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German Pages 309 Year 2003
OLIVER FLEISCHMANN
Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 914
Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung Ein Beitrag zur Frage der Veräußerlichkeit weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigten Staatsvermögens
Von
Oliver Fleischmann
Duncker & Humblot • Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10890-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 «
Vorwort Die vorliegende Arbeit lag im Sommersemester 2001 der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation vor. Die mündliche Prüfung fand am 17.12.2001 statt. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum Stand April 2001 berücksichtigt. Mein Dank für die Betreuung der Promotion gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer. Er hat durch seine Einführung in das Gebiet des Finanzverfassungsrechts die Entstehung der Arbeit entscheidend mit angeregt. Besonderen Dank schulde ich für die schnelle Anfertigung des Erstgutachtens und das Entgegenkommen bei der Gestaltung des Prüfungsverfahrens unter Rücksichtnahme auf mein Studium an der University of Chicago in den USA. Für die Übernahme des Zweitgutachtens und dessen zügige Erstellung gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert. Der Kanzlei Gleiss Lutz Hootz Hirsch, insbesondere Herrn Dr. Hans Schiarmann, Herrn Dr. Reimar Buchner und Herrn Dr. Burghard Hildebrandt, danke ich für die Möglichkeit, mir als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich öffentliches Recht die Finanzierung der Promotion ermöglicht zu haben. Der Studienstiftung des deutschen Volkes danke ich für ihre langjährige Förderung. Ganz besonderer Dank gebührt schließlich Frau Nadja Hoffmann, LL.M. (Chicago). Sie hat mein Studium und die Entstehung dieser Arbeit stets mit konstruktiven Anregungen, viel Geduld und Verständnis begleitet. Ihr Beitrag zum Gelingen dieses Werkes geht weit über die Korrektur des Manuskripts hinaus. Dank für die Durchsicht des Manuskripts schulde ich ferner Frau Ref. iur. Irina Soeffky und meinem Vater Klaus Fleischmann. Letzterer hat durch seine stetige Unterstützung die Entstehung dieser Arbeit erst möglich gemacht. Die Arbeit ist dem Andenken an meine Mutter Gudrun Fleischmann gewidmet, die die Entstehung und Vollendung der Arbeit nicht mehr erleben konnte. Berlin/Washington, D.C. im Juli 2002
Oliver Fleischmann
Inhaltsübersicht Einleitung
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1. T e i l Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Kapitel : Veräußerung von Verwaltungsvermögen A. Verwaltungsvermögen I. Der Begriff des Staatsvermögens II. Das Verwaltungsvermögen als Unterfall des Staatsvermögens III. Ergebnis
24 24 24 24 34 49
B. Veräußerung von Verwaltungsvermögen 55 I. Der Begriff der Veräußerung 56 II. Veräußerung von Verwaltungsvermögen und Aufgabenerfüllung 59 III. Das „Kieler Immobiliengeschäft" als Prototyp der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 62 2. Kapitel: Zusammenfassung
65
2. T e i l Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Kapitel: Die tatsächlichen Rahmenbedingungen
66 66
A. Die Lage der öffentlichen Haushalte
66
B. Neue Wege zur Haushaltskonsolidierung I. Entlastung der Ausgabenseite
69 70
II.
Steigerung der Einnahmeseite ohne Steuer- und Abgabenerhöhung . . . .
2. Kapitel: Die einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
92 94
A. Bundesrecht
94
B. Landesrecht
98
3. Kapitel: Zusammenfassung
100
Inhaltsübersicht
8
3. T e i l Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungs vermögen 1. Kapitel: Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Veräußerung A. Grundsätzliche Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung I. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen II. Das Prinzip des Steuerstaates als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen III. Art. 109 Abs. 3 GG als formelle Schranke für die Veräußerung IV. Ergebnis B. Besondere Zulässigkeitsanforderungen an die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung I. Parlamentarische Beteiligung an der Veräußerung II. Staatsschuldenrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen III. Haushaltsverfassungsrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen
101 101 102 102 142 189 193 193 194 229 263
2. Kapitel: Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einnahmeverwendung
281
A. Freiheit zur Zweckbindung
282
B. Pflicht zur Zweckbindung
284
C. Ergebnis
286 4. T e i l Zusammenfassung der Ergebnisse
287
Literaturverzeichnis
290
Sachregister
305
Inhaltsverzeichnis Einleitung
21
1. T e i l Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
24
1. Kapitel Veräußerung von Verwaltungsvermögen
24
A. Verwaltungsvermögen 24 I. Der Begriff des Staats Vermögens 24 1. Vermögen - Staat - Staatsvermögen 24 2. Der Staat als Vermögensträger 26 a) Der landständische Staat des Mittelalters 26 b) Der absolutistische Staat 28 c) Der konstitutionelle Staat 30 d) Ergebnis 34 II. Das Verwaltungsvermögen als Unterfall des Staatsvermögens 34 1. Historische Begriffsbildung 35 a) Lorenz von Stein 35 b) FF Mayer und Johann Caspar Bluntschli 36 c) Paul Laband 36 d) Rezeption Labands 37 e) Die Entwicklung in der Bundesrepublik 38 f) Zusammenfassende Kriterien 39 2. Verwaltungsvermögen und öffentliche Sachen als verwandte Kategorien 40 a) Unterschiede zwischen den Rechtsgebieten 41 b) Formelle Unterschiede 42 aa) Vermögenszugehörigkeit 42 (1) Zivilrechtliche Verfügungsbefugnis (Eigentümerstellung) 42 (2) Öffentlich-rechtliche Begründung der Vermögenszugehörigkeit? 43 bb) Widmung 46 cc) Ergebnis 47 c) Funktionale Differenzierung 48
10
nsverzeichnis III. Ergebnis 1. Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit 2. Tatsächlich erfasste Vermögensgegenstände a) Abgrenzung Verwaltungs- und Finanzvermögen aa) Eindeutig erfasste Fälle bb) Grenzfälle, insbesondere Versorgungsbetriebe b) Verwaltungs vermögen im engeren Sinne
B. Veräußerung von Verwaltungsvermögen I. Der Begriff der Veräußerung 1. „Veräußerung" 2. Tatsächlich erfasste Verträge II. Veräußerung von Verwaltungsvermögen und Aufgabenerfüllung 1. Bezug zwischen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen und Aufgabenerfüllung a) Veräußerung von Verwaltungsvermögen ohne Aufgabenübertragung aa) Aufgabenerfüllung mit anderen Mitteln bb) Aufgabenerfüllung mit denselben Mitteln b) Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit Aufgabenübertragung 2. Ergebnis III. Das „Kieler Immobiliengeschäft" als Prototyp der Veräußerung von Verwaltungsvermögen
49 49 49 49 49 50 55 55 56 56 57 59 59 59 59 60 61 62 62
2. Kapitel Zusammenfassung
65
2. T e i l Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen
66
1. Kapitel Die tatsächlichen Rahmenbedingungen
66
A. Die Lage der öffentlichen Haushalte
66
B. Neue Wege zur Haushaltskonsolidierung I. Entlastung der Ausgabenseite 1. Haushaltsstrukturgesetze 2. Aufgabenprivatisierung a) Formelle Privatisierung b) Materielle Privatisierung
69 70 71 75 76 77
nsverzeichnis
II.
c) Funktionale Privatisierung d) Vermögensprivatisierung 3. Finanzierungsprivatisierung a) Formelle (unechte) Finanzierungsprivatisierung b) Funktionale Finanzierungsprivatisierung aa) Leasing-Modelle bb) Konzessionsmodelle cc) Betreibermodelle 4. Reform des Haushaltsrechts Steigerung der Einnahmeseite ohne Steuer- und Abgabenerhöhung . . . .
11 78 79 80 81 81 82 83 86 88 92
2. Kapitel Die einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
94
A. Bundesrecht
94
B. Landesrecht
98 3. Kapitel Zusammenfassung
100
3. T e i l Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen
101
1. Kapitel Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Veräußerung A. Grundsätzliche Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung I. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Der Funktionsfähigkeitsvorbehalt als verfassungsrechtliches Gebot . a) Abgrenzung verwandter Fragestellungen b) Funktionsfähigkeit als verfassungsrechtliche Kategorie c) Ergebnis 2. Folgen des Funktionsfähigkeitsvorbehalts für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen a) Durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen entstehende Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung
101
102 102 104 104 105 111 111 112
nsverzeichnis aa) Nutzungsdauer bb) Partei Wechsel auf der Vermieterseite cc) Zwangsvollstreckung gegen den Neueigentümer (1) Lage vor der Veräußerung (2) Lage nach der Veräußerung (3) Ergebnis dd) Insolvenz des Erwerbers ee) Ergebnis b) Möglichkeiten der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen aa) Grundsatz bb) Öffentlich-rechtliche Sicherung durch Widmung? (1) Traditionelle Sichtweise (2) Kritik (a) Konkludente Widmung des VerwaltungsVermögens? (b) Rechts Wirkung einer Widmung (3) Überlegungen de lege ferenda - Schaffung einer Widmungsgrundlage cc) Zivilrechtliche Sicherungen (1) Dingliche Sicherung (2) Überlegungen de lege ferenda - Anpassung von § 882a ZPO dd) Gesamtergebnis zur Sicherung 3. Ergebnis Das Prinzip des Steuerstaates als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Herkömmliche verfassungsrechtliche Herleitung eines normativen Steuerstaatsgrundsatzes : a) Die Normen der Finanzverfassung b) Art. 12 und 14 GG c) Art. 3 GG d) Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates 2. Ablehnung eines normativen Steuerstaatsgrundsatzes a) Fehlende Operationalisierbarkeit b) Normativer Mehrwert c) Ergebnis 3. Anwendung der den Steuerstaatsgrundsatz rechtfertigenden Gründe auf die Haushaltsfinanzierung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen a) Finanzverfassung aa) Individualschutz der Abgabepflichtigen bb) Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung vor Störungen und Aushöhlungen
112 114 116 116 118 121 122 124 125 125 126 126 127 128 129 134 138 138 140 141 142 142 144 144 146 148 149 151 151 154 156
157 158 159 159
nsverzeichnis
13
(1) Umgehung der bundesstaatlichen Kompetenzzuweisungen (2) Verteilung der Finanzmittel im Bundesstaat (a) Externe Effekte (b) Verzerrung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung . . (aa) Veräußerungserlöse als „laufende Einnahme" . (bb) Berücksichtigung bei den „notwendigen Ausgaben" (cc) Ergebnis (c) Verzerrung der horizontalen Einnahme Verteilung . . . (aa) Positive Berücksichtigung von Veräußerungserlösen (bb) Negative Berücksichtigung (cc) Ergebnis cc) Ergebnis b) Grundrechte aa) Möglichkeit eines Grundrechtseingriffs durch wirtschaftliche Betätigung des Staates bb) Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen (1) Private Anbieter am Grundstücksmarkt (2) Sonstige Grundeigentümer cc) Ergebnis c) Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates aa) Die Perspektive des Distanzstaates bb) Bindung an einen öffentlichen Zweck cc) Ergebnis d) Ergebnis III. Art. 109 Abs. 3 GG als formelle Schranke für die Veräußerung 1. Zur rechtlichen Bedeutung des Art. 109 Abs. 3 GG 2. Art. 109 Abs. 3 GG und § 63 Abs. 2 BHO 3. Ergebnis IV. Ergebnis
180 180 181 182 182 182 185 188 189 189 189 191 193 193
B. Besondere Zulässigkeitsanforderungen an die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung I. Parlamentarische Beteiligung an der Veräußerung 1. Die historische Perspektive 2. Die Lage unter dem Grundgesetz a) Spezielle Gesetzesvorbehalte aa) Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte bb) Institutionell-organisatorische Gesetzesvorbehalte cc) Kreditärer Gesetzesvorbehalt (Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG) . . .
193 194 194 198 198 199 199 200
159 160 160 161 163 167 168 169 170 175 177 177 177 178
nsverzeichnis dd) Haushaltsrechtlicher Gesetzesvorbehalt (Art. 110 Abs. 1 und 2 GG) b) Allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes aa) Die Position des BVerfG: Die Wesentlichkeitstheorie bb) Kritik und Stellungnahme (1) Kritikansatz (2) Lösungsansatz c) Anwendung der entwickelten Grundsätze auf die Veräußerung von Verwaltungsvermögen aa) Rechtssatzvorbehalt bb) Parlaments vorbehält (1) Die einschlägigen Fallgruppen (a) Präjudizierung künftiger parlamentarischer Entscheidungen (b) Verfahrensrechtliche Seite des Funktionsfähigkeitsvorbehalts (c) Eingeschränkter genereller parlamentarischer Einnahme vorbehält (d) Zwischenergebnis (2) Haushaltsplan und -gesetz als ausreichende Partizipation des Parlaments? (a) Fallgruppe Einnahmevorbehalt (b) Fallgruppe Funktionsfähigkeitsvorbehalt (c) Fallgruppe Präjudizierungsvorbehalt 3. Gesamtergebnis Staatsschuldenrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Bestimmung des Kreditbegriffs a) Bestimmung des Kreditbegriffs in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von Bund und Ländern b) Auslegung des Art. 115 GG aa) Wortlautinterpretation (1) Wortsinn „Kredit" (a) BGB (b) Sonstige Gesetze (c) Ergebnis (2) Wortlaut des Art. 115 GG bb) Teleologische Auslegung des Art. 115 Abs. 1 GG (1) Zweck der formellen Schranke des parlamentarischen Gesetzesvorbehalts (2) Zweck der materiellen Begrenzung der Kreditaufnahme (3) Ergebnis c) Zwischenergebnis 2. Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen als Kreditaufnahme .. .
200 202 205 207 208 211 214 215 216 217 217 220 221 225 225 226 227 227 228 229 230 230 232 232 232 232 234 235 235 236 236 240 244 244 245
nsverzeichnis a) Einzelbetrachtung aa) Kaufvertrag bb) Mietvertrag cc) Ergebnis der Einzelbetrachtung b) Wertende Gesamtbetrachtung c) Ergebnis 3. Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Kreditaufnahme a) Gesetzesvorbehalt (Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG) b) Materielle Begrenzung (Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG) aa) Der Regelfall bb) Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 115 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 GG) 4. Ergebnis III. Haushaltsverfassungsrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Art. 109 Abs. 2 GG 2. Haushaltsgrundsätze a) Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts b) Grundsatz der Wahrheit und Klarheit des Haushalts c) Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung aa) Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes bb) Verfassungsrechtliche Verankerung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes cc) Folgen aus dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen dd) Ergebnis 3. Ergebnis
15 245 245 249 252 252 256 256 257 259 259 262 263 263 264 267 268 271 273 273 274 276 281 281
2. Kapitel Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einnahmeverwendung
281
A. Freiheit zur Zweckbindung
282
B. Pflicht zur Zweckbindung
284
C. Ergebnis
286
4. T e i l Zusammenfassung der Ergebnisse
287
Literaturverzeichnis
290
Sachregister
305
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. a. F. AG AG AG AGB AO AöR Art. Bay BayOblG BayVBl BaWü BB Bbg Berl Beschl. BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BR-Drs. BReg. Brem BStBl. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Der Betriebs-Berater Brandenburg Berlin Beschluss Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundesregierung Bremen Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht
Abkürzungsverzeichnis BVerwGE BWVP ca. CDU DGVZ DÖV DStZ DVB1 EGV ErbbVO ESVGH f. ff. FG FGG FGO Fn. FS G gem. GewArch GewO GG GmbH GMB1. GVB1. Hamb Hbs. Hess HGrG h.M. Hrsg. i.d.F. InsO i.S.d. i.V.m. Jura JuS JZ Kap. K&R 2 Fleischmann
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Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Amtliche Sammlung Baden-Württembergische Verwaltungspraxis circa Christlich Demokratische Union Deutschlands Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Steuerzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erbbauverordnung Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg die folgende Seite die nächsten folgenden Seiten Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Fußnote Festschrift für Gesetz gemäß Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Hamburg Halbsatz Hessen Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung Insolvenzordnung im Sinne des in Verbindung mit Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kommunikation und Recht
18 krit. LG LHO LSA LT-Drs. LT-Umdr. LVerfG MDR m.E. MittBayNot M-V m. w. N. Nds. n. F. NJW NVwZ NVwZ-RR NW NWVB1 NZM OLG OVG Rdnr. Rh-Pf RIW Rpfleger S. S. Saar Sachs Schl-H SGG s. o. Sp. SPD StGB str. StV StWiss Thür UMTS
Abkürzungsverzeichnis kritisch Landgericht Landeshaushaltsordnung Land Sachsen-Anhalt Landtagsdrucksache Landtagsumdruck Landesverfassungsgerichtshof Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Randnummer Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Der Deutsche Rechtspfleger Satz Seite Saarland Sachsen Schleswig-Holstein Sozialgerichtsgesetz siehe oben Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Strafgesetzbuch strittig Strafverteidiger Staatswissenschaften und Staatspraxis Thüringen Universal Mobile Telecommunications System
Abkürzungsverzeichnis UmwG Urt. V.
VA VB1BW Verf VerfGH VG VGH vgl. VO vorl. VV VVDStRL VwGO VwVfG WM ZPO z.T. ZVG
Umwandlungsgesetz Urteil vom Verwaltungsakt Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfassung Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung vorläufige Verwaltungsvorschriften Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wertpapier-Mitteilungen Zivilprozessordnung zum Teil Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
19
Einleitung „Der Würde des Stats ziemt es, dasz er dieses Gut, welches ganz und gar öffentlichen Zwecken dient, auch äuszerlich so vollkommen rein und schön erhalte, als es seinen Kräften und ihrer Bestimmung gemäsz ist. Er soll diesem Vermögen den Stempel seiner Hoheit und Ehre aufprägen." Johann Caspar Bluntschli (Allgemeines Staatsrecht; Band 2, 4. Auflage, München 1868, S. 387) Wohl kaum ein anderes Thema steht in den letzten Jahren mehr im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung als die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Angesichts der Höhe des angehäuften Schuldenbergs von 1,5 Billionen D M 1 und einer Abgabenquote von über 40 % 2 trotz insgesamt steigender Staatseinnahmen steht der Staat dabei nicht nur einer bloßen Finanzkrise, sondern einem strukturellen Staatsdefizit 3 gegenüber. Der Rechtswissenschaft fällt in dieser Situation die Rolle zu, die von der Politik entwickelten Modelle zur Lösung der Probleme kritisch zu bewerten und den rechtlichen Rahmen aufzuzeigen, in dem neue Ansätze entwickelt werden können. Dabei ist in den letzten Jahren auch eine Ressource in das Blickfeld von Politik und Recht geraten, die bis dahin als völlig ungeeignet galt, überhaupt haushaltswirtschaftliche Effekte zu erzielen: das staatliche Verwaltungsvermögen. Bis in die späten neunziger Jahre galt es als unumstößliche Tatsache, dass zwar die Gegenstände des Finanzvermögens uneingeschränkt zur Verfügung des staatlichen Eigentümers stehen, die öffentlichen Sachen im Verwaltungsvermögen aber wegen ihrer Zweckbestimmung von der Verfügungsmacht ausgenommen sind. 4 Nur wenn ein Gegenstand des Verwaltungsvermögens nicht mehr zu seinem Zweck benötigt wurde, war seine Veräußerung unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig anerkannt. 5 Spätestens mit dem Versuch der schleswig-holsteinischen Landesregierung, 1998 im sog. „Kieler Immobiliengeschäft" nach Änderung der Landeshaushaltsordnung einen Großteil seiner von der Verwaltung genutzten Immobi1
BMF, Finanzbericht 2001, S. 12. 1993 hatte sie eine Höhe von 42,2% (vgl. Vogel/Waldhoff, merkungen zu Art. 104a bis 115, Rdn. 91. 3 Vgl. zum Begriff F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749 f. 4 Vgl. etwa P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdn. 305 m.w.N. 5 So auch immer noch § 63 Abs. 2 BHO. 2
in: BK-GG, Vorbe-
22
Einleitung
lien an die landeseigene Investitionsbank zu veräußern und anschließend zurückzumieten, dürfte diese Einmütigkeit nunmehr beendet sein. Der durch die Veräußerung erzielte Erlös von ca. 1 Milliarde D M sollte im Gegenzug auf drei Jahre gestreckt der Einnahmeseite des Gesamtetats des Landes zufließen und damit zur Finanzierung auch der laufenden Angelegenheiten dienen. Nachdem die Opposition im Landtag gegen die dem Immobiliengeschäft zugrundeliegenden Vorschriften des Haushaltsgesetzes einen Normenkontrollantrag vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte, entschied dieses durch Beschluss des Zweiten Senats vom 17.9.19986 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne materiell-rechtliche Aussagen zur Verfassungsmäßigkeit der Normen zu treffen, dass das Land Schleswig-Holstein etwaige Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur so behandeln dürfe, als seien sie Einnahmen aus Kredit. Als Reaktion auf diesen Beschluss hat der schleswig-holsteinische Landtag die umstrittenen Normen zurückgenommen, bevor es zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren kommen konnte. Das Normenkontrollverfahren wurde daraufhin in der Hauptsache ohne Sachentscheidung für erledigt erklärt, die Akten am 27.4.2000 weggelegt.7 Damit ermangelt es aber weiterhin einer rechtlichen Klärung, inwieweit die Veräußerung weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigten Staatsvermögens zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung verfassungsrechtlichen Restriktionen ausgesetzt ist. Insbesondere die Frage, ob eine solche Veräußerung auch an Private möglich ist, harrt weiter einer Beantwortung. Schon die Tatsache, dass der schleswig-holsteinische Gesetzgeber die Norm der Landeshaushaltsordnung, die die Veräußerung von bebauten und unbebauten Grundstücken für zulässig erklärt, auch wenn die Grundstücke weiterhin für Verwaltungszwecke benötigt werden, nicht aufgehoben hat, zeigt, dass angesichts der weiterhin angespannten Haushaltslage auch in Zukunft alle Versuche unternommen werden, Einnahmequellen jenseits der herkömmlichen Steuern und Abgaben zu erschließen. Ziel dieser Arbeit soll es dementsprechend sein, die im „Kieler Immobiliengeschäft" realisierte Idee der Finanzierung der öffentlichen Haushalte durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das weiterhin zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt wird, auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin zu untersuchen. Dabei soll der Rahmen aufgezeigt werden, den das Grundgesetz für entsprechende Finanzierungsmodelle setzt. Zu diesem Zweck soll nach einer Betrachtung des Begriffs der „Veräußerung von Verwaltungsvermögen" zunächst das tatsächliche und einfachgesetzliche
6
BVerfGE 99, 57 ff. So die Auskunft des Bundesverfassungsgerichts, Aktenzeichen AR 6263/99 vom 15.1.2001. 7
Einleitung Umfeld in den Blick genommen werden, in dem die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung steht. Anschließend sollen die verfassungsrechtlichen Restriktionen entsprechender Modelle untersucht werden, wobei die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der Steuerstaatsgrundsatz als generelle Zulässigkeitsschranken, der Parlamentsvorbehalt, die verfassungsrechtlichen Vorschriften über die staatliche Kreditaufnahme sowie das Haushaltsverfassungsrecht als besondere Ausgestaltungsmaßstäbe zu betrachten sein werden. Sowohl bei der einfachgesetzlichen, als auch bei der verfassungsrechtlichen Analyse soll dabei primär das Haushalts- und Verfassungsrecht des Bundes herangezogen werden, dem das Recht der Länder weitestgehend entspricht. Ausgeblendet werden sollen in der vorliegenden Arbeit die gesamten Probleme, die sich im Bereich des Kommunal(verfassungs)rechts für die untersuchte Konstellation ergeben können. Insgesamt soll die Arbeit damit der Auseinandersetzung um Vermögensveräußerungen der öffentlichen Hand eine neue Perspektive aufweisen, indem nicht die in vielfältiger Hinsicht erörterten Probleme der Privatisierung von Aufgaben oder Industriebeteiligungen im Mittelpunkt stehen, sondern die Aspekte der öffentlichen Finanzierung durch Veräußerungserlöse und die mit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zusammenhängenden Fragen der Sicherung der Funktionserfüllung der öffentlichen Verwaltung.
1. T e i l
Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen 7. Kapitel
Veräußerung von Verwaltungsvermögen Bevor im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit die tatsächlichen, einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen in den Blick genommen werden sollen, bedarf es zunächst einer begrifflichen und systematischen Bestimmung dessen, was als „Veräußerung von Verwaltungsvermögen" verstanden werden soll. Dies erscheint umso erforderlicher, als das Staatsvermögensrecht in der juristischen Diskussion und Ausbildung wenig Beachtung findet und insbesondere das Verwaltungsvermögen regelmäßig nur unter der Perspektive des öffentlichen Sachenrechts betrachtet wird.
A. Verwaltungsvermögen Um den Begriff des Verwaltungsvermögens bestimmen zu können, bedarf es zunächst einer Annäherung an den übergeordneten Begriff des Staatsvermögens - des Vermögens des Staates. I. Der Begriff des Staatsvermögens 7. Vermögen - Staat - Staatsvermögen Das Grundgesetz erwähnt den Begriff des Staatsvermögens nur beiläufig. In Art. 114 Abs. 1 GG ist davon die Rede, dass der Bundesminister der Finanzen dem Bundestage und dem Bundesrate unter anderem über das Vermögen Rechnung zu legen hat. Die Art. 134 und 135 GG schließlich regeln die Rechtsnachfolge in das Vermögen des Deutschen Reiches. Alle drei Vorschriften definieren „Staatsvermögen" jedoch nicht. Sie setzen vielmehr sein Vorhandensein und die Vermögensfähigkeit des Staates voraus. 1 1
Friauf, Rdnr. 9.
in: HStR IV, § 90, Rdnr. 18; Mußgnug/Hufeld,
in: BK-GG, Art. 134,
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Nähert man sich mangels einer grundgesetzlichen Definition der Begriffsbildung vom Wortsinn her an, so führt dies zu einer banal klingenden Erkenntnis: Bei „Staatsvermögen" handelt es sich um „Vermögen", das dem „Staat" als Vermögensträger zugeordnet ist. Um eine gültige Definition zu erhalten, braucht man scheinbar nun nur noch bestimmen, was unter „Vermögen" und was unter „Staat" zu verstehen ist. Ein juristischer Sprachgebrauch hinsichtlich des Begriffs „Vermögen" hat sich insbesondere im Bereich des Zivilrechts gebildet. Dort wird als Vermögen die Gesamtheit aller geldwerten Rechte bezeichnet, die einer Person zustehen.2 Dabei ist freilich kein einheitlicher Gebrauch des Begriffs zu beobachten, da zum Teil neben den Aktiva auch die Passiva mit zum Vermögen gerechnet werden (vgl. etwa § 1922 BGB), teilweise nicht (etwa in § 1365 BGB). Im verfassungsrechtlichen Kontext erscheint eine solche Ausdehnung des Vermögensbegriffs auch auf die Passiva jedoch unangebracht. So unterscheidet auch das Grundgesetz in Art. 114 Abs. 1 GG deutlich die Rechnungslegung über das Vermögen und über die Schulden. Vermögen als Bestandteil von Staatsvermögen soll daher im folgenden nur als Summe der dem Staat „positiv" zustehenden geldwerten Rechte verstanden werden. Ein solches „Zustehen" wiederum kann im Zivilrecht dann angenommen werden, wenn der Vermögensträger an dem Vermögensgegenstand ein Verfügungsrecht, in der Regel das Eigentum, besitzt. Demhingegen auf rein wirtschaftliche Kriterien abzustellen, und unter Vermögen „die wirtschaftliche Potenz des Staates als Gesamtheit der Voraussetzungen öffentlicher Leistungserbringung einschließlich etwa auch der Qualität und Funktionsfähigkeit des Rechtssystems"3 oder „all diejenigen Güter und Rechte, die irgendwie der öffentlichen Aufgabenerfüllung dienen, ohne Rücksicht, ob der betreffenden Körperschaft auch das Eigentum zusteht" 4 , zu verstehen, löste die Kontur des Vermögensbegriffs auf 5 und wäre zudem im vorliegenden Untersuchungszusammenhang unbrauchbar. Die Festlegung dessen, was als „Staat" im Sinne des Grundgesetzes zu verstehen ist, hat vor dem Hintergrund der Fundamentation der Bundesrepublik als Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG) zu erfolgen. In einem solchen Bundesstaat wird die Staatsgewalt nicht von einer einzigen Organisation wahrgenommen, sondern zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten im Rahmen der Verfassung des Zentralstaates aufgeteilt. 6 Gesamtstaat und Glied2 Medicus, BGB-AT, Rdnr. 198; Larenz, Schuldrecht I, § 29 I, S. 480; Larenz/ Wolf, BGB-AT, § 21, Rdnr. 2. 3 Vgl. hierzu die Nachweise bei A. Meier, in: HdWW V, S. 623. 4 So Mülhaupt, in: Allg Stat Archiv 30 (1941/42), S. 41. 5 So auch Berlit, Ländervermögen, S. 21; A. Meier, in: HdWW V, S. 623; ebenfalls ablehnend Berkenhoff, Gemeindevermögensordnung, S. 35, Helmertl König, Vermögensrechnung, S. 12; Spiller, Öffentliches Vermögensrecht, S. 2.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Staaten besitzen Staatsqualität.7 Dementsprechend sind sowohl der Bund, als auch die Länder „Staat" im Sinne des Grundgesetzes. Keine eigene staatliche Ebene stellen die Gemeinden dar, die trotz ihrer Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) und anderer besonderer verfassungsrechtlicher Garantien (Art. 106 Abs. 5-7 GG; Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG; Art. 115 c Abs. 3 GG) als Bestandteile der Länder gelten. 8 Fügt man beide Definitionsbestandteile nun wieder zusammen, ergibt sich die herkömmliche Definition des Staatsvermögens. Nach ihr wird unter Staatsvermögen die Gesamtheit der Vermögenswerten Rechte und Güter verstanden, über die Bund und Länder (einschließlich der Gemeinden) zu verfügen berechtigt sind, wobei die Verfügungsbefugnis ihre Grundlage entweder im Eigentum oder in anderen privatrechtlichen - dinglichen oder obligatorischen - Rechtstiteln hat. 9 Staatsvermögen unterscheidet sich insoweit nicht vom Vermögen Privater. 10 2. Der Staat als Vermögensträger Erschöpft sich eine derartige Begriffsbildung in der rein formalen Verknüpfung der Begriffe Staat und Vermögen, so ist über die materielle Verknüpfung, d.h. über den Status des Staates als Vermögensträger noch nichts gesagt. Die Tatsache, dass der Staat als Vermögensträger angesehen werden kann (Vermögensfähigkeit) und real über Vermögen verfügt (Vermögensbestand), verlangt jedoch eine nähere Betrachtung. Beide Aspekte, sowie der Zweck des Staatsvermögens haben sich in den letzten Jahrhunderten einem stetigen Wandel unterzogen. a) Der landständische Staat des Mittelalters Dem mittelalterlichen Staat war der Begriff des Staatsvermögens noch fremd. In ihm war Herrschaft stets persönliche, traditionell begründete 11 Herrschaft. Der Herrscher war nicht Repräsentant eines irgendwie gearteten Staatswesens, er übte vielmehr in seiner Person die ihm gehörige Landes6
Isensee, in: HStR I, § 13, Rdnr. 165; Maunz, in: HStR IV, § 94, Rdnr. 2. BVerfGE 35, 342, 260 f. 8 Statt vieler nur von Arnim, in: HStR IV, § 103, Rdnr. 3 m. w.N. 9 Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdn. 2; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1257; Francke, in: Staatslexikon IV, Sp. 126; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422; Berlit, Ländervermögen, S. 21; Spiller, Vermögensrecht, S. 4 unter Hinweis auf § 3 der Buchführungs- und Rechnungslegungsordnung für das Vermögen des Bundes (VBRO) vom 16.3.1953 (Min Bl. Fin 1953, S. 166). 10 Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1257. 7
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macht aus. 12 Folglich war eine Differenzierung zwischen einer öffentlichrechtlichen und einer privatrechtlichen Stellung des Herrschers unmöglich. Konsequenterweise wurden auch die die Herrschaft betreffenden Vermögensobjekte als Bestandteil der patrimonialen Landeshoheit verstanden und dem Privatvermögen des Landesherren zugeordnet. Sie waren vererblich und gingen mit der Herrschaft im Wege der Universalsukzession auf den Nachfolger über. 13 Es handelte sich dabei vor allem um Grundstücke und Güter, die unter dem Begriff der „Domänen" zusammengefasst wurden. Diesen Vermögensobjekten kam die hauptsächliche Aufgabe zu, die Landesherrschaft zu finanzieren. Die Bewirtschaftung und Verpachtung der Domänen bildete den zentralen Bestandteil einer sich vor allem aus drei Quellen speisenden staatlichen Finanzierung. 14 Neben den Erträgen aus Domänenbewirtschaftung trugen vor allem noch die Einnahmen aus den dem Herrscher zustehenden Regalien (Zölle, Münzregal, Bergregal, Salzregal), Sportein und Gebühren zur staatlichen Finanzierung bei. Dazu traten als dritte reguläre Finanzierungssäule die ordentlichen Steuern, die der Landesherr kraft Gewohnheitsrecht von den Grundbesitzern und freien Bauern erheben durfte, ohne dass er hierfür die Zustimmung der Landstände bedurfte. Ihre Einnahmen blieben jedoch gering, so dass die Domänen die unangefochtene Haupteinnahmequelle der landesherrlichen Verwaltung bildeten. 15 Neben diesen Einnahmen durften sonstige Steuern, die der Zustimmung der Landstände bedurften, nur subsidiär und in Ausnahmefällen zur Finanzierung außerordentlicher Ausgaben (Krieg, Missernten, Notfälle) erhoben werden. Diese Steuern wurden dementsprechend in ihren Anfängen auch als „Bethen" oder „Beisteuern" bezeichnet, wodurch zum Ausdruck kommt, dass sie zum einen erbeten und bewilligt werden mussten, zum anderen als exzeptionelle Einnahmequelle der besonderen Begründung und des Nachweises eines besonderen Bedarfs bedurften. 16 Ihre Einnahmen waren zudem
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Im Sinne der Lehre der „Drei reinen Typen der legitimen Herrschaft" Max Webers (abgedruckt bei Weber-Fas, Der Staat II, S. 329 ff.) ist die patriarchalische Herrschaft des mittelalterlichen Ständestaates die reinste Form der traditionellen Herrschaft, der Herrschaft kraft Glaubens an die Heiligkeit der von je her vorhandenen Ordnungen und Herrengewalten. Gehorcht wird der Person kraft ihrer durch Herkommen geheiligten Eigenwürde. 12 Krüger, Staatslehre, S. 245. 13 Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 10. 14 Zum Folgenden ausführlich Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 40 f.; aus historischer Perspektive Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 5 ff.; Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), § 202, S. 870 ff. 15 Mußgnug, in: Der Staat, Beiheft 9 (1991), S. 80. 16 Mußgnug, in: Der Staat, Beiheft 9 (1991), S. 80.
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nicht etwa frei disponible Deckungsmittel für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates, sondern zweckgebunden für die Finanzierung der besonderen Aufgabe. 17 Insgesamt galt der Grundsatz, dass der Landesherr die gesamten Kosten der Staatsverwaltung einschließlich der Abgaben ans Reich aus eigenen (Vermögens-) Mitteln zu bestreiten hatte. 18 Seine Einnahmen hatten für „die Ertragung der sämtlichen Regierungsgebürden" 19 zu sorgen. Diesem Dualismus der Finanzierungsquellen für ordentliche und außerordentliche Staatsaufgaben entsprach auch die Struktur der ständischen „Finanzverwaltung". So bildete sich auch hier ein Dualismus zwischen der Kammerverwaltung, die beim Landesherren lag, und der Steuerverwaltung heraus, die von den Landständen in sog. „Landkästen", „Landschaftskästen", „Landschaftseinnehmereien" oder „Landesaerarien" 20 wahrgenommen wurde. Privat verstandener Herrschaft stand eine privat verstandene Finanzierung aus privat verstandenen Vermögensobjekten des Landesherren zur Seite. b) Der absolutistische Staat Hiervon unterschied sich die Rechtslage im („unaufgeklärten") Absolutismus nicht wesentlich. Die dem Absolutismus zugrundeliegende Vorstellung der Einheit von Herrscher und Herrschaft wird insoweit in der schon zum Gemeingut gehörigen, dem französischen König Ludwig XIV. zugeschriebenen Aussage „l'état c'est moi" überdeutlich. Mit einem solchen Staatsverständnis fehlte schlechthin die konstitutive Voraussetzung 21 für eine Scheidung des persönlichen Vermögen des Herrschers von einem irgendwie gearteten Vermögen des Staates an sich. Wesentliche Modifikationen, die die spätere Entwicklung hin zum Staatsvermögen beeinflussten, ergaben sich im Spätabsolutismus aber in der Frage der Staatsfinanzierung. So leitete die Aufstellung der ersten staatlichen Etats gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Trennung von Privat- und Staatsvermögen des Herrschers ein. Vorausgehend ließ sich spätestens seit Mitte des 17. Jahrhunderts ein ständiger Verfall der ständischen Macht beobachten. 22 Vor allem in Folge 17 Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 50; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 9. 18 Friauf, Staatshaushaltsplan, S. 28 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 64. 19 So Struben, Rechtliche Bedenken (1774), S. 7 zitiert nach Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 41. 20 Ausführlich hierzu Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 52 ff.; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 7. 21 Krüger, Staatslehre, S. 245.
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des wachsenden Verwaltungsaufwandes und der in der Einführung stehender Heere resultierenden Militarisierung der zentralen Ebene wuchs deren Finanzbedarf immens. Dieser ließ sich aber bei weitem nicht mehr allein aus den Einnahmen des staatlichen Vermögens bestreiten. Nach und nach verwandelten sich die wichtigsten (Ergänzungs-)Abgaben in notwendige und fortdauernde Steuern, die von den Ständen bewilligt werden mussten. Aus diesen pflichtmäßigen Steuerhilfen ließ sich jedoch - im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen das Steuerbewilligungsrecht den Ständen ein politisches Mitspracherecht sicherte - kein politisches Kapital mehr schlagen. Der Absolutismus als fürstliche Regierungsweise ohne Beeinflussung durch die Stände entstand. 23 Dieser Aufhebung des politischen Dualismus von Herrscher und Ständen folgte konsequenterweise bald die gänzliche Aufhebung des Dualismus im Finanzwesen zugunsten einer alleinigen Verfügungsgewalt des Landesherren. 24 So wurde im Jahre 1689 in Preußen erstmals ein „Generaletat aller Domäneneinkünfte und Ausgaben in Seiner Churfürstlichen Durchlauchtigkeit Landen" aufgestellt, der zumindest ein Kammerbudget enthielt, die Heeresausgaben aber noch außer acht ließ. 2 5 Ein weiterer Schritt in die Richtung einer allgemeinen, einheitlichen Haushaltsplanung war die Einrichtung eines Generalfinanzdirektoriums durch Friedrich Wilhelm I. am 27.3.1713, durch das die Kassen der Domänen- und Hofratsverwaltung zusammengefasst wurden. Ihm folgte 1722 die Schaffung des „General- Ober- FinanzKriegs- und Domänendirektoriums", in dem endgültig die Steuer- und die Domänen Verwaltung vereint wurden, um dem jahrelangen Kompetenzkonflikt zwischen dem Finanzdirektorium, das für die Einnahmen der Kammer und die Ausgaben der zivilen Verwaltung zuständig war, und dem für die Steuern und den Militäraufwand zuständigen Kriegskommissariat ein Ende zu bereiten. 26 Bedeutsamer Effekt der von diesen Institutionen verabschiedeten Budgets war es, dass sich der Preußische König selbst an sie band. Er löste mit Edikt vom 17.8.1713 die sogenannte „Chatull-Kasse" auf, aus der sich die Herrscher bis dahin unbegrenzt Mittel für ihren eigenen Bedarf abzweigen durften. 27 An deren Stelle trat ein im Budget verankertes Handgeld (Ziviliste), neben dem weitere Ausgaben für den Hof nicht vorgesehen waren. 28 Dieser Schritt der Trennung des persönlichen Haushalts der Krone vom 22
Vgl. hierzu etwa Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 80 ff. m. w.N. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 10. 24 Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), § 202, S. 872; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 10. 25 Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 67 m.w.N. zur Entwicklung. 26 Mußgnug, „Der Haushaltsplan als Gesetz", S. 68 f. 27 Vgl. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 14. 23
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Staatshaushalt war für die Entwicklung im Vermögensbereich vorzeichnend. Er machte deutlich, dass der Staat nicht mit seinem Herrscher und die Krone nicht mit ihrem Träger identisch ist. Konnte der Herrscher somit aber nicht mehr als allumfassender Eigentümer des Vermögens angesehen werden, obwohl er auf der anderen Seite (noch) unumschränkter Inhaber der Herrschaftsgewalt war, entwickelte sich der Fiskus zum Vermögensträger. Unter ihm wurde nunmehr der Staat als Träger des öffentlichen Vermögens im Unterschied zum Staat als Inbegriff und Summe der Herrschaftsmacht verstanden. 29 Der Fiskus war selbständige juristische Person des Privatrechts, während der Herrschaftsstaat mit dem Herrscher identisch blieb. 3 0 Seine Begreifbarkeit als Inhaber privatrechtlicher Vermögenspositionen eile der endgültigen Anerkennung als Staatsperson voraus. 31 Die Vermögensfähigkeit des Staates war damit anerkannt, ohne dass damit auch seine Eigenschaft als Vermögensträger korrespondierte. Wurden die Kammereinnahmen aber abzüglich der Ziviliste nur noch ausschließlich für öffentliche Ausgaben verwendet, war jedoch zumindest der Boden dafür bereitet, auch die Kammergüter selbst ins öffentliche Eigentum zu überführen. c) Der konstitutionelle Staat Den endgültigen Wendepunkt in der Entwicklung des Staatsvermögens stellt schließlich das Zeitalter des Konstitutionalismus ab Ende des 18. Jahrhunderts dar. In ihm griffen theoretische Entwicklung des Staatsdenkens und wirtschaftliche Notwendigkeit derart ineinander, dass die Anerkennung staatlichen Vermögens zwingende Folge war. Das Denken der Aufklärung und das naturrechtliche Modell des Gesellschaftsvertrages förderten das Entstehen einer Vorstellung von der Rechts28 Nach Angaben von Mußgnug, in: Der Staat, Beiheft 9 (1991), S. 87 betrug das für Friedrich Wilhelm I. vorgesehene Handgeld mit 52.000 Talern nur 1/10 dessen, was von seinem Vorgänger Friedrich I. vom Kammergüterertrag abgezweigt worden war. 29 Born, in: HdWW V, S. 621. 30 Born, in: HdWW V, S. 622. 31 So Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 13; noch weitergehend wohl Mußgnug, in: Der Staat, Beiheft 9 (1991), S. 87, wonach die budgetrechtliche Trennung von Kammergut und Privatvermögen des Herrschers bereits die endgültige Erhebung des preußischen Staates „zur rechts- und vermögensfähigen juristischen Person, die über ihrem Monarchen steht", bedeutete. Mag dies für Preußen zutreffen, so weist doch Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), § 202, S. 872 darauf hin, dass sich in den meisten deutschen Staaten trotz einheitlicher Finanzverwaltung bis zur endgültigen Verstaatlichung der Domänen eine Mischung aus staats- und privatwirtschaftlichen Elementen erhielt.
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persönlichkeit des Staates.32 War vorher lediglich der erwähnte Fiskus als juristische Person des Privatrechts und die „universitas" als persona facta anerkannt, die mit eigenem Vermögen, Vertretern und Statuten von den dahinterstehenden natürlichen Personen unterschieden wurde und als Stadt oder Dorf am Rechtsverkehr teilnehmen durfte 33 , wandelte sich nun das Verständnis vom Staate als solchem. Dieser wurde nunmehr - spätestens seit der französischen Revolution von 1789 - als Zusammenschluss von Menschen verstanden, die sich zu einem Zweck verbunden haben, und in dem der Regent zwangsläufig nur zur Beförderung des Staatszweckes bestellt wird. Der Staat war mithin nicht mehr persönliche Herrschaft sondern Institution. 34 War man damit bei der Erkenntnis angelangt, dass der Staat als Gesamtheit aller Bürger von den Individuen und vom Monarchen abzugrenzen ist, machte es das Verhältnis des Fürsten als Repräsentant 35 möglich, von der Zuordnung des Vermögens an seine Person endgültig abzugehen und es einem ausschließlich durch Gemeinwesen bestimmten Subjekt „Staat" zuzuordnen. Der Satz des Staatsrechtslehrers Johann Caspar Bluntschli „wird der Staat sich seines Wesens bewusst, so wird gewissermaßen auch die Vermögenssphäre desselben von dem Staatsgeiste immer mehr erfüllt und über das bloße Privatrecht erhoben" 36 ist insoweit bezeichnend. Hinzu kam eine deutliche Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Vakanz, die durch den Machtverlust der Landstände entstanden war, wurde nunmehr schnell durch die immer stärker werdende Schicht des Bürgertums gefüllt. M i t dem Eintritt dieses Akteurs in die gesellschaftliche Realität wandelte sich der alte Dualismus von Landesherren und Ständen nach der zwischenzeitlichen Phase der absolutistischen Einzelherrschaft in einen Dualismus von Staat und Gesellschaft. 37 Dieses neu erstarkte Bürgertum war, vor allem seiner wirtschaftlichen Tätigkeit wegen, bestrebt, das Maß staatlicher finanzieller Belastung durch Steuern möglichst gering zu halten. Hinter diesem Ziel trat das Bemühen um eine verstärkte Einflussnahme auf die staatliche Ausgabenhoheit (die Steuerverwendung) zunächst sogar noch zurück. 38 Angesichts dieses Zieles bot die Zweckbindung der Steuern für bestimmte außerordentliche Aufgaben jedoch keinen Schutz mehr vor einer 32 33 34 35 36 37 38
Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 25, S. 183. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 25, S. 183. Schmitz, Verwaltungs- und Finanzvermögen, S. 8. Allgemein zur Idee der Repräsentanz Krüger, Staatslehre, S. 234 ff. Bluntschli, Allgemeines StaatsR (4. Aufl.), S. 387. Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 83. Anders wohl Mallmann, in: Der Staat 10 (1971), S. 101.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
übermäßigen Belastung der Bürger. Die Kammerhilfen und die geschilderte Entwicklung hatten in manchen Territorialstaaten zu einer weitgehenden Vereinigung von Kammer und Steuerkasse geführt oder es in anderen Staaten zumindest erleichtert, dass Aufgaben zwischen beiden Bereichen verschoben werden konnten. 39 Auch wenn die Erträge der Kammergüter seit dem 18. Jahrhundert weitgehend für die Finanzierung öffentlicher Ausgaben genutzt wurden, verhinderte dies keine Misswirtschaft des Herrschers. Das Kammervermögen war weitestgehend privates Eigentum der Krone geblieben, über das diese nach Belieben verfügen konnte. 40 Der Verschwendung von Ertrag und Substanz war weiterhin Tür und Tor geöffnet. Die Folgen dieser Misswirtschaft wiederum waren von den Bürgern durch erhöhte Kammerhilfen (= Steuern) zu tragen. Das Bemühen, die Kammergüter aus dem privaten Eigentum der regierenden Dynastie in das Eigentum des Staates zu überführen, lag somit zwecks Kontrolle und Vermeidung der Verschwendung im elementaren wirtschaftlichen Interesse des Bürgertums. Der Kampf um die Durchsetzung dieser Forderung entwickelte sich in Literatur 41 und Gesetzgebung42 zu einem der zentralen Themen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als Vorreiter der gesetzgeberischen Entwicklung zeigte sich, wie bereits erwähnt, der preußische Staat. Schon in § 11, II. Teil, 14. Titel des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 findet sich die Festlegung, dass „Domänen- oder Kammergüter diejenigen Immobilien genannt werden, deren besonderes Eigentum dem Staate zusteht." Auch das Hausgesetz vom 6.11.1809 und die „Verordnung über die rechtliche Natur der Domänen in den neuen und wieder eroberten Gebieten" sprechen in der Folge vom Domäneneigentum des Staates. Schließlich ist auch in der „Kabinettsorder über die Erledigung einiger Zweifel die Veräußerung der Domänen betreffend" vom 17.6.1826 die Rede von „sämtlichen Staatseigentum, das unter der Benennung der landesherrlichen Domänen durch das Finanzministerium verwaltet w i r d " 4 3 . Insoweit kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Domänen in Preußen aus dem Privateigentum des Herrschers in das staatsrechtliche Eigentum des Staates übergegangen waren. 44 39
Mußgnug, „Der Haushaltsplan als Gesetz", S. 85. Krüger, Staatslehre, S. 245 mit Beispielen staatlicher Verschwendung. 41 Vgl. exemplarisch nur die Übersicht bei Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 10 f. zum Streit zwischen Zachariä und Reyscher über den deklaratorischen oder konstitutiven Charakter der Staatsgütergesetze. 42 Eine Übersicht über den Stand der partikularrechtlichen Entwicklung bei der Verstaatlichung der Domänen liefert Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 41 ff. 43 Zitiert nach Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 42. 44 Vgl. auch Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 43. 40
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Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich in nahezu allen größeren deutschen Territorialstaaten. In Bayern behandelte bereits der „Dominal-Fideicommiß-Pragmatif" vom 20.2.1804 die „Staats- und Kammeralgüter" wie eigentliches Staatsgut 45 , während Teil I I I § 1-7 der Verfassungsurkunde vom 26.5.1818 46 schließlich den Begriff „Kammergut" gar nicht mehr verwendet und nur noch von „Staatsgut" spricht. In Sachsen differenzierte die Verfassung vom 4.9.183Inzwischen dem „Staatsgut" (§§ 16, 17), das von der Finanzbehörde verwaltet wurde und nur zu Zwecken des Staates verwendet wurde, und dem Fideicommiß (§ 20), der aus den Schlössern und Sammlungen bestand und im Privateigentum des königlichen Hauses verblieb. 4 8 A m weitesten ging die Verfassungsurkunde Württembergs vom 25.7.1819 49 , die in den §§102 und 103 verfügte, dass „sämtliche zum ehemaligen herzoglichen Fideicommiß gehörigen, sowie die vom König neu erworbenen Grundstücke, Gestalle und nutzbaren Rechte, welche das königliche Kammergut bilden, die Eigenschaft eines vom Königreiche unzertrennlichen Staatsgutes haben", das in seinem wesentlichen Bestand zu erhalten und von der staatlichen Finanzbehörde zu verwalten sei. 5 0 Lediglich in wenigen kleineren Staaten konnte sich die Verstaatlichung der Domänengüter nicht durchsetzen. So bestimmte etwa § 59 der Verfassungsurkunde von Baden vom 22.8.1818 51 , dass die Domänen nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Patrimonialeigentum des Regenten und seiner Familie seien. Dennoch sollten in Baden, wie auch in der Mehrzahl der anderen Länder, in denen eine Verstaatlichung unterblieben war 5 2 , die Staatssachen aus den Einkünften der Domänen, abzüglich der an den König zu leistenden Ziviliste, bestritten werden. 53 Auch wenn die Staaten das Eigentum beim Herrscher beließen, so fand damit doch zumindest ein Wandel im Verständnis statt. So mochte zwar im Zeichen des monarchischen Prinzips der Landesfürst noch „als solcher als Eigenthümer des Staatsgutes" erscheinen (auch § 16 der sächsischen Verfassung von 1831 spricht noch davon, dass das Staatsgut aus dem besteht, was die Krone besitzt und dass dieses Staatsgut „in seinem ganzen Umfang auf den jedesmaligen Thronfolger übergeht"), „jedoch in keinem anderen Sinne, als er überhaupt Eigenthümer oder Inhaber der Staatsgewalt 45 46 47 48 49 50 51 52 53
Vgl. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 44. Abgedruckt bei E. R.Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte I, S. 155 ff. Abgedruckt bei E. R.Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte I, S. 263 ff. Vgl. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, S. 45. Abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte I, S. 187 ff. Vgl. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 47. Abgedruckt bei E. R. Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte I, S. 172 ff. Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 12. Zachariä. Deutsches Staats- und Bundesrecht III, S. 48.
3 Fleischmann
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
ist, mithin also, hinsichtlich der Benutzung und Verwendung der Staatsgüter beschränkt auf öffentliche oder Staatszwecke, ohne die Berechtigung zu haben, dieselben willkürlich ihrer Bestimmung zu entziehen, oder sie für bloße Privatzwecke zu verwenden" 54 . Bei einem solchen Verständnis wird jene eigentümliche Situation deutlich, in der der Herrscher zwar noch als Besitzer des Staatsvermögens gilt, gleichzeitig aber in rein fiskalstaatlicher Sicht - der staatsrechtlichen Gesamtentwicklung vorauseilend - funktionell beschränkt ist als Repräsentant der moralischen Person des Staates.55 In den kleineren Staaten, in denen man sich der „Umwandlung" von Patrimonialeigentum in Staatsvermögen zunächst widersetzte, erfolgte die „Verstaatlichung" des Kammervermögens größtenteils schließlich erst nach 1918. Im Zuge der sogenannten „Fürstenauseinandersetzung", der Regelung der Vermögens Verhältnisse der 1918 entthronten Fürstenhäuser, wurden die Kammergüter formell in staatliches Eigentum überführt. 56 Der historische Prozess der Bildung von Staatsvermögen war abgeschlossen. Als Ergebnis dieser Entwicklung kann festgehalten werden, dass spätestens seit der (spät)konstitutionellen Zeit von einem als Rechtsinstitut anerkannten staatlichen Vermögen gesprochen werden kann. 5 7 d) Ergebnis Die skizzierte Entwicklung zeigt, dass die Zuordnung von Vermögen zum Staat im Zivilrecht ihren Ausgang genommen hat. Das damit verbundene Verständnis hat sich bis heute bewahrt und bildet die Grundlage für das rechtliche Verständnis der Vermögensträgerschaft der Bundesrepublik. Dies gilt, auch wenn die klassische Trennung von Fiskus und Staat heute weitgehend als überwunden angesehen werden kann, der Staat nur als ein einheitliches Subjekt verstanden wird, das freilich je nach Art seiner Betätigung unterschiedlichen Schranken unterliegt 58 .
II. Das Verwaltungsvermögen als Unterfall des Staatsvermögens Erwähnt das Grundgesetz den Begriff „Staatsvermögen" immerhin noch, so findet sich für die herkömmliche Aufteilung des Staatsvermögens in „Verwaltungsvermögen" und „Finanzvermögen" keinerlei (grund-)gesetz54 55 56 57 58
Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht II (3. Aufl.), S. 414. Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 13. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 15. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 15. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 3.
1. Kap.: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
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liehe Basis. Die der Unterscheidung zugrundeliegende Begrifflichkeit ist vielmehr weitgehend von der finanz- und rechtswissenschaftlichen Lehre entwickelt und geprägt worden. Als Ergebnis dieser Entwicklung hat sich eine Terminologie herausgebildet, über die grundsätzlich Einigkeit herrscht, die im Detail jedoch gerade in der Abgrenzung zum Begriff der „öffentlichen Sachen" und bei der tatsächlichen Bestimmung dessen, was als Verwaltungsvermögen angesehen wird, einige Unschärfen aufweist. 1. Historische Begriffsbildung Unmittelbar nachdem sich die Kategorie „Staatsvermögen" in Literatur und Gesetzgebung herausgebildet hatte, begannen die wissenschaftlichen Bemühungen, die tatsächlichen Erscheinungsformen des Staatsvermögens zu systematisieren. a) Lorenz von Stein Eine erste umfassende Kategorisierung findet sich bei Lorenz von Stein in seinem erstmals 1860 erschienenen Lehrbuch der Finanzwissenschaft. Nach von Stein sei unter Staatsvermögen - er zog diesen Begriff der Bezeichnung „Staatsgut" vor - zunächst „die Gesamtheit aller teils selbständigen, teils in wirtschaftlicher Verwendung begriffenen Güter, welche im Besitze des Staates sind" 5 9 zu verstehen. Dieses Staatsvermögen teilte er ursprünglich wiederum auf in Staatsbesitz und Staatsdomänen, wobei die Unterscheidung zwischen den Untergruppen nach dem Zweck des jeweiligen Vermögensgegenstandes erfolgte. 60 Später unterschied er innerhalb der Staatsdomänen noch zwischen Staatsgütern und Staatsunternehmungen. 61 Unter Staatsbesitz fasste er alle „diejenigen Staatsgüter (zusammen), die nicht dazu bestimmt sind, einen eigenen Ertrag zu geben, sondern die in ihrer Benutzung nur die Mittel für allgemeine Staatszwecke darbieten" 62 anders gefasst, „die Gesamtheit all dessen, was der Staat für seine Verwaltung in Besitz haben muss, ohne das dasselbe einen selbständigen Ertrag hätte oder auf einen solchen berechnet wäre" 6 3 . Plastisch beschreibend rechnete von Stein den Staatsbesitz dem „Organismus der Verwaltung" zu, er bezeichnete ihn auch als „Betriebsinventar der Verwaltung". 64 Dem ent59
von Stein, Finanzwissenschaft von Stein, Finanzwissenschaft 61 von Stein, Finanzwissenschaft 62 von Stein, Finanzwissenschaft 63 von Stein, Finanzwissenschaft 64 Beide Bezeichnungen finden (5. Aufl.), S. 144. 60
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II (5. Aufl.), S. 142. II (2. Aufl.), S. 180. II (2. Aufl.), S. 180. II (5. Aufl.), S. 144. II (5. Aufl.), S. 143. sich bei von Stein, Finanzwissenschaft
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
gegen bilden alle ertragsfähigen Immobilien des Staates die Staatsgüter, während sich die Staatsunternehmungen in ertragsfähige Anstalten der Verwaltung und in die Geschäfte des Staates teilen ließen. 65 b) FF Mayer und Johann Caspar Bluntschli Nicht zu Unrecht kann diese Einteilung von Steins als Grundlage für alle späteren Unterscheidungen gewertet werden. 66 So nimmt FF Mayer die Zweiteilung 1862 auf, ohne jedoch das später für die Angrenzung von Verwaltungs- und Finanzvermögen entscheidende Kriterium der Unmittelbarkeit des Dienens zu öffentlichen Zwecken herauszuarbeiten. FF Mayer differenzierte vielmehr zwischen Vermögen, das „zum unmittelbaren Gebrauch und Verwendung für Zwecke und Ausgaben des Staates nach Abzug der Verwaltungskosten bestimmt ist - Einkünfte aus Domänen, Forsten (dem Kammergut), res fiscales-", und solchem, das „zum öffentlichen, gemeinen Gebrauche der Staatsgenossen dienen soll - res publicae, öffentliche Anstalte, domaine public." 6 7 Das Unmittelbarkeitskriterium findet sich hingegen 1868 bei Johann Caspar Bluntschli. Dieser differenziert zwischen dem öffentlichen Gut (domaine public) und dem werbenden Vermögen (domaine de l'état). 6 8 Unter jenem verstand er die Gebäude und Vorräte des Staates, derer der Staat bedarf, und die durch den öffentlichen Gebrauch und die öffentliche Bestimmung einen „eigentümlichen Statscharakter" besitzen. 69 Als werbendes Vermögen qualifizierte er hingegen diejenigen Güter, die dem öffentlichen Zweck nur mittelbar durch ihre Einkünfte dienen. 70 c) Paul Laband Die begriffliche Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen findet sich schließlich erstmals im Jahre 1873 bei Paul Laband. In seiner Arbeit über „Das Finanzrecht des Deutschen Reiches" 71 nimmt Laband ausdrücklich Bezug auf die Differenzierung von Steins und knüpft bei der Bezeichnung „Verwaltungsvermögen" ausdrücklich an den „Staatsbesitz" bei von Stein, beim „Finanzvermögen" an den Begriff der „Staats65 66 67 68 69 70 71
von Stein, Finanzwissenschaft II (5. Aufl.), S. 143. So Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1260, Fn. 34. FF Mayer, Grundsätze des VerwR, S. 17. Bluntschli, Allgemeines StaatsR (4. Aufl.), S. 387. Bluntschli, Allgemeines StaatsR (4. Aufl.), S. 387. Bluntschli, Allgemeines StaatsR (4. Aufl.), S. 388. In: Hirth's Annalen 1873, Sp. 406 ff.
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: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
domänen" an. Laband hoffte so, den begrifflichen Unterschied auch deutlicher in der Terminologie zum Ausdruck zu bringen. 72 Unter Verwaltungsvermögen fasste er all diejenigen Wertobjekte zusammen, welche den für die Erfüllung der staatlichen Zwecke und Aufgaben erforderlichen Apparat bilden, die zum Dienste der Behörden, zur Ausführung der staatlichen Tätigkeit, zum Betrieb der Staatsanstalten gehören. 73 Es sei das Inventar 74 des Staates, dasjenige Vermögen, das notwendig durch den Staatszweck selbst geboten sei. 75 Das Finanzvermögen hingegen diene nicht den Staatszwecken, sondern setze die Staatsregierung durch seinen Kapitalwert oder dessen Erträge in die Lage, einen Teil der für die Durchführung der Staatszwecke erforderlichen Kosten bestreiten zu können. Laband spricht auch vom „werbenden" oder „wirtschaftlichen" Vermögen 76 , das nur aus zufälligen, historischen Gründen vom Fiskus erworben sei 77 . d) Rezeption Labands Bereits ein Jahr später, 1874, fand sich in dem Hallenser Staatsrechtslehrer Ernst Meier ein erster Rezepient der Labandschen Unterteilung. Für Meier lag „die in der Natur der Sache liegende Verschiedenheit" der beiden Vermögensarten darin, dass das Verwaltungsvermögen (domaine public) nur Hilfsmittel bei Ausübung der sonstigen Staatsfunktionen sei, während im Finanz vermögen (domaine de l'etat) eine Einnahmequelle des Staates liege. 78 Im folgenden begann sich die Unterscheidung zwischen Verwaltungsund Finanzvermögen immer mehr durchzusetzen, so dass die Labandsche Lehre schließlich als nahezu unumstritten in der staatsrechtlichen Literatur der Kaiserzeit und der Weimarer Republik bezeichnet werden kann. 79 72
Laband, in: Hirth's Annalen 1873, Sp. 413, Fn. 1. Laband, in: Hirth's Annalen 1873, Sp. 413. 74 Laband, in: Hirth's Annalen 1873, Sp. 413. 75 Laband, Reichsstaatsrecht, S. 372. 76 Laband, in: Hirth's Annalen 1873, Sp. 413; ders., StaatsR des DR (5. Aufl.), S. 345. 77 Laband, Reichsstaatsrecht, S. 372; ders., StaatsR des DR (5. Aufl.), S. 346. 78 E. Meier, Staatsverträge, S. 55. 79 Vgl. etwa von Rönne, StaatsR des DR II (2. Aufl.), S. 70; Schulze, Deutsches StaatsR, S. 578; von Stengel, VerwaltungsR, S. 50; Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 873; O. Mayer, VerwaltungsR II (2. Aufl.), S. 99; Hatschek, VerwaltungsR, S. 54; Herrnritt, VerwaltungsR, S. 382; Nawiasky, BayVerfR, § 56, S. 471; Fleiner, Institutionen des VerwR (8. Aufl.), § 21, S. 352; von Calkex, VerwaltungsR (2. Aufl.), S. 50; Giese/Neuwiem/Cahn, VerwaltungsR, S. 86; W. Jelinek, VerwR (3. Aufl.), S. 505; von Köhler, VerwaltungsR, S. 300. 73
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen e) Die Entwicklung in der Bundesrepublik
Daran anknüpfend beabsichtigte der Parlamentarische Rat beim Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland zunächst, die bewährte Unterscheidung ausdrücklich in das Grundgesetz zu übernehmen. Bei der Regelung der Nachfolge in das Reichsvermögen sah der vom Organisationsausschuss gebilligte Text 8 0 des Art. 143e Abs. 2 (später Art. 134 GG) noch eine Differenzierung zwischen „Verwaltungsvermögen" und „sonstigem Vermögen, insbesondere Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmungen" vor. Diese Version konnte sich jedoch letztendlich nicht gegenüber dem heutigen Gesetzesterminus durchsetzen. 81 Dennoch findet die herkömmliche Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen Anklang im nahezu gesamten staats- und verwaltungsrechtlichen Schrifttum 82 der Bundesrepublik. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 14.7.1959 8 3 über das „Gesetz zur Errichtung einer „Stiftung Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf diese Stiftung (Stiftungsgesetz)" ausdrücklich zu ihr bekannt. In dieser Entscheidung konstatiert das Bundesverfassungsgericht, dass dem Verwaltungsrecht die Einteilung des Staatsvermögens in Finanz- und Verwaltungsvermögen geläufig sei. 8 4 Nach seiner Auffassung sei unter Finanzvermögen (oder „werbendem Vermögen") jenes Vermögen zu verstehen, das der öffentlichen Verwaltung lediglich mittelbar durch seinen Kapitalwert dient und dessen Erträgnisse zur Finanzierung des Verwaltungsaufwandes nutzbar gemacht werden. 85 Das Verwaltungsvermögen dagegen diene unmittelbar
80
Organisationsausschuss, Sten. Prot., S. 31. Vgl. hierzu die Nachweise zur Entstehungsgeschichte des Art. 134 GG bei Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 34 ff., insbesondere Rdnr. 39. 82 Vgl. etwa Friauf in: HStR IV, § 90, Rdn.4; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1260; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Art.134, Rdn. 3; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 134, Rdn.2; Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdn. 56; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422; Francke, in: Staatslexikon IV, Sp. 127; E. Meier, in. HdWW V, S. 629; Berlit, Ländervermögen, S. 225, Helmert/König, Vermögensrechnung, S. 16; Leimich, Vermögensrechnung, S. 135 f.; Wacke, Finanzwesen, S. 97; von Turegg/Kraus, VerwaltungsR (4. Aufl.), S. 176; Achterberg, AllgVerwR, § 15, Rdn. 30; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdn. 13; Wolff, VerwaltungsR I (1. Aufl.), § 55, S. 242; Enneccerius/Nipperdey, § 130, S. 828 f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, vor § 90, Rdn. 13; aus der Rechtsprechung etwa VG München BayVBl 1980, 514 (516): „die Unterscheidung von Verwaltungs- und Finanzvermögen ist der verwaltungsrechtlichen Praxis und Judikatur seit langem geläufig"; im Ergebnis ablehnend Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen. 83 BVerfGE 10, 20 ff. 84 BVerfGE 10, 20, 37. 81
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
den Zwecken der Verwaltung, es diene sowohl durch seinen Gebrauch, wie durch seine Zweckbestimmung. 86 Interessanterweise verweist das Gericht bei der Begriffsbestimmung auf den Wortlaut des Art. 134 Abs. 2 GG, der die Definition von Verwaltungsvermögen „umschreibe". 87 Dessen Wörtlaut - es ist dort die Rede von Vermögen, „das für Verwaltungsaufgaben bestimmt war" und Vermögen, das „nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung Verwaltungsaufgaben dient" - lässt jedoch das eigentlich entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Finanz- und Verwaltungsvermögen, die „Unmittelbarkeit" der dienenden Rolle, nicht erkennen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind insoweit von einem gewissen Maß an begrifflicher Unschärfe gekennzeichnet.88 Dies wird besonders im Vergleich des Art. 134 GG zum Text des Vertrages über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990 89 deutlich. Dieser übernimmt in Art. 21 und 22 die herkömmliche Begriffsbestimmung und definiert Verwaltungsvermögen in Art. 21 Abs. 1 als Vermögen, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, während Finanzvermögen nach Art. 22 Abs. 1 als das Vermögen verstanden wird, das nicht unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient. f) Zusammenfassende Kriterien Verwaltungsvermögen ist somit dasjenige Vermögen des Staates, das durch seinen Gebrauch unmittelbar der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dient. Zusammenfassend lassen sich nach diesem herrschenden Verständnis des Begriffs „Verwaltungsvermögen" zwei konstitutive Komponenten herausarbeiten: Eine formelle, die sich auf das Vermögen bezieht, und verlangt, dass der jeweilige Gegenstand im Vermögen des Staates steht - mithin also das Bestehen eines Verfügungsrecht erfordert. Die funktionale Begriffskomponente liegt im unmittelbaren Dienen zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch den Staat. Dieser Begriffsbestandteil offenbart jedoch auch schon eine gewisse Unschärfe des Begriffs, da er mit den Begriffen der Unmittelbarkeit und der Verwaltungsaufgabe zwei Rechtsbegriffe aufweist, deren Bestimmung sich als schwierig erweisen kann.
85
BVerfGE 10, 20, 37. BVerfGE 10, 20, 37. 87 BVerfGE 10, 20, 37. 88 Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 39, sprechen davon, dass der Wortlaut des Art. 134 GG in seiner komplizierten Endfassung den traditionellen Dualismus von Verwaltungs- und Finanzvermögen nur verdecke. 89 BGBl. II, S. 889. 86
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen 2. Verwaltungsvermögen und öffentliche als verwandte Kategorien
Sachen
Im Gegensatz zur annähernd unumstrittenen 90 begrifflichen Definition des Verwaltungsvermögens, ist dessen Beziehung zur Kategorie der „öffentlichen Sachen" weitgehend ungeklärt. Dabei überrascht, wie undifferenziert und oftmals ohne jede Begründung mal eine synonyme Verwendung der Begriffe vorgenommen wird, mal die öffentliche Sache als Oberbegriff bezeichnet wird oder andermals das Verwaltungsvermögen als gänzlich von den öffentlichen Sachen verschieden deklariert wird. 9 1 Als Folge dieser Unschärfen ergeben sich häufig ebensolche Unsicherheiten bei der Bestimmung dessen, was tatsächlich als Verwaltungsvermögen angesehen wird und - wie sich zeigen wird - bei der Frage der Absicherung der Funktion veräußerten Verwaltungsvermögens. 92 Auch der Begriff der „öffentlichen Sache" hat keine positivrechtliche Normierung erhalten, sieht man einmal vom (nie in Kraft getretenen) Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg von 1931 (Art. 174— 181 wüEVRO) ab. Ein kodifiziertes Recht der öffentlichen Sachen existiert nicht, nur einzelne Teilgebiete wie das Straßen- und Gewässerrecht haben eine gesetzliche Regelung erfahren. Der Begriff der „öffentlichen Sache" erweist sich somit genauso als Zweckschöpfung der Wissenschaft wie der des „Verwaltungsvermögens". Als Kennzeichen öffentlicher Sachen werden gemeinhin zwei Kriterien angesehen: Es handelt sich um Gegenstände - der Sachbegriff der §§90 ff. BGB findet keine Anwendung 93 - die zum einen zu öffentlichen Zwecken bestimmt sind (Gemeinwohlfunktion), und für die zum anderen gesetzlich, gewohnheitsrechtlich oder administrativ ein öffentlich-rechtlicher Rechtsstatus begründet ist (gemeinhin als Widmung bezeichnet, die die öffentlichen Sachherrschaft rechtlich umsetzt). 94 Diese Sachen wiederum werden unterschieden in diejenigen, die der öffentlichen Verwaltung und ihren Amtsträ90
Zu den Problemen bei der praktischen Anwendung der Definition in der Abgrenzung Verwaltungs- und Finanzvermögen s.u. 1. Teil, 1. Kap., A. III. 2. a); vgl. auch die Kritik bei Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, die sich freilich nicht an der Definition, sondern an der Subsumtion unter die Begriffe entzündet. 91 Vgl. die Übersicht über die verschiedenen Ansichten bei Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 21. 92 Hierzu s.u. 3. Teil, 1. Kap., A. I. 2. b) bb). 93 So die überwiegende Ansicht, vgl. nur Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2 m. w.N.; Forsthoff, VerwaltungsR, §20, S. 378; Weber, in: VVDStRL 21 (1964), 145, 173. 94 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 3; Kromer, SachenR, S. 19; Pappermann/Löhr/Andriske, S. 2.; Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 194 f.; Axer, Die Widmung, S. 29 f.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
gern unmittelbar durch ihren Gebrauch selbst zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen (öffentliche Sachen im internen Verwaltungsgebrauch), und diejenigen, die der Verwaltungsträger außenstehenden Zivilpersonen zur zweckentsprechenden Nutzung überlässt (öffentliche Sachen des externen Zivilgebrauchs). 95 Letztere schließlich können je nach Zulässigkeit der Nutzung unterschieden werden in die öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch, im Sondergebrauch und im Anstaltsgebrauch. 96 a) Unterschiede zwischen den Rechtsgebieten Ein grundlegender Unterschied zwischen Verwaltungsvermögen und öffentlichen Sachen wird bereits bei einem Vergleich der Beschäftigungsschwerpunkte des Rechts der öffentlichen Sachen und des Staatsvermögensrechts deutlich. Das Staatsvermögensrecht beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Staates als juristischer Person zu seinem Vermögen: mit Fragen der Kompetenz zur Veräußerung, mit Fragen danach, welche Verbandsebene als Vermögensträger anzusehen ist, mit Problemen der haushaltsrechtlichen Erfassung und Kontrolle. 97 Es handelt sich um klassisches Innenrecht des Staates. Das Verhältnis von Staat und Bürger tritt in den Hintergrund. Das Recht der öffentlichen Sachen hingegen ist ein traditioneller Bereich des Verwaltungsrechts. 98 Der Zweck des Rechts der öffentlichen Sachen liegt darin, bestimmte Gegenstände, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig sind, vor Zweckentfremdung und zweckwidriger Nutzung zu schützen (Schutzfunktion) und gleichzeitig die Nutzung und Verwendung der öffentlichen Sachen zu regeln (Verteilungsfunktion). 99 Im Mittelpunkt steht die Beschäftigung mit der Frage der Nutzung öffentlicher Sachen durch den Bürger. 1 0 0 Hauptgegenstand des öffentlichen Sachenrechts ist die Nutzung von Sachgegenständen als Verteilungsproblem. 101 95 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 17; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2; Bull, AllgVerwR, § 16, Rdn. 816; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376; Peine, AllgVerwR, § 21, Rdn. 514; Weber, in: VVDStRL 21 (1964), 145, 170; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 18 f.; Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 130. 96 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 27; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 7. 97 Exemplarisch etwa die Darstellung des Staatsvermögensrechts bei Wacke, Finanzwesen, S. 94 ff.; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 16 nennt die Bereiche Bestandsaufnahme, Verwaltung und Verfügung als Kernmaterien einer zu schaffenden
„Staats Vermögens Verfassung". 98
Papier, Recht der öffentlichen Sachen, Vorwort S. V und Kromer, SachenR, S. 13 ordnen das Recht der öffentlichen Sachen sowohl dem allgemeinen, als auch dem besonderen Verwaltungsrecht zu; Weber, in: VVDStRL 21 (1964), 145. 99 Axer, Die Widmung, S. 23, 53.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen b) Formelle Unterschiede
In formeller Hinsicht zeigen sich zwei Unterschiede zwischen öffentlichen Sachen und Verwaltungsvermögen. aa) Vermögenszugehörigkeit Wie oben herausgearbeitet, liegt die formelle Komponente des Begriffs „Verwaltungsvermögen" in der Zugehörigkeit zum Vermögen. (1) Zivilrechtliche Verfügungsbefugnis (Eigentümerstellung) Entscheidend ist das Vorhandensein eines (zivilrechtlichen) Verfügungsrechts des Staates über den Vermögensgegenstand, in der Regel das Eigentum. Für den Begriff der öffentlichen Sache ist die Zugehörigkeit zum privatrechtlichen Vermögen des Staates, letztlich die Frage nach dem Eigentum, jedoch unerheblich. Nach der in Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung weitgehend anerkannten dualistischen Theorie, der gemischt zivilrechtlichöffentlich-rechtlichen Konzeption, gilt es bei öffentlichen Sachen zwischen der zivilrechtlichen Eigentumslage und der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft zu differenzieren. 102 Demnach kann eine öffentliche Sache sowohl im zivilrechtlichen Eigentum des Staates, als auch im Eigentum eines Privaten stehen. Entscheidend ist nicht das Eigentum, sondern die Widmung als hoheitlicher Akt, durch den eine Sachherrschaft des Trägers öffentlicher Gewalt begründet w i r d . 1 0 3 Die Widmung überlagert das zivilrechtliche Eigentum wie ein beschränkt-dingliches Recht als eine Art Dienstbarkeit. 100
Deutlich wird dies etwa bei einer quantitativen Analyse der Standardwerke zum Recht der öffentlichen Sachen von Papier und Pappermann/Löhr/Andriske. Während bei ersterem die Beschäftigung mit Fragen der öffentlichen Sachen im Zivilgebrauch (Gemeingebrauch/Sondernutzung) 87 Seiten in Anspruch nimmt, bleiben für die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch nur 2 Seiten, auf denen zudem hauptsächlich der Frage der Nutzung dieser durch den Bürger (öffentliches Hausrecht) nachgegangen wird. Mit 137 zu 10 Seiten zeigt sich ein ähnliches Verhältnis auch bei Pappermann/Löhr/Andriske. Auf dieses Missverhältnis in den herkömmlichen Darstellungen weist Kromer, SachenR, auf S. 56, Fn. 54 ausdrücklich hin. 101 Kromer, SachenR, S. 146; Axer, Widmung, S. 53. 102 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 17. 103 Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 189; Maunz, Hauptprobleme, S. 91; der Titel der Dissertation von Axer „Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen" ist insoweit programmatisch.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Nur im Rahmen des Widmungszwecks darf von der Eigentümerstellung Gebrauch gemacht werden, insoweit werden die privatrechtlichen Eigentümerbefugnisse im jeweiligen Umfange der öffentlichen Sachherrschaft verdrängt. 1 0 4 Darüber hinaus bleibt die zivilrechtliche Natur des Eigentums an der Sache aufrechterhalten. Unter dem Gesichtspunkt der Eigentümerstellung reichen die öffentlichen Sachen folglich über das Verwaltungsvermögen hinaus. Öffentliche Sachen die im zivilrechtlichen Eigentum Privater stehen, gehören grundsätzlich nicht zum Staatsvermögen und damit auch nicht zum Verwaltungsvermö-
(2) Öffentlich-rechtliche Begründung der Vermögenszugehörigkeit? Dieser Unterschied kann auch nicht durch das Argument aufgehoben werden, dass durch die Widmung ein derartiges öffentlich-rechtliches Verfügungsrecht des Staates an Sachen im zivilrechtlichen Eigentum Privater begründet würde, dass von Vermögen des Staates die Rede sein kann. Entsprechende Formulierungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Verfügungsmacht des Privaten über sein Eigentum die Verfügungsmacht des Staates über die öffentlichen Sachen entspreche 106 , erweisen sich als missverständlich. Weder verdrängt die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in einer negativen Komponente die zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse so weit, dass diese nicht mehr als vermögenswertes Verfügungsrecht angesehen werden können, noch wirkt die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft in ihrer positiven Komponente wie ein zivilrechtliches Verfügungsrecht. Abgesehen davon, ob der Widmung überhaupt in allen Fällen eine Überlagerungswirkung beikommt 1 0 7 , bestimmt sich der Grad der Überlagerung des Privateigentums durch die Widmung im jeweiligen Einzelfall. Und diese Überlagerung würde nur dann das Vermögensrecht des zivilrechtlichen Eigentümers verdrängen, wenn ein notwendig zum Wesen des Eigentums gehöriges Maß an Entscheidungsfreiheit aufgehoben wäre und das Eigentum nur noch als Rente bezeichnet werden kann. 1 0 8 Genau dies 104
Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 10; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 5; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 18; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 380; Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 188; aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung vgl. nur BGHZ 9, 373 (380); 19, 85 (90); 21, 319 (327); 48, 98 (104). 105 So auch Berlit, Ländervermögen, S. 22. 106 BGHZ 9, 373, 380. 107 Hierzu s.u. 3. Teil, 1. Kap., A. I. 2. b) bb). 108 Langer, Verwaltungseigentum, S. 20.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
geschieht aber nicht. Das zivilrechtliche Eigentumsrecht eines Privaten bleibt bestehen, es erfährt durch die Widmung lediglich eine funktionale Beschränkung und füllt aufgrund der ihm eigenen Elastizität den Raum vollständig aus, den die öffentliche Sachherrschaft frei lässt. 1 0 9 Der private Eigentümer kann sein Eigentum grundsätzlich wie jeder andere Eigentümer ausüben, ihm bleibt für die Entfaltung seines Rechts noch ein weiter 1 1 0 Raum. Er kann die Sache sogar in den dafür vorgesehenen zivilrechtlichen Formen übertragen oder belasten. 111 Lediglich der Widmungszweck beschränkt ihn hierbei insoweit, als dass der Eigentümer durch seine Verfügung diesen nicht beeinträchtigen darf, was im Regelfall 1 1 2 jedoch nicht der Fall sein wird. Die öffentliche Sachherrschaft mag daher im Ergebnis die private Eigentumsordnung beschränken, sie suspendiert diese jedoch in keinem Falle vollständig. 113 Die Dynamik der privatnützigen Verwendungsfreiheit 1 1 4 des Eigentümers bleibt (zumindest potentiell) ebenso wie die Zuordnung der Sache zum Vermögen des zivilrechtlichen Eigentümers erhalten. Es liegt eben gerade in der Konsequenz der dualistischen Theorie, dass eine öffentliche Sache einerseits funktionsspezifisch dem öffentlichen Aufgabenbereich des öffentlichen Sachherren, andererseits aber dem Vermögen und dem privaten Interessenbereich des Eigentümers zugeordnet w i r d . 1 1 5 Auch die positiv-kompetentielle Seite der öffentlichen Sachherrschaft die Rechtsmacht, die Sache zum einen öffentlich-rechtlich zu institutionalisieren und zum anderen zu bestimmen, nach welcher Ordnung und in welchen Rechtsformen sie von der Öffentlichkeit genutzt werden darf 1 1 6 - be109
Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 22. So Fleiner, Institutionen des VerwR (8. Aufl.), S. 359. 111 Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 19; Axer, Die Widmung, S. 98. 112 Teilweise finden sich sogar positiv-rechtliche Normierungen wie in § 6 Abs. 6 Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen (GVB1. 1995, 1028), der bestimmt, dass „durch privatrechtliche Verfügungen die Widmung nicht berührt wird". Auch im Grundstücksverkehr ist eine Beeinträchtigung in der Regel ausgeschlossen, da nach ganz überwiegender Ansicht die Vorschriften über den gutgläubigen lastenfreien Erwerb (§ 892 BGB) in Ansehung der Widmung keine Anwendung finden, (vgl. nur Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 81; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 8, jeweils m.w.N.). Das gegenteilige Beispiel einer den Widmungszweck beeinträchtigenden Verfügung in Form der Einräumung einer persönlichen Dienstbarkeit zum Ausschluss des Gemeingebrauchs bei Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 81, erscheint somit als mehr oder minder theoretische Ausnahme. 113 Langer, Verwaltungseigentum, S. 24; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 22 „kein dominum dormens". 114 Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 142. 115 Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 19. 116 So Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 189. 110
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
gründet kein Vermögen des Staates an Sachen im zivilrechtlichen Eigentum Privater. Sie ist nicht gleichwertig zur oben als charakteristisch für ein Vermögensrecht dargestellten umfassenden Befugnis zur Übertragung, Aufhebung oder Belastung eines Rechts. Der öffentlich-rechtliche Sachherr kann lediglich über einen kleinen Ausschnitt bestimmen, wofür nach allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung „Vermögen" nicht angemessen erscheint. Zudem ist es fraglich, ob dieses Recht zur Festlegung der Nutzungsordnung als geldwert 1 1 7 betrachtet werden kann, was aber nach obiger Definition entscheidend für den Vermögensbegriff i s t . 1 1 8 Eine Veräußerung des reinen Hoheitsrechts kommt nicht in Frage. Neben dem Eigentum des Privaten steht ausschließlich ein inhaltlich beschränktes und zeitlich begrenztes öffentliches Recht an fremder Sache. 119 Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht von der Basis der Theorie des „öffentlichen Eigentums" aus begründen. Diese von Otto Mayer begründete Lehre 1 2 0 vertritt die vollständige Exention der öffentlichen Sachen aus dem Privatrecht. Sie hat indes in Rechtslehre und Gesetzgebung nur begrenzt Anklang gefunden. Ein „öffentliches Eigentum" ist in der Bundesrepublik Deutschland lediglich in drei Landesgesetzen121 eingeführt worden. So bestimmt das Hamburger Wegegesetz vom 4.4.1961 1 2 2 in § 4 Abs. 1, dass alle öffentlichen Wege, Straßen und Plätze der Stadt, die dem Gemeingebrauch gewidmet 117
Nach Larenz/Wolf, BGB-AT. § 21, Rdnr. 7, ist ein Recht dann geldwert, wenn es unter normalen Verhältnissen gegen Geld veräußert oder nur gegen Geld erworben werden kann oder wenn es seiner Bestimmung nach einen in einem Geldwert ausdrückbaren wirtschaftlichen Nutzen gewährt. Die öffentliche Sachherrschaft an sich (nicht das zivilrechtliche Eigentum!) ist jedoch weder veräußerlich, noch gewährt sie dem Sachherren einen geldwerten wirtschaftlichen Nutzen (diesen zieht er bei öffentlichen Sachen im Verwaltungsvermögen, die im Privateigentum stehen, allein aus dem Besitz). 118 Im Bereich des Staats Vermögens will Mülhaupt, in: Allg Stat Archiv 30 (1941/42), S. 41, auf dieses Kriterium verzichten. Seine Auffassung trifft jedoch weitgehend auf Ablehnung, vgl. Berkenhoff, Gemeindevermögensordnung, S. 35, Helmertl König, Vermögensrechnung, S. 12; Spiller, Öffentliches Vermögensrecht, S. 2. 119 Hecker, Eigentum, S. 207 konstatiert, dass eine andere Konstruktion von der Grundlage eines ungeteilten Eigentumsbegriffs aus auch gar nicht möglich sei. 120 Vgl. O. Mayer, VerwR II (3. Aufl.), S. 39 ff.; ausführlich hierzu etwa Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 114 ff.; Forsthoff, VerwaltungsR, S. 379 ff., Fn. 5; Axer, Die Widmung, S. 36, weist darauf hin, dass die römisch-rechtlich begründete Position vor O. Mayer schon 1862 im sog. „Baseler Schanzenstreit" von Jhering und von Keller aufgegriffen wurde, als sie vertraten, dass an öffentlichen Sachen nur ein Hoheitsrecht, aber kein zivilrechtliches Eigentum bestehe. 121 Vgl. BVerfGE 42, 20, 28 ff. zur Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder beim Erlass von Vorschriften über das öffentliche Eigentum. 122 Hamb. GVB1. 1961, 117.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören, im öffentlichen Eigentum stehen. Dieses begründet eine hoheitliche Sachherrschaft ( § 4 1 2 ) und entzieht die betroffenen Gegenstände dem Rechtsverkehr (§ 4 Abs. 1 Satz 3). Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere diejenigen über den Besitz und das Eigentum, finden auf sie keine Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 4). Gleiches ordnet § 4a Hamburgisches Wassergesetz in der Fassung vom 29.4.1964 123 für Hochwasserschutzanlagen (Deichgrundstücke), die der Freien und Hansestadt Hamburg gehören, und § 4 Abs. 1 des BadenWürttembergischen Wassergesetzes vom 26.4.1976 124 für das Bett der Gewässer erster und zweiter Ordnung an. Die gesetzlich eingeführten Formen des öffentlichen Eigentums machen folglich die zivilrechtliche Eigentümerstellung des Staates zur Voraussetzung für die Begründung öffentlichen Eigentums. Auf diese Weise kann also eine öffentliche Sache, die im zivilrechtlichen Eigentum eines Privaten steht, nicht im öffentlichen Eigentum stehen. Für sie bleibt die Differenz zwischen öffentlichen Sachen und Verwaltungsvermögen bestehen. Dies entspricht auch der theoretischen Konstruktion 1 2 5 des „öffentlichen Eigentums". So handelt es sich bei den entsprechenden Landesgesetzen um exakte Nachvollziehungen der von Otto Mayer entwickelten Lehre, die öffentliches Eigentum ebenfalls nur anerkannte, wenn die öffentliche Sache zugleich auch im zivilrechtlichen Eigentum des Staates stand. 126 Aus dem öffentlichen Recht lässt sich folglich keine Position des Staates ableiten, die es rechtfertigen könnte, öffentliche Sachen, die im Privateigentum Dritter stehen, zu seinem Vermögen zu rechnen. bb) Widmung Wurde in obigem Zusammenhang festgestellt, dass die Widmung konstitutives Merkmal für die Begründung öffentlicher Sachen ist, so gilt dies nicht für das Verwaltungsvermögen. 127 Für die Qualifizierung eines Vermö123
Hamb. GVB1. 1964, 79. BaWüGBl. 1976, 372. 125 Methodologisch scheint ein solches Vorgehen durchaus bedenklich, Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 267 betont jedoch, dass sich das Rechtsinstitut „öffentliches Eigentum" auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung nachweisen lasse, da sich das Recht nach der Überwindung des Positivismus nicht allein in dem positiven Ausdruck erschöpfe, den das Gesetz ihm gibt. 126 O. Mayer, VerwR II (1. Aufl.), S. 90: „Die öffentliche Sache bedeutet noch nicht öffentliches Eigentum ...; es muss noch das Eigentum des Subjekts öffentlicher Verwaltung hinzukommen." Im Ergebnis so für die May er sehe Lehre auch Axer, Widmung, S 41; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 4; Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 136, Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 8. 124
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
gensgegenstandes als Verwaltungs- oder Finanzvermögen ist allein entscheidend, wie die Sache tatsächlich genutzt wird. Auch kann der bloße Nutzungswille genügen, da viele für hoheitliche Aufgaben in Aussicht genommene Sachen noch nicht gewidmet oder faktisch in Dienst gestellt sind. 1 2 8 Diese Gegenstände können deshalb aber nicht automatisch zum Finanzvermögen gerechnet werden, da sie häufig nicht einmal geeignet sind, die allgemeinen finanziellen Deckungsmittel des Staates zu sichern oder zu vermehren. 129 Auch wäre es etwa unbillig, ein mit einem Verwaltungsgebäude zu bebauendes Grundstück vor, während, nach Errichtung und nach Inbetriebnahme anders zu behandeln. Die Widmung als auf Außenwirkung gerichteter Akt kann im Staatsinnenrecht nicht entscheidend sein. Der Bereich des Verwaltungsvermögens reicht daher unter diesem Gesichtspunkt über den der öffentlichen Sachen hinaus. 1 3 0 cc) Ergebnis Zusammenfassend kann der formelle Unterschied zwischen Verwaltungsvermögen und öffentlicher Sache in zwei Umständen gesehen werden: Von Vermögen des Staates kann nur dann gesprochen werden, wenn bei diesem eine grundsätzliche zivilrechtliche Verfügungsbefugnis liegt. Gegenstände in Privateigentum können daher zwar öffentliche Sachen sein, aber nicht dem Verwaltungsvermögen angehören. Weiterhin ist die Widmung für die Entstehung öffentlicher Sachen konstitutiv, während sie für die Qualifizierung eines Vermögensgegenstandes des Staates als Verwaltungsvermögen nicht erforderlich ist. Hier entscheidet allein die tatsächliche Nutzung, bzw. der Nutzungswille. Der Begriff der öffentlichen Sache ist daher aus formeller
127 Anders in Bezug auf die Klassifizierung von Vermögensgegenständen nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV Berlit, Ländervermögen, S. 227, der unter Berufung auf das „herkömmliche westdeutsche Rechtsverständnis" das Erfordernis einer Widmung betont. Er bezieht sich hierbei offenbar aber mehr auf den Status eines Vermögensgegenstandes als öffentliche Sache. Auf S. 22 betont er hingegen zu Recht, dass die Widmung keine Voraussetzung für die Zuordnung zum allgemeinen Staatsvermögen ist. 128 Salzwedel in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 13; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 35; wohl anders VG München BayVBl 1980, 314, 316, das für das Zurückfallen von Verwaltungs- in Finanzvermögen nicht auf die tatsächliche Aufgabe der Tätigkeit, sondern auf den Entwidmungsakt abstellt. 129 Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 13. 130 So auch Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 13; ähnlich auch Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 35, der den Unterschied jedoch dadurch zu überbrücken versucht, dass er Gegenstände, die für einen öffentlichen Zweck genutzt werden sollen, aber bisher weder gewidmet, noch in Dienst gestellt sind, als „öffentliche Sachen in statu nascendi" bezeichnet.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Sicht einerseits weiter, andererseits aber auch enger als der des Verwaltungsvermögens. c) Funktionale Differenzierung Vergleicht man den funktionalen Aspekt des Verwaltungsvermögens mit dem der öffentlichen Sachen, so überwiegen die Gemeinsamkeiten. Beide Kategorien erfassen Gegenstände, die unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Einig sind sich beide Gebiete im Ausschluss des Finanzvermögens, das öffentlichen Zwecken nur mittelbar dient, indem es zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung beiträgt. 131 Das Recht der öffentlichen Sachen differenziert darüber hinaus herkömmlich zwischen denjenigen Sachen, die der öffentlichen Verwaltung und ihren Amtsträgern unmittelbar durch ihren Gebrauch selbst zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen (öffentliche Sachen im internen Verwaltungsgebrauch) und denjenigen, die der Verwaltungsträger außenstehenden Zivilpersonen zur zweckentsprechenden Nutzung überlässt (öffentliche Sachen des externen Zivilgebrauchs). 132 Überträgt man diese Differenzierung auf das Verwaltungsvermögen, um dessen jeweilige Funktion besser deutlich zu machen, so lässt sich zwischen dem Verwaltungsvermögen im internen Verwaltungsgebrauch und dem von Dritten nutzbaren, externen Verwaltungsvermögen unterscheiden. 1 3 3 Letzteres kann als Verwaltungsvermögen im weiteren Sinne, das Verwaltungsvermögen im internen Verwaltungsgebrauch als Verwaltungsvermögen im engeren Sinne bezeichnet werden. 1 3 4 Der Charakterisierung der öffentlichen Sachen von Stern entsprechend, handelte es sich bei ersterer Kategorie um verwaltete Objekte, während letztere verwaltende Objekte sind. 1 3 5 Im Sinne dieser Arbeit soll im folgenden nur noch das Verwaltungsvermögen im engeren Sinne als Verwaltungsvermögen bezeichnet werden. Es 131
Für die öffentlichen Sachen Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 4; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 3; Wolff, VerwR I, § 55, S. 242; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376. 132 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 17; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 2; Bull, AllgVerwR, § 16, Rdn. 816; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376; Peine, AllgVerwR, § 21, Rdn. 514; Weber, in: VVDStRL 21 (1964), 145, 170; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 18 f.; Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 130. 133 So Friauf in: HStR IV, § 90, Rdnr. 34; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1261; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422. 134 Im Ansatz so auch Woydt, Öffentliches Eigentum, S. 130; Francke, in: Staatslexikon IV, Sp. 127. 135 Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 196.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
geht also nur um die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von „verwaltenden Objekten", dem Inventar der Verwaltung. I I I . Ergebnis 1. Verwaltungsvermögen
im Sinne dieser Arbeit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unter Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit, diejenigen Sachen verstanden werden sollen, an denen dem Staat ein zivilrechtliches Verfügungsrecht (im Regelfall das Eigentum) zusteht, und die der Verwaltung unmittelbar durch ihren Gebrauch zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. 2. Tatsächlich erfasste
Vermögens gegenstände
Damit wird eine Vielzahl von Vermögensgegenständen vom Begriff des Verwaltungsvermögens im Sinne dieser Arbeit erfasst. Dies soll im Folgenden präzisiert werden. Nicht in den Bereich des Vermögens fällt von vornherein die Vergabe von Lizenzen für die Nutzung von Frequenzbereichen, wie jüngst die Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen. Bei ihr handelt es sich um eine aufgrund der Begrenztheit der Frequenzen notwendige ordnungsrechtliche Verteilung in einem staatlich geregelten Verfahren, um die flächendeckende Versorgung mit Telekommunikation entsprechend der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Bundes aus Art. 87 f Abs. 1 GG zu gewährleisten. 1 3 6 Die Vergabe ist damit keine Veräußerung einer dem Staat zustehenden Sache 137 , keine Übertragung von Vermögen. a) Abgrenzung Verwaltungs- und Finanzvermögen Verwaltungsvermögen dient der Verwaltung unmittelbar durch seinen Gebrauch, das Finanzvermögen nur mittelbar durch seine Erträge zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben. aa) Eindeutig erfasste Fälle Folglich können Verwaltungsgebäude, Schulen, Gerichte, Rathäuser, Kasernen, Sportplätze, Kriegsmaterial und sonstiges Inventar der Behördenap136 137
Arndt, in: K & R 2001, 23, 24. Arndt, in: K & R 2001, 23, 24.
4 Fleischmann
50
1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
paratur vom Fuhrpark über EDV-Anlagen, sonstige Maschinen bis hin zu einfachen Werkstoffen wie Papier und Stiften, aber auch öffentliche Wege und Plätze eindeutig als Verwaltungsvermögen qualifiziert werden. 138 Diese Gegenstände werden physisch von der Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben genutzt und werfen keine finanziellen Erträge ab. bb) Grenzfälle,
insbesondere Versorgungsbetriebe
Doch auch staatliche Forsten, öffentliche Unternehmen der Versorgungswirtschaft (Energie, Wasser, Entsorgung), öffentliche Verkehrsbetriebe, öffentliche Sparkassen und Landesbanken, öffentliche Versicherungen, gemeinnützige Wohnungsunternehmen und Industriebeteiligungen der öffentlichen H a n d 1 3 9 dienen öffentlichen Aufgaben. § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO verlangt sogar ein „wichtiges Interesse des Bundes" zur Rechtfertigung einer Beteiligung des Bundes an einem Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts. 140 Gleichzeitig dienen Industriebeteiligungen und öffentliche Versorgungsbetriebe aber auch der Ertragserzielung. Das Berliner Betriebegesetz vom 9.7.1993 141 fordert etwa in § 2 Abs. 2 S. 2 ausdrücklich, dass die nach § 1 Abs. 1 „zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben" errichteten Anstalten des öffentlichen Rechts - die Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe (BEHALA), die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die Berliner Wasserbetriebe ( B W B ) 1 4 2 - „einen angemessenen Gewinn" erzielen sollen. Sie sind verpflichtet, ihren gesamten Bilanzgewinn an das Land Berlin abzuführen (§ 2 Ans. 2 S. 3 BerlBG). Damit dienen sie aber auch mittelbar durch ihre Erträge der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben - genau wie das Finanzver138 Ygi e t w a die Aufzählungen bei Schmitz, Finanz- und Verwaltungs vermögen, S. 28; Enneccerius/Nipperdey, §130, S. 828, Friauf in: HStR IV, § 90, Rdnr. 34; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1261; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 377. 139 Eine umfangreiche, wenn auch teilweise überholte, Auflistung dieser staatlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten findet sich bei Brede/von Loesch, Öffentliche Unternehmen, S. 101-273. Aktueller, aber weniger detailliert, die Zusammenfassung öffentlicher Unternehmen bei Greiling, Öffentliche Trägerschaft, S. 60 ff. Die wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand im einzelnen aufzuführen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 140 Solche Interessen können etwa in der Wettbewerbsintervention zugunsten bestimmter Marktsegmente (z.B. Vergabe von Kreditmitteln an mittelständische Unternehmen durch öffentlich-rechtliche Sparkassen/Banken), der Wirtschaftsförderung (z.B. Förderung strukturschwacher Regionen, Arbeitsplatzsicherung, Innovationsförderung), oder spezifischen Gründen des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes oder der Sozialpolitik liegen (vgl. hierzu etwa Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 41). 141 GVB1. Bln., S. 319. 142 Zur Zulässigkeit der Teilprivatisierung der BWB vgl. VerfGH Berlin, DVB1 2000, 52 ff.
