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German Pages [232] Year 1988
Grundrisse zu m Alten Testamen t
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V&R © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Grundrisse zum Alten Testament Das Alte Testament Deutsch · Ergänzungsreihe Herausgegeben von Walter Beyerlin
Band 5 Vom Verstehen des Alten Testaments Eine Hermeneutik
Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Vom Verstehen des Alten Testaments Eine Hermeneutik
von A. H. J. Gunnewe g Zweite, durchgesehene un d ergänzt e Auflag e
Vandenhoeck & Ruprech t in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Meinen Täuflingen un d Patenkinder n Claus und Jochen Gasteyer , Sixta Schmithal s sei dies Buch gewidme t
CIF'-Titelaufnahme de r Deutsche n Bibliothe k Gunneweg, Antoniu s H . f. : Vom Verstehe n de s Alten Testament s : e. Her meneutik / von A. H. J.Gunneweg. - 2. , durchges. u. erg. Aufl. - Göttingen : Vandenhoeck u . Ruprecht, 1988 (Grundrisse zu m Alte n Testament; Bd . 5) ISBN 3-525-51660-6 NE: G T
2. Auflage 1988 © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977. - Printe d i n Germany. Alle Recht e vorbehalten . Ohn e ausdrücklich e Genehmigun g de s Ver lages is t e s nicht gestattet , da s Buc h ode r Teile darau s auf foto - ode r akustomechanischem Weg e z u vervielfältigen . Gesamtherstellung: Huber t & Co. , Göttingen.
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Inhalt I. Kapitel: Da s Alt e Testamen t al s hermeneutische s Proble m 7 II. Kapitel: Da s Alt e Testamen t al s Erb e 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Der Kanon de r Väter 1 Die Haltung Jes u 1 Das Alt e Testamen t i n de n nachösterliche n Gemeinde n 1 Der Bruc h mi t de r jüdische n Vergangenhei t 2 Verheißung, Weissagung , Typo s 2 Die Allegores e 3 Das „Alt e Testament " 3 Die Einheit vo n Al t un d Ne u 3 Die dogmatische Verdrängun g de s Problems 3
III. Kapitel: Da s Alt e Testamen t i m Lich t de r Reformatio n un d i m Feue r de r historischen Kriti k 4 1. Die sakramentale Vergegenwärtigun g 4 2. Die Wiederentdeckung de r Schrif t 4 3. Luther un d da s Alte Testamen t 4 4. Dogmatisches Syste m un d kirchlich e Restauratio n 5 5. Das Inspirationsdogma un d di e Vorherrschaf t de r Dogmati k 6. Die Anfänge de r Geschichtstheologi e 7. Die philologische un d historisch e Wissenschaf t 6 8. Die Infragestellung de r „biblische n Geschichte " 9. Versuche eine r neue n „Theologie " de s Alte n Testament s 10. Zusammenfassung un d Ausblic k 8 IV. Kapitel: Da s Alt e Testamen t al s Geset z un d Bundesurkund e 8 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Kanon un d Geset z 8 Das Alte Testamen t al s Geset z un d Grundordnun g de r Kirch e 9 Die Ablehnung de s „Judengesetzes " 10 Das „prophetische " Kanonverständni s un d die Relativierun g des Gesetzes Gesetz und Bun d Die Ambivalenz un d Mehrdeutigkei t de s Gesetze s
V. Kapitel: Da s Alt e Testamen t al s Dokumen t eine r Fremdreligio n 12 1. 2. 3. 4. 5.
Entdeckung un d Betonun g de r religiöse n Fremdhei t Abwertung un d Verwerfun g de s Alten Testament s 12 Fremdheit al s Ärgerni s un d „Zuchtmeister " 13 Kritik de r Kriti k a m Alte n Testamen t Die Frag e nac h de m wahre n Wese n Israel s
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3 3 5 9 1 3 2 5 7 9 2 2 4 6 2 56 58 0 70 74 2 5 5 2 0 104 108 110 1 121 6 1 134 140
Inhalt
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VI. Kapitel : Da s Alt e Testamen t al s Geschichtsbuc h 14 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Göttliche un d menschlich e Heilsökonomi e 14 Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte , Typologi e 15 Geschichtsprozeß un d Offenbarun g 15 Geschichte un d Wort : Kriti k de r Heilsgeschichte 16 Kritik de s Weissagungsbeweise s un d de r Typologi e 17 Die Strukturanalogi e de r Testamente Zusammenfassung un d Ausblic k 18
VII. Kapitel: Da s Alte Testament al s Teil des christlichen Kanon s 18 1. Das Neue Testamen t al s Kriteriu m de r kanonische n Geltun g de s Alten 2. Schrift, Sprache , Monotheismu s 18 3. Die Sprach e de r Christusverkündigun g 19 Abkürzungsverzeichnis
6 6 0 9 4 5 178 0 3 183 7 5 199
Literaturverzeichnis 20
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Register 21
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Sachregister Personenregister 21 Bibelstellenregister 22 Nachwort zu r zweite n Auflag e 22
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I. KAPITEL
Vorbemerkungen: Das Alte Testament als hermeneutisches Problem Der Begriff de r Hermeneutik is t schillernd. E r hat mit dem Verstehen, dem Verständnis, de m nich t ode r woh l Verstandene n z u tun , is t abe r selbs t nich t so eindeuti g definiert , da ß Mißverständniss e ausgeschlosse n wären . Diese r Umstand mach t es erforderlich, vora b zu erklären, i n welchem Sinn e hier von Hermeneutik un d hermeneutisc h di e Red e sei n soll . Diese r Ban d wil l kein e Hermeneutik i m Sinn e Friedric h Schleiermacher s un d Wilhel m Dilthey s al s Kunstlehre de s Verstehen s de s Alten Testament s bieten . Fü r eine Einführun g in die Methodik de r Exegese kann hier verwiesen werde n auf die im Literaturverzeichnis aufgeführte n Arbeite n vo n Ott o Kaise r u.a. , Herman n Bart h Odil Hanne s Steck , Geor g Fohre r u.a. , Wolfgan g Richte r un d Klau s Koch . Auch eine Theologie de s Aken Testament s ist nicht beabsichtigt; si e ist einem anderen Band in dieser Reih e vorbehalten. Ebensoweni g sol l eine vollständige Geschichte der Rezeption des Alten Testaments in der Kirche geschrieben werden, wie sie in dem großen, immer noc h unentbehrlichen, abe r leide r in manchen Hinsichte n überholte n Wer k vo n Ludwi g Dieste l un d de m lediglic h die Zei t sei t de r Reformatio n berücksichtigende n Buc h vo n Emi l G.Kraelin g entfaltet wird . Fü r eine Geschicht e de r biblische n Theologi e schließlic h kan n auf da s einschlägig e Wer k vo n Hans-Joachi m Krau s verwiese n werden . Di e hier gestellt e Aufgab e is t andere r Art : E s solle n di e verschiedenen , auc h widersprüchlichen Möglichkeiten , da s Alt e Testamen t al s Tei l de s christ lichen Kanon s z u verstehe n - oder auc h e s z u verwerfe n -, dargestellt un d kritisch gewürdigt werden. I^iese Aufgab e is t ein e hermeneutische , wei l si e sic h u m ei n Gesamtver ständnis de s Alte n Testament s un d desse n Voraussetzunge n bemüht . Si e is t eine theologische , wei l jed e Theologie de s Alten Testament s un d all e Theologie überhaup t implizi t ode r explizi t vo n bestimmte n Verstehensvoraus setzungen un d eine m bestimmte n Gesamtverständni s de s Kanon s Alte n un d Neuen Testament s un d de s Verhältnisse s de r beide n Testament e zueinande r ausgeht. Ja, es ist keine Übertreibung, wenn man das hermeneutische Proble m des Alten Testament s nich t blo ß al s ein, sonder n al s das Problem christliche r Theologie betrachtet, von dessen Lösung so oder so alle anderen theologische n Fragen berühr t werden . Is t Auslegun g de r Heilige n Schrif t wesentlich e Auf gabe de r Theologi e un d gil t di e Schrif t al s Grundlag e christliche n Lebens , Fundament de r Kirch e un d Mediu m vo n Offenbarung , s o is t di e Frage , o b und waru m di e Sammlun g israelitisch-jüdische r Schriften , di e i m Bereic h
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der christliche n Kirch e al s Alte s Testamen t bezeichne t wird , Tei l un d ga r de r umfangreichste Bestandtei l de s Schriftenkanon s se i un d welch e theologisch e Bedeutung ih m zukomme , vo n fundamentale r theologische r Relevanz . Si e betrifft j a de n Umfan g un d dami t zugleic h auc h qualitati v de n Inhal t dessen , was al s christlic h z u gelte n hat . Ein e fundamentaler e Frag e läß t sic h i m Bereich de r Theologi e nich t stellen ; ihr e Beantwortun g bestimm t selbs t de n Bereich, in welchem Theologi e sic h zu vollziehen hat ! Die hie r gestellt e hermeneutisch e un d theologisch e Aufgab e is t freilic h auch ein e historische : Di e verschiedene n un d teilweis e widersprüchliche n Möglichkeiten, da s Alt e Testamen t al s Tei l de s Kanon s z u verstehe n ode r auch ih m al s nicht-christlic h di e Anerkennun g z u verweigern , finde n ihre n Niederschlag nich t ers t heut e i n unterschiedliche n theologische n Entwürfen , sondern sin d selbs t i n eine r lange n Geschicht e historisc h gewachsen . Manch e kehren i m Lauf e de r Geschicht e i n meh r ode r wenige r star k verwandelte r Gestalt un d au f andere r Reflexionsstuf e wieder . Ander e verschärfe n sic h ode r tauchen ne u au f al s Folg e de r vo n de r Reformatio n un d insbesonder e de r historisch-kritischen Wissenschaf t verwandelte n Geisteslag e un d Fragehin sichten. S o kan n ein e Darstellun g un d Würdigun g de r verschiedene n Ver stehensmöglichkeiten de s Alte n Testaments , wen n si e nich t völli g abstrakt theologisch bleibe n soll , nich t umhin , di e Geschicht e z u berücksichtigen . Dies nötig t freilic h noc h nich t z u eine r rei n chronologische n Darstellungs weise un d z u eine r Konzeption , welch e derjenige n vo n L.Dieste l ode r E . G. Kraelin g ähnlic h wäre ; beid e wolle n j a di e verschiedene n hermeneutische n Ansätze un d Entwürf e i n chronologische r Reihenfolg e schildern . Fü r di e hie r zu bewältigend e Aufgab e empfiehl t sic h vie l ehe r ein e problemorientiert e Verfahrensweise, welch e di e diachrone n un d synchrone n Aspekte , als o di e historischen Entwicklunge n ebens o wi e di e sic h de r Sach e nac h gleichblei benden Frage n un d Antworte n gleichermaße n z u berücksichtige n bestreb t ist . Dies empfiehl t sic h einma l deshalb , wei l i n eine r Einführun g i n di e herme neutische Problemati k ohnehi n kein e Vollständigkei t de r Problemschattierun gen i n ihre r lange n Geschicht e un d de r u m Lösunge n bemühte n Persone n i n ihrer Vielfältigkei t angestreb t werde n sol l - dazu se i au f Diestel , Kraelin g und Krau s verwiese n - , und zu m andere n au s sachbezogene n Gründen , wei l des öftere n unterschiedlich e un d einande r widersprechende , j a bestreitend e hermeneutische Ansätz e - man denk e nu r a n di e polemisch e Ablehnun g de s Alten Testament s durc h Marcio n ode r a n de n theologische n Pluralismu s de r Gegenwart! - gleichzeitig auftrete n können . Auc h de r Umstand , da ß manch e Fragestellungen un d Konzeptionen , wen n auc h mi t gewisse n Modifikationen , sich i n de r Geschicht e wiederholen , leg t ei n Verfahren , da s meh r systematisc h als chronologisch ist , nahe . Das Wiederauftauche n gleiche r ode r doc h vergleichbare r Problem e un d Lösungen zeig t deutlich , da ß da s hermeneutisch e Proble m de s Alte n Testa ments mi t seine n vielfältige n Aspekte n nich t zuers t durc h di e Zufälligkeite n der Geschicht e ode r di e Willkü r de r Theologe n bedingt , sonder n mi t de r Sache de s Alte n Testament s selbs t vorgegebe n ist . Di e Vorgegebenhei t selbs t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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ist da s Problem : Da s Alt e Testamen t is t ein e Sammlun g israelitische r un d jüdischer Schriften . Dies e Schrifte n sin d di e religiös e Nationalliteratu r de s israelitischen Volke s un d da s heilig e Buc h de r jüdische n Gemeinde , de r Syna goge. Si e sin d zweifelsohn e un d fraglo s nich t christliche n Ursprungs , sonder n älter al s da s Christentum . Auc h ihr e Sammlun g z u eine m Kano n heiliger , unantastbarer - sakrosankter - und, wi e gelehr t wurde , göttlic h inspirierte r Schriften is t nicht zuers t da s Werk de r christlichen Kirch e gewesen. Sammlun g und Abschlu ß de s hebräische n Kanon s ware n da s Wer k de r Synagog e u m 100 n.Chr., un d zwa r eine r Synagoge , welch e star k vo n de r pharisäische n Richtung jüdische r Theologi e gepräg t war . Auc h noc h di e griechisch e Über setzung zunächs t de r fün f Büche r Mose , de r Tora , dan n de r übrige n Schrifte n des Alte n Testaments , di e i n de r christliche n Kirch e allgemei n verbindlic h wurde, is t jüdische n un d nich t christliche n Ursprungs ; si e wa r ursprünglic h für di e griechisc h sprechend e jüdisch e Diaspor a un d keinesweg s fü r di e christ liche Kirch e bestimmt . Un d auc h di e vo m hebräische n Kano n abweichend e griechische Ordnun g de r Schrifte n (Geschichtsbücher , Lehrbücher , Pro phetenbücher gemä ß de n Zeitdimensione n Vergangenheit , Gegenwart , Zu kunft), di e fü r di e Kirch e maßgeblic h wurd e un d welch e di e späte r - seit Hieronymus (u m 350) bzw. sei t Karlstad t un d Luthe r - sogenannten Apo kryphen (3.Esra , Makkabäerbücher , Tobit , Judith , Gebe t Manasses , Zusätz e zu Daniel , Zusätz e z u Esther , Baruch , Brie f Jeremias , Jesu s Sirach , Weishei t Salomos) umfaßt , is t jüdische n un d nich t christliche n Ursprungs . Di e frühe n Gemeinden ware n hie r vermutlic h vo n örtlic h verschiedene n jüdische n Schriftensammlungen abhängig . Das Alt e Testamen t is t als o i n jede r Hinsich t ei n Erb e au s vorchristliche r Zeit. Ebe n hieri n steck t da s hermeneutisch e Problem : Is t da s Erb e au s vor christlicher Zei t deswege n selbs t vor-christlic h un d daru m nicht-christlich ? Kann di e Anerkennun g al s Tei l de s christliche n Kanon s nicht-christlich e Schriften nachträglic h christianisiere n un d sozusage n taufen ? Ferner : Di e israelitisch-jüdische Schriftensammlun g wir d i m christliche n Bereic h da s Alte Testamen t genannt , abe r wa s besag t da s Prädika t „alt" ? Is t hiermi t nu r die zeitlich e Dimensio n de s Älteren , Früheren , Vorhergehende n i n seine m Bezug zu m Neue n al s de m Spätere n bezeichnet , ode r mein t „alt " hie r ein e geringere Qualität , ga r das Veraltete ? Diese scho n relati v frü h aufbrechend e Problemati k mußt e sic h durc h di e Reformation un d dan n ers t rech t durc h da s Aufkomme n de r historisch-kriti schen Wissenschaf t un d ihr e konsequent e Anwendun g au f da s biblisch e Schrifttum noc h meh r verschärfen . Sollt e di e Schrif t allei n Quell e vo n Offen barung un d Grundlag e de r reformatorische n Kirch e sei n un d nich t auc h di e Tradition un d di e Lehrautoritä t de r Kirche , s o mußt e de r rechte n Auslegun g der Schrif t primär e theologisch e Bedeutun g zukommen ; un d kehrt e ma n ers t zum wortgetreue n Sinn , de m sensu s litteralis , zurück , wi e e s j a di e Refor matoren wollten , s o mußt e ei n wörtlic h un d nich t meh r allegorisc h über tragen verstandene s Alte s Testamen t sein e lang e Jahrhundert e hindurc h verborgene Eigenständigkeit , abe r auc h Fremdhei t erneu t zeigen . Solch e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Fremdheit zeigte sich erst recht und immer klarer dem unbestochenen Blick der von de n dogmatische n Fessel n befreite n historische n Forschung . Da s alt e hermeneutische Proble m de s al s Erb e vorgegebene n Alte n Testament s stellt e sich nu n ers t recht . Is t da s alt e Testamen t nich t zuers t »Gesetz" , wi e e s jüdischerseits un d auc h i n de r frühe n Gemeind e genann t wurde ? Is t e s al s Gesetz imme r noc h verbindlic h ode r fü r de n Christe n al s Geset z abgetan ? Ist da s israelitisch-jüdisch e Erb e nich t doc h Dokumen t eine r Fremdreligio n Wäre au s der historischen Tatsache , daß die christliche Gemeinde seit Paulus' Zeiten au s de r Synagog e auszo g un d ein e eigen e Religionsgemeinschaf t bildete, nich t di e Konsequen z z u ziehe n gewesen , wi e au f di e Synagog e s o auch au f da s synagogale Erb e zu verzichten? Un d d a solche s a m Anfan g au s welchem Grund e auch immer nicht geschah, könnte es dann jetzt nicht an der Zeit un d woh l endlic h auc h höchst e Zei t sein , da s inkonsequenterweis e Versäumtes nachzuholen? Wenn jedoch solche Konsequenz nicht zu ziehen ist, sondern da s Alt e Testamen t trot z alle r Erkenntni s seine s vorchristliche n Ur sprungs weiterhi n al s erster Tei l de s Kanons gültig bleibe n soll , wi e läß t sic h diese Geltun g dan n nich t blo ß historisch , durc h Verwei s au f di e Tradition , sondern theologisch begründen? Freilich öffne t sic h auc h di e gegenteilig e Möglichkeit , da s Alt e Testamen t zu verstehe n un d z u bewerten : di e vermeintlich e Fremdhei t de s Alten Testa ments kan n auc h Ausdruc k de s „totalite r aliter" , de r totale n Andersartigkei t des einen wahren Gottes sein, der zuerst als der Gott Israels und hernach auch in Jesu s Christu s sic h offenbar t hat . De r erst e un d umfangsreichst e Tei l de r Bibel, eins t di e einzig e Heilig e Schrif t de r alte n Kirche , wär e auc h jetz t di e eigentliche Heilig e Schrif t un d da s Neu e Testamen t lediglic h dere n recht e Auslegung sei t Christi Geburt , Tod und Auferstehung. Auc h noch das Gesetz, sofern nich t speziel l fü r israelitisch-jüdisch e Zeite n un d Verhältniss e be stimmt, blieb e i n Geltung , wen n auc h nich t al s menschliche r We g zu m gött lichen Heil, so doch als Gottes unveränderter Wille . Wehe dem, der am Feiertag arbeitet oder Knecht, Magd oder auch nur das Vieh arbeiten läßt ! Bei diese r Vorrangstellun g un d Hochschätzun g de s Alten Testament s mu ß aber das alttestamentliche Geset z nicht unbedingt in den Vordergrund gerück t und eingeschärf t werden . E s kan n auc h de r i n manche r Hinsich t unabge schlossene Charakte r diese r Schriftensammlung , da s Unabgegoltensei n seine r Verheißungen i n den prophetischen un d apokalyptischen Teile n herausgestell t werden. Da s Alt e Testamen t wir d dan n al s da s Buc h eine r Geschicht e ver standen, di e vo n Verheißun g z u Verheißun g drängt , a n dere n End e di e Erfüllung i n Christus steht, die selbst abe r auch wieder Verheißungscharakte r hat: noc h blieb der Auszug, de r Exodus aus dem Lande der Knechtschaft un vollendet, das Land der Verheißung ist noch nicht erreicht! Eine ander e Möglichkeit , da s Alt e Testamen t christlic h einzuordne n un d seiner Qualität al s des Alten in seiner Polarität zum Neuen gerecht zu werden, liegt darin , e s nich t nu r zeitlich , sonder n meh r noc h sachlich-inhaltlic h al s Vorstufe zu m Neue n z u verstehen , se i e s so, daß di e alttestamentlich e Weis sagung oder Verheißung al s im Neuen Testament erfüllt betrachte t wird, oder © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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auch so , da ß das , wa s sic h i n Geschehnissen , Persone n ode r Institutione n des Alte n Testament s au f typisch e Weis e präfigurativ , schattenhaft , al s Vorausschattung ankündig t un d anbahnt , i m Neue n Testamen t al s in s voll e Licht getrete n un d - antitypisch - als erfüll t betrachte t wird . Ma n nenn t diese Betrachtungsweise , di e beid e Testament e einande r zuordne t un d doc h das Alte al t und das Neue neu zu lassen sic h bemüht, di e typologische. Droht aber nich t völlig e Willkür , wen n Ereignisse , Persone n un d Institutione n de s alten Israel , di e selbs t keinesweg s bloß e Vorausschattunge n un d Typen , di e über sic h hinausweisen , sei n wollten , nachträglic h vo n Christe n typologisc h interpretiert werden? Wird hier Auslegung nicht zur Hineinlegung? Diesem Bedenke n entgeht , we r da s Alt e Testamen t un d auc h da s Neu e Testament zunächs t al s schriftliche n Niederschla g vo n Lebensäußerunge n und Daseinshaltunge n z u verstehen versucht , di e in einer polare n Gegensätz lichkeit stehen . E s ist di e Polaritä t vo n i n de n To d führende m Geset z einer seits un d Hei l un d Lebe n bringende m Evangeliu m andererseits . De r gesetz lichen Kultgemeind e i n Jerusalem un d in de r Diaspora, di e doch die Bindung an da s jüdisch e Vol k nich t preisgib t un d sic h gege n ander e Völke r abgrenzt , steht di e christlich e Gemeinde , di e sic h al s da s wahre , endzeitlich e Gottes volk versteht , gegenüber . I n diese r Sich t is t da s Alt e Testamen t durc h da s Neue erledigt . Erledig t abe r heiß t nich t unbeding t abschaffungswürdig . Da s Alte Testamen t behäl t i m Gegentei l ein e bleibend e Gültigkei t al s de s Men schen un d auc h noc h de s Christe n eigen e falsch e Möglichkeit , al s Buch , da s auch de m Christe n wi e i n eine m Spiege l sei n Scheiter n vorhäl t - Scheitern, dessen imme r neu e Überwindun g durc h di e Gnad e de s Evangelium s herbei geführt wird . Da s Alte Testament wird s o im prägnant theologische n Sin n als alt, nämlic h al s Urkunde des alten Mensche n verstanden, der täglich ne u vom Evangelium überführ t un d zurechtgebrach t werde n muß . Läß t ein e solch e Konzeption da s Alt e Testamen t i m stren g theologische n Sinn e al t un d da s Neue neu sein, ohne das Alte als veraltet abtu n zu müssen, so erhebt sich doch auch hie r di e weiter e Frage , o b den n wirklic h da s ganz e Alt e Testamen t al s Dokument de s Gesetze s un d de s Scheitern s aufgefaß t werde n kan n ode r o b einer genaue r differenzierende n Sicht , di e zwische n verschiedene n Schichte n und Höhenlage n innerhal b de s Alte n Testament s unterscheidet , ei n solche s Gesamtverständnis al s Verallgemeinerun g erscheine n muß . Setz t doc h da s Neue Testament selbst, wenn nicht das ganze Alte Testament, so doch wesentliche Teil e desselbe n al s nac h wi e vo r gülti g vorau s un d kan n ohn e solch e Voraussetzung gar nicht verstanden werden. Hierin ist es begründet, daß auch nach Christ i Geburt , To d un d Auferstehun g alttestamentlich e Text e al s da s Evangelium auslegende , wei l selbs t vo m Evangeliu m vorausgesetzt e Ver kündigung i n de r christliche n Kirch e i n Unterrich t un d Verkündigun g ver wendet werden. Diese skizzenhaft e Übersich t übe r di e verschiedene n Möglichkeite n eine s Verständnisses de s Alten Testament s lehr t bereit s be i alle r Vorläufigkeit , da ß hier nich t immer eine s das andere restlo s ausschließt , da ß Anliegen zu m Ausdruck kommen , di e trot z Einseitigkei t ihr e Berechtigun g haben , un d Frage n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s hermeneutisches Proble m
auftauchen, di e sic h infolg e menschlic h beschränkte r Möglichkeite n zu m Teil al s nich t auflösba r erweisen . E s wär e zwa r falsch , Unvereinbare s ver söhnen z u wolle n - eine marcionitisch e Verwerfun g un d ein e calvinistisch e Hochschätzung de s Alte n Testament s etw a schließe n sic h gewi ß aus ! - , aber dennoc h könne n i n wege n ihre r Einseitigkei t unmögliche n Möglich keiten de s Verständnisse s richtig e Einsichte n verborge n sein , welch e nich t unbeachtet bleibe n dürfen . Di e lang e un d breit e Diskussio n u m da s recht e Verständnis de s Alte n Testament s un d sein e Stellun g i m Kano n is t nich t oder doc h nich t nu r — das Ergebni s theologische r Streitsucht , sonder n wei t mehr noc h ei n Refle x de r einande r widerstreitenden , auc h bekämpfende n Positionen un d Gegenpositione n religiöse r un d gelegentlic h auc h handfes t weltlicher Ar t innerhal b de r Alte s Testamen t genannte n tausendjährige n bunten Sammlun g israelitische r un d jüdische r Schrifte n selbst . Di e ihne n allen zuerkannt e jüdisch e un d christlich e Kanonizitä t is t nich t selte n da s einzige alle n gemeinsam e Merkmal . Dies e Gemeinsamkei t kan n leich t daz u verführen - und da s wa r i n de r Vergangenhei t auc h tatsächlic h öfte r de r Fall - , nach eine m einzige n hermeneutische n Wunderschlüsse l z u suchen , mi t dem di e Vielfal t de s Überlieferte n einheitlic h un d vo n eine r sichere n Mitt e her aufgeschlosse n werde n könnte . Manche r meint e woh l auch , jen e Mitt e und de n passende n Schlüsse l entdeck t z u haben , bi s dan n ei n andere r mi t neuem Schlüsse l ka m un d da s vermeintlich e Zentrum , u m da s sic h i m Alte n Testament alle s drehe n soll , ander s bestimmt e un d aufzuschließe n versuchte . Hier sollte n begangen e Einseitigkeite n ein e Warnun g sein . Z u denke n gib t auch de r Umstand , da ß da s Neue Testamen t - und d.h . di e frühen christliche n Gemeinden - von Anfan g a n ein e mehrschichtig e Behandlun g de s Alte n Te staments kennt , di e ers t i n spätere r Zei t de n Versuche n zu r einschichtig einheitlichen Rezeptio n weiche n mußte . De m sol l nunmeh r nachgegange n werden.
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II. KAPITEL
Das Alte Testament als Erbe 1. Der Kanon der Väte r Von eine r christliche n Rezeptio n ode r Übernahm e de s Alte n Testament s zu sprechen , wi e e s vielfac h geschieht , is t eigentlic h nich t korrek t un d sach gemäß. Da s is t scho n deshal b nich t gan z richtig , wei l zu r Zei t Jes u un d noc h im erste n Jahrhunder t n.Chr . da s hebräisch e Alt e Testamen t nich t endgülti g abgeschlossen war . Ers t u m 100 n.Chr. stan d de r Bestan d de s jüdischen , hebräischen Kanon s i m große n un d ganze n fest . Da s Alt e Testamen t i n grie chischer Übersetzun g - die sogenannt e Septuagint a - blieb noc h länge r ein e unabgeschlossene un d variabl e Größe , di e sic h auße r durc h di e ander e An ordnung de r einzelne n Teil e (Geschichtsbücher , poetisch-didaktisch e Bücher , Prophetenschriften) insbesonder e dadurc h unterscheidet , da ß si e zusätzlic h auch Apokryphe n enthält . Diese r unabgeschlossen e un d vorers t offen e grie chische Kano n i n variable r Gestal t wurd e Heilig e Schrif t de r christliche n Kirche. Deren Abschluß und Abgrenzung wa r dan n nich t mehr jüdische Ange legenheit; da s Judentu m wandt e sic h vo n de r vo n ih m selbs t geschaffene n griechischen Übersetzun g de r Septuagint a a b un d de r „Veritas Hebraica", de r hebräischen Wahrheit , ode r abe r neuen , wörtliche n Übersetzunge n zu . De n Umfang de s griechische n Kanon s de s Alte n Testament s z u bestimmen , wa r damit Aufgab e de r christliche n Kirche , ihr e einheitlich e Lösun g is t bi s heut e ausgeblieben. Hieronymus (u m 400 n.Chr.), de r Verfasse r de r Vulgat a genannte n lateinische n Übersetzung de s Alte n Testaments , konnt e sei n Anliegen , de n jüdische n Kano n hebräischer Schrifte n allei n zu r kirchliche n Nor m z u erheben , nich t durchsetzen . Später hat dann Luther diejenigen Bücher, die nicht im hebräischen Kanon , wohl aber in de r Vulgat a eine n Plat z bekomme n hatten , al s Apokryphe n gelte n lassen . Luthe r definiert si e al s „Bücher , s o der heilige n Schrif t nich t gleich gehalten, un d doc h nützlich un d gu t z u lese n sind" . Di e lutherische n Kirche n habe n übe r dies e Frag e ein e verbindliche Entscheidun g nich t getroffen . I m reformierte n Bereic h formulier t de r Articulus 6 der Confessi o Belgic a (1559) den Unterschie d vo n kanonisc h un d apo kryph präziser: di e Kirche darf di e Apokryphen lese n und sich daraus belehren lassen , sofern si e mi t de n kanonische n Bücher n übereinstimmen . Richtschnu r un d nor mierende Nor m (norma normans) sin d si e als o nicht . I n de r offizielle n niederlän dischen Übersetzun g („Statenvertaling" ) finde n si e ihre n Plat z al s Anhan g zu m Neuen Testament un d mit einer vorangestellten Warnung , wori n ausdrücklic h erklär t wird, da ß si e nich t z u de n heiligen , göttliche n Schrifte n gehören . Di e jüngere n Aus gaben verzichte n konsequenterweis e gan z au f sie . Di e reformiert e Kirch e ha t dami t
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Das Alte Testament al s Erbe
nur de n jüdischen , hebräische n Kano n al s kanonisc h anerkannt . Ein e verbindlich e Kanonabgrenzung, welch e di e - apokryphen - Bücher Weishei t Salomos , Jesu s Sirach, Tobit, Judith, 1. und 2. Makkabäer al s deuterokanonisch de m gültigen Kanon zurechnet, vollzo g di e römisch e Kirch e ers t au f de m Tridentinische n Konzi l 1546. Die Ostkirch e lie ß di e Geltun g u.a . de r Apokryphe n noc h länge r offen . Au f eine r Synode i n Jerusale m i m Jahr e 1672 wurden di e Büche r Weishei t Salomos , Jesu s Sirach, Tobit und Judith als kanonisch anerkannt. Schon diese r kurz e Rückblic k i n di e Geschicht e lehrt , da ß vo n eine r Rezep tion ode r Übernahm e de s Alte n Testament s durc h di e Kirch e eigentlic h nich t die Red e sei n kann . Di e Kirch e selbs t ha t de n Kano n mi t bestimmt ; un d auc h noch di e Offenlassun g un d Unentschiedenhei t wa r ein e Mitbestimmung . Statt vo n eine r Übernahm e de s Alte n Testament s durc h di e Kirch e sollt e besser vo n de m Alte n Testamen t al s Erb e di e Red e sein . Dan n kan n deutlic h werden, da ß di e alttestamentliche n Schrifte n einerseit s nich t da s literarisch e Erzeugnis de s Christentum s sin d - sie sin d vorchristlic h - , andererseits abe r nicht ein e beliebig e Sammlun g fremdreligiöse r Literatur , welch e da s sic h bildende jung e Christentum , au s welche m Grund e auc h immer , vo n auße n her übernahm . Dies e Schrifte n ware n da s überkommen e Erb e de r israeliti schen un d jüdische n Väter , al s dere n erbberechtigt e Söhn e sic h di e frühe n Christen verstanden . Si e waren j a selbs t geboren e Jude n und , wie auc h immer , Anhänger de r i n de n Schrifte n de r Väte r bekundeten un d verkündigte n Reli gion. In diese r Hinsich t unterscheide n sic h di e Christe n nich t vo n andere n Gruppie rungen ode r Sekten , di e au s de m Schoß e de s Judentum s hervorgegange n sind . S o betrachteten sic h auc h di e Mitgliede r de r Gemeinschaf t vo n Qumran , jene r jüdische n Sekte, dere n literarisch e Erzeugniss e i n de n Jahre n nac h de m Zweite n Weltkrie g i n der Gegen d de s Tote n Meere s entdeck t wurden , al s legitim e Erbe n de r väterliche n Schriften, auc h wen n si e ihr e eigene n eigentümliche n Schrifte n de m Erb e al s gleich oder mehrwertig a n die Seite stellten .
Das hermeneutisch e Proble m besteh t als o nich t darin , o b di e jung e Kirch e berechtigt ode r auc h gu t berate n war , da s Alt e Testamen t z u übernehmen ; si e besaß e s imme r scho n un d vo n alle m Anfan g a n al s ihr e Heilig e Schrift . Di e Frage laute t vielmehr , o b e s möglic h un d nöti g war , da s überkommen e Erb e des Alte n Testament s weiterhi n beizubehalten , ode r o b e s nich t besse r gewesen wäre , e s dene n z u überlassen , di e e s exklusi v fü r sic h beanspruch ten, nämlic h de n Juden . Dies e Frag e stellt e sic h zwa r noc h nich t gleich , wa r aber in der Sache des überkommenen Erbe s angelegt . Polemik kan n fü r di e schwache n Stelle n de s Gegner s hellsichti g machen . S o wundert e s nicht , da ß di e Frage , o b di e Christe n sic h mi t Rech t au f di e ererbt e Schrif t berufen konnten , seiten s der Judenschaft gestell t wurde . Di e griechische Übersetzun g der Septuagint a wa r da s Wer k vo n jüdische n Schriftgelehrte n gewesen . Al s dies e Übersetzung nunmeh r zu m heilige n Buc h de r Christenhei t wurde , konnt e ei n Strei t nicht ausbleiben . E s wa r scheinba r nu r ein e Disputatio n u m di e recht e Auslegun g einzelner Stellen . A m bekannteste n is t di e Diskussio n u m da s Verständni s vo n Jes. 7,14. Die von de n Christe n benutzt e griechisch e Übersetzun g lies t hie r da s Wor t „parthenos", da s Jungfrau bedeutet , de r hebräische Text abe r mein t eine junge Frau . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Haltung Jes u
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Da nu n Je s 7,14 überhaupt christlicherseit s al s Weissagun g au f Christu s gedeute t wurde, meint e di e christlich e Gemeinde , hie r eine n Schriftbewei s fü r di e Jungfrauen geburt, als o di e Gebur t Christ i au s de r Jungfra u Mari a z u finden . Die s wurd e jüdischerseits mi t Verwei s au f eine n bessere n Tex t un d ein e besser e Auslegun g be stritten. Freilic h konnte n umgekehr t di e Jude n schwerlic h i n Frag e stellen , da ß di e Übersetzung, au f di e sich die Christen beriefen , doc h von den Juden selbs t geschaffe n worden war . Kontroverse n diese r Ar t habe n schließlic h daz u geführt , da ß di e Judenschaft di e Septuagint a preisga b un d al s nicht de r hebräische n Wahrhei t entsprechen d verdammte. Al s hebräische Wahrhei t wurd e vo n der pharisäisch-rabbinischen Ortho doxie ausschließlich der hebräische Kanon anerkannt, der nur die Schriften de r älteren, klassischen Zei t enthält . De r hebräisch e Kano n is t selbs t ei n Stüc k Polemi k gege n alle hellenistischen un d apokalyptischen Neuerungen , abe r auch gegen die „Sekte" der Kirche mi t ihre r Christusverkündigung . Be i diese m Strei t gin g e s abe r nu r scheinba r um Einzelfrage n de r Auslegung . O b de n Kontrahente n bewuß t ode r nich t - hier standen letztlich die Gültigkeit des Alten Testaments für die Christen und deren Recht, sich darauf überhaupt berufen zu dürfen, auf dem Spiel. Das anfänglich e Bewußtsein , a n Christu s glaubend e Jude n un d i n solche m Glauben gerad e da s wahr e Israe l z u sein , lie ß au f Seite n de r Christe n freilic h zunächst keine n Zweife l dara n aufkommen , sic h mi t volle m Rech t au f di e ererbten Schrifte n berufe n z u dürfen . E s is t auc h seh r wahrscheinlich , daß , von alle m andere n un d auc h vo n de r zuers t noc h verborgene n hermeneu tischen Problemati k abgesehen , di e überal l un d imme r z u beobachtend e Beharrlichkeit i n religiöse n Dinge n auc h hie r sic h ausgewirk t hat . Da s reli giöse Erbe der Väter gibt man nich t ohne Not preis. 2. Die Haltung Jes u Dies gilt auc h fü r Jesus . E s sind genügen d i n ihre r Echthei t nich t z u bezwei felnde Jesuswort e erhalten , welch e zeigen , da ß auc h Jesus , nich t ander s al s die Schriftgelehrten , di e Autoritä t de s alttestamentliche n Gesetze s anerkann t hat. We r ih n nac h de m höchste n Gebo t fragt , wir d au f da s Alt e Testamen t und sein e Forderunge n verwiesen : „Da s wichtigst e Gebo t is t dies : Höre , Israel, de r Her r unse r Got t is t de r Her r allein , un d d u solls t de n Herr n deine n Gott liebe n vo n ganze m Herze n un d vo n ganze r Seel e und vo n ganze m Gemü t und mi t ganze r Kraft . Da s zweit e lautet : D u solls t deine n Nächste n lieben , wie dic h selbst " (Mk . 12,29-31). Diese Antwor t Jes u zitier t 5.Mose 6,4f; 3.Mose 19,18. Auf di e Frage : „Wa s mu ß ic h tun , u m da s ewig e Lebe n z u ererben?" erwider t er : „D u kenns t di e Gebote " un d zitier t dan n au s de m Dekalog: „D u solls t nich t töten , nich t ehebrechen , nich t stehlen , nich t fal sches Zeugni s ablegen , nich t täuschen ; ehr e Vate r un d Mutter " (Mk . 1 0 , 1 7 19). Nicht nu r gesetzlich e Vorschriften , auc h andere s kan n vo n Jesu s al s bib lische Begründun g herangezoge n werden . Fü r die Auferstehung vo n de n Tote n beruft e r sic h au f 2.Mose 3,2ff.: „Hab t ih r nich t gelese n . . ., wie Got t z u ihm (Mose ) sagte : Ic h bi n de r Got t Abrahams , Isaak s un d Jakobs? " (Mk.12 , 25f.). Zu r Verteidigun g seine s un d seine r Jünge r freiere n Umgang s mi t de m © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Erbe
Sabbat beruf t e r sic h au f di e Stell e l . S a m . 21,7, die davo n erzählt , wi e Davi d in seine r Notlag e di e sogenannte n Schaubrot e de s Tempel s verzehrte , di e normalerweise nieman d esse n durft e auße r de n Priestern . Da ß dies e Stelle n nicht hergeben , wofü r si e zitier t werden , un d gege n ihre n ursprüngliche n Sin n erklärt werden , is t späte r noc h z u erörtern . Hie r interessier t zunächst , da ß Jesus überhaup t di e Autoritä t de r ih m überkommene n Schrifte n anerkenn t und beibehält . Nich t hieri n unterscheide t e r sic h vo n de n zeitgenössische n Schriftgelehrten. Da ß e r Gesetzliche s un d Passage n au s historische n Bücher n oder prophetische n Schrifte n al s Beweisstelle n heranziehe n kann , zeig t nur , daß fü r ih n - nicht ander s al s fü r da s zeitgenössisch e Judentu m - die ver schiedenen Teil e de r Schrif t weitgehen d ein e unterschiedslos e Einhei t dar stellten, un d da s heißt : i n ihre m ursprüngliche n Sinn e nich t meh r vol l ver ständlich waren . De r zitiert e Verwei s au f ein e Stell e au s de m erste n Buc h Samuel, u m ei n bestimmte s Verhalte n z u rechtfertigen , läß t vermuten , da ß fü r Jesus wi e fü r da s Judentu m di e Schrif t primä r al s Geset z i n Frag e ka m un d daß nich t nu r di e i m eigentliche n Sinn e gesetzliche n Partie n al s Geset z ver standen wurde n (vgl . hierzu auc h Kap. IV). Dieses fü r da s zeitgenössisch e Judentu m i m allgemeine n typisch e Verständni s de r Schrift al s Geset z un d der Propheten al s Gesetzesauslege r zeig t nu n aber, da ß nich t erst fü r da s Christentum, sonder n auc h scho n fü r da s Judentum da s überkommen e Erbe problematisc h un d ohn e bestimmt e Auslegun g unverständlic h geworde n war . Die ältere n Gesetze , di e jetz t i m Zeitalte r de r Römerherrschaf t - wie scho n frühe r unter andere r Fremdherrschaft , al s Israe l ein e Kultgemeind e geworde n wa r - den ursprünglichen Bezu g au f Staat , Volksgemeinschaf t un d Sipp e un d dere n konkret e politische un d soziale Erforderniss e eingebüß t hatten , mußte n wi e ein Erbe anmuten , dessen Fremdhei t und , trotz Fremdheit , getreu e Verwaltun g nu r den Sinn hatten , das Volk al s herausgehobenes , auserwählte s un d al s Fremdlin g z u erhalten . Un d die Geschichte, sofer n jetz t nich t al s bloß e Sammlun g vo n Beispielen fü r das rechte und das falsch e Verhalte n unte r de m Gesetz verstanden , mußt e wi e abgeschlossen erschei nen. Auch dere n Niederschla g i n der Schrift bedar f de r Auslegung un d ist ohne sie nicht mehr zugänglich . Di e Wichtigkei t de s bereit s i m Judentu m aufgebrochene n herme neutischen Problem s un d damit derer , di e als die Ausleger - wirklich ode r vermeint lich - für sein e Aufschlüsselun g zuständi g waren , ha t soga r de n Stan d de r priester lichen Kultdiene r un d de n Tempeldiens t überhaup t scho n i n vorchristliche r Zei t i n den Hintergrun d trete n lasse n zugunste n de r Schriftgelehrte n un d ihre r Arbeit . Von dieser hermeneutische n Problemati k he r ist auch di e Gestalt Jes u z u sehen. Auc h sei n Umgang mi t dem Erbe ist Auslegung - und sei diese auc h nac h moderne n Maßstäbe n gemessen Hineinlegung . De r Unterschie d z u de n zeitgenössische n Schriftgelehrte n liegt woanders . Fü r sie wa r di e formal e Autoritä t de r Schrift , als o da ß das Geset z befiehlt un d verbietet, al s Wille Gotte s bindend , un d sei dieser Will e de m Mensche n auch völli g unbegreiflich . S o laute t ei n Rabbinenspruch : „Wede r mach t de r Tot e unrein, noc h da s Wasser rein . Abe r de r Heilige ha t gesagt: Ei n Gesetz hab e ic h fest gestellt, eine n Entschei d getroffen ; d u bis t nich t befugt , meine n Entschei d z u über treten, de r geschrieben ist ; die s is t die Losung meine s Gesetzes " (zitier t nac h R.Bult mann, Jesus, S.60f.) . Während e s jüdische r Hermeneuti k wenige r au f Verstehe n al s au f Gehor sam auc h ohn e Einsich t ankommt , wei l da s Göttlich e vo n ih r al s da s Unb e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Haltung Jesu
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greifliche aufgefaß t wird , is t fü r Jesu s di e auc h vo n ih m anerkannt e Autoritä t der Schrif t begründe t in , abe r auc h abgeleite t vo n de m Wille n Gottes . Daru m ist, ander s al s für di e zeitgenössische n Schriftgelehrten , de r Inhal t nich t neben sächlich. E s gilt vielmehr , nac h de m rechte n Inhal t bzw . Verständni s de s gött lichen Willen s z u fragen . Is t fü r jüdisch e Auslegun g da s Geset z i n al l seine n verschiedenen un d auc h widersprüchliche n Teile n gleichermaße n i n Kraft , und geh t e s i n de r Auslegun g nich t zuletz t auc h u m Harmonisierun g de s Widersprüchlichen, s o kan n Jesu s deutlic h zwische n Gebo t un d Gebo t un d zwischen Wichtige m un d Unwichtigem , abe r auc h zwische n Wesentlichem , Primärem un d Nachträglichem , Hinzugekommene m unterscheiden . De r Will e Gottes is t nich t ohn e di e Schrift , abe r nich t au f diese , sonder n au f jene n kommt e s an. Ein bekannte s Beispie l fü r solch e Schriftauslegun g is t Jes u Interpretatio n de s i m Gesetz vorgesehene n Scheidungsrechtes : Läß t da s Geset z (5. Mose 24,1) die Ehe scheidung zu , steh t abe r ebenfall s geschriebe n (l.Mos e 1,27): „Als Man n un d Fra u hat Got t si e geschaffen ; daru m wir d ei n Man n Vate r un d Mutte r verlassen , un d di e beiden werde n ei n Fleisc h sein" , s o laute t di e jesuanisch e Folgerun g au s de m Ver gleich beide r Schriftstellen : „Wa s den n Got t zusammengefüg t hat , sol l de r Mensc h picht scheiden". Anders formuliert: Gotte s wahrer Will e wil l di e Unscheidbarkeit de r Ehe; di e Ehescheidun g is t nu r ein e Notmaßnahm e „u m de r Herzenshärtigkeit " de s Menschen willen, die nicht der eigentlichen Absicht Gottes entspricht (Mk. 10,2-9). Damit ist , trot z Berufun g au f di e Schrift , di e formal e Autoritä t zugunste n des au s de r Schrif t z u erkennende n Willen s Gotte s preisgegeben . Di e Unter scheidung vo n Geis t und Buchstaben bahn t sich hier schon an . Daß hier , bereit s be i Jesus , di e Möglichkei t eine s grundsätzliche n Kon fliktes mi t de m alttestamentliche n Erb e gegebe n ist , leuchte t ein . Is t fü r jüdi sche Schriftgelehrt e Auslegun g de s Inhalt s wenige r wichti g al s di e formal e Autorität de s Geschriebenen , s o gil t jetz t praktisc h da s Gegenteil . Komm t e s darauf an , de n Wille n Gotte s inhaltlic h z u vernehme n un d z u tun , un d ziel t Gottes Will e au f de n ganze n Menschen , seine n Gehorsa m un d sein e Hingabe , so könne n nich t nu r einzeln e Bestimmunge n de s geschriebene n Gesetze s al s bloß u m de r Herzenshärtigkei t wille n relativiert , sonder n auc h al s de m Wille n Gottes zuwiderlaufen d gan z verworfe n werden . Jes u Satz , da ß nichts , wa s von auße n i n de n Mensche n hineinkommt , ih n verunreinige n könnte , sonder n was au s de m Mensche n herauskommt , ih n verunreinig t (Mk . 7,14ff.), heb t die Reinheitsgesetz e un d alles , wa s i m jüdische n Ritua l dami t zusammen hängt, au s de n Angeln . Di e vo n Jesu s anerkannt e Autoritä t de s Alte n Testa ments hinder t ih n nich t daran , dies e Schriftensammlun g nu r i n Auswah l positiv heranzuziehen . Di e christlich e Benutzun g de s Alte n Testament s i n bestimmter Auswah l bahn t sich bei ihm schon an . Auswahl bedeute t auc h Ablehnung , j a auc h antithetisch e Gegenüberstel lung vo n Alte m un d Neuem . Die s sprich t sic h vo r alle m i n de n sogenannte n Antithesen de r Bergpredig t au s (Mt. 5,21 ff.). Scho n da ß Matthäu s Jesu s diese Wort e vo n eine m Ber g he r verkündige n läßt , bedeute t ein e Antithes e zum mosaische n Gesetz , da s j a vo m Berg e Sina i he r erlasse n wurde . Nunmeh r 2 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Erbe
heißt es : „Ih r hab t gehört , da ß z u de n Alte n gesag t wurd e . . . Ich abe r sag e euch . . ." Was Jesu s jetzt „de n Heutigen " z u sagen hat , steh t i n einem Gegen satz z u dem , wa s „de n Alten" , de n Vorfahren , dene n da s Alt e galt , gesag t worden war . E s entschränkt , verschärft , radikalisier t da s „de n Alten " Gebo tene. Verbiete t da s mosaisch e Gesetz , da s de n Alte n gegebe n wurde , Mor d und Totschlag , Ehebruc h un d Meineid , s o verkündet Jesu s de n Heutigen , da ß Gottes Will e auc h scho n de n Zorn , da s boshaft e Schimpfwort , bös e Begehr lichkeit un d Lügenhaftigkei t ausschließe . Gotte s Will e is t nich t mi t juristi schen Formel n de s Gesetze s faßbar , welch e de n Mensche n eine n Spielrau m des Böse n offenließen , sonder n forder t di e ganz e Hingab e de s Menschen . I n diesem „Ic h abe r sag e euc h . . . " kündigt sic h scho n be i Jesu s auc h di e Gegen sätzlichkeit vo n Alte m un d Neue m an . Angesicht s de s Neuen , da s mi t Jesu s anbricht, bekomm t da s überkommen e Erb e de n Charakte r de s Alte n i m Sinne de s Vergangenen , i m Sinn e de s Vergänglichen , Vorläufige n un d auc h Überholten. Freilich nich t alles , wa s de n Alte n gesag t wurde , is t i n diese m Sinn e scho n alt. Di e stark e Betonun g de s Schöpfersein s Gotte s un d seine s Herrsein s durc h Jesus is t auc h ohn e ausdrücklich e Zitat e au s de n ererbte n Schrifte n israeli tisch-jüdisches Erbe . Gotte s väterlich e Fürsorg e fü r Blumen , Tier e un d ers t recht fü r di e Mensche n (Mt. 6,25-34) ist Auslegun g alttestamentliche n Ge dankengutes. Ne u a n solche r Auslegun g is t freilich , da ß di e gegenwärtig e Fürsorge un d di e heutig e Näh e de s güti g sorgende n Gotte s eine r Generatio n verkündigt wird , fü r die , wie e s i m Judentu m de r Fal l war , Got t i n unnahbar e Ferne un d wi e au s de r Geschicht e i n eine n jenseitige n Himme l weggezoge n schien. Dies e neu e Auslegun g bring t als o aktualisieren d da s Alt e ne u z u seiner Geltun g und Wahrheit .
Jesus is t jedoc h nich t zuers t un d zumeis t Schriftauslege r wi e di e Pharisäe r oder di e Lehre r de r Qumransekte , sonder n e r nimm t fü r sic h i n Anspruc h („Ich abe r sage euch . . ."), Gottes Willen unmittelba r un d nicht nur aus dem Gesetz erkenne n z u könne n un d erkann t z u haben . Diese r Gotteswill e is t gewiß Forderun g un d Anspruch , welch e da s geschrieben e Geset z noc h radi kalisieren, abe r meh r noc h Zuspruch , de r Vergebun g un d Neuwerdun g un d Rettung i m bal d kommende n Gottesreic h i n Aussich t stellt . Dami t trit t da s als Gesetz verstandene Alte Testament zugunste n de s Evangeliums, der frohen Botschaft vo m nahe n Hei l Gotte s i n de n Hintergrund . Abe r wi e be i de r Betonung de s gegenwärtigen Schöpfertum s un d Herrseins Gottes konnten dami t zugleich auc h Verheißung , Zusag e un d Zuspruc h de r rettende n Näh e Gotte s und seine s Heiles , wi e si e da s Alt e Testamen t gewi ß auc h kenn t - etwa di e Abrahamsverheißungen (l.Mos e 12, 1ff. ) oder di e göttlich e Namensoffen barung: „Ic h werde je und je für euch da sein, der ich da sein werde" (2. Mose 3,14) - , neu i n Kraf t treten . Vo n eine m i m zeitgenössische n Judentu m alle s überwuchernden Verständni s de r Schrif t al s Geset z un d vo n de m vorherr schenden Lebensgefühl , al s se i di e heilvoll e Geschicht e Gotte s mi t seine m Volke längs t abgeschlossen e un d fern e Vergangenheit , zu m Schweige n ge bracht, komme n solch e Wort e nunmeh r ne u un d auc h ohn e ausdrückliche s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Das Alte Testament in den nachösterlichen Gemeinden
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Zitat zu r Sprache ; si e sind jetz t vo m Gesetz , das „nebeneingekommen " (Rom . 5,20; Gal. 3,19) war, befreit . Auc h da ß vo m Neue n he r da s Alt e Testamen t in seine r verschollene n Wahrhei t nu n ers t rech t i n Kraf t gesetz t wird , kündig t sich in Jesu Verkündigun g bereit s an . Es ist vo r alle m z u beachten , da ß da s alttestamenthch e Erb e hie r wede r ein seitig bejaht , noc h verworfen , noc h gan z un d ga r umgedeute t un d ne u ver standen wird . Ei n einheitliche r hermeneutische r Schlüsse l wir d nich t ange setzt, un d da ß ei n solche r fehlt , is t kei n Mangel , sonder n entsprich t sachlic h der Vielfal t de s ererbte n Gutes . Auc h da ß ein e hermeneutisch e Besinnun g auf Verschiedenartigkei t de s Umgang s mi t de m überkommene n Erb e un d dessen inner e Problemati k jetz t noc h nich t einsetzte , is t begreiflich .
