Graf von, österr. Außenminister (1763-1824) 66, 78, 91, 116-118,201,207,215 Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom u. zum, preuß. Minister (17571831)44, 103, 163,213 Stroganoff, Pavel Aleksandrovic Graf, russ. Gesandter in London (1772-1817) 163 Stuart, Charles Baron Stuart de Rothesay, eng. Gesandter in Petersburg und Sondergesandter in Dresden (1779-1845) 202
Stuart, Sir John, eng. General, (17591815) 172 Talleyrand, Charles Maurice de, franz. Staatsmann (1754-1838) 13, 14, 17, 27, 40, 58-68, 70, 82, 83, 110-113, 115, 118-121, 133 f, 152, 155, 160-164, 166173, 174-176, 178, 180 f, 184, 205, 212 f, 221, 226, 228 f, 230, 231 f Thornton, Sir Edward, eng. Gesandter in den Hansestädten (1766-1852) 104, 156,191-192 Vincent, General, österr. Vertreter in Paris 92 Waitz von Eschen, Friedrich Siegmund Freiherr, kurhess. Gesandter in Berlin (1745-1808) 136-137, 195 Wiggers, Johann Georg, hans. Agent in Petersburg 105 Wilhelm I., Landgraf Wilhelm IX u. seit 1803 Kurfürst von Hessen-Kassel (1743-1821) 47, 126 f, 132-138, 195, 206, 221 f Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Georg Graf (Fürst) zu Sayn-WittgensteinHohenstein, preuß. Diplomat u. Minister (1770-1851) 134-137, 195 Yarmouth, Lord, eng. Politiker u. Diplomat (1743-1822) 161, 167 ff, 177, 180 Zastrow, Friedrich Wilhelm Christian von, preuß. General u. Kabinettsminister (1752-1830)219
Ortsregister Adria 16, 67, 87 ff, 93, 109, 163, 169, 228, 229 f Ägypten 229 Albanien 168, 177 Altona 197
283
Anhalt 121 Anhalt-Dessau 223 Ansbach 44, 56, 72, 85, 122, 129 Antwerpen 50, 55
284
G. Anhang
Bad Pyrmont 135, 137 Baden, Ghzm. 11, 50, 63 f, 67, 110 f, 122, 227 Balearen 169, 171 Baltikum 105, 109 - s. auch Ostsee Bartenstein 219 Bayern, Kgr. 11, 63 f, 67, 72, 110 f, 122, 129, 200, 227 Bayreuth 45, 72 Bernburg 223 Besarabien 60, 65 Bornholm, Ins. 47 Bosporus 88 Bratislava - s. Preßburg Braunau 90 Braunschweig 122 Brest 40 Brünn 69, 73 Bückeburg 137 f Bug, Fl. 54 Bulgarien - auch Nordbulgarien 60, 65 Cattaro, Bucht von 16, 18, 21, 67, 87 ff, 109, 160, 162 ff, 175 f, 182, 217, 226, 229 ff, 234 Cherbourg 40 Cleve, Hzm. 72, 85, 111, 181 Corvey 136, 181 Cöthen 223 Curzola, Ins. 90, 229 Cuxhaven 101 Dalmatien 67, 87 f, 90f, 161, 168, 177 Danzig 224 Dortmund 181 Dünkirchen 40 Elbe, Fl. 98, 108, 225 Elten 181 Eltenheim 46 Essen 181 Faröer 46 Firenze 31 Fiume 91
Frankfurt 133, 221 Fulda 136, 181 Georgien 42 Goslar 44 Göttingen 132 Grönland 46 Guayua, Ins. 40 Hameln 85, 98 Herzegowina 88 Hohenlimburg 181 Holland 33, 39, 70, 159, 225 - s. auch Niederlande Holstein, Hzm. 29, 47, 196 f Ibizia 169 Indien 50 Ionische Inseln 43, 162 Island 46 Istrien 67, 87, 90, 169 Italien 30 f, 41, 42, 52, 60, 92, 159 Jever 142 Kalabrien 172 Kanada 40 Kap der Guten Hoffnung 50, 167, 168 Kaukasus 43 Kavaerner Bucht 91 Krakau 54 Lauenburg 107,109, 188 Lippe 136, 137, 181 Lippe-Detmold 138, 199, 223 Lippe-Schaumburg 223 Lissa, Ins. 90, 229 Louisiana 40 Luxemburg 55 Maastricht 55 Malaiischer Archipel 173 Mallorca, Ins. 169 Malta, Ins. 42,51, 167 f, 229 Masowien 54