1. Kap.: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
51
mögen. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die tatsächliche wirtschaftliche Bilanz im Einzelnen durchaus negativ ausfallen kann und der Beitrag der Erträge in der Relation zum Gesamthaushalt kaum ins Gewicht fällt 1 4 3 . Aufgrund ihrer Einnahmefunktion werden zumindest staatliche Industriebeteiligungen 144 und Forsten 145 in aller Regel dem Finanzvermögen zugeordnet, vereinzelt sogar staatliche Museen 1 4 6 . Die Einordnung der Verkehrsund Versorgungsbetriebe in eine der beiden Vermögensaiten ist hingegen von einer gewissen Beliebigkeit 1 4 7 gekennzeichnet und wird teilweise sogar als undurchführbar 148 angesehen. Dies korrespondiert auch mit dem Befund, dass öffentliche Unternehmen entsprechend von Situation und Bedarf flexibel mehr nach unmittelbaren wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten oder nach Gewinnmaximierungsgesichtspunkten ausgerichtet sind. 1 4 9 Eine Differenzierung nach der gewählten Organisationsform 150 in dem Sinne, dass Finanzvermögen bei einer privatrechtlichen Organisationsform, Verwaltungsvermögen bei einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform anzunehmen sei, 1 5 1 ist zur Lösung der Problematik nicht sachgerecht. Es 143 Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 40; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422. Eine Untersuchung über die Einnahmen aus „Finanzvermögen" und ihren Beitrag zum Gesamthaushalt in der Zeit von 1874 bis 1965 liefert Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 42-85. Nach Angaben von Berlit, Ländervermögen, S. 27, betrug 1987 der Anteil der erwerbswirtschaftlichen Einnahmen an den Einnahmen der Länder nur 2,49%, 1988 sogar nur noch 2,31%. 144 Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1262; Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 36; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422 für „öffentliche Unternehmen". 145 Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 36; Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376. 146 So Forsthoff, VerwaltungsR, § 20, S. 376; für eine Zuordnung zum Verwaltungsvermögen wohl die überwiegende Meinung Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 28; Enneccerius/Nipperdey, §130, S. 828, Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 34; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1261; 147 Vgl. die instruktive Übersichtstabelle bei Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 29, in der er die unterschiedlichen Zuordnungen von Eisenbahn, Verkehrsbetrieben, Versorgungsbetrieben und Post durch die rechtswissenschaftliche Literatur von 1874 bis 1962 gegenüberstellt. Im gleichen Sinne auch Berlit, Ländervermögen, S. 23 unter besonderer Bezugnahme auf Wohnungen im Eigentum der öffentlichen Hand. Leimich, Vermögensrechnung, S. 136 und 165 umgeht die Klassifikation, wenn er Eigenbetriebe und Beteiligungen der öffentlichen Hand an Wirtschaftsunternehmen als zwischen dem Verwaltungs- und Finanzvermögen einordnet. 148 Vgl. etwa Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 30; R. Schmidt, ÖffWirtR - AT, § 11, S. 506; so auch BGHZ 69, 334, 339 zur Untrennbarkeit öffentlicher und privater Interessen Verfolgung. 149 R. Schmidt, ÖffWirtR - AT, § 11, S. 506. 150 Zu den möglichen Rechtsformen eines öffentlichen Unternehmens vgl. die Übersicht bei Greiling, Öffentliche Trägerschaft, S. 50 ff., insbesondere 56. *
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
erscheint nicht nachvollziehbar, warum ein Versorgungsbetrieb in der Rechtsform einer GmbH oder Aktiengesellschaft zum Finanzvermögen zählen soll, selbst wenn die öffentliche Hand 100% der Gesellschaftsanteile hält, ein solcher, der als Eigenbetrieb unterhalten wird, hingegen zum Verwaltungsvermögen. 1 5 2 Zur Abgrenzung ebenso ungeeignet sind Ansätze, die jedes Vermögensgut, das (auch) auf Ertragserzielung gerichtet ist, aus dem Verwaltungsvermögen ausschließen oder jedes Vermögensgut, sofern es auch öffentlichen Zwecken dient, dem Verwaltungsvermögen zuschlagen 153 . Ersterer Weg bürgt die Gefahr, den Umstand zu verschleiern, dass mit dem entsprechenden Vermögensobjekt neben der Ertragserzielung in der Regel noch ein weitergehender öffentlicher Zweck verfolgt wird. Letzterer Weg hat eine völlige Konturenlosigkeit des Begriffs „Verwaltungsvermögen" zur Folge, da jedes Vermögensgut, das nur irgendeinem anderen 154 öffentlichen Zweck als der Einnahmeerzielung dient, hierunter fiele. Für die Kategorie „Finanzvermögen" bliebe kein, oder ein nur sehr geringer konkreter Anwendungsbereich übrig. Setzt man zur Lösung des Einordnungsproblems bei Versorgungsbetrieben schließlich bei der Definition des Verwaltungsvermögens an, erweist sich der Bezug auf den Begriff der „Verwaltungsaufgabe" als ebenso wenig hilfreich. So ist schon in den in der Literatur verbreiteten Definitionen des Verwaltungsvermögens mal vom Dienst für „öffentlichen Aufgaben" 1 5 5 , mal (und meistens) vom Dienst für „Verwaltungsaufgaben" 156 die Rede. Verwaltungsaufgaben sind dabei alle Angelegenheiten, die der Verwaltung durch Rechtssatz (verfassungs- und einfachgesetzlich) übertragen oder von ihr in rechtlich zulässiger Weise wahrgenommen werden. 157 Sie bezeichnen 151
So anscheinend von Turegg-Kraus, VerwaltungsR (4. Aufl.), S. 178. So auch Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 30 und 131. 153 So Wolff, VerwR I, § 55, S. 245; Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 209, der das Verwaltungsvermögen weiter in ein „Leistungsvermögen" (Versorgungs- und Verkehrsbetriebe) und ein „Wirtschaftsverwaltungsvermögen" (gewerbliche Staatsunternehmen) aufgliedert; unter Berufung auf Schmitz auch Leimich, Vermögensrechnung, S. 136. 154 Ob die Erzielung von Einnahmen zur „Schaffung eines gewissen Staatsvermögens für allgemeine Staatsaufgaben" überhaupt als besonderes „öffentliches Interesse" angesehen werden kann wird von R. Schmidt, ÖffWirtR-AT, § 11, S. 506, bestritten. Näher hierzu s.u., 3. Teil, 1. Kap., A. II. 3. c) bb). 155 So etwa Achterberg, AllgVerwR § 15, Rdnr. 30; VG München, BayVBl 1980, 314, 316. 156 Vgl. nur Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 28; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1261; Art. 21 Abs. 1 EVT. 157 Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 250; Schoch, in: DVB1 1994, S. 962; Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 137; Ossenbühl, in: VVDStRL 29 (1971), 137, 153 mit einer umfangreichen Übersicht weiterer Nachweise. 152
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
gesetzlich begründete und begrenzte staatliche Handlungskompetenzen, und zwar in Abgrenzung der Exekutive innerhalb staatlicher Gewaltengliederung und in Abgrenzung und im Gegensatz zu privaten Handlungsbefugnissen auf der Grundlage grundrechtlich geschützter menschlicher Freiheit. 1 5 8 Versorgungsbetriebe erfüllen eben solche Verwaltungsaufgaben, die ihnen in den entsprechenden Gesetzen, wie etwa in §§ 2 Abs. 3 ff. BerlBG, zugewiesen sind. Allein der Umstand, dass ein Vermögensobjekt Verwaltungsaufgaben dient, reicht jedoch nach der herkömmlichen Definition nicht für die Einstufung als Verwaltungsvermögen aus, es muss noch die „Unmittelbarkeit" des Dienens hinzutreten. Beim Versuch, diese zu bestimmen, gilt es zu bedenken, dass sich die gesamte Begriffsbildung hierzu - bei ihrer Entstehungszeit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht verwunderlich - als stark von der Dominalwirtschaft geprägt erweist. In dieser Zeit war das staatliche Vermögen aber noch unmittelbare und wichtigste Finanzierungsquelle des Staates, während diese Funktion im Steuerstaat heutiger Prägung nahezu obsolet, unter Umständen sogar unzulässig 159 , geworden ist. Konsequenterweise hat vor allem der Begriff des Finanzvermögens mit dem Übergang zur Steuerwirtschaft mit seiner finanzwirtschaftlichen Funktion auch seine Trennschärfe verloren. 160 Ein mittelbares Dienen konnte nach damaligem Verständnis nur insoweit möglich sein, als dass ein Vermögensgegenstand Erträge abwarf, die zur Finanzierung anderer Aufgaben dienten. Dass einnahmeerzielende Vermögensgegenstände auch direkt Verwaltungszwecken dienen könnten, war unvorstellbar. 161 Unmittelbarkeit wurde im Sinne des physischen Gebrauchs, Mittelbarkeit im Sinne der abstrakten Nut158
L. Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 222. Der Begriff der „öffentlichen Aufgaben" hingegen bezieht sich nicht auf die Aufgabenverteilung im Verhältnis zwischen Verwaltung und Grundrechtsträgern, sondern fungiert vielmehr als legitimierender Grund staatlicher Tätigkeit jeglicher Art, zu der etwa auch privatrechtliche Rahmensetzung für privates Wirtschaften gehört (L. Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 224). Öffentliche Aufgaben können von staatlichen, wie von gesellschaftlichen Trägern wahrgenommen werden (Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 136). 159 Vgl. zur normativen Bedeutung des Steuerstaatsgrundsatzes ausführlich 3. Teil, 1. Kap., A. II. 1. und 2. 160 Berlit, Ländervermögen, S. 23; Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 31. 161 So im Jahre 1973 offenbar immer noch Forsthoff, VerwaltungsR, Vorb. zu §20, S. 372, der zwischen der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Betätigung und der Daseinsvorsorge durch wirtschaftliche Unternehmungen der öffentlichen Verwaltung differenziert. Wirtschaftliche Unternehmungen dienten der Daseinsvorsorge nur dann, wenn „sie unmittelbar dem einzelnen Staatsgenossen Leistungen und Vorteile gewähren. Der Vorteil muss dabei unmittelbar sein, d.h., er muss dem einzelnen direkt zu gute kommen, während die Verwaltung durch ihre fiskalische Betätigung nur ihren eigenen, in aller Regel finanziellen Vorteil sucht, der nur indirekt
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
zung der Einnahmen verstanden. Ist ein solches Verständnis der „Mittelbarkeit" des Dienens heute aber aus den genannten Erwägungen nicht mehr tragbar und will man auf die Unterscheidung „unmittelbares - mittelbares Dienen zum Verwaltungszweck" dennoch nicht verzichten 162 , muss das Verständnis der Unmittelbarkeit als physisches Dienen beibehalten werden, und nur der Begriff des „mittelbaren Dienens" an die heutigen Verhältnisse angepasst werden. Einen solchen Weg intendiert wohl auch der Bundesgesetzgeber, wenn er in Art. 22 Abs. 1 Einigungsvertrag bei der Definition des Finanzvermögens zwar an das mittelbare Dienen für Verwaltungszwecke anknüpft, aber nicht von einem bloßen Dienen durch Einnahmeerzielung spricht. „Mittelbares Dienen" im weiteren Sinne könnte immer dann angenommen werden, wenn ein Vermögensobjekt nicht unmittelbar physisch durch Verwaltung oder Bürger genutzt wird. Verfolgt man diesen Gedanken, so dienen eine Unternehmensbeteiligung, ein öffentlicher Versorgungsbetrieb oder eine öffentlich-rechtliche Sparkasse nicht unmittelbar physisch, sondern abstrakt mittelbar einem öffentlichen Zweck. 1 6 3 Sie sind etwas anderes als das konkrete Gebäude, der konkrete Stift, derer sich ein Verwaltungsbediensteter zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe bedient. Nur solch konkret nutzbaren Gegenstände sind Verwaltungsvermögen im klassischen Sinne des Begriffs, sind „Mittel" bei der Durchführung der Verwaltungsleistung. Bei öffentlichen Versorgungsbetrieben stehen folglich etwa die Rohrleitungen durchaus im Verwaltungsvermögen, der abstrakte Betrieb jedoch nicht. Es gilt zwischen der Institution zur Verfolgung öffentlicher Zwecke und den Mitteln zu unterscheiden, derer sich diese bei der Ausführung bedient. Ob nun all die staatlichen Vermögensobjekte, die in diesem Sinne nicht Verwaltungsvermögen sind, allerdings unter dem Begriff „Finanzvermögen" glücklich zusammengefasst werden können und welche Unterdifferenzierungen sich dort anbieten, kann in dieser Arbeit nicht erörtert werden.
insofern auch ein Vorteil des einzelnen sein kann, als die Einnahmen aus fiskalischen Unternehmungen eine Ermäßigung der steuerlichen Umlagen gestatten." 162 Als Konsequenz müssten alle Vermögensgegenstände, die irgendwie einem öffentlichen Zweck dienen, dem Verwaltungsvermögen zugeschlagen werden. Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, weist zwar nach, dass es „Finanzvermögen im Sinne der h.M. weder gibt noch geben darf 4, zieht hieraus jedoch vorschnell den Schluss, dass sich der „intakt gebliebene Begriff des Verwaltungsvermögens als einzig mögliche Kennzeichnung des gesamten staatlichen Wirtschaftsvermögens anbietet „ (S. 207), ohne den Begriff der „Unmittelbarkeit" einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. 163 In diesem Sinne wohl auch Berlit, Ländervermögen, S. 23, der dem „Finanzvermögen" Steuerungs- und Interventionsaufgaben im Bereich der Wirtschaft zuschreibt.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Festzuhalten bleibt, dass im Sinne dieser Arbeit nur Objekte des unmittelbaren physischen Gebrauchs für Verwaltungszwecke als Verwaltungsvermögen eingestuft werden. Rechtliche Fragen, die sich etwa aus der Veräußerung von Versorgungsbetrieben 164 oder öffentlichen Unternehmensbeteiligungen selbst ergeben, bleiben daher außer Betracht.
b) Verwaltungsvermögen im engeren Sinne Verwaltungsvermögen im engeren Sinne sind nach obiger Definition schließlich nur diejenigen Vermögensobjekte, die unmittelbar physisch durch die Verwaltung genutzt werden, während Verwaltungsvermögen im weiteren Sinne vorliegt, wenn die Nutzung unmittelbar durch den Bürger selbst, sei es in Form des Gemein-, Anstalts- oder Sondergebrauchs erfolgen soll. Somit scheiden etwa öffentliche Straße und Plätze aus dem Betrachtungsfeld dieser Arbeit aus. Die Probleme, die mit der Veräußerung öffentlichen Straßenlandes aus Sicht der Sicherstellung des Gemeingebrauchs, aus der Perspektive der Privatisierung öffentlicher Sicherheit oder in Hinblick auf eventuelle Benutzungsgebühren verbunden sind, müssen Gegenstand gesonderter Betrachtungen bleiben. Darüber hinaus würden wohl auch Versorgungs- oder Verkehrsbetriebe der öffentlichen Hand eher als Verwaltungsvermögen im weiteren Sinne zu qualifizieren sein - wenn man sie entgegen obiger Annahme als Mittel zur unmittelbaren Verfolgung von Verwaltungszwecken qualifiziert. Solche Betriebe haben die Nutzung durch private Nutzungsinteressenten und nicht die unmittelbare Erfüllung eines Verwaltungszwecks zum Z i e l . 1 6 5
B. Veräußerung von Verwaltungsvermögen Im folgenden soll nunmehr konkretisiert werden, was unter der „Veräußerung" von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit verstanden werden soll.
164 Vgl. aus jüngster Zeit etwa die bereits zitierte Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 21.10.1999 (DVB1 2000, 51 ff.). 165 Kromer, SachenR, S. 142.
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
I. Der Begriff der Veräußerung 1. „ Veräußerung" Auch bei der Bestimmung des Begriffs der „Veräußerung" bietet sich in Ermangelung einer verfassungsrechtlichen Definition zunächst ein Rückgriff auf die allgemeine zivilrechtliche Terminologie an. Dort wird „Veräußerung" herkömmlich als Unterfall der „Verfügung" angesehen. 166 „Verfügungen" sind dabei jene Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. 167 Eine Veräußerung im zivilrechtlichen Sinne ist nun jene Verfügung, durch die ein Recht übereignet oder übertragen w i r d . 1 6 8 Geht man von dieser Definition aus, so werden vom Veräußerungsbegriff nur dingliche Geschäfte wie die Übereignung oder die Abtretung erfasst, während die dem Übertragungsakt zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte außer acht bleiben. Eine solch restriktive, streng am zivilrechtlichen Trennungsprinzip orientierte Begriffsbildung erscheint jedoch aus der Perspektive der öffentlich-rechtlichen Bewertung nicht sinnv o l l . 1 6 9 Hier muss es um eine umfassende Weitung aller mit der Übertragung zusammenhängenden Vorgänge gehen, da sich Folgen für den Haushalt vor allem aus dem Verpflichtungsgeschäft, Folgen für die Aufgabenerfüllung vor allem aus der dinglichen Rechtsübertragung ergeben. Dies wird auch bei Betrachtung der BHO deutlich, die in § 63 Abs. 3 bestimmt, dass Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Diese Bestimmung wäre widersinnig, wenn unter Veräußerung hier nur das dingliche Übereignungsgeschäft verstanden würde. Abgesehen davon, dass sich die Gegenleistung für die Übertragung immer nur aus dem Verpflichtungsgeschäft bestimmen kann, wäre in diesem Falle der Bund bei Abschluss eines schuldrechtlichen, zur Übereignung verpflichtenden Vertrages nicht an die Wertklausel gebunden, während er zur Erfüllung des dinglichen Geschäfts in jedem Falle aus dem schuldrechtlichen Vertrag verpflichtet bliebe. Dies kann nicht gewollt sein, so dass § 63 BHO mit Veräußerung immer auch das schuldrechtliche Geschäft meint. 1 7 0 166
Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 104, Rdnr. 16; Medicus, BGB-AT, Rdnr. 664. 167 BGHZ 1, 294, 304; 75, 221, 226; 101, 24, 26. 168 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 104, Rdnr. 16 und § 136, Rdnr. 1. 169 So auch Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinden, S. 76. 170 Wohl zu eng Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinde, S. 76, der unter „Veräußerung" allein den Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts sowie die Nichtwahrnehmung sich eventuell ergebender Möglichkeiten, das Geschäft rückgängig zu machen, versteht. Ein solches Verständnis würde die Probleme, die sich aus
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Aus der Sicht dieser Arbeit soll der Begriff der Veräußerung daher im folgenden umfassend in dem Sinne gebraucht werden, dass er sowohl den Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrages, als auch den dinglichen Vollzug dieses Geschäfts zur Übereignung oder Übertragung eines Rechts an Verwaltungsvermögen erfassen soll. Die Person des Erwerbers des Vermögensgegenstandes hat für die Bestimmung des Veräußerungsbegriffs keine Auswirkungen. Einzelne Ansätze, die die Übertragung auf bestimmte Dritte - seien sie öffentlich-rechtlich oder als privatrechtliche Gesellschaften organisiert - aus dem Veräußerungsbegriff ausklammern wollen, sofern der Dritte in die Erfüllung der Aufgabe eingeschaltet wird, der das entsprechende Vermögen dient 1 7 1 , verdienen keine Zustimmung. So ist die Frage nach der Möglichkeit der weiterer Nutzbarmachung des Vermögens für öffentliche Zwecke keine Frage des definitorischen Tatbestandes, sondern eine der im Rahmen der Rechtsfolgen zu erörternden Rechtfertigung der Veräußerung. 172 Zusammenfassend ist Veräußerung im Sinne dieser Arbeit also jedes auf Übereignung oder Übertragung eines Rechts an Verwaltungsvermögen an einen Dritten gerichtete Rechtsgeschäft. 2. Tatsächlich erfasste
Verträge
Herkömmliches Beispiel einer Veräußerung ist damit der Verkauf mit anschließender Übereignung. Dingliche Belastungen hingegen werden aus dem Veräußerungsbegriff ausgenommen, da durch sie weder das Eigentum auf den Erwerber übergeht, noch ein Recht durch Übertragung verloren geht, sondern vielmehr erst beim Erwerber entsteht. 173 Dies spiegelt sich auch in der BHO wieder, die in § 63 zwischen der Veräußerung (Abs. 2) und der Überlassung eines Nutzungsrechts an einem Vermögensgegenstand (Abs. 5), in § 64 zwischen der Veräußerung (Abs. 1) und der dinglichen Belastung (Abs. 4) von Grundstücken differenziert. Belastende Verträge wie die Einräumung schuldrechtlicher oder dinglicher Nutzungsrechte oder dinglicher Sicherheiten (Grundpfandrechte) können damit nicht als Veräußerung im Sinne dieser Arbeit angesehen werden. Ebenso soll die Einräumung eines Erbbaurechts an einem öffentlichen Grundstück nicht als Veräußerung im Sinne dieser Arbeit angesehen werder dinglichen Rechtsänderung für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben ergeben, ausblenden (s. hierzu unten 3. Teil, 1. Kap., A. I. 2. 171 Vgl. die Nachweise bei Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinde, S. 76. 172 So auch Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinde, S. 76. 173 Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinden, S. 77.
58
1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
den. Ein solches Verfahren wird teilweise gewählt, damit ein Privater auf dem Grundstück ein Verwaltungsgebäude errichtet, oder aber ein dort bereits bestehendes und genutztes Verwaltungsgebäude renoviert. Gem. § 1 der Verordnung über das Erbbaurecht (ErbbVO) „kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass demjenigen zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben (Erbbaurecht)". Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbbVO gelten das auf Grund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk sowie ein Bauwerk, das bei der Bestellung des Erbbaurechts schon vorhanden ist, als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts. Der Erbbauberechtigte erwirbt somit an den Bauwerken ein vom Grundstück losgelöstes Eigentum, das unmittelbar mit dem Erbbaurecht verbunden i s t . 1 7 4 Bereits vorhandene Bauwerke werden mit dem Moment der Erbbaurechtsbestellung kraft gesetzlicher Anordnung wesentlicher Bestandteil dieses Rechts, so dass das Eigentum an ihnen, wenn nicht sogar rechtsgeschäftlich 175 , zumindest kraft Gesetzes akzessorisch zum Rechtsgeschäft übergeht. 176 Bei Bauwerken, die nach Entstehung des Erbaurechts durch bestimmungsgemäße Bebauung errichtet werden, tritt der Eigentumserwerb beim Berechtigten zwar kraft Gesetzes e i n 1 7 7 , die Einräumung des Erbbaurechts ermöglicht dieses aber und verhindert den normalerweise eintretenden Eigentumserwerb am Bauwerk durch den Grundstückseigentümer. 1 7 8 Die Einräumung eines Erbbaurechts ähnelt damit von der Wirkung her der Übereignung, bleibt von der Systematik her aber eine Belastung des Grundstücks, da das Grundeigentum eben nicht wechselt. Entsprechend ist die Einräumung eines Erbbaurechts haushaltsrechtlich als Belastung einzustufen und nicht nach den Regelungen über die Veräußerung zu behandeln. 1 7 9 Wie die Veräußerung von Grundstücken setzt die Einräumung von 174 von Oefele/Winkler, HErbBauR, Rdnr. 1.28, S. 22; Ring, in: Staudinger, BGB, § 1 ErbbVO, Rdnr. 7. 175 So von Oefele/Winkler, HErbBauR, Rdnr. 2.52, S. 43; von Oefele, in: MüKo, BGB, § 12 ErbbVO, Rdnr. 6, Ring, in: Staudinger, BGB, § 1 ErbbVO, Rdnr. 7 („Übergang rechtsgeschäftlich kraft Gesetz"). 176 So die mittlerweile nahezu unbestrittene Ansicht vgl. Ring, in: Staudinger, BGB, § 12 ErbbVO, Rdnr. 11; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 12 ErbbVO, Rdnr. 2; OLG Nürnberg DNotZ 1955, 204; von Oefele, in: MüKo, BGB, § 12 ErbbVO, Rdnr. 6. 177 von Oefele/Winkler, HerbBauR, Rdnr. 2.42, S. 41; Ring, in: Staudinger, BGB, § 12 ErbbVO, Rdnr. 2. 178 Gem. § 94 I BGB ist ein Gebäude wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks, so dass es gem. § 93 BGB das rechtliche Schicksal des Grundstücks, also auch die Eigentumslage, teilt. 179 Vgl. Nr. 8.2 der vorl. VV zu § 64 BHO; Piduch, BundeshaushaltsR, § 64 BHO, Rdnr. 9; Patzig, Haushaltsrecht II, C/64/13, Rdnr. 13; Weiß, Vermögensgegenstände der Gemeinden, S. 78.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Erbbaurechten jedoch die Feststellung voraus, dass das belastete Grundstück für Bundes- oder Landeszwecke dauernd entbehrlich ist. I I . Veräußerung von Verwaltungsvermögen und Aufgabenerfüllung 1. Bezug zwischen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen und Aufgabenerfüllung Der oben entwickelten Definition nach dient Verwaltungsvermögen der Verwaltung unmittelbar durch seinen Gebrauch zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Verwaltungsvermögen steht also in einem zwingenden Konnex zu den Verwaltungsaufgaben. Insoweit kann auch bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen danach differenziert werden, wie - d.h. mit welchen Vermögensgegenständen und durch wen - die Aufgabe, der der veräußerte Vermögensgegenstand dient, nach der Veräußerung erfüllt werden soll. Wird ein Gegenstand veräußert, der einer Verwaltungsaufgabe dient, so lassen sich für die zukünftige Erfüllung der Aufgabe theoretisch zunächst zwei Alternativen formulieren: die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe kann beim bisherigen Träger verbleiben oder sie kann auf den Erwerber des Vermögensgegenstandes übergehen. Verbleibt sie beim bisherigen Träger, so kann dieser die Leistung entweder mit anderen Mitteln - sofern diese zur Verfügung stehen - , oder - falls mit der Veräußerung die Rückeinräumung eines Nutzungsrechts verbunden worden ist - sogar mit denselben Mitteln wie vorher weiterbetreiben. Geht die Verwaltungsaufgabenerfüllung hingegen auf den Vermögenserwerber über, kann zwischen der Übertragung auf einen öffentlich beeinflussten Trabanten des Verwaltungsapparates und der auf einen unabhängigen privaten Dritten unterschieden werden. a) Veräußerung von Verwaltungsvermögen ohne Aufgabenübertragung Verbleibt die Verwaltungsaufgabe auch nach der Veräußerung des zu ihrer Erfüllung dienenden Vermögens beim gleichen Träger, so kann dieser die Aufgabe - wie erwähnt - mit anderen oder unter Umständen mit denselben Vermögensgegenständen erfüllen. aa) Aufgabenerfüllung
mit anderen Mitteln
Die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe mit anderen Mitteln als den veräußerten Vermögensgegenständen stellt den in der BHO und den Landeshaushaltsordnungen vorgesehenen Regelfall der Veräußerung von Verwaltungs-
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
vermögen dar. Gem. § 65 Abs. 2 BHO dürfen Vermögensgegenstände nur veräußert werden, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. Ein solches „nicht mehr benötigt werden" ist aber nur denkbar, wenn eine Aufgabe entweder überhaupt nicht mehr, durch einen Dritten oder aber vom bisherigen Träger mit anderen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erfüllt wird. Klassisches Beispiel für letzteren Fall ist es, wenn die Verwaltung nach der Veräußerung eines Gebäudes die bisher dort untergebrachten Mitarbeiter auf andere Verwaltungsgebäude verteilt. Das alte Gebäude wird dann vor der Veräußerung aus seiner Funktion entlassen und „nicht mehr benötigt". Ähnliches ist mit Behördenfuhrparken oder EDV-Anlagen denkbar - wenn auch wegen der geringeren Erlösmöglichkeiten seltener praktiziert. Die Veräußerung geht hier mit einem Rationalisierungseffekt einher, da gleiche Aufgaben mit weniger Mitteln erfüllt werden. In einer derartigen Konstellation kann begrifflich jedoch nicht mehr von der Veräußerung von „Verwaltungsvermögen" gesprochen werden. So kommt es nach oben entwickelter Definition für das Vorhandensein von Verwaltungsvermögen darauf an, dass der konkrete Vermögensgegenstand nach der Zweckrichtung des Vermögensträgers unmittelbar zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient. Eine solche Eigenschaft des unmittelbaren Dienens für Verwaltungszwecke wird in der angesprochenen Konstellation jedoch schon vor der Veräußerung aufgegeben. Es wird lediglich funktionslos gewordene Vermögensmasse veräußert. Dementsprechend soll der Fall, in dem ein Vermögensgegenstand veräußert wird, die entsprechende Aufgabe in Zukunft aber durch einen anderen Vermögensgegenstand erfüllt wird, im folgenden nicht als Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit behandelt werden. Die hierbei möglicherweise bestehenden Probleme, etwa die Frage nach einem Anspruch des Verwaltungsträgers auf eine gewisse minimale Ausstattung, müssen in einer gesonderten Arbeit erläutert werden. bb) Aufgabenerfüllung
mit denselben Mitteln
Im Mittelpunkt der Arbeit sollen - angesichts der hiermit verbundenen noch aufzuzeigenden und wenig erörterten vielfältigen Probleme - diejenigen Veräußerungen stehen, bei denen die Verwaltungsleistungen trotz der Veräußerung der ihr dienenden Vermögensgegenstände weiter mit diesen erfüllt werden. Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist es stets, dass das Rechtsgeschäft der Veräußerung mit einem zweiten Rechtsgeschäft verbunden wird, in welchem dem öffentlichen Verwaltungsanbieter ein Nutzungsrecht am Vermögensgegenstand eingeräumt wird.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Zweck solcher Vorgehensweisen ist die Entlastung des Haushalts - vor allem von der Einnahme-, aber auch von der Ausgabenseite her. Durch die Veräußerung sollen allgemeine Mittel für den Haushalt erschlossen werden. Zudem erhofft man sich gleichzeitig einen Einspareffekt bei den Verwaltungskosten des Vermögens. b) Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit Aufgabenübertragung Bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen ohne Aufgabenübertragung kommt dem Veräußerungsakt eine gewisse autonome Stellung zu. Die Erschließung der sich aus dem Verkauf ergebenen Einnahmequelle ist das Motiv für das staatliche Handeln, bei der künftigen Aufgabenerfüllung mit anderen Mitteln - die ja gerade keine Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit darstellt - auch die Erzielung von Rationalisierungseffekten. Anders verhält es sich bei der mit einer Aufgabenübertragung verbundenen Veräußerung von Verwaltungsvermögen. Hier wird in der Regel zunächst die Entscheidung über die Veränderung der Art der Erfüllung der Verwaltungsaufgabe getroffen. Anschließend, quasi akzessorisch, wird diese Entscheidung über die Übertragung der Erfüllungsrolle nur noch im Vermögensbereich nachvollzogen. Der neue Aufgabenträger erhält zur Sicherstellung der sachgerechten Erfüllung der Aufgabe dasjenige Vermögen, das der Staat bisher zu diesem Zweck genutzt hat. Das Verwaltungsvermögen folgt den Staatsaufgaben. 180 Die Übertragung des Verwaltungsvermögens kann dabei in Zusammenhang mit jedweder Art der Veränderung der Aufgabenerfüllung stehen. Die Aufgabe kann entweder auf einen anderen Träger innerhalb der Staatsverwaltung übergehen, der anschließend in einem staatsinternen Geschäft auch das Vermögen übertragen bekommt, sie kann aber auch „privatisiert" werden. Insoweit ist die Verbindung der Vermögensübertragung mit jeder Form der Aufgabenprivatisierung 181 , sei sie formell, funktional oder materiell, möglich. Wird die Aufgabe materiell privatisiert, kann im Anschluss über die Entscheidung über die Aufgabenprivatisierung nicht mehr länger von einer Verwaltungsaufgabe gesprochen, das der Aufgabenerfüllung dienende Vermögen also auch nicht mehr als Verwaltungsvermögen betrachtet werden. 180 Mußgnug/Hufeld, in: BK-GG, Art. 134, Rdnr. 26. Diese sehen hierin das typische Charakteristikum der staatlichen Vermögensentwicklung. 181 Zur Haushaltsentlastung mittels Aufgabenprivatisierung s.u. 2. Teil, 1. Kap., B. I. 2.
62
1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Wenn bei diesen Typen auf die Akzessorietät der Veräußerung zur Grundentscheidung über die Aufgabenwahrnehmung hingewiesen wurde, so folgt daraus, dass die Vermögensübertragung automatisch dort ihre Grenzen findet, wo dies die Aufgabenübertragung tut. Die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen der Aufgabenübertragung auf Private sind jedoch bereits vielfältigst und ausführlichst untersucht und analysiert worden. An dieser Stelle sei daher auf das diesbezügliche Schrifttum verwiesen. 182 2. Ergebnis Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit liegt folglich immer dann vor, wenn Vermögen, das der Verwaltung durch seinen unmittelbaren Gebrauch zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient, auf einen Dritten übertragen wird, der bisherige Vermögensträger sich aber weiterhin des Vermögens zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient.
III. Das „Kieler Immobiliengeschäft" als Prototyp der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Den bundesweit ersten großflächigen Versuch, durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit zur allgemeinen Finanzierung des Haushalts beizutragen, stellt das sog. „Kieler Immobiliengeschäft" dar. Die Grundlage für dieses Modell bildet das Haushaltsbegleitgesetz 1998 für das Land Schleswig-Holstein (HBG) vom 23. Januar 1998 1 8 3 . Ziel der in diesem Gesetz gebündelten Maßnahmen ist es, durch Veräußerungserlöse den Landeshaushalt zu entlasten und die Neuverschuldung des Landes zu verringern, sowie durch eine effiziente Bewirtschaftung der Landesliegenschaften Kostensenkungspotentiale zu erschließen. 184 Zu diesem Zweck wurde durch Art. 4 Nr. 5 HBG zunächst der, der Vorschrift der BHO entsprechende, § 63 Abs. 2 Landeshaushaltsordnung (LHO) dahingehend geändert, dass das Gebot, Vermögensgegenstände nur zu veräußern, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden, nicht mehr für bebaute und unbebaute Grundstücke gilt. Gleichzeitig hob Art. 4 Nr. 6 HBG die Bestimmung der LHO (§ 64 Abs. 6) auf, wonach Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten einem Sondervermögen 182
Z.B. aus jüngerer Zeit nur Osterloh und Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), S. 204 ff. und S. 243 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem (1997); König/Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung (1997); Schoch, in: DVB1 1994, S. 962 f. 183 GVOB1. Schl-H, S. 37. 184 Vgl. LT-Drs. 14/942, Anlage 2.
1.
: Veräußerung von Verwaltungsvermögen
(Grundstock) zuzuführen sind, dessen Mittel grundsätzlich nur zum Erwerb eben solcher Vermögensgegenstände verwendet werden dürfen. Art. 1 § 17 Abs. 6 HBG bestimmte nun, dass das Ministerium für Finanzen und Energie ermächtigt wird, „Liegenschaften des Landes zum Verkehrswert an die Investitionsbank zu veräußern und für die veräußerten bebauten und unbebauten Grundstücke langfristige Miet- und Pachtrahmenverträge auf der Basis von Marktmieten abzuschließen". Eine entsprechende Ermächtigung enthält auch der geänderte § 17 Abs. 2 des schleswig-holsteinischen Investitionsbankgesetzes ( I B G ) . 1 8 5 In Ausführung dieser Ermächtigungen wurde vom Ministerium für Finanzen und Energie am 16.3.1998 eine erste Liste von insgesamt 191 Liegenschaften erstellt, die für die Veräußerung in Betracht kommen. 1 8 6 Die dabei aufgelisteten Objekte umfassen Ministeriumsgebäude, Finanzämter, Polizeidienstgebäude, Polizeikasernen, zahlreiche Amtsgerichte sowie sonstige Behördensitze. In den Landeshaushaltsplan wurden die erwarteten Einnahmen aus den Veräußerungen in Höhe von ca. 1 Milliarde D M 1 8 7 als solche „aus der Übertragung von bebauten Liegenschaften des Landes auf die Investitionsbank", also nicht als solche aus Krediten, eingestellt 188 . Währenddessen wurden Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen im Zusammenhang mit der Rückmiete der veräußerten Objekte nicht veranschlagt. Die Investitionsbank des Landes Schleswig-Holstein als beabsichtigte Erwerberin ist gem. § 1 Abs. 1 I B G 1 8 9 eine wirtschaftlich selbständige, aber nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Rechtsträgerin die Landesbank Schleswig-Holstein - ihrerseits eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Die Finanzierung des Grundstückserwerbs sollte die Investitionsbank durch Inanspruchnahme von normalen Kapitalmarktkrediten in Höhe von etwa 1 Milliarde D M realisieren. Zur Rückvermietung der Liegenschaften wiederum sollte sie sich einer aus der Landesbauverwaltung zu entwickelnden Anstalt des öffentlichen Rechts bedienen, die ressortübergreifend Bauunterhalt, Bewirtschaftung und Vermietung der Liegenschaften übernimmt. Diese wurde durch Gesetz vom 15.6.1999 190 als 185
Eingefügt durch das IBG-Änderungsgesetzes vom 23.1.1998 (GVOB1. Schl-H,
S. 68). 186
Vgl. LT-Umdr. 14/1733. Vgl. LT-Drs. 14/942, Anlage 2. 188 Vgl. Einzelplan 11 Kapitel 1111 Titel 13103 des durch Art. 1 § 1 HBG festgestellten Haushaltsplanes für das Haushaltsjahr 1998 i.d.F. des „Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrages zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 1998" vom 3.7.1998 (GVOB1. Schl-H, S. 204). 189 „Gesetz über die Investitionsbank Schleswig-Holstein, Zentralbereich der Landesbank Schleswig-Holstein, Girozentrale" vom 11.12.1990 (GVOB1. Schl-H, S. 609), i.d. F. des IBG-Änderungsgesetzes vom 23.1.1998 (GVOB1. Schl-H, S. 68). 187
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1. Teil: Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
„Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH)" gegründet, der nach § 3 Abs. 3 GMSHG die Bewirtschaftung der Landesimmobilien mit Ausnahme der Hochschulen und Justizvollzugsanstalten obliegt. Gegen den dem Immobiliengeschäft zugrundeliegenden Art. 1 § 17 Abs. 6 HBG und die entsprechenden Vorschriften des Haushaltsgesetzes wurde von 34 Oppositionsabgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtages ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt mit dem Antrag die erwähnten Normen wegen Verstoßes gegen die Regelungen über die Kreditaufnahme der schleswig-holsteinischen Verfassung für nichtig zu erklären. 191 Durch Beschluss des Zweiten Senats vom 17.9.1998 192 hat das Bundesverfassungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass das Land Schleswig-Holstein etwaige Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur so behandeln dürfe, als seien sie Einnahmen aus Kredit. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass eine Abwägung der Folgen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu dem Ergebnis führe, dass durch eine einstweilige Anordnung der politische Gestaltungsspielraum für zukünftige Haushalte weniger belastet wird als durch den Verzicht auf eine solche Anordnung. 193 Es stellt dabei ausdrücklich klar, dass Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Gesetzes sprechen, bei der Entscheidung außer Betracht geblieben sind. 1 9 4 Als Reaktion auf den Beschluss hat der schleswig-holsteinische Landtag den umstrittenen, als Grundlage des Immobiliengeschäfts dienenden Art. 1 § 1 7 Abs. 6 HBG durch § 2 Nr. 2 a des Gesetzes über die Feststellung eines 2. Nachtrages zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 1998 vom 18.11.1998 195 aufgehoben. Das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde daraufhin in der Hauptsache ohne Sachentscheidung für erledigt erklärt, die Akten am 27.4.2000 weggelegt. 196
190 „Gesetz über die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSHG)", GVB1. Schl-H, S. 134. 191 Verfahren 2 BvK 1/98. 192 BVerfGE 99, 57 ff. 193 BVerfGE 99, 57, 68. 194 BVerfGE 99, 57, 66. 195 GVB1. Schl-H, S. 332. 196 So die Auskunft des Bundesverfassungsgerichts, Aktenzeichen AR 6263/99 vom 15.1.2001.
2. Kap.: Zusammenfassung
65
2. Kapitel
Zusammenfassung Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit liegt folglich immer dann vor, wenn Vermögen, das der Verwaltung durch seinen unmittelbaren Gebrauch zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient, auf einen Dritten übertragen wird, der bisherige Vermögensträger sich aber weiterhin des Vermögens zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Das Thema hat dabei seine Aktualität trotz der Rücknahme des „Kieler Immobiliengeschäfts" erhalten. So hat der schleswig-holsteinische Gesetzgeber die Norm der Landeshaushaltsordnung, die die Veräußerung von bebauten und unbebauten Grundstücken für zulässig erklärt auch wenn die Grundstücke weiterhin für Verwaltungszwecke benötigt werden, nicht aufgehoben und das Bundesverfassungsgericht keine Entscheidung über die Zulässigkeit solcher Modelle getroffen. Schließlich sind nicht nur Vermögensübertragungen auf mittelbare staatliche Stellen wie in Schleswig-Holstein, sondern auch Übertragungen auf Private denkbar, bei der sich noch weitergehende Probleme ergeben. Auf all diese Aspekte soll im folgenden eingegangen werden.
5 Fleischmann
2. T e i l
Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen 1. Kapitel
Die tatsächlichen Rahmenbedingungen Die Bemühungen, den allgemeinen Haushalt durch die Veräußerung auch von Verwaltungsvermögen zu stärken, das weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigt wird, stehen nicht isoliert da. Sie reflektieren vielmehr die allgemein bedenkliche Lage der öffentlichen Haushalte und fügen sich in eine Reihe anderer Bemühungen ein, auf neuen Wegen zu einer Haushaltskonsolidierung zu gelangen. Diese beiden Umfeldbedingungen sollen im folgenden erläutert werden. Die vorliegende Arbeit erhebt dabei jedoch keinesfalls den Anspruch, alle neuen Modelle zur Entlastung der öffentlichen Haushalte vollständig zu erfassen oder abschließend zu systematisieren ein solcher Anspruch auf Vollständigkeit wäre angesichts der Dynamik der Entwicklung wohl auch verfehlt. 1
A. Die Lage der öffentlichen Haushalte Ursache aller Bemühungen um Innovationen im Bereich der öffentlichen Finanzen ist die Lage der öffentlichen Haushalte, wie sie sich Ende der neunziger Jahre des zwanzigsten und zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts darstellt. Sie zeigt sich im Bund und in den Ländern als gleichermaßen problematisch. Der Haushalt des Bundes weist für das Haushaltsjahr 2000 ein Defizit von 49,5 Milliarden D M mit einer damit verbundenen Nettokreditaufnahme in gleicher Höhe auf. 2 Vergleichbare Zahlen sind auch für das kommende 1
F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 243 weist zu Recht darauf hin, dass eine vorschnelle abschließende Klassifikation aller Modelle zur Reform staatlicher Finanzierung die Gefahr heraufbeschwören würde, die weitere Entwicklung um den Preis eines definitorischen Konsens eher zu hemmen, anstatt sie rechtlich bewahrend und fördernd zu begleiten.
1. Kap.: Die tatsächlichen Rahmenbedingungen
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Haushaltsjahr prognostiziert, auch wenn die Nettoneu Verschuldung statt auf ursprünglich veranschlagte 46,1 Milliarden D M 3 auf 43,7 Milliarden D M vermindert werden kann. 4 Lediglich mittelfristiges Ziel der Bundesregierung ist die weitere Reduzierung des Haushaltsdefizits, und damit der Nettoneuverschuldung, auf 20 Milliarden D M im Jahre 2004 und die Erzielung eines materiellen Haushaltsausgleichs 2006 5 . Bis zur Erreichung dieses Zieles wird demnach auch die Gesamtverschuldung des Bundes weiter ansteigen. Diese Gesamtverschuldung wird einschließlich der Sondervermögen des Bundes schon im Jahre 2000 voraussichtlich 1,551 Billionen D M erreichen, nachdem sie zehn Jahre zuvor 1990 noch bei 697 Milliarden D M lag, 1982 gar nur 350 Milliarden D M betrug. 6 Aus dieser Verschuldung ergibt sich schließlich eine immer höhere Zins- und Tilgungslast. Im Bund werden im Haushaltsjahr 2000 etwa 78.536.191.000 D M - in Worten: 78 Milliarden für den Schuldendienst und Zinsen der Bundesschuld aufgebracht. 7 Bei einem Gesamthaushaltsvolumen von 478,8 Milliarden D M bedeutet dies einen Anteil von über 17%. Bedenkt man, dass ohnehin schon ein großer Teil der im Haushalt vorgesehenen Ausgaben durch die allgemeine finanzwirksame Gesetzgebung determiniert ist und nicht zur freien Disposition des Haushaltsgesetzgebers steht8, muss dies mit großer Besorgnis um die Haushaltsgewalt des Gesetzgebers und den finanziellen Handlungsspielraum der Regierung registriert werden. Schließlich weckt die Höhe der öffentlichen Verschuldung auch deshalb Bedenken, weil in einem Staat, der die Hälfte des gesamten Kreditvolumens der Gesellschaft beansprucht, Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Zinspolitik wachsen, da der Staat hier nicht nur im Gemeinwohl-, sondern massiv auch im egoistischen Schuldnerinteresse zu handeln versucht sein könnte. 9 Diese Besorgnis gilt ebenso für die Entwicklung in den Bundesländern. Die Verschuldung der Länder hat mit der Entwicklung auf Bundesebene Schritt gehalten und sich von 1980 bis 1995 von 153,93 Milliarden auf 503,21 Milliarden D M erhöht. 10 Das Land Bremen weist dabei eine Ver2
Vgl. Haushaltsplan 2000, Gesamtplan Teil II, S. 19 und § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2000 vom 28.12.1999 (BGBL. I, S. 2561). 3 So BMF, Finanzbericht 2001, S. 14 f. 4 Vgl. FAZ Nr. 269 vom 18.11.2000, S. 1. 5 BMF, Finanzbericht 2001, S. 11. 6 BMF, Finanzbericht 2001, S. 12. 7 Vgl. Bundeshaushaltsplan, Gesamtplan, Teil I, S. 16 und Einzelplan 32. 8 Zum Umfang der finanziellen Bindungen der Haushaltswirtschaft des Bundes durch die allgemeine Gesetzgebung vgl. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 176 ff. und Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 74 ff.; zu den rechtlichen Aspekten vgl. 2. Teil, 1. Kap., B. I. 1. 9 F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 750 f. 5*
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
schuldung von etwa 25.000 D M pro Einwohner auf, während die Pro-KopfVerschuldung auch in den Ländern Hamburg, Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein über der Schwelle von 10.000 D M liegt. 1 1 Der Anteil der Zinsausgaben an den Gesamtausgaben hat entsprechend auch in einigen Ländern nahezu 15% erreicht. 12 Besonders besorgniserregend wirkt diese Entwicklung vor dem Hintergrund der in der gleichen Zeit zu verzeichnenden Steigerung der staatlichen Einnahmen. Die zunehmende Verschuldung steht nämlich nicht in einem Kontext sinkender, sondern steigender staatlicher Einnahmen. Die gesamten Einnahmen von Bund und Ländern 13 sind im Zeitraum von 1980 bis 1995 von 374,3 Milliarden D M auf 853,4 Milliarden angestiegen.14 Allein die Steuereinnahmen von Bund und Ländern sind in diesem Zeitraum von 364,9 Milliarden D M auf 800,2 Milliarden D M gestiegen, was einer Steigerung um 119% entspricht. 15 Die Steuerquote ist indes ebenso wie die Abgabenquote - diese Quoten bezeichnen den prozentualen Anteil der Steuern und Abgaben am Bruttoinlandsprodukt - im beobachteten Zeitraum bei ca. 24%, bzw. bei ca. 40% nahezu konstant geblieben. 16 Angesichts dieser Zahlen erscheint es angemessen, statt - wie häufig geschehen - von einer „Finanzkrise des Staates" eher von einem „strukturellen Staatsdefizit" zu sprechen, da ersterer Begriff die Existenz notleidender Einnahmen impliziert und die Tatsache verschleiert, dass Gesetzgebung und Verwaltung nicht in der Lage sind, einen materiellen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben zu erzielen und stattdessen auf Kredite ausweichen. 17 10
Vgl. die tabellarische Übersicht bei Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 94. 11 Vgl. Bund der Steuerzahler, in: Der Tagesspiegel vom 23.1.2000, S. 23. 12 Nach einer Übersicht des Bundesministeriums der Finanzen, veröffentlicht in „Die Zeit" Nr. 46 vom 9.11.2000, S. 27, liegt er mit 13,7%, bzw. 13,6% in den Haushaltsnotlagenländern Bremen und Saarland am höchsten. Dazu weisen auch die Länder Schleswig-Holstein (12,1%), Niedersachsen (10,5%) und Hamburg (10,4%) zweistellige Quoten auf. Während drei weitere Länder Quoten von über 9% erreichen (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin), können nur in Sachsen mit 3,7% und in Bayern mit 3,4% Werte unterhalb von 5% verzeichnet werden. 13 Ohne die Einnahmen aus dem Lastenausgleichsfonds, dem ERP-Sondervermögen, dem Fonds Deutsche Einheit, dem Kreditabwicklungsfonds, dem Erblastentilgungsfonds, dem Bundeseisenbahnvermögen, dem Entschädigungsfonds und den Gemeinden und Verbänden. 14 Vgl. die tabellarische Übersicht bei Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 92. 15 Vgl. die tabellarische Übersicht bei Vogel/Waldhoff, Finanz verfassungsrecht, Rdnr. 98. 16 Vgl. die tabellarische Übersicht bei Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 91. 17 So F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 750.
. Kap.: Die achlichen Rahmenbedingungen
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An diesem Befund ändert auch der häufig ins Feld gebrachte Einwand nichts, dass die finanziellen Lasten der deutschen Einheit die Hauptursache der erheblich gewachsenen Ausgaben sind, da die deutsche Einheit zum großen Teil durch Sonderfonds außerhalb der Haushalte der Gebietskörperschaften bewältigt worden ist. 1 8 Wie verzerrt die öffentliche Wahrnehmung dieses strukturelle Staatsdefizit registriert, belegen zwei Beispiele. Zum einen wird in den Medien häufig von Mindereinnahmen des Bundes und der Länder berichtet, obwohl nicht etwa die staatlichen Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen, sondern sie lediglich unter den für das jeweilige Jahr vorgenommenen Steuerschätzungen bleiben. 19 Zum anderen wird die derzeitige Konsolidierungspolitik der Bundesregierung als „Programm zur Zurückgewinnung der finanzpolitischen Handlungsspielräume zur Bewältigung der zentralen Zukunftsaufgaben" tituliert 2 0 , obwohl zunächst nicht etwa die Verringerung der öffentlichen Zinslast durch Schuldentilgung, sondern lediglich die Verringerung des Wachstums des Schuldenberges in ihrem Mittelpunkt steht 21 . Erst in der mittelfristigen Planung für das Jahr 2006 wird, wie bereits erwähnt, ein materieller Haushaltsausgleich angestrebt, um in den Folgejahren einen möglichen Budgetüberschuss für die Schuldentilgung zu benutzen. Ob eine solche Verwendung aber selbst bei einem tatsächlichen Erwirtschaften eines Überschusses vorgesehen wird, erscheint ob der in einem solchen Falle wiederkehrenden Ausgabenfreude der politischen Entscheidungsträger 22 höchst zweifelhaft.
B. Neue Wege zur Haushaltskonsolidierung Die geschilderte Lage der öffentlichen Haushalte hat bei Bund und Ländern ein erhebliches Maß an Kreativität bei dem Versuch freigesetzt, ihre 18 F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 750; allgemein zur Frage der finanzwirtschaftlichen Aspekte der deutschen Einheit Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 222 ff. 19 Hierauf weist F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 750 zu recht hin. 20 BMF, Finanzbericht 2001, S. 11. 21 Vgl. etwa die Glosse „Die Uhr tickt - trotz Hans Eichel" in der FAZ vom 30.12.2000, S. 14 zum Stand der vom Bund der Steuerzahler veröffentlichten Schulden-Uhr, die immer noch einen Schuldenzuwachs der gesamten öffentlichen Hand von 2,544 DM pro Sekunde ausweist. 22 Ein Paradebeispiel hierfür liefert der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf 2000, in dem die Kandidaten Bush (Republikaner) und Gore (Demokraten) umfangreiche Pläne für die Verwendung des prognostizierten Haushaltsüberschusses vorlegten, in denen aber die Rückzahlung der Staatsschulden nur einen untergeordneten Platz fand. Stattdessen plant der siegreiche Bewerber Bush in den kommenden zehn Jahren umfangreiche Steuersenkungen mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Billionen US $ vorzunehmen (vgl. FAZ vom 27.2.2001, S. 17).
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
finanzielle Lage zu verbessern und haushaltspolitische Handlungsspielräume zu gewinnen. Einigkeit besteht dabei aus rechtswissenschaftlicher und politischer Sicht, dass das herkömmliche Mittel zur Verbesserung der staatlichen Finanzlage, die Erhöhung von Steuern und Abgaben, angesichts deren schon jetzt enormen Höhe unter den gegebenen Umständen als nicht probat angesehen wird. Hierzu mag auch die Mahnung des Bundesverfassungsgerichts im „Vermögenssteuerurteir 23 beigetragen haben, in dem das Gericht den sogenannten „Halbteilungsgrundsatz" begründete. 24 So habe nach Aussage des Gerichts die „steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand" zu verbleiben. 25 Diese Aspekte berücksichtigend, konzentrieren sich die Bemühungen der öffentlichen Hand um die Erreichung eines materiellen Haushaltsausgleichs folglich darauf, zum einen die Einnahmeseite des Haushalts auf andere Art und Weise als durch Steuer- und Abgabenerhebung 26 zu erhöhen und zum anderen - und vor allem - die Ausgabenseite von erheblichen Posten zu entlasten.
I. Entlastung der Ausgabenseite Zur Entlastung der Ausgabenseite werden vor allem vier Strategien verfolgt. Zunächst werden gesetzliche Ausgabeverpflichtungen - hauptsächlich mit Hilfe sog. Haushaltsstrukturgesetze - gekürzt. Darüber hinaus wird versucht, die Ausgabenseite durch die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben zu reduzieren. In die gleiche Richtung gehen auch die Bemühungen einzelne Projekte der Infrastrukturpolitik durch Private (vor-)finanzieren zu lassen. Schließlich wird auf der Ebene der Verwaltung durch die Verände23
Vom 22.6.1995, BVerfGE 93, 121 ff. Die Verbindlichkeit und die Auslegung dieses Rechtssatzes ist indes noch ungeklärt und heftig umstritten. So hat der BFH in einem Urteil vom 11.8.1999 (NJW 1999, 3798 f.) sowohl die BindungsWirkung des Halbteilungsgrundsatzes nach § 31 Abs. 1 BVerfGG abgelehnt, da es sich bei ihm nicht um einen tragenden Entscheidungsgrund der Vermögenssteuerentscheidung handele, als auch die Ableitung des Halbteilungsgrundsatzes aus Art. 14 GG verneint. Zu dieser Entscheidung vgl. u.a. Lang, in: NJW 2000, 457 ff.; ironisierend Sendler, in: NJW 2000, 482 ff. 25 BVerfGE 93, 121, 138. 26 Nicht behandelt werden sollen im folgenden die Aspekte der Verschiebung vom Steuer- zum Abgabenstaat (vgl. etwa F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137 ff) und die Einführung neuer Abgabenarten wie etwa der Verleihungsgebühr im Umweltrecht. Deshalb kann auch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen ausgeblendet werden, da es sich hierbei um Abgabenerhebung handelt (vgl. Arndt, in: K & R 2001, 23, 28 ff.). 24
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rung des Haushaltsrechts eine effektivere Verwendung staatlicher Finanzmittel angestrebt. 1. Haushaltsstrukturgesetze Ein wichtiger Schritt zu jeder Haushaltskonsolidierung ist die Anpassung der bestehenden staatlichen Leistungsverpflichtungen an das mit Haushaltsmitteln ohne Kreditaufnahme Finanzierbare. Zwar hat die Gesetzgebung von Verfassungs wegen die Haushaltsplanung sinnvoll zu flankieren, indem sie bei der Begründung und Aufrechterhaltung von Ausgabeverpflichtungen die Finanzierungsmöglichkeiten in kommenden Haushaltsjahren vorausschauend beurteilt 27 , doch besteht angesichts der soeben geschilderten Haushaltslagen offenkundig die weitgehende Tendenz des Gesetzgebers, solche Betrachtungen zu übergehen. Nur durch nachträgliche Anpassung kann daher im Regelfall ein finanzieller Handlungsspielraum für den Haushaltsgesetzgeber wiedergewonnen werden und ein ökonomisch sinnvoller und ausgeglichener Haushaltsplan sichergestellt werden, in dem investive und konsumtive, kurzfristig manipulierbare und langfristig gebundene Ausgaben in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. So ist der Gestaltungsspielraum des Haushaltsgesetzgebers - und damit seine Profilierungsmöglichkeit - nicht nur durch die Zins- und Tilgungsraten, den prognostischen und damit mit Unsicherheiten behafteten Charakter von Haushaltsansätzen sowie die monetären Rahmenbedingungen, sondern auch durch die Festschreibung eines großen Teils der Ausgaben durch Leistungsgesetze erheblich eingeschränkt. 28 Dass bei der Aufstellung des Haushaltsplanes eine solche Bindung des Haushaltsgesetzgebers an die allgemeine 29 (Leistungs-)Gesetzgebung besteht, gilt weithin als unbestritten. 30 Ihre verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, zumal sich keine verfassungsrechtliche Vorschrift finden lässt, die die Vörrangwirkung ausdrücklich anordnet. Herkömmlich wurde die Bindungswirkung mit dem Charakter des Haushaltsplans als nur formellem Gesetz begründet. So wurde argumentiert, dass es sich beim Haushaltsplan nicht um ein Gesetz im materiellen Sinne handele, es demgemäß auch nicht wie ein materielles Gesetz als lex posterior andere Gesetze derogieren könne, d.h. zum Beispiel Leistungsgesetze nicht 27
BVerfGE 79, 311, 330. BVerfGE 79, 311, 329; vgl. auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 18. 29 Der Begriff der allgemeinen Gesetzgebung soll hier als Gegenbegriff zur Haushaltsgesetzgebung verstanden werden. Er ist damit nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzes in Art. 5 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 1 GG zu begreifen. 30 Vgl. etwa Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 10; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 4. 28
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
einfach dadurch außer Kraft setzen könne, dass im Haushaltsplan keine Mittel für die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung bereitgestellt werden. 31 Angesichts der in der Staatsrechtslehre mittlerweile weiter verbreiteten Ablehnung der Unterscheidung von materiellem und formellem Gesetz wird diese Begründung zunehmend als ungenügend empfunden. 32 Moderne Ansätze nähern sich der Argumentation daher weitgehend vom Aspekt des Rechtsstaatsgebots. Ob dabei die befristete Geltung der Haushaltsgesetzgebung oder die mangelnde Publikation der Einzelpläne zum Haushaltsplan die Subordination des Haushaltsplanes unter die allgemeine Gesetzgebung rechtfertigt oder nicht 3 3 , mag hier dahingestellt bleiben. In jedem Fall kann die Vorrangwirkung für Außenrecht, das dem Bürger einen Anspruch zuerkennt, damit gerechtfertigt werden, dass durch die Änderungen im Haushaltsplan weder für den Bürger noch für ein Gericht erkennbar ist, inwieweit ein individueller Anspruch erweitert oder verkürzt wird, da die Zahlungsbewilligungen in einzelnen Haushaltstiteln stets zahlreiche verschiedene Zahlungsvorgänge aggregieren, ohne einen Rückschluss auf den individuellen Anwendungsfall zuzulassen.34 Eine Änderung eines Anspruchs ohne eine solche Erkennbarkeit ist aber mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, so dass die Vorrangwirkung von allgemeinen Gesetzen vor dem Haushaltsplan für Ansprüche hierüber begründbar ist und dem § 3 Abs. 2 HGrG, wonach durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben werden, Verfassungsrang beikommt. 35 Ob ähnliches auch für die Vorrangwirkung von gesetzlichen Verpflichtungen des Staates gilt, denen keine Rechtsansprüche Dritter gegenüberstehen und die nicht kraft gesetzlicher Bestimmung unter Vorbehalt des Haushaltsplanes stehen, sondern ausdrücklich bestimmte Summen für die Ausgabendurchführung vorsehen oder zumindest Regeln für die Bemessung der Mittelbewilligungen aufstellen, ist umstrittener. Ansätze, die die Vorrangwirkung hier damit zu begründen versuchen, dass die parlamentarische Verweigerung der Mittel die Vorschriften über das konstruktive Misstrauensvotum umgehen und einen parlamentarischen Absolutismus begründen würden 36 , erscheinen nicht überzeugend. 37 Überzeugender er31
In diesem Sinne ausdrücklich noch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 10. 32 Vgl. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S, 165 ff.; Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 71; Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 342; Lange, in: Der Staat 11(1972), 311, 320. 33 Dafür Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 348 und S. 344; dagegen Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 168. 34 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 169 f. 35 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 170; Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 69; Lange, in: Der Staat 11 (1972), S. 313, 318. 36 Lange, in: Der Staat 11 (1972), S. 313, 321.
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scheint die Position Moesers, wonach allgemeine Gesetze Ausdruck eines erreichten Konsenses über grundlegende und wichtige Fragen des Gemeinwesens seien, dem nicht nur ein Mindestmaß an Verbindlichkeit für die Zukunft, sondern auch ein Mindestmaß an Verfahrensrichtigkeit zukommen müsse. 38 Dementsprechend müsse eine Abweichung vom gesetzlichen Konsens offen und positiv erfolgen, indem das Gesetz ausdrücklich geändert oder aufgehoben wird, während eine verdeckte faktische Gesetzesauflösung gegen das Prinzip des demokratisch-öffentlichen Willensbildungsprozesses verstoße. 39 Nimmt man eine auf diese Weise begründete Bindungswirkung hin, so bedarf das Haushaltsgesetz der flankierenden Absicherung durch eine Gesetzgebung im außerorganschaftlichen Rechtskreis, welche die Ausgabeverpflichtungen des Staates seinem finanziellen Leistungsvermögen anpasst, um seiner politischen Bedeutung gerecht werden zu können. 40 Das Haushaltsgesetz selber kommt angesichts des BepackungsVerbots in Art. 110 Abs. 4 S. 1 GG hierfür in der Regel nicht in Betracht. Nach dieser Vorgabe darf das Haushaltsgesetz nur Vorschriften enthalten, die sich auf Einnahmen und Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird. Entsprechend hat die Gesetzgebung einen global ändernden neuen 41 Gesetzestypus geschaffen, der als Artikelgesetz Ansprüche und Verbindlichkeiten in verschiedenen Gesetzen streicht oder vermindert. Die phantasievollen 42 Bezeichnungen dieser Gesetze variieren, wobei jedoch die Bezeichnung „Haushaltsstrukturgesetze" am geläufigsten ist 4 3 . Auf Bundesebene sind bis heute mindestens 13 solcher Gesetze verabschiedet worden. 44 Jüngstes Beispiel ist das „Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushaltes (Haushaltssanierungsgesetz - HSanG - ) " vom 22.12.1999. 45 Nachdem der von den Regierungsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag und der Bundesregierung in den Bundesrat eingebrachte Entwurf 4 6 noch die Änderung von insgesamt 33 Einzel37
So zu Recht Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 171 f. Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 72. 39 Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 72; dagegen Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 172. 40 BVerfGE 79, 311, 330; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 19. 41 Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 95 f. in Anschluss an die von Hübe rle entwickelte Lehre von „Gesetzestypen". 42 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 19. 43 Andere Gesetze gleichen Typus tragen die Bezeichnung „Haushaltssicherungsgesetz", Haushaltsbegleitgesetz" oder „Haushaltssanierungsgesetz". 44 Eine Übersicht findet sich bei Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 19; instruktiv auch die diesbezüglichen Ausführungen bei Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 212 f. 45 BGBL I, S. 2534. 38
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
gesetzen47 vorsah, wurden nach Abkoppelung der im Bundesrat zustimmungsbedürftigen Teile der Vorlage 48 durch das HSanG immerhin noch 27 Gesetze geändert. Hierdurch soll allein für den Bundeshaushalt ein Einsparvolumen zwischen 30,4 Milliarden im Jahre 2000 und 49,5 Milliarden D M im Jahre 2003 erzielt werden. 49 Kritik an der Haushaltsstrukturgesetzgebung wird vor allem in Hinblick auf die zeitliche Kürze und den formellen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens geäußert, die den Haushaltsstrukturgesetzen den Charakter einer „Ad-hoc-Gesetzgebung" 50 oder von „Dezembergesetzen" 51 verleihen. So steht die Entwurfserarbeitung, die parallel zur Aufstellung des Haushaltsgesetzes erfolgt, in der Exekutive unter Federführung des Finanzministeriums, was zwar die ökonomische Zielsetzung der Gesetze sichert, sich gleichzeitig aber in inkonsistenten und systemwidrigen Brüchen der geänderten spezifischen Gesetzesmaterien niederschlagen kann und in der Vergangenheit auch hat. 5 2 Dies kann zu einem erheblichen Korrekturbedarf in den parlamentarischen Beratungen führen, die unter Federführung des Haushaltsausschusses stehen, sich bisher bei der Konsistenzkontrolle aber als effektiv erwiesen haben. 53 Durch den zum Teil enormen Zeitdruck bei den Beratungen der Haushaltsstrukturgesetze bedingt, ist hingegen die parlamentarische Kritik, verstanden als Prüfung des haushaltswirtschaftlichen Konzepts der Regierung, wenig ausgeprägt. 54 Diesen mit dem enormen Zeitdruck bei der Verabschiedung verbundenen Nachteilen steht jedoch auch ein erheblicher Vorteil gegenüber. So schaffen der Zeitdruck und der Zwang, die haushaltswirtschaftliche Krise zu meistern, eine günstige Konstellation für die Beschneidung partikularer Interessen und erhöhen generell die Konsensbereitschaft. 55 Auf diese Weise werden Gesetzesänderungen möglich, die ohne
46 Vgl. zu den textidentischen Entwürfen BT-Drs. 14/1523 vom 31.8.1999 und BR-Drs. 473/99 vom 27.8.1999. 47 Die Bandbreite der Gesetze reicht vom Eigenheimzulagegesetz, über Bundessozialhilfegesetz und das Zivilschutzgesetz bis hin zum Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, vgl. im Einzelnen die Inhaltsübersicht, BT-Drs. 14/1523, S. 3. 48 Vgl. die entsprechende Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses BTDrs. 14/2016. 49 BT-Drs. 14/1523, S. 2. 50 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 19. 51 Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 249. 52 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 214; Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 99. 53 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 215 f.; Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 99. 54 Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 99. 55 Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 98 f.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 217.
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den zeitlichen und ökonomischen Druck unter Umständen am Widerstand einzelner Interessengruppen scheitern würden. Ob durch diese Praxis der Haushaltsstrukturgesetze letztlich die juristische Zwangsläufigkeit von Ausgabepositionen seltener gegeben ist als behauptet w i r d 5 6 und damit der Spielraum des Haushaltsgesetzgebers größer ist als vermutet, kann allerdings bezweifelt werden. Da faktisch die meisten allgemeinen Gesetze, gleich ob bindend oder nicht, vom Haushaltsgesetzgeber bedient werden und sonstige faktische Handlungszwänge die Entscheidungsfreiheit des Parlaments behindern 57 , bleibt das Handlungsvolumen des Haushaltsgesetzgebers beschränkt. 2. Aufgabenprivatisierung Das Diktat der leeren öffentlichen Kassen hat in den letzten Jahren auch maßgeblich die Diskussion über die Privatisierung 58 öffentlicher Verwaltungsaufgaben beeinflusst. Nicht ordnungspolitische Argumente, sondern die Finanzpolitik wird weitgehend als die tatsächlich entscheidende Antriebskraft der Privatisierungsdiskussion und -praxis angesehen.59 Durch Privatisierung sollen Kosten gesenkt und Gewinne erhöht, staatliche Ausgaben reduziert und Einnahmen gesteigert werden, um so die Situation der 56
So Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 19. Auf diese Aspekte weist Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 328 zu Recht hin. 58 Ob der Begriff „Privatisierung" in der Lage ist, die sich herausbildenden Formen eines nahezu stufenlosen Übergangs zwischen den Sphären privat und staatlich durch seine „Alles-oder-nichts-Kategorien" zu erfassen, erscheint mehr als fraglich. Schuppen, in: König/Benz, S. 544; ders., in: StWiss 5 (1994), 541, 543. bezeichnet „Privatisierung" daher allgemein als in Begriff und Programm zu stark simplifizierende Bezeichnung für sehr komplexe Vorgänge. Verstärkt wird dieses Problem noch durch das Fehlen eines einheitlichen Privatisierungsbegriffs und einer einheitlichen Privatisierungssystematik (zu diesem Befund vgl. etwa Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 250; Lee, Privatisierung, S. 20; Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 543). 59 Vgl. etwa Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 213; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 257; Schoch, in: DVB1 1994, 962, 967; Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 546; Krölls, in: GewArch 1995, 129, 133; König/Benz., in: König/ Benz, S. 42 f.; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 44. Die Bundesregierung benennt die Unterstützung der Haushaltskonsolidierung sogar als ausdrückliches Ziel ihrer Privatisierungspolitik (vgl. BT-Drs. 14/4696, S. 3). Ob eine derartige unter fiskalischen Gesichtspunkten geführte Diskussion allerdings überhaupt noch als Privatisierungsdiskussion verstanden werden kann, erscheint fraglich. Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 214 schlägt vor, die staatliche Entscheidung „Wir machen das nicht mehr, weil wir es nicht bezahlen können" um Missverständnisse zu vermeiden, nicht Privatisierung zu nennen. Zustimmend Schuppert, in: StW 5 (1994), 541, 546. 57
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
öffentlichen Haushalte zu verbessern. 60 Die Entwicklung macht insoweit auch nicht vor ehemals als Kernbestand staatlicher Gewalt betrachteten Institutionen wie Gefängnissen halt. 6 1 Dabei bedarf es jedoch einer differenzierten Betrachtung, welche fiskalischen Effekte durch welche Form der Privatisierung erreicht werden sollen. Gemeinsames Merkmal aller dieser als Privatisierung erfassten Sachverhalte ist lediglich eine stärkere Orientierung in Richtung auf den privaten Sektor. 62 a) Formelle Privatisierung Bei der formellen, oder Organisations-Privatisierung, bei der sich der Verwaltungsträger zur Erfüllung einer bestimmten Verwaltungsaufgabe der Formen des Privatrechts durch Schaffung einer Eigengesellschaft bedient, die Aufgabe aber als Staatsaufgabe definiert bleibt 6 3 , dominiert der Aspekt der Kostenersparnis durch effektivere Aufgabenerfüllung. Durch die bei privatrechtlichen Akteuren mögliche Befreiung von den „Fesseln des öffentlichen Dienst- und Haushaltsrechts" sollen beträchtliche Kostensenkungen erreicht werden. 64 So konnte etwa bei der Deutschen Bahn AG durch die Abschaffung des Beamtenstatus und die Herabsetzung der Eingangstarife für neue Mitarbeiter die Personalkostenentwicklung erheblich positiv beeinflusst werden, wobei von einer Verringerung des Finanzbedarfs des Bundes für den Zeitraum von 1994 bis 2003 von 139 Milliarden D M ausgegangen wird. 6 5 Gleichzeitig soll es einer privatrechtlichen Gesellschaft im Bereich 60 Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 44; Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 546. 61 Zur Privatisierung von Gefängnissen vgl. aus dem umfassenden Schrifttum nur die Übersicht bei Laubenthal, Strafvollzug, Rdnr. 32, S. 13 (mit umfangreichen Vergleichen zur Entwicklung in den USA); zu den Privatisierungsplänen der hessischen Landesregierung FAZ v. 25.3.1999, S. 7. 62 König/Benz, in: König/Benz, S. 29; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 251. Dabei ist freilich bereits die Trennung zwischen dem Sektor „Staat" und dem Sektor „Privat" nicht anhand einer scharfen Trennlinie zu ziehen, sondern unter Berücksichtigung vieler Zwischenformen. So nennt Schuppert, in: Ipsen, Privatisierung, S. 23 f. insgesamt sieben verschiedene Sektoren (Staat, Selbstverwaltung, ParaGovernment-Organizations, organisierte Interessen, Vereinswesen, Selbstorganisation und Markt) im Grenzbereich zwischen öffentlicher Verwaltung und Selbststeuerung. 63 Vgl. etwa Schock, in: DVB1 1994, 962; Schuppert, in: König/Benz, S. 543; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 251, Fn. 41. 64 Krölls, in: GewArch 1994, 129, 133; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 46. Kritisch zu dieser Vorgehens weise Monopolkommission, Neuntes Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, Tz. 46, S. 24 und Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 215, die stattdessen eine Anpassung des öffentlichen Dienst- und Haushaltsrechts an die Erfordernisse effektiver Erfüllung von Verwaltungsaufgaben fordern. 65 Krölls, in: GewArch 1994, 129, 133. Vgl. auch die Prognosen in BT-Drs. 12/ 4609, S. 54.
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hochspezialisierter Tätigkeiten möglich sein, durch Gehaltszahlungen auf Marktniveau hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, um auf diese Weise die Effizienz der Verwaltung zu steigern und letztlich zur Kostenminimierung beizutragen. 66 Schließlich wird allgemein eine erhöhte Effizienz privatrechtlicher Organisationsformen gegenüber klassischer öffentlich-rechtlicher Verwaltung angenommen. 67 b) Materielle Privatisierung Bei der materiellen oder echten Aufgabenprivatisierung wird eine vormals staatliche Betätigung vollständig in den privaten Sektor übertragen, so dass die Leistungserbringung ihren im weiteren Sinne öffentlichen Charakter verliert. 68 In finanzieller Hinsicht ergeben sich bei dieser Art der Privatisierung zweierlei Vorteile. Zum einen tritt durch die Reduzierung des Aufgabenbestandes eine (auch finanzielle) Staatsentlastung ein. 6 9 Die öffentliche Hand ist auf Dauer von den Kosten für die Erstellung einer Leistung befreit. Sie besitzt die Möglichkeit zur (langfristigen) Senkung der Personalkosten durch Freisetzung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, bzw. durch eine restriktivere Einstellungspolitik. 70 Auf der anderen Seite ist eine materielle Aufgabenprivatisierung in der Regel mit einer Vermögensprivatisierung verbunden, durch die die Einnahmeseite - wenn auch häufig nur einmalig - erhöht wird. Bei der Betrachtung der finanziellen Auswirkungen einer materiellen Aufgabenprivatisierung dürfen jedoch nicht die nach der Privatisierung fortbestehenden oder neu begründeten Tätigkeitspflichten der öffentlichen Hand außer Ansatz gelassen werden. Sieht man Privatisierung als Prozess an, der sich nicht in der Privatisierungsentscheidung und ihrer Implementierung erschöpft, verbleiben auch nach vollständiger Übertragung Verantwortlichkeiten beim Staat bestehen.71 Dieser bleibt von Verfassungs wegen für das Gemeinwesen verantwortlich, so dass sich 66
Diese Argument spielt eine entscheidende Rolle bei der Diskussion über die beabsichtigte Organisationsprivatisierung der Bundesschuldenverwaltung, für die qualifizierte Investmentbanker angestellt werden sollen. 67 Z.B. Krölls, in: GewArch 1994, 129, 134 f.; zu diesem Aspekt umfassend N. Müller, Rechtsformwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Institutional Choice), insbesondere S. 299 ff. Die Bundesregierung führt für die Errichtung der „Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH" und einer „Debt Management GmbH" anstelle der bisherigen Bundesschuldverwaltung genau solche Effizienzgesichtspunkte an (vgl. BT-Drs. 14/4696, S. 2). 68 Vgl. etwa Schock, in: DVB1 1994, 962; Schuppert, in: König/Benz, S. 543; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 251, Fn. 41. 69 Schoch, in: DVB1 1994, 962, 963; Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 543. 70 Krölls, in: GewArch 1994, 129, 133. 71 Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 553; ders., in: König/Benz, S. 569.
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
an die Privatisierung selbst öffentliche Beobachtung, Kontrolle und fortwährende Steuerung des Ausgleichs von öffentlichen und privaten Interessen anschließt - die unmittelbare Aufgabenwahrnehmung wird durch unterschiedlichste Formen der Einflussnahme, Überwachung, Reglementierung und Regulierung substituiert. 72 Dabei kann bei der materiellen Aufgabenprivatisierung zwischen drei 7 3 Formen der fortbestehenden Verantwortung differenziert werden 74 : Der Kontrollverantwortung, womit Aufsichtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und Privaten angesprochen sind, die sich etwa aus der Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private ergeben können; der Privatisierungsfolgenverantwortung, worunter Tatbestände gefasst werden, die der Verwaltung nach Durchführung der Privatisierungsmaßnahme weitergehende Verantwortlichkeiten für die Konsequenzen dieser Maßnahme auferlegen, etwa Verantwortlichkeiten für vorhandenes Personal (z.B. Art. 143a Abs. 1 S. 2 und Art. 143b Abs. 3 GG); sowie die Beobachtungsverantwortung, die ganz allgemein die Pflicht der Verwaltung bezeichnet, die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auge zu behalten und etwa zu beobachten, ob die staatliche Rahmensetzung für private Tätigkeiten ausreichend ist oder einer Korrektur bedarf. Die durch die Wahrnehmung dieser entsprechenden Tätigkeiten entstehenden Kosten sind bei einer Kostenbilanz der Privatisierung zu berücksichtigen.
c) Funktionale Privatisierung Bei der funktionalen Privatisierung schließlich wird der Vollzug einzelner Aufgaben der öffentlichen Verwaltung oder öffentlicher Betriebe auf private Unternehmen übertragen ,wobei im Unterschied zur materiellen Privatisierung die Letztverantwortung für die Aufgabenerledigung beim Träger öffentlicher Gewalt verbleibt. 75 Es geht lediglich um die Einschaltung Privater in die Aufgabenwahrnehmung, wobei auf den verschiedensten Ebenen 72
Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 277. Diese Maßnahmen reichen hin bis zum Wettbewerbs- und Kartellrecht und sollen die private Aufgabenerfüllung sicherstellen. Der Staat wird vom Erfüllungs- oder Leistungsstaat zum Gewährleistungsoder Regulierungsstaat (Schuppert, in: König/Benz, S. 559). 73 Der vierte allgemein genannte Verantwortungstypus, die Erfüllungsverantwortung, bei der den Verwaltungsträger die volle Einstandspflicht für die Aufgabenerfüllung trifft, die durch entsprechende Vorkehrungen bis hin zur Rückholpflicht abzusichern ist (Bauer, in. VVDStRL 54 (1994), 243, 278), kann nur bei der funktionalen Privatisierung auftreten, während die materielle Privatisierung definitionsgemäß die Aufgabe der Erfüllungsverantwortung voraussetzt. 74 Vgl. zum folgenden Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 279 f.; Schuppert, in: StWiss 5 (1994), 541, 553 f. ders., in: König/Benz, S. 569. 75 Vgl. etwa Schoch, in: DVB1 1994, 962, 963; Schuppert, in: König/Benz, S. 544; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 252.
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eine Privatisierung erfolgen kann, so etwa auf der bloßen Finanzierungsebene oder auf der Durchführungsebene. 76 Der fiskalische Aspekt solcher Privatisierungen liegt weitgehend auf der Ebene der Kostenersparnis. A m deutlichsten wird dies, sofern der staatliche Teiltätigkeitsbereich Finanzierung betroffen ist, d.h. allein die Finanzierung einer bestimmten Aufgabe wie etwa Bau und/oder Betrieb einer Infrastruktureinrichtung auf einen Privaten übergeht, die Verantwortung für die letztliche Aufgabenerfüllung aber beim Staat als Schuldner verbleibt. Diese Art der funktionalen Privatisierung, die als Finanzierungsprivatisierung zum Teil als eigenständige Privatisierungskategorie angesehen wird 7 7 , soll an späterer Stelle gesondert betrachtet werden, da es bei ihr nicht so sehr um eine allgemeine Entlastung des Haushalts, sondern um die zielgerichtete Finanzierung einzelner Projekte und Dienstleistungen geht. 78
d) Vermögensprivatisierung Eindeutig ist der fiskalische Effekt schließlich auch bei der Vermögensprivatisierung, verstanden als der Übertragung von Eigentum an einem öffentlichen Unternehmen oder einer öffentlichen Einrichtung an Private 79 . Systematisch steht hier die Erlöserzielung, also die Erhöhung der Einnahmeseite des öffentlichen Haushalts im Mittelpunkt 8 0 , so dass die Vermögensprivatisierung dort zu behandeln ist. 8 1 Sie unterscheidet sich insoweit von den vorher genannten Typen, als dass sie sich nicht unmittelbar auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe beziehen muss. Vielmehr steht sie nur im Zusammenhang mit letzterer, so dass Vermögensprivatisierungen mit jeder der anderen bisherigen Privatisierungstypen kombiniert auftreten können. 82
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Schuppen, in: StWiss 5 (1994), 541, 544. Schuppen, in: StWiss 5 (1994), 541, 545; ders., in: König/Benz, S. 543. 78 Zur Finanzierungsprivatisierung im einzelnen s. 2. Teil, 1. Kap., B. I. 3. 79 Vgl. etwa Schoch, in: DVB1 1994, 962; Schuppen, in: König/Benz, S. 543; Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 251, Fn. 41; von Loesch, Privatisierung, S. 42. Lee, Privatisierung, S. 25 und 158, unterscheidet bei der Vermögensprivatisierung noch zwischen einer solchen mit Eigentumsänderung (Vermögensprivatisierung i.w.S.) und einer solchen ohne Eigentumsübergang (Vermögensprivatisierung i.e.S.), die auch die Abgabe an Nutzungs- (Vermietung, Verpachtung) und Verfügungsrechten (Abbaurechte) an öffentlichem Eigentum erfassen soll. 80 König/Benz, in: König/Benz, S. 29. 81 s.u. 2. Teil, 1. Kap., B. II. 82 Lee, Privatisierung, S. 160. 77
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen 3. Finanzierungsprivatisierung
W i l l die Veräußerung von (Verwaltungs-)Vermögen auf der Einnahmeseite und die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben auf der Ausgabenseite die allgemeine Liquidität des Gesamthaushaltes ohne Steuer- und Abgabenerhöhung erhöhen, so werden bei denen unter den Bezeichnungen „Finanzierungsprivatisierung" oder „Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur" zusammengefassten Modellen konkrete staatliche Aufgaben ohne Ausgabetitel im Haushalt erfüllt, indem sie durch Dritte (vor-)finanziert werden. 83 Da insoweit nur ein Teil der Aufgabenerfüllung - nämlich die Finanzierung - auf einen Privaten übertragen wird, die Letztverantwortung für die Aufgabenerfüllung aber beim Staat bleibt, kann die Finanzierungsprivatisierung als Sonderfall der funktionalen Privatisierung angesehen werden. Neben dem Ziel der Haushaltsentlastung wird für eine private Finanzierung öffentlicher Infrastruktur ins Felde geführt, dass diese zu zusätzlichen und beschleunigten Infrastrukturinvestitionen führe („Einkauf von Zeit") , sie volkswirtschaftlich sinnvoll sei, wenn so mehr Wachstum, Einkommen und Beschäftigung bewirkt werde, sie eine wirksame Ergänzung einer unter dem Moto „Mehr Markt, weniger Staat" stehenden Wirtschaftspolitik sei und internationale Erfahrungen bewiesen hätten, dass private Anbieter im Wettbewerb häufiger effizienter und kostengünstiger arbeiten könnten als die öffentliche Hand. 8 4 Vor allem im Bereich des Baus öffentlicher Straßen haben Formen der privaten Finanzierung in den letzten Jahren in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewonnen. Aber auch im Bereich zumindest des Baus von Strafvollzugsanstalten sind in jüngster Zeit Impulse für eine private Finanzierung gesetzt worden. 85 Im Ausland, vor allem in Großbritannien, werden unter dem Titel „Privat Finance Initiative" firmierende Modelle zur Realisierung des Wunsches der öffentlichen Hand, die enormen und zugleich unabwendbar notwendigen Investitionen im öffentlichen Sektor zu realisieren, ohne zugleich die Staatsfinanzen über Gebühr zu belasten, schon seit längerer Zeit in vielfältigen Sektoren genutzt. 86 Begrifflich verschleiern die verwendeten Bezeichnungen „Private Finanzierung" oder „Finanzierungsprivatisierung" dabei allerdings die Tatsache, dass an sich jegliche staatliche Aktivität durch die Steuerzahlungen der Bürger „privat" finanziert ist, was freilich nicht unter dem Aspekt der Fi83
Diese plakative Gegenüberstellung findet sich bei F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 243. 84 Vgl. Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 14 ff. 85 Vgl. etwa Kulas, Privatisierung, S. 122 ff. 86 Eine Übersicht über die Lage in Großbritannien liefern Levine/Seewals, in: RIW 2000, 274 ff.
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nanzierungsprivatisierung diskutiert wird. Ebenso wenig kann bei der Finanzierung materiell privatisierter Aufgaben nicht von Finanzierungsprivatisierung gesprochen werden, da der Staat hier ja bereits mit der Aufgabenübertragung auch aus der Finanzierungsverantwortung ausgeschieden ist. 8 7 Die für die Privatfinanzierung im einzelnen entwickelten Lösungen sind mannigfaltig 88 , können aber grob in zwei verschiedene Hauptgruppen unterteilt werden. a) Formelle (unechte) Finanzierungsprivatisierung Keine Finanzierungsprivatisierung im eigentlichen Sinne liegt vor, wenn die Finanzierung einer öffentlichen Infrastrukturmaßnahme statt über den Staatshaushalt über eine organisationsrechtlich eigenständige Finanzierungsund Projektgesellschaft erfolgt, die als selbstständige juristische Person des Privatrechts im eigenen Namen Verbindlichkeiten eingeht, aber vollständig oder zum überwiegenden Teil im Eigentum des Bundes, der Länder oder kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften steht. Insoweit kann lediglich von einer formellen (unechten) Finanzierungsprivatisierung gesprochen werden, da der Staat Träger der Finanzierungsverantwortung bleibt, sie aber nur organisatorisch in privatrechtliche Form überführt. 89 Ziel des Einsatzes solcher Finanzierungs- und Projektgesellschaften ist die Erzielung von Effizienzvorteilen, etwa durch die Nutzung privaten Know-hows und die schnellere Realisierung von Vorhaben, für die im allgemeinen Haushalt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stünden. Aktuelles Beispiel einer solchen organisationsrechtlich verselbständigten Gesellschaft ist die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Baugesellschaft (DEGES) und die in der Zeit von 1955 bis 1961 und von 1964 bis 1973 tätige „Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten A G " (Öffa). b) Funktionale Finanzierungsprivatisierung Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein nicht bloß organisationsrechtlich Privater die (Vor-)Finanzierung des Infrastrukturvorhabens übernimmt. Hier verbleibt die zu erfüllende öffentliche Aufgabe grundsätzlich beim Staat, die Finanzierungsaufgabe als Teilaspekt der mehrgliedrigen 87 Insoweit geht hier die materielle Aufgabenprivatisierung zwangsläufig mit einer materiellen Finanzierungsprivatisierung einher; so auch Zeiss, Privatfinanzierung, S. 65, der die materielle Finanzierungsprivatisierung aber dennoch als eigene Kategorie der Finanzierungsprivatisierung einführt. 88 Eine aktuelle Übersicht über die Vertragsstrukturen liefert jüngst Zeiss, Privatfinanzierung, S. 27 ff. 89 Zeiss, Privatfinanzierung, S. 62 f. 6 Fleischmann
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
Aufgabenerfüllung wird jedoch (funktional) auf Private übertragen. 90 Dabei sind wiederum drei Varianten denkbar. aa) Leasing-Modelle Beim sog. „Leasing-Modell" finanziert, errichtet oder kauft eine LeasingGesellschaft ein nach den Interessen und Vorstellungen des öffentlichen Leasingnehmers konzipiertes Investitionsobjekt, das sie anschließend dem Leasingnehmer gegen Zahlung einer Leasingrate zur Nutzung zur Verfügung stellt. 91 Sofern das Investitionsobjekt auf staatlichen Grundstücken errichtet wird, erwirbt der Investor das Eigentum am Investitionsobjekt in der Regel über ein ihm vorher eingeräumtes Erbbaurecht. 92 Nach Ablauf der längerfristigen Anmietung - aus steuerrechtlichen Gründen in der Regel 27 Jahre - erhält die öffentliche Hand die Möglichkeit, das Objekt entweder zum Restwert zu erwerben oder zu einem neu zu kalkulierenden Mietzins weiterhin zu mieten. Solche Leasing-Modelle haben sich in der Praxis jedoch als nicht erfolgreich erwiesen, da die Hoffnung des Staates, der Leasinggeber könne ihm infolge steuerlicher Vorteile durch die Abschreibung der Investition niedrige Leasingraten gewähren, enttäuscht wurde. So ist der Leasinggeber nur dann zur Vornahme steuerlicher Abschreibungen berechtigt, wenn er auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Eigentümer anzusehen ist. Er kann jedoch nicht als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden, wenn es sich bei dem Leasinggut um ein Wirtschaftsgut handelt, das derart auf die spezifischen Bedürfnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist, dass es aufgrund seiner konkreten Beschaffenheit nach Ablauf der Grundmietzeit ohne wesentlichen Veränderungen allein von ihm noch wirtschaftlich genutzt werden kann und für das betroffene Gut kein Markt besteht. Ein derartiger Fall des Spezial-Leasing wird beim Leasing von Infrastrukturgütern jedoch im Regelfall vorliegen, da eine Fertigung exakt nach den Vorstellungen der öffentlichen Verwaltung Bedingung für das Modell ist. 9 3
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Zeiss, Privatfinanzierung, S. 63 f. Zum Leasing-Modell vgl. etwa Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 29 ff.; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 49 ff.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 142; Zeiss, Privatfinanzierung, S. 35 ff.; Rehm, in: Ipsen, Privatisierung, S. 99 ff. 92 Vgl. etwa die bei Ipsen, Privatisierung, S. 169 ff. abgedruckten Musterverträge, die in dieser Form vom Landkreis Hildesheim erarbeitet und verwendet wurden. 93 Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 50 f.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 142; Rehm, in: Ipsen, Privatisierung, S. 101; vgl. auch Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 34 ff. 91
1. Kap.: Die tatsächlichen Rahmenbedingungen
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bb) Konzessionsmodelle Beim dem dem Leasing-Modell ähnelnden, aber auf dessen steuerrechtliche Anreize verzichtenden, sog. „Konzessionsmodell" 94 verpflichtet sich ein privater Investor, auf einem dem Staat gehörigen Grundstück ein bestimmtes, staatlich geplantes Vorhaben zu errichten und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu finanzieren. 95 Nach Fertigstellung wird ihm vom Staat dann das Recht eingeräumt, das Objekt für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen („Konzession"). Dieses Recht überträgt er jedoch wiederum in einem gesonderten Vertrag an den Staat zurück, der ihm dafür ein für einen bestimmten Zeitraum in jährlichen Raten zu entrichtendes Nutzungsentgelt zahlt. Dieses kann entweder wie beim Leasing-Modell in festen Raten oder nutzungsabhängig, d.h. in Abhängigkeit von der Zahl der privaten Nutzer der Infrastruktureinrichtung, festgesetzt werden. 96 Nach Ablauf des Konzessions Vertrages fällt das Objekt automatisch an den staatlichen Träger zurück, da dingliche Rechte zugunsten des privaten Investors in der Regel nicht bestellt werden. Entsprechende Konzessionsmodelle sind nach einem Beschluss der Bundesregierung vom 29.1.1992 auf Bundesebene mehrfach erprobt worden. Neben dem Neubau des Engelbergtunnels in Leonberg bei Stuttgart im Zuge der A 81 als Pilotprojekt sind bis 1999 insgesamt 12 weitere Fernstraßenprojekte mit einem Gesamtvolumen von ca. 4,5 Milliarden D M für die private Finanzierung vorgesehen. 97 Mit diesem Konzessionsmodell verwandt 98 ist die Verwendung finanzierter Werkverträge, bei denen der private Ersteller eines Infrastrukturprojekts dem staatlichen Auftraggeber eine Frist zwischen dem Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Bezahlung in der Art und Weise einräumt, dass der staatliche Auftraggeber ratenweise das Entgelt für die Leistungserstellung und die Finanzierung durch den Privaten zahlt. 99 Bei dem im Land Rheinland-Pfalz zur Privatfinanzierung des Straßenbaus entwickelten sog. 94
Abweichend in der Terminologie Zeiss, Privatfinanzierung, S. 59, der dieses Modell als „Submissionsmodell" bezeichnet. Zur Begründung verweist Zeiss auf die irreführende Verwendung des Wortes „Konzession", da eine solche im wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Sinne nicht erteilt werde (S. 50). Ebenso Monopolkommission, Neuntes Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, Tz. 44, S. 23. 95 Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 41 f.; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 53 ff.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 143. 96 Bei nutzungsabhängiger Festsetzung der Entgelte wird auch von einem „Mischmodeir gesprochen (Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 42 ff.). 97 Vgl. die Auflistung der einzelnen Projekte bei Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 54. 98 Zeiss, Privatfinanzierung, S. 46 ff. ordnet die finanzierten Werkverträge den Leasing-Modellen zu, berücksichtigt die Konzessionsmodelle im herkömmlichen Sinne aber nicht als eigene Kategorie. 99 Zeiss, Privatfinanzierung, S. 46. *
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
„Mogendorfer Modell" etwa schließen das Land und ein Bauunternehmer neben dem Werkvertrag über die Bauleistung einen „Kreditvertrag", worin der Unternehmer dem Land die Werklohnforderung in der Art stundet, dass dieses den Betrag nebst Zinsen über einen Zeitraum von 20 Jahren in Raten zu zahlen hat. 1 0 0 Der Vorteil für die öffentliche Hand liegt hier wie beim Leasing und beim Konzessionsmodell darin, eine schon in der Gegenwart in Anspruch genommenen Leistung erst später bezahlen zu müssen und im Haushaltsplan lediglich die jährlichen Ratenzahlungen auf der Ausgabenseite verbuchen zu müssen. Dementsprechend begegnet die Finanzierungsform des finanzierten Werkvertrags ebenso wie das Konzessionsmodell erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Rechtliche Probleme ergeben sich beim Konzessionsmodell wie bei den finanzierten Werkverträgen unter drei Gesichtspunkten: dem Grundsatz der Vollständigkeit und Wahrheit des Haushaltes, den Regelungen über die staatliche Kreditaufnahme und dem Wirtschaftlichkeitsprinzip. Ein Verstoß gegen Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG, wonach alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen sind, wird jedoch weitgehend abgelehnt. 101 So fließen der öffentlichen Hand beim Konzessionsmodell weder Einnahmen im haushaltsverfassungsrechtlichen Sinne zu, die als Deckungsmittel zur Haushaltsfinanzierung bereit stehen, noch können ihm die Krediteinnahmen des privaten Investors zugerechnet werden, was nach überwiegender Meinung 1 0 2 nur dann der Fall ist, wenn (1) der Staat an dem Dritten maßgeblich beteiligt ist, (2) der Dritte im Auftrag des Staates handelt, (3) es dadurch zu einem gleichzeitigen Geldzufluss an den Staat kommt oder der Staat sich fällige Geldausgaben erspart, (4) der Staat diese Geldmittel zur Finanzierung von Staatsaufgaben verwendet und (5) der Staat den Finanzdienst (Tilgung und Zinszahlung) wirtschaftlich übernimmt. Aus den gleichen Gründen liegt in der Kreditaufnahme des Investors auch keine nach Art. 115 GG zu behandelnde staatliche Kreditaufnahme. Versteht man bei ökonomischer Auslegung des Art. 115 Abs. 1 GG als Kredit jede vertragliche Überlassung von Geld an den Staat, die bei ihm zu einem Liquiditätszufluss, aber auch zu einer Rückzahlungspflicht führt 1 0 3 , kann nach überwiegender Ansicht auch im fremdfinanzierten Bau 100 Zur genauen Ausgestaltung der Verträge, insbesondere zur technischen Abwicklung der Zahlungsansprüche zwischen Land, Unternehmer und finanzierender Bank vgl. den Sachverhalt der Entscheidung des VerfGH Rh-Pf vom 20.11.1996 zur Verfassungsmäßigkeit des Mogendorfer Modells, in: DÖV 1997, 246. 101 Etwa VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 146; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 58 f.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 143 ff.; a.A. offenbar Ekardt, in: VB1BW 1997281, 287. 102 VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 146; Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 145; Wendt, in: Ipsen, Privatisierung, S. 45 und 47.