3. Das Alte Testamen t in den nachösterlichen Gemeinde n Es wa r vorers t auc h i n de r nachösterliche n Gemeind e nich t anders . Auc h für si e is t da s Alt e Testamen t ei n zunächs t selbstverständliche s Erbe . Wi e an Tempe l un d Tempelkult , a n Tempelsteue r un d Rechtsprechun g de r Syna goge ha t da s Judenchristentu m a m väterliche n Geset z festzuhalte n (vgl . Apg . 6,46; Mt. 5,23f.; 17,24-27; Mk. 13,9; Mt. 10,17). Es versteh t sic h al s das wahr e Israel ; un d e s kan n auc h tatsächlich , vo n auße n betrachtet , reli gionsgeschichtlich al s ein e eschatologisch e Sekt e de s Judentum s bezeichne t werden, di e vo n de r Hauptströmun g de s Judentum s durc h da s Bewußtsein , das endzeitlich e Israe l z u sein , un d durc h de n Glaube n a n di e Heilsbedeutun g des gekreuzigte n un d auferstandene n Jesu s Christu s unterschiede n un d dan n auch förmlich getrenn t war . Die Hoheitstitel , di e di e Urgemeind e Jesu s beilegt : Messia s - Christus - , Menschensohn, Soh n Gottes , Knech t Gottes , sin d zweifelsohn e israelitisch jüdischen Ursprungs . Soseh r si e durc h ihr e Anwendun g au f de n gekreuzig ten un d auferstandene n Jesu s vo n inne n he r umgewandel t werde n - nicht nur: Jesu s is t de r Messia s usw. , sonder n ebens o auch : de r wahr e Messia s ist de r gekreuzigt e un d auferstanden e Jesus ! —, so ordne n si e doc h da s i n Jesus Christu s erschienen e Neu e i n da s Alt e ein : da s Erb e de r Väte r stell t di e Sprache, die neue Offenbarun g sagba r un d verkündbar z u machen . Sofern da s Judenchristentum de r Urgemeinde i n Palästina sic h vom Judentum nich t löste, bedeutet e dies e Treue zu r religiöse n un d ethnische n Herkunf t nich t nur , da ß es selbst a m Gesetz, also a m Alten Testamen t al s Erbe der Väter festhielt, sonder n auch , daß Nichtjuden, die der judenchristlichen Gemeind e beitreten wollten, sich dem Gesetz unterstellen un d zu r Bekundun g diese s Willen s sic h beschneide n lasse n mußten . Christ konnt e hie r nu r werden , we r auc h Jud e z u werde n berei t war . Gal t da s Alt e Testament al s Geset z fü r Christ-geworden e Heiden , s o ers t rech t fü r die , di e vo n Geburt Juden waren . Das Wirkliche ist , ander s als es der Philosoph Hege l gelehrt hat , nicht imme r auc h vernünftig . Den n vernünftig-konsequen t wa r dies e Haltun g keines wegs, hatt e doc h scho n Jesus ein e seh r vie l differenzierter e Haltun g de m väterliche n Erbe gegenübe r gezeigt . Obscho n Jes u Wort e gege n Gesetzlichkei t un d pharisäische s Lohndenken, auc h gege n de n kultische n Ritualismu s unvergesse n bliebe n un d über 2*
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Das Alte Testament als Erbe
liefert wurden, fan d woh l ein e Rückentwicklun g zu m gesetzlichen Denke n statt . Hie r wurde dan n Jesu s da s Wor t zugeschrieben , e r se i nich t gekommen , da s Geset z auf zulösen, sonder n e s zu erfüllen ; un d bi s zum End e der Tage soll e kein Jot a un d kei n Tüttelchen a m Gesetz vergehen (Mt. 5,17f.). Christentu m al s neue, aber nicht immer bessere Gesetzlichkei t au f de r Basis eines unumschränk t fü r gülti g erachtete n un d al s Gesetz verstandene n Alte n Testament s is t scho n i n de r Urgemeind e un d scho n i m Neuen Testamen t vorgezeichnet . Freilic h gehört e nich t diese r Ausprägun g un d Rich tung de s christliche n Glauben s di e nächst e Zukunft . Si e verlo r nac h de m Untergan g Jerusalems (70 n.Chr.) ihr e Bedeutun g un d san k zu r Sekt e de r Ebionite n herab . Bemerkenswert is t allerdings , da ß auc h dies e sektiererisc h gesetzlich e Gestal t de s Christentums nich t ei n unveränderte s Alte s Testament beibehielt , sonder n di e „gerei nigten" fünf Büche r Mose ohne allen Opferkult und Priesterwesen und mit Verwerfun g der nur von Weibern geborenen Propheten (Diestel, S.27f.). Weit wichtige r fü r di e sic h herausbildend e Kirch e un d dere n Aufnahm e und Verständni s de s väterliche n Erbe s wa r di e hellenistisch e Richtung , di e auf de r Diaspor a entstammend e Kreis e zurückgeht . Ihr e größer e Freihei t de m Gesetz gegenüber verringert e sic h durc h de n Übertrit t zu m Christentu m gewi ß nicht. De r Verblei b i m Verban d de s Judentums un d au f de m Bode n de s väter lichen Erbe s hindert e di e judenchristlich e Gemeind e i n Jerusale m daran , Mission unte r Heide n z u betreiben . Dies e gin g vo n hellenistische n Juden christen aus , un d i n de n sic h nunmeh r bildende n heidenchristliche n Gemein den ware n di e Anerkennun g de s Gesetze s un d di e Übernahm e de r Beschnei dung nich t meh r erforderlic h (vgl . Apg . 8,4ff. ; l l , 1 9 f f . ; 15; Gal. 2 , 1 - 1 0 ) . Das sogenannt e Apostelkonzi l (Gal . 2 , 1 - 1 0 ; Apg. 15) hat da s gesetzesfrei e Heidenchristentum ausdrücklic h anerkann t un d dami t faktisc h scho n frühe r Gegebenes bestätigt . Di e hie r verhandelt e Frag e ha t nu r scheinba r blo ß kirchenrechtlichen Charakter . Theologisc h gin g e s ja darum , o b das Christen tum de m Wese n nac h jüdisc h se i ode r bleibe n könne , o b da s überkommen e Gesetz un d da s väterlich e Erb e überhaup t hie r noc h gan z un d unveränder t in Geltun g bleibe n könne , ja , o b da s i n Christu s erschienen e un d dargeboten e Heil allei n un d fü r sic h genüg e ode r a n di e Bedingun g de r Gesetzeserfüllun g gebunden bleibe n müsse . Dabe i wa r e s de r Sach e nac h gleichgültig , o b da s ganze Geset z ode r nu r Teil e desselbe n - etwa di e Beschneidun g - gültige Vorbedingung bleibe n sollten . Es wa r Paulus , de r diese s Proble m i n alle r theologische n Klarhei t erkann t und gelös t hat . Fü r ih n is t da s Geset z zwa r gewi ß vo n Got t erlassen , dami t e s erfüllt werde , wir d abe r vo m Mensche n al s Mittel , mi t eigene n Werke n di e eigene Gerechtigkei t z u erlange n un d solcherweis e gott-lo s di e eigen e Existen z zu verwirklichen , stat t au s de r allei n Lebe n gewährende n Gnad e Gotte s z u leben, pervertier t (Gal . 2 , 1 5 - 2 1 ; 3,21-25 ; Rom. 3,19-28; 7 u.ö.). Paulus ' Theologie un d auc h sein e theologisch e Polemi k un d sei n Strei t betreffe n diese kardinal e Frage : o b de r Mensc h letztlic h sei n eigene s Hei l schafft , o b der Mensc h sic h selbs t erlöst , sic h selbs t mach t ode r rech t („gerecht" ) ers t lebt, wen n e r au s de r Gnad e Gotte s lebt . Dies e damal s wi e z u alle n Zeite n und s o auch heut e zentral e Frag e war de r Gegenstan d de s ersten theologische n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Der Bruch mit der jüdischen Vergangenheit
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Streites i n de r junge n Kirche . E r war ein e Auseinandersetzun g u m da s Geset z und um das als Geset z verstandene Alte Testament . War fü r Paulu s de r Strei t theologisc h zugunste n de r alleinige n Gnad e (sol a gratia) entschieden, s o zeig t da s sogenannt e Aposteldekre t (Apg . 15,20. 28-29 ; 21,25) , das den Heidenchriste n de n Genu ß vo n Götzenopferfleisch , vo n Fleisc h vo n nich t nac h den jüdische n Ritualvorschrifte n geschlachtete n Tieren , vo n Speisen , di e mi t Blu t zubereitet sind , sowi e di e „Unzucht" , d.h . Heirate n i n bestimmte n Verwandtschafts graden gemä ß den immer schon auc h für Heide n gültigen Bestimmunge n vo n 3. Mose 17,8.10ff. 13; 18,6ff. verbietet , da ß nicht überall ebens o gesetzesfrei gedach t wurde . Dieses Dekret erkennt also ein gesetzesfreies Heidenchristentu m nu r an, sofern e s dem mosaischen Geset z konfor m ist ! Da s Dekret , da s ein e Kompromißlösun g darstell t und vermutlic h da s Zusammenlebe n un d insbesonder e di e Tischgemeinschaf t vo n Judenchristen un d Heidenchristen ermögliche n wollte, steht also in der Mitte zwischen einem strenge n Judenchristentum , da s selbs t au f de m Bode n de s ererbte n Gesetze s verbleibt un d fü r welche s Jud e werde n muß , we r sic h z u Christu s bekehrt , un d de m gesetzesfreien paulinische n Christentum. 4. Der Bruch mi t der jüdischen Vergangenhei t Dennoch bedeute t Freihei t vo m jüdische n Gesetz , ebensoweni g wi e di e grundsätzliche theologisch e Polemi k de s Paulu s gege n da s Gesetz , keines wegs di e Abschaffun g de s alttestamentliche n Erbes . Woh l abe r mußt e nun mehr einma l i m praktische n Vollzu g de r christliche n Missio n unte r de n Hei den un d anderma l noc h deutliche r i n de r theologische n Besinnun g au f da s Gesetz bzw . au f da s jüdisch-traditionel l al s Geset z verstanden e Alt e Testamen t dieses i n seine r hermeneutische n Problemati k bewuß t werden . De r Strei t um di e Gültigkei t de s Gesetze s fü r Heidenchriste n bar g di e Frag e nac h de r Gültigkeit de s Gesetze s fü r Christe n überhaup t i n sich , un d dies e mußt e sic h wiederum zu m Proble m de r Geltun g de s Alte n Testament s überhaup t i m Bereich de r christliche n Kirch e ausweiten . Auc h mußt e di e Freihei t vo m Gesetz, se i e s nu n vo m ganze n ode r vo n seine n rituelle n Bestandteilen , de n Blick ne u dafü r schärfen , da ß da s vo n de n Väter n überkommen e Erbe , da s nunmehr auc h zu r heilige n Schrif t de r Heidenchriste n wurde , nich t nu r Gesetze enthält , sonder n auc h Geschichte n un d Erzählungen , Belehrunge n und Gebete , Weissagunge n un d Verheißungen . Inwiefer n gelte n dies e noc h und gelte n si e de r neuen , christliche n Gemeinde ? I n de r Freihei t de m Geset z gegenüber, scho n be i Jesus , dan n vo r alle m i n de r Theologi e un d Verkündi gung de s Paulus , endlic h überhaup t i m Heidenchristentum , da s alsbald , zuma l nach de r Zerstörun g Jerusalem s (70 n.Chr.), da s Judenchristentu m wei t a n Bedeutung z u überflügel n begann , komme n mi t schwerwiegende n praktische n Folgen di e Unterschied e zu m Judentu m und , wa s di e Judenchriste n anbe langt, de r Abstan d vo n de r eigene n religiöse n Herkunf t symptomatisc h zu m Ausdruck. Zwische n Väter n un d Söhnen , zwische n de m Erb e un d denen , di e es verwalten, j a ausschließlic h fü r sic h i n Anspruch nehmen , ha t sic h ein Bruc h vollzogen. Jetz t laute t di e Frag e nich t nur , mi t welche m Rech t diejenige n au f das Erb e de r Väte r Anspruc h erheben , di e sic h a n di e Forderunge n de s ererb © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Erbe
ten Gesetzes nich t meh r halten , sonder n meh r noch : kan n überhaup t da s Alte, ma g e s imme r Erb e de r Väte r un d Bibe l Jes u sein , noc h wesentlich e Bedeutung haben , d a doc h durc h Kreu z un d Auferstehun g Jes u Christ i di e Endzeit hereingebroche n is t un d di e neu e Gemeind e durc h diese s Ereigni s allein begründe t wurd e (l.Kor . 3,11) und d a doc h dami t „alle s ne u gewor den" ist (2. Kor. 5,17)? Bekanntlich ha t sic h di e christlich e Gemeind e al s da s wahr e Israe l Gotte s (Gal. 6,16) im Gegensat z z u dem empirische n Volk , da s nur Israel nac h dem Fleisch is t (l.Kor . 10,18), und al s die wahren Söhn e Abrahams (Röm . 4,1215; 9,6-8 ; Gal. 4,22-28) verstanden. Is t die Kirche au s an Christus glauben den Jude n un d Heide n nac h eigene m Selbstverständni s da s wahre , endzeit liche Israel, s o ist da s väterliche Erb e in Wahrheit de r Christenheit Eigenstes , und all e i n ih m enthaltene n Verheißunge n un d Zusagen , abe r auc h Warnun gen un d Ermahnunge n gelte n de r Gemeind e de r Endzeit . Mi t diese r herme neutischen Vereinnahmun g is t da s Erb e bejah t un d angenommen , abe r da s hermeneutische Proble m noc h nicht gelöst. Das gilt für di e alte Kirche ebenso wie fü r di e gegenwärtig e theologisch e Rechtfertigun g de r christliche n Bei behaltung de s Alte n Testaments . De r Verwei s au f da s Erb e al s solche s un d der Titel des neuen, wahren Israel s reichen hie r nicht aus. Denn das neue oder wahre Israe l wa r un d is t nich t di e historisch e Fortsetzun g de s alte n Israels ; ebensowenig wa r un d is t e s ein e Sekt e innerhal b de s israelitisch-jüdische n Religionsverbandes, al s welch e e s anfang s fü r ein e rei n äußerlich e Betrach tungsweise erscheinen mochte . Keine historische Entwicklung führ t vo n Israel zum Judentum un d von dort kontinuierlic h zu m Christentum, s o vieles auch, historisch gesehen , Israe l un d da s Judentu m einerseit s un d da s Christentu m andererseits verbinde n mag , - so vieles , da ß ei n angemessene s Verständni s des Christentums ohn e dies e historische n Zusammenhäng e nich t möglic h ist . Hier geht es aber nicht nur um historisches Verstehen , sonder n u m die Erfassung un d Bestimmun g de s Wesens . Das Bekenntnis z u de m gestorbene n un d auferstandenen Jesu s al s de m Messias-Christu s un d Herr n nimm t auc h nich t nur da s Gekommensei n de s Messia s i m Gegensat z zu m Judentum , da s au f den Messia s noc h wartet , vorweg ; de r Unterschie d besteh t nicht zuers t sozu sagen i n de r Datierun g de s Messias , s o wichti g dies e gewi ß ist . Vielmeh r bekennt sic h de r Glaub e a n de n gestorbene n un d auferstandene n Jesu s Chri stus dami t z u de m eschatologischen , d.h . endzeitliche n un d endgültige n Handeln Gottes , da s i n absolut-qualitative m Sinn e alle m Bisherige n ei n Ende setzt, e s vergangen sei n läß t (2. Kor. 5,17), vom Tode zu m Lebe n führ t (Röm. 5,12-21; 6,3-11 ; Gal. 2,20; l.Kor. 15,21f. ; 2.Kor . 4,10; 13,4 ; Kol. 3,3 f.) un d da s neu e Israe l al s di e i m absolut-qualitative n Sinn e neue , endzeitliche Gemeind e konstituiert , di e a m endzeitliche n Hei l i m Glaube n schon jetz t teilhat . Is t abe r da s neu e Israe l durc h Gotte s endzeitliche s Han deln i n Jesu s Christu s vo m alte n Israe l unterschiede n un d geschieden , j a geradezu au s ih m un d au s alle r Wel t „herausgerufen" , s o mußt e un d mu ß die Frage lauten, ob nicht dies neue Israel mit dem alten nu r noch den Namen gemeinsam hat . Wi e kan n dan n da s a n da s alte , historisch e Israe l gerichtet e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Verheißung, Weissagung , Typos
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Alte Testament , da s eine n Stämmeverban d Israel , ei n Staatsvolk , schließlic h eine volksgebunden e Kult - un d Gesetzesgemeind e voraussetzt , noc h Bedeu tung habe n fü r da s neu e Israel , da s Got t i n Christu s endzeitlic h „heraus gerufen" hat ? De r christlich e Glaub e is t ja , trot z alle r ererbte n Schrift gläubigkeit, nich t zuers t Glaub e a n di e Schrift , erwächs t nich t au s de r Schrift , auch nich t au s eine r christlic h ne u ausgelegte n Schrift , sonder n is t Glaub e an Christus , der sich im Zeugnis christlicher Verkündigun g selbs t verkündigt . Die Gesetzesproblemati k stell t sic h dami t al s bloß e Teilfrag e heraus . Si e mußte sic h au s naheliegende n historische n Gründe n zuers t ergeben , abe r da s eigentliche Proble m wa r mi t de r Freihei t vo m Geset z nich t gelöst . E s war un d ist nich t nu r ei n hermeneutisches , wi e nämlic h da s überkommen e Erb e al s ei n historisch bedingte s un d geschichtliche s übe r di e Distan z de r Zeite n hinwe g verständlich gemacht , als o interpretier t un d verstande n werde n könne . Dies e Frage stell t sic h angesicht s jede r Literatu r un d überhaup t alle r menschliche n Lebensäußerungen. Da s Proble m is t vielmeh r auc h un d vo r alle m ei n i m strengen Sinn e theologisches , wi e e s sic h nu r hie r un d nich t auc h i n Hinsich t auf di e neutestamentliche n Schrifte n stellt : wi e da s i m qualitative n Sinn e alt e Erbe fü r di e christlich e Gemeind e al s ein e endzeitlich e un d al s i m strenge n Sinne neue s Israe l Gültigkei t habe n könne . Dies e Frag e wurd e i n de r Urge meinde, abe r auc h i n de r star k reflektierende n Theologi e etw a de s Paulu s noch nich t mi t diese r Genauigkei t un d Härt e gestellt . Si e war abe r da , wi e de r faktische Umgan g mi t de m überkommene n Erb e - und nu n nich t nu r mi t dem Gesetz - zeigt.
5. Verheißung, Weissagung , Typo s Das zeig t sic h scho n gleic h i n de r de n synoptische n Evangelie n voraus liegenden un d vo n ihne n aufgenommene n Sammlun g vo n Herrenworten , di e man al s Q (Logienquelle ) z u bezeichne n sic h angewöhn t ha t (vgl . Werne r Georg Kümmel , Einleitung , S.37ff.) . Hie r wir d deutlich , da ß de r Her r di e erste, unbedingt e Autoritä t ist . E r is t meh r al s Jon a un d meh r al s Salom o (Mt. 12,41; Lk. 11,31 f.); da s Hei l alle r Mensche n entscheide t sic h a m Be kenntnis z u ih m (Mt. 17,21. 24-27 ; 10,32 f.). Jesu s is t di e eigentlich e Auto rität un d sei n Erscheine n selbs t da s Heilsereignis ; di e Schrift , „di e Prophete n und da s Geset z habe n bi s au f Johanne s geweissagt " (vgl . Lk . 16,16). Hier begegnet auc h bereit s de r ander e Gedanke , de r da s überkommen e Erb e de r Schrift nich t zuers t al s Gesetz , sonder n al s Weissagun g un d al s Vorankündi gung un d Verheißun g i n Betrach t zieht . E s is t ei n Gedank e — und ei n herme neutischer Schlüsse l - , der bi s i n di e Gegenwar t vo n Wichtigkei t gebliebe n ist . Schon da s ältest e urchristlich e Glaubensbekenntni s (Kerygma) , wi e es , selbs t vorpaulinisch, vo n Paulu s weitergegebe n wird , beruf t sic h darauf , schrift gemäß z u sein: „da ß Christu s gestorbe n is t fü r unser e Sünde n nac h de n Schrif ten, un d da ß e r begrabe n wurde , un d da ß e r auferweck t is t a m dritte n Tag e nach de n Schriften , un d da ß e r Kepha s erschien , dan n de n Zwölf " (l.Kor . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Erbe
15,1-5). Wichtiger al s die Frage, welch e Schriftstelle n hie r konkre t gemein t seien - offenbar wir d au f Jes . 53,4-6; Hos. 6,2 angespielt - , ist die Feststellung, da ß die „Schriften " überhaup t al s Weissagung un d Beweis fü r die Schriftgemäßheit de s Christusgeschehen s zitier t werden . Da s zentral e Geschehen vo n Kreuz un d Auferstehung wir d dan n scho n frü h mi t Hilfe von Psalm 22 (Spott, Kopfschütteln , Verteilun g de r Kleider, Eli-Ruf ) erzähl t und verumständet und als schriftgemäß erwiesen. Auch fü r de n für Heidenchriste n schreibende n Marku s komm t da s alt testamentliche Erb e nich t zuers t al s Geset z i n Betracht . I n diese m „Buc h der geheime n Epiphanien " (Marti n Dibelius , Di e Formgeschichte de s Evangeliums, S.232 ) is t Jesus de r endzeitliche Menschensohn , Soh n David s und Sohn Gottes , der eine neue Lehre verkündet un d mit göttlicher Vollmach t die Dämonen austreib t (Mk . 1,27). In Streitgespräche n mi t Pharisäer n un d Schriftgelehrten wir d dere n gesetzlich-zeremonielle s Verständni s des Gesetzes verurteilt (Mk . 2,6-9; 2,23-28 ; 3,1-6 ; 7,1-13 ; 10,1-12) . Obwohl dies e Polemik faktisc h nich t nu r die jüdische Interpretation , sonder n da s Gesetz selbst au s den Angeln hebt , is t der, dem solche Diskussionswort e zugeschrie ben werden , de r vo n de r Schrif t Geweissagt e (Mk . 1,2f.; 7,6f.; 12,10f . 36f.; 14,27). Insbesondere di e Passionsgeschicht e wir d „schriftgemäß " gestaltet (15,24. 34 . 36). Insgesamt mach t da s Markusevangelium de n Eindruck, i n Hinsich t au f seine n Umgan g mi t de m alttestamentliche n Erb e von eine r vorgegebenen , noc h nich t theologisc h abgeklärte n heidenchrist lichen Traditio n abhängi g z u sein. Das Gesetz, zumal da s Zeremonialgesetz, ist abgetan; gülti g bleib t aber die überkommene Schrift al s Weissagung, di e in Christus Erfüllun g fand . Meine n abe r di e zitierte n Stelle n (Mal . 3,1 vgl. Mk. 1,2; Jes. 29,13 vgl. Mk. 7,6f.; Ps . 118,22f. vgl. Mk. 12,10f.; Ps . 110,1 vgl. Mk . 12,36f.; Sach . 13,7 vgl. Mk. 14,27) wirklich selbs t ihre m eigene n Sinne nach , wa s sie weissagen un d belegen sollen ? Au f diese Frag e is t noch zurückzukommen. Daß die Schrift da s Christusgeschehen verheiß t un d weissagt, is t auch des Apostels Paulus Überzeugung. Dabe i geht es nicht so sehr um eine Vorankündigung einzelne r Geschehniss e un d Widerfahrnisse al s vielmehr darum , daß die Schrif t überhaup t da s Heil, da s Gott de n Heiden i n Christu s bereitet , vorausgesehen ha t (Gal. 3,6). Zwar gründe t auc h de s Paulus Christusglaub e in de r Begegnung mi t dem lebendigen Jesu s Christu s un d er hat das Evangelium nich t „gelernt " (Gal . 1,12), dennoch is t und bleibt für ihn das väterliche Erb e heilige Schrif t i m strengen Sinne . Nich t nu r das Gesetz, das darin enthalten ist , is t vo n Got t gegeben , „heilig , rech t un d gut" (Rom . 7,12), sondern di e ganze Schrif t is t göttlich . Ja , ihr e Heiligkeit , Göttlichkei t und Wahrheit offenbare n sic h nac h Paulu s i m Glauben a n Christus un d von diesem Glaube n he r überhaupt ers t recht . Di e eigentliche Wahrhei t de r Schrift ist ohn e Christu s verhüllt, de n Jude n bleib t si e wi e durc h eine n Schleie r (Decke) verborge n (2.Kor. 3,14). Ohne Christu s gil t de r „Buchstabe", wel cher tötet, jetz t abe r der Geist, der lebendig mach t (2. Kor. 3,6; vgl. Rom. 2, 29; 7,6 ) und dabei is t dann mi t dem Buchstaben nich t blo ß di e Erstarrung © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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im Formale n un d i n Formel n gemeint , sonder n di e tötend e Kraft , di e da s Gesetz ohn e Christu s entfaltet , un d di e recht e Auslegun g is t wei t meh r als ein e exegetisch e Technik , nämlic h di e Erschließun g göttliche r Wahr heit i m Licht e Jes u Christ i (2.Kor . 3,7-18). Die wahre Wahrhei t de r Schrif t ist da s Hei l i n Christus , di e Gerechtigkei t allei n durc h de n Glauben . S o glaubt vo r alle m Geset z Abraha m Gotte s Zusage , un d da s wurd e ih m al s Gerechtigkeit angerechnet , zugesproche n (R öm. 4,3; Gal. 3,6; beide Stelle n mit Bezu g au f l.Mos e 15,6). Hier wird di e Schrif t vo n Paulu s als o durchau s sinngemäß zitiert , di e neu e Glaubenserkenntni s nich t künstlic h i n di e Text e hineingelesen. Neu gegenüber der jüdischen Exegese ist jedoch das hermeneutische Prinzip , da s dies e Stelle n in s Zentrum rück t un d ihne n eine n Ran g vo r allem Gesetz gibt, das gar erst 430 Jahre danach erlassen wurde (Gal. 3,17)! Ist un d bleib t di e Schrif t i n Kraft , s o biete t si e auc h di e Sprach e dar , da s Evangelium vo n Christu s i n seine n verschiedene n Aspekte n z u verkünden . Diese Sprach e is t selbs t Weissagun g au f Christu s un d au f di e Endzeit. Zitat e und Anspielunge n durchziehe n Paulus ' Briefe . All e Weissagunge n un d Ver heißungen, di e das Alte Testament enthält , finde n ihr e Erfüllung i m Christusereignis (2.Kor. 1,20), ja, auc h abgesehe n vo n Weissagungen un d Verheißungen i m engeren Sinne , „wa s imme r zuvo r geschriebe n wurde , da s is t un s zur Lehre geschrieben " (Röm . 15,4). Alles i n de r Schrif t ha t nu r ein e Richtun g und ein Ziel: di e Endzeit, die in Christus angebroche n ist . Geht nach Ps. 19,5 „ihr (de r Himmel ) Schal l übe r di e ganz e Erd e un d ihr e Wort e bi s a n di e Enden de r Welt" , s o finde t Paulu s hie r sein e eigen e Heidenmissio n voraus gesagt (Röm . 10,18), und de r Verkünde r de r Christusbotschaf t dar f sic h von dieser Arbeit au f Koste n der Gemeinde ernähren, weil nac h 5.Mose 25,4 dem dreschende n Ochse n da s Mau l nich t zugebunde n werde n soll ! De r Durchzug durc h da s Schilfmeer , di e Wüstenwanderun g Israels , al s Jahw e i n einer Wolk e mitzo g (2.Mose 13,21 f.), das Mann a (2.Mose 16,4ff. ) un d da s Wasser au s de m Felse n (4. Mose 20,7-11) sind Vorabbildunge n (Typen ) vo n Taufe un d Abendmah l (l.Kor . 10,1-6). Überhaupt is t jene s damalig e Ge schehen, vo n dem das Alte Testament berichtet , fü r Paulu s „typisch " (l.Kor . 10,11), Typos dessen, was in der Endzeit sich ereignet. Hier sind es also nicht Worte ode r Sprüche , di e al s Weissagun g ode r Verheißun g interpretier t wer den, sonder n Geschehnisse , Personen , Institutione n werde n z u Vorausschat tungen de s Künftigen , da s jetz t eingetroffe n ist . S o is t nac h Paulu s de r erst e Adam, vo n de m alle s Unhei l übe r di e Menschhei t ausging , de r Typo s de s künftigen, kommende n un d nu n gekommene n neue n Adam , nämlic h Christi , von dem alles Heil ausgeht (Röm. 5,14). Daß typologisch e Entsprechunge n gemein t sind , mu ß jedoc h nich t imme r ausdrück lich mitgeteil t werden . l.Kor . 5,7 wird Christu s al s Osterlamm , da s fü r un s geopfer t wurde, bezeichnet , un d dami t is t gewi ß ein e typologisch e Entsprechun g vo n Passa lamm un d Kreuzesto d gemeint , wi e j a auc h Joh . 19,14 die Todesstund e Jes u de r Stunde entspricht , d a di e Passalämme r geschlachte t z u werde n pflege n (vgl . Joh . 19, 36; vgl. fü r da s N T u.a . auc h Kol . 2,17 und l.Petr . 3 , 2 1 , wo auc h de r Begrif f Anti typ auftritt : di e Tauf e is t Antitypo s z u de m Typo s de r Arch e Noahs ; Joh . 3,14f. :
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Das Alte Testament al s Erbe
wie Mos e ein e Schlange erhöh t hat , so wird de r Menschensohn erhöht ; Joh . 6,31ff.: Jesus ist das wahre, eschatologisch e Bro t im Verhältnis zu m Typos Manna ; Hebr . 3, 7-4,13: typologische Entsprechun g vo n Israels Wüstenwanderun g un d der Existen z der christlichen Gemeinde). Die Typologi e mi t ihre r Zuordnun g vo n Typo s un d Antitypo s geh t dabe i immer vo m Antitypischen aus : im Lichte de s erschienenen un d verwirklichte r Antitypos lasse n sic h überhaup t ers t di e Type n al s di e Vorausschattunge n i n ihrem wahre n Verweischarakte r entdecken . Da s Neu e wir d zu m hermeneu tischen Schlüsse l de s Alten . Di e Auslegun g nac h Typo s un d Antitypo s setz t aber auc h ein e Unterscheidun g de r Zeite n un d von Alt un d Neu , vom Alte n und Neue n Testament , wen n auc h noc h nich t i m Sinn e zweie r Kanonteile , voraus (2.Kor. 3,6.14). Hier bahn t sic h abe r di e Möglichkei t an , de n alte n Kanon beizubehalten un d um einen neuen Teil zu erweitern. Wie da s Verständni s al s Weissagung , s o hat auc h dies e Method e de r Auslegung - die Typologes e - von Paulu s a n bi s i n di e Gegenwar t Bedeutun g gehabt. Beruht di e Typologi e au f eine r angenommene n Entsprechung , wobe i den Antitypos de n Typo s al s bloß e Vorausschattun g übertriff t un d „i n den Schatten" de s Vorläufige n stellt , s o beruh t da s Verständni s al s Weissagun g und al s Verheißun g au f de m Schem a Ankündigung-Erfüllung . Vo n de r Erfüllung i n Christu s he r werden alttestamentlich e Stelle n al s Weissagun g ode r Verheißung ausgelegt . Gin g e s Paulus be i diese r Auslegungsweis e nu r darum , aufzuzeigen, da ß das neue Hei l i n Christu s scho n i m Alte n Testamen t al s das eigentliche Them a angekündig t worde n war , un d ware n auc h scho n fü r die vorpaulinische Gemeind e To d un d Auferstehun g Jes u Christ i gemä ß de r Schriften geschehen , s o hat das Matthäus-Evangelium de n Weissagungsbeweis voll entfalte t un d theologisch durchdacht . Bi s in scheinba r unwichtig e Einzel heiten hinei n habe n di e heilige n Schrifte n Jes u Christ i Wer k un d Geschie k geweissagt. Hie r wir d auc h ausdrücklic h zitiert : „Da s ist aber alle s geschehe n damit erfüll t würde , wa s de r Her r durc h de n Prophete n gerede t ha t . . ." (etwa Mt. 1,22). Alle Einzelerfüllunge n un d Einzelbeleg e au s de r Schrif i bekunden abe r nur , da ß das ganze irdisch e Lebe n Jesu , sei n Tod , seine Auf erstehung, da s vo n ih m erwirkt e Hei l Erfüllun g de r i m Alte n Testame n ergangenen Weissagun g un d Verheißun g ist . Un d trot z de r Antithese n der Bergpredigt, de m Gegensat z un d Widerspruc h gege n das , wa s de n Alte r gesagt war , is t Jesu s gekommen , nich t u m da s Geset z aufzulösen , sonder r um di e vollkommen e Erfüllun g z u bringe n un d z u fordern , di e i n einer r neuen Lebe n i n Hingabe a n Gott und in der Liebe zu m Nächsten sic h verwir k licht (Mt. 5,17ff.; 5,48; 7,12; 22,40) . Als Belege , welch e zu m Zweck e vo n Weissagungsbeweise n zitier t werden , zie h Matthäus nich t nu r solche Stelle n heran , di e ihrem ursprüngliche n Sinn e nac h Wei s sagungen ware n (Jes . 7,14; Mt. 1,23 als Beleg fü r die Jungfrauengeburt; dies e Stell· redet zwa r i m hebräische n Tex t nich t vo n eine r Jungfrau , kündig t woh l abe r eine zeichenhafte, wunderbar e Gebur t an) . Viel öfte r jedoc h werde n Passage n zitiert , dl· entweder ursprünglic h kein e Weissagun g meinte n ode r sons t eine n gänzlic h andere i © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Sinn hatten: laut Mt. 8,17 soll Jes. 53,4 Jesu Wunderheilungen weissagen ; Jer. 31,15: „Rahel wein t u m ihr e Kinder " bezo g sic h au f di e Gefangenschaf t de r Exulanten , wird abe r von Mt. 2,17f. auf den Kindermord von Bethlehem bezogen; 21,5: Sach. 9, 9 soll de n Einzug Jes u i n Jerusalem ansagen; de r sog. Parallelismus membroru m von Sach. 9,9, der das Reittier al s Esel und als Füllen beschreibt , abe r selbstverständlic h ein einzige s Tie r meint , sol l di e Weissagung enthalten , da ß Jesus au f zwe i Tiere n in Jerusalem eingezoge n ist; di e Selbstaufforderung vo n Ps. 78,2 wird 13,35 als Weissagung de r Parabelrede gedeutet; 27,9f.: Sach . 11,12 soll von den dreißig Silberlinge n weissagen, di e der Verräter Juda s al s Lohn bekam ; di e Stelle hatt e abe r ursprünglic h einen andere n Bezu g un d findet sic h auc h nich t i m Buch de s Propheten Jeremia , wie fälschlicherweise angegebe n wird. Dies sind nur einige Beispiele.
Hatte die Urgerneinde allei n scho n durch die israelitisch-jüdischen Hoheits titel, di e sie Jesus verlie h — Messias, Christus , Menschensohn , Soh n Gottes , „Knecht Gottes " —, aber auc h durc h di e Übertragun g de s Gottesprädikat s Kyrios (= Herr in christlichen Septuaginta-Handschriften , w o Kyrios Wiedergabe des Gottesnamens Jahwe ist) auf Christus, das Christusgeschehen al s Erfüllung alttestamentliche r Erwartun g verkündet , s o sin d di e da s ganz e Matthäusevangelium durchziehende n Reflexionszitat e (besser : „Erfüllungs zitate", vgl . W.G.Kümmel , Einleitung , S.81 ) Ausdruc k de s nunmehr syste matisch durchgeführte n Versuches , da s Christusgeschehe n al s ganze s i n al l seinen Einzelheite n al s Erfüllung alttestamentliche r Propheti e un d der Schrift überhaupt darzustellen . E s ist der Versuch, sic h da s überkommene Erb e neu anzueignen un d es zu bewältigen, ih m seine Gültigkei t z u belassen, ja, es neu in Kraf t z u setzen un d gerade dadurc h un d damit di e Schriftgemäßheit, un d das kan n hie r nu r heißen : göttlich e Wahrhei t de s Christuszeugnisse s z u „beweisen". Welche r Auseinandersetzun g dies e theologisch e Beweisführun g dienen sol l - mit dem Judentum u m die Schriftgemäßheit christliche n Glau bens? mi t de m überkommene n Erb e al s solche m u m da s recht e christlich e Verständnis? (vgl . W.G.Kümmel, a.a.O. , S.84ff.; hie r weitere Lit.) -, ist umstritten. Es ist aber deutlich, daß die hier skizzierte Verwendun g alttestament licher Texte , di e nich t au f da s Matthäusevangeliu m beschränk t ist , nich t mehr di e Text e i n ihre m eigene n ursprüngliche n Sin n zu r Geltun g bringt , sondern si e sagen läßt , wa s man hören wil l un d was man schon ohn e sie im voraus weiß . Diese r offenba r theologisc h gro ß angelegt e Versuch , da s alt testamentliche Erb e z u bewältigen , befinde t sic h i n de r Gefahr , e s gerad e so gänzlic h z u verlieren , wei l e s di e Botschaf t nich t meh r ausrichte n darf , die e s selbst z u sage n hat . Wird ma n der neue n Interpretatio n de s Gesetzes immerhin zubillige n müssen , daß sie bestrebt ist, die Fülle von Bestimmungen auf da s Wesentliche zurückzuführe n un d den wahren Gotteswille n z u vernehmen und damit die alte Wahrheit des Gesetzes neu ans Licht zu bringen; kan n man auc h noc h be i de r typologische n Exeges e di e Absich t würdigen , da s Alte i n seine r Beziehun g un d seiner Analogi e zu m Neuen, auc h e s in seinem Verweischarakter un d in seine r übe r de n vordergründigen Wortsin n hinaus reichenden Bedeutsamkei t i m Lichte de s Christusgeschehens herauszustellen , so is t di e Auslegung i m Sinn e de s Weissagungs- un d überhaupt de s Schrift © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Erbe
beweises vielfac h kei n Auslegen , sonder n ei n Hineinlege n ohn e Berücksichti gung de s ursprüngliche n Sinne s un d Zusammenhanges . A n diese r Feststellun g ändert auc h de r mildernd e Umstan d nichts , da ß de r Wortlau t de r zitierte n Texte noc h nich t kanonisier t un d heili g war , wi e e s ers t späte r rabbinisch e und auc h christlich e Schriftlehr e wollte , un d da ß ähnlich e Auslegungsmetho den auc h außerhal b de s Bereiche s de r christliche n Kirch e i m Judentu m un d Heidentum angewand t wurden . Woh l zeig t di e Auslegun g de s Alte n Testa ments i m Matthäusevangelium , obwoh l e s hervorhebt , da ß Jesu s nich t gekommen sei , da s Geset z aufzulösen , da ß sic h hermeneutisc h da s Gewich t vom Geset z we g au f Verheißun g un d Weissagun g hi n verlager t hat . Soga r für die s Evangeliu m gil t de r Sat z vo n L.Dieste l (S.13) : „De r tie f eingreifend e Unterschied zwische n de r jüdische n Schriftbenutzun g un d de r neue n christ lichen la g als o zunächs t darin , da ß de r recht e Schwerpunk t nich t meh r au f das Gesetz fiel, sonder n au f di e Prophetie" . Diese Gewichtsverlagerun g läß t sic h auc h i m lukanische n Doppelwer k gu t beobachten. Gleic h i m erste n Ver s is t programmatisc h davo n di e Rede , da ß von eine r zeitlic h sic h erstreckende n Geschicht e gehandel t werde n soll , vo n einem Heilsgeschehen , da s sic h i n eine r Abfolg e vo n historische n Tatsache n (pragmata) ereigne t hat . Kannt e scho n di e paulinisch e Typologi e de n Unter schied de r Zeite n - alt un d ne u - , dies abe r i m qualitative n Sinn e eine r Pola rität, j a schroffe n Gegensätzlichkei t vo n To d un d Lebe n (2. Kor. 3,4-16), so geht e s Luka s u m ein e zeitlich e Linie , u m ei n Frühe r un d Später , di e Zei t de r Wirksamkeit Jesu , di e Zei t de r unte r de n Heide n missionierende n Kirche . Für di e heidenchristlich e Missio n is t da s alttestamentlich e Gesetz , ander s al s bei Paulus , i m Matthäusevangeliu m un d überhaup t überal l dort , w o äußer e und inner e Auseinandersetzunge n mi t de m Judentu m unvermeidba r waren , kein akute s Proble m mehr . E s gehör t fü r Luka s nich t nu r faktisch , sonder n auch theologisch , nämlic h heilsgeschichtlic h eine r vergangene n Epoch e an . Diese lieg t vo r de r „Mitt e de r Zeit " (Han s Conzelmann) , al s welch e Luka s die irdisch e Tätigkei t Jes u versteht . Da s theologisch e Proble m de s Gesetzes , wie e s vo n Paulu s erkann t wa r un d da s nich t zeitgebunde n ist , wenngleic h e s je un d j e geschichtlic h aku t wird , is t hie r nich t meh r verstanden . I n de r neue n kirchlichen Ordnung , wi e si e nac h de m Untergan g Jerusalems , de s Tempel s und de s Opferkulte s gewachse n ist , ha t da s Gesetz , ma g imme r e s frühe r seinen gute n Sin n gehab t haben , sein e Bedeutun g verloren . Da s Proble m de s Gesetzes ha t sic h sozusage n vo n selbs t erledigt . Da s bedeute t fü r di e Jude n freilich Gerich t un d Strafe , wei l si e da s ihne n gegeben e Geset z selbs t nich t gehalten un d di e Prophete n un d auc h Jesu s getöte t habe n (s o i n de r Red e de s Stephanus Apg . 7,35ff.). Is t dami t di e Frag e de s Gesetze s fü r Luka s beant wortet, s o kommt da s Alte Testament dest o mehr al s Weissagung i n den Blick . Wie de r „Mitt e de r Zeit " de s Wirken s Jes u di e Zei t de r missionierende n Ge meinde folg t un d au s ih r hervorgeht , s o geh t ih r auc h di e Zei t Israel s voraus , deren Urkund e vorausweis t au f Christu s un d sein e Gemeinde . Dabe i geh t e s Lukas, ander s al s de m Matthäusevangelium , wenige r u m da s Detai l al s viel mehr um das große entscheidende Heilsgeschehen . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Anders al s di e Juden , di e ihr e Prophete n un d Jesu s töteten , habe n di e gerechte n Israeliten wie z.B. die frommen Elter n des Johannes, Zacharias und Elisabeth (Lk. 1,6) oder Simeon das Hei l i n Christu s volle r Sehnsuch t erwarte t (vgl . Lk . 1,70-75; vgl. 24,21; Apg. 1,6). Die Erfüllun g übertriff t di e Erwartung , di e zunächs t noc h tradi tionell nationa l beschränk t war , be i weitem : Christu s bring t da s Hei l alle n Völker n (Apg. 2,30-32). Daß di e Jude n de r Erfüllun g nich t teilhafti g werden , is t ihr e eigen e Schuld; ihr Herz ist gemäß Jesajas Weissagung (Jes . 6,9 f.) verstockt, darum wird nunmehr de n Heide n da s Hei l Gotte s gesandt , wi e di e Apostelgeschicht e abschließen d erklärt (Apg . 28,27f.) . Die Verstockung de r Juden geschieh t i n Erfüllung de r Schrift , wie di e Schrif t überhaup t i n de r Wirksamkei t un d i m Geschic k Jes u Christ i un d de r daraus entspringenden Kirch e und ihrer Predigt erfüllt wird . Di e Erfüllung de r Schrif t im Anbruc h de s Heil s un d de r Verkündigun g de s Evangelium s wir d gleic h i n Jes u Antrittspredigt (Lk . 4,16-21) proklamiert. Zugleic h lehr t di e Reaktio n de r Jude n auf dies e Predigt , da ß si e i n ihre r Nichtanerkennun g un d ihre m Unglaube n vo n Got t verworfen sind . Un d auc h ihr e Verwerfun g is t schriftgemäß . Wi e Got t diese n Lau f der Geschicht e vorherbestimm t ha t (Lk . 22,22; 24,26 . 44) , so ha t e r auc h di e Pro pheten da s künftig e Geschehe n zuvo r schaue n lasse n (Lk . 24,25-27. 32 . 44-48 ; Apg. 1,16; 2,31 ; 3,18 ; 7,52 ; 13,24) . Die Wahrhei t de r christliche n Botschaf t geh t aus der Schrift hervo r und kann au s der Schrift erwiese n werde n (Apg . 17,11; 18,28) . Es ist der Auferstandene selbst, der den Jüngern die Schrift „aufschließt " (Lk . 24,32). Wenn auc h gewi ß Christ i un d seine r Jünge r Wirke n au s de r Kraf t de s Geistes geschieht , de r fü r di e Heilszei t verheiße n wa r (Lk . 4,18. 2 1 ; 24,49 ; Apg. 2, insbes. 2,14—21), und meh r is t al s nu r Auslegun g de r Schrift , s o er langt dies e doc h al s Zeugni s vo n Gotte s Heilspla n un d Geschichtslenkun g erhöhte Bedeutung . De r Schrif t al s Weissagun g un d weissagende r Auslegun g und auc h Bestätigun g kan n di e christlich e Verkündigun g i n ihrem lukanische n Verständnis nich t entbehren . I n de m Maße , wi e di e zeitlich e Entfernun g vo m Christusgeschehen größe r wir d un d auc h di e urgemeindlich e Naherwartun g zu erlösche n beginnt , wir d di e sic h erstreckend e Zei t zu m hermeneutische n Problem. Da s überkommen e alttestamentlich e Erb e wird , al s Geset z abgetan , zu eine m Vorher , desse n Bedeutun g i n seine m Charakte r al s Vorhersag e liegt . Es enthält di e Vorhersag e un d dami t auc h da s Zeugni s de r göttliche n Vorher bestimmung vo n - einzelnen — Geschehnissen (pragmata , Dinge ; Lk . 1,1), die mittlerweile auc h vergange n sind , abe r ihr e Fortsetzun g i n eine r Apostel geschichte bekommen . Da s Zeugni s de r Schrif t wir d zu r Vorhersag e gött lich gelenkte r Geschehnisse , di e ohn e di e Schrif t i n ihre r Bedeutun g nich t erkannt werde n könnten . Auc h diese r hermeneutisch e Ansat z is t späterhi n vielfach aufgegriffe n un d zu r heilsgeschichtliche n Konzeption , i n welch e sic h das Alt e Testamen t al s Buc h de r Vorgeschicht e einordnet , ausgebau t worden ; er kan n au f weite n Strecke n geradez u al s Dogm a kirchliche r Normaltheologi e gelten. Daß au f di e durc h di e zeitlich e Erstreckun g entstehende n Problem e theo logisch auc h gan z ander s reagier t werde n kann , lehr t da s Johannesevan gelium, da s j a zeitlic h de r Histori e Jes u nich t nähe r steh t al s Lukas . Nich t eine früh e Christentumsgeschicht e sol l zu r Darstellun g gebracht , sonder n di e gegenwärtige Bedeutun g Christ i de r Gegenwar t verkündig t werden , „dami t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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ihr glaubt, da ß Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und ihr als Glaubende in seinem Name n Lebe n habt " (Joh . 2,30f.) . Der Christus de s johanneischen Glaubens steht von vornherein i n einem solchen Gegensatz zu den Juden, da ß man woh l angenomme n hat , antijüdisch e Polemi k un d di e Abwehr jüdische r Angriffe gege n da s Christentu m seie n di e eigentlich e Intentio n diese s Evan geliums. Aber wie de m auch sei , deutlich is t auf jede n Fal l wi e der Gegensat z zu de n Juden , di e geradez u di e antichristlich e gottlos e Wel t personifizieren , so auch die Distanz vom jüdischen Gesetz. Daß Jesus es durch Heilungen am Sabbat übertritt (Joh. 5,9; 9,14), wird zwar noch erwähnt, führ t abe r nich t meh r z u einer Diskussio n übe r da s Gesetz, sondern über Person und Vollmacht Jesu (Joh. 9,14ff.) oder zum Beschluß, Jesus zu töten (Joh. 5,9. 16). Ob Jesus durch sein Verhalten das Gesetz außer Kraft setzen oder etwa im Sinne von Mt. 5, 1 7 es in Wahrheit erfüllen will , wird nicht gesagt. Nach Joh. 7,19 halten die Juden selbst das Gesetz nicht, ohne daß etwa im paulinischen Sinne daraus streng theologische Konsequenzen für den Sinn des Gesetzes gezogen würden. Faktisch aber macht di e Ausschließlichkeit de s in Christu s offenbarten Heil s (Joh . 14,6: „Ich bin der Weg , di e Wahrhei t un d da s Leben . Nieman d komm t zu m Vate r den n durc h mich.") jegliche andere Heilsordnung rückgängig, und es kann nur ein „neues Gebot" gelten (Joh. 13,34), das Gebot der Liebe. Dennoch is t auc h i m Johannesevangelium mi t dem Gesetz nicht die Schrif t als solch e abgetan . Wi e i n de r ältere n Tradtio n weissag t da s Alte Testamen t insbesondere Leide n un d Sterbe n Christ i (Joh . 12,13-15; 19,24 ; 19,28 f.; 19,36f.), wa s auc h ausdrücklic h vermerk t z u werden pfleg t („da ß die Schrif t erfüllt würd e . . .") . Weil di e Schrif t da s Christusgeschehe n weissagt , kan n von ihr gesagt werden, daß sie das ewige Leben enthalte; dann muß man allerdings ihre n wahre n Sinn , da s Christuszeugnis , vernehme n un d i m Glaube n annehmen (Joh . 5,39.46f.). Wi e be i Lukas ers t de r auferstanden e Her r de n wahren Sinn der Schrift erschließ t (Lk . 24,25 ff. 32. 45-47), so wird auc h hier die bi s dahi n verdunkelt e Wahrhei t ers t nac h Oster n an s Lich t gebrach t (Joh. 2,22; 12,16) . Schon di e Fromme n de s alte n Israe l habe n de n - präexistenten — Jesus gesehen , Abraha m sa h ih n mi t Freude , Jesaj a weissagt e vo n ihm (Joh . 8,56; 12,41) , was di e mi t Blindhei t geschlagene n Jude n nich t ver stehen könne n (Joh . 8,57: wie kan n Jesus , noc h nich t fünfzi g Jahr e alt , Abraham gesehen haben?). Stimmt da s Johannesevangeliu m i n diese m Schriftgebrauc h de r Haupt sache nac h mi t de n ältere n Evangelie n un d de r noc h ältere n Traditio n über ein, s o kenn t e s auc h noc h eine n andere n hermeneutische n Schlüssel . Nac h Joh. 1,29. 3 6 ist Jesu s da s Lam m Gottes , da s de r Wel t Sünd e trägt . Da s ist eine Anspielung au f Jes . 53,7, wo der Gottesknecht mit einem Lamm, das zur Schlachtbank geführ t wird , vergliche n wird . Di e Deuterojesajastell e wir d hier nich t eigentlic h i m Sinn e de s übliche n Schriftbeweise s al s Weissagun g verstanden; vielmeh r sol l di e Bedeutun g de s Christusgescheben s mi t Hilf e eines alttestamentliche n Texte s zu r Sprach e gebrach t un d de r Tex t i n seine r Wahrheit aufgezeig t werden . Nich t ei n vorhe r Angesagte s ereigne t sic h i m nachhinein - wie etw a be i Luka s -, sondern di e Wahrhei t de s vorgegebene n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Verheißung, Weissagung, Typos
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Textes wir d i n Christu s wirklic h un d offenbar : „Siehe , da s is t Gotte s Lamm" . Typologisch ist , wi e gesag t (s.o . S.25f.) , di e Verwendun g vo n 4.Mose 21,8f. in Joh . 3,14f. : wi e ein e Schlang e zu r Heilun g de r Damalige n aufgerichte t wurde, s o wird de r Menschensoh n zu m Hei l aller , di e a n ih n glauben , erhöht : daß Kreu z un d Erhöhun g ein e paradoxal e Einhei t sind , wir d mi t Hilf e eine s Textes, de r vo n eine r Schlang e sprac h - von eine m tötende n un d doc h heilen den Wesen ! - zur Sprach e gebracht . Auc h hie r geh t e s nich t eigentlic h u m Weissagung un d nich t einma l u m ein e typologisch e Entsprechung , sonder n um Auslegun g de s Christusgeschehens mi t Hilf e de r vorgeprägte n Sprach e de r Heiligen Schrift . I m Johannesevangelium, da s selbs t einig e traditionel l gewor dene Schriftbeweis e bringt , is t dennoc h anscheinen d auc h di e theologisch e Fragwürdigkeit eine s solche n Beweisverfahren s erkann t worden . Vo n de r her meneutischen Problemati k i m engere n Sinn e - ob un d inwiefer n Text e gege n ihren ursprüngliche n Sin n Verwendun g finde n dürfe n - abgesehen, tendier t j a der Schriftbewei s au f ein e Absicherun g de s Glaubens . Is t abe r ei n bewiesene r Glaube noc h Glaube ? E s kommt hinzu , da ß gerad e da s Wesentlich e i m Chri stusgeschehen, de r eigentlich e Inhal t de r Botschaft , nämlic h di e Heilsbedeu tung vo n Kreu z un d Auferstehung , nich t au s de r Schrif t bewiese n werde n kann. Da ß de r Schrift - un d Weissagungsbewei s de r Urgemeind e hie r ansetzt e und sic h hie r zuers t entfaltete , is t begreiflich , den n hie r la g un d lieg t de r eigentliche Anstoß , da s eigentlich e Skandalon . Da s Skandalo n eine s gekreu zigten Messia s erwie s sic h al s stärke r den n all e hie r letztlic h versagende n Schriftbeweise. S o unternimm t e s Johannes , gerad e die s Skandalo n mi t Hilf e der Schrift aufzuzeigen . Kommt nach der Schrift de r Messias aus der Davidsstadt Bethlehem (Joh . 7,42. 52), so Jesus hingegen au s Nazareth in Galiläa. „Wa s kann aus Nazareth Gutes kommen?" lautet darum die Frage, und die Antwort: „Kom m und siehe!" (Joh . 1,45f.), un d dennoch is t Jesu s de r vo n Mos e un d de n Prophete n Geweissagt e (Joh . 1,45). Das abe r wiederum erkenn t nu r „de r recht e Israelit , i n welche m kei n Falsc h ist " (Joh . 1,47). Hingegen mißverstehe n di e falsche n Schriftgelehrte n ihr e Schrift , auc h wen n si e si e - ähnlich wi e auc h di e Wort e Jes u mißverstande n werde n - im vordergründig wört lichen Sinn e richti g begreifen : si e stamme n gewi ß vo n Abraha m ab , un d doc h sin d sie Söhne des Teufels (Joh. 8,39-44). Wie di e paradoxal e Erhöhun g de s Menschensohne s a m Kreu z nu r i m Glauben erkennba r ist , s o kan n auc h di e paradoxal e Wahrhei t de r Schrif t nur vo n Christu s he r un d i m Lich t seine r Offenbarun g erkann t werden . Hie r spiegelt sic h abe r nich t meh r di e Auseinandersetzun g mi t de n Jude n übe r di e Auslegung de s Gesetzes , sonder n die s is t unmittelbar e Verkündigun g fü r Christen, dami t si e glauben , auc h ohn e z u sehe n un d auc h ohn e Sicherun g durch Schriftbeweise . Wi e i n de n Anfänge n de r christliche n Urgemeind e is t hier Christu s selbs t wiede r Ursprun g un d Grun d de s Glaubens ; demgegen über trit t di e Schrif t - anders al s be i Luka s - sehr erheblic h zurück . Di e Jo hannesbriefe bringe n kei n einzige s alttestamentliche s Zita t mehr . D a Johan nes keine n heilsgeschichtliche n Ablau f kennt , läß t sic h di e Schrif t auc h nich t in eine m Vorhe r einordnen , un d da ß si e überhaup t noc h i n Geltun g steht , © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Erbe
was Johanne s nich t i n Frag e stellt , is t von diese r Konzeptio n he r strenggenom men inkonsequent . Di e Beharrlichkei t religiöse r Traditio n un d da s Eigen gewicht de s überkommene n Erbe s ware n stärke r al s di e theologisch e Re flexion, un d das ist nicht immer ein Nachteil . 6.