II. Personen-, Orts- und Sachregister
Mauritius, Ins. 40 Mecklenburg 122, 159 Mecklenburg-Schwerin 200 Memel 219 Memel, Fl. 124 Menorca, Ins. 169 Milano 31 Mittelmeer 42, 62, 87, 88, 163, 168, 173, 176, 227, 229 Moldau 60, 65 Montenegro 87, 88, 91 Mühlhausen 44 Münden 132 Neapel 31, 159, 168,225, 230 Neuchâtel 72, 85, 181 Niederlande 11, 32, 33, 38, 41, 50, 52, 55,122 Njemen, Fl. 54 Nordhausen 44 Nordsee 84, 153 Oder, Fl. 220 Oldenburg 159 Osnabrück 122 Ostsee 84, 104, 108, 109, 153 Paderborn 44, 137 Papststaat 31 Pinneberg, Hrt. 197 Pommern 179, 182 Portugal 11,39, 159 Preßburg 66 Pyrmont 181 Ragusa 92, 160, 161, 162, 168 Ranzau, Gft. 197 Réunion, Ins. 40 Rheda 181 Rhein, Fl. 220, 225 Rijeka - s. Fiume Rittberg 137, 181 Rudolstadt 225
285
Sachsen-Coburg 200, 223 Sachsen-Gotha 223 Sachsen-Hildburghausen 223 Sachsen-Meiningen 223 Sachsen-Weimar 200, 223 Scheidt, Fl. 50 Schwarzburg-Sondershausen 223 Schwarzes Meer 42 Schwedisch-Pommern 107, 109, 163 Schweiz bzw. helvetische Republik 11, 38, 39,53,72, 85, 161 Sizilien 161, 167, 168 ff, 175 ff, 229, 232, 234 Spanien 30, 38, 39, 159 St. Croix, Ins. 46 St. John, Ins. 46 St. Lucie, Ins. 173 St. Thomas, Ins. 47 Stettin 218 Tempelberg 186 Tobago 173 Tönning 104 Trave, Fl. 98, 105 Triest 91 Venedig bzw. venezianische Republik 31, 62, 67, 169 Vereinigte Staaten bzw. USA 39, 159 Vistula, Fl. 105 Vorpommern 29, 106 Walachei 65 Waldeck 136, 137, 181,223 Warschau 54, 225 Weichsel, Fl. 54 Weimar 122 Werden 181 Wesel 85, 98 Westfalen, Kgr. 223, 225, 233 Württemberg, Kgr. 11, 63, 64, 67, 110, 111,227 Würzburg 136
286
G. Anhang
Sachregister Alliance défensive, russ.-preuß. (28. Juli 1800) 80, 123, 141, 186 f, 193 Allianzvertrag, russ.-preuß. (24. Juli 1806) 175, 186-188,215 Alliierte 17, 47, 49-52, 57, 58, 71, 78, 82, 84, 86, 95, 102, 213, 218, 219, 231 - s. auch antifranzösische Koalition Altes Reich - Auflösung (6. August 1806) 11, 14, 18, 19, 116-118, 233 - in Napoleons Politik 62, 63 ff, 114f, 121 - u. Österreich 30, 68, 115-117, 236 - Reformpläne 60, 74 f, 110-112, 113, 124, 125 f, 133 Amiens, Fr. (27. März 1802) 39, 50, 51, 94, 99, 166, 229 Ancien Régime 11, 14, 37, 41, 45, 50, 59, 61, 68, 80, 97, 106, 109, 119, 146, 147, 149, 150, 203,233,235 Antifranzösische Koalition 11, 16, 17, 18, 41, 47, 49-53, 59, 155, 187, 190, 202, 214, 232, 233 - s. auch dritte Koalition Austerlitz, Schi. bzw. Drei-KaiserSchlacht (2. Dezember 1805) 11, 17, 19, 20, 28, 44, 58, 63, 68, 69, 70, 72, 78, 83, 87,91, 112, 165,202, 228, 231,233 Bad Pyrmont, Treffen zu 135 f Balance of Power 11, 17 ff, 30-37, 45, 52, 57, 59, 63, 79, 86, 109, 118, 120, 128, 172, 220, 222, 226, 228, 229, 235 - s. auch Gleichgewicht der Kräfte Bartenstein, Kon. (26. April 1807) 219 f Basler Fr. (5. April 1795) 53, 54, 57, 74, 123,125, 234 Blocus continental 220, 228 - s. auch Kontinentalsperre Bourbon, Haus bzw. Dynastie 120, 168 Brünner Vtg. (Dezember 1805) 64, 67, 71, 110, 130