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der Infrastrukturmaßnahme keine Kreditaufnahme erblickt werden, da Ziel der Privatfinanzierung nicht die Geldbeschaffung zum Zwecke des Haushaltsausgleichs, sondern die möglichst schnelle Verfügbarkeit der Einrichtung i s t . 1 0 4 Eine Ausnahme ist hier nur zu machen, wenn die öffentliche Hand die mit mehrjährigem Zahlungsziel erworbenen Güter weiterveräußern und den Erlös zwischenzeitlich zur Haushaltsdeckung verwenden kann und w i l l . 1 0 5 Nach Ansicht des Bundesrechnungshofs hingegen müsse allerdings zumindest dann eine Kreditaufnahme angenommen werden, wenn der private Investor seine Forderungen gegen die öffentliche Hand an ein Kreditinstitut abtrete und die öffentliche Hand deshalb rechtlich und wirtschaftlich nicht anders stünde als bei direkter Aufnahme eines Kredits. 1 0 6 Als besonders problematisch erweist sich die Wirtschaftlichkeit 107 der Konzessionsmodelle. So wird davon ausgegangen, dass die Finanzierung auf der Grundlage des Konzessionsmodells regelmäßig teurer ist als eine staatliche Finanzierung. 108 Dies ist zum einen durch die Existenz privaten Gewinninteresses bedingt, was dazu führt, dass die Nutzungsentgelte so kalkuliert werden, dass das eingesetzte Privatkapital auch bei einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung Gewinn abwirft. Zum anderen ist es der öffentlichen Hand aus Bonitätsgründen möglich, auf den Kapitalmärkten Kredite zu günstigeren Zinskonditionen zu erhalten als private Investoren 1 0 9 , während sie bei einer privaten Vorfinanzierung die höheren Zins Verpflichtungen des Privatinvestors über die Nutzungsentgeltzahlungen mittragen muss. Ein solcher Zinsnachteil kann allerdings zum Teil dadurch minimiert werden, dass der Investor die zukünftigen Nutzungsentgeltansprüche gegen die öffentliche Hand an die ihn finanzierende Bank abtritt („Forfaitierung"), während die durch die Einschaltung eines Dritten entstehenden Zusatzkosten auch auf diese Weise nicht beseitigt werden können. 1 1 0 Ob 103
Ausführlich zum Kreditbegriff s.u. 3. Teil, 1. Kap., B. II. 1., wie hier auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 20; F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 247; Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120; Friauf, in: HStR IV, §91, Rdnr. 26; FischerMeinshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 8; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 10. 104 Grupp, in: DVB1 1994, 140, 145; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 60; Höfling, in: DÖV 1995, 141, 146. 105 So Grupp, in: DVB1 1994, 140, 145; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 60. 106 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1995, BT-Drs. 13/26000, S. 60. 107 Zur haushaltsverfassungsrechtlichen Kategorie der Wirtschaftlichkeit ausführlich s.u. 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. c). 108 Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 32; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 56; Ekardt, in: VB1BW 1997, 281, 284. 109 Nach Ekardt, in: VB1BW 1997, 281, 284 beträgt die Zinsdifferenz mindestens 4% pro Jahr.
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diesen höheren Kosten aber ein entsprechend gesteigerter Nutzen entspricht, so dass die Wirtschaftlichkeit gewahrt bleibt, ist indes mehr als fraglich. Zwar ist es nicht zu bestreiten, dass die Realisierung von Infrastrukturprojekten, für die dem Staat zur Zeit keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, positive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft zeitigen kann, doch vermögen diese wirtschaftlichen Impulse die Mehrkosten nicht aufzuwiegen. Zum einen gilt es zu bedenken, dass sich die wirtschaftlichen Vorteile auch bei einer staatlichen Finanzierung realisieren ließen und eine solche im Kreditwege - wenn auch die Aufnahme von staatlichen Krediten verfassungsmäßigen Restriktionen unterliegt - im Regelfall zu realisieren wäre. 1 1 1 Darüber hinaus werden die finanziellen Probleme der öffentlichen Hand durch das Konzessionsmodell auch nicht gelöst, sondern lediglich in die Zukunft verlagert, da durch die Zahlung der Nutzungsentgelte ab Projektfertigstellung künftige Haushalte belastet werden, in denen dadurch dann wiederum weniger Projekte realisiert werden können. 1 1 2 cc) Betreibermodelle Aufgrund dieser rechtlichen Schwierigkeiten wird schließlich verstärkt über den Einsatz sog. „Betreibermodelle" nachgedacht. Bei diesen übernimmt das private Unternehmen Finanzierung, Bau und Betrieb des Infrastrukturobjekts, wobei die Refinanzierung durch die Erhebung leistungsabhängiger Entgelte von den späteren Nutzern erfolgt. 1 1 3 Als alternative Bezeichnungen für diese in Deutschland bisher vor allem im Bereich der Abwasserbeseitigung 114 eingesetzte und im Ausland umfangreicher ge110
Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 57. Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 63; Bundesrechnungshof; Bemerkungen 1995, BT-Drs. 13/2600, S. 60. 112 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1995, BT-Drs. 13/2600, S. 59 f.; Ekardt, in: VB1BW 1997, 281, 285; so offensichtlich auch die Position der Bundesregierung, vgl. BT-Drs. 14/4696, S. 16. 113 Zum Betreibermodell vgl. etwa Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 22 ff.; Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 64 ff.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 142; mit abweichender Terminologie Zeiss, Privatfinanzierung, S. 53 ff., der „Betreibermodelle", in denen der Privatinvestor Entgelte direkt vom Bürger erhebt als „direkte Betreibermodelle" oder „Konzessionsmodelle" bezeichnet. Letztere Bezeichnung findet sich auch bei Monopolkommission, Neuntes Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, Tz. 44, S. 23. 114 Das von Rehm, in: Ipsen, Privatisierung, S. 105 ff. vorgestellte „Niedersächsische Betreibermodell" auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung ähnelt jedoch eher einem vorfinanzierten Werkvertrag im Sinne dieser Arbeit. So plant, baut und finanziert der Private die zum Transport und zur Reinigung des Abwassers notwendigen Einrichtungen, deren Eigentümer er auch wird. Seine Refinanzierung erfolgt durch von der öffentlichen Hand an ihn gezahlte Entgelte, die diese wiederum aus 111
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nutzte Finanzierungsart sind auch „Mautmodell" oder „Build-OperateTransfer-Modell (BOT)" geläufig. Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind solche Modelle in Deutschland durch das „Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (FStrPrivFinG)"vom 30.8.1994 (BGBl. I, S. 2243) 1 1 5 möglich geworden. Gem. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes können Private Aufgaben des Neu- und Ausbaus von Bundesfernstraßen auf der Grundlage einer Gebührenfinanzierung wahrnehmen. Ein Privater, dem der Bau, die Erhaltung, der Betrieb und die Finanzierung zur Ausführung übertragen worden ist (§ 1 Abs. 2 FStrPrivFinG), erhält nach § 2 FStrPrivFinG das Recht zur Erhebung von Mautgebühren für die Benutzung von neu errichteten Brücken, Tunneln und Gebirgspässen im Zuge von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 FStrPrivFinG) sowie von mehrstreifigen Bundesstraßen mit getrennten Fahrbahnen für den Richtungsverkehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 FStrPrivFinG). Das Aufkommen der Mautgebühren steht dem Privaten zu (§ 2 S. 2 FStrPrivFinG). Die Höhe der Mautgebühren richtet sich nach den Kosten für Bau, Erhaltung, Betrieb und weiteren Ausbau des neu errichteten Straßenabschnitts (§ 3 Abs. 2 FStrPrivFinG), wobei die konkrete Höhe durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr bestimmt werden kann (§ 3 Abs. 3 FStrPrivFinG). Pilotprojekt für die Umsetzung des im FStrPrivFinG geregelten Betreibermodells ist der Bau der Warnow-Querung im Zuge der B 103 bei Rostock. Weitere 17 Fernstraßenprojekte sollen nach dem Willen des Bundesministeriums für Verkehr von den Ländern auf ihre Realisierbarkeit nach dem FStrPrivFinG überprüft werden. 1 1 6 Ebenso wie die Leasing-, Konzessions- oder Werkvertragsmodelle bietet das Betreibermodell die Möglichkeit bestimmte Infrastrukturprojekte früher zu realisieren, die sonst aufgrund anderer Prioritäten mit Haushaltsmitteln auf absehbare Zeit nicht zu verwirklichen wären. 1 1 7 Anders als bei ersteren Modellen wird der Staatshaushalt bei einer privaten Finanzierung auf der Grundlage des Betreibermodells jedoch nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entlastet, da die Refinanzierung des privaten Investors ausschließlich über direkt beim Bürger erhobene Nutzungsentgelte erfolgt. 1 1 8 Solche den von den privaten Haushalten und Unternehmen direkt an sie gezahlten Gebühren und Beiträgen finanziert. Zeiss, Privatfinanzierung, S. 59, 61 bezeichnet solche Systeme als „indirekte Betreibermodelle" oder „Submissionssysteme". 115 Ausführlich hierzu Schmidt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 79 ff. 116 Vgl. im einzelnen die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage einzelner Abgeordneter der SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/8257, S. 1 ff., insbesondere S. 3. 117 Vgl. etwa die Begründung zum Entwurf des FStrPrivFinG, BT-Drs. 12/6884, S. 5. 118 Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 66.
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Betreibermodelle ergeben folglich dann keine haushaltsrechtlichen Probleme, wenn die Refinanzierung der Projekte ausschließlich über die Nutzer erfolgt und öffentliche Haushaltsmittel sowie Garantien oder Bürgschaften zur Abdeckung bzw. zur Absicherung eventueller Verluste der privaten Betreiber nicht eingesetzt werden. 1 1 9 Systematisch handelt es sich auch bei dem im FStrPrivFinG vorgesehenen Betreibermodell immer noch um eine funktionale (Finanzierungs-)Privatisierung, nicht um eine materielle Aufgabenprivatisierung. 120 Die Verwaltungsaufgabe des Baus, der Unterhaltung und des Betriebs von Bundesfernstraßen bleibt eine öffentliche Aufgabe, sie wird, wie sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 FStrPrivFinG eindeutig ergibt, dem Privaten nur „zur Ausführung" übertragen. Damit erfüllt § 1 Abs. 2 FStrPrivFinG aber alle Merkmale einer funktionalen Privatisierung, bei der einem Privaten ein Teil der Aufgabenerfüllung übertragen w i r d . 1 2 1 Anders als bei der reinen Finanzierungsprivatisierung wird jedoch auch die Phase des Betriebs der Einrichtung funktional privatisiert. 4. Reform des Haushaltsrechts Eine zentrale Rolle bei den Bemühungen um eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte spielt schließlich auch die Reform des Haushaltsund Rechnungswesens der öffentlichen Verwaltung. 122 Dabei besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass eine Haushaltskonsolidierung mit nachhaltiger Wirkung mit dem traditionellen kameralistischen Haushalts- und Rechnungswesensystem nicht zu erreichen i s t . 1 2 3 Auch die Bundesregierung hat in einem Beschluss vom 1.12.1999 festgehalten, dass der Anspruch des Bürgers auf einen verantwortlichen Umgang mit den Mitteln, die er dem Staat mit seinen Steuern zur Verfügung stellt, nur durch eine Erneuerung 119
Arbeitsgruppe Private Finanzierung, S. 28 f.; Höfling, in: DÖV 1995, 141, 145; Wendt, in: Ipsen, Privatisierung, S. 57. 120 Krölls, in: GewArch 1994, 129, 137 f.; Zeiss, Privatfinanzierung, S. 63 f. 121 So auch Krölls, in: GewArch 1994, 129, 137 f.; a.A. Steiner, in: NJW 1994, 3150, der das Betreibermodell nach dem FStrPrivFinG als „Fall der sog. Organisationsprivatisierung mit den Mitteln der Beleihung" bezeichnet. Dies erscheint insoweit zweifelhaft, da der Bund sich hier bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht privater, von ihm selbst errichteter und unter seiner Kontrolle stehender Rechtsträger bedient, sondern die Aufgabenwahrnehmung „echten" Privatrechtssubjekten überträgt. 122 Programmatisch der Titel des Aufsatzes von Bals „Die zentrale Rolle des Haushalts- und Rechnungswesens für Verwaltungsreform und Haushaltskonsolidierung", in: Der Städtetag 1998, 785 ff. 123 Vgl. nur Lüder, DÖV 2000, 837; Bals, in: Der Städtetag 1998, 785; F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 751.
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der Binnenstrukturen der Bundesverwaltung und die Einführung modernen Managements erfüllt werden kann. 1 2 4 Das bisherige Haushaltsrecht weist dabei eine Vielzahl von Mängeln auf, die einem wirtschaftlichen und sparsamen Handeln der Verwaltung entgegenwirken. Es ordnet die staatlichen Finanzen in strenger Trennung von Einnahmen und Ausgaben und richtet für die einzelnen Ressorts und Behörden Einzelpläne und Kapitel ein, die wiederum in Einzeltitel unterteilt sind, die die verfügbaren Finanzmittel in enger Zweckbindung an bestimmte Ausgabenarten (z.B. Beschaffung von Büromaterial, Geschäftsbedarf, Büchern oder Zeitschriften) widmen. Schließlich werden die Titel noch mit interpretatorischen Erläuterungen oder bindenden Vermerken versehen, so dass letztlich die Staatsaufgaben in eine „Vielfalt von Ausgabenpartikeln aufgespalten" 125 werden. Die Zuordnung von Ausgabentiteln an bestimmte Verwaltungsleistungen und die Ermittlung von deren Kosten ist in diesem System nicht möglich, zumal nur die tatsächlich getätigten Ausgaben erfasst werden. Werden aber etwa Verwaltungsgebäude erworben, fallen haushaltstechnisch Kosten nur zum Zeitpunkt des Erwerbs an, während der Werteverzehr während der Nutzung nicht abgeschrieben wird. Konsequenz ist, dass der finanzielle Aufwand für staatliche Leistungen nicht überblickt wird und damit auch kein Kostenbewusstsein entwickelt werden kann. 1 2 6 Ebenso werden Einsparpotentiale nicht erkennbar, was in Zeiten knapper Haushalte statt zu zielgerichteten Einsparungen zu gleichmäßigen Pauschalkürzungen durch die im ständigen Informationsdefizit befangenen Finanzminister und Parlamente führt. Durch die Veranschlagung sog. „Globaler Minderausgaben" oder die Verhängung von Haushaltssperren werden dann auch Etattitel getroffen, bei denen eine Kürzung weder sinnvoll noch wünschenswert ist. 1 2 7 Die detaillierte Bindung der Ausgaben an Einzelpläne, Kapitel und Titel setzt zusammen mit dem Prinzip der Jährlichkeit aber auch keine sonstigen Anreize für ein wirtschaftliches Handeln der einzelnen Verwaltungseinheiten. Eine finanzielle Zurückhaltung in der laufenden Haushaltsperiode zahlt sich für die Behörde nicht aus, da der nicht ausgegebene Haushaltsrest zurückfließt und im klassischen kameralistischen System weder für andere gegenwärtige, noch für zukünftige Ausgaben genutzt werden kann. Dies hat zur Folge, dass der Verwaltungsträger in das „Dezemberfieber" verfällt und versucht, vom Überschuss Leistungen auf Vorrat einzukaufen. Schließlich führt auch die Trennung von Sach- und Finanzierungsverantwortung zu 124 125 126 127
Bundesregierung, Moderner Staat, S. 3 und 8 f. F. Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 751. Etwa F. Kirchhof in: DÖV 1997, 749, 751. Gröpl, in: NVwZ 1998, 1251, 1253.
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Ineffizienzen, wenn die Behörde vor Ort zwar mit der Sachentscheidung beauftragt ist, aber an zentraler, weiter entfernter Stelle über die dafür notwendigen Finanzmittel entschieden wird. Die diskutierte Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens setzt genau an diesen Punkten an. Kern der Reformvorhaben ist die Ergänzung, bzw. völlige Ablösung der Geldverbrauchsrechnung der Kameralistik und der Übergang zu einem Haushalts- und Rechnungswesen, das auch Leistungen und den nicht zahlungswirksamen Ressourcenverbrauch veranschlagt und im nachhinein ausweist (ressourcenwirksames Rechnungswesen). Erster Schritt zur Erreichung dieses Zieles ist die unter dem Begriff „Budgetierung" zusammengefasste Flexibilisierung des Haushalts durch Vergrößerung der Titelstruktur und/oder die Schaffung der Möglichkeit, Deckungs- oder Übertragungsvermerke anzubringen. 128 Dies kann u.U. auch die Zuweisung eines bloßen Globalhaushaltes bedeuten, mit dem den dezentralen Verwaltungseinheiten für einen konkreten Leistungsauftrag ein Ressourcenrahmen zur selbständigen Bewirtschaftung zugewiesen wird. Aufgabe der Verwaltungsführungsebene soll nur noch die Auswahl der zu erbringenden Leistungen und Produkte sein, während über die Art der effizienten Leistungsherstellung im Rahmen der Budgetierung dezentral und eigenverantwortlich von der operativen Ebene entschieden wird. Flankiert wird eine solche Budgetierung durch die Einführung sowohl des Controlling in der öffentlichen Verwaltung, mit dem die Einhaltung der Leistungsund Finanzziele überwacht wird, als auch eines unterjährigen Finanzberichtswesens, das über den Verlauf und die voraussichtliche Entwicklung des Budgets im Haushaltsjahr informiert. Die Logik der Budgetierung fordert schließlich auch eine entsprechende Gliederung der Haushaltspläne, die horizontal nach Budgetbereichen und vertikal nach Produktzentren, Produktbereichen und Produktgruppen gegliedert werden sollen. 1 2 9 Bei der Reform des Rechnungswesens sollen dann im zweiten Schritt bei der Umstellung vom kameralistischen Geldverbrauchskonzept auf das Ressourcenverbrauchskonzept auch umfassend kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen auf das gesamte Anlagevermögen erfasst werden, um auf diese Weise flächendeckend Kosten- und Leistungsrechnungen zur Ermittlung der Produktkosten der Verwaltung zu ermöglichen. Diese Grundsätze sind in der Bundesrepublik 130 bisher nur begrenzt rechtlich umgesetzt worden. Die Flexibilisierung der Haushalte erfolgt dabei weniger durch eine Änderung des Haushaltsrechts, sondern vielmehr durch die regelmäßige Nutzung der bereits vorhandenen und durch das 128 129 130
Lüder, in: DÖV 2000, 837; Bals, in: Der Städtetag 1998, 785, 786. Zu dieser Gliederung umfassend Bals, in: Der Städtetag 1998, 785, 790. Zur internationalen Entwicklung vgl. Lüder, in: DÖV 2000, 837, 839 ff.
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Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz 1997 erweiterten 131 Möglichkeit, mit Planvermerken im Haushalt die Übertragung von Haushaltsresten und die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Titeln zu ermöglichen. 132 So gestattet § 15 Abs. 2 BHO (ebenso wie die entsprechenden Normen der Landeshaushaltsordnungen), dass Ausgaben zur Selbstbewirtschaftung veranschlagt werden können. Solche Selbstbewirtschaftungsmittel stehen über das laufende Haushaltsjahr hinaus zur Verfügung, Einnahmen, die bei der Bewirtschaftung der Aufgabe anfallen, fließen den entsprechenden Ausgaben zu (§ 15 Abs. 2 S. 2 und 3 BHO/LHO). Nach § 20 BHO/LHO kann auch die gegen- oder einseitige Deckungsfähigkeit von Titeln vorgesehen werden, d.h. die Mittel des einen dürfen für Ausgaben des anderen Titel eingesetzt werden. Bei mehrjährigen Vorhaben können Ausgaben auf künftige Haushaltsjahre übertragen werden ( § 1 9 BHO). Daneben ist auch der Schritt zum ressourcen- und leistungsorientierten Haushalts- und Rechnungswesen nur begrenzt beschritten worden, indem § 6a und § 33a HGrG Bund und Ländern (begrenzt) die leistungsbezogene Planaufstellung und -bewirtschaftung, sowie die Buchführung und Bilanzierung nach den Grundsätzen des Handelsgesetzbuches (kaufmännische Buchführung) ermöglicht. Der derzeitigen Rechtslage und den Novellierungen liegt dabei aber grundsätzlich 1 3 3 noch der Gedanke zu Grunde, das kameralistische Haushaltsund Rechnungswesen nicht zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen, was zu einem problematischen Nebeneinander mehrerer Systeme führen kann. 1 3 4 Allein auf der Gemeindeebene in Baden-Württemberg ist es derzeit aufgrund des 1999 eingeführten § 199 Gemeindeordnung möglich, dass Gebietskörperschaften nach entsprechender Genehmigung ihr Haushaltsund Rechnungswesen völlig umstellen, wovon bisher jedoch nur die Kreisstadt Wiesloch Gebrauch gemacht hat. Daneben findet sich auf Landesebene teilweise eine indirekte Umstellung auf die kaufmännische Buchführung, indem Behörden in Landesbetriebe umgewandelt werden, für die eine solche Form der Buchführung gesetzlich angeordnet i s t . 1 3 5 Bedenken gegen diese Art der Veränderung des Haushaltsrechts sind bisher vor allem unter dem Gesichtspunkt eines Verlusts der Detailsteuerungsmöglichkeiten des Parlaments und der damit verbundenen Kompetenzverlagerung vom Parlament hin zur Exekutive geäußert worden. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass durch entsprechende Berichterstattungspflichten 131
Hierzu Gröpl, in: NVwZ 1998, 1251, 1254. F Kirchhof, in: DÖV 1997, 749, 753. 133 Das Land Hessen will bis zum Jahre 2008 allerdings die vollständige Ablösung der Kameralistik im gesamten Bereich der Landesverwaltung vollzogen haben (vgl. Lüder, in: DÖV 2000, 837, 838). 134 Kritisch Lüder, in: DÖV 2000, 837, 839 ff. 135 Lüder, in: DÖV 2000, 837, 838. 132
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
der Verwaltung während des Haushaltsvollzugs und die Implementierung eines Finanzcontrollingsystems 136 der etwaige Verlust bisher vorhandener Steuerungsinstrumente kompensiert werden kann. 1 3 7 Vorher ist sogar schon fraglich, ob mit der Budgetierung überhaupt eine Schwächung parlamentarischer Steuerungskraft verbunden ist, da sich der Haushaltsplan aufgrund seines exorbitanten Spezialisierungsgrades kaum mehr auf einen parlamentarisch bewusst gebildeten Willen stützt und sich die Haushaltsbewilligungen im geltenden System bereits in der Regel an den Entwurf der Regierung halten, der wiederum wesentlich durch die gesetzlichen Bindungen und die Voranschläge der Verwaltung geprägt i s t . 1 3 8
II. Steigerung der Einnahmeseite ohne Steuerund Abgabenerhöhung Dient die Privatisierung öffentlicher Aufgaben primär der Entlastung der Ausgabenseite im Haushalt, erhöhen Vermögensprivatisierungen - verstanden als die Übertragung von Vermögenswerten der öffentlichen Hand wie Unternehmensbeteiligungen und Grundvermögen auf Private - vor allem die Einnahmeseite. In der Zeit von 1982 bis 1994 ist dabei die Zahl der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen des Bundes und seiner Sondervermögen von 958 um über die Hälfte auf unter 400 zurückgeführt worden. 1 3 9 Der hierdurch erzielte Privatisierungserlös lag bei 11,6 Milliarden D M . 1 4 0 Die markantesten Fälle dieser Privatisierungspolitik bildeten die Veräußerungen der Beteiligungen des Bundes an den Industriekonzernen Veba, Völkswagen, Viag und Salzgitter. Die spätere Privatisierung der Deutschen Telekom hat die Einkünfte aus Privatisierungserlösen nochmals deutlich in die Höhe schnellen lassen, die im Jahr 1998 die Rekordhöhe von 19,86 Milliarden D M erreicht haben. 141 Auch künftig beabsichtigt die Bundesregierung durch die Erzielung von Privatisierungserlösen deutlich zur Haushaltskonsolidierung beizutragen. Für das Jahr 2001 wird dabei mit Erlösen in Höhe von 17,14 Milliarden, für die kommenden Jahre mit solchen in Höhe von 8,52, 8,97 und 9,5 Milliarden D M gerechnet. 142 Mittelfristig 136
Kritisch zu einem parlamentarischen Controlling Kube, in: DÖV 2000, 810, 817, der dies als Eingriff in die Gewaltenteilung und Verlust der Distanz des Parlaments zu konkreten Einzelsachverhalten problematisiert. 137 Lüder, in: DÖV 2000, 837, 838; Bals, in: Der Städtetag 1998, 785, 787. 138 Hierzu Kube, in: DÖV 2000, 810, 812 ff. 139 Vgl. den „Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes", BT-Drs. 12/6889, S. 1, von Februar 1994. 140 BT-Drs. 12/6889, S. 1. 141 Vgl. BT-Drs. 14/4696, S. 8. 142 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der CDU vom 20.11.2000, BT-Drs. 14/4696, S. 3.
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geplant ist daneben die Veräußerung von Bundesanteilen an zahlreichen Flughafen-Gesellschaften, der Deutschen Ausgleichsbank, der Bundesdruckerei GmbH sowie weiteren Unternehmen. 143 Die genannten Veräußerungen betreffen dabei ausschließlich 144 Finanzvermögen. Selbst wenn es sich bei den veräußerten Liegenschaften um solche handelt, die vorher für Verwaltungszwecke genutzt wurden, so wurde die Nutzung doch vor Veräußerung aufgegeben, so dass nicht mehr von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit gesprochen werden kann. Ein Beispiel hierfür ist etwa auch die sog. Konversion von ehemals militärisch genutzten Grundstücken, die einer zivilen Nutzung zugeführt worden sind. 1 4 5 Sie sind damit von den in dieser Arbeit zu besprechenden Veräußerungen von Verwaltungsvermögen zu unterscheiden. Gegen Vermögensprivatisierungen der vorbenannten Art wird regelmäßig vorgebracht, dass der mit der Erlöserzielung verbundene bloße Einmaleffekt die „Verschleuderung des Tafelsilbers" nicht rechtfertige. So sei eine Vermögensveräußerung nur dann möglich, wenn beim Käufer eine Ertragserwartung bestehe. Selbst wenn diese darauf beruhe, dass der künftige private Eigner im Gegensatz zum Staat effektiver wirtschaftet - etwa durch effektiveren Personalabbau - , bleibe zu bedenken, dass eben doch langfristige Ertragspotentiale zugunsten kurzfristiger Einmaleffekte aufgegeben würden. 1 4 6 Auch werde der finanzielle Effekt überschätzt, da etwa der vom Bund 1994 genannte Veräußerungserlös als Ertrag zwölfjähriger Tätigkeit nur in etwa dem Aufkommen aus bundesrechtlich geregelten Sonderabgaben des Jahres 1992 entspreche 147 . Eine solche Sichtweise erweist sich jedoch als verkürzt, da sie die mit der Vermögensveräußerung regelmäßig einhergehenden positiven Effekte vernachlässigt. 148 So wird das Staatsbudget zum einen spürbar entlastet, wenn bei vormals öffentlichen Unternehmen - vor allem in investitionsund innovationsintensiven Sparten - nicht mehr aus den öffentlichen Kassen Milliardenbeträge zur Stärkung der Eigenkapitalbasis zur Verfügung gestellt werden müssen. 149 Gleiches kann für die Veräußerung von brachliegenden Liegenschaften gelten, bei denen die Erhaltung von Bausubstanz 143
BT-Drs. 14/4696, S. 12 f. Die Bundesregierung schließt auch künftig die Veräußerung von öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch aus. Gleiches gilt für die zu öffentlichen Zwecken genutzten Forsten (vgl. BT-Drs. 14/4696, S. 14 f.). 145 Vgl. zur Zahl der Konversionen in den neuen Bundesländern bis 1994 die Anlage zum Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes, BT-Drs. 12/6889, S. 14. 146 Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 214. 147 Osterloh, in: VVDStRL 54 (1994), 204, 213 f. 148 Hierauf weist Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 45 zu Recht hin. 144
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
und die Verkehrssicherung erhebliche Beträge verschlingt. Daneben können Veräußerungserlöse auch langfristige Entlastungswirkungen zeitigen, wenn sie zur Verminderung der Neuverschuldung oder zur Tilgung von Altverbindlichkeiten eingesetzt werden. 1 5 0 2. Kapitel
Die einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen Weder das einfachgesetzliche Bundes- noch das einfachgesetzliche Landesrecht verfügen über eine allgemeine Staatsvermögensordnung im Sinne einer geschlossenen normativen Konzeption über Erwerb, Bestandsaufnahme, Verwaltung und Veräußerung von Staatsvermögen. 151 Die optimistische Einschätzung Wackes aus dem Jahre 1950, die haushaltsrechtlichen Vorschriften des GG und der BHO bedeuteten „die Andeutung eines allgemeinen Staatsvermögensrechts" 152, so dass man sich „auf dem Wege zu einer Staatsvermögensordnung und einem Staatsvermögensrecht" 153 befände, hat sich insoweit als trügerisch erwiesen. Dennoch finden sich vor allem in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder spezifische, wenn auch unvollständige Vorschriften über die Veräußerung staatlichen Vermögens. Im folgenden sollen nun die entsprechenden Regelungen überblicksartig dargestellt werden.
A. Bundesrecht Die zentralen Vorschriften über die Veräußerung staatlichen Vermögens, die „Basisbestimmungen für den gesamten Vermögenssektor" 154 finden sich auf Bundesebene in den §§63 und 64 BHO. Diese Vorschriften regeln die Grundsätze für den Erwerb, die Nutzungsüberlassung und die Veräußerung von Bundesvermögen an Stellen außerhalb der unmittelbaren Bundesverwaltung - also auch an bundesunmittelbare juristische Personen des öffent-
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Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 45 verweist auf die Tatsache, dass die in den achtziger und neunziger Jahren privatisierten Bundeskonzerne nach ihrer Entstaatlichung den Kapitalmarkt mit über 3,4 Milliarden DM in Anspruch nahmen, die sonst vermutlich die öffentliche Hand hätte aufbringen müssen. 150 Monopolkommission, Neuntes Hauptgutachten, BT-Drs. 12/3031, Tz. 50, S. 25; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 45. 151 Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 16 f.; Gindely, Verbot staatlicher Schenkungen, S. 1. 152 Wacke, Finanzwesen, S. 94. 153 Wacke, Finanzwesen, S. 97. 154 Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/4, Rdnr. 6.
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liehen Rechts im Sinne des § 105 B H O 1 5 5 - während § 61 BHO die Abgabe bundeseigener Vermögensgegenstände innerhalb der unmittelbaren Bundesverwaltung regelt. 1 5 6 Wenn in § 63 BHO von „Vermögensgegenständen" die Rede ist, so gehören hierzu alle Gegenstände (bewegliche und unbewegliche Sachen, Rechte), denen nach der Verkehrsanschauung ein Geldwert beizumessen ist und die deshalb im rechtsgeschäftlichen Verkehr nur gegen Entgelt zu bekommen sind. 1 5 7 Ob die Vermögensgegenstände der Vermögensbuchführung unterliegen und in der Vermögensrechnung nachzuweisen sind, ist für die Anwendbarkeit des § 63 BHO unerheblich. 158 § 63 Abs. 2 BHO stellt zunächst die allgemeine Regel auf, dass Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. Dieser Rechtssatz ergänzt den ersten Absatz der Norm, wonach Vermögensgegenstände auch nur erworben werden sollen, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit erforderlich sind. Wer nach welchen Kriterien über die Notwendigkeit zur Aufgabenerfüllung entscheidet, wird nicht allgemein festgelegt. Lediglich für die Veräußerung von Grundstücken wird in der Nr. 5.1 der vorl. V V zu § 64 normiert, dass die Feststellung, ob ein Grundstück für den Bund im Sinne des § 63 Abs. 2 BHO entbehrlich ist, von den Oberfinanzdirektionen zu treffen ist. Grundsätzlich anerkannt ist weiterhin, dass ein Vermögensgegenstand dann nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt wird, wenn er zur Erfüllung der Aufgabe nicht mehr geeignet i s t 1 5 9 , womit jedoch die Frage, wann ein Vermögensgegenstand allgemein 1 6 0 nicht mehr zur Aufgabenerfüllung geeignet ist, ebenso unbeantwortet bleibt. Insgesamt kommt der für die Aufgabenerfüllung zuständigen Behörde damit ein großer Einschätzungsspielraum über ihre Bedürfnisse zu. Ähnliches gilt für die Auslegung des Begriffs „in absehbarer Zeit". Dieser ist grundsätzlich so zu verstehen, dass Gegenstände aus ge155 Güntzel, in: Heuer, KHR, § 61 BHO, Rdnr. 1; zu den bundesunmittelbaren Personen des öffentlichen Rechts vgl. die Übersicht bei ElbershäuserPNallis, in: Heuer, KHR, § 105 BHO, Rdnr. 6. 156 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 3; Güntzel, in: Heuer, KHR, § 61 BHO, Rdnr. 1; Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/4, Rdnr. 6. 157 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 2; Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 1; Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/4, Rdnr. 2. 158 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 2; Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 1; Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/4, Rdnr. 2. 159 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 6. 160 Für die Aussonderung von Dienstkraftfahrzeugen vgl. aber die Regelung in Nr. 2 der Richtlinien für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung (DKfzR) - Rdschr. des BMI v. 17.6.1993 - O 1 2 - 131 253/1 (GMB1. 1993, S. 398), abgedruckt bei Piduch, BundeshaushaltsR, § 63.
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genwärtiger Sicht voraussichtlich dauernd entbehrlich sind oder aber ihre Wiederverwendung erst zu einem Zeitpunkt in Aussicht steht, bei dem anzunehmen ist, dass der Gegenstand technisch überholt/veraltet ist oder wenn die Kosten der Verwaltung des Gegenstandes bis zu einer möglichen Wiederverwendung in keinem vertretbaren Verhältnis zur Differenz von Veräußerungsentgelt und dem voraussichtlichen Wiederbeschaffungswert stehen. 161 Gleichwohl ist eine vorschnelle Veräußerung, insbesondere eine „Verschleuderung" von Vermögen missbräuchlich und unzulässig. 162 Ist eine Veräußerung nach diesen Maßstäben möglich, so dürfen Vermögensgegenstände gem. § 63 Abs. 3 S. 1 BHO grundsätzlich nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Ausnahmen hiervon können im Haushaltsplan (§ 63 Abs. 3 S. 2 BHO) oder bei geringem Wert des Vermögensgegenstandes oder dringendem Bundesinteresse vom Bundesministerium der Finanzen (§ 63 Abs. 4 BHO) zugelassen werden. Was unter dem „vollen Wert" zu verstehen ist, wird in Nr. 2 der vorl. V V zu § 63 BHO definiert, als der Preis, „der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Gegenstandes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre", wobei „alle Umstände, die den Preis beeinflussen, nicht jedoch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen" sind. Es kommt mithin also auf den „Verkehrswert" an. 1 6 3 Ist ein Marktpreis feststellbar, bedarf es keiner besonderen Wertermittlung. Neben den in § 63 Abs. 3 S. 2 BHO genannten Ausnahme vom Werterhaltungsgrundsatz durch Zulassung im Haushaltsplan, die durch einen näher konkretisierten 164 Haushaltsvermerk zu erfolgen hat, sind Ausnahmen auch durch das Haushaltsgesetz oder normales Gesetz zulässig. 165 Ausnahmen bei geringem Wert nach § 63 Abs. 4 BHO sind nach Nr. 3 der vorl. V V zu § 63 vom Bundesminister der Finanzen zuzulassen, soweit der volle Wert der Vermögensgegenstände im Einzelfall den Betrag von 50.000 D M nicht übersteigt, wobei umstritten ist, ob bei größeren Aussonderungsprogrammen auf die Gesamtheit der abzugebenden Vermögensgegenstände oder auf jeden einzelnen Gegenstand abzustellen i s t 1 6 6 . Ein dringendes Bundesinteresse im Sinne des § 63 Abs. 4 2. Alt. BHO ist nach Nr. 4 der vorl. V V zu § 63 nur dann anzunehmen, wenn die
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Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 3. Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/5, Rdnr. 4. 163 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 7; Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 4; OVG Münster, Der Gemeindehaushalt 1983, S. 143. 164 Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 4. 165 Güntzel in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 4. Dabei werden in der gesetzgeberischen Praxis Ausnahmen bei „Kleinigkeiten" (etwa die kostenlose Abgabe von Informationsmaterial an Dritte) durch Haushaltsvermerk, bedeutsamere Ausnahmen hingegen im Haushaltsgesetz zugelassen (vgl. Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/6, Rdnr. 5). 162
2. Kap.: Die einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
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Veräußerung für den Bund dringlich ist und nicht bis zum nächsten Haushaltsplan oder Nachtragshaushalt zurückgestellt werden kann. Für die Veräußerung bundeseigener Grundstücke - unabhängig davon, ob bebaut oder unbebaut 167 - wird die allgemeine Regelung des § 63 BHO durch die Spezialvorschrift des § 64 BHO ergänzt 168 , nicht aber verdrängt. Gem. § 64 Abs. 1 BHO dürfen bundeseigene Grundstücke nur mit Einwilligung des Bundesministers der Finanzen und des für das Bundesvermögen zuständigen Bundesministers - dies ist nach der derzeitigen Organisationsstruktur der Bundesregierung ebenfalls der Bundesfinanzminister 169 - veräußert werden, sofern der Bundesminister nicht auf seine Mitwirkung verzichtet 1 7 0 . Haben Grundstücke erheblichen Wert oder besondere Bedeutung, dürfen sie nach § 64 Abs. 2 BHO darüber hinaus nur mit Einwilligung des Bundestages und des Bundesrates veräußert werden, soweit ihre Veräußerung im Haushaltsplan nicht vorgesehen ist, und nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme von der Einwilligungspflicht geboten ist. Ist die Zustimmung nicht eingeholt worden, so sind der Bundestag und der Bundesrat alsbald von der Veräußerung zu unterrichten (§ 64 Abs. 2 S. 2 BHO). Wann im Sinne dieser Vorschrift ein Grundstück von besonderem Wert vorliegt, wird von Bundestag und Bundesrat festgesetzt und durch das Ministerium der Finanzen bekanntgegeben (S. 2 der Nr. 5.8 der vorl. V V zu § 64 BHO). Diese Wertgrenze wird derzeit (seit 1993) bei 30 Mio. D M angesiedelt 171 , nachdem sie vorher 10 Mio. D M 1 7 2 , bzw. 5 Mio. D M 1 7 3 betrug. Von besonderer Bedeutung sind vor allem Grundstücke, an denen ohne Rücksicht auf den Wert - ein besonderes parlamentarisches Interesse bestehen dürfte (S. 3 der Nr. 5.8 der vorl. V V zu § 64 BHO). Wann dies 166
Vermittelnd Güntzel, in: Heuer, KHR, § 63, Rdnr. 5, der auf die „Gesamtheit im jeweiligen Einzelfall" abstellen will und wertmäßig einen Einzelfall annimmt, wenn mehrere Vermögensgegenstände auf einen Erwerber übertragen werden. 167 Piduck, BundeshaushaltsR, § 64 BHO, Rdnr. 1. 168 Piduck BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 4 und § 64, Rdnr. 1; Heuer, in: Heuer, KHR, § 64 BHO, Rdnr. 1; Patzig, Haushaltsrecht II, C/63/04, Rdnr. 6; vgl. auch Nr. 5.2 der vorl. VV zu § 64 BHO („Die Veräußerung richtet sich nach § 63"). 169 Vgl. Nr. 1 der vorl. VV zu § 64. Er ist insoweit Nachfolger des 1969 im Zuge der Haushaltsreform aufgelösten Bundesschatzministeriums. 170 Auf die Mitwirkung wird gem. Nr. 5.4 vorl. VV zu § 64 in Verbindung mit VSF (Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung) - VV 06 45 verzichtet, soweit der Wert des Grundstücks unter 1 Mio. DM liegt. 171 Vgl. Heuer, in: Heuer, KHR, § 64, Rdnr. 2; Piduch, BundeshaushaltsR, § 64, Rdnr. 6, wobei für Veräußerungsfälle zwischen 10 und 30 Millionen. DM jedoch vorausgesetzt wird, dass die Einwilligung der Berichterstatter zum Einzelplan 08 (Finanzministerium) vorliegt. 172 Vgl. BT-Drs. 12/1390. 173 Vgl. BT-Drs. 6/1505. 7 Fleischmann
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der Fall ist, ist allerdings in der bisherigen Haushaltspraxis nicht hinreichend deutlich geworden 174 , wobei jedoch teilweise 1 7 5 auf den künstlerischen, geschichtlichen oder kulturellen Wert des Grundstücks oder seine Bedeutung für Bauinteressen des Bundes abgestellt wird. Abgesehen von der Sonderregelung des § 64 Abs. 2 BHO ist die Veräußerung von Bundesvermögen keinen (einfachgesetzlichen) parlamentarischen Vorbehalten unterworfen. 176 So ist die Veräußerung insbesondere nicht davon abhängig, dass hierfür Einnahmen im Haushaltsplan veranschlagt sind 1 7 7 , da Einnahmen allgemein aufgrund der jeweiligen Anspruchsgrundlage (Gesetze, Verträge, Verwaltungsvereinbarungen) ohne Rücksicht auf ihre Veranschlagung im Haushaltsplan zu erheben sind 1 7 8 .
B. Landesrecht Die allgemeinen landesrechtlichen Regelungen zur Vermögensveräußerung unterscheiden sich nicht wesentlich von den bundesrechtlichen Vorschriften. Insbesondere die Regelung des § 63 Abs. 2 BHO, wonach Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werden, findet sich, mit der bereits erläuterten Ausnahme des Landes Schleswig-Holstein 179 , in allen Landeshaushaltsordnungen wieder. Ähnliches gilt für die Vorschriften der §§63 Abs. 3 und 4 BHO, wonach Vermögen grundsätzlich nur zu seinem vollen Wert veräußert werden darf. Hier finden sich in verschiedenen Ländern jedoch Konkretisierungen bezüglich der möglichen Ausnahmen, so etwa die deklaratorische Feststellung, dass solche auch durch Haushaltsgesetz festgesetzt werden können 1 8 0 , oder die gesetzliche Freistellung der Zulässigkeit der unentgeltlichen Abgabe von von Stellen der Landesverwaltung entwickelter oder erworbener Software zur Informationsverarbeitung an andere Stellen der öffentlichen Verwaltung 181 . 174
Piduch, BundeshaushaltsR, § 64 BHO, Rdnr. 6. Heuer, in: Heuer, KHR, § 64 BHO, Rdnr. 2; vgl. auch Patzig, Haushaltsrecht II, C/64/11, Rdnr. 7. 176 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63, Rdnr. 6. 177 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63, Rdnr. 6. Zur Frage, inwieweit dies in Einklang mit verfassungsrechtlichen Haushaltsbestimmungen steht vgl. 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. a). 178 Wiesner, Haushaltsrecht, S. 178. 179 s.o. 1. Teil, 1. Kap., B. III. 180 Vgl. § 63 Abs. 3 S. 2 LHO NW; § 63 Abs. 3 S. 2 LHO Brandenburg; § 63 Abs. 3 S. 2 LHO Hamburg, der auch Ausnahmen „auf Grund eines Gesetzes" zulässt. 181 Vgl. § 63 Abs. 3 S. 2 LHO Nds.; § 63 Abs. 3 S. 2 LHO LSA. 175
2. Kap.: Die einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
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Darüber hinaus ordnen die Verfassungen der Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen grundsätzlichen Gesetzesvorbehalt für die Veräußerung von Vermögen an. So wird in Mecklenburg-Vorpommern in dem auf Art. 66 L V 1 8 2 zurückgehenden § 63 Abs. 1 LHO bestimmt, dass der Verkauf oder die anderweitige Veräußerung von Landesvermögen nur mit Zustimmung des Landtages erfolgen dürfen und hierauf gerichtete Rechtsgeschäfte der vorherigen Zustimmung (Einwilligung) des Landtages bedürfen. Da durch diese Regelung aber die §§ 63 a und 64 LHO ausdrücklich unberührt bleiben (§ 63 Abs. 1 S. 3 LHO), sich dort jedoch für bewegliche Sachen von geringem Wert, die eine im Haushaltsgesetz festgelegte Wertgrenze nicht überschreiten (§ 63 a Abs. 1 LHO), für Grundstücke von geringer Bedeutung, die eine im Haushaltsgesetz festgelegte Wertgrenze nicht überschreiten (§ 64 Abs. 1 LHO), und für sonstige Grundstücke im Falle „zwingender Gründe" (§ 64 Abs. 2 LHO) Ausnahmen finden, die eine Veräußerung allein mit Einwilligung des Finanzministers und ohne parlamentarische Zustimmung zulassen, dürfte die landesrechtliche Regelung im Ergebnis kaum ein im Vergleich zum Bund und den anderen Ländern gesteigertes Maß parlamentarischer Partizipation an der Veräußerung von staatlichem Vermögen bringen. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt findet sich neben der verfassungsrechtlichen Forderung, dass Landesvermögen nur mit Zustimmung des Landtages veräußert werden darf, die Zustimmung in Fällen geringer Bedeutung allgemein erteilt werden darf 1 8 3 , keine haushaltsrechtliche Umsetzung. Deutlichere Unterschiede zwischen Bund und Ländern finden sich schließlich noch bei den haushaltsrechtlichen Vorschriften über die Veräußerung von Grundstücken. Weitgehend gleich werden hier noch die Zulässigkeitsvoraussetzungen formuliert. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern - wie erwähnt - und in Berlin finden sich von der BHO abweichende Bestimmungen über die Beteiligung des Parlaments an der Veräußerung. In Berlin wird in § 64 Abs. 4 Nr. 3 LHO konkret festgelegt, dass die Veräußerung von Grundstücken dann der Einwilligung des Abgeordnetenhauses bedarf, wenn entweder der Kaufpreis 10 Mio. D M übersteigt, oder der Wert 250 000 D M übersteigt und unentgeltlich oder beträchtlich unter Wert veräußert werden soll. Besonderheiten weisen mehrere Länder jedoch hinsichtlich der Verwendung der durch die Veräußerung erzielten Einnahmen auf. Mit geringen Modifi-
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Art. 66 LV M-V: „Erwerb, Verkauf und Belastung von Landes vermögen dürfen nur mit Zustimmung des Landtages erfolgen. Die Zustimmung kann für Falle geringer Bedeutung allgemein erteilt werden. Das Nähere regelt das Gesetz." 183 Art. 92 Abs. 1 Verf LSA; Art. 48 Abs. 1 S. 2 und 3 Verf Nds. 7*
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2. Teil: Die tatsächlichen und einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen
kationen sehen die Länder Bayern 1 8 4 , Berlin 1 8 5 , Hamburg 1 8 6 , MecklenburgVorpommern 187 , Niedersachsen 188 , Saarland 189 und Sachsen-Anhalt 190 jeweils vor, dass die Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken einem Sondervermögen („Grundstock") zuzuführen sind, dessen Mittel vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung im Haushaltsplan grundsätzlich nur zum Erwerb von Grundstücken verwendet werden dürfen. Die entsprechende Regelung in Schleswig-Holstein wurde, wie bereits erwähnt, durch Art. 4 Nr. 6 HBG im Jahre 1998 gestrichen. 3. Kapitel
Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Bemühungen der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigtem Verwaltungsvermögen als Ergebnis einer erheblich angespannten Haushaltslage in Bund und Ländern darstellt. Sie stehen dabei in engem Zusammenhang zu vielfältigen Versuchen, auf andere Art als durch Steuer- und Abgabenerhöhung zu einer Haushaltskonsolidierung zu gelangen. Das einfache Haushaltsrecht steht einer Veräußerung dabei (noch) entgegen, da es die Veräußerung von Vermögen nur gestattet, sofern dieses in absehbarer zeit nicht mehr zur Erfüllung von Bundes-/Landesaufgaben benötigt wird. Da dieses einfache Gesetzesrecht aber zunächst der Änderungsbefugnis des Gesetzgebers unterliegt, der hiervon ja im „Kieler Immobiliengeschäft" auch Gebrauch gemacht hat, ist hiermit noch kein grundlegender Erkenntnisgewinn für die Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung gewonnen. Vielmehr gilt es im folgenden die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen hierfür aufzuzeigen, die die Gesetzgebungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers beschränken.
184 Art. 81 BayVerf. i.V.m. Bekanntmachung des Staatsministers der Finanzen über das Grundstockvermögen des Staates vom 29.7.1974 (FMBl., S. 331), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 22.12.1994 (FMBl. 1995, S. 62). 185 § 64 Abs. 8 LHO Bln. 186 § 64 Abs. 2 und 3 LHO Hamb. 187 § 64 Abs. 6 LHO M-V. 188 § 64 Abs. 6 LHO Nds. 189 § 64 Abs. 6 LHOSaarl. 190 § 64 Abs. 6 LHO LSA.
3. T e i l
Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Betrachtet man die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, so lässt sich zwischen den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Veräußerung und denjenigen für die Verwendung der durch die Veräußerung erzielten Einnahmen differenzieren. 1. Kapitel
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Veräußerung Der Begriff der Veräußerung wurde oben1 umfassend in dem Sinne definiert, dass er sowohl den Abschluss eines schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrages, als auch den dinglichen Vollzug dieses Geschäfts zur Übereignung oder Übertragung eines Rechts an Verwaltungsvermögen erfassen soll. Ansatzpunkte für verfassungsrechtliche Kritik können sich daher sowohl aus den Umständen und Folgen des Verpflichtungsgeschäfts (insbesondere der Einnahmeerzielung durch den Staat), als auch aus den dinglichen Folgen der Veräußerung (dem Eigentumsverlust und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen) ergeben. Da beide Aspekte aber regelmäßig auf das engste miteinander verbunden sind und sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht eine punktuelle, sondern eine global wertende Betrachtung der Veräußerung empfiehlt, wird sich die Gliederung im folgenden nicht primär an diesen beiden Kriterien orientieren. Vielmehr soll danach differenziert werden, welche Argumente gegen die generelle Zulässigkeit einer Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen vorgebracht werden können, und welche verfassungsrechtlichen Aspekte nur die Modalitäten der Veräußerung betreffen. Auch hierbei ergeben sich jedoch fließende Übergänge, da jedes Argument gegen die generelle Zulässigkeit immer auch ein Argument für eine bestimmte Ausgestaltung sein kann. 1
s.o. 1. Teil, 1. Kap., B. I. 1.
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Teil: Die
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Mangels ausdrücklicher Verfassungsaussagen über die Zulässigkeit und Modalitäten der Veräußerung von Verwaltungsvermögen wird dabei stets mit allgemeinen Kriterien zu arbeiten sein, deren spezifische Anwendung auf die Veräußerung von Verwaltungsvermögen bestimmt werden muss. Ausgespart bleiben sollen dabei die Normbereiche der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung (Art. 114 Abs. 1 und 2 GG), da sich diese nur mit der nachträglichen formalen Abwicklung der Veräußerung, nicht aber mit deren Zulässigkeit an sich beschäftigen. Insbesondere die Problematik einer möglichen Divergenz der grundgesetzlichen Anforderungen an die Vermögensbuchführung und deren haushaltsrechtlicher Ausgestaltung muss Gegenstand gesonderter Untersuchungen sein. 2
A. Grundsätzliche Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung In der Literatur wird regelmäßig ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die Gegenstände des Verwaltungsvermögens wegen ihrer Zweckbindung an die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben von der staatlichen Verfügungsfreiheit ausgeschlossen sind und deshalb auch nicht veräußert werden dürften, solange sie der entsprechenden Funktion dienen.3 Ob diese Bedenken zutreffen, soll im folgenden erläutert werden. Grundsätzliche Bedenken, die die Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung generell ausschließen können, können sich aus zwei zentralen materiellen Gesichtspunkten ergeben: Zum einen aus der Tatsache der Finanzierung des öffentlichen Haushalts durch eine andere Finanzierungsquelle als Steuern (hierzu II.), zum anderen aus der bereits angesprochenen Funktion des Verwaltungsvermögens zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben (hierzu I.).
I. Die Funktionsfahigkeit der Verwaltung als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Veräußert der Staat Verwaltungsvermögen, das weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt wird, tritt das Problem auf, wie des Vermögens weiterer Einsatz zur Erfüllung dieser Aufgaben gesichert werden kann. 4 Vor der Veräußerung ist der Staat zivilrechtlicher Eigentümer und 2
Vgl. hierzu einführend Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 114. Vgl. etwa P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 305. 4 Ein Anriss dieser Problematik findet sich bei F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 245, der offensichtlich von einer Unzulässigkeit der Veräußerung ausgeht, wenn die 3
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Besitzer des Vermögensgegenstandes. Ihm kommen die damit verbundenen umfassenden Herrschafts- und Ausschließungsbefugnisse (§ 903 BGB) zu, die die Aufgabenerfüllung durch den hoheitlichen Nutzer gewährleisten. Veräußert der Staat jedoch das Verwaltungsvermögen, verliert er die zivilrechtliche Eigentümerstellung und die damit verbundenen Rechte. Benötigt er den Vermögensgegenstand, in der Regel ein mit Verwaltungsgebäuden bebautes Grundstück, weiterhin zur Aufgabenerfüllung, muss er es vom Erwerber zurückmieten. Er ist danach zunächst in der Position wie jeder andere Mieter von beweglichen Sachen oder gewerblichen Grundstücken auch. Damit entstehen aber die jedem Mietverhältnis inhärenten Unsicherheiten bei der Aufrechterhaltung der vom Mieter ausgeübten Nutzung. Der vermietende Eigentümer kann den Vertrag kündigen oder die vermietete Sache an einen Dritten weiterveräußern, er kann insolvent werden und gegen ihn können Titel in die vermietete Sache vollstreckt werden. A l l diese Vorgänge könnten aber den weiteren Einsatz der Sache zur Erfüllung der Verwaltungsaufgabe beeinträchtigen. Die überwiegende Meinung nimmt deshalb an, dass das Verwaltungsvermögen wegen seiner Zweckbindung von der staatlichen Verfügungsfreiheit über sein Vermögen ausgenommen sei und eine Pflicht bestehe, die Funktionsbindung des Vermögens beizubehalten. Diese Zweckbindung sichere einen Mindestbestand staatlicher Verwaltungsmittel, hindere aber keine Umwidmung und damit letztlich auch nicht die Veräußerung. 5 Die Aussage des § 63 Abs. 2 BHO, wonach Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht mehr benötigt werden, wäre demnach lediglich als einfachgesetzliche deklaratorische Ausformung eines verfassungsrechtlichen Gebots zu verstehen. Eine solche Ansicht findet zunächst jedoch keine ausdrückliche Stütze im Grundgesetz. Wie der Staat seine Aufgaben erledigen will, steht im allgemeinen in seinem Ermessen. 6 Insbesondere besteht keine Vorschrift, die eine Erfüllung von Verwaltungsaufgaben mit ausschließlich öffentlichrechtlich institutionalisiertem Vermögen befiehlt. 7 Die organisatorische Ausgestaltung der Verwaltung betreffend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es eines solch weiten Spielraums bedarf, „um den - verschiedenartigen und sich ständig wandelnden - organisatorischen Erfordernissen fortdauernde Nutzung des veräußerten Vermögens für Verwaltungsaufgaben nicht gesichert ist. 5 So P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 305. 6 In Bezug auf staatliche Organisation BVerfGE 17, 371, 377; 35, 79, 116 ff.; vgl. ferner Stern, Staatsrecht I, § 11, S. 347; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200. 7 Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 192.
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Rechnung (zu) tragen und damit eine wirkungsvolle und leistungsfähige Verwaltung gewährleisten zu können" 8 . Damit wird jedoch die Leistungsfähigkeit oder Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Grenze des staatlichen Ausgestaltungsspielraums bei der Erfüllung von Aufgaben sichtbar. Es fragt sich, ob es dem Staat von Verfassungs wegen untersagt ist, Verwaltungsvermögen zu veräußern, wenn dessen künftiger Gebrauch zu Verwaltungszwecken nicht abgesichert ist und damit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als solche gefährdet wird und ob nicht daraus das Gebot erwächst, nur dann zu veräußern, wenn die Funktionsfähigkeit gesichert ist. Es fragt sich, ob ein generelles Gebot besteht, Verwaltung derart anzulegen, dass die Handlungsfähigkeit der Verwaltung sichergestellt ist. 9 Im folgenden soll nunmehr zunächst betrachtet werden, ob ein solches Gebot der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung von Verfassungs wegen besteht. Anschließend soll untersucht werden, welche Konsequenzen dies für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen hat. 1. Der Funktionsfähigkeitsvorbehalt als verfassungsrechtliches Gebot a) Abgrenzung verwandter Fragestellungen Dabei gilt es zunächst, die hier aufgeworfene Fragestellung von benachbarten Problemen abzugrenzen. Zum einen muss die Funktionsfähigkeit des Staates von der Staatsinsolvenz, dem Staatsbankrott, unterschieden werden. Dies geschieht zum Teil nicht mit der gewünschten Klarheit, wenn etwa im gleichen Satz davon gesprochen wird, dass der Staat sich durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht sehenden Auges in den Staatsbankrott begeben dürfe und aus Rechts- und Sozialstaatsprinzip die Pflicht zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Staates, d.h. zur Gewährleistung einer sachgerechten Durchführung der Aufgaben, die ihm kraft Verfassung oder kraft Gesetzes zukommen, folge 1 0 . Dem entgegen sollte der Begriff des Staatsbankrotts vielmehr nur für die Beseitigung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates gebraucht werden 11 . Funktionsfähigkeit 8
BVerfGE 63, 1, 34. Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 143. 10 So Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122. 11 Lehmann, Konkursfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S. 62 f. unterscheidet zwischen einem „offenen Staatsbankrott", in dem der Staat ausdrücklich den Schuldendienst verweigert, und einem „latenten Staatsbankrott", in 9
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im hier verstandenen Sinne meint stattdessen ausschließlich die Beseitigung der tatsächlichen Handlungsfähigkeit des Staates, die eben dann eintreten kann, wenn das zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben benötigte Vermögen (Gebäude, Fahrzeuge etc.) nicht zur Verfügung steht. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass bei einer Beseitigung der finanziellen Handlungsmöglichkeiten des Staates auch seine tatsächlichen Handlungspotentiale beseitigt werden, doch beeinträchtigt die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zunächst 12 nur die tatsächliche Handlungsmöglichkeit. Zum anderen geht es bei der Frage des Funktionsfähigkeitsvorbehalts nicht um die im Rahmen der Privatisierungsdiskussion immer wieder problematisierte Frage, welche Aufgaben des Staates als „ausschließliche Staatsaufgaben" von diesem selbst erfüllt werden müssen und welche als „konkurrierende Staatsaufgaben" auf Private übertragen werden können. 13 Vielmehr wird problematisiert, ob der Staat seine Funktionsfähigkeit bei der Erfüllung der Aufgaben, die er kraft Verfassung oder Gesetzes tatsächlich übertragen bekommen hat, nicht gefährden darf. Schließlich darf der hier diskutierte „Funktionsfähigkeitsvorbehalt" auch nicht mit dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 G G 1 4 verwechselt werden. Nach diesem ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen - also Beamten 15 . Gleiches gilt in Bezug auf den „prinzipiellen Funktionsvorbehalt für Verwaltungskompetenzen" 16 , der der Verwaltung einen eigenständigen Kernbereich im grundgesetzlichen Verfassungsgefüge zuerkennt, der frei von judikativem Zugriff ist. b) Funktionsfähigkeit als verfassungsrechtliche Kategorie Wenn auch der Begriff der Funktions- oder Leistungsfähigkeit der Verwaltung im Grundgesetz nicht explizit erwähnt wird, erscheint das Bestehen eines Funktionsfähigkeitsvorbehalts im hier verstandenen Sinne auf den welchem die Verpflichtungen des Staates nur mit Hilfe von Geldentwertung oder durch einseitige Herabsetzungen der Zinsen oder Tilgungssummen erfüllt werden. 12 Zur Veräußerung als Kreditgeschäft, das auch die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates gefährdet s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. II. 13 Vgl. hierzu etwa Bauer, in: VVDStRL 54 (1994), 243, 255 und Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 53 jeweils m.w.N. 14 Zu dessen fehlender Bedeutung für Vermögensprivatisierungen vgl. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 205. 15 Vgl. nur Lübbe-Wolf, in: Dreier, GG, Art. 33, Rdnr. 56 m.w.N.; Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 53. 16 Hierzu Stern, Staatsrecht II, § 41, S. 756 ff.
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ersten Blick doch „selbstverständlich" 17 . Die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen ist nicht nur als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit im Rahmen der ordnungsrechtlichen Generalklausel 18 , sondern seit langem auch als verfassungsrechtliche Kategorie anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung immer wieder auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit einzelner Institutionen wie der Regierung 19 , der gesamten Wirtschaft 20 oder der Strafrechtspflege 21, aber auch auf die Funktionstüchtigkeit öffentlich-rechtlicher Körperschaften im allgemeinen 22 berufen. Wenn die Verfassung eine gesetzesgebundene Verwaltung schafft (Art. 20 Abs. 3 GG) und diese in den Art. 62, 83 ff. GG strukturiert, kann hieraus das Gebot abgeleitet werden, dass diese Verwaltung auch funktionieren solle. 23 Der Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung wird mithin als ein ungeschriebenes Strukturprinzip der Verfassung in Art. 20 GG im Begriff der vollziehenden Gewalt vorausgesetzt. 24 Das Staatsvolk ist darüber hinaus nur dann im Sinne des Demokratieprinzips in der Lage, die Staatsgewalt durch die vollziehende Gewalt auszuüben, wenn die Regierung und mit ihr die gesamte Exekutive funktionstüchtig ist. 2 5 Insoweit kann der Funktionsfähigkeitsvorbehalt auch im Demokratieprinzip verortet werden. Die Sicherung der Funktionstüchtigkeit der Institutionen des Staates ist dabei aber nicht primäres, sondern allein sekundäres Staatsziel, das aus sich selbst heraus keine legitimierende Macht besitzt. 26 Legitimation gewinnt die Funktionstüchtigkeit der Institutionen erst aus den primären Staatszielen, auf deren Verwirklichung die Institution als Instrumentarium ausgerichtet ist. 2 7 Dies wird besonders in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr deutlich. Hier wird nicht nur ausgeführt, dass Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr verfassungsrechtlichen Rang besitzen 28 , sondern auch klargestellt, dass nicht die Bedrohung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr an sich, 17
Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200. Vgl. Friauf, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 2. Abschnitt, Rdnr. 36; positivrechtlich normiert etwa in § 3 Nr. 1 SOG Sachsen-Anhalt. 19 BVerfGE 9, 268, 281. 20 BVerfGE 30, 292, 324. 21 Vgl. insbesondere BVerfGE 44, 353, 374; aber auch schon BVerfGE 38, 105, 118; 38, 312, 321. 22 BVerfGE 50, 135, 157. 23 Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 116. 24 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200. 25 Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 116. 26 Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 118. 27 Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 118; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 201 „kein Selbstzweck"; Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 475. 28 So ausdrücklich BVerfGE 48, 127, 159 f.; 69, 1, 21. 18
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sondern erst die damit einhergehende Gefährdung der Sicherheit des Staates legitimierender Grund für Grundrechtsbeschränkungen sein kann 2 9 . Gleiches gilt für den Bereich der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege, deren Aufrechterhaltung nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dem dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit immanenten Gedanken der Gerechtigkeit 3 0 , der Pflicht des Staates zum Schutz seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen sowie dem Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigter auf Gleichbehandlung 31 und damit letztlich dem Rechtsfrieden 32 diene. Wenn in der Literatur vor allem in Zusammenhang mit der Rechtsprechung zum Strafverfahrensrecht Kritik am Topos der Funktionsfähigkeit geübt wird, so richtet sich diese nicht primär gegen die Anerkennung der Sicherung der Funktionsfähigkeit als sekundärem Staatsziel, sondern vor allem gegen die Vermengung primärer und sekundärer Staatsziele und die Interpretation des primären Staatsziels, dem die jeweilige Institution dient. 33 Durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen kann nun die Erfüllung einer ganzen Reihe von Verwaltungsaufgaben - und damit auch von primären Staatszielen - gefährdet werden. Welche konkreten Verwaltungsfunktionen durch die Veräußerung bedroht sind, hängt von der Art des veräußerten Vermögens ab. Grundsätzlich kann dies allen Teilen staatlicher Verwaltung auf Bundes- und Landesebene zugeordnet sein: dem Militär, der Polizei, den Gerichten, der sozialen Leistungsverwaltung, den Schulen oder der Finanzverwaltung. 34 Die Sicherung der Funktionsfähigkeit sichert in jedem Beispiel ein primäres Staatsziel. A m augenscheinlichsten ist das Gebot der Funktionsfähigkeitssicherung bei Militär und Polizei. Art. 87 a GG ist nach seinem Wortlaut Auftrag an den Bund, Streitkräfte aufzustellen. 35 In Übereinstimmung mit dem bereits 29
Vgl. etwa BverfGE 48, 243, 261; F. Kirchhof, in: HStR III, § 78, Rdnr. 7 betont ausdrücklich, dass erst die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr verfassungsrechtlichen Rang verleiht. 30 BVerfGE 44, 353, 374, 31 BVerfGE 46, 214, 223. 32 BVerfGE 51, 324, 343. 33 In diesem Sinne vor allem Hassemer, in: StV 1982, 275, 277 f., der ausdrücklich anerkennt, dass die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege auch im rechtsstaatlichen Interesse liegen muss, gleichzeitig aber betont, dass die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege nur faktische Bedingung für die Erreichung der vom Strafverfahren verfolgten Ziele sei und somit abwägungsspezifisch nicht auf der gleichen Ebene eingeordnet werden könne, was seiner Meinung nach jedoch vom BVerfG praktiziert werde (S. 279). 34 Im „Kieler Immobiliengeschäft" sollten etwa Amtsgebäude der Polizei, von Gerichten, der Landessozialverwaltung sowie der Finanzverwaltung veräußert werden (vgl. LT-Umdruck 14/1733).
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in Art. 26 Abs. 1 GG enthaltenen Verbot des Angriffskrieges kommt in der genannten Vorschrift der Wille des Verfassungsgebers zum Ausdruck, dass die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen. 36 Die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr dient damit dem Bestand der Bundesrepublik an sich, „den es zu schützen und zu erhalten g i l t " 3 7 . „Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr haben verfassungsrechtlichen Rang". 3 8 Während die Streitkräfte den Feind bekämpfen, der die Integrität des Staates von außen bedroht, schützt die Polizei die innerstaatliche Rechtsund Friedensordnung und wehrt Gefahren von ihr ab. 3 9 Anders als im Fall der Verteidigung nach außen hat das Grundgesetz jedoch auf die ausdrückliche Etablierung einer Staatsaufgabe „innere Sicherheit" verzichtet, sondern diese in den Art. 73, 74, 75, 87, 91 GG stillschweigend vorausgesetzt. 40 Dabei entspricht diese Staatsaufgabe der Pflicht des Staates, sich „schützend und fördernd" vor die in den Grundrechten genannten Rechtsgüter zu stellen und sie „insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren". 41 Legislative, Exekutive und Judikative haben hierzu in ihrem jeweiligen Funktionskreis geeignete und ausreichende Mittel einzusetzen.42 Die Art und Weise der Erfüllung dieser aus der Funktion der Grundrechtsnormen als objektive Werteordnung abgeleiteten 43 Schutzpflichten durch den Sachgesetzgeber - wie sie etwa durch Finanzierungsund Organisationsentscheidungen erfolgt - erfordert freilich komplexe politische Entscheidungen, für die den Handlungsträgern ein weiter Ausgestaltungsspielraum verbleibt. 44 Dennoch ist es sowohl mit einer Schutzpflicht des Staates, als auch mit der fundamentalen Aufgabe des Staates, durch sein Gewaltmonopol die Sicherheit im Staate zu gewährleisten, nicht vereinbar, wenn der Staat die zu ihrer Erfüllung bestimmten Institutionen ihrer Funktionsfähigkeit beraubt. Es besteht daher ein Gebot, die Polizei und die sonstigen zur Sicherheitsgewährung erforderlichen Institutionen funktionsfähig zu erhalten. 35
BVerwGE 43, 352, 358; 73, 296, 304; Bull, Staatsaufgaben, S. 149. BVerfGE 69, 1, 22. 37 BVerfGE 20, 162, 178. 38 BVerfGE 69, 1, 21 (Herv. d. Verf.). 39 F. Kirchhof in: HStR III, § 78, Rdnr. 3. 40 Götz, in: HStR III, § 79, Rdnr. 2; Isensee, in: HStR V, § 111, Rdnr. 83; Bull, Staatsaufgaben, S. 349. 41 BVerfGE 39, 1, 42; 46, 160, 164; 49, 24, 53; 53, 30, 57. 42 Isensee, in: HStR V, § 111, Rdnr. 139. 43 BVerfGE 39, 1, 41; zur Frage ob und wann mit den Pflichten des Staates zum Schutz grundrechtlich geschützter Güter auch subjektive Schutzrechte korrespondieren vgl. Isensee, in: HStR V, § 111, Rdnr. 183 ff. 44 Vgl. etwa BVerfGE 56, 62, 80 f. 36
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Eine ähnliche Begründung lässt sich auch für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege anführen. So folgt aus der Pflicht des Staates zum Schutz der Sicherheit seiner Bürger die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Strafgerichtsbarkeit, da die Sicherheitsgewährung die gerichtliche Ahndung von Straftaten und die Vollstreckung der verhängten Sanktionen verlangt. 45 Aber auch darüber hinaus verwirklicht sich der Rechtsstaat des Grundgesetzes maßgeblich in der Staatsfunktion der Rechtsprechung. Sie ist zentrales Element der Rechtsstaatlichkeit und notwendiges Korrelat des staatlichen Gewaltmonopols sowie der rechtsstaatlichen Verpflichtung des Bürger zum Rechtsgehorsam und Gewaltverzicht. 46 Aus dem Rechtsstaatsprinzip ist daher sowohl für öffentlich-rechtliche, als auch für zivilrechtliche 47 Streitigkeiten die Pflicht zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. 48 Dieser allgemeine Justizgewähranspruch hat in der speziellen grundgesetzlichen Rechtsschutzverbürgung gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG lediglich eine Konkretisierung erhalten. 49 Er verpflichtet den Staat, alle erforderlichen - personellen wie sächlichen - Mittel aufzubringen, bereitzustellen und einzusetzen und im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, um die Gewährleistung sicherzustellen. 50 Mit einem solchen Gebot wird jedoch nichts anderes als eine Verpflichtung des Staates ausgesprochen, die Funktionsfähigkeit der Gerichte nicht zu gefährden. Wurde der Funktionsfähigkeitsvorbehalt bisher nur für staatliche Eingriffsverwaltung und für die Justiz erörtert, so lässt sich ein solcher auch für weite Teile der sozialen Leistungsverwaltung begründen. Dabei kann die Leistungsverwaltung im modernen Sozialstaat des Grundgesetzes als die typische Erscheinungsform des Staates angesehen werden. 51 Wird der Staat in Form der Leistungsverwaltung tätig, so kann dies in den vielfältigsten Formen geschehen. Übereinstimmendes Merkmal dieser Tätigkeiten ist dabei, dass sie in den meisten Fällen auf einfachgesetzlicher, zum Teil auch auf grundgesetzlicher Verpflichtung beruhen. So gehört es etwa zu den „selbstverständlichen" Pflichten eines Sozialstaates, die Mindestvorausset45
BVerfGE 46, 214, 223. Hierzu BVerfGE 54, 277, 292; vgl. ferner Degenhart, in: HStR III, § 75, Rdnr. 1; Papier, in: HStR VI, § 153, Rdnr. 1; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 16. 47 BVerfGE 54, 277, 291. 48 BVerfGE 54, 277, 291; 53, 115, 127; 36, 264, 275. 49 BVerfGE 53, 115, 127. 50 BVerfGE 36, 264, 275. 51 Kritisch Püttner, Verwaltungslehre, S. 38 ff. der die Begriffe „Umverteilungsoder Interventionsstaat" der Bezeichnung „Leistungsstaat" vorzieht, da nur in dieser Terminologie deutlich zum Ausdruck komme, dass der Staat nur mit Mitteln leiste, die er sich vorher eingreifend beschafft. 46
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zungen für ein menschenwürdiges Dasein durch Fürsorge zu sichern. 52 Ein solcher Auftrag ist jedoch ohne eine funktionsfähige Sozialverwaltung nicht zu erfüllen, deren Funktionstüchtigkeit damit von Verfassungs wegen 53 geboten ist. Dieses Gebot lässt sich aber über den Bereich der unmittelbar existenzsichernden auf sämtliche gesetzlich begründete Leistungen ausdehnen. Wo der Staat den Bürgern einfachgesetzlich Ansprüche einräumt, verpflichtet ihn die Gesetzesbindung der Exekutive (Art. 20 Abs. 3 GG) auch zur Erfüllung der Ansprüche. Das Gesetz ist insoweit „Vollzugsauftrag" für die Exekutive. 54 Mit dem Grundgedanken des Rechtsstaates kann es daher nicht vereinbart werden, dass sich der Staat selbst seiner Funktionsfähigkeit bei der Erfüllung von Leistungsansprüchen seiner Bürger beraubt. Aber auch soweit die Leistungsverwaltung nicht gesetzliche Ansprüche erfüllt, wird ihre Funktionsfähigkeit verfassungsrechtlich verlangt, da sie insoweit immer noch in Vollzug des sozialstaatlichen Auftrags des Grundgesetzes erfolgt. Wohlfahrtspflege als Schutz und Förderung der allgemeinen Interessen und Daseinsvorsorge, verstanden als Sorge des Staates für den einzelnen Bürger, sind heute allgemein als aus dem Sozialstaatsprinzip folgende Staatsaufgaben anerkannt. 55 Eine besondere grundgesetzliche Fundierung erhält schließlich auch die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Schulen. Wenn Art. 7 Abs. 1 GG verkündet, dass das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht, und auch weitere Grundsätze für die Gestaltung des Schulwesens aufgestellt werden 56 , setzt diese Festsetzung voraus, dass überhaupt ein funktionsfähiges Schulwesen besteht. Wird die Funktionsfähigkeit der Schule bedroht, ist dies gerade ein Fall, in dem die Schulaufsicht einzugreifen hat. Dieses gesamte System staatlicher Verwaltung, dessen Funktionsfähigkeit verfassungsrechtlich wegen seiner Bedeutung für die Erfüllung verfassungsrechtlicher Funktionen geschützt wird, wird schließlich gestützt und unterhalten durch die staatliche Finanzkraft. Der Leistungsstaat setzt den Finanzstaat voraus. Die Finanzen sind die tatsächliche Voraussetzung der Existenz des modernen Staates.57 Erst die Ausstattung mit frei verfügbaren Geldmitteln in angemessener Höhe sichert die Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern. 58 Staatliche Finanzierung ist in der Bundesrepublik tatsächlich ge52
BVerfGE 40, 121, 133; 45, 187, 228; 82, 60, 80; BVerwGE 1, 159, 161. Seine genaue Ableitung bereitet Schwierigkeiten. Gemeinhin werden Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip genannt 54 Herzog,, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI, Rdnr. 35; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 61. 55 Rüfner, in: HStR III, § 80, Rdnr. 1 ff. 56 Vgl. BVerfGE 6, 309, 355. 57 Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 268. 53
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sehen zum größten Teil immer noch Steuerfinanzierung, so dass zumindest in der empirischen Bedeutung 59 von der Bundesrepublik als Steuerstaat gesprochen werden kann. Konsequenterweise wird die steuererhebende Verwaltung damit zum Schlüssel für die staatliche Finanzierung. Ihre Funktionsfähigkeit ist damit genau wie diejenige der abgabenerhebenden Verwaltung Grundvoraussetzung staatlicher Tätigkeit. Die Funktionsfähigkeit der einnahmenerhebenden Verwaltung dient damit ebenfalls verfassungsrechtlichen Zielsetzungen und ist zu erhalten. c) Ergebnis Die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ist damit umfassend verfassungsrechtlich geschützt. Es ist dem Staat geboten, diese Funktionsfähigkeit zu erhalten und zu gewährleisten. Dies gilt damit auch für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen. 2. Folgen des Funktionsfähigkeitsvorbehalts für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen Welche Folgerungen ergeben sich aus diesem Ergebnis für die Zulässigkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen? Der Staat hat es von Verfassungs wegen zu unterlassen, die Funktionsfähigkeit seiner Verwaltung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zu gefährden - oder anders gewendet: Wenn er sich zum Verkauf entschließt, muss er entsprechende Vorkehrungen treffen, um Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu begegnen. Die generelle Aussage, dem Staat sei die Veräußerung von Verwaltungsvermögen wegen dessen Zweckbindung untersagt, trifft insoweit nicht zu. Um die konkreten Konsequenzen dieser Aussage für die Zulässigkeit der Veräußerung bestimmen zu können, soll im folgenden zunächst skizziert werden, welche Gefahren für die Funktionserfüllung der Verwaltung bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen konkret bestehen. Anschließend gilt es zu bestimmen, auf welche Weise diesen Gefahren begegnet werden kann und muss.
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Zur Bedeutung der Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104 a ff. GG) in diesem Zusammenhang BVerfGE 95, 243, 249; 95, 250, 262. 59 Zu den normativen Aspekten der Steuerstaatlichkeit s.u., 3. Teil, 1. Kap., A. II. 1. und 2.
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a) Durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen entstehende Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Vor der Veräußerung ist der Staat zivilrechtlicher Eigentümer und Besitzer des Vermögensgegenstandes. Ihm kommen die damit verbundenen umfassenden Herrschafts- und Ausschließungsbefugnisse (§ 903 BGB) zu, die die Aufgabenerfüllung durch den hoheitlichen Nutzer gewährleisten. Veräußert der Staat jedoch das Verwaltungsvermögen, verliert er die zivilrechtliche Eigentümerstellung und die damit verbundenen Rechte. Benötigt er den Vermögensgegenstand, in der Regel ein mit Verwaltungsgebäuden bebautes Grundstück, weiterhin zur Aufgabenerfüllung, muss er es vom Erwerber zurückmieten. Er ist danach zunächst in der Position wie jeder andere Mieter von beweglichen Sachen oder gewerblichen Grundstücken auch. Damit entstehen aber die jedem Mietverhältnis inhärenten Unsicherheiten bei der Aufrechterhaltung der vom Mieter ausgeübten Nutzung. Der vermietende Eigentümer kann den Vertrag kündigen oder die vermietete Sache an einen Dritten weiterveräußern, er kann insolvent werden und gegen ihn können Titel in die vermietete Sache vollstreckt werden. Im folgenden soll nunmehr erörtert werden, inwieweit durch die benannten Vorgänge die Funktionserfüllung der Sache - ihr weiterer Einsatz zur Erfüllung der Verwaltungsaufgabe - beeinträchtigt werden kann, und inwieweit diese Lage sich von der Situation vor Veräußerung unterscheidet. aa) Nutzungsdauer Ist der Bund oder ein Land zivilrechtlicher Eigentümer einer zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigten beweglichen oder unbeweglichen Sache, so steht ihm das Eigentumsrecht und damit verbunden auch die Nutzungsbefugnis auf unbeschränkte Zeit zu. Dies ändert sich, wenn die Nutzungsbefugnis statt auf absolutem dinglichen Recht nur noch auf einem obligatorischen Recht zur Nutzungsausübung beruht. Ein solches Recht ist endlich. Der Mietvertrag ist schon nach seiner gesetzlichen Definition in § 535 BGB lediglich auf Gebrauchsüberlassung auf Zeit angelegt. Nach § 564 Abs. 1 BGB endet das Mietverhältnis mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen worden ist. Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jeder Teil das Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis jederzeit unter Einhaltung der Fristen des § 565 BGB kündigen (§ 564 Abs. 2 BGB). Abgesehen von der Möglichkeit, dieses ordentliche Kündigungsrecht individualvertraglich 60 60 Zur Wirksamkeit einer solchen Regelung in AGB vgl. Bub, in: Bub/Treier, II, Rdnr. 537 f.
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ganz oder für eine bestimmte Zeit auszuschließen oder einzuschränken 61, kann eine gewisse Sicherung der Nutzung der Mietsache für den Zweck des öffentlichen Mieters damit überhaupt nur durch einen zeitlich befristeten Mietvertrag erreicht werden, der auf längere Zeit geschlossen ist. Ein solcher befristeter Vertrag kann außer durch Zeitablauf nur durch konsensualen Aufhebungsvertrag oder durch außerordentliche Kündigung aus einem der gesetzlich enumerativ festgelegten Gründe (§§ 542, 544, 549, 553-554a, 569, 569a, 569b, 570 BGB) beendet werden. 62 Gegen den Willen des Mieters kann der Vertrag damit nur dann beendet werden, wenn sich dieser selbst vertragswidrig verhält. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Funktionssicherung einfach durch einen auf äußerst lange Zeit, etwa 100 Jahre, abgeschlossenen Vertrag erreicht werden kann. Abgesehen davon, dass eine Bedarfsprognose über einen solch langen Zeitraum kaum möglich sein dürfte und eine solch lange Bindung der öffentlichen Hand daher unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltswirtschaft äußerst bedenklich erscheint, ist eine derartige Konstruktion auch vertragsrechtlich nicht absicherbar. Gem. § 567 S. 1 BGB kann, wenn ein Mietvertrag für eine längere Zeit als 30 Jahre geschlossen ist, jeder Teil das Mietverhältnis nach 30 Jahren unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. § 567 S. 1 BGB ist als zwingendes Recht 63 nicht durch Parteivereinbarung abdingbar, auch nicht durch Festlegung eines besonderen Nutzungszwecks. 64 Die Regelung lässt sich schließlich weder dadurch umgehen, dass der Vertrag für eine Laufzeit unter 30 Jahren abgeschlossen wird und einer Partei ein Optionsrecht eingeräumt wird, das Mietverhältnis durch einseitige Erklärung auf unbestimmte oder bestimmte Zeit zu verlängern 65 , noch dadurch, dass ein Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird, die Kündigung aber für mehr als 30 Jahre ausgeschlossen oder unzumutbar erschwert wird. Nach ganz überwiegender Meinung ist § 567 BGB entgegen seinem Wortlaut auch in diesen Konstellationen anwendbar. 66 Die Vorschrift des § 567 S. 1 BGB will Generationen überdauernde und deshalb in ihren Wirkungen unüberschaubare mietrechtliche Bindungen verhindern. 67 Ein Mietvertrag soll nach seinem Wesen dem Mieter nur einen zeitlich begrenzten Anspruch auf Gebrauchsüberlassung geben. 61
Zu diesen Möglichkeiten vgl. Sonnenschein, in: Staudinger, BGB, § 564, Rdnr.
54 ff. 62
Putzo, in: Palandt, BGB, § 564, Rdnr. 7. BGH, WM 1968, 7, 9. 64 OLG Hamm, NZM 1999, 753, 754; Eishorst, in: NZM 1999, 449. 65 Zu dieser Möglichkeit Putzo, in: Palandt, BGB, § 564, Rdnr. 6 und vor § 535, Rdnr. 5, 5b. 66 Vgl. etwa Eishorst, in: NZM 1999, 449, 450; OLG Hamm, NZM 1999, 573 m.w.N. 67 OLG Hamm, NZM 1999, 753, 754. 63
8 Fleischmann
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Diese zeitliche Begrenzung soll § 567 BGB sicherstellen und verhindern, dass durch einen Mietvertrag eine einem dinglichen Nutzungsrecht angelehnte Nutzungsberechtigung erreicht werden kann. 68 Aufgrund dessen kann festgehalten werden, dass bisher im Streitfall noch keine vertragliche Konstruktion, mit deren Hilfe die Wirkung von § 567 S. 1 BGB umgangen werden sollte, von der Rechtsprechung aufrecht erhalten wurde. 69 Im Ergebnis ist damit zu konstatieren, dass bei Vereinbarung eines Mietverhältnisses die Funktion des Vermögensgegenstand bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben nur für 30 Jahre erfolgen kann, da anschließend in jedem Fall ein Kündigungsrecht des Vermieters besteht. Vorher kann der Vertrag gegen den Willen der Verwaltung nur gekündigt werden, falls diese sich selbst vertragswidrig verhält. bb) Parteiwechsel
auf der Vermieterseite
Der neue Eigentümer kann sein Eigentum aber auch auf Dritte übertragen. Dies kann dadurch geschehen, dass er es aufgrund eines Kaufvertrages übereignet oder aber dadurch, dass der Erwerber, sofern es sich bei ihm um eine Gesellschaft handelt, mit einer anderen Gesellschaft fusioniert und das Eigentum mit einbringt. Ein Ausschluss solcher Verfügungsrechte des Erwerbers im Kaufvertrag mit der öffentlichen Hand erweist sich nur bedingt als wirksames Mittel zur Verhinderung von Verfügungen. Gem. § 137 S. 1 BGB kann die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Damit wird festgelegt, dass dingliche Beschränkungen unwirksam sind und gegen die Verfügungsbeschränkung verstoßende Verfügungen voll wirksam sind 7 0 , ein Dritter also Eigentum vom Verfügungsbeschränkten erwerben kann. Dass die schuldrechtliche Verpflichtung, über ein veräußerliches Recht nicht zu verfügen, von § 137 S. 1 BGB nicht berührt wird (§ 137 S. 2 BGB), führt lediglich dazu, dass die Verletzung der Unterlassungspflicht einen Schadensersatzanspruch begründet, der gem. § 249 S. 1 BGB grundsätzlich auf Rückgängigmachung der Verfügung gerichtet ist. 7 1 Da es dem Veräußernden im Regelfall aber im Innenverhältnis zum Dritten an einem Anspruch auf Rückübereignung fehlen wird und ein direkter Anspruch der öffentlichen Hand gegen den Dritten nur unter den Voraussetzungen des § 826 BGB anzunehmen sein wird, bleibt dieser Anspruch als letztendlich auf Geld gerichteter Entschädi68 69 70 71
BGH, NJW 1996, 2028, 2029. Eishorst, in: NZM 1999, 449, 450. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 137, Rdnr. 4. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 137, Rdnr. 6.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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gungsanspruch stumpf. Das Eigentum am gemieteten Gegenstand ist auf den Dritten übergegangen. Damit wird aber grundsätzlich das Mietverhältnis gegenstandslos. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts bestehen Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen. Der Dritterwerber ist aber nicht Partei des zwischen Vermieter und öffentlicher Hand abgeschlossenen Mietvertrages und aus diesem nicht zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet, während der ursprüngliche Erwerber nicht mehr Eigentümer ist und folglich auch keinen Gebrauch an der Sache einräumen kann. Für bewegliche Sachen wird damit durch die Weiterveräußerung des Verwaltungsvermögens die Nutzungsmöglichkeit der öffentlichen Hand beendet. Für Grundstücke hat der Gesetzgeber hingegen in § 571 Abs. 1 BGB eine Ausnahmevorschrift 72 geschaffen, wonach der Erwerber eines vermieteten Grundstücks an Stelle des Vermieters in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenen Rechte und Verpflichtungen eintritt, wenn das Grundstück nach der Überlassung an den Mieter an ihn veräußert wird. Der Erwerber wird durch gesetzliche Anordnung 73 Partei des Mietvertrages. Ihm steht kein besonderes Kündigungsrecht zu. Entscheidend für diesen Eintritt ist der dingliche Eigentumserwerb, welches schuldrechtliche Grundgeschäft ob Kauf, Schenkung, Tausch oder Einbringung in eine Gesellschaft - dem zu Grunde liegt, ist hingegen irrelevant. 74 Handelt es sich beim Vermieter um ein Unternehmen, sind damit auch die meisten Fälle des Inhaberwechsels von § 571 BGB erfasst, da sich dieser in der Regel in Form des Unternehmenskaufs vollzieht, bei dem alle Vermögensbestandteile des Unternehmens einzeln veräußert werden („asset deal"). 75 Werden hingegen nur Unternehmensanteile übertragen („share deal"), bleibt die juristische Person unverändert bestehen, so dass sich das Problem des Eigentümerwechsels nicht stellt. Findet schließlich eine Umwandlung im Sinne des UmwG, also durch Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung oder Formwechsel, statt, so tritt kraft gesetzlicher Anordnung im UmwG Gesamtrechtsnachfolge 76 ein. Infolgedessen geht auch der Mietvertrag auf den neuen Unternehmensträger über, ohne dass es der Zustimmung des Mieters bedarf. 77 72
Putzo, in: Palandt, BGB, § 571, Rdnr. 1. Zum Streit über die rechtsdogmatische Konstruktion des Eintritts vgl. Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 571, Rdnr. 7 ff. 74 Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 571, Rdnr. 50; Putzo, in: Palandt, BGB, §571, Rdnr. 7. 75 Heile, in: Bub/Treier, II, Rdnr. 834. 76 Beim Form Wechsel (§§ 190 ff. UmwG) bleibt der formwechselnde Rechtsträger sogar in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiterbestehen (§ 202 Abs.l Nr. 1 UmwG). 73
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Im Ergebnis wird damit durch eine Weiterübertragung des Eigentums an der von der öffentlichen Hand gemieteten Sache deren Nutzungsrecht nur beeinträchtigt, wenn es sich um eine bewegliche Sache handelt. Bei Grundstücken hingegen, denen die Raummiete gem. § 580 BGB gleichgestellt ist, bewirkt § 571 Abs. 1 BGB, dass ein Rechtsträgerwechsel auf Erwerberseite keine Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung der Verwaltung haben kann. cc) Zwangsvollstreckung
gegen den Neueigentümer
Schließlich kann die (Einzel-)Zwangsvollstreckung die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe mit Hilfe eines Gegenstandes des Verwaltungsvermögens beeinträchtigen. Dies gilt dann, wenn sie in einen Gegenstand betrieben wird, der zur Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung benötigt wird. Hierfür kommen nur die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen des Schuldners in Betracht. Da die Zwangsvollstreckung freilich auch gegen den Staat als Schuldner und Vermögensträger möglich ist 7 8 , gilt es genau zwischen der Lage vor und nach der Veräußerung des Verwaltungsvermögensgegenstandes zu differenzieren. (1) Lage vor der Veräußerung Soll gegen den Staat wegen einer Geldforderung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen vollstreckt werden, so finden sich diesbezüglich spezielle Regelungen. Gem. § 882a Abs. 1 Z P O 7 9 darf gegen den Bund oder ein Land die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung erst vier Wochen nach dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Gläubiger seine Absicht, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, der zuständigen Stelle angezeigt hat. Nach Abs. 2 S. 1 ist die Zwangsvollstreckung unzulässig in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Damit wird die Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder wegen einer Geldforderung aus zivilgerichtlichen Titeln 8 0 in Bezug auf die hier zu 77
Heile, in: Bub/Treier, II, Rdnr. 837; Putzo, in: Palandt, BGB, § 535, Rdnr. 7. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den Staat und die hiergegen vorgebrachten Einwände Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 3 ff. 79 Eingeführt durch das VollstrMaßnG vom 20.8.1953 (BGBl. I, S. 952), mit dem die vorher bestehende „Rechtszersplitterung" beseitigt wurde. Zur vorherigen Rechtslage und zur Entstehungsgeschichte vgl. Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 22 ff., 37 ff. 78
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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erörternde Problematik massiv eingeschränkt. Die Norm will sicherstellen, dass die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die zwangsweise Durchsetzung privater Ansprüche nicht gefährdet wird, sie dient dem Schutz öffentlicher Interessen. 81 Die Regelung des Abs. 2 ergänzt die Vorschrift des §811 ZPO über die Pfändungsverbote für juristische Personen des öffentlichen Rechts, für deren Bedürfnisse der vielfach nur auf die Interessen natürlicher Personen abstellende Katalog des § 811 ZPO unzureichend ist. 8 2 Vom Pfändungsverbot erfasst werden sowohl bewegliche Sachen 83 , als auch Grundstücke 84 , sofern sie für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind. Nach herkömmlicher Auffassung sind dies nur Sachen, die zum Verwaltungsvermögen gehören, nicht jedoch Bestandteile des Finanzvermögens. 85 Stets wird jedoch eine besondere Dringlichkeit des Bedarfs zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben verlangt. 86 Die Aufgabe darf nicht auf andere Weise erfüllt werden können. 87 Hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verwaltungsvermögens greift § 882a Abs. 2 ZPO damit ein. Dieses Vermögen wird vor der Veräußerung zur Erfüllung eines Verwaltungszweckes benötigt. Auch kann die Verwaltung die Aufgabe nicht mit anderen Mitteln erfüllen, da es sonst ja gerade 80 Dies sind Titel der ordentlichen Gerichte sowie der Arbeitsgerichte. Die Vollstreckung gegen die öffentliche Hand wegen einer Geldforderung aus Titeln des Verwaltungsgerichts, Sozialgerichts oder Finanzgerichts unterliegt in den §§170 VwGO, 198 Abs. 1 SGG und 151 Abs. 1 FGO eigenständigen, allerdings dem § 882a ZPO nachgebildeten (Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 1), Restriktionen. 81 BVerfGE 60, 135, 157; Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 4. 82 Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 61, Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 21; Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 8. 83 Für Forderungen und andere unkörperliche Vermögensrechte fehlt ein vergleichbarer Vollstreckungsschutz, da die Liquidität der öffentlichen Hand anderweitig sicherzustellen ist (vgl. Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 8). 84 Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 8; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 6; a.A. offenbar He. Bauer, in: DGVZ 1961, 73, der § 882a ZPO nur auf die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen anwendet. 85 Vgl. BVerfG, NJW 1983, 2766, 2768; LG Mainz, Rpfleger 1974, 166, 167; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 19; weiter Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 52 ff., der dem § 882a ZPO ein Pfändungsverbot für alle öffentlichen Sachen entnimmt und auch Sachen im Gemeingebrauch einschließt. 86 Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 19; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 882a, Rdnr. 6; a.A. Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 55 ff.; Wieczorek/Schütze, ZPO, § 882a, Rdnr. D I. Für eine restriktive Auslegung spricht, dass durch § 882 a ZPO die Zwangs Vollstreckungsmöglichkeit des Gläubigers nicht mehr eingeschränkt werden soll, als es die Durchführung der öffentlichen Aufgaben gebietet (He. Bauer, in: DGVZ 1961, 73). 87 Stöber, in: Zöller, ZPO, § 882a, Rdnr. 6.
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keiner anschließenden Rlickmietung nach der Veräußerung bedürfte. Die betreffenden Gegenstände des Verwaltungsvermögens dürfen folglich vor der Veräußerung, solange sie im Eigentum des Staates stehen, nach § 882a Abs. 2 ZPO nicht gepfändet werden. Ist der Pfändungsschutz anwendbar, so schließt § 882a ZPO darüber hinaus die Anwendung sonstiger Schutzvorschriften wie §§ 811, 813a, 765a ZPO oder §§ 30 ff. Z V G nicht aus. 88 In diesen Vorschriften finden sich jedoch keine im Schutzniveau über § 882a ZPO hinausgehenden Normen. Die Regelung des § 882a ZPO ist allerdings nur bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung anwendbar, während bei der Vollstreckung eines dinglichen Titels und bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen die allgemeinen Regeln gelten. 89 Aus diesem Grunde kann hier durch die Veräußerung auch keine Verschlechterung der Position der öffentlichen Hand eintreten. Abgesehen davon gilt es zu beachten, dass Völlstreckungsfälle dieser Art eher seltener sind und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in geringerem Maße bedrohen. 90 (2) Lage nach der Veräußerung Nach der Veräußerung droht eine Gefahr für die öffentliche Nutzung nur durch die Zwangsvollstreckung gegen den Neueigentümer. Eine Zwangsvollstreckung gegen die öffentliche Hand ist hingegen in den zur Aufgabenerfüllung genutzten Gegenstand nicht mehr möglich, da dieser nicht mehr im Eigentum des Staates steht. Wird nun gegen den Neueigentümer des Verwaltungsvermögens wegen einer Geldforderung in den besagten Gegenstand vollstreckt, steht dem § 882 a Abs. 2 ZPO nicht entgegen. In der ersten Alternative des § 882a Abs. 2 S. 1 ZPO ist dies eindeutig, da die Zwangsvollstreckung in solche Sachen für unzulässig erklärt wird, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind. Völlstreckungsschuldner ist jedoch der Neueigentümer, der selber mit dem Vermögensgegenstand keine öffentlichen Aufgaben erfüllt. Diese werden von der öffentlichen Hand als Mieter des Gegenstandes erfüllt. Bezüglich der zweiten Alternative der Norm, wonach die Pfändung solcher Sachen ausgeschlossen ist, deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht, kann die Nichtanwendbarkeit zumindest nicht aus dem Wortlaut abgeleitet werden. Dieser ließe ein Pfändungsverbot auch bei der Vollstre88
Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 23. LG Oldenburg, Rpfleger 1983, 33, 34; Walker, in: Schuschke/Walker, § 882a, Rdnr. 1; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 833, Rdnr. 4; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 882a, Rdnr. 1; He. Bauer, in: DGVZ 1961, 73 f. 90 Miedtank, Zwangsvollstreckung gegen Bund und Länder, S. 77. 89
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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ckung gegen Zivilpersonen zu, wenn der Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegenstünde. Sowohl aus der systematischen Stellung des § 882a ZPO im Gesetz („Achtes Buch, Vierter Titel: Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts"), als auch aus der Systematik des Paragraphen selbst, in der Abs. 3 die Vorschriften des Abs. 1 und 2 auf die Zwangsvollstreckung gegen andere juristische Personen des öffentlichen Rechts als Bund und Länder für anwendbar erklärt, ergibt sich jedoch, dass § 882a Abs. 2 S. 1 ZPO in beiden Alternativen nur Anwendung bei der Zwangsvollstreckung gegen die in der Vorschrift genannten juristischen Personen finden soll. Er gilt damit nicht für juristische Personen des bürgerlichen oder Handelsrechts, derer sich die in Abs. 1 und 3 Genannten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedienen, auch dann nicht, wenn sie ausschließlich der öffentlichen Hand gehören. 91 Für die Zwangsvollstreckung gegen solche Personen gelten damit die allgemeinen Regelungen der Zwangsvollstreckung. Beschränkungen für die Nutzung der öffentlichen Hand als Mieter können sich dabei aus den Regelungen über die Pfändung/Beschlagnahme von beweglichen/unbeweglichen Sachen sowie aus dem mit der Versteigerung erfolgenden Eigentumsübergang ergeben. Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung (§§ 803, 804 ZPO). Die Pfändung vollzieht sich dabei nach §§ 808, 809 ZPO durch Wegnahme der Sache vom Schuldner, bzw. vom herausgabebereiten 92 Dritten - hier der mietenden Verwaltung. Dadurch wird die weitere Erfüllung der Verwaltungsaufgaben unmöglich gemacht. Bei der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück - und hierum wird es im Regelfalle gehen - kommt dem Gläubiger ein Wahlrecht zwischen der Eintragung einer Sicherungshypothek, der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung zu (§ 866 Abs. 2 ZPO). Mit der Eintragung der Sicherungshypothek entsteht eine normale, zivilrechtlich zu beurteilende Hypothek (§ 867 Abs. 1 S. 2 ZPO). W i l l der Gläubiger aus dieser zwecks Befriedigung die Zwangsversteigerung in das Grundstück betreiben, bedarf er eines gesonderten Titels auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Eigentümer, aus dem nach den normalen Vorschriften über die Zwangsversteigerung vollstreckt wird. 9 3 Wählt er eine der beiden letztgenannten Vollstreckungsarten, so erfolgt durch den Beschluss des Vollstreckungsgerichts, mit welchem die Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung angeordnet wird, 91 He. Bauer,, in: DGVZ 1961, 73, 74; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 882a, Rdnr. 4; Wieczorek/Schütze, ZPO, § 882a, Rdnr. B I b. 92 Ist der Dritte nicht zur Herausgabe bereit, richtet sich die Vollstreckung nach §§ 846, 847 ZPO (Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 809, Rdnr. 5). 93 Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 867, Rdnr. 38.