Die Allegores e
Das Alt e Testamen t al s Verheißun g de s Christusgeschehens , al s Weis sagung de s Leben s un d Sterben s Jesu , ga r al s Vorhersag e biographische r un d sonstiger Einzelheiten , da s Alt e Testamen t al s Gesetz , da s al s Zuchtmeiste r zu Christu s führt , al s vorhe r ergangene s Zeugnis , da s ein e Heilsgeschicht e bezeugt un d erkennba r macht , al s Schrift , dere n paradoxal e Wahrhei t i m Lichte de r Christusoffenbarun g erkann t wir d - dies sin d di e seh r unterschied lichen Versuche , da s Problem , vo r da s da s alttestamentlich e Erb e di e früh e Christenheit stellte , z u meistern . E s sin d zunächs t noc h meh r ode r wenige r spontane Versuche , dere n Konsequenze n noc h nich t systematisc h ausgezoge n werden konnten . Vo n de r Wahrhei t de r Christusoffenbarun g un d vo n de r Gültigkeit de r Schrif t gleichermaße n überzeugt , mein t man , di e Schrif t müss e — es kan n nich t ander s sei n — von Christu s Zeugni s ablegen . Ih r neue r Sin n ist ih r wahre r alte r Sinn ! Di e Differen z zwische n diese m „wahren " Sin n un d der wörtliche n Bedeutun g wir d anfang s noc h nich t bewußt . Ei n Problem bewußtsein is t abe r dor t erwacht , w o bewußt e Auslegun g de n wahre n Sin n an de n Ta g lege n muß . Auslegung , un d se i si e auc h Hineinlegung , geschieh t erst dann , wen n de r unmittelbar e Wortsin n nich t meh r verstande n wir d — oder al s nich t meh r brauchba r erscheint . Ander s al s i n de r moderne n histo risch-kritischen Exegese , de r e s gerad e u m di e alt e ursprünglich e Bedeutun g und dere n möglich e Relevan z fü r di e Gegenwar t z u tu n ist , geh t e s i n solche r Schriftauslegung nich t u m de n ursprüngliche n historische n Sinn , sonder n immer u m di e Gegenwartsbedeutun g de r Schrift , dere n Autoritä t schlechter dings vorausgesetz t wird . Ha t di e Schrif t Autorität , s o mu ß si e auc h Bedeu tung für di e Gegenwart haben . Auslegung ha t sie an den Tag z u bringen . Daß be i solche r Auslegun g Text e au s de m ursprüngliche n Zusammenhan g gelös t werden dürfen , is t ebens o jüdische s Erb e wi e ander e methodisch e Griffe , z.B . de r Analogieschluß (Mk . 2,23-26: was Davi d erlaub t war , mu ß in analoge r Weis e auc h den Jünger n gestatte t sein) , di e etymologisch e Deutun g (Mt. 2,23: weil Jesu s i n Nazareth wohnte, wurd e e r Nazoräe r genannt ; dies e Bezeichnun g un d de r Orts name haben aber nichts miteinander z u tun), der Schluß a minori ad maius, der Schluß von dem geringeren au f de n größeren Wer t (2.Kor.3,10f.: hatt e das Amt des Gesetzes Herrlichkeit, so erst recht und noch mehr das Amt, das die Rechtfertigung de s Sünders predigt). Von eine r ausgebildete n Auslegungsmethode , di e au f gan z bestimmte n hermeneutischen Voraussetzunge n beruht , kan n ma n be i de r Typologes e sprechen, wi e si e vo n Paulu s un d vo n d a a n angewand t wurd e (s.o . S.25ff.) . Das gil t noc h meh r vo n de r Allegorese . Dies e i m biblische n Bereic h zuers t zur nachträgliche n Ausdeutun g un d Anwendun g vo n Gleichnisse n Jes u © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Allegorese
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(Mk. 4 , 1 3 - 2 0 ; Mt. 13,36-43. 49f. ) angewandte Method e geh t vo n de r Voraussetzung aus , daß der als o ausgelegt e Tex t selbs t noc h eine n andere n als de n unmittelba r wörtliche n Sin n hat . Tatsächlic h existier t ein e Allegori e genannte Redeweise , di e durc h Aneinanderreihun g vo n Metapher n i n alle n Einzelzügen bildhafte n un d insofer n eine n andere n al s de n unmittelba r wört lichen Sin n hat ; si e wil l selbs t allegorisc h interpretier t werde n (vgl . scho n im A T z.B . Ez . 16; 17 ; 19 ; 23 ; 3 1 ; 34 ; Ps. 23; 80,9-20) . Die Allegores e behandelt abe r auc h ander e Text e so , al s wäre n si e Allegorien . Meine n de r Weissagungsbeweis ode r auc h noc h di e Typologie de n eindeutigen , wenn auc h vielleicht zunächs t noc h verborgene n ode r vielleich t auc h tiefere n Sin n de r zitierten Text e z u erfassen , s o geh t di e Allegores e vo n dere n Doppel - un d überhaupt Mehrdeutigkei t au s un d behauptet , daß der unmittelbar e Sin n nu r die äußer e Hüll e de r wahre n Bedeutun g ist . Ja , di e einzelne n Wörte r habe n einen andere n al s de n unmittelbare n Sinn . S o is t de r Säemann , de r ausgeh t zu säen , i n Wahrhei t der , de r da s Wor t Gotte s verkündig t usw . (Mk . 4,14 usw.). Diese Methode ist nicht israelitisch-jüdischen un d - anders als die Typologie - auch nicht christlichen , sonder n hellenistische n Ursprungs . Al s di e Mythen , insbesonder e die Göttererzählunge n de s nac h wie vo r gleichwoh l hochverehrte n Home r anstößi g oder auc h i n ihre m ursprüngliche n Sin n unverständlic h wurden, versucht e di e alle gorische Deutung , de n Ansto ß z u beseitige n un d s o di e „wahre " Bedeutun g z u retten. Dies e Auslegungsweis e fan d Eingan g auc h i m hellenistische n Judentum , abe r auch i n de r palästinensische n Schriftgelehrsamkeit . Mi t Hilf e de r Allegores e ver mochte bereit s der Alexandriner un d jüdische Philosop h Aristobu l - Zeitgenosse von Jesus Sirach , u m di e Mitt e de s 2. Jahrhunderts - die religiös e Überlieferun g de s Alten Testaments al s die wahre Philosophie z u interpretieren un d der gebildeten Wel t die Jude n al s Vol k vo n Philosophe n vorzustellen . Un d de s Paulu s Zeitgenosse , de r jüdische Religionsphilosop h Phil o vo n Alexandri a kommentiert e mi t Hilf e de r alle gorischen Methode das erste Buch Mose und die mosaische Gesetzgebung. Ermöglichte e s dies e Methode , di e alt e Geltun g eine s überkommene n Erbes - für Phil o war di e Schrift göttlic h inspiriert ! - mit de n neue n Ansichte n und Bedürfnisse n z u versöhnen , inde m ma n da s Neu e al s de n wahre n alte n Sinn z u verstehe n versuchte , s o mußte es fü r de n Christe n naheliegen, diesen hermeneutischen Schlüsse l nunmeh r auc h a n ei n christlic h z u verstehende s Altes Testament anzulegen . Das tu t bereit s Paulus , wen n e r l.Kor . 5,6-8 den Sauertei g al s Bild fü r Un reinheit versteht , Gal . 3,6 den Same n al s Einzahl (l.Mos e 22,18) auf Christu s deutet, de n Felsen , au s de m Wasse r hervorgin g (2. Mose 17,6), als geistliche n Fels, de r mitgeht , interpretier t (l.Kor . 10,4), oder au s de m Verbot , de m dre schenden Ochse n da s Mau l zuzubinden , entnimmt , daß der Predige r sic h vo n seiner Tätigkei t ernähre n dar f (l.Kor . 9,8-10). Gal. 4,21-31 (vgl. 4,24) sagt de r Aposte l soga r ausdrücklich , daß der alttestamentlich e Text , de r vo n ihm zitier t wir d (l.Mos e 16), allegorisch verstande n werde n muß: die Söhn e Saras und de r Mag d Hagar , Isaa k un d Ismael , meine n di e a n Christu s Glau benden, die da s Heil ererben , und die, die nich t glauben un d verstoße n werden . 3 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Erbe
Bleibt di e paulinisch e Allegores e punktuel l orientier t un d betrifft , auße r in Gal. 4,21-31, nur erst bestimmte Einzelzüge, so wird im Hebräerbrief dies e Methode volle r entfaltet . Wei l nac h Auffassun g de s Verfassers de s Hebräer briefes da s israelitisch-jüdisch e Gesetz , wei l e s schwac h un d nutzlo s war , aufgehoben worde n is t (Hebr . 7,18), gilt e s nicht meh r i n seinem wörtliche n Verständnis, sondern in seinem erst von Christus her zu erschließenden neuen, eben allegorische n Sinn . Al s „Schatte n de r künftige n Güter " hatt e e s diese n wahren Sin n bishe r noc h verborge n (Hebr . 10,1). Dies gib t de m Verfasse r das Recht , nu n insbesonder e de n alttestamentliche n Kultu s allegorisc h z u deuten. De r Kultu s Israel s sollt e de r Sühn e un d de r Heilun g dienen , konnt e aber dieses sein Ziel nie voll erreichen. So bekommt er seinen eigentlichen Sinn erst vo n de r wahre n Erfüllun g i n Christus , de m wahre n Hohenpriester , he r (Hebr. 4,14—16; 7,1—10) , der nicht das Blut von Tieren, sondern sei n eigene s Blut ei n fü r allema l vergosse n ha t (Hebr . 9,1—15). Typologische Entgegen setzungen (Hebr . 7,9-10: Melchisedek - Christus; 8,2-5: Stiftshütte himmlisches Zelt ; 9,23-28: überhaupt Irdische s - Himmlisches) un d Alle goresen (Hebr . 3,6; 7,2f.; 10,20; 11,13-16 ; 12,22 ; 13,11-13 ) gehen hie r Hand in Hand. Typologese und Allegorese dienen dabei längst nicht mehr der Diskussion mi t jüdische n ode r judaisierende n Gegnern , sonder n de r theo logischen Aneignun g de s Alten Testament s al s Buch de r Kirche, desse n rech te Deutun g de r theologische n Entfaltun g de s christliche n Glauben s gleich kommt.
Eine fas t gewaltsam e Aneignun g un d Vereinnahmun g de s israelitisch jüdischen Erbe s vollzieh t sic h dan n i m Barnabasbrief . Dies e wahrscheinlic h um 100 n.Chr. anzusetzend e Schrif t setz t di e Trennun g de r christliche n Ge meinde vo n de r Synagog e bereit s vorau s un d warn t mi t scharfe n Polemike n vor eine m Rückfal l in s Judentum . Hatt e de r Hebräerbrie f de n ursprüngliche n Literalsinn al s fü r di e vorchristlich e Epoch e zutreffen d gelte n lassen , s o leugnet de r Barnabasbrie f ein e solch e Bedeutun g überhaupt : vielmeh r hätte n die Jude n ihr e eigen e Schrif t imme r scho n mißverstanden , Di e Schrif t is t kei n jüdisches, sonder n ei n christliche s Buch . Allegorisc h gedeutet , bezeug t e s allein de n christliche n Glaube n un d di e christlich e Sittenlehre . S o bedeute t die Beschneidun g di e Herzensbeschneidun g (Barn . 9), unreine Tier e sin d schlechte Menschen , mi t dene n ma n nich t i n Berührun g komme n sollt e (Barn. 10). Alle christliche n Hauptwahrheite n werde n hie r scho n geweissagt : Christi Präexistenz , sei n Leiden , Kreu z un d sein e Wiederkunf t (Barn . 5-8; vgl. 9,8; 8,3 ; 7,9) . Neben solche r christlich-theologische n Vereinnahmun g steh t di e meh r naiv e Aneignung i m erste n Clemensbrief , de r End e de s 1. Jahrhunderts vo n Ro m a n di e Gemeinde i n Korint h geschriebe n wurde . Da s Proble m de s israelitisch-jüdische n Ge setzes als Erbe und - Paulus! - theologischer Ansto ß erster Ordnun g is t hier erledigt , das Zeremonialgeset z is t selbstverständlic h nich t meh r gültig , di e Ordnun g de s Alten Testaments ein e Analogie zu r neuen Ordnun g de r christlichen Gemeinde , der Glaube gilt al s Tugend, fü r welch e da s Alte Testament mancherle i schön e Beispiele z u bieten hat. Hie r is t da s Alt e Testamen t s o christlic h geworden , da ß Allegores e nich t meh r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Das „Alt e Testament "
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erforderlich ist , e s se i denn , u m einzelne n Detail s eine n erbaulich-christliche n Sin n zu geben , wi e z.B . de m rote n Sei l de r Hur e Raba b (Jos . 2,18), das da s Blu t Christ i bedeuten soll.
Kunstvolle un d gekünstelt e Auslegun g mi t ihre r Typologes e un d Alle gorese einerseit s un d naiv e christlich e Aneignun g andererseit s ebne n di e Probleme imme r meh r ein ; da s israelitisch-jüdisch e Erb e wir d ei n „christ liches" Alte s Testament . W o de r Glaub e z u eine r Tugen d wird , d a schärf t auch de r Widerstrei t vo n Glaubensgerechtigkei t durc h Christu s un d de n Werken de s Gesetze s de n Blic k nich t meh r fü r de n Widerspruc h zwische n dem Alten, da s vergangen , un d de m Neuen , da s endzeitlic h angebroche n ist . Das Gesetz , al s ewi g gültige s Sittengeset z interpretier t - so de r Apologe t Justinus (u m 150) - , ist vo n Christus , de m neue n Gesetzgeber , nich t abge schafft, sonder n bestätigt ; da s Zeremonialgeset z hingege n gal t nu r de n Juden; ansonste n is t di e allegorisc h z u deutend e Schrif t Weissagun g au f Christus. Diese s gleichsa m unproblematisch e Verständnis , wi e e s bereit s Justin vertrat , ha t weithi n un d sogar bi s in die Gegenwart hinei n di e normalkirchlichen Anschauungen geprägt . 7. Das „Alt e Testament"
Das Verständnis de s Alten und seines Verhältnisses zu m Neuen mußte notwendigerweise auc h in der schließlichen Festlegun g de s christlichen Schriften kanons un d seine r Teil e zu m Ausdruc k kommen . Wa r zuers t di e ererbt e Schrift da s einzig e heilig e Buc h gewesen , s o entwickelt e sich , wi e hie r nich t im einzelne n darzustelle n is t (vgl . W.G . Kümmel, Einleitung , S . 420-451; H.Frh.von Campenhausen , Di e Entstehung , S . 303—311), neben de r bis herigen Schrif t ein e neue Schriftenreihe genui n christliche n Ursprungs . Schon vor dem endgültigen Abschlu ß dieser Schriftensammlung al s eines christlichen Kanons vo n 27 Schriften - im Weste n durc h di e Synod e vo n Hippo Regiu s (393) und von Karthag o (397) - mußte sic h di e Frage stellen, wie di e Sammlung al s solch e z u bezeichne n sei . Die terminologische Frag e is t ein e eminen t theologische, i n de r Bezeichnun g artikulier t sic h da s Verständni s de r neue n Schriftensammlung i n ihre m Verhältni s zu r alte n Schrift , „de m Geset z un d den Propheten", wie der Terminus einst gelautet hatte. Schon Paulu s hatt e da s i n Christu s erschienen e endzeitlich e Hei l al s „neu " in seine m Verhältni s z u alle m Bisherige n bezeichne t (2.Kor. 3,6.14; 5,17 ; Gal.6,15). E r konnt e dabe i a n de n spezifische n Gebrauc h de r Vokabel n „neu" i n de r Apokalyptik , abe r auc h scho n i n de r spätere n Propheti e an knüpfen. Hie r scho n bezeichnet e da s Wor t da s gan z Andere , di e große , abso lute Erneuerun g i n de r Endzeit , etw a de n neue n Himme l un d di e neu e Erd e (Jes. 65,17; Apk. 2 1 , 1 ; 2.Petr. 3,13), und insbesonder e auc h de n „neue n Bund" (Jer . 31,31-34). Auch di e Abendmahlstraditio n kenn t di e Vorstel lung vo n eine m Bun d (Mk . 14,24; Mt. 26,28) bzw. eine m neue n Bun d (l.Kor. 11,25; Lk. 22,20) und bezieh t sic h dami t au f di e Verheißun g vo n 3* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Erbe
Jer. 31 zurück. Übersetz t ma n di e hebräische n un d griechische n Vokabel n statt mi t „Bund " ode r „Testament " mi t „Verfügung " ode r „Stiftung" , wir d eher deutlich , da ß niemal s etw a ei n einseitige r Vertra g gemein t ist , sonder n eine vo n Got t gestiftet e Heilsordnung . Stehe n sic h s o alt e un d neue , end zeitliche Heilsordnun g gegenüber , s o lieg t e s nahe , dies e Vorstellun g au f di e Urkunden, welch e dies e Ordnunge n bezeugen , z u übertragen . Da s tu t bereit s Paulus, wen n e r 2. Kor. 3,14 vom Lese n de s Alte n Bunde s schreibt . Hie r begegnet zu m erstenma l de r Terminus , au f de n di e Bezeichnung „Alte s Testa ment" fü r di e frühe r Geset z un d Prophete n (un d Schriften ) genannt e Samm lung letztlic h zurückgeht . Freilic h steh t de m Alte n Testamen t jetz t noc h kei n Neues Testamen t al s Schriftensammlun g gegenüber . Auc h weiterhi n bezeich net de r Terminu s di e neu e Heilsordnung . Noc h Irenäu s (u m 180) hat i n seiner Bekämpfun g de r Gnosis und ihre r Ablehnun g de s „Judengottes " un d seiner Schrif t di e Einhei t vo n Schöpfe r un d Erlöse r ebens o wi e di e Unter schiede vo n Al t un d Ne u betont ; e r meint , eine n pädagogische n Heilswe g Gottes mi t de n Mensche n erkenne n z u können , de r vo n Bun d z u Bun d Adam, Noah , Mose , Christu s - fortschreitet. Vo n eine r solche n heilsge schichtlichen Einordnun g vo n Alte m un d Neue m Bun d is t e s kein seh r weiter , wohl abe r ei n entscheidende r Schritt , di e fü r di e beide n göttliche n Heils stiftungen konstitutive n Urkunde n ebens o z u bezeichne n un d dami t theolo gisch einzuordne n un d aufeinande r z u beziehen . S o nenn t dan n Melit o vo n Sardes, Zeitgenoss e de s Irenäu s un d wi e diese r au s Kleinasie n stammend , di e alttestamentlichen Büche r sowoh l traditionellerweis e „Geset z un d Propheten " als auc h „Büche r de s Alte n Bundes " (te s palaia s diatheke s biblia , vgl . Euseb s Kirchengeschichte IV 26,13 f. un d H.Frhr . vo n Campenhausen , S.306) . Vo n Büchern de s Neue n Bunde s is t hie r noc h nich t di e Rede , doc h schein t Melito s Terminologie si e faktisc h bereit s vorauszusetzen . Ers t Clemen s vo n Alexan dria (u m 200) verwendet da s Wor t „diatheke " nich t nu r fü r de n alte n un d neuen Bundesschluß , di e alt e un d neu e Heilsordnung , sonder n auc h fü r di e beiden Teil e eine s Schriftenkanons . De r Begrif f meint , wi e noc h be i Origene s (f 254), beides: de n Bundesschluß , di e göttlich e Heilssetzung , un d auc h di e zugehörigen, solche s bezeugende n Urkunden . Terminu s technicu s aus schließlich fü r di e Kanonteil e wurd e ers t di e Übersetzun g „testamentum " (= Testament). Diese s Wor t verlier t hie r seine n ursprünglichen , konkrete n Sinn al s letztwillige Verfügung , besag t auc h nicht s Spezifisches übe r den Inhal t der als o bezeichnete n Sammlungen , un d nu r da s „alt " un d „neu" , „vetus " und „novum", deutet ein e theologisc h nich t auflösbar e Zuordnun g an : da s Alte is t al t nu r i m Verhältni s zu m Neuen , da s Neu e ne u nu r i n seine m Bezu g zum Alten . Ander s al s di e „diatheke " (= göttliche Heilsstiftung ) läß t di e Bezeichnung „Altes " un d „Neue s Testament " di e Frag e nac h de m Sin n un d der Berechtigun g diese r Zuordnun g offen . Da s alt e Erb e is t fes t a n da s Neu e gebunden, da s Neu e vo m Alte n nich t meh r trennbar , abe r da s hermeneutisch e Problem diese r Verbindung , durc h Typologie , Heilsgeschicht e un d a m mei sten durch Allegorese meh r verhüllt al s gelöst, bleib t aufgegeben .
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Die Einheit von Alt und Ne u
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8. Die Einheit von Alt und Neu Freilich wa r da s Erb e fü r di e alt e Kirch e nich t zuers t ei n - theologisches und existentielle s - Problem. Di e überkommen e Schrif t bezeug t j a vo n alle m Anfang a n unmißverständlich , da ß de r ein e Gott , de r i n Christu s endzeitlic h zum Hei l begegnet , di e Wel t un d de n Mensche n erschaffe n ha t un d al s Schöpfer de r Her r de r Wel t un d de s Mensche n bleibt ; da ß e r auc h noc h i m Nahesein i n Jesus Christu s de r Unnahbar e un d ganz Andere ist , desse n Gegen übersein durc h kein e mystisch e Versenkun g un d Heilsseligkei t aufgehobe n werden kann ; da ß e r de r gan z Ander e ist , personhaft , willenhaft , kontingen t auch gegenübe r alle m Logische n un d Logos-Denke n de r Philosophe n un d der Popularphilosophie . I n seine r bleibende n Bezogenhei t au f da s Alt e is t das Neu e Testamen t nich t Mitteilun g eine r neuentdeckte n ode r ne u offen barten allgemeingültige n Wahrheit . E s is t auc h nich t Stiftungsdokumen t einer neue n Religion , sonder n Bezeugun g de s neue n endzeitliche n Handeln s des eine n Gottes , de r durc h Geset z un d Propheten , Richter , König e un d Gottesmänner imme r scho n gehandel t ha t i n eine r Geschichte , a n dere n Ende di e endzeitlich e Gemeind e Jes u Christ i existiert , di e al s wahre s Vol k Gottes sic h vo n alle n alte n un d neugegründete n Religionsgemeinschafte n qualitativ tota l unterschiede n weiß . Da s Erb e de s Alte n Testament s bewahrt e das jung e Christentu m davor , al s Mysterienreligio n i n geschichtslose r Mysti k und i m Mytho s z u versinke n ode r al s zeitlos e Philosophi e i n „ewiger " Christuswahrheit z u erstarren . E s hiel t auc h - als prophetische s Erb e - das Bewußtsein wach , da ß die Lieb e z u Gott nicht i n der Versenkung i n Gott, son dern i m Halte n de r Gebote , i n de r Lieb e zu m Nächste n un d überhaup t i n de r Alltäglichkeit irdische n Leben s sic h verwirklicht ; da ß de m Mensche n vo n Gott gesag t wird , „wa s gu t is t un d wa s de r Her r vo n di r fordert " (Mi . 6,8), daß als o di e Freihei t de s Christenmensche n nich t Willkü r un d Zügellosigkei t meint, sondern Indienstnahm e durc h Gott . Aber da s Alt e Testamen t hatt e nich t nu r ein e bewahrend e un d abgren zende Funktion . E s legt e vo n alle m Anfan g a n - positiv - das Christusge schehen un d de n Glaube n a n Christu s aus . Wen n scho n di e Urgemeind e da s entscheidende Heilsereigni s vo n To d un d Auferstehun g Jes u Christ i al s „nach de r Schrift " geschehe n verkündigt , s o bedeute t die s meh r un d noc h anderes al s nu r eine n Schriftbewei s i m vordergründige n un d primitive n Sinne. Auc h di e Gestaltun g etw a de r Passionsgeschicht e mi t Hilf e alttesta mentlicher Zitat e dien t j a nich t zuers t de r Polemi k un d de m bloße n Bewei s als Absicherun g gege n we n auc h immer . Vielmeh r werde n di e Sprach e de s Alten Testaments , ihr e vorgeprägte n Bilder , Symbole , ihr e Klag e un d ih r Jubel, ihr e Hoheitstitel , mi t neuem , endzeitliche m Gehal t gefüll t un d „er füllt", zu r Predigtsprache , i n de r da s neu e Evangeliu m al s Botschaf t de s eine n Gottes, de r Schöpfe r un d Erlöse r ist , sagba r wird . Di e urgemeindlich e Predig t war weitgehen d Predig t mi t Hilf e alttestamentliche r Text e un d doc h meh r un d anderes al s nu r Auslegun g vo n Texten , wi e e s di e jüdische n Schriftgelehrte n taten; si e wa r Wort , da s vo n Christu s herkommt , ihr e Wort e jedoc h entnah m © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Erbe
sie dem Text. So gewiß aber Worte und Sprache mehr sind als bloßes Gewand oder hohle s Gefäß , meh r al s neutral e un d auswechselbar e Bezeichnun g fü r beliebigen Inhalt , s o gewiß wa r de r Zusammenhan g vo n Alte m un d Neue m Testament — verstanden sowoh l al s alt e un d neu e Heilsstiftun g un d Heils ordnung al s auc h i m Sinn e de r beide n Kanonteil e - von Anfan g a n sub stantieller, al s e s Weissagungsbeweis , Typologes e un d Allegores e erkenne n lassen - und woh l auc h selbs t erkannten : da s Wor t vo m Kreu z un d vo n de r Auferstehung is t vo n de n Wörter n nich t ablösbar , i n dene n e s ergeht ; jen e Wörter abe r hatte n ihr e eigen e Vorgeschicht e i n de n Erfahrunge n Israel s mit seine m Got t un d ihr e Wirkungsgeschicht e - die Gegenwartsbedeutung in de r christliche n Kirche . Au f di e Bedeutsamkei t diese s Aspekt s mu ß späte r noch einmal ausführlicher eingegange n werden (s.u. Kap. VII. 2.3, S. 187ff.). Das substantiell e Ineinanderübergreife n vo n Al t un d Ne u un d dan n auc h von alte r un d neue r Schrift , dies e Einhei t de r Schrif t i n ihre n beide n unter schiedenen Teile n ha t ein e i n de r Abschaffun g de s Alte n Testament s be stehende Radikallösun g de s theologische n un d hermeneutische n Problem s verhindert. Di e Gnosis mit ihre m Dualismu s un d ihre r Entgegensetzun g vo n Schöpfergott und Erlösergott , vo n böse r materielle r Wel t un d de m geistige n Selbst, da s i n de r finstere n Wel t wi e i m Gefängni s festgehalte n wird , stellt e den Got t de r Jude n de m Schöpfergott gleich, vo n de m de r Erlösergott , de r sich i n Christu s offenbarte , stren g z u unterscheide n ist . Auc h noc h i n ihre r gemäßigten Ausprägung - etwa im Brief des Ptolemaios an die Flora (um 150), einer Erörterun g übe r di e Bedeutun g de s alttestamentlichen Gesetzes , welche das Sittengeset z de r Zeh n Gebot e al s vo n Jesu s nich t aufgelös t anerkenn t und gelte n läß t - führt di e Gnosis das Geset z au f eine n Got t mindere r Ord nung zurück , de r seine n Ran g zwische n de m Erlösergot t un d de m Teufe l hat. Aber trotz mannigfacher Beeinflussung de s Christentums durch die Gnosis hat sic h dies e i n de r Kirch e nich t durchzusetze n vermocht . Scho n i n Paulu s fand sie einen theologisch hellsichtigen Bekämpfer . Vollends ha t dan n Marcio n (u m 150) den Got t de s alte n Testaments, den Schöpfer-Gott (Demiurg ) un d „Judengott" , de r nu r gerech t is t un d vergilt , dem aber alle Güte abgeht und dessen Schöpfun g s o unvollkommen is t wie er selbst, de m Got t de s Erbarmens , de r sic h i n Christu s offenbart , schrof f ent gegengesetzt un d entsprechen d da s Alt e Testament , desse n allegorisierend e Deutung abgelehn t wird , verworfen . Bezeichnen d is t jedoch , da ß Marcion s gleichsam konsequente r Paulinismu s auc h z u Eingriffen i n den genuin christ lichen Überlieferungsbestan d führe n mußte . Marcio n vermocht e fü r sein e Kirche nu r das angeblich paulinische Lukasevangeliu m un d zehn Paulusbrief e anzuerkennen. Aber auc h dies e Schriften, di e als exklusiv wahr e Urkund e der Botschaft Jes u un d de s Apostel s Paulu s kanonisier t wurden , mußt e e r eine r Redaktion unterziehen , u m si e von vermeintliche n judaistische n Fälschunge n zu reinigen . Marcion s Kano n wa r al s antithetische s Gegenstüc k zu r israeli tisch-jüdischen Schriftensammlung , di e j a bi s dahi n allei n al s heilige s Buc h der Kirch e galt , gedacht . Z u seh r abe r wa r da s israelitisch-jüdisch e Erb e bereits „christlich " geworden, al s da ß di e Fremdhei t eine s marcionitisc h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die dogmatische Verdrängung des Problems
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gereinigten Christentum s nich t hätt e empfunde n un d auc h erkann t werde n müssen. Marcio n „wa r ei n Religionsstifter ; al s solche n ha t ih n scho n sei n Zeitgenosse un d erste r literarische r Gegne r Justi n de r Apologe t erkannt" , schreibt Adol f vo n Harnac k i m erste n Sat z seine s Marcion-Buche s (Marcion : Das Evangeliu m vo m fremde n Gott , 1921, S . l ) . Un d frem d wa r Marcion s Gott nich t nu r i m Verhältni s zu r arge n Welt , sonder n auc h z u de m Got t Jesu, j a auc h de s Paulu s un d überhaup t de r Kirch e gegenüber . Marcion s Schriftenkanon konnt e sich darum nich t durchsetzen . Er löst e vielmeh r i n de r Kirche , di e bi s dahi n auße r de r ererbte n jüdische n heiligen Schrif t noc h keine n eigene n Kano n hatte , di e Frag e nac h de m echte n und rechte n Kano n aus . Dies e Frag e wurd e nac h mancherle i Hi n un d He r und Auseinandersetzunge n übe r Einzelheite n letztlic h i n de r Sach e doc h ein mütig beantwortet : di e Antwor t lieg t i m kirchliche n Kano n Alte n un d Neue n Testaments vor . 9. Die dogmatische Verdrängun g de s Problem s Als exegetisch e Method e wurd e di e Allegores e weithi n maßgeblich . Ori genes ( † 254) , wohl de r bedeutendst e Exege t diese r Zeit , führt e sein e Exe gesen mi t Hilf e sorgfältige r Textkriti k un d anhan d vo n Nachschlagewerke n philologisch-wissenschaftlich durch , abe r nich t de r wörtlich e Sin n - wie e s von Marcio n geforder t worde n wa r - , sondern de r höhere , geistlich e Sin n sol l herausgearbeitet werden . Diese n abe r leg t nu r di e Allegores e frei . Sei n Argument, da s e r gege n Gegner , welch e solche r Exeges e pur e Willkü r vor werfen, in s Fel d führt , is t allerding s schlagend : ohn e Allegores e zwing e da s Alte Testamen t zu m Opfe r vo n Kälber n un d Lämmern ! Freilic h werde n hie r die Richtigkei t de r Method e un d di e Haltbarkei t ihre r Ergebniss e nich t mi t billigen Schlagworten , sonder n philosophisch-ontologisc h begründet : De m mehrfachen Sin n de r göttlic h inspirierte n Schrifte n (buchstäblich , moralisch , geistlich) entsprich t di e Trichotomi e de r Wirklichkei t (Leib , Seele , Geist) , dem wiederu m entsprich t ein e dreifach e Auslegun g (historisch-grammatisch , psychisch, allegorisch) . Origenes ' Hermeneuti k wil l als o ontologisc h fundier t sein! Im Kamp f gege n di e Gnosis und gege n sonstig e Häresi e werde n Rech t un d Notwendigkeit allegorische r Schriftinterpretatio n nac h alexandrinische m Muster fas t zu m Dogma . Die sogenannt e Antiochenisch e Theologie , vertrete n insbesonder e durc h Diodo r von Tarsu s ( t 392), Theodor vo n Mopsuesti a ( t 418) und de n hervorragende n Prediger Johanne s Chrysostomo s ( t 407), hatte allerding s eine n anderen , sic h schon bei Paulu s abzeichnende n hermeneutische n Ansatz : au f de r Basi s de s philologisc h erfaßten Wortsinne s sol l de r Tex t typologisch-heilsgeschichtlic h aufgeschlüssel t und aktualisier t werden . Di e später e dogmatisch e Verketzerun g de r Schulhäupte r dieser Theologi e lie ß abe r auc h dere n Hermeneuti k i m Oste n nich t meh r fruchtba r werden. Überhaup t büßt e hie r nunmeh r di e Schriftauslegun g imme r meh r a n Be deutung ein; sie wird Auslegung von Tradition, Auslegung von Auslegung. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Erbe
Der Weste n wa r zunächs t ehe r praktisch-theologisc h un d kirchlic h al s hermeneutisch un d theoretisc h interessiert . S o beton t Tertullia n (u m 200) die Bedeutsamkei t de s Wortsinne s un d stell t praktikabl e exegetisch e Kunst regeln auf : Beachtun g de r grammatische n un d historische n Zusammenhänge ; dunkle Stelle n solle n au s klare n erhell t werden . Vo n ih m wir d abe r auc h di e Regulierung de r Exeges e durc h di e Glaubensregel , di e „regul a fidei " ode r „Kanon de r Wahrheit" , geforder t un d gefördert . Da s trinitarisch e Tauf bekenntnis wir d al s unumstößlich e „apostolische " Wahrhei t zu r normieren den Nor m erhoben , di e keine r Diskussio n meh r unterliegt . Eine m feste n Kanon vo n kirchlic h anerkannte n Schrifte n entspreche n di e eindeutig e Glau bensregel un d da s di e recht e Lehr e tradierende , garantierend e un d über wachende „apostolische " Bischofs - un d Lehram t mi t seine r Geistesgab e de r Wahrheit (charisma veritatis). Di e kirchlich e Vorrangstellun g de r Dogmatik , die dogmatisch e Fesselun g de r Schriftauslegun g un d dere n Herabsinke n zu r bloßen Hilfsdisziplin , dami t abe r auc h di e sinkend e Bedeutun g de r Schrif t selbst bahne n sic h hie r an . Di e Allegorese , di e sic h unte r Einflu ß vo n Phil o und Origene s auc h i m Weste n durchzusetze n begann , tru g durc h ihr e Her vorhebung de s „anderen " Sinne s auc h wesentlic h daz u bei , da ß di e eigent lichen exegetische n un d hermeneutische n Problem e imme r meh r kirchlich dogmatisch zugedeck t wurden . So setz t i m Weste n vo r alle m Ambrosius , Erzbischo f vo n Mailan d ( f 397) die alexandrinische Traditio n allegorische r Schriftauslegun g mi t seine r Lehr e vo m drei fachen Schriftsin n (historisch-buchstäblich , mystisch , moralisch ) fort . Soga r Hiero nymus (+ 420), der groß e lateinisch e Bibelübersetze r un d Schöpfe r de r Vulgat a (der „allgemei n Verbreiteten" ) - seit de m Tridentinu m 1546 Bibel de r römisch katholischen Kirch e - , der mehr die antiochenische Lini e der grammatischen Exegese , der Beachtung de r historischen Unterschied e un d so auch de r Unterschiede vo n Altem und Neue m Testamen t vertritt , is t letztlic h ebenfall s de r Überzeugung , da ß ei n Beharren bei m bloße n Wortsin n Häresi e erzeug t un d da ß es darum darau f ankommt , die tiefere Bedeutung der Texte zu erfassen.
Von Ambrosiu s übernimm t auc h Augusti n di e allegorisch e Method e trot z „anti ochenischer" Beachtun g de s Literalsinnes . E s gil t beides , de r wörtlich e un d de r geistliche Sinn ; und auc h diese Hermeneutik wird - ähnlich wie be i Origene s - philosophisch-ontologisch begründet : de r mehrfach e Sin n entsprich t de r Verschiedenheit von „signum " un d „res" , vo n Zeiche n un d Sache . Di e Sache n selbs t sin d Zeiche n für un d transparen t auf di e „wahren " Sachen ; entsprechen d haben auc h di e Wörte r der Sprach e wörtlichen und übertragene n Sinn. O b aber i m konkrete n Falle wörtlich oder figürlic h z u verstehe n sei , richte t sic h nac h de r Glaubensrege l (regul a fidei) . Auch dies e Konzeptio n schließ t als o faktisc h ein e eigenständig e Hermeneuti k aus . Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn, wie sie zuerst von Johannes Cassianus (um 400) aufgestellt wurde , is t nu r di e schulmäßig e Ausformulierun g de r alte n allegorische n Unterscheidung vo n Wortsin n un d - „anderem" - geistlichem Sinn . De r geistlich e Sinn, de r sensus spiritualis, wird nunmeh r je nach Anwendungsbereich al s allegorisch, (was z u glauben sei), tropologisch oder moralisch (wie zu handeln sei) und anagogisch (wohin z u strebe n sei ) entfaltet . Zu m Auswendiglerne n un d zu r Einprägun g dieser exegetischen Grundrege l dien t de r Hexameter : Litter a gest a docet , quo d creda s Allegoria; Moralis quid agas, quo tendas Anagogia. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die dogmatische Verdrängun g de s Problem s
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Lag auc h da s eigentlich e Gewich t au f de m dreifache n geistliche n ode r mystischen Sinn , de r auc h i n Entsprechun g zu r Dreihei t Glaube , Liebe , Hoff nung ode r al s Abbil d de r göttliche n Dreieinigkei t verstande n wurde , s o be wahrten doc h de r immerhi n auc h festgehalten e Wortsin n un d di e exegetisch e Regel, welch e geistlich e Deutunge n nu r zuläßt , wen n wörtlic h verstanden e Stellen si e bestätigen, vo r totaler Willkü r un d damit vor dem totalen faktische n Verlust de r Schrif t Alte n un d Neue n Testament s un d de r auc h gegenübe r kirchlichem Amt , Glaubensrege l un d Traditio n eigenständige n biblische n Botschaft. Freilich,.da s hermeneutisch e Proble m de s Verhältnisse s de r beide n Kanonteile un d de r christliche n Geltun g de s Alten Testament s bleib t ein e jetz t erst rech t unerledigte , j a kau m noc h erkannt e Aufgabe , un d mi t L.Dieste l kann ma n sagen : „S o is t di e inner e Harmoni e de r Schrif t beding t durc h di e nivellierende Herrschaf t de s Dogma s un d de r Allegorie " (S.188) . Un d diese r Satz läß t sic h noc h erweitern : Dogm a un d Allegori e sind , wi e e s Paulu s mi t Bezug au f di e jüdisch e Interpretatio n sagte , wi e ein e Decke , welch e di e wahr e Bedeutung de r Schrif t verhüll t un d ein e kirchlich e un d theologisch e Harmoni e vortäuscht, w o i n Wahrhei t theologisch e un d existentielle Frage n vo n größte m Gewicht einer Antwort harren .
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KAPITEL
Das Alte Testament im Licht der Reformation und im Feuer historischer Kritik 1. Die sakramentale Vergegenwärtigun g Von seine m früheste n Anfan g a n is t da s Christentu m ein e i m hervor gehobenen un d prägnante n Sinn e geschichtlich e Größe . Ein e geschichtlich e Größe is t e s nich t nu r i n de r Hinsicht , da ß e s historisc h bedingt , historisc h aus eine m Ursprun g hervorgegange n un d gewachse n un d vo n seine r Herkunf t nicht lösba r ist . Solche s ließ e sic h vo n andere n Phänomene n ebens o behaup ten. Auc h da ß da s Christentu m sein e Geschicht e ha t un d au f di e Geschicht e überhaupt eingewirk t hat , is t noc h nich t sei n Spezifikum ; christentums geschichtlich wir d sei n Wese n deshal b nich t faßbar . Diese s besteh t vielmeh r in eine r fundamentale n Bindun g a n seine n historische n Ursprung , de r al s endzeitliches un d endgültige s Heilsereigni s i n de r Geschicht e verkündig t und geglaub t wird . Christlich e Verkündigun g predig t da s Christusgeschehen , Kreuz un d Auferstehun g Christ i unte r Pontiu s Pilatu s al s Heilsgeschehen , das, obwoh l datierba r un d vergangen , doc h gegenwärtig , heut e angehen d und heilsa m ist . Dami t mußte , al s di e Erstreckun g de r Zei t di e Gegenwar t vom Heilsgeschehe n imme r ferne r abrückte , di e Frag e nac h de r Vergegen wärtigung de s Heil s - ob mi t sovie l Worte n gestell t ode r nich t - sich auf drängen. Eine früh e Antwor t biete t scho n di e lukanisch e Theologi e mi t ihre r Glie derung de r Zeite n al s gottgelenkte r Heilsgeschichte . Ein e ander e Antwor t enthalten di e Glaubensrege l un d da s Glaubensbekenntnis , desse n mehr-als geschichtliches, trinitarische s Schem a dennoc h auc h Geschichtliche s reflek tiert: vo m Vater , de m Schöpfer , übe r di e Geschicht e de s Sohne s unte r Pon tius Pilatu s hi n zu m Heilige n Geist , de r scho n durc h di e Prophete n gerede t hatte, zu r apostolische n Kirch e un d schließlic h z u de n letzte n Dinge n un d zum ewige n Leben . Wiederu m ei n andere r Versuch , di e Paradoxi e vo n Geschichte un d endzeitliche m un d endgültige m Heilsgeschehe n festzuhalte n und sagba r z u machen , is t da s christologisch e Dogm a de r zwe i Naturen , de r gottlichen un d de r menschliche n Natu r Jes u Christi . Dies e Interpretationen , wiewohl de m Anliege n nac h Versuche , di e Paradoxi e de s geschichtliche n un d zugleich endzeitlichen , eschatologische n Ursprung s z u wahren , tendiere n aber dennoc h dahin , da s Endzeitliche , Eschatologische , da s Heilsgeschehe n aus de r Geschicht e auszusonder n un d dami t di e Paradoxi e preiszugeben .
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Die sakramentale Vergegenwärtigun g
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Die Lehr e vo m doppelte n Schriftsin n - Wortsinn un d geistliche m Sin n - ist die Entsprechun g zu r Lehr e de r zwe i Nature n Christi , un d di e andere , ur sprünglich i m hellenistische n Judentu m beheimatet e Lehr e vo n de r Verbal inspiration, welch e besagt , da ß di e Schrif t wörtlic h vo n Got t ode r de m Hei ligen Geis t inspirier t sei , heb t de n Kano n ebens o au s de m Bereic h de r übrige n Wirklichkeit herau s wi e da s Heilsgeschehen , da s hie r bezeug t wird . Wir d abe r die Auslegun g de r als o al s heili g verstandene n Schrif t durc h Glaubensrege l und Dogm a reguliert , un d hat , umgekehrt , di e Bibe l sic h i n Glaubensrege l und Dogm a gülti g un d endgülti g entfaltet , s o is t nich t di e j e weitere , aktuali sierende un d applizierend e Auslegun g di e erst e theologisch e Aufgabe . Dan n lebt di e Kirch e nich t meh r i n ständige r Angewiesenhei t au f Schriftauslegung , vom j e un d j e ne u verkündigte n Wort , i n de m sic h Christu s un d sei n Hei l vergegenwärtigt. Dan n trete n vielmehr , d a di e Kirch e al s j e gegenwärtig e nicht vo n eine m vergangene n Hei l un d nich t vo n bloße r Erinnerun g dara n leben kann , ander e Weise n de r Heilsvergegenwärtigun g a n di e Stell e vo n Aus legung un d Verkündigung . Mi t Gerhar d Ebelin g (Di e Bedeutun g de r histo risch-kritischen Methode , S . 18 ff.) kan n ma n vo n eine r „historisierend-imi tierenden" Vergegenwärtigun g sprechen , wen n i n Sekte n un d dan n auc h i n der Großkirch e un d besonder s i m Mönchtu m künstlic h Situatione n ge schaffen un d Lebensweise n organisier t werden , di e de m biblische n Idea l ähnlich sei n sollen . A n di e Stell e de r Nachfolg e trit t di e Nachahmun g Christ i und seine r erste n Jünger . Ode r da s Hei l wir d mittel s Kontemplatio n ode r Meditation ode r mystische r Versenkun g vergegenwärtigt . De r Reliquienkul t hat ebenfall s hermeneutisch e Funktion : i n de n Reliquie n bleib t da s Hei l sichtbar un d tastba r gegenwärtig . Auc h di e Wallfahr t z u heilige n Orte n und gan z besonder s natürlic h de r Besuc h de s heilige n Lande s könne n i n diesem Sinn e verstande n werden . D a freilic h klösterlich e Kontemplatio n und mystisch e Versenkun g nich t jedermann s Sach e sei n können , gewanne n für di e groß e Mass e de r Gläubige n Gottesdienst , Sakramen t un d Kirchen raum dest o größer e Bedeutung . I m Gottesdienst , vollzoge n i m Rhythmu s de s Kirchenjahres, da s di e Heilsgeschicht e nachvollzieht , i n eine r Kirche , di e mi t ihren Heiligenbildern , Altäre n un d transsubstantiierte n Hostie n ei n Himme l auf Erde n ist , wir d da s Hei l gegenwärtig . Di e sakramental e Vergegenwärti gung de s Christusgeschehens , da s Sakramen t selbs t wir d zu m Herzstüc k christlichen Lebens , un d di e Kirch e wir d zu r Heilsveranstaltung , di e i n de r ununterbrochenen Folg e (Sukzession ) de r Bischöf e da s Heilsgeschehe n i n die Gegenwart hinei n fortsetzt . Diese Lösun g de s hermeneutische n Problem s hatt e weitreichend e Folge n für da s Verständni s de r Schrift . Ihr e Gültigkei t un d Göttlichkei t werde n nicht i n Frag e gestellt , abe r nich t zuers t si e dien t durc h Auslegun g un d Ver kündigung de r Vermittlun g de s Heils. Das Heil wir d nu r i m Sakramen t gegen wärtig, nu r durc h da s Sakramen t gespendet . Di e Schrif t hingege n ha t nu r hinführende Funktion , inde m si e übe r di e offenbarte n Wahrheite n belehrt . Sie wir d zu m göttliche n Lehrbuc h kirchlich-dogmatische r Heilswahrheite n und Heilstatsachen . Gemesse n a m sakramenta l gespendete n Hei l ha t si e auc h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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nur gesetzlich e Bedeutung , sofer n da s christlich e Lebe n un d di e Organi sation de r Kirch e de n göttliche n Gesetzen , di e i n de r Schrif t offenbar t worde n sind, unterworfe n sei n sollen . Di e Schrif t wir d s o zu m göttliche n Gesetzbuc h (dazu vgl . Kap.IV,2,S.92ff.) . Dies e Qualitä t al s Lehr e un d Geset z komm t de r Schrift prinzipiel l i n ihre n beide n Teile n gleichermaße n zu . Di e sakramental e Lösung de s Problems de r Heilsvergegenwärtigun g drängt e di e hermeneutisch e Frage nac h de r Schrift , de m Verhältni s ihre r beide n Teil e un d de r Bedeutun g des Alte n Testament s a n de n Ran d un d bracht e si e al s gleichsa m gelös t zu m Verstummen. 2. Die Wiederentdeckun g de r Schrif t Wie noc h z u zeige n sei n wird , wa r di e Entstehun g eine s historische n Be wußtseins, somi t eine r Bewußtwerdun g de r Unterschied e de r Zeiten , de r historischen Distan z un d de r Geschichtlichkei t alle r menschliche n Existen z die groß e Wend e i m Verständni s de r Schrift . Da ß dies e Wend e auc h über ragende theologisch e Bedeutun g bekam , j a di e Theologi e i n ihre n Grund festen erschüttert e un d bi s heut e ungelöst e fundamentaltheologisch e Frage n aufriß, is t beding t dadurch , da ß di e Reformatio n zuvo r di e Schrift vo m Rand e ins Zentrum vo n Kirche und Theologi e gerückt hatte. Die Reformatoren selbs t waren kein e Historike r un d - trotz kritische r Ansätz e zuma l be i Luthe r — keine historisch-kritische n Bibelwissenschaftler . Di e reformatorisch e Wieder entdeckung de r Schrif t abe r lie ß auc h di e lang e verborgene n Frage n de r rechten Auslegun g un d da s hermeneutisch e Proble m de s Verhältnisse s de r Testamente wiede r aufbrechen . Rückt e di e Schrif t i n de n Mittelpunkt , s o mußte de m hermeneutische n Proble m zentral e Bedeutun g zukommen . Wurd e Exegese al s wesentlich e theologisch e Diszipli n verstanden , s o konnte n exe getische Ergebniss e au f di e Daue r nich t vo n blo ß historische r Bedeutun g sein . Die Verlagerun g de r Gewicht e vo m Sakramen t un d Sakramentale n au f di e Schrift un d schriftgemäß e Verkündigun g wa r meh r al s nu r ein e Akzentver schiebung. Di e reformatorisch e Berufun g au f di e Schrif t - die Schrif t allei n (sola scriptura ) - ist auc h meh r al s lediglic h ein e Kampflehre , dere n Bedeu tung erlischt , wen n Fried e geschlosse n ist . Un d obwoh l di e Reformatio n di e wissenschaftlichen, philologische n Errungenschafte n de s Humanismu s man denk e nu r a n de n griechische n Tex t de s Neue n Testaments , de r vo n Erasmus von Rotterda m edier t wurde , ode r a n di e „Versuch e übe r di e hebräische Sprache " (Rudiment a linguae Hebraicae) de s Hebraiste n Johan nes Reuchli n - aufgriff un d de r Schriftauslegun g dienstba r machte , gin g es ihr dennoc h nich t u m ein e Rückkeh r z u de n Quelle n al s solche n au s huma nistischem, historische m un d wissenschaftliche m Interesse . Vielmeh r bahnt e sich i n Auseinandersetzun g mi t de m überkommene n theologische n Denk system, de r e s tragende n un d absichernde n Kirchenorganisatio n un d de n hermeneutischen Voraussetzungen , au f dene n e s beruhte , mi t zunehmende r Deutlichkeit di e umwälzend e reformatorisch e Erkenntni s an , di e schließlic h das ganze Kirchen - un d Lehrgebäud e i n seiner bisherige n Gestal t zu m Einstur z © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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zu bringe n drohte . Si e besteh t i n de r Entdeckun g - nach reformatorische m Selbstverständnis i n de r Wiederentdeckun g - der urchristliche n Wahrheit , daß de r Glaub e au s de r Verkündigun g un d de m Höre n au f Verkündigun g kommt un d da ß solch e Predig t i n de r Kraf t de s Worte s Christ i geschieh t (Rom. 10,17). Der Glaube aber is t die Annahme der Botschaft, di e das Heil Christ i bringt , daru m Annahme de s Heils selbst. Da s Heil, un d zwa r da s eschatologische, als o endzeitliche , endgültige Heil , da s Christu s bracht e un d bringt , un d die Verkündigung diese s Heil s werden al s untrennba r erkannt . Angesicht s de r wesenhafte n Gebundenhei t de s Heil s an di e Heilspredig t müsse n all e andere n un d gerad e di e bi s dahin al s wesentlich gel tenden Weise n de r Heilsvergegenwärtigun g un d de r Gnadenspendun g i n de n Hinter grund gedrängt , de r Predig t untergeordne t ode r ga r al s Irrweg e un d Irrlehre n ver worfen werden . Da ß Christus allei n da s Heil allei n au s Gnade bringt (solus Christus, sola gratia), und da ß der Glaube allei n da s Heil empfäng t un d selbs t reine r Empfan g ist (sol a fide) sind nu r verschiedene Aspekt e derselbe n Erkenntnis , die sich al s Korrelate entsprechen. Die radikal e Ausschließlichkeit , di e i n diese m mehrfache n „allein " sic h ausspricht , muß notwendigerweis e auc h da s Verständni s de r Schrif t berühren . Da s Wor t vo n Christus is t zwa r nich t identisc h mi t de r Schrift , abe r auc h nich t ohn e si e vernehm bar. Zie l de r Auslegun g is t es , si e wiede r allei n z u Wort e komme n un d ihr e eigen e Botschaft allei n sage n z u lassen . „Allein " heiß t hie r ohn e fremd e Autorität , di e übe r ihre Sache bereits im voraus entschieden hätte; diese Sache, nämlich die Botschaft von Christus un d seine m Hei l - und dami t da s Hei l selbst - , wird nich t außerhal b ihre r und scho n ga r nich t ohn e si e i n kirchliche r Tradition , i m Sakramen t un d i m Am t verwaltet und dargereicht, sondern liegt in ihr selbst.
Wie da s Hei l nich t vo n de m e s verkündigende n Wor t s o is t da s Wor t nich t vo n de r Schrift z u trennen . Dennoc h sin d fü r Luthe r Wor t Gotte s un d Schrif t gewi ß nich t identisch. Da s sol a scriptur a mein t nich t wi e di e gleichlautend e Forme l ältere r papst kritischer Reformbewegunge n (u.a . Joh n Wiclif , geb . um 1328; die sog . „Waldenser" , so bezeichne t nac h Petru s Waldes , u m 1200; Johann Hus , hingerichte t 1415, und di e Hussiten) di e Schrif t al s alleingültige s göttliche s Geset z (le x divina ; le x Christi) , auc h nicht einen zwische n Wesentliche m un d Unwesentlichem nich t mehr unterscheidenden , den Buchstabe n sklavisc h verehrende n un d di e unmittelbar e Gültigkei t de s Schrift ganzen behauptende n Biblizismus . Sol a scriptur a verweis t vielmeh r au f de n geschicht lichen Ursprungsor t un d di e geschichtlich e Ursprungszei t de s Christuszeugnisses , auf di e Quelle , au s de r allei n die s Zeugni s hervorgeht . Al s Zeugni s de s Ursprung s ist di e Schrif t ih r „eigene r Ausleger " (su i ipsiu s interpres) , si e is t i n ihre r eigent lichen Botschaf t kla r (claritas) , auc h wen n einzeln e Stelle n dunke l sei n mögen ; si e allein is t Richter , Nor m un d Richtschnu r (iudex , norma et regul a - so i n de r Kon kordienformel vo n 1577).