Campo Forimo, Vtg. (1797) 40 Cattaro-Affäre 18, 22, 87-93, 109, 160, 164, 175,217, 226, 229 f, 231 Charlottenburg, Wfstd. (30. Oktober 1806)218 Confédération de la Haute Allemagne 113 - s. auch Rheinbund Confédération du nord de l'Allemagne s. Nordbund Dänemark - Außenpolitik 196 f - u . Holstein 197 f - u. der Nordbund 124, 141, 196 f - Struktur des Außenministerium 45 f Demarkationslinie, nord. 54, 84, 123, 125, 194 - s. auch ligue de démarcation Dritte Koalition 17, 20, 45, 49, 61, 106, 161, 166 f, 168, 227, 235 Embargo, über die Nordseehäfen (seitens Englands) - dessen Einfluss auf die preuß. Wirtschaft 100 f, 103 f - dessen Einfluss auf Norddeutschland 103-106 Enghien-Affäre 43, 45, 49 England - u. das Alte Reich 96 f, 108, 171, 172, 233 f - u. Balance of Power 33, 34 - Beziehungen zu den Hansestädten 105, 156 - Beziehungen zu Preußen 54, 57, 77, 9395,97, 98, 190, 191-193,214,219 - u. Hannover 16, 51, 52, 58, 77, 92, 94, 96, 97, 98, 99 f, 166, 170, 181, 190 f, 215, 218 f, 231, 233 - Vhl. mit Frankreich 165-174, 176-177, 178, 179, 234
II. Personen-, Orts- und Sachregister
- kommerzielle Interessen 51, 53, 98 f, 168, 192 - Krieg mit Preußen 101-103 - u. der Nordbund 189, 202 f - u . Malta 51, 168, 229 - u. Sizilien 168, 171 f, 173, 178, 229, 234 - Struktur des Außenministeriums 38 Erbverbrüderungsvertrag (1614) 134, 141, 146, 195,217 Etats confédérés du Rhin, Projekt 113114 - s. auch Rheinbund Februar-Plan, Hardenbergs 125-127, 129 Februar- bzw. Pariser Vtg. 83-85, 93, 98, 132, 181, 184, 185,204, 233 Fédération des souverains du Rhin 113 s. auch Rheinbund Frankreich - u. Balance of Power 30-33, 61, 79 - Beziehungen zu England 40, 50 f - s. auch England - Beziehungen zu den Hansestädten 47, 152, 155, 208 ff, 221 - Beziehungen zu Kurhessen 132-133, 136, 206 f, 221 f - Beziehungen zu Kursachsen 207 f, 222 f - Beziehungen zu Österreich 91 f, 109 s. auch Österreich - Beziehungen zu Preußen 55 f, 82, 83 f, 93, 98, 181 f, 184, 210 f, 231 - s. auch Preußen - Beziehungen zu Russland 90, 206 ff, 225 - u. der Nordbund 118 ff, 125, 128 f, 221 - Struktur des Außenministeriums 39 f - Vhl. mit Russland 160-165 - s. auch Oubril-Vertrag Französische Revolution 11, 41, 45, 46, 47,229 Friedland, Schi. (14. Juni 1807) 212, 220 Fürstenbund, Deutscher (23. Juli 1785) 96, 122, 123, 132
287
Gleichgewicht der Kräfte 30-37, 49, 52, 58, 118, 119, 162, 226 Habsburg - s. Österreich Hannover, Kurfürstentum - in engl. Außenpolitik 38, 51 f, 94, 95 f, 101, 156, 190-192, 203,231 - franz. Besetzung von (1803 u. 1806) 51, 221 f - in franz.