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die Beschlagnahme des Grundstücks (§ 869 ZPO i.V.m. § 20 Abs. 1 ZVG/ § 20 Abs. 1 i.V.m. § 146 Abs. 1 ZVG). Im Falle der Zwangsversteigerung verbleibt dem Schuldner mit der Beschlagnahme die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks innerhalb der Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft (§ 24 ZVG). Auf ein bestehendes Mietverhältnis hat dies keine Auswirkungen, da dessen weitere Durchführung gerade zur ordnungsgemäßen Wirtschaft gehört. 94 Die öffentliche Aufgabenerfüllung wird somit nicht beeinträchtigt. Bei der Zwangsverwaltung hingegen wird dem Schuldner durch die Beschlagnahme die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG) und einem Zwangsverwalter übertragen (§ 152 ZVG). Gem. § 152 Abs. 2 Z V G ist ein Mietvertrag jedoch gegenüber dem Zwangsverwalter wirksam, sofern das Grundstück vor Beschlagnahme an einen Mieter überlassen wurde. Die Vorschrift entspricht somit §571 BGB, so dass bezüglich der Rechtsfolgen nach oben verwiesen werden kann. Gleiches gilt grundsätzlich auch bei der Versteigerung des Grundstücks und dem damit einhergehenden Eigentumsübergang. § 57 ZVG erklärt die §§571 ff. BGB nach Maßgabe der Sonderregelungen in §§ 57a-d Z V G für anwendbar, sofern das Grundstück einem Mieter überlassen ist („Zuschlag bricht nicht Miete" 9 5 ). Gem. § 57a ZVG ist der Ersteher jedoch berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zum erstmöglichen Termin zu kündigen. Dem Ersteher wird damit ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht eingeräumt, mit dem er das Mietverhältnis beenden kann auch wenn es auf längere Zeit abgeschlossen war 9 6 . Ein vertraglicher Ausschluss dieses Sonderkündigungsrechts des späteren Ersteigerers durch Vertrag zwischen Mieter und Vollstreckungsschuldner ist als Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam. 97 Wenn es der öffentlichen Hand als (Gewerbe-) Mieter darüber hinaus nicht möglich ist, einen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts über die Mieterschutzvorschriften über Wohnraum zu begründen 9 8 , und auch ein Kündigungsausschluss nach § 57 c ZVG wegen finanzieller Leistungen zur Instandhaltung des Mietraumes nur selten anzunehmen sein wird, verbleibt ihr nur eine Möglichkeit, Schutz vor dem Sonderkündigungsrecht des Ersteigerers zu erlangen. Gem. § 9 Nr. 2 ZVG kann sie sich als Mieter als Verfahrensbeteiligter anmelden und als solcher nach § 59 Abs. 1 ZVG eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Festlegung der Versteigerungsbedingungen verlangen. Auf diese Weise wird es ihr (theoretisch) möglich, das Sonderkündigungsrecht des § 57 a ZVG 94 95 96 97 98
Beiz, in: Bub/Treier, VII.A, Rdnr. 101. Beiz, in: Bub/Treier, VII.A, Rdnr. 104. Gerhardt, in: D/S/G/M, ZVG, § 57 a, Rdnr. 1. Zeller/Stöber, ZVG, § 57a, Rdnr. 8.1. Diese gehen § 57a ZVG vor, vgl. Beiz, in: Bub/Treier, VII.A, Rdnr. 106.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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auszuschließen." Da durch den Ausschluss des Kündigungsrechts jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Ersteigerungserlös geringer ausfällt, wird durch die Abweichung der Versteigerungsbedingungen das Recht eines anderen Beteiligten, nämlich des Vollstreckungsschuldners, beeinträchtigt, beziehungsweise ist eine solche Beeinträchtigung nicht auszuschließen. 100 Steht die Beeinträchtigung fest, was nur selten der Fall sein wird, ist die abweichende Versteigerungsbedingung nur zulässig, wenn der Benachteiligte zustimmt (§ 59 Abs. 1 S. 2 ZVG), bei Zustimmungsverweigerung unzulässig 101 Da Nachteile für den Gläubiger bei einem Ausschluss des Kündigungsrechts nach § 57 a ZVG aber stets nicht voraussehbar sind und dieser nur selten zustimmen wird, erfolgt im Regelfall eine Doppelausschreibung nach § 59 Abs. 2 ZVG. Das Doppelgebot erfolgt unter der gesetzlichen Bedingung, dass der Ersteher das Sonderkündigungsrecht ausüben kann und unter der abweichenden Bedingung, dass er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht kündigen kann. 1 0 2 Da in der Regel aber nur auf das Gebot mit Kündigungsrecht geboten w i r d 1 0 3 , läuft die Schutzmöglichkeit des § 59 Z V G letztlich ins Leere und verbleibt rein hypothetisch. Die öffentliche Hand ist im Falle der Zwangsversteigerung des an sie vermieteten Grundstücks einem Sonderkündigungsrecht des Ersteigerers ausgesetzt, wodurch die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe massiv beeinträchtigt werden kann. (3) Ergebnis Im Ergebnis kann damit - zumindest für den hauptsächlich relevanten Bereich der Veräußerung unbeweglichen Vermögens - festgehalten werden, dass aufgrund einer möglichen Zwangsvollstreckung gegen den Erwerber des Verwaltungsvermögens bei Wahl der Zwangsversteigerung weitere Beeinträchtigungen der Nutzung des Vermögens zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben entstehen, die über das grundsätzliche Problem einer zeitlich begrenzten Überlassung hinausgehen. Unabhängig von der vereinbarten Laufzeit eines Mietvertrages ist die öffentliche Hand im Regelfall einem Sonderkündigungsrecht des Ersteigerers in der Zwangsversteigerung nach § 57 a Z V G ausgesetzt. Bei der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen
99 Zeller/Stöber, ZVG, § 59a, Rdnr. 8.1; Schiffhauer, in: D/S/G/M, ZVG, § 59, Rdnr. 33; Muth, in. D/S/G/M, ZVG, § 9, Rdnr. 22; Beiz, in: Bub/Treier, VII.A, Rdnr. 102.4 100 Zeller/Stöber, ZVG, § 59, Rdnr. 4.2. 101 Zeller/Stöber, ZVG, § 59, Rdnr. 4.3. 102 Zeller/Stöber, ZVG, § 57a, Rdnr. 8.1. 103 Zeller/Stöber, ZVG, § 57a, Rdnr. 8.1.
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des Schuldners hingegen wird die öffentliche Aufgabenerfüllung stets beeinträchtigt, da die Sache wegzunehmen ist. dd) Insolvenz des Erwerbers Gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes unzulässig. Diese Regelung der Insolvenzunfähigkeit des Staates entspricht auch der vom Grundgesetz vorgegebenen Verfassungslage. 104 Vor der Veräußerung wird die Funktionserfüllung des Vermögens für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben daher nicht durch eine mögliche Insolvenz gefährdet. Dies ändert sich nach der Veräußerung, sofern die Veräußerung nicht an eine juristische Person des öffentlichen Rechts erfolgt, die nach Maßgabe des Landesrechts nicht insolvenzfähig ist ( § 1 2 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Über das Vermögen jeder anderen juristischen und natürlichen Person, sowie über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, Partenreederei, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung) kann hingegen das Insolvenzverfahren eröffnet werden ( § 1 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 InsO). Wird nun über den Erwerber des Verwaltungsvermögens das Insolvenzverfahren eröffnet, gilt es zwei Fragen auseinander zu halten: Zum einen die Frage danach, ob der von der Verwaltung genutzte Gegenstand überhaupt zur Insolvenzmasse gehört, und zum anderen die Frage nach dem Schicksal des Mietvertrages zwischen Verwaltung und Erwerber in der Insolvenz. Erstere Frage ist eindeutig zu bejahen. So erfasst das Insolvenzverfahren grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners (§ 35 InsO). Da die von der Verwaltung zur Aufgabenerfüllung gemietete Sache nach obigem Ergebnis nicht dem Pfändungsverbot des § 882a ZPO unterfällt, wird sie auch nicht nach § 36 Abs. 1 InsO, wonach Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören, aus der Masse ausgeschieden. Schließlich steht dem Staat auch kein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO zu. Ein Anspruch auf Aussonderung kann nur geltend machen, wer darzutun vermag, dass ein Gegenstand nicht zu dem gesamten der Insolvenz unterliegenden Vermögen gehört, weil ihm ein dingliches oder persönliches Recht an dem Gegenstand zusteht. 105 Schuldrechtliche Ansprüche begründen damit einen Aussonderungsanspruch 104 Vgl. etwa BVerfGE 15, 126, 135 ff., wobei jedoch der Unterschied zwischen Staatsinsolvenz und Staatsbankrott zu beachten ist. Ausführlich Lehmann, Konkursfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, S. 73 ff. 105 Hess, InsO, § 47, Rdnr. 3.
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nur, wenn sie auf Herausgabe, nicht jedoch wenn sie auf bloße Verschaffung gerichtet sind. 1 0 6 Insofern berechtigt die schuldrechtliche Position des Staates aus dem Mietvertrag nicht zur Aussonderung. Ein Aussonderungsanspruch kann auch nicht mit einer Analogie zum Treuhandverhältnis begründet werden, wo allgemein anerkannt i s t 1 0 7 , dass der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders über ein Aussonderungsrecht hinsichtlich desjenigen Vermögens verfügt, das er dem Treuhänder mit der Maßgabe zum Eigentum übertragen hat, dass er die Rechtsmacht zwar im eigenen Namen, aber im Interesse des Treugebers auszuüben hat. Anders als bei einer Treuhand wird bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, sofern sie an einen Privaten erfolgt, das Eigentum an den Erwerber endgültig und ohne innere Beschränkungen übertragen. Das - damit für die Nutzungssicherung entscheidende - rechtliche Schicksal des Mietvertrages in der Insolvenz des Vermieters richtet sich grundsätzlich nach § 103 Abs. 1 InsO, wonach dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht darüber zusteht, ob er den Vertrag an Stelle des Schuldners erfüllt. Für Mietverhältnisse des Insolvenzschuldners über unbewegliche Gegenstände findet sich in § 108 Abs. 1 InsO jedoch eine Sonderregelung, die festlegt, dass solche Verträge mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Mietverhältnisse über bewegliche Sachen werden dagegen von der Regelung über das Fortbestehen von Dauerschuldverhältnissen ausgenommen und unterliegen dem Wahlrecht des Verwalters. 108 Auch bei Fortbestehen des Mietverhältnisses wird der Verwalter jedoch nicht daran gehindert, einen unbeweglichen Gegenstand oder einen Raum, den der Insolvenzschuldner vermietet hat, zu veräußern. Ob im Falle dieser freiwilligen Veräußerung des Mietobjekts auch ein rechtsgeschäftlicher Übergang des Mietverhältnisses auf den Erwerber stattfindet, richtet sich nach §§ 571, 580 B G B . 1 0 9 Findet ein solcher statt, so wird dem Erwerber in § 111 InsO ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht zum erstmöglichen Termin eingeräumt, das dem des § 57 a Z V G entspricht. Auch wenn der Kündigungsschutz des Mieters, der einen Baukostenzuschuss geleistet hat (§ 57 c ZVG) gem. § 111 S. 3 InsO entsprechend Anwendung findet, gibt es für den Mieter jedoch keine dem § 59 ZVG vergleichbare Möglichkeit zur (theoretischen) Ausschließung des Kündigungsrechts. § 119 InsO stellt zudem klar, dass eine vertragliche Abdingung der §§ 103 bis 118 InsO unwirksam ist. Zu dem gleichen Ergebnis, einem Sonderkündigungsrecht des Erwerbers, gelangt man auch bei Verwertung des Grundstücks. Gem. § 165 InsO erfolgt die Verwertung unbeweglicher Gegenstände dadurch, dass der Insol106 107 108 109
Hess, InsO, § 47, Rdnr. 272 f. m.w.N. Vgl. Hess, InsO, § 47, Rdnr. 219 mit umfangreichen Nachweisen. Schmidt-Räntsch, InsO, § 108, Rdnr. 2. Schmidt-Räntsch, InsO, § 111, Rdnr. 1; Hess, InsO, § 111, Rdnr. 9.
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Teil: Die
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venzverwalter die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung beantragt. Deren Durchführung richtet sich gem. § 172 Z V G nach den Vorschriften des ZVG über Versteigerung und Verwaltung. Dies bedeutet, dass nach einer Zwangsversteigerung der Ersteigerer gem. § 57 Z V G in das Mietverhältnis eintritt, ihm aber das Sonderkündigungsrecht des § 57 a Z V G zusteht. 1 1 0 Die über den Verweis in § 172 Z V G auch anwendbare Vorschrift des § 59 Z V G vermag hieran noch weniger etwas ändern, als sie es schon im Falle der Einzelzwangsvollstreckung vermag. Angesichts der in der Insolvenz vorhandenen Vielzahl von Gläubigern ist eine Beeinträchtigung von deren Rechten durch Abbedingung des § 57 a Z V G nie auszuschließen und eine Zustimmung zu dieser Benachteiligung quasi utopisch. Im Ergebnis wird damit das Nutzungsinteresse der öffentlichen Hand durch eine mögliche Insolvenz des Erwerbers des Verwaltungsvermögens insoweit bedroht, als dass im Falle der freiwilligen Veräußerung eines vermieteten Grundstücks nach § 111 InsO und bei Verwertung eines solchen durch Versteigerung nach § 57 a ZVG ein Sonderkündigungsrecht des Erwerbers unabhängig von der Laufzeit des Mietvertrages der Verwaltung besteht. Im Falle der Veräußerung unbeweglichen Verwaltungsvermögens und seiner Rückmietung durch die Verwaltung wird das Nutzungsinteresse bei Insolvenz des Erwerbers schon dadurch beeinträchtigt, dass dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zusteht, ob er den Mietvertrag überhaupt erfüllen möchte. ee) Ergebnis Die weitere Nutzung des veräußerten Verwaltungsvermögens auf der Grundlage eines Mietvertrages weist, soweit es sich um unbewegliches Vermögen handelt, zwei Nachteile gegenüber der vorherigen Nutzung aufgrund Eigentums auf. Zum einen ist jedes obligatorisches Nutzungsrecht zeitlich beschränkt und wegen § 567 BGB nur über 30 Jahre vor Kündigung zu sichern. Darüber hinaus droht bei einer Einzel- oder Gesamtvollstreckung gegen den Erwerber ein Eigentumsübergang auf einen Dritten, der über ein Sonderkündigungsrecht nach § 57 a Z V G verfügt. Bezüglich beweglichen Vermögens wird die weitere Nutzung der Sache durch die öffentliche Hand darüber hinaus durch die Weiterveräußerung und die Pfändung beendet. Das Fazit von F. Kirchhof, dass sich das Besitzrecht als Garant kontinuierlicher Nutzung als brüchig erweist, da es vom Willen des Eigentümers abhänge, ob alles beim alten, d.h. bei einer weiteren Nutzung für Verwaltungsaufgaben, bleibt 1 1 1 , kann damit nicht uneingeschränkt geteilt werden. 110
Zur Anwendbarkeit der §§ 57-57d ZVG bei einer Versteigerung nach § 172 ZVG Zeller/Stöber, ZVG, § 172, Rdnr. 5.10.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Vielmehr bedarf es der gezeigten differenzierteren Betrachtung der von F. Kirchhof skizzierten Bedrohungen, dass der private Eigentümer sich zu einer anderen Nutzung entschließen kann, eine Kapitalgesellschaft als neuer Besitzer in Konkurs gehen oder fusionieren kann. 1 1 2 Dass die Bedrohung der Funktionsfähigkeit aber mehr als bloß theoretischer Natur ist, zeigt sich etwa jüngst am Beispiel des Berliner Landesrechnungshofs, der nach Kündigung eines Mietvertrages auf der Suche nach einem neuen Gebäude ist.113 b) Möglichkeiten der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Nach obigem Ergebnis ist der Staat gehalten, bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen die Funktionsfähigkeit seiner Verwaltung nicht zu gefährden. Wenn er sich zur Veräußerung des Vermögens entschließt, muss er entsprechende Vorkehrungen treffen, um den skizzierten Gefahren zu begegnen. Welche Möglichkeiten diesbezüglich bestehen, soll im folgenden dargelegt werden. aa) Grundsatz Wie und auf welche Weise die veräußernde öffentliche Hand ihrer Verpflichtung zur Nutzungssicherung nachkommt, obliegt zunächst ihrer eigenen Entscheidung. Es besteht keine zwingend aus der Verfassung folgende Konstruktion öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Natur. Dennoch kann nur dann von einer Erfüllung der Anforderungen gesprochen werden, wenn die gewählte Konstruktion auch wirklich Schutz vor den skizzierten Bedrohungen der Nutzung und damit der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bietet. Es bleibt dabei jedoch ein Gestaltungsspielraum der Verwaltung zu beachten, die nur eine grundlegende Sicherung sicherstellen muss und stets auch das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten hat. Dieses spricht gegen Bindungen über lange Zeit, sofern nicht sicher ist, ob der Bedarf für eine Verwaltungsnutzung tatsächlich so lange andauern wird. In einem solchen Fall wäre es unwirtschaftlich, wenn die öffentliche Hand weiter Mietzinszahlungen leisten müsste, ohne sich von dem Vermögensobjekt trennen zu können.
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F. Kirchhof in: DÖV 1999 242, 245. F. Kirchhof in: DÖV 1999 242, 245. 113 Vgl. Der Tagesspiegel vom 21.9.2000, S. 14 „Der Landesrechnungshof steht bald auf der Straße". 112
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Teil: Die
bb) Öffentlich-rechtliche
asungsetlichen Rahmenbedingungen Sicherung durch Widmung?
Aus öffentlich-rechtlicher Sicht liegt es zunächst nahe, eine Funktionssicherung durch das öffentliche Recht zu betrachten. Dafür bietet sich das Recht der öffentlichen Sachen an. (1) Traditionelle Sichtweise Nach herkömmlicher Ansicht sichert das Recht der öffentlichen Sachen den Verwaltungsgebrauch durch öffentlich-rechtliche Widmung ohne Rücksicht auf bestehende zivilrechtliche Rechtspositionen. 114 Die öffentlichrechtliche Widmung überlagere das zivilrechtliche Eigentum wie ein beschränkt-dingliches Recht als eine Art Dienstbarkeit. 115 Die Konkurrenz zwischen der privatrechtlichen Zuordnung der öffentlichen Sache in das Vermögen und den Interessenbereich des Eigentümers und der gleichzeitigen Zuordnung in den öffentlichen Aufgabenbereich des öffentlichen Sachherren entscheide das Recht der öffentlichen Sachen zu Gunsten der Zuordnung in den Aufgabenbereich des öffentlichen Sachherren. 116 Daher dürfe der private Eigentümer die Einwirkung des öffentlichen Sachherren auf die öffentliche Sache und seine Nutzungsbefugnis insoweit nicht ausschließen, als dieser sich im Rahmen der Zuordnung der öffentlichen Sache zu seinen Aufgabenbereich hält. 1 1 7 Dies gelte auch für die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch. Nach allgemeiner Auffassung kann eine Sache zwar nur dadurch zur öffentlichen Sache werden, dass sie durch hoheitlichen Rechtsakt - der Widm u n g 1 1 8 - einer besonderen, öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung unterstellt wird und anschließend in Dienst genommen w i r d . 1 1 9 Diese Widmung könne durch Rechtssatz, ausdrücklichen Verwaltungsakt oder durch konkludenten Verwaltungsakt erfolgen. Fehle es beim Verwaltungsvermögen regel114 Vgl. aus der Rechtsprechung etwa VGH Mannheim, BWVP 1986, 225, 226; BayVerfGH, NJW 1985, 478, 479; VG Köln, NJW 1991, 2584, 2585 f.; aus der Literatur etwa Hüde, in: JuS 1993, 113, 115; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 5; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 19; Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 356. 115 S. hierzu bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., A. II. 2. 116 Hardinghaus, Öffentliches Sachenrecht, S. 21. 117 Hardinghaus, Öffentliches Sachenrecht, S. 22; im Ergebnis auch Langer, Verwaltungseigentum, S. 21. 118 Hingewiesen sei noch einmal auf den programmatischen Titel der Dissertation von Axer „Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen". 119 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 13; Stern, in: VVDStRL 21 (1964), 183, 189; Maunz, Hauptprobleme, S. 9.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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mäßig auch an einer ausdrücklichen Widmung, so erfolge diese konkludent durch Beschaffung, Herstellung oder Ingebrauchnahme, worin der Wille der Behörde zum Ausdruck komme, die Sache zu einer öffentlichen Sache im Verwaltungsgebrauch zu machen. 120 Damit entfalte das Rechtsregime des öffentlichen Sachenrechts seine Wirkung auch auf Gegenstände des Verwaltungsvermögens, die sich im zivilrechtlichen Eigentum Privater befinden. Kann der öffentliche Zweck, dem die Sache gewidmet ist, nur erfüllt werden, wenn die Sache sich auch im Besitz des Staates befindet, sei es dem Eigentümer verwehrt, diesen vom Besitz auszuschließen. Dem öffentlichen Sachherren wird von den Verfechtern der traditionellen Position hierbei sogar ein Herausgabeanspruch aufgrund seiner Sachherrschaft eingeräumt. 121 Erst recht vermag er aber die öffentliche Sachherrschaft kraft Widmung als Einrede zu erheben, mit der er eine Beendigung seines Nutzungsrechts infolge von Kündigung, Insolvenz oder Zwangsvollstreckung verhindern kann. Damit ergibt sich nach der traditionellen Ansicht im Gesamtergebnis die Sicherung der öffentlichen Funktionserfüllung durch die Widmung des Vermögensgegenstandes, die auch nach der Veräußerung an einen Privaten fortbestehe. (2) Kritik Diese Position zum Rechtsregime des öffentlichen Sachenrechts über das Verwaltungsvermögen sieht sich in jüngster Zeit jedoch erheblichen Anfeindungen ausgesetzt. Die Aussage, dass diese Gruppe öffentlicher Sachen keine rechtlichen Schwierigkeiten bereite 1 2 2 , erweist sich als nicht zutreffend, auch wenn das Verhältnis zwischen privatem Eigentümer und öffentlichem Sachherrn bei den Sachen im Verwaltungsgebrauch bis vor kurzem kaum Thema wissenschaftlicher Auseinandersetzung gewesen i s t 1 2 3 . Die Kritik an der herkömmlichen Ansicht kann dabei auf zwei Ebenen ansetzen. Zum einen steht die Annahme auf dem Prüfstand, dass bei Gegenständen des Verwaltungsvermögens durch die Indienstnahme eine konkludente 120
Schallenberg, Die Widmung, S. 96; Salzwedel, in: Erichsen, AllgVerwR (10. Aufl.), § 42, Rdnr. 7; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 383; Pappermann/Löhr/ Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 14; Woljf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 76, Rdnr. 16; Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 355; VG Köln NJW 1991, 284, 285. 121 So das VG Köln, NJW 1991, 2584, 2585 f.; zustimmend Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 356. 122 Schallenberg, Die Widmung, S. 96. 123 So die für den damaligen Zeitpunkt zutreffende Feststellung von Axer, in: NWVB1 1992, 11; insoweit zustimmend Thormann, in: NWVB1 1992, 354.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Widmung als öffentliche Sache vorliegt. Zum anderen bedarf es einer genaueren Betrachtung, ob eine solche Widmung, selbst wenn sie ausdrücklich vorläge, überhaupt die Wirkungen zeitigt, die ihr von der traditionellen Lehre zugebilligt werden. (a) Konkludente Widmung des Verwaltungsvermögens? Die Widmung einer öffentlichen Sache erfolgt - sofern nicht durch Rechtsnorm - durch Verwaltungsakt. Ein solcher Verwaltungsakt betrifft die „öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache" und ist daher als Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG anzusehen. 124 Eine Allgemeinverfügung bedarf soweit - wie beim Verwaltungsvermögen der Fall - Sondervorschriften nicht bestehen gem. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG grundsätzlich keiner besonderen Form und kann damit auch konkludent ergehen. 125 Sie bedarf jedoch wie jeder Verwaltungsakt gem. § 41 VwVfG der Bekanntgabe. Nach § 41 Abs. 3 S. 2 VwVfG „darf" eine Allgemeinverfügung öffentlich bekanntgegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Sachenrechtliche Regelungen i.S.d. § 35 S. 2, 2. Alt. VwVfG beziehen sich nach weit überwiegender Auffassung jedoch überhaupt nicht unmittelbar auf menschliches Verhalten, sondern enthalten eine intransitive Zustandsregelung 126 , so dass eine individuelle Bekanntgabe nicht nur untunlich, sondern unmöglich i s t 1 2 7 . Die Widmung bedarf daher notwendigerweise einer besonderen Verlautbarung in Form einer öffentlichen Bekanntgabe, die bei einer konkludenten Widmung durch Indienststellung (im Regelfall) jedoch nicht vorliegt. 1 2 8 Schon § 35 S. 2, 2. Alt. i. V.m. § 41 Abs. 3 S. 2 VwVfG steht damit der Begründung einer besonderen öffentlich-rechtlichen Eigenschaft einer Sache im Verwaltungsgebrauch mit allgemeiner dinglicher Wirkung entgegen. 129 Dies gilt umso mehr, als die Annahme einer Widmung durch Indienststellung auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit hoheitlicher Maßnahmen widerspricht, da die tatsächliche Ingebrauchnahme den Inhalt und den Umfang der Widmung keinesfalls eindeutig festlegt. 130
124 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 41; Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 355; Manssen, in: JuS 1992, 745, 747. 125 Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 355. 126 Vgl. u.a. OVG Koblenz, NJW 1987, 1284; OVG Münster, NVwZ 1987, 427. 127 Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 330. 128 Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 330; Manssen, in: JuS 1992, 745, 747; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 59. 129 Manssen, in: JuS 1992, 745, 747. 130 Axer, Widmung, S. 191.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Dazu kommt, dass die Konstruktion einer konkludenten Widmung durch Indienststellung lebens- und sachfremd 131 wirkt. Die Annahme, ein Amtswalter handele bei der Ingebrauchnahme einer Sache zum Verwaltungsgebrauch mit dem Bewusstsein und Willen, einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus an der Sache begründen zu wollen, erweist sich als Fiktion, da die Ingebrauchnahme nicht auf einen rechtlichen, sondern einen tatsächlichen Erfolg abzielt. 1 3 2 Durch die Einbeziehung der Sache in den Verwaltungsgebrauch wird damit aber auch kein dingliches Recht an der Sache begründet, sondern lediglich ein tatsächliches, relatives Nutzungsregime geschaffen. 133 (b) Rechtswirkung einer Widmung Selbst wenn ausnahmsweise eine ausdrückliche und öffentlich bekanntgegebene Widmung eines Gegenstandes des Verwaltungsvermögens vorliegt zu denken ist hier insbesondere an Verwaltungsgebäude - kann dieser nach der Veräußerung des Vermögens an einen Privaten nicht die Rechtswirkung zukommen, die ihr die traditionelle Ansicht beimisst. Deren Annahme verstößt gegen Art. 14 GG und den Rechtssatzvorbehalt. Die Widmung einer öffentlichen Sache und die damit verbundene öffentlich-rechtliche Sachherrschaft bedeutet für den privaten Eigentümer einer von der Widmung erfassten Sache eine Beschränkung seines Eigentums und der Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse. Sie greift in sein Eigentumsrecht aus Art. 14 GG ein. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum und weist dem Gesetzgeber die Kompetenz zur Bestimmung des Inhalts und der Schranken zu. Ungeachtet aller Streitigkeiten, was im Detail unter den Begriff des Eigentums zu fassen ist, besteht Einigkeit darüber, dass hierzu zumindest das Sacheigentum an beweglichen und unbewegliehen Sachen im Sinne des bürgerlichen Rechts zählt. 1 3 4 Geschützt ist nicht nur der Bestand des Eigentums, das „Haben", sondern auch die Nutzung des Eigentums durch den Eigentümer, das „Gebrauchmachen". 135 Genau diese Nutzungsbefugnis des Eigentümers wird aber beschränkt, wenn der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft die oben beschriebene Wir-
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Axer, Widmung, S. 190. Axer, Widmung, S. 190 verdeutlicht dies am Beispiel des Anspitzens eines Bleistiftes zum Verwaltungsgebrauch, das schwerlich als Widmung interpretiert werden kann. Hier einen anderen Willen des bleistiftanspitzenden Amtswalters anzunehmen sei nach Axers Ansicht „ein Kunstprodukt juristischer Schöpfung". 133 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 50; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 60. 134 Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rdnr. 11; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr. 57. 135 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr. 8. 132
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
kung zukommt, da er die Sache nicht nach seinem Belieben nutzen darf. Dabei ist die Beschränkung des Eigentumsgrundrechts eindeutig, wenn die Widmung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Private zivilrechtlicher Eigentümer der Sache ist. Für die vorliegend diskutierte Konstellation der Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit anschließender Rückmietung ist es aber gerade kennzeichnend, dass die Sache sich schon vor der Veräußerung im Verwaltungsgebrauch befunden hat. Damit wird die Widmung aber im Regelfall zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem die öffentliche Hand selbst noch zivilrechtlicher Eigentümer der Sache ist. Ob auch in dieser Situation von der Widmung als einem Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG gesprochen werden kann, erscheint fraglich. Dies ist sicherlich dann der Fall, wenn die Sache zwar im privatrechtlichen Eigentum der öffentlichen Hand steht, die Widmung aber obligatorische Ansprüche privater Dritter an der Sache beeinträchtigt. 136 Auch solche privatrechtlichen Forderungen unterstehen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 G G . 1 3 7 Damit können jedoch nur solche Forderungen geschützt werden, die zum Zeitpunkt der Widmung schon bestehen oder zumindest ihrem Grunde nach angelegt sind. Zu denken ist hier etwa an Rückabwicklungsansprüche infolge nichtiger oder anfechtbarer Grundgeschäfte. Vom Eigentumsschutz erfasst werden nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen 138 , nicht aber Chancen und Verdienstmöglichkeiten 139 . Wird die Sache nun zu einem Zeitpunkt gewidmet, in dem die öffentliche Hand noch zivilrechtlicher Eigentümer ist, wird argumentiert, dass diese als Eigentümer der Widmung als Eigentumseingriffsakt konkludent zugestimmt habe und ein späterer Erwerber der Sache das Eigentum nur mit der Belastung der Widmung erwerben konnte und daher nicht in seinem Eigentumsgrundrecht verletzt sein könne. 1 4 0 Diese Begründung erscheint in zweierlei Hinsicht fragwürdig. Zum einen enthält die Annahme einer Zustimmung des öffentlichen Eigentümers des Verwaltungsvermögensgegenstandes zu seiner eigenen Widmung eine unzulässige Fiktion. So kann eine Zustimmung nach § 182 BGB nur zu einem anderen Rechtsgeschäft erteilt werden, während die Zustimmung zur Widmung der Sache im Verwaltungsgebrauch aufgrund der Identität von Widmungsverfügendem und Zustimmendem keine Zustimmung zu einem anderen, sondern zu einem eigenen Rechtsgeschäft darstellt. 141 Ob darüber hinaus überhaupt 136
Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 328; Manssen, in: JuS 1992, 745, 747. Diese Konstellation wird von Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 357 nicht berücksichtigt. 137 BVerfGE 45, 142, 179; 83, 201, 208; Manssen, in: JuS 1992, 745, 747. 138 BVerfGE 20, 31, 34. 139 So beispielhaft BVerfGE 28, 119, 142. 140 Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 357; VG Köln, NJW 1991, 2584, 2596. 141 Axer, in: NWVB1 1992, 11, 13.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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eine Zustimmung der öffentlichen Hand zur Einschränkung des Eigentumsgrundrechts eines späteren Erwerbers führen kann, muss schon deshalb bezweifelt werden, da juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich keine Träger des Eigentumsgrundrechts sein können 1 4 2 . Art. 14 GG schützt in seiner freiheitssichernden Funktion als Grundlage privater Initiative und eigenverantwortlicher Lebensgestaltung „nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater" 1 4 3 . Zum anderen kann aus der Tatsache, dass ein späterer Erwerber einer gewidmeten Sache im Verwaltungsgebrauch diese nur mit der Belastung der Widmung erwerben könne, nicht gefolgert werden, dass die Widmung deshalb keine eigentumsrechtliche Wirkung im Sinne des Art. 14 GG besitzt. So ist das Eigentum an der Sache zwar schon bei seiner Entstehung mit den sich aus der Widmung ergebenen Verpflichtungen belastet. Die Widmung stellt damit jedoch eine allgemeine und von vorneherein bestehende Verpflichtung auf und ist somit eine objektiv-rechtliche Regelung, die in allgemeiner Form den Inhalt des Eigentums an der betreffenden Sache festlegt, also eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 G G 1 4 4 . Liegt in der Widmung damit in jedem Fall eine Beschränkung des Eigentumsgrundrechts, so erfordert eine solche ungeachtet ihrer Qualifikation als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung 145 in jedem Falle einer gesetzlichen Grundlage. 146 Einer solchen gesetzlichen Grundlage für die Widmung bedarf es schließlich auch, wenn man einen Eingriff in Art. 14 GG ablehnt. Der Rechtssatzvorbehalt verlangt, dass bestimmte Maßnahmen des Staates, wenn sie die individuelle Freiheits- und Gleichheitsentfaltung der Bürger substantiell verändern können, nur durch oder aufgrund abstrakter und genereller Regelungen mit rechtlicher Außenwirkung (materielle Gesetze) wahrgenommen 142
Zur allgemein fehlenden Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und den bestehenden Ausnahmen vgl. BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362, 369; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 III, Rdnr. 33 ff. 143 BVerfGE 61, 82, 109. 144 Vgl. BVerfGE 58, 137, 144 f. für den Fall, dass durch Gesetz die Pflicht zur Ablieferung eines Belegstückes von jedem erscheinenden Druckwerk an eine staatliche Bibliothek begründet wird („Pflichtexemplarfair). 145 Zur Abgrenzung vgl. Axer, Widmung, S. 158 ff.; für eine Enteignung Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 328; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 59, die allerdings beide auf eine Konstellation abstellen, bei der die Widmung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Private schon zivilrechtlicher Eigentümer der Sache ist. 146 Ehlers, NWVB1 1993, 327, 328; Schmidt-Jortzig, NVwZ 1987, 1025, 1028. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 14 GG, der in Abs. 1 S. 2 davon spricht, dass Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt werden und in Abs. 3 S. 2 festlegt, dass eine Enteignung nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf. 9*
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Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
werden können. 1 4 7 Die Begründung dinglicher Rechte als absolute Rechte ist aber gerade zu einer solchen substantiellen Beeinflussung individueller Rechte in der Lage, da solche absoluten Rechte von jedermann zu beachten sind. Die Begründung und Inhaltsbestimmung von Sachenrechten ist dementsprechend auch im Zivilrecht der privatautonomen Bestimmung entzogen und gesetzlich abschließend geregelt, was erst recht im öffentlichen Recht gelten muss. 1 4 8 Schon aus Gründen der Rechtsklarheit wird man eine Modifikation der grundlegenden, zwingenden privatrechtlichen Bestimmungen über das Eigentum nur aufgrund materiellen Rechtssatzes zulassen können. 1 4 9 Dingliche Rechte, wie sie mit der Widmung begründet werden, können nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes und nicht kraft eigener Anordnung der Rechtsunterworfenen begründet werden. 1 5 0 Anders als im öffentlichen Wege- und Wasserrecht findet sich eine solche gesetzliche Grundlage für die „öffentlichen Sachen", die dem Verwaltungsgebrauch dienen, nicht. Auch aus dem Gewohnheitsrecht lässt sich eine solche Rechtgrundlage nicht ableiten. Die Entstehung von Gewohnheitsrecht setzt neben einer langandauernden und allgemeinen Übung und Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz die allgemeine Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Übung voraus. 151 Schon die historische Entwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen lässt Zweifel, ob wirklich von einer dahingehenden allgemeinen Übung auszugehen ist, die bei Sachen in Verwaltungsgebrauch eine die zivilrechtlichen Eigentümerbefugnisse überlagernde öffentlich-rechtliche Sachherrschaft annimmt. 1 5 2 Jedoch kann in jedem Fall angesichts der geschilderten Bedenken heute nicht mehr von einer allgemeinen Überzeugung von der Rechtmäßigkeit einer solchen Praxis ausgegangen werden. 153
147 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 693; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 210; s. hierzu ausführlich unten, 3. Teil, 1. Kap., B. I. 2. b). 148 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 15; ders., in: JuS 1981, 498, 503; Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 329; Axer, Widmung, S. 167. 149 Manssen, in: JuS 1992, 745, 747; Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 329. 150 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 15; ders., in: JuS 1981, 498, 503; Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 329; Manssen, in: JuS 1992, 745, 747; Axer, in: NWVB1 1992, 11, 13; wohl ebenso F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 245; a.A. Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 357, der zur Begründung darauf verweist, dass privatrechtliches Eigentum und öffentlich-rechtliche Sachherrschaft nur ausnahmsweise auseinanderfallen, es sich bei der Begründung des dinglichen Rechts folglich um keine „wesentliche" Regelung handele. 151 Ossenbühl, in: HStR III, § 61, Rdnr. 42 m.w.N. 152 Verneinend Axer, Widmung, S. 163; OVG Münster, NJW 1993, 2635, 2636; dem hingegen wohl bejahend Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 329; Thormann, in: NWVB1 1992, 354, 357. 153 So Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 329; Axer, Widmung, S. 162 f.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Dem entspricht auch die Position der Rechtsprechung. Schon 1980 hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich die Annahme verbietet, dass durch eine „Widmung" von Sachen des Verwaltungsvermögens die Rechte Dritter ausgeschaltet werden könnten, „weil es dafür einer gesetzlichen Grundlage bedürfte (Art. 20 Abs. 3 GG), die zudem noch i.S. des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG qualifiziert sein müsste". 154 Eine solche Wirkung sei bei den Sachen im Gemeingebrauch nur deshalb möglich, weil die Widmung dort in den einschlägigen Gesetzen ausdrücklich vorgesehen i s t . 1 5 5 Diese Leitlinie wurde im „Hamburger Stadtsiegelfall" vom OVG Münster und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. In diesem Sachverhalt verlangte die Stadt Hamburg, nachdem sie zuvor vor den Zivilgerichten vergeblich einen Herausgabeanspruch geltend gemacht hatte 1 5 6 , vom Beklagten die Herausgabe des IV. Hamburger Stadtsiegels aus dem 14. Jahrhundert. Sie stützte sich dabei auf einen Herausgabeanspruch, der ihr aus der Widmung des Siegels zur öffentlichen Sache im Verwaltungsgebrauch und der damit verbundenen öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft zustünde. Nachdem das V G Köln einen solchen Anspruch zunächst bejaht hatte 1 5 7 , lehnten die Obergerichte die Klage mit der Begründung ab, dass es an einer für eine solche Rechtsfolge notwendigen Rechtsgrundlage für die Widmung von Sachen im Verwaltungsgebrauch fehle. 1 5 8 Im Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass es derzeit an einer Rechtsgrundlage fehlt, um mit Hilfe einer Widmung eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft an Gegenständen des Verwaltungsvermögens zu begründen, die an Dritte veräußert werden. Damit muss der Verwaltungsträger die für den Verwaltungszweck genutzte Sache an den Eigentümer herausgeben, wenn sein vertragliches Nutzungsrecht endet oder durch Kündigung beendet w i r d . 1 5 9 Die Annahme, die öffentliche Hand könne bei Kündigung des Überlassungsvertrages bezüglich eines bestimmten von ihr zu Verwaltungs154
BVerwG, NJW 1980, 2538, 2540. In der der Entscheidung zugrundeliegenden Fallkonstellation verlangte der Kläger von der beklagten Gemeinde die Herausgabe eines Grundstückes, das er dieser zum Bau eines Rathauses überlassen hatte. Er stützte sich dabei auf zivilrechtliches Bereicherungsrecht, da sich der der Übereignung zugrundeliegende Kaufvertrag nachträglich als nichtig erwiesen hatte. Die Gemeinde hielt dem Anspruch die durch Widmung begründete öffentlich-rechtliche Sachherrschaft am Rathaus als Gegenstand des Verwaltungsvermögens als Einwand entgegen. Dies wurde vom Gericht verworfen. 155 BVerwG, NJW 1980, 2538, 2540. 156 Vgl. BGH, NJW 1990, 899, der einen Herausgabeanspruch mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Beklagte im Wege einer öffentlichen Versteigerung nach § 935 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum erworben hatte. 157 VG Köln, NJW 1991, 2584. 158 OVG Münster, NJW 1993, 2635, 2636; BVerwG, NJW 1994, 144, 145. 159 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 15; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 60 f.; für den Fall einer reinen Anmietung ohne vorheriges Eigen-
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Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
zwecken genutzten Gegenstandes „eine Widmung aus dem Hut zaubern, von der der Eigentümer bei Überlassung des Sachgegenstandes nichts wusste" 1 6 0 und damit ihr Nutzungsrecht sichern, verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 GG und den Rechtssatzvorbehalt. Die Widmung ist damit de lege lata nicht zur Sicherung der öffentlichen Nutzung veräußerten Vermögens geeignet. (3) Überlegungen de lege ferenda Schaffung einer Widmungsgrundlage Es fragt sich somit aber, ob eine entsprechende Rechtsgrundlage de lege ferenda geschaffen werden kann. Ob für eine solche Regelung tatsächlich kein Bedürfnis besteht, weil die sachenrechtlichen Regelungen des privaten Rechts ausreichen, um sämtlichen berechtigten Interessen der Verwaltung Rechnung zu tragen 1 6 1 , mag ob der realisierten und diskutierten Veräußerung von weiterhin benötigtem Verwaltungsvermögen und den sich daraus ergebenden skizzierten Bedrohungslagen stark bezweifelt werden. Auch können die Normen der Bundes- und Landeshaushaltsordnungen, wonach die Veräußerung von Vermögen nur zulässig ist, wenn es nicht mehr zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist, gerade nicht mehr als Argument gegen die Notwendigkeit einer Widmung ins Felde geführt werden. 1 6 2 In jedem Fall wandelt sich der Standardfall, in dem die Überlagerung privaten Eigentums durch die öffentliche Sachherrschaft relevant wird, weg von der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs abhanden gekommener Sachen des Verwaltungsvermögens 163 , hin zu einer Kollision öffentlicher Interessen mit den Interessen wirtschaftlich handelnder Personen, die einen Gegenstand des Verwaltungsvermögens erworben haben. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Widmung von Sachen im Verwaltungsvermögen begegnet jedoch sowohl praktischen, wie auch rechtlichen Schwierigkeiten. Zuständig zum Erlass einer solchen Regelung wären die jeweiligen Körperschaften, die den Verwaltungsgebrauch an der jeweiligen Sache ausüben, also in der Regel die Länder. So hat das OVG Münster festgestellt, dass für tum der öffentlichen Hand so auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 2, § 77, Rdnr. 22. 160 Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 142. 161 Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 333; Manssen, in. JuS 1992, 745, 747; OVG Münster, NJW 1993, 2635, 2637. 162 So aber noch Axer, Die Widmung, S. 219 f. 163 Auf diese Konstellation stellt etwa Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 333 in Anlehnung an den „Hamburger Stadtsiegelfall" ab, wenn er die Notwendigkeit einer öffentlichen Sachherrschaft ablehnt.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
1
öffentlich-rechtliche (sachenrechtliche) Regelungen zum Schutz solcher Sachen, die im Verwaltungsgebrauch eines Landes stehen, nach Art. 70 Abs. 1 GG der Landesgesetzgeber berufen i s t . 1 6 4 Das Grundgesetz geht bei der Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern vom Grundsatz der Länderkompetenz aus und erkennt Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nur an, soweit das Grundgesetz sie ihm ausdrücklich verleiht (Art. 70 Abs. 1 G G ) . 1 6 5 Damit fällt die Regelung über die öffentlichrechtliche Sachherrschaft an einer öffentlichen Sache im Verwaltungsgebrauch allgemein in die Gesetzgebungskompetenz der Länder 1 6 6 , da es sich insoweit nicht um eine Regelung zum „bürgerlichen Recht" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG handelt. 167 Auch wenn sich in den Art. 70 ff. GG keine ausdrückliche Kompetenz des Bundes für das öffentliche Sachenrecht finden lässt 1 6 8 , ist dennoch von einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes auszugehen, soweit es um die öffentliche Sachherrschaft an Sachen geht, die der bundeseigenen Verwaltung (Art. 86 ff. GG) dienen und in deren Verwaltungsgebrauch stehen. Ungeschriebene 169 Gesetzeskompetenzen des Bundes werden gemeinhin nur anerkannt, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie. 1 7 0 So wird vom Bundesverfassungsgericht etwa anerkannt, dass die Zuständigkeit zur Gesetzgebung in einem Sachgebiet auch die Regelung von Vorbereitung und Vollzug der Normen und die Ordnungsgewalt (Polizeigewalt) in diesem Gebiet als Ann e x 1 7 1 einschließt, sofern sie mit der Regelung unlösbar verbunden i s t . 1 7 2 164
OVG Münster, NJW 1993, 2635, 2636. BVerfGE 42, 20, 28. 166 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 7. 167 Vgl. BVerfGE 42, 20, 28 ff. zur Frage der Länderkompetenz zur Einführung eines „öffentlichen Eigentums". Diesbezüglich anderer Ansicht BVerwGE 27, 131, 134. 168 Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG verschafft dem Bund lediglich die Gesetzgebungskompetenz für den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr und damit auch für die Widmung von Bundesfernstraßen. 169 Stern, Staatsrecht II, § 37, S. 610 zieht die Bezeichnung „stillschweigend mitgeschriebene" Kompetenz der Bezeichnung „ungeschriebene" Kompetenz vor. Eine Übersicht über die weiteren verwendeten Begriffe liefert Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 70, Rdnr. 22. 170 BVerfGE 3, 407, 421; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70, Rdnr. 45. 171 Ob es sich bei einer solchen Annexkompetenz um eine eigenständige Kategorie, oder lediglich um einen Unterfall der Gesetzeskompetenz kraft Sachzusammenhang handelt, ist umstritten. Mag man auch theoretisch dazwischen differenzieren können, ob es sich um eine horizontale Ausdehnung der Zuständigkeit in einen an165
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Für den Bereich der Bundesverwaltung von Bundesgesetzen173 geht die Verfassung, wie sich in Art. 86 und 87 GG zeigt, stillschweigend von einer gesetzgeberischen Zuständigkeit des Bundes zur Regelung von Behördenstruktur und Verwaltungsverfahren im Rahmen der Organisationsgewalt aus. 1 7 4 Die Länder sind hier von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossen. Damit liegt die Schaffung einer Kompetenznorm zur Widmung von Sachen im Verwaltungsgebrauch des Bundes auch in dessen Gesetzgebungskompetenz, da dies verständigerweise nicht von den Ländern geregelt werden kann, für die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung aber unerlässlich ist. Dieser Gedanke kann jedoch nicht auf Bundesgesetze übertragen werden, die von den Ländern als eigene Angelegenheit (Art. 83 f. GG) oder im Auftrage des Bundes (Art. 85 GG) ausgeführt werden. Dort wird dem Bund in Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG die Möglichkeit eröffnet, durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren zu regeln. 175 Unter Einrichtung der Behörde ist jedoch nur die Gründung, einschließlich der Ausstattung mit persönlichen und sachlichen Mitteln, die Zuweisung der Aufgaben und die Bestimmung der Zuständigkeiten zu verstehen 176 , während „Verwaltungsverfahren" die Regelung der Art und Weise, des „Wie" des Verwaltungshandelns 177 meint. Eine erweiternde Auslegung der Begriffe ist unzuderen materiellen Regelungsbereich handelt (dann Sachzusammenhang) oder um eine vertikale Einbeziehung der Stadien „Vorbereitung" und „Durchführung" einer materiellen Regelung (dann Annexkompetenz) (in diesem Sinne Maunz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 70, Rdnr. 49; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 70, Rdnr. 26), ist diese Trennung praktisch kaum möglich (für die Annexkompetenz als Unterfall daher Stern, Staatsrecht II, § 37, S. 611). Gerade im vorliegenden Fall ließe sich sowohl argumentieren, dass es sich bei der Schaffung einer Widmungskompetenz für das Verwaltungsvermögen um die Regelung eines verwandten materiellen Bereichs, nämlich des öffentlichen Sachenrechts, handelt, als auch begründen, dass es mit der Widmung lediglich um die Sicherung des Gesetzesvollzuges, also um die Durchführung geht. 172 BVerfGE 3, 407, 433; 22, 143, 149. 173 Landesgesetze können im föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik, in dem die Länder selbst über den Vollzug ihrer Gesetze entscheiden, nicht für die bundeseigene Verwaltung vorgesehen werden (Broß, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 86, Rdnr. 3). 174 Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 86, Rdnr. 103; Brooß, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 86, Rdnr. 14; Stern, Staatsrecht II, § 41, S. 819. Das vom Grundgesetz gesehene Problem betrifft hier nur die Kompetenzabgrenzung zwischen Regierung und Parlament, also die horizontale, nicht die vertikale Gewaltenteilung. 175 Zur Frage, ob es sich hierbei um eine konstitutive Kompetenznorm oder lediglich um die deklaratorische Beschreibung einer an sich schon bestehenden Annexkompetenz des Bundes zur Regelung von Vorbereitung und Vollzug handelt, vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdnr. 14. 176 Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdnr. 25. 177 BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 319.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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lässig. 1 7 8 Regelungen über die Sachherrschaft an den von den Ländern in eigener Verantwortung eingesetzten Sachen können hier nicht darunter subsumiert werden. Schließlich kann auch keine Kompetenz kraft Sachzusammenhang zur Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens im vorstehend erläuterten Sinne angenommen werden. Ein hierfür erforderlicher „unlösbarer Zusammenhang" zwischen zugewiesener und mitzuregelnder Materie ist bei der Regelung einer öffentlichen Sachherrschaft abzulehnen, da die Länder ohne weiteres ausreichend in der Lage sind, durch eigene gesetzliche Vorschriften die Widmung von Sachen in ihrem Verwaltungsgebrauch - bezieht sich dieser auch auf die Ausführung von Bundesgesetzen - zu normieren. Entgegen der Befürchtung von Ehlers, eine solche Rechtgrundlage könne als Selbstprivilegierung der öffentlichen Hand gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen 179 , sind gleichheitsspezifische Bedenken gegen die Einführung einer Widmungsgrundlage nicht zu erheben. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart nach verschieden zu behandeln" 180 und verbietet, „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich" 1 8 1 zu behandeln. Eine Maßnahme verstößt damit dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sich für sie „keine vernünftigen Erwägungen finden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonst wie einleuchtend sind" 1 8 2 . Genau solche vernünftigen Erwägungen lassen sich aber nach den obigen Ergebnissen ins Feld führen. So ist die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als von einer Widmung zu schützendes Rechtsgut ein verfassungsrechtlich gefordertes Schutzgut. Dieses verlangt das Ergreifen von besonderen Maßnahmen, um die Funktionsfähigkeit auch dann zu bewahren, wenn das von der Verwaltung genutzte Gut im zivilrechtlichen Eigentum Privater steht. Eine Widmungsnorm muss schließlich auch noch den Anforderungen des Art. 14 GG gerecht werden. Dies kann durch eine Anlehnung an die Tatbestände der straßenrechtlichen Widmung erreicht werden, die ausnahmslos die Zustimmung des Eigentümers verlangen und bestimmen, dass das Privateigentum am Straßenland durch deren widmungsgemäße Bestimmung beschränkt wird. Einer entsprechenden Regelung steht aus Sicht des Art. 14 GG auch nicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegen, das verlangt, dass Eigentumsbindungen gemessen am sozialen Bezug und an der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck 178 179 180 181 182
Broß, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 84, Rdnr. 11. Ehlers, in: NWVB1 1993, 327, 333. Vgl. etwa BVerfGE 3, 58, 135; 18, 38, 46; 98, 365, 385. Vgl. etwa BVerfGE 4, 144, 155; 27, 364, 371; 78, 104, 121. Vgl. etwa BVerfGE 10, 234, 246; 90, 145, 196.
3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
1
nicht zu einer übermäßigen, unzumutbaren Belastung für den Eigentümer führen dürfen 1 8 3 . So hängt das Maß und der Umfang der dem Eigentümer von der Verfassung zugemuteten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung wesentlich davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. 1 8 4 Dieser soziale Bezug des Eigentums ist aber besonders hoch, wenn die sich im Eigentum befindliche Sache von der öffentlichen Hand zu Verwaltungszwecken genutzt wird. cc) Zivilrechtliche
Sicherungen
Wenn insoweit nach geltender Rechtslage öffentlich-rechtliche Lösungen zur Sicherung der weiteren Nutzung der veräußerten Sache im Verwaltungsgebrauch ausscheiden, verbleiben nur zivilrechtliche Sicherungsmöglichkeiten. (1) Dingliche Sicherung Wie bereits ausgeführt, scheiden obligatorische Gestaltungen aus, da solche weder eine Sicherung der Nutzung über einen Zeitraum von 30 Jahren hinaus erreichen können, noch hinreichenden Schutz vor einem Sonderkündigungsrecht im Falle des Eigentumsübergangs infolge Zwangsvollstrekkung gegen den Erwerber bieten. Eine Nutzungssicherung kann damit nur mittels einer dinglichen, gegenüber jedermann wirkenden Absicherung durch die Vereinbarung einer beschränkt-persönlichen Dienstbarkeit erreicht werden. 185 Gem. § 1090 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit). Berechtigte im Sinne des § 1090 Abs. 1 BGB können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts - nicht aber Behörden ohne Rechtspersönlichkeit 186 - sein, da auch öffentlich-rechtliche Körperschaften einen zulässigen Zweck mit privatrechtlichen Mitteln verfolgen dürfen. 187 Der von ihnen mit der Eintragung 183
Vgl. etwa BVerfGE 21, 150, 155; 53, 257, 292; 58, 137, 148 Vgl. etwa BVerfGE 37, 132, 140 f.; 42, 263, 294; 52, 1, 32; 58, 137, 148. 185 Eishorst, in: NZM 1999, 449, 450. 186 Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 9. 187 BGH, NJW 1984, 924; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1090, Rdnr. 3; Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 24; vgl. auch BGHZ 48, 98, 103. 184
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
1
der Dienstbarkeit verfolgte Zweck kann in der Wahrnehmung eigener Belange, aber auch in der Förderung öffentlicher Interessen liegen. 1 8 8 Der Inhalt der Dienstbarkeit kann schließlich zwischen den Beteiligten im Rahmen des geltenden Rechts frei ausgehandelt werden, insbesondere kann ein Recht zur Benutzung eines Grundstücks in einzelnen Beziehungen begründet werden 1 8 9 . Die Bestellung kann dabei auch unter einer Befristung oder Bedingung erfolgen. 190 Inhaltlich ist eine Verknüpfung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit mit einem schuldrechtlichen Anspruch möglich, aber in keinem Fall zwingend. 1 9 1 Damit kann auch ein dingliches Nutzungsrecht zugunsten der das Grundstück nutzenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft vereinbart werden, das neben das schuldrechtliche Nutzungsrecht tritt und von diesem unabhängig ist. Während letzteres jedoch (mit der Ausnahme des § 571 BGB) nur zwischen den vertragschließenden Parteien wirkt, begründet die beschränkt persönliche Dienstbarkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem jeweiligen Grundstückseigentümer 192 . Völlige Sicherheit wird jedoch auch hier nicht gewährt, da die Dienstbarkeit durch Zwangsversteigerung des Grundstücks nach §§ 59, 91 Z V G dann erlischt, wenn die Dienstbarkeit im geringsten Gebot - wenn auch zu Unrecht - nicht berücksichtigt worden ist. 1 9 3 Die Bestellung der Dienstbarkeit erfolgt durch Einigung und Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB). Eine solche beschränkt persönliche Dienstbarkeit kann zum einen nach der Veräußerung an den Grundstückserwerber begründet werden. In diesem Fall muss der Erwerber als dann dinglich berechtigter Eigentümer, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist, aber der Eintragung im Grundbuch zustimmen ( § 1 9 GBO). Ein entsprechender Anspruch der veräußernden öffentlichen Hand gegen den Erwerber auf Zustimmung müsste dann im Grundstückskaufvertrag niedergelegt werden. Dieser schuldrechtliche Anspruch auf Bestellung der Dienstbarkeit kann wiederum seinerseits durch eine Vormerkung gesichert werden. 1 9 4 Es ist zum anderen aber auch möglich, das dingliche Nutzungsrecht schon zu einem Zeitpunkt zu bestellen, in dem die öffentliche Hand selber noch Eigentümer ist. So wird eine solche Eigentümerdienstbarkeit, bei der der 188
BGH, NJW 1984, 924; BGHZ 41, 209, 213. Eine solche „Benutzungsdienstbarkeit" kann etwa auch die gewerbliche Nutzung von auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden und Räumen betreffen, vgl. Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 4 und Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 13 m.w.N. 190 BGH, NJW 1979, 2149, 2150; BayOblG, MDR 1981, 759. 191 Vgl. zur Verknüpfung schuldrechtlicher Ansprüche und dinglicher Sicherung Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 30 f. 192 BGH, BB 1967, 767; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1090, Rdnr. 1. 193 Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 29 i.V.m. § 1018, Rdnr. 90. 194 Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 26. 189
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. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Berechtigte zugleich Eigentümer des belasteten Grundstücks ist, allgemein als zulässig angesehen. 195 Die Bestellung erfolgt dann statt durch Einigung und Eintragung durch einseitige Erklärung des Eigentümers und Eintragung. 1 9 6 Um das Grundbuch von unnötigen Eintragungen freizuhalten, ist für die Bestellung jedoch ein schutzwürdiges Interesse etwa in Hinblick auf eine beabsichtigte Übertragung des Eigentums am belasteten Grundstück erforderlich. 197 Ein Bedürfnis in dem Sinn, dass der mit der Bestellung verfolgte Zweck auf keinem anderen Wege zu erreichen wäre, ist aber nicht zu fordern, ebenso wenig, dass es sich um ein wirtschaftliches Bedürfnis handelt. 1 9 8 Bei Beteiligung des Staates reicht es aus, wenn ein öffentliches Interesse an der Bestellung einer Eigentümerdienstbarkeit besteht. 199 Ein solches Interesse der öffentlichen Hand besteht in den hier zur Diskussion stehenden Fällen jedoch zweifelsohne. (2) Überlegungen de lege ferenda - Anpassung von § 882 a ZPO Ist die öffentliche Hand Eigentümerin von Sachen im Verwaltungsgebrauch dient das Pfändungsverbot des § 882a Abs. 2 S. 1 ZPO der Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit bei einer gegen sie gerichteten Einzelzwangsvollstreckung. Diese Vorschrift kann jedoch, wie oben ausgeführt, nicht angewendet werden, wenn ein Privater Völlstreckungsschuldner ist und die in seinem Eigentum befindliche, von der öffentliche Hand zu Verwaltungszwecken genutzte Sache Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht mittels einer verfassungskonformen Auslegung des § 882 a ZPO erreicht werden. Jegliche verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze im Wörtlaut und Sinn der auszulegenden Vorschrift. 200 Es ist stets das Prinzip richterlicher Zurückhaltung gegenüber dem Gesetzgeber und das Prinzip des Vorrangs des Gesetzgebers bei der Konkretisierung der Verfassung zu beachten. 201 Bei der Gesetzgebung von 195 Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 24; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1090, Rdnr. 3; Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 8; BGHZ 41, 209, 211. 196 Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 25; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1090, Rdnr. 7. 197 So die h.M. vgl. BGHZ 41, 209, 211; OLG Oldenburg, Rpfleger 1967, 410; OLG Frankfurt, Rpfleger 1980, 64; OLG Frankfurt, Rpfleger 1984, 264 m.w.N; Joost, in: MüKo, BGB, § 1090, Rdnr. 24. Nach einer Minderansicht ist ein solches besonderes Interesse nicht erforderlich (vgl. Ring, in: Staudinger, BGB, § 1090, Rdnr. 8 m.w.N.). 198 BGHZ 41, 209, 211. 199 LG Traunstein, MittBayNot 1976, 217, 218; kritisch hierzu Maidl, in: MittBayNot 1976, 218, der hierin eine bedenkliche Ausweitung der Zulässigkeit der Eigentümerdienstbarkeit erblickt. 200 V g l e t w a BVerfGE 8, 28, 34; 18, 97, 11; 63, 131, 147.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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§ 882 a ZPO steht eindeutig der Schutz der öffentlichen Hand als Vollstreckungsschuldner im Vordergrund, das funktionale Motiv des Funktionsfähigkeitsschutzes der öffentlichen Verwaltung als solcher tritt zurück. Damit verbleibt, um in den hier diskutierten Konstellationen einen konsequenten Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erreichen, nur eine gesetzgeberische Modifikation des § 882 a ZPO. So könnte der Abs. 2 S. 1 dahingehend formuliert werden, dass die Zwangsvollstreckung nicht mehr nur unzulässig ist in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unerlässlich sind, sondern allgemein in Sachen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners oder einer der in Abs. 1 und 3 genannten Körperschaften unerlässlich sind. M i t einer solchen Änderung würden auch die sich aus der Insolvenz des Schuldners ergebenden Probleme gelöst, da die zur Aufgabenerfüllung benötigten Gegenstände dann nicht der Zwangsvollstreckung unterlägen, damit nach § 36 Abs. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehörten. dd) Gesamtergebnis zur Sicherung Im Ergebnis kann damit nach geltendem Recht eine effektive Sicherung der Nutzung des veräußerten Vermögens durch die Verwaltung nur durch die Vereinbarung dinglicher Sicherungen erreicht werden. Eine öffentlichrechtliche Widmung eignet sich mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht zur dauerhaften Fixierung des Verwaltungsgebrauchs. Es gilt jedoch bei der Festlegung der Nutzungssicherung zu bedenken, dass bei jeglicher Ausgestaltung, die die Dispositionsfreiheit des Erwerbers einschränkt, dessen Kaufbereitschaft sinkt. Ein unter ökonomischen Gesichtspunkten handelnder Käufer wird sich kaum zum Kauf entschließen, wenn sein Eigentumsrecht von vorneherein stark reduziert i s t . 2 0 2 Ob deshalb private Erwerber per se als Erwerber ausscheiden, wie zum Teil vermutet 2 0 3 , kann jedoch bezweifelt werden. So besteht zum einen die Möglichkeit, die dingliche Dienstbarkeit nur gegen Entgelt auch in Form wiederkehrender mietzinsähnlicher Leistungen einzuräumen, 204 wobei die Entgeltlichkeit freilich immer nur Bestandteil des der Dienstbarkeit zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages sein kann 2 0 5 . Eine solche Zahlung könnte als Zuschlag auf die sich aus dem Mietvertrag ergebende Zahlungs201 202 203 204 205
1089.
Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 83. Hierauf weist zu Recht F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 245 hin. F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 245. BGH, BB 1968, 767; BGH WM 1966, 1088, 1089. BGH, BB 1968, 767; BGH WM 1965, 649, 651; BGH WM 1966, 1088,
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Verpflichtung ausgestaltet werden, wobei damit jedoch das Interesse der öffentlichen Hand an einer möglichst wirtschaftlichen Vorgehensweise tangiert wird. Eine andere, vielversprechendere Möglichkeit, zwischen den Interessen des Erwerbers und den Interessen der öffentlichen Hand einen Ausgleich zu finden, liefert die Möglichkeit der Befristung der Dienstbarkeit. Zwar scheidet eine Bedingung der Dienstbarkeit in Form einer Verknüpfung zum schuldrechtlichen Nutzungsrecht aus, da es ja gerade um die Sicherung der Nutzung geht, wenn das schuldrechtliche Nutzungsrecht erloschen ist, doch kann das dingliche Recht auf 30 Jahre befristet werden, solange, wie die eigentliche Nutzungsvereinbarung maximal ohne Kündigungsrecht laufen kann. Die öffentliche Hand hätte dann die Gewähr, die Sache für 30 Jahre nutzen zu können ohne Kündigungsrisiken ausgesetzt zu sein, der Erwerber die Gewissheit, nach 30 Jahren auch tatsächlich frei über sein Eigentum verfügen zu können. Auf diese Weise könnte schließlich auch dem Vorwurf einer möglichen Sittenwidrigkeit der Dienstbarkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB infolge übermäßiger Bindung des Grundstückseigentümers vorgebeugt werden. 3. Ergebnis Die Zweckbindung des Verwaltungsvermögens schließt die Veräußerung von weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigtem Vermögen nicht aus. Eine solche Veräußerung ist von Verfassungs wegen jedoch nur dann zulässig, wenn die weitere Nutzung rechtlich gesichert ist und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht gefährdet ist. Eine entsprechende Sicherung der Nutzung ist de lege lata nur durch die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrecht für den Staat möglich.
II. Das Prinzip des Steuerstaates als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Steuerstaat. 206 Diese Feststellung kann als fast unbestrittene Selbstverständlichkeit des Finanzverfassungsrechts bezeichnet werden. 2 0 7 Als ein solcher ist sie ein Gemeinwesen, das seinen Finanzbedarf im wesentlichen durch Steuern deckt. 2 0 8 Einem sol206
Isensee, in: FS Ipsen, S. 409; Vogel, in: HStR I, § 27, Rdnr. 69; ders., in: Der Staat 25 (1986), S. 481, 508; Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 46; F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; Gramm, in: Der Staat 36 (1997), S. 267, 274; Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 332; Badura, StaatsR, I, Rdnr. 5; vgl. ferner die umfangreichen Nachweise bei Hendler, in: AöR 115 (1990), S. 577, 595, Fn. 49. 207 So Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 127.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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chen Steuerstaat aber erscheinen Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen aufgrund ihrer andersartigen Finanzierungsquelle zunächst als wesensfremd, auch wenn schon der Begriff des Steuerstaates nur von einer „grundsätzlichen" 209 , „wesentlichen" 210 oder „typischen" 2 1 1 Finanzierung staatlicher Tätigkeit durch Steuern ausgeht. Ob aus einem solchen Befund aber auch die Verfassungswidrigkeit einer derartigen Finanzierung folgt 2 1 2 , hängt davon ab, welches Verständnis dem Begriff des Steuerstaates zugrunde gelegt wird. Versteht man den Steuerstaatsgrundsatz lediglich als deskriptive Ist-Beschreibung der historischen Entwicklung des Staates und seines derzeitigen Zustandes 213 , kann hieraus keine Schlussfolgerung auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einzelner Einnahmearten gezogen werden. Solche können nur gezogen werden, wenn dem Begriff des Steuerstaates auch eine normative Bedeutung zukommt, er ein rechtliches Gebot enthält, das nicht erklärt, wie ein Gemeinwesen tatsächlich beschaffen ist, sondern ihm vorschreibt, wie es strukturiert sein soll214 Ein solches normatives Verständnis, wonach der Steuerstaatsgrundsatz als Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit nicht-steuerlicher Einnahmen fungiert und solche Einnahmen grundsätzlich für unzulässig oder zumindest besonders rechtfertigungsbedürftig hält, ist indes umstritten. 215 Die normative Bedeutung des Steuerstaatsgrundsatzes kann dabei nämlich nicht aus der realen Wirklichkeit staatlicher Finanzierung abgeleitet werden, da die reale Wirksamkeit des Steuerstaates eben gerade keinen Schluss auf seine normative Bestandssicherung zulässt. 216 Auf der anderen Seite wird sie jedoch 208 Vogel in: HStR I, § 27, Rdnr. 51; P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 310; F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), S. 137; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 327; Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, wenn auch mit gewisser Kritik gegenüber jeglichem Definitionsansatz für den Staatstypus Steuerstaat, vgl. S. 414. 209 F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 244; BVerfGE 78, 249, 267; BVerfGE 93, 319, 342 spricht hingegen von einer Finanzierung der staatlichen Aufgaben „in erster Linie" durch den Ertrag der in Art. 105 ff. geregelten Steuern. 210 F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 327. 211 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409. 212 Diese Frage wird von F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 244 in Zusammenhang mit dem „Kieler Immobiliengeschäft" aufgeworfen. 213 Diese Verwendung als Beschreibung des tatsächlichen Zustandes des Staates lag der ursprünglichen Begriffsbildung zugrunde, vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 138. 214 F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassung, Rdnr. 329; Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209. 215 Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209. 216 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 420; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 329.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Begriff des Steuerstaates nicht im Text des Grundgesetzes wiederfindet und in den Typusbeschreibungen der Art. 20 und 28 Abs. 1 GG lediglich die Festschreibung des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats erfolgt. 2 1 7 Der Staat des Grundgesetzes will in den Art. 20 und 28 Abs. 1 GG keinesfalls eine vollständige und ausschließliche Aussage über sich treffen, da das Grundgesetz als Verfassung nicht den kodifikatorischen Anspruch erhebt, eine Rechtsmaterie systematisch und exklusiv zu regeln. 2 1 8 Dennoch soll im folgenden hergeleitet werden, dass dem Steuerstaatsgrundsatz eine solche normative Bedeutung nicht zukommt, er nicht als Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einzelner nichtsteuerlicher Einnahmen herangezogen werden kann. Weiterhin soll gezeigt werden, dass sich die Argumentation für ein normatives Verständnis, die zur Ablehnung nicht-steuerlicher Abgaben entwickelt worden ist, nicht auf die Beurteilung der Einnahmeerzielung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen übertragen lässt. 1. Herkömmliche verfassungsrechtliche Herleitung eines normativen Steuerstaatsgrundsatzes Von den Befürwortern einer normativen Verwendung des Steuerstaatsgrundsatzes werden vor allem vier verfassungsrechtliche Normbereiche zur Begründung ins Feld geführt: Die Normen der Finanzverfassung im engeren Sinne (Art. 105 ff. GG), die grundgesetzlichen Garantien des Privateigentums (Art. 14 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates (Art. 20 und 28 Abs. 1 GG). a) Die Normen der Finanzverfassung A m augenscheinlichsten werde die normative Bedeutung des Steuerstaatsgrundsatzes ihrer Ansicht nach in der Finanzverfassung der Art. 105 ff. GG. Die dortigen Regelungen teilen Bund und Ländern Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheiten zu, fixieren den Föderalismus verfassungsrechtlich und tarieren ihn finanziell aus. 2 1 9 Sie beziehen sich dabei aber nahezu ausschließlich auf die Steuer als diejenige Einnahmequelle, die es gesetzlich zu regeln und zu verteilen gibt. Die darüber hinaus erwähnten 217 218 219
Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 420. Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 421. F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 151.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Einnahmen aus Zöllen und Finanzmonopolen (Art. 105 Abs. 1 GG) sind für den Bund sowohl rechtlich, als auch finanziell nach Völlendung der Zollunion vom 1.7.1968 bedeutungslos geworden 220 , da innerhalb der Zollunion gem. Art. 23 ff. EGV staatliche Binnenzölle und zollgleiche Abgaben abgeschafft worden sind und durch die Aufstellung des Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittstaaten gem. Art. 18 EGV a.F. die Zolltarifhoheit endgültig auf die Gemeinschaft übergegangen ist. Aus dieser grundgesetzliche Ausgestaltung der Art. 105 ff GG werde aber nichtsteuerlichen Einnahmen Grenzen gezogen. So stelle nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die grundgesetzliche Finanzverfassung (Art. 104 a bis Art. 108 GG) eine in sich differenzierte, Gesamtstaat und Gliedstaaten in ihrem Anteil am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sorgsam ausbalancierende Regelung dar 2 2 1 , die ein „Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung" 2 2 2 sei. „Sie verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern daneben beliebig Abgaben unter Umgehung der bundesstaatlichen Verteilung der Finanzen erhoben werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die keineswegs unerschöpflichen Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden grundsätzlich aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt (Prinzip des Steuerstaates) und nur ausnahmsweise, d.h. unter besonderen Voraussetzungen Einnahmen außerhalb des von der Finanzverfassung erfassten Bereichs erschlossen werden dürfen." 2 2 3 Solche Einnahmen bedürften der besonderen Rechtfertigung. 224 Für das Bundesverfassungsgericht stehen dabei zwei Schutzgüter im Mittelpunkt seiner Begründung. Zum einen diene das steuerstaatliche Gebot des Ausnahmecharakters nichtsteuerlicher Einnahmen dem Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung vor Störungen und Aushöhlungen. 225 Hierbei komme einerseits der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung z u . 2 2 6 Andererseits solle der Ausnahmecharakter nichtsteuerlicher Einnahmen insoweit sowohl eine Umgehung der Regelungen zur (vertikalen) Verteilung der bun220 221 222 223 224 225 226
Heun, in: Dreier, Art. 105, Rdnr. 3. BVerfGE 78, 249, 266. BVerfGE 55, 274, 300. BVerfGE 78, 249, 266 f.; jüngst bestätigt von BVerfGE 93, 319, 342. BVerfGE 75, 108, 158. BVerfGE 55, 274, 300; 67, 256, 278. BVerfGE 55, 274, 300 f.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
desstaatlichen Finanzen verhindern 227 , als auch die Zweckerfüllung der in Art. 107 GG getroffenen Regelungen zum (horizontalen) Finanzausgleich gewährleisten 228 . Zum anderen werde durch die Struktur der Finanzverfassung auch „Erfordernissen des Individualschutzes der Abgabepflichtigen" 229 Rechnung getragen, deren „keineswegs unerschöpfliche Ressourcen" 230 nicht sowohl durch eine aufgrund ausdrücklicher grundgesetzlicher Kompetenz erhobene allgemeine Steuer als auch eine zusätzliche Abgabe belastet werden sollen. Aus diesen Gesichtspunkten ergebe sich, dass nach der vom Grundgesetz in den Art. 104 ff GG vorausgesetzten Steuerstaatlichkeit die nichtsteuerliche Staatsfinanzierung einen erhöhten verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf hervorrufe. 231 b) Art. 12 und 14 GG Neben der Finanzverfassung fordere auch die Garantie der Grundrechte der Berufs- und Eigentumsfreiheit ein normatives Verständnis des Steuerstaatsgrundsatzes . So dürfe gem. Art. 12 Abs. 2 GG niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen Dienstleistungspflicht. Konsequenterweise behalte sich ein solcher Staat, der seine Bürger nicht zur Arbeit für die Gemeinschaftsbedürfnisse nötigt, vor, für entsprechende Aufgaben mit eigenen Mitteln tätig zu werden, die wiederum durch Steuereinnahmen finanziert würden. 2 3 2 Die Pflicht der Bürger beschränke sich ausschließlich auf die regelmäßige Zahlung von Abgaben in Geldform, es finde eine „steuerstaatliche Reduzierung der staatsbürgerlichen Pflichten" 2 3 3 statt. Diese steuerstaatlich bedingte Reduktion verschaffe den Bürgern die Freiheit, sich ihre Ziele selber zu wählen und sich in ihrer Arbeit selbst zu verwirklichen. 234 Durch den Steuerstaat werde erst die Voraussetzung für eine umfassende Grundrechtsbetäti227
BVerfGE 78, 249, 266. Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 46. 229 BVerfGE 55, 274, 300; 67, 256, 278. 230 BVerfGE 78, 249, 266. 231 Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 334; kritisch zu einem Verständnis, das bereits aus der Finanzverfassung den Vorrang der Steuer ableitet Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209, 210. 232 Vgl. zum Zusammenhang der Einführung des staatlichen Beamtentums und der Umstellung staatlicher Finanzierung Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 130 f. 233 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 424. 234 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 424. 228
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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gung nach Art. 12 Abs. 1 GG geschaffen 235 , wodurch Art. 12 Abs. 1 GG selber zu einer Garantienorm des Steuerstaates werde. Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG legten darüber hinaus aber durch die in ihnen erfolgende Fundierung der privatwirtschaftlichen Ordn u n g 2 3 6 auch die grundsätzliche Art staatlicher Finanzierung fest. Wenn das Bundesverfassungsgericht auch mehrfach betont habe, dass das Verfassungsrecht weder „eine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung" 237 , noch „konkrete Grundsätze der Gestaltung des Wirtschaftslebens" 238 enthalte, es in dem Sinne „wirtschaftspolitisch neutral sei, dass der Gesetzgeber jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik betreiben d a r f ' 2 3 9 , so habe es dabei stets die Bedeutung der Grundrechte betont. Der Gesetzgeber habe die durch die Grundrechte gewährleistete „Freiheit des einzelnen Bürgers auch bei der Ordnung der Wirtschaft zu respektieren" 240 und dürfe eine ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik nur betreiben, „sofern er dabei die Grundrechte beachtet"241. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG enthalte nun aber eine verfassungsrechtliche „Weitentscheidung" 242 , nach der die bestehende Wirtschaftsverfassung den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien enthalte 2 4 3 . Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleiste das Eigentum und erfülle damit im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe, dem Träger des Grundrechtes einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. 2 4 4 Durch die verfassungsrechtlich geschützte Privatnützigkeit des Eigentums, d.h. durch seine Zuordnung zu einem Rechtsträger, in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen pri235
Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 49. 236 Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 335; Basedow, Wirtschaftsverfassung, S. 19 ff. Es kann insoweit zumindest von einer „Funktionsgarantie" der marktwirtschaftlichen Ordnung im Grundgesetz - im Gegensatz zur vom BVerfG abgelehnten „Systemgarantie" - sprechen, in der die Grundpfeiler Eigentum, Verfügungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Wettbewerb abgesichert werden. 237 238 239 240 241 242 243 244
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BVerfGE 50, 290, 337. BVerfGE 50, 290, 337. BVerfGE 7, 377, 400. BVerfGE 50, 290, 337. BVerfGE 7, 377, 400. BVerfGE 16, 214, 219. BVerfGE 32, 311, 317. Vgl. BVerfGE 24, 367, 389; 31, 229, 239; 50, 290, 339.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
vaten Interesse von Nutzen sein soll 2 4 5 , und die nach Art. 14 Abs. 3 GG nur äußerst begrenzt zulässige Enteignung treffe der Finanzstaat eine Grundsatzentscheidung gegen die Verstaatlichung des ertragsfähigen und verbrauchbaren Eigentums. Die Eigentumsgarantie verbietet den Eigentümerstaat. 246 Aus beiden Grundrechten ergebe sich daher eine Erwerbsordnung, die privatwirtschaftlich betrieben und privatnützig ausgelegt sein müsse, in der die Arbeitskraft und das produktive Eigentum in privater Hand zu bleiben haben. 247 Diese Grundsatzentscheidung für das Privateigentum und damit gegen das Staatseigentum, für das private und gegen das staatseigenhändige Wirtschaften verwehre es dem Staat, seinen Finanzbedarf sowohl durch Verstaatlichung des ertragsfähigen und verbrauchbaren Eigentums 248 , als auch grundsätzlich durch eigenwirtschaftliche Betätigung 249 , zu decken. Der Staat sei somit darauf verwiesen, lediglich am ökonomischen Erfolg dieser Freiheiten - dem durch private Leistungen in Form von Waren- und Dienstleistungen hervorgebrachten Erfolgs- und Tauschwert - zu partizipieren. 2 5 0 Da die Partizipation am Erfolg wiederum nur mit Hilfe der Steuer möglich sei, folge aus der Berufs- und Eigentumsfreiheit letztlich ein normatives Gebot des Steuerstaates. c) Art. 3 GG Forderten Art. 12 GG und Art. 14 GG die grundsätzliche staatliche Finanzierung durch Partizipation an privatem Wirtschaften, so setze Art. 3 GG die Maßstäbe für diese Partizipation. Der Gleichheitssatz als Individualgrundrecht untersage eine sachwidrige Verteilung der öffentlichen Lasten und fordere Lastengleichheit. 251 Die Steuern, die „allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft" (§ 3 Abs. 1 AO), entsprächen diesen Anforderungen aber als einzige Abgabenart voll. Sie stellten die geforderte Gemeinlast dar.
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BVerfGE 50, 290, 339; vgl. femer BVerfGE 31, 229, 240; 42, 263, 294. So P. Kirchhof, in: VVDStRL 39 (1981), 213, 215. 247 P. Kirchhof in: HStR IV, § 88, Rdnr. 47. 248 P. Kirchhof in. VVDStRL 39 (1981), 213, 233. 249 F. Kirchhof in: die Verwaltung 21 (1988), 137, 139; P. Kirchhof in. HStR IV, § 88, Rdnr. 47; ders., in: Steuern im Verfassungsstaat, S. 27, 33; Vogel, in: HStR I, § 27, Rdnr. 71; Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 50. 250 P. Kirchhof in: HStR IV, § 88, Rdnr. 47, ders., in: Steuern im Verfassungsstaat, S. 27, 33; Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 424. 251 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 430. 246
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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d) Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates Schließlich folge nach Ansicht der Befürworter eines normativen Verständnisses des Steuerstaatsgrundsatzes ein solches auch aus den grundgesetzlichen Staatsstrukturbestimmungen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates aus Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 GG. Verstehe man das Prinzip der Republik in einer umfassenden Bedeutung, so bezeichne es „das „gemeine Wesen" (res publica), in dem alle öffentliche Gewalt auf die Gemeinschaft zurückzuführen und dem „gemeinen Besten" (salus publica) zu dienen verpflichtet i s t " . 2 5 2 Bei einem solchen Verständnis werde der Staat gehalten, seine finanzstaatliche Anstrengung auf das Gemeinwohl auszurichten. Dementsprechend verlange das republikanische Prinzip aber auch eine Finanzierung nach dem Gemeinlastprinzip. 253 Damit korrespondiert auch der Grundgedanke des demokratischen Prinzips. Nach diesem wird in der Demokratie sämtliche staatliche Herrschaft allein durch eine vom Volk ausgehende Herrschaft legitimiert. 2 5 4 Insoweit liege es nahe, dem Träger staatlichen Handelns, der Allgemeinheit des Staatsvolkes, auch die Finanzlasten des Staates aufzuerlegen, statt diese auf partielle Gruppen oder einzelne überzubürden. 255 Verstehe man das Staatsvolk in der Demokratie als politische Schicksalsgemeinschaft 256 , als Verantwortungs- und Pflichtengemeinschaft, führe dies dazu, dass dieses sich die gemeinsamen - staatlichen - Angelegenheiten auch in der Lastenfolge gemeinsam zurechne. 257 Schließlich sei auch im Rechtsstaatsprinzip und seinem Element der materialen Gleichheit das Prinzip der Lastengleichheit angelegt, wonach grundsätzlich die Allgemeinheit zu allen öffentlichen Lasten heranzuziehen sei. 2 5 8 Dies werde auch durch die rechtsstaatliche Unbefangenheit und Unparteilichkeit gefordert, die eine Distanz von Finanzstaat und seinem Financier verlange und gegen eine individual- und gruppenverpflichtende Finanzierungsart spreche. 259 Nur der Steuerstaat gewährleiste eine selbst-
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So Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 120; Henke, in: HStR I, § 21, Rdnr. 8 f. P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 46. 254 Vgl. etwa Böckenförde, in: HStR I, § 22, Rdnr. 11; Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 153; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, II, Rdnr. 2. 255 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 430; P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 46. 256 Böckenförde, in: HStR I, § 22, Rdnr. 26. 257 P. Kirchhof, HStR IV, 3 88, Rdnr. 46. 258 P. Kirchhof, HStR IV, 3 88, Rdnr. 46; Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 52. 259 P. Kirchhof, HStR IV, 3 88, Rdnr. 46. 253
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
bestimmte Verwendung der Mittel durch den Staat für selbstbestimmte Ziele. 2 6 0 Gleiches gelte für das Gebot des Sozialstaates, in dem in der sozialen Bindung des Einzelnen in die Gemeinschaft nicht nur ein Anspruch gegen den Staat auf Ermöglichung der Teilhabe an den für das Staatsvolk typischen, durch staatliche Gesetzgebung herstellbaren Lebensbedingungen angelegt sei, sondern auch ein Pflichtenstatus gegenüber der Gemeinschaft. 261 Nehme man diesen Pflichtenstatus ernst, so bedeutete er, dass der Einzelne den Staat in den Stand setzen müsse, seine Aufgaben zu erfüllen, was zu einer Staatsfinanzierung durch den finanzierungsfähigen Jedermann führen müsse. 262 Schließlich findet der Sozialstaat in der Steuer das einzig geeignete Instrumentarium zur Erfüllung seiner Aufgaben, bei der er sich der (Um-) Verteilung von Lebensgütern bedienen müsse, für die ihm allein die Steuer die notwendigen Mittel erschließe 263 . Die Umverteilung erfolge, indem die Steuer den Einzelnen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit Kaufkraft entzieht, während der Sozialstaat diese nach Maßgabe der Bedürftigkeit an den Einzelnen zurückgibt. 264 Darüber hinaus berücksichtige die Ausgestaltung der Steuerschuld in Form von Steuerbegünstigungen und progressiver Tarifgestaltung ökonomische Unterschiede und trage zu ihrer Einebnung bei.265 Über diese normativen Postulate hinaus, forderten Rechts- und Sozialstaatsgebot schließlich vom Staat die Erfüllung von Aufgaben, die ohne Steuerfinanzierung faktisch nicht möglich wären. Dem Rechtsstaatsprinzip wohnte die Forderung inne, dass der Staat zur Verwirklichung der Gesetze Institutionen benötige, die finanziell auszustatten sind, um handlungsfähig zu sein. 2 6 6 Die Sicherstellung einer funktionstüchtigen Exekutive, die nachhaltig Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit für den Bürger sicherstelle, sei aber Sache aller Bürger. 2 6 7
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Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 416. Zacher, in. HStR I, § 25, Rdnr. 20; P. Kirchhof, in: HStR II, § 19, Rdnr. 78; Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 213, spricht von der Sozialpflichtigkeit der Glieder der Gemeinschaft untereinander sowie gegenüber dem Gemeinwesen selbst. 262 P. Kirchhof, HStR IV, 3 88, Rdnr. 46; Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 213. 263 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 432. 264 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 432. 265 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 432. 266 Vgl hierzu auch den oben behandelten Funktionsfähigkeitsvorbehalt, s. 3. Teil, 1. Kap., A. I. 1. 267 Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 52. 261
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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2. Ablehnung eines normativen Steuerstaatsgrundsatzes Ein auf diese Weise begründetes normatives Verständnis des Steuerstaatsgrundsatzes begegnet grundsätzlichen Bedenken. Solche richten sich zunächst gegen die fehlende Operationalisierbarkeit eines normativen Steuerstaatsprinzips, aber auch gegen die Eigenständigkeit des Prinzips gegenüber den es tragenden Gründen. a) Fehlende Operationalisierbarkeit Jede eigenständige normative Operationalisierung des Begriffs des Steuerstaates weist von vornherein die Gefahr einer gewissen Unschärfe auf. Die Ableitung konkreter Handlungsanweisungen für die Zulässigkeit staatlicher Einnahmen aus einer solch „schlagwortartigen Charakterisierung strukturtypischer Merkmale" 2 6 8 wie dem „Steuerstaat" darf folglich, wenn überhaupt, nur restriktiv und unter Beachtung der jeweiligen Fallkonstellation erfolgen. Holzschnittartige Leerformeln bergen die Gefahr in sich, der konkreten verfassungsrechtlichen Konfliktsituation nicht gerecht zu werden. 2 6 9 Insoweit warnt auch der Begründer einer normativen Steuerstaatslehre Josef Isensee, die Kategorie Steuerstaat nicht überzustrapazieren, solle sie nicht ihren Erkenntniswert verlieren. 270 Diese Bedenken verstärken sich, wenn man die herkömmliche Vorgehensweise bei der Anwendung des Steuerstaatsprinzips als Prüfungsmaßstab betrachtet. Dort wird in der Regel in einem ersten Schritt gefragt, ob durch eine bestimmte finanzverfassungsrechtliche Maßnahme in nennenswerter und nicht vom Grundgesetz ausdrücklich zugelassener Weise von der grundsätzlichen Finanzierung des Haushaltes durch Steuern abgewichen wird. Die Frage nach dem Steuerstaat erweist sich damit als „Quantitätsproblem" 2 7 1 . Mit anderen Worten ist zu untersuchen, ob nicht neben der Steuer eine nicht unerhebliche Finanzierungsquelle hinzutritt. Ist dies nicht der Fall, die zusätzliche Einnahmequelle in ihrer Relevanz zu vernachlässigen, scheidet ein Verstoß gegen den Grundsatz des Steuerstaates - und damit eine Verfassungswidrigkeit allein aus dieser Ursache - aus 2 7 2 , da dieser ja ausdrücklich keine ausschließliche Bindung des Staates an die Steuerfinanzierung vorsieht. Ist die alternative Finanzierungsquelle hingegen von 268
Vgl. den skeptischen Diskussionsbeitrag von Brohm, in: VVDStRL 42 (1984), 277. 269 Ygi insoweit auch die bereits zitierte kritische Haltung Hendlers, in: AöR 115 (1990), 577, 609. 270 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 436. 271 F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145. 272 Vgl. etwa Gramm, in: Der Staat 36 (1997), S. 267, 274.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
nicht vernachlässigbarem Volumen, wird gemeinhin ein Verstoß gegen das Steuerstaatsprinzip angenommen. Allein dieses quantitative Vorgehen weist jedoch in dreifacher Hinsicht erhebliche Probleme auf. Schon die Bezugsgröße, zu der die Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen in Relation gesetzt werden sollen, erscheint nicht sofort ersichtlich. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Art der Einnahmen, das heißt bezüglich der Frage, ob der Anteil der Steuern an allen Staatseinnahm e n 2 7 3 oder nur an den Abgaben 2 7 4 betrachtet wird, als auch bezüglich des Einnahmesubjekts. Zum einen ließe sich die alternative Einnahmequelle in Bezug setzen zu den gesamten Einnahmen aller öffentlich-rechtlichen Haushalte, d.h. aller Organisationseinheiten inklusive der mittelbaren Staatsverwaltung im Bereich der Sozialversicherung. 275 Dies böte den Vorteil, alle wesentlichen Aufgaben des Staates, insbesondere die Sozial- und Leistungsaufgaben, in eine Betrachtung einzubeziehen. 276 Zum anderen kann bei der Beurteilung aber auch an die steuerliche Deckungsquote der Haushalte der Gebietskörperschaften, d.h. den Anteil der Steuern an den im Haushalt von Bund, Ländern und Gemeinden veranschlagten Staatseinnahmen, angeknüpft werden. Diese Anknüpfung entspräche der historischen Begriffsbildung des Steuerstaates, da die Steuer als Einnahmequelle stets den Gebietskörperschaften vorbehalten war, die die allgemeinen Staatsaufgaben erfüll.
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ten. Diese Unsicherheit setzt sich bei dem Versuch fort, die Quote zu bestimmen, ab der der Anteil einer nichtsteuerlichen Einnahme nicht mehr mit dem Steuerstaatsprinzip vereinbar sein soll. Zum Teil wird hier angenommen, dass schon eine nichtsteuerliche Einnahmequote von über einem Viertel der Staatseinnahmen den Steuerstaat als Typus gefährde. 278 Teilweise wird unter Berufung auf die „grundsätzliche" Finanzierung durch Steuern gefordert, dass diese alle anderen Einnahmen überwiegen müssen, und daher erst dann von einem Verstoß gegen den Steuerstaatsgrundsatz gesprochen werden könne, wenn die nicht-steuerlichen Einnahmen über 50% liegen. 2 7 9 Selbst wenn man anerkennt, dass sich eine genaue Prozentgrenze 273 So offensichtlich F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145. Gleichwohl scheint F. Kirchhof auf S. 147 aber zu einer synonymen Verwendung von „Staatseinnahmen" und „Abgabeeinnahmen" zu tendieren. 274 Diese Perspektive findet sich am deutlichsten bei Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209 ff. 275 Sympathisierend mit einer solchen Sichtweise wohl F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 146. 276 F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 146. 277 So F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 146. 278 Vgl. etwa F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 146. 279 Vgl. etwa Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209, 211.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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nicht festlegen lassen w i r d 2 8 0 und möglicherweise auch nicht praktikabel ist, sind derart divergierende Werte oder allgemeine Leerformeln, wie die Finanzierung aus nichtsteuerlichen Einnahmen „in quantitativ größerem Umfang" 2 8 1 nicht geeignet, für eine in der praktischen Anwendung des Steuerstaatsprinzips notwendige Klarheit zu sorgen. Ihnen haftet in hohem Maße der Charakter der Willkürlichkeit 2 8 2 an. Hinzu kommt, dass die Einhaltung einer wie auch immer festgelegten Grenze juristisch kaum überprüfbar ist, da sie verlässlich erst ex-post nach Abschluss des jeweiligen Haushaltsjahres durchzuführen ist und die Finanzplanung als Prüfungsgegenstand ob ihrer Unsicherheit als Prüfungsmaßstab ausscheidet. 283 Schließlich ist aber auch die Rechtsfolge unklar, die bei einem Überschreiten der quantitativen Grenze und dem damit verbundenen Verstoß gegen das Steuerstaatsprinzip eintreten soll. Es erscheint mit der quantitativen Betrachtungsweise lediglich möglich, den momentanen finanziellen Gesamtzustand des Staates am Maßstab des Steuerstaatsprinzips zu messen. Dabei kann bestimmt werden, ob die Finanzierungslasten insgesamt noch nach steuerstaatlichen Grundsätzen verteilt sind oder ob gleichsam das gesamte System der staatlichen Finanzierung nicht mehr von der „typenprägenden Kraft der Steuer" 2 8 4 bestimmt wird. Eine solche quantitative Betrachtung ist jedoch vollkommen ungeeignet, um einzelne Einnahmequellen am Steuerstaatsprinzip zu messen. Angesichts des äußerst großen Bezugsrahmens 285 kann jede einzelne Einnahmequelle bei singulärer Betrachtung im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen nur vernachlässigbar gering sein sieht man einmal vom singulären Fall der enormen Höhe der Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen von ca. 98 Milliarden D M ab, was etwa 20% des Bundeshaushaltes für das Jahr 2000 entspricht. Zieht man aber alle nichtsteuerlichen Einnahmen zusammen, kann nicht bestimmt werden, was in dem Falle eintreten soll, dass diese Gesamtsumme die quantitative Geringfügigkeitsschwelle überschreitet. 286 In diesem Falle könnten 280
Hieraufweist selbst F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 146 hin. So Gramm, in: Der Staat 36 (1997), S. 267, 274. 282 Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209, 212 f. bezeichnet die quantitative Betrachtungsweise als „willkürliche, ... nicht näher begründete und auch nicht operationalisierte" goldene Regel" der staatlichen Finanzierungsarten". Kritisch auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 156. 283 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 156. 284 F. Kirchhof, in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 145. 285 Die Gesamteinnahmen des Bundes ohne Sonderfonds und Sondervermögen betrugen 1995 etwa 414, 1 Milliarden DM (vgl. die Übersicht bei Vogel/Waldhoff, Finanz verfassungsrecht, Rdnr. 92). 286 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 156. Eine vergleichbare Problematik stellt sich bei der Anwendung des vom BVerfG entwickelten sog. „Halbteilungsgrundsatzes", wonach die „steuerliche Gesamtbelastung des Soll281
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
zum einen alle nichtsteuerlichen Einnahmen mit einem Male verfassungswidrig werden, da sie alle zum Überschreiten der Steuerstaatsgrenze beitragen. Es käme zu einer pauschalen Verfassungswidrigkeit des Gesamtsystems staatlicher Einnahmen - eine Konsequenz, die „offensichtlich unsinn i g " 2 8 7 ist. Wird hingegen nur diejenige nichtsteuerliche Einnahmequelle, die gewissermaßen das „Fass zum Überlaufen" gebracht hat, als verfassungswidrig angesehen, stellte sich das Problem, diese bestimmen zu müssen, was erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte. 2 8 8 Schließlich gar eine „quotierte" Verfassungswidrigkeit aller nichtsteuerlichen Einnahmen anzunehmen, wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit kaum zu vereinbaren. Welche Lösung auch immer gewählt würde 2 8 9 , sie erschiene willkürlich und rational kaum begründbar. Die quantitative Betrachtungsweise des Steuerstaatsgrundsatzes erweist sich damit als nicht für eine normative Anwendung bei der Beurteilung einzelner Einnahmequellen geeignet. 290 b) Normativer Mehrwert Darüber hinaus ist ein normatives Verständnis des Steuerstaatsprinzips aber auch nicht erforderlich, da ihm keine eigenständige Bedeutung über die ihn tragenden verfassungsrechtlichen Gründe hinaus zukommt. Nur wenn der Begriff des Steuerstaates als begriffliche Abstraktion einen über die zusammengefassten Regelungen der Verfassung hinausgehenden Gehalt, einen „normativen Mehrwert" 2 9 1 besäße, könnte er zur eigenständigen norertrags bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand" verbleiben muss (BVerfGE 93, 121, 138). 287 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 156. 288 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 156. 289 Bei der Anwendung des „Halbteilungsgrundsatzes" scheint das BVerfG die Lösung zu favorisieren, die im Falle der additiven Überschreitung des Grenzwertes denjenigen Faktor für verfassungswidrig erklärt, der letztendlich zur Überschreitung geführt hat. Dies wird in der Formulierung deutlich, wonach die Vermögenssteuer zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur dann hinzutreten darf, wenn die steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe der hälftigen Teilung verbleibt (BVerfGE 93, 121, 138). 290 Auch Gramm, in: Der Staat 36 (1997), S. 267, 275 muss in Bezug auf die Zulässigkeit der Gebührenfinanzierung eingestehen, dass durch die grundsätzliche Einsicht in die Verfassungswidrigkeit des „Nicht-Steuerstaates" für die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einzelner Einnahmetatbestände wenig gewonnen ist, im konkreten Fall der mögliche Umschlag vom verfassungsrechtlich festgeschriebenen Steuerstaat in den verfassungswidrig finanzierten Staat nicht in den Blick kommt, weil es immer nur um einen Einzelfall und nicht um „den Steuerstaat" gehe. 291 Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 337.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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mativen Meßlatte verfassungspraktischen Handelns - und damit zur Grenze staatlicher Haushaltsfinanzierung über die Veräußerung von weiterhin benötigtem Verwaltungsvermögen - werden. Jede einzelne Einnahmequelle kann jedoch - getrennt vom Steuerstaatsprinzip - an denjenigen Maßstäben geprüft werden, die das Steuerstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankern. Selbstverständlich muss jede staatliche Maßnahme zur Einnahmeerzielung die „normalen" verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. 2 9 2 Sie kann, egal ob es sich um eine Abgabe oder sonstige Finanzierungsquelle handelt, auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 3, 12 und 14 GG und ihre Entsprechung mit den Staatsgrundsätzen des Art. 20 Abs. 1 GG hin untersucht werden. Verstößt die Einnahmequelle gegen eine der dort niedergelegten Anforderungen, so ist sie verfassungswidrig, ohne dass es eines Rückgriffs auf den Steuerstaatsgrundsatz bedarf. Wird durch die Einnahmeerzielung die grundgesetzliche Kompetenzverteilung für die Abgabenerhebung umgangen, verbleibt die Möglichkeit die Maßnahme genau deswegen für verfassungswidrig zu erklären. Verzerrungen bei der horizontalen und vertikalen Einnahmeverteilung nach Art. 106 Abs. 3 S. 4 und Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG werden vermieden, indem in einem solchen Fall nicht etwa die Einnahmequelle als verfassungswidrig klassifiziert wird, sondern die entsprechenden Regelungen im FAG angepasst werden 2 9 3 , sowie, falls dies nicht geschieht, für verfassungswidrig erklärt werden können. Auch als Argument zur Begrenzung staatlicher Besteuerungsmacht kommt dem Steuerstaatsgrundsatz keine eigene Bedeutung zu. Zwar besitzt die Aussage, dass der Steuerstaat die Leistungsfähigkeit seiner Bürger als die Quelle, die ihn speist, nicht durch steuerliche Erdrosselung zum Versiegen bringen darf 2 9 4 , eine gewisse Evidenz, doch lässt sich das gleiche Ergebnis auch durch die konsequente Anwendung der Grundrechte im Bereich staatlicher Besteuerung erreichen. Begegnet eine Einnahme nach all diesen Maßstäben in ihrem materiellen Gehalt verfassungsrechtlich keinerlei Bedenken, ist der Gesetzgeber aber auch frei, sich ihrer zur Erfüllung seiner Ziele zu bedienen. 295 So bestimmt eben nicht das Steuerstaatsprinzip, ob eine bestimmte Struktur öffentlicher Einnahmen verfassungsrechtlich legitimiert ist, sondern dies wird durch die jeweiligen einnahmespezifischen Rechtsanforderungen entschieden. 296 292 Hierauf weist Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 190 besonders hin. 293 In der Tendenz wird eine solche Sichtweise (als verfassungskonforme Auslegung) bei Hidien, Handbuch des LFAG, S. 373 f. sichtbar, der entgegen des Wortlautes des FAG Sonderabgaben bei der Bemessung der Finanzkraft für berücksichtigungsfähig hält. 294 Eine solche Argumentation findet sich etwa bei Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 339. 295 Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209, 213.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Eine andere Sichtweise, nach der auch die verfassungsrechtlich zulässige Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Einführung nichtsteuerlicher Einnahmen dem Prinzip des Steuerstaates widersprechen können soll 2 9 7 , hieße, das Steuerstaatsprinzip von seinen verfassungsrechtlichen Verankerungen, die es legitimieren, zu lösen. Wenn eine Einnahmequelle aber gegen keinerlei Grundsätze verstößt, die den Steuerstaatsgrundsatz konstituieren, ist nicht einsichtig, warum dennoch das Prinzip als solches verletzt sein soll. Es müsste ansonsten gleichsam als Selbstzweck erscheinen - eine Annahme, die sich verbietet. Dies bedeutet, dass das Steuerstaatsprinzip letztlich nur deskriptiv, nicht normativ verstanden werden kann. 2 9 8 Der Steuerstaat kann insoweit der Verfassungsdogmatik durchaus ein Koordinatensystem geben, das die Stellung einzelner Institutionen im Verfassungsganzen und bestimmte Sinnzusammenhänge einsichtig und darstellbar macht 2 9 9 , er trifft jedoch keine Aussage über die Zulässigkeit einzelner Einnahmen. Der Begriff des Steuerstaates steht eben letztlich nicht auf derselben kategorialen Ebene wie die Begriffe des Rechtsstaates oder des Sozialstaates. 300 Während der Rechtsstaat dem Kategoriensystem juristischer Institutionen entstammt und eine juristisch-institutionelle Struktur erkennen lässt, bezieht sich der aus der ökonomischen Theorie des Staates entwickelte Begriff des Steuerstaates auf die ökonomische Funktionsweise des Staates. 301 Zwischen den Begriffen „Rechtsstaat - Steuerstaat - Sozialstaat" besteht daher eine theoretische Unvergleichbarkeit, auch wenn zwischen ihnen erhebliche strukturelle Zusammenhänge sichtbar sind. 3 0 2 c) Ergebnis Der Steuerstaatsgrundsatz insgesamt ist mithin mangels einer praktikablen Operationalisierbarkeit und eines eigenständigen normativen Gehalts nicht geeignet, als eigenständiger Prüfungsmaßstab auf einzelne Einnahmequellen angewendet zu werden. Egal ob als „Staatsstrukturbestimmung" 303 oder als „unausgesprochene Voraussetzung anderer Rechtsvorschriften" 304 verstanden, kommt ihm allenfalls dogmatischer Erklärungsweit bei der Be296
Gawel, in: Der Staat 39 (2000), 209. 217. So ausdrücklich Gramm, in: Der Staat 36 (1997), S. 267, 274. 298 So auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 189. 299 So Isensee, in: FS Ipsen, S. 409, 436. 300 Preuß, in: Deiseroth/Hase/Ladeur, Ordnungsmacht?, S. 46. 301 Preuß, in: Deiseroth/Hase/Ladeur, Ordnungsmacht?, S. 46. 302 Preuß, in: Deiseroth/Hase/Ladeur, Ordnungsmacht?, S. 46. 303 Vogel/Waldhoff, Finanz verfassungsrecht, Rdnr. 339.