Dieses reformatorisch e Schriftprinzip , da s di e Schrif t zu r normierende n Norm (norma normans) schlechthi n erklärt , betriff t nu n nich t etw a nu r da s Neue Testament , sonder n de n ganze n Kano n Alte n un d Neue n Testaments , wie di e Konkordienforme l ausdrücklic h sagt : e s besteh t ei n Unterschie d zwischen de n heilige n Schrifte n Alte n un d Neue n Testament s einerseit s un d allen Schrifte n andere r Herkunf t andererseit s (discrime n inter Sacras Veteri s et Nov i Testament ! littera s e t omnia aliorum scripta) . Auc h da s Alt e Testa© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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ment wird also , freilich zusamme n mi t dem Neuen Testament, zu r Norm und Richtschnur de r christliche n Kirche . Dami t mußt e di e alt e Frag e nac h Mög lichkeit und Grenze solcher Geltung erneut gestellt werden. 3. Luther und das Alte Testament Auch Luthe r stan d anfang s noc h au f de m Bode n de r traditionelle n kirch lichen Lehr e vom vierfachen Schriftsin n un d war vo n Rech t und Notwendig keit de r Allegores e überzeugt . Sein e alsbaldig e Abwendun g vo n de r schola stischen Methode , sein gänzlich neues Verständnis der Aufgabe de r Theologie und des Wesens der Kirche als der Gemeinde, die aus dem verkündigten Wor t lebt, führte n nich t nu r dahin , da ß de r Wortsin n (sensu s litteralis ) imme r stärkere Beachtun g fand . Luthe r ha t auc h späterhi n noc h di e allegorisch e Methode reichlic h angewandt . Sein e Reformatio n bracht e abe r meh r al s nu r eine Änderun g de r exegetische n Methode . Si e leitet e vielmeh r di e Befreiun g der Schrif t au s de r babylonische n Gefangenschaf t unte r de r Vorherrschaf t von Kirchenlehre , Lehramt , Traditio n un d allegorische r Harmonisierun g ein . Auch di e Reaktio n de r spätere n Orthodoxi e - und auc h jegliche r Neuortho doxie — hat dies e Entwicklun g allenfall s nu r bremse n un d verdecken , abe r nicht aufhalte n können . Is t di e Schrif t normierend e Norm , s o wird di e Auslegung zu r vornehmste n theologische n Aufgabe , Auslegun g abe r leg t au s und bring t a n de n Tag , wa s zuvo r unverstanden , mißverstanden , verborge n gewesen war . Die s gil t fü r di e beide n Testament e gleichermaßen . Häl t ma n sich i m Vollzu g de r Auslegun g tatsächlic h a n solch e Grundsätze , s o könne n die Unterschied e zwische n de n beide n Testamenten , abe r auc h noc h inner halb derselbe n nich t verborge n bleiben . Auc h da s Argumen t de r Gegne r de r Reformation, da ß lang e nich t alle s i n de r Schrift , welch e doc h - sola scrip tura - Richtschnur fü r di e rechte Glaubenslehre sei n sollte, mit dem Paulinismus Luthers übereinstimme , macht e au f solch e Differenze n aufmerksa m un d nötigte z u Differenzierunge n zwische n Stelle n mi t größere r un d geringere r Autorität, zwische n Wor t Gottes , das nur anderen Mensche n frühe r galt , und solchem, das heute existentiell angeht . Die wichtigste Unterscheidun g is t die zwischen de m Evangelium al s mündlicher Botschaf t un d de r Schrift , di e nu r dienend e Funktio n hat , nich t abe r selbst das Wort des Heils, das Heil bringende Evangelium ist. Trotz und wegen des Prinzip s sol a scriptur a al s de s entscheidende n hermeneutische n Grund satzes vo n de r sic h selbs t auslegende n Schrif t is t da s Wor t Christi , da s Wor t von Christus, das „Christum treibet" , die Norm der Schrift, da s Kriterium des „Kanons im Kanon" und der hermeneutische Schlüssel zum rechten Verständnis der Schrift. Vermochte un d wagte e s Luther, mi t diesem Maßsta b da s Neue Testament zu messe n un d Kriti k a m Judasbrief , zweite n Petrusbrief , Hebräerbrief , de r Apokalypse de s Johanne s un d insbesonder e a m Jakobusbrief , desse n Beur teilung al s „strohern e Epistel " berühm t wurde , z u üben, s o konnte ers t rech t das Alt e Testamen t nich t meh r unkritisc h un d undifferenzier t al s heilig , © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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göttlich un d gülti g gelten . Da ß freilic h überhaup t di e Christe n ei n Rech t haben, sic h au f da s Alt e Testamen t al s erste n Tei l ihre r heilige n Schrif t z u berufen, un d nich t di e Juden , steh t fü r Luthe r fest . Gewi ß is t da s alttesta mentliche Geset z zunächs t de n Jude n (de m Vol k Israel ) gegebe n un d gewi ß galten di e Verheißunge n Gotte s zuers t seine m erwählte n Volke . Sei t di e Juden abe r Christu s verwarfe n un d kreuzigte n un d gar di e Weissagungen vo m leidenden Gottesknech t vo n Jes.5 3 au f sic h selbs t al s unte r de n Heide n lei dendes Vol k z u beziehe n sic h erdreisten , sin d si e vo n Got t verworfe n un d haben si e nich t einma l meh r eine n Anspruc h darauf , ihre m eigene n Geset z gemäß z u leben , da s außerhal b de s gelobte n Lande s sein e Gesetzeskraf t verloren hat . Si e solle n de n Gesetze n de r Völker , unte r di e si e zu r Straf e zerstreut sind , gehorchen , wi e si e j a selbs t al s „Kaiserjuden " Pilatu s gegen über de n Kaise r anerkann t hatten . Vo r de r große n Wend e de s jüdische n „Kreuziget ihn! " freilic h wa r Israe l da s Gottesvolk , da s au s de r Wel t alle r Heidenvölker herau s erwähl t worde n wa r un d ein e einzigartig e Geschicht e unter Gotte s Wort un d durch Gotte s Führungen erfahre n hatte . Hat Got t auc h jetzt di e Jude n z u Zeuge n seine s Zorne s gemacht , s o zeug t doc h nac h wi e vor da s Alt e Testamen t vo n Gotte s Verheißunge n un d seine m gnädige n Len ken de r Geschichte , di e daru m un d nich t etw a wei l dari n Heilig e gehandel t hätten, al s heilig e Geschicht e bezeichne t z u werde n verdient . Un d vo n ih r spricht nac h wi e vo r da s Alt e Testament . E s is t darübe r hinau s ein e uner schöpfliche Sammlun g vo n Beispielen , wi e Mensche n unte r Got t leben, lieben , hassen, leiden , kämpfen , sündige n un d Erbarme n finden . De r Umstand , da ß das biblisch e Weltbil d - Himmel, Erde , Unterwel t - noch weitgehen d de m eigenen entsprac h un d di e i n de r Schrif t vorausgesetzte n politischen , soziale n und ökonomische n Verhältniss e vo n dene n de s ausgehende n europäische n Mittelalters nich t allz u seh r verschiede n waren , erleichtert e dies e reforma torische Wiederentdeckun g un d diese n scheinba r unmittelbare n Zugan g zu m wörtlichen Sin n der Schrift. Auc h die Überzeugung, da ß die menschliche Natu r sich durc h di e Jahrhundert e hindurc h doc h wesentlic h gleic h bleibe , un d der Mensc h z u verschiedene n Zeite n un d unte r sic h wandelnde n Umstände n doch i n ähnlich e Situatione n gerä t un d vo r vergleichbar e Fragen , Sorgen , Nöte gestell t werde , ermöglicht e es , alttestamentlich e Text e analo g z u ver stehen un d al s fü r di e Gegenwar t ebens o gültig , lehrreic h un d heilsa m anzu wenden. Di e vo n existentielle m Betroffensei n durc h da s Glaube n weckend e Wort ausgehend e Theologi e Luther s erfähr t s o di e Möglichkeit , auc h ohn e theoretisch-hermeneutische Besinnun g un d ohn e ei n durchreflektier t ange wandtes hermeneutische s un d exegetische s Instrumentariu m de n existen tiellen Sin n und die Gleichzeitigkeit de r alten Texte zu erfassen . Wie di e heilig e Geschichte , di e da s Alt e Testamen t berichtet , nich t al s Geschicht e von Heilige n verstande n wird , s o geling t e s dieser de n Wortsin n suchende n un d de n Text als Aussage übe r Menschen fü r Mensche n verstehende n neue n Exegese auch, die mancherlei Anstößigkeite n un d Grausamkeiten , dere n sic h di e alttestamentliche n Menschen schuldi g machen , menschlic h verständlic h z u machen , stat t si e wegzu srklären ode r moralisc h z u entschuldigen , wenngleic h Luthe r gelegentlic h auc h di e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Meinung vertrete n konnte , Got t hab e Böse s zugelasse n ode r ga r durc h de n Heilige n Geist eingegeben , u m dadurc h sein e höheren , gute n Ziel e z u erreichen . Da ß solch e Interpretation, welch e da s Bös e z u nenne n wagt , di e Textintentio n durchau s treffe n kann, se i ausdrücklic h vermerkt . E s kann z.B . kau m eine m Zweife l unterliegen , da ß in de r jahwistischen Quell e de s ersten Buche s Mose Abraham, Jako b un d ander e Gestalten i n ihre m Umkrei s keinesweg s al s moralisch e Vorbilde r un d doc h al s Glau bensbeispiele und Menschen einer Gottesgeschichte vorgeführt werden. Luthers existentielle r Ansat z erschließ t ih m auc h un d insbesonder e de n Psalte r und ermöglich t e s ihm, sic h Klag e un d Jubel , Anfechtun g un d Tröstun g de r Psalme n zu eige n z u machen , sic h i n diese n Gebete n „unterzubringen " un d di e eigene , christ liche Existen z vo n ihne n auslege n z u lassen . Di e später e Erkenntni s de r moderne n Psalmenforschung, da ß da s Ich der Psalmen kei n historisch-individuelles , sonder n ei n religiös-typisches is t un d da ß di e Psalme n nich t einmalig e historische , sonder n typi sche Situationen voraussetzen , bestätigt e nachträglich di e grundsätzliche Angemessen heit dieses Umgangs mit dem Psalter. Freilich is t da s Alt e Testamen t fü r Luthe r nich t nu r Beispielsammlung , nicht nu r Gebetbuc h fü r Christen . De r Exege t Luthe r wei ß z u differenzieren . So kan n e r i n de r Auseinandersetzun g mi t Gegnern , welch e z u seine r Wider legung di e Schrift , au f di e e r sic h - sola scriptur a - doch beruft , gege n ih n auszuspielen versuchen , betonen , da ß nich t alle n Schriftstelle n gleich e Autori tät zukomm e un d da ß ei n Unterschie d se i zwische n de m Wor t Gottes , da s einst andere n galt , un d dem , da s heut e ergeht . Solch e Unterscheidunge n sin d im Neuen Testamen t notwendi g un d erst recht innerhalb de s Alten Testaments. Hier gil t e s zunächs t z u erkennen , da ß da s Geset z Mose s de n Jude n (Israel ) und nu r ihne n gegebe n wurde . E s is t ei n nationa l gebundene s un d au f ein e Nation beschränkte s Gesetz , „de r Jude n Sachsenspiegel" , un d geh t de n Chri sten nicht s an , ma g e s imme r vo n Got t durc h de n Mittle r Mos e a m Sina i er lassen worde n sein . Diese s Urtei l betriff t auc h nich t nu r da s Zeremonialgeset z im engeren Sinne , sondern da s ganze Gesetzeswerk , wi e e s in den fünf Bücher n Mose, de m Pentateuch, enthalten ist . Di e Beachtun g de s wörtliche n Sinne s lehrt auch , da ß mancherle i Bestimmunge n einfac h Volksbräuch e waren , di e von Mos e nachträglic h zu m Geset z erhobe n wurden . Freilic h enthäl t sein e Gesetzgebung auc h Stücke , di e nich t nationa l gebunde n sind . Da s sin d die jenigen Teile , di e de m alle n Mensche n geltende n Gottesgeset z entsprechen , das jede m in s Her z geschriebe n ist . Dies e gelte n daru m auc h fü r Christen . Sie finde n innerhal b de s Alte n Testament s ihre n deutlichste n Ausdruc k i n den Zeh n Geboten , de m Dekalog . Abe r auc h diese r umfaß t noc h Bestimmun gen, di e zu r jüdische n Zeremonialgesetzgebun g gehören , nämlic h da s Bilder verbot, un d da s Sabbatgebot ; solch e Anordnunge n sin d fü r de n Christe n nich t mehr gültig . Luthers theologische s Verständni s de s Gesetze s überhaup t un d sein e Beurteilung de s Alte n Testament s bedinge n sic h gegenseitig : Is t nu r noc h da s ins Gewisse n geschrieben e Geset z al s Gotte s eigene r Will e i n Kraft , s o gil t dennoch un d gerad e hier , da ß Christu s de s Gesetze s End e ist . Jene n Sat z de s Paulus (Rom . 10,4) hat Luthe r mi t vollem Rech t nich t nu r au f da s israelitisch © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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jüdische Volksgeset z un d nich t nu r au f da s Zeremonialgeset z - diese haben , als nu r fü r Israe l bestimmt , ohnehi n fü r de n Christe n keinerle i Bedeutun g mehr - , sondern au f da s Geset z schlechthi n bezoge n un d desse n Aufhebun g gut paulinisc h dialektisc h verstanden . Wi e Paulu s schreibe n kann : „Hebe n wir den n da s Geset z durc h de n Glaube n auf ? Nein , sonder n wi r richte n da s Gesetz auf" (Röm . 3,31), so lehrt auch Luther, daß das Gesetz kein menschenmöglicher We g zu m Leben , zu m Heil un d zur Rechtfertigun g is t und daß der Mensch nich t au s sic h herau s mi t eigene n Werke n de s Gesetze s sic h selbs t rechtfertigen kann , da ß solch e Selbstrechtfertigun g mi t Hilf e de s Gesetze s gerade sein e eigentlich e Sünd e ist . Woh l abe r is t da s in s Her z geschrieben e Gottesgesetz, wi e e s i n de n Zeh n Gebote n enthalte n is t un d desse n eigent licher Sin n i m Doppelgebo t de r Gottes - un d Nächstenlieb e zu m Ausdruc k kommt, nac h wi e vo r Gottes heiliger, fordernde r Wille . Christu s is t das Ende des Gesetzes , wei l e r allei n da s Geset z erfüll t hat . Seine r Erfüllun g werde n die, di e an ihn glauben, teilhaftig . Dem s o verstandenen Gesetz , da s Gottes fordernde n Wille n kundtu t und, weil e s vom Menschen nich t erfüll t wird , ih m zeigt , wa s er tu n müßt e un d doch nich t tut , wa s e r sei n müßt e un d doc h nich t ist , un d so Gotte s Zor n offenbart un d i n de n To d führt , steh t da s Evangeliu m al s Verheißun g un d Zusage de s Lebens gegenüber . Di e Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangelium wir d zu m wichtigsten hermeneutische n Schlüsse l für die - sola scriptura sich selbs t auslegend e Schrif t un d für di e Bestimmun g de s Verhältnisse s de r beiden Testamente . Si e wirkt be i Luthe r fas t wi e ein e Wünschelrut e fü r das Aufspüren de r rechten Bedeutung der einzelnen Schriftaussagen . Die Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangeliu m entsprich t derjenige n von Alte m un d Neuem Testament . Dabe i is t freilich z u beachten, da ß „Testament" hie r noc h ode r wiede r i n seine m ursprüngliche n Sinn e al s göttlich e Heilsordnung un d Verfügun g Gotte s verstande n wir d (vgl . obe n Kap . II, S.35 ff.). Di e beiden als o verstandene n Testament e ode r Bünd e sin d nu n aber nicht ohn e weitere s deckungsgleic h mi t de n Alte s bzw . Neue s Testamen t genannten Kanonteilen . Wi e der Alte Bun d nich t mi t der Schriftensammlun g des Alte n Testament s zusammenfällt , s o is t auc h da s Evangeliu m nich t mi t dem Neuen Testament identisch . Das Evangeliu m is t überhaup t nich t zuers t Schrift , sonder n mündliche s Wort , mündliche Zusage , Botschaft , lebendig e Stimm e (viva vo x evangelii). Diese Betonung der wesentliche n Mündlichkei t de s Evangeliums wil l zweifello s de m Mißverständnis wehren, al s handle e s sich u m eine - schriftlich ei n für allemal fixiert e - Lehre stat t um ein e Botschaf t vo n einem Tu n Gottes in Christus i n der Unwiederholbarkeit der Geschichte; ode r al s sei das Evangelium selbs t ei n - schriftliches - Gesetz, ebe n ein neues, christliche s Gesetz . Schriftlic h is t da s Geset z sowoh l al s Zeremonial - un d Nationalgesetz („de r Juden Sachsenspiegel" ) al s auch als Zehn Gebote, die auf Tafeln geschrieben stehen . Schrif t is t da s Alte Testamen t - jetzt al s erste r Kanontei l ver standen - als Weissagung au f Christus. Die Schriftlichkeit dien t hie r de r Bewahrung und der Sicherung der Vorherbezeugung. Wort de s Evangelium s un d Schrift , Evangeliu m un d Neue s Testament , Gesetz un d Altes Testamen t sin d als o fü r Luther nich t identisch , sonder n das 4 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Alte Testamen t umfaß t Geset z un d Evangelium . Abe r auc h noc h da s Neu e Testament is t nac h de m Kriteriu m Geset z un d Evangeliu m z u lesen , un d nich t alles un d jede s dari n Geschrieben e is t reine s Evangelium . Vo n dahe r nah m Luther sic h auc h da s Recht , übe r de n Judasbrief , de n zweite n Petrusbrief , de n Hebräerbrief un d di e Offenbarun g de s Johannes, j a soga r übe r di e Synoptike r gelegentlich kritisch e Urteil e z u fällen . Di e dialektisch e Unterscheidun g vo n Gesetz un d Evangeliu m is t prinzipiel l un d fundamental , diejenig e zwische n Altem un d Neue m Testamen t al s Kanonteile n is t e s nicht . De r Unterschie d der Testament e is t einma l nu r graduell : da s Alt e Testamen t enthäl t meh r Gesetz, da s Neu e Testamen t meh r Evangelium . E r is t anderma l zeitliche n Charakters: da s Evangeliu m ergeh t i m Alte n Testamen t nac h de r Meinun g Luthers al s Verheißun g un d Weissagung , i m Neue n Testamen t hingege n wir d die Erfüllung verkündigt . Mit seine r grundlegende n Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangeliu m hat Luthe r nich t nu r da s Herzstüc k de r Botschaf t de s Paulu s i n verwandelte r Situation ne u un d fruchtba r zu r Geltun g gebracht . E r ha t dami t auc h zu m paulinischen Umgan g mi t de m Alte n Testamen t zurückgelenkt : da s i m Alte n Testament enthalten e Geset z de s Alte n Bundes , sofer n e s meh r is t al s nu r ei n Sachsenspiegel de r Juden , is t abgeta n un d radika l aufgerichte t i n einem . Di e im Alte n Testamen t abe r ebens o bezeugte n Zusagen , Gnadenerweise , Ver heißungen un d Weissagunge n werde n al s i n Christu s erfüll t ne u zu r Sprach e gebracht. D a nu n abe r di e theologisch e Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangelium anthropologisch-existentia l de n zwe i fundamenta l entgegen gesetzten Möglichkeite n menschliche n Daseinsverständnisse s - Selbsterlösung oder Erlösung , Selbstverwirklichun g ode r Lebe n al s geschenktes , de r Mensc h dem Mensche n da s höchst e Wese n ode r de r Mensc h wahrhaf t Mensc h ers t unter Got t - entspricht, biete t dies e Unterscheidun g zugleic h de n hermeneu tischen Schlüsse l da r sowoh l fü r di e neutestamentliche n al s auc h fü r di e alt testamentlichen Texte . Hermeneutisc h er Schlüsse l - wie wir d de r Mensc h i m konkreten Tex t verstanden ? - und theologische s Kriteriu m - Gesetz un d Evangelium - fallen fü r Luthe r zusammen . Dieser hermeneutisch e un d zugleic h theologisch e Ansat z ermöglicht e es , die Einhei t de r Schrif t un d di e Unterschied e ihre r Schichten , di e nich t ohn e weiteres mi t ihre n Kanonteile n zusammenfallen , ne u z u erfassen . E r ermög lichte auc h ein e i m einzelne n differenzierend e Exegese , di e ohn e Haarspaltere i an de r anthropologisc h un d theologisc h fundamentalste n Differen z orien tiert bleibt . Luther s hermeneutische r un d theologische r Schlüsse l - Gesetz und Evangeliu m - erschloß ih m di e Möglichkeit , Evangeliu m auc h i m Alte n Testament z u finden , hie r Beispiel e fü r de n Glauben , fü r Existen z au s Gott , aber auc h ohn e un d gege n Got t z u entdecken , mi t dere n Hilf e auc h gegen wärtige, christlich e Existen z ausgeleg t werde n kann , ohn e da ß de m Wortsin n der Text e Gewal t angeta n werde n müßte . E s kann kein e Frag e sein , da ß hie r im Ansat z ein e Lösun g de r hermeneutische n Problemati k sic h anbahnte , di e auch heut e noc h nich t überhol t sei n muß , wenngleic h di e historisch-kritisch e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Forschung un d di e allgemein-hermeneutisch e Diskussio n g e w i ß übe r Luther s Position hinweggeschritte n sind . Luthers existentielle r Zugan g z u alttestamentliche n Texte n un d di e Anwendun g seines mi t de r dialektische n Entgegensetzun g vo n Geset z un d Evangeliu m gegebene n hermeneutischen Schlüssel s beruhte n freilic h au f de r Überzeugung , da ß da s Alt e Testament - mit Ausnahm e vo n de r „Jude n Sachsenspiegel " - als Geset z un d al s Evangelium unmittelba r de n Christe n gelte , ja , da ß nu r di e Christen , i m Gegensat z zu de n Jude n mi t ihre n sündhafte n Mißverständnisse n un d Lügen , da s Alt e Testamen t als christliche s Buc h überhaup t rech t verstehe n können . Dies e Überzeugun g ist , gemessen a m ursprüngliche n Sin n de r Texte, ein Vorurteil , da s sich nu r unter häufige m Verzicht au f de n Wortsin n exegetisc h durchführe n läßt . Au s de m sensu s litterali s wird dan n de r vermeintliche sensu s litteralis propheticus , und die allegorische Method e ist so nicht wirklich überwunden . Auch i n andere r Hinsich t wir d de r fruchtbar e hermeneutisch e Ansat z nich t gan z konsequent un d nich t ohn e traditionelle s Beiwer k durchgehalten . E r verbinde t sic h mit de m geschichtstheologische n Urteil , da ß Evangeliu m vo r Christu s nu r Verheißun g und Weissagung au f Christu s sein kann . Die Gebundenheit de r Heilsverkündigung, als o des Evangeliums , a n Christu s impliziert e fü r Luthe r ein e zeitlich-linear e Festlegun g des Evangelium s au f di e Geschicht e sei t Christus , de r gegenübe r di e Vorgeschicht e nur di e Zei t de r Weissagun g un d Verheißun g sei n kann . Da s existential-theologisch e Kriterium Geset z un d Evangeliu m verquick t sic h mi t de m zeitlich-linea r gedachte n Schema Weissagun g un d Erfüllung . Da s abe r gestatte t e s ihm , da s Alt e Testamen t nicht nu r christozentrisc h z u lese n - also vo n eine m Glaube n her , de r primä r Glaub e an Christu s is t un d sic h a n das , wesentlic h durc h da s Neu e Testamen t vermittelt e Wort vo n Christu s hält , welche s überhaup t allerers t da s hermeneutisch e un d theolo gische Kriteriu m Geset z un d Evangeliu m zu m Maßsta b schlechthi n erheb t - , sondern auch e s christologisc h auszudeuten . Das heiß t also : nich t nu r di e messianische n Weis sagungen i m engere n Sin n i n de n Prophetenbüchern , auc h „Mose " un d sein e Büche r sind, wi e di e Psalmen , i n ihre m tiefste n Sin n erfaßt , ein e Weissagun g nich t nu r au f das Evangeliu m un d insofer n selbs t scho n Evangelium , sonder n auc h Vorhersag e Christi un d seine s Lebens und Sterbens . Hierin unterscheide t sic h Luthe r als o nich t vo n der alte n Kirch e sei t neutestamentliche n Zeiten , un d sei t bereit s fü r Justi n Jesaj a un d die Psalme n da s Geschic k Jes u Christ i i n Einzelheite n geweissag t hatte n un d all e Gotteserscheinungen, vo n dene n da s Alt e Testamen t z u berichte n weiß , Erscheinunge n des Logos-Christus gewese n waren . Von bleibende r Bedeutun g un d fortwirkende r Kraf t w a r vielmeh r sein e dialektische Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangelium . Losgelös t vo m über kommenen D o g m a vo m Verheißungs - un d Weissagungscharakte r de s Alte n Testaments kan n dies e Unterscheidun g al s klare s hermeneutische s Prinzi p und Kriteriu m A n w e n d u n g finden , ohn e wi e ei n neues , de r Schrif t vorgeord netes Dogm a ode r al s neu e Glaubensrege l übe r di e recht e Auslegun g i m vorau s zu entscheiden . Di e Dialekti k vo n Geset z un d Evangeliu m w u r d e vielmeh r aus de r Schrif t selbs t erhoben , un d ein e sic h a n ih r orientierend e Auslegun g macht daru m nu r Erns t mi t de m reformatorische n Satz , d a ß di e Schrif t sic h selbst auslege . D a de r fundamentale n theologische n Unterscheidun g di e eben so fundamental e Polaritä t vo n zwe i entgegengesetzte n Möglichkeite n mensch lichen Daseinsverständnisse s korrespondiert , ermöglich t ihr e A n w e n d u n g al s 4* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht der Reformation un d im Feue r historischer Kriti k
eines hermeneutische n Prinzip s i n de r Konsequen z ein e wissenschaftlich e und vo m Dogm a befreit e Exegese , di e bei m Tex t al s eine m Geweb e mensch licher Wort e un d menschliche r Lebensäußerunge n einsetzt , ohn e i n solche r anthropologischen Orientierun g da s Theologisch e verfehle n z u müssen . Diese Konsequen z vermochte n ers t Später e nac h Luthe r z u ziehen . Si e wär e ohne di e vo n ih m ausgehende n Impuls e nich t denkba r gewesen ; si e hätt e ohne di e reformatorisch e Vorrangstellun g vo n Schrif t un d Exeges e kau m di e theologische un d geistesgeschichtlich e Bedeutun g erlangt , di e ih r tatsächlic h zukommt. Man kann in der Tat die „freie Untersuchung des Canon" wie sie von Johann Salomo Semler rund zweieinhalb Jahrhundert e nac h Luthers Reformation proklamier t wurde , als legitime Erbi n reformatorische r Ansätz e un d Denkanstöße betrachten . Nicht ohne Grund ha t ma n Semle r de n Luthe r de s 18. Jahrhunderts genannt. Zwa r läß t sic h keine gerade Linie von Luther zu Semler und der späteren historisch-kritischen Wissen schaft vo m Alte n un d Neue n Testamen t zeichnen . Z u viel e Impuls e andere r Her kunft habe n hie r miteingewirkt : Aufklärung , philosophische r Idealismus , Romantik , profanhistorische un d archäologische Entdeckungen bis hin zur analytischen Literatur wissenschaft. Woh l abe r nah m un d nimm t di e historisch-kritisch e Wissenschaf t i n ihrer Anwendun g au f da s biblisch e Schrifttu m unte r verwandelte n Bedingunge n un d mit neuen Mitteln ei n reformatorisches Grundanliege n wiede r auf. Si e tat und tut das, indem si e durc h di e Infragestellun g un d Destruktio n vermeintliche r Sicherheite n und Sicherunge n de n We g zu r Begegnun g mi t de r Schrif t freizulege n sic h bemüh t und dami t au f ihr e Weis e da s sol a scriptur a auc h gege n di e protestantische n Auto ritäten un d Traditione n i n Dogm a un d Am t zu r Geltun g bringt . Di e Analogi e zu r reformatorischen Rechtfertigungslehre : allei n durc h de n Glaube n a n Christus , allei n auf sei n Wort hin - ist in der Tat unverkennbar (vgl . Gerhard Ebeling, Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode, S. 43 ff.). 4. Dogmatisches System und kirchliche Restauratio n Daß di e historisch-kritisch e Wissenschaf t un d ihr e Ergebniss e freilic h zunächst ein e negativ e Wirkun g hatte n un d de r kirchliche n Lehr e un d de m Glaubensleben de n Bode n z u entziehe n schiene n un d fü r ein e breit e Öffent lichkeit zuers t un d zumeis t unte r diese m negative n Aspek t i n Erscheinun g traten un d ga r bi s i n di e Gegenwar t al s Angrif f au f da s Christentu m verdäch tigt werden , widersprich t ihre r reformatorische n Legitimatio n keineswegs , sondern ha t ander e Gründe . Dies e liege n i n eine r sic h scho n z u Luther s Leb zeiten abzeichnende n rückläufige n Bewegung . E s sol l hie r nich t untersuch t werden, o b jen e Reaktio n un d kirchlich e Restauratio n historisc h vermeidba r gewesen wäre n ode r sachlic h notwendi g waren . Tatsach e is t au f jede n Fall , daß di e au s de r Reformatio n hervorgegangene n Kirche n ihr e eigen e Dogmati k und ein e neu e Scholasti k ausbildeten . Dogmati k tendier t zu m System , i n einem Syste m jedoc h läß t sic h di e existentiel l bezogen e Unterscheidun g vo n Gesetz un d Evangeliu m schwe r unterbringen . Auc h di e eigentümlich e Über schneidung vo n Alte m Bun d un d Geset z un d Neue m Bun d un d Evangeliu m einerseits mi t de n beide n Kanonteile n andererseit s anstat t eine r Deckungs © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Dogmatisches System und kirchliche Restauration
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gleichheit Alte s Testament , Alte r Bund , Geset z un d Neue s Testament , Neue r Bund, Evangelium , läß t sic h schwe r i n ei n dogmatisc h klare s Syste m bringen . Auch da s Schriftprinzi p sol a scriptur a i n seine m ursprüngliche n Verständni s als hermeneutische s Prinzip , da s sagt , da ß di e Schrif t sic h selbs t auslegt , läßt sic h leichte r ander s fasse n al s Behauptun g de r Identitä t vo n Schrif t un d Wort Gottes . So wird au s der Klarheit de r Sache der Schrift, nämlic h de s Evangeliums i n seine r Polaritä t zu m Gesetz , di e vermeintlich e Eindeutigkei t inspi rierter Schriftbuchstaben . Dies e Schriftlehr e - das Dogm a vo n de r Verbal inspiration - ebnet abe r all e Differenzen un d Nuancen, di e an den Tag getrete n waren ode r hervorzutrete n ebe n ers t angefange n hatten , wiede r ein . Is t di e Heilige Schrif t verba l inspiriert , wir d auc h de r Unterschie d vo n Alte m un d Neuem Testament verschleiert . So lehre n Melanchthon s Loc i communes (1521) , die erst e Systematisierun g refor matorischer Ansätze , i n de r letzte n Ausgab e vo n 1561, daß i n beide n Testamente n dieselbe Stimm e der Propheten un d Apostel übe r all e wesentlichen Heilswahrheite n — Sünde, Erlösun g durc h Christus , ewige s Lebe n un d di e recht e Gottesverehrung laut werde . Di e Behauptun g eine r Identitä t beide r Testamente , di e mi t eine r un d derselben Stimm e (eade m vox) reden, wir d dan n doc h wiede r dahingehen d abge schwächt, da ß i m Alten Bun d die Verheißung de s Evangeliums ers t angefange n habe . Auch hier wird als o die beide Testamente umfassend e Polarität vo n Gesetz und Evangelium mi t de m andere n Moti v eine r vo n Verheißun g z u Erfüllun g verlaufende n Heilsgeschichte verbunden.
Im Ansat z wenige r al s i n de r Akzentuierun g eigentümlic h vo n Luthe r und de n Seine n verschiede n is t Calvin s Verständni s de r Schrif t vo n große r Bedeutung fü r di e später e theologisch e Entwicklun g insbesonder e i n de r Schweiz un d de n nicht-deutschsprachige n reformatorische n Kirche n geworden. Mann de r zweite n Generation , hervorragen d gebildete r Exeget , Dogma tiker un d a n kirchliche r Ordnun g u m de r Heilsordnun g wille n orientierte r Kirchenmann un d Prediger in einem, ist er nicht nur „Kirchenvater" de r reformierten (nac h de m Wor t Gotte s un d de r Ordnun g de s Evangelium s erneu erten) Kirche , sonder n unte r Anknüpfun g a n vorreformatorisch e Dogmen bildung, insbesonder e di e Satisfaktionstheologi e Anselm s vo n Canterbury (das de m Mensche n fehlend e Verdiens t wurd e stellvertreten d vo n Christu s erworben), de r groß e Systematisiere r de r Reformatio n geworden . Di e Schrif t als ganz e is t fü r ihn , ohn e da ß e r die s besonder s betonte , inspiriert . Si e is t es i n de m Sinne , da ß si e Instrumen t de s Heilige n Geiste s ist , abe r nich t so , wie es die spätere orthodoxe Lehre von der Verbalinspiration behauptete , daß nämlich Wor t Gotte s un d Schriftwor t identisc h seien . Ihr e als o verstanden e Inspiriertheit setz t ihr e Einhei t prinzipiel l voraus . Die s bedeute t fü r Calvi n freilich nicht , daß aus den inspirierten Buchstaben das Heil gleichsam ablesba r wäre. Inspiratio n de r Schrift is t kein e Heilssicherung . Da s Heil empfäng t nu r der Glaube, der durch das Zeugnis des Heiligen Geiste s (testimonium Spiritus Sancti internum) , das fü r de n Mensche n gänzlic h unverfügba r bleibt , di e Wahrheit un d di e Bedeutsamkeit de r Schrift vernimmt . Ebensoweni g schließ t die Vorrangstellun g de r Schrif t di e historisch e un d philologisch e Kriti k a n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht der Reformatio n un d im Feuer historischer Kriti k
der Schrif t aus . Forder t de r Dogmatike r Calvi n di e Einhei t de r inspirierte n Schrift, di e das schriftliche Zeugni s vom eine n Wor t Gottes , das Jesus Christu s heißt, ist , s o bleibe n de m Exegete n Calvi n di e Unterschied e un d Nuance n keineswegs verborgen . Si e sin d fü r ih n dadurc h bedingt , da ß da s ein e Wor t Gottes au f verschieden e Weis e ergeht , abe r au f da s ein e un d selbig e Hei l zielt . Sind be i Luthe r Geset z un d Evangeliu m i n eine m polare n Verhältni s gesehen , das Gotte s Wille n i n zwe i Richtunge n un d ga r i n zwe i Wort e auseinander zuspalten scheint , s o wahr t Calvin s Verständni s ehe r di e Einhei t beide r al s zweier Aspekt e desselbe n Gotteswortes : auc h da s Geset z ziel t au f de s Menschen Heil , inde m e s de m Unhei l de r Sünd e wehr t un d de n Mensche n seines Sünderseins überführt . Diese vo n Luthe r nich t grundsätzlic h verschieden e Auffassun g setz t di e Akzente als o doc h anders : au s de r reine n Dialekti k vo n Geset z un d Evan gelium wir d hie r eine Heilsordnung, di e vom Gesetz, das dem Verderben wehr t und des Bösen überführt, übe r da s Evangelium zu r Heiligung unte r de m Geset z führt. Da s Geset z führ t nu r unte r Absehun g vo n Christu s i n de n Tod , un d di e Freiheit vo m Geset z beruh t darau f un d besteh t darin , da ß Christu s stellver tretend da s Geset z erfüll t hat ; dami t ha t da s Geset z sein e tötend e Macht , nicht aber seine Gesetzeskraf t verloren . Die s o verstanden e Einhei t vo n Geset z un d Evangeliu m finde t ihre n Aus druck i m Begrif f „Bund" . Diese s Wor t is t Wiedergab e de s lateinische n „foe dus" = „Vertrag", da s wiederu m di e nich t gan z adäquat e Übersetzun g de s hebräischen „berit " ist . Bedeute t da s alttestamentlich e „berit " i n seine r Anwendung au f Got t niemal s eine n zweiseitige n Vertrag , sonder n verpflich tende Verbundenheit , s o mein t Bun d i n seine r dogmatische n Neuprägun g so wohl di e Zusag e un d di e Zuwendun g Gotte s al s auc h seine n Anspruc h un d sein Gesetz . De r als o verstanden e Bun d wurd e zuma l i n de r reformierte n Dogmatik ei n wichtige r Lehrsatz , ei n Theologumenon , mi t desse n Hilf e ins besondere auc h da s Verhältni s de r Testament e al s Geschicht e vo n Bundes schließungen - Adam, Noah , Abraham , Christu s - bestimmt werde n konnte . Auch hie r konnt e di e reformiert e Dogmati k a n Altkirchliche s anknüpfen : scho n Irenäus hatt e i n seine r antignostische n Polemi k di e Einhei t de r Testament e beton t und dies e i n de r Selbigkei t Gottes , de r i n mehrere n Bundesschlüsse n handelte , ange setzt. Bereits 1534 erschien aus der Feder Heinrich Bullingers, des Nachfolgers Zwing lis in Zürich , ein e Monographi e mi t de m Titel: D e testamento se u foeder e Dei unic o et aetern o (Übe r da s Testamen t ode r de n einzige n un d ewige n Bun d mi t Gott) , di e den Bundesbegrif f zu m Angelpunk t biblische r Theologi e machte . Vo n d a a n bleib t „Bund", al s Theologumenon insbesonder e vo n Caspa r Olevia n un d dan n vo n Cocce jus (s.u . S.59f. ) vol l entfaltet , di e biblisch e Klammer , welch e i n de r reformierte n Dogmatik Altes und Neues Testament verbindet und den biblischen Charakte r solcher Dogmatik sichern soll. Die mi t de m Bundesbegrif f zu m Ausdruc k gebracht e Zusammengehörigkei t von Geset z un d Evangeliu m entsprich t de r wesentliche n un d wesensmäßige n Einheit de r Schrif t i n ihre n beide n Testamenten , un d di e Einheit de r Schrif t al s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Dogmatisches Syste m und kirchliche Restauratio n
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Zeugnis de s eine n Heilswillen s Gotte s bezeug t un d beleg t di e inner e Einhei t von Gesetz und Evangelium . Das Nebeneinande r de r Testament e schärf t auc h ei n Vorhe r un d Nachhe r und dami t di e Einmaligkei t un d Geschichtlichkei t de s Christusgeschehen s ein. Beid e abe r sin d Zeugni s vo n Christus , da s Alt e schattenhaft , i n Erwar tung un d Verheißung , da s Neu e al s Urkund e de r Erfüllung . Abe r auc h diese r Unterschied is t nu r ei n gradueller , wei l auc h di e Christe n nac h Christu s wi e die alttestamentliche n Fromme n vo r ih m nich t i m Schauen , sonder n i m Glauben un d i n de r Erwartung de r Wiederkunft Christ i leben . So waren scho n die Frommen de s Alten Bundes , Adam, Noah , Abraham , Isaak , Jako b un d di e Propheten un d Gottesmänner , obwoh l si e vo r Christu s lebten , doc h vo m einigen Soh n Gotte s erleuchtet , da ß si e di e Wahrhei t un d da s Hei l Gotte s erkannten. Di e als o betont e Einhei t de r Bibe l läß t e s nich t meh r zu , gewiss e Teile al s de r Jude n Sachsenspiege l z u relativieren , wi e e s Luthe r eins t tat , oder ga r z u verwerfen . Auc h noc h da s Zeremonialgeset z is t i m Gnadenbun d verankert; e s wa r di e Grundlag e un d For m de r Religio n i m Alte n Bund e un d seines Kultus , de r al s Schattenbil d au f Christu s vorauswies . Auc h da s Opfer gesetz is t durc h Christ i Opfe r erfüllt , au f da s hi n e s imme r scho n seine n wahren Sin n hatte . Vie l intensive r un d extensive r noc h al s be i Luthe r führ t der - christlich-theologisch unzweifelhaf t richtig e - christozentrische Ansatz : Gott ha t sic h endzeitlic h un d endgülti g ei n fü r allema l i n Jesus Christu s offen bart un d da s Hei l gebracht , z u eine r unmittelba r christologische n Aus legung alttestamentliche r Texte , di e de n Texte n z u entnehme n meint , wa s di e dogmatische Vorentscheidun g bereit s weiß . Dami t is t einerseit s de r eigen e Aussagereichtum de s Alte n Testament s wenigsten s teilweis e zu m Schweige n gebracht: rede n alttestamentlich e Text e selbs t nich t christologisc h ode r al s Christusweissagung, werde n si e abe r s o aufgefaß t un d interpretier t bzw . umgedeutet, dan n könne n si e ihr e eigen e Sach e natürlic h nich t meh r sagen . Andererseits kan n sic h da s Eigengewich t de s als o unmittelba r christlic h ver standenen Alte n Testament s au f ander e Weis e i n erhebliche m Maß e bemerk bar machen : e s wir d nich t nu r da s Christusgeschehe n mi t Hilf e alttestament licher Vorstellunge n un d Begriff e interpretiert . Da s tat bereit s die Urgemeinde , als si e Jesu s de n Messias , de n Christus , de n Soh n Gottes , de n Davidssohn , den Menschensoh n nannte . Di e de m Alte n Testamen t entnommene n Inter pretamente beginne n jetz t vielmeh r da s Neu e de m Alte n anzugleiche n un d es entsteh t di e Gefahr , da ß di e eschatologische , endzeitlich e un d endgültig e Neuheit de s Christusgeschehen s un d sein e vo n alle m Alten , da s al s vergange n proklamiert war , befreiend e Mächtigkei t nich t meh r vol l zu r Geltun g ge bracht werde n kann . Da s Alt e Testamen t beginn t i n solche r scheinbare n Gleichordnung übe r da s Neu e z u herrschen , de r neu e Bun d wir d zu r Wieder herstellung de s alten , de n di e Sünd e Israel s gebroche n hatte . Un d di e bereit s im Alte n Testamen t ausgesprochen e Erkenntnis , da ß de r neu e Bun d „nicht , wie de r alt e Bun d war " (Jer . 31,32), sein wird , schein t wi e vergessen . Auc h wenn ma n de m Reformato r Calvi n nich t neu e Gesetzlichkei t vorwerfe n soll , so sin d hie r doc h auc h Impuls e angeleg t worden , welch e i n de n sic h au f ih n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Lich t der Reformatio n un d im Feuer historischer Kriti k
berufenden Kirchengemeinschafte n z u eine r Vergesetzlichun g de s christ lichen Leben s geführ t haben , di e nu r de r z u leugne n imstand e ist , de r di e Folgen nich t leibhaftig vo r Augen hat . 5. Das Inspirationsdogma un d die Vorherrschaf t de r Dogmati k Daß auc h di e neu e Dogmati k da s hermeneutisch e Proble m de s Alten Testa ments durc h Gleichschaltun g verschleiert , stat t e s freizulege n un d ga r z u lösen, is t deutlich . Woh l führte n si e un d überhaup t di e nachreformatorisch e Dogmengeschichte indirek t dazu , da ß di e Problem e mi t dest o größere r Vehe menz aufbreche n mußte n un d di e neue n un d erneuerte n Fragestellungen , wel che da s errichtet e dogmatisch e Gebäud e zu m Einstur z z u bringe n begannen , die Kirch e un d de n christliche n Glaube n überhaup t i n Frag e z u stelle n schienen. Die altprotestantisch e Orthodoxi e ha t au f ihr e Weise , di e geschichtlic h wohl nich t z u vermeide n war , sic h bemüht , da s Erb e de r Reformatio n z u sichern. Bracht e abe r di e Reformatio n gerad e di e Entsicherun g de s Mensche n und di e Aufdeckung de r falschen un d vermeintlichen Sicherunge n vo n Dogma , Sakrament un d Amt , s o mußt e de r Versuc h eine r Sicherun g vo n vornherei n problematisch sein . Z u de n wichtigste n Lehrstücke n de r Orthodoxi e gehör t das bi s in s Extre m durchgeführt e Inspirationsdogma . Da ß di e Schrif t inspi riert sei, ist freilich scho n älter e Anschauung . Im Bereic h de s biblische n Schrifttum s sprich t 2.Tim. 3,16 vom Alte n Testamen t als einer Schrift, di e „theopneustos " sei , was in der lateinischen Übersetzun g mi t dem Begriff Inspiratio n wiedergegebe n wir d (scriptur a divinitu s inspirata) . Hie r is t de m Zusammenhang nach wohl an die besondere, herausgehobene Heilsbedeutung der vom Gottesgeist durchwehte n un d vo n Got t selbs t gegebene n Schrif t gedacht , di e sic h dadurch vo n rei n menschliche n Schrifte n unterscheidet . Da ß di e Schrif t al s solch e ob dieser Qualität schlechterdings übermenschlich, göttlich und bis in den Buchstabenbestand hinei n unantastba r sei , is t dami t gewi ß nich t vorausgesetzt . Da s Alt e Testa ment kenn t allerding s di e Vorstellung , da ß Got t selbs t sein e Gebot e diktier t ode r gar selbs t au f di e Gesetzestafel n geschriebe n ha t (2.Mose 34,27f. ; 24,12; 31,18 ; 32,16). Daran konnt e di e jüdische Lehr e anknüpfen , da ß Gott dem Mose da s Gesetz unmittelbar un d wörtlic h diktier t habe , un d da ß auc h di e Prophete n un d Schriften , also di e beide n andere n Kanonteile , entsprechen d inspirier t seien . Da s hellenistisch e Judentum ha t dan n ein e Inspirationstheori e entwickelt , nac h welche r di e einzelne n heiligen Büche r au f inspiriert e Prophete n zurückgehen , di e i n eine m Zustan d gött licher Ekstas e di e Gottesoffenbarunge n niederschrieben . Au s menschliche n Autore n werden s o bloß e Instrument e ohn e eigene n Wille n un d ohn e individuell e Eigenart . Trotz Beeinflussun g durc h Hellenismu s un d hellenistische s Judentu m konnt e sic h diese streng e Fassun g de r Inspirationstheori e nich t i n de r alte n Kirch e durchsetzen . Zwar gal t sei t Irenäu s (u m 180), Origenes ( t 254), Augustin ( t 430) u.a. di e Schrif t als inspiriert , abe r doc h nich t i n de m Sinne , da ß die biblischen Schriftstelle r i n eksta tischer Mani e unte r Auslöschun g ihre s eigene n Bewußtsein s vo n Got t al s willenlos e Werkzeuge benutz t worde n wären . Inspiratio n wir d vielmeh r al s Erleuchtun g un d Steigerung des menschlichen Geistesvermögens gedacht. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Das Inspirationsdogma und die Vorherrschaft der Dogmatik
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Erst nachde m i n de r Reformatio n mi t alle r Konsequen z di e Autoritä t de r Schrift - sola scriptur a - gegen di e Tradition , da s Lehram t un d de n Sakra mentalismus al s Kampfwaff e in s Fel d geführ t worde n war , konnt e dies e Ent faltung des-Schriftprinzip s i n Auseinandersetzun g mi t de r römische n Kirch e und mi t sic h au f de n Geis t berufende n Schwärmern , abe r auc h zu r Wahrun g und geistig-intellektuelle n Bewältigun g de s reformatorische n Schriftver ständnisses wiede r aktuel l werden . Dies e Entfaltun g is t da s Wer k de r pro testantischen Orthodoxi e gewesen . Hatte n di e Reformatore n trot z alle r Beto nung de r Vorrangstellun g de r Schrif t Alte n un d Neue n Testament s un d de s untrennbaren Zusammenhang s vo n Schrif t un d Wor t Gotte s doc h niemal s Wort un d Schrif t inein s gesetzt , un d hatt e ga r Luthe r vo m Wor t her , da s al s Gesetz un d Evangeliu m ergeht , ei n Kriteriu m zu r Kriti k auc h a n de r Schrif t gehabt, da s es ihn wage n ließ , von eine r stroherne n Episte l z u reden , s o wurd e - wesentliches Merkma l orthodoxe r Schriftlehr e - nunmehr di e Dialekti k von Wor t Gotte s un d Schrif t zugunste n eine r lehrmäßige n Identifizierun g preisgegeben. Das führt e gleichsa m zu r Verdoppelun g de s Offenbarungsvorganges : zu r Offen barung, welche die Schrift bezeugt, gesellt sich das übernatürliche Geschehen der inspirierten Schriftwerdung . Inspiratio n wir d al s göttliche r Impul s zu m Schreibe n un d al s Eingebung de s genaue n Wortlaute s verstanden . Di e übernatürlich e Herkunf t de r Schrift begründe t ihr e Wahrheit un d Klarheit bi s in die Buchstaben hinein . War refor matorisch di e Klarhei t ursprünglic h al s Eindeutigkei t de r Sache , nämlic h de s Evan geliums gedach t gewesen , s o wurd e darau s jetz t ein e Klarhei t i m grammatikalische n Sinne, die freilich da s Geheimnis des von den Worten Gemeinten nicht ausschloß. Dieser Verschiebun g vo n de r Sach e hi n zu m Wor t un d zu m Buchstabe n entsprich t ein e Verwandlung i m Verständni s de r Sach e selbst : au s de m i m Wor t de r Schrif t existen tiell angehende n Evangeliu m wir d ein e doctrina , ein e Lehr e un d Belehrun g übe r Heilswahrheiten un d Heilsmysterien , welch e de r Glaub e z u akzeptiere n hat . I n extremster Ausformun g behauptet e dies e Lehr e di e als o verstanden e Inspiratio n alle r Buchstaben de r kanonische n Schrif t un d auc h noc h de r hebräische n Vokalzeiche n (so be i de m lutherische n Koburge r Superintendente n Johan n Gerhar d ode r be i de n beiden reformierte n Johan n Buxtorf sen . und jun. i n Basel). Wenngleich da s - durchaus reformatorisch e - Anliegen de r Inspirationslehr e di e Wahrun g de s sola scriptur a in Auseinandersetzun g mi t de r römisch-katholische n Lehrautoritä t war , s o ha t si e doch i n Wahrhei t da s reformatorisch e Erb e nu r seh r mangelhaf t ne u formulier t un d systematisiert un d gewi ß auc h - unbeabsichtigt - verfälscht. Au s de m Mediu m un d Instrument de s Evangelium s wir d de r mirakulö s offenbart e un d z u Papie r gebracht e Buchstabe, ei n „papierene r Papst" . Au s de r Wahrhei t de s Evangelium s wir d di e Deutlichkeit de r Schrif t un d ihre r Sätze . Au s de m hermeneutische n Prinzip , da ß da s in de r Schrif t enthalten e un d vo n ih r bezeugt e Evangeliu m sic h selbs t ausleg e - sola scriptura -, wird ein e Lehre von der Schrift un d über das Mirakel ihre r Herkunft un d Entstehung, di e nu n selbs t de r Schrif t al s neu e Lehrtraditio n vorgeordne t is t un d di e Sache de r Schrif t al s Lehr e - doctrina, scho n be i Calvi n - über Heilswahrheite n un d Mysterien definier t un d rational domestiziert . Di e der Schrift vorgeordnet e Lehr e von der Schrif t fungier t nu n selbs t forma l un d material als neu e Glaubensrege l un d leg t der Exeges e neu e Fessel n an . D a di e Sach e de r Schrif t Mysteriu m ist , entscheide t anders un d doc h wiede r ähnlic h wi e i m römisch-katholische n Bereic h - die reform a © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament im Licht der Reformation und im Feuer historischer Kritik
torische Lehrtraditio n übe r da s recht e Verständnis , un d di e Exeges e wir d au f ein e Hilfsfunktion beschränkt , di e sic h mi t de m Ran g de r Heilige n Schrif t al s de r ver meintlich alles normierenden Norm nicht verträgt. Die Identifizierun g vo n Evangelium , inspirierte r Schrif t un d unfehlbare r Lehre ebne t schließlic h all e Differenzen , Nuancen , Höhenlage n un d Tief punkte un d s o auc h de n Unterschie d vo n Alte m un d Neue m Testamen t ei n und läß t alle s un d jede s i n de r Schrif t Geschrieben e un d vo n ih r Voraus gesetzte al s göttlich e Lehr e erscheinen : da s aristotelisch-ptolemäisch e Welt bild mi t seine r Geozentri k (Stillstan d de r Sonn e wege n Jos . 10,12!); Engel, Teufel, Dämonen , Mirakel ; Erschaffun g de r Wel t i n sech s Tagen ; de n bib lischen Rahme n de r Weltgeschicht e mitsam t de n Jahreszahle n usw . Di e Ge schlossenheit de s orthodoxe n Lehrsystem s is t imponierend , abe r e s mu ß jedem, de r z u eine r einzige n „biblische n Wahrheit " Zweife l anmeldet , al s ganzen Ketze r verdammen , wei l e r durc h solch e Zweife l di e Lehrwahrhei t der Bibe l überhaup t i n Frag e stell t un d dami t da s Fundamen t de s Lehrsystem s untergräbt. Wi e empfindlic h un d grausa m auc h di e nac h Gotte s Wor t refor mierte Kirch e au f solch e Infragestellun g reagiere n konnte , zeig t di e Be kämpfung de r sogenannte n Soziniane r un d di e Hinrichtun g Michae l Servet s (1553, vgl. u . S . 126). Grundsätzliche Infragestellun g abe r mußt e ein e Revo lution auslösen . 6. Die Anfänge de r Geschichtstheologi e Auch negativ e Idealtype n verwirkliche n sic h nu r selten . E s is t nich t z u bezweifeln, da ß auc h i m Zeitalte r de r Orthodoxie , wi e i n de r vorreformatori schen Kirche , Evangeliu m verkündig t un d geglaub t wurd e un d da ß dari n di e Schrift Alte n un d Neue n Testament s durc h di e hart e rationalistisch e Schal e ihrer vermeintliche n verbale n Inspirierthei t hindurc h sic h selbs t auslegt e und i n Theologi e un d Kirche , nich t zuletz t auc h i n de r Kirchenmusi k - man denke a n J.S.Bach s a n biblische n Texte n orientiert e Kantate n un d Ora torien - hervorragende Auslege r fand . Aber auc h sons t brac h sic h da s vo n de r Reformatio n Wiederentdeckt e und vo n de r protestantische n Orthodoxi e j a nich t geleugnet e Eigengewich t der Schrif t auc h gege n un d durc h di e dogmatisch e Verkrustun g hindurc h wieder ne u Bahn . Da s gescha h nich t nu r dergestalt , da ß ma n erkannte , da ß das dogmatisch e Syste m de r biblische n Begründun g un d de s biblische n Be weises bedurfte . Di e Bibe l wir d al s ein e Sammlun g vo n da s Dogm a bewei senden Lehrsätze n (dicta probanda ) benutzt, un d e s entsteh t ein e neu e theo logische Disziplin , di e e s sic h zu r Aufgab e macht , di e dicta proband a zusammenzustellen un d nach Maßgabe de r Dogmatik z u ordnen . So erschiene n 1560-1565 bereits zwe i Zusammenstellunge n biblische r Beleg e von Johann Wigan d un d Matthäu s Judex , desse n alttestamentliche r Tei l de n Name n trägt: „Syntagma seu corpu s doctrinae ver i e t omnipotentis Dei ex veteri Testament o tantum, methodic a ration e . . . dispositum" (Vollständige Sammlung [de r Stellen ] de r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Anfänge der Geschichtstheologie
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Lehre übe r de n wahre n un d allmächtige n Got t allei n au s de m Alte n Testament , au f methodische Weis e . . . geordnet) (Diestel , S.290) . De r orthodoxe n Lehr e un d ihre m Verständnis de s Alte n Testament s entsprechend , werde n all e christliche n Glaubens wahrheiten schon aus dem Alten Testament „bewiesen" . Immerhin zeigt sich auch hier noch das reformatorische Primat der Heiligen Schrift . Aber meh r noc h al s i n solche m biblische n Beweisverfahre n beganne n da s biblische Prima t und , di e eigenständig e Kraf t de s biblische n Schrifttum s an anderer Stelle das dogmatische Lehrgebäud e z u sprengen . Hier is t al s bedeutendste r Vorläufe r Johanne s Cocceju s (1603-1689, geboren i n Bremen , zuletz t i n Leide n wirksam ) z u nennen . Sein e Konzeptio n wil l nicht meh r blo ß ein e biblisch e Begründun g vorgegebene r Dogmatik , dere n Richtigkeit nachträglic h z u beweise n ist , sonder n ein e unmittelba r a n de r Bibel orientiert e Theologi e sein . De m statische n Lehrsyste m wir d ein e ge schichtliche Abfolg e entgegengesetzt . Auc h wen n dies e Abfolg e vo n Cocceju s selbst auc h wiede r al s Lehr e un d Syste m verstande n wurde , s o war dami t fak tisch doc h di e i n de r Bibe l Alte n un d Neue n Testament s wesentlich e ge schichtliche Bezogenhei t wiederentdeck t worden . I n Fortsetzun g vo n spezi fisch reformierte n Ansätze n scho n be i Zwingli , Calvin , Bullinger , Olevia n u.a. (s.o . S.54f. ) un d unte r Aufnahm e genui n biblische r Kategorie n ver wendet Cocceju s de n Begrif f de s Bunde s al s Klamme r un d Ordnungsprinzi p zur Periodisierun g eine s heilsgeschichtliche n Ablaufs , de r vo n Bundesschlie ßung z u Bundesschließun g fortschreitet . Dami t werde n auc h da s Alt e Testa ment un d da s Neu e Testamen t i n ihre m Verhältni s geschichtstheologisc h bestimmt. Da s ha t ihre r dogmatische n Gleichschaltun g kräfti g entgegen gewirkt, wenngleic h Cocceju s mi t de r Theologi e seine r Zei t davo n über zeugt war, da ß Christus auch i m Alten Testament direk t bezeug t werde . Auf diese r Überzeugun g beruh t auc h sein e Konzeption , welch e nich t ei n einfache s Vor- un d Nacheinande r vo n Geset z i m Alte n un d Evangeliu m i m Neue n Testamen t lehrt, sonder n mi t andere n Mittel n un d vo n andere n Voraussetzunge n ausgehend , deren dialektische s Verhältni s ne u herausstellt . De r erst e Bun d al s de r Bun d de r Werke un d al s de r natürlich e Bund , wiewoh l de m Mensche n in s Her z geschrieben , wurde vo n Mos e kodifiziert . Abe r scho n da s Protevangeliu m mi t seine r Verheißun g endlicher Erlösun g vo n l.Mos e 3,15 sagt i m dialektische n Gegenschla g hierz u de n Weg fortschreitende r Gottesgeschicht e an . Sie führt vo n dem durch di e Sünde Adams aufgehobenen Werkbun d übe r di e Stiftun g eine s Gnadenbunde s bi s zu r Erscheinun g Jesu Christi , i n desse n Blu t de r neu e Bun d gestifte t wird , übe r di e Zei t de r Kirch e und de r Heiligun g un d schließlic h bi s hi n zu r Auferstehun g vo n de n Toten . Dies e Geschichte - ein zugleic h himmlisch-göttliche r un d irdisch-menschliche r Proze ß - ist eine solch e de r fortschreitende n Aufhebun g (Abrogation ) de r fü r de n Mensche n töd lichen Folgen des von ihm gebrochenen Werkbundes; daran, daß diese Folgen bis heute wirksam werden , zeig t sich, daß der Werkbund zwa r ungültig , abe r nicht unwirksa m geworden ist . Geset z un d Evangelium , Werk e un d Gnadengerechtigkeit , un d dami t Altes Testamen t un d Neue s Testamen t löse n sic h nich t geradlini g ab , sonder n ver halten sic h i m Fortschreite n de r Zei t un d trot z fortschreitende r Klarhei t de r Offen barung dialektisch zueinander. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht der Reformatio n un d i m Feuer historische r Kriti k
Daß freilic h auc h dies e biblisc h orientiert e Theologi e nich t ohn e typolo gische Exegese , di e das System i n die Texte hineinliest , auskommt , verwunder t nicht un d da s unterscheide t Cocceju s nich t vo n seine n Zeitgenossen . Abe r seine Erkenntnis der dialektischen und zeitlich-geschichtlichen Unterschiedenheit de r beide n Testament e un d dami t de r Geschichtlichkei t de r Offenbarung , welche di e dogmatisch e Stati k durchbrac h un d vo n de r Orthodoxi e al s Neue rung kritisiert wurde, war bahnbrechend. Auf deutsche m Bode n vertra t Johan n Albrech t Benge l (1687-1752) ähnliche Gedanken . Wi e fü r Cocceju s is t auc h fü r ih n di e Bibe l Alte n un d Neue n Testaments ei n vo n Got t he r s o gewolltes , zusammenhängende s Ganzes , das zuers t un d letztlic h Christu s zu m Zie l un d Inhal t hat . Auc h fü r Benge l ist di e Offenbarun g nich t statisch-lehrmäßig , sonder n al s ein e geschichtlich e gemäß de r gottgelenkte n Geschicht e - dem „ord o temporum " - zu verstehen . Und auc h hie r gib t di e Rückwendun g zu r Bibe l un d zu r biblische n Geschicht e einen kräftige n Impul s zu r philologische n un d historische n Exegese , auc h wenn dies e durc h di e vorwe g angenommen e gesamtbiblisch e Harmoni e har monistisch durchkreuz t wird . Be i Benge l komm t auc h noc h ei n andere r wich tiger Impul s zu m Tragen : de r Pietismus , de r sic h a n bloße r Richtigkei t un d kalter Doktri n nich t meh r genüge n läß t un d i n de r Bibe l nich t meh r zuers t rechte Lehre , sonder n Erbauun g sucht . Erbauun g mu ß dabe i nich t vo n vorn herein al s Erbaulichkei t i m Sinn e oberflächliche r Frömmele i mißverstande n werden, sonder n mein t da s Gegründetwerde n christliche r Existen z un d christ licher Gemeind e au f de m Glaube n a n Christus , de r sic h au f da s durc h di e Schrift vermittelt e Wor t richtet . Die s Wor t z u hören , is t Zie l de r Exegese , und daru m laute t di e - fast existential-theologisc h klingend e - hermeneutische Anweisung, di e bi s heut e Mott o de s griechische n Nestle-Texte s de s Neue n Testaments ist : „T e totu m applic a a d textum : re m tota m applic a a d te " (Wende dic h ganz dem Text zu : dessen Sach e wende ganz auf dic h an). 7. Die philologische un d historische Wissenschaf t Coccejus wa r trot z bibelorientierte r Theologi e gewi ß zuers t Dogmatike r gewesen. E r kan n daru m nich t al s Vate r de r biblische n Theologi e al s eine r besonderen Diszipli n bezeichne t werden . Sein e di e Geschicht e nachzeichnend e Föderal(= Bundes)theologi e wa r auc h selbs t wiede r ei n dogmatisc h geschlos senes System . E s sollt e abe r doc h de m Anspruc h nac h au f de r Bibe l selbs t unmittelbar beruhen . Di e Bibe l erschließ t sic h abe r nich t ohn e Auslegung , Exegese wiederu m is t nich t ohn e sprachliche , philologische , textkritisch e un d historische Kenntniss e möglich . Übe r solch e ha t Cocceju s i n reiche m Maß e verfügt, vo r alle m aber : dies e Ar t de s Theologisieren s reg t zu m Erwer b vo n historischen un d philologischen Kenntnisse n an . Kenntnisse diese r Ar t hatte n auc h manch e vo n Coccejus ' Zeitgenossen . Philologie un d Histori e aber , angewand t au f biblisch e Texte , können , auc h wenn de r Will e zu m theologische n Syste m fehl t un d kein e Kriti k a m kirc h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die philologische un d historische Wissenschaf t
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liehen Dogm a beabsichtig t ist , au f länger e Sich t dogmatisch e Systemati k durchlöchern un d da s Lehrgebäud e wi e ei n Kartenhau s au s unbewiesene n Behauptungen einstürze n lassen . Nicht ers t Attacke n - etwa seiten s de s Sozinianismu s (daz u s.u . S.126 ) und dan n de r Generalangrif f de s Rationalismu s (s.u . S.126ff. ) mußte n de r kirchlichen Lehr e un d de r Bedeutung de s Alten Testament s gefährlic h werden . Wenn bereit s nüchtern e Textkritik , wi e si e vo n de m Katholike n Johanne s Morinus (1591-1651) - sei e s auc h nur , u m de n „protestantischen " hebräi schen Tex t nich t anerkenne n z u müsse n - durchgeführt wurde , Unterschied e in de r textliche n Überlieferun g de r Heilige n Schrift , Abweichunge n zwische n verschiedenen Handschrifte n vo n Urtex t un d auc h Übersetzun g sehe n lehrt , wie verhäl t sic h dan n da s Dogm a vo n de r verbalinspirierte n Schrif t zu r fest stellbaren Wirklichkeit ? Dies e Frag e stelle n heißt , si e beantworten , auc h wenn di e Antwor t nu r zögern d kam , manch e i n groß e Verlegenhei t brachte , in ernst e Anfechtun g stürzt e ode r auc h verschwiege n wurde . Philologisch e und historisch e Gelehrsamkei t wa r freilic h noc h ni e Sach e eine r große n Öffentlichkeit. Abe r s o einleuchtend e Erkenntnisse , di e vo r alle r Auslegun g schon durc h de n schlichte n Vergleic h verschiedene r Textgestalte n vermittelba r sind, können dennoc h au f di e Dauer nicht das Geheimwissen wenige r bleiben . Es bleib t ei n Ruhmesblat t reformatorische r Theologie , da ß si e trot z alle r kirchlichen un d innertheologische n Widerständ e diese s kritisch e Wisse n nich t unterdrückt, sonder n nac h Kräfte n gemehr t un d di e kritisch e Bibelwissen schaft z u ihre r eigene n Sach e gemach t hat , stat t si e de n Philologen , Histo rikern un d Archäologen allei n z u überlassen . Die Philologie , di e historisch-kritisch e Wissenschaft , di e Archäologie , di e allgemeine Religionswissenschaft , abe r auc h Philosophi e un d hermeneutisch e Reflexion haben , auc h und gerade von Theologen un d innerhalb de r Theologi e angewandt un d getrage n vo m neuen , aufklärerische n Geis t eine r neue n Zei t mit ihre m neue n Bil d vo n Mensc h un d - Copernikus! - Welt, da s eins t di e Kirche tragend e dogmatisch e Gebäud e bi s i n di e Fundament e zu m Einstur z gebracht. Di e Geschicht e diese r Destruktio n sowoh l al s auc h eine r nu r s o möglichen Neuentdeckun g de r Schrif t kan n un d sol l hie r nich t i n alle r Breit e dargestellt werden ; dafü r se i au f di e Geschicht e de r historisch-kritische n Er forschung de s Alte n Testament s vo n H.-J . Kraus un d fü r de n parallele n neu testamentlichen Bereic h au f W.G.Kümmel , Da s Neu e Testament , Geschicht e der Erforschun g seine r Probleme , verwiesen . Hie r solle n nu r di e Hauptlinie n und di e wichtigste n Konture n diese r wissenschaftsgeschichtliche n Vorgäng e nachgezeichnet werden , sofer n die s fü r da s recht e Verständni s de s heutige n hermeneutischen Problem s des Alten Testaments erforderlic h ist . Das Dogm a vo n de r Verbalinspiratio n hatt e i n seine r extreme n Ausprägun g auch noc h di e Inspirierthei t de r Buchstaben un d Vokalzeichen de s hebräische n Textes gelehrt . S o ist e s begreiflich , da ß ein e heftig e Debatt e entstehe n mußte , als de r französisch e Professo r fü r Hebraisti k Loui s Cappe l (Ludovicu s Cap pellus, 1585-1658) den Nachwei s erbrachte , da ß di e Vokalzeiche n ers t i n nachchristlicher Zei t vo n jüdische n Gelehrte n z u de n Texte n hinzugesetz t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht der Reformatio n un d im Feuer historischer Kriti k
worden ware n un d als o keinesweg s christliche n Ursprung s sind . Produkt e nachchristlicher, jüdische r Schriftgelehrsamkei t abe r könne n doc h woh l nich t vom Heilige n Geis t inspirier t worde n sein , s o laute t di e einzi g möglich e Fol gerung. Da ß diese s scheinba r rei n philologisch e Them a brisan t war , wei l es a m Inspirationsdogm a rüttelte , geh t scho n darau s hervor , da ß Cappellu s seine Schrif t mi t de m Tite l „Arcanum punctationis revelatum " (Da s ent hüllte Geheimni s de r Punktation) , i n de r e r di e wahr e Herkunf t de r Punkta tion nachwies , anony m herausgab . Di e polemische n Bestreite r diese r heut e nicht meh r angezweifelte n richtige n Erkenntni s - darunter di e hebräisch gelehrten Buxtorf s (s.o . S.57 ) - mußten schließlic h di e unschar f gewordene n Schwerter i n di e Scheid e stecken , u m nich t selbs t durc h da s Schwer t umzu kommen. Aber auc h Arbeite n ohn e unmittelbar e Sprengkraf t beganne n ihr e Wirkunge n aus zuüben. Der Niederländer Hug o de Groot (Hug o Grotius, 1583-1645), Jurist, Philo loge, Theologe, Diplomat und Staatsmann, hatte 1641 ff. sein e „Annotationes ad vetus et novum testamentum" (Anmerkunge n zu m Alte n un d Neue n Testament ) geschrie ben. Da s Wer k wollt e de r eigene n Lektür e de r biblische n Text e durc h erklärend e Anmerkungen diene n un d nich t da s Fundamen t z u eine r biblische n Theologi e i m Stile vo n Cocceju s ode r Benge l legen . De r historisch e Wer t diese r Annotatione s lieg t darin, da ß si e überhaup t di e Freihei t vo n dogmatische n un d sonstige n Vorgegeben heiten wage n un d de n Tex t zu m Gegenstan d eine r wissenschaftlic h kühle n Betrach tungsweise machen . Auc h noc h di e dogmatisc h postuliert e unbedingt e Autoritä t de s Neuen Testament s un d dami t de r neutestamentliche n Verwendun g alttestamentliche r Zitate kan n i n Zweife l gezoge n werden , wen n di e klare historisch e un d philologisch e Ansicht dazu Anlaß gibt. Das vom Text selbst Gemeinte ist der einzig wahre und haltbare Sinn . Wen n Grotiu s diese n nich t polemisc h gege n di e hergebrachte n kirch lichen, dogmatische n un d christologische n Deutunge n ausspielte , s o wa r da s viel leicht inkonsequen t ode r woh l ehe r weis e Konzessio n eine s Menschen , de m a m Frieden - nicht nu r i m Mar e Librum , i m freie n Mee r - mehr la g al s a n polemische r Zerstörung. Weiter reich t un d tiefe r noc h greif t da s kritisch e Wer k de s katholische n Priester s Richard Simo n (1638-1712): „Histoire critique du Vieu x Testament" , da s ih n de n Ausschluß au s seine m Orde n kostete . Hie r wir d nich t meh r nu r Textkriti k geübt , sondern di e Grundlag e zu r Literarkriti k un d zu r Analys e de r fün f Büche r Mose , de s Pentateuch, gelegt. Simo n entwirf t ein e vo n de n traditionelle n un d orthodoxe n An schauungen sic h erheblic h entfernend e Theori e (ein e „kritisch e Geschichte" ) übe r die Entstehun g de s Alte n Testaments : Mos e könne , s o führ t e r aus , nich t selbs t de r Verfasser de r sogenannte n Mose-Büche r sein , sonder n e r hab e öffentlich e Schreibe r mit der Abfassung un d Redigierung vo n Annalen und Gesetzen betraut. Daraus hätten Spätere geschöpft und erst nach den Wirren der Exilszeit sei die heutige Gestalt zustande gekommen . Di e später e Urkundenhypothese , welch e besagt , da ß de r Pentateuch durch eine Verflechtung mehrere r durchgehender Erzählungsfäden - Urkunden- seine Endgestalt bekam, ist hier ebenso wie die Fragmentenhypothese, nach welcher der Pentateuch eine Zusammenstellung frühe r selbständiger , nicht zusammenhängender Über lieferungen - Fragmente - ist, i m Ker n vorweggenommen . Gewi ß sin d vo m heutige n Standpunkt au s Simons Methode un d Ergebnisse s o nicht mehr haltbar, abe r auc h er verrichtete wichtig e Pionierarbei t au f eine m Gebiet , au f da s sic h nu r wenig e damal s vorwagten. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die philologische und historische Wissenschaft
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Als Ketzer verfolgt und in Brüssel gefangen, dann auf Grund seines Widerrufs wieder auf freie n Fu ß gesetzt , mußt e auc h de r französisch e protestantisch e Theologe Isaak de l a Peyrer e erfahren, da ß di e Vorherrschaf t des Dogma s überaus handfeste Handlanger hatte . E r lehrt e ein e vo n R.Simo n abweichend e Theorie übe r di e Pentateuchentstehung, di e abe r nich t wenige r von de n traditionelle n Lehrvorstellungen abwich. Er leugnet mit alten und neuen Argumenten die mosaische Verfasserschaft und rechnet vielmehr mi t Schriftstellern , deren Wer k scho n vormosaisch sein mu ß und vo n Mos e herangezogen wurde . Aufsehe n erregt e sein e These , da ß scho n vo r Ada m Menschen gelebt haben müssen (Präadamiten - so in seinem Werk: Praeadamitae sive exercitatio super versibu s duodecimo, decimotertio e t decimoquart o capiti s quint i epistola e D.Pauli a d Romanos . Quibus inducuntu r Primi homines ante Adamu m condit i [Di e Praeadamiten ode r Versuc h übe r di e Vers e Röm . 5,12-14, in dene n di e vo r Ada m geschaffenen Erste n Mensche n eingeführ t werden] , 1655). Fast zu r selbe n Zei t hatte in Englan d Thomas Hobbes seinen „Leviathan" (1651) geschrieben, darin sein e politische Philosophi e entworfe n un d ebenfall s a n di e Grundfeste n de s Bibeldogma s gerührt durc h sein e Auffassung , da ß allenfall s ei n große r Tei l de s 5.Buches, de s Deuteronomiums, Mos e zu m Verfasse r haben könn e und auc h di e Büche r Josua un d Daniel nich t ode r nich t gan z vo n de n Persone n verfaß t wurden , dere n Name n si e tragen.