-engl. Vhl. 167-168, 170 f - in preuß. Außenpolitik 45, 58, 75, 80 ff, 85, 97 f, 99 f, 181 f, 214, 218 - preuß. Okkupation von 76 f, 99 - schwed. Invasion 105 f Hansestädte - Außenpolitik 47 f - Beziehungen zu England 105, 152 - Beziehungen zu Frankreich 105, 151, 152, 156 - Beziehungen zu Russland 105, 155 f - Beziehungen zu Preußen 153, 198 f - Europäisierung ihrer Politik 158 f -Handelsprivilegien 152 - Ökonomisierung ihrer Politik 104 f, 157 - u. der Nordbund 154 f, 158 f, 209 Hansetag zu Lübeck (Herbst 1806) 158159, 209 f Hessen-Kassel 122 - s. auch Kurhessen Hofburg - s. Österreich Jena/Auerstedt, Schi. bzw. Doppelschlacht (14. Oktober 1806) 11, 12, 19, 44, 212, 217, 218, 220, 226, 227, 230 Kabinett von St. Cloud - s. Frankreich Kabinett von St. James - s. England Kontinentalsperre 46, 220, 226 Kü^ük Kaynarca, Vtg. (1774) 42 Kurbrandenburg - s. Preußen Kurbraunschweig - s. Hannover Kurhessen - u. das Alte Reich 141, 143 ff, 147, 150, 194 - Auflösung des Kurstaates 222 - außenpolitische Ausrichtung 47
288
G. Anhang
- Beziehungen zu Preußen 104, 134 ff, 195 f, 207 - u. der Nordbund 127, 134, 135 f, 137, 138, 195 f, 206 f - Vhl. mit Frankreich 132 f Kursachsen - u. das Alte Reich 143 - außenpolitische Ausrichtung 46 f - Erhebung zum Königreich 222 - Beziehungen zu Preußen 139 f, 143, 145 f, 194 f, 216 f - u. der Nordbund 140 f, 147 f, 150 f Legitimitätsprinzip 43, 45, 80, 81, 107, 130, 203,204, 233 Ligue de démarcation 125 Lunéville, Fr. (1801)40, 226 Matignon, Hotel 167, 173 Memel, Fr. (18. Januar 1807) 219 Ministry of all Talents 95, 165 Münchner Entwürfe (28. November 1805) 64 Neutralitätssystem, preuß. 47, 54, 74, 123, 124 Neutralitätstafel - kurhess. 207 - kursächs. 217 Nordbund - s. auch Dänemark. England, Frankreich, Hansestädte, Kurhessen, Kursachsen, Österreich, Preußen, Rheinbund, Russland und Schweden - Brockhausens Entwurf (27. August 1806)148-150 - (1er) Entwurf (24. Juli 1806) 130-132 - (2er) Entwurf (2. August 1806) 137 f - (3er) Entwurf (Mitte August 1806) 144 f - franz. Einladung zu dessen Bildung
120, 128 - (als) Grundlage einer antifranz. Koalition 194-201, 202-204, 232 - in der Historiographie 16, 20 -historischer Hintergrund 121-127
- in Napoleons Außenpolitik 121, 204210, 221 f - in Talleyrands Außenpolitik 118, 119, 120 f, 222 f - kursächs. Gegenentwurf (10. September 1806) 146-147 - Lombards Entwurf (Anfang August 1806) 141-142 Nordseehäfen, Schließung der (seitens Preußens) 98 f, 101, 187, 190 Österreich - u. das Alte Reich - s. Altes Reich - u. Balance of Power 30, 31 f - Beziehungen zu Frankreich 65 f, 90-93, 115,208, 231 - Beziehungen zu Preußen 78, 122 f, 189, 215 - Erhebung zum Kaiserreich (10. August 1804) 116, 234 - Struktur des Außenministeriums 40-42 - u. der Nordbund 140, 143, 201 f - u. die dritte Koalition 52 f Osmanisches Reich bzw. Hohe Pforte 31, 38, 39,41,42, 163 Oubril-Vertrag (20. Juli 1806) - Abweisung von 174-176, 179 - Diskussion in Petersburg über 164 f - u . England 171, 176 f, 189 - u. Napoleon 184 - u . Preußen 180, 182 f - u. Talleyrand 170, 173 f - V h l . 160-164 Pillnitzer Erklärung (25. August 1791) 41,46, 140 Polen, Teilungen 41, 42, 44, 54 Posen, Fr. (11. Dezember 1806) 222 Potsdamer Kon. (1. November 1805) 56 f, 69,71,72,81,82, 187 Preßburger Fr. (24. Dezember 1805) 6668, 87, 90, 92, 106, 162, 226, 227, 230 f, 233