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304
F. Kirchhof,
in: Die Verwaltung 21 (1988), 137, 139.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Schreibung der Zusammenhänge des Staatsgefüges zu. Geht es um die Beurteilung ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, ist jede staatliche Einnahme einzeln am Maßstab der den Steuerstaatsgrundsatz tragenden verfassungsrechtlichen Gründe zu messen. 3. Anwendung der den Steuerstaatsgrundsatz rechtfertigenden auf die Haushaltsfinanzierung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen
Gründe
Die zur Begründung eines normativen Verständnisses des Steuerstaatsgrundsatzes angeführten Gründe führen jedoch ebenfalls nicht zu einer generellen Unzulässigkeit der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen. Sie verstößt nicht grundsätzlich gegen einzelne das Steuerstaatsprinzip tragende Grundsätze. Dabei gilt es zunächst zu beachten, dass es sich bei Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen weder um Steuern, noch um andere vom Staat dem Bürger hoheitlich auferlegte Abgabenlasten handelt. Es sind vielmehr Einnahmen, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung zwischen Staat und Erwerber, sei er ein Privater oder eine vom Staat beeinflusste öffentliche Rechtsperson, entstehen. Sie sind grundsätzlich frei von Zwang und entstehen auf der Basis der Privatautonomie der Beteiligten, sieht man von dem Fall ab, in dem der Staat den in seinem Einfluss stehenden öffentlichen Rechtsträger zum Kauf veranlasst. Anders als bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, wo sich auf ersten Blick ebenfalls die Freiwilligkeit der Zahlung betonen ließe, geht es bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen für den Erwerber auch nicht um die Nutzung einer knappen Ressource, über die er ohne finanzielle Leistung an den Staat überhaupt nicht verfügen dürfte und somit von der Teilnahme auf einem Wettbewerbsmarkt ausgeschlossen wäre. Der Zahlung des Kaufpreises steht mit dem Eigentum am erworbenen Vermögensgegenstand ein vollständiges Äquivalent gegenüber. Es werden nicht wie bei der UMTS-Lizenz nur vage Chancen auf einen künftigen Gewinn 3 0 5 erworben. Damit ist offensichtlich , dass die spezifisch auf Abgaben zugeschnittenen Argumente 3 0 6 in der Begründung des Steuerstaates durch eine Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht durchzugreifen vermögen. Der steuerstaatliche Appell zur Lastengleichheit, der die vorrangige Heranziehung Einzel305 Zu den hieraus folgenden Problemen der gebührenrechtlichen Zulässigkeit des UMTS-Lizenzentgeltes Arndt, in: K & R 2001, 23, 27, 29 ff. 306 Vgl etwa Gawel, in: Der Staat 39 (2000), S. 209, der auf die herkömmliche Verwendung des „Steuerstaatsgrundsatzes" in Hinblick auf die Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgaben, insbesondere im Umweltbereich, und die „Morphologie verfassungsgemäßer steuerlicher Zugriffsnormen" hinweist.
3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
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ner oder bestimmter Gruppen zur Staatsfinanzierung untersagt, geht fehl, wo überhaupt keine hoheitlichen Lasten auferlegt werden. Die Veräußerung stellt auch keine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand im engeren Sinne dar. Eine solche ist gekennzeichnet durch „die aktive und unmittelbare Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsablauf zur Erlangung, Produktion oder Verteilung von Wirtschaftsgütern, deren primärer Zweck nicht identisch ist mit der öffentlichen Aufgabe, der sie sekundär (nämlich zur Stärkung der staatlichen Finanzkraft, zur Beschaffung von Haushaltsmitteln, zur Befriedigung des öffentlichen Bedarfs an Sachgütern) dienen" 3 0 7 . Zwar erlangt der Staat durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen Liquiditätsmittel, die er anschließend im Rahmen des allgemeinen Haushalts für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet. Im Unterscheid zur Betätigung als Unternehmer ist seine Tätigkeit in der Regel jedoch nicht dauerhaft. Vielmehr liegt jeweils ein punktuelles Eingreifen vor, das einmalig Einnahmen beschert. Die Einnahme bleibt einmalig und ist nicht wiederholbar, da mit ihrer Erzielung gleichzeitig der dauerhafte Verlust von Vermögenssubstanz einhergeht. Mithin handelt es sich bei Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht um eine klassische, herkömmliche Einnahmeart 308 , sondern um eine außerordentliche Einnahmequelle sui generis, für die es eigenständige Anforderungen zu entwickeln gilt. Die Grundsätze der Finanzverfassung, der Individualgrundrechte sowie des rechtsstaatlichen Gebots der Distanz von Staat und Financier vermögen ihre Zulässigkeit jedoch nicht grundsätzlich auszuschließen. a) Finanzverfassung Für das Bundesverfassungsgericht stehen bei seiner Begründung des aus der Finanzverfassung folgenden steuerstaatlichen Gebots des Ausnahmecharakters nichtsteuerlicher Einnahmen der Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung vor Störungen und Aushöhlungen 309 sowie der Individualschutz der Abgabepflichtigen 310 im Mittelpunkt. Beide Gesichtspunkte sprechen nicht gegen die Zulässigkeit der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen. 307
Hesse, Verfassungsrecht, Rdnr. 346. Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 24 nennt als solche die Erhebung von Abgaben, die Aufnahme von Krediten, die Geldschöpfung und die erwerbswirtschaftliche Betätigung; vgl. ebenso die Einteilung der Darstellung von P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88 zu den „staatlichen Einnahmen". 309 BVerfGE 55, 274, 300; 67, 256, 278. 310 BVerfGE 55, 274, 300; 67, 256, 278. 308
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung aa) Individualschutz
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der Abgabepflichtigen
Die Gesichtspunkte des Individualschutzes der Abgabepflichtigen vermögen nicht zu tragen, da es sich bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen - wie bereits dargelegt - nicht um eine staatliche Abgabe handelt. Der vom BVerfG immer wieder betonte Schutz des Bürgers vor einem kompetentiell unbegrenzten mehrfachen staatlichen Zugriff auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit kann nur als Argument gegen die Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgabeformen wie Sonderabgaben 311 oder Abschöpfungsabgab e n 3 1 2 gelten, nicht jedoch gegenüber einer Finanzierung durch Einnahmequellen, die freiwillig begründet werden. Hier wird der Bürger über die normale Steuerleistungspflicht hinaus nicht belastet, sieht man von möglichen mittelbaren Belastungen in Folge eines künftig steigenden Steuerbedarfs ab, der durch die finanziellen Folgelasten 313 der Veräußerungsgeschäfte hervorgerufen wird. Hinzu kommt, dass der jeweilige Erwerber des Vermögens für den von ihm zu entrichtenden Kaufpreis ein vollständiges Äquivalent in Form des Eigentums am erworbenen Vermögen erhält. bb) Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung vor Störungen und Aushöhlungen Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schützt der Steuerstaatsgrundsatz die bundesstaatliche Finanzverfassung vor Störungen und Aushöhlungen, indem er einerseits die Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern sicherstelle und andererseits eine Umgehung der Regelungen über die vertikale und horizontale Verteilung der Finanzmittel im Bundesstaat verhindern solle. (1) Umgehung der bundesstaatlichen Kompetenzzuweisungen Anders als im Bereich der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben droht durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen keine Umgehung der Steuergesetzgebungskompetenzen durch „beliebigen" 3 1 4 Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen. Die bundesstaatliche Kompetenz zur Veräußerung von Verwaltungsvermögen liegt grundsätzlich beim Eigentümer des Vermögens. Ein Abgrenzungsproblem zur im Grundgesetz detailliert 311
Grundlegend hierzu BVerfGE 55, 274 und 67, 256. Vgl. hierzu etwa BVerfGE 78, 249 für die Fehlbelegungsabgabe. 313 Vgl. insoweit 3. Teil, 1. Kap., B. II. zum Aspekt der Klassifizierung der Veräußerungserlöse als Kredit im Sinne des Art. 115 GG und 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. c) zur Frage der Vereinbarkeit mit dem Haushaltsprinzip der Wirtschaftlichkeit. 314 BVerfGE 78, 249, 266. 312
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
ausgestalteten Steuergesetzgebung besteht nicht. Es besteht keine „Konkurrenzsituation" 315 zwischen Veräußerung und Steuer. (2) Verteilung der Finanzmittel im Bundesstaat Durch die Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen droht auch keine Aushöhlung oder Verzerrung der Verteilung der Finanzmittel im Bundesstaat. Dies gilt sowohl hinsichtlich der vertikalen, als auch der horizontalen Verteilung der Finanzen. (a) Externe Effekte Durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen drohen keine grundlegenden externen Effekte bei der Verteilung der Finanzen zwischen Bund und Ländern, bzw. zwischen den Ländern. Solche Effekte liegen dann vor, wenn bei einer staatlichen Einheit anfallende Einnahmen zwingend zu Mindereinnahmen oder zusätzlichen Ausgaben bei anderen staatlichen Einheiten führen. So wird gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der UMTSMobilfunklizenzentgelte geltend gemacht, dass die Erlöse ausschließlich an den Bund flössen, während die durch die Abschreibung der gezahlten Entgelte eintretenden steuerlichen Einnahmeverluste der öffentlichen Hand hauptsächlich die Länder träfen. 316 Dies steht bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht zu befürchten, obwohl auch hier die an die öffentliche Hand gezahlten Kaufpreise steuerlich absetzbar sein können. Zum einen aber dürften die erzielten Erlöse und damit auch die Abschreibungen bei weitem nicht die Höhen der UMTS-Versteigerung von annähernd 100 Milliarden D M erreichen. Zum anderen liegt nach den Art. 83 ff. GG die Ausführung der Landesgesetze ausschließlich, und die der Bundesgesetze schwerpunktmäßig bei den Ländern, die entsprechend über einen sehr großen Bestand an Verwaltungsvermögen verfügen. 317 Dies wird auch durch die Regelungen über den Übergang des Reichsverwaltungsvermögens auf den Bund und die Länder in Art. 134 Abs. 2 GG gestützt, wonach Verwaltungsvermögen auf die Länder übergeht, sofern es zur Erfüllung von Länderverwaltungsaufgaben dient. Folglich liegt, wie im Kieler Immobiliengeschäft auch geschehen, die Veräußerung von Verwaltungsvermögen in den Ländern näher als im Bund. Veräußern aber die Länder Vermögen, so müssen sie neben den finanziellen Vorteilen auch die durch steuerliche Abschreibungen entstehenden Einnahmenachteile schwerpunktmäßig tragen,
315 316 317
BVerfGE 81, 156, 187. Arndt, in: K & R 2001, 23, 28. Vgl. auch Berlit, Ländervermögen, S. 25.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
161
die weitgehend nicht auf die Bundesebene übergewälzt werden können. Die Tatsache einer Erhöhung der finanziellen Einnahmen der Länder allein aber erscheint aus dem Gesichtspunkt des Bundesstaates weniger problematisch, da Gefahren für den Bundesstaat eher aus einem Verlust der Eigenständigkeit der Länder herrühren. 318 Hinzu kommt, dass bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen anders als bei (finanziell) gegenleistungslosen Abgaben auf der sie vornehmenden staatlichen Ebene immer auch finanzielle Nachteile eintreten, da mit der Veräußerung der Verlust von Vermögenssubstanz und finanzielle Folgelasten in Form von Mietkosten entstehen. Ob diese wiederum zu Verzerrungen der bundesstaatlichen Finanzverfassung führen, ist eine Frage der vertikalen und horizontalen Einnahmeverteilung nach Art. 106 und 107 GG. Eine Verzerrung der Finanzverteilung durch negative externe Effekte steht jedenfalls durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht zu befürchten. (b) Verzerrung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung Es könnte durch die Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung weiterhin benötigten Verwaltungsvermögens aber möglicherweise zu Verzerrungen bei der vertikalen Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern kommen. Eine solche Verzerrung der vertikalen Verteilung der öffentlichen Einnahmen zwischen Bund und Ländern, des „primären Finanzausgleichs" 3 1 9 , durch zusätzliche Einnahmen einzelner Länder oder des Bundes kommt allein bei der Gemeinschaftssteuer der Umsatzsteuer in Betracht. Bei den sonstigen Steuern, deren Aufkommen dem Bund und den Ländern gemeinsam zustehen (Gemeinschaftssteuern gem. Art. 106 Abs. 3 GG), findet sich bezüglich der vertikalen Verteilung in Art. 106 Abs. 3 S. 2 GG eine eindeutige und starre Regelung. Diese sieht bei Einkommens- und Körperschaftsteuer jeweils die hälftige Aufteilung zwischen Bund und Ländern vor. Lediglich die vertikale Verteilung der Umsatzsteuer wird in Art. 106 Abs. 3 GG in Beziehung zu den allgemeinen, möglicherweise auch nichtsteuerlichen Einnahmen der Länder gesetzt und damit flexibel ausgestaltet. Die vertikale Umsatzsteuerverteilung wird in Art. 106 Abs. 3 S. 3 und 4 dahingehend geregelt, dass die Anteile von Bund und Ländern durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz festgelegt werden, das bei der Festsetzung der Anteile von dem Grundsatz auszugehen hat, dass Bund und Länder im Rahmen der laufenden Einnahmen gleichmäßig Anspruch auf 318
Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 179. Instruktiv zum Begriff des primären Finanzausgleichs und alternativ verwendeten Bezeichnungen vgl. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 30 m.w.N. 319
11 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG). Zu einer Neufestsetzung ist der Bundesgesetzgeber gem. Art. 106 Abs. 4 S. 1 GG verpflichtet, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt. Die Umsatzsteuerverteilung orientiert sich somit primär an einer Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder, wobei die Finanzen der Gemeinden gem. Art. 106 Abs. 9 GG den Ländern zugerechnet werden. 3 2 0 Zu diesem Zweck ist nach ganz herrschender Meinung in Staatspraxis und Staatswissenschaft auf das sog. „Deckungsquotenverfahren" zurückzugreifen. 321 Dabei ist zunächst für jede Hoheitsebene getrennt ein Quotient aus den zuvor ermittelten laufenden Einnahmen und den notwendigen Ausgaben zu ermitteln, der anzeigt, zu welchem Anteil die Ausgaben durch die Einnahmen (ohne die Umsatzsteuer) gedeckt sind. In einem zweiten Schritt wird die Verteilung der Umsatzsteuer dann eingesetzt, um die ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuereinnahmen unterschiedlichen Deckungsquoten von Bund und Ländern auf einen gleichmäßigen Satz zu bringen. 3 2 2 Dem Begriffspaar „notwendige Ausgaben" und „laufende Einnahmen" kommt bei der Bestimmung der Deckungsquoten und damit der Umsatzsteuerverteilung somit herausragende Bedeutung 323 bei. Bei der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen droht eine Verzerrung der Umsatzsteuerverteilung nun möglicherweise dadurch, dass die mit ihrer Hilfe erzielten Einnahmen nicht als „laufende Einnahmen" erfasst werden, während die dadurch resultierenden finanziellen Folgelasten als „notwendige Ausgabe" zu berücksichtigen sein könnten. In einem solchen Fall könnte die jeweilige staatliche Ebene (Bund oder Länder) eine niedrigere Deckungsquote erzielen, die Veräußerungs320 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 142; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 43. 321 Vgl. nur Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 143; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 29; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106, Rdnr. 17; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 611; Hüde, Finanzausgleich, S. 198; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 143; Korioth, Finanzausgleich, S. 481; Heun, in: Dreier, GG, Art. 106, Rdnr. 22 jeweils m.w.N. 322 Dem entgegen steht das „Deckungslückenverfahren", wonach zunächst die absolute Höhe der Deckungslücke zwischen laufenden Einnahmen und notwendigen Ausgaben auf Bundes- und Länderebene zu ermitteln ist, diese absoluten Deckungslücken dann in einem zweiten Schritt durch die Verteilung der Umsatzsteuer prozentual gleich zu verringern ist. Dieses Verfahren führt folglich zu einer prozentual gleichen Verringerung der Deckungslücken bei ungleichen Deckungsquoten, während mit dem Deckungsquotenverfahren zwar prozentual gleiche Deckungsquoten herbeigeführt werden, die Deckungslücken aber prozentual ungleich verringert werden. 323 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 230.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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erlöse in Anspruch nehmen und gleichzeitig wegen der gesunkenen Dekungsquote einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer verlangen. Der dem Deckungsquotenverfahren ohnehin immanente Anreiz, eigene Einnahmen und Ausgaben so zu gestalten und zu deklarieren, dass sie eine möglichst geringe Deckungsquote erreichen 324 , würde weiter verstärkt und die jeweiligen Ebenen zur Veräußerung von Verwaltungsvermögen geradezu herausgefordert. Dies hätte finanzielle Nachteile zunächst für die andere staatliche Ebene zur Folge, die ihrerseits zur Veräußerung angehalten wäre - mit der letztendlichen Konsequenz entweder der Verzerrung der Einnahmeverteilung oder der weitgehenden Veräußerung von Verwaltungsvermögen. (aa) Veräußerungserlöse als „laufende Einnahme" Für die vorliegende Problematik bedeutet dies, dass es zunächst darauf ankommt, ob die Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen als „laufende Einnahme" im Sinne des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG zu werten sind. Der Begriff der „laufenden Einnahme" erweist sich dabei zwar besser einer inhaltlichen Abgrenzung zugänglich als der Begriff der „notwendigen Ausgaben" 325 , verbleibt jedoch dennoch ein unbestimmter Rechtsbegriff mit einem relativ weiten Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum des Finanzausgleichsgesetzgebers 326. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber dementsprechend in seinem jüngsten Urteil zum Länderfinanzausgleich aufgefordert, beide Tatbestände in einem „Maßstäbegesetz" genauer zu definieren, dessen Definition anschließend Bindungskraft für ihn entfalte. 327 Da sich für die Auslegung des Begriffs der „laufenden Einnahmen" bis dahin keine Anhaltspunkte außerhalb der Verfassung finden lassen 3 2 8 , muss der Begriff der „laufenden Einnahme" am Zweck der Vorschrift orientiert bestimmt werden. Ziel des Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG ist es, im Zusammenhang mit der sonstigen Steuerverteilung sicherzustellen, dass Gesamtstaat und Gliedstaaten am Gesamtertrag der nationalen Leistungen sachgerecht beteiligt werden. 3 2 9 Dies erfordert, dass grundsätzlich alle Einnahmen möglichst weitgehend unter die „laufenden 324
Vgl. WissBeirBMF, Gutachten Einnahmeverteilung, S. 26. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 230. 326 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 26b; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 610. Dabei wird man grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass bei der Begriffsbestimmung Bund und Länder wohl jeweils die Auffassung vertreten, die ihnen am meisten nutzt (hierauf weist Häden, Finanzausgleich, S. 198 zu Recht hin). 327 Vgl. das Urteil vom 11.11.1999, BVerfGE 101, 158, 214 ff. 328 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 44; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 230 f. 329 BVerfGE 32, 333, 338. 325
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Einnahmen" eingeordnet werden, soweit nicht besondere Gesichtspunkte entgegenstehen.330 Ein solcher der Einbeziehung entgegenstehender Grund findet sich zunächst bei Einnahmen aus Krediten. Diese Einnahmen aus Krediten einzubeziehen würde den Sinn des Deckungsquotenverfahrens ad absurdum führen, da Kredite ja gerade zum Ausgleich bestehender Deckungslücken zwischen Einnahmen und Ausgaben aufgenommen werden, die durch den Vergleich „laufender Einnahmen" und „notwendiger Ausgaben" zu ermitteln sind. Insoweit müssen sie schon begriffsnotwendig außer Betracht bleiben. 3 3 1 Dies bedeutet für Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, dass diese ungeachtet einer sonst etwaig bestehenden Möglichkeit nicht als „laufende Einnahme" im Sinne des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG qualifiziert werden dürfen, wenn sie als staatliche Kreditaufnahme zu werten sind. Ob und wann dies der Fall sein kann, wird an späterer Stelle 3 3 2 noch zu erörtern sein. Gegen eine Berücksichtigung von Veräußerungserlösen als „laufende Einnahmen" wird darüber hinaus hauptsächlich geltend gemacht, dass diesen Mittelzuflüssen gleichwertige Ausgaben oder Vermögensverminderungen gegenüberstehen, es sich um reine Vermögensumschichtungen handele. 333 Vermittelten sie somit keinen spezifischen Zuwachs an Finanzkraft, müssten sie trotz ihrer haushaltsfmanztechnischen Einordnung und Veranschlagung als Einnahme aus spezifisch finanzausgleichsrechtlichen Verteilungsrechnungen ausscheiden. 334 Eine solche Sichtweise verkennt jedoch, dass es bei der Deckungsquotenberechnung zur Umsatzsteuerverteilung gerade nicht um eine vermögensmäßige Betrachtungsweise geht, sondern diese ausschließlich auf Zahlungsvorgänge ohne Rücksicht auf damit verbundene vermögensmäßige Auswirkungen abstellt. 335 Die Nichtberücksichtigung der vermögensspezifischen Auswirkungen der Einnahmequelle in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG erscheint auch systematisch gerechtfertigt, da hier 330
Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 45; von der Tendenz her ähnlich Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 26b und Korioth, Finanzausgleich, S. 493. 331 Vgl. etwa Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 26b; Korioth, Finanzausgleich, S. 494; Hüde, Finanzausgleich, S. 198; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 615; Heun, in: Dreier, GG, Art. 106, Rdnr. 22; WissBeirBMF, Gutachten Einnahme Verteilung, S. 25. 332 s.u. 3. Teil, 1. Kap., B. II. 333 So Korioth, Finanzausgleich, S. 493; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 286; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 106, Rdnr. 26b; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 615; Heun, in: Dreier, GG, Art. 106, Rdnr.
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334 335
Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 186. So auch Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 31.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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von „laufenden Einnahmen" die Rede ist - das Ziel im Mittelpunkt steht, den beiden staatlichen Ebenen in gleichem Ausmaß liquide Mittel zu verschaffen 336 - , während Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG, für den eine vermögensmäßige Betrachtungsweise anerkannt ist, mit dem Begriff „Finanzkraft" eine umfassendere Betrachtung zulässt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Auslegung des Begriffs der „notwendigen Ausgaben" in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG. Eine solche vergleichende Vörgehensweise begegnet sowohl systematischen als auch inhaltlichen Bedenken. Aus methodologischer Perspektive ist dabei zunächst auf die Gefahr des beliebigen Zirkelschlusses hinzuweisen, wenn aus der (Nicht)Einbeziehung der Veräußerungserlöse bei den „laufenden Einnahmen" auf eine entsprechende Vörgehensweise bei den „notwendigen Ausgaben" geschlossen wird und umgekehrt. 3 3 7 Darüber hinaus verkennt ein solcher Vergleich die unterschiedlichen in Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG verwendeten Einnahme- und Ausgabekategorien. Die Vorschrift stellt nämlich bei den Einnahmen auf das zusätzliche Kriterium „laufend", bei den Ausgaben hingegen auf die Kategorie „notwendig" ab, verwendet also zwei völlig verschiedene Maßstäbe. 338 Die laufenden Einnahmen sind also gerade unabhängig von den notwendigen Ausgaben zu bestimmen. Dies wird besonders deutlich, wenn man betrachtet, warum Ausgaben für den Vermögenserwerb im Regelfall nicht als „notwendige Ausgaben" berücksichtigt werden. Ein solches Ergebnis ergibt sich nicht etwa aus der Tatsache, dass den Ausgaben unmittelbar ein vermögenswerter Zuwachs gegenübersteht, sondern vor allem aus dem Umstand, dass solche Ausgaben Ausdruck wechselhafter finanzpolitischer Konzeptionen und daher grundsätzlich nicht zwangsläufig verursacht sind. 3 3 9 Anders ließe es sich nicht erklären, dass Investitionsausgaben in die Organisation der staatlichen, verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Institutionen als „notwendig" und damit berücksichtigungspflichtig bei der Deckungsquotenberechnung angesehen werden, weil die Selbstausstattung 336 Vgl. Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 31, der die „vermögensblinde" Betrachtungsweise daher als „sachgerecht" bezeichnet. 337 Bezeichnend insoweit der Vergleich der Argumentation von Carl und Hidien. Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 31 wendet gegen die vermögensmäßige Betrachtung auf der Einnahmeseite ein, dass eine solche ansonsten auch auf der Ausgabenseite in dem Sinne vorgenommen werden müsse, dass vermögenswirksame Ausgaben nicht einbezogen werden dürften, was aber nicht der Fall sei. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 196 schließt hingegen gerade aus der Ausklammerung der Veräußerungserlöse auf der Einnahmeseite auf die Notwendigkeit auf der Ausgabenseite solche Aufwendungen zu neutralisieren, die für einen Vermögenserwerb getätigt werden. 338 Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 30 f. 339 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 196 weist auch auf letzteren Punkt hin, ordnet ihn in der Argumentation der nicht näher hergeleiteten vermögensmäßigen Betrachtung unter.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
des Staatsapparates als zentrale Funktion der Finanzaufgabe angesehen w i r d 3 4 0 . Dementsprechend kann aus der Tatsache der Vermögensumschichtung allein nicht auf die Nichtberücksichtigung von Veräußerungserlösen geschlossen werden. Ein der Einbeziehung von Veräußerungserlösen in die Deckungsquotenberechnung teilweise entgegenstehender Gesichtspunkt liegt jedoch in dem von Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG verfolgten Ziel, das Beteiligungsverhältnis an der Umsatzsteuer möglichst dauerhaft zu regeln. Einnahmen, die nur einmalig anfallen und keinerlei Kontinuität aufweisen, würden im Falle ihrer Berücksichtigung die Deckungsquoten nur kurzfristig verändern und könnten, da sie in den verschiedenen Haushaltsjahren sehr unterschiedlich sein können, zu einem dauernden Auf und Ab der Beteiligungsverhältnisse führen. Eine solche Entwicklung soll durch die Verwendung des Begriffs „laufende" Einnahmen jedoch gerade verhindert werden. 341 Einmalige Einnahmen müssen folglich bei der Bestimmung der „laufenden Einnahmen" außer Betracht bleiben, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass es sich wirklich nur um einmalig auftretende Einnahmen handelt oder sie sich allenfalls sehr unregelmäßig und in stark wechselnder Höhe wiederholen. 342 Macht man damit die Kontinuität der Einnahme zum entscheidenden Faktor, ist eine „laufende Einnahme" nur dann anzunehmen, wenn sich ein Einnahmevorgang über mehrere Jahre hinweg mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt und sich im Laufe der Jahre gewisse jährliche Durchschnittssätze der Einnahme feststellen lassen. 343 Einnahmen aus der Veräußerung von staatlichem Vermögen können damit grundsätzlich nicht als „laufende Einnahmen" qualifiziert werden. Bei ihnen handelt es sich grundsätzlich um keine kontinuierlich fließenden und in der Höhe verlässlich planbaren Einnahmequellen wie etwa die Steuereinnahmen, so dass sie aus diesem Grunde als „laufende Einnahmen" ausscheiden. 3 4 4 Ein Veräußerungsvorgang ist für sich genommen stets ein einmaliger Vorgang und daher keine Finanzierungsquelle für „laufende Einnahm e n " . 3 4 5 Diese Ansicht bedarf jedoch der Einschränkung, soweit tatsächlich 340 Dies wird auch von Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 196 anerkannt, wobei jedoch nicht klar wird, inwieweit dieses Ergebnis mit der vorherigen Annahme der vermögensmäßigen Betrachtungsweise korrespondiert. Bringt man dieses Kriterium konsequent zur Anwendung müssten auch Ausgaben für den Erwerb öffentlichen Infrastrukturvermögens ausgeklammert bleiben, da ihnen ja ein vermögenswerter Zuwachs gegenübersteht. Hidiens Argumentation erscheint insoweit zumindest widersprüchlich. 341 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 45. 342 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 45. 343 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 45. 344 Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 30; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 286.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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eine gewisse Planbarkeit der Einnahme vorliegt und zwar nicht die singulare Veräußerung, aber doch die Haushaltsfinanzierung durch Veräußerung wiederholbar ist. So ließe sich mit einer strikten Ausklammerung von Veräußerungserlösen ansonsten auch rechtfertigen, solche Einnahmen nicht zu berücksichtigen, die sich aus nachwachsenden Beständen jährlich wiederholen (z.B. Verkauf ausgesonderter Gegenstände) und somit eine stetige Finanzierungsquelle darstellen, was jedoch nicht gewollt i s t . 3 4 6 Weiterhin gilt es zu bedenken, dass offenkundig nicht alle öffentlichen Einnahmen Periode für Periode gleichmäßig fließen und - aus konjunkturellen wie strukturellem Gründen - Schwankungen im Zeitablauf unterliegen. 347 Deshalb ist es freilich noch nicht angemessen, bei der Berechnung der „laufenden Einnahmen" jegliche Veräußerungserlöse mit der Begründung zu erfassen, dass es zu solchen Erlösen - wenn auch auf schwankendem Niveau - nahezu immer kommt. 3 4 8 Vielmehr ist darauf abzustellen, ob wie im Falle des „Kieler Immobiliengeschäfts" auf Seiten der Länder oder des Bundes langfristige Pläne bestehen, wann welche Vermögensbestandteile zur Haushaltsfinanzierung veräußert werden sollen. Ist dies der Fall, besteht kein Grund mehr, Veräußerungserlöse nicht als „laufende Einnahme" anzusehen, es sei denn es handelt sich bei ihnen in Wirklichkeit um einen Kredit. Die im Bund und den Ländern erzielten Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen sind daher im Ergebnis grundsätzlich nicht als „laufende Einnahmen" in die Berechnung der Deckungsquoten einzubeziehen. Sofern sich solche Einnahmen jedoch regelmäßig wiederholen, langfristige Planungen für die Veräußerung bestehen und sich ein gewisser Durchschnittswert der Ertragshöhe ermitteln lässt, die Einnahmen also wiederholbar planbar sind, sind auch Veräußerungserlöse als „laufende Einnahmen" bei der Deckungsquotenberechnung zu berücksichtigen. 349 Ausgenommen bleiben auch hier Erlöse, die eigentlich eine Kreditaufnahme darstellen. (bb) Berücksichtigung bei den „notwendigen Ausgaben" Die Veräußerung selber kann offensichtlich nicht als geldwerte Sachleistung auf der Ausgabenseite verbucht werden. 3 5 0 Die Folgekosten der Veräußerung, die durch die notwendige Anmietung von für die Erfüllung der 345 346
Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 286. Dieses Beispiel findet sich bei Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr.
45.
347
So WissBeirBMF, Gutachten Einnahmeverteilung, S. 25. So aber WissBeirBMF, Gutachten Einnahmeverteilung, S. 25. 349 So auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106, Rdnr. 45. 350 Vgl. Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 194 unter Verweis auf die Definition der Ausgaben als Summe der tatsächlich abfließenden Ge/dleistungen. 348
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Verwaltungsfunktion benötigten Vermögens entstehen, können indes als „notwendige Ausgaben" 3 5 1 im Sinne des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG angesehen werden. Der Umfang der „notwendigen Ausgaben" ist dabei grundsätzlich unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung, also in finanzwirtschaftlicher Rationalität und geplanter Kontinuität zu ermitteln. Dabei sind in einer Erforderlichkeits- und Dringlichkeitsbewertung von Ausgabenstrukturen die „notwendigen" von den im Haushalt veranschlagten Ausgaben zu unterscheiden. 352 Die bisherige Praxis, allein von den im Haushalt veranschlagten Ausgaben auszugehen 353 , ist insoweit als verfassungswidrig anzusehen. 354 Investitionsausgaben in die Organisation der staatlichen, verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Institutionen werden dabei allerdings in jedem Fall als „notwendig" und damit berücksichtigungspflichtig bei der Deckungsquotenberechnung angesehen, weil die Selbstausstattung des Staatsapparates eine zentrale Funktion der Finanzaufgabe darstellt. 355 Damit müssen aber auch die Folgekosten der Veräußerung von Verwaltungsvermögen als „notwendige Ausgaben" angesehen werden, da durch sie die Funktionsfähigkeit der Verwaltung aufrecht erhalten wird, insoweit ein verfassungsrechtlicher Auftrag erfüllt w i r d . 3 5 6 (cc) Ergebnis Im Ergebnis besteht damit auf den ersten Blick die oben als bedenklich geschilderte Situation, dass die Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen grundsätzlich nicht als „laufende Einnahme", die Folgekosten jedoch als „notwendige Ausgaben" bei der Deckungsquotenberechnung zu berücksichtigen sind. Entgegen obiger Vermutung kann dieses Ergebnis jedoch letztendlich als unbedenklich angesehen werden, da die oben skizzierte Anreizwirkung nicht besteht. Verfolgen Bund oder Länder nämlich die langfristige Strategie, durch Veräußerung von Verwaltungsvermögen und anschließend notwendiger Rückmietung eine bessere Beteiligung an der Umsatzsteuer zu erreichen, werden die Einnahmen aus der Veräußerung 351 Zur Auslegung des Begriffs „notwendige Ausgaben" vgl. etwa Korioth, Finanzausgleich, S. 488 ff.; Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 180 ff.; WissBeirBMF, Gutachten Einnahme Verteilung, S. 29 ff. 352 BVerfGE 101, 158, 220. 353 Vgl. Hüde, Finanzausgleich, S. 197; WissBeirBMF, Gutachten Einnahmeverteilung, S. 31. 354 BVerfGE 101, 158, 220. 355 Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 196. 356 Zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Verfassungsgrundsatz s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. I. 1.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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zu planbaren, im Haushalt wiederkehrenden Posten. Ist dies der Fall, müssen die Erlöseinnahmen aber nach obigem Ergebnis als „laufende Einnahme" angesehen werden. Dies aber hätte wiederum eine für die staatliche Ebene unerwünschte Veränderung der Deckungsquote zur Folge, da die Veräußerungserlöse nunmehr in Beziehung zu den Folgekosten gebracht werden müssten. Eine Verzerrung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern durch die Haushaltsfinanzierung mittels Veräußerung von Verwaltungsvermögen steht damit nicht zu besorgen. (c) Verzerrung der horizontalen Einnahmeverteilung Die Gefahr einer Verzerrung der horizontalen Einnahmeverteilung zwischen den Ländern besteht durch die Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen ebenfalls nicht. Dies gilt sowohl für die primäre Verteilung als auch für den sekundären horizontalen Finanzausgleich. So wird das Aufkommen der den Ländern in Gänze zustehenden Steuern (Landessteuern gem. Art. 106 Abs. 2 GG) horizontal zwischen den Ländern nach dem Grundsatz des örtlichen Aufkommens verteilt (Art. 107 Abs. 1 S. 1 GG). Gleichfalls wird in Art. 107 Abs. 1 S. 1 GG die horizontale Verteilung des Länderanteils am Aufkommen von Einkommens- und Körperschaftssteuer zwischen den Ländern nach dem Grundsatz des örtlichen Aufkommens eindeutig geregelt. Eine vergleichbare Regelung für die horizontale Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer enthält Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG, wonach der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer den einzelnen Ländern nach Maßgabe ihrer Einwohnerzahl zusteht, für einen begrenzten Teil aber durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz Ergänzungsanteile für Länder vorgesehen werden dürfen, deren Einnahmen aus den Landessteuern und aus der Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer je Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder liegt. Möglicherweise könnte aber der flexibler gestaltete, in Art. 107 Abs. 2 GG geregelte sekundäre oder korrigierende Finanzausgleich 357 durch Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen verzerrt werden. Gem. Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG ist durch Gesetz 358 sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird. 357 Instruktiv zum Begriff des sekundären Finanzausgleichs und alternativ verwendeten Bezeichnungen Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 31 m.w.N. 358 In Ausfüllung dieser Gesetzgebungskompetenz ist am 28.8.1969, das inzwischen mehrfach geänderte „Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Länder" (FAG) ergangen. Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
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. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Finanziert nun ein Land (nicht der Bund) seinen Haushalt maßgeblich durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das weiterhin zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt wird, besteht in vergleichbarer Art und Weise wie bereits bei der Umsatzsteuerverteilung skizziert, die Möglichkeit einer Umgehung und Verzerrung der Ausgleichsregelungen in Grundgesetz und FAG. So wäre dies möglich, wenn die Veräußerungserlöse nicht positiv bei der Bemessung der Finanzkraft berücksichtigt würden und gleichzeitig aus der durch die Veräußerung ausgelösten Vermögensminderung des Landes negativ eine verminderte Finanzkraft durch erhöhten Finanzbedarf folgte. Im diesem Fall erhielte das Land trotz seiner erzielten Veräußerungserlöse einen erhöhten Finanzausgleich. Diese Konstellation würde sowohl den Finanzausgleich verzerren, als auch die oben bereits geschilderten gefährlichen Anreizwirkungen auf die Länder auslösen, ihr weiterhin benötigtes Verwaltungsvermögen zu veräußern. Nach allgemein entwickelten Grundsätzen sind die Veräußerungserlöse jedoch weder „positiv" bei der Bestimmung der Finanzkraft der Länder zu berücksichtigen, noch kommt eine „negative" Berücksichtigung der Folgelasten als verminderte Finanzkraft in Betracht. (aa) Positive Berücksichtigung von Veräußerungserlösen Der Begriff der Finanzkraft eines Landes wird in § 7 Abs. 1 und 2 FAG 1995 einfachgesetzlich konkretisiert. Demnach umfassen die finanzkraftrelevanten Einnahmen der Länder nach § 7 Abs. 1 FAG zunächst alle den Ländern gem. Art. 107 Abs. 1 GG zustehenden Steueranteile und Landessteuern. Daneben erfasst § 7 Abs. 2 FAG ausdrücklich nur noch die Einnahmen der Länder aus der bergrechtlichen Feldes- und Förderabgabe gem. §§30, 31 BBergG. Weitere Einnahmen werden nicht erwähnt. Aus dem geltenden FAG kann also keine Berücksichtigung der Veräußerungserlöse folgen. Fraglich ist jedoch, ob Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar eine Berücksichtigung dieser Erlöse fordert. Dies wäre dann der Fall, wenn sie die Finanzkraft eines Landes erhöhten. „Finanzkraft der Länder" ist ein unbestimmter Begriff, der vom Grundgesetz in Art. 107 Abs. 2 S. 1 nicht definiert wird. Er ist vielmehr vom Gesetzgeber im Finanzausgleichsgesetz an11.11.1999 gilt das FAG aber bis zum 31.12.2004 nur eingeschränkt nach Maßgabe des Urteils weiter. Ist bis zum 1.1.2003 das vom Gericht angemahnte Maßstäbegesetz nicht in Kraft getreten, wird das FAG mit diesem Tag verfassungswidrig und nichtig. Nach Erlass des Maßstäbegesetzes muss der Gesetzgeber das FAG bis zum 31.12.2004 neu regeln. Sofern diese Neuregelung nicht bis zum 1.1.2005 in Kraft getreten ist, wird das FAG mit diesem Tag verfassungswidrig und nichtig (BVerfGE 101, 158, 238).
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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zuwenden und zu handhaben, wobei dieser befugt ist, ihn in Grenzen näher zu bestimmen. 359 Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG kann jedoch keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass er sich eigener materieller Festlegungen ganz enthält und die Länder untereinander ebenso Bund und Länder bis zur Grenze offensichtlicher Willkür auf Verständigung und Kompromiss verweist. 3 6 0 Dem Bund ist es somit nicht gestattet, den Begriff frei zu bestimmen. Er ist nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, für den Begriff der „Finanzkraft" ebenso wie für die Begriffe der „laufenden Einnahme" und der „notwendigen Ausgabe" in einem Maßstäbegesetz für ihn selbst bindende Bemessungskriterien zu bestim361
men. Dabei hat er als erstes zu berücksichtigen, dass Finanzkraft primär als Finanzaufkommen zu verstehen ist, und nicht als Relation von Aufkommen und besonderen Ausgabenlasten. 362 Bezieht sich Finanzkraft auf das Finanzaufkommen, kann sie dennoch nicht mit Steueraufkommen gleichgesetzt werden. Der Begriff der Finanzkraft ist vielmehr umfassend zu verstehen und darf nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden. 363 So folgt die Verpflichtung zum horizontalen Finanzausgleich aus dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander. Grund für Solidarleistungen der Bundesländer aus ihrer eigenen Finanzausstattung kann aber nur eine allgemeine Finanzschwäche anderer Länder sein, nicht dagegen ein unzulängliches Steueraufkommen, das durch andere Einkünfte aufgestockt w i r d . 3 6 4 Der mit dem Finanzausgleich verbundene Eingriff in die finanzielle Eigenständigkeit der Länder fände folglich keine Rechtfertigung, würden allein die Steuereinnahmen der Länder zum Maßstab gemacht und sonstige Einnahmen außer Betracht gelassen. 365 Freilich bedeutet dies nicht, dass der Bundesgesetzgeber verpflichtet ist, zur Bestimmung der Finanzkraft alle Einnahmen der Länder zu addieren. Vielmehr ist es ihm gestattet, die Finanzkraft anhand von Indikatoren zu bestimmen, sofern diese verlässlich sind und auch das Volumen der Finanzkraft zuverlässig erfassen. 366 Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend zunächst einen Katalog 359
BVerfGE 72, 330, 399. BVerfGE 72, 330, 397. 361 BVerfGE 101, 158, 215 ff. 362 BVerfGE 72, 330, 400; jüngst bestätigt von BVerfGE 101, 158, 223; zustimmend auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur vgl. aus der jüngsten Zeit nur Hüde, Finanzausgleich, S. 225; Carl, Bund-Länder-Finanzausgleich, S. 53; Hidien, Handbuch LFAG, S. 128 ff. (Ergebnis S. 154); kritisch Korioth, Finanzausgleich, S. 579 ff. 363 BVerfGE 72, 330, 397; BVerfGE 101, 158, 222. 364 BVerfGE 72, 330, 398. 365 BVerfGE 72, 330, 398. 366 BVerfGE 72, 330, 399. 360
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
„negativer Abgrenzungskriterien" erstellt, bei deren Vorliegen eine Einnahme nicht bei der Finanzkraftbemessung berücksichtigt werden muss. So könne der Bundesgesetzgeber eine Einnahme dann bei der Ermittlung der Finanzkraft unberücksichtigt lassen, wenn sie ihrem Volumen nach nicht ausgleichsrelevant ist, wenn sie in allen Ländern verhältnismäßig gleich anfällt oder wenn der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zu dem möglichen Ausgleichseffekt außer Verhältnis steht. 367 Wendet man diese „Negativkriterien" auf die Haushaltseinnahmen durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen an, so kann man hieraus nicht auf ihre Nichtberücksichtigung bei der Bestimmung der Finanzkraft schließen. Was das Kriterium der Ausgleichsrelevanz anbetrifft, so wurden vom Bundesverfassungsgericht zunächst Einnahmen in Höhe von „einigen hundert M i l l i o n e n " 3 6 8 als ausgleichsrelevant angesehen, der Wert später dahingehend angepasst und konkretisiert, dass 300 Millionen D M nicht genügten 3 6 9 . Einnahmen, die wie die bergrechtliche Förderabgabe ihrem Volumen nach die Milliardengrenze überschreiten, werden aber eindeutig als ausgleichsrelevant angesehen. 370 Bedenkt man, dass die Einnahmesumme in der ersten Stufe des „Kieler Immobiliengeschäfts" bei etwa einer Milliarde liegt, wird deutlich, dass die Einnahmen aus solchen Veräußerungsmodellen in jedem Fall im „ausgleichsrelevanten" Bereich liegen können. Die beiden übrigen Ausschlusskriterien des BVerfG können bei Veräußerungserlösen eindeutig verneint werden. So fallen solche Erlöse schon angesichts der unterschiedlichen Vermögensausstattung der Länder weder gleichmäßig über alle Bundesländer verteilt an, noch bereitet ihre Quantifizierung anhand bisheriger Haushaltsrechnung größere Probleme, wie sie vom BVerfG 3 7 1 etwa bei der Bestimmung der Ländereinnahmen aus Kapitalzinsen und aus wirtschaftlicher Betätigung und sonstigen Ertragszuführungen bejaht wurden. Auch aus der Tatsache, dass es sich beim staatlichen Verwaltungsvermögen angesichts seiner begrenzten Masse um eine erschöpfbare Einnahmequelle handelt, die Veräußerungserlöse daher nur „zeitlich begrenzt" möglich sind, kann kein automatischer Ausschluss aus der Finanzkraftbemessung gefolgert werden. So hat die Erschöpfbarkeit der Einnahmequelle für den Länderfinanzausgleich keine Bedeutung, da dieser lediglich auf einen Ausgleich des gegenwärtigen Finanzaufkommens der Länder ausgerichtet i s t . 3 7 2 Der Finanzausgleich orientiert sich an den Erträgen und Ertragssummen, nicht an den Ertragsursachen oder Ertragsquellen. 373 Aus dem glei367 368 369 370 371 372
BVerfGE 72, 330, 400, jüngst bestätigt von BVerfGE 101, 158, 223. BVerfGE 72, 330, 409. BVerfGE 86, 148, 225. BVerfGE 72, 330, 410. Vgl. hierzu die Ausführungen in BVerfGE 72, 330, 412 f. BVerfGE 72, 330, 410.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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chen Grund kann auch der Umstand, dass eine Einnahme dem Land nicht regelmäßig, kontinuierlich und in stetiger Höhe zufließt, für sich eine Nichtberücksichtigung nicht rechtfertigen. 374 Ob die bloße Einmaligkeit einer Einnahme eine zwangsläufige Ausklammerung aus dem Finanzvergleich bedingt 3 7 5 , erscheint insoweit ebenfalls zweifelhaft. Entscheidend ist vielmehr, ob die Veräußerungserlöse als bloße „vermögensumschichtende Einnahmen" unberücksichtigt bleiben können. Für solche Einnahmen, die bloßer „Ausdruck einer Vermögensumschichtung im Sinne eines Entgelts für die Aufgabe einer eigentumsartigen Sachherrschaft des Landes sind", hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine Nichtberücksichtigung im Länderfinanzausgleich anerkannt. 376 Gerechtfertigt werden kann ein solcher Ausschluss durch den Aufgabenbezug des Finanzkraftausgleichs, der aufgabenneutrale Finanztransfers vernachlässigen darf. 3 7 7 Wenn eine Einnahme einen vorausgegangenen Vermögensverlust lediglich ausgleicht, liegt keine materielle Vermögensänderung mit nachfolgenden vermögenswirksamen Folgen vor, sondern nur eine neutrale Umschichtung. Stehen Vermögenszufluss und Vermögensabfluss in einem finalen oder zumindest kausalen Zusammenhang, wie dies bei einer Entgeltzahlung für eine vorhergegangene Entreicherung der Fall ist, liegt nur ein „Tausch" von Vermögenswerten vor, der das finanzielle Handlungsvolumen der Körperschaft nicht erhöht. 3 7 8 Der mit dem Veräußerungserlös verbundene Tausch von Sachvermögen gegen Geldvermögen vermehrt allenfalls die kurzfristige Liquidität, erweitert aber nicht den langfristigen staatswirtschaftlichen Handlungsspielraum. 379 Da jener aber Gegenstand der „Finanzkraft" ist, die eben nicht mit der Liquidität eines Landes identisch ist, besteht Einigkeit, dass Vermögensveräußerungserlöse grundsätzlich nicht 373
Hidien, Handbuch des LFAG, S. 100; in diesem Sinne auch Vogel/P. Kirchhof in: BK-GG, Art. 107, Rdnr. 165. 374 BVerfGE 72, 330, 410; vgl. auch Hidien, Handbuch des LFAG, S. 100 f. 375 So Hidien, Handbuch des LFAG, S. 103 unter Berufung auf BVerfGE 72, 330, 410, wo das Gericht die Einbeziehung der bergrechtlichen Förderabgabe unter anderem damit begründet, dass sie „eine nicht nur einmalige Einnahme des betreffenden Landes darstellt". Hidiens Annahme, dass solche Einnahmen regelmäßig nicht das dynamische bundesstaatliche Solidarverhältnis berührten, erscheint jedoch angesichts des möglichen finanziellen Volumens auch einmaliger Einnahmen bedenklich. So hat das BVerfG in derselben Entscheidung BVerfGE 72, 330 auf Seite 413 deutlich klargestellt, dass die Nichtberücksichtigung von Kapitalzins- und Erwerbswirtschaftseinnahmen der Länder bei der Bemessung der Finanzkraft nur solange zulässig ist, als keine erhebliche Änderung des Volumens und eine deutlich unterschiedliche Verteilung solcher Einnahmen erfolge. 376 BVerfGE 72, 330, 410. 377 So Hidien, Handbuch des LFAG, S. 102. 378 P. Kirchhof, Verfassungsauftrag, S. 43. 379 P. Kirchhof, Verfassungsauftrag, S. 43.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
„positiv" als Vermehrung der Finanzkraft eines Landes berücksichtigt werden dürfen. 3 8 0 Dem kann für eine „echte" Vermögensveräußerung, bei der das Eigentum auf den Erwerber übergeht und der Veräußerer seine Rechte vollständig aufgibt, auch bedenkenlos zugestimmt werden. Die Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das nicht mehr für die Aufgabenerfüllung benötigt wird, stellen zweifelsfrei eine Gegenleistung für den Verlust der staatlichen Eigentümerstellung dar, so dass insgesamt nur eine Vermögensumschichtung vorliegt. Einer Berücksichtigung im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 GG bedarf es folglich nicht. Anders könnte es sich jedoch in den in dieser Arbeit problematisierten Fällen verhalten, in denen der Staat das veräußerte Vermögen weiterhin benötigt und daher schon bei seiner Veräußerung auf die Einräumung eines Nutzungsrechtes angewiesen ist. Bei einem privaten Erwerber, auf den der Staat nur mit den Mitteln des enteignenden Zwangs einwirken kann, bleibt es jedoch dabei, dass der Veräußerungserlös für den endgültigen, eben nur mittels Enteignung rückgängigmachbaren Verlust des staatlichen Eigentums entschädigt. Es findet nur eine Liquiditätserhöhung, nicht aber eine Verbesserung der „Finanzkraft" statt. Das separat eingeräumte vertragliche Nutzungsrecht bleibt als Minus zum Eigentum unberücksichtigt, zumal hierfür eine gesonderte Ausgleichszahlung an den Privaten in Form der Miete erfolgt. Veräußert der Staat jedoch an einen von ihm beeinflussten öffentlichen Träger, den er wie im Falle des Kieler Immobiliengeschäftes auch gegen seinen Willen veranlassen kann, ihn wieder in die Eigentümerstellung eintreten zu lassen 381 , so liegt zwar formell-zivilrechtlich, nicht aber bei einer materiellen Bewertung eine Eigentumsaufgabe des Veräußerers v o r . 3 8 2 Auf den ersten Blick mag man hier zu dem Schluss kommen, dass der Veräußerungserlös keine Neutralisierung eines Vermögensverlustes darstellt, die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes vielmehr in von Art. 107 Abs. 2 GG erfasster Art und Weise gesteigert wird. Eine solche Betrachtung geht jedoch fehl. Denn rechtlich gesehen bleiben Eigentumsübergang und Erlösauszahlung miteinander verknüpft. Veranlasst der Staat den Erwerber, ihm die Eigentümerstellung rück einzuräumen, wird hierfür auch ein Entgelt entrichtet werden. Zwar kann insoweit nicht auf Art. 14 Abs. 3 GG rekurriert werden, da es sich bei einem öffentlichrechtlichen Erwerber nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nicht
380
Vgl. etwa P. Kirchhof, Verfassungsauftrag, S. 43 f.; Hidien, Handbuch des LFAG, S. 102 f.; Berlit, Ländervermögen, S. 27. 381 Vgl. § 20 Abs. 5 Investitionsbankgesetz Schleswig-Holstein i.d.F. der Änderung vom 23.1.1998 (GVB1., S. 68): „Die Landesregierung kann die Rückübertragung von einzelnen Liegenschaften verlangen; das Nähere regelt der Investitionsbankvertrag." 382 F. Kirchhof in: DÖV 1999, 242, 247 f.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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um einen Grundrechtsberechtigten, sondern um einen Grundrechtsverpflichteten handelt, der sich gem. Art. 19 Abs. 3 GG nicht auf die Eigentumsfreiheit berufen kann 3 8 3 . Auch im Verhältnis zwischen Hoheitsträgern wird sich jedoch kein Vertragspartner finden, der einer Rückübertragung des Eigentums ohne finanzielle Rückabwickelung des Kaufpreises zustimmen wird. Die Regelungen des schleswig-holsteinischen Investitionsbankvertrages sehen dementsprechend auch in § 15 c vor, dass die Rückübertragung der Liegenschaften gem. § 20 Abs. 5 IBG zwar mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende verlangt werden kann, die Rückübertragung aber gegen Erstattung des Verkehrswertes zu erfolgen hat, der gutachterlich festzulegen ist (§ 15c S. 2 Investitionsbankvertrag 384 ). Insgesamt verbietet sich daher eine Betrachtungsweise, nach der der Staat vor der Veräußerung das Eigentum am Vermögensgegenstand, nach der Veräußerung den Erlös und ein fortbestehendes Quasi-Eigentum am Vermögensgegenstand besitzt. Auch bei einer Veräußerung an einen im erwähnten Sinne vom Staat beeinflussten Erwerber liegt keine Erhöhung seines langfristigen finanziellen Handlungsspielraumes, mithin keine Steigerung seiner Finanzkraft, sondern lediglich der kurzfristigen Liquidität vor. Folglich müssen die Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht entgegen dem Wortlaut des FAG im Sinne von Art. 107 Abs. 2 GG „positiv" bei der Bemessung der Finanzkraft berücksichtigt werden. Durch die Einnahmen droht insoweit keine Verfälschung des Länderfinanzausgleichs. (bb) Negative Berücksichtigung In negativer Hinsicht könnte mit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen aber auch eine Verminderung der Finanzkraft des veräußernden Landes verbunden werden. Dies ließe sich insoweit begründen, als aus der Veräußerung mittelbar ein erhöhter Finanzbedarf resultiert. 385 So ist die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben zwingend auf Gebäude und Grundstücke für die Amtsgebäude und öffentlichen Einrichtungen angewiesen. Wenn diese sachlichen Verwaltungsmittel jedoch nicht mehr als Teil des Staatsvermögens im Eigentum des Landes stehen, sind zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Verwaltungsvollzugs entsprechende Nutzungsmöglichkeiten privatwirtschaftlich gegen Entgelt zu be383
Vgl. BVerfGE 21, 362, 369; 61, 82, 100 f.; 68, 193, 206. Dies gilt auch für Sondervermögen (BVerfGE 64, 202, 205). 384 Zur Änderung des § 15c Investitionsbankvertrages vgl. LT-Umdr. 14/1111, Teil 2, S. 9. 385 Dieser Gedanke wird aufgeworfen (und zu Recht abgelehnt) von Berlit, Ländervermögen, S. 28.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
schaffen. Eine Verminderung des Bestandes an Verwaltungsvermögen wird dementsprechend in erheblichem Maße haushaltswirksam, wenn das veräußerte Vermögen weiterhin benötigt wird. Dieser Umstand vermag jedoch keine Berücksichtigung im Länderfinanzausgleich rechtfertigen - und zwar weder bezüglich der Bemessung des Finanzkraftausgleichs im Sinne des Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG, noch über die mögliche Gewährung von Ergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG. Eine solche Berücksichtigung ist im ausgestaltenden FAG weder in § 7 (Finanzkraft), noch in § 11 (Bundesergänzungszuweisungen) vorgesehen. Wie bereits dargelegt, ist „Finanzkraft" in Art. 107 Abs. 2 S. 1 GG primär als Finanzaufkommen, nicht als Relation von Aufkommen und besonderen Ausgabenlasten, zu verstehen. Sonderbedarfe einzelner Länder müssen daher bei ihrer Ermittlung unberücksichtigt bleiben. 3 8 6 Dies gilt auch für die durch Vermögensveräußerungen mittelbar hervorgerufenen Sonderbedarfe. Hinzu kommt, dass die mittelbaren Zusammenhänge zwischen Vermögensaufteilung und Finanzausstattung im Regelfall so wenig quantifizierbar sind, dass eine Berücksichtigung der Vermögensaufteilung bei der Bemessung der Finanzkraft der Länder die Grundstrukturen des Länderfinanzausgleichs sprengen würde. 3 8 7 Gem. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG kann der Bund aus seinen Mitteln aber leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewähren. 388 Der dort verwandte Begriff der „Leistungsschwäche" wiederum ist nicht aufkommensorientiert zu verstehen, sondern knüpft an die Relation zwischen Finanzaufkommen und Ausgabenlasten der Länder a n . 3 8 9 Die Ergänzungszuweisungen sind somit grundsätzlich der richtige Ort, an dem Sonderlasten einzelner Länder berücksichtigt werden können. 3 9 0 Allerdings gilt es hierbei zum einen zu bedenken, dass über die Sonderlast hinaus grundsätzlich eine Leistungsschwäche Tatbestandsvoraussetzung der Ergänzungszuweisung bleibt. 3 9 1 Zum anderen gilt es festzuhalten, dass „Bundesergänzungs386
BVerfGE 72, 330, 400. Berlit, Ländervermögen, S. 28. 388 Ob diese systematisch zum „horizontalen" oder „vertikalen" Finanzausgleich zu rechnen sind, ist umstritten. Insoweit wird auch vermittelnd von einem „vertikalen Finanzausgleich mit horizontalen Ausgleichswirkungen", einem „horizontalen Finanzausgleich aus Mitteln des Bundes" oder einem „kombinierten Finanzausgleich" gesprochen (vgl. die Darstellung bei Hidien, Verteilung der Umsatzsteuer, S. 29). 389 BVerfGE 72, 330, 402; 101, 158, 224. 390 Vgl. BVerfGE 72, 330, 403 ff. 391 Berlit, Ländervermögen, S. 29; vgl. auch BVerfGE 72, 330, 405. 387
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Zuweisungen nicht dazu (dienen), finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare oder voraussehbare Folge von politischen Entscheidungen bilden, die von einem Land in Wahrnehmung seiner Aufgaben getroffen werden. Eigenständigkeit und politische Autonomie bringen es mit sich, dass die Länder für die haushaltspolitischen Folgen solcher Entscheidungen einzustehen haben." 3 9 2 Hieraus folgt, dass ein finanzieller Mehrbedarf, der für ein Land infolge der politisch gewollten Veräußerung von Verwaltungsvermögen dadurch entsteht, dass es entsprechende Nutzungsmöglichkeiten künftig gegen Entgelt beschaffen muss, nicht zu einer Gewährung von Ergänzungszuweisungen im Sinne des Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG führen kann und darf. Somit ist auch eine „negative" Berücksichtigung der Veräußerung von Verwaltungsvermögen bei der Bemessung des Länderfinanzausgleichs weder möglich noch erforderlich. (cc) Ergebnis Da die Veräußerung von Verwaltungsvermögen weder „positiv", noch „negativ" bei der Bemessung des Länderfinanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 2 GG berücksichtigt wird, eine solche Berücksichtigung aber auch vom Grundgesetz nicht gefordert wird, droht durch entsprechende Einnahmen keine Umgehung und Verzerrung des Länderfinanzausgleichs. cc) Ergebnis Durch die Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen werden die Grundsätze der bundesstaatlichen Finanzverfassung nicht berührt. b) Grundrechte Auch grundrechtliche Gesichtspunkte sprechen nicht gegen eine solche staatliche Finanzierung. Dabei erscheint das Bild einer möglichen Grundrechtsverletzung durch die Veräußerung staatlichen Verwaltungsvermögens schon von vornherein überraschend. Der Staat wird hier nicht mit Zwang und Befehl tätig, er verkürzt nicht zielgerichtet Freiheitsbestände seiner Bürger. Dennoch wird eine Grundrechtsbeeinträchtigung denkbar, wenn man die Folgen des staatlichen Handelns bei der Veräußerung betrachtet. So können durch die großflächige Veräußerung private Anbieter am Grund392
BVerfGE 72, 330, 405; jüngst bestätigt von BVerfGE 101, 158, 225.
12 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
stücksmarkt verdrängt werden, der Wert von privaten Grundstücken aufgrund eines Marktüberangebots sinken. aa) Möglichkeit eines Grundrechtseingriffs durch wirtschaftliche Betätigung des Staates Fraglich ist zunächst, ob auf diese Weise durch die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand überhaupt ein Grundrechtseingriff denkbar ist Hierbei geht es freilich nicht um die Frage der Fiskalgeltung der Grundrechte, als derjenigen Frage, welchen Bindungen die öffentliche Hand bei wirtschaftlicher Betätigung unterliegt, sondern um die Frage, ob eine solche Betätigung überhaupt zulässig ist. 3 9 3 Nach klassischer Auffassung besteht ein Grundrechtsschutz nur gegenüber gezielten hoheitlichen Eingriffen in Freiheit und Eigentum durch rechtliche Ge- und Verbote. 394 Solche sind, wie bereits erwähnt, bei der Veräußerung staatlichen Verwaltungsvermögens schwerlich denkbar. Mittlerweile ist jedoch weithin anerkannt, dass die Grundrechte den Einzelnen auch vor mittelbaren Beeinträchtigungen schützen und eine Zielgerichtetheit des staatlichen Handelns nicht erforderlich i s t . 3 9 5 Insbesondere für die Berufsfreiheit hat das BVerfG anerkannt, dass „der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht sichern will, auch durch Vorschriften berührt werden (kann), die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen" 396 Im Sinne der älteren Lehrmeinung steht allerdings vor allem noch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Nach dessen Ansicht schütze Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand. 3 9 7 So garantiere das Grundgesetz der Privatwirtschaft nicht die Ausschließlichkeit des wirtschaftlichen Handelns, vielmehr bestehe in einer freien Wettbewerbswirtschaft kein subjektives verfas393 Hierauf weist Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 101 zu Recht hin. Ronellenfitsch, in: HStR III, § 84, Rdnr. 31 und 45 differenziert insoweit begrifflich zwischen grundrechtlichen „Schranken" der Zulässigkeit von wirtschaftlicher Betätigung des Staates und grundrechtlichen „Bindungen", denen der Staat im Rahmen seiner erwerbswirtschaftlichen Betätigung unterliegt. 394 Vgl. zu diesem engen Eingriffsbegriff Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 238. 395 Vgl. zu diesem weiten Eingriffsbegriff, nach dem jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten unmöglich macht, welches in den Schutzbereich eines Grundrechtes fällt, als Eingriff betrachtet wird, egal ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch) erfolgt, Pieroth/Schlink Grundrechte, Rdnr. 240 m.w.N. 396 BVerfGE 46, 120, 137. 397 BVerwGE 39, 329, 386; BVerwG, NJW 1978, 1539, 1540.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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sungskräftiges Recht auf die Erhaltung des Geschäftsumfangs und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten. 398 Art. 14 GG schütze ebenfalls nicht vor dem Auftreten eines neuen Konkurrenten, es sei denn, dass dieser durch eine behördliche Maßnahme eine Monopolstellung erlangt. 3 9 9 Dieser Linie in der Rechtsprechung kann jedoch nicht gefolgt werden. Die pauschale Aussage, dass Grundrechte nicht vor Konkurrenz schützten, erscheint nur dann richtig, wenn man sie auf private Konkurrenz bezieht. Nimmt der Bürger seine - wie oben dargelegt - aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Freiheit zum privaten Wirtschaften wahr, so wird sie gleichsam wieder vom Staat gefährdet, wenn sich dieser zur Finanzierung der Erfüllung seiner Aufgaben erwerbswirtschaftlich als Wettbewerber auf den Markt begibt. Tritt der Staat auf den Markt, so konkurriert er mit dem privaten Mitbewerber um die Entgelte der privaten Nachfrager. Seine Konkurrenz ist aber ob der nahezu unbegrenzten Finanzkraft des Staates, wegen seiner grundsätzlichen Insolvenzunfähigkeit und aufgrund der Möglichkeit, sich sowohl des privaten wie auch des öffentlichen Sonderrechts bedienen zu können, von anderer Art als die privater Mitbewerber. 4 0 0 Wenn die allgemeine Grundrechtslehre zudem nicht mehr auf das Vorliegen eines gezielten Eingriffs abstellt, sondern Grundrechtsschutz auch vor der faktischen Beeinträchtigung der Freiheitssphäre gewährt, muss jede Teilnahme der öffentlichen Hand am privaten Wirtschaftsverkehr als grundrechtsrelevant angesehen werden 4 0 1 Damit ist jedoch noch keine Aussage über ihre Unzulässigkeit getroffen. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine vom Schutzbereich des Art. 12 GG oder Art. 14 GG erfasste Rechtsposition durch die konkrete Betätigung des Staates faktisch beeinträchtigt wird und ob eine eventuelle Grundrechtsbeeinträchtigung nicht im Sinne der allgemeinen Schrankendogmatik gerechtfertigt ist.
398
BVerwGE 39, 329, 336 f. BVerwGE 17, 306, 314; 39, 329, 337; BVerwG, NJW 1978, 1539, 1540. 400 R. Schmidt, ÖffWirtR-AT, § 11, S. 523. 401 Vgl. in diesem Sinne P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 313; R. Schmidt, ÖffWirtR-AT, § 11, S. 525; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 101 m.w.N. in Fn. 140; Emmerich, in: AG 1985, 293, 298; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 149: Ronellenfitsch, in: HStR III, § 84, Rdnr. 34 ff.; Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 171. Entgegengesetzter Ansicht immer noch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 97, der freilich von der (fraglichen) Prämisse ausgeht, dass sich ein öffentlicher Mitbewerber nicht anders darstelle als ein privater. 399
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
bb) Grundrechtsbeeinträchtigungen von Verwaltungsvermögen
durch die Veräußerung
Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur Haushaltsfinanzierung sind, wenn überhaupt, nur für private Anbieter am Grundstücksmarkt sowie für sonstige Grundeigentümer denkbar. (1) Private Anbieter am Grundstücksmarkt Private Anbieter gleichartiger Vermögensgegenstände - insbesondere sind hier Grundstücke zu erwähnen, die mit Gebäuden bebaut sind, die für administrative Zwecke, seien sie privater oder öffentlicher Natur, nutzbar sind könnten insoweit betroffen sein, als ihre Marktposition durch die Veräußerungen der öffentlichen Hand geschwächt würde. Die Freiheit der Berufsausübung kann aber nur dann tangiert sein, wenn die Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand einen privaten Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar nachteilig in seiner beruflichen Entfaltungsmöglichkeit betrifft. 4 0 2 An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn zwischen der öffentlichen Hand und dem Privaten keine Konkurrenzsituation besteht, weil beide sich in einer anderen Branche betätigen oder nicht im Wettbewerb miteinander stehen. 403 Von Veräußerung von Verwaltungsvermögen kann im Sinne dieser Arbeit nur dann gesprochen werden, wenn der öffentliche Verwaltungszweck nach der Veräußerung beibehalten wird. Dementsprechend entfällt eine Konkurrenz zu Projektentwicklern, die bebaute Grundstücke dem Erwerber zur eigenen Nutzung übertragen wollen. Für solche Grundrechtsträger tritt eine Konkurrenz nur bei der Veräußerung nicht mehr benötigten Verwaltungsvermögens auf, das vom Erwerber ohne öffentliche Bindung genutzt werden kann. Eine Beeinträchtigung der Absatzchancen und damit der Berufsausübung ist daher ausgeschlossen. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass unerhebliche faktische Beeinträchtigungen nicht dem Grundrechtsschutz unterliegen 404 , erhebliche Beeinträchtigungen vorliegend aber als ausgeschlossen gelten können. Auch eine Berufung auf Art. 14 GG scheidet insoweit aus. Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Erworbene, das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung, 402 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 103; enger insoweit Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 150, der eine schärfere Abgrenzung zur Wettbewerbsfreiheit anmahnt, die nur von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt werde. 403 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 103. 404 Vgl. etwa Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 103; zur Bewertung der Bagatellbelastung als Nichteingriff vgl. Kloepfer, in: BVerfG und Grundgesetz II, S. 405, 415.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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während Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb, die Betätigung selber schützt. 405 Vom Eigentumsschutz erfasst werden nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen 406 , insbesondere aber keine Chancen und Verdienstmöglichkeiten 407 . Die Erwerbschancen eines Unternehmens unterfallen mithin nicht der Eigentumsgarantie. Daran ändert sich auch nichts, wenn man anerkennt, dass das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Rechts- und Sachgesamtheit in seiner Substanz durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet wird 4 0 8 So kann dessen Schutz zum einen nicht weiter gehen, als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt. 4 0 9 Zum anderen ist ungeachtet der Frage, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb überhaupt durch mittelbare Beeinträchtigungen berührt sein kann, oder ob dies nur mittels zielgerichteter unmittelbarer Eingriffe möglich i s t , 4 1 0 ein Substanzeingriff nötig. Hierfür ist zumindest der Nachweis eines Bestandsschadens erforderlich 411 , was hinsichtlich der vorliegenden Konstellation nicht einmal unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung eines erworbenen Kundenstamms 412 denkbar ist. (2) Sonstige Grundeigentümer Möglicherweise könnte aber die Gesamtheit der Grundstückseigentümer in ihrem Grundrecht aus Art 14 GG beeinträchtigt sein. Veräußert der Staat in großem Maße Grundeigentum, so könnte durch die erhebliche Ausdehnung des Marktangebots möglicherweise der potentielle Verkaufswert von Grundstücken sinken. Dies begründete jedoch keine Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit. Zum einen wird sich ein solcher Effekt - wenn er überhaupt auftreten könnte - nur sehr gering ausnehmen und daher die grundrechtliche Erheblichkeitsschwelle kaum überschreiten. Zum anderen garantiert Art. 14 GG grundsätzlich nur den Bestand, nicht den Tauschwert eines Vermögenswerten Rechts. 413 Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Min405
So erstmals BVerfGE 30, 292, 335. BVerfGE 20, 31, 34. 407 So beispielhaft BVerfGE 28, 119, 142. 408 So die ältere Rechtsprechung vgl. BVerfGE 1, 246, 277; 13, 225, 229. Seit geraumer Zeit wird diese Frage vom BVerfG jedoch ausdrücklich offengelassen vgl. BVerfGE 51, 193, 221 f.; 66, 116, 145; 68, 193, 222; 84, 212, 232; 96, 375, 397. 409 BVerfGE 58, 300, 353. 410 Vgl. die Übersicht zum Streitstand bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 105. 411 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 105. 412 Für diesen als Bestandteil des (von der Eigentumsgewährleistung erfassten) Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb BVerwG, DVB1 1981, 983. 406
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
derungen des Marktwertes eines Grundstücks bedeuten folglich keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit, es sei denn mit dem Tauschwert wird zugleich der Gebrauchswert, d.h. die gegenständliche, Bestands- und Nutzungsgarantie vereinigende Eigentumsfreiheit beeinträchtigt. 414 cc) Ergebnis Im Ergebnis scheidet somit eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen aus. c) Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur Haushaltsfinanzierung könnte in zweierlei Hinsicht mit dem Grundsatz des demokratischen Rechtsstaates in Konflikt geraten: Zum einen aus der Perspektive des Distanzstaates, zum anderen aus dem Blickwinkel der Bindung der öffentlichen Hand an einen öffentlichen Zweck. aa) Die Perspektive
des Distanzstaates
Das Rechtsstaatsprinzip enthält über die Gebote der Vöraussehbarkeit, der Rechtssicherheit, der materiellen Richtigkeit oder Gerechtigkeit hinaus keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang, sondern ist ein Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, wobei allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben müssen. 415 Dennoch werden durch die rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes Prinzipien und Verfahrensregeln normiert, in denen die Grundlagen einer rechtlicher Gesamtordnung geschaffen werden. 4 1 6 Die Verfassungsentscheidung für die Rechtsstaatlichkeit 417 beinhaltet dabei in erster Linie die Entscheidung für die Gestaltung staatlichen und auch gesellschaftlichen Lebens nach Maßgabe des Gesetzes als spezifische Struk413 Vgl. BVerfG, HFR 1969, 347; Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rdnr. 24; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14, Rdnr. 49; Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14, Rdnr. 125; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr. 164. 414 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr. 164. 415 Vgl. BVerfGE 7, 89, 92 f.; seither ständige Rechtsprechung mit wechselnden Formulierungen vgl. nur BVerfGE 25, 269, 290; 57, 250, 276; 65, 283, 290. 416 Hesse, VerfassungsR, Rdnr. 186. 417 Nach überwiegender Ansicht wird der Sitz des Rechtsstaatsprinzips in Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG („... Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates ...") und Art. 20 Abs. 1 GG verortet (vgl. nur Schmidt-Aßmann,
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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t u r . 4 1 8 Recht wird zum Mittel verbindlicher, rationaler 419 Ordnung, die Maßstäbe, Verfahren und Institutionen umfasst. Die Sozialordnung wird mithin zur Rechtsordnung, das Verhältnis des Individuums als Rechtssubjekt zu anderen Individuen und zum Staat wird zum Rechtsverhältnis. 420 Dabei darf das Recht jedoch nicht als totale Erfassung des Lebens verstanden werden 4 2 1 , sondern als Institution, die als Ordnung und Status die Vielfalt des Lebens durchziehen und einsehbar machen soll. 4 2 2 Um eine solche Funktion zu gewährleisten, ist jedoch die Schaffung und Sicherung von Distanz in zweierlei Hinsicht unerlässlich: Distanz im Verhältnis zwischen dem Einzelnen und anderen Individuen sowie dem Staat und Distanz von staatlicher Organisation zum „gesellschaftlichem Kräftespiel" 423 . Erstere sichert dem Individuum den Raum zu „freiheitlicher Entfaltung und Selbstgestalt u n g " 4 2 4 , indem die Grundrechte eine Distanz gegenüber dem Staat, das Privatrecht über seine Funktion der Sphärenbegrenzung 425 Distanz zu anderen Gliedern der Gesellschaft schafft. Letztere Distanz sichert über die Gewährleistung einer abgewogenen Entscheidungsfindung die Neutralität und Gerechtigkeit materieller Regelungen. Das rechtsstaatliche Distanzgebot erweist sich somit nicht als ziel- und funktionslos, sondern dient vielmehr der Sicherung von Freiheit und Gerechtigkeit. 426 Knüpft man an letzteren Aspekt an, erweist sich der Rechtsstaat als ein Staat der Distanz, dessen Institutionen die hinreichende Abgrenzung handelnder Akteure von den zu regelnden Interessen des Sachbereichs zu gewährleisten haben. 427 Wendet man dieses Verständnis auf die Finanzierung in: HStR I, § 24, Rdnr. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rdnr. 36 ff. jeweils m.w.N.). 418 Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 21; Hesse, VerfassungsR, Rdnr. 193 ff.; Isensee, in: HStR IX, § 202, Rdnr. 3; Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 504. 419 Zum Rechtsstaat als Form der Rationalisierung des staatlichen Lebens Hesse, VerfassungsR, Rdnr. 190. 420 Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 23. 421 Vgl. Hesse, VerfassungsR, Rdnr. 195 „keine totale rechtliche Durchnormierung". 422 Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 24. 423 Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 25. 424 Hesse, VerfassungsR, Rdnr. 204; allgemein zum Verhältnis von Rechtsstaat und Freiheitlichkeit in jüngster Zeit Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 46 ff. 425 Zu nennen sind hier vor allem die spezifischen Rechtsgüterzuordnungen und Ausschließungskompetenzen der §§ 903, 1004 BGB. 426 Kloepfer, in: VVDStRL 40 (1982), 63, 66. 427 Trute, in: Schuppert, Jenseits von Privatisierung, S. 26; Kloepfer, in: VVDStRL 40 (1982), 63, 65; Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 504; Schulze-Fielitz, in: Dreier-GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rdnr. 47; Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24, Rdnr. 25; Isensee, in: HStR IX, § 202, Rdnr. 3; kritisch Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 186, die zwar das rechtsstaatliche Gebot, die
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
staatlicher Aktivitäten an, fordert rechtsstaatliche Unbefangenheit und Unparteilichkeit eine Distanz zwischen dem Finanzstaat und seinem Financier, was grundsätzlich gegen individual- und gruppenverpflichtende Finanzierungsarten spricht. 4 2 8 Denn der aus Erwerbseinnahmen finanzierte Staat ist auf seine Vertragspartner angewiesen, hängt von deren Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit ab und verliert dadurch ein Stück rechtsstaatlicher Unbefangenheit. 429 Im Ergebnis bedeutet dies eine erhöhte Skepsis nicht nur gegenüber verpflichtenden Sonderlasten, sondern gerade auch gegenüber vertraglich eingegangenen Zahlungsverpflichtungen einzelner Glieder der Gesellschaft. Greift der Staat in einem Maße wie beim „Kieler Immobiliengeschäft" zur Haushaltsfinanzierung auf Veräußerungserlöse zurück, besteht die Gefahr, dass er den Erwerbern gegenüber in ein Abhängigkeitsverhältnis gerät. Ist der Staat haushaltsrechtlich noch gebunden, nur solches Vermögen zu veräußern, das er in absehbarer Zeit nicht mehr zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben benötigt (§ 63 Abs. 2 BHO), bewirkt die damit zwangsläufige deutliche Begrenztheit des in Frage kommenden Vermögens auch eine Begrenzung der drohenden Abhängigkeitsgefahr. Spielräume können sich für den Staat dann nur dadurch ergeben, dass er die politische Entscheidung trifft, eine bestimmte Aufgabe nicht mehr wahrnehmen zu wollen, sie zu privatisieren, und damit auch das entsprechende Vermögen als „nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt" zu veräußern. Eine solche Entscheidung über eine Aufgabenprivatisierung wird im Regelfall jedoch politisch umstritten und wegen ihrer Konsequenzen für die öffentlichen Angestellten als Leistungserbringer und den Bürger als Leistungsempfänger schwerer gegen Widerstände durchsetzbar sein. Anders kann es sich aber bei der (die entsprechende Änderung des Haushaltsrechts voraussetzenden) Veräußerung von weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigten Verwaltungsvermögen verhalten, da hier zunächst die Masse des in Frage kommenden Vermögens ungleich größer ist. Darüber hinaus ist die Veräußerung von Vermögen, ohne dass dadurch die Trägerschaft der Aufgabenerfüllung als solche und damit auch die Rechtsverhältnisse der Angestellten und Bürger berührt werden, mit geringeren Widerständen verbunden. Schließlich erhält der Erwerber des Vermögens über den Mietvertrag ein Instrument in die Hand, mit dem er politischen Druck ausüben kann. Dies gilt umso mehr, wenn ein großer Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen von finanziellen Zuwendungen zu sichern, anerkennt, gleichzeitig jedoch darauf hinweist, dass die „Distanz zwischen Finanzstaat und seinem Financier" in Zeiten der wachsenden Distanz zwischen Bürger und Staat nicht das einzige Ziel im Verhältnis von Bürgerinnen und Staat sein darf. 428 P. Kirchhof in: HStR IV, § 88, Rdnr. 46. 429 P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 310.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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Teil des Verwaltungsvermögens betroffen ist und in der Hand eines einzigen Erwerbers vereint wird. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass es hier stets nur um informelle Einflussnahmemöglichkeiten geht und nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden kann, inwieweit Gefahren für die Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen bestehen und inwieweit diesen begegnet werden kann. 4 3 0 Deshalb kann das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Distanzstaatsgebot auch nicht grundsätzlich die Unzulässigkeit staatlicher Finanzierung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen begründen. Vielmehr können aus ihm nur Gesichtspunkte für die Ausgestaltung der Veräußerung gewonnen werden. So sollten Veräußerungen noch benötigten Verwaltungsvermögens nur partiell und nicht in eine einheitliche Hand erfolgen, um den potentiellen Einfluss einzelner Personen von vornherein möglichst gering zu halten. bb) Bindung an einen öffentlichen
Zweck
Unabhängig von der Betroffenheit der Grundrechte findet jegliche staatliche Tätigkeit im Rechtsstaat ihre Grenze in der Rückbindung an das Gemeinwohl als Staatszweck. Der Rechtsstaat als Staatsform steht im bewussten Gegensatz zum „totalen Staat", der keine prinzipielle Grenze der Staatstätigkeit kennt. In der Bundesrepublik als Rechtsstaat hat das Grundgesetz demnach auch „keine virtuell allumfassende Staatsgewalt verfasst, sondern den Zweck des Staates materialiter auf die Wahrung des Gemeinwohls beschränkt". 431 Der Staat des Grundgesetzes darf nicht als „Hüter eines Heilplans verstanden werden, kraft dessen er legitimiert erscheine, dem Menschen die Gestaltung seines Lebens verordnen zu dürfen" 4 3 2 . Ihm ist die selbstzweckhafte Ausübung politischer Macht untersagt, die vielmehr einer Rechtfertigung bedarf, die außerhalb ihrer selbst, im Wohle des Volkes begründet i s t . 4 3 3 Im Bereich des Eingriffs in Freiheit und Eigentum hat dieses Rechtfertigungsbedürfnis eine besondere Ausgestaltung gefunden. Jegliche Eingriffe in die Grundrechte sind nach der grundgesetzlichen Fassung des jeweiligen Grundrechtsartikels an bestimmte spezifische Anforderungen des Gemeinwohls gebunden. 434 A m deutlichsten wird dies in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, wonach der Gebrauch des Eigentums „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit" dient. Über den Bereich der Grundrechte hinaus fehlt in der Verfas430 431 432 433
Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 186. BVerfGE 42, 312, 332. BVerfGE 42, 312, 332. Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 8.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
sung jedoch eine Präzisierung der Gemeinwohlgrenze. 435 Dennoch ist das Gemeinwohlprinzip als rechtliche Grenze der Staatsgewalt und nicht nur als bloßes „Orientierungsprinzip für die Politik des Gesetzgebers" 436 zu verstehen. Es stellt eine objektiv-rechtliche Hürde für den Staat gegen die willkürliche Ausdehnung seines wirtschaftlichen Engagements auf, die unabhängig von der Geltung und Geltendmachung der Grundrechte greift. 4 3 7 Es besteht demnach ein Begründungszwang für staatliches Tätigwerden in der Art, dass der Staat eine hinreichende, alle Verfassungsbestimmungen berücksichtigende Begründung mit Abwägung von Alternativen vorzulegen hat. 4 3 8 Die öffentliche Hand trägt die Beweislast für das Vorliegen eines öffentlichen Zweckes. 4 3 9 Konstituiert man die Rückbindung aller staatlicher Tätigkeit an das Gemeinwohlprinzip damit als allgemeines Prinzip, findet es umfassend Anwendung und bleibt nicht nur auf das Gebiet der unternehmerischen Tätigkeit des Staates beschränkt, in dem es herkömmlich seine Anwendung findet. Folglich ist es auch unerheblich, ob die Veräußerung von Verwaltungsvermögen nun begrifflich als wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand verstanden werden kann oder nicht. Es findet keine Übertragung der bei öffentlichen Unternehmen entwickelten Grundsatze der Gemeinwohlgrenze statt, sondern eine eigenständige Anwendung dieser. Obwohl sich das Gemeinwohl als allgemeines Leitbild der Staatlichkeit und als deren Legitimationsgrund von den besonderen, inhaltlich umschriebenen Staatszielen und von den auf Handlungsbereiche bezogenen konkreten Staatsaufgaben unterscheidet 440 , wird zu seiner Konkretisierung auf eben jene Kategorien der Staatsaufgaben und Staatsziele zurückgegriffen. Nichts anderes erfolgt nämlich, wenn übereinstimmend die Verfolgung eines „öffentlichen Zwecks" als Rechtfertigungserfordernis verlangt w i r d . 4 4 1 Diese Vorgehensweise erweist sich allerdings insoweit als problematisch, da das Grundgesetz grundsätzlich von einem offenen Verständnis der Staatsaufgaben 442 ausgeht. Der Gesetzgeber und die gesetzesfreie Verwaltung be434
Zum Zusammenhang zwischen den Grundrechten als Mittel zur Mitwirkung am Gemeinwohl und dem Gemeinwohl als Grenze der grundrechtlichen Betätigung vgl. Isensee, in: HStR III, § 57, Rdnr. 78 ff. 435 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 128. 436 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 129. 437 Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 173; von Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 72; R. Schmidt, ÖffWirtR-AT, § 11, S. 520; Ronellenfltsch, in: HStR III, § 84, Rdnr. 39; Emmerich, in: AG 1985, 293, 294. 438 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 129. 439 Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 158. 440 Isensee, in. HStR III, § 57, Rdnr. 2. 441 Insoweit zutreffend die Beobachtung von Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 155, wonach der Begriff des „öffentlichen Zwecks" „ganz augenscheinlich eine Gemeinwohlkomponente" enthält.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g sitzen bei der Inangriffnahme öffentlicher Aufgaben und der Festlegung der Staatsziele im einzelnen einen weiten Entscheidungsspielraum. 443 Dementsprechend ist es systematisch geboten, dass neben dem Erfordernis der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks die Gemeinwohlgrenze als „äußerste Grenze gegen das Übergleiten in den totalen Staat durch ständige Aufgabenerweiterung" 444 stets bestehen bleibt. Schon diese äußerste Grenze zeichnet sich durch ein erhebliches Maß an Unbestimmtheit aus. Damit wird deutlich, dass sich das Kriterium des „öffentlichen Zwecks" in der Regel als „stumpfes Schwert" 4 4 5 bei der Begrenzung öffentlicher Tätigkeit erweist. Alle Versuche, den Begriff des öffentlichen Zwecks etwa durch Kriterien zu konkretisieren, dass die Tätigkeit etwa „vernünftigerweise geboten" 4 4 6 sein solle oder von „vertretbaren und verfassungsrechtlich zulässigen Zielen" 4 4 7 getragen sein müsse, zeigen sich wenig hilfreich, da sie nur einen unbestimmten Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzen. Einigkeit besteht insoweit lediglich dahingehend, dass es an einem öffentlichen Zweck fehlt, wenn die öffentliche Hand über die reine Gewinnerzielungsabsicht hinaus keine weitere Zielsetzung verfolgt 448 Für die Veräußerung von staatlichem Verwaltungsvermögen ist damit keine grundsätzliche Schranke gewonnen. Geht man von dem - (noch) in § 63 Abs. 2 BHO niedergelegten - Grundsatz aus, dass Vermögensgegenstände nur dann veräußert werden dürfen, wenn sie in absehbarer Zeit nicht mehr für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden, liegt die Rechtfertigung der Veräußerung nahe. Mit dieser wird der für die Haushaltsführung zumindest 449 einfachgesetzlich verankerte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Abs. 1 BHO) als öffentlicher Zweck verfolgt, da der Verkauf darauf angelegt ist, die öffentliche Hand von auf 442 Vgl. insoweit nur den Beitrag „Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit" von Herzog, in. HStR III, § 58. 443 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 130. 444 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 129. 445 R. Schmidt, ÖffWirtR-AT, § 11, S. 520, spricht von „keiner substantiellen Schranke"; optimistischer Ronellenfitsch, in: HStR III, § 54, Rdnr. 39, der zwar konzediert, dass die Konkretisierung des öffentlichen Zwecks „naturgemäß Mühe bereitet, aber möglich ist". 446 Ronellenfitsch, in: HStR III, § 87, Rdnr. 39 unter Berufung auf BVerwGE 56, 110, 119. 447 R. Schmidt, in: HStR III, § 83, Rdnr. 25; Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 157. 448 Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 158; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 131; Emmerich, in: AG 1985, 293, 295. 449 Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Wirtschaftlichkeitsprinzips s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. c) bb).
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
den Vermögensgegenstand bezogenen Unterhaltungslasten zu befreien, denen kein Nutzenvorteil mehr gegenüber steht. Einnahmeziele können daneben zwar bestehen und sogar dominant sein, werden aber zumindest nicht singulär die Veräußerung tragen. Diese Argumentation büßt bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das weiterhin zur Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe benötigt wird, aber an Überzeugungskraft ein. Hier scheinen die kurzfristigen Einnahmeerlöse als vorrangige Motivation der öffentlichen Hand für das Tätigwerden, zumal eine Kostenentlastung angesichts der nach der Veräußerung zwingend anfallenden Mietkosten zumindest fraglich i s t . 4 5 0 Dennoch werden von Seiten der öffentlichen Hand (bewußterweise) auch hier über die Einnahmeerzielung hinausgehende, im öffentlichen Interesse liegende Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit genannt. So heißt es in der Begründung zum „Kieler Immobiliengeschäft" zunächst, dass durch die Veräußerungserlöse „der Landeshaushalt entlastet und die Neuverschuldung des Landes in den nächsten Jahren verringert werden (soll)". 4 5 1 Gleichzeitig soll „durch die anschließende Nutzung der Liegenschaften im Rahmen langfristiger Miet- und Pachtverträge (...) ein Kostensenkungspotential erschlossen werden, das auch längerfristig zu einer Entlastung des Landeshaushalts beiträgt". 4 5 2 Dieses Beispiel zeigt, dass sich immer politische Argumentationen finden lassen werden, die über die reine Erzielung von Einnahmen hinausgehen. Mag die konkrete Argumentation im Einzelnen auch fragwürdig erscheinen, da jeder private Erwerber seine Unterhaltungskosten über die Höhe des Mietzinses auf den Mieter abwälzen würde, jeder öffentliche Erwerber, der dies nicht täte, den öffentlichen Finanzbedarf insgesamt nicht entlasten würde, bewirkt dies noch nicht das Fehlen eines verfolgten öffentlichen Zwecks. Ob tatsächlich wirtschaftliche Rationalisierungsziele erreicht werden oder im Gegenteil wirtschaftliche Nachteile eintreten, ist im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsprinzips eigenständig zu untersuchen. Die Prüfung in das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks zu verlagern, hieße dieses zu überlasten. Im Sinne des weiten Entscheidungsspielraums der öffentlichen Hand genügen für das Vorbringen eines öffentlichen Zwecks nachvollziehbare Aspekte, ohne dass eine volle Überprüfbarkeit gewährleistet ist.
cc) Ergebnis Insgesamt stehen damit auch Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates einer Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht entgegen. 450 451 452
Siehe hierzu unten, 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. c) cc). LT-Drs. 14/942, Anlage 2, S. 1. LT-Drs. 14/942, Anlage 2, S. 2.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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d) Ergebnis Nach alledem führen die für ein normatives Verständnis des Steuerstaatsgrundsatzes ins Feld gefühlten Normbereiche Finanzverfassung, Grundrechte und Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates nicht zu einer generellen Unzulässigkeit der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen.