Ein vo n Gen f nac h Hollan d emigrierte r Theologe , Johan n L e Cler c (Clericus , 1657-1736), Anhänger de r freiere n reformierte n Richtun g de r Remonstrante n (Arminianer), will i m textkritischen Bereic h und bei der Rekonstruktion de s ursprünglichen Wortlautes und Sinnes nur rein wissenschaftliche Maßstäb e ohne Rücksicht auf die traditionelle Doktri n gelte n lassen ; di e Wissenschaf t abe r stell t vielfac h Wider sprüche, Versehen, Unzulänglichkeiten de r Schrift fest, die ihre menschliche Herkunft unbeschadet der prinzipiellen Möglichkeit göttlicher Offenbarung - deutlich belegen. Ebenfalls i n de n Niederlande n bestrit t de r jüdisch e Philosop h Baruc h Spinoza (1632-1697) die Inspirierthei t de r Schrif t überhaup t un d mi t Bezu g auf de n Pentateuch die Verfasserschaf t de s Mos e insbesondere , wa s e r i n seinem Tractatu s theologicopoliticu s (1670) detailliert anhan d de r Text e nachweist. Spinoz a läß t e s be i diese r literarische n un d historische n Kriti k nicht bewenden , sonder n sein e philosophisch e Kriti k betriff t auc h de n Gehal t der alttestamentliche n Religio n selbst . Dies e wir d al s national-egoistische r und nu r au f irdisch e Güte r beschränkte r Erwählungsglaub e interpretier t un d abgewertet. Sei n Buc h is t ei n wichtige s Zeugni s fü r da s Erwache n eine r ratio nalistisch-wissenschaftlichen Geistigkeit . E s konnte, bezeichnen d fü r di e Zeit , nur anony m un d angeblic h i n Hambur g stat t i n Amsterda m erscheinen . Hie r bahnt sic h ein e Entwicklun g an , di e übe r da s Alt e Testament , da s kau m au s seinen dogmatische n Fessel n befrei t war , ein e neu e babylonisch e Gefangen schaft, nunmeh r di e eine r abstrakte n Rati o un d eine r rationalistische n Mora l herbeiführt. Rationalistische Maßstäb e wurde n nich t nu r vo n außerhal b de r Theologi e he r angelegt, si e fanden Anerkennun g auc h be i Theologen . Idee n de s Deismus, der, meh r eine Geisteshaltun g al s ein e theologisch e ode r philosophisch e Lehre , Gottgläubigkeit , Freiheit des Denkens und Moral z u verbinden suchte , griffen vo n England he r auf den Kontinent über . I n Deutschlan d schrie b Herman n Samue l Reimaru s (1767—68) seine durch Gotthol d Ephrai m Lessin g bekann t geworden e „Apologi e ode r Schutzschrif t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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für di e vernünftige n Verehre r Gottes" , wori n di e sogenannt e vernünftig e Religio n zum Grund- und Prüfstein aller behaupteten Offenbarung erhobe n wird. Wenige Jahr e späte r verfaßt e Johan n Salom o Semle r sein e berühmt e „Ab handlung vo n freie r Untersuchun g de s Canon " (1771-1775). Nicht u m di e christliche Religio n z u zerstören , vielmeh r u m di e Übereinstimmun g ihre s wesentlichen Gehalte s mi t de r Vernunf t z u beweisen , sol l di e Grundlag e de r christlichen Religion , als o de r Bibel , i m volle n Umfan g de r freie n Unter suchung zugänglic h gemach t werden . Ein e solch e kritisch e Untersuchun g zeigt, da ß di e Bibe l ei n geschichtlic h gewordenes , menschliche s Buc h ist , das freilic h vo n de r Offenbarun g Gotte s Zeugni s ablege n will . Di e alte , refor matorische Unterscheidun g vo n Wor t Gotte s un d Schrif t komm t dami t auf s neue un d vo n neue n Voraussetzunge n au s zu r Geltung . Vo n eminenter , zu kunftsträchtiger Wichtigkei t wurd e Semler s klar e Einsich t i n di e Distan z und Unterschiedenhei t de r Zeiten : di e biblische n Autore n könne n nu r von de n sie bestimmende n eigene n Bedingtheite n he r verstande n werden ; dies e Be dingtheiten ware n nac h Land , Sitte , Vol k un d geschichtliche n Umstände n andere al s die heutigen. Dies e Einsicht schließ t di e Möglichkeit eine s unmittel bar gegenwärtige n Verstehen s un d eine r unmittelbare n Anwendun g au f di e andere un d neu e Gegenwar t aus . Damit is t da s hermeneutisch e Proble m nich t nur de s Alte n Testaments , sonder n de r Bibe l insgesam t un d darübe r hinau s alles vergangene n Schrifttum s überhaup t deutlic h ausgesprochen : „E s is t also falsch , da ß di e Heilig e Schrif t stet s un d zunächs t di e Erbauun g de s Menschen bewerkstelligt e un d daz u auc h gebrauch t werde n müss e unmittel bar; e s muß durchau s di e richtig e historisch e Erkenntni s entstehen , un d nach her ers t di e heilsam e abgewarte t werden " (zitier t n . W.G.Kümmel , Da s Neu e Testament, S.78) . Damit is t gesagt, da ß ein unmittelbarer „dogmatischer" , di e Geltung hie r un d jetz t unmittelba r postulierende r Zugan g zu r Schrif t infolg e der erkannte n historische n Distan z verschlosse n bleibt . Theologi e mu ß historisch verfahren , wei l ih r Gegenstand , di e Schrift , selbs t ei n primä r un d unmittelbar al s historische s i n Betrach t kommende s Dokumen t ist . Si e mu ß es auc h deswegen , wei l di e Offenbarun g selbst , welch e di e Schrif t bezeugt , ja eine n geschichtliche n Empfänge r ha t un d daru m selbs t ei n geschichtliche r Vorgang ist . Aber nich t nu r rational e Kriti k un d ei n erwachende s historische s Bewußt sein rüttelte n a m traditionelle n Lehrgebäude . Bereit s 1675 hatte Philip p Jakob Spene r (1635-1705) in seine n „Pi a Desideri a ode r Herzliche s Ver langen nac h gottgefällige r Besserun g de r wahre n Evangelische n Kirchen " das „herzlich e Verlangen " geäußert , di e Dogmati k un d di e kirchlich e Lehr e und Praxis, die zwar de n rechten Glaube n nich t verlassen, wohl abe r durch vie l Spitzfindigkeiten un d sons t Unnützes , da s nich t zu r rechte n Frömmigkei t dient, überdeck t hat , möcht e durc h recht e un d schlicht e biblisch e Theologi e aufgebessert werden . Dami t forder t Spene r nich t ein e neu e theologische , „biblische Theologie " genannt e Disziplin . Vielmeh r sol l di e ganz e Theologi e von protestantische r Scholasti k befrei t un d z u de n biblische n un d refor matorischen Grundlage n un d Grundsätze n zurückgeführ t werden . Abe r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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bereits di e Reformatio n Luther s wa r durc h ihre n Rekur s au f di e Schrif t un d durch ih r Schriftprinzi p sol a scriptur a meh r al s nur ein e Reform , nämlich , wa s ihr selbs t ers t allmählic h bewuß t un d vo n ih r i n letzte r hermeneutische r Kon sequenz auc h niemal s gan z durchschau t wurde , ei n Umstur z de r sei t de r alte n Kirche gewachsene n Grundlage n vo n Lehre , Sakramen t un d Amt . S o ahnt e auch da s „herzlich e Verlangen " nac h biblische r Theologi e zunächs t selbs t noch nicht , welch e Sprengkraf t mi t de r Durchführun g eine s solche n Pro gramms freigeleg t werde n könnte . Da s konnt e nu r verkennen , we r di e Über einstimmung de r geforderte n biblische n Theologi e un d de r bestehende n Dogmatik nai v voraussetzte . Die aufklärerisch e Zei t wa r solche r Naivitä t nich t hold . „Biblisch e Theo logie", eins t Bezeichnun g eine r Hilfsdiszipli n de r Dogmatik , welch e di e bibli schen Beweisstelle n fü r da s Lehrsyste m sammel t un d ordnet , dan n pro grammatische Forderung , di e ganz e Theologi e nac h pietistische n Desideri a biblisch z u reformieren , wir d nunmeh r zu r eigenständige n Wissenschaf t i m Gegenüber zu r Dogmatik . Diese letzt e Konsequen z zo g Anto n Friedric h Büschin g mi t seine n „Gedanke n von de r Beschaffenhei t un d de m Vorzu g de r biblisch-dogmatische n Theologi e vo r der alten un d neuen scholastischen" (1758), wie schon der Titel dieses Werkes besagt, noch nicht . E s sol l vielmeh r di e dogmatisch e „scholastische " Theologi e durc h ein e aus der Bibel un d au s ihr allein schöpfend e Theologi e ersetz t oder überboten werden . Die neu e biblisch e Theologi e is t selbs t Dogmatik . Freilic h is t hie r erkannt , da ß da s „scholastische" Lehrsyste m un d di e Bibe l i n ga r manche r Hinsich t nich t überein stimmen und daß die Dogmatik die biblische Wahrheit überwuchert hat. Die einzi g möglich e Folgerun g au s solche r Erkenntnis , abe r auc h au s de n von Semle r formulierte n historische n un d hermeneutische n Prinzipien , di e von nu n a n ein e unmittelbar e dogmatisch e Auswertun g de r Schrif t al s eine r Sammlung vo n beweisende n Lehrsätze n (dicta probanda) ausschloß, ha t dan n Johann Philip p Gable r (1757-1826) in seine r „Orati o d e just o discrimin e theologiae biblica e e t dogmatica e regundisqu e rect e utriusqu e finibus " (Red e über di e richtig e Unterscheidun g de r biblische n un d de r dogmatische n Theo logie un d übe r di e recht e Bestimmun g de r Bereich e beider ) gezogen . Diese s Programm erschie n 1787, also wenig e Jahr e vo r Ausbruc h de r Französische n Revolution. Wen n auc h gewi ß nich t revolutionä r - Emanue l Hirsch rechne t Gabler i n seine r Geschicht e de r neuere n evangelische n Theologi e z u de n „Rationalisten vo m halbe n Wege " (V, S.57) - , ist dies e Schrif t doc h ei n wichtiger Schrit t au f de m Weg e z u eine r neue n theologische n Diszipli n un d damit z u eine m neue n Verständni s vo n theologische r Wissenschaf t überhaupt . Der eigentlich e Fortschrit t besteh t darin , da ß biblisch e Theologi e hie r al s eine historisch e Wissenschaf t definier t wird . Ihr e Aufgab e is t es , heraus zuarbeiten, wa s di e biblische n Schriftstelle r selbs t gemein t haben . Si e tu t da s durch genaue , historisch e Unterscheidun g de r Zeite n - des ord o temporum und de r Individualitä t de r Schriftstelle r un d de r Entwicklungsstufe n de s geistigen un d religiöse n Lebens . Da ß überhaup t di e Schriftstellerpersönlich keiten i n ihre r Individualität , da ß historisch e Situatione n i n ihre r Einmalig 5 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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keit un d da ß Stufe n geistige r Entwicklun g innerhal b de s biblische n Schrift tums erkann t un d anerkann t werden , schließt , entgege n de m Dogm a de r Ver balinspiration, di e Anerkennun g ihre r Geschichtlichkei t un d Menschlichkei t ein. Dabe i geh t e s Gable r (vgl . di e vo n W.G.Kümmel , Da s Neu e Testament , S.122ff. zusammengestellte n Zitate ) nich t u m polemisch e Zersetzun g de r Bibelautorität, sonder n di e sorgfältig e historisch e Kriti k un d de r Vergleich mi t historischen Urkunde n andere r Völke r solle n vielmeh r de m rech t verstan denen Ansehe n de r Schrif t zugut e kommen . Zu m Unterschie d vo n de r als o definierten historische n Biblische n Theologi e ha t di e dogmatisch e Theologi e den Charakte r eine r christliche n Philosophi e (philosophi a christiana) : si e ist nich t historisch , sonder n aktuel l gegenwartsbezoge n un d spezifizier t sic h je nac h Konfessionalität . Eigentümlic h rationalistisc h is t dabe i Gabler s Ansicht, da ß di e Biblisch e Theologi e al s historisch e Wissenschaf t sic h überal l und imme r gleichbleibe n kann , d a si e ja, wi e e r meint , di e Aufgabe hat , histo risch Abgeschlossene s un d daru m unabänderlic h Gewordene s darzustelle n und i n diese m geschichtlic h Bedingte n un d insofer n Relative n di e Vorstel lungen un d Begriff e herauszustellen , di e fü r all e Ort e un d Zeite n allgemein gültig sind . S o wir d di e Geschichtlichkei t de r historisc h z u erforschende n Schrift doc h wiede r nu r teilweis e erkannt : einige s is t zeitbeding t un d ver gänglich, abe r i n diese r Schal e verbirg t sic h anderes , da s allgemeingülti g und imme r wah r ist . D a e s au f letztere s allei n ankommt , un d di e Dogmati k dies vo n de r historische n Theologi e au s de r Schrif t erarbeitet e un d aus gesonderte Allgemeingültig e fü r di e Gegenwar t aufzubereite n hat , bleib t di e Biblische Theologi e doc h wiede r nu r Mag d de r Dogmatik . Vo r alle m aber : nicht nu r di e Geschichtlichkei t de r ganze n Schrif t is t verkannt , sonder n di e Meinung, da ß historisch e Wissenschaf t Geschichtliche s al s ei n fü r allema l Abgeschlossenes ebens o ei n fü r allema l unabänderlic h darzustelle n un d z u verstehen vermöge , ha t di e Dimensio n de s Geschichtlichen , di e auc h noc h den wissenschaftliche n Historike r mi t seine m Standpunk t un d i n seine r eige nen Bedingthei t i m Kraftfel d de r vo n ih m bearbeitete n un d ausgelegte n Tra dition umschließt , noc h nich t i n ihre r ganze n Tief e ausgelotet . De r Ratio nalismus wa r auc h fü r Gable r di e Schranke , di e e r nich t z u überschreite n ver mocht hat . Deshal b bleib t be i ih m di e recht e Unterscheidun g vo n historische r und dogmatische r Theologie , di e e r - de just o discrimine ! - doch geforder t hatte, nebulö s - wie si e es leider, zwe i Jahrhundert e später , fü r manch e Theo logen noch immer ist. . . Dennoch stell t Gabler s Wer k eine n entscheidende n Fortschrit t dar . E r is t nicht nu r methodologische r Art . Sein e Einsich t i n di e historisch e Bedingtheit , Relativität un d Unterschiedlichkei t biblische r Inhalt e betra f insbesonder e da s Alte Testament. Nich t meh r zuers t die biblische Geschichte al s Heilsgeschicht e und göttliche Ökonomi e de r Zeite n un d de r Bundesschlüsse , wi e si e di e Föde raltheologie verstande n hatte , sol l nachgezeichnet , sonder n ein e menschlich e und zeitlic h bedingt e Entwicklungsgeschicht e nac h Periode n geglieder t zu r Darstellung gebrach t werden . I n den einzelne n Periode n zeig t sich ein e Stufen folge vo m Niedrigere n zu m Höheren . Mi t de m schottische n Philosophe n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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David Hume, der ein e natürlich e Geschicht e de r Religio n (Th e Natura l History o f Religion, 1757) verfaßt hatte , is t Gable r de r Überzeugung , da ß dies e Entwicklung ei n Fortschreite n zu m Höhere n is t - ein Gedanke , de r vo n nu n an imme r wiede r di e biblisch e Theologi e geleite t hat . Au s Heilsgeschicht e Gottes un d au s Weissagun g un d Erfüllun g wir d nunmeh r ein e menschlich e Fortschrittsgeschichte ,mag dies e auc h de r göttliche n Lenkun g un d Erziehun g nicht entbehren . Dies e Stufenfolg e mu ß freilic h nich t schlechthi n Verwerfun g und Ablehnun g de r ältere n Stufe n bedeuten . Mi t Hilf e eine s neugefaßte n Mythosbegriffes - Mythos al s Ausdrucksfor m de r Menschhei t i n ihre m kind lichen Entwicklungsstadiu m - hatte scho n Gabler s Lehre r Johan n Gottfrie d Eichhorn (1752-1827) die wunderhafte n un d befremdliche n Züg e i m Alte n Testament verständlic h z u mache n versucht . Gable r wandt e dies e Method e dann auc h au f da s Neu e Testamen t an . Di e stufenweis e Entwicklun g vo m kindlich-mythischen Denke n hi n zu r höchste n Stuf e de r christliche n Religio n ist, s o betrachtet , wichtige r al s di e Unterscheidun g de r beide n Testamente . Die Trennungslinie vo m eine n zu m andere n is t nur ein Moment i n diesem gan zen Entwicklungsverlauf . I n beide n Teile n de s Kanon s sin d j a letztlic h di e fü r alle Zeite n gültige n Wahrheite n allei n vo n Wichtigkeit . Hingege n is t fü r dies e Betrachtungsweise etw a di e mosaisch e Kultgesetzgebun g ebens o abgeta n wi e bestimmte zeitbedingt e Mahnunge n de s Apostel s Paulus , z.B. , da ß Fraue n das Haup t z u verhülle n habe n (l.Kor . l l , 2 2 f f . ) . S o ebne t di e eigentümlich e Verquickung vo n Rationalismu s un d historische r Einsicht , welch e di e histo rischen Differenze n entdeckt , di e Unterschiedenhei t de r Testament e doc h wieder ein . Aber ei n wichtige r Schrit t zu r historische n Differenzierun g wa r geta n un d das Program m Gabler s fan d alsbal d ein e Verwirklichun g i n eine r historisc h durchgeführten biblische n Theologie . Si e stamm t au s de r Fede r de s wi e Gabler i n Altor f wirkende n Orientaliste n un d Theologe n Geor g Loren z Bauer (1755-1806). Bezeichnend ist , da ß scho n hie r di e Biblisch e Theologi e in ein e solch e de s Alte n un d ein e de s Neue n Testament s auseinanderfällt . 1796 erschien sein e „Theologi e de s Alte n Testament s ode r Abri ß de r reli giösen Begriff e de r alte n Hebräer . Vo n de n älteste n Zeite n bi s auf de n Anfan g der christliche n Epoche" . De m folgt e 1800-1802 eine Biblisch e Theologi e des Neue n Testaments . E s ware n nich t nu r äußer e Gründe , welch e dies e Trennung un d Aufteilun g verursachten . Di e Einsich t i n di e „Stufen " de r Enwicklung, überhaup t i n di e Unterschiedenhei t de r Zeiten , macht e solch e Aufteilung un d dan n auc h Spezialisierun g notwendig . Nich t di e wissen schaftliche Spezialisierun g is t Ursach e de r Differenzierun g de r Disziplinen , sondern di e einma l erkannte n historische n Differenze n machte n di e Speziali sierung unvermeidlich , wen n methodisc h saube r un d i n de r Anwendun g eine s immer feinere n Instrumentarium s historisc h gearbeite t werde n sollte . De r Titel de s alttestamentliche n Teil s diese r Bauersche n Theologi e is t eine r hi storischen Exeges e wert ! E s handel t sic h u m ein e Theologi e „oder " ein e historisch-chronologische Darstellung . I n diese m „oder " verrä t sic h da s Dilemma, wi e Theologi e historisc h un d doch theologisc h sei n könne , oder wi e 5* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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historische chronologisch e Darstellun g un d theologisch e Systemati k sic h ver tragen. E s is t ei n Dilemma , da s bi s zu m heutige n Tag e i n de r Diskussio n u m die recht e Gestal t un d de n rechte n Inhal t eine r biblische n Theologi e noc h keineswegs eindeuti g un d einmüti g behobe n ist . Z u beachte n is t auch , da ß e s Bauer zufolg e u m eine n Abri ß de r „religiöse n Begriffe " gehe n wird . Hie r setz t sich di e rationalistisch e un d alt e dogmatisch e Lehrtraditio n scho n i m Tite l des Werke s noc h einma l gege n di e neu e historisch e Method e durch , wi e da s dann auc h i n de r Durchführun g de s Werke s deutlic h de r Fal l ist . Ansonste n wird da s Verhältnis vo n Alte m un d Neue m Testamen t entwicklungsgeschicht lich bestimmt , da s Christentu m gil t al s ein e au s de m Judentu m hervor gegangene Religion . Freilic h waltet e i n diese r Entwicklun g nich t nu r Kon tinuität, di e höher e Stuf e de r christliche n Religio n setz t auc h alttestament liche Vorstellungen, wi e di e des politischen Messia s etwa, auße r Kraft . Damit wa r di e Zukunf t bereit s vorgezeichnet . I n de r Zei t nac h Semle r un d Gabler un d de n erste n Versuche n zu r Realisierun g de s neue n historisch-theo logischen Programm s is t di e Entwicklun g s o verlaufen , da ß sic h di e biblisch e Theologie wi e überhaup t di e historische , sic h nu n imme r stärke r speziali sierende Arbei t a m Alte n (un d entsprechen d auc h a m Neuen ) Testament , ständig meh r gegenübe r de r Dogmati k verselbständigte . Dies e neu e Selb ständigkeit un d Freiheit , wen n auc h noc h durc h rationalistisch e un d auf klärerische Philosophi e au f bestimmt e Vorurteil e festgeleg t un d insofer n eingeengt, bedeute t abe r nich t nu r ein e wachsend e Distan z gegenübe r de r her kömmlichen Kirchenlehre , sonder n auc h ein e u m de r Objektivitä t de r histo rischen Forschun g willen , wi e ma n meinte , notwendig e Distanzierun g vo n all zu vordergründige n un d aktuelle n Fragestellungen , abe r darübe r hinau s auc h eine weitgehend e Dispensierun g vo n de r Frag e nac h de r gegenwärtigen , theo logischen, geistliche n un d existentielle n Bedeutsamkei t de r biblische n Histori e und de r historisc h un d kritisc h gewonnene n Ergebnisse . Dies e Verselbständi gung de r historische n Diszipli n gegenübe r de r Dogmati k hatt e gewi ß auc h polemischen Charakte r un d richtet e sic h gege n di e kirchlich e Traditio n un d deren Vorherrschaft . De r Impetu s wa r emanzipatorisch . Historisch e Ergeb nisse, di e zu r herkömmliche n Kirchenlehr e i m Widerspruc h stehen , ware n bevorzugt un d erregte n besonder e Entdeckerfreude n un d gelegentlic h auc h Schadenfreude übe r di e Schwierigkeiten , welch e solch e Ergebniss e de r Dogmatik bereiten . Wenn di e Dogme n al s Fixpunkt e versinke n un d ewig e Wahrheite n sic h al s historisch beding t herausstellen , wi e sic h dan n i m Stro m de r Geschicht e orien tieren? Nachde m da s Dogm a keine n Orientierungsrahme n meh r hergab , konnten s o eine vermeintlich e Kongenialitä t de s Verstehens un d da s liebevoll e Eingehen au f di e individuelle n Besonderheite n de r Histori e zu m Schlüsse l des Verstehen s werden . A n di e Stell e de s kirchliche n Dogma s trete n philo sophisch-idealistische un d romantisch e Denkvoraussetzungen , di e nu r selten kla r bedach t un d i n Rechnun g gestell t werden . S o schreib t Johan n Gottfried Herde r (1744-1803) unter de m bezeichnende n Buchtite l „Vo m Geist de r ebräische n Poesie " un d vertief t sic h kongenia l i n di e Dichtun g de s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Psalters, die rationalistischen Schranke n hinte r sich lassend, di e spätere metho disch exakter e Psalmenforschun g eine s Herman n Gunke l u.a . anregen d un d teils vorwegnehmend , freilic h auc h romantische s Gedanken - un d Erlebnisgu t als hermeneutisch e Voraussetzunge n einführend . S o droh t da s Höre n au f di e Schrift durc h de n ästhetisc h genossene n Wohllau t ihre r Begleitmusi k über tönt z u werden . Di e Hervorhebun g de s Geschichtlichen , Menschlichen , Po etischen, Urwüchsige n i m Alte n Testamen t milder t di e Eigenständigkei t und di e Fremdartigkei t de r alttestamentliche n Botschaf t un d dräng t si e zurück, stat t zu einer echten Begegnung mi t ihr anzuleiten . Ähnlich ha t Wilhel m Marti n Leberech t d e Wette (1780-1849), mit Schleiermache r einer de r erste n Professore n de r neue n Berline r Universität , späte r i n Base l tätig , unter Anknüpfung a n die romantische Religionsphilosophi e vo n Jakob Friedrich Fries, das Gefüh l al s religiöse s Aprior i verstande n und , trot z alle r historische n Bibelkriti k kirchlich orientiert , Theologi e al s Wissenschaf t un d auc h de n christliche n Glaube n aus rationalistische r Bornierthei t z u befreie n versucht . Da s Fremdartige , da s logisc h und historisc h Unhaltbar e i n de r biblische n Geschichte , die Wunder, di e als kindlich naive Dichtungen verstandene n Mythe n sin d ob dieses ihres Charakters nicht schlechterdings erledigt , sonder n si e werde n fü r da s religiös e Gefüh l z u Sinnbildern , i n denen da s Göttlich e selbs t sic h spiegelt . Ei n ästhetische r Symbolismu s wir d zu m Verstehensschlüssel, der nicht nur öffnet und den Blick auf bisher nicht geahnte Tiefendimensionen freigibt , sonder n de r auc h manche n Zugan g z u eine m adäquate n Ver stehen des ursprünglich Gemeinten und Intendierten verschließt. Daß überhaup t da s „religiös e Apriori " un d da s „religiös e Gefühl " roman tisch-idealistischer Prägun g de n Zugan g z u eine m ech t geschichtliche n Ver stehen verschließe n können , lehr t Friedric h Danie l Erns t Schleiermacher s (1768-1834) grundsätzliche Ablehnun g de s Alte n Testaments , vo n de r a n an derer Stell e (S.103,129ff. ) noc h di e Red e sei n muß . Sein e christozentrisch e Theologie mi t ihrer Orientierun g a n de r Erlösung träg t di e Tendenz in sich, das geschichtliche Christusereignis , z u desse n Geschichtlichkei t de r Bode n Palä stinas, di e kontingent e Zei t unte r Pontiu s Pilatu s un d di e Geschicht e Israel s mitsamt de m i m Alte n Testamen t enthaltene n Erb e gehören , zugunste n eine s geschichtslosen Christus - un d Erlösungsprinzip s aufzulösen . Di e Preisgab e des Alten Testaments ist zugleich Ursach e und Folge seines Ansatzes. Diese bewußt e Ablehnun g de s Alte n Testament s ha t sic h — wie scho n zu r Zeit de s Marcio n - nicht durchgesetzt . Fü r di e Geltun g de s Alte n Testament s war au f lang e Sich t di e rei n historisch e Betrachtungsweis e seh r vie l gefähr licher: si e ließ gelten und verfremdete zugleich . Die Bezeichnung , welch e sic h di e Biblisch e Theologi e gemä ß ihre m neue n Selbstverständnis späte r beilegte , is t fü r dies e Entwicklun g kennzeichnend . Biblische Theologie , eins t Sammlun g vo n biblische n Belege n i m Dienst e de r Dogmatik, dan n pietistische r Aufru f zu r Refor m de r Theologie , di e zu r schlichten Bibelwahrhei t zurückkehre n sollte , dan n ne u definier t al s ein e neue historisch e Disziplin , nenn t si e sic h jetzt , au s ihre m historische n Cha rakter auc h dies e äußere - und äußerste - Konsequenz ziehend : Geschicht e de r israelitischen Religion , s o 1893 Rudolf Smen d mi t seine m „Lehrbuc h de r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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alttestamentlichen Religionsgeschichte" . Dami t is t da s zwiespältig e „oder " i m Buchtitel de r Theologi e vo n G.Loren z Baue r preisgegeben . De r neu e Nam e meinte zweifelsohn e eine n neue n Inhalt . Diese r Inhal t hie ß Geschichte , ver standen al s Ablau f un d Entwicklun g vo n Stadiu m z u Stadiu m un d vo n Stuf e zu Stufe . De r Zweiteilun g i n ein e alttestamentlich e un d ein e neutestament liche Theologi e folgt e mi t Konsequen z ein e Aufteilun g i n ein e Vielzah l vo n Theologien - ja, Religione n - innerhalb de s Alte n Testament s un d ent sprechend auc h de s Neue n Testaments : Religio n de r Patriarchen , Religio n der Mosezeit , de r große n Propheten , de s nachexilische n Judentums , de r Weisheit. Wa r zuers t di e Einhei t de s biblische n Gesamtkanon s zerbrochen , s o lösten sic h nunmeh r auc h di e Kanonteil e i n de n Stro m de r Geschicht e hinei n auf. Hatt e noc h Gable r i n Vorstellungen , Begriffen , di e fü r all e Zeite n gelten , einen bleibende n Hal t z u finde n gemeint , s o stellt e sic h diese r nunmeh r als trügerische r Schei n heraus . Vo n de r Geschicht e gilt , da ß „alle s strömt" . Als Orientierun g i n diese m Strom , wori n alle s z u verschwimme n droht , dien ten au f weit e Strecke n di e Hegeisch e Philosophi e un d de r Entwicklungs gedanke. Di e Geschichtsphilosophi e Geor g Friedric h Wilhel m Hegel s (17701831) mit ihre r stufenweis e fortschreitende n Dialekti k vo n These , Antithes e und Synthes e versucht e insbesonder e Johan n Kar l Wilhel m Vatk e (18061882) auf da s Alt e Testamen t anzuwenden . Sei n Buc h „Di e biblisch e Theo logie, wissenschaftlic h dargestellt . Di e Religio n de s Alte n Testament s nac h den kanonische n Bücher n entwickelt " (1835) unterscheidet i n de r Religions entwicklung Israels , de r philosophische n Vorlag e gemäß , dre i Stufen : di e vorprophetische, di e prophetisch e un d nachprophetische ; dies e reflektiere n einen dialektisc h un d logisc h fortschreitende n Prozeß , i n de m jed e Einzel heit ihre n vernünftige n Sin n hat . Dami t wir d zugleich , vo n de r biblische n Theologie ausgehend , de r Versuc h unternommen , Histori e un d Systemati k in de r Theologi e i n Harmoni e z u bringen : de r geschichtlich e Proze ß is t Refle x des absolute n Geiste s i n seine r Bewegung ; de r äußer e Geschichtsverlau f ist Träger , Vergegenwärtigun g un d Erscheinungsfor m de s Allgemeinen . Vatkes Konzeptio n is t gewi ß imposant , abe r si e steh t un d fäll t nich t nu r mi t der Hegeische n Philosophie , worau f si e beruht . Auc h di e historisch e For schung selbs t schrit t übe r si e hinwe g un d zeigt e alsbald , da ß di e bunt e Füll e des Geschichtliche n un d Kontingente n s o nich t au f de n Begrif f un d i n ei n logisches Syste m gebrach t werde n kann . Dami t mußt e di e Geschicht e selbs t zu einem Problem werden . 8. Die Infragestellung de r „biblische n Geschichte " Auch da s Neu e Testamen t stell t vo r di e Frag e nac h de r rechte n Interpre tation seine r auc h hie r zeitbedingte n Botschaf t un d insbesonder e seine s Mythos i n seine r weltbildliche n Bedingtheit . Fü r de n alttestamentliche n Bereich gesell t sic h jedoc h daz u noc h di e Frage nac h de r theologische n Bedeu tung de s Geschichtsverlaufs , di e i m fü r sic h genommene n Neue n Testamen t so nich t ode r doc h nu r a m Rand e un d au f jede n Fal l nich t i m Zentru m auf © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Infragestellung der „biblischen Geschichte"
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taucht. Da s Alt e Testamen t hingege n erzähl t eine n vo n Ada m bi s i n di e nach exilische Restauratio n reichende n Geschichtsverlauf . Da s Proble m erschwe rend komm t hinzu , da ß da s vo m Alte n Testamen t selbs t entworfen e Ge schichtsbild au f weite n Strecke n de m historisch-kritisc h erarbeiteten , wirk lichen Verlau f de r Geschicht e nich t entspricht . Di e Übereinstimmun g vo n bi blischer Geschicht e un d Geschicht e Israel s zerfie l i n ziemlic h rasc h aufein anderfolgenden Schüben . Vo n Zweifel n a n de r Tradition , da ß Mos e Ver fasser de s Pentateuch s sei , wa r scho n frühe r di e Rede . Zweife l un d Versuche , das traditionelle Bil d von de r Entstehung de s ersten alttestamentliche n Kanon teils irgendwi e z u konservieren , hatte n sic h gelegentlic h zusammengetan . Das überkommen e Bil d wa r abe r nich t z u retten . D e Wette s kritisch e Disser tation, da ß da s Deuteronomium , da s fünft e Buc h Mose , vo n de n vorher gehenden vie r Bücher n de s Pentateuch s z u unterscheide n un d da s Wer k eines anderen , jüngere n Autor s se i (Dissertati o critica-exegetica , qu a Deute ronomium a prioribu s Pentateuch i libri s diversum , alius cuiusdam recentio ris auctoris opu s esse monstratur, 1805) hatte den , von vielen auc h heut e noc h akzeptierten, Nachwei s z u erbringe n versucht , da ß da s Deuteronomiu m keineswegs vo n Mos e stamme , sonder n mi t de m i n de r Regierungszei t de s judäischen König s Josi a (u m 620) aufgefundenen un d eingeführte n Geset z identisch sei . Dami t wa r ei n fas t gena u datierbare r Fixpunk t fü r di e zeit liche Ansetzun g de r verschiedene n Pentateuchschichte n gefunde n worden . Richtig schreib t Eißfeld t (Einleitung , S.227) , da ß dami t de r archimedisch e Punkt de r Pentateuchkriti k bestimm t worde n war , „a n de n si e sic h halte n konnte, u m di e synagogal-kirchlich e Traditio n au s de n Angel n z u hebe n un d eine ander e Ansetzun g de s Pentateuch s un d seine r Teil e a n ihr e Stell e z u setzen." An diesem archimedischen Punk t ist tatsächlich allenfall s nu r noch soviel zu ändern, daß ma n sein e noc h später e Ansetzung , wi e gegenwärti g gelegentlic h mi t gute n Gründen befürworte t wird , erwäge n kann ; ansonste n is t de r gefunden e Punk t ebe n tatsächlich „archimedisch" . Is t da s Deuteronomiu m spä t anzusetzen , s o wir d nich t nur di e mosaisch e Verfasserschaf t diese s Pentateuchteile s i n Frag e gezoge n - das und andere s mehr wa r j a scho n frühe r geschehe n -, sondern al l diejenige n Teil e oder Schichten de s Pentateuchs , die , a m Deuteronomiu m gemessen , jünge r sind , müsse n nun i n de r Zei t nac h 620 angesetzt werden . Tatsächlic h ga b d e Wette s Dissertati o critica de n Ansto ß z u eine r förmliche n Revolutio n de r Ansichte n un d Vorstellunge n nicht nu r übe r di e Entstehun g de s Pentateuch s (de r Tora!) , sonder n übe r de n Ver lauf der Geschichte und Religionsgeschichte Israels überhaupt. In eine m glänzende n un d geschichtlic h einmalige n Zusammenspie l un d Erkennt nisaustausch übe r di e Grenze n vo n Natione n un d Konfessione n hinwe g habe n di e Alttestamentier Eduar d Reu ß (1804-1891) in Straßburg , Kar l Heinric h Gra f (18151869), Reußens Schüler aus dem elsässischen Mühlhause n (ohn e Lehrstuhl), Abraham Kuenen (1828-1891), Professor i n Leiden , un d schließlic h Juliu s Wellhause n (18441918), Professor a n verschiedene n deutsche n Universitäte n (Göttingen , Greifswald , Halle, Marburg) di e nach ihnen so genannte Graf-Kuenen-Wellhausensche Hypothes e entwickelt. Nach diese r - auch heut e i m Prinzi p noc h allgemei n anerkannte n un d i n de r Ta t wohl fundierte n Hypothes e setz t sic h de r Pentateuch aus mehrere n verschiede n alte n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament im Licht der Reformation und im Feuer historischer Kritik
Urkunden, nämlic h de m Jahwiste n (J) , de m Elohiste n (E ) - diese Sige l bzw . Bezeich nungen nac h de n i n diese n Urkunde n verwendeten , unterschiedliche n Gottesname n Jahwe un d Elohi m - und de r Priesterschrif t (P ) zusammen . Währen d ma n J un d Ε in der ältere n Königszei t anzusetze n pfleg t (10.-9. Jahrhundert), is t D - das Deutero nomium - mit d e Wett e a m End e de s 7. Jahrhunderts z u datieren . D a nu n offenba r die Priesterschrif t da s Deuteronomium , als o de n sei t d e Wett e feststehende n Fixpunk t um 620, schon voraussetzt , mu ß Ρ noch später , un d dan n als o offenba r i n exilisch nachexilischer Zei t datier t werden . Z u Ρ ist abe r insbesonder e di e „mosaische " Zeremonialgesetzgebung de r mittleren Pentateuchbüche r z u rechnen .