II. Personen-, Orts- und Sachregister
Preußen - u. das Alte Reich 45, 53, 54, 122, 124, 130 - Beziehungen zu England 93-95, 97102, 189-193, 214 f, 218 - Beziehungen zu Dänemark 196-198 - Beziehungen zu Frankreich 53-54, 6971,73-76, 84 f, 179 f, 181-183 - Beziehungen zu den Hansestädten 153 f, 157, 198 - Beziehungen zu Kurhessen 135 f, 137, 195 f - Beziehungen zu Kursachsen 140 f, 148, 150 f, 194 f, 216 f - Beziehungen zu Österreich 202, 215 f - Beziehungen zu Russland 55-56, 80 f, 86, 102 f, 186-188, 215 f, 219 f - Beziehungen zu Schweden 108-109, 188 - Krieg mit Frankreich 205, 210, 212 f, 216, 217 f, 220 - u. der Nordbund 121-129, 129-132, 140 f, 144 f, 193 - Neutralitätspolitik - s. Neutralitätssystem, preuß. - Struktur des Außenministeriums 43 f Preußisch-Eylau, Schi. (7/8. Februar 1807)216, 220 Privy Council 95 Reichsdeputationshauptschluss (25. Februar 1803) 44, 47, 48, 61, 151, 152, 227, 228 Rheinbund - Entwürfe zum 111-113 - Erweiterung von 222 ff - Gründung 113 f - in den franz.-engl. Vhl. 171-172 - in den franz.-russ. Vhl. 161 f, 174 f, 231 - u. Napoleon 114 f, 228 - u. der Nordbund 118, 119, 120, 132, 134, 136, 150 - u . Talleyrand 118,227 Ritter von St. Johann, Orden 42
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Russland - u. das Alte Reich 162, 204, 23lf - u. Balance of Power 33 - Beziehungen zu den Hansestädten 155 f - Beziehungen zu Frankreich 87-90, 160162, 174-176, 225 - s. auch OubrilVertrag - Beziehungen zu Preußen 55-58, 79, 81 f, 86, 108 f, 187 f, 215 f, 219 f, 235 - s. auch Preußen - Struktur des Außenministeriums 41 f - u. der Nordbund 203 f, 209 - u. die dritte Koalition 50-53 Saalfeld, Schi. (9. Oktober 1806) 217, 218 Schleiz, Schi. (9. Oktober 1806) 217 Schlesische Kriege (1740/41) 44, 122 Schönbrunn, Allianz (15. Dezember 1805)64, 65,71,73, 83 Schweden - u. das Alte Reich 45, 106 f, 233 - Krieg mit Preußen 107-109, 188 f - Struktur des Außenministeriums 46 - u. der Nordbund 123, 141, 202 f - u. die dritte Koalition 51 Straßburg, Projekt (17. Oktober 1805) 5861, 111,227, 229 Subsidienzahlungen, eng. 39, 52, 53, 54, 55,77,78, 152,213,214,219 Süddeutschland bzw. Bayern, Württemberg und Baden, Umbildung von 60, 63 f, 67 f, 110f, 113 f Tilsit, Wfstd. (25. Juni 1807) 220 Tilsiter Frieden, franz.-preuß. (9. Juli 1807) 109, 224 Tilsiter Frieden, franz.-russ. (7. Juli 1807) 225, 226 Trafalgar, Seeschi. (21. Oktober 1805) 40, 57 Tripelallianz (Preußen, Kurhessen u. Kursachsen) 132, 136, 138, 139, 146, 147, 151
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G. Anhang
Ulm, Schi. (19. Oktober 1805) 57, 59, 61 Ultimatum, preuß. 212, 230 Union, russ. Projekt (Februar 1806) 81 f, 86 uti possidetis 168, 169, 172, 173 Utrecht, Fr. (1713) 34
Vertragssystem, Napoleons 71, 83, 110, 115, 119, 133, 162, 180, 222, 225, 226, 228 Westfälischer Fr. (1648) 33,45, 107, 140, 23