III. Art. 109 Abs. 3 GG als formelle Schranke für die Veräußerung Schließlich könnte der Veräußerung von weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigtem Verwaltungsvermögen im Bund und in den Ländern über Art. 109 Abs. 3 GG eine mittelbare verfassungsrechtliche Zulässigkeitsschranke gezogen sein. 4 5 3 Dies wäre dann der Fall, wenn § 63 Abs. 2 BHO einen „Grundsatz des Haushaltsrechts" normiert, der über Art. 109 Abs. 3 GG Verbindlichkeit für die Bundes- und Landesgesetzgebung besitzt. 1. Zur rechtlichen Bedeutung des Art. 109 Abs. 3 GG Gem. Art. 109 Abs. 3 GG können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden. Ziel des Art. 109 Abs. 3 GG ist es, den Erlass einheitlicher Rechtsvorschriften für das gesamte Haushaltswesen in Bund und Ländern zu ermöglichen, um die sowohl aus finanz- und verwaltungspolitischen als auch aus wirtschaftsund konjunkturpolitischen Gründen erforderliche Vergleichbarkeit der Haushalte von Bund und Ländern zu gewährleisten. 454 Zu diesem Zweck werden nicht etwa eigene Regelungen getroffen, sondern dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz in Form der Grundsatzgesetzgebung eingeräumt. Diese Grundsatzgesetzgebungskompetenz bildet, obwohl sie in Art. 70 Abs. 2 GG keine Erwähnung findet, neben den anderen drei dem Bund zugewiesenen Arten der Gesetzgebung, der ausschließlichen, der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung eine eigenständige Kategorie. 455
453
Dies wird von Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 119 problematisiert. Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 143; Rengeling, in: HStR IV, § 100, Rdnr. 296. 455 Rengeling, in: HStR IV, § 100, Rdnr. 282; Vogel/Wiebel f in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 154 f.; Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 109, Rdnr. 33; Tiemann, in: BayVBl 1971, S. 285. 454
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Aufgrund der ihm in Art. 109 Abs. 3 GG erteilten Ermächtigung hat der Bund mit Zustimmung des Bundesrates das „Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder" (Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG - ) 4 5 6 erlassen, neben dem zum Teil auch das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums in der Wirtschaft" (Stabilitätsgesetz - StWG - ) 4 5 7 auf der durch diese Vorschrift eingeräumten Zuständigkeit beruht. Mit beiden Gesetzen sind teils unmittelbar geltende Normen geschaffen worden, teils Vorgaben für die Legislativen des Bundes und der Länder, jeweils übereinstimmendes Recht zu schaffen. Im HGrG beanspruchen demnach die, freilich nur die Finanzplanung und Rechnungsprüfung betreffenden und damit für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen nicht aussagekräftigen, §§ 49-57 (Teil II) unmittelbare Geltung, während die §§ 1 ^ 6 (Teil I) lediglich verpflichtende Aufträge für Bund und Länder enthalten. Diese wiederum haben den Gesetzgebungsauftrag durch Erlass der BHO und der jeweiligen LHO erfüllt. Die Vorschriften des 1.Teils des HGrG in Verbindung mit Art. 109 Abs. 3 GG bilden nunmehr für Bund und Länder eine über den Bereich der einfachen Gesetzgebung hinausgehende Beschränkung der Gesetzgebungsmacht. Für die Länder bedeuten Art. 109 Abs. 3 GG und die darauf beruhenden (einfachgesetzlich normierten) Grundsatzvorgaben eine Einschränkung der grundsätzlich garantierten Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 1 G G ) . 4 5 8 Sie sind verpflichtet, die bundesrechtlich normierten Haushaltsgrundsätze in gleichlautendes Landesrecht umzusetzen, und zwar auch gegen eventuell widersprechendes Landesverfassungsrecht. 459 Den im HGrG normierten Grundsätzen widersprechendes Landesrecht verstößt gegen Art. 109 Abs. 3 GG. Ob dieses überhaupt Gültigkeit erlangt, ist umstritten. Einer Ansicht nach wird das Landesrecht erst dann über Art. 31 GG unwirksam, wenn der Bund den lediglich legislativ verpflichtenden Haushaltsgrundsatz in einen unmittelbar geltenden Rechtssatz umwandelt. 4 6 0 Nach wohl überwiegender Ansicht hat das Bundesrecht über Art. 31 GG in jedem Fall Vorrang, sobald eine landesrechtliche Regelung vom HGrG abweicht und diesem widerspricht. 461
456
Vom 19.8.1969 (BGBl. I, S. 1273), zuletzt geändert am 26.8.1998 (BGBl. I, S. 2512). 457 Vom 8.6.1967 (BGBl. I, S. 582). 458 Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 142. 459 Piduck, Bundeshaushaltsrecht, Art. 109, Rdnr. 35. 460 So wohl Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 168. 461 So Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 109, Rdnr. 35; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, Art 109, Rdnr. 17; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 52; Tiemann, in: BayVBl 1971, S. 288; ders., in: DÖV 1974, S. 233.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Für den Bund tritt durch die Grundsatzgesetzgebung Selbstbindung ein mit der Folge, dass sich der Bundestag nicht einseitig von ihr befreien kann, da eine Änderung der Grundsatzgesetzgebung nur mit Zustimmung des Bundesrates möglich i s t . 4 6 2 Diese Möglichkeit der Selbstbindung des Bundes durch einfaches Bundesrecht stellt eine Ausnahme von der allgemeinen Regel dar, nach welcher der einfache Bundesgesetzgeber jegliches Bundesrecht jederzeit aufheben oder ändern kann, ohne an das bis dahin geltende einfache Bundesrecht gebunden zu sein („lex posterior derogat legi priori"). 4 6 3 Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Bundesgesetzgeber an der Änderung der aufgrund von Art. 109 Abs. 3 GG normierten Grundsätze gehindert wäre. Jene stellen im Rahmen der sonstigen Aussagen des GG mit Zustimmung des Bundesrates jederzeit abänderbares einfaches Bundesrecht dar, das den Bund ebenso wie die Länder nur solange bindet, wie es in Kraft i s t . 4 6 4 Bund und Ländern wäre demnach die Veräußerung von Verwaltungsvermögen mittelbar untersagt, wenn ein entsprechender Haushaltsgrundsatz besteht. 2. Art. 109 Abs. 3 GG und § 63 Abs. 2 BHO Ein entsprechender Haushaltsgrundsatz besteht jedoch nicht. § 63 Abs. 2 BHO gestattet die Veräußerung von Vermögensgegenständen nur dann, wenn sie zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben auf absehbare Zeit nicht mehr benötigt werden. Eine dem § 63 Abs. 2 BHO entsprechende Regelung findet sich in allen Haushaltsordnungen 465 der Länder mit (der bereits erwähnten) Ausnahme Schleswig-Holsteins. Der materielle 462
Rengeling, in: HStR IV, § 100, Rdnr. 295; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, Art. 109, Rdnr. 17. 463 Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 171; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, Art. 109, Rdnr. 17; zu den verschiedenen Ansätzen dieses „staatsrechtliche Kuriosum" (Friedrich Klein) theoretisch zu begründen vgl. Tiemann, in: BayVBl 1971, 285, 289. 464 Vogel/Wiebel y in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 171. Die Grundsatzgesetze stehen gerade nicht auf einer eigenen Stufe zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht. Es handelt sich bei ihnen um einfaches Bundesrecht, dessen Besonderheit lediglich darin liegt, dass die „lex-posterior-Regel" nur begrenzt gilt. Es besteht ein Rangverhältnis zwischen Gesetzen des gleichen Gesetzgebers. Statt der üblichen selbständigen Überlagerung des älteren Rechtssatzes durch den jüngeren gleichrangigen bedarf es in diesem Sonderfall, wenn eine Rechtsänderung herbeigeführt werden soll, der ausdrücklichen Abänderung des Grundsatzgesetzes, (vgl. Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 163 und 172; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, Art. 109, Rdnr. 17). 465 Ygi § 53 Abs. 2 der jeweiligen LHO, nur in Mecklenburg-Vorpommern § 63 Abs. 3 LHO.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Rechtssatz des § 63 Abs. 2 BHO bildet dementsprechend „interföderales Gemeingut" 4 6 6 . Allein aus dieser Tatsache kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass es sich bei der Aussage des § 63 Abs. 2 BHO um einen Bund und Länder bindenden Haushaltsgrundsatz handelt. Zwar haben Bund und Länder alle eine entsprechende Regelung vorgesehen, die Bindungswirkung des Art. 109 Abs. 2 GG wird jedoch nicht durch eine solche tatsächliche Übereinstimmung, sondern nur durch die Normierung eines Grundsatzes im HGrG ausgelöst. In diesem findet sich aber keine entsprechende ausdrückliche Vorschrift. Man könnte nunmehr versucht sein, eine Bindungswirkung möglicherweise darüber zu begründen, dass der materielle Rechtssatz des § 63 Abs. 2 BHO aus anderen im HGrG enthaltenen Grundsätzen abgeleitet sei. In Betracht käme hierfür etwa der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung (§ 6 Abs. 1 HGrG). So könnte eine Bindungswirkung über Art. 109 Abs. 3 GG für alle Rechtssätze gelten, die sich aus den im HGrG verankerten Grundsätzen materiell ableiten lassen. Eine solche Sichtweise würde jedoch den Anwendungsbereich des Art. 109 Abs. 3 GG eindeutig überdehnen. Zwar können die bundesgesetzlichen Grundsätze für das Haushaltsrecht (Art. 109 Abs. 3, 1. Alt.) auch Regelungen enthalten, wie das Haushaltsrecht im einzelnen rechtlich auszugestalten i s t . 4 6 7 Art. 109 Abs. 3 GG verleiht dem Bund jedoch nur die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Grundsätzen. Dies bedeutet, dass der Grundsätzegesetzgeber insgesamt Raum für eine Vervollständigung durch den Bundes- und Landesgesetzgeber lassen muss und keine erschöpfende Detailregelung erlassen darf. 4 6 8 Inhaltlich unterscheiden sich dabei Grundsatzgesetzgebung und Rahmengesetzgebung nicht - „Grundsätze" und „Rahmen" bezeichnen das gleiche Maß an Kompetenzbeschränkung. 469 Den Ländern (und dem Bund) muss daher genug Freiraum belassen werden, ihre jeweiligen Belange und landesspezifischen Eigenarten in Einzellösungen oder Anpassungen angemessen zu berücksichtigen. 470 Art. 109 Abs. 3 GG ist dementsprechend in zweifacher Hinsicht restriktiv auszulegen. Zum einen dürfen im HGrG nur wirkliche Grundsätze geregelt werden, zum anderen, und das ist im vorliegenden Zusammenhang entscheidend, müssen die im HGrG fundierten Grundsätze auf ihren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt werden.
466 467
S. 286. 468 469
S. 286. 470
So die Formulierung Gröpls, in: DStZ 1999, 113, 119. Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 158; Tiemann, in: BayVBl 1971, Rengeling, in: HStR IV, § 100, Rdnr. 295. Vogel/Wiebel in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 157; Tiemann, in: BayVBl 1971,
Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 157; Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 109, Rdnr. 34; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 51.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Sie eignen sich nicht für die Ableitung weiterer Grundsätze, die ihrerseits von der Bindungswirkung des Art. 109 Abs. 3 GG erfasst wären. Eine solche Sichtweise gefährdet auch nicht die Zielsetzung des Art. 109 Abs. 3 GG, eine vergleichbare Haushaltsgestaltung zu ermöglichen. So bedeutet Vergleichbarkeit eben nicht Einheitlichkeit, was im übrigen gegen die Selbständigkeitsgarantie des Art. 109 Abs. 1 GG verstieße. 3. Ergebnis Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Art. 109 Abs. 3 GG in Verbindung mit § 1 ff. HGrG weder den Bundes- noch den Landesgesetzgeber hindert, Vermögensgegenstände zu veräußern, die er weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt. 471 Art. 109 Abs.3 GG steht einer entsprechenden Änderung der Bundes- und Landeshaushaltsordnungen nicht im Wege.
IV. Ergebnis Insgesamt bestehen damit keine generellen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur Haushaltsfinanzierung. Diese wird nicht grundsätzlich durch die Zweckbindung des Vermögens untersagt, vielmehr verlangt der Funktionsfähigkeitsvorbehalt der Verwaltung nur eine hinreichende Sicherung der Verwaltungsfunktion nach der Veräußerung. Die Finanzierung des Haushalts durch die Veräußerungserlöse führt auch zu keiner Beeinträchtigung der den Steuerstaatsgrundsatz tragenden Normbereiche Finanzverfassung, Grundrechte und Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates. Art. 109 Abs. 3 GG stellt schließlich auch keine generelle formelle Hürde auf.
B. Besondere Zulässigkeitsanforderungen an die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung Mit der Feststellung, dass der Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur Haushaltsfinanzierung keine generellen Bedenken gegenüberstehen, ist jedoch noch nichts über die rechtlichen Anforderungen an den Veräußerungsvorgang selbst gesagt. 472 Es gilt deshalb im folgenden darzulegen, 471
So im Ergebnis auch Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 119. Missverständlich Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 24 ff., der nicht deutlich zwischen der Zulässigkeit der Veräußerung und der Zuständigkeit hierfür differenziert. 472
13 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
welche konkreten Anforderungen die staatliche Zuständigkeitsordnung, das Staatsschuldenrecht sowie das Haushaltsverfassungsrecht an die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur Haushaltsfinanzierung stellen.
I. Parlamentarische Beteiligung an der Veräußerung Dabei stellen sich zunächst zwei eng miteinander verbundene, aber dennoch zu trennende Fragen: Zum einen die nach der organschaftlichen Kompetenz zur Veräußerungsentscheidung, zum anderen die nach der verfahrensrechtlichen Form der Kompetenzausübung. Geht es bei der ersteren Problematik um die generelle Abschichtung der Zuständigkeiten von Exekutive und Parlament, steht bei letzterer die Frage nach der Notwendigkeit eines Gesetzes im Mittelpunkt. Im herkömmlichen Verständnis werden beide Aspekte gemeinsam über die Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs des „Vorbehalts des Gesetzes" beantwortet, der mit seiner Grundfrage nach der Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Grundlage die kompetenzrechtliche und verfahrensrechtliche Ebene der vorstehenden Problematik vereinigt. 473 Hiervon zu trennen ist wiederum die Frage nach der Reichweite des fakultativen Zugriffsrecht des Gesetzgebers im Bereich der Vermögensveräußerung, d.h. die Frage inwieweit der Gesetzgeber in Abgrenzung zum der Exekutive vorbehaltenen Kernbereich ihrer Tätigkeit eine Entscheidung überhaupt treffen kann und darf und inwieweit diese die Exekutive zu binden vermag. Im folgenden wird nunmehr zunächst die historische Perspektive auf die Zuständigkeitsabgrenzung von Regierung und Parlament bei der Veräußerung von Vermögen betrachtet werden, bevor der Blick auf die Lage unter dem Grundgesetz gerichtet werden soll. 1. Die historische Perspektive Die Verteilung der Verfügungsbefugnis über die Gegenstände des Staatsvermögens stellte die bedeutsamste 474 Streitfrage des Staatsvermögensrechts im Zeitalter der konstitutionellen Monarchie dar. So war es bereits 1866 im Preußischen Landtag zu einer Kontroverse über die Zuständigkeit der Regierung für die Veräußerung von „Köln-Mindener Eisenbahnaktien" gekommen. Kurz darauf wurden mit den Reichsgesetzen über die Verwendung und Verteilung der französischen Kriegsentschädigung vom 8.7.1872, Art. I V und über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände 473 474
Krebs, in: Jura 1979, S. 304; Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 7. Friauf in: HStR IV, § 90, Rdnr. 51.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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vom 25.5.1873, §§ 10-12 einfachgesetzliche Regelungen verabschiedet, in denen etatrechtliche Bestimmungen über die Veräußerung von bestimmten Grundstücken enthalten waren. Aus diesen ging hervor, dass die Einnahmen aus solchen Veräußerungen entweder in den Etat eingebracht werden oder aber zumindest nachträglich von Bundesrat und Reichstag genehmigt werden mussten. Verbreitet wurde hieraus zunächst auf die stillschweigende Anerkennung der Veräußerungsbefugnis der Regierung durch das Parlament geschlossen. 475 Der nachdrückliche Wille des Parlaments zur Ausdehnung seines Machtbereichs und die nur punktuelle gesetzliche Regelung führten jedoch bald zur Entwicklung eines akademischen Streits über die generelle Befugnis zur Veräußerung staatlichen Vermögens, in dem sich im Wesentlichen z w e i 4 7 6 grundsätzliche Positionen gegenüberstanden. Ein Teil der Staatsrechtslehre folgerte aus dem Budgetrecht des Parlaments den allgemeinen Grundsatz, dass jede Veräußerung von Gegenständen des Finanzvermögens der Zustimmung der Legislative bedürfe. 477 Ausgenommen von der Zustimmungspflicht wurde hingegen die Veräußerung von Verwaltungsvermögen 478 , die der Regierung „als bloße Verwaltungssache überlassen" 479 sei. Zur Begründung wurde angeführt, dass es sich bei 475
Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 420. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 51 und Schmitz, Finanz- und Verwaltungsvermögen, S. 25 nehmen ebenso wie Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 420 eine Dreiteilung der Meinungen vor. Die dabei gegenüber Laband gesondert betrachteten Positionen von Schulze und von Rönne unterscheiden sich in ihrer Essenz jedoch nur unwesentlich von der Meinung Labands, da auch sie eine Teilung zwischen Finanz- und Verwaltungsvermögen vornehmen, wenn von Rönne sie auch nicht ausdrücklich anführt. 477 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 605; G. Meyer, Deutsches Staatsrecht (6. Aufl.), S. 757; Laband, Staatsrecht des DR IV (4. Aufl.), S. 492 f. mit starker Betonung der einfachgesetzlich normierten Zustimmungsvorbehalte; von Rönne, Preußisches Staatsrecht, IV (4. Aufl.), S. 765, freilich ohne die Bezeichnung Finanzvermögen. 478 von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 764 differenziert begrifflich noch genauer. Er nimmt die Veräußerung solcher Vermögenssachen des Staates generell von der Zustimmungspflicht aus, „welche im Laufe der gewöhnlichen Verwaltung vorkommen, also den in allen Zweigen der Staatsverwaltung regelmäßig erforderlichen Verkäufen von unbrauchbaren Inventaríen u.f.m., sowie von den durch den Betrieb gewonnenen Erzeugnissen." Solche Veräußerungen erhalten nach von Rönnes Sicht ihre „gesetzliche Sanktion" durch das Staatshaushaltsetatgesetz. Hiervon unterscheidet er solche „zu Staatsvermögen gehörigen liegenden Gründe (Gebäude, Plätze und andere Grundstücke), welche, ohne unter den Begriff der Domänen zu fallen, bisher zu einem bestimmten Zwecke der Staatsverwaltung außerhalb des eigentlichen Finanzinteresses gedient haben" (er nennt beispielhaft Kasernen, Exerzierplätze, Festungsanlagen, Magazine, Gefängnisanstalten, Gerichts-, Gymnasial- oder andere Regierungsgebäude). Für die Veräußerung dieser herkömmlich als „Verwaltungsvermögen" bezeichneten Gegenstände ging von Rönne von den auch von anderen Autoren anerkannten Grundsätzen aus. 476
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
den durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen erzielten Einnahmen nur um „formelle Einnahmen" 4 8 0 handele, da sie „in der Regel mit einer entsprechenden neuen Anschaffung in Zusammenhang stehen" 481 und daher einen bloßen „durchlaufenden Posten" 4 8 2 bildeten. Dem Parlament kommt nach dieser Sichtweise die Macht, solche Veräußerungen zu verhindern nur mittelbar über sein Budgetrecht zu, indem es entweder die Bareinnahme des Veräußerungserlöses ablehnen könne 4 8 3 oder die „mit der Neuanschaffung in der Regel verbundenen Mehrausgaben ablehnt und auf diesem Wege solche Veräußerungen, die (es) für nicht zweckmäßig ansieht, (verhütet)". 4 8 4 Durch die Veräußerung von Finanzvermögen hingegen, das dem alleinigen Zwecke der Einnahmeerzielung zur Deckung allgemeiner Staatsaufgaben dient, werde dem Staat eine laufende Einnahmequelle entzogen, deren Ausfall in Zukunft durch andere Einnahmen gedeckt werden müsse. Sei dies der Fall und sei es anerkanntes Recht, dass ohne die Zustimmung der Völksvertretung keine neue Steuer eingeführt, keine alte erhöht, und auch keine Staatsschuld aufgenommen werden kann, so könne „die Staatsregierung auch nicht einseitig dem Staate eine Einnahmequelle durch Veräußerung für immer entziehen und so die Völksvertretung indirekt nötigen, zur Deckung der entstandenen Lücke in den Einnahmen eine Erhöhung der Steuern oder Aufnahme einer Anleihe zu bewilligen". 4 8 5 Zudem entspräche eine solche Zustimmungspflichtigkeit der Tradition des deutschen Staatsrechts, dass bereits den Ständen bei der Veräußerung von Kammergut ein Bewilligungsrecht zugestanden habe. 4 8 6 Von der überwiegenden Staatsrechtslehre wurde hingegen die maßgeblich von Anschütz geprägte Ansicht geteilt, dass die Veräußerung von Staatsgut grundsätzlich keine in Freiheit und Eigentum der Untertanen eingreifende rechtssatzmäßige Vorschrift, sondern ein Akt der vollziehenden Gewalt sei und „die Vornahme solcher Akte nach der den Verfassungen zugrundeliegenden Gewaltenteilung in den von parlamentarischer Mitwirkung grundsätzlich freien Bereich der vollziehenden Gewalt", in den Bereich der „Prärogative der Regierung" gehörten. 487 Eine Zustimmung der Legislative 479 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 605; von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 765 spricht von der Entscheidung über die Veräußerung als einer „Verwaltungsangelegenheit des betreffenden Ressorts". 480 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 605; von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 764. 481 von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 764. 482 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 605. 483 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 605. 484 von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 765. 485 Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 606. 486 Vgl. hierzu ausführlich von Rönne, Preußisches Staatsrecht IV (4. Aufl.), S. 765 ff.
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wurde nur dort gefordert, wo eine solche für die Veräußerung einzelner Gegenstände des Staatsvermögens ausdrücklich durch Verfassung oder Gesetz bestimmt i s t . 4 8 8 Nach der Ansicht Anschütz' stehe diesem Ergebnis auch nicht das Budgetrecht des Parlamentes entgegen, da dieses lediglich die Ausgabenseite des Haushalts betreffe und es sich bei den haushaltlichen Einnahmepositionen nicht um Ermächtigungen, die die Regierung alljährlich zur Vollziehung der bestehenden Gesetze bedarf, sondern um Veranschlagungen der finanziellen Wirkungen von Gesetzen und Rechten handele, deren Ausübung nicht durch die Bewilligung des Parlaments bedingt i s t . 4 8 9 Das Recht zur Veräußerung beruhe eben auf der Verfassung selbst und könne durch einseitige Verweigerungen oder Budgetabstriche des Parlaments nicht geschmälert oder aufgehoben werden. 4 9 0 Daneben wurde gegen die die Zustimmungsbedürftigkeit der Veräußerung zumindest von Finanzvermögen vertretende Meinung angeführt, dass die für sie entscheidende finanzwissenschaftliche Unterscheidung zwischen Finanz- und Verwaltungsvermögen dem geltenden Recht fremd sei. 4 9 1 Dieser Ansicht schloss sich die Staatsrechtslehre der Weimarer Republik weitgehend an. 4 9 2 Auffallend ist hierbei der primär positiv-rechtlich ausgelegte Begründungsansatz. Die Ablehnung eines parlamentarischen Zustimmungsrechts wurde vor allem auf die Reichshaushaltsordnung vom 31.12.1922 (RGBl. 1923, II, S. 17) zurückgeführt und eine grundlegende verfassungsrechtliche Argumentation erst in zweiter Hinsicht vorgenommen. 4 9 3 Verfassungsrechtlich gerechtfertigt wurde die Kompetenz der Regierung zur Veräußerung schließlich zum einen mit dem Ende des früheren Gegensatzes zwischen Parlament und Regierung, die nach Art. 54 WRV hinsichtlich aller ihrer Akte dem Parlament gegenüber verantwortlich sei. 4 9 4 Zum anderen wurde darauf insistiert, dass die Vermögensveräußerung keinen „leitenden demokratischen Staatsgestaltungsakt" darstelle und deshalb der Kompetenz der Regierung zufalle. 4 9 5 Auch erfordere eine „erfolgreiche und bewegliche Wirtschaftsführung gerade in Bezug auf Verfügungen über das Staatsvermögen ein schnelleres und beweglicheres Organ als die Volks487
Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 894 f. Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 895 f. m.w.N. 489 Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 895. 490 Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 895. 491 Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 421; Anschütz, Deutsches StaatsR (7. Aufl.), S. 895, Fn. 9a. 492 Vgl. Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 421 f. m.w.N. 493 Exemplarisch etwa die Argumentation bei Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/ Thoma II, § 91, S. 421 f. 494 Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 422. 495 Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 420, der dem den Begriff „bloß technischen Verwaltungsaktes" entgegensetzt. 488
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Vertretung". 496 Sofern in einzelnen Gesetzen eine Zustimmungsbedürftigkeit ausdrücklich angeordnet sei, so habe ein Verstoß gegen dieses Erfordernis schließlich auch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des rein zivilrechtlich zu beurteilenden fiskalischen Verfügungsgeschäfts. 497 2. Die Lage unter dem Grundgesetz Im Wortlaut des Grundgesetzes hat die Frage nach der Zuständigkeit zur Vermögensveräußerung keine Beantwortung gefunden. Er verhält sich insoweit neutral. Gleiches gilt für die ganz überwiegende Zahl der Landesverfassungen. Lediglich in den Verfassungen von Mecklenburg-Vorpommern 4 9 8 , Niedersachsen 499 und Sachsen-Anhalt 500 findet sich ein, wenn auch eingeschränkter, Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung zur Veräußerung von Staatsvermögen. Angesichts dessen ist die ganz überwiegende Meinung der Rechtswissenschaft der bereits vor Geltung des Grundgesetzes herrschenden Ansicht gefolgt und siedelt die Organkompetenz zur Veräußerung von Vermögen ausschließlich bei der Regierung an, soweit nicht gesetzliche Regelungen irgendwelche Einschränkungen enthalten. 501 Sie befindet sich insoweit auch in Einklang mit der bereits geschilderten einfachgesetzlichen Rechtslage in den §§63 und 64 BHO. Ob diese Ansicht auch den allgemeinen für die Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Legislative entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien entspricht, soll im folgenden genauer beleuchtet werden. a) Spezielle Gesetzesvorbehalte Bevor auf die terminologische und inhaltliche Problematik des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes einzugehen ist, gilt es den Blick auf die textliche Ausgestaltung des Grundgesetzes zu richten. Dieses enthält zwar 496
Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 422. Taratin-Tarnheyden, in: Anschütz/Thoma II, § 91, S. 422. 498 Art. 66 LV M-V: „Erwerb, Verkauf und Belastung von Landesvermögen dürfen nur mit Zustimmung des Landtages erfolgen. Die Zustimmung kann für Fälle geringer Bedeutung allgemein erteilt werden. Das Nähere regelt das Gesetz." 499 Art. 63 Abs. 1 Nds. Verf.: „Das Landesvermögen ist Eigentum des Volkes. Landesvermögen darf nur mit Zustimmung des Landtages veräußert oder belastet werden. Die Zustimmung kann allgemein oder im Einzelfall erteilt werden." 500 Art. 92 Abs. 1 Verf LSA: „Landesvermögen darf nur mit Zustimmung des Landtages veräußert und belastet werden. Die Zustimmung kann für Fälle von geringer Bedeutung allgemein erteilt werden." 501 Vgl. Friauf, in: HStR IV, § 90, Rdnr. 52; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1264; Gindely, Das Verbot staatlicher Schenkungen, S. 18; Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 6. 497
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keine ausdrückliche Vorschrift, die für die Veräußerung staatlichen Vermögens eine Kompetenz des Parlaments verbrieft, aber in zahlreichen Vorschriften spezielle Gesetzesvorbehalte, die einzelne Fragen und Materien der Regelung durch ein förmliches Gesetz überantworten und damit dem Parlament „vorbehalten" 502 . Fraglich ist, ob einzelne dieser ausdrücklichen Vorbehalte auch in der vorliegenden Problematik der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Anwendung finden können. aa) Grundrechtliche
Gesetzesvorbehalte
Die größte und grundsätzlich bedeutsamste Gruppe der speziellen Gesetzesvorbehalte stellen die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte 503 dar. Diese 5 0 4 legen im Blick auf die einzelnen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte je besondere Voraussetzungen für Gesetze fest, die die grundrechtliche Freiheit der Bürger beschränken und ausgestalten. 505 Eine Nutzbarmachung der in vielen Einzelbestimmungen niedergelegten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte für die vorliegende Problematik scheidet nach dem oben erzielten Ergebnis, nach dem die Veräußerung von Verwaltungsvermögen keinen Grundrechtseingriff darstellt, jedoch aus. bb) Institutionell-organisatorische
Gesetzesvorbehalte
Eine große Gruppe von Vorschriften des GG enthält „institutionell-organisatorische" 506 Gesetzesvorbehalte, die die Ausgestaltung von verfassungsrechtlich gewährleisteten Institutionen (Art. 28 Abs. 2; 33 Abs. 5; 21 Abs. 3 GG), die Bildung, Verfahrensweise und Verfassung von Staatsorganen (z.B. Art. 54 Abs. 7; 94 Abs. 2; 95 Abs. 3 S. 2 GG), sowie die Organisation und das Verfahren der Verwaltung (Art. 84 Abs. 2; 85 Abs. 2; 87 Abs. 3; 87b Abs. 1 S. 3; 87d Abs. 2; 91a Abs. 2; 108 Abs. 1 S. 2 GG) betreffen. Im Rahmen der Regelung von Organisation und Verfahren der Verwaltung werden hier Fragen der vermögensmäßigen Ausstattung jedoch nicht erfasst. Insoweit sind auch diesbezügliche Gesetzesvorbehalte für die vorliegende Problematik nicht anwendbar, soweit nicht die Veräußerung des Verwal502 Vgl die Typologie der Gesetzesvorbehalte bei Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 26; ferner H. H. Klein, in: HStR II, § 40, Rdnr. 19. 503 Ausführlich hierzu Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt (1998). 504 Als enger Eingriffs- und Schrankenvorbehalt in Art. 2 Abs.2 S. 2; 5 Abs. 2; 8 Abs. 2; 10 Abs. 2 und 11 Abs. 2 GG; als offener formulierter Regelungsvorbehalt Art. 12 Abs. 1 S. 2 und 14 Abs. 1 S. 2 GG. 505 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (R), Rdnr. 96. 506 Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 28; vom Begriff her weiter Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 95; Listl, in: DVB1 1978, S. 10, 14.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
tungsvermögens im Rahmen einer organisatorischen Umgestaltung der Verwaltung erfolgt. Doch selbst in letzterem Fall würde eben die Organisationsänderung und nicht der Veräußerungsvorgang als solcher der gesetzlichen Regelung bedürfen. cc) Kreditärer
Gesetzesvorbehalt (Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG)
Gem. Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG bedarf die Aufnahme von Krediten einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Demnach bedarf die Veräußerung von Verwaltungsvermögen dann einer ausdrücklichen parlamentsgesetzlichen Ermächtigung, wenn sie als Kreditaufnahme zu werten ist. Ob und unter welchen Umständen dies der Fall sein kann, soll an späterer Stelle 5 0 7 gesondert untersucht werden. dd) Haushaltsrechtlicher Gesetzesvorbehalt (Art. 110 Abs. 1 und 2 GG) Wohlmöglich aussagekräftiger ist der „haushaltsrechtliche Gesetzesvorbeh a l t " 5 0 8 des Art. 110 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 110 Abs. 1 GG. Demnach sind alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen, der wiederum durch das Haushaltsgesetz festgestellt werden muss. Bei unbefangener Lesart könnte man hieraus ableiten, dass Einnahmen, ebenso wie Ausgaben nur dann rechtmäßig getätigt werden dürfen, wenn sie auch im Haushaltsplan vorgesehen sind. Doch während der Haushaltsplan die Exekutive ermächtigt, Ausgaben zu leisten und Ausgabeverpflichtungen einzugehen (§ 3 BHO), hat er für die Einnahmeseite keine Rechtswirkungen. Die im Haushaltsplan veranschlagten Einnahmen dienen vielmehr nur als Rechengröße zur Feststellung des Haushaltsausgleichs (Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG), wonach im Haushaltsplan nur Ausgaben in derjenigen Höhe bewilligt werden dürfen, die durch voraussichtliche Einnahmen gedeckt werden kann. 5 0 9 In seiner Einnahmeseite bleibt der Etat ein Voranschlag, eine Zusammenstellung finanzieller Resultate oder Erwartungen, bloßer Erkenntnis- und kein Willensakt. 5 1 0 Der Haushaltsplan bildet weder eine Rechtsgrundlage zur Erhebung der in ihm vorgesehenen Einnahm e n 5 1 1 , noch ist die Veranschlagung im Haushalt notwendige Vorausset507
s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. II. 1. und 2. Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 29. 509 Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 110 GG, Rdnr. 14. Die Einnahmeseite des Haushaltsplans erfüllt insoweit nur eine Koordinations-, aber keine Festsetzungsfunktion (Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 262). 510 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 103. 511 Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 110 GG, Rdnr. 14. 508
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zung für die Einnahmeerzielung 5 1 2 . Die Erhebung von Einnahmen aus der Veräußerung von Bundesvermögen wird stattdessen nach Maßgabe der entsprechenden Verträge vorgenommen. 513 Unabhängig davon bleibt allerdings der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts 514 bestehen, wonach alle im Haushaltsjahr zu erwartenden Einnahmen im durch das Haushaltsgesetz festgestellten Haushaltsplan zu veranschlagen sind und keine voraussichtliche Einnahme bewusst außer Ansatz bleiben darf 5 1 5 . Art. 110 GG formuliert ein „abstraktes" Mitwirkungsrecht des Parlaments bei der Veräußerung staatlichen Vermögens daher insoweit, als deren Einnahmen, sofern sie vor Beginn des Haushaltsjahres beabsichtigt sind, als Bestandteil des Haushaltsplans zum Gegenstand des parlamentarischen Budgetrechts werden. Aus der oben geschilderten Bedeutung der Einnahmeseite im Haushalt als „bloßem Rechnungsposten" ergibt sich jedoch, dass im Falle einer zu Unrecht nicht vom Haushaltsplan erfassten Veräußerung nicht etwa diese (zumindest im staatsinternen organschaftlichen Rechtskreis) rechtswidrig wird, wie dies bei einer budgetwidrigen Ausgabe der Fall wäre 5 1 6 , sondern lediglich der Haushaltsplan wegen Verstoßes gegen die Prinzipien der Haushaltsvollständigkeit und Haushaltswahrheit 5 1 7 . Es bleibt auch durch den Grundsatz der Haushalts Vollständigkeit dabei, dass eine Veräußerung nicht davon abhängig ist, ob hierfür Einnahmen im Haushaltsplan veranschlagt sind. 5 1 8 Ein Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zur Veräußerung kann aus Art. 110 Abs. 2 GG direkt nicht abgeleitet werden. Unterwirft Art. 110 GG die Veräußerung von Vermögen aber nicht einem haushaltsrechtlichen Gesetzesvorbehalt, so können die im Haushaltsrecht und in den Landesverfassungen vereinzelt angeordneten parlamentarischen Zustimmungsvorbehalte auch nicht durch die Haushaltsgesetzgebung begründet werden. 5 1 9
512
Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 103; Piduch, Bundeshaushalts^ § 63 BHO, Rdnr. 6. 513 Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 110 GG, Rdnr. 14. 514 Die hiermit in Zusammenhang stehenden Probleme sollen an späterer Stelle im systematischen Zusammenhang zu den sonstigen von den Haushaltsgrundsätzen ausgehenden Anforderungen erörtert werden. 515 Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 110, Rdnr. 19. 516 Vgl. BVerfGE 45, 1, 34, wonach die Bundesregierung bei der Ausgabe von Haushaltsmitteln die Haushaltsansätze nicht überschreiten darf und, falls sich diese als zu gering erweisen oder sich neue vom Haushaltsplan nicht berücksichtigte Bedürfnisse ergeben, verfassungsrechtlich verpflichtet ist, einen Nachtrags- oder Ergänzungshaushalt einzubringen. 517 Zu den Haushaltsgrundsätzen s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. 518 Piduch, BundeshaushaltsR, § 63 BHO, Rdnr. 6.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen b) Allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes
Nach diesen Ergebnissen bleibt die Frage, ob die Veräußerung von Verwaltungsvermögen von Verfassungs wegen einer besonderen Zustimmung des Parlaments, in welcher rechtlichen Form auch immer, bedarf, weiter offen. Diese grundsätzliche Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Gesetzgebung und Verwaltung wird im System des Grundgesetzes für gewöhnlich durch den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes bestimmt. 5 2 0 Es ist insoweit allgemein anerkannt, dass neben den genannten speziellen Gesetzes vorbehalten ein ungeschriebener, aus Art. 20 Abs. 3 GG ableitbarer allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes 521 besteht 522 , der verlangt, dass bestimmte Maßnahmen des Staates einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigung bedürfen und bei Fehlen einer solchen rechtswidrig sind. Besondere Gesetzesvorbehalte und allgemeiner Gesetzesvorbehalt stehen dabei nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus. 5 2 3 Seine beiden tragenden Wurzeln findet der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes im Rechtsstaats- und im Demokratieprinzip. So liegen seine historischen Ursprünge 524 im konstitutionalistischen Staat des 19. Jahrhunderts in 519
So aber Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Die vorläufige Verfassung, zu Art. 66, S. 151; dagegen Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 459. Zur Rechtfertigung des Parlamentsvorbehalts s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. I. 2. c) bb). 520 Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 107; Krebs, in: Jura 1979, 304, 307; Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 17; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 11. 521 Die diesbezügliche Diskussion ist von einer „verwirrenden" (so Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 28) Terminologie gekennzeichnet. Dabei werden die Begriffe „Gesetzesvorbehalt" und „Vorbehalt des Gesetzes" häufig synonym verwendet (vgl. etwa Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 12). Aus Gründen der Klarheit soll in der vorliegenden Arbeit „Gesetzesvorbehalt" nur auf die im Grundgesetz ausdrücklich im Einzelfall niedergelegten Verweisungen auf das Gesetz bezogen sein, während „Vorbehalt des Gesetzes" als allgemeiner Oberbegriff für alle ausdrücklichen Gesetzesvorbehalte und den ungeschriebenen allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes verstanden werden soll (wie hier z.B. Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 32). 522 Ygi insoweit aus der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG nur BVerfGE 40, 237, 248; 49, 89, 126 und aus der unzähligen Literatur Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (R), Rdnr. 95; Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 115; Stern, Staatsrecht I, § 20, S. 805; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI, Rdnr. 77 ff., der allerdings eine Ableitung aus Art. 20 Abs. 3 GG ablehnt; gänzlich ablehnend zum allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes K Vogel, in: VVDStRL 24 (1965), 125 ff. wonach der Vorbehalt des Gesetzes als „überflüssige Rechtsfigur" (S. 156) neben dem System der grundrechtlichen Gesetzes vorbehalte entbehrlich sei. 523 Das BVerfG problematisiert das Verhältnis zwischen besonderen Gesetzesvorbehalten und allgemeinem Gesetzesvorbehalt nicht weiter. Es stellt vielmehr lapidar fest, dass die besonderen Gesetzesvorbehalte „Ausprägungen" des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sind (BVerfGE 49, 89, 127).
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dem rechtsstaatlichen Gedanken der Gesetzesherrschaft und dem demokratischen Gedanken der Parlamentsherrschaft. Durch die Herrschaft des Gesetzes sollte eine willkürliche Herrschaft des Monarchen gebrochen werden, die Allgemeinheit der Gesetze als solche sollte Gerechtigkeit sichern und die willkürliche Diskriminierung oder Privilegierung einzelner verhindern. 5 2 5 Selbstbändigung der Macht, Allgemeinheit und Berechenbarkeit ihrer Ausübung sind insoweit die klassischen rechtsstaatlichen Elemente des Vorbehalts des Gesetzes. 526 Der demokratische Aspekt des Vorbehaltsprinzips, die Idee der Parlamentsherrschaft, führen hingegen weniger zur Gesetzesförmigkeit staatlichen Handelns, als vielmehr zum für den Erlass der Gesetze zuständigen Organ. Konstituierte sich die gegenüber der monarchischen Exekutive zu sichernde Individualsphäre der bürgerlichen Gesellschaft durch die persönliche Freiheit und das Privateigentum, so sollte in diese Rechte nur noch und erst eingegriffen werden können, wenn die Betroffenen selbst durch ihre Repräsentationsorgane, d.h. ursprünglich die landständischen Versammlungen und später die Parlamente, zuvor ihre Zustimmung erteilt hatten. 527 Dies wurde als effektives Mittel zum Schutz der Freiheit empfunden, da es aus Sicht des konstitutionalistischen Bürgertums undenkbar schien, dass die vom Volk gewählte Körperschaft sich mit unangemessenen Einbrüchen des Staates in die Freiheit des Bürgers einverstanden erklären würde. 5 2 8 Spätestens in der spätkonstitutionellen Zeit schließlich konnte der Grundsatz, dass „jeder Eingriff in die Individualsphäre des Bürgers („Freiheit und Eigentum") nur durch Gesetz oder aufgrund einer formellgesetzlichen Ermächtigung erfolgen" darf, als weitgehend anerkannt betrachtet werden. 5 2 9 Im parlamentarisch-demokratischen System des Grundgesetzes besteht jedoch Einigkeit darüber, dass sich die Funktion des Vorbehalts des Gesetzes hierin nicht erschöpft. Die klassische Formel vom Vorbehalt des Gesetzes für Eingriffe in Freiheit und Eigentum gilt angesichts der sich vom Eingriffs- zum Leistungsstaat wandelnden Staatsaufgaben, des Umstandes der in der Demokratie ebenfalls (mittelbar) demokratisch legitimierten Exekutive und der im Grundgesetz ausdifferenzierten besonderen Gesetzesvorbe524 Vgl. zur historischen Entwicklung des Vorbehalts des Gesetzes ausführlich Staupe, Parlaments vorbehält und Delegationsbefugnis, S. 42 ff. sowie Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 16 ff. und 32 ff. 525 Kloepfer, in: JZ 1984, 685. 526 Pietzcker, in: JuS 1979, 710, 712. 527 Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 13; Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 109; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII, Rdnr. 12. 528 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII, Rdnr. 12. 529 Vgl. Thoma, in: Anschütz/Thoma II, S. 221 f.; Krebs, in: Jura 1979, 304; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 12 ff. mit einer Übersicht über die entsprechenden Landesverfassungen.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
halte für Eingriffe und Ausgestaltung der Grundrechte als nicht mehr ausreichend. 530 Keinesfalls kann die Ansicht geteilt werden, dass es in der parlamentarischen Demokratie angesichts der politischen Blockbildung von Regierung und Regierungsfraktionen als parlamentarischer Mehrheit keinen Unterschied mehr mache, welches Organ letztlich entscheide. Eine solche Position verkennt, dass der Vorbehalt des Gesetzes zum einen als Instrument einer rechtlich verbindlichen politischen Steuerung der Bürokratie und zum anderen als diskussions-, einsichts- und konsensfördernde Institution unerlässlich bleibt, mit der gewährleistet wird, dass bestimmte Regelungen nicht geheim als Verwaltungsangelegenheit, sondern öffentlich, mit Rechtfertigungszwang und unter Kritik der Opposition im Parlament entschieden werden. 531 Die damit weitgehend befürwortete Ausdehnung des Vorbehaltsgedankens ist zum einen ausgehend von der klassischen Formel über eine Erweiterung des grundrechtsspezifischen Freiheitsraumes einerseits und der Eingriffsfigur andererseits vorgenommen worden. Zu nennen sind hier etwa die Loslösung des Eingriffsbegriffs von gezielten und unmittelbaren Zugriffen des Staates auf die Rechtsposition seiner Bürger hin zur Anerkennung auch bloß reflexiver Auswirkungen staatlichen Handeln als Eingriff, die Anerkennung grundrechtlicher Freiheitsräume im Rahmen der sog. besonderen Gewaltverhältnisse 532 , die Ausdehnung rechtlich anerkannter Freiheiten insbesondere im Bereich des Rechts der freien Persönlichkeitsentfaltung in Art. 2 Abs. 1 G G 5 3 3 oder bei der Begründung eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung 534 sowie die Umdeutung der Grundrechte von bloßen Abwehrrechten zu Leistungsgrundrechten 535 . Die auf diese Weise erreichte Ausweitung der parlamentarischen Kompetenzen ist jedoch für die vorliegende Problemstellung ohne Bedeutung, da, wie bereits dargelegt, auch bei einer weiten Auslegung von Freiheitsräumen und Eingriffsbegriff kein Grundrechtseingriff durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen konstruiert werden kann. 530
Vgl. die Analyse der Veränderungen des Umfelds des Vörbehaltsgedankens bei Kloepfer, in: JZ 1979, 685, 686 f.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 114 ff.; Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 15. 531 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 687; Kisker, in: NJW 1977, 1313, 1315; Pietzeher, in: JuS 1979, 710, 713; Krebs, in: Jura 1979, 304, 307. 532 Vgl. insoweit die grundlegende Entscheidung zum Strafvollzugsverhältnis BVerfGE 33, 1. 533 Vgl. nur BVerfGE 80, 137, 152 („Reiten im Walde"), wonach von der im umfassenden Sinne gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit (BVerfGE 6, 32, 36) jede Form menschlichen Handelns geschützt werde, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. 534 BVerfGE 65, 1, 42 ff. 535 Vgl. etwa das „Numerus-Clausus"-Urteil BVerfGE 33, 303, 337.
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Umso mehr gewinnt für den vorliegenden Problemkreis die eigentliche Debatte um die Erweiterung des klassischen Vorbehalts des Gesetzes durch Loslösung vom Eingriffserfordernis an Bedeutung. Dass eine solche Loslösung zu erfolgen hat, ist insoweit unbestritten. Weitgehender Konsens besteht auch noch dahingehend, dass aus dem Demokratieprinzip nicht auf einen sogenannten Totalvorbehalt geschlossen werden kann, der weitgehend jedes exekutive Handeln der Notwendigkeit einer parlamentarischen Ermächtigung unterwirft. 5 3 6 Ein solcher allumfassender Parlamentsvorbehalt liefe auf einen „aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus" 537 hinaus. Er verkennte, dass auch die Organe der vollziehenden Gewalt ihre institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation aus Art. 20 Abs. 2 GG beziehen 538 sowie aufgrund ihrer Verantwortung gegenüber Parlament und Volk notwendigerweise über eine „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" verfügen müssen 539 und es daher ausgeschlossen ist, „aus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie einen Vorrang des Parlaments und seiner Entscheidungen gegenüber den anderen Gewalten als einen alle konkreten Kompetenzordnungen überspielenden Auslegungsgrundsatz herzuleiten" 540 . Wie jedoch die Erweiterung des Vorbehalts des Gesetzes vorzunehmen ist und in welchen Bereichen staatliches Handeln durch ein förmliches Gesetz legitimiert sein muss, ist indes umstritten und ungeklärt. Die Feststellung des BVerfG, dass sich dies aus Art 20 Abs. 3 GG nicht mehr unmittelbar erschließen lasse und stattdessen auf die jeweils betroffenen Lebensbereiche und Rechtspositionen der Bürger und die Eigenart der Regelungsgegenstände insgesamt abzustellen sei 5 4 1 , trägt insoweit zur Klärung wenig bei. aa) Die Position des BVerfG:
Die Wesentlichkeitstheorie
Das BVerfG und ihm nachfolgend die Mehrheit der rechtswissenschaftlichen Lehre nimmt die Abgrenzung des Vorbehalts des Gesetzes mit Hilfe
536 So aber Jesch, Gesetz und Verwaltung, z.B. S. 205, wonach die Verwaltung alle ihre Befugnisse erst aus der Verfassung empfängt und „nach der Struktur der grundgesetzlichen Ordnung als Verwaltung echte vollziehende Gewalt geworden und damit für Handlungsformen abhängig von einer parlamentarischen Ermächtigung" geworden ist; ablehnend u.a. BVerfGE 49, 89, 125; Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 18 ff.; Krebs, in: Jura 1979, 304, 307 f. m.w.N. 537 BVerfGE 49, 89, 125. 538 BVerfGE 49, 89, 125. 539 BVerfGE 67, 100, 139; 68, 1, 87. 540 BVerfGE 49, 89, 126. 541 BVerfGE 40, 237, 249.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
der sog. „Wesentlichkeitstheorie" 542 vor. Nach deren Kernaussage ist der Gesetzgeber verpflichtet, alle „wesentlichen" Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. 543 Mit dieser Formel will das Gericht nach seiner Eigeneinschätzung 544 den Vorbehalt des Gesetzes von seiner „Bindung an überholte Formeln (Eingriff in Freiheit und Eigentum)" lösen und „von seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament" stellen. Wann es nach der Wesentlichkeitstheorie aber einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nach Aussage des BVerfG nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. 545 Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien seien dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. 546 Ohne auf das Eingriffskriterium zurückzukommen, bedeutet „wesentlich" im grundrechtsrelevanten Bereich demnach in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". 547 Eine Entscheidung könne aber auch wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf den Bürger und auf die allgemeinen Lebensverhältnisse eine grundlegende und wesentliche Entscheidung im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes sein. 5 4 8 Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten sei, führe dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste. 549 Zu berücksichtigen sei im übrigen auch, dass die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten auch darauf zielte, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. 550 Untrennbar mit der Frage des Vorbehalts des Gesetzes verbunden hat das BVerfG in dieser Wesentlichkeitsrechtsprechung die Frage des Parlamentsvorbehalts. Während ersterer dazu Stellung nimmt, ob ein Regelungsgegen542 Kritisch zum Begriff der „Theorie" und zum methodologischen Vorgehen des BVerfG bei der Begründung der Theorie Kloepfer, in: JZ 1979, S. 685, 689; ähnlich Krebs, in: Jura 1979, S. 304, 308. 543 Vgl. zuletzt die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Rechtschreibreform BVerfGE 98, 218, 251; vorher etwa BVerfGE 40, 237, 249; 41, 251, 259 f.; 45, 400, 417 f.; 47, 46, 78; 49, 89, 126 f.; 58, 257, 268; 95, 267, 307. 544 BVerfGE 47, 46, 78 f.; zur ausdrücklichen Lösung vom Eingriffsmerkmal vgl. auch BVerfGE 40, 237, 249; 49, 89, 126; 95, 267, 307. 545 BVerfGE 98, 218, 251. 546 Vgl. BVerfGE 40, 237, 249; 49, 89, 127; 95, 267, 308; 98, 218, 251. 547 BVerfGE 40, 237, 248; 47, 46, 79; 98, 218, 251. 548 BVerfGE 49, 89, 127. 549 BVerfGE 49, 89, 126; 98, 218, 251. 550 BVerfGE 68, 1, 86; 98, 218, 252.
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stand so wesentlich ist, dass er einer Regelung durch oder aufgrund eines Gesetzes bedarf, klärt der Parlamentsvorbehalt in der Terminologie des BVerfG, welche Entscheidungen das Parlament selbst im Gesetz treffen muss und welche es durch gesetzliche Ermächtigung der administrativen Normsetzung durch die Exekutive überlassen darf 5 5 1 . Nach der Rechtsprechung des BVerfG beurteilt sich die Frage, was der parlamentarischen Willensbildung vorbehalten ist und was durch gesetzliche Ermächtigung dem Verordnungsgeber überlassen werden darf, allerdings nach den im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes entwickelten Wesentlichkeitsmerkmalen. 552 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang deshalb von einer „Umformung des Vorbehalts des Gesetzes zum Parlamentsvorbehalt" 553 oder gar von einer „Mutation" 5 5 4 gesprochen, wobei selbst das BVerfG ausführt 555 , dass der Vorbehalt des Gesetzes ein Parlamentsvorbehalt sei. Die Wesentlichkeitstheorie wird zum partiellen Delegationsverbot 556 für den parlamentarischen Gesetzgeber. bb) Kritik
und Stellungnahme
Es kann hier nicht der Ort sein, um die Problematik des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie in allem Umfang zu erörtern. Eine solche Beschäftigung wäre Gegenstand einer eigenen Abhandlung. Dementsprechend soll lediglich versucht werden, zwei grundsätzliche Kritikpunkte an der Wesentlichkeitsrechtsprechung herauszuarbeiten, denen gerade bei der vorliegenden Problematik der Parlamentsbeteiligung bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen besonderes Gewicht beikommt. Anschließend soll ein Ansatz aufgezeigt werden, der die aufgeworfenen Probleme zumindest teilweise entschärft und für die vorliegende Problematik zu adäquaten Lösungen führen kann.
551
BVerfGE 57, 295, 321; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (R), Rdnr. 107; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 30 ff.; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 GG, S. 54. 552 Explizit BVerfGE 83, 130, 152: „Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss. Sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im einzelnen gehen müssen" und BVerfGE 58, 257, 274: „Es bedarf jeweils einer besonderen Prüfung anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Wesentlichkeitsmerkmale, was der parlamentarischen Willensbildung vorbehalten ist und was durch gesetzliche Ermächtigung dem Verordnungsgeber übertragen werden darf*. 553 Kloepfer, in: JZ 1984, S. 685, 691. 554 Kloepfer, in: Zustand und Perspektiven, S. 187, 189. 555 BVerfGE 57, 295, 321. 556 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 690.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
(1) Kritikansatz Ein „wesentlicher" Kritikpunkt an der Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG zur Konkretisierung des Vorbehalts des Gesetzes ist die „fehlende Klarheit und Berechenbarkeit" 557 des Wesentlichkeitskriteriums. So dürfte wohl Einigkeit darüber bestehen, dass es bisher kaum gelungen ist, generelle Kriterien zu entwickeln, die ein verlässliches Urteil über die „Wesentlichkeit" einer Entscheidung ermöglichen. 558 Gerade die vom BVerfG mehrfach verwandte Formel, wonach eine staatliche Maßnahme insbesondere dann wesentlich sein soll, wenn „sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" i s t 5 5 9 , erscheint ob ihrer Tautologie 5 6 0 nicht geeignet, voraussehbare Entscheidungen zu bewirken. Insoweit ist zugespitzt von der Wesentlichkeitstheorie auch als „Leerformel" 5 6 1 oder gar als „theoretisierender Bemäntelung freier richterlicher Dezision" gesprochen worden, bei der „„wesentlich" ist, was das BVerfG dafür h ä l t " . 5 6 2 Das BVerfG scheint diese Problematik auch selbst zu erkennen, wenn es eingesteht, dass das Wesentlichkeitskriterium „ höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt" sei 5 6 3 , und zieht sich deshalb bei der Bestimmung der Wesentlichkeit immer wieder allein auf das Kriterium der Grundrechtsrelevanz zurück 5 6 4 . Als Konsequenz hieraus ist die Wesentlichkeitstheorie außerhalb der klassischen Eingriffsformel bisher praktisch kaum berechenbar und handhabbar. 5 6 5 Gerade letzterer Aspekt führt dazu, dass in nicht oder nur wenig für die Grundrechtsverwirklichung relevanten Sachbereichen, wie eben auch der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, eine Abgrenzung der Kompe557 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 692; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 195. 558 So zusammenfassend Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 44; vgl. zur Kritik an der Bestimmtheit auch Krebs, in: Jura 1979, 304, 308; Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 398; Kisker, in: NJW 1977, 1313, 1318; Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 692; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 195. 559 Vgl. etwa BVerfGE 40, 237, 248; 47, 46, 79; 98, 218, 251. 560 Hierauf weisen zu Recht hin Roellecke, in: NJW 1978, 1776, 1778, Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 45; Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 692; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 195. 561 Krebs, in: Jura 1979, S. 304, 308 f. 562 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 692; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 196. 563 BVerfGE 45, 400, 418. 564 Yg| e t w a Entgegnung auf den Vorwurf der mangelnden Klarheit in BVerfGE 47, 46, 79 oder die Argumentation in der Entscheidung zur Rechtschreibreform (BVerfGE 98, 218, 251 ff.), wo zudem die Grenzen zwischen der Prüfung eines Grundrechtseingriffs in das elterliche Recht der Erziehung sowie in die Rechte der Kinder auf freie Persönlichkeitsentfaltung und der bloßen Wesentlichkeit im grundrechtsrelevanten Bereich nicht hinreichend präzise deutlich werden. 565 Kloepfer, in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 195.
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tenzen von Parlament und Regierung nach den Kriterien des BVerfG nur schwer möglich ist. Dies führt zum zweiten und zentralen Kritikpunkt an der Wesentlichkeitsrechtsprechung: Mit ihr wird in der Rechtsprechung des BVerfG eine unzulässige Vereinigung von allgemeinem Vorbehalt des Gesetzes und Parlamentsvorbehalt vorgenommen, die in zweierlei Hinsicht zu problematischen Ergebnissen führt. Zum einen wird durch das Verständnis des Vorbehalts des Gesetzes als Parlamentsvorbehalt der Raum für die nicht-parlamentarische Rechtssetzung durch (nur) materielle Gesetze, also Rechtsverordnungen und Satzungen, erheblich eingeschränkt. Im Ergebnis führt das der Wesentlichkeitstheorie zugrundeliegende Verständnis des Vorbehalts des Gesetzes als partielles Delegationsverbot für den Gesetzgeber dazu, dass Rechtsverordnungen und Satzungen hinsichtlich ihrer Unzulässigkeit bei der Regelung „wesentlicher" Fragen ähnlich behandelt werden wie Verwaltungsakte. Dies verkennt jedoch die spezifische Legitimation auch nicht-parlamentarischer Rechtssetzung. 5 6 6 Entgegen dem historischen Sinn des Vorbehalts des Gesetzes, die Macht des Parlaments zu erweitern, wird die Wesentlichkeitstheorie somit auch dazu benutzt, die Entscheidungsfreiheit des parlamentarischen Gesetzgebers durch das Verbot von Rechtssetzungsdelegationen einzuschränken. 567 Letztlich wird der demokratische Gedanke der Parlamentsherrschaft insoweit einseitig zu Lasten des Gedankens der gerechtigkeitssichernden Herrschaft des Gesetzes, sei es ein formelles oder auch nur ein rein materielles, betont. 5 6 8 Dieser Kritikpunkt vermag in der vorliegenden Konstellation freilich keine besondere Schärfe zu besitzen, da es bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen eben nicht um abstrakt-generelle Regelungen geht, die durch materielles Gesetz geklärt werden müssen, sondern um individuell-konkrete Fragen, bei denen die grundsätzliche Beteiligung des Parlaments in Frage steht. Auf der anderen Seite wird durch die Gleichsetzung von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt in der Rechtsprechung aber auch indirekt der Gedanke der individuellen Freiheitsgewähr des Vorbehalts des Gesetzes zu Lasten seiner demokratischen Funktion bei der Wahrnehmung der politischen Staatsleitung überbetont. Indem das Gericht danach fragt, ob eine Entscheidung so „wesentlich" ist, dass sie nur durch Gesetz geregelt werden darf, und ob sie so „wesentlich" ist, dass der parlamentarische Gesetzgeber die Normgebung auch nicht an andere Träger öffentlicher Gewalt delegieren 566
Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 692; dersin: setzgebung, S. 196. 567 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 690. 568 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 691. 14 Fleischmann
Zustand und Perspektiven der Ge-
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
darf, geht es von der Prämisse aus, dass eine parlamentarische Partizipation, wenn sie nach der Konzeption des Grundgesetzes zwingend erforderlich ist, nur in Form des Gesetzes erfolgen kann. Diese Gleichsetzung obligatorischer parlamentarischer Partizipation mit Gesetzgebung befördert in zweierlei Hinsicht die in der Rechtsprechung des BVerfG zu beobachtende 5 6 9 Tendenz, sich bei der Anwendung von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt auf das Feld der grundrechtsrelevanten Entscheidungen zurückzuziehen. Für den nicht grundrechtsrelevanten sonstigen „wesentlichen Bereich" tendiert das Gericht statt zur Annahme obligatorischer Beteiligungspflichten des Parlaments dazu, auf die fakultativen Einflussmöglichkeiten des Parlaments, die unabhängig von der konkreten Entscheidung bestehen, zu verweisen. 570 Dies wird eben dadurch mitbeeinflusst, dass die Betonung des Vorbehalts des Gesetzes bei der Bestimmung parlamentarischer Rechte zur Folge hat, dass auch schon bei der Bestimmung dessen, was „wesentlich" sein soll, reflexartig danach geschaut wird, ob die Materie überhaupt materiell-gesetzlich normierbar ist. Bei einer Normierung wird in erster Linie aber immer an die abstrakt-generelle Normierung von Rechtsverhältnissen der Bürger im Sinne einer allgemeinen Gestaltung derselben - eben an das klassische materielle Gesetz - gedacht werden, während die Normierbarkeit bei Einzelfälle betreffenden Entscheidungen - die ja, wie etwa der Haushalt, durchaus demokratisch wesentlich sein könn e n 5 7 1 - äußerst kritisch betrachtet 572 , bei grundrechtsspezifischen Sachlagen durch Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG sogar ausgeschlossen wird. Gleiches gilt in Fällen, in denen so kurzfristig gehandelt werden muss, dass eine Regelung durch Gesetz zu spät käme. 5 7 3 In beiden Fällen jedoch eine zwingende parlamentarische Partizipation nur deshalb auszuschließen, weil man diese 569 Vgl. Busch, Das Verhältnis des Art. 80, S. 48, der von einer „völligen Priorität" des grundrechtlichen Blickwinkels in Rechtssprechung und Rechtswissenschaft spricht, wodurch das „in der Rechtspraxis nicht gleichermaßen bedeutungsvolle (demokratische) Fundament der Vorbehaltslehre" vernachlässigt werde. 570 Dies wird insbesondere in der Nachrüstungsentscheidung des BVerfG deutlich, in der es heißt (BVerfGE 68, 1, 109): „(Die Ablehnung des Gesetzesvorbehalts) bedeutet nicht, dass „objektiv wesentliche" Entscheidungen „am Bundestag" vorbei getroffen werden können. Der Bundestag kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse ausüben und dadurch auf die Entscheidung der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (Art. 67 Abs. 1 S. 1 GG)" (Herv. d. Verf.). 57 1 Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 20, weist zu Recht darauf hin, dass bei einer am Gesetzesbegriff orientierten Kompetenzbestimmung für das Parlament der materielle Gesetzesbegriff eine Beschränkung der parlamentarischen Zuständigkeit zur Folge hat, die dogmatisch nur mit dem Kunstgriff des Haushaltsgesetzes als „rein formellem Gesetz" umgangen werden konnte. Ähnlich Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 188 ff. 572 Vgl. Kloepfer, in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 204.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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mit gesetzlicher Regelung gleichsetzt, erscheint nicht angemessen 574 , da weder in Fällen von Einzelentscheidungen, noch in dringenden Angelegenheiten die Möglichkeit eines einfachen Parlamentsbeschlusses, ohne das zeitraubende Gesetzgebungsverfahren einhalten zu müssen, möglich erscheint. Dies bedeutet im Ergebnis durch die Kompetenzabgrenzung mittels des Gesetzesbegriffs eine einseitige Konzentration auf die Funktion des Parlaments unter dem Gesichtspunkt der individuellen Freiheitsgewähr, während die politische Führungsaufgabe des Parlaments bei der Wahrnehmung der politischen Staatsleitung vernachlässigt w i r d . 5 7 5 (2) Lösungsansatz Alle drei sich aus der Wesentlichkeitsrechtsprechung ergebenden skizzierten Probleme lassen sich entschärfen, wenn man den von Kloepfer entwickelten Ansatz 5 7 6 verfolgt, und unter Rückbesinnung auf die den Vorbehalt des Gesetzes ursprünglich legitimierenden Gedanken der gerechtigkeitssichernden Gesetzesherrschaft und der die Völksherrschaft gewährleistenden Parlamentsherrschaft zwischen einem Rechtssatzvorbehalt auf der einen und einem Parlamentsvorbehalt auf der anderen Seite unterscheidet und nur in der Schnittstelle beider Vorbehalte einen Vorbehalt des parlamentarischen Gesetzes annimmt. Der Rechtssatzvorbehalt in diesem Sinne besagt, dass bestimmte Maßnahmen des Staates nur durch abstrakte und generelle Regelungen mit rechtlicher Außenwirkung wahrgenommen werden dürfen. 5 7 7 Hierfür kommen jegliche materielle Gesetze, also sowohl parlamentarische Gesetze, als auch Rechtsverordnungen und Satzungen in Betracht. Dieser Vorbehalt, dessen primärer Zweck die Sicherung der Freiheitssphäre der Bürger ist, kommt immer dann zum Tragen, wenn staatliche Maßnahmen die individu57 3
Kloepfer; in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 204, nimmt hier eine „faktische Unnormierbarkeit" an. 57 4 Böckenförde, in: NJW 1999, 1235, 1236 betont hingegen, dass entsprechend der Linie des BVerfG in der „Nachrüstungsentscheidung" (BVerfGE 68, 1, 109) die fakultativen Zugriffsrechte des Parlaments ausreichen. 575 Vgl. zu diesem Aspekt Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 93 f.; Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 25; im Ergebnis so auch Busch, Das Verhältnis des Art. 80 GG, S. 48. 57 6 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 693 ff.; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 209 ff.; im Ansatz zustimmend Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 122, die auf die „erhellende" Wirkung der Gegenüberstellung von Gesetzes vorbehält und Parlamentsvorbehalt hinweist; ähnlich auch Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 148 ff. 57 7 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 693; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 210. 1*
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
eile Freiheits- und Gleichheitsentfaltung substantiell verändern können. 5 7 8 In diesen Konstellationen soll er zum einen die Einwirkung auf Grundrechte und andere Rechtspositionen als Individualrechte vor willkürlicher Privilegierung und Diskriminierung im Einzelfall bewahren und zum anderen den Zwang ausüben, freiheitsbeeinträchtigende oder gleichheitsbelastende Maßnahmen mit Außenwirkung gegenüber kollektiven Interessen und Einwänden durchzusetzen. 579 Ein in diesem Sinne verstandener Rechtssatzvorbehalt belässt der exekutiven Rechtssetzung jeden Freiraum, da er mit dem Erfordernis des Rechtssatzes primär nur inhaltliche Konsequenzen fordert, während der ihn ergänzende Parlamentsvorbehalt formelle Konsequenzen verlangt. 580 Der Parlamentsvorbehalt in diesem Sinne besagt, dass bestimmte Sachfragen nur durch parlamentarische Entscheidung getroffen werden dürfen. Dafür ist im Gegensatz zum Parlamentsvorbehalt im Sinne der Wesentlichkeitstheorie nicht unbedingt die Gesetzesform erforderlich, vielmehr kann diese Funktion auch durch parlamentarische Zustimmungsbefugnisse oder durch bloße parlamentarische Entscheidungen, sog. schlichte Parlamentsbeschlüsse 581 , erfüllt werden. 5 8 2 Damit wird der Parlamentsvorbehalt der parlamentarischen Funktion im demokratischen System grundgesetzlicher Prägung gerecht, da hier parlamentarische Partizipation auch ohne die Allgemeinheit und Abstraktheit des Gesetzes möglich i s t . 5 8 3 Die an dieser Position geübte Kritik, wonach solche nichtgesetzlichen Beteiligungsrechte, wie etwa Zustimmungsvorbehalte, nicht die vom Gesetzesvorbehalt angestrebte Einschaltung von Parlament und öffentlicher Meinung bewerkstelligen, 5 8 4 vermag nicht voll zu überzeugen, da bereits die allgemeine parlamentarische Abstimmung von hoher politischer Bedeutung sein kann 5 8 5 und damit auch Öffentlichkeitsfunktion wahrnehmen kann. So kann aus dem 57 8
Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 210. 57 9 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 693; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 210. 580 Zu dieser „Funktionsteilung" vgl. Kloepfer, in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 211. 581 Vgl. zu diesen umfassend Seilmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß. 582 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 212; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 149; ebenso wohl auch Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 39. 583 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 96; vgl. zur Ungeeignetheit des Gesetzesbegriffes bei der Aufgabenbestimmung des Bundestages auch Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 23 ff. 584 Kisker, in: NJW 1978, 1313, 1319. 585 Hierzu Seilmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, S. 35 f., der zu Recht darauf hinweist, dass der politische Gehalt einer parlamentarischen Willensäußerung ihren rechtlichen Gehalt nicht ausschließt.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Demokratieprinzip auch keinesfalls das Gebot einer dreifachen Lesung im Gesetzgebungsverfahren abgeleitet werden. 5 8 6 Darüber hinaus verlangt schließlich das Zusammenspiel von Parlaments- und Rechtssatzvorbehalt bei zentralen, die Individualsphäre betreffenden, Themen doch die Regelung durch Gesetz mit der entsprechend erhöhten Öffentlichkeit. Dort kann das Gesetzgebungsverfahren eine erhöhte Legitimität der Entscheidung durch Verfahren bewirken, etwa in bundesstaatlicher Sicht durch die Beteiligung des Bundesrates. 587 Insgesamt geht die hier skizzierte Ansicht zu nicht-gesetzlichen Parlamentsentscheidungen damit über die erwähnte Position des BVerfG in der „Nachrüstungsentscheidung" 588 hinaus, da dort lediglich von einer fakultativen parlamentarischen Beteiligungsmöglichkeit gesprochen wird - ein „Dürfen" des Gesetzgebers - , während es vorliegend um eine obligatorische Parlamentsbeteiligung - ein „Müssen" des Gesetzgebers - geht, die auch durch einfachen Beschluss erfolgen kann. In der „Awacs-Entscheidung" hingegen nähert sich das Gericht der hier vertretenen Ansicht an, wenn es konstatiert, dass die Entscheidung über den konkreten Einsatz der Bundeswehr zwar konstitutiv vom Parlament zu treffen ist, es hierfür aber nicht der Regelungsform des Gesetzes bedürfe, sondern eine einfache Zustimmung genüge. 589 Eine parlamentarische Entscheidung im Sinne des Parlamentsvorbehalts ist insbesondere in solchen Sachmaterien notwendig, bei denen einzelne Maßnahmen die Entscheidungsmacht des Parlaments präjudizieren, aushöhlen oder direkt verändern können, oder bei normativen Entscheidungen, die von substantiellem Gewicht für das politische System sind wie politische Fundamentalentscheidungen mit Langzeitwirkung. 590 Hierbei ist der Parlamentsvorbehalt aber stets schonend mit den verfassungsrechtlichen Kompetenzen der übrigen Gewalten, insbesondere der Regierung, auszugleichen, wobei bei der Bestimmung die Reichweite parlamentarischer Gestaltungsspielräume vor allem die Bestimmungen der Verfassung über parlamentarische Einzelkompetenzen in den Blick zu nehmen sind. 5 9 1 Der Parlamentsvorbehalt sichert damit die parlamentarischen Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der grundgesetzlichen Gewaltenteilung, er gewährleistet durch die 586
Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, S. 149. Kloepfer, in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 212. 588 Wo es in BVerfGE 68, 1, 109 heißt: „(Die Ablehnung des Gesetzesvorbehalts) bedeutet nicht, dass „objektiv wesentliche" Entscheidungen „am Bundestag" vorbei getroffen werden können. Der Bundestag kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse ausüben und dadurch auf die Entscheidung der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (Art. 67 Abs. 1 S. 1 GG)" (Herv. d. Verf.). 589 Vgl. BVerfGE 90, 286, 383 ff. 590 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. 591 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. 587
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
parlamentarische Beschlussfassung die öffentliche politische Konsenssicherung und -bildung und die für die Demokratie essentielle öffentliche Auseinandersetzung um wichtige politische Entscheidungen. 592 Zieht man die Aussagen beider Vorbehalte zusammen, so ergibt sich, dass nur im Überschneidungsbereich beider Vorbehalte, wo wegen der substantiellen Berührung von Individualrechtspositionen der Rechtssatzvorbehalt und zugleich wegen der Entscheidung von Fragen mit substantiellem Gewicht für das politische System auch der Parlamentsvorbehalt eingreift, regelmäßig ein Handeln durch parlamentarisches Gesetz erforderlich w i r d . 5 9 3 Ob es in diesem Falle ausreicht, dass der parlamentarische Gesetzgeber dem Verordnungsgeber eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsnorm zur Verfügung stellt oder ob im Überschneidungsbereich wie in der Wesentlichkeitsrechtsprechung von einem Delegationsverbot auszugehen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es spricht nach der hier vertretenen Systematik aber einiges dafür, ersterer Ansicht zu folgen und Delegationsverbote nur bei ausdrücklicher grundgesetzlicher Anordnung anzunehmen.
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Im Ergebnis wird durch die hier eingeführte Differenzierung zwar ebenso wie bei der Wesentlichkeitstheorie keine exakte Bestimmtheit erreicht 595 , es wird aber eine deutliche Präzisierung nicht zuletzt dadurch geschaffen, dass bei der Trennung von Rechtssatzvorbehalt und Parlamentsvorbehalt die dieser zugrundeliegenden differenzierten Beurteilungsmaßstäbe offengelegt werden. 5 9 6 c) Anwendung der entwickelten Grundsätze auf die Veräußerung von Verwaltungsvermögen Fraglich ist, ob bei Zugrundelegung der entwickelten Grundsätze die Veräußerung von Verwaltungsvermögen einer parlamentarischen Beteiligungspflicht unterliegt.
592 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 211. 593 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 695; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 214. 594 So die Position von Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 695; ders., in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 214. 595 Dies muss auch Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694 einräumen. 596 So auch Sobota, Prinzip Rechtsstaat, S. 122.
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aa) Rechtssatzvorbehalt Nach dem Ausgeführten kommt der Rechtssatzvorbehalt immer dann zum Tragen, wenn staatliche Maßnahmen die individuelle Freiheits- und Gleichheitsentfaltung substantiell verändern können. Dies gilt für jegliche Einwirkungen auf Individualrechtspositionen, sei es durch klassische Eingriffe oder unter Umständen auch durch Leistungen oder sonstige Veränderungen des für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Umfelds. Wie oben bereits dargelegt 597 , scheidet ein Grundrechtseingriff bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen aus. Der Rechtssatzvorbehalt bezieht sich aber, ebenso wie die Wesentlichkeitstheorie, nicht nur auf Grundrechtseingriffe, sondern auch auf substantielle Veränderungen des Umfelds der Grundrechtsbetätigung. Bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen könnte dies insoweit durch eine Veränderung der zwischen Bürger und Staat bestehenden Verwaltungsbeziehung der Fall sein, zu deren Verwirklichung der zu veräußernde Vermögensgegenstand eingesetzt wurde. Dies kann freilich nur dann gelten, wenn diese Verwaltungsrechtsbeziehung im grundrechtlichen Kontext steht. Zu denken ist insoweit an Beziehungen im Rahmen der Abwicklung grundrechtlicher Leistungs- und Teilhaberechte gegenüber dem Staat, an die Erfüllung staatlicher Schutzpflichten oder an die staatliche Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Sofern diese grundrechtlichen Rahmenbedingungen durch die Vermögensveräußerung substantiell verändert werden können, weil die entsprechenden staatlichen Aufgaben ohne das Vermögen nicht oder nur erschwert erfüllt werden können, könnte durchaus an die Anwendung des Rechtssatzvorbehalts gedacht werden. Dass eine solche substantielle Einwirkung möglich ist, muss indes bezweifelt werden. Dem steht zum einen die staatliche Verpflichtung zur Funktionsgewährleistung der Verwaltung 598 entgegen, nach der der Staat auch bei der Veräußerung die funktionsgerechte Erfüllung der Verwaltungsaufgabe sicherstellen muss. Um wiederum die Einhaltung dieser Verpflichtung zu kontrollieren, bedarf es aber nicht eines Gesetzes im materiellen Sinne. Hierfür genügen die durch den Parlamentsvorbehalt garantierten Beteiligungsrechte. Zum anderen ist auch das Überschreiten der Schwelle zur substantiellen Beeinflussung des grundrechtsrelevanten Raumes nach der - hier übertragbaren - Rechtsprechung des BVerfG zur Wesentlichkeitstheorie eher höher anzusetzen. So hat das Gericht unter anderem festgestellt, dass die Regelung der Behördenzuständigkeit und des Verwaltungsverfahrens nicht bis in alle Einzelheiten dem Gesetz vorbehalten sei. 5 9 9 Wenn dies für die Bereiche Zuständigkeit und Verfahren gilt, die für 597 598 599
s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. II. 3. b). s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. I. BVerfGE 40, 237, 250.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger und damit für dessen Grundrechtsverwirklichung nicht von unerheblicher Bedeutung sind, muss es aber erst Recht für Festlegung der Eigenschaft des zur Verwaltungsleistung benötigten Mittels gelten, um welches es sich aus funktionaler Sicht des Bürgers bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen ja handelt. Aus dem Rechtssatzvorbehalt können nach alledem keine Schlussfolgerungen auf die Zuständigkeit zur Veräußerung von Verwaltungsvermögen gezogen werden. bb) Parlamentsvorbehalt Wo der Rechtssatzvorbehalt mangels einer substantiellen Veränderung der Individualsphäre wie hier nicht eingreift, kann dennoch der Parlamentsvorbehalt einschlägig sein, weil es sich um eine Entscheidung mit substantiellen Auswirkungen auf das politische System, insbesondere essentielle parlamentarische Mitentscheidungsbefugnisse, handelt. 6 0 0 Wann eine solche Entscheidung substantielle Auswirkungen zeitigt, ist damit jedoch noch nicht bestimmt. Wie auch nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Wesentlichkeitstheorie steht allerdings fest, dass - will man einen Gewaltmonismus verhindern - allein die politische Umstrittenheit einer Entscheidung diese weder „wesentlich" 6 0 1 , noch substantiell macht. Die Umstrittenheit von Vermögensveräußerungen macht diese damit noch nicht „parlamentspflichtig". Der Parlamentsvorbehalt soll vielmehr erst dann einschlägig sein, wenn etwa politische Fundamentalentscheidungen mit Langzeitwirkung anstehen, wenn Entscheidungen über grundsätzliche Gewaltenverschiebungen zwischen Verfassungsorganen oder die grundsätzliche Verteilung politischer, ökonomischer und sozialer Entscheidungsbefugnisse zwischen Staat und Gesellschaft getroffen werden müssen, oder bei Maßnahmen, welche die Entscheidungsmacht des Parlaments präjudizieren, aushöhlen oder direkt verändern können. 6 0 2 Die förmlichen Gesetzesvorbehalte des Grundgesetzes können insoweit Anhaltspunkte für eine Konkretisierung liefern. 6 0 3
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Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. BVerfGE 49, 89, 126; anders Kisker, in: NJW 1978, 1313, 1318, der das „Wesentliche" als das „politisch Kontroverse" definiert. Kritisch hierzu Busch, Das Verhältnis des Art. 80 GG, S. 52, der die Ansicht Kiskers in ihrer Absolutheit zwar ablehnt, dem Kriterium des politisch Kontroversen jedoch Indizcharakter bei der Bestimmung des „Wesentlichen" zukommen lässt. 602 Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. 603 Busch, Das Verhältnis des Art. 80, S. 48; Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. 601
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Dass der Parlamentsvorbehalt auch zum Tragen kommt, wenn Grundrechte als objektive Gestaltungsstrukturen des politischen Systems unmittelbar oder in ihrer faktischen Wirkung substantiell berührt werden 6 0 4 , in diesem Fall sowohl Parlaments- als auch Rechtssatzvorbehalt greifen, spielt für die vorliegende Konstellation nach obigem Ergebnis zum Rechtssatzvorbehalt keine Rolle. Auch kann bei der Entscheidung über die Veräußerung von Verwaltungsvermögen schwerlich von einer Grundentscheidung des Staates gesprochen werden, worunter all diejenigen Entscheidungen zu verstehen sind, die für die Zielsetzung und Gestaltung des Staates in Gegenwart und Zukunft richtungweisend und grundlegend sind 6 0 5 . Hiervon könnte allenfalls in dem äußerst unwahrscheinlichen Fall die Rede sein, in dem es um die Veräußerung sämtlichen Verwaltungsvermögens ginge. Die Anwendung des Parlamentsvorbehalts kann hingegen unter drei anderen Gesichtspunkten bejaht werden. (1) Die einschlägigen Fallgruppen (a) Präjudizierung künftiger parlamentarischer Entscheidungen Zunächst kann die staatspolitische Tragweite einer Entscheidung in Abhängigkeit zu ihren finanziellen Folgelasten betrachtet werden. 6 0 6 Diesbezüglich kann zur Begründung eines Parlamentsvorbehalts der Gedanke der Präjudizierung der künftigen Entscheidungsmacht des Parlaments fruchtbar gemacht werden. Dieser greift in all denjenigen Fällen, in denen bei der Veräußerung von Verwaltungsvermögen feststeht, dass die beim Verwaltungsträger verbleibende Vermögensmasse nicht zur Erfüllung der künftigen Verwaltungsaufgaben genügt - also in denjenigen Fällen, in denen der veräußerte Gegenstand im Sinne des § 63 Abs. 2 BHO zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben weiterhin benötigt wird. In einer derartigen Konstellation steht fest, dass zur Aufrechterhaltung der Verwaltungstätigkeit neue Vermögensgegenstände zu Eigentum erworben oder angemietet werden müssen. Sofern die Summe der Veräußerungen eine gewisse Grenze überschreitet und ein finanziell entsprechend großer Ersatzbeschaffungsbedarf entsteht, wird dadurch aber die Entscheidungsfreiheit des künftigen Haushaltsgesetzgebers substantiell geschmälert. Dieser muss in Zukunft entsprechende Gelder zur Verfügung stellen, um der staatlichen Verpflichtung zur funktionsgerechten Erfüllung seiner Aufgaben genüge zu tun. Als Alternative verbleibt ihm einzig die Möglichkeit, die Aufgabe, zu deren Erfüllung das Vermögen benötigt wird, ebenfalls wie das Vermögen auf einen Dritten zu übertragen, 604 605 606
Kloepfer, in: JZ 1984, 685, 694. Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, S. 63. Im Ansatz Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 122.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
was jedoch im Bereich bestimmter staatlicher Aufgaben nicht möglich ist. Eine damit zu konstatierende derartige Beschränkung der dem Parlament zustehenden Haushaltsgewalt darf aber nur vom Parlament selbst beschlossen werden. Ein entsprechender Grundsatz wird in dem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG deutlich. So begründet die staatliche Kreditaufnahme Verbindlichkeiten zur Verzinsung und Tilgung, die in künftigen Haushaltsjahren erfüllt werden müssen. Sie präjudiziell 6 0 7 damit den späteren Haushaltsgesetzgeber und beraubt ihn eines Teils seiner Handlungsfreiheit. Genau hiervor soll ihn der entsprechende Gesetzesvorbehalt schützen und verhindern, dass eine solche Präjudizierung ohne parlamentarische Partizipation erfolgt. 6 0 8 Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG ist insoweit Ausdruck des demokratischen Parlamentsvorbehalts, nicht eines rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts. 609 Dieser Rechtsgedanke kann aber - will man die Haushaltsgewalt des Parlaments ernst nehmen - nicht nur auf die Aufnahme von Krediten beschränkt bleiben. Vielmehr ist Art. 115 GG als deklaratorische Festschreibung eines allgemeinen Grundsatzes zu verstehen. 6 1 0 Im Bereich der Kreditaufnahme bedurfte diese Regel nur einer besonderen Ausformung, da das Parlament hier durch einen einmal aufgenommenen Kredit gebunden ist und die Belastung nicht einseitig widerrufen kann. Gleiches gilt für sonstige Maßnahmen, die den Bund oder die Länder verpflichten können, ohne dass dem Parlament hier die Möglichkeit zur späteren Änderung der Verpflichtung zukäme. Für solche Verpflichtungen ist entsprechend in §§ 22 HGrG und 38 BHO festgelegt worden, dass sie nur zulässig sind, soweit der Haushaltsplan hierzu (in Form sog. Verpflichtungsermächtigungen) ermächtigt. Dies ist Ausdruck des demokratischen Grundsatzes, wonach die Exekutive für das Eingehen finanzieller Verpflichtungen jeder Art der parlamentarischen Ermächtigung bedarf. 611 Nicht nötig ist eine solche Regel im Bereich der finanzwirksamen Gesetzgebung. Solche finanzwirksamen Gesetze, die zwar den Haushaltsgesetzgeber insoweit binden, als er verpflichtet ist, die zur Gesetzesausführung benötigten Beträge bereitzustellen 612 , können vom Gesetzgeber jederzeit - notfalls auch 607
Friauf in: HStR IV, § 91, Rdnr. 24. Zur Funktion des in Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG normierten Gesetzes Vorbehaltes s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. II. 1. b) bb) (1). 609 Vogel, in: HStR IV, § 87, Rdnr. 80; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 16; ders., in: DÖV 1995, 141, 144; P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 294. 610 Dies gilt freilich nur für den formellen Inhalt des Art. 115 GG, der das Erfordernis einer parlamentarischen Zustimmung anordnet. Der materielle Inhalt des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG, wonach der Allgemeinheit Zukunftslasten ohne kompensierenden Nutzen nicht auferlegt werden dürfen, ist hingegen nicht verallgemeinerungsfähig (vgl. Henseler, in: AöR 108 (1983), 489, 560. 611 Fährmann, in: DÖV 1979, 886, 887. 608
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mit Hilfe eines gleichzeitig mit dem Haushaltsgesetz verabschiedeten Haushaltsstrukturgesetzes 613 - abgeändert werden und sind ursprünglich auch von diesem beschlossen worden. Beziehen sich die genannten Normen auf das unmittelbare Eingehen der Verpflichtung, so besteht kein Grund, den Parlamentsvorbehalt nicht auch schon in das Vorfeld des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts auszudehnen. Dies erscheint dann gerechtfertigt, wenn durch eine konkrete staatliche Maßnahme quasi eine „Verpflichtung zur späteren Verpflichtung" geschaffen wird. Schon in diesem Moment findet die Präjudizierung künftiger Haushaltsentscheidungen statt, die nur durch das Parlament selbst getätigt werden darf. Würde der Parlamentsvorbehalt hier nicht greifen, bestünde die Gefahr, die parlamentarischen Rechte dadurch zu umgehen, dass faktische Lagen geschaffen werden, in denen der Haushaltsgesetzgeber ohne vorherige eigene Entscheidungsmöglichkeit präjudiziell wird. Dementsprechend spielt es für die Wertung im vorliegenden Fall auch keine Rolle, ob die Veräußerung des Verwaltungsvermögens unmittelbar mit der Rückanmietung desselben Vermögensobjekts verbunden ist und deshalb möglicherweise als - nach Art. 115 Abs. S. 1 GG einem speziellen Gesetzesvorbehalt unterworfene - Kreditaufnahme zu werten ist. Sie gilt unabhängig davon, ob eine Verpflichtung zur künftigen Zahlung schon zum Veräußerungszeitpunkt in dem Sinne konkretisiert ist, dass feststeht, für welches Objekt von wem ein Nutzungsrecht erworben w i r d 6 1 4 , oder nur abstrakt feststeht, dass solche Verpflichtungen in Zukunft getätigt werden müssen. Entscheidend ist das Vorliegen einer Notwendigkeit zur künftigen Verpflichtung, nicht der schon bestehende Verpflichtungsgrund. Ob dies durch einen den Gesetzgeber bindenden Kredit oder eine in der Wirkung gleiche Verpflichtung geschieht, ist irrelevant, sofern feststeht, dass der Gesetzgeber bei einer Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das weiterhin benötigt wird, genauso zwingend Gelder für die künftige Aufgabenerfüllung bereitstellen muss - will er die Aufgabe nicht ebenfalls wie bereits das Vermögen einem Dritten übertragen - wie er bei einer Kreditaufnahme in der Zukunft Gelder für Zins und Tilgung benötigt. Ist dies der Fall, wird die künftige Haushaltsgewalt des Parlaments präjudiziell, was nur mit seiner Zustimmung zulässig ist und damit den Anwendungsbereich des Parlamentsvorbehalts eröffnet. 612 Zur Bindung des Haushaltsplans an die allgemeine Gesetzgebung s.o., 2. Teil, 1. Kap., B. I. 1.; umfassend Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 167 ff. 613 Zur Haushaltsgewalt des Bundestages bei der Verabschiedung von Haushaltsstrukturgesetzen Moeser, Bundestag und Haushaltsgewalt, S. 95 ff. 614 Ist es das veräußerte Objekt und der künftige Nutzungsrechtseinräumer der Erwerber des veräußerten Gegenstandes liegt eine Kreditaufnahme vor, s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. II. 2.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Der Annahme eines solchen Parlamentsvorbehalts steht auch nicht das Argument entgegen, es handele sich insoweit um einen Eingriff in den Kernbereich exekutiver Tätigkeit. Zum einen muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Veräußerung von Vermögen nach dem Wortlaut des Grundgesetzes eben nicht der Exekutive zugewiesen ist, sondern dass diesbezüglich eine kompetentielle Lücke vorliegt. In einem solchen kompetentiell offenen Regelungsbereich besteht aber keine Möglichkeit, dass ein demokratisch definierter Parlamentsvorbehalt in Konflikt zu konkreten Kompetenzaussagen der Verfassung tritt. 6 1 5 Zum anderen wäre es widersinnig, dem Parlament den Einwand des Eingriffs in die Kompetenzsphäre der Regierung entgegenzuhalten, wenn dieses mit der Annahme eines Parlamentsvorbehalts seinerseits vor einem Eingriff der Regierung in seine Kompetenz der Haushaltsgewalt bewahrt werden soll. (b) Verfahrensrechtliche Seite des Funktionsfähigkeitsvorbehalts Zum anderen führt der oben hergeleitete Funktionsfähigkeitsvorbehalt der Verwaltung dann zur Anwendung des Parlamentsvorbehalts, wenn Vermögen veräußert werden soll, das weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt wird. Der Funktionsfähigkeitsvorbehalt bestimmt, dass es der Staat von Verfassungs wegen zu unterlassen hat, die Funktionsfähigkeit seiner Verwaltung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zu gefährden und daher, wenn er sich zum Verkauf entschließt, entsprechende Vorkehrungen treffen muss, um Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu begegnen. 6 1 6 Insoweit bedarf es aber eines präventiven Überwachungsrechts des Parlaments, da die Ergebnisse einer Veräußerung, zumal wenn diese an einen Privaten erfolgt, in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Eine „reaktive" Kontrolle der Veräußerung durch das Parlament im Rahmen seiner Haushalts-, Auskunfts- und Beschlussrechte läuft daher bei der Sicherung des Funktionsfähigkeitsvorbehalts leer. Die präventive parlamentarische Kontrolle hat hingegen sicherzustellen, dass die Anforderungen des Funktionsfähigkeitsvorbehalts auch wirklich erfüllt sind und in einem vertraglichen Gesamtwerk zwischen Veräußerer und Erwerber hinreichende Vorkehrungen getroffen sind, oder dass eine schlüssige Planung vorliegt, 615
Nach Busch, Das Verhältnis des Art. 80 GG, S. 50. Dieses Verständnis scheint auch der Entscheidung des NW VerfGH zur Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium (NJW 1999, 1243, 1245) zugrunde zu liegen, in der das Gericht erst auf die Wesentlichkeit der Entscheidung rekurriert, nachdem es festgestellt hat, dass die Organisationsgewalt weder eindeutig der Exekutive, noch der Legislative zugeordnet ist. 616 s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. I. 1. c).