Diese Hypothes e revolutioniert e all e bisherige n Ansichte n un d insbeson dere auc h da s Gesamtverständni s de s Alte n Testaments : da s Geset z un d di e Gesetzlichkeit, di e Kultgemeind e un d ihr e Rite n stehe n nich t a m Anfang , sondern a m End e de r israelitisch-jüdische n Geschichte . Di e Geschicht e habe n dann Abraha m Kuene n (D e godsdiens t va n Israel , 1869-70) und Juliu s Well hausen (Israelitisch e un d jüdisch e Geschichte , 1894; Prolegomen a zur Ge schichte Israels , i n mehrere n Auflage n al s Überarbeitun g de r Geschicht e Israels, 1878) geschrieben. Si e wa r ein e großartig e un d bi s heut e eindrucks volle Synthes e de r analytischen , literarkritische n Ergebnisse . Da s neu e Ge schichtsbild berühr t nich t zuletz t auc h da s Verständni s de s alttestamentliche n Gesetzes (daz u s. Kap. IV, 4 S. 107f.). So aufsehenerregen d die wie Entdeckunge n wirkende n neue n Erkenntniss e damals auc h waren , da s neu e Geschichtsbil d de r Wissenschaf t kannt e imme r noch eine n Geschichtsverlau f vo n Abraha m un d seine n Nachkomme n übe r Mose, Exodus , Wüstenwanderun g un d Landnahm e bi s zu r Staatenbildun g unter Saul und David . Da s historisch-kritisch e Geschichtsbil d wa r ein e Reduktion de s biblische n Bildes , da s vo m Legendarischen , Mirakulösen , orientalisch Übertreibende n gereinig t un d dahingehen d korrigier t war , da ß die mosaisch e Gesetzgebun g de r mittlere n Pentateuchbüche r nunmeh r al s Produkt de r Spätzei t un d de r jüdische n Erstarrun g verstande n werde n konnte . Auch di e Einsich t in de n literarisc h sekundäre n Charakte r de r Sinaiperikop e ließ doc h noc h de n große n Rahme n de s Geschichtsablauf s unberührt . Meint e Wellhausen gar , mi t diese n Analyse n un d de r darau s resultierende n Gesamt schau vo n Israel s Geschicht e un d Religio n seie n di e Hauptproblem e de r alt testamentlichen Wissenschaf t gelöst , s o stellt e sic h scho n ziemlic h bal d heraus, da ß neu e Fragehinsichte n un d darau s erwachsend e neu e Methode n auch neu e Problem e aufwerfe n un d neu e Lösunge n - auch weitergehend e Auf lösungen de s bi s dahi n anerkannte n Geschichtsbilde s - hervorbringen. Solche 1 neuen Einsichte n wurde n freilic h nich t vo n de r sic h nac h Wellhause n imme r mehr verfeinernde n un d subtile r werdende n Literarkritik , welch e di e Quelle n weiter z u zerglieder n un d i n Unterquelle n usw . aufzuteile n versuchte , ge zeitigt. Vielmeh r richtet e sic h de r Blic k eine r neue n Forschergeneratio n i n de r sogenannten Religionsgeschichtliche n Schul e (Alber t Eichhorn , 1856-1926); Hermann Gunkel , 1862-1932; Hugo Greßmann , 1877-1927; Wilhelm Bousset, 1865-1920; Ernst Troeltsch , 1865-1923 u.a.) au f di e i n de n schrift lichen Urkunde n enthaltene n Überlieferungsstoff e al s solche , un d di e neu e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Infragestellung de r „biblische n Geschichte "
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Frage bezo g sic h au f Herkunft , Geschicht e un d Funktio n - „Sitz i m Leben " solcher Überlieferungen , eh e si e i n di e literarische n Urkunde n aufgenommen , ehe si e - so di e Psalme n - Stück eine r Sammlung , nämlic h de s Psalters , eh e sie - so di e prophetische n Büche r - schriftlich fixier t un d z u eine m Pro phetenbuch zusammengestell t wurden . Dies e neu e Method e - die gattungs und überlieferungsgeschichtlich e - will di e älter e Literarkriti k nich t ersetzen , sondern bau t au f ih r au f un d setz t dere n Ergebniss e vorau s un d führ t nu n allerdings wei t übe r si e hinaus . Sin d di e vo n de r Literarkriti k herausgearbei teten Quelle n - hypothetisch - datierbar un d lokalisierbar , un d sin d dies e Urkunden al s solch e unbezweifelba r israelitische n Ursprungs , s o zeige n di e darin fixierte n Überlieferunge n vielfach e Ähnlichkeite n mi t außerbiblische n Traditionen un d mancherle i Abhängigkeite n vo n außerisraelitische n Vor bildern. I n viele n Teile n schein t da s Alt e Testamen t sein e Originalitä t z u verlieren; sei n Weltbild , sein e Mythe n - Schöpfung un d Sintflu t etw a - seine Gebetsliteratur scheine n gemeinorientalisc h un d Ausdruc k de r allgemeine n Religiosität un d Weltanschauun g de s Alte n Orient s z u sein . I n de r über schwenglichen Entdeckerfreud e konnt e e s leich t z u überzogene n Ansichte n kommen: alle s un d jede s i m Alte n Testamen t sol l vo m babylonische n Geis t geprägt un d abhängi g sein , nu r ein e spät e un d unoriginell e Ausprägun g eine s einheitlichen, allumfassende n babylonische n Weltbildes , wi e di e „Panbabylo nisten" Hug o Winckler , Alfre d Jeremia s un d Pete r Jense n meinte n un d wi e Friedrich Delitzsc h i n polemische r Weis e unter s Vol k z u bringe n versucht e (vgl. auc h u.S. 130f.) . Aber nich t zuers t dies e Polemi k de s sogenannte n Babel-Bibel-Streite s un d jene Übertreibunge n führte n de n wissenschaftliche n Erkenntnisproze ß weite r und verschärfte n da s hermeneutisch e un d theologisch e Proble m de s Alte n Testaments. Gerad e auc h di e maßvoll e un d seriös e Wissenschaft , wi e si e vo n der Religionsgeschichtliche n Schul e betriebe n wurde , fügt e di e biblisch e Religion i n die allgemeine Religionsgeschicht e ein , auch wen n di e individuelle n Eigenarten un d Besonderheite n nich t übersehe n wurden . Un d nich t nu r das : die i n de n schriftliche n Quellen , Urkunden , Bücher n de s Alte n Testament s fixierten Überlieferunge n werde n au s diese r Fixierun g gelös t un d zeige n sic h nun i n ihre m geschichtliche n Wande l un d i n ihre n ständige n Verwandlungen , bis si e ihr e endlich e un d endgültig e literarisch e Gestal t finden . Di e gattungs und überlieferungsgeschichtlich e Method e is t da s Instrument , dies e Ver wandlungsgeschichte z u ergründe n un d nachzuzeichnen . Welch e Bedeutun g aber komm t diese r Geschicht e ständige r Transformatione n al s solche r zu ? Hat di e Geschicht e selbs t theologisch e Relevanz ? Dies e Frag e mußt e nunmeh r akut werden . Si e verschärft e sic h noch , al s da s Resulta t de r konsequen t auf de n Pentateuch angewandten überlieferungsgeschichtliche n Method e da s einst literarkritisc h gereinigt e un d reduziert e Bil d vo n Israel s Frühgeschichte , also de r kanonische n Heilsgeschichte , da s j a noc h weitgehen d de m kano nischen Bil d entsprach , sic h imme r deutliche r al s historisc h unhaltba r erwies . Hier brachte n di e einschlägige n Arbeite n vo n Gerhar d vo n Ra d (Da s form geschichtliche Proble m de s Hexateuchs , 1938) und vo n Marti n Not h (Über © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament im Licht der Reformation und im Feuer historischer Kritik
lieferungsgeschichte de s Pentateuch, 1948 ) den Umbruch . Nac h de n noc h über vo n Ra d hinausgehende n Untersuchunge n M.Noth s setz t sic h de r Pentateuch aus ehemal s selbständige n un d ursprüngliche n Überlieferungskom plexen zusammen . Als solche besondere n Theme n j e eigener Herkunf t gelte n di e Patriarchenerzählun gen, das Exodusthema, di e Wüstenwanderung, di e Landnahme i n Kanaan, di e Offen barung a m Sinai . Dabe i setz t sic h da s Them a Wüstenwanderun g selbs t wiede r au s ehemals selbständige n kleinere n Überlieferunge n übe r Lokalitäte n un d Eigentüm lichkeiten de r Wüste (Quellsagen , Sage n über Manna usw. ) zusammen. Diese Themen waren eins t Überlieferunge n j e besondere r Gruppe n ode r Sippen , welch e dan n di e Vorfahren de s nachmalige n Israel s geworde n sind , un d sin d ers t späte r zusammen gewachsen und israelitisiert worden. Damit zerbricht der Rahmen de r Pentateucherzählung, den n die Reihenfolg e der Theme n is t gegenübe r de r Eigenständigkei t de r Überlieferunge n un d de n unterschiedlichen ursprüngliche n Überlieferungsträger n sekundä r un d nich t unmittelbar historisc h auswertbar . Ander s formuliert : di e Landnahm e kan n auch vo r de m Auszu g au s Ägypten , de r Auszu g auc h vo r de n Sinaiereignisse n stattgefunden haben . Ja, di e Frag e nac h de r Abfolge de r Ereigniss e is t schlech terdings nich t meh r beantwortbar , d a e s sic h u m sagenhaft e Reflex e vo n Erfahrungen un d Erlebnisse n un d auc h Bekenntnisse n j e verschiedene r Grup pen handelt . Auc h ein e etwa s konservativer e Sicht , welch e etw a Exodus thema un d Sinaiüberlieferun g fü r ein e ursprünglich e Einhei t halte n möchte , vermag doc h die fundamentale Destruktio n de s Pentateuchrahmens un d dami t des Ablaufs der kanonischen Geschicht e nicht mehr rückgängig z u machen . Wie Juliu s Wellhause n eins t di e analytische n Ergebniss e de r Literarkriti k in eine r große n Synthes e zusammenfaßte , s o schrie b auc h Marti n Not h sein e Geschichte Israel s (1950), in de r di e Pentateuchtheme n al s „Traditione n de s sakralen Zwölfstämmebundes " behandel t werden . Di e Geschicht e Israel s aber spielt sich in Kanaan un d erst nach der Landnahme ab . Das Nothsch e Buc h ha t al s klassische s Wer k un d Refle x de r Forschungs lage seinen Ruh m auc h dadurch erhöht , da ß es äußerste Zurückhaltun g be i de r Frage nac h de r theologische n Bedeutun g jene r überlieferungsgeschichtliche n Einsichten un d ihre r historische n Verarbeitun g z u eine r Darstellun g de r Früh geschichte Israel s übt . Dies e Frag e kan n abe r nich t au f imme r unterdrück t werden. Kommt , wi e ma n glaubt , de r wi e auc h imme r verstandene n Ge schichte ein e wi e auc h imme r z u verstehend e theologisch e Bedeutsamkei t zu , so muß di e Frag e jetz t lauten , o b solch e Relevan z de m alttestamentliche n Ge schichtsbild, de m wirklichen , vo n de r Wissenschaf t rekonstruierte n Verlau f der Geschicht e ode r de m Überlieferungsgeschehe n al s solchem ode r auc h alle n Aspekten diese r Geschichte eignet . 9. Versuche einer neuen „Theologie " de s Alten Testament s Wilhelm Vatk e hatt e e s noc h einma l unternommen , historisch e Theologi e und Dogmati k i n Einklan g z u bringe n un d dami t da s i m Verhältni s vo n Geschichte un d gegenwärtige r Geltun g liegend e hermeneutisch e Proble m z u © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Versuche einer neue n „Theologie " de s Alten Testament s
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lösen. De r Versuc h wa r vo n seine m un d Hegel s Standpunk t un d Denkvor aussetzungen au s gelungen. Aber auc h dies e kunstvolle Harmoni e vo n Historie un d christliche r Philosophi e zerbrac h alsbald , al s di e fortschreitend e historische Forschun g imme r deutliche r ein e Füll e un d eine n Reichtu m a n Erscheinungen, Ereignissen , Zusammenhängen , Querverbindunge n un d Unberechenbarkeiten a n de n Ta g förderte , di e vo n keine r philosophische n oder theologischen Systemati k mehr zu bändigen war. Die lange schon vor der Religionsgeschichtlichen Schul e imme r meh r zu r Religionsgeschicht e wer dende historisch e Theologie , un d zuma l di e alttestamentlich e Theologie , geriet dami t i n imme r größer e Distan z zu r Dogmatik , ja , ihr e theologisch e Qualität wurd e überhaup t fragwürdig . Religionsgeschichtliche s Interess e fand nicht zuerst das, was trotz Distanz der Zeiten Vergangenheit un d Gegenwart verbindet , sonder n da s gan z Andere , Ursprüngliche , Urwüchsige , Naturwüchsige, Naiv e un d Primitive . Erarbeite t un d untersuch t wurde n Phänomene, di e da s Lebe n de r gegenwärtige n Kirche , j a di e Gegenwar t überhaupt kau m noc h z u berühre n schienen . Dami t schie n da s Alt e Testa ment selbst , nunmeh r rei n historisc h verstande n un d nu r noc h historisc h verstehbar, sein e Bedeutun g fü r Theologi e un d Kirche , sofer n dies e nich t bei einer alt-dogmatischen Deutungsweis e verharren , verloren zu haben. Einst war di e historisch e Theologi e angetreten , mi t Hilfe de r Autoritä t de r Schrift , das dogmatisch e Syste m z u kritisiere n un d schließlic h i n Frag e z u stellen . Im Vollzug de r historischen Arbei t schie n si e nunmehr auch die Autorität de r Schrift selbs t i n Abred e gestell t z u haben . Un d hatt e sic h eins t di e Histori e von der Dogmatik emanzipiert , s o schien di e Dogmatik, sofer n si e nicht beim überlieferten dogmatische n Schriftverhältni s verharrte , da s Rech t un d woh l auch di e Pflicht z u haben, sich von der Historie, der „historischen " Bibel und damit vo n de n bisherige n Grundlage n de r Kirch e z u emanzipieren . Ein e bi s in di e Gegenwar t wirkend e verhängnisvoll e Entwicklun g bahn t sic h hie r bereits an : di e Emanzipatio n vo m Alte n Testament , abe r dan n auc h vo n der neutestamentliche n Christusbotschaf t wir d fü r breit e Teil e de r theo logischen Theoriebildun g un d Praxi s kennzeichnend . A n di e Stell e de r vor und aufgegebene n biblische n Autoritä t kan n forta n ein e nich t nu r metho dische, sonder n auc h inhaltlich e Orientierun g a n zeitgenössische r Popu larphilosophie, Humanwissenschaften un d Marxismus treten. Dieses in der heutigen Situatio n vo n Theologie un d Kirch e nach der gegenläufigen Bewegun g de r Theologi e de s Worte s Gotte s ers t vol l sichtba r un d praktisch sic h auswirkende Dilemma is t viel älte r und hat tiefere Wurzeln. Sie liegen verborgen i n dem im Vollzug historische r Forschun g selbst aufbrechen den hermeneutische n Proble m de s Verhältnisses vo n Histori e un d Theologie, historisch-kritischer Method e un d Dogmatik , historische r Abständigkei t und geschichtlich-gegenwärtige r Gültigkeit , un d dami t letztlic h de r dialek tischen Einhei t vo n Geschicht e un d endgülti g (eschatologisch ) geschehene m und geschehendem Heil , als o von Geschichte und Eschatologie. Die Statik des Dogmas hatte jene Dialektik weitgehen d verdeck t und die historische Wissen schaft legt e zunächs t nu r da s Auseinanderklaffe n vo n Vergangenhei t un d © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Gegenwart blo ß und rückte vor allem da s Alte Testament i n eine ferne Fremde . Erst di e i m Gefolg e de r historische n Arbei t ne u einsetzend e hermeneutisch e Besinnung au f da s Phänome n de s Geschichtlichen, abe r auc h au f de n Vorgan g des Auslegens un d di e Bedingungen de r Möglichkeit de s Verstehens überhaup t kann daz u i n di e Lag e versetzen , di e de m Wese n de s Christliche n eigen e Dialektik vo n Geschicht e un d Gegenwar t ne u z u verstehen , zu r Sprach e z u bringen und für di e Kirche fruchtbar z u machen . Auf diese m Hintergrund e sin d di e Bestrebunge n z u sehen , di e seither , nich t ohne enge n Zusammenhan g mi t de r Dialektische n Theologi e vo n Kar l Barth , Rudolf Bultman n un d andere n mi t ihre m „Zurüc k zu r Sache " de r schrift mäßigen Christusverkündigun g angestreng t wurden , au s de r bloße n Histori e neu zur Theologie vorzustoßen . So heiß t e s au s de r Fede r de s Alttestamentier s Car l Steuernage l i n de r Festschrif t für Kar l Marti , de r eins t selbs t ein e Theologi e de s Alte n Testament s i n ein e Ge schichte de r israelitisch-jüdische n Religio n umgewandel t hatt e (BZA W 41, 1925 , S.266): „Wen n e s damal s notwendi g war , di e biblisch e Theologi e au s de n Fessel n der Dogmatik z u befreien, s o gilt es heute . . ., die alttestamentliche Theologie au s den Fesseln de r alttestamentliche n Religionsgeschicht e z u befreien , i n dene n si e völli g zu verkümmern Gefahr läuft" . Es wa r allerding s leichter , sei n Unbehage n a n de r Situatio n z u bekunde n und ei n Program m z u formulieren, al s es zu verwirklichen. Da s lehren di e Diskussion de r zwanzige r un d dreißige r Jahr e diese s Jahrhundert s un d da s bi s heute unbefriedigend e un d umstritten e Resulta t de r Bemühunge n u m ein e mehr al s blo ß historisch e Theologi e de s Alte n Testaments . Die s la g - und liegt - vor alle m daran , da ß da s hermeneutisch e Proble m de s Alte n Testa ments un d seine s Verhältnisse s zu m Neue n Testamen t woh l i n de r Dogmatik , im Zusammenhan g mi t de r Lehr e vo n de r Schrift , dogmatisc h behandel t z u werden pflegt , abe r i n de r alttestamentliche n Wissenschaf t selbst , ander s als i n de r neutestamentliche n Diszipli n un d trot z Bemühunge n u m „Problem e alttestamentlicher Hermeneutik " (s o der Titel de s von Clau s Westerman n her ausgegebenen Sammelbandes , 1960), eine gründlich e hermeneutisch e Be sinnung unte r Berücksichtigun g de r allgemein-hermeneutische n Diskussio n um da s Verstehensproble m überhaup t un d unte r Aufnahm e de r dor t erzielte n Ergebnisse kau m stattgefunde n hat . Di e Schwierigkei t is t abe r auc h ein e inneralttestamentliche. Da s Alt e Testamen t al s ein e ei n Jahrtausen d um fassende Sammlun g seh r heterogene r Überlieferunge n religiösen , nationalen , weisheitlichen Inhalte s mi t vielfache n Parallele n un d Querverbindunge n zu un d Abhängigkeite n vo n außerbiblische n religiöse n un d andere n Tradi tionen, al s welch e di e historisch e Wissenschaf t da s Alt e Testamen t sehe n ge lehrt hat , läß t sic h nich t ohn e Gewal t un d Kramp f au f ein e Forme l festlege n oder vo n eine r wi e auc h imme r z u bestimmenden , alle s tragende n Mitt e he r verstehen. Die seithe r konzipierte n Theologie n de s Alte n Testaments , di e sic h wiede r bewußt Theologi e nennen , sin d fas t all e al s Versuch e z u werten , Theolo © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Versuche einer neuen „Theologie" des Alten Testaments
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gisches auszusagen , ohn e di e Geschicht e z u verlieren , als o wi e scho n Vatke , aber ohn e desse n philosophisch e Voraussetzungen , Geschichtlichkei t un d Geltung, Damalige s un d Heutige s zueinande r i n Beziehun g z u setzen . Ei n wichtiger Fortschrit t war , da ß diese s Proble m überhaup t wiede r i n de n Blic k kam, nachde m e s i m emsige n un d erfolgreiche n Vollzu g de r historische n Arbeit längere Zeit in den Hintergrund getrete n war . In eine m vielbeachtete n Aufsat z vo n 1926 hat Ott o Eiisfeld t e s au f de n Begriff z u bringe n versuch t (Israelitisch-jüdisch e Religionsgeschicht e un d alttestamentliche Theologie , a.a.O. , S . 105-114). Nach Eißfeld t geh t e s letzt lich u m di e Spannun g vo n Absolute m un d Relativem . Di e historisch e un d di e theologische Betrachtungsweis e gehöre n zwe i verschiedene n Ebene n an . Einmal is t de r Mensc h akti v un d methodisc h au f Erkenntni s aus , andermal , in de r Theologie , verhäl t e r sic h passi v un d wir d vo n eine m Höhere n er griffen. „S o is t di e Notwendigkei t de r beide n Betrachtungsweise n mi t unse rem geistige n Sei n gegeben , un d wi r habe n nu r di e Wahl , entwede r eine n Kompromiß zwische n ihne n z u schließen , ode r jed e i n ihre r Eigenar t un d ihrem Eigenrech t anzuerkenne n un d z u pflegen " (S . 109). Von de r Frag e einmal abgesehen , o b hie r nich t - nach un d trot z Semle r - Theologie un d Religion ungebühren d ineinsgesetz t worde n sind , diese r Aufsat z is t typisc h für di e Problemlage : da s Auseinanderklaffe n vo n Geschicht e un d normativer , die Gültigkei t un d Verbindlichkei t herausstellende r Theologi e wir d kla r erkannt, di e No t diese s Auseinanderklaffen s wir d gespürt , de r Will e zu r wissenschaftlichen Redlichkei t is t ungebrochen , di e Verantwortun g fü r di e geschichtliche un d kirchlich e Bezogenhei t de r Theologi e un d s o auc h de r historisch verfahrende n Theologi e is t mitnichte n preisgegeben . S o sol l kom promißlos beide s gelten , abe r da s Proble m de r Vermittlun g beide r Frage hinsichten is t s o nich t gelöst . De r Gedankengan g ende t gleichsa m noc h i m vor-hermeneutischen Stadiu m un d di e Frage , o b den n überhaup t ein e vor aussetzungslose historisch e Arbei t un d ein e wirklic h gan z un d ga r küh l distanzierte Exeges e möglic h seien , wir d nich t einma l gestellt . Umgekehr t erscheint de r Glaub e un d di e vo m Glaubende n ausgehend e Theologi e (i m prägnanten Sinne ) al s ei n vo n de r Wissenschaf t un d ihre n Ergebnisse n gänz lich unabhängige r Willkürakt , de r i n ein e ander e Sphär e menschliche n Sein s gehört, s o als gäbe e s keinerlei Verbindun g vo n Glauben un d Verstehen un d al s müßte der Glaube Unverstandene s glauben, u m rechter Glaube zu sein . Diese Konsequen z zo g Eißfeld t nicht , si e wa r vo n ih m auc h gewi ß nich t beabsich tigt, abe r sie läßt sich ziehen, wie das Beispiel de s konservativen Ott o Procksch, selbst Verfasser eine r Theologi e de s Alten Testament s (1949/50 posthum) lehrt . Fü r ihn is t der Glaube das Erkenntnisorgan fü r di e Welt der Bibel, für das Gotteswunder und die Offenbarung Gottes . Auc h hie r is t als o da s hermeneutisch e Problem , di e Frag e de s Verstehens, übersprunge n un d dami t faktisc h zugleic h di e Bedeutun g de r historisch kritischen Exeges e überhaup t i n Frag e gestellt , d a ih r vo n vornherei n di e recht e Erkenntnis der Sache, welche die Schrift bezeugt, verborgen bleibt. Nach de r breite n Diskussio n übe r da s O b un d Wi e eine r Theologi e de s Alten Testaments , di e meh r sei n sol l al s bloß e Religionsgeschicht e (daz u vgl . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht de r Reformatio n un d i m Feue r historischer Kriti k
den S a m m e l b a n d , de r vo n C . Westermann herausgegebe n w u r d e : Problem e alttestamentlicher Hermeneutik , 1 9 6 0 ) , erschienen dan n sei t de n dreißige r Jahren mehrer e Theologie n de s Alte n Testaments . Si e solle n hie r nich t all e besprochen un d rezensier t werden ; daz u se i verwiese n au f di e Übersichte n bei E . W ü r t h w e i n un d W . H . S c h m i d t . Hie r k o m m t e s nu r darau f an , wi e sic h das hermeneutisch e Proble m eine s Gesamtverständnisse s de s Alte n Testament s in de r angewandte n M e t h o d e un d i n de r Dispositio n diese r Theologie n reflektiert. Lehrreich is t scho n gleic h de r Tite l vo n Erns t Sellin s Werk : Alttestamentlich e Theologie au f religionsgeschichtliche r Grundlage , Tei l I. Israelitisch-jüdische Reli gionsgeschichte, Tei l II. Theologie de s Alte n Testamente s (1933). Beide Teil e solle n in eine r höhere n Einhei t zusammengehören . Währen d Tei l I die Geschichte vo n Israel s Religion bi s zu Jesus Christu s nachzeichnet , wil l Tei l II Theologie i m Sinn e christliche r Theologie biete n un d de n Glaube n un d di e Lehre n de s alttestamentliche n Kanon s darstellen, insofer n (!) das Neu e Testamen t solche s al s gülti g voraussetzt . S o richti g die Einschränkun g de s „insofern " fü r ein e Theologi e mi t christliche m Anspruc h ist , s o bleibt e s auc h hie r wiede r auffällig , da ß ein e Zweiteilun g i n ein e Geschicht e un d ein e Systematik vorgenomme n wird . Si e entsprich t de m „oder " scho n be i G.Loren z Baue r (s.o. S.67f.) . Ebens o verdien t e s Beachtung , da ß de r i m eigentliche n Sinn e theologisc h sein wollende Teil systematisch un d gemäß dem herkömmlichen dogmatische n Schema , Theologie, Anthropologie , Soteriologi e bzw . Lehr e vo n Gott , Lehr e vo m Mensche n und vo n de r Sünde , Lehr e vo n Gerich t un d Hei l aufgebau t ist . Ma n kan n nich t nu r fragen, o b solche s Schem a de m Alte n Testamen t nich t doc h etwa s z u gewaltsam un d schematisch übergestülp t ist . Di e Bedenke n sin d grundsätzlichere r Art : gerä t i n de r Statik de s Systems , da s u m de r „Theologie " wille n fü r erforderlic h gehalte n wird , die Geschicht e nich t z u seh r i n Vergessenheit ? Vo r alle m aber : is t ein e systematisch e Darstellung de s wesentlichen Inhalte s des Alten Testaments a n sich schon theologische r als ein e chronologische ? Obwoh l di e Erkenntni s Sellins , da ß alttestamentlich e Theolo gie i m prägnante n Sinn e christlich e Theologi e nu r sei n kann , wen n vo n neutesta mentlichen Kriterie n ausgegange n un d dara n gemesse n wird , eine n echte n un d unaufgebbaren Fortschrit t bedeutet , is t auc h hie r da s Proble m vo n Geschicht e un d normativer Geltung , da s i n de r Zweihei t un d Unterschiedenhei t vo n Religionsge schichte und Theologie zu m Ausdruck kommt , nich t voll erfaßt un d keineswegs gelöst . Unter Anknüpfung a n reformiert e Traditio n un d Ansätz e de r ältere n Föderaltheolo gie (s.o . S.54f. , 59f.) entwar f 1933ff. Walthe r Eichrod t ein e ander s disponiert e Theo logie de s Alte n Testaments , di e i n dre i Bände n un d mehrere n Auflage n erschiene n ist. Hie r stehe n nich t meh r Geschicht e un d Systemati k nebeneinander , sonder n vo n einem, wi e Eichrod t meinte , fü r da s ganz e Alt e Testamen t selbs t zentrale n Ansat z aus sol l di e Glaubenswel t Israel s i n ihre r strukturelle n Einhei t un d i n ihre m Zusam menhang mi t de m Neue n Testamen t dargestell t werden . Diese r Zentralbegrif f is t fü r ihn de r „Bund" , de r sic h al s Bundesverhältnis Gott-Volk , Gott-Wel t un d Gott-Mensc h entfaltet. E s soll auc h hie r kein e Rezensio n diese r Theologi e al s solche r vorgenommen , sondern nu r dere n hermeneutisch e Positio n herausgestell t werden . Di e Auflösun g des Dilemma s vo n Geschicht e un d Theologi e wir d hie r nich t mi t eine m Sowohl als-auch ode r i m Stil e vo n G . Lorenz Baue r mi t eine m „oder" , sonder n zugunste n einer Systemati k angestrebt . U m abe r eine r fremde n un d verfremdenden , nich t sach gerechten Dogmati k z u entgehen , wähl t Eichrod t ein e inneralttestamentlich e Kategorie - die de s Bunde s - , um mi t ihre r Hilf e di e Füll e de s geschichtliche n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Stoffes z u systematisieren . Vo n de r Frage , o b de m Bundesgedanke n wirklic h inner alttestamentlich ein e s o zentral e Bedeutun g zukomme , se i a n diese r Stell e abgesehen ; man kan n allerding s erheblich e Zweife l anmelde n (vgl . etw a L . Perlitt, Bundes theologie i m Alte n Testament , 1969, und s.u . S . 108ff.). Die s is t hie r abe r nich t ein mal da s Entscheidende . Wichtige r is t di e ander e Frage , einma l o b überhaup t da s Alte Testamen t ein e Mitt e hat , vo n de r he r di e gesamt e Füll e de r Überlieferunge n sic h aufschließen läßt . We r di e schlicht e historisch e un d exegetisch e Erkenntni s erns t nimmt, da ß da s Alt e Testamen t ein e ei n Jahrtausen d umfassend e heterogen e Lite ratursammlung darstellt , wir d vo n vornherei n erheblich e Zweife l nich t unter drücken könne n un d dies e Zweife l alsbal d bestätig t finden , wen n e r nu r feststelle n kann, da ß e s auc h Eichrod t mi t seine m Bundesbegrif f nich t gelang , da s Ganz e i n de n Griff z u bekommen . Theologisc h woh l a m wichtigste n is t jedoc h di e weiter e Frage , ob den n überhaup t da s Alt e Testamen t fü r ein e christlich e Theologi e ein e „Mitte " haben kann , w o doc h i n de r christliche n Theologi e Christu s di e Mitt e un d de r Grun d ist, auße r welche m nieman d eine n andere n Grun d lege n kan n (l.Kor . 3,11). Christi Name abe r wir d ers t i m Neue n Testamen t genann t un d sei n To d un d sein e Aufer stehung werde n ers t hie r al s endzeitliche s Heilsereigni s verkündigt . Hermeneutisc h und theologisc h schließlic h is t wiederu m z u fragen , waru m ein e systematisch e Dar stellung de r historische n Dokumentensammlung , di e Alte s Testamen t genann t wird , höhere theologisch e Bedeutun g habe n sol l al s ein e meh r chronologisch e Anordnung . Sollte da s Alt e Testamen t trot z alle r Ungleichartigkei t de r Überlieferunge n dennoc h eine wi e auc h imme r z u bestimmend e eigen e Mitt e ode r sic h durchhaltend e Grund strukturen haben , s o ließe n sic h dies e auc h ohn e Systemati k i n eine r geschichtliche n Betrachtungsweise mi t einige m Geschic k herausstellen . Offenba r führ t de r Will e zur Theologi e z u eine r Abwendun g vo n de r historische n hi n z u eine r systematische n Darstellungsweise un d ma n mein t - für sei n Tei l - eine Lösun g de s inhaltliche n Sach problems vo n Geschicht e un d gegenwärtige r Geltun g gefunde n z u haben , wen n ma n nur di e Darstellungsweis e ändert . Letztlic h abe r wir d di e Entscheidun g darüber , o b und inwiefer n un d waru m alttestamentlich e Aussage n christlich e Gültigkei t bean spruchen können , de r Dogmati k überlassen , un d dami t da s Proble m gleichsa m inner halb de r Fakultä t verschobe n un d eine r andere n Diszipli n zugeschoben , al s o b dies e bei schlechtere m historische m Imformationsstan d besser e Möglichkeite n eine r Pro blemlösung, di e j a ein e Begründun g de r gegenwärtige n Gültigkei t vo n historisc h erarbeiteten Aussage n alte r Text e sei n müßte , anzubiete n hätte . Dies e Erwartun g wurde gewiß noch immer enttäuscht . Dasselbe läß t sic h auc h vo n Ludwi g Köhler s Theologi e de s Alten Testament s (1936) sagen, w o e s lau t einleitende n Bemerkunge n daru m z u tu n sei n soll , diejenige n An schauungen, Gedanke n un d Begriffe , di e theologisc h erheblic h sin d ode r sei n können , herauszustellen. Wichti g un d richti g ist , da ß Köhle r - wie Seili n - das Kriteriu m fü r das, wa s i m Alte n Testamen t „erheblich " sei n kann , de m Neue n Testamen t ent nehmen will . Ansonste n orientier t sic h di e systematisch e Darstellun g wiede r a n de r dogmatischen Dispositio n Theologie , Anthropologie, Soteriologi e (Gerich t und Heil) . Systematisch angeleg t is t ebenfall s - um hie r nu r di e wichtigste n Werk e z u erwäh nen - die Theologi e vo n Th.Chr.Vriezen , Hoofdlijne n de r theologi e va n he t Oud e Testament, 1949 ( 4 1974), sei t 1956 in mehrere n Auflage n auc h i n deutsche r Über setzung mi t de m Titel : Theologi e de s Alten Testament s i n Grundzügen , wen n auc h ei n Abriß de r Religionsgeschicht e Israel s nich t fehlt . I m weitau s größere n systematische n Teil wird , vo m Gedanke n de s Gemeinschaftsverhältnisse s zwische n Got t un d Mensch , also, ähnlic h wi e be i Eichrodt , vo m Bun d ausgehend , da s Alte Testament prinzipiel l al s
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Das Alte Testament i m Licht der Reformatio n un d i m Feuer historischer Kriti k
Teil de s christliche n Kanon s un d al s Tex t fü r christlich e Predig t behandelt . Rech t und Pflicht z u solcher Betrachtungsweise erwachsen für Vriezen daraus, daß die Kirche von alle m Anfan g a n de n Offenbarungscharakte r de s Alte n Testament s anerkann t und verteidig t hat . Durc h diese n Verwei s au f di e Tradition de r Kirche is t das herme neutische un d theologisch e Proble m de r Geltun g de s Alte n Testament s vora b ent schieden, abe r nich t gelöst . De r historische n Kriti k bleib t abe r auc h s o di e groß e Aufgabe, zwische n Wichtige m un d Periphere m unterscheide n z u lehre n un d s o di e wesentliche Wahrheit desto heller aufscheinen zu lassen. Verstehen di e genannte n Werk e Theologi e de s Alte n Testament s vornehm lich ode r ga r ausschließlic h al s Systemati k i m Sinn e eine r systematische n Dar stellungsform un d rechne n si e fas t all e mi t irgendeine r Mitt e al s Ordnungs prinzip - Bund, Gemeinschaftsverhältni s (Eichrodt , Vriezen) , Herrsei n Gotte s (Köhler), Herrschaf t un d Gemeinschaf t (Fohrer , Theologisch e Grundstruk turen), Offenbarun g de s Jahwenamens al s Gotte s Sich-Selber-Sage n (Zimmer li, Grundri ß de r alttestamentliche n Theologie ) - , so besteh t di e besonder e Bedeutung de r Theologi e Gerhar d vo n Rad s darin , da ß si e de n Versuc h wagt , Geschichte al s Theologi e un d Theologi e al s Geschicht e z u schreiben . Sein e theologische Geschichte , di e zugleic h Geschichtstheologi e ist , wil l ei n Nach erzählen sein , freilic h nich t Nacherzählun g historisch-kritisc h ermittelte r Fakten, sonder n de r alttestamentliche n Geschichtszeugniss e selbst . Di e obe n beobachtete problematisch e Diskrepan z vo n wirkliche r Geschicht e bzw . historisch-kritischem Geschichtsbil d un d biblische r Geschicht e bzw . alt testamentlichem Geschichtsbil d wir d zugunste n de s letztere n entschieden . Hatte di e vo n vo n Ra d selbs t gehandhabt e überlieferungsgeschichtlich e Methode di e vorliterarische n Uberlieferungskomplex e au f ihre m Weg e un d in ihre n Wandlunge n i n de r Geschicht e freigelegt , s o schläg t dies e Methode , indem si e di e Überlieferunge n al s Zeugniss e de s Glauben s un d de r Glaubens inhalte (credenda ) verstehe n lehrt , u m i n ein e Theologi e de r Überlieferun gen (s o de r Untertite l de s vo n Radsche n Werkes) . Theologi e is t di e Nach erzählung de r Überlieferunge n unte r besondere r Berücksichtigun g ihre s Charakters al s Glaubenszeugniss e Israels , währen d de r wirklich e Verlau f der Geschicht e un d auc h de r Religionsgeschicht e di e Domän e de r blo ß histo rischen Arbei t bleibt . S o werde n verschieden e Probleme , wi e si e i m Lauf e de r Forschungs- un d Theologiegeschicht e aufgebroche n waren , zusammen geschaut und verschiedenartige Ansätz e zu r Lösung z u einer imposanten neue n Harmonie kombinier t un d verbunden : vo n Ra d kehr t ersten s z u eine r Theo logie de s Alte n Testament s al s eine r historische n Diszipli n un d dami t z u de m ursprünglichen un d notwendige n Ansat z diese s Wissenschaftszweige s zurück . Damit wir d de r ei n fü r allema l erkannt e Geschichtsverlau f mi t seine n Bedin gungen un d Bedingtheiten , seine r Kontingen z un d seine m Zusammenhan g wieder historisc h erns t genomme n un d gege n forciert e Systemati k un d gege n den Systemzwan g eine r postulierte n Mitt e abgesichert . Vo n Ra d versuch t zweitens di e Geschicht e selbs t theologisc h erns t z u nehmen , inde m e r di e Geschichte de r Überlieferunge n al s ein e solch e de r Glaubenszeugniss e hervor kehrt. Dritten s komm t be i ih m auc h da s älter e Schem a Weissagung-Erfüllun g © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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und Typos-Antitypo s erneu t zu r Geltun g un d bring t i n de n Geschichtsablau f der Bezeugunge n Lini e un d Ziel . Schließlic h wir d di e Christlichkei t de r s o verstandenen Geschichtszeugniss e dadurc h begründet , da ß di e nac h de m Schema Weissagung-Erfüllung , Typos-Antitypo s verlaufend e Geschicht e heilsgeschichtlich au f di e Erfüllun g i n Christu s zugeh t un d vo n Christu s he r theologisch qualifizier t wird . Auch dies e gewi ß seh r bedeutend e un d i m einzelne n noc h lang e nich t aus geschöpfte Konzeption , di e manche n ga r al s de r endlic h gefunden e Stei n de r Weisen vorkam , sol l hie r nu r au f ihr e hermeneutische n Grund-Ansätz e un d deren Tragfähigkeit befrag t werden. Solche Befragung is t ungemein lehrreich fü r den gegenwärtigen Stan d des hermeneutischen Problem s des Alten Testaments. Es is t ersten s z u fragen , o b di e Herausarbeitun g un d Betonun g de r Ver kündigungsintention de s vo m Alte n Testamen t selbs t gebotene n Geschichts bildes un d desse n Nacherzählun g meh r al s all e andere n methodische n Schritt e und Verfahrensweise n Theologi e i m strenge n Sinn e sind . Dies e Frag e stellen , heißt si e beantworten : Ha t da s — selbst auc h historisch e — Bild, da s i m Alte n Testament vo n de r Geschicht e entworfe n wird , Glaubenscharakte r un d Ver kündigungsintention, s o is t di e Herausarbeitun g diese s Charakter s un d die ser Intentio n selbs t auch , nich t ander s un d nich t meh r al s etw a Textkritik , historische Arbeit. Vo n Rad s Versuch, durch Verwandlun g de r Überlieferungs geschichte i n ein e Nacherzählun g de s kerygmatische n Geschichtsbilde s di e Religionsgeschichte i n Theologi e z u verwandel n un d au s de r Totalitä t de s bloß Historische n auszubreche n un d zu r Geschichtstheologi e vorzudringen , endet selbs t wiede r i n de r Historie . Sodan n bleibt , zweitens , de r Versuc h pro blematisch, durc h di e postulierte Ausrichtun g de r alttestamentliche n Zeugnis geschichte au f da s Komme n Jes u Christ i di e Christlichkei t bzw . di e christlich e Bedeutung de r alttestamentlichen Zeugniss e z u begründen. Solch e Ausrichtun g läßt sic h historisc h keinesweg s verifiziere n ode r auc h nu r wahrscheinlic h machen. Gege n diese n Aspek t de r Konzeptio n spreche n all e Argumente , di e gegen da s Weissagung-Erfüllung-Schem a un d gege n di e Typologes e gelten d gemacht werde n könne n (daz u vgl . u . S . 175ff.). Dritten s lieg t e s i n de r ver schiedene Ansätz e harmonisierende n Gesamtscha u diese r Theologi e be gründet, da ß trot z alle r Betonun g de s Verkündigungscharakter s de s alt testamentlichen Geschichtsbilde s ni e deutlic h wird , o b diese m Geschichtsbil d eigene kerygmatisch e Kraf t innewohnt , o b es selbst in sic h Heil zusagend e un d bringende Botschaf t ist , Anred e un d Zuspruch , ode r nu r ers t Ansag e eine s Gotteshandelns un d eine s Heilsgeschehens , da s di e Ansag e i m nachhinei n bestätigt un d i n de m Sinn e erfüllt , da ß e s da s a n sic h bloß e un d leer e Wor t füllt. Da s Verhältni s vo n Ereigni s un d Wor t bleibt , dami t di e Harmoni e gewahrt werde , unklar , wobe i allerding s di e Tenden z z u eine r Heilsgeschicht e von Heilsereignisse n un d Heilssetzunge n überwiegt : da s Zeugni s wir d zu r „Nacherzählung". Di e Sorge , di e Geschichtlichkei t de r Offenbarun g z u ver fehlen, führ t auc h hie r dazu , de m Geschichtsablau f ein e theologisch e Qualitä t beizulegen. Dies e läß t sic h wiederu m nu r behaupten , wen n de r Ablau f au f das Christuszeugni s zuläuft , un d das , schließlich , sol l typologisc h un d nac h 6 Gunneweg, Verstehe n
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dem Schem a Weissagung-Erfüllun g aufgewiese n werden . Dami t kehr t di e neueste, geschlossen e Konzeptio n eine r Theologi e de s Alte n Testament s z u Kategorien un d Interpretationsschemat a zurück , dere n Handhabun g di e nüchterne, historisch e Forschun g längs t endgülti g i n Frag e gestell t z u habe n meinte. Durc h de n schöne n Schei n de r Harmoni e hindurc h wir d da s her meneutische Proble m de s Alte n Testament s erneu t sichtbar . Sowoh l ein e futurisch-apokalyptische Theologi e de r Hoffnun g al s auc h ein e a m Ablau f der Geschicht e orientiert e Theologi e de r Geschichte , abe r auc h noc h ein e vo n der kerygmatische n Intentio n alttestamentliche r Text e ausgehend e un d au f Verkündigung zielend e Theologi e könne n sic h darau f berufen , vo n vo n Ra d wichtige Impulse empfangen z u haben. 10. Zusammenfassung un d Ausblick Überblickt ma n di e Geschicht e de s historische n un d hermeneutische n Problems de s Alte n Testament s un d de r verschiedene n Ansätz e z u seine r Lösung sei t Aufkomme n de r historische n Wissenschaft , s o läß t sic h abschlie ßend folgend e skizzenhaft e Zusammenfassun g geben . Historische s Bewußt sein un d historisch e Wissenschaf t ließe n de n große n Abstan d vo n Alte m Testament un d Gegenwart , auc h vo n Alte m Testamen t un d Neue m Testa ment deutlic h werden . Da s Alt e Testamen t wurde , o b positi v ode r negati v bewertet, z u eine m fremde n Buch . Z u eine m historische n Dokumen t gewor den, konnt e e s nu r noc h historisc h untersuch t un d verstande n werden . Theo logie, di e sic h mi t diese r Schriftensammlun g befaßt , mu ß daru m selbs t histo risch verfahre n (Semler , Gabler) . Eine gegenwärtige un d christlich e Bedeutun g des Alte n Testaments , fall s si e nich t glattwe g polemisc h geleugne t ode r di e Bedeutungslosigkeit fü r di e christlich e Kirch e nich t taktvol l verschwiege n wird, kan n nu r vo n de r Dogmati k - wie auc h imme r - geglaubt un d gelehr t werden (s o etw a noc h Eichrodt) . Da s Unbehage n a n de r Diskrepan z vo n hi storischer Forschun g un d dogmatische r Theologie , abe r auc h un d noc h meh r am faktische n Verlus t de s Alte n Testament s trot z seine s formale n Verbleib s im Kano n läß t dan n i m Gegenschla g gege n di e Vorherrschaf t de r bloße n Hi storie au s de r Geschicht e de r israelitisch-jüdische n Religio n erneu t ein e Theo logie de s Alten Testament s werden . Dies e konzipier t sic h zumeis t al s Kombi nation vo n historische r un d systematische r Darstellung , i n de r Meinung , durch letzter e neu e theologisch e Würd e verdiene n un d de m Alte n Testamen t erneut christlich e Bedeutun g verleihe n z u können . Ode r (vo n Rad ) e s wir d der Versuc h unternommen , di e Herkunf t de r eigene n Diszipli n al s eine r historischen al s nich t meh r rückgängi g z u machende , selbs t auc h geschicht liche Notwendigkei t erns t z u nehme n un d di e Geschicht e vo n Israel s Religio n als Theologi e de s Alte n Testament s z u betreiben . Di e Schwierigkeite n diese r Versuche wurde n obe n dargelegt . Dennoc h is t de r Ansat z al s solche r i n seine r Berechtigung nich t i n Zweife l z u ziehen . E r läß t sic h abe r nu r nac h eine r her meneutischen Besinnung , welch e di e Aporien , dene n di e vo n Radsch e Theolo gie erlag, sichtba r und vermeidbar macht , durchführen . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Zusammenfassung un d Ausblick
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In solche r Besinnun g sollt e zuers t un d vora b de r Unterschie d vo n Erkennt nis un d Glaub e un d s o auc h vo n historische r un d dogmatische r Theologi e als Wissenschaf t einerseit s un d Glaub e andererseit s zu m Bewußtsei n komme n und - nach Semler ! - nicht wiede r vergesse n werden . Di e von Eißfeld t richti g intendierte Unterscheidun g (s.o . S.77 ) zweie r Ebene n de r Betrachtun g sollt e nicht wiede r i n de n Fehle r zurückfallen , di e Histori e de r Erkenntnis , di e Theologie abe r de m Glaube n zuzuordnen . Auc h Theologie , gleichvie l o b historisch ode r - wie auc h imme r - dogmatisch verfahrend , kan n di e Wahr heit de r Schrif t Alte n un d Neue n Testament s soweni g beweise n wi e di e Exi stenz Gotte s selbst . Vo r diese m Versuc h un d diese r Versuchun g sollt e sic h di e Theologie u m Gotte s un d u m de r Welt , auc h de r Wel t de s Alte n un d Neue n Testaments wille n hüten . Abe r auc h de n andere n Fehle r sol l si e z u vermeide n bestrebt sei n un d nich t Glaub e un d Erkenntnis , Glaub e un d Verstehe n al s Gegensätze auseinanderrücken . Christliche r Glaub e versteht , wa s e r glaubt , und kan n deshal b auc h mi t verständliche n Worte n Rechenschaf t ablegen , die auc h noc h de r Nichtgläubig e verstehe n kann . Glaub e is t nich t Erkenntnis organ (Procksch) , sonder n Annahm e un d existentiell e Übernahm e de s Ver standenen. We r glaubt , versteh t nicht s mehr , auc h nicht s vo n de r Schrift , und nich t de r Glaub e mach t de n Exegeten , sonder n Verstand , Geschick , Er fahrung, Method e un d vo r alle m seh r vie l Fleiß . Historisch e Wissenschaf t kann auc h de n Heiligen Geis t nich t ersetzen un d daru m nich t selbst zu m Glau ben, sonder n bestenfall s un d tatsächlic h i n viele n Fälle n zu m Verstehe n an leiten, dami t Mensche n wissen , wa s si e tun , wen n si e glaube n ode r auc h nich t glauben. Dies e Erwägunge n lasse n umgekehr t historisch e un d dogmatisch e Theologie wiede r etwa s nähe r zusammenrücken : historisch e ode r systema tische Anordnung , be i de n neuere n Versuche n eine r alttestamentliche n Theo logie hefti g umstritten , schließe n sic h nich t aus , ein s is t nich t wenige r ode r mehr theologisc h al s da s andere . Di e theologisch e Qualitä t verleih t vielmeh r der theologisch e Gegenstan d de r Untersuchung . Diese r is t di e theo-logisie rende Schrift, und deren rechtes,gegenwärtiges Verständnis dieexegetisch-histo rische Zielsetzung. Gegenstand is t nicht Gott selbst, sondern Menschen un d ihre Gotteserfahrungen, ihr e Daseinshaltung angesicht s der Gottesfrage, ih r Selbst- , Welt-und Gottesverständnis , wi e e s i n de n Texte n de r Schrif t sich ausspricht . Eine hermeneutisch e Besinnun g bring t zweiten s di e eigene , heutig e Ge schichtlichkeit zu m Bewußtsein . E s wa r ei n alte r Irrtu m un d ei n Mange l de r historischen Wissenschaft , auc h de r Bibelwissenschaft , sei t ihre r Entstehun g in de r Aufklärung , wen n si e s o verfuhr, al s gäb e e s eine wertfrei e un d voraus setzungslose Beschäftigun g mi t de r Geschichte , un d al s könn e etw a auc h Re ligionsgeschichte „objektiv " betriebe n werden . Bengel s „T e totu m applic a ad textum : re m tota m applic a a d te " (s.o . S.60 ) is t kein e blo ß pietistisch erbauliche Ermahnung , sonder n hermeneutische r Grundsatz , ohn e de n kei n echtes, gegenwärtige s Verstehe n möglic h ist . I m Licht e diese s Grundsatze s rücken auc h Religionsgeschicht e un d Theologi e de s Alte n Testament s wiede r zusammen: Nich t di e Alternativ e vo n vermeintliche r Voraussetzungslosig keit ode r irgendwelche n christliche n Voraussetzunge n beding t de n Unter 6* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament i m Licht der Reformation un d im Feuer historischer Kriti k
schied, sonderndasbewußteund willentlich e Messen an im Neuen Testament enthaltenen Kriterie n de s Christlichen mach t Religionswissenschaft zu r Theologie. Drittens sol l ein e hermeneutisch e Besinnun g da s Proble m de r Geschicht e und di e Möglichkei t geschichtliche n Verstehen s in s recht e Lich t rücken . E s ist geschichtlic h verständlich , da ß di e i m Gefolg e de s erwachte n historische n Bewußtseins entstanden e historisch-kritisch e (unterscheidende! ) Wissenschaf t zuerst un d zumeis t de n Abstand , da s Abständig e un d da s Fremdartige , Indi viduelle, Besonder e de s Vergangene n hervorzuhebe n begann . E s is t auch , zumal vo m Geis t un d vo n de n Voraussetzunge n de r Aufklärun g her , begreif lich, da ß ma n i n de r Annahm e überal l un d imme r gültige r Idee n ein e fest gemauerte Brück e zwische n Vergangenhei t un d Gegenwar t gefunde n z u haben meinte . Al s dan n auc h dies e Brück e vo m Stro m de r Geschicht e mit gerissen wurde , schie n nu r noc h - wenn ma n nich t i n aufgeklärte r Über heblichkeit di e barbarisch e Primitivitä t alle r Vergangenhei t ablehne n wollt e - die geschichtlich e Linie , de r linea r verstanden e Geschichtsablau f di e Zeite n zu verbinden . Mi t Hilf e de r Linie , di e ein s mi t de m andere n verknüpft , wir d geschichtliches Verstehe n zu m verknüpfende n Erkläre n un d zu r Rekon struktion vo n Abläufen , fü r di e solch e Abläuf e un d Verknüpfunge n i n Ur sache un d Folg e wichtige r sin d al s da s Ereigni s selbst , da s Ereignishafte , di e Konkretheit de r Erfahrung , Jubel , Klage , kurzu m geschichtlich e Existenz . Di e konstruierte geschichtlich e Lini e bring t s o di e Geschichtlichkei t al s bloße n Punkt, de r selbs t keine n Wer t meh r i n sich, sonder n nu r Stellenwert i m Ablau f hat, zum Verschwinden . Auch di e Theologi e ha t diese n Ansat z scho n frü h übernomme n un d zu r Heilsgeschichte modifiziert . E r wirk t bi s i n di e Theologi e vo n Rad s nach . Es wundert , s o betrachtet , nicht , da ß konkret e Ereignisse , Personen , Insti tutionen heilsgeschichtlic h z u Vorausschattunge n verblasse n müssen . E s gilt demgegenübe r festzuhalten , da ß auc h ei n andere r Modu s de s Verstehen s möglich ist , fü r de n da s Alt e Testamen t nich t zuers t ode r ga r ausschließlic h Dokument eine r darau s z u rekonstruierende n Geschichtslini e ist , di e au f Christus ode r auc h au f jüdisch-gesetzlich e Erstarrun g zuläuft . „Ech t ge schichtliche Interpretation " (s o Rudol f Bultmann , Di e Bedeutun g de s Alte n Testaments, S.318 ) fragt , welch e Grundmöglichkeite n menschliche n Daseins verständnisses i n de n Überlieferunge n sic h aussprechen , u m so , vo n de n keineswegs notwendi g imme r individualistisc h gefaßte n Frage n de r eigene n Existenz un d de r Gegenwar t bewegt , i n eine n verstehende n Dialo g mi t de n Überlieferungen einzutreten . Die Geschicht e de s hermeneutische n Problems , vo r da s da s alttestament liche Erb e stellt, di e Geschichte de r Geschichts - und der Geisteswissenschafte n sowie de r Hermeneuti k is t unumkehrbar . Auc h dies e Unumkehrbarkei t be dingt di e Geschichtlichkei t heutige n Verstehens . Nu r au f diese r Grundlag e können di e verschiedene n Möglichkeiten , ei n Gesamtverständni s de s Alte n Testaments zu gewinnen, dargestell t und geprüft werden .
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IV. KAPITEL
Das Alte Testament als Gesetz und Bundesurkunde 1. Kanon und Gesetz Fast allgemei n wir d angenommen , da ß di e Samaritanisch e Gemeind e sic h um 300 v.Chr. gegenübe r de r jüdische n Gemeinschaf t un d dere n Zentru m in Jerusale m verselbständigte . Schriftenkano n de r Samaritane r is t allei n de r Pentateuch, der als o u m di e genannt e Zei t abgeschlosse n un d i n de r Haupt sache, von spezifischen Besonderheite n de s samaritanischen Textes einmal abgesehen, sein e heutig e Gestal t gewonne n habe n muß . Die s wir d durc h da s apokryphe Weisheitsbuc h Jesu s Sirac h bestätigt , da s i m Zusammenhan g mi t einem „Lo b de r Väter " vo n Henoch bis zu m Hohenprieste r Simo n (Sir. 4450) die Wertunge n de r einzelne n König e durc h di e kanonische n Königs bücher und damit bereits deren Existenz und Geltung deutlich voraussetzt. Da Sirach (48,22-49,12) auch di e Prophetenbüche r Jesaja , Jeremia , Ezechie l und da s Zwölfprophetenbuc h kennt , mu ß u m 200 auch diese r Kanontei l seinen Abschlu ß gefunde n haben . Zwe i Generatione n späte r setz t de r Enke l des Jesus Sirach im Prolog zum Weisheitsbuch seine s Großvaters bereits einen dreiteiligen, auc h noc h di e „Schriften " al s dritte n Tei l umfassende n Kano n voraus. Wichti g i n diese m Zusammenhan g is t nu n aber , da ß i n eine m s o frühen Zeugni s fü r di e Entstehun g eine s dreiteilige n Schriftenkanon s desse n erster Teil, der Pentateuch, insgesamt als Gesetz bezeichnet wird. Die Bezeichnung bring t zugleic h di e Wertung , da s Verständni s un d di e Vorrangstellun g dieses Kanonteiles zum Ausdruck: de r Pentateuch hat Gesetzeskraft, de r erste Teil des Kanons ist damit im hervorgehobenen Sinn kanonisch. Das „Gesetz", hebräisch: tora, griechisch: nomos, ist ursprünglich Bezeichnung für die priesterliche Weisun g un d Belehrun g übe r di e recht e Unterscheidun g vo n rei n und unrein, heili g un d profan , abe r auc h übe r ethisch e Frage n (Hag.2, 10-14; Ps. 15; 24,3-6). Auch al s Terminu s fü r Gesetzeskorpora , di e ein e zusammenhängend e Rechtsmaterie regeln, kann das Wort „Gesetz" Verwendung finden. So heißr es etwa 3.Mose6,2: „Die s ist das Gesetz des Brandopfers" (ähnlic h 3.Mose6,7. 18; 4. Mose 19,10 u.ö.) Im Prolog zum Weisheitsbuch des Jesus Sirach ist „Gesetz" zur umfassenden Gesamtbezeichnung des Pentateuchs, die nunmehr auch die nicht-gesetzlichen Partien als Gesetz oder doch als zum Gesetz gehörig versteht, geworden. Dabei macht der Prolog keineswegs den Eindruck, ein Novum aussagen zu wollen, er scheint eher einen bestehenden Usu s und ein bereit s eingebürgertes Verständni s wiederzugeben . Sirac h selbst bejah t di e Vorrangstellun g de s Pentateuch s al s de s Gesetzes , da s e r mi t der höchsten göttlichen Weisheit ineinssetz t (Sir.24), und polemisiert damit als konservativer Theologe gegen alle „modernen" Neuerungen und Änderungen, deren die hellenistische Zeit reich war.
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Das Alte Testament als Gesetz und Bundesurkunde
Sirach is t nich t de r Begründe r eine s solche n Verständnisses . Ehe r scho n schrieb de r Chronis t vo n de m geschriebene n Geset z M o s e s ode r J a h w e s , da s e s bereits i n de r Königszei t gegebe n habe n sol l (z.B . 2 . C h r . 2 3 , 1 8 ; 3 0 , 1 6 ) . Auch wenn da s chronistisch e Geschichtsbil d i n diese r Hinsich t - wie auc h sons t anachronistisch ist , s o zeig t sic h hie r doch , d a ß bereit s de m Chroniste n (u m 2 5 0 ? ) dieser Sprachgebrauc h vertrau t w a r . Freilich, wan n de r Nam e „da s Gesetz " ode r „da s Geset z Moses " aufka m un d Ter minus technicu s wurde , is t ebens o unbekannt , wi e di e Anfäng e de r Kanonbildun g i m Dunkeln liege n un d nu r hypothetisc h rekonstruier t werde n können . Woh l abe r läß t sich übe r di e Herkunf t de s Verständnisses , da s sic h i n de r Bezeichnun g „Gesetz " aus spricht, noc h einige s mi t Sicherhei t ode r doc h hohe r Wahrscheinlichkei t ermitteln . Da s chronistische Geschichtswerk , da s e s i n de r Spätzei t noc h einma l unternimmt , di e Ge schichte Israel s vo n de n Anfänge n a n ne u z u schreiben , schließ t mi t eine r Darstellun g des Reformwerke s Esra s un d Nehemia s a b (Esr . 7-Neh. 13). Während Nehemi a hie r als politische r Reforme r un d Statthalte r erscheint , bestan d Esra s Wer k alle r histo rischen Wahrscheinlichkei t nac h darin , di e nachexilisch e Gemeind e au f da s Geset z Gottes z u verpflichte n (Esr. 7,14.25f.). Diese s Geset z gil t zugleic h al s Geset z de s per sischen König s (Esr . 7,26). Das bedeute t also , da ß da s alte , angestammt e israelitisch e Recht nunmeh r vo n de m königlic h bevollmächtigte n Esr a al s königliche s Reichsrech t in Kraf t gesetz t wird ; da s israelitisch e Rech t wir d fü r di e Jude n de r nachexilische n Zeit al s staatlic h anerkanntes , abe r auc h al s staatlic h eingeführte s un d sanktionierte s Gesetz (Esr . 7,26) bindend. E s wa r somi t ein e persisch e Maßnahm e un d ein e staat licherseits vorgenommen e Reform , wi e si e de r persische n Rechtspoliti k auc h sons t entsprach, welch e di e „Gesetzlichkeit " de r nachexilische n Zei t förderte. Gesetzlichkei t ist nich t nu r ei n religiöse s ode r geistige s Phänomen , sonder n ein e vo n de r staatliche n Behörde eingeführt e Lebensordnung , welch e de r innenpolitische n Pazifizierun g de s persischen Großreiche s diene n sollte . E s is t i n diese m Zusammenhan g unwesentlich , welches Geset z die Grundlag e de r neuen , staatlic h privilegierte n Religionsgemeinschaf t bildete. De r Chronis t wir d e s mi t de m Pentateuch gleichgesetzt haben ; e r ha t dami t nur di e später e Entwicklun g vorweggenommen , a n dere n End e de r Pentateuch als „Gesetz" bezeichne t werde n kann . Wichti g is t vielmehr , da ß di e da s alte , überkom mene Rech t konservierend e un d insofer n konservativ e Refor m doc h ein e Umwand lung un d Neuerun g bedeutete : nich t meh r scho n we r vo n Abraha m abstammt , is t ein Jude , sonder n we r da s Geset z hält ; da s Geset z al s staatsrechtlich e Bedingun g de r Zugehörigkeit zu r jüdische n Religionsgemeinschaf t schein t nunmeh r auc h un d zu gleich z u de r vo n Got t selbs t gestellte n Konditio n de r Gerechtigkei t vo r Got t z u wer den. S o kan n da s Geset z nunmeh r verstande n un d auc h gehandhab t werden . Gleich viel wi e ma n di e historisc h umstritten e Perso n un d Intentio n de s Esr a beurteilt , un d wieviel i n de r Esra-Erzählun g au f da s Kont o de s Chroniste n komme n mag , sovie l dürfte siche r sein , da ß di e neu e staatsoffiziell e Verpflichtun g au f da s Gesetz , welch e das Geset z zu r Rechtsgrundlag e de r Religionszugehörigkei t macht , eine n wichtige n Einschnitt bedeutet . E r stell t da s Kriteriu m dar , nac h welche m Israe l un d Judentu m unterschieden werden . Entsprechend schrie b d e Wett e ein e „Biblisch e Dogmati k de s Alte n un d Neue n Testaments. Ode r kritisch e Darstellun g de r Religionslehr e de s Hebraismus, de s Juden t u m s un d de s Urchristentums" , 1813, worin, wi e de r Tite l j a besagt , zwische n de r alten, israelitische n Religio n un d de m Judentu m unterschiede n wird . Letztere s hiel t er fü r ein e religionsgeschichtlic h entartet e Späterscheinung , di e nac h Esr a einsetzt . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Kanon und Gesetz
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De Wette hat mit seiner Auffassung au f manch e Späteren eingewirkt . I n diesem Sinne unterscheidet auc h etw a Wellhause n scho n i m Buchtitel : Israelitisch e un d jüdisch e Geschichte. Dies e Unterscheidun g implizier t häufi g ei n negative s Urtei l übe r da s Judentum: die Geschichte Israels endet in einer gesetzlichen Erstarrung. Obwohl Unterschied e zwische n Israe l un d Judentu m unverkennba r sin d und wiewoh l fü r dies e Unterschied e di e Bedeutun g de s Gesetze s konstituti v ist, s o könne n doc h beid e Größe n nich t ohn e Gewal t getrenn t werden . Ver bunden bleibe n beid e nich t nu r durc h Abstammung . Wi e imme r Esra s Wer k im einzelne n z u beurteile n sei n mag , e s is t ausgeschlossen , da ß e r di e Zuge hörigkeit zu r jüdische n Religionsgemeinschaf t einzi g un d allei n un d unte r Ab sehung vo n de r Volkszugehörigkei t vo n de r Bindun g a n da s Geset z un d vo n der Entscheidun g jede s einzelne n hätt e abhängi g mache n wollen . Di e ganz e spätere Entwicklung widersprich t eine r solchen Annahme . Die Verbundenhei t vo n Israe l un d Judentu m un d di e Kontinuitä t de r Ge schichte sin d abe r nich t nu r ethnische r Art . Da s Gesetz , au f da s di e persisch e Macht di e nachexilisch e Gemeinschaf t verpflichtete , wa r selbs t inhaltlic h kei n neues. Nicht s deute t wenigsten s darau f hin , da ß zu r Zei t de s Esr a ei n völli g neues Geset z eingeführ t worde n ist . Die s widerspräch e de m Wortlau t vo n Esr. 7,25, wo da s Geset z al s bekann t vorausgesetz t wird , un d de r persische n Praxis, i n einzelne n Satrapie n da s dor t bekannt e un d angestammt e Rech t al s Reichsrecht gelte n z u lassen . Da s Rech t de s Judentums , mi t de m un d nac h dem es antrat, war da s Recht Israels. Das älter e Rech t is t auc h i n de m Sinn e genui n israelitisch , da ß es , al s Gottesrecht verstanden , sei t frühe r Zei t fü r Israe l konstituti v ist . Die s is t nich t so z u verstehen , da ß i n de r Zei t vo n Israel s staatliche r Existen z ei n göttlic h autorisiertes Rech t da s staatlich e Lebe n geregel t hätte . I n dieser Hinsich t wer den sic h di e Staaten , di e au f de m Territoriu m de r israelitische n Stämm e ent standen waren , vo n andere n Staate n nich t unterschiede n haben . E s läß t sic h vielmehr ein e eigentümlich e Selbständigkei t de s altisraelitische n Recht s auc h dem Staa t gegenübe r beobachten . E s is t offensichtlich , da ß e s i n Israe l ei n Recht gab , da s älte r wa r al s de r Staa t un d sich , wen n auc h gelegentlic h mühsam un d nich t ohn e Konflikt e mi t Staatsorganen , behauptete . Refle x eines solche n Konflikte s is t z.B . di e bekannt e Erzählun g vo n Naboth s Wein berg i n l.Kön.21 . Auffälli g is t auch , da ß di e israelitische n un d judäische n Könige nich t al s Gesetzgebe r geschilder t werden . Währen d i n Israel s Umwel t der berühmt e Köni g Hammurabi von Babylo n sic h durc h sein e kodifizierend e Gesetzgebung eine n bleibende n Name n erwarb , rühm t ma n i n Israe l Davi d al s den große n Psalmiste n un d Salom o al s Weiseste n de r Weisen . Da s is t dest o auffälliger, al s auc h i n Israe l un d speziel l i n Jerusale m di e Pfleg e vo n Rech t und Gerechtigkei t al s spezifisch e Aufgab e de s König s gil t (Jes.9,6f. ; Jer.22 , 15f.). Di e Erwartun g eine s kommende n Messias , de r Friede , Rech t un d Gerechtigkeit bringt , is t ja di e Eschatologisierun g jene r Vorstellung . Trotzde m und unbeschade t de r Anerkennun g eine r umfassende n königliche n Rechts und Heilsfunktio n wirk t i n Israe l da s Königtu m nich t rechtsschöpferisch . Nicht der König begründet Rech t und Gesetz, sondern Jahwe . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Damit is t di e kompliziert e un d umstritten e Frag e nac h de r Herkunf t un d Eigenart de s vorstaatliche n Israe l berührt . M a n hatt e dies e Frag e nac h Noth s Arbeit zu r israelitische n Frühgeschicht e (Da s Syste m de r zwöl f Stämm e Is raels, 1930) ziemlich einmüti g mi t de m Begrif f Amphiktyoni e beantwortet . Darunter wir d nac h Analogi e vo n vermeintlic h ähnliche n vorstaatliche n Organisationen insbesonder e au f altgriechische m Bode n ei n sakrale r Bun d oder Verban d vo n zwöl f (ode r auc h sechs ) Stämme n verstanden , dere n Ver bundenheit i n de r gemeinsame n Verehrun g eine s Bundesgotte s a n eine m reih um - daher di e Zwölfzah l nac h de r Zah l de r M o n a t e — zu versorgende n amphiktyonischen Zentralheiligtu m bestand . Wesentlic h fü r de n Bundeskul t sei di e Verkündigun g de s Gottesrechte s gewesen . I n diese r Sich t is t da s ver kündigte Gottesrech t als o fü r Israe l konstitutiv . Als genui n israelitische s Rech t gal t dan n weithi n sei t A.Alt s diesbezügliche r Arbei t (Die Ursprüng e de s israelitische n Rechts , 1934) das i m Gegensat z zu m konditional geformten, gemeinorientalischen , kasuistische n Rech t vo n ih m s o genannt e apodik tische Recht . Z u diese r Gattun g rechnet e A.Alt Prohibitiv e (Verbote), Gebote , Todes und Fluchsätze ; ihne n gemeinsa m is t di e Eigentümlichkeit , da ß jed e kasuistisch e Verumständung de r Rechtsfäll e un d ein e Abstufun g de r angedrohte n Strafe n fehlen . Nach zeh n ode r zwöl f Sätze n gegliedert , di e kei n Wen n un d Abe r zulasse n un d de n mit Fluc h un d dami t Ausschlu ß au s de r Gemeinschaf t mi t Got t un d Mensc h un d aus de r Sphär e de s Lebe n bedrohen , de r de n apodiktische n Sätze n zuwiderhandelt , reflektiert diese s Rech t de n Rechtswille n de s göttliche n Gesetzgebers , de r mi t solche m Willen Israe l überhaup t konstituiert . Dieses geschlossen e Bil d wurd e allerding s i n de r jüngste n Vergangenhei t vo n meh reren Seite n un d mi t verschiedene n Argumente n kritisc h befrag t un d auc h gan z i n Frage gestell t (vgl . al s derzei t neuest e Darstellun g de r Diskussio n J.Halbe , Privileg recht Jahwes , 1975, S.34ff.; 471 ff.; 511ff.). Fragwürdig wurde n be i nähere m Zu sehen sowoh l di e gattungsmäßig e Einheitlichkei t al s auc h di e israelitisch e Eigenstän digkeit dessen , wa s Al t al s apodiktische s Rech t bezeichne t un d al s fü r Israe l eigen tümlich ausgesonder t hatte ; vo r alle m auc h de r spezifisc h religiös e Charakte r de s apodiktischen Recht s al s eine s i m Kul t verkündigte n Gottesrechte s wurd e angezwei felt un d e s wurd e stat t desse n di e Thes e vertreten , e s handl e sic h vielmeh r de m Ur sprünge nac h u m ei n Sippenrech t (E.Gerstenberger) , da s ers t sekundä r al s kultische s Jahwerecht uminterpretier t wurde . Auc h di e Amphiktyonie-Hypothes e i n de r Weise , wie si e vo n Not h vertrete n worde n war , schie n durc h gewichtig e Gegenargument e ins Wanke n z u geraten : I m Alte n Testamen t fehl e ei n Begriff , de r de m de r Amphik tyonie annähern d adäqua t ist ; Jos . 24 setze ei n Gesamtisrae l vo n zwöl f Stämme n bereits voraus , komm e als o al s Dokumen t de r Begründun g Israels , noc h vo n de r spä ten Abfassun g diese s Kapitel s abgesehen , nich t i n Betracht ; e s se i kei n amphiktyo nisches Zentralheiligtu m ausfindi g z u mache n (G . Fohrer, „Amphiktyonie " un d „Bund"). Sodan n müss e zwische n Israe l al s Stämmebun d un d de m Jahwekrieg , de r nicht vo n de r Gesamtheit , sonder n jeweil s vo n einzelne n Stämme n geführ t wurde , unterschieden werde n (R.Smend) . Auc h da s Alte r eine r Bundestheologi e (L . Perlitt) und überhaupt de r Begriff Bun d (E . Kutsch) wurden i n Frage gestellt . Die Diskussio n kan n a n diese r Stell e lediglic h erwähn t un d ih r gegenwärtige s Ergebnis nu r sowei t referier t werden , al s e s fü r di e Bedeutun g vo n Geset z un d Rech t im Alte n Testamen t vo n Wichtigkei t is t (vgl . auc h A.Gunneweg , Geschichte , S.40ff.) . Da is t zunächs t festzustellen , da ß di e Frage , o b ma n nac h de r dara n geübte n Kriti k © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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und i n de r Einsicht , da ß da s vorstaatlich e Israe l nich t ohn e weitere s mi t de n altgrie chischen un d altitalische n Amphiktyonie n vergleichba r ist , noc h weiterhi n bei m Ter minus Amphiktyoni e al s Bezeichnun g fü r da s vorstaatlich e Israe l bleibe n sol l ode r nicht, vo n untergeordnete r Bedeutun g ist . Hie r se i de r Terminu s au s praktische n Gründen un d gleichsa m au s Gewohnhei t beibehalten . Z u de r Sach e abe r is t z u sagen , daß di e Diskussio n de r Amphiktyonie-Hypothes e nich t wirklic h ha t i n Frag e stelle n können, da ß de r Nam e Israe l i n seine m zuers t faßba r werdende n Gebrauc h eine n vorstaatlichen Zusammenschlu ß vo n Stämme n un d Verbände n au f de m Bode n Kanaans meint . De r theophor e el-haltig e Nam e deute t darübe r hinau s au f de n - zumindest auc h - religiösen Charakte r diese s Zusammenschlusses . Nam e un d Organi sation diese s Verbande s un d di e Zwölfzah l de r Stämm e müsse n i n eine m Zusammen hang stehen , d a de r rei n fiktiv e Charakte r de r Zwölfzahl nich t wahrscheinlich gemach t werden konnte , wei l sic h fü r ein e solch e Fiktio n kei n einleuchtende s Moti v angebe n läßt. Un d wen n auc h ei n Zentralkul t un d ein e Bundesschluß - un d Bundeserneuerungs feier sic h nich t ode r mi t erheblic h wenige r Zuversich t rekonstruiere n lassen , al s etw a noch M.Not h (Da s System ; Di e Gesetz e i m Pentateuch; Das Am t de s „Richter s Is raels"), A.Weise r (durchgehen d z.B . i m ATD-Psalmenkommentar ) un d G.vo n Ra d (Das formgeschichtlich e Proble m de s Hexateuchs ) gemein t hatten , s o kan n doc h de r religiöse un d zugleic h rechtlich e Charakte r de r vorstaatliche n Größe , di e sic h nac h El = Gott benennt , nich t i m Erns t un d ohn e da ß de r deutliche n Überlieferun g Gewal t angetan würde , i n Zweife l gezoge n werden . Un d wenngleic h durc h ein e kombinato rische Zusammenstellun g de r Text e l.Mos e 35,4; 5. Mose 27,11 ff.; 31,10f. ; Jos . 8,32.34; 24,25 , die all e irgendwi e ein e Rechtsverkündigun g voraussetze n un d dies e bevorzugt be i Sicher n lokalisieren , noc h kei n lückenlose r Ablau f eine s Bundesfeste s mit Gesetzesverlesung , da s regelmäßi g be i Sicher n al s amphiktyonisch e Zentralfeie r begangen worde n sei n soll , nachgezeichne t werde n kann , s o stehe n dies e Stellen , wi e auch 2. Mose 15,25, wo ebenfall s vo n Rechtssetzun g durc h Jahw e di e Red e ist , doc h merkwürdig unausgegliche n i m kleinere n un d größere n Kontex t un d lasse n sic h nu r gewaltsam al s später e Fiktio n eliminieren . Wi e auc h imme r Israel s älteste r Kul t gestal tet gewese n sei n mag , di e erwähnte n Stelle n sin d ebens o viel e Beleg e dafür , da ß da s Gottesrecht dabe i vo n erhebliche r Bedeutun g gewese n sei n muß . I n diese m Zusam menhang bleib t e s auc h auffällig , da ß i n de r Zei t vo r de r Staatenbildun g da s einzig e Amt vo n gesamtisraelitische r Kompeten z dasjenig e de s „Richters " is t (Ri . 1 0 , 1 - 5 ; 1 2 , 7 - 1 5 ; vgl. 1. Sam. 7,15ff.). Da s is t ein e Bezeichnung , di e au f di e Sphär e de s Rechtes verweist . Auc h hie r is t ma n etwa s vorsichtige r un d zurückhaltende r gewor den, wen n e s daru m geht , diese s Am t genaue r i n seine n Funktione n z u beschreiben , wie e s noc h Not h (Da s Am t de s „Richter s Israels" ) versuch t hatte . Di e Unableitbar keit jene r Notize n bleib t abe r bestehe n un d stell t eine n weitere n Bele g fü r di e eng e Verbindung vo n Religio n un d Rech t i m älteste n Israe l dar . Gan z offensichtlic h al t und ei n deutliche r Bele g fü r ei n spezifisc h israelitisches , fü r Israe l al s Stämmever band geltende s Rech t is t de r eigentümlich e Ausdruc k „Torhei t i n Israel " bzw . „s o tut ma n nich t i n Israel " (l.Mos e 34,7; 5.Mose 2 2 , 2 1 ; Ri.20,6; 2.Sam . 13,12; Jer. 29,23). Der Ausdruc k mach t deutlich , da ß bestimmt e sexuell e Verhaltensweise n i n Israel verpön t ware n un d da ß e s sic h be i de n entsprechende n Verbote n (3.Mose 18,3. 2 4 - 3 0 ; 20, 10ff.) nich t etw a u m Sippenetho s handel t - was ma n eigentlich , d a j a die Reinerhaltun g vo n Famili e un d Sipp e gesicher t werde n soll , erwarte n möcht e - , sondern u m Recht , da s fü r Israe l gal t un d bestimmte , wa s Israe l al s „Torheit " nich t erlaubt sei .
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Es läß t sic h somi t nu r schwe r bestreiten , da ß Religio n un d Rech t un d Gesetz un d ei n „Richten " i m Israe l de r vorstaatliche n Zei t au f da s engst e zusammenhängen. Diese r Zusammenhan g is t offenba r fü r Israe l konstitutiv . Gleichviel o b ma n da s vorstaatlich e Israe l nac h Analogi e antike r Amphik tyonien al s Sakralverban d ode r ehe r soziologisc h vo n de n Verhältnisse n un d Lebensumständen de r Halbnomade n he r (s o etw a R.Numelin ) ode r al s sym bolisch-reale Realitä t (Gunneweg , Geschichte , S.41 ) verstehe n will , konsti tuiert wir d Israe l durc h ei n Gottesrecht ; e s is t nich t territoria l definiert , son dern is t ei n „Personalverband " un d ein e Rechtsgemeinschaf t (J.Halbe , Privi legrecht, S.464ff.) , di e durc h ei n Gottesrech t vo n andere n Gemeinschafte n abgegrenzt wird . Vo n alle m Anfan g a n is t Israe l au f ei n Rech t verpflichte t gewesen, das , seit Israe l Jahw e verehrte , a n Jahw e al s de n Gott , de r da s Rech t setzt, band . So erklär t sic h einmal , da ß di e Bildun g eine s Staate s mi t eigene n Gesetze n un d Rechten un d überhaup t mi t seine r Eigengesetzlichkei t z u Konflikte n mi t de r durc h die Staatenbildun g nich t schlechterding s abgeschaffte n alte n „amphiktyonischen " Ordnung führe n mußte . Saul ist a n diese m Konflik t gescheitert , de r brutaler e un d klügere Davi d i n arg e Schwierigkeite n gerate n (A . Gunneweg, Geschichte , S.74ff.; J.Halbe, Privilegrecht , S.479f.) . De r Konflik t wa r ebens o religiöse r wi e rechtliche r Natur. Auc h noch das im deuteronomistischen Geschichtswer k schematisiert e Gegen über vo n Köni g un d Prophe t geh t au f jene n Gegensat z zweie r Rechts - un d Lebens ordnungen vo n Amphiktyonie (Personenverband ) un d Staat zurück . Mi t de m Zusammenbruch de s Staates , i m Norde n 722, in Judä a mi t de n Ereignisse n vo n 600 bis 586, und wohl auc h schon früher, al s die Brüchigkeit des israelitischen un d judäischen Staatswesens immer spürbarer wurde, beginnt auch die große Restaurationsbewegung , deren literarisch e Hinterlassenschaf t i m Deuteronomium un d im deuteronomistische n Geschichtswerk vorliegt . Di e neu e Lebensform , di e hie r angestreb t un d propagier t wird, wa r di e bundestheologisc h ne u fundiert e alt e amphiktyonisch e Ordnun g eine r „erwählten" (5.Mose 7,6f.) Personengemeinschaft , di e sic h a m „erwählten " Ort , d a Jahwe seinen Namen wohnen läß t (5.Mose 12,5.11.26 u.ö.) und sich in seinem angerufenen Name n vergegenwärtigt , versammelt . Di e Lebensordnun g diese r Gemein schaft is t „diese s ganz e Gesetz , da s ic h euc h heut e vorlege " (5.Mose 4,8); das Gesetz is t gleichsa m selbs t di e Gestal t de r Näh e Gotte s (5.Mose 4,7f.) . Da s Lebe n vor Gott vollzieht sic h i m Tun de r Satzunge n un d Rechte , die, wie da s gelobte Land , von Got t geschenkt e Lebensermöglichun g sind . Wi e da s Lan d bestell t werde n muß , damit e s sein e Fruch t bringe , s o müsse n di e Satzunge n gewahr t werden , dami t au s ihnen da s rechte Lebe n hervorgehe . De r Unterschied zwische n de r vorstaatlichen un d nachstaatlichen Ordnun g lieg t i n de r Begrifflichkeit , i n de r theologische n Klarheit , der schriftlich-gesetzliche n Fixierthei t (z.B . 5.Mose 17,18f.; 28,61; 2.Kön.22,8.11: das Geset z al s Gesetzbuch ) un d gewi ß auc h i m Programmatisch-Utopische n diese s Reformprogramms, jedoch nicht in der Bedeutsamkeit des Gesetzes als solcher. War vo n alle m Anfan g a n ei n „Privilegrech t Jahwes " (Fr.Horst , J.Halbe ) fü r Israel konstitutiv , s o wird auc h verständlich , da ß i n Israe l schließlic h alle s Rech t und Gesetz nu r al s vo n Jahw e gegebe n un d angeordne t Gesetzeskraf t z u erlange n ver mochte. Di e Würd e de s Gottesrechte s beka m da s kasuistisch e un d profan e Rech t darum nur in der Verbindung un d Verzahnung mit Jahwes Privilegrecht, wie sie zuerst im Bundesbuc h (2.Mose 20,22-23,19), dann überhaup t i n de n Gesetzescorpor a © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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innerhalb de s Pentateuch s un d besonder s deutlic h i m Deuteronomium sichtba r wird . Nachdem sic h ferner di e Überlieferung durchgesetz t hatte , daß das Verhältnis JahweIsrael a m Sina i begründe t worde n war , mußt e di e Sinaiüberlieferun g nich t nu r zu m zentralen Them a de s Pentateuch s werden , sonder n auc h alles , wa s irgen d i n Israe l Recht un d Geset z war , anziehen : a m Sina i durc h di e Vermittlun g Mose s erlassen , ist alle s Rech t Gotte s Recht . Auc h noc h da s Deuteronomiu m wird , wen n auc h nich t am Sinai-Horeb, so doch als Rede des scheidenden Mose dem Volk verkündet. Die Folg e un d da s Endresulta t jene r sic h übe r Jahrhundert e erstreckende n Entwicklung un d de r Anziehungskraf t de s grundgesetzliche n Privilegrecht s Jahwes au f alle s Rech t un d jede s Geset z schlechthi n is t de r Pentateuch. Er besteht z u dre i Vierte l au s gesetzliche n Stoffen . Di e später e Bezeichnun g „Gesetz" fü r da s Ganz e diese r barocke n Sammlun g älteste r bi s jüngster Über lieferungen legt e sic h als o auc h au s quantitative n Gründe n nah e un d war , in Hinsich t au f Qualitä t un d Herkunf t de r als o bezeichnete n Traditione n un d den Impuls zu ihrer Sammlun g un d Anordnung, gewi ß weder falsc h noc h auc h nur ein e unvorbereitet e Neuerung . Abe r auc h de m Vorran g de s Gesetze s al s des erste n un d wichtigste n Kanonteil s vo r de n Prophete n un d de n Schrifte n fehlt nich t di e inner e Begründung . Di e Prophete n spreche n j a hie r un d jetz t i n konkrete Stituatione n hinei n un d sage n Künftiges , Unhei l ode r Heil , an . Di e Gegenwart abe r bedar f de s gegenwärtigen Halte s un d de r gegenwärtigen Ord nung. S o bleib t Propheti e au f da s „Gesetz " angewiesen . Au f da s Geset z ver weist di e Propheti e auc h selbst , wen n si e Israe l i m Scheltwor t di e Übertretun g des Gesetze s vorhält . E s is t dabe i unwichtig , o b einzeln e Anordnunge n i m Wortlaut zitier t werde n ode r nicht . Sin e leg e nihi l crime n - dieser Grundsat z gilt auc h hier : ohn e Geset z kei n prophetische s Scheit - un d Drohwort . Un d w o die Unheilspropheti e zu r Heilsankündigun g zurückfindet , wir d zugleic h mi t dem neue n Hei l auc h da s neue , nunmeh r in s Her z geschrieben e Geset z ange kündigt (Jer.31,33 ) ode r i n utopisch-visionäre r Scha u ei n Verfassungsent wurf fü r di e eschatologisc h überhöht e Wiederherstellun g de r verlorene n alte n Heilsordnung i n Aussich t gestell t (Ez. 40-48). Hier wir d di e Prophetie , a n ihrem Rande , zu r prophetische n Gesetzgebung . Di e Propheti e al s Auslegun g und Anwendung de s Gesetzes und das Gesetz selbst als von Propheten gegebe n zu betrachten , wi e e s das Esragebet (Esr . 9,11) und da s Danielbuch (9,10) tun, legte sic h vo n dahe r nah e un d wa r nich t ohn e all e inner e Berechtigung . Di e Grenze zwische n Mos e bzw . de m Geset z un d de r Propheti e wir d fließend , aber de r Prima t de s Gesetze s wir d dadurc h nich t geschwächt . Wa s wahr e Prophetie ist, regelt schließlich da s Gesetz (5. Mose 1 8 , 2 0 - 2 2 ) . Ähnliches läß t sic h i m Blic k au f de n dritte n Tei l de s Kanons , di e Schrif ten, beobachten . Ih r untergeordneter kanonische r Wer t erhell t scho n au s ihre r Stellung i m Kano n un d de r noc h lang e fortdauernde n Unabgeschlossenhei t dieses Teile s de r Schriftensammlung . Bezeichnen d is t ferne r auch , da ß di e Weisheitsliteratur, di e ihre r Herkunf t nac h a m wenigste n israelitisc h is t un d deren Universalismus , Internationalismu s un d anthropozentrisch e Ausrich tung vo n eine m partikulare n Privilegrech t ursprünglic h wei t entfern t sind , dann doc h i n eine r spätere n Phas e weisheitliche r Reflexio n ein e Identitä t vo n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Gesetz un d Weishei t lehre n kan n (Sir. 24; Bar. 3,37-4,1). Das Geset z de s Gottes Israel s un d di e weisheitlich erforscht e un d gelehrt e Weltordnung , nac h der e s de m Gute n gu t un d de m Böse n bös e ergeht , werde n ineinsgesetzt . De r Gesetzeslehrer wir d zu m Weisen , de r Weis e zu m Gesetzeslehrer , un d di e Juden sin d nac h Meinun g de s jüdische n Philosophe n Aristobu l ei n Vol k vo n Philosophen. Auc h hie r wir d di e Grenz e zu m Geset z hi n fließend , un d doc h fällt de r Prima t de s Gesetze s nu r noc h dest o meh r in s Gewicht : wa s wahr e Weisheit ist , lehrt erst das Gesetz . 2. Das Alte Testamen t al s Geset z und Grundordnung de r Kirch e Die Bezeichnun g „da s Gesetz , di e Propheten , di e Schriften " fü r da s Alt e Testament un d da s dami t ausgesprochen e Gesamtverständni s habe n somi t eine lang e Vorgeschichte . De r spät e Nam e „Gesetz " fü r de n Pentateuch und die frühes t faßbare n Ursprüng e Israel s stelle n sic h al s durc h ein e kontinuier liche Geschicht e verbunde n heraus . Dies e verlie f währen d de r Königszeit weit gehend i m Untergrun d ode r wurd e vo n Prophete n un d andere n oppositionel len Kreise n getragen , abe r nich t eigentlic h unterbrochen . Da s Israe l de s Pri vilegrechts Jahwe s un d da s Judentu m de s Gesetze s könne n unterschieden , aber nich t geschiede n werden ; un d auc h noc h di e Unterscheidun g sollt e nich t übertrieben un d zu einem absolute n Gegensat z ausgeweite t werden .
Nicht ohn e historische n un d dogmatische n Grun d kan n da s Alte Testamen t als Geset z un d Prophete n un d Schrifte n bezeichne t werden . De r i m Neue n Testament bezeugt e Sprachgebrauc h knüpf t hie r an . Be i Luka s heiß t da s Alt e Testament „Mos e un d di e (alle ) Propheten " (Lk . 16,29; 24,27 ) oder „Geset z Moses, Propheten , Psalmen " (Lk . 24,44). Häufiger is t di e Bezeichnung : „da s Gesetz un d di e Propheten " (Mt.5,17; 7,12 ; 11,13 ; 22,40 ; Lk. 16,16; Röm.3, 21). Joh. 10,34; 12,34 ; 15,2 5 bezeichnet Geset z offenba r da s ganz e Alt e Testament. Auc h hie r implizier t de r Sprachgebrauc h di e Wertun g un d da s Verständnis: da s Alt e Testamen t komm t zuers t al s Geset z i n de n Blick , un d die Frag e nac h de r Geltun g de s Alte n Testament s stell t sic h somi t zuers t al s Frage nac h de r Gültigkei t de s alttestamentliche n Gesetze s i m Bereic h de r christlichen Gemeinde . Si e konnt e rech t unterschiedlich e Antworte n finden , die vo n judenchristliche r Verbalanerkennun g (Mt.5,17f. ) übe r di e pauli nische Dialekti k (Röm. 3, 2 8 - 3 1) bis hi n zu r faktische n Abschaffun g i m Johannesevangelium (s.o . S.31f. ) reicht . De r neutestamentlich e Kano n is t auch - in diese r Hinsich t nich t ei n Dokumen t kirchliche r Einheit , sonder n theologischer Pluralität . S o wunder t e s nicht , da ß sic h auc h späterhi n ver schiedene Linie n verfolge n lassen . D a freilic h di e paulinisch e un d auc h di e johanneische Positio n i n vorreformatorische r Zei t nich t al s Gemeinde - un d Kirchentheologie zu r Breitenwirkun g gelange n konnten , zeichne t sic h a m deutlichsten ein e mittler e Lini e ab : beid e Testament e bzw . - vor de m Ab schluß eine s neutestamentliche n Kanon s - das Alt e Testamen t un d di e genui n christliche Überlieferun g werde n al s Einheit verstanden; si e sind Zeugniss e de s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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einen Gotte s un d de r eine n Wahrheit . Da s ein e Wor t Gottes , Jesu s Christus , der scho n i n de n Prophete n gerede t hat , is t de r ein e Ursprun g de r beide n Testamente, s o lehr t bereit s Irenäus . Daru m bleib t auc h da s alttestamentlich e Gesetz gültig , sofer n e s nich t al s Zeremonialgeset z nac h seine m wörtliche n Verständnis nu r de n Juden gegolte n ha t un d mit de r Erscheinung Christ i abge tan ist . Di e allegorisch e Method e erlaub t e s dann , auc h noc h i m Zeremonial gesetz eine n anderen , höheren , de n Jude n verborgene n Sin n z u entdecke n un d es al s Schatte n de s Zukünftige n z u verstehe n (s o insbesondere Origenes) . Da ß die Allegores e abe r da s Proble m verdeckt , stat t e s z u lösen , wurd e scho n dar gelegt (s.o . S.32ff.) . Abe r auc h sons t drängt e di e kirchlich e Entwicklun g da s Problem de s al s Geset z un d vo m Geset z he r verstandene n Alte n Testament s in de n Hintergrund . E s wa r ein e Entwicklung , di e vo m alttestamentliche n Erbe un d seine m gesetzliche n Verständni s i m zeitgenössische n Judentu m auc h gefördert wurde : di e Erscheinun g Jes u Christ i selbs t kan n nunmeh r nac h Maßgabe de s Gesetze s al s Offenbarun g eine s neue n Gesetze s interpretier t werden. Da s Neu e abe r is t vornehmlic h dari n neu , da ß e s di e Wahrhei t de s Alten an s Lich t bring t un d dami t erfüllt . Wi e de r buchstäblich e Sin n durc h den allegorische n überhöht , s o wir d de r blo ß äußer e Diens t unte r de m Zere monialgesetz zu m Tu n de s Liebesgebote s al s de s Gesetze s Erfüllun g vertieft . Die Anerkennun g de s Gesetze s wir d durc h di e Identifizierun g de r sittliche n Gebote i m Geset z mi t de m alle n Mensche n geltende n un d gemeinsame n Sit tengebot al s Naturgeset z (le x naturalis ) (s o scho n be i Irenäus ) noc h erleich tert. Die Übernahm e un d Anerkennun g de s Alte n Testament s al s Gesetz , sein e allegorische Umdeutun g un d sein e auswahlweis e Anwendun g nac h de m Maß stab eine s moralische n Naturgesetze s förderte n abe r nich t nu r ei n gesetzlich moralisches Verständni s de s christliche n Glauben s — Glaube al s Tugen d (schon i m l.Clem. ) - , sondern beeinflußte n auc h da s Verständni s de r Kirche . Deren Organisatio n gil t al s bereit s i m Alte n Testamen t un d i n de r Ordnun g des alte n Gottesvolke s gülti g vorgezeichne t un d vorgeschriebe n (ebenfall s schon im l.Clem.) . Ist di e Kirch e da s wahr e Israe l un d erheb t sie , nich t nu r auch , sonder n allei n An spruch au f da s Alt e Testamen t al s ihr e heilig e Schrift , gil t da s Alt e Testamen t de r Gemeinde Jesu Christi , s o muß auch da s Gesetz des Alten Testament s un d überhaup t das al s Geset z verstanden e Alt e Testamen t fü r di e Kirch e Gültigkei t haben . Wi e de r Kanon der Heiligen Schrift, di e Glaubensregel al s Regulativ rechte r Auslegung und das Bischofsamt al s Kontrollinstan z sol l ein e theokratisch e Verfassun g de n äußere n un d inneren Bestand der Kirche sichern helfen. Aus dem „neuen Gebot" (Joh. 13,34; 15,12 ) und dem „Gesetz Christi" (Gal.6,2 ) al s Anweisung zum geistlichen Leben im Glauben wird ein e kirchlich e un d theokratisch e Ordnun g nac h Vorbil d de s Alten Testament s und nach Maßgabe der den Kultus und überhaupt alle s Leben regelnden und nunmehr christlich gedeutete n Gesetze . Wi e i m alte n Israe l vo r Christu s Prieste r un d Levite n im Kult amtierten, das Volk belehrten, Fürbitte leisteten, Opfer darbrachten, so soll es auch i n der christlichen Kirch e zugehe n (s o schon l.Clem. , End e des l.Jhs. ; Didache , 2. Jh.; dan n insbesondere di e sogen. Apostolischen Konstitutionen , 4. Jh.). So entsteht ein christlicher Klerus , dem gegenüber da s allgemeine Priestertum alle r Gläubigen nu r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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noch ein e theoretisch e Größ e darstellt . Zu m priesterliche n Kleru s gehör t nac h alttesta mentlichem Vorbil d da s Opfer . Al s Opfe r wir d dementsprechen d jetz t da s Abendmah l verstanden. Un d wen n da s Geset z de s Alten Testament s da s täglich e Opfe r fordert , s o bringt der christliche Priester nunmehr alltäglich da s Meßopfer dar . Zum Opfe r wieder um gehör t ei n Altar : entsprechen d werde n Kirchengebäud e liturgisc h eingerichte t un d ausgerichtet. Un d wi e eins t da s Zel t de r Begegnun g di e Stätt e war , w o Jahw e gegen wärtig wird , s o wohnt nunmeh r Christu s i m Tabernakel, w o di e verwandelten Hostie n aufbewahrt werden . Hatt e Israe l de n Sabba t gehalte n un d wa r di e streng e Heiligun g der Feiertag e ei n Bekenntnisak t gewesen , s o gil t e s jetzt , di e christliche n Feiertag e zu heiligen . Di e privilegiert e un d exklusiv e Stellun g de r Prieste r un d Levite n i m Alte n Testament wir d au f Prieste r un d Diakon e übertrage n un d al s Hoherprieste r amtier t nunmehr de r Bischof . Wi e da s Abendmah l nac h Analogi e de s alttestamentliche n Opfers, s o wir d di e Tauf e nac h Vorbil d de r Beschneidun g al s Initiationsritu s inter pretiert. Auc h di e finanzielle n Aspekt e diese r Analogie n wurde n nich t auße r ach t gelassen: de n christliche n Priester n stehe n di e Zehnte n z u wi e eins t de n Priester n au s dem Hause Aaron.
So entspreche n sic h theokratische s Selbstverständnis , organisatorisch e Gestalt un d kultische r Vollzu g un d verbinde n sich , zuma l i n de r lateinische n Kirche, zu r geschlossene n Einhei t de s Systems . Wen n auc h di e Impuls e z u dieser Entwicklung , di e sic h sei t de m erste n Jahrhunder t bereit s abzuzeichne n begann, nich t ausschließlic h au s de m Alte n Testamen t hervorgingen , s o sin d doch Selbstverständni s un d Gestal t de r Kirch e nich t ohn e da s Alt e Testamen t als gültige s Geset z denkbar . Diese s liefert e nich t nu r da s Modell , sonder n mehr noc h di e Legitimatio n fü r Selbstverständni s un d organisatorisch e Gestalt: i n de r s o gewordene n Kirch e schie n da s Alt e Testamen t sein e wahr e Erfüllung gefunde n z u haben ; umgekehr t fan d di e s o gestaltet e Kirch e al s Gestalt geworden e Erfüllun g i m Alte n Testamen t ihr e Begründung un d Legiti mation. Sei t da s Christentu m i n der Zei t de s Kaisers Konstantin Staatsreligio n geworden war , ka m z u diese r innere n un d gesamtbiblische n Legitimatio n di e äußere Legalitä t un d Autoritä t hinzu . Hatt e eins t da s Persisch e Reic h da s Gesetz Israel s al s gültige s Reichsrech t bestätig t un d sanktioniert , s o wa r e s auch jetzt wieder de r Staat, de r dem Gesetz der Kirche Kraf t verlieh . Hier bracht e ers t di e Reformatio n di e groß e Wende , wen n auc h nu r dort , wo sic h di e reformatorisch e Bewegun g durchzusetze n un d z u halte n ver mochte. Di e Konzentratio n au f da s Heilsereigni s Jesu s Christu s - solu s Christus, sol a gratia - , als ei n au f Grun d de r Schrif t - sola scriptur a - zu ver kündigendes, mußt e da s überkommen e Gefüg e vo n seine m eigene n Zentru m her zu m Einstur z bringen . Di e Kirch e al s neue s un d wahre s Israel , al s Theo kratie un d Heilsanstal t mi t ihre r sakramental-organisatorische n Vergegen wärtigung de s Heils (s.o . S.42ff.) wa r al s solchederVersucheinerumfassende n Lösung de s hermeneutische n Problem s gewese n - des Problem s nämlich , wi e das i n de r Geschicht e erschienen e Hei l Gegenwar t werde n könne ; un d da s allegorisch ausgelegt e Alt e Testamen t un d da s i n neue r Aktualisierun g ange wandte alttestamentlich e Geset z war , wen n nich t Bedingun g de r Möglichkei t solchen Selbstverständnisse s un d solche r Organisation , s o doc h Grundlag e und Rahme n de r sic h als o verstehende n un d gestaltende n Kirch e gewesen . I n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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diesem große n Rahme n schie n auc h da s hermeneutisch e Proble m de s Alte n Testaments sein e Lösun g gefunde n z u haben : di e israelitisch e Theokrati e fin det i n de r kirchliche n Theokrati e ihr e Vollendung , i n de r auc h da s Geset z z u seiner Erfüllung gelangt . Der gan z ander e hermeneutisch e Ansat z de r Reformatio n mi t ihre r exklu siven - particula exclusiva: solus , sola! - Hervorhebung de r Heilsverkündi gung läß t nu n auc h da s Alte Testament al s Gesetz in einem ganz andere n Lich t erscheinen. Is t di e christlich e Kirch e nich t ein e theokratisc h verfaßt e Heilsan stalt, sonder n is t Kirch e dort , w o da s Wor t vo n Christu s rech t verkündig t und geglaub t wird , s o kann auc h da s Alt e Testamen t al s Geset z nich t i n eine r kirchlichen Heilsanstal t sein e Erfüllun g finden . E s ist entwede r al s de r Jude n Sachsenspiegel abgeta n un d geht de n Christe n nicht s mehr an , oder es gilt nur , sofern e s di e Formulierun g de s natürliche n Sittengesetze s ist . Al s solche s kön nen dan n - mit einige n Abstriche n - die Zeh n Gebot e gelten . Vo r alle m abe r wird di e weitgehend e Identifizierun g vo n Alte m Testamen t un d Geset z aufge löst, un d da s Geset z - im Alte n un d i m Neue n Testamen t - in seine m dia lektischen Verhältni s zu m Evangeliu m - wiederum i m Alte n un d i m Neue n Testament - neu entdeck t (s.o . S.49ff.) . Da ß diese r Ansat z aber , wi e eins t di e Theologie de s Paulu s i n de r alte n Kirche , nich t zu r volle n Wirkun g gelangte , wurde scho n angedeute t (s.o . S.52ff.) . Scho n Calvin s Schriftverständnis , abe r auch bereit s Melanchthon s Auffassun g vo n eine r prinzipielle n christliche n Gleichwertigkeit de r beide n Testamente , vollend s dan n di e orthodox e Gleich schaltung mittel s de s Alte s Testamen t un d Neue s Testamen t umspannende n Inspirationsdogmas brachte n innerhal b de s Protestantismus zugleic h mi t eine r neuen Scholasti k auc h ein e neu e Aufwertun g de s Alten Testament s al s Gesetz . Freilich fan d da s Geset z nich t meh r sein e Erfüllun g i n de r Kirch e al s de r de m Gesetz konfor m organisierte n Heilsanstalt , al s welche sic h di e römisch-katho lische - und anders , abe r ähnlic h auc h di e östlich e Kirch e - verstand, sonder n im tägliche n Lebe n un d i n de r praktischen , gottwohlgefällige n Heiligung . Zwar wir d de r Mensch durc h sei n heiligendes Tun vo r Gott nicht gerecht, abe r die Rechtfertigung is t die Kraft , di e ihn zu m heiligenden Tu n befähigt , Wi e di e römische Kirch e al s sakramental e Heilsanstal t da s wahr e Israe l un d di e wahr e Theokratie z u sei n beansprucht , s o sol l di e Gemeind e de r Erwählte n un d Gerechtfertigten un d de r nunmeh r sittlic h Tätige n un d sic h durc h sittliche s Tun Heiligende n da s wahr e Israe l un d di e wahr e Theokrati e au f Erde n ver wirklichen. Au s de m sakramentale n Bereic h in s Moralisch e übertragen , hatt e das Alt e Testamen t al s Gesetz , un d se i e s auc h i n christliche r Umdeutung , auch un d gerade nac h der Reformation ein e kaum z u ermessende Wirkung . Die blutig e Revolution , i n di e sic h Thoma s Müntze r verwickelte , wa r zweifello s auch vo n alttestamentlic h gesetzliche m un d theokratische m Denke n inspirier t un d wähnte sic h durc h di e - ja nich t nu r vo n Müntzer ! - behauptete Einhei t de r Schrif t und der Gleichwertigkeit de r Testamente gerechtfertigt. Blie b die Müntzersche Gestal t der Reformatio n - wie di e grausig-phantastisch e Realisierun g de s „Königsreich s Zion" i n Münste r durc h Wiedertäufe r - eine Episode , s o ware n theokratisch e un d gesetzliche Ideen im reformierten Bereich von längerer und tieferer Wirkung . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Dabei w a r e n e s nich t nu r einzeln e de m Alte n Testamen t entnommen e Vor schriften, di e da s Lebe n auc h sichtba r prägten : ein e streng e Feiertagsheiligun g etwa, di e da s öffentlich e Lebe n fas t zu m Erliege n bring t un d auc h noc h de n H a h n vo n de n Hühner n z u trenne n nötigt , dami t auc h da s Vie h durc h Arbeits ruhe un d Enthaltsamkei t de n Ta g de s Herr n heilige , sonder n e s w a r meh r noch di e modellhaft-gesetzlich e A n w e n d u n g de s Alte n Testament s zu r Reali sierung eine r Theokrati e au f Erden , welch e fü r da s gesellschaftlich e un d per sönliche Lebe n prägen d w u r d e un d e s auc h heut e noc h prägt . Das Alte Testament al s Geset z und Bundesurkund e eine r Theokratie ha t di e Wesens art de r Niederlande , de r Schweiz , England s un d Nordamerika s mitgepräg t un d auc h noch di e nicht-calvinistische n Bevölkerungsteil e beeinflußt . Di e unmittelba r poli tischen un d historische n Auswirkunge n solche r alttestamentliche n Hermeneuti k kön nen hie r nu r angedeutet , abe r nich t ausführliche r dargestell t werden . De r Aufstan d der Niederland e gege n Spanie n wurd e vo n de m Gedanke n beflügelt , da s wahr e Israel kämpf e gege n Gottesfeind e u m sein e Existen z un d dami t fü r di e Ehr e Gottes . Religion un d Natio n gehören , wi e i n Israel , s o auc h i m wahre n Israe l zusammen . Blutiger noch , abe r mi t wenige r Erfol g kämpfte n di e calvinistische n Hugenotte n fü r ihren Glaube n un d bildete n lang e Zei t förmlic h eine n Staa t i m Staate , bi s Ludwi g XIV. dem durc h Aufhebun g de s Toleranz-Ediktes vo n Nante s 1685 ein End e bereitete . Erfolgreicher, abe r kau m wenige r militant , wußte n sic h di e Reformierte n i n Schott land unte r Joh n Kno x gege n Mari a Stuar t ( f 1587) zu behaupten . Noc h radikale r als ei n Jahrhunder t zuvo r di e niederländische n Aufständische n ginge n Olive r Cromwell und di e Seine n vor , di e durc h Revolution , di e Hinrichtun g de s König s Kar l I. (1649) und di e Einberufun g eine s „Parlament s de r Heiligen " di e Aufrichtun g eine s theokratischen Reiche s de r Heilige n anstrebten . Auc h diese s Gottesreic h fan d ei n menschliches Ende , al s Cromwell 165 8 starb un d sei n Soh n da s Erb e z u behaupte n nicht fähi g war . Abe r de r Geis t de s Puritanismus , sittliche r Erns t i n de r Furch t Gottes, emsig e Tätigkei t un d weltweite s Unternehmertu m bliebe n weiterhi n fü r de n Calvinismus charakteristisch , prägte n di e Wesensar t de r Mensche n un d schufe n eine n materiellen Wohlstand , wi e si e de r alttestamentlich e Mensch , de r j a auc h i m Feigen bäumchen un d Weinstock , i m Kindersege n un d Wohne n i m Lande , da s vo n Milc h und Honi g überfließt , de n Sege n Gotte s z u erkenne n glaubte , nich t z u hoffe n gewag t hatte. Auc h de r kämpferisch e Geis t un d di e Überzeugung , wi e eins t Israe l fü r di e Ehre Gottes zu kämpfen, erlosche n nicht . Als typische s künstlerische s Beispie l fü r di e innig e Verquickun g vo n christliche m Glauben, alttestamentliche r Theokrati e un d militante r Politi k se i hie r da s Oratoriu m von Georg-Friedric h Hände l „Juda s Makkabäus " genannt : de r Versuch , di e römisch katholische Dynasti e de r Stuart s wiederherzustellen , de r i n England anfang s ein e Pani k ausgelöst hatte , konnt e durc h de n Sie g übe r de n Usurpato r Charle s Edwar d 1746 verhindert werden . Au s diese m Anla ß schrie b Hände l sei n Oratorium , da s de n Befrei ungs- un d Religionskamp f de s Juda s Makkabäu s un d Kamp f un d Sie g de r englische n Protestanten inein s setzt : di e israelitisch-jüdisch e Theokrati e un d ihr e Sieg e sin d da s Modell un d da s Gesetz , nac h de m di e gegenwärtig e Kirch e al s theokratisch e Gemein schaft au f nationale r Basi s zu r Verbreitun g de r wahre n Religio n un d zu r Beförde rung de s Gottesreiches auf Erde n antritt . Es kan n - ferner - kein Zweife l dara n bestehen , da ß auc h de r Kolonialismus , de r nicht nu r außen - un d wirtschaftspolitisc h motivier t war , sonder n vo n Anfan g a n auc h als religiöse s un d ethische s Zie l di e Ausbreitun g de s als o verstandene n Christentum s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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anstrebte, hie r ein e tief e Wurze l hatte . Wen n abe r di e - immer zeitbedingte n un d individuell unterschiedliche n - Vorstellungen übe r da s erstrebenswert e Glück , di e rechte gottwohlgefällig e Ordnung , di e richtig e Freihei t un d di e wahre n Interesse n de s Menschen sic h ändern , s o muß auc h di e konkret e politisch e Zielrichtun g eine r Kirche , die sic h nich t blo ß al s Gemeind e unte r de m Wor t vo m Kreu z un d au s de m Wort , sondern al s theokratisch e Gemeinschaf t de r Erwählte n un d Begnadete n versteht , sic h wandeln. Di e Ziel e i n ihre r Konkrethei t sin d wandelbar , abe r da s alttestamentlic h fundierte, gesetzlic h bestimmt e Selbstverständni s un d di e Überzeugung , wi e eins t Israe l und wi e Juda s Makkabäu s vo n Got t selbs t mi t de r Errichtun g seine r Königsherrschaf t auf Erde n beauftrag t -un d ausgesand t z u sein , blie b di e Konstante . Da s Alt e Testa ment al s Geset z un d Ordnun g de r Theokratie , Juda s Makkabäus , de r de m Fein d Kop f und recht e Han d abhau t ( l . M a k k . 7 , 4 7 ) , di e Revolutio n de s Cromwell, eine Theolo gie de r Revolutio n ebens o wi e di e biblizistisch e Verteidigun g de r Negersklavere i un d überhaupt de r Diskriminierun g angeblic h minderwertige r Völke r (wege n l.Mos e 9, 2 0 - 2 7 ) gehören, ohn e identisc h ode r moralisc h gleichwerti g z u sein , i n ihre r alt testamentlich-gesetzlichen un d theokratischen Begründun g zusammen . Einen besonder s deutliche n Ausdruc k fan d i n de r jüngste n Vergangenhei t dieser hermeneutisch e Ansat z un d da s entsprechend e Verständni s de s christ lichen Glauben s überhaup t i n eine r vielbeachtete n Arbei t de s niederländische n Theologen Arnol d A . v a n Ruler, welche da s Verhältni s de r Kirch e zu m Alte n Testament direk t thematisier t (Di e christlich e Kirch e un d da s Alt e Testament , 1 9 5 5 ) . Hier wir d di e Ansich t vertreten , d a ß e s i n de r au s Alte m un d Neue m Testament bestehende n Schrift , di e al s Ganzhei t z u betrachte n un d vo m Gan zen he r z u interpretiere n sei , keinesweg s nu r u m Jesu s Christu s geht , w i e w o h l es sic h u m ih n „dreht" , wei l e r da s Rätse l de r Schul d gelös t ha t (vgl . a . a . O . , S . 6 5 ) . Denn , s o kan n ausgeführ t w e r d e n : „Di e Heiligun g is t größe r al s di e Versöhnung. De r Soh n wir d einma l da s Königreic h seine m Vate r zurück geben. Darau f is t vo n Anfan g a n alle s ausgerichtet.. . Dar f ic h e s kur z un d scharf sagen ? Jesu s Christu s is t ein e N o t m a ß n a h m e , mi t de r Got t s o lang e wie möglic h gewarte t hat . Daru m m u ß ma n ih n nich t mi t alle r Gewal t i m Alten Testamen t finde n wollen ; auc h dan n nicht , wen n m a n al s christliche r Theologe da s Alt e Testamen t bi s au f Got t hi n untersucht " ( a . a . O . , S . 6 5 ) . Die Arbeit erschie n z u einer Zeit , al s die Diskussion u m da s hermeneutisch e Proble m des Alte n Testament s ne u i n Gan g gekomme n war . Di e Debatt e dient e insbesonder e auch de r theologische n Vorklärun g de r Frage , nac h welche n hermeneutische n Grund prinzipien de r ne u geplant e Biblisch e Kommenta r Alte s Testamen t (BK[AT] ) vorgehe n könne un d müsse . Di e Zeitschrif t „Evangelisch e Theologie " wa r da s Publikations organ, da s mehrer e Nummer n de r Frag e de s Alte n Testament s widmet e (EvT h 12, 1952/53). Es zeichnete sic h alsbal d ab , da ß de r Verfasserkrei s de n Versuc h unterneh men wollte , di e typologische Exeges e i m Rahme n de r historisch-kritische n Method e z u beleben. Di e Berechtigun g de r typologische n Betrachtungsweis e (s.o . S. 81 f. u.s.u . S. 157ff.) beruh t au f eine r Gesamtanschauun g de r beide n Testament e un d ihre s Ver hältnisses: da s Alt e un d da s Neu e Testamen t bezeuge n da s Handel n de s eine n Gottes , der i n Selbstentsprechun g i n de r Geschicht e handelt , un d zwa r i n eine r Geschichte , di e sich eschatologisc h i n Christu s erfüllt . Di e Typologie bzw . Typologes e spür t dies e Ent sprechungen al s Typoi un d Antitypo i au f un d stell t si e heraus. Dami t is t also vorausge setzt, da ß Christus un d das Christusgeschehen all e vorhergegangenen Typo i antitypisc h 7 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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übertrifft un d i n de n Schatte n stellt , si e als , wi e de r Terminu s lautet , Vorausschat tungen, abe r auc h al s bloße , vorläufig e Vorausschattunge n erkennba r macht . Hie r un d unter unmittelbare r Bezugnahm e au f dies e sic h i n de r Diskussio n herauskristallisieren de Grundanschauun g setzte n A.A. van Ruler s Einwände ein : Is t Christu s wirklich , gesamtbiblisch gesehen , di e Erfüllung? Dies e Frage wird verneinen d beantwortet . Jesu s Christus is t nu r ein e Notmaßnahm e Gottes , s o laute t da s begreiflicherweis e seithe r oft zitierte Reizwort .