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durch welche Vermögensgegenstände die Funktion der veräußerten ersetzt werden kann. Man kann von einer verfahrensrechtlichen Sicherung eines materiellen Grundsatzes sprechen. Entsprechend motiviert ist auch der in der Verfassung von Sachsen-Anhalt angeordnete Parlamentsvorbehalt bei der Veräußerung von Landesvermögen. Diese Vorschrift sichert verfahrensrechtlich die Erhaltung der Substanz des Landesvermögens. 617 Zwar wird insoweit mehr als nur der Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bezweckt, doch bleibt dieser als Teilaspekt mitverfolgt. Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen bedarf insoweit der parlamentarischen Zustimmung. (c) Eingeschränkter genereller parlamentarischer Einnahmevorbehalt Schließlich unterliegt die Veräußerung von Verwaltungsvermögen auch unter dem Gesichtspunkt eines eingeschränkten generellen Einnahmevorbehalts dem Parlamentsvorbehalt, wenn die durch die Veräußerung erzielten Erlöse von gewissem Gewicht sind. In der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist das Parlament nicht allein Gesetzgebungs- und Freiheitsschutzorgan, sondern auch Inhaber einer politischen Führungsrolle bei der Wahrnehmung der politischen Staatsleitung. 618 Dabei machen etwa die Art. 59 Abs. 2 GG und 115 a Abs. 1 GG klar, dass die Zuständigkeit oder Mitwirkung des Parlaments bei bestimmten Akten von politischer Bedeutung auch außerhalb der materiellen Rechtssetzung liegen kann. 6 1 9 Vielmehr ist jede Entscheidung, die substantiell für die Staatsleitung ist und nicht eindeutig und ausschließlich der Exekutive vorbehalten ist, der parlamentarischen Entscheidung vorbehalten. 620 Für den Bereich des Haushaltsrechts stellt Art. 110 Abs. 2 GG eine besondere Regelung der parlamentarischen Beteiligung auf, die als Ausdruck des allgemeinen Beteiligungsrechts des Parlaments bei der Staatsleitung zu werten ist. Art. 110 Abs. 2 GG ist daher keinesfalls eine Ausnahmevorschrift, die einschränkend auszulegen ist und jeden Analogieschluss auf andere Gebiete des Staatsrechts ausschließt. 621 Kommt in der Vorschrift der Gedanke der parlamentarischen Mitwirkung bei der Staatsleitung in 617
Mahnke, Verfassung Sachsen-Anhalt, Art. 92, Rdnr. 1. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzes vorbehalte, S. 94 f. 619 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 96. 620 Unter Geltung der Wesentlichkeitstheorie ist eine Entscheidung wesentlich, wenn sie wesentlich für die Wahrnehmung der Staatsleitung ist (NW VerfGH NJW 1999, 1243, 1245). 621 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 99. 618
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Form der Wirtschaftsführung zum Ausdruck, so wird dieses Mitwirkungsrecht durch Art. 110 Abs. 2 GG jedoch nur unzureichend umgesetzt. Wie bereits mehrfach betont, kommt dem Haushaltsplan lediglich auf seiner Ausgabenseite eine die Regierung bindende Wirkung bei, während er auf der Einnahmeseite als Voranschlag ein bloßer Erkenntnis- kein Willensakt bleibt. 6 2 2 Aus diesem Grunde vermag der (zwingende) Parlamentsvorbehalt in Art. 110 Abs. 2 GG den Einfluss der Volksvertretung auf die staatliche Wirtschaftsführung nur unvollkommen, nämlich auf der Ausgabenseite sicherzustellen. 623 Für die Einwirkung auf die Staatspolitik mit Hilfe einer Programmierung der staatlichen Wirtschaftsführung ist die Entscheidungsmacht des Parlaments über das Einnahmevolumen aber von nicht geringerer Bedeutung als die über die Ausgaben. 624 Die Einnahmeerzielung bestimmt die Ausgabendecke 6 2 5 , sie determiniert das finanzielle Handlungspotential der Regierung. Die Bedeutung der Einnahmesteuerung muss um so höher eingeschätzt werden, als die Mitbestimmung des Parlaments auf der Ausgabenseite angesichts der vielfältigen Vordetermination durch finanzwirksame Gesetze äußerst beschränkt i s t 6 2 6 . Es erscheint daher gerechtfertigt, den haushaltsrechtlichen Ausgabenvorbehalt um einen ebenso zwingenden parlamentarischen Einnahmevorbehalt zu ergänzen. 627 Ein solcher Einnahmevorbehalt muss freilich nicht im Sinne eines jährlichen Einnahmebewilligungsrechts verstanden werden 6 2 8 , wie es dem Haushaltsbewilligungsrecht des Konstitutionalismus zugrunde lag, sondern als Vorbehalt der Zustimmung zur Erzielung der Einnahme dem Grunde nach. So steht es in der Macht des Parlaments, jede Einnahme, die auf parlamentarischem Gesetz beruht, jederzeit zu ändern oder abzuschaffen, wenn es der Meinung ist, dass der finanzielle Handlungsspielraum der Regierung zu verkürzen ist. Dies gilt insbesondere bezüglich der staatlichen Hauptfinanzierungsquelle, den Steuern und Abgaben, für die eine gesetzliche Grundlage zur Erhebung erforderlich ist, da insoweit der rechtsstaatliche Rechtssatzvorbehalt und der Parlamentsvorbehalt in der Fallgruppe der Gestaltung substantieller grundrechtlicher Frei622
Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzes vorbehalte, S. 103. Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 110 GG, Rdnr. 14; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 277 spricht davon, dass die Funktion der Lenkung der Staatstätigkeit auf der Einnahmeseite entfällt. 624 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 103. 625 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 264. 626 s.o., 2. Teil, 1. Kap., B. I. 1. 627 So ausdrücklich Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzes vorbehalte, S. 104, wobei er seine Betrachtung allerdings unter der primären Perspektive der Steuereinnahmen vornimmt. Zurückhaltend zustimmend Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. All („es liegt nicht fern"). 628 So aber Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 104. 623
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räume einschlägig ist. Ein jährliches Bewilligungsrecht erscheint insoweit überflüssig. Im Bereich sonstiger Einnahmen, die nicht aus sonstigen Gründen dem Parlamentsvorbehalt unterfallen und auch nicht gesetzlich geregelt sind, ist es hingegen angebracht, dem Parlament das Recht zuzugestehen, ihre Höhe und damit das finanzielle Handlungspotential der Regierung zu bestimmen. Eine Ausnahme ist lediglich für solche Einnahmen zu machen, die in ihrer finanziellen Bedeutung als unerheblich angesehen werden können und das Handlungspotential der Regierung nicht wesentlich erhöhen. Der in den Landesverfassungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt niedergelegte Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zur Veräußerung von Landesvermögen mit der Ausnahme von Fällen von geringer Bedeutung enthält damit nur eine besondere - deklaratorische - Ausformung dieses Rechts. 629 Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Verfassung eine solche Konzeption ausschließe. Die im einfachen Recht und im ausdrücklichen Verfassungstext des GG niedergelegte Rechtslage, dass die Einnahmen keiner gesonderten Bewilligung bedürfen, ist vielmehr keine logische Notwendigkeit. 630 Der Annahme eines solchen Vorbehalts - verstanden als Vorbehalt dem Grunde nach - kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er im Ergebnis auf eine Überforderung des Parlaments hinauslaufe. So ist für die Hauptfinanzierungsquelle des Staates, den Bereich der Steuern und Abgaben, wie erwähnt, ohnehin eine gesetzliche Grundlage zur Erhebung erforderlich, wodurch dem Erfordernis des Einnahmevorbehalts - einer Zustimmung zur Erzielung einer bestimmten Einnahme dem Grunde nach - genüge getan ist. Für den Bereich der Kreditaufnahme schließlich schreibt bereits Art. 115 Abs. 1 GG die Notwendigkeit eines Parlamentsgesetzes fest. Daneben fällt ein allgemeiner Einnahmenvorbehalt, was die Anzahl seiner Anwendungsfälle betrifft, nicht bedeutend ins Gewicht, er bleibt nahezu ausschließlich auf die Einnahmeerzielung durch Vermögensveräußerung beschränkt. Auch hier führt er zu keiner funktionsinadäquaten Überlastung des Parlaments, da unwesentliche Einnahmen, etwa solche die im Rahmen der laufenden Verwaltung anfallen, - abgesehen von ihrer haushaltsrechtlichen Erfassung - zustimmungsfrei bleiben. Darüber hinaus bleibt zu erwägen, ob nicht die allgemeine parlamentarische Zustimmung zu den 629
Die Formulierung, dass durch den Zustimmungsvorbehalt das Budgetrecht eine weitere Ausformung erhalte (so Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Die vorläufige Verfassung, S. 151), erscheint jedoch bedenklich, da das in Art. 110 Abs. 2 GG niedergelegte Budgetrecht gerade keine verbindliche Zustimmungspflicht für staatliche Einnahmen enthält. Zu Recht weist in diesem Zusammenhang auch Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 459 darauf hin, dass der in § 64 Abs. 2 BHO niedergelegte Zustimmungsvorbehalt des Parlaments für die Veräußerung bestimmter Grundstücke nicht durch die Haushaltsgesetzgebung begründet ist. 630 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 263.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Einnahmen im Haushaltsgesetz möglicherweise zur Erfüllung des Einnahmevorbehalts ausreicht. 631 Nicht überzeugend ist letztlich auch die Ablehnung des Einnahmevorbehalts mit dem Argument, dieser verkenne die verschiedenen Möglichkeiten der Teilhabe des Parlaments an der Staatsleitung. 6 3 2 Der Parlamentsvorbehalt im Sinne dieser Arbeit unterscheidet sich gerade vom Gesetzesvorbehalt, indem er für die parlamentarische Partizipation an der Staatsleitung auch einfache Zustimmungsakte genügen lässt und hierfür kein Gesetz verlangt. Schließlich steht dem Einnahmevorbehalt auch weder der Gedanke der Organadäquanz, noch der Aspekt des Eingriffs in den Kernbereich der Regierung entgegen. Bezüglich des Kernbereichs der Regierungsgewalt kann hier zum einen auf das bereits in der Fallgruppe des „Präjudizierungsvorbehalts" Ausgeführte verwiesen werden. Der Gedanke der Organadäquanz besagt zum anderen, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden sollen, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. 633 Die besonderen Stärken der Exekutive im Rahmen der Haushaltsgewalt liegen in ihren Kapazitäten der Informationsverarbeitung und Koordination, weshalb der Regierung als Ausfluss der Gewaltenteilung vor allem die Aufstellung des Haushaltes und das alleinige Initiativrecht zugebilligt werden. 6 3 4 Diese Kompetenzen sprechen jedoch nicht gegen einen Einnahmevorbehalt, da es bei diesem nicht so sehr darum geht, die Regierung durch parlamentarischen Beschluss zur Erhebung bestimmter Einnahmen zu zwingen, sondern darum, die von der Regierung vorgesehene Erzielung von Einnahmen parlamentarisch zu sanktionieren. Von seiner systematischen Stellung her ist der Einnahmevorbehalt damit mit der parlamentarischen Entscheidung über den Budgetentwurf zu vergleichen, die das klassische Kerngebiet der Parlamentskompetenzen im Haushaltsrecht bildet 6 3 5 . Er greift auch nicht in den Haushalts Vollzug als zweitem kompetentiellen Bereich der Exekutive ein, da er nicht den Vollzug des Budgets, sondern ihre grundsätzliche Zulässigkeit im Sinne der „Ob-Entscheidung" betrifft. Damit wird das dem Grundgesetz zugrundeliegende Konzept der „Staatsleitung zur gesamten Hand", die als „kooperativer Prozess" zu erfolgen hat, 6 3 6 nicht beeinträchtigt, sondern vielmehr realisiert. 631
S. hierzu 3. Teil, 1. Kap., B. I. 2. c) bb) (2). So gegen den von Papier vertretenen Einnahmevorbehalt Seiler, Der einheitliche Parlaments vorbehält, S. 121. 633 BVerfGE 68, 1, 86; 98, 218, 252. 634 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 303. 635 Umfassend zur parlamentarischen Entscheidung über die Haushaltsgesetzgebung Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 321 ff. 632
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(d) Zwischenergebnis Im Ergebnis unterliegt die Veräußerung von Verwaltungsvermögen damit in dreierlei Hinsicht dem Parlamentsvorbehalt. Einmal in Hinblick auf die durch die Veräußerung hervorgerufenen Folgelasten, zum zweiten mit Blick auf die durch die Veräußerung entstehenden tatsächlichen Folgeprobleme bei der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben sowie drittens unter den Aspekt der damit verbundenen Einnahmeerzielung. Allen drei Fällen gemeinsam ist, dass sie nur dann einschlägig sind, wenn es sich nicht um eine lediglich unbedeutende Veräußerung handelt. Während die beiden ersten Fallgruppen nur für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen gelten, das weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigt wird, greift der Einnahmevorbehalt auch bei der Veräußerung von Finanzvermögen. (2) Haushaltsplan und -gesetz als ausreichende Partizipation des Parlaments? Erklärt man den Parlamentsvorbehalt in den geschilderten Konstellationen für anwendbar, stellt sich die Frage danach, ob die aufgestellten Anforderungen des Parlamentsvorbehalts auch durch die mit dem Haushaltsgesetz erklärte parlamentarische Zustimmung zum Haushaltsplan erfüllt werden können. Dies würde dazu führen, dass eine Veräußerung von Verwaltungsvermögen nur noch dann einer parlamentarischen Zustimmung bedarf, wenn sie nicht bereits im Haushaltsplan vorgesehen ist. Hierbei ist zunächst auf den Unterschied zu der, vor allem im Zusammenhang mit der Vergabe von Subventionen diskutierten, Problematik hinzuweisen, ob das Haushaltsgesetz als geeignete formalgesetzliche Grundlage im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes der Wesentlichkeitstheorie angesehen werden kann. 6 3 7 Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Fragestellungen liegt dabei darin, dass es bei der herkömmlichen Diskussion im Rahmen des Gesetzesvorbehalt darum geht, ob die haushaltsgesetzliche Beschränkung auf den innerorganschaftlichen Rechtskreis, also die fehlende Außenwirkung im Verhältnis Staat - Bürger, es nicht ausschließt, durch Haushaltsgesetz den auf die Individualsphäre des Bürgers bezogenen Vorbehalt des Gesetzes zu erfüllen. 638 Spaltet man nach hiesigem Verständnis den Vorbehalt des Gesetzes in einen Rechtssatzvorbehalt und einen Parlamentsvorbehalt auf, so gewinnt das besagte Argument aber nur in Fragen 636
Vgl. Vgl. I, § 20, S. m. w.N. 638 Vgl. 637
15 Fleischmann
zu diesem Konzept Magiern, Parlament und Staatsleitung, S. 246 ff. hierzu aus der umfangreichen Literatur nur einführend Stern, Staatsrecht 810; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (R), Rdnr. 98 jeweils etwa die Zusammenfassung bei Ossenbühl, in: HStR III, § 62, Rdnr. 21.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
des Rechtssatzvorbehalts an Bedeutung. Dort fragt sich in der Tat, ob das herkömmlich als reines Innenrecht verstandene Haushaltsgesetz die Individualrechtssphäre der Bürger zu gestalten vermag. Beim Parlamentsvorbehalt im hier verstandenen Sinne stehen jedoch politische Entscheidungen von substantiellem Gewicht für das politische System im Vordergrund, die mehr objektiven Charakter haben 6 3 9 . Die Vermögensveräußerung bleibt ein staatsinterner Akt ohne Grundrechtsauswirkungen. Hier muss statt der Außenwirkung des Haushaltsgesetzes danach gefragt werden, ob dieses die in den drei Fallgruppen einschlägige Funktion des Parlamentsvorbehalts erfüllen kann. (a) Fallgruppe Einnahmevorbehalt Bezüglich der Fallgruppe des Einnahmevorbehalts ist dies der Fall, sofern die Veräußerung im Haushaltsplan vorgesehen ist und dort ein konkreter Erlösbetrag eingeplant ist. Auf den ersten Blick mag dieses Ergebnis überraschend erscheinen, da als Hauptargument für die Begründung des Einnahmevorbehalts doch angeführt wurde, dass die Erfassung der Einnahmen im Haushalt für das parlamentarische Recht der Mitwirkung an der Wirtschaftsführung der Regierung unzureichend sei. Dieses Argument wurde jedoch insoweit gebraucht, dass der haushaltsrechtliche Gesetzesvorbehalt in Art. 110 Abs. 2 GG die Erfassung der Einnahme im Haushaltsplan nicht zur zwingenden Voraussetzung ihrer Erhebung macht, so dass eine Erhebung ohne Zustimmung des Parlaments rechtmäßig sein kann. Art. 110 Abs. 2 GG und die Erfassung der Einnahme sind also zur Sicherung des parlamentarischen Einflusses nicht ausreichend. Ob die erteilte Zustimmung für den die Veräußerung vorsehenden Haushaltsplan aber als Mitwirkung genügt, ist damit nicht gesagt. Es wird gerade nicht ausgeschlossen, dass die tatsächlich erfolgte Zustimmung des Parlaments zum Haushaltsplan als ausreichende Zustimmung zu einer in ihm enthaltenen Veräußerung gewertet werden kann. Der Einnahmevorbehalt im geschilderten Sinne will verhindern, dass die Regierung eine Einnahme am Parlament vorbei erzielen kann und damit ihr finanzielles Handlungspotential einseitig erhöht. Um dies zu verhindern, genügt eine Zustimmung des Parlaments zur Einnahme dem Grunde nach. Wenn dies aber der Fall ist, müssen die damit aufgestellten Anforderungen immer dann als erfüllt gelten, wenn das Parlament einer Einnahmeerzielung konkret zugestimmt hat, sei es durch Gesetz, Beschluss oder Zustimmung zu dem den Haushaltsplan feststellenden Haushaltsgesetz. Die in § 64 Abs. 2 BHO aufgestellte Forderung, dass die Veräußerung von Grundstücken nur 639
Kloepfer,
in: Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, S. 213.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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dann der parlamentarischen Zustimmung bedarf, wenn ein Grundstück von besonderem Wert veräußert wird und die Veräußerung nicht im Haushaltsplan vorgesehen ist, entspricht damit genau den von der Verfassung aufgestellten Anforderungen. Demnach erscheint die Begründung, in § 64 Abs. 2 BHO dem Parlament ein Zustimmungsrecht nur bei fehlender Haushaltsveranschlagung zu gewähren, weil die gesetzgebenden Körperschaften bereits bei der Verabschiedung des Haushaltsplanes mit der Veräußerung befasst worden seien, so dass ihre Mitwirkung bei der Veräußerung selbst entbehrlich sei 6 4 0 , soweit sie sich auf Grundstücke bezieht, als richtig. Hinzuweisen bleibt jedoch darauf, dass diese Regelung sich nur auf Grundstücke, also nicht auf bewegliches Vermögen, bezieht. Dies mag insoweit erklärlich sein, als dass zu vermuten ist, dass durch die Veräußerung beweglichen Vermögens regelmäßig keine Erträge zu erzielen sind, die das finanzielle Handlungspotential der Regierung nennenswert erhöhen. Solche unbedeutenden Einnahmen unterliegen aber auch nicht dem Einnahmevorbehalt. (b) Fallgruppe Funktionsfähigkeitsvorbehalt Ist der Parlamentsvorbehalt jedoch aufgrund der ersten oder zweiten entwickelten Fallgruppe einschlägig, genügt die Zustimmung zum Haushaltsplan nicht. Offensichtlich ist dies in der zweiten Fallgruppe, in der der Parlamentsvorbehalt eine verfahrensrechtliche Sicherung des Funktionsvorbehalts der Verwaltung gewährleisten soll. Da das Parlament aus einem konkreten Haushaltsposten nicht ablesen kann, ob der zu veräußernde Gegenstand weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigt wird oder nicht, geschweige denn, welche Sicherungen getroffen wurden, um die fortlaufende Funktionsfähigkeit für den Verwaltungszweck zu erhalten, kann die Zustimmung zum Haushaltsentwurf nicht als Erfüllung des Parlamentsvorbehalts angesehen werden. (c) Fallgruppe Präjudizierungsvorbehalt Bezüglich der ersten Fallgruppe ließe sich auf den ersten Blick ein differenziertes Ergebnis rechtfertigen. Hier soll der Parlamentsvorbehalt sicherstellen, dass die künftige Entscheidungsmacht des Parlaments nicht ohne dessen Zustimmung präjudiziell wird. Elementare Voraussetzung für die Erfüllung des Parlamentsvorbehalts ist damit die Kenntnis von der Zwangsläufigkeit einer zukünftigen Belastung. Diese wird, wie eben schon er640
So Patzig, Haushaltsrecht II, C/64/9, Rdnr. 5 unter Verweis auf Begründung Tz. 386. 1*
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
wähnt, auf der Einnahmeseite des Haushalts bei der Erfassung der Veräußerung nicht deutlich. Steht die künftige Verpflichtung jedoch schon konkret fest und geht sie, was der absolute Regelfall sein dürfte, über das laufende Haushaltsjahr hinaus, muss sich nach §§ 22 HGrG, 38 BHO eine Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan finden, damit die Verpflichtung eingegangen werden kann. 6 4 1 Stehen also Veräußerung und konkretes Rechtsgeschäft zur Ersatzbeschaffung schon fest, liegen entsprechende Titel im Haushaltsplan vor, stimmt das Parlament mit dem Haushaltsplan seiner künftigen Etatbeschränkung in Form der Verpflichtungsermächtigung ausdrücklich zu. Damit könnte man den Zweck des Parlamentsvorbehaltes als erfüllt ansehen. Dabei wird nach der Systematik des Haushaltsplans allerdings die Verknüpfung von Veräußerung als Einnahme und Verpflichtung als Beschneidung künftiger Haushaltsgewalt nicht deutlich. Dies aber hat erhebliche Auswirkungen auf die Position des Parlaments in Bezug auf seine künftige Etatbeschränkung. Es wird Verpflichtungsermächtigungen für die Anmietung oder den Erwerb von Verwaltungsvermögen eher hinnehmen, wenn ihm nicht bekannt ist, dass genau diese Verpflichtungen durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen notwendig werden. W i l l man das Parlament vor einer übereilten künftigen Selbstbeschränkung auf der Basis unvollständiger Tatsachen schützen, kann daher auch die Zustimmung zum Haushaltsplan mit darin enthaltenen Verpflichtungsermächtigungen nicht dem Parlamentsvorbehalt genügen. Selbstverständlich ungenügend ist die Zustimmung zum Haushaltsplan, wenn die künftigen Verpflichtungen noch nicht feststehen und daher entsprechende Verpflichtungsermächtigungen fehlen. Hier weiß das Parlament schlicht nicht, dass es mit der Zustimmung zur Einnahmeerzielung durch die Veräußerung gleichsam in eine Falle tappt, einen Bedarf für zwingende künftige Ausgaben begründet und dadurch seine künftige Haushaltsgewalt beschränkt. 3. Gesamtergebnis Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen unterliegt dem Parlamentsvorbehalt und ist damit nur mit parlamentarischer Zustimmung zulässig, sofern durch die Veräußerung nicht unerhebliche Einnahmen erzielt werden, sofern durch die Veräußerungen der zwingende Bedarf zu finanziellen Folgeausgaben durch die Beschaffung alternativen Vermögens entsteht oder sofern nach der Veräußerung der veräußerte Vermögensgegenstand weiter von 641 Zum Zusammenhang zwischen Verpflichtungsermächtigung und dem Haushaltsgrundsatz der Vollständigkeit, s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. III. 2. a).
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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der Verwaltung genutzt werden soll. Während dem Parlamentsvorbehalt in ersterem Fall dadurch genüge getan werden kann, dass die Einnahme vor ihrer Erzielung in den Haushaltsplan aufgenommen wird, genügt dies in den beiden anderen Fallgruppen nicht. Hier bedarf es einer ausdrücklichen parlamentarischen Zustimmung zur Veräußerung. Dieses Ergebnis entspricht nur beschränkt der in den §§ 63, 64 BHO normierten Rechtslage. Bezüglich der Fallgruppen der Präjudizierung der parlamentarischen Haushaltsgewalt durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen und der Fallgruppe des Funktionsvorbehalts ist dies dadurch erklärbar, dass nach der derzeit geltenden BHO eine Veräußerung von Verwaltungsvermögen, das weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigt wird, noch unzulässig ist (§ 63 Abs. 2 BHO). In Hinblick auf die Fallgruppe Einnahmevorbehalt entspricht die haushaltsrechtliche Regelung über Grundstücke der Vorgabe des Parlamentsvorbehalts, während bei der Veräußerung beweglichen Vermögens eine Lücke besteht.
II. Staatsschuldenrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Gem. Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG bedarf die Aufnahme von Krediten einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen darüber hinaus nach Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Entsprechende, zum großen Teil identische Regelungen finden sich in den Landesverfassungen von 15 Bundesländern. 642 Grundgesetz und Länderverfassungen setzen damit die grundsätzliche Zulässigkeit einer kreditären Finanzierung des Staates voraus. 643 Der Finanzierung der öffentlichen Haushalte durch Kredite werden aber zugleich zwei Grenzen gezogen: Einmal wird die Aufnahme von Krediten verfahrensrechtlich (formell) 6 4 4 einem parlamentarischen Gesetzesvorbehalt unterworfen (Art. 115 Abs. 1 S.l
642
Eine Ausnahme bildet das Land Bremen. Dort findet sich eine Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG entsprechende materielle Begrenzung der Kreditaufnahme lediglich auf der Ebene des einfachen Rechts in § 18 Abs. 1 LHO (vgl. hierzu Quantmeyer, in: HB BremVerf, S. 454 f.). Ansonsten vgl. Art. 84 BaWüVerf; Art. 82 BayVerf; Art. 87 VerfBerl; Art. 103 Bbg Verf; Art. 72 Abs. 1 HambVerf; Art. 141 HessVerf; Art. 65 Verf M-V; Art. 71 NdsVerf; Art. 83 Verf NW; Art. 117 Verf Rh-Pf; Art. 108 SaarVerf; Art. 95 Sachs Verf; Art. 99 Verf LSA; Art. 53 Verf Schl-H; Art. 98 Abs. 2 ThürVerf. 643 BVerfGE 79, 311, 334; Friauf in: HStR IV, § 91, Rdnr. 17. 644 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 31.
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GG), zum anderen erfahren die Einnahmen aus Krediten eine materielle 645 Begrenzung durch die Summe der im Haushalt veranschlagten Investitionen. Beide Begrenzungen werden dann zur Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, wenn die hierdurch erzielten Einnahmen als Kredit zu behandeln sind. Dass es sich bei diesen offensichtlich nicht um herkömmliche Kredite in Form von vom Staat selbst auf den Kapitalmärkten aufgenommenen Darlehen handelt, liegt auf der Hand. Betrachtet man jedoch die ökonomischen Wirkungen einer Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit anschließender Rückmietung des Vermögens, ergeben sich Zweifel an der Richtigkeit des offensichtlich scheinenden Ergebnisses. 1. Bestimmung des Kreditbegriffs In den Verfassungen des Bundes und der Länder findet sich keine Definition des Kreditbegriffs. 646 Dementsprechend obliegt es der (Verfassungs-) Rechtssprechung den Begriff inhaltlich zu konkretisieren. Der Kreditbegriff ist dabei mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln, das heißt durch Wortlautinterpretation, teleologische Betrachtung und systematische Analyse der Stellung des Art. 115 GG im Gesamtzusammenhang der Finanz Verfassung zu bestimmen. 647 a) Bestimmung des Kreditbegriffs in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von Bund und Ländern In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von Bund und Ländern finden sich nur wenige Ausführungen zum Kreditbegriff. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um eine angeblich verfassungswidrige Kreditfinanzierung des Staates steht vielmehr stets die Auslegung der materiellen Begrenzungsvorschriften. Insbesondere der Begriff der „Investition" 6 4 8 und das Vorliegen einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" 649 sind dabei vielfach Gegenstand verfassungsrechtlicher Streitigkeiten geworden. Erst in jüngster Zeit gelangte auch der Kreditbegriff ins Visier einiger landesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen, die sich mit der Zulässig645 Vgl. Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 43; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 31. 646 F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 245; Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 105; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 36; vgl. auch BerlVerfGH, NVwZ-RR 1997, 506. 647 Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 105. 648 Vgl. etwa BVerfGE 79, 311, 337. 649 Vgl. etwa BVerfGE 79, 311, 343 ff.
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keit der Vorfinanzierung von Infrastrukturmaßnahmen (vor allem im Bereich des Straßenbaus) durch Private zu beschäftigen hatten. Das Bundesverfassungsgericht hat bislang - soweit ersichtlich - noch nie eine ausdrückliche Bestimmung des Kreditbegriffs vorgenommen. In seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit einer Investitionshilfeabgabe kommt das Gericht - obiter dictum im Rahmen der Frage, ob Art. 115 GG dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Investitionshilfegesetzes einräumt - zu dem Ergebnis, dass „Aufnahme von Krediten" „die Kreditbeschaffung am Markt auf vertraglich-freiwilligem Weg" meine. 6 5 0 Als Zweck der Beschränkung der Kreditaufnahme wird genannt, dass der Bund nicht durch parlamentarisch unkontrollierte Eingehung lang- und kurzfristiger Schulden in unübersehbare RückZahlungsverpflichtungen verstrickt werden solle, die künftige Haushalte nachhaltig belasten. 651 Diese Tendenz einer an den ökonomischen Wirkungen des Kredits und am Normzweck des Art. 115 Abs. 1 GG orientierten Begriffsbestimmung findet sich auch in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsgesetzes 1981. 6 5 2 Dort wird betont, dass es die Funktion des Art. 109 Abs. 2 GG sei, für die staatliche Kreditaufnahme eine Regulierungsfunktion auszuüben und zu verhindern, dass sich unterhalb der Höchstgrenze des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GG ein stetig wachsender Schuldensockel bilde, der schließlich die Fähigkeit des Staatshaushaltes, auf die Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu reagieren, in Frage stellt. 6 5 3 Die Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte liefert zumindest einige Ansätze zur Definition des Kreditbegriffs. Anlässlich einer Entscheidung 6 5 4 über eine Vereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Landesinvestitionsbank Berlin definiert der Berliner Verfassungsgerichtshof den in Art. 75 der Berliner Verfassung verwendeten Begriff der „Anleihe", der inhaltlich dem des „Kredites" in Art. 115 Abs. 1 GG entspricht 655 , als „Beschaffung von Geldmitteln, die zurückgezahlt werden müssen. Auf die Art und Weise und die rechtliche Ausgestaltung der Kreditaufnahme kommt es (...) nicht a n . " 6 5 6 Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hatte sich bei seiner Entscheidung 657 über das sogenannte „Mogendorfer Modell" zur privaten Vorfinanzierung staatlicher Infrastrukturvorhaben im Straßenbau ebenfalls mit der Problematik des Kreditbegriffs zu beschäftigen. Seiner 650 651 652 653 654 655 656 657
BVerfGE 67, 256, 280. BverfGE 67, 256, 281. Urt. v. 18.4.1989, BVerfGE 79, 311 ff. BVerfGE 79, 311, 355 f. Beschl. v. 8.4.1997 - VerfGH 78/96. BerlVerfGH, NVwZ-RR 1997, 506. BerlVerfGH, NVwZ-RR 1997, 506. Urt. v. 20.11.1996, NVwZ-RR 1998, 145 ff.
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Ansicht nach liege eine Kreditaufnahme im Sinne des Art. 117 Satz 1 RhPflVerf in der vertraglichen Begründung von Finanzschulden, die dem Land für eine bestimmte Zeit Geldmittel zur Finanzierung von Haushaltsausgaben zuführt oder ihm unmittelbar die Leistung von Haushaltsausgaben erspart. 658 b) Auslegung des Art. 115 GG Die angeführten Urteile verdeutlichen, dass es an einer präzisen Bestimmung des Kreditbegriffs mangelt. Sie illustrieren aber auch die Tendenz der Rechtsprechung, den Begriff zunehmend weit auszulegen und jegliche Geldaufnahme auf Zeit als Kredit zu betrachten. Ob eine solche Sichtweise von einer Auslegung des Art. 115 Abs. 1 GG getragen wird, wird im folgenden zu untersuchen sein. aa) Wortlautinterpretation Bei der Interpretation nach dem Wortlaut gilt es zwischen der Auslegung des Wortes „Kredit" - seinem Wortsinn - und der Auslegung des Wortlautes der gesamten Vorschrift des Art. 115 Abs. 1 GG zu differenzieren. (1) Wortsinn „Kredit" Das Wort „Kredit" findet sich im Text des Grundgesetzes nur in At. 115 wieder. Seinem Ursprung nach geht es auf das lateinische Wort „credere" (= vertrauen) zurück. Hieraus lassen sich jedoch keine weitgehenden Schlussfolgerungen für die Auslegung des Art. 115 GG ziehen Einen Anhaltspunkt hierfür bietet aber die Verwendung des Begriffes „Kredit" in anderen, einfachgesetzlichen Regelungen. (a) BGB Das BGB liefert ebenfalls keine Legaldefinition des Kreditbegriffs. 659 Der Begriff „Kredit" wird in ihm vielmehr in verschiedener Bedeutung gebraucht. Gem. § 778 BGB haftet, wer einen beauftragt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einem Dritten „Kredit" zu geben, dem Beauftrag658
VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 147. Anders Leppin, Kreditäre Finanzierung, S. 107, der davon ausgeht, dass das BGB in § 607 eine Legaldefinition des Kreditbegriffs liefert. Der dort verwendete Begriff des „Darlehens" ist jedoch, wie im folgenden deutlich wird, nicht mit dem des „Kredites" identisch. 659
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ten für die aus der Kreditgewährung entstehende Verbindlichkeit des Dritten wie ein Bürge. Dem hingegen tritt nach § 824 BGB eine Schadensersatzpflicht ein, wenn jemand wahrheitswidrig Tatsachen verbreitet, die geeignet sind, den „Kredit" eines anderen zu gefährden. Nach § 1822 Nr. 8 BGB schließlich bedarf der Vormund einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn er Geld auf den „Kredit" des Mündels aufnehmen will. „Kredit" kann in diesen Fällen mal den guten geschäftlichen Ruf, die Glaubwürdigkeit des Schuldners bezeichnen, mal das zwischen Schuldner und Gläubiger zustande gekommene Geschäft und mal auch das, was auf Grund des Geschäfts überlassen w i r d . 6 6 0 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Kredit jedoch meistens, wenn auch nicht stets 661 , mit dem zivilrechtlichen Darlehen nach § 607 BGB gleichgesetzt. Nach § 607 Abs. 1 BGB ist derjenige, der Geld oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfangen hat, verpflichtet, dem Darleiher das Empfangene in Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten. Der Darlehensbegriff wird somit entscheidend von zwei Merkmalen geprägt. Zum einen zielt das Darlehen auf die Überlassung von Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu zeitlich begrenzter Nutzung des darin steckenden Wertes ab. Um diesen Nutzzweck realisieren zu können, muss der Darlehensnehmer die Verfügungsmacht und zu diesem Zweck das Eigentum an dem Gegenstand des Darlehens für die vereinbarte Laufzeit des Darlehensvertrages erhalten. 662 Zum anderen ist der Darlehensnehmer verpflichtet, das Darlehen zurückzuerstatten. Ein Darlehen ist daher stets nur eine vorläufige, von der Laufzeit des Darlehensvertrages abhängige Einnahmequelle des Darlehensnehmers. Es verschafft „Liquidität auf Z e i t " . 6 6 3 Die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Zinsen hingegen wird von § 607 BGB nicht zum konstitutiven Bestandteil des Darlehensbegriffs gemacht. Im Regelfall bildet jedoch der Zins das vergütende Äquivalent für die Gebrauchsüberlassung der Darlehensvaluta. Er ist „die laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs des Kapitals (Kredites)" 6 6 4
660
Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 36. F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 246 weist zu Recht etwa auf die Bezeichnung „Kreditkarte" hin, die nicht zum Abschluss von Darlehensverträgen dient. 662 Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 108. 663 Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 108. 664 Conans,, in: NJW 1978, 1891, 1897. 661
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(b) Sonstige Gesetze Betrachtet man andere einfachgesetzliche Regelungen, die ebenfalls den Begriff des „Kredites" verwenden, so wird deutlich, dass sich diese zwar an den Merkmalen des § 607 BGB orientieren, aber unter Kredit keinesfalls nur Darlehensverträge im Sinne des BGB verstehen. Ein solches Bild ergibt sich zunächst, wenn man sich auf die Normen des Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts konzentriert, die den Schutz vor den Gefahren des Kredites bezwecken, sei es den Schutz des Schuldners, der gesamten Wirtschaft oder des Staates. 665 So erfasst etwa § 1 Abs. 2 Verbraucherkreditgesetz jeglichen Vertrag als Kredit, „durch den ein Kreditgeber einem Verbraucher einen entgeltlichen Kredit in Form eines Darlehens, eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt". Die Regelung zum Kreditbetrug im Strafrecht (§ 265 b StGB) bezeichnet Kredit „als Gelddarlehen aller Art, Akzeptkredite, den entgeltlichen Erwerb und die Stundung von Geldforderungen, die Diskontierung von Wechseln und Schecks und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen". Im Gewerberecht ist es nach § 115 Abs. 2 S. 1 GewO dem Gewerbetreibenden untersagt, den Arbeitnehmern Waren zu kreditieren. Hiernach ist dem Arbeitgeber verboten, dem Arbeitnehmer Waren auf Borg (auf Kredit), d.h. unter Stundung der Bezahlung des Kauf- oder Mietpreises, zu verkaufen, zu vermieten oder sonst gegen Entgelt abzugeben. 666 Alle drei Normen erfassen also die ökonomische Kapitalleihe unter Einbeziehung eines Geflechts von Verträgen und mehreren Kontrahenten ohne Rücksicht auf ihre zivilrechtliche Formenausgestaltung. 6 6 7 Ein solcher ökonomischer Kreditbegriff liegt auch dem Finanzrecht zugrunde. So beschränkt sich das Steuerrecht nach der in den §§39 ff. AO für Einzeltatbestände ausgeprägten wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht nur auf Darlehen im Sinne von § 607 BGB. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise enthält dabei das Gebot zu teleologischer Auslegung, nach der von Fall zu Fall zu entscheiden ist, welchen Inhalt ein zivilrechtlicher Begriff im Rahmen eines Steuergesetzes hat. 6 6 8 Für § 4 Nr. 8 a UStG ist nach der Rechtsprechung des BFH beispielsweise anerkannt, dass unter Kredit jegliche Hingabe von Kapital gegen Rückzahlungspflicht anzusehen i s t . 6 6 9
665
F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 246. Neumann, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 115, Rdnr. 34. 667 F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 246. 668 Ygi Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5, Rdnr. 68 f. 666
669
Vgl. BFH, BStBl. 1956 III, S. 158 f.
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(c) Ergebnis Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „Kredit" im einfachgesetzlichen Recht in der Regel nicht mit dem zivilrechtlichen Darlehensbegriff gleichgesetzt werden kann, sondern in einem ökonomischen Sinne als Hingabe von Kapital auf Zeit gegen Rückzahlungspflicht zu verstehen ist. (2) Wortlaut des Art. 115 GG Der Wortlaut des Art. 115 GG schränkt diese aus dem einfachen Recht gewonnene Definition in zweierlei Hinsicht ein. Zum einen werden in Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG die Kredite explizit von der „Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen" abgegrenzt. Der rein ökonomische Kreditbegriff wird somit eingeschränkt. 670 Daraus kann jedoch keinesfalls gefolgert werden, dass Art. 115 GG nur zivilrechtliche Darlehen erfasst. Ferner wird aus Art. 115 GG deutlich, dass sich der staatsrechtliche Kreditbegriff auf die Verschaffung von Geld beschränkt und den Warenkredit nicht umfasst. Wenn Art. 115 GG Bestimmungen über die Kreditaufnahme und die Einnahmen aus Krediten trifft, so vervollständigt er nach Stellung und Aufgabe die Normen über die Finanzquellen des Bundes und über das ausschließliche Recht des Bundestages, Art und Umfang dieser Quellen zu bestimmen. 671 Kredit in seinem Sinne ist deshalb nicht allgemein jeder Gegenstand und Vorteil oder jegliche Leistung, welche dem Bund zugestanden wird. Mit „Kredit" ist in Art. 115 GG allein der Geldkredit gemeint, d.h. die Beschaffung von Geldmitteln, die zurückgegeben werden müssen. 672 Dies kam in der bis 1969 geltenden - dem Art. 87 WRV entsprechenden Wörtlaut noch deutlicher zu Tage, da dort „von der Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredites" die Rede war. Mit der Änderung des Wörtlautes des Grundgesetzes ist indes aber keine inhaltliche Änderung verbunden gewesen, so dass der Warenkredit weiter von Art. 115 GG nicht erfasst
670
Vgl. auch Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 116. Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 36. 67 2 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 36. 67 3 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 36; Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 106; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 10. 67 1
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bb) Teleologische Auslegung des Art. 115 Abs. 1 GG Bei einer teleologischen Auslegung des Kreditbegriffs in Art. 115 Abs. 1 GG wird zunächst zu betrachten sein, welche Zielsetzung diese Norm eigentlich verfolgt. In einem zweiten Schritt ist dann zu bestimmen, welche Anforderungen sich aus diesem Zweck für die Bestimmung des Kreditbegriffs ergeben, insbesondere, ob hierbei auf den zivilrechtlichen Darlehensbegriff zurückgegriffen werden kann. Dadurch dass die Kreditfinanzierung des Staates in zweierlei Hinsicht beschränkt wird, wird bereits die einfache Zielsetzung des Art. 115 Abs. 1 GG offen sichtbar: Das Interesse richtet sich darauf, die Verschuldung wirksam in Grenzen zu halten. Der Bund soll sich nicht in unübersehbaren Zahlungs- bzw. RückZahlungsverpflichtungen verstricken. 674 Art. 115 GG soll damit die Belastung künftiger Generationen und Parlamente mit Rückzahlungspflichten verhindern. 675 Bei der Bestimmung des gesetzgeberischen Zwecks des Art. 115 Abs. 1 GG ist des weiteren zwischen der formellen und der materiellen Begrenzung der kreditären Finanzierung des Staates zu differenzieren. (1) Zweck der formellen Schranke des parlamentarischen Gesetzesvorbehalts Die Aufnahme von Krediten bedarf einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Dem Bundestag wird somit die Aufgabe übertragen, die Rahmendaten der Bundesverschuldung zu finden und festzulegen. 676 Diese Regelung steht in unmittelbaren Zusammenhang zu dem in Art. 110 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG normierten Budgetbewilligungsrecht des Bundestages und dem entsprechenden Vorbehalten für die Auferlegung von Steuern. 677 Nach Art. 110 GG ist der Haushaltsplan, in den sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Bundes einzustellen sind, durch das Haushaltsgesetz festzustellen. Während dort nur allgemein von Einnahmen die Rede ist, konkretisiert Art. 115 GG durch den Vorbehalt bundesgesetzlicher Ermächtigung das Bewilligungsrecht des Bundestages auch auf solche Einnahmen, die sich aus Krediten ergeben. Zum einen verhindert die Vorschrift dadurch, dass die Exekutive über den Umweg der Verschuldung die Haushaltsrechte des Bundestages umgeht. 6 7 8 Zum anderen aber wird auch das Haushaltsbe67 4 67 5 67 6 67 7
Wiebel, in: F. Kirchhof, Wiebel, in: Wiebel, in:
BK-GG, Art. 115, Rdnr. 16. in: DÖV 1999, 242, 247 m.w.N. BK-GG, Art. 115, Rdnr. 58. BK-GG, Art. 115, Rdnr. 19; Friauf
in: HStR IV, § 91, Rdnr. 24.
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willigungsrecht des künftigen Gesetzgebers geschützt. So schafft die Kreditaufnahme Verbindlichkeiten zur Verzinsung und Tilgung, die in künftigen Haushaltsjahren erfüllt werden müssen. Sie präjudiziell 6 7 9 damit den späteren Haushaltsgesetzgeber und beraubt ihn eines Teils seiner Handlungsfreiheit. Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG ist, indem er eine verfahrensmäßige Sicherung der parlamentarischen Beteiligungsrechte gewährleistet, insoweit Ausdruck des demokratischen Parlamentsvorbehalts, nicht eines rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts. 680 Ob der präjudizierenden Wirkung für künftige Gesetzgeber hat Püttner 581 die staatliche Kreditaufnahme insgesamt (zumindest) mit dem Verdikt der verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit versehen. 682 Er erblickt in ihr einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip und daher in Art. 115 Abs. 1 GG mithin eine verfassungssystemwidrige Verfassungsnorm. Aus dem das Demokratieprinzip konstituierenden Grundsatz „Macht auf Zeit" folge seiner Ansicht nach, dass der gewählte Gesetzgeber nur über die endgültigen Einnahmen seiner Amtsperiode befinden und nicht auf die Einnahmen künftiger Amtsträger vorgreifen dürfe. 6 8 3 Wenn der Staat nunmehr Kredite aufnehme, so habe dies zur Folge, dass in den folgenden Jahren ein Teil der Einnahmen nicht für die dann anfallenden Aufgaben zur Verfügung steht, sondern für die Abzahlung der Vorgriffe herhalten muss. 6 8 4 Der künftige Gesetzgeber werde somit in demokratiewidriger Weise gebunden, was nicht mit der Bindung durch die einfachen Gesetze zu vergleichen sei, die ja ebenfalls auch in künftigen Legislaturperioden gelten, da letztere durch den
678
BVerfGE 67, 256, 281; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 16; Wiebel, in: BKGG, Art. 115, Rdnr. 19; diese Motivation war auch für die Vertreter der klassischen Nationalökonomie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert für ihre Ablehnung staatlicher Verschuldung mitentscheidend, da sie eine Schwächung des gerade mühsam erkämpften Steuerbewilligungsrechts befürchteten (vgl. Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 3; ausführlich zu den historischen Wurzeln des staatsschuldenrechtlichen Gesetzes Vorbehalts Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 12 ff.). 67 9 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 24; Kloepfer, in: EvStL II, Sp. 3422. 680 Vogel, in: HStR IV, § 87, Rdnr. 80; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 16; ders., in: DÖV 1995, 141, 144; P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 294. 681 In: „Staatsverschuldung als Rechtsproblem" (1980). 682 Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 12, konstatiert, dass das von ihm entwickelte Verbot des Vorgriffs auf künftige Einnahmen zwar dem System der Verfassung entspricht, angesichts des Wortlautes des Art. 115 GG aber wohl nicht behauptet werden könne, die jetzige Praxis der staatlichen Kreditaufnahme sei explizit verfassungswidrig. Seiner Ansicht nach wäre es zumindest problematisch, entgegen der erkennbaren Aussage des Art. 115 GG, also der speziell einschlägigen Vorschrift, aus allgemeinen Verfassungsprinzipien de constitutione lata ein gegenteiliges Ergebnis herzuleiten. 683 Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 11. 684 Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 10.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
künftigen Gesetzgeber (jedenfalls weitgehend) wieder geändert werden könnten 6 8 5 und nicht die für die Finanzwirtschaft typische periodenbezogene Ausgestaltung aufwiesen 686 . Gegen diese Position ist zu Recht eingewandt worden, sie absolutiere das Demokratieprinzip und werde den Anforderungen eines modernen sozialen Rechtsstaates nicht gerecht. 687 So ist zum einen nicht einzusehen, warum die Pflicht der Schonung der Aktionsräume politischer Nachfolger nur durch die Kreditaufnahme und nicht auch durch jede gesetzgeberische oder planungsspezifische Entscheidung verletzt sein soll, zumal die Reversibilität gesetzgeberischer Entscheidungen angesichts der faktischen Konsequenzen politischer Leitentscheidungen erheblich eingeschränkt i s t . 6 8 8 Zum anderen verlangt das ebenfalls in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Prinzip des sozialen Rechtsstaates gerade die Sicherung der Grundlagen menschlichen Lebens auch in der Zukunft, was die Aufgabe einschließt, durch weitsichtige Entscheidungen in der Gegenwart für das Dasein in der Zukunft zu sorgen. Die Verfassung fordert damit sogar, über die Amtsperiode hinauszusehen, Vorsorge für die dauerhafte Befriedigung von Gemeinschaftsinteressen zu treffen und damit auch die Entscheidungsgrundlagen nachfolgender Amtswalter inhaltlich vorzubestimmen. 689 Eine solche Vorbestimmung muss indes stets durch das unmittelbar demokratisch legitimierte Parlament erfolgen, da ansonsten eine intertemporale Gewaltenverschiebung möglich wäre. Die Entscheidung unterliegt dem Parlamentsvorbehalt, wie in Art. 115 GG ausdrücklich geregelt. 690 Darüber hinaus muss der Vorgriff inhaltlich immer nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz mit den Anforderungen des Demokratieprinzips in Ausgleich gebracht werden. Zulässig bleiben damit begrenzte Vorgriffe des Gesetzgebers auf die Entscheidungsfreiheit seiner Nachfolger, verboten solche Akte, die künftige Parlamente nicht nur einem Entscheidungszwang aussetzen, sondern ihnen jede Möglichkeit zur andersgearteten, selbstbestimmten Entscheidung entziehen. 691 Für den Bereich der Staatsverschuldung bleibt dieser Gesichtspunkt angesichts der Tatsache, dass aufgrund des vorhandenen Staatsapparates und bindender (kurzfristig in der Regel nur sehr beschränkt über den Weg sogenannter Haushaltsbegleit- oder Haushaltsstrukturgesetze disponibler) Ge685
Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 12. Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 12. 687 Henseler, in: AöR 108 (1983), 489, 499. 688 Henseler, in: AöR 108 (1983), 489, 498. 689 Henseler, in: AöR 108 (1983), 489, 500. 690 Zur allgemeinen Funktion des Parlamentsvorbehalts, einer Präjudizierung des Haushaltsgesetzgebers durch die Exekutive vorzubeugen s.o., 3. Teil, 1. Kap., B. I. 2. c) bb) (1) (a). 691 Henseler, in: AöR 108 (1983), 489, 500. 686
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setze über 90% der Haushaltsausgaben bereits festgelegt sind 6 9 2 , stark zu berücksichtigen. Da jede neue Kreditaufnahme den verbleibenden Spielraum bei der Haushaltsgesetzgebung noch weiter einschränkt, muss der Gesetzesvorbehalt der Kreditaufnahme äußerst extensiv ausgelegt werden. Er erfüllt eine gewisse „Warnfunktion" 6 9 3 vor dem Übergriff in künftige budgetäre Parlamentskompetenzen. Daneben dient Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG auch dazu, die Publizität staatlicher Kreditaufnahme sicherzustellen. 694 Die Staatsverschuldung wird als eine „res publica" konstituiert. 695 Für diese gewährleistet das Gesetzgebungsverfahren faktische Öffentlichkeit und Wahrnehmung durch einen unbestimmten Personenkreis sowie plurale Diskussion und Kommunikation. Insoweit ist in Art. 115 GG der Parlamentsvorbehalt zum Zwecke der gesteigerten Öffentlichkeitsgewährleistung zu einem Vorbehalt des Gesetzes erweitert. Mag die ursprüngliche Funktion der Finanzpublizität in dem Bemühen des Staates gelegen haben, durch Offenlegung seines Finanzgebarens das Zutrauen seiner Kreditgeber zu gewinnen und zu erhöhen („seinen Kredit"), 6 9 6 so überwiegen heute bürgerbezogene Aspekte. Der Gesetzesvorbehalt hat die Aufgabe, „der breiten Öffentlichkeit ein wahres, vollständiges, eindrucksvolles und verständliches Bild von den Problemen der öffentlichen Finanzen zu vermitteln" 6 9 7 . Dies erscheint vor allem in Anbetracht der abgabenbezogenen Wirkung von Krediten notwendig. Da die Kreditmittel bei Fälligkeit regelmäßig verbraucht sind und auch - entgegen der an sich gedachten Konzeption der die Tilgung finanzierenden Investition - nicht in Form eines liquiden Surrogats zur Verfügung stehen, müssen zur Tilgung in der Regel 6 9 8 Abgaben in der entsprechenden Höhe erhoben werden. Art. 115 Abs. 1 S. 1GG entfaltet somit auch eine gewisse „Warnfunktion" 6 9 9 vor künftiger Steuerbelastung. Schon in der Gegenwart soll sich die bürgerbelastende Entscheidung in einem Wechselspiel vertikaler Kommunikation zwischen parlamentarischem Gesetzgebungsverfahren und korrespondierender öffentlicher Diskussion 700 entwickeln.
692 Vgl. etwa Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, S. 10; s. auch oben 2. Teil, 1. Kap., B. I. 1. 693 Faber, in: AK-GG (1. Aufl.), Art. 115, Rdnr. 3. 694 Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 15; Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 17. 695 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 17. 696 Vgl. Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 18. 697 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19. 698 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 24. 699 Zur Warnfunktion in Bezug auf die Gefährdung des Budgetrechts künftiger Parlamente vgl. Faber, in: AK-GG (1. Aufl.), Art. 115, Rdnr. 3, s.o. 700 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19.
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(2) Zweck der materiellen Begrenzung der Kreditaufnahme Art. 115 GG überlässt die Entscheidung über die Verschuldung aber nicht allein dem jeweils amtierenden Parlament. Ein solches mag stets geneigt sein, die Chancen seiner Wiederwahl ob des Preises kreditfinanzierter Wohltaten zu erhöhen, ohne den Wähler die Lasten derselbigen in Form von Steuern und Abgaben spüren 701 zu lassen. 702 Art. 115 Abs. 1 GG gibt daher in Satz 2 Richtlinien 7 0 3 über das zulässige Maß öffentlicher Verschuldung vor. Im ursprünglichen Art. 115 GG, der bis zur (Finanz-)Verfassungsreform von 1969 7 0 4 in Kraft blieb und weitestgehend dem Art. 87 WRV entsprach, band diese „Richtlinie" die Kreditaufnahme an das Vorhandensein eines dringenden und außergewöhnlichen Bedarfs und die Verwendung der Ausgaben zu werbenden Zwecken. Die mittlerweile geltende Fassung betont stattdessen stärker die konjunkturspezifische Wirkung der Kreditaufnahme, indem sie den objektbezogenen Deckungsgrundsatz aufgehoben h a t 7 0 5 und die zulässige Höhe der Kreditaufnahme an die Summe der veranschlagten Investitionen bindet. Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG zieht damit keine absolute 701 Nach der „Public Debt Illusion Theory" überblicken die Wirtschaftssubjekte nicht, dass die Kreditfinanzierung staatlicher Aktivitäten anstelle von Steuererhebungen ihnen zwar Belastungen in der Gegenwart erspart, jedoch zukünftig erhöhte Belastungen nach sich zieht (vgl. hierzu Gandenberger, in: HdFW III, S. 34 ff.). In diesem Sinne auch P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 293: „Die kreditfinanzierte Staatsleistung rückt die finanzstaatlich gewährte Gunst in das Bewusstsein der Empfänger, lässt die damit verbundene Last ... jedoch im Bereich des Unmerklichen und oft auch im Nicht-Bewusstsein". 702 So zumindest die Annahme bei Zugrundelegung eines eigennutzorientierten Bildes der schuldpolitischen Handlungsträger, die eine wahlchancenoptimierende Ausgabenpolitik betreiben. Vgl. hierzu Höfling, in: Engel/Morlok, S. 87. 703 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 23. 704 Art. 115 GG wurde geändert durch das 20.Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 2.5.1969 (BGBl. I, S. 357). 705 Anders wohl Lappin, Kreditäre Finanzierung, S. 106, der ausführt, dass der Kredit auch de constitutione lata an die zu finanzierenden Investitionen gebunden sei, es sei denn, dass die kreditäre Finanzierung nicht investiver Ausgaben geeignet sei, einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wirksam zu begegnen. Dem entgegen ist nach der Grundgesetzreform auch für Krediteinnahmen des Staates der Nonaffektationsgrundsatz der §§7 HGrG, 8 BHO einschlägig. Daraus folgt, dass die Krediteinnahme grundsätzlich gerade nicht an ein bestimmtes Vorhaben gebunden ist - zwischen den Krediteinnahmen und den einzelnen Investitionsausgaben besteht gerade kein haushaltsrechtlicher Zusammenhang (Fischer-Meinshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 13). Die Vorschrift des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG fordert lediglich, dass die Einnahmen aus Krediten summenmäßig die Ausgaben für Investitionen nicht übersteigt. Es lässt sich aus Art. 115 Abs. Satz 2 1. Halbsatz nicht eine Grundentscheidung zugunsten der Kreditfinanzierung nur investiver Ausgaben herleiten (BVerfGE 79, 311, 341).
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Grenze zulässiger Krediteinnahmen, zumal der zweite Halbsatz der Vorschrift auch von der relativen, investitionsbezogenen Begrenzung Ausnahmen zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässt. Grundgedanke dieser Beschränkung ist es jedoch, Lastentragung und korrespondierenden Nutzen periodengerecht zuzuordnen. Zukünftige Perioden sollen nur in dem Maße mit der Bedienung heute aufgenommener Schulden belastet werden, in dem ihnen heute getätigte Aufwendungen zugute kommen. 7 0 6 Diese materielle Beschränkung erfüllt über die bereits auf der formellen Seite angesprochenen Ziele der Vermeidung der Präjudizierung künftiger Haushaltsgesetzgeber und der Wahrung der Publizität öffentlicher Verschuldung hinaus den Zweck, die erkannten negativen Wirkungen der Staatsverschuldung zu minimieren. 7 0 7 Dabei muss nicht nur auf die selbstverständliche Gefahr des Staatsbankrotts hingewiesen werden, sondern auch die konjunkturspezifische und lastenverschiebende Wirkung staatlicher Verschuldung in den Blick genommen werden. Tut man dies, so gilt es sich stets gewahr zu sein, dass die damit verbundene Operationalisierung ökonomischer Theoriebildung für die juristische Auslegung die Vielschichtigk e i t 7 0 8 der ökonomischen Staatsschuldendebatte zu reflektieren hat. Entsprechend hat die Operationalisierung der ökonomischen Theorien mit einer gewissen Skepsis zu erfolgen. 709 Vorliegend sollen daher nur die Grund-
706
BVerfGE 79, 311, 334; Fr lauf, in HStR IV, § 91, Rdnr. 45; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung, S. 52. 707 Entscheidend für die Intensität der Wirkungen einer öffentlichen Neuverschuldung ist freilich nicht nur die Höhe der Neuverschuldung, vielmehr ist die Wirkung nur abhängig von der absoluten und relativen Höhe und der Struktur der bereits bestehenden öffentlichen Verschuldung zu beurteilen (vgl. insoweit nur Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, in: Finanzpolitik, S. 428). Für diese absolute Höhe der Staats Verschuldung findet sich im Grundgesetz- abgesehen von der Verpflichtung zur Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei der Haushalts Wirtschaft in Art. 109 Abs. 2 GG - keine Schranke. Die neben Art. 115 GG anwendbaren europarechtlichen Regelungen der Art. 104 und Art. 121 EGV führen daneben aber zu einer gewissen Begrenzung der absoluten Verschuldung. Die Konkretisierung der dortigen Verschuldungsgrenzen durch das 21. Protokoll zum EGV (früher: 5. Protokoll zum Maastricht-Vertrag, BGBl. II 1992, S. 1309), wonach 3% des BIP die Obergrenze des staatlichen Defizits, 60% des BIP die Obergrenze des Schuldenstandes bezeichnen, betrifft allerdings nur den Gesamtstaat und ist daher zwischen Bund und Ländern aufzuteilen. Für den Bund allein wird gerade keine verbindliche Konkretisierung geschaffen (vgl. Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 5). 708 Höfling, in: Engel/Morlok, S. 85 spricht von der „(über)reichen Phantasie der ökonomischen Staatsschuldendebatte". 709 Höfling, in: Engel/Morlok, S. 86 entwirft das Bild des rezeptionswilligen Juristen, der sich im „Angebotsladen" der Ökonomie bedient, in dem sich für jede 16 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
züge der ökonomischen Diskussion eingeführt werden, ohne dass damit ein annähernder Anspruch auf Vollständigkeit verbunden wäre. Dabei stehen sich in der ökonomischen Theorie vor allem die, die lastenverschiebende Wirkung staatlicher Verschuldung betonenden, Vertreter der „neoklassischen" Theorie der Nationalökonomie und die Anhänger der keynesianischen, nachfrageorientierten Wirtschaftstheorie gegenüber, die die längerfristigen Negativfolgen der Staatsverschuldung eher vernachlässigen. 7 1 0 Letztere betonten vor allem die konjunkturbelebende Wirkung antizyklisch 7 1 1 eingesetzter Staatsverschuldung. Demnach basieren wirtschaftliche Instabilitäten vor allem auf Schwankungen der Konsumausgaben der privaten Haushalte. Im Falle einer auf Nachfragemangel beruhenden Rezession könne der Staat durch eine kreditfinanzierte Erhöhung seiner Ausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigern und somit einen Aufschwung herbeiführen („Deficit Spending"). Dieser Aufschwung wiederum bewirke Einnahmeerhöhungen beim Staat (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge), mit denen er in der Boom-Phase die aufgenommenen Kredite zurückzahlen könne. Insgesamt konsolidieren sich die Defizite demnach selbst. Über diesen Effekt hinaus bestreiten die (weit) überwiegend dem keynesianischen Gedankengut nahestehenden Vertreter der „Neuen Orthodoxie" 7 1 2 die lastenverschiebende Wirkung des Staatskredits. 713 So wird aus güterwirtschaftlicher Sicht ausgeführt, dass jede Art staatlicher Aktivität unabhängig von ihrer Finanzierung bereits in der Gegenwart den Entzug von Ressourcen zu Lasten privater Verwendung bewirke, sich also die als Ressourcenverzehr definierte Last schon in der gegenwärtigen Gesellschaft realisiere. Daneben wird aus geldwirtschaftlicher Perspektive argumentiert, dass es sich bei der Staatsverschuldung nur um eine interpersonale, nicht aber um eine intertemPosition, sei Staatsschuldenpolitik nun gut, schlecht oder irrelevant, eine anscheinend überzeugende wissenschaftliche Rückendeckung finden lasse. 710 Zu den unterschiedlichen Ansätzen der Beurteilung des Staatskredits in der nationalökonomischen Theoriebildung vgl. zusammenfassend aus der juristischen Literatur Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 1 ff., Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 161 ff. und Bröcker; Grenzen staatlicher Verschuldung, S. 31 ff. und 53 ff.; aus der finanzwissenschaftlichen Literatur nur Gandenberger, in: HdFW III, S. 16 ff.; Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 334 ff. 711 Allgemein und unabhängig von der finanzwissenschaftlichen Grundposition anerkannt ist die Ablehnung einer prozyklischen Verschuldungspolitik, da diese die Konjunkturschwankungen verstärkt und damit nicht den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts entspricht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Bröcker; Grenzen staatlicher Verschuldung, S. 29, Fn. 30). 712 Dieser Begriff wurde durch Buchanan, Public Principles, S. 4 eingeführt. 713 Begründet wurde dieser Ansatz 1948 von A. P. Lerner, in: Income, Employment and Public Policy, S. 255 ff.; vgl. zusammenfassend etwa Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 335 f.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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porale Lastenverschiebung handele. Bei einer Verschuldung im Inland 7 1 4 fielen Gläubiger- und Schuldnerstellung bei den Mitgliedern der Gesellschaft zusammen, so dass Staatskredite lediglich Transferzahlungen künftiger Perioden an sich selbst bedeuteten und die Formel „we owe and pay it to ourselves" die wahre Lastenverteilung beschreibe. Dem treten von zwei verschiedenen Ansatzpunkten aus die Verfechter der neoklassischen Theorie entgegen. Der Wachstumsansatz („AggregateInvestment-Approach") rückt dabei die Wirkung der staatlichen Kreditaufnahme auf die Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Investition in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. 715 Treffe die staatliche Kreditaufnahme mit einer Geldmengenausweitung durch die Notenbank zusammen, komme es zu einem übermäßigen Preisanstieg. Komme es hingegen bei gleichbleibender Geldmenge zu einer staatlichen Kreditaufnahme, führe diese zu steigenden Zinsen und somit zu einer Verdrängung privater Kreditaufnahme („Crowding-Out"), da den privaten und öffentlichen Kreditnehmern nur ein von der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisbildung gespeister Kreditfonds zur Verfügung steht. Dieser Verdrängungseffekt resultiere in einer Verminderung privater Investitionen, wodurch die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials gehemmt und letztlich das Wachstum des Sozialprodukts vermindert werde. Der Zukunft werde dergestalt ein vermindertes Produktivpotenzial (Kapitalstock) vererbt, das seinerseits geringere Realeinkommen und verminderte Konsummöglichkeiten nach sich zieht. Genau hierin liege die in die Zukunft verschobene Last. Einen anderen Ansatz wählt die von James M. Buchanan begründete Konzeption des „Nutzenansatzes" („Utility Approach"). 7 1 6 Buchanan definiert Last nicht wie die Vertreter der „Neuen Orthodoxie" als Ressourcenverbrauch, sondern als unfreiwillige Nutzeneinbuße. Bei der staatlichen Kreditaufnahme liege eine solche unfreiwillige Nutzeneinbuße in der Gegenwart nicht vor. So stellten die Gläubiger einer staatlichen Anleihe dem Staat freiwillig, also ohne Nutzeneinbuße, das Kapital zur Verfügung. Die zeitliche Verlagerung der Last erfolge nun dadurch, dass Zinszahlung und Tilgung der Kredite in der Zukunft mittels Steuererhebungen geleistet wür714
Bei einer Kreditaufnahme im Ausland kommt es hingegen sowohl aus güterwirtschaftlicher, als auch aus monetärer Sicht zu einer temporalen Lastenverschiebung. Hier entzieht die Kreditaufnahme dem gegenwärtigen Inland keine Ressourcen, während die zukünftigen Zins- und Tilgungsleistungen einen Ressourcentransfer vom In- ins Ausland bewirken (vgl. Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 335). 715 Maßgebliche Begründer dieses Ansatzes sind Modigliani, in: The Economic Journal 71 (1961), S. 730 ff. und Vickrey\ in: The American Economic Review 51 (1961), S. 132 ff. Zusammenfassend zum Argumentationsgang Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 336; Gandenberger, in: HdFW III, S. 31 f. 716 Buchanan, Public Principles. Zusammenfassend Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 337; Gandenberger, in: HdFW III, S. 30 f. 1*
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
den. Diese seien aber mit einem zwangsweisen, nutzenmindernden Entzug von Kaufkraft verbunden, sie stellten also mithin eine Last für künftige Generationen dar. (3) Ergebnis Es kann an dieser Stelle nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die äußerst vielschichtige Diskussion über die ökonomischen Konsequenzen der Aufnahme staatlicher Kredite aufzuarbeiten und weiterzuentwickeln. Dennoch bleibt festzuhalten, dass weitgehend eine erhebliche Skepsis gegenüber der Aufnahme staatlicher Kredite besteht. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Vermeidung einer weitgehenden Präjudizierung künftiger Haushaltsgesetzgeber, als auch hinsichtlich einer möglichen lastenverschiebenden Wirkung der Kreditaufnahme, die gegenwärtig das finanzielle Handlungsvolumen des Staates erhöht, aber in der Zukunft zu für den Bürger erheblichen Lasten führen kann. Darüber hinaus wird klar, dass es bei Art. 115 GG um die Erfassung und Bewertung wirtschaftlicher Vorgänge geht. Ist dies aber der Fall, so muss im staatlichen Kreditrecht ebenso wie im Steuerrecht die normgerechte Zuordnung eines Begriffs gegenüber scheinkorrekten Umgehungstatbeständen die Oberhand behalten. 717 Der Begriff des Kredits in Art. 115 GG wird wie jeder Begriff 7 1 8 nur verständlich aus seiner Rolle, der Verwirklichung eines bestimmten Normzwecks zu dienen. Dies schließt es aber aus, die Auslegung des Kreditbegriffs in Art. 115 GG an den zivilrechtlichen Darlehensbegriff zu binden. Vielmehr bedingt der Zweck der Einschränkung staatlicher Schuldenaufnahme in Art. 115 GG zwingend eine ökonomische Auslegung des Kreditbegriffs, die sich daran orientiert, die als nachteilig angesehenen Tatbestände zu vermeiden. c) Zwischenergebnis Als Kredit muss bei der gebotenen ökonomischen Auslegung des Art. 115 Abs. 1 GG jede vertragliche Überlassung von Geld an den Staat verstanden werden, die bei ihm zu einem Liquiditätszufluss, aber auch zu einer Rückzahlungspflicht führt, das heißt die ihm für eine bestimmte Zeit Geldmittel zur Finanzierung von Haushaltsaufgaben zuführt oder solche Ausgaben erspart. 719 Auf die Rechtsnatur der zugrundeliegenden Verträge kommt es nicht an.
717 718
Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120. So Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5, Rdnr. 69.
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2. Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen als Kreditaufnahme Versucht man nun zu beurteilen, ob die Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Auslegung als Kreditaufnahme zu werten ist, bieten sich zwei Betrachtungsperspektiven an. Zum einen kann auf die beiden einzelnen Verträge des Verkaufs und der Rückmietung des Verwaltungsvermögens abgestellt werden, wobei sich zeigen wird, dass bei dieser Betrachtungsweise nur in Ausnahmefällen eine Kreditaufnahme anzunehmen sein wird. Zum anderen kann aber auch eine weitende Gesamtbetrachtung des gesamten Vertragsgeflechts vorgenommen werden. Diese beiden Blickwinkel stehen sich dabei nicht diametral entgegen, sondern ergänzen sich und haben ihren spezifischen Nutzen in unterschiedlichen Konstellatio-
a) Einzelbetrachtung Bei der Einzelbetrachtung gilt es zwischen dem Kaufvertrag und dem Vertrag zur Rückeinräumung eines Nutzungsrechts zu unterscheiden. aa) Kaufvertrag Betrachtet man den Kaufvertrag singulär, so scheint zunächst eindeutig keine Kreditaufnahme vorzuliegen. Aufgrund des Kaufvertrages erhält der veräußernde Staat den Kaufpreis (§ 433 Abs. 2 BGB). Dieser muss von ihm aus dem Kaufvertragsgeschäft außer im Falle der Rückabwicklung auch nicht zurückgezahlt werden. Der Liquiditätszufluss ist von Dauer und nicht nur temporär. Unter Umständen kann die gezahlte Kaufpreissumme jedoch dennoch dem Staat als Kredit zugerechnet werden. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber des Verwaltungsvermögens zur Finanzierung des Kaufpreises einen Kredit auf dem Kapitalmarkt aufnimmt und dem Staat dies zuzurechnen ist. In einem solchen Fall ist Art. 115 Abs. 1 GG anwendbar. 719
So auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 20; F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 247; Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120; Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 26; Fischer-Meinshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 8; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 10; Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 11. 720 Von der Parallelität beider Betrachtungsweisen gehen auch die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen das „Kieler Immobiliengeschäft" vor dem BVerfG aus, wenn sie unabhängig von einer Zurechnung der Kreditaufnahme der Investitionsbank zum Land von einer Kreditaufnahme des Landes durch das Veräußerungsgeschäft ausgehen (BVerfGE 99, 57, 61).
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Ohne eine solche Zurechnung könnte die Kreditbegrenzung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG leicht umgangen werden. Entsprechende Probleme traten erstmals in den Jahren 1955 bis 1973 auf, als sich der Bund zur Finanzierung des Ausbaus der Bundesfernstraßen einer sogenannten Finanzierungsgesellschaft, der „Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten" („Öffa") bediente, die zu 100% in seinem Eigentum stand. 721 Diese Gesellschaft privaten Rechts nahm dann in eigenem Namen Darlehen auf, für die sie nach außen auch Zins- und Tilgungsleistungen übernahm. Der Bund übernahm lediglich im Innenverhältnis die Verpflichtung, die fälligen Zinsen und Tilgungen rechtzeitig an die Finanzierungsgesellschaft zu zahlen sowie für die Beschaffung und Verwaltung der Kredite einen Verwaltungskostenbeitrag zu leisten. Nach außen übernahm der Bund aufgrund gesetzlicher Ermächtigung 7 2 2 lediglich eine Bürgschaft gegenüber den Gläubigern der Finanzierungsgesellschaft. Folglich lag beim Bund formal kein Geldzufluss und keine RückZahlungsverpflichtung, mithin kein Kredit vor. Dem entsprach die Staatspraxis, die zwischen 1955 und 1968 aufgenommenen Kredite der „Öffa" mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Milliarden D M weder in den Haushaltsplan einzustellen, noch als staatliche Kreditaufnahme auszuweisen. Erst nach heftiger Kritik des Bundesrechnungshofes 723 wurde diese Praxis beendet und die „Öffa" 1973 auf Veranlassung des Deutschen Bundestages aufgelöst. In jüngster Zeit stellen sich ähnliche Probleme bei der Frage der staatsschuldenrechtlichen Einordnung der privaten Vorfinanzierung öffentlicher Infrastrukturprojekte. 724 Um solche Vorgehensweisen zur Umgehung des Art. 115 GG auszuschließen, muss eine Zurechnung der Kreditaufnahme Dritter eindeutig dann vorgenommen werden, wenn der Dritte auf Rechnung des Staates handelt und der Bund nicht nur im Innenverhältnis für den Kredit einsteht. 725 Nicht ausreichend ist es hierfür grundsätzlich, wenn der Bund nur wirtschaftlich gesehen die Zinsverpflichtungen trägt und die Kreditaufnahme mit den dazugehörigen RückZahlungsverpflichtungen allein bei dem anderen Rechtsträger liegt. 7 2 6 Ein Handeln auf Rechnung des Staates läge hinge721
Ausführlich zur Tätigkeit der „Öffa" Schmitt, Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private, S. 46 ff., s. auch oben 2. Teil, 1. Kap., B. I. 3. a). 722 Vgl. etwa § 23 Nr. 2 HaushaltsG 1968 (BGBl. II, S. 345). 723 Vgl. die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, BT-Drs. 5/ 4066, S. 31 ff. 724 S. hierzu 2. Teil, 1. Kap., B. I. 3. b) bb). 725 Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115 GG, Rdnr. 6; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 8; Gröpl, in DStZ 1999, 113, 120; Höfling, in: DÖV 1995, 141, 145; anders wohl Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 44, der zwar konstatiert, dass es sich insoweit wirtschaftlich gesehen um eine Kreditaufnahme des Bundes handelt, dennoch aber keinen Fall des Art. 115 GG annimmt. 726 Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115 GG, Rdnr. 6.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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gen vor, wenn sich eine interne Kreditabrechnung der Art findet, dass eine ausdrückliche Übernahme oder Freistellung zwischen Staat und Kreditnehmer vereinbart ist. 7 2 7 Die Zurechnung der Drittkreditaufnahme auf diesen Fall zu beschränken, ist jedoch nicht ausreichend. Wenn die Zielsetzung der Kreditbegrenzung in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG nicht umgangen werden soll, das parlamentarische Budgetrecht gesichert und die finanzielle Belastung für künftige Haushaltsjahre minimiert werden soll, muss jegliche Art einer verschleierten Kreditaufnahme erfasst werden. Dementsprechend sind von Literatur und Rechtsprechung Kriterien entwickelt worden, bei deren Erfüllung die Kreditaufnahme durch einen Dritten als Kreditaufnahme des Staates zu gelten hat. Erforderlich hierfür ist nach weitgehender Meinung 7 2 8 , dass (1) der Staat an dem Dritten maßgeblich beteiligt ist, (2) der Dritte im Auftrag des Staates handelt, (3) es dadurch zu einem gleichzeitigen Geldzufluss an den Staat kommt oder der Staat sich fällige Geldausgaben erspart, (4) der Staat diese Geldmittel zur Finanzierung von Staatsaufgaben verwendet und (5) der Staat den Finanzdienst (Tilgung und Zinszahlung) wirtschaftlich übernimmt. Für den Fall der Veräußerung von Verwaltungsvermögen folgt hieraus, dass die aus dem Kaufvertrag an den Staat gezahlte Summe nur in begrenzten Fällen dem Staat als Kredit zugerechnet werden kann. Selbstverständliche Voraussetzung hierfür ist, dass der Dritte den Betrag überhaupt selbst durch eine Kreditaufnahme erlangt hat. Schon die Voraussetzung (1) beschränkt eine Zurechnung aber auf die Fälle, in denen der Staat maßgeblich am Erwerber beteiligt ist. Bei einer Veräußerung und Rückmietung an überwiegend private Erwerber scheidet die Zurechnung daher aus. In einem solchen Fall wäre zudem auch die zweite Voraussetzung, die ein Handeln des Kreditnehmers im Auftrag des Staates verlangt, nicht erfüllt, da die Entscheidung über die Art der Finanzierung der Kaufpreissumme im Bereich der Privatautonomie des Käufers angesiedelt ist. Ein Handeln im Auftrag des Staates kann nur angenommen werden, wenn dieser über gesellschaftsrechtliche oder gesetzliche Einflussmöglichkeiten beim Erwerber verfügt oder wenn er den Erwerber im Kaufvertrag bindend auf eine bestimmte Finanzierungsart festlegt, was mangels eines Interesses hieran wenn überhaupt, nur äußerst selten vorkommen dürfte. Die Voraussetzung, dass es durch die Kreditaufnahme des Dritten zu einem zeitgleichen Geldzufluss an den Staat kommen muss, dürfte hingegen auch in Fällen der Veräußerung an private Erwerber erfüllt sein. So wird nach dem Grundgedanken des Modells ja unabhängig von der Rechtsnatur des Erwer727
Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120. VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 146; Gröpl in: DStZ 1999, 113, 120; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 145; Wendt, in: Ipsen, Privatisierung, S. 45 und 47. 728
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
bers das von diesem kreditär aufgebrachte Kapital sofort als Kaufpreis an den Staat weitergeleitet. Dieser nutzt das zugeflossene Kapital anschließend auch - im Sinne der Voraussetzung Nr. 4 - unmittelbar zur Finanzierung von Staatsaufgaben. Dies gilt insoweit unabhängig davon, ob sich im Landeshaushaltsrecht eine Verpflichtung vorfindet, die Einnahmen aus der Veräußerung von Vermögen einem sogenannten „Grundstock" zuzuführen. Denn auch wenn die Einnahmen an die Verwendung für bestimmte investive Zwecke gebunden werden, liegt eine Verwendung für allgemeine Staatsaufgaben v o r . 7 2 9 Die Zurechnung der Kreditaufnahme nur dann anzunehmen, wenn der Staat völlige Freiheit bei der Einnahmeverwendung hat, wäre willkürlich und würde der dargelegten Zielsetzung der Zurechnung der Kreditaufnahme Dritter nicht gerecht werden, zumal auch „reguläre" Kreditaufnahmen des Staates unter Umständen auf die Finanzierung bestimmter Maßnahmen beschränkt werden können. Die fünfte Voraussetzung einer Kreditzurechnung, die wirtschaftliche Übernahme des Finanzdienstes durch den Staat, wird in den zu Rede stehenden Fällen (regelmäßig) erfüllt sein. Allerdings wird es insoweit an einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen veräußerndem Staat und erwerbendem Dritten fehlen. Die vom Staat übernommenen Mietzinsleistungen decken jedoch die vom Dritten zu leistenden Zins- und Tilgungsraten ab, der diese auf seinen Vertragspartner umwälzt. Im Falle des oben geschilderten „Kieler Immobiliengeschäfts" führt die Anwendung dieser Kriterien jedoch zu (einem der seltenen Fälle) einer Zurechnung der Kreditaufnahme der Landesinvestitionsbank zum Land. 7 3 0 So ist die Investitionsbank gem. § 1 Abs. 1 I B G 7 3 1 eine nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale (Landesbank). Die Landesbank als Rechtsträgerin der Investitionsbank wiederum ist ebenfalls eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 40 Abs. 1 SparkG 7 3 2 ), deren Gewährträger das Land Schleswig-Holstein ist (§ 40 Abs. 2 SparkG). Aufsichtsbehörde für die Landesbank ist der Minister für Wirtschaft und Verkehr (§ 46 Abs. 1 SparkG). Das Land ist somit wesentlich an der kreditaufnehmenden Investitionsbank beteiligt. Auch unabhän729 Anders wohl Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 121, der bei der Zurechnung der Kreditaufnahme der Landesinvestitionsbank Schleswig-Holstein zum Land ausdrücklich darauf abstellt, dass der Geldzufluss beim „Kieler Immobiliengeschäft" nach der Änderung von § 64 Abs. 6 LHO nicht dem Grundstock zugeführt werden musste, sondern frei zur allgemeinen Deckung von Haushaltsausgaben verwendet werden durfte. 730 So im Ergebnis auch Gröpl in: DStZ 1999, 113, 121. 731 „Gesetz über die Investitionsbank Schleswig-Holstein, Zentralbereich der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale" vom 11.12.1990 (GVB1., S. 609). 732 „Sparkassengesetz für das Land Schleswig-Holstein" i.d.F. v. 13.2.1986 (GVB1., S. 46).
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gig von den damit verbundenen faktischen Einflussnahmemöglichkeiten handelt die Investitionsbank bei der Kreditaufnahme zur Finanzierung des Ankaufs des Verwaltungsvermögens „ i m Auftrag des Landes". § 17 Abs. 2 S. 1 IBG ermächtigt das Ministerium für Finanzen und Energie, Liegenschaften auf die Investitionsbank zu übertragen. Mit dieser Befugnis wird zugleich eine korrespondierende Ankaufspflicht der Investitionsbank begründet, aus der wiederum zwingend die Kaufpreiszahlung der Bank mit Hilfe von Kapitalmarktkrediten folgt. 7 3 3 Durch die Kreditaufnahme der Investitionsbank kommt es schließlich beim Land auch im Sinne der Kriterien (3) und (4) zu einem unmittelbaren Geldzufluss, der zur allgemeinen Deckung von Haushaltsaufgaben verwendet wird. So wird der von der Investitionsbank aufgenommene Kredit in nahezu voller Höhe - abzüglich des Anteils, den das Land gem. § 17 Abs. 6 Satz 3 HBG 1998 7 3 4 der „Zweckrücklage Liegenschaften" zuführt - in Form des Kaufpreises an das Land weitergegeben und von diesem frei zur Haushaltsfinanzierung genutzt. Dass das Land schließlich durch die Entrichtung der Mietzinsen an die Landesinvestitionsbank deren Finanzdienst übernehmen soll, diesen mithin wirtschaftlich trägt, geht aus der Gesetzesbegründung eindeutig hervor. 7 3 5 bb) Mietvertrag Kann der aus dem Kaufvertrag fließende Erlös nach einer solchen Einzelbetrachtung im Regelfall nicht als Kredit betrachtet werden, fragt sich, ob nicht in dem Vertrag zur Rückmietung der Verwaltungsgegenstände eine Kreditaufnahme gesehen werden kann. Bei einer ersten unbefangenen Betrachtung anhand der entwickelten Definition des Kredits erscheint eine solche Betrachtung fernliegend. Der Abschluss des Mietvertrages dient nicht der Geldbeschaffung, sondern verschafft ein Nutzungsrecht an einer Sache. Insoweit könnte man das Geschäft bereits als Warenkredit eindeutig aus dem Anwendungsbereich des Art. 115 GG ausgrenzen. 736 Herkömmlich erfolgt die Ausgrenzung eines solchen Vertrages über die Differenzierung von Finanz- und Verwaltungsschulden. Nach dieser auf Laband 737 zurückgehenden Unterscheidung wer733
Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 120. „Haushaltsbegleitgesetz 1998" vom 23.1.1998 (GVB1., S. 37). 735 vgl. LT-Drs. 14/942, Anlage 2, S. 2 („die in den Mieten enthaltenen Refinanzierungskosten der Investitionsbank"). 736 So Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115, Rdnr. 6; ablehnend demgegenüber Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 43. 737 Laband, in: Hirth's Annalen 1873, Sp. 435. Laband knüpft dabei an seine an gleicher Stelle entworfene Teilung des Staatsvermögens in Finanz- und Verwaltungsvermögen an. Wie bei dieser findet er seine Grundlagen bei von Stein, der 734
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
den lediglich die ersteren unter den Kreditbegriff des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG gefasst. Die Verwaltungsschulden, das heißt diejenigen Beträge, die die Exekutive im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zahlen, zurückzahlen oder erstatten muss, sollen hingegen nicht als „Kredit" im Sinne des Art. 115 GG gelten. 7 3 8 Selbst wenn bei solchen Verbindlichkeiten aus Verwaltungsvorgängen Zahlungsziele oder Stundungen vereinbart werden, so dass zunächst ein Wertzuwachs beim Staat eintritt, soll sich hieran nichts ändern. 7 3 9 Für den Abschluss eines Mietvertrages - auch bei einer vorübergehenden Mietstundung - bedeutete dies die Nichtanwendbarkeit von Art. 115 GG. Der Ausschluss solcher Verbindlichkeiten aus den staatsschuldenrechtlichen Beschränkungen erscheint zunächst auch sinnvoll, da sie aus der Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit des Staates etwa bei der Abwicklung gegenseitiger Verträge „geradezu zwangsläufig resultieren". 740 Die Kompetenz zu ihrer Eingehung muss folglich bei der zur Aufgabenerfüllung jeweils zuständigen Behörde und nicht beim Parlament, angesiedelt sein, wenn auch die Eingehung von Verpflichtungen über das Haushaltsjahr hinaus gem. § 38 Abs. 1 S. 1 BHO einer Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan bedarf. Neben diesem funktionalitätsbezogenen Argument ist von der Zielrichtung des Art. 115 GG her auch zu bedenken, dass der Eingehung von Verwaltungsschulden in der Regel nicht die Absicht der Einnahmeerzielung zu Lasten künftiger Generationen zugrunde liegt, sondern die Verwaltungsschuld im Gegenteil vielmehr durch Einnahmen im Haushalt gedeckt sein muss. Insoweit werden die Verwaltungsschulden als „für den Komplex der Staatsschulden (...) nicht relevant" 7 4 1 angesehen. Dem ist für den Normalfall beizupflichten, auch wenn nicht übersehen werden darf, dass die Verwaltungsschulden mittlerweile einen solchen Umfang angenommen haben, dass ihre ökonomischen Wirkungen auf den Haushalt und die Völkswirtschaft nicht mehr vernachlässigt werden können 7 4 2 . Dennoch erscheint der pauschale Ausschluss der Verwaltungsschulzwischen „Finanzcredit", er entspricht der Labandschen Verwaltungsschuld, und „Staatsschuld", der Finanzschuld modernerer Prägung, differenziert (vgl. von Stein, Finanzwissenschaft (2. Aufl.), S. 618 ff., 630 ff., 661 ff.). 738 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 13; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 42; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 10; Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115 GG, Rdnr. 6; Piduch, HaushaltsR, Art. 115 GG, Rdnr. 14. 739 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 13. 740 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 30. 741 So Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1267. 742 Höfling, in: DÖV 1995, 141, 144 und ders., Staatsschuldenrecht, S. 31 f. mit detaillierten Angaben zu Entwicklung und Stand der Verwaltungsschulden in Österreich.
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den aus Art. 115 GG vor dem Hintergrund dessen Zielsetzung und der fehlenden gesetzlichen Normierung der Unterscheidung von Finanz- und Verwaltungsschulden bedenklich. So orientiert sich eine solche Interpretation nicht, wie oben aber als notwendig erachtet, an Kategorien der ökonomischen Weitung, sondern an einer schwer abgrenzbaren Terminologie. Eine ökonomische Wertung hätte stattdessen zu fragen, ob dem Staat mittels der Eingehung der Verwaltungsverbindlichkeit eine gewisse Liquidität auf Zeit mit Rückzahlungspflicht zufließt. Nimmt man dieses ökonomische Kriterium zur Hand, muss die Eingehung von Verwaltungsverbindlichkeiten immer dann als Kreditaufnahme im Sinne des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG qualifiziert werden, wenn sie dem Staat eine außergewöhnliche, materiell mit der vorübergehenden Erschließung einer Geldquelle vergleichbare Position verschafft. 743 Betrachtet man Vertragsgestaltungen genauer, in denen dem Staat mittels eines Austauschvertrages ein Gut zur Nutzung überlassen wird, so kann hierin unter zwei Umständen eine mit der direkten Kreditaufnahme vergleichbare Erschließung einer vorübergehenden Geldquelle in der Form der Ersparung von Aufwendungen liegen. Dies gilt zum einen, wenn der Vermieter dem Staat langfristige Stundungen oder weit hinausgeschobene Zahlungsziele bei der Mietschuld einräumt. 744 Hier erwächst dem Staat zunächst ein Nutzen, ohne dass er sofort zu einer äquivalenten Gegenleistung verpflichtet wird. Es kommt zu der für eine Kreditaufnahme typischen Verschiebung von Lasten in die Zukunft und einer Präjudizierung künftiger Haushalte, da erst in diesen die Zahlungspflichten für die aktuell ersparten Aufwendungen entstehe, die sogar höher ausfällt als eine mögliche aktuelle Belastung, da sich der Vermieter die Stundungszeit verzinsen lassen wird. Bei der Frage, ob eine solche Lastenverschiebung tatsächlich vorliegt, wird die Fristigkeit der Verbindlichkeit wichtiges Abgrenzungskriterium und Indiz sein. 7 4 5 Bei der Veräußerung und Rückmiete von Verwaltungsvermögen, wird eine solche Situation indes regelmäßig nicht vorliegen, da hier der Erwerber und Vermieter des Vermögens ein Interesse an einer möglichst schnellen Mietzahlung zur Refinanzierung seiner Investitionskosten haben wird. Dies liegt im übrigen auch im Interesse der öffentlichen Hand, da so die langfristige Belastung möglichst gering gehalten wird. Zum anderen ist die Betrachtung allein der Nutzungseinräumung im Mietvertrag als Kredit in Fällen denkbar, in denen der Staat neben der Nutzungseinräumung noch eine zusätzliche Leistung vom Vermieter erhält, ohne dass diese gesondert berechnet wird und allein über die Mietzinszah743
Höfling, in: DÖV 1995, 141, 146; ders., Staatsschuldenrecht, S. 43; zustimmend wohl F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 246. 744 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 43. 745 Höfling, in: DÖV 1995, 141, 146; ders., Staatsschuldenrecht, S. 43.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
lung „gestundet" abgezahlt wird. Bei der Rückmiete nach der Veräußerung kann dies etwa in einer Renovierungsleistung oder sonstigen sachbezogenen Investitionen liegen, die der Erwerber des Verwaltungsvermögens erbringt und die er über die Mieteinnahmen refinanziert. In einer solchen Konstellation kann sich dann die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung mit einer Finanzierungsprivatisierung zur privaten Vorfinanzierung öffentlicher Investitionen verbinden. Bei der „reinen Form" der Veräußerung von Verwaltungsvermögen kann die Rückmietung des Vermögens für sich daher nur in Ausnahmefällen als Kreditaufnahme angesehen werden. cc) Ergebnis der Einzelbetrachtung Als Ergebnis der Einzelbetrachtung kann festgehalten werden, dass nach dieser in der Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit anschließender Rückmietung nur in Ausnahmefällen eine Kreditaufnahme gesehen werden kann. Dies gilt zum einen, wenn der veräußernden öffentlichen Hand die zur Finanzierung des Erwerbs getätigte Kreditaufnahme des Erwerbers als eigene zuzurechnen ist, was von vorneherein nur bei öffentlich-rechtlichen Erwerbern möglich ist. Zum anderen gilt dies dann, wenn im Rückmietvertrag eine langfristige Stundung der Pflicht zur Mietzinszahlung eingeräumt wird und dem Staat durch die entsprechende Aufwendungsersparnis eine nicht unerhebliche Geldquelle wie bei der Aufnahme von Krediten erschlossen wird. b) Wertende Gesamtbetrachtung Nicht geklärt ist damit aber weiterhin, ob und unter welchen Bedingungen die Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit anschließender Rückmietung nicht unabhängig von diesen dargelegten Konstellationen generell als Kreditaufnahme zu weiten ist. Es stellt sich die Frage, ob bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Regelungen die Veräußerung nicht als Kauf, sondern als Kredit in Form des Liquiditätszuflusses mit Rückzahlungsverpflichtung zu werten i s t . 7 4 6 Wie oben dargelegt, muss die Beurteilung dieser Frage vor dem Hintergrund einer ökonomischen Betrachtungsweise erfolgen. Diese verbietet es, den Charakter des Rechtsgeschäfts allein nach der Natur der Verträge zu beurteilen. Die Tatsache, dass es sich bei dem Veräußerungsvorgang aus zivilrechtlicher Sicht um einen Kaufvertrag und ein anschließendes ding746
So ausdrücklich die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen das „Kieler Immobiliengeschäft" vor dem BVerfG (BVerfGE 99, 57, 61).
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liches Erfüllungsgeschäft sowie bei der Rückmietung um einen Mietvertrag nach §§ 535 ff. BGB zwischen dem abgebenden Staat und dem erwerbenden Dritten handelt, schließt folglich die Annahme eines Kredites nicht 747
aus. Nach Ansicht von F. Kirchhof sind die mit der Veräußerung und Rückmietung verbundenen Transaktionen dann als Kredit zu qualifizieren, wenn der staatliche Veräußerer von vornherein beabsichtigt, seine Eigentümerstellung an dem zu veräußernden Vermögen gar nicht vollständig aufzugeben oder jederzeit nach eigenem Willen und gegen den Willen des Erwerbers wieder in sie eintreten zu können. 7 4 8 Dies sei dann der Fall, wenn der Staat zwar zivilrechtlich das Eigentum überträgt, rechtstechnisch aber durch gezielte landesgesetzliche Binnenorganisation des neuen Rechtsträgers, die seiner Gesetzgebungskompetenz unterliegt, dafür sorgt, dass er faktisch alle Befugnisse und Nutzungen des Eigentümers behält. 7 4 9 Dementsprechend könne ein Kredit auch nur bei einem öffentlich-rechtlichen, vom Staat dominierten Erwerber vorliegen, während eine Veräußerung an einen Privaten ein echter Verkauf bliebe, der nicht unter den Kreditbegriff fiele. 7 5 0 Liege die besagte Lage jedoch vor, könne der Kaufpreis nicht mehr als Entgeltleistung für die Eigentumsüberlassung angesehen werden, sondern nur noch als Kredit, der einschließlich sonstiger Kosten für den Erwerber über die Mietzinsleistungen zurückzuzahlen sei. 7 5 1 Dieser Sichtweise ist zunächst insoweit zuzustimmen, wenn man das Kichhofsche Kriterium des fehlenden Eigentumsaufgabewillens als Mindesterfordernis anerkennt. Macht man die Frage, ob das gesamte künftige Schicksal der veräußerten Sache, also Erwerb, Veräußerung, Erhaltungsund Erneuerungsmaßnahmen und Verpachtung, zwar in der Binnenorganisation des Erwerbers bestimmt wird, deren Entscheidungen aber maßgeblich vom Willen der Staatsregierung abhängen, zum Entscheidungskriterium für die Abgrenzung von Kauf und Kredit 7 5 2 , so wird dabei an den wirtschaftlichen Eigentumsbegriff des Steuerrechts aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO angeknüpft. Nach dieser Vorschrift gilt derjenige als wirtschaftlicher Eigentümer, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Entscheidend ist, dass die formale äußere Rechtsmacht durch im Innenverhältnis bestehende Befugnisse beschränkt 747 748 749 75 0 75 1 752
F. Kirchhof in: F. Kirchhof in: F. Kirchhof in: F. Kirchhof in: F. Kirchhof in: So F. Kirchhof
DÖV 1999, 242, 247. DÖV 1999, 242, 247. DÖV 1999, 242, 247. DÖV 1999, 242, 247. DÖV 1999, 242, 248. in: DÖV 1999, 242, 247.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
w i r d . 7 5 3 Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. 7 5 4 Dabei ist jedoch anerkannt, dass der an sich nach Maßgabe des Privatrechts Berechtigte derart ausgeschlossen sein muss, dass er nicht mehr verfügungsberechtigt i s t . 7 5 5 Nicht ausreichend hierfür ist es, wenn der Berechtigte zur Einschränkung seiner Verfügungsmacht lediglich verpflichtet ist, ohne dieser Verpflichtung nachzukommen. 756 Wendet man diese Kriterien auf die Veräußerungsgeschäfte an, bedeutet dies in der Tat, dass nur bei öffentlich-rechtlichen Erwerbern ein Kredit vorliegen kann, auf die der Staat kraft ihrer Binnenstruktur einwirken kann. Zwar müssen auch bei einem privaten Erwerber die (verfassungsrechtlich notwendigen) Maßnahmen zur Sicherung des Funktionsbestandes der Sache dazu führen, dass der Erwerber keine volle Gestaltungsfreiheit über sein Eigentum besitzt. 757 Erfolgt die Funktionssicherung über eine öffentlich-rechtliche Widmung der Sache zum Verwaltungsgebrauch - die verfassungsrechtlichen Probleme hinsichtlich einer Ermächtigungsgrundlage einmal außer acht gelassen verbleibt das Eigentum beim Erwerber, ohne auf den Staat überzugehen. Es wird lediglich durch die öffentlich-rechtliche Bindung überlagert. Nur solche Verfügungen, die die Zweckbindung der Sache für die Nutzung zu Verwaltungszwecken gefährden sind ihm nicht gestattet. Der zivilrechtliche Eigentümer bestimmt auch nach einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach seinem Willen und eigenen Interessen die wesentlichen weiteren Geschicke der Sache. 758 Gleiches gilt für die dingliche Sicherung in Form einer Dienstbarkeit, da diese nicht über den Umfang einer Widmung hinausgehen wird. Erfolgt die Funktionssicherung schließlich im Wege des zivilrechtlichen Vertrages, so wird der Erwerber zu ihr ohnehin nur obligatorisch verpflichtet, nicht aber gebunden. Eine Restriktion, die für die Annahme des Übergangs wirtschaftlichen Eigentums nicht ausreicht. In anderer Hinsicht erscheint die Perspektive F. Kirchhofs jedoch verkürzt. Sie stellt bei ihrer Betrachtung allein auf die wirtschaftliche Eigentümerstellung des Veräußerers ab, vernachlässigt aber das oben entwickelte Bild des Kredites als Kapitalüberlassung mit RückZahlungsverpflichtung. Nimmt man aber dieses Kriterium in den Blickwinkel, muss bei der Abgrenzung von Kauf und Kredit gefragt werden, ob aus Sicht des staatlichen Veräußerers schon bei Abschluss des Verkaufsvertrages klar ist, dass der hierdurch erzielte Kaufpreis nur eine vorübergehende Liquiditätserhöhung bedeutet und grundsätzlich in voller Höhe an den Erwerber zurückgezahlt 753 754 755 756 757 758
BFH, BStBl. II 1998, 542. BFH, BStBl. II 1990, 388, 390; 1996, 186; 1998, 97; 1998, 153, 155. BFHE 129, 439, 441; BFH, BStBl. II 1983, 63 f. FG BaWü, EFG 1996, 302. Zum Funktionsfähigkeitsvorbehalt s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. I. 2. b). Genau hierauf stellt F. Kirchhof in: DÖV 1999, 242, 247 ab.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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werden muss. Dies ist aus Sicht des Staates aber immer dann der Fall, wenn der veräußerte Gegenstand des Verwaltungsvermögens zwingend weiterhin zur Erfüllung der konkreten Verwaltungsaufgabe benötigt wird und daher unbedingt zurückgemietet werden muss. In dieser Konstellation kann das ökonomische Kalkül nur darin liegen, durch die Veräußerung einen sofortigen Kapitalzufluss zu erhalten, der anschließend über den Mietzins wieder zurückgezahlt werden muss. Die momentane Liquidität wird dann also - wie für einen Kredit typisch - zu Lasten künftiger Haushalte erreicht. Diese Sichtweise gilt freilich nicht, wenn der Staat zwar weiß, dass für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe irgendein Verwaltungsvermögen benötigt wird, dieses jedoch nicht zwingend dasjenige sein muss, das veräußert wird. In solchen Fällen geht der Kaufpreis zunächst ohne Rückzahlungsverpflichtung in den Haushalt ein, wenn auch später ein Investitionsbedarf besteht. Ob und in welcher Höhe die Einnahmen aus der Veräußerung später für solche Investitionsmaßnahmen „zurückgezahlt" werden müssen, ist ungewiss und von künftigen Entscheidungen abhängig, bei denen durchaus Einsparungspotentiale erschlossen werden können. Auch muss hier derjenige, an den die finanziellen Mittel zurückgezahlt werden müssen, nicht identisch mit dem Vermögenserwerber als demjenigen sein, der dem Staat den Kaufpreis ausgezahlt hat. Eine solche Identität von Liquiditätsverschaffer und Rückforderungsberechtigtem ist aber für die Annahme eines Kredites notwendig. Bei der Rückmiete des veräußerten Objekts ist hingegen klar, dass der Mietzins langfristig den gesamten Kaufpreis des Erwerbers - inklusive möglicher Zinsen, die dieser für eine Kapitalaufnahme auf den Kapitalmärkten zu zahlen hat - zu refinanzieren hat. Alles in allem erweist sich der aufgestellte Maßstab damit als stark subjektiv geprägt, indem die Absichten des veräußernden Staates zum wesentlichen Kriterium bei der Frage nach dem Vorliegen eines Kredites wird. Er eröffnet damit grundsätzlich leichte Umgehungsmöglichkeiten, indem die beiden Geschäfte des Verkaufs und der Rückmietung zeitlich getrennt werden. In Ermangelung objektiver Kriterien müssen diese jedoch zum einen hingenommen werden. Zum anderen sichert der oben dargestellte Parlamentsvorbehalt für die Veräußerung vor allzu offensichtlichen Umgehungen. Er verlangt vom Veräußerer die Vorlage eines Konzepts, wie und mit welchem Vermögen die von der Veräußerung betroffenen Verwaltungsaufgaben künftig erfüllt werden sollen. Das Parlament und die Öffentlichkeit sind damit in der Lage, das staatliche Gesamtkonzept zu beurteilen, ihnen wird ein Kontrollmaßstab an die Hand gegeben. Der Regierung dürfte es mithin nicht möglich sein, zu veräußern und erst später den Rückmietungsbedarf einzuräumen. Wendet man diese Anforderungen nun an, stellt man fest, dass die von F. Kirchhof als Kreditaufnahme erfassten Fälle auch hiernach als solche zu
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
qualifizieren sind. Liegt beim Veräußerer die Absicht vor, seine Eigentümerstellung nicht vollständig aufzugeben oder jederzeit wieder in sie eintreten zu können, so weiß er um die zwingende Pflicht der Rückzahlung. Der hier entwickelte Maßstab erfasst darüber hinaus aber auch Fälle, in denen dem Erwerber durchaus eine volle Eigentümerstellung eingeräumt wird - mithin auch Vertragsgestaltungen mit einem privaten Erwerber. Er fragt nicht nach der Eigentümerstellung, sondern nach der Nutzung. c) Ergebnis Folglich kann die Veräußerung von Verwaltungsvermögen unter drei Umständen als staatliche Kreditaufnahme gewertet werden: Erstens dann, wenn dem staatlichen Veräußerer die Aufnahme eines Kredites durch den Erwerber zur Finanzierung des Kaufpreises zuzurechnen ist, was freilich nur bei einem öffentlich beeinflussten Erwerber der Fall sein kann. Zweitens dann, wenn dem Staat in dem mit der Veräußerung verbundenen Rückmietvertrag eine langfristige Zahlungsstundung eingeräumt wird. Und schließlich drittens in dem Falle, dass für den veräußernden Staat schon bei Abschluss des Veräußerungsgeschäfts klar ist, dass er ein Nutzungsrecht zurückeingeräumt bekommen muss, über dessen Zahlungen er den Kaufpreis an den Erwerber zurückerstattet. Bei den Konstellationen zwei und drei kann der Erwerber sowohl ein öffentlicher Träger, als auch ein Privater sein. 3. Verfassungsrechtliche
Anforderungen
an eine Kreditaufnahme
Hat sich somit gezeigt, dass in der Veräußerung von Verwaltungsvermögen unter den genannten Umständen eine Krediteinnahme zu erblicken ist, müssen die Anforderungen präzisiert werden, die das Verfassungsrecht an die Rechtmäßigkeit einer solchen Kreditaufnahme stellt. Da die Kreditaufnahme, wie oben dargelegt, ein grundsätzlich legitimes Instrument der staatlichen Finanzierung darstellt, lenkt sich der Blick auf Art. 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Die zusätzlich allgemein zu beachtenden Anforderungen des Art. 109 Abs. 2 GG, der die Ausrichtung der Haushalts Wirtschaft - damit auch der Kreditaufnahme 759 - an den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verlangt, sollen später unter dem Gesichtspunkt der haushaltsverfassungsrechtlichen Anforderungen behandelt werden. 7 6 0
759 Zum Verhältnis von Art. 115 und Art. 109 Abs. 2 GG vgl. BVerfGE 79, 311, 331 ff.; Friauf in: HStR IV, § 91, Rdnr. 30 ff.; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 97 ff. 760 s.u., 3. Teil, 1. Kap., B. III. 1.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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a) Gesetzesvorbehalt (Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG) Nach Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG bedarf die Aufnahme von Krediten „einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz". Bundesgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist allein das im Wege des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens verabschiedete Gesetz im formellen Sinne. 7 6 1 Nur durch ein solches Gesetz können die dargelegten Zielsetzungen des Gesetzesvorbehaltes, das Budgetrecht des gegenwärtigen und künftigen Parlamentes zu sichern und Öffentlichkeit herzustellen, erfüllt werden. Eine Rechtsverordnung reicht dementsprechend als Kreditermächtigung nicht aus. 7 6 2 In der Staatspraxis erfolgt die Kreditermächtigung in der Regel im Haushaltsgesetz (vgl. § 18 Abs. 2 BHO). Hiervon zu unterscheiden ist die Einstellung der Krediteinnahmen in den durch das Haushaltsgesetz festgestellten (Art. 110 Abs. 2 GG) Haushaltsplan. Diese Einstellung ist aus Gründen des Vollständigkeitsprinzips des Haushalts erforderlich (Art. 110 Abs. 1 GG), genügt aber, ebenso wie eine ausdrückliche Ermächtigung im Haushaltsplan nicht als Kreditermächtigung 763 . Die gegenteilige Ansicht, die eine Ermächtigung im Haushaltsplan genügen lassen will, weil auch dieser ein formelles Gesetz sei, 7 6 4 verkennt einen Teil der Funktion des Gesetzesvorbehalts in Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG. Entscheidend für das Nichtgenügen der Ermächtigung im Haushaltsplan ist nicht dessen eventuell fehlender Charakter als formelles Gesetz, sondern vielmehr dessen beschränkte Publizität. 765 Wenn oben die budgetpublizitätswahrende Funktion des in Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG normierten Gesetzesvorbehaltes betont wurde, so ist die nur teilweise Publizität des Haushaltsplans hiermit nicht vereinbar, da nur das Haushaltsgesetz selber einschließlich des Gesamtplanes, nicht aber der vollständige Haushaltsplan im Bundesgesetzblatt verkündet wird (§§ 1 S. 2 und 13 Abs. 4 B H O ) 7 6 6 . Neben der Ermächtigung zur Kreditaufnahme im Haushaltsgesetz kann eine solche selbstverständlich auch durch 76 1
Friauf, in: HStR IV, §91, Rdnr. 25; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 7; Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 15. 76 2 Friauf, in: HStR IV, §91, Rdnr. 25; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 7; Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 15. 76 3 Friauf, in: HStR IV, §91, Rdnr. 25; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 68; Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115 GG, Rdnr. 5. 764 So Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 8. 76 5 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19. 766 Zur Vereinbarkeit dieser Praxis mit Art. 82 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 20, 56, 93. 17 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
ein selbständiges Kreditermächtigungsgesetz oder durch eine Kreditklausel in einem einzelnen Fachgesetz erfolgen. 767 Da sich der Gesetzesvorbehalt auf die „Aufnahme" von Krediterl bezieht, besteht Einigkeit darüber, dass von ihm die gesamte Bruttokreditaufnahme, also der Gesamtbetrag der von den Kreditgebern überlassenen Geldbeträge, erfasst w i r d . 7 6 8 Folglich bedarf auch die Aufnahme von Krediten einer gesetzlichen Ermächtigung, die unmittelbar zur Ablösung von älteren Krediten verwandt werden sollen. 7 6 9 Die Ermächtigung selber muss ausdrücklich und unter Nennung eines Betrages erfolgen. Die Zulässigkeit einer bloßen Bestimmbarkeit des Betrages (Art. 115 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. GG) ist auf Ausnahmefälle 770 begrenzt, in denen die Fixierung eines genauen Betrags etwa wegen der Zweckgebundenheit des Kredits Schwierigkeiten bereitet. Für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen dürfte diese Alternative im Regelfall daher keine Rolle spielen, zumal hier der Betrag stets genau zu ermitteln sein wird. In zeitlicher Hinsicht unterliegen die Kreditermächtigungen grundsätzlich keiner Einschränkung. Das haushaltsrechtliche Jährlichkeitsprinzip findet auf sie keine Anwendung, so dass eine Kreditermächtigung auch längerfristig oder überhaupt ohne Befristung erteilt werden kann. 7 7 1 Dem steht bei einer Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz auch nicht das zeitliche Bepackungsverbot des Art. 110 Abs. 4 S. 1 GG entgegen, das grundsätzlich nur die Aufnahme solcher Vorschriften in das Haushaltsgesetz gestattet, die sich auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird. Art. 110 Abs. 4 S. 2 GG gestattet ausdrücklich, dass das Haushaltsgesetz vorschreiben kann, dass seine Vorschriften bei Ermächtigungen nach Art. 115 GG zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten. Erfolgt die Aufnahme eines Kredites ohne die auf diese Weise bestimmte gesetzliche Ermächtigung, ist die Sanktion die Verfassungswidrigkeit. Die privatrechtliche Wirksamkeit einmal abgeschlossener Verträge wird durch diesen Mangel jedoch nicht beeinflusst. 772 76 7
Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 25; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 19; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 64. 76 8 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 27; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 25 ff.; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 75; Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 16. 76 9 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 27. 77 0 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 27; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 24, Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 25; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 72; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 16. 77 1 Friauf in: HStR IV, § 91, Rdnr. 28; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 77. 77 2 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 66; Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 115 GG, Rdnr. 7.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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b) Materielle Begrenzung (Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG) aa) Der Regelfall Nach Art. 115 Abs. 1 S.2 GG dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Wenn die Vorschrift in deutlicher Abweichung von Art. 115 Abs. 1 Satz 1 GG von Einnahmen aus Krediten statt von Aufnahme von Krediten spricht, wird deutlich, dass sie lediglich die bloße Nettokreditaufnahme erfasst. 773 Kreditaufnahmen des Bundes, die unmittelbar der Umschuldung oder der Tilgung älterer Kredite dienen, die auf das Haushaltsjahr bezogen weder den Schuldenstand, noch die Summe der verfügbaren Mittel des Bundes verändern, werden folglich nicht von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst. 774 Da die Einnahmen aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen aber in der Regel zur Finanzierung des allgemeinen Haushalts eingesetzt werden, müssen sie, wenn sie unter den oben genannten Bedingungen als Kredit anzusehen sind, zu den Einnahmen aus Krediten gerechnet werden. Die Obergrenze dieser Einnahmen aus Krediten bildet die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen. Der Begriff der Investition wird somit entscheidend für den Inhalt und die Wirksamkeit der materiellen Kreditbegrenzung. 775 Gleichwohl erfährt dieser im Grundgesetz keine Definition. Aus der Anknüpfung an die im Haushaltsplan veranschlagte Investitionssumme kann jedoch nicht gefolgert werden, dass mit der Ausweisung im Haushaltsplan bestimmt werden kann, was Investitionen im Sinne des Art. 115 GG sind und was nicht. 7 7 6 Auch kann auf eine rechtliche Fixierung nicht zugunsten einer dem Parlament im Rahmen einer weiten Einschätzungsprärogative offengehaltenen Möglichkeit, den investiven Wert veranschlagter Ausgaben in eigener Verantwortlichkeit zu bestimmen, verzichtet werden. 777 Beide Wege würden die von Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG intendierte materielle Begrenzungsfunktion nahezu obsolet machen. 778 77 3 Friauf in: HStR IV, § 91, Rdnr. 41; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 41; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 115, Rdnr. 32; Wietel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 85; Fischer-Menshausen, in: Von Münch/Kunig, GG, Art 115, Rdnr. 12; Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 20. 77 4 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 86. 775 So BVerfGE 79, 311, 334. 77 6 Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 111. 777 So aber wohl L. Osterloh, in: NJW 1990, 151 unter Berufung auf die fehlende Möglichkeit einer ökonomisch fundierten Aussage über den „Zukunftswert" staatlicher Ausgaben (S. 149) und die systematische Aufgaben Verteilung zwischen Legislative und Bundesverfassungsgericht bei der Bestimmung unbestimmter Rechtsbegriffe in der Wirtschafts- und Finanzverfassung. L. Osterloh weist in die1*
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
In der Begründung des Regierungsentwurfs des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG werden Investitionen als solche Ausgaben definiert, die bei makroökonomischer Sichtweise die Produktionsmittel der Volkswirtschaft erhalten, vermehren oder verbessern. 779 Dem werden die konsumtiven Ausgaben des Staates entgegengestellt, d.h. die Ausgaben, die dem gegenwärtigen Verbrauch dienen. Diese allgemein anerkannte 780 Definition ist allerdings mangels hinreichender Präzisierung kaum geeignet, eine sinnvolle Abgrenzung konsumtiver und investiver Ausgaben vorzunehmen. Bei der Bemühung um eine Abgrenzung wurde daher von der Staatspraxis weitgehend auf den haushaltsrechtlichen Gruppierungsplan zurückgegriffen, der aufgrund § 13 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 Nr. 2 BHO als Verwaltungsvorschrift ergangen ist. Dort wurden Investitionen in den Hauptgruppen 7 und 8 als „Baumaßnahmen" und „sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen" erfasst, wobei zu letzterer Gruppe etwa der Erwerb von Grundstücken und Unternehmensbeteiligungen, die Vergabe von Darlehen sowie Zuschüsse und Zuwendungen für Investitionen Dritter im öffentlichen und privaten Bereich gehörten. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bildete dieser Investitionsbegriff zumindest die äußerste Grenze dessen, was als Investition begriffen werden kann. 7 8 1 Aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 115 Abs. 1 S. 3 GG hat der Bund 1990 die bisher in der Verwaltungsvorschrift erfassten Titel zu einer einfachgesetzlichen Definition des Investitionsbegriffs in § 10 Abs. 3 Nr. 2 HGrG und § 1 3 Abs. 3 Nr. 2 S.2 BHO gefasst. In ihrer Weite entspricht die einfachgesetzliche Legaldefinition jedoch weder den allgemein anerkannten Anforderungen der Verbesserung der Produktionsmittel der Volkswirtschaft, noch wird hinreichend deutlich der Zukunftsbezug in Form zukünftiger Vorteile zum Anknüpfungspunkt der Definition gemacht. 782 Ohne hier im Einzelnen auf die in der wirtschaftswissenschaftlichen und rechtswissenschaftlichen sem Zusammenhang darauf hin, dass das BVerfG nur bei der Kontrolle organisatorischer Normen eine hohe Kontrolldichte einzuhalten habe, bei der Konkretisierung materieller Normen, bei denen es um die Bestimmung des verfassungsrechtlich geforderten und ertragbaren Maßes an Verteilungsgerechtigkeit und Zweckrationalität staatlicher Maßnahmen gehe, weite Felder ausschließlich politisch zu verantwortender Wertungen des Parlaments zu berücksichtigen habe. 77 8 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 48; Fischer-Menshausen, in: von Münch/ Kunig, Art. 115, Rdnr. 13. 779 BT-Drs. 5/3040, S. 47, Tz. 134. 780 Osterloh, in: NJW 1990, 145, 146; Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 45; Stern, Staatsrecht II, § 51, S. 1279, Fn. 134 und 135 m.w.N. 781 BVerfGE 79, 311, 337 konstatiert, dass „der Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG nicht weiter verstanden werden kann als in der bisherigen Staatspraxis. Für seine Ausweitung ... ergibt sich ... kein Anhaltspunkt." 782 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 13; Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 49.
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Lehre entwickelten alternativen Ansätze 783 eingehen zu wollen, kann nach den bisherigen Ausführungen festgehalten werden, dass der Begriff der Investition eng auszulegen ist, wenn er seine Funktion erfüllen soll. 7 8 4 Es bietet sich daher etwa an, Investitionen nur dann anzunehmen, wenn wirtschaftliche Substanz geschaffen wird, die real auf künftige Haushaltsjahre übertragen werden kann und diese damit von eigenen Aufwendungen entlastet. 785 Aus dem Wortlaut des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG, insbesondere aus dem Bezug auf die „veranschlagten" Ausgaben könnte nun gefolgert werden, dass die Kreditobergrenze allein bei der Aufstellung des Haushalts zu beachten sei, sie dagegen den Vollzug nicht binde, eine geringere tatsächliche Investitionssumme daher ohne Einfluss auf die zulässige Höhe der Krediteinnahmen sei. 7 8 6 Dies hätte zur Folge, dass der Finanzminister, wenn das tatsächliche Investitionsvolumen hinter dem Haushaltsplan zurückbleibt, die Kreditmittel voll ausschöpfen dürfte, die Summen, die er durch die Unterlassung der Investitionen spart, zur allgemeinen Fehlbetragsdeckung verwenden könnte. Eine solche Sichtweise würde Art. 115 Abs. S. 2 GG aber zu einer „bloßen formalen Ordnungsvorschrift ohne inhaltliche Bindungswirkung" 7 8 7 abwerten. Die normative Intention, „die Staatsverschuldung zu begrenzen" 788 würde verfehlt. Daher muss die Kreditobergrenze auch während des Haushaltsvollzugs beachtet werden, die Grenze bilden daher letztlich nicht die veranschlagten, sondern die tatsächlichen Ausgaben für In• •
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vestitionen.
783
Vgl. beispielsweise die Übersicht bei Hemeler, in: AöR 108 (1983), S. 516 ff. Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 49; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 115, Rdnr. 13; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 110; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 32. 785 So etwa Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 49; auf den ökonomischen Zusammenhang zwischen Zukunftsbelastung und Kompensation abstellend auch Heun, in: Dreier, GG, Art. 115, Rdnr. 21. 786 So Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 115, Rdnr. 43; Piduch, BundeshaushaltsR, Art. 115 GG, Rdnr. 30; Wiebel, in: BK-GG, Art. 115, Rdnr. 111. 787 Friauf, in: HStR IV, § 91, Rdnr. 43. 788 So BVerfGE 79, 311, 337. 789 Vgl. insoweit auch die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1995 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung BT-Drs. 13/2600, S. 10 f., in denen der Bundesrechnungshof betont, dass die Bundesregierung aus seiner Sicht verpflichtet ist, eine Ermächtigung des Gesetzgebers zu erwirken oder spätestens im parlamentarischen Entlastungsverfahren Rechenschaft abzulegen, wenn sie das veranschlagte Investitionsvolumen nicht ausschöpft und die trotzdem aufgenommenen Kredite für konsumtive Zwecke nutzt. In der Tendenz ähnlich S. Tiemann, in: DÖV 1995, 634 ff. 784
262
3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
bb) Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 115 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 GG) Die auf diese Weise bestimmte Summe der im Haushalt veranschlagten Investitionen bildet gleichwohl nur für den Regelfall die Obergrenze der Kreditaufnahme. Zur Abwehr einer Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG Ausnahmen ausdrücklich für zulässig. Die Vorschrift steht dabei in unmittelbaren Zusammenhang zur Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG, die jegliche Haushaltspolitik an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bindet. Die Störung dieses gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wird somit zum einen tatbestandliche Voraussetzung für die mögliche Überschreitung der Kreditobergrenzen, zum anderen ist seine Wiederherstellung Ziel und Zweck für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung. 790 Der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist in der Verfassung nicht näher definiert, wobei der verfassungsgebende Gesetzgeber jedoch in der gleichzeitig mit Art. 109 Abs. 2 GG entstandenen Vorschrift des § 1 Satz 2 StWG eine zutreffende Umschreibung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sah. 7 9 1 Bei der verfassungsrechtlichen Auslegung ist daher auf dessen vier Teilziele (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum) zurückzugreifen, sofern keine neuen, gesicherten Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin vorliegen. 792 Um die Ausnahmeregelung in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG in Anspruch nehmen zu können, muss eine ernsthafte und nachhaltige Störung des Gleichgewichts vorliegen oder unmittelbar drohen, so dass einzelne konjunkturelle Schwankungen oder Labilitäten nicht ausreichen. 793 Schließlich muss die erhöhte Kreditaufnahme nach Umfang und Verwendung geeignet sein, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. Die erhöhte Kreditaufnahme darf nicht nur durch die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts veranlasst sein, sie muss darüber hinaus auch auf die Abwehr dieser Störung bezogen sein. 7 9 4 Über diese Eignung hinaus sieht das Grundgesetz keine weiteren einschränkenden Erfordernisse für die Inanspruchnahme eines erhöhten Kreditvolumens v o r . 7 9 5 Bei der Beurteilung, ob eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt oder unmittelbar droht, und bei der Einschätzung, ob eine 790 791 792 793 794 795
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
79, 311, 335. 79, 311, 338. 79, 311, 338 f. 79, 311, 339. 79, 311, 339. 79, 311, 341.
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263
erhöhte Kreditaufnahme zu ihrer Abwehr geeignet ist, steht dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Ihn trifft jedoch im Gesetzgebungsverfahren eine Darlegungslast für die Erfüllung dieser Voraussetzungen. 796 Bei der Ausübung des Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums ist der Gesetzgeber gehalten, frei von Willkür, aufgrund der vorliegenden wirtschaftlichen Daten und vor dem Hintergrund der Aussagen der gesetzlich verankerten Organe der finanz- und wirtschaftspolitischen Meinungs- und Willensbildung zu entscheiden. 797 Die Darlegungslast gebietet dem Gesetzgeber die Darlegung - eine bestimmte Form ist hierfür von Verfassungs wegen nicht vorgeschrieben - seiner Diagnose der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, seiner Absicht, diese auf welchem Wege abzuwehren und seiner Prognose, dass und wie er dieses Ziel erreicht. 798 4. Ergebnis Die Veräußerung von Verwaltungsvermögen kann unter drei Umständen als staatliche Kreditaufnahme gewertet werden. Dies gilt dann, wenn dem staatlichen Veräußerer die Aufnahme eines Kredites durch den Erwerber zur Finanzierung des Kaufpreises zuzurechnen ist, wenn dem Staat in dem mit der Veräußerung verbundenen Rückmietvertrag eine langfristige Zahlungsstundung eingeräumt wird und - am wichtigsten - wenn für den veräußernden Staat schon bei Abschluss des Veräußerungsgeschäfts klar ist, dass er ein Nutzungsrecht zurückeingeräumt bekommen muss, über dessen Zahlungen er den Kaufpreis an den Erwerber zurückerstattet. Sind diese Voraussetzungen gegeben, bedarf das Veräußerungsgeschäft einer den Anforderungen des Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG genügenden gesetzlichen Ermächtigung. Die Erlöse sind dann bei der Berechnung der Nettokreditaufnahme zu berücksichtigen, deren Gesamtsumme die Grenzen des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG nicht überschreiten darf.
III. Haushaltsverfassungsrecht als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen Einen entscheidenden Maßstab für die Zulässigkeit und Ausgestaltung der Veräußerung von (weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigtem) Verwaltungsvermögen liefert das Haushaltsverfassungsrecht. Als Haushaltsverfassungsrecht wird gemeinhin die in den Art. 109 bis 115 GG niedergelegte Grundordnung der staatlichen und parastaatlichen Haushalte 796 797 798
BVerfGE 79, 311, 343. BVerfGE 79, 311, 344. BVerfGE 79, 311, 345.
264
3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
einschließlich der Einbeziehung des Haushaltsgebarens in das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht verstanden. 799 Bereits nach dieser Definition bietet sich eine Trennung zwischen zwei normativen Komplexen innerhalb des Haushaltsverfassungsrechts an. Zum einen gilt es den in Art. 109 Abs. 2 GG verankerten und für Bund und Länder gemeinsam geltenden allgemeinen Grundsatz der Haushaltswirtschaft mit Rücksicht auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu betrachten, der als Formulierung eines allgemeinen Staatsziels 800 gleichsam an der Schnittstelle zwischen Haushaltsverfassung und bundesstaatlicher Finanzverfassung steht 8 0 1 . Zum anderen aber, und darauf muss bei einer Betrachtung des Haushaltsverfassungsrechts in Hinblick auf die Veräußerung von Verwaltungsvermögen der Schwerpunkt liegen, gilt es zu ermitteln, welche Anforderungen die in den Art. 110 ff. GG enthaltenen Haushaltsgrundsätze an die Veräußerung stellen. 1. Art. 109 Abs. 2 GG Gem. Art. 109 Abs. 2 GG haben Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift nicht lediglich um einen allgemeinen Programmsatz, sondern um eine unmittelbar bindende Rechtspflicht für Bund und Länder. 8 0 2 Damit werden sie in ihrer haushaltspolitischen Bewegungsfreiheit eingeschränkt. 803 Haushaltswirtschaft ist dabei jener Teil der öffentlichen Finanzwirtschaft, der die Gesamtheit der auf den staatlichen Haushalt bezogenen Vorgänge umfasst, insoweit alle Einnahmen und Ausgaben sowie die Vermögensverwaltung einschließt. 804 Folglich findet auch die Veräußerung staatlichen Vermögens als vermögenswirksame Einnahmeerzielung in den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ihre Grenzen.
799 Stern, Staatsrecht II, § 45, S. 1051 f.; Vogel/Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rdnr. 34; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rdnr. 43. 800 Fahr-Becker, Justiziabilität des Art. 109 Abs. 2 GG, S. 66 f.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 120; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 8. 801 Stern, Staatsrecht II, § 45, S. 1052; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 7 betont die einem Haushaltsgrundsatz ähnelnde Wirkung des Art. 109 Abs. 2 GG. 802 Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 69; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 37; Patzig, Haushaltsrecht II, Art. 109 GG, A/109/17, Rdnr. 16. 803 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 8. 804 Stern, Staatsrecht II, § 45, S. 1078; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 GG, Rdnr. 5; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 3; Patzig, Haushaltsrecht II, A/109/7, Rdnr. 6.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist, wie bereits im Abschnitt über die Behandlung der Veräußerungserlöse als Kredit dargelegt 8 0 5 , in der Verfassung nicht näher definiert, wobei der verfassungsgebende Gesetzgeber jedoch in der gleichzeitig mit Art. 109 Abs. 2 GG entstandenen Vorschrift des § 1 Satz 2 StWG eine zutreffende Umschreibung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sah. 8 0 6 Bei der verfassungsrechtlichen Auslegung ist daher auf dessen vier Teilziele (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum) zurückzugreifen, sofern keine neuen, gesicherten Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin vorliegen. 807 Aufgabe der Haushaltswirtschaft soll es dabei grundsätzlich sein, vorübergehende Nachfrageschwankungen innerhalb des Konjunkturzyklus auszugleichen und in Zeiten eines Nachfragerückgangs selbst Nachfrage zu entfalten und durch Transferleistungen sowie Steuersenkungen Nachfrage zu übertragen, während sie in Zeiten des Booms durch Drosselung von Ausgaben, Erhöhung von Einnahmen und Bildung von Rücklagen Nachfrageüberschüsse aufsaugen soll. 8 0 8 Als Mindesterfordernis verlangt Art. 109 Abs. 2 GG diese gesamtwirtschaftlichen Aspekte in den Entscheidungsprozeß über einzelne haushaltswirtschaftliche Maßnahmen einzubeziehen und sie nicht zu übergehen. 809 Angesichts der zahlreichen Diagnose- und Prognoseprobleme sowie der vielfältigen Handlungs- und Wirkungsverzögerungen („Time-lags") 8 1 0 kann aus der Berücksichtigung der Belange des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts allerdings kein bestimmtes, feststehendes Ergebnis abgeleitet werden, zumal eine Abwägung mit anderen Belangen zulässig ist. 8 1 1 Dem Staat ist lediglich eine offensichtlich prozyklische Politik untersagt. 812 Die praktische Bedeutung des Art. 109 Abs. 2 GG bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung einzelner haushaltswirtschaftlicher Maßnahmen ver805
s.o., 3. Teil, 1. Kap., B. II. 3. b) bb). BVerfGE 79, 311, 338. 807 BVerfGE 79, 311, 338 f.; vgl. ferner nur Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 18; Stern, Staatsrecht II, § 45, S. 1079; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 25; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 10. 808 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. 11; Maunz, in. Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 30 f.; Vogel/Wiebel, in. BK-GG, Art. 109, Rdnr. 120 unter Betonung der kompensatorischen Hilfsfunktion der staatlichen Haushalts Wirtschaft im Verhältnis zur privatwirtschaftlichen Ordnung. 809 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rdnr. 20; ähnlich Vogel/Wiebel, in: BKGG, Art. 109, Rdnr. 135. 810 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rdnr. 20. 811 Jarass/Pieroth, GG, Art. 109, Rdnr. 4; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rdnr. 20. 812 Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109, Rdnr. 20; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 109, Rdnr. IIa. 806
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
ringert sich noch weiter, wenn man die Justiziabilität seiner Beachtung betrachtet. Diese ist über das allgemeine Maß gerichtlicher Zurückhaltung bei der Überprüfung politischer Entscheidungen hinaus beschränkt. 813 So sind die Unbestimmtheit des Begriffs „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" und seine ökonomische Implikation wie allgemein im Rahmen der Finanzverfassung 814 angetan, einen weiteren Beurteilungs- oder auch Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers anzunehmen, der der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung nur auf Einhaltung des verbindlich gesetzten Rahmens unterliegt. 815 Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht stets betont, dass es haushaltswirtschaftliche Maßnahmen nur begrenzt auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 109 Abs. 2 GG hin überprüfen kann. 8 1 6 Ein Verstoß gegen das Gebot könne erst dann festgestellt werden, wenn bei einer Maßnahme offensichtlich die Belange des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts der Bundesrepublik Deutschland nicht beachtet werden und dadurch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beeinträchtigt werden wird. Ob die jeweilige haushaltspolitische Entscheidung „richtig" ist oder dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht am besten dient, habe das Gericht nicht zu prüfen. 8 1 7 Setzt man diese Aussagen in Beziehung zur vorliegenden Problematik der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, so zeigt sich, dass Art. 109 Abs. 2 GG für die Zulässigkeit der Veräußerung keine wesentlichen Begrenzungen aufstellt. Bei ihr wird auch besonders gut die Schwierigkeit der Beurteilung der konjunkturellen Folgen einzelner haushaltswirtschaftlicher Maßnahmen deutlich. So ließe sich zum einen zunächst argumentieren, dass mit Erzielung der staatlichen Einnahme Kapital aus privater in staatliche Hand übertragen und damit dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird. Dies spräche für eine konjunkturell dämpfende Wirkung der Veräußerung. Bedenkt man jedoch, dass die Finanzierung des Kaufpreises auf privater Erwerberseite nicht aus vorhandenem Vermögen erfolgt, das abgeschöpft würde, sondern über die Aufnahme von Fremdkapital am Kapitalmarkt, bringt die Veräußerung zunächst Liquidität in das Wirtschaftssystem, die allerdings anschließend fest für den Vermögenserwerb gebunden wird. 813
Hierzu Vogel/Wiebel, in: BK-GG, Art. 109, Rdnr. 136; Fahr-Becker, Justiziabilität des Art. 109 Abs. 2 GG, S. 9 ff.; Ossenbühl, in: FS Carstens, S. 743, 751 ff. weist auf die begrenzte Aussagekraft der Kategorien „Recht und Politik" bei der Grenzziehung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichts hin und präferiert stattdessen eine funktional-rechtliche Betrachtungsweise. 814 Zum grundsätzlichen Problem der Justiziabilität der Finanzverfassung Ossenbühl, in: FS Carstens, S. 743 ff.; Vogel, in: HStR IV, § 87, Rdnr. 120 ff. 815 BVerfGE 72, 330, 390; vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109, Rdnr. 38; Patzig, Haushaltsrecht II, Art. 109 GG, A/109/21, Rdnr. 22. 816 BVerfG, NVwZ 1990, 356, 357. 817 BVerfG, NVwZ 1990, 356, 357.
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Art. 109 Abs. 2 GG formuliert damit keine besonderen Anforderungen an die Veräußerung von Verwaltungsvermögen. 2. Haushaltsgrundsätze Unter Haushaltsgrundsätzen werden die seit dem 19. Jahrhundert von der Finanzwissenschaft herausgearbeiteten Grundsätze verstanden, an denen sich budgetäres Handeln orientieren muss, um die Budgetfunktionen möglichst vollständig erfüllen zu können. 8 1 8 Ohne hier auf die historische Entwicklung der hiermit verbundenen finanzwissenschaftlichen Diskussion näher eingehen zu können 8 1 9 , bleibt jedoch festzuhalten, dass zwar keine Einigkeit besteht, ob von der Kategorie Haushaltsgrundsätze lediglich Grundsätze der formalen Ordnung des Haushaltswesens, oder auch Grundsätze der materiellen Finanzpolitik erfasst werden 8 2 0 , auf der anderen Seite aber weitgehend Konsens über einen Kernbestand an inhaltlichen Regelungen herrscht. Genannt werden insoweit die Grundsätze der Vollständigkeit des Haushalts, der Einheit des Haushalts, der Vörherigkeit des Haushalts, der Jährlichkeit des Haushalts, der Klarheit und Wahrheit des Haushalts, der zeitlichen und sachlichen Spezialität des Haushalts, der Ausgeglichenheit des Haushalts, der Gesamtdeckung des Haushalts, der Öffentlichkeit des Haushalts, der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltswirtschaft sowie das Bepackungsverbot. 821 Darüber hinaus werden vereinzelt auch noch weitere Prinzipien zu den Haushaltsgrundsätzen gerechnet. 822 W i l l man aus den Haushaltsgrundsätzen nun verfassungsrechtliche Anforderungen an haushaltsrelevantes Handeln des Staates ableiten, so stellt sich die Frage nach der juristischen Bedeutung der Haushaltsgrundsätze. Bei der Beantwortung dieser Frage kommt es nicht so sehr darauf an, ob eine Re-
818 Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 85; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 57; Senf, in: HdFW I, S. 391 f. „formale Regelungen zwecks Verwirklichung materieller Absichten". 819 Vgl. hierzu ausführlich Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1231 ff.; Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 84. 820 Vgl. zur ersteren Ansicht Senf, in: HdFW I, S. 392; im letzteren Sinne Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 7; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 57, der die - beiden Kategorien gemeinsame - Funktion der Lenkung der Haushaltswirtschaft betont. 821 Vgl. die Auflistungen bei Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 58; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1238 f.; Wiesner, Haushaltsrecht, S. 67; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 46. 822 Vgl. nur die von Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 109 genannten „neuen Budgetgrundsätze" der ausreichenden Handhabe, der Ermessensfreiheit, der beweglichen Fristsetzung, der Berichterstattung, der Methodenpluralität und des integrativen Budgetmanagements.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
gel als Haushaltsgrundsatz anerkannt ist oder ob es sich bei den Haushaltsgrundsätzen um Rechtsgrundsätze, Maximen oder Prinzipien handelt. Es gilt vielmehr, im einzelnen zu untersuchen, welche konkrete Fixierung ein Haushaltsgrundsatz in der Verfassung erfahren hat. 8 2 3 Dabei kann angesichts einer erheblichen Parallelität zwischen finanzwissenschaftlicher Erkenntnis, praktischer Erfahrung und normativer Regelung 8 2 4 - schon das Vorhandensein eines Haushaltsgrundsätzegesetzes trägt hiervon Zeugnis grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die vorgenannten Grundsätze sämtlich Niederschlag im materiellen Recht gefunden haben und lediglich der Rang der Rechtsquelle divergiert. 825 Von den genannten Haushaltsgrundsätzen erscheinen im vorliegenden Zusammenhang die Grundsätze der Vollständigkeit des Haushalts, der Wahrheit und Klarheit des Haushalts sowie vor allem der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit problematisch. 826 Im folgenden soll jeder dieser drei Grundsätze jeweils kurz dargestellt, seine verfassungsrechtliche Verankerung hergeleitet, sowie die aus ihm für die Veräußerung folgenden Anforderungen bestimmt werden. a) Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts Gem. Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG sind alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen. Entsprechende Vorschriften finden sich in allen Landesverfassungen. 827 Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans sichert die Funktionsfähigkeit des Haushaltsbewilligungsrechts als wesentliches Instrument parlamentarischer Regierungskontrolle. 828 Er zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Regierung und Parlament zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare 823 Hierauf weist Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 60 f. zu Recht hin. Ebenso Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 45. 824 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1232. 825 Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 59; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1238. 826 Vgl. für das „Kieler Immobiliengeschäft" Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 121 f. 827 Vgl. Art. 79 Abs. 1 BaWü Verf; Art. 78 Abs. 1 BayVerf; Art. 85 Abs. 1 VerfBerl; Art. 101 Abs. 2 BbgVerf; Art. 131 BremVerf; Art. 66 Abs. 1 HambVerf; Art. 139 Abs. 2 HessVerf; Art. 61 Abs. 1 VerfM-V; Art. 65 Abs. 1 NdsVerf; Art. 81 Abs. 2 VerfNW; Art. 116 Abs. 1 VerfRh-Pf; Art. 105 Abs. 1 SaarVerf; Art. 93 Abs. 1 SächsVerf; Art. 93 Abs. 1 VerfLSA; Art. 50 Abs. 1 Verf Schl-H; Art. 98 Abs. 1 ThürVerf. 828 BVerfGE 55, 274, 303; 82, 159, 179; 91, 186, 202.
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Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden. 8 2 9 Eine ökonomische Analyse budgetärer Maßnahmen ist nur möglich und aussagerelevant, wenn alle diesbezüglichen Aktivitäten erfasst werden. 8 3 0 Auch kann nur so verhindert werden, dass der Haushaltsplan lediglich auf dem Papier ausgeglichen erscheint. 831 § 8 HGrG dehnt den Völlständigkeitsgrundsatz schließlich einfachgesetzlich auf die Verpflichtungsermächtigungen aus, d.h. auf die Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren (§ 5 HGrG). Ob diese Verpflichtung indes auch verfassungsrechtlich aus Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG folgt, ist umstritten. Überwiegend wird hier zu Recht jedoch angenommen, dass die Einbeziehung der Verpflichtungsermächtigungen wenn auch nicht ausdrücklich von Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG verlangt wird, so dennoch zumindest mittelbar von Art. 110 GG gefordert wird. So wird über die Verpflichtungsermächtigungen das parlamentarische Budgetrecht auch in Fällen gewährleistet, in denen Vorhaben über ein Jahr hinaus oder überhaupt nur in künftigen Haushaltsjahren zu Ausgaben führen. 8 3 2 Würden solche über ein Jahr hinausgehenden Verpflichtungen ohne Ermächtigung eingegangen, so würde das Budgetrecht des Parlaments zwangsläufig eingeschränkt, weil die bereits mit Außenwirkung festgelegten Ausgaben bei der Beschlussfassung über künftige Haushaltspläne nicht mehr zur Disposition stünden. 833 Der Vollständigkeitsgrundsatz fordert daher die Einbeziehung der Verpflichtungsermächtigungen in den Haushaltsplan. 834 Die gegen eine Einbeziehung der Verpflichtungsermächtigungen in den Völlständigkeitsgrundsatz vorgebrach829
BVerfGE 82, 159, 179; 91, 186, 202; 93, 319, 343. Senf, in: HdFW I, S. 393. 831 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1239; kritisch hierzu Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 87. 832 Fährmann, in: DÖV 1979, 886, 887; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 32; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 9; Stern, Staatsrecht II, §50, S. 1239; Gröpl, in: DStZ 199, 113, 121; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 145. 833 Fährmann, in: DÖV 1979, 886, 887; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 32. 834 Zeiss, Privatfinanzierung, S. 85 lehnt zwar eine Ausdehnung des Vollständigkeitsgrundsatzes auf die Verpflichtungsermächtigungen ab, kommt aber ebenfalls zum Ergebnis der zwingenden Einbeziehung der Verpflichtungsermächtigung (S. 105 ff.). Dogmatisch wählt er hierfür den Grundsatz der parlamentarischen Budgethoheit als eigenständigen Ansatzpunkt, erkennt jedoch an, dass die Budgethoheit im wesentlichen in Art. 110 Abs. 1 GG gewährleistet wird (S. 100). Ekardt, in: VB1BW 1997, 281, 287 folgert die Erstreckung des Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG auf Verpflichtungsermächtigungen wohl aus dem Grundsatz der Haushaltswahrheit und 830
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
ten Bedenken, dass diese nicht zum System des Art. 110 GG, insbesondere zur Ausgleichspflicht des Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG passten, und daher nicht zwingend, sondern nur fakultativ im Haushalt zu berücksichtigen seien, 835 vermögen nicht zu überzeugen. Aus der Tatsache, dass die Verpflichtungsermächtigungen zwingend in den Haushalt aufgenommen werden müssen, damit dieser dem Vollständigkeitsgrundsatz genügt, folgt nicht zwingend, dass die Verpflichtungsermächtigungen als Ausgaben im Sinne des Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG angesehen werden müssen, die nach dem Grundsatz der Ausgeglichenheit des Haushalts von den Einnahmen gedeckt sein müssen. Die Ausgleichsgrundsatz kann vielmehr auf die im Rechnungsjahr fälligen Ausgaben beschränkt sein, so dass Deckungsmittel nur in Höhe des Kassenbedarfs benötigt werden, während im Haushaltsplan neben diesen reinen Geldbewegungen aufgrund des Völlständigkeitsgrundsatzes auch die Verpflichtungsermächtigungen dargestellt werden müssen. 836 Demgemäß ist der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts verletzt, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. 837 Daher darf keine voraussehbare Einnahme oder Ausgabe bei der Aufstellung des Haushaltsplans außer Ansatz bleiben. 8 3 8 Entsprechend dem in Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG verankerten Vollständigkeitsgebot sind alle fälligen, d.h. im Haushaltsjahr kassenwirksam werdenden Einnahmen oder Ausgaben und die voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen der Höhe nach anzusetzen. 839 Für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen folgt hieraus zweierlei: Zum einen sind die sich aus der Veräußerung ergebenden Erlöse vollständig im Haushalt zu veranschlagen. Zum anderen müssen aber auch die Geldbeträge im Haushalt berücksichtigt werden, die sich aus der Rückmietung von weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigten Sachen ergeben. Wenn von der veräußernden Körperschaft noch im selben Haushaltsjahr Miet- oder Pachtzahlungen zu leisten sind, müssen diese als Ausgaben veranschlagt sein. Wenn noch im selben Haushaltsjahr ein Miet- oder Pacht-
- Klarheit, da ohne Einbeziehung der Verpflichtungsermächtigungen die hohen Finanzierungskosten und der wahre Charakter einzelner Maßnahmen verschleiert würde. 835 So Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 110 GG, Rdnr. 13; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 110 GG, Rdnr. 38; siehe auch VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 146 f. 836 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 17; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 32; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1250. 837 BVerfGE 82, 159, 179; 91, 186, 202; 93, 319, 343. 838 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1239; Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 86. 839 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1239; Fischer-Menshausen, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 9; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 62; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 32.
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vertrag abgeschlossen werden soll, muss hierfür eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung vorliegen. 8 4 0 Die damit gestellten Anforderungen erweisen sich insgesamt als nicht besonders hoch und dürften im Regelfall auch eingehalten werden. b) Grundsatz der Wahrheit und Klarheit des Haushalts Das Prinzip der Vollständigkeit sagt noch nichts darüber aus, wie differenziert die Einnahmen und Ausgaben im einzelnen dargestellt werden müssen. 8 4 1 Der Grundsatz der Klarheit des Budgets verlangt nun, dass der Etat durchsichtig und übersichtlich gegliedert sein muss und dass die einzelnen Positionen so zu bezeichnen sind, dass Herkunft bei den Einnahmen und Zweckbestimmung bei den Ausgaben eindeutig zu erkennen sind. 8 4 2 Der Haushaltsplan muss die Grundlagen der Haushaltswirtschaft im jeweiligen Haushaltsjahr zumindest für einen neutralen Sachverständigen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen. 8 4 3 Er hat sich jeglicher den Überblick verfälschender Verschleierung zu enthalten und muss transparent gestaltet sein. 8 4 4 Der Grundsatz der Haushaltsklarheit selbst ist nicht ausdrücklich im Grundgesetz und den meisten Landesverfassungen erwähnt 8 4 5 , ergibt sich jedoch zwangsläufig 846 aus den verfassungsrechtlichen Funktionen, denen der Haushalt dient. Der Zweck der Haushaltsberatung, eine umfassende parlamentarische Kontrolle über das Finanzgebaren der Regierung zu gewährleisten, würde verfehlt, wenn den Abgeordneten und der Öffentlichkeit über den Beratungsgegenstand nur unzureichende Informationen zur Verfügung stünden. Art. 110 GG verpflichtet daher die Bundesregierung zur Vorlage eines Haushaltsplans, der hinreichend konkrete Angaben über Einnahmen und Ausgaben enthalten muss, da sonst der Zweck der Haushaltsberatung verfehlt würde. 8 4 7 Dieser Verpflichtung entspricht auch ein, aus dem in 840
Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 121. Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 110 GG, Rdnr. 9. 842 Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 96; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 71; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1245; Senf, in: HdFW I, S. 402; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 11. 843 Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122. 844 VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 146. 845 In der Niedersächsischen Verfassung findet sich hingegen in Art. 65 Abs. 1 S. 1 die Vorschrift, dass „alle Einnahmen des Landes nach dem Entstehungsgrund und alle Ausgaben des Landes nach Zwecken getrennt im Haushaltsplan zu veranschlagen (sind)". 846 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1245. 847 BVerfGE 70, 324, 355. 841
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Status erwachsendes, Recht eines jeden Abgeordneten darauf, dass ihm grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine sachverständige Beurteilung des Haushaltsplans ermöglichen. 848 Im Grundsatz der Haushaltsklarheit bewährt sich ebenso wie im Grundsatz der Vollständigkeit das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments als das wesentliche Element der Regierungskontrolle. 8 4 9 Der Grundsatz der Haushaltsklarheit besitzt damit den Rang von materiellem Verfassungsrecht und kann von Verfassungsgerichten als Prüfungsmaßstab herangezogen werden. 8 5 0 Wie speziell die Zweckbestimmungen und Erläuterungen des Haushaltsplans im einzelnen sein müssen, lässt sich indes nicht aus Art. 110 GG herleiten, sondern bleibt der Ausgestaltung im einfachen Haushaltsrecht überlassen. 851 Hieraus folgt für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, dass die hiermit in Zusammenhang stehenden Erlöse und Ausgaben ihrer Eigenart entsprechend bezeichnet werden müssen. Die Veräußerungserlöse als „globale Mehreinnahmen" zu bezeichnen, wie dies beim „Kieler Immobiliengeschäft" geschehen ist, verletzt ob der Verwendung einer reinen Leerformel den Grundsatz der Haushaltsklarheit eklatant. 852 Auch die später von der schleswig-holsteinischen Regierung gewählte Formulierung „Einnahmen aus der Übertragung von bebautem Liegenschaften an die Landesinvestitionsbank" macht zwar den Veräußerungsvorgang deutlicher, lässt aber die wirtschaftliche Bedeutung nur ansatzweise erkennen. Sofern die Veräußerung gar als Kredit zu weiten ist, muss dieser wirtschaftliche Tatbestand eindeutig zum Ausdruck kommen. Hiermit korrespondierend enthält der Grundsatz der Haushaltswahrheit positiv das Gebot, die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben mit größtmöglicher Genauigkeit zu errechnen oder zu schätzen, negativ das Verbot, Beträge und Sachverhalte zu verschleiern oder vorzutäuschen. 853 Von einer Verletzung des Grundsatzes der Haushaltswahrheit wird man indessen erst bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Fehleinschätzung sprechen können 8 5 4 , so dass der praktische Anwendungsbereich dieses Grundsatzes äußerst beschränkt sein dürfte. 848
BVerfGE 70, 324, 355. VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 146. 850 So ausdrücklich VerfGH NW, NWVB1 1992, 129, 130; vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 38; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 55; einschränkend Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 437, Fn. 174. 851 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110, Rdnr. 38. 852 So zu Recht Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122. 853 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1246 f.; Patzig, Haushaltsrecht I, Rdnr. 100 fasst diesen Aspekt unter dem Grundsatz der „Genauigkeit des Haushalts" zusammen. 849
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c) Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung Ging es bei den bisher diskutierten Haushaltsgrundsätzen um die Gewinnung formeller Maßstäbe für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, so formuliert der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung materielle Zulässigkeitskriterien. aa) Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes Wenn es auch an einer einfachgesetzlichen oder gar verfassungsrechtlichen Definition dessen, was „Wirtschaftlichkeit" im Rechtssinne bedeutet, mangelt, besteht doch weitestgehende Einigkeit 8 5 5 über den insoweit einschlägigen Beurteilungsmaßstab. In Anlehnung an die Nr. 1 der vorl. V V zu § 7 BHO wird die Wirtschaftlichkeit dann als gewahrt angesehen, wenn die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den eingesetzten Mitteln erreicht wird. Die günstigste Zweck-Mittel-Relation besteht dann darin, dass entweder ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln (Sparsamkeits- oder Minimalprinzip) oder mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln das bestmögliche Ergebnis (Ergiebigkeitsoder Maximalprinzip) erzielt w i r d . 8 5 6 Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsmessung können damit nur die Maßnahmen zur Zielverwirklichung, nicht aber die vom Gesetzgeber nach seinen politischen Vorstellungen bestimmten Ziele selbst sein. 8 5 7 Dabei darf nach überwiegender Ansicht Wirtschaftlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinne freilich nicht im Sinne eines betriebswirtschaftlichen Gewinnoptimierungsgrundsatzes des finanziellen Ertrags verstanden, sondern stets in Hinblick auf den durch die Maßnahme erzielten Nutzen der Allgemeinheit ausgelegt werden. 858 854
Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 72. Zur Unsicherheit bei der Abgrenzung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und den insoweit vertretenen Meinungen, vgl. Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S. 248 ff. 856 Vogel/Kirchhof, in: BK-GG, Art. 114, Rdnr. 87; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 114, Rdnr. 18; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1251; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 111; von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 19; Kloepfer, in: EvStL I, Sp. 869; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 146 m.w.N.; VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 149. 855
857 Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 114, Rdnr. 18; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 36. 858 Vogel/Kirchhof, in: BK-GG, Art. 114, Rdnr. 89 f.; von Mutius/Nawrath, in: Heuer, KHR, Art. 114 GG, Rdnr. 27; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 114, Rdnr. 18; kritisch Stern, Staatsrecht II, § 34, S. 437, der darauf hinweist, dass eine am einzelwirtschaftlichen Ertrag einer Maßnahme orientierte Betrachtung keinesfalls aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip („Zielverwirklichung") folge. 18 Fleischmann
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
bb) Verfassungsrechtliche Verankerung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes Nach mittlerweile wohl einhelliger Ansicht genießt das Wirtschaftlichkeitsprinzip Verfassungsrang und begrenzt insoweit den Haushaltsgesetzgeber 8 5 9 . Dieses Ergebnis lässt sich mit dreierlei Erwägungen rechtfertigen. Zunächst folgt dies aus dem im Grundgesetz für die Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof vorgegebenen Prüfungsmaßstab. Gemäß dem bei der Verfassungsnovellierung im Jahre 1969 geänderten Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG prüft der Bundesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. 8 6 0 Ein entsprechender Prüfungsmaßstab wird auch von der überwiegenden Zahl der Landesverfassungen für die Landesrechnungshöfe verfassungsrechtlich festgeschrieben. 861 Diese Festlegung des Prüfungsmaßstabs wirkt aber auf den Prüfungsgegenstand zurück und begründet von Verfassungs wegen die Verpflichtung, das gesamte staatliche Finanzgebaren sowohl des Haushaltsgesetzgebers, als auch der Exekutive am Wirtschaftlichkeitsprinzip auszurichten. 862 Darüber hinaus folgt der Verfassungscharakter des Wirtschaftlichkeitsprinzips aus der Treuhänderstellung des Staates bei der Verwendung finan859
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage der Bindung des allgemeinen Gesetzgebers an den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz mit der Konsequenz, dass ein unwirtschaftliches Gesetz rechtswidrig ist (vgl. von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 70, der zudem zwischen der Beachtlichkeit als Handlungs- und als Kontrollnorm differenziert). Die Grenzen zwischen allgemeiner Gesetzgebung und Haushaltsaufstellung und -Vollzug können freilich fließend verlaufen, wenn die Veräußerung etwa durch parlamentarisches Gesetz beschlossen wird. 860 y o n e j n e r Verfassungswidrigkeit des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG geht Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S. 377 ff. aus. Seiner Ansicht nach verstoße die Verwendung des Begriffs „Wirtschaftlichkeit" als bloße Leerformel gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit, was das Verdikt der verfassungswidrigen Verfassungsnorm ebenso rechtfertige wie der Umstand, dass dem Bundesrechnungshof mit der „Wirtschaftlichkeit" ein Prüfungsmaßstab vorgegeben werde, den dieser im Sinne rechtlicher Unmöglichkeit nicht erfüllen könne. Die Ansicht Rischers, hat jedoch, soweit ersichtlich, weder in der Rechtsprechung, noch im Schrifttum Anhänger gefunden. 861
Vgl. insoweit Art. 95 Abs. 3 VerfBerl; Art. 106 Abs. 2 BbgVerf; Art. 133a Abs. 1 BremVerf; Art. 67 Abs. 2 VerfM-V; Art. 70 Abs. 1 NdsVerf; Art. 86 Abs. 2 VerfNW; Art. 120 Abs. 2 VerfRh-Pf; Art. 106 Abs. 2 SaarVerf; Art. 97 Abs. 2 VerfLSA; Art. 56 Abs. 1 Verf Schl-H; Art. 103 Abs. 3 ThürVerf. Auf eine verfassungsrechtliche Festlegung der Wirtschaftlichkeit als Prüfungsmaßstab für die Landesrechnungshöfe wird verzichtet in Art. 83 BaWü Verf; Art. 80 BayVerf; Art. 71 HanbVerf; Art. 144 HessVerf; Art. 100 SächsVerf. 862 Grupp, in: DVB1 1994, 140, 146; Dommach, in: Heuer, KHR, § 7 BHO, Rdnr. 2; VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 149; StGH BW, ESVGH 25, 1, 9.
1. Kap.: Vorgaben für die Veräußerung
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zieller Ressourcen. Der Staat und seine Organe haben die Finanzmittel nur treuhänderisch für die Staatsbevölkerung als Auftraggeber zu verwalten, sie sind immer nur „Haushalter mit fremden Gute" 8 6 3 . Als ein solcher Treuhänder ist der Staat dem Auftraggeber gegenüber aber zu zweckmäßigem, rationalem, d.h. wirtschaftlichem Verhalten verpflichtet. 864 Er hat mit den ihm vom Bürger anvertrauten Mitteln eine möglichst effektive Leistung zu erbringen. Das hiergegen vorgebrachte Argument, dass sich die Verausgabung staatlicher Mittel nicht als Umgang mit fremdem Vermögen bezeichnen lasse, da das Eigentum an den erhobenen Finanzmitteln auf den Staat übergehe und der Begriff der Steuer gerade eine gegenleistungsunabhängige freie Verwendung der Mittel voraussetze 866 , vermag nicht zu überzeugen. Zum einen besitzt der Staat als eine an Recht und Gesetz gebundene Rechtsperson gerade keine Freiheit zur Beliebigkeit. 8 6 7 Ihm sind die ihn erhaltenen finanziellen Mittel und Lasten gerade nur zur „Verwendung für das gemeine Wohl" anvertraut. 868 Zum anderen ist aber auch bereits der Schluss unzutreffend, dass eine Eigentumsübertragung den Umgang mit fremden Vermögen ausschließe. So wird im Zivilrecht gerade dann von einer „echten Treuhand" gesprochen, wenn der Treugeber dem Treuhänder das Treugut unmittelbar zu Eigentum überträgt, ihn aber intern beschränkt. 869 In einem solchen Treuhandverhältnis ist es aber die Hauptpflicht des Treuhänders, die ihm übertragene Aufgabe optimal zu erfüllen. Schließlich wurzelt das Wirtschaftlichkeitsgebot auch im Gemeinwohlprinzip, das von der Verfassung zur Richtschnur allen staatlichen Handelns erhoben i s t . 8 7 0 So hat das Grundgesetz keine virtuell allumfassende Staatsgewalt verfasst, „sondern den Zweck des Staates materialiter auf die Wahrung des Gemeinwohls beschränkt" 871 . Auch finanzielle Mittel sind dem Staat damit, wie bereits erwähnt, „nur zur Verwendung für das gemeine Wohl anvertraut" 872 , so dass auch die öffentliche Finanzwirtschaft stets den allgemeinen Nutzen im Auge behalten muss 8 7 3 . Es ist deshalb eine selbstverständliche, „aus dem Dienst am Gemeinwohl folgende Verpflichtung" 863 864 865 866 867
Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1251. von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 74. Dommach, in: Heuer, KHR, § 7 BHO, Rdnr. 2. Salmen, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 44 f. Hierauf weist von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 74, Fn. 32
hin.
868
BVerfGE 44, 125, 143. Vgl. etwa Martinek, in: Staudinger, BGB, § 675, Rdnr. A 53. 870 von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 75 f.; VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1998, 145, 149; StGH BaWü, ESVGH 25, 1, 8. 871 BVerfGE 42, 312, 332; 49, 89, 132. 872 BVerfGE 44, 125, 143. 873 Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1251. 869
18*
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
der Staatsorgane, bei einer Veräußerung öffentlichen Vermögens wirtschaftlich zu handeln. 874 Normativ verdichtet wird dies in Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 GG, wonach die Vermeidung einer Überlastung der Steuerpflichtigen als allgemeines Prinzip die Steuer- und Abgabenerhebung prägt, was am wirksamsten durch die Bindung aller Staatsgewalt an das Wirtschaftlichkeitsprinzip erreicht werden kann. 8 7 5 cc) Folgen aus dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen Versucht man nunmehr die Folgen des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zu bestimmen, gilt es zunächst den Beurteilungsmaßstab der Prüfung festzulegen. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz erlaubt dabei die Veräußerung des Verwaltungsvermögens nur dann, wenn Verkauf und gleichzeitige Rückmietung insgesamt zu keiner Kostensteigerung führen, die nicht durch einen gesteigerten Nutzen aufgewogen w i r d . 8 7 6 Der reale Nutzen einer Sache im Verwaltungsgebrauch ist jedoch unabhängig von der an der Sache bestehenden Eigentumslage, also bei einer Anmietung in keinem Fall höher als im Falle des Eigentumsbesitzes. Gesichtspunkte der Nutzensteigerung durch „Einkauf von Zeit und Know-how", wie sie bei Modellen der privaten Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen diskutiert werden 8 7 7 , spielen keine Rolle, da die öffentliche Hand auch schon vor der Veräußerung die veräußerten Objekte nutzt. Damit werden die Gesamtkosten zum entscheidenden Maßstab der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen. 8 7 8 Anders läge der Fall nur, wenn die Veräußerung des Verwaltungsvermögens erfolgt, weil dieses überhaupt nicht mehr benötigt wird oder aber weil es für die Verwaltungsaufgabe zu groß dimensioniert ist und das Vermögen des Staates mit der Veräußerung nur auf den tatsächlich benötigten Nutzungsumfang zurückgeschraubt würde, da hier tatsächlich Kostener879
sparnisse eintreten. Bei der Durchführung einer derartigen Wirtschaftlichkeitskontrolle muss nun neben dem Beurteilungsmaßstab auch der Kontrollmaßstab, d.h. die Dichte der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt werden. Diese gerichtliche 874 875 876
122.
BVerfGE 12, 354, 364. Zeiss, Privatfinanzierung, S. 116. F. Kirchhof in: DÖV 1999, 242, 243; ähnlich Gröpl, in: DStZ 1999, 113,
877 Vgl. etwa Zeiss, Privatfinanzierung, S. 121 ff.; Grupp, in: DVB1 1994, 140, 146 f.; s. hierzu oben, 2. Teil, 1. Kap., B. I. 3. b). 878 Hierauf weist F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 243 zu Recht hin. 879 F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 244.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Kontrolle unterscheidet sich dabei maßgeblich von der Kontrolle durch die Rechnungshöfe, da letztere über keinerlei Entscheidungs- und Sanktionsmöglichkeiten verfügen und nur gutachterlich Stellung nehmen. Richterliche Entscheidungsbefugnisse, Weisungsrechte und sonstige Durchsetzungsmöglichkeiten stehen den Rechnungshöfen nicht zur Verfügung, vielmehr ist es Aufgabe der Regierung und vor allem des Parlaments, Folgerungen aus den Feststellungen der Rechnungshöfe zu ziehen. 8 8 0 Die Gerichte hingegen ersetzen mit ihrem Urteil die zu kontrollierende Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers durch eine eigene, die durch Rechtskraft und Vollstreckbarkeit unmittelbare rechtliche Wirkungen zeitigt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder betont, dass es sich bei der Normenkontrolle im Sinne des judicial self-restraint zurückzuhalten 881 und die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 882 zu beachten habe. 8 8 3 Daher müssen die Gerichte auch bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit staatlichen Haushaltsgebarens Zurückhaltung üben. 8 8 4 Im konkreten Fall der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Veräußerung von Verwaltungsvermögen bedeutet dies jedoch keine besonders erhebliche Einschränkung des Prüfungsumfangs. Wie bereits erwähnt, sind mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung hier keinerlei besonders schwer überprüfbare Aspekte der Nutzensteigerung verbunden, sondern allein Kostengesichtspunkte entscheidend. Diese wiederum sind prüfungstechnisch einfacher nachzuprüfen und nicht so sehr einschätzungsgeprägt. Zieht man den Kostenvergleich, so muss dieser mit Blick auf den Haushalt insgesamt und zeitlich zunächst zumindest in Bezug auf die Dauer der Rückmietung des Objekts vorgenommen werden. Während dieser Zeit ste880
Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 114, Rdnr. 3; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 114, Rdnr. 11. 881 Vgl. BVerfGE 36, 1, 14 wonach der Grundsatz des judicial self-restraint einen Verzicht „Politik zu betreiben" bedeute, um nicht in den von der Verfassung geschaffenen und begrenzten Raum freier politischer Gestaltung einzugreifen und diesen von der Verfassung für die anderen Verfassungsorgane garantierten Raum offenzuhalten. 882 Die Annahme einer gerichtlich nicht überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers hängt bei der Überprüfung prognostischer Entscheidungen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der Möglichkeit, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers differenzierte Maßstäbe zugrunde gelegt, die von einer Evidenzkontrolle über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen, vgl. BVerfGE 50, 290, 332 f. m.w.N. 883 Allgemein zur Reichweite bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle von Entscheidungen des Gesetzgebers von Arnim, Staatslehre, S. 381 ff. 884 Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122; von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 105.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
hen auf der einen Seite die Kosten, die der öffentlichen Hand bei fortbestehender Nutzung als Eigentümerin entstehen würden. Dies sind im wesentlichen die Unterhaltungs- und Verwaltungskosten einschließlich notwendiger Reparaturen. Auf der anderen Seite steht das Saldo, um das die aggregierten Mietzinsen für die volle Vertragslaufzeit die bei der Veräußerung erzielte Erlössumme überschreiten. Trägt die öffentliche Hand darüber hinaus noch einen Teil der Kosten, die durch die Transaktionsvorgänge Veräußerung und Rückmietung entstehen, muss dieser Betrag je nach der Art der technischen Abwicklung entweder zu den Mietzinsen dazu addiert oder vom Verkaufserlös abgezogen werden, so dass sich das Saldo in jedem Falle zu Lasten der öffentlichen Hand verändert. Geht man nun von der (zwingenden) Annahme aus, dass der Erwerber, sei es eine öffentlich-rechtliche Körperschaft der mittelbaren Staatsverwaltung oder gar ein privater Erwerber, durch den Erwerb des Verwaltungsvermögensgegenstandes und seine Rückvermietung keinen Verlust, sondern einen Gewinn erzielen will, so fällt das bezeichnete Saldo für die öffentliche Hand stets negativ aus. Es entstehen daher auch nach der Veräußerung Kosten. Um dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu genügen, müssen diese Kosten nun geringer sein als die normalen Unterhaltungskosten. Dass dies der Fall ist, erweist sich aber als äußerst unwahrscheinlich, wenn man einen genaueren Blick auf die Mietkalkulation des Erwerbers wirft. Dieser muss, wenn er einen Gewinn machen will, mit dem aggregierten Mietzins einen Betrag einnehmen, der der an die öffentlichen Hand gezahlten Kaufpreissumme zuzüglich der anfallenden Finanzierungskosten auf dem Kapitalmarkt (Zinsen), zuzüglich der für ihn anfallenden Unterhaltungskosten und zuzüglich eines Gewinnzuschlags - ein Risikozuschlag wird angesichts der Bonität der öffentlichen Hand nicht erforderlich sein - entspricht. Selbst wenn man unterstellt, dass dem Erwerber steuerliche Abschreibungsvorteile entstehen, die er an die öffentliche Hand weiterreicht, müssten die Unterhaltungskosten um einen größeren Betrag sinken als Finanzierungskosten und Gewinnzuschlag zusammen betragen, wenn die öffentliche Hand insgesamt wirtschaftlicher handeln will. Dass dies der Fall ist, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem Dritten tatsächlich geringere Unterhaltungskosten anfallen als bei der öffentlichen Hand als Eigentümer, wenn etwa der Dritte Größenvorteile („Economies of scale") bei der Bewirtschaftung nutzen kann. Die Einschätzung von F. Kirchhof wonach die Bewirtschaftungskosten einer Immobilie gänzlich unabhängig von der sachenrechtlichen Eigentumszuordnung seien 8 8 5 , kann insoweit nicht gänzlich geteilt werden. Allerdings muss man es ebenso für unwahrscheinlich halten, dass die Ersparnisse bei der Bewirtschaftung tatsächlich über der Summe aus Kapitalmarktzinsen und Gewinnzuschlag liegen. 885
F. Kirchhof
in: DÖV 1999, 242, 243.
. Kap.: Vorgaben für die V e r u n g
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Selbst wenn man nach einem derartigen Vergleich der Kosten zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz der Veräußerung von Verwaltungsvermögen mit anschließender Rückmietung nicht entgegensteht, muss dies nicht das endgültige Ergebnis der Prüfung sein. So sind Kosten, die nach Ende der Vertragslaufzeit entstehen, bisher unberücksichtigt geblieben. Eine derartige Bestimmung des zeitlichen Vergleichsrahmens erweist sich aber dann als problematisch, wenn man einen eventuell andauernden Raumbedarf der Verwaltung nach Ende der Mietvereinbarung mitberücksichtigt. Das Eigentum an den veräußerten Gegenständen des Verwaltungsvermögens verbleibt bei der Vermögensveräußerung zur Haushaltsfinanzierung anders als bei den zur Projektfinanzierung vorkommenden Modellen eines Ratenrückkaufs auch nach Beendigung des Schuldendienstes in Form der Mietzinszahlung durch die öffentliche Hand beim Erwerber. Besteht aber nach Ende des Mietvertrages weiterer Bedarf an der Nutzung des Gegenstandes, muss dieser entweder weiterhin angemietet, oder zurückerworben werden. In beiden Fällen würde die Wirtschaftlichkeitsbilanz endgültig ins Negative gelangen, zumal der Rückerwerb wohl nur zum Verkehrsweit erfolgen könnte. 8 8 6 Schließlich können die in der privaten Wirtschaft für ein sale-and-leaseback-Verfahren vorgebrachten Gründe die Wirtschaftlichkeitsbilanz auf die Veräußerung und Rückmietung durch die öffentliche Hand nur äußerst beschränkt übertragen werden. Dort sind regelmäßig steuerliche und bilanzielle Erwägungen als Motiv beim veräußernden Leasingnehmer maßgeblich. Zum einen kann durch ein sale-and-lease-back die Bilanzrelation dadurch verbessert werden, dass auf der Aktivseite ein Vermögensposten wegfällt, während sich auf der Passivseite die Verbindlichkeit verringert. 887 Auf diese Weise kann durch eine optisch bessere Bilanz die externe Jahresabschlussanalyse etwa durch die Wirtschaftspresse erheblich positiv beeinflusst werden. 888 Zum anderen kann durch das sale-and-lease-back eine Optimierung der Rentabilität erzielt werden, weil durch einen Verkauf des Leasingguts über Buchwert stille Reserven mobilisiert und ein Buchwert realisiert werden kann. 8 8 9 Dieser realisierte Gewinn kann dann genutzt werden, um Verluste auszugleichen, eventuell ansonsten wegen Fristablaufs verfallende Verlustvorträge in Anspruch zu nehmen oder die realisierte stille Reserve gem. § 6b EStG bei einer Neuinvestition steuerlich abzuzie-
886 Auf diesen Aspekt der Wirtschaftlichkeitsbilanz, der sich aus der Einbuße an Vermögenssubstanz ergibt, weist zu Recht Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122 hin. 887 Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rdnr. 1418, S. 590; Tacke, Leasing, S. 85. 888 Tacke, Leasing, S. 85. 889 Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rdnr. 1418, S. 590; Tacke, Leasing, S. 86.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
hen. 8 9 0 Beide Erwägungen können für den Staat, der weder einer Bilanzierung unterliegt, noch Steuerschuldner i s t 8 9 1 , aber entgegen der Ansicht von Zeiss 892 keine Rolle spielen. Ihm kann es nur um den dritten auch in der Privatwirtschaft angestrebten Vorteil des sale-and-lease-back gehen: die Liquiditätsverbesserung durch die Freisetzung vorher sächlich gebundenen Kapitals ohne die Nutzungsmöglichkeit zu verlieren 893 . Zweck einer solchen Liquiditätsverbesserung kann es in der Privatwirtschaft sein, Schulden zu verringern oder neue Investitionen zu finanzieren. 8 9 4 Letzteres erscheint allerdings im Regelfalle wenig sinnvoll, da die Neuinvestition ja auch direkt über ein Leasing finanziert werden könnte. 8 9 5 Für die öffentliche Hand läge es dem ersten Anschein nach nahe, einen solchen Liquiditätsgewinn, der ja nichts anderes bedeutet als die kurzfristige Verfügbarmachung früher eingenommener und ausgegebener Steuermitt e l 8 9 6 , dann positiv in der Wirtschaftlichkeitsbilanz der Veräußerung zu Buche schlagen zu lassen, wenn die Verwendung der erzielten Erlöse ihrerseits zu Einnahmen oder Ersparnissen führt. Offensichtlich wäre dies, wenn die Einnahmen zur Tilgung von Schulden genutzt würden und die sich daraus jährlich ergebende Zinsersparnis größer ist, als die Belastung mit Mietraten. Wirtschaftlich gesehen läge aus der Perspektive des Staates dann eine für ihn günstige Umschuldung vor. Ähnlich könnte argumentiert werden, dass die durch die Veräußerung erzielten Erlöse für solche Ausgabenprogramme verwendet werden, die insgesamt eine Erhöhung der Steuereinnahmen zur Folge hätten und bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung positiv sind. Eine derartige Betrachtungsweise vermischt jedoch verschiedene Ebenen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und ist daher abzulehnen. So muss die Erzielung einer Einnahme getrennt von der Verwendung der Einnahme betrachtet werden, die ja unabhängig von der Einnahme selbst erfolgt. Wenn Einnahmen erzielt werden, so dienen sie grundsätzlich als Deckungsmittel für alle Aus890
Beninghaus, in: Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 17, Rdnr. 3. Ausnahmen für juristische Personen des öffentlichen Rechts bestehen bei gewerblichen Betrieben, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG; § 2 Abs. 3 UStG. 892 Zeiss, Privatfinanzierung, S. 43 nennt die Mobilisierung stiller Reserven durch die Neubewertung von Anlagevermögen ausdrücklich als Vorteil staatlichen saleand-lease-backs und illustriert diesen Vorteil am Beispiel einer Staatsimmobilie, bei der die Differenz von abgeschriebenem Buchwert und Zeitwert als stille Reserve durch sale-and-lease-back realisiert werde. Dieses Beispiel mag jedoch nur auf eine handelsrechtlich bilanzierende juristische Person des öffentlichen Rechts zutreffen, nicht jedoch auf Bund und Länder. 893 Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, Rdnr. 1418, S. 590; Tacke, Leasing, S. 85; Beninghaus, in. Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 17, Rdnr. 3. 894 Tacke, Leasing, S. 85; Beninghaus, in: Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 17, Rdnr. 3. 895 Tacke, Leasing, S. 85. 896 F. Kirchhof, in: DÖV 1999, 242, 244. 891
2. Kap.: Vorgaben für die Einnahme Verwendung
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gaben (Grundsatz der Gesamtdeckung oder Non-Affektationsprinzip) 897 , so dass schon die rechtliche Verknüpfung der Einnahme mit der Ausgabe nicht möglich ist. Die Verwendung eines derartigen Gesamtbetrachtungsmaßstabes ist darüber hinaus aber auch deshalb fragwürdig, weil auch für jede Ausgabe eine gesonderte Wirtschaftlichkeitsprüfung im Verhältnis zum verfolgten Ziel vorgenommen werden muss. dd) Ergebnis Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung steht damit der Veräußerung von weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigtem Verwaltungsvermögen grundsätzlich entgegen. 3. Ergebnis Aus dem Haushaltsverfassungsrecht ergeben sich somit über die Grundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit und Klarheit des Haushaltes formelle Anforderungen an die Ausgestaltung der Veräußerung. Aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung hingegen folgt indes im Regelfall die Unzulässigkeit eines solchen Veräußerungsgeschäfts. 2. Kapitel
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einnahmeverwendung Stand bisher die Betrachtung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Veräußerung des Verwaltungsvermögens selbst im Mittelpunkt der Betrachtungen, so ist damit noch nichts über die Verwendung der durch die Veräußerung erzielten Erlöse gesagt. Wie bereits anlässlich der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der Veräußerung gesehen, handelt es sich insoweit um zwei deutlich voneinander zu trennende Fragen. Die Einnahmeverwendung kann folglich nur für sich auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin untersucht werden, die möglicherweise durch die Art der erzielten Einnahme beeinflusst wird. Sie kann aber zumindest rechtlich nicht zum Zulässigkeitskriterium für die Veräußerung selbst gemacht werden. 8 9 8 Aus politischer Sicht mag die Erlösverwendung hingegen ein legiti897
s. hierzu unten, 3. Teil, 2. Kap., A. Anders wohl Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122, der die Vermögensveräußerung nur solange für zulässig erachtet, wie die erzielten Erlöse langfristig gesichert angelegt werden. Hierbei stellt er jedoch nicht ausdrücklich klar, ob deshalb eine Ver898
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
mer und entscheidender Aspekt bei der Entscheidungsfindung über die Veräußerung sein. Hiergegen kann auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Sonderabgaben ins Felde geführt werden. Dort macht es das Gericht zwar zur Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung der Sonderabgabe, dass „das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also „gruppennützig" verwendet w i r d " 8 9 9 . Die damit vorgenommene Verknüpfung der Zulässigkeit der Einnahmeerzielung mit der Zulässigkeit der Einnahmeverwendung beruht jedoch gerade auf der besonderen Konstellation der Sonderabgabe. Mit einer solchen wird für eine abgegrenzte Gruppe eine über die allgemeine Steuerlast hinausgehende Abgabenverpflichtung eingefühlt, die gerade zur Finanzierung einer besonderen Aufgabe zweckgebunden wird und nicht in den allgemeinen Haushalt fließt. 9 0 0 Insoweit ist es schon grundrechtlich geboten, diese Verwendung auch zum Maßstab der Rechtmäßigkeit der Einnahmeerzielung zu machen, da es angesichts des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes einer Rechtfertigung dafür bedarf, warum nicht die Allgemeinheit mit Steuermitteln eine öffentliche Aufgabe zu finanzieren hat 9 0 1 . Bei der Veräußerung von Vermögen hingegen geht es nicht um die Begründung obligatorischer Abgabepflichten über die Steuerlast hinaus und damit auch nicht um eine rechtfertigungsbedürftige verpflichtende Finanzierung einzelner öffentlicher Aufgaben durch Private. Es bleibt insoweit bei der Unabhängigkeit der Beurteilung der Zulässigkeit der Einnahmeerzielung und der der Einnahmeverwendung.
A. Freiheit zur Zweckbindung Dabei gilt bezüglich der Einnahmeverwendung grundsätzlich das Prinzip der Gesamtdeckung oder Non-Affektation. § 7 S. 1 HGrG sowie § 8 S. 1 BHO und die entsprechenden Landeshaushaltsordnungen bestimmen, dass alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen. Demnach stehen dem Bund und den Ländern sämtliche Einnahmen als einheitliche Finanzmasse zur Deckung ihrer sämtlichen Ausgaben zur Verfügung, während einzelne Einnahmen grundsätzlich nicht der Finanzierung bestimmter Ausgaben vorbehalten werden dürfen. 9 0 2 Es wird damit der „Fondswirtschaft" wendung der Erlöse für kurzfristige, allgemeine Deckungszwecke rechtswidrig würde oder ob einer solchen Verwendung die Veräußerung selbst (rückwirkend?) unzulässig wäre. 899 BVerfGE 55, 274, 307. 900 Ygi z u r Problematik der Sonderabgabe zusammenfassend P. Kirchhof, in: HStR IV, § 88, Rdnr. 221 ff. 901 Vgl. BVerfGE 55, 274, 306.
2. Kap.: Vorgaben für die Einnahmeerwendung
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eine Absage erteilt, bei der jede Einnahme an eine konkrete Ausgabe geknüpft ist, was zu der äußerst bedenklichen Konsequenz führen kann, dass trotz insgesamt ausreichender Finanzmittel die Erfüllung einer Ausgabe unterbleibt, weil der entsprechend zugeordnete Fonds erschöpft i s t . 9 0 3 Dennoch lässt schon das einfache Haushaltsrecht Ausnahmen vom Gesamtdeckungsgrundsatz zu, wenn in § 7 S. 2 HGrG und § 8 S. 2 BHO geregelt wird, dass Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Zwecke beschränkt werden dürfen, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben oder im Haushaltsplan zugelassen ist. Das prominenteste Beispiel aus einer Vielzahl solcher gesetzlichen Zweckbindungen 904 stellt die Reservierung erheblicher Teile des Mineralölsteueraufkommens für Zwecke des Straßenbaus dar. 9 0 5 In Einklang mit dieser einfachgesetzlichen Rechtslage besteht Einigkeit darüber, dass der Grundsatz der Gesamtdeckung keinen verfassungsrechtlichen Rang besitzt. 906 Daher bestehen gegen die Zweckbindung von öffentlichen Einnahmen auch keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. 907 Lediglich finanzpolitische Erwägungen mahnen zur Zurückhaltung bei der Zweckbindung öffentlicher Einnahmen, da sie der Haushalts- und Finanzplanung die notwendige Beweglichkeit rauben, die ohnehin schon durch gesetzliche Bindungen massiv eingeschränkt i s t . 9 0 8 Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Linie grundsätzlich angeschlossen und den Verfassungsrang des Grundsatzes der Gesamtdeckung des Haushalts verneint. 909 Das Gericht hat es dabei aber ausdrücklich offen gelassen, 902
Dommach, in: Heuer, KHR, § 8 BHO, Rdnr. 1. Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 77; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1244; Klaus-Peter Schmid spricht in „Die Zeit" Nr. 46 vom 9.11.2000, S. 27 von der „antiquierten Töpfchen Wirtschaft". 904 Vgl. z.B. die Übersicht bei Patzig, Haushaltsrecht II, C/8/5, Rdnr. 2. 905 Vgl. Art. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes v. 28.3.1960 (BGBl. I, S. 201). 906 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105, Rdnr. 10; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 110, Rdnr. 13; Vogel/Walter, in: BK-GG, Art. 105, Rdnr. 44; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110, Rdnr. 47; Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1244; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 77; Heuer, in: Heuer, KHR, Art. 110 GG, Rdnr. 11; Piduch, Haushaltsrecht, Art. 110 GG, Rdnr. 21; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 272. 907 Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 159, 172. 908 Piduch, Haushaltsrecht, § 8 BHO, Rdnr. 1; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 159, 172; Kisker, in: HStR IV, § 89, Rdnr. 77; Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG. Art. 110, Rdnr. 13; ein Plädoyer für den Grundsatz der Gesamtdeckung liefert auch Klaus-Peter Schmid, in „Die Zeit" Nr. 46 vom 9.11.2000, S. 27, der anführt, dass jegliche Variante der Zweckbindung staatlicher Einnahmen einer emsthaften ökonomischen Prüfung nicht standhalten könne. 909 BVerfGE 93, 319, 348; für die Zulässigkeit von Zwecksteuern vgl. ebenfalls BVerfGE 7, 244, 254; 9, 291, 300; zur Pflicht zur „gruppennützigen Verwendung" von Sonderabgaben vgl. BVerfGE 55, 274, 307. 903
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
ob diese Auffassung uneingeschränkt gilt und erklärt, dass eine - möglicherweise verfassungswidrige - Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers allenfalls dann angenommen werden könne, wenn Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß stattfänden. 910 Wann von einer solchen „Zweckbindung in unvertretbarem Ausmaß" gesprochen werden kann, wird vom Gericht jedoch ebenso wenig näher erläutert wie Beurteilungsmaßstab und Konsequenz einer solchen unvertretbaren Zweckbindung. Wie bereits beim oben erläuterten Problem der Operationalisierung des Steuerstaatsgrundsatzes 911 ist nicht klar, ob nur das einzelne zweckbindende Gesetz oder die Gesamtheit aller zweckbindenden Gesetze zu betrachten ist und ob bei Überschreiten einer gewissen Schwelle nur das überschreitende Gesetz, alle zweckbindenden Gesetze insgesamt oder nur anteilig verfassungswidrig werden. Sollten Erlöse aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen an eine bestimmte Ausgabe zweckgebunden werden, so dürfte diese Schwelle wohl in keinem Fall erreicht werden.
B. Pflicht zur Zweckbindung Kommt man damit zu dem Ergebnis, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht frei steht, die sich aus der Veräußerung von Verwaltungsvermögen ergebenden Erlöse hinsichtlich ihrer Verwendung an einen bestimmten Zweck zu binden, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der Gesetzgeber unter Umständen nicht sogar zu einer solchen Zweckbindung der Einnahmen verpflichtet sein kann. Achterberg folgert diesbezüglich aus einem sog. „Grundsatz der Erhaltung der Vermögenssubstanz" eine Beschränkung der Verwendung von Vermögensveräußerungserlösen, die grundsätzlich nicht zur Deckung laufender Ausgaben, sondern nur zu anderen vermögenswirksamen Leistungen verwendet werden dürften. 9 1 2 Ob dieser Grundsatz auf der Ebene des Verfassungsrechts oder des einfachen Rechts angesiedelt sein soll, wird dabei nicht deutlich. Der Grundsatz der Erhaltung der Vermögenssubstanz ergebe sich jedenfalls aus den in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder verankerten haushaltsrechtlichen Grundsätzen, nach denen Vermögen nur dann veräußert werden dürfe, wenn es in absehbarer Zeit nicht mehr zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlich ist und wenn die Veräuße910 BVerfGE 93, 319, 348. Stern, Staatsrecht II, § 50, S. 1245 lässt ähnliche Bedenken erkennen, da die zweckgebundenen Einnahmen nicht den allgemeinen Deckungsmitteln zufließen und damit der Budgetverantwortung von Regierung und Parlament entzogen sind. 911 Zum Problem der Operationalisierbarkeit des Steuerstaatsgrundsatzes s.o., 3. Teil, 1. Kap., A. II. 2. a). 912 Achterberg, AllgVerwR, § 15, Rdnr. 35.
2. Kap.: Vorgaben für die Einnahmeerwendung
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rung zu einem Preis erfolge, der dem vollen Wert des Vermögensgegenstandes entspricht. 913 Hieraus einen allgemeinen Grundsatz der Erhaltung der Vermögenssubstanz abzuleiten, erscheint rechtlich aber schon fragwürdig, da beide haushaltsrechtlichen Regelungen die Veräußerung von Vermögen gerade zulassen und nur die Erzielung eines monetären Äquivalents verlangen. Über die Verwendung dieser Einnahme sagen sie nichts aus. Vielmehr sehen, wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, nur die Haushaltsordnungen einiger Länder, namentlich die der Länder Berlin 9 1 4 , Hamburg 9 1 5 , Mecklenburg-Vorpommern 916 , Niedersachsen 917 , Saarland 918 und SachsenAnhalt 9 1 9 , ausdrücklich vor, dass die Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken - also nicht von jedem Vermögen - einem Sondervermögen („Grundstock") zuzuführen sind, dessen Mittel vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung im Haushaltsplan grundsätzlich nur zum Erwerb von Grundstücken verwendet werden dürfen. Diese Regelungen lediglich als deklaratorische Erklärungen eines allgemein bestehenden, ansonsten ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Grundsatzes anzusehen, erscheint angesichts der Tatsache, dass sie nur in 7 von 16 Ländern und nicht im Bund gesetzlich manifestiert sind, mehr als fraglich. Auch kann in Bund und Ländern keine allgemeine Praxis dahingehend beobachtet werden, dass Vermögensveräußerungserlöse grundsätzlich für vermögenswirksame Maßnahmen eingesetzt werden. Es liegt daher im Gegenteil nahe, aus dieser teilweise erfolgten Normierung darauf zu schließen, dass in denjenigen öffentlichen Körperschaften, in denen keine Zweckbindung der Einnahmen aus Vermögensveräußerungen gesetzlich angeordnet wird, auch kein allgemeiner (Verfassungs-) Grundsatz dieses Inhalts besteht. Dementsprechend bietet sich an, die aus dem Grundsatz der Erhaltung der Vermögenssubstanz abgeleitete Zweckbindung für vermögenswirksame Ausgaben statt als verbindliches rechtliches Postulat lediglich als finanzwirtschaftliche Forderung zu verstehen. Dahingehend kann auch die Ansicht Pagenkopfs verstanden werden, auf die sich Achterberg im wesentlichen bezieht. Nach dieser Position sei esfinanzwirtschaftlich nicht vertretbar, den Vermögensveräußerungserlös zur Finanzierung regelmäßig wiederkehrender Ausgaben zu verwenden, weil dadurch die Vermögenssubstanz vernichtet würde. 9 2 0 Hieraus folge, dass der Erlös nur anderen vermögenswirksamen Leistungen zugeführt wer-
913 914 915 916 917 918 919 920
Achterberg, AllgVerwR, § 15, Rdnr. 35. § 64 Abs. 8 LHO. § 64 Abs. 2 und 3 LHO. § 64 Abs. 6 LHO. § 64 Abs. 6 LHO. § 64 Abs. 6 LHO. § 64 Abs. 6 LHO. Pagenkopf, Kommunalrecht II, § 39, S. 108 f.; § 40, S. 124.
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3. Teil: Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
den dürfe, wozu auch die Schuldentilgung gehöre. 921 Normativ wird dieser Grundsatz von Pagenkopf zudem ausschließlich im einfachgesetzlichen Gemeindehaushaltsrecht verankert, woraus keinerlei Schlussfolgerungen für die Ebene des Verfassungsrechts gezogen werden können. Die entsprechende Sicht dürfte auch der Position des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. Dieses hat etwa im Urteil zur Teilprivatisierung des Volkswagenwerkes keine Bedenken hinsichtlich der Einnahmeverwendung geltend gemacht und lediglich betont, dass die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Privatisierung die Organe des Bundes nicht von ihrer aus dem Dienst am Gemeinwohl folgenden selbstverständlichen Verpflichtung befreie, bei einer Veräußerung öffentlichen Vermögens einen angemessenen Preis zu erstreben. 922 Dies bedenkend trägt schließlich auch die Schlussfolgerung Gröpls, Vermögenstransformationen seien nur solange zulässig, wie die daraus erzielten Erlöse nicht kurzfristig als allgemeine Deckungsmittel im Staatshaushalt „verheizt" würden, sondern - sei es als Sondervermögen, sei es auf andere Art und Weise - langfristig gesichert angelegt würden, 9 2 3 damit mehr politisch programmatischen denn rechtlich verbindlichen Charakter. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht keinerlei Pflicht begründet werden kann, Erlöse aus der Vermögensveräußerung an die Verwendung für vermögenswirksame Ausgaben zweckzubinden und von der Verwendung als allgemeine Haushaltsdeckungsmittel auszuschließen. Dies mag aus finanzwirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein und daher eine legitime politische Forderung darstellen, lässt sich aber aus dem Gefüge der Verfassung nicht ableiten.
C. Ergebnis Von Verfassungs wegen steht es dem Haushaltsgesetzgeber frei, wie er die durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen erzielten Erlöse verwendet. Es ist ihm möglich, diese gesetzlich an einen bestimmten Ausgabezweck zu binden, er ist hierzu aber nicht verpflichtet.
921 922 923
Pagenkopf Kommunalrecht II, § 39, S. 109;40, § S. 124. BVerfGE 12, 354, 364. Gröpl, in: DStZ 1999, 113, 122.
4. T e i l
Zusammenfassung der Ergebnisse Nach alledem kann festgehalten werden, dass die Veräußerung von weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigtem Verwaltungsvermögen zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung aus verfassungsrechtlicher Sicht großen Bedenken unterliegt und - wenn überhaupt - nur äußerst beschränkt zulässig ist. Veräußerung von Verwaltungsvermögen im Sinne dieser Arbeit liegt dabei immer dann vor, wenn Vermögen, das der Verwaltung durch seinen unmittelbaren Gebrauch zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben dient, auf einen Dritten übertragen wird, der bisherige Vermögensträger sich aber weiterhin des Vermögens zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Diese Veräußerung erfolgt zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung, wenn die mittels der Veräußerung erzielten Erlöse in den allgemeinen Haushalt einfließen. Entsprechende Bemühungen sind als Ergebnis einer erheblich angespannten Haushaltslage in Bund und Ländern zu verstehen. Sie stehen in engem Zusammenhang zu vielfältigen Versuchen, auf andere Art als durch Steuerund Abgabenerhöhung zu einer Haushaltskonsolidierung zu gelangen und weisen insbesondere eine Nähe zu Finanzierungsprivatisierungen auf. Sie sind nach dem derzeit geltenden einfachen Haushaltsrecht im Bund und in nahezu allen Ländern unzulässig, da dieses die Veräußerung von Vermögen nur gestattet, sofern dieses in absehbarer Zeit nicht mehr zur Erfüllung von Bundes- oder Landesaufgaben benötigt wird. Aus verfassungsrechtlicher Sicht spricht gegen die Veräußerung weiterhin benötigten Verwaltungsvermögens zunächst der Funktionsfähigkeitsvorbehalt der Verwaltung, der es dem Staat verbietet, die Funktionsfähigkeit seiner Verwaltung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen zu gefährden und ihm gebietet, wenn er sich zum Verkauf entschließt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu begegnen. Eine öffentlich-rechtliche Widmung des zu veräußernden Vermögens scheidet zur Funktionssicherung aus, da es einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage ermangelt, die den Vorrang der Widmung vor dem Privateigentum des Erwerbers anordnet. Als einzige Sicherungsmöglichkeit kommt de lege lata nur die zivilrechtliche Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts in Betracht. Da private Erwerber hierzu in der Regel nicht oder nur bei entsprechenden finanziellen Zugeständnissen
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse
bereit sein werden, bildet der Funktionsfähigkeitsvorbehalt eine erhebliche praktische Schranke für die Veräußerung weiterhin benötigten Verwaltungsvermögens. Der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung von Verwaltungsvermögen steht zunächst nicht der Steuerstaatsgrundsatz entgegen. Der Steuerstaatsgrundsatz ist zum einen mangels einer praktikablen Operationalisierbarkeit und eines eigenständigen normativen Gehalts nicht geeignet, als eigenständiger Prüfungsmaßstab auf einzelne Einnahmequellen angewendet zu werden. Ihm kommt allenfalls dogmatischer Erklärungsweit bei der Beschreibung der Zusammenhänge des Staatsgefüges zu. Zum anderen führt auch die Messung der Veräußerungserlöse als Einnahmequelle am Maßstab der den Steuerstaatsgrundsatz tragenden verfassungsrechtlichen Gründe nicht zu ihrer Unzulässigkeit. Sie führt weder zu einer Aushöhlung und Verzerrung der Finanzverfassung, noch ist sie aus grundrechtlicher Sicht problematisch. Das rechtsstaatliche Prinzip des Distanzstaates und das rechtsstaatliche Erfordernis eines die staatliche Aktivität tragenden öffentlichen Zwecks können allenfalls Bedenken an der Veräußerung zur Haushaltsfinanzierung rechtfertigen, diese aber nicht ausschließen. Ebenso lässt sich konstatieren, dass Art. 109 Abs. 3 GG in Verbindung mit §§ 1 ff. HGrG weder den Bundes- noch den Landesgesetzgeber hindert, Vermögensgegenstände zu veräußern, die er weiterhin zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt, und deshalb einer entsprechenden Änderung der Bundes- und Landeshaushaltsordnungen nicht im Wege steht. In jedem Fall unterliegt die Veräußerung von Verwaltungsvermögen jedoch dem Parlamentsvorbehalt und ist damit nur mit parlamentarischer Zustimmung zulässig, sofern durch die Veräußerung nicht unerhebliche Einnahmen erzielt werden, sofern durch die Veräußerungen der zwingende Bedarf zu finanziellen Folgeausgaben durch die Beschaffung alternativen Vermögens entsteht oder sofern nach der Veräußerung der veräußerte Vermögensgegenstand weiter von der Verwaltung genutzt werden soll. Während dem Parlamentsvorbehalt in ersterem Fall dadurch genüge getan werden kann, dass die Einnahme vor ihrer Erzielung in den Haushaltsplan aufgenommen wird, genügt dies in den beiden anderen Fallgruppen nicht. Hier bedarf es einer ausdrücklichen parlamentarischen Zustimmung zur Veräußerung. Weiterhin muss die Veräußerung von Verwaltungsvermögen unter drei Umständen als staatliche Kreditaufnahme geweitet werden mit der Folge, dass schon aus diesem Grunde nach Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG eine parlamentsgesetzliche Ermächtigung erforderlich ist und die Einnahmen aus dem Veräußerungserlös zusammen mit anderen Einnahmen aus Krediten die Grenze des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG nicht überschreiten dürfen. Dies gilt
4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse erstens dann, wenn dem staatlichen Veräußerer die Aufnahme eines Kredites durch den Erwerber zur Finanzierung des Kaufpreises zuzurechnen ist, was freilich nur bei einem öffentlich beeinflussten Erwerber der Fall sein kann. Zweitens ist dies dann der Fall, wenn dem Staat in dem mit der Veräußerung verbundenen Rückmietvertrag eine langfristige Zahlungsstundung eingeräumt wird und schließlich drittens in dem Falle, dass für den veräußernden Staat schon bei Abschluss des Veräußerungsgeschäfts klar ist, dass er ein Nutzungsrecht zurückeingeräumt bekommen muss, über dessen Zahlungen er den Kaufpreis an den Erwerber zurückerstattet. Bei den Konstellationen zwei und drei kann der Erwerber sowohl ein öffentlicher Träger, als auch ein Privater sein. Aus dem Haushaltsverfassungsrecht schließlich ergeben sich über die Grundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit und Klarheit des Haushaltes formelle Anforderungen an die Ausgestaltung der Veräußerung, die im Regelfall jedoch eingehalten werden dürften. Aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung hingegen folgt im Regelfall die Unzulässigkeit eines solchen Veräußerungsgeschäfts. So können die in der privaten Wirtschaft für ein sale-and-lease-back-Verfahren vorgebrachten Gründe auf die Wirtschaftlichkeitsbilanz bei der Veräußerung und Rückmietung durch die öffentliche Hand nicht übertragen werden. Da hier steuerliche und bilanzielle Erwägungen ausscheiden und das Ziel einer Liquiditätsverbesserung durch die Freisetzung vorher sächlich gebundenen Kapitals ohne dessen Nutzungsmöglichkeit zu verlieren, die finanziellen Folgekosten nicht aufwiegen kann, wird die Wirtschaftlichkeit nicht gewahrt sein. Wie er die durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen erzielten Erlöse schließlich verwendet, steht dem Haushaltsgesetzgeber frei. Es ist ihm möglich, diese gesetzlich an einen bestimmten Ausgabezweck zu binden, er ist hierzu aber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. Alles in allem wird daher die im „Kieler Immobiliengeschäft" angedachte Idee der Haushaltsfinanzierung mittels der Veräußerung weiterhin benötigten Verwaltungsvermögens nicht zur Lösung der Finanzprobleme der öffentlichen Hand geeignet sein.
19 Fleischmann
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in:
Sachregister Allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes, siehe Vorbehalt des Gesetzes Aufgabenprivatisierung, 75 - formelle, 76 - funktionale, 78 - materielle, 77 Ausgaben, notwendige, 167 Betreibermodelle, 586 Bluntschli, Johann Caspar, 31, 36 Bundeshaushaltsordnung - und Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 94 ff. bundesstaatliche Kompetenzverteilung - Umgehung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 159 Deckungsquoten verfahren, 162 Distanzstaat, 182 ff. Domänenwirtschaft, 27 Effekte, externe, 160 Einnahme, laufende, 163 Einnahmeverteilung, horizontale, 169 Einnahmeverwendung - Freiheit zur Zweckbindung, 282 - Pflicht zur Zweckbindung, 284 ff. - verfassungsrechtliche Vorgaben, 281 ff. Einnahmevorbehalt, genereller - Begriff und Herleitung, 221 ff. - Erfüllung durch Haushaltsplan und Haushaltsgesetz, 226 Finanzausgleich, horizontaler, 169 ff. - Begriff der Finanzkraft, 169 20 Fleischmann
- negative Berücksichtigung von Finanzbedarf durch Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 175 - positive Berücksichtigung von Veräußerungserlösen, 170 Finanzierungsprivatisierung, - formelle (unechte), 81 - funktionale, 81 ff. Finanzverfassung - als Grenze der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 158 ff. - Individualschutz der Abgabepflichtigen, 159 - Schutz der bundesstaatlichen Finanzverfassung, 159 Finanzvermögen - Abgrenzung zum Verwaltungsvermögen, 49 ff. Funktionsfähigkeitsvorbehalt der Verwaltung - als verfassungsrechtliche Kategorie, 104 ff. - dingliche Sicherung, 138 - Folgen für die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 111 ff. - Funktionsfähigkeit der Verwaltung - Gefährdung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 112 ff. - öffentlich-rechtliche Sicherung, 126 ff. - Sicherung bei der Veräußerung von Verwaltungs vermögen, 125 ff. - und Parlamentsvorbehalt, 220 ff. gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht - als Grundsatz der Haushaltswirtschaft, 264 - Störung, 262
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Sachregister
Gesetzesvorbehalte, spezielle - grundrechtliche, 199 - haushaltsrechtlicher, 200 - institutionell-organisatorische, 199 - kreditärer, 200, 236, 257 Grundrechte - Beeinträchtigung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 180 - Eingriff durch wirtschaftliche Betätigung des Staates, 178 - und Steuerstaatsgrundsatz, 146 ff. Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates - als Begründung eines normativen Steuerstaatsgrundsatzes, 149 ff. - Gefährdung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 182 ff. Grundsätze des Haushaltsrechts i.S.d. Art. 109 Abs. 3 GG - rechtliche Bedeutung, 189 - § 63 Abs. 2 BHO als Grundsatz des Haushaltsrecht, 191 Halbteilungsgrundsatz, 70, 154 Haushaltsdefizit, 66 Haushaltsgrundsätze - Begriff, 267 - Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts, 268 - Grundsatz der Wahrheit und Klarheit des Haushalts, 271 - Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, 273 ff. - rechtliche Bedeutung, 267 Haushaltsrecht - der Länder, 98 ff. - des Bundes, 94 ff. - Reform des, 88 Haushaltsstrukturgesetze, 71 ff. Haushaltsverfassungsrecht - als Maßstab der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 263 ff. - Begriff, 263
Individualschutz der Abgabepflichtigen, Gefährdung durch die Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 159 Kammergüter, Verstaatlichung der, 32 ff. Kieler Immobiliengeschäft - als Kreditaufnahme, 248 - Begriff, 62 ff. - öffentlicher Zweck, 188 - und externe Effekte, 160 - und Wahrheit und Klarheit der Haushaltsführung, 272 Kirchhof, Ferdinand, 253 Kredit - Begriff im BGB, 232 - Begriff in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von Bund und Ländern, 230 ff. - Begriff in einfachen Gesetzen, 234 - teleologische Auslegung des Art. 115, 236 - Wortsinn, 232 kreditärer Gesetzesvorbehalt - als spezieller Gesetzesvorbehalt, 200 - Voraussetzungen, 257 - Zweck, 236 ff. Kreditaufnahme - Ausnahmetatbestand Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, 262 - Veräußerung von Verwaltungsvermögen als Kreditaufnahme, 245 ff. - verfassungsrechtliche Anforderungen, 256 ff. - Zweck der materiellen Begrenzung, 240 ff. Konzessionsmodelle, 83 Laband, Paul, 36 Landeshaushaltsordnungen - und Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 98 ff. Leasing-Modelle, 82
Sachregister Non-Affektationsgrundsatz, 282 Öffentliche Sache - Begriff, 40 - und Verwaltungsvermögen, 40 ff. - Verfügungsbefugnis, 42 Öffentliches Eigentum, 45 Parlamentsvorbehalt - Begriff, 212 - Erfüllung durch Haushaltsplan und Haushaltsgesetz, 225 ff. - Fallgruppe genereller Einnahmevorbehalt, 221 ff. - Fallgruppe Präjudizierung künftiger parlamentarischer Entscheidungen, 217 ff. - Fallgruppe verfahrensrechtliche Sicherung des Funktionsfähigkeitsvorbehalts, 220 f. - und Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 216 ff. Präjudizierung parlamentarischer Entscheidungen - als Fallgruppe des Parlamentsvorbehalts, 217 - und kreditärer Gesetzesvorbehalt, 237 Privatisierung - Aufgabenprivatisierung, 75 - Finanzierungsprivatisierung, 80 - Vermögensprivatisierung, 79 Rechtssatzvorbehalt - Begriff, 211 - und Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 215 Staatsvermögen - Begriff, 25 ff. - im Absolutismus, 28 ff. - im Konstitutionalismus, 30 ff. - im Mittelalter, 26 ff. 20*
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Staatsverschuldung - Umfang der, 67 Stein, Lorenz von, 35 Steuerbewilligungsrecht, 28, 29 Steuerstaatsgrundsatz - deskriptives und normatives Verständnis, 143 - normativer Mehrwert, 154 - Operationalisierbarkeit, 151 - und Art. 3 GG, 148 - und Art. 12 und 14 GG, 146 - und Demokratieprinzip, 149 - und Normen der Finanzverfassung, 144 - und Rechtsstaatsprinzip, 149 - und Sozialstaatsprinzip, 150 - und Staatsgrundsatz der Republik, 149 - verfassungsrechtliche Herleitung, 144 ff. Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, 262 Umsatzsteuerverteilung - Begriff der laufenden Einnahme, 163 - Begriff der notwendigen Ausgabe, 167 - vertikale, 163 ff. UMTS-Mobilfunklizenzen, 49, 153, 157, 160 Veräußerung von Verwaltungsvermögen - als Kreditaufnahme, 245 ff. - Begriff der Veräußerung, 56 - Bezug zur Aufgabenerfüllung, 59 ff. - Folgekosten als notwenige Ausgaben bei der Umsatzsteuerverteilung, 167 - parlamentarische Beteiligung, 194 ff. - und Erbbaurecht, 57 - und Haushaltsverfassungsrecht, 263 ff. - und Staatsschuldenrecht, 229 ff. - und Finanzverfassung, 158 ff.
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Sachregister
Veräußerungserlöse - als laufende Einnahme bei der vertikalen Umsatzsteuerverteilung, 164 - Berücksichtigung bei der Bestimmung der Finanzkraft, 170 - verfassungsrechtliche Vorgaben für die Verwendung, 281 ff. Verfügungsbefugnis über das Staatsvermögen - historische Perspektive, 194 ff. - unter dem Grundgesetz, 198 ff. Vermögensprivatisierung, 79, 92 Verschuldung, öffentliche - Ausmaß, 66 - ökonomische Wirkung, 240 Versorgungsbetriebe, Vermögensstatuts, 50 Verwaltungsvermögen - Abgrenzung zum Finanzvermögen, 49 ff. - historische Begriffsbildung, 35 ff. - formelle Komponente (Verfügungsbefugnis), 42 - im engeren und weiteren Sinne, 49,55 - in der Bundesrepublik, 38 - und öffentliche Sache, 40 ff. Vollständigkeit des Haushalts, siehe Haushaltsgrundsätze Vorbehalt des Gesetzes, 201 ff. - und Wesentlichkeitstheorie, 205
Wahrheit und Klarheit des Haushalts, siehe Haushaltsgrundsätze Wesentlichkeitstheorie - Begründung 205 ff.
durch
das
BVerfG,
- Kritik, 208 ff. - Rechtssatz- und Parlamentsvorbehalt als Alternative, 211 ff. Widmung - konkludente, 128 - Rechtswirkung, 129 ff. - Schaffung 134 ff.
einer
Rechtsgrundlage,
- und Eigentumsgrundrecht, 129 ff. - und Verwaltungsvermögen, 46 - zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, 126 ff. Wirtschaftlichkeitsgrundsatz der Haushaltsführung - Inhalt, 273 - und Veräußerung von Verwaltungsvermögen, 276 ff. - verfassungsrechtliche 274
Verankerung,
ZPO - Änderung von § 882a, 140 Zweckbindung, öffentliche, 185 ff.