Damit is t nich t nu r de r Typologi e de r Bode n entzogen : Christu s is t j a nich t mehr de r alle s i n de n Schatte n de s Typische n stellend e Antitypos . E s ist viel mehr di e Möglichkei t gewonnen , ei n Christentumsverständni s z u entwickeln , das a n de r Vorrangstellun g de s Alte n Testament s orientier t ist : Nich t primä r um Erlösung , u m ein e Notmaßnahme , geh t es , sonder n u m di e geschaffen e Wirklichkeit i n ihre r irdische n un d leibliche n Materialitä t un d nich t nu r u m Geistiges un d Geistliche s un d Innerliches . „D a geh t e s vie l positive r u m di e Schöpfung un d da s Reich , u m di e erste n un d letzte n Dinge , da s Bil d un d da s Gesetz, die Heiligung un d die Humanität, da s Ethos und die Kultur, di e Gesell schaft un d di e Ehe , di e Geschicht e un d de n Staat . Gerad e u m dies e Ding e geht e s i m Alte n Testament . Daru m kan n un d dar f e s nich t christologisch , darf un d kan n e s nu r eschatologisch , ode r ander s gesagt : theokratisc h ausge legt werden. D a bleib t ei n tiefe s Vertraue n i n die Güte der Welt, i n die Brauch barkeit de s Mensche n un d i n di e Möglichkeit , di e Erd e z u heiligen " (A.A.va n Ruler, Die christlich e Kirche , S.82f.) . E s kann woh l nich t bezweifel t werden , daß hie r ein e zutreffend e Charakteristi k de s Alte n Testament s gebote n wird , aber auc h daß , wen n überhaup t da s Alt e Testamen t ein e gegenwärtig e Bedeu tung hat , e s i n de r vo n van Rule r angegebenen Richtun g zu m Spreche n ge bracht un d gehör t werde n soll . Da s wär e freilic h di e Weis e de s Vernehmens , welche di e Kirch e sei t e h und j e davor bewahr t hat , eine r rei n geistige n Gnosis und eine m geschichts - un d fleisch - un d blutlose n Christusmytho s z u verfalle n und di e klösterlich e Abgeschiedenhei t vo n de r bösen Wel t al s einzig mögliche s Ideal christliche r Existen z z u empfehlen . Vo r diese m Extre m ha t da s Alt e Te stament, w o e s noc h mi t seine m eigene n Wor t gehör t wurde , durc h di e Jahr hunderte hindurc h bewahrt . Hie r hat auc h di e Theologie reformierte r Prägun g und ihr e Praktizierun g i n de n reformierte n Kirchengemeinschafte n — und Na tionen un d Staaten! - unschätzbare positiv e Auswirkunge n ausgeübt . Zugleic h aber wir d be i van Rule r besonders deutlich , welch e erschreckende n Gefahre n hier lauern . De r Satz , da ß Jesu s Christu s nu r ein e Notmaßnahm e zwische n Schöpfung (Protologie ) un d Vollendun g (Eschatologie ) sei , verkenn t di e Tief e von Schul d un d Sünd e un d bleibt , noc h gan z vo m neutestamentliche n Zeug nis abgesehen , wei t hinte r de m radikale n Sündenverständni s de r biblische n Urgeschichte i n de n erste n el f Kapitel n de s ersten Buche s Mos e zurück . A n di e Stelle de r geglaubte n un d daru m unsichtbare n Erlösung , die , wen n auc h ers t in Hoffnung , gegenwärti g is t (etw a Rom. 8,24; 2.Kor.5,17; 6,2; Joh.8,51; 11,25), tritt di e Nötigung zu r sichtbare n Realisierun g de r Gottesherrschaf t al s einer „Heiligun g de r Erde " (a.a.O. , S.85) ; a n di e Stell e eine s Leben s i m Glau ben a n di e gnädige Sündenvergebun g al s wurzelhafte Erneuerun g de r Existen z © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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(Wiedergeburt) un d al s Ermöglichun g eine s neue n Handeln s i n de r Wel t gemäß de m Liebesgebo t (Heiligung ) trit t de r Glaub e a n „di e Brauchbarkei t des Menschen " (a.a.O. , S.83 ) un d dami t a n di e innerweltlich e un d inner geschichtliche Möglichkei t dessen , wa s j a gewi ß nich t nu r ei n faule r un d a n bloßer Innerlichkei t orientierte r Quietismu s einzi g vo n Got t erhoff t un d erbe tet: da ß sein Reic h kommen möge . Van Ruler s positive Bewertun g de r jüdische n Theologi e Marti n Bubers mit ihrem idealistisch-optimistische n Glaube n a n di e Möglichkei t eine r innerwelt lichen un d innergeschichtliche n Verwirklichun g de r Gottesherrschaft , abe r auch sein e ungewollte Näh e z u einem Thomas Müntzer , de r alle übrige Heilig e Schrift fü r ein e Auslegung de s Mose hielt , is t für diese n ganzen Ansat z bezeich nend. Nu n is t van Rule r gewiß nich t Exponen t de r reformierte n Orthodoxie . Von Johan n Calvi n übe r Cocceju s bi s Kar l Bart h ha t di e reformiert e Dogma tik be i alle r Betonun g de r Einhei t de r Schrif t Alte n un d Neue n Testament s diese Einhei t doc h wesentlic h i m Christuszeugni s de r beide n Testament e z u finden gemein t un d vo n Christu s he r di e Unterschied e de r Testament e al s Vorher un d Nachher , al s Erwartung , Verheißun g un d Erfüllun g (Calvin) , al s Werkbund un d Gnadengerechtigkei t (Coccejus) , al s Zei t de r Erwartung , Vor zeit, un d Zei t de r Erfüllun g (Bart h I 2, S.77ff.) z u bestimme n versucht . Chri stus al s Notmaßnahm e is t ei n hie r nich t denkbare r Gedanke . Dennoc h wurd e auf di e va n Rulersch e Positio n i n diese m Zusammenhan g etwa s ausführliche r eingegangen, wei l sic h a n diese m Extre m di e alttestamentlich-theokratische n Tendenzen de s reformierten Ansatze s überhaup t demonstriere n lassen . Neu is t hier nu r di e ausdrücklic h ausgesprochen e Konsequenz , di e da s Christus geschehen zu r Notmaßnahme herabstuft , nich t abe r di e grundsätzliche Gleich bewertung beide r Testamente, di e wegen de s dann nich t mehr kritisch gezügel ten Eigengewichte s un d de r dan n nich t länge r abgebremste n Eigenmächtigkei t des Alte n Testament s zu r Vorrangstellun g de s Alte n führe n muß , wi e e s i m reformierten Bereic h j a weitgehen d de r Fal l wa r un d mancherort s noc h ist . Die Reformierten , di e i m 17. Jahrhundert förmlic h zu r Synagog e übertrate n und sic h ga r beschneide n ließen , waren , wi e au f sein e Weis e van Ruler , ebenfalls ei n Extre m un d ein e Ausnahme , abe r auc h Extrem e un d Ausnahme n können bezeichnen d sein . Da ß abe r de r Will e zu r „Heiligun g de r Erde " i n Staat, Gesellschaf t un d Politi k - mit welche n konkrete n al s heili g geglaubte n irdischen Inhalte n auc h imme r - aus alttestamentlich-theokratische m Geist e neu erwache n un d dan n keinesweg s meh r Ausnahme sei n kann , hat die jüngst e Vergangenheit gelehrt . Mit de r undialektische n un d nich t meh r vo n Kreu z un d Auferstehun g Jes u Christi he r kritisc h geprüfte n Anerkennun g de s Alte n Testament s mitsam t seinem Geset z un d seine n theokratische n Vorstellunge n un d mi t seine r vo n Anfang a n mitgesetzte n Verbindun g vo n Rech t un d Religio n wurd e di e inner alttestamentliche Apori e de s Gesetze s un d de r israelitisch-jüdische n Religio n überhaupt auc h zu r innerkirchliche n Aporie : wi e da s eschatologisch e Gottes volk innerweltlic h un d innergeschichtlich , als o durc h menschliche s Tu n sicht barlich z u realisieren sei . 7* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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3. Die Ablehnung de s „Judengesetzes " Es ha t freilic h auc h nich t a n Stimme n gefehlt , di e da s Alt e Testament , gerade wei l e s al s Geset z erscheint , kritisc h i n Frag e gestell t un d soga r gan z abgelehnt haben . Obwoh l di e Tendenz, die beide n Testament e al s die gleicher maßen christliche n Teil e de s einen christliche n Kanon s zu verstehen, überwog , konnten doc h di e faktische n Unterschied e niemal s gan z verborge n bleiben , und di e Frage , o b un d wi e den n da s Evangeliu m vo n Jesu s Christus , da s de n Sündern verkündig t wir d un d di e Sünde r gerechtspricht , sic h mi t de m Geset z des Alten Testament s un d dem Geset z überhaupt vertrage , hat sich immer wie der ne u aufgedrängt . Obwoh l Jesu s einerseit s da s Wor t i n de n Mun d geleg t werden konnte , e r se i gekommen , nich t u m da s Geset z aufzulösen , sonder n um e s z u erfülle n (un d zwa r bi s zu m letzte n Pünktchen , Mt.5,17f.) , s o gin g doch andererseit s di e zuverlässig e Überlieferun g nich t verloren , di e u m Jes u Freiheit de m Geset z gegenübe r wußte . Un d auc h wen n di e Theologi e de s Pau lus nich t zu r kirchentragende n Breitenwirkun g gelangte , s o wa r doc h mi t den paulinische n Briefe n i m neutestamentliche n Kano n ei n nich t leich t z u übersehendes Gegengewich t gege n Gesetzlichkei t un d gege n Vergesetzlichun g der christliche n Kirch e gegeben . W o a n Paulu s angeknüpf t wird , dor t steh t auch da s Alt e Testamen t al s Geset z - und sofer n e s Geset z is t - wieder i n Frage. In de r alte n Kirch e ha t Marcio n hie r eingesetzt . E r vertra t eine n radikale n Paulinismus, de r da s Alt e Testamen t al s Geset z un d Urkund e eine s andere n Gottes ablehnt e (s.o . S.38f.) . Wen n auc h gewi ß gnostisch e Motiv e Marcion s Lehre beeinflußte n un d di e vo n ih m gegründet e Kirch e mi t einige m Rech t al s gnostische Sekt e bezeichne t werde n kann , s o ware n doc h de r Gegensat z vo n Evangelium un d Geset z un d di e Unmöglichkeit , di e au s Gnad e un d Güt e Got tes geschenkt e Gerechtigkei t mi t eine r Gerechtigkei t au f Grun d vo n Gesetzes erfüllung z u vereinbaren , de r eigentlich e Impuls . Geset z un d Evangelium , vo n Paulus i n ihre m dialektische n Verhältni s erkannt , sin d hie r s o seh r diametral e Gegensätze, si e trete n au s alle r Dialekti k herau s i n ein e Diastase, die s o gro ß ist, da ß nac h Marcio n de r Got t de s Gesetze s ei n andere r sei n mu ß al s de r Gott de s Evangeliums . De r Got t de s Evangeliums, de r reine n Güt e un d Liebe , erlöst geradez u au s selbstlose m Erbarme n mi t eine r Schöpfung , di e e r selbs t nicht geschaffe n hatte , vo n de m schlechte n Geset z vergeltende r Gerechtigkeit . Marcions Zweigötterlehr e läß t sic h auc h unschwe r entmythologisiere n un d interpretieren: Geset z un d Evangelium , vo n Paulu s mi t Hilf e de s Alten Testa ments i n ihre m dialektische n Verhältni s gesehen , gehe n ihre r dialektische n Bezogenheit verlusti g un d geraten i n eine Diastase, die nur noch al s das Gegen einander zweie r Götte r vorgestell t werde n kann . Marcio n meinte , au s Pau lus di e recht e Folgerun g z u ziehe n un d de s Paulu s Inkonsequenz , di e ih n da s Alte Testamen t dan n doc h nich t verwerfe n ließ , z u vermeiden , als o eine n ech ten, gereinigte n Paulinismu s un d dami t di e nich t meh r jüdisc h verfälscht e Wahrheit de s christliche n Glauben s z u vertreten . I n Wirklichkei t wir d be i ihm di e Dialekti k vo n Geset z un d Evangeliu m al s vo n zwe i Möglichkeite n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Ablehnung des „Judengesetzes"
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von Daseinsverständni s un d Daseinsverwirklichun g preisgegeben . Hie r wir d nicht meh r erkannt , da ß Geset z un d Evangeliu m sic h woh l ausschließen , abe r doch nich t endgülti g aufheben , vielmeh r aufeinande r bezoge n bleiben . De m immer ne u de r Gesetzlichkei t verfallende n Mensche n mu ß ebens o imme r er neut da s Evangeliu m gesag t werden . Nu r s o is t da s Evangeliu m nich t Aufklä rung übe r eine n böse n Gott , ei n böse s Geset z un d ein e bös e Schöpfung , son dern Heilsverkündigung , di e sic h a n de n böse n Mensche n richtet , de r gerad e in seine n beste n Gesetzestate n sein e eigene Rechtfertigun g un d Daseinsberech tigung sucht . O b für solch e Glaubenserkenntni s da s Alte Testament al s Geset z die unverzichtbar e Vorbedingun g ist , kan n ma n allerding s fragen . Immerhi n hat Paulu s vo n eine m Geset z gewußt , da s außerhal b de s Alte n Testament s und auc h ohn e e s fü r di e Heide n sein e Gültigkei t un d Wirkun g ha t (Röm . 2, 14f.). Abe r wi e de m auc h sei , be i Marcio n führ t di e Abschaffun g de s Alte n Testaments al s de s Gesetze s eine s böse n Gotte s zu m Verlus t jene r wesent lichen Dialekti k vo n Geset z un d Evangeliu m - und daru m letztlic h auc h des Evangeliums , da s al s Wor t vo m Kreu z nich t meh r verkündig t werde n kann, wen n Kreu z un d Lei d un d alle s Übe l i n diese r Wel t nu r Schickunge n des bösen Schöpfergotte s sind . Auch wen n Luthe r solch e Konsequenze n nich t gezoge n hat , wir d doc h be i ihm ohn e Zweife l marcionitische s Gedankengu t wiede r lebendig , wen n e r da s Gesetz de s Alten Testaments , sofer n e s nicht al s Sitten- oder Naturgesetz alle n Menschen gemeinsa m un d vo n universale r Gültigkei t ist , al s de r Jude n Sach senspiegel beiseiteschieb t un d di e völlige Unverbindlichkei t diese s Gesetze s fü r Christen z u betone n nich t müd e wird . Wichtige r noc h al s dies e ungeheuer e Reduktion de s alttestamentlichen Gesetze s ist allerdings di e Konzentration au f das Evangeliu m vo n de r allei n gerech t machende n Gnade , de r gegenübe r auc h das gültig e Geset z nich t al s We g z u Lebe n un d Seligkei t i n Betrach t kommt . Wie be i Marcio n wir d da s Evangeliu m vo n de r Lieb e Gotte s al s einzig e vo n Gott geschenkt e Möglichkei t fü r de n Mensche n erkannt , abe r ander s al s bei m großen Ketze r de r alte n Kirch e di e dialektisch e Bezogenhei t vo n Geset z un d Evangelium gewahrt : Marcio n wurd e ei n Kirchenstifte r un d sein e Kirch e ein e Sekte; Luther blie b Reformator de r Kirche . Anders al s Luther (un d Melanchthon ) meint e Johannes Agricola (1499-1566), das alttestamentliche Geset z se i de r fehlgeschlagen e Versuc h Gotte s gewesen , de n Men schen z u seine m Glüc k z u geleiten . Die s bracht e ih n i n spürbar e Näh e z u Marcion und wurd e i m „antinomistische n Streit " vo n Luthe r un d Melanchtho n al s Irrlehr e verworfen. Un d die s war dan n nich t ein e bedauerlich e Inkonsequen z de r Reformato ren, wie Harnack i n seinem Marcion-Buch meint , sondern zeig t nur, daß trotz Herabstufung z u „de r Jude n Sachsenspiegel " di e bleibend e theologisch e un d existentiell e Bedeutung des Gesetzes klar erkannt wurde. Ablehnung de s Alte n Testament s al s eine s di e Christe n nicht s angehende n Gesetzes kan n auc h philosophisc h begründe t werden . S o ha t Immanue l Kan t in „Di e Religio n innerhal b de r Grenze n de r bloße n Vernunft " (1793) die Reli gion al s Erkenntni s de r Pflichte n al s göttliche r Gebot e z u verstehe n versucht . Von diese m - für di e Zeit bezeichnende n — gesetzlich-moralischen Verständni s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Gesetz und Bundesurkund e
von Religion überhaup t gelangt e r dann zu r Abwertung de s Alten Testament s als de s Gesetze s de r Juden . Di e alttestamentliche n Gesetz e habe n eigentlic h keine religiös e Qualität , wei l si e z u eine r ursprünglic h politische n Organisa tion gehöre n un d wi e ander e vergleichbar e politisch e Gesetz e blo ß au f de n äußeren Gehorsa m ziele n un d auch nur innerweltlichen Loh n oder innerwelt liche Strafe in Aussicht stellen. Da sie insbesondere kein ewiges Leben kennen, verdienen si e e s nicht , religiö s genann t z u werden . Vielmeh r handel t e s sich um die partikularistische Organisatio n des jüdischen Volkes, von der das Christentum wesensmäßi g getrenn t ist , wi e e s die Abschaffun g de r Beschneidun g zum Beispie l zeigt . Da ß da s Geset z de s Alte n Testament s de r israelitisch jüdischen Volksgemeinschaft zugeordnet , da ß es also Gesetz einer bestimmten Nation - der Jude n Sachsenspiege l - ist, wir d deutlic h erkannt , abe r da s fü r Israel wesentliche Ineinander von Recht und Religion, von Rechtsgemeinschaf t und Religionsgemeinschaf t komm t hie r ga r nich t ers t i n de n Blick . Vielmeh r gilt: d a e s israelitisch-jüdisch ist , kan n e s nicht auc h christlic h sein , wei l da s Nationale un d Partikular e nich t göttlic h sei n kann . Is t be i Luthe r de r Jude n Sachsenspiegel abgetan, weil Christus des Gesetzes Ende für Juden und Heiden ist, s o kann fü r Kan t da s alttestamentlich e Geset z kein e Gültigkei t innerhal b der Religio n beanspruchen , wei l da s Nationale un d Partikular e de s jüdischen Gesetzes gegenüber dem Universalen un d Moralischen, wie es im Christentum erscheint, minderwerti g ist . Kan t faßt e dami t — wie auc h sons t — Gedanken zusammen un d setzt e i n ei n fundierte s System , wa s nac h de m Geis t de r auf geklärt-moralischen Zei t a n Einwände n gege n da s „mosaisch e Gesetz " erhoben z u werde n pflegte : blo ß äußer e Legalitä t ohn e inner e Sittlichkeit , blo ß Statutarisches ohn e moralische Besserung , bloß e Partikularität ohn e universal menschliche Geltung , bloße Zufälligkeit un d Geschichtlichkeit ohn e metaphysische Gültigkeit, bloße r Eudämonismus ohne sittliche Reinheit . Hier mischen sich auc h di e Kriti k a m Alten Testamen t al s Geset z und allgemeinere Beden ken gegen da s Alte Testament un d die hier bezeugt e Religio n überhaupt , von denen an anderer Stelle noch die Rede sein muß (s.u. S. 121 ff.). Sofern di e Bedenke n gege n da s vermeintlic h blo ß äußer e un d au s Rechts satzungen bestehend e Wohlergehe n un d noc h kei n ewige s Heil kennend e alt testamentliche Geset z durc h di e Voraussetzunge n de r Aufklärun g un d ihr e Maßstäbe beding t ode r au f fehlende m historische m Sin n un d au f mangeln der eigener Kenntni s des kritisierten Gegenstande s beruhen , erledigen si e sich damit vo n selbst. Wichtige r abe r is t de r theologisch e Einwand , der , ohn e auf die fundamentale Bezogenhei t un d Dialektik vo n Gesetz und Evangelium ver zichten zu wollen, die alttestamentliche Religio n al s solche wesentlich von Gesetz und Gesetzlichkeit geprägt un d bestimm t sieht . Die Dialektik vo n Gesetz und Evangelium beweg t sich dann nicht innerhalb beider Kanonteile, sondern das Alte Testament ist Gesetz und Gesetzlichkeit, das Neue Testament, wenigstens i n seinem wesentliche n Gehal t un d von eventuelle n stroherne n Epistel n abgesehen, is t Evangelium . Dies e Ineinssetzun g vo n Alte m Testamen t un d Gesetz und Neuem Testament und Evangelium war von Luther, Melanchtho n und de n Ihrige n nich t intendiert , un d etw a Melanchtho n ha t sic h gege n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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sie ausdrücklic h gewehr t un d si e fü r ein e falsche , wen n auc h üblich e Rede weise gehalte n (s o i n de n Loc i vo n 1521; vgl. Diestel , S. 238ff.)· Freilic h ist ein e solch e Aufteilun g vo n Geset z un d Evangeliu m au f da s j a tatsäch lich Geset z enthaltend e un d al s Geset z bezeichnet e Alt e un d da s da s Evan gelium j a bezeugend e Neu e Testamen t zumindes t leichte r faßba r un d han tierbar al s ein e Unterscheidun g zweie r Kanonteile , di e sic h mi t de r dialek tischen Polaritä t von Gesetz und Evangelium nich t deckt. Wo dann, anders als im Calvinismus , ein e förmlich e Verchristlichun g de s Alte n Testament s un d eine Gleichstellun g de r Testamente nich t erfolgt , lieg t ein e Minderbewertun g und, darübe r hinaus , ein e Abwertun g de r bloße n Gesetzlichkei t un d dami t des Alten Testaments überhaupt nahe. So folgt Schleiermache r nich t reformierter , sonder n lutherische r Tradition , wenn er, neben anderen Einwänden, insbesondere di e Gesetzlichkeit des Alten Testaments mein t rüge n z u sollen ; dies e se i fü r de n Christe n gefährlich , wei l sie auc h ih n z u eine r gesetzliche n Denkweis e z u verführe n vermög e (s o i n seiner Glaubenslehr e § 132). Auf derselbe n Traditionslini e liege n di e Bemer kungen vo n Harnacks , de r i n seine r großangelegte n Laudati o au f Marcio n nach - dem leide r inkonsequente n - Luther, nac h Agricola un d nebe n Hege l auch Schleiermache r z u denjenigen , di e „de n Sin n fü r di e Eigenhei t un d di e Würde de r christliche n Religio n erhalten " haben , rechne t (Marcion , S.253) . Harnack selbs t schließ t sic h diese n Zeuge n de r evangelische n Wahrhei t mi t den berühmte n un d vielzitierte n Worte n an : „Di e These , di e i m folgende n begründet werden soll, lautet: da s AT im 2. Jahrhundert zu verwerfen, wa r ein Fehler, de n di e groß e Kirch e mi t Rech t abgelehn t hat ; e s im 16. Jahrhundert beizubehalten, war ein Schicksal, dem sich die Reformation noc h nicht zu entziehen vermochte ; e s abe r sei t de m 19. Jahrhundert al s kanonisch e Urkund e im Protestantismu s noc h z u conservieren , is t di e Folg e eine r religiöse n un d kirchlichen Lähmung" (Marcion , S.248f.). Zu de r Reih e de r anti-alttestamentliche n Zeuge n zähl t al s gewi ß nich t unbedeutendste Gestal t Emanuel Hirsch (Da s Alt e Testamen t un d di e Predig t des Evangeliums, 1936). Hirsch hat auch noch die nach ihm bloß scheinbaren und christlic h hineingelesene n „evangelischen " Aussage n i m Alten Testamen t als eigentlic h doc h gesetzlic h gemein t z u erweise n versucht . Da s Beweisver fahren vollzieh t sic h allerding s wesentlic h un d willentlic h i m Kreis ; Schlüsse l und Verständni s de s Ganze n un d de r Einzelheite n dar f nac h Hirsc h na r de r jüdische Standpunk t sein , weil diese r allei n sei t Esr a maßgeblich wa r un d fü r den Kanon allein bestimmen d wurde. Weil da s Ganze Gesetz heißt, muß auch das einzeln e gesetzlic h verstande n werden . Nu r al s gesetzlich e Antithes e ha t das Alte Testament für das Evangelium eine Bedeutung. Es ist eigentümlich , da ß Hirsch , de m sons t i n s o hervorragender Weis e a n der Stärkung un d Förderun g de s neuzeitlichen Wahrheitsbewußtsein s gelege n war, au f di e Möglichkeit , da s neuzeitlich e historisch e un d wissenschaftlich e Verständnis de s Alten Testament s dogmatisc h fruchtba r z u machen, verzich tet un d sic h au f eine n dogmatisc h fixierten , jüdisch-kanonische n Standpunk t festlegt. Da ß historisch-kritische Method e nicht nur verfremdet, sonder n auch © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Gesetz un d Bundesurkund e
über di e i n de r Kirch e bevorzugte n Büche r - l.Mose, Jesaj a un d Psalme n hinaus Text e i n ihre r „ungesetzlichen " Ursprünglichkei t verstehe n lehre n un d gleichsam heimhole n kann , vermocht e e r s o nich t i n de n Blic k z u bekommen . Oder durft e solche s nich t sein ? Nich t unerwähn t sol l freilic h auc h bleiben , daß Hirsch au f seh r eindrucksvoll e Weise , wen n auc h zumeis t infolg e de r poli tischen Verhältniss e de r dreißige r Jahr e überhört , vo r eine r ungebrochene n und undialektische n Anwendun g alttestamentlic h gesetzlich-theokratische r Vorstellungen i m Bereic h de r Kirch e un d de s kirchlich-politische n Handeln s gewarnt un d s o gege n di e weitgehende , sic h souverä n übe r di e historische n Erkenntnisse hinwegsetzend e Gleichschaltun g vo n Alte m un d Neue m Testa ment durc h Kar l Bart h un d di e christologische n Willkürinterpretatione n eine s W.Vischer (Da s Christuszeugni s de s Alte n Testament s I, 1934 ; II , 1942 ) mit historischem un d theologische m Rech t sein e Stimm e erhobe n hat . We r di e inneralttestamentlichen Aporie n — etwa un d insbesonder e di e eine r innerwelt lichen Theokrati e — nicht erkennt , begib t sic h selbs t un d bring t di e Kirch e i n eine aporetisch e Situation , di e vorchristlich , wei l vo n Christu s überwunde n ist: wi e Jesaj a seine n Köni g Aha s kan n di e Kirch e nich t heutig e Regierunge n anreden, zuma l auc h scho n Jesaja s eigen e Predig t höchs t problematisc h wa r und auch heute noch ist (s.u. S. 116f.). Auf derselben , hie r nich t i n volle r Breit e un d Läng e nachzuzeichnende n Linie lieg t e s ebenfalls , wen n H.Brau n formuliert : „Di e Gnad e führ t z u de m Gesetz al s de m Heilsweg , da s is t alttestamentlich ; di e Gnad e führ t vo n de m Gesetz al s de m Heilswe g fort , da s is t - summarisch gesproche n - neutestamentlich", die s obwoh l Brau n einräume n kann : „Abe r da s Alt e Testamen t hat vo n de r Freihei t de r Söhn e Gotte s au f seine n Höhepunkte n scho n eine n Hauch" (Da s Alte Testament i m Neuen Testament, S.2 4 u . 31). 4. Das prophetische Kanonverständnis un d die Relativierung de s Gesetze s Das Alt e Testamen t al s heilige s Buc h reformierter , Psalme n singende r Frei heitskämpfer un d Gottesmänner ; da s Alt e Testamen t nu r ei n Hauc h vo n christlicher Freihei t un d ansonste n Einweisun g in s Geset z - diese fas t diame tral entgegengesetzte n Gesamteinschätzunge n könne n nich t einfac h au s de n unterschiedlichen Prämisse n eine s Marcion , Schleiermacher , Harnac k un d Braun einerseit s un d de r genui n reformierte n Traditio n andererseit s abgeleite t werden. Ma n mu ß solch e Meinungsunterschied e i n Rechnun g stellen , zu r Er klärung de r Unstimmigkeite n reiche n si e abe r nich t aus . Di e gegenteilige n Beurteilungen verweise n vielmeh r au f di e Aporie , di e i m Alte n Testamen t selbst enthalte n ist , un d sic h hie r al s mehrdeutig e Ambivalenz , di e unter schiedliche Verständnis - un d Praxismöglichkeite n zuläßt , bekundet . Si e sin d also durc h di e ambivalent e Deutungsmöglichkei t alttestamentliche r Text e selbst bedingt . Das zeig t sic h sogleich , wen n nu n noc h einma l au f di e Entstehun g de s alt testamentlichen Kanon s i n seine r Dreiteilun g Gesetz , Propheten , Schrifte n di e Aufmerksamkeitgerichtetwird.DerhebräischeKanonist,wieoben(s.o.S.85ff.) © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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dargetan wurde , selbs t scho n ei n Werturteil , da s de m Geset z de n Vorran g vo r der Prophetie und erst recht vor dem dritten Kanontei l zuspricht . Diese Kanon einteilung wi e überhaup t di e Bildun g de s alttestamentliche n Kanon s is t erheb lich vo m Pharisäismu s beeinfluß t worden . De r hebräische, pharisäische Kano n war ein e dogmatisch e Entscheidun g i m Sinn e de s gesetzestreue n Judentums , die sic h gege n da s apokalyptische Schrifttu m mi t seine r Berufun g au f vor - un d außermosaische Autoritäte n (Adam , Henoch, Noa h usw.), gege n sektiere rische Gruppe n un d dere n Sonderschrifttu m wi e di e Gemeind e vo n Qumra n und ihr e heilige n Schriftrollen , abe r auc h gege n di e christlich e Gemeind e un d ihr griechische s Septuaginta-Alte s Testamen t richtete . Diese s nomistisch e Kanonverständnis, da s sic h als o auc h gege n di e Kirch e richtete , ha t sic h al s das offiziell e durchgesetzt . E s hatt e uralt e un d tief e Wurzeln , di e i n di e An fangszeit Israel s zurückreichen . Abe r e s war , ebenfall s vo n alle m Anfan g an , weder da s einzi g möglich e noc h auc h da s einzi g legitim e Verständnis . Ein e ganz ander e Verstehensmöglichkei t kan n ebenfall s al s legiti m bezeichne t wer den, wei l auc h si e sei t e h un d j e i n de r Religio n Israel s angeleg t wa r un d keineswegs ers t da s Ergebni s eine r nachträgliche n christliche n Interpretatio n ist. Si e komm t i n eine m andere n Kanonverständni s zu m Ausdruck , da s jüdischerseits auc h vertrete n worde n ist , dan n abe r unte r Einflu ß de s Pharisäis mus i n de n Hintergrun d trete n mußte . Wi e da s gesetzlich e Verständni s zuers t deutlich un d mi t sovie l Worte n i m Weisheitsbuc h de s Jesu s Sirac h bezeug t wird, s o sprich t sic h i n de r Anordnun g de r einzelne n Schrifte n i n de r Septua ginta-Übersetzung ein e Auffassun g vo m Kano n aus , di e ma n i m Gegensat z zu de r nomistische n al s di e „prophetische " bezeichne n könnte : kanonisc h ist , was vo n Prophete n geschriebe n ist . De r jüdisch e Historike r Flaviu s Josephu s (1.Jh. n.Chr. ) schreib t i n seine r Contr a Apione m genannte n Apologi e de r jüdischen Religio n (I,8), die Jude n hätte n nich t ein e bunt e un d unbegrenzt e Vielzahl heilige r Schriften , sonder n fün f Büche r vo n Mos e mi t Gesetze n un d Erzählungen übe r di e Entstehung de s Menschengeschlechts bi s zu Mose s Tod . In dreizeh n weitere n Bücher n hätte n bi s i n di e Zei t de s persische n König s Artaxerxes ander e Prophete n di e Geschicht e ihre r Zei t geschrieben . Schließ lich bestünden noc h vier Bücher mit Psalmen un d Lebensregeln . Die vo n Josephu s gemeinte n dreizeh n Prophetenbüche r sind : Josua , Richte r (mi t Ruth), Samuel, Könige, Jesaja, Jeremia (mit Klageliedern), Ezechiel, das Buch der zwölf Propheten (Dodekapropheten) , Hiob , Daniel , Esther , Esr a (mi t Nehemia) , Chronik ; die von ihm genannten vier sind: Psalmen, Sprüche, Prediger, Hoheslied. Alle übrige n Schriften , di e nac h de r Zei t de s Artaxerxe s geschriebe n sind , verdienten nich t da s gleiche Ansehen , wei l seitde m di e Sukzessio n de r Prophe ten autgehör t habe. Das prophetische Kanonverständnis recVine t als o mit eine r Wirksamkeit de s prophetischen Geiste s von Mos e bi s Esra, und dieser prophe tische Geis t al s Inspirato r de r prophetische n Bücher , di e de r Kano n enthält , ist de r Garan t de s kanonische n Wertes . Beruh t nac h de r nomistische n An schauung de r Kano n au f de m Gesetz , ja , is t da s Geset z al s solche s de r pri märe Kano n un d alle s andere - Propheten un d Schriften - lediglich kanonisch e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Auslegung un d Anwendun g de s Gesetzes , s o gil t nac h de m prophetische n Kanonverständnis, daß kanonisch ist, was vom prophetischen Gottesgeist , der von Mose bis Esra tätig war, inspiriert ist. rreilich setz t Josephus , de r diese s Kanonverstandni s ausspricht , dennoc h die späte r alleingültig e Einteilung : Gesetz-Propheten-Schrifte n mi t de m vo n ihr implizierte n gesetzliche n Verständni s bereit s voraus . I n reine r Gestal t kommt da s andere , prophetisch e Verständni s jedoc h i n de r griechische n Kanonanordnung zum Ausdruck. Auch hier bildet der Pentateuch den ersten Teil. Ihm folgen , wi e i m hebräische n Kanon , di e Geschichtsbüche r vo n Josu a bi s Könige, dan n jedoc h di e übrige n Geschichtsbüche r Chronik , Esra-Nehemi a und Esther. Es werden somit Pentateuch und die — übrigen — Geschichtsbücher zusammengeordnet. I m zweite n Kanontei l stehe n di e poetisch e un d didak tischen Bücher , Psalmen , Sprüche , Prediger, Hoheslie d un d Hiob, zusammen . Den dritten Tei l bilde n di e Prophetenbücher, z u denen auc h das Buch Daniel gerechnet wird. Das Anordnungsprinzip is t klar: Di e Geschichtsbücher erzäh len von der Vergangenheit; di e poetischen un d didaktischen Schrifte n sin d für die gegenwärtig e Erbauun g un d Belehrun g bestimmt ; di e Büche r de r Pro pheten blicke n i n di e Zukunf t (s o richtig O.Eißfeldt , Einleitung , S.773 , un d J.C.H.Lebram, Kanonbildung , S . 178). Deutlich wird auch , daß hier der Pentateuch trotz seine r Vorrangstellun g nich t zuers t al s Gesetz , sondern al s Geschichtsbuch verstande n ist . Da s schließ t zwa r di e besonder e Bedeutun g de r kanonischen Mosezei t und damit auch des mosaischen Gesetze s nicht aus und stellt zu m hebräische n Kano n als o keinen absolute n Gegensat z dar , abe r hie r sind di e Akzente doc h erheblich ander s gesetzt: Da s Gesetz is t nich t de r her meneutische Schlüsse l schlechthin , de r da s ganz e Alt e Testamen t aufschließ t und auc h noc h di e nicht-gesetzliche n Teil e de m Geset z de r Gottesherrschaf t unterordnet. Sondern das Alte Testament ist als prophetische Deutung der Geschichte überhaup t un d de s Leben s schlechthi n i n de r Vergangenhei t Geschichtsbücher -, in der Gegenwar t - Lehrbücher, poetisch e Büche r - und in aller Zukunf t - Propheten — verstanden (vgl . Lebram, a.a.O., S . 179). Man kann dies e Anschauun g vo m Kano n auc h deswege n „prophetisch " nennen , weil bekanntlich viele alttestamentliche Prophetenbücher nach demselben dreiteiligen Schema - Unheil der Vergangenheit; Frevel der Fremdvölker als Merkmal de r Gegenwart ; fü r di e Zukunf t abe r wir d neue s Hei l verheiße n - aufgebaut sind. Es sei hier dahingestellt, ob das nomistische oder das prophetische Verständnis den älteren un d ursprünglicheren Impul s zur Kanonbildung gegeben hat. In diesem Zusammenhan g is t di e ander e Frag e vo n größere m Gewicht , o b wi e das nomistisch e s o auc h da s prophetisch e Verständni s a n Ältere s anknüpfe n und insofern legiti m sei , oder eher als Ausdruck eine r auch sonst zu beobachtenden Tendenz zur Selbstbesinnung und Selbstbehauptung orientalische r Kulturen und Religionen angesicht s der um sich greifenden hellenistische n Gleichschaltung un d daru m al s ein e spät e Erscheinun g ohn e genuin e Wurzel n ver standen werde n müsse . Diese Frage kann positiv beantworte t werden . Wenn gleich e s wahrscheinlic h ist , da ß di e etw a vo n Josephu s vorgetragen e Ge © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Das prophetische Kanonverständnis und die Relativierung des Gesetzes
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schichtsschau un d sei n prophetische s Kanonverständni s apologetisch e Ziel e verfolgen un d obwohl möglicherweise auc h noch die griechische Kanoneintei lung i n derselbe n Richtun g zielt , s o läß t sic h doc h unschwe r de r Nachwei s führen, da ß da s eigentlich e Anliegen , da s sic h hie r zeitbeding t i n eine r helle nistischen Umwel t z u Wort meldet, älte r ist: nich t das Tun des Gesetzes führ t die Gottesherrschaf t herbei , sonder n Got t selbs t errichte t i n geschichtliche n Heilsereignissen sein e Herrschaft, inde m er aus der Knechtschaft befreit, durch die Wüste führt, ei n Land zum Wohnen und zum Leben schenkt und eine Ordnung konstituiert, di e ein Leben vor ihm und aus seiner Hand und zusammen mit de n ander n Mensche n ermöglicht . Da ß de m s o is t un d Got t so handelt , ist nich t selbstverständlic h un d nich t au s de r Wirklichkeit , de r Wel t un d de r Geschichte eindeutig ablesbar, sondern muß - prophetisch - bezeugt und zugesagt werden , und die Schrift is t die Verschriftlichung solche n Sagen s und frei lich auch Anordnens. Diese Auffassung vo n Kanon , vo n Schrif t un d vo m Alte n Testamen t über haupt, wi e si e sic h als o i n eine r bestimmte n Kanonsgestal t niedergeschlage n hat, is t nu n selbst wiede r nu r Ausdruck eine s keineswegs gesetzlic h bestimm ten Daseins- und Gottesverständnisses, das im Alten Testament ebenso bezeugt wird. Die Wiederentdeckung de r späten Vorrangstellun g de s Gesetzes und dami t dessen theologisch e Relativierun g is t ein e de r viele n Frücht e historisch-kri tischer Untersuchung . Ei n Resulta t methodisc h durchgeführte r Analys e un d Synthese kan n au f da s dürr e Sige l JED P gebracht werden . Dahinte r verbirg t sich ei n förmliche r Umstur z de r wissenschaftliche n Anschauunge n übe r de n Verlauf vo n Israels Geschichte und Religionsgeschichte (s.o . S.72). Das Gesetz steht, s o scheint's, nu n nich t meh r a m Anfang , sonder n a m End e von Israel s Religionsgeschichte, s o laute t di e Graf-Kuenen-Wellhausensch e Hypothese . Faßt ma n abe r jene s End e al s „jüdisch e Erstarrung " un d Degeneratio n auf , so bedeute t dies e Abwertun g zugleic h ein e Aufwertun g de r vorhergehende n Entwicklungsphasen de r vorprophetischen , noc h naturhafte n Volksreligio n und natürlic h gan z besonder s de r Prophetic Damit schein t de r berechtigte n theologischen Kriti k a m Alte n Testamen t al s Geset z Genüg e getan , zugleic h aber doc h da s Alte Testament i n seiner wahren prophetische n Größ e erkannt und gegen Angriffe geschütz t z u sein. Auch und insbesondere di e Polemik des Paulus läß t sic h nu n unterbringen : si e richte t sich , s o betrachtet, nich t gegen das Alt e Testamen t al s solches , sonder n gege n sei n falsches , nomistisches , pharisäisches Verständnis. J. Wellhausen ha t i n seine n Prolegomena zur Geschichte Israel s i m ersten Kapite l „Das Problem" auf klassische Weise formuliert: „Somi t läßt sich die Möglichkeit, daß das Gesetz des Judentums auch das Erzeugnis des Judentums sei, nicht gleich vor der Türe abweisen , un d e s gibt dringend e Gründe , si e i n näher e Erwägun g z u ziehen. Vielleicht schick t e s sic h hier , persönlich e Erfahrun g rede n z u lassen . I m Anfange meiner Studien wurde ich angezogen von den Erzählungen über Saul und David, über Elias und Ahab und ergriffen vo n den Rede n eines Arnos und Jesaias; ic h las mich in di e prophetische n un d geschichtliche n Büche r de s Alten Testamente s hinein . An © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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der Hand de r mir zugängliche n Hilfsmitte l glaubt e ic h si e zwa r leidlic h z u verstehen , hatte abe r dabe i ei n schlechte s Gewissen , al s o b ic h be i de m Dach e anfing e stat t be i dem Fundamente ; den n ic h kannt e da s Geset z nicht , vo n de m ic h sage n hörte , e s sei die Grundlag e un d Voraussetzun g de r übrige n Literatur.. . Jedoc h z u eine r klare n Anschauung gelangt e ic h keineswegs , sonder n nu r z u eine r unbehagliche n Verwir rung... D a erfuh r ic h gelegentlic h i m Somme r 1867, daß Kar l Heinric h Gra f de m Gesetze seine Stelle hinter de n Propheten anweise , und beina h ohne noch die Begründung seine r Hypothese z u kennen, war ic h für si e gewonnen: ic h durfte mi r gestehen, daß da s hebräisch e Altertu m ohn e da s Buc h de r Thor a verstande n werde n könne. " Das so gewonnene Bil d ist denkbar einfach; al s ebenso einfach un d einleuch tend erschein t di e theologisch e Lösun g de s Problem s de s Gesetzes , welch e durch di e ne u gewonnen e Geschichtsanschauun g ermöglich t wird : Paulu s behält recht , un d de m Alte n Testamen t wir d sei n richtige s Rech t wieder geschenkt! Allein , de r Befun d stellt e sic h späterhi n al s vie l komplizierte r her aus, als Wellhausen noc h gemeint hatte . Zwar kan n di e Richtigkei t de s Sigel s JED P kau m meh r i n Zweife l gezoge n un d allenfalls übe r di e absolut e Datierun g de r einzelne n als o bezeichnete n Urkunde n un d eventuell übe r di e Eigenar t de r E-Stück e - Urkunde? Fragmente ? Bearbeitun g vo n J? - sinnvoll diskutier t werden ; ma n kan n ferne r di e Einheitlichkei t de r Urkunde n in Frage stellen usw. ; a n der Erkenntnis aber, daß D und P, wo sich die großen Gesetzeskomplexe de s Pentateuch s finden , Spätwerk e sind , is t nich t meh r z u rütteln . Dennoch is t daru m noc h nich t da s ganz e Geset z ei n Produk t de s Judentums . Da s Bundesbuch 2.Mose 21-23 etwa is t vie l älte r un d möglicherweis e soga r i n de r Zei t vor der Staatenbildung anzusetzen. Die Zehn Gebote sind zwar in ihrer jetzigen Gestalt spät, abe r e s gib t Gründ e fü r di e Annahme , da ß ihr e Urfor m tief e Wurzel n i n de r Frühzeit hat . Auch da s Deuteronomium un d de r Priesterkodex, wenngleic h si e gewiß als literarische Werk e de m Judentum vie l nähe r stehe n al s de r mosaische n Zeit , ent halten Gesetzesstoffe , dere n archaische r Charakte r be i nähere m Zusehe n unverkenn bar ist. Damit dräng t sic h di e Frag e nac h de m Geset z abermal s auf . Si e kan n nu n nicht meh r lauten , o b da s Geset z a m Anfan g ode r a m End e steh e - es is t a m Anfang un d a m End e - , sondern welch e theologisch e Bedeutun g ih m zu komme. 5. Gesetz und Bun d Hier is t nu n insbesonder e di e Frag e de r Zuordnun g vo n Geset z un d Bun d von Wichtigkeit . Hatt e Wellhause n noc h gemeint , da s Geset z un d dami t da s theologische Proble m de r alttestamentliche n Gesetzlichkei t literarkritisch durch Versetzun g de s Gesetze s a n de n jüdische n Ran d de s Kanon s z u erledi gen, s o wurde n 1940 und 1944 zwei interessant e Versuch e unternommen , des - neu virulen t gewordene n - Problems mittel s der überlieferungsgeschicht lichen Method e Her r z u werden . 1940 schrieb M.Not h sein e Arbei t „Di e Gesetze i m Pentateuch", worin e r nachzuweise n trachtete , da ß di e Gesetz e nicht de m Staat , sonder n ursprünglic h de m Stämmebun d zugeordne t waren ; © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Gesetz und Bund
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erst nac h de m Exil , al s die amphiktyonische Ordnun g sic h aufgelös t un d dami t der real e Bezugspunk t un d di e Lebensbasi s de s Gesetze s verlorengegange n waren, se i da s Geset z zu r absolute n Größ e geworden . Wi e be i Wellhausen , nun abe r mi t andere r Begründung , wir d da s Geset z zu m Verfallssymptom , da s für da s Judentum , nich t abe r fü r da s älter e Israe l typisc h ist . Fü r da s älter e Israel gil t vielmeh r ei n Bundesgedanke , de r nich t notwendi g ei n Geset z ode r gesetzliche Bestimmunge n einschließt ; Bun d is t hie r - so i n 2.Mose 24,1.2. 9—11J - ein Akt , de r ei n Verhältni s zwische n Got t un d Israe l al s Bundes partner begründet , da s gänzlich gesetzesfre i ist . Ähnlich meint e auc h J.Begrich in seine m Artike l vo n 1944 (Berit. Ei n Beitra g zu r Erforschun g eine r alttesta mentlichen Denkform) , di e ursprünglich e Gestal t vo n Bun d se i „ei n Verhält nis, i n welche s ei n Mächtige r eine n minde r Mächtige n z u sic h setz t un d wel ches nähe r durc h di e de m Empfänge r gegenübe r eingegangen e Bindun g un d den Ak t de r Inkraftsetzun g gekennzeichne t wird . Irgendein e aktiv e Bedeutun g des Empfänger s wir d vo n de m Begrif f nich t eingeschlossen " (Ges . Studien , S.58). Auc h fü r Begric h is t Bun d i m Sinn e eine s gegenseiti g verpflichtende n Vertrages ein e sekundär e un d nich t genui n israelitisch e Entwicklung . Di e Lö sung is t wieder einfach , abe r auc h ihr gegenüber is t die Wirklichkeit de s Befun des verwickelter . Mit Bezu g au f Noth s Arbeit mu ß doc h gefrag t werden , wies o eigentlic h nac h de m Exil, als o nac h de m Zusammenbruc h vo n Israel s staatliche r Existen z da s Gesetz , das doch nac h Not h ni e Staatsgeset z un d ni e au f de n Staa t bezoge n gewese n war , nu n seinen Bezu g zu m Bun d verlore n habe n sollte ? Ehe r hätt e doc h da s Verschwinde n des Staate s jene n alte n Bezu g vo n Geset z und Bun d wiederbelebe n müssen . Un d die s ist j a auc h tatsächlic h de r Fal l gewesen , den n nirgend s deutliche r al s i m Bereic h der deuteronomisch-deuteronomistischen Literatu r wir d ein e förmliche Bundestheolo gie entfaltet , s o sehr , da ß ma n geradez u i n di e Versuchun g gerate n kann , da s ganz e Bundesdenken fü r spä t z u halten, wi e L . Perlitt (Bundestheologi e i m Alten Testament , 1969) es tut. Zwa r is t in demselben Uberlieferungsbereic h vo m geschriebenen Geset z die Red e (5.Mose 17,18f.; 28,61; 2.Kön.22,8.11), aber zu m gleiche n Traditionsbe reich gehör t es , da ß de m Volk e eindringlichs t vorgehalte n wird , da ß e s Got t war , der Israe l au s unableitbarer , unbegreifliche r Lieb e erwähl t ha t ohn e Israel s Verdiens t (5.Mose 7,7f.) . Dan n abe r wir d ein e Entwicklungsgeschichte , di e vo m gesetzesfreie n Bund hi n zu r jüdische n Entartun g i n Gesetzlichkei t führt , doc h wiede r fragwürdig . Aber auc h Begrich s Auffassun g vo n Bund , wiewoh l si e mi t Rech t de n Geschenk charakter betont , is t s o nich t meh r haltbar . Ei n Bund , auc h al s rein e Selbstverpflich tung, nimm t selbstverständlic h auc h de n mi t de m Bun d Beschenkte n i n Pflicht , un d sei e s nur , da ß diese r da s angeboten e Verhältni s annimm t un d danac h lebt . Da ß di e immer scho n impliziert e Verpflichtun g dan n auc h explizier t un d i n einzelnen Bestim mungen konkretisier t wird , is t als o kein e sekundär e Verzerrun g de s ursprüngliche n Geschenkcharakters de s Bundes. Insofern is t die Übersetzung „Bund " doc h besse r al s die neuerding s vorgeschlagen e „Verpflichtung" , „Selbstverpflichtung" , „Setzun g de s göttlichen Willens " (Kutsch) , wen n nu r deutlic h bleibt , da ß Bun d i m theologische n Sprachgebrauch nich t ei n durc h zwe i Partne r geschlossenes , gegenseiti g einklagbare s Rechtsverhältnis meint , sondern einseiti g seiten s Jahwe gewährt wird, dann abe r auch und gerad e al s Selbstverpflichtun g Gotte s di e Inanspruchnahm e Israel s sofor t un d immer schon mit umfaßt. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Wie di e paulinisch e Polemi k gege n di e Gesetzlichkei t nu r scheinba r rei n juristisch-forensisch argumentiert , s o könne n auc h di e Begriff e Bun d un d Gesetz nich t einseiti g vo m Rechts - un d Vertragswese n he r bestimm t werde n (vgl. richti g Halbe , a.a.O. , S.227ff . un d auc h Zimmerli , Erwägunge n zu m „Bund", S . 171 ff.). Di e verschiedenen Möglichkeiten , da s Wort beri t j e nac h Kontext un d historischer Schich t wiederzugeben , sin d keine Alternativen, di e sich ausschließen . Deutlic h is t aber , da ß Bun d i m theologische n Sprach gebrauch di e Heilssetzun g Gotte s meint , di e imme r auc h ein e Inanspruch nahme un d Verpflichtung umfaßt , gleichvie l o b ausdrücklich vo n Gebot oder Gesetz di e Red e is t ode r nicht . Nac h lange r Diskussio n is t auc h deutlic h geworden, da ß ein e explizit e Bundestheologi e zwa r deuteronomisch-deutero nomistisch un d als o spä t ist , da ß abe r Sach e un d Begrif f älte r sin d un d da ß die deuteronomistische Bewegung auch und gerade in dieser Hinsicht lediglic h theologisch reflektieren d restauriert , jedoc h nich t initiiert . Archaisch e Ab schnitte wi e 2. Mose 24,3-8, wo Rech t un d Bun d zusammengehören , ode r auch 2. Mose 34,10 ff. wird man kaum als Erzeugnisse des beginnenden Judentums herabdatieren können . Dann ergibt sich , daß Gesetz und Bund gleicher maßen i n di e ältest e Zei t zurückreichen . Kan n ma n zugestehen , da ß di e Bezeichnung „da s Gesetz " fü r da s Alt e Testamen t nich t unzutreffen d ist , wei l in diese r Bezeichnun g ältest e Traditio n anklingt , s o is t di e i m christliche n Bereich üblich gewordene Benennung „Testament" als Wiedergabe von „Bund" in de m Sinn e ebenfall s zutreffend , da ß auc h i n diese m Name n ein e Grund gegebenheit der israelitisch-jüdischen Religio n angesprochen wird. 6. Die Ambivalenz und Mehrdeutigkeit des Gesetzes Das Problem de r theologische n Zuordnun g vo n Bund und Gesetz ist offen bar nicht rein literarkritisch oder überlieferungsgeschichtlich lösbar . Die Frage kann nich t mi t eine m Verwei s au f ein e Entwicklungsgeschicht e beantworte t werden: am Anfang steh e der Bund der freien Gnade und am Ende das Gesetz. Gewiß is t de r Pharisäismu s ers t vo n eine r Entwicklungsgeschicht e he r ver ständlich, aber noch die divergierenden Gestalte n des Kanons und die verschiedenen Möglichkeiten, Kano n und Schrift z u verstehen, habe n gezeigt, da ß am Ende de r Entwicklun g nich t nu r de r Pharisäismu s un d nich t nu r di e Gesetz lichkeit stehen . Und wie erklären sic h entwicklungsgeschichtlich Haltun g un d Gestalt Jesu , de r doc h auc h in s Judentum gehört ? Da s Judentum is t ein e zu wenig einheitlich e Größe , als daß es als Schlußphase eine r Evolution betrach tet werden könnte. Ebenso weni g einheitlic h is t abe r auc h da s älter e israelitisch e Verständni s von Bun d und Gesetz . Wie da s Alte Testament insgesam t un d als Ganze s als Gesetz verstanden werde n kan n un d verstanden wurde , und zwa r al s Gesetz, das der von Gott selbst gewiesene und vorgeschriebene We g ist, durch Gehorsam un d i m Tu n de s Gebotene n Gerechtigkei t un d Lebe n un d Seligkei t z u erlangen; un d wi e da s s o verstanden e Geset z anerkann t un d übernommen , aber auc h al s falsch e Werkgerechtigkei t abgelehn t un d verworfe n werde n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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kann, s o ist auc h scho n inneralttestamentlic h nich t schlechterding s eindeutig , was Geset z heiß t un d wi e da s Geset z e s meint, o b als o da s Geset z selbs t di e Gesetzlichkeit wil l ode r nicht, un d ob die, die mit de m Gesetz umgehen, notwendigerweise der Gesetzlichkeit verfallen oder nicht. Daß i m deuteronomistische n Bereic h da s Geset z gepredig t un d doc h auc h die freie Gnadenwah l Gotte s verkündigt wird, wurde schon gesagt. Im Bereich der Priesterschrif t is t ebenfall s ein e wahre barock e Füll e von Gesetzesstoffe n untergebracht. Insgesam t regel n si e di e Konstituierun g de s Kultes ; de r Kul t aber is t ein e vo n Jahw e gestiftet e un d ermöglichte , ni e aufhörend e Sühne , welche di e Sünd e Israel s wegnimm t un d mi t de m Sündenboc k i n di e Wüst e jagt. Di e Kult- , Opfer- , Gottesdienst - un d Wallfahrtgesetz e mu ß Israel befol gen, dami t e s gesühn t werde , di e gnädig e Vergebun g erlang e un d di e Inne wohnung Gotte s erfahre . Is t da s Gesetzlichkei t ode r gläubig e Annahm e de r Huld Gottes ? Di e Verpflichtung au f da s Gesetz der Väter al s vom persischen Reich sanktioniertes Reichsrecht unter Esra scheint den Juden dazu zu nötigen, erst durch Erfüllung des Gesetzes ein rechter Jude zu werden — ist diese Nötigung eine unwiderstehliche Versuchung zurGesetzlichkeit? Immerhinkan n die Gunst der persischen Regierun g al s Erweis der Gnade Gottes verstanden werden , wie das groß e Esra-Gebet lehr t (Esr. 9,9). Auch hie r mangel t e s an Eindeutigkeit. So ist ein e sinnvoll e Diskussio n darübe r möglich , o b überhaupt da s Gebot im Alte n Testamen t trot z seine r Einbindun g i n de n Bund , wei l e s de n Über treter au s de m Bun d ausschließt , deswege n imme r gesetzliche n Charakte r haben müsse und entsprechend Vergebung nur die ausnahmsweise ermöglicht e Durchbrechung eine r grundsätzliche n Vergeltungsordnun g sei , währen d i m Neuen Testament Vergebung al s wahre Ordnung Gottes verkündigt werde (so etwa Fr . Hesse, „Gebo t un d Gesetz " und da s Alte Testament, 1959) oder ob das Halten de r Gebote und da s Tun de s Gesetzes im Alten Testament keineswegs al s Last , di e nu r bruchstückweis e z u bewältige n wäre , sonder n al s Bekenntnisakt de r vo n Gotte s Gnad e Erwählte n un d Beschenkte n z u verstehe n sei (etw a G.v.Rad , Theologi e I). Auch hie r wir d ma n kau m eine r de r beide n streitenden Positione n allei n rech t gebe n können . Da s Alt e Testamen t kenn t gewiß auc h ein e Vergeltungsordnung ; da s chronistisch e Geschichtswerk , da s das Funktioniere n diese r Ordnun g bi s in s Detai l nachzuweise n versucht , is t ebenso von ihr geprägt wie große Teile der Weisheitsliteratur, aber auch schon, wenn auc h wenige r einseitig , da s deuteronomistisch e Geschichtswerk . Abe r sogar noc h das chronistische Wer k weiß , daß Gottes Gnade und Barmherzig keit i n de r persische n Zei t ein e gänzlic h unverdient e Wend e de s Geschick s herbeigeführt habe n (Esr. 9,9.13). Und da s weisheitlich e Buc h Hiob , da s um eine spezifisc h weisheitlic h zugespitzt e Vergeltungsdogmati k kreist , spreng t am End e de n Teufelskrei s de s Vergeltungsdenken s de r Hiobfreund e ebenso , wie e s Hiobs Berufung au f sein e Unschuldserfahrung un d seine damit begrün dete Anklage Gottes, die das menschliche Recht einklagen will, über den Haufen wirft . Dami t is t nich t behauptet , da ß solch e Theophanie , wi e si e a m Schluß de s Hiobbuche s geschilder t wird , da s Evangeliu m sei . Abe r is t nich t das Ende menschlichen Vergeltungsdenkens , se i es nun dasjenig e de r Freunde © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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oder de s Hio b selbst , di e Kehrseit e de s Evangeliums ? Auc h hie r wir d ein e unmißverständlich eindeutig e Antwor t nich t gegeben; di e Diskussion wir d fas t gewaltsam abgebrochen , wi e a n andere r Stell e de s Alte n Testament s da s Ge spräch Abraham s mi t Jahwe , o b den n u m de r wenige n Gerechte n wille n ein e gottlose Sodomwel t verschon t werde n könne , be i de r Zehnzah l abbrich t (l.Mose 18,32f.) . We r wollt e die s s o interpretieren , da ß i m Sinn e de s Texte s Gott woh l noc h u m de r zeh n Gerechte n willen , nich t abe r u m neu n ode r ach t willen z u vergebe n berei t sei ? Un d wa s heiß t hie r „gerecht" ? Offenba r is t di e Überzeugung de s Verfasser s doch , da ß i n Sodo m kei n einzige r Gerechte r sei . Sodom is t hie r Chiffr e fü r ein e vo n Got t abgefallen e Welt , di e daru m nich t wegen eine r noc h s o geringe n eigene n Gerechtigkeit , di e nich t vorhande n ist , sondern nu r durc h Gotte s freies un d gnädiges Handel n gerette t werden könnt e (vgl. M.Noth , Überlieferungsgeschicht e de s Pentateuch, S.258f.). Abe r auc h dies mu ß ers t durc h Auslegun g au s de m Tex t he r aus-entfaltet werden . De r Text selbs t brich t vor dem End e und als o vor einer deutlichen Zusage , vor de m klaren Evangeliu m a b un d bleib t insofer n mehrdeutig : verma g e r da s Evan gelium nich t z u sagen , wag t e r e s nicht , de n unglaubliche n un d nu r z u glau benden Durchbruc h durc h di e Unheilssphär e de r Schuldverfallenhei t un d Gottlosigkeit z u proklamieren , ode r reich t de r Tex t nich t bi s dahin ? Wa r di e oben skizziert e Auslegun g au f ei n nu r angedeutete s Evangelium-ohne-Wort e nur eine christliche Hineinlegun g un d christliche Interpretation ? Und wei l kein e Eindeutigkei t herrscht , is t auc h ein e Diskussio n darübe r möglich, o b etwa di e Psalmen 1; 19B; 37; 11 9 Zeugnisse jüdische r Gesetzlich keit (s o M.Noth, Di e Gesetz e i m Pentateuch, 1940 , S. 119f.) ode r de r „Freud e am Gesetz " (s o H.J . Kraus, Freud e a n Gotte s Gesetz , 1950) seien. E s ist mög lich, s o ode r s o z u interpretieren : Ps . 1 etwa sag t direk t nicht s darüber , wa s der Gottlos e Böse s un d wa s de r Gerecht e Gute s tut; e s wird keinesweg s mora lisch gewertet , auc h vo n Loh n fü r gut e Tate n ode r ga r Gerechtigkei t al s Aner kennung wege n gute n Verhalten s is t nich t di e Red e s o weni g wi e vo n Straf e für bös e Werke . Einzi g un d allei n di e Freud e a n de r Tora , di e Besinnun g au f sie is t entscheidend . Umgan g mi t ih r is t Lebe n di e Fülle , Lebe n ohn e si e flüchtig un d nichti g wi e Spreu , di e de r Win d verweht . Abe r wa s heiß t hie r Tora? Anweisun g zu m Tun , dami t de r als o Handelnd e sein e Gerechtigkei t erlange? Ode r Einweisun g i n ei n Lebe n au s Gott ? Also : Geset z ode r Evange lium? De r Streit u m dies e Frage is t nützlich, wei l beid e Streitenden rech t habe n können, un d e s sich dara n zeigt , da ß da s Geset z ein e schillernde, mehrdeutige , ambivalente Größ e ist . Auch wen n Ps . 1, der j a lediglic h al s Beispie l zitier t wurde , fü r heutig e hi storische Exeges e sic h de m ursprüngliche n Sinn e nac h al s Gesetzespsal m un d als Zeugni s vo n Gesetzlichkei t herausstelle n sollte , e s bliebe n imme r noc h zahlreiche ander e Beleg e fü r jen e Ambivalen z de s alttestamentliche n Zeug nisses. Soga r noc h ursprünglic h Gesetzliche s läß t sic h auc h „evangelisch " ver stehen: Tor a al s Weisun g mu ß j a nich t unbeding t al s Anweisun g un d Vor schrift z u eine m Tun , u m di e Gerechtigkei t z u erwerben , verstande n werden . Und de r i n de r christliche n Liturgi e häufi g zitiert e Ver s Ps.119 , 105, daß © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Gottes Wor t de s Fuße s Leucht e un d ei n Lich t au f de m Weg e sei , mu ß doch , obwohl i m Kontex t da s Geset z gelobt wird , nich t unbedingt bedeuten , da ß de r Psalmist vo n Vorschrif t z u Vorschrif t wi e vo n Verkehrsschil d z u Verkehrs schild au f de m Weg e zu m Zie l de r Seligkei t un d Gerechtigkei t ist . Ma n kan n auch s o verstehen , da ß i n j e neue r Lebenslag e un d i n j e neue n Entscheidungs situationen au s dem dan n j e neu ergehende n un d begegnende n Wor t Kraf t un d Heil empfange n wird . Un d we r wil l ausschließen , da ß alttestamentlich e Text e so gemein t ware n und , o b s o gemein t ode r nicht , s o verstande n un d geleb t wurden? Auc h hier-gilt , da ß di e Gesetzlichkei t nich t da s einzig e End e de r Entwicklung sei n muß . Diese s End e is t wi e de r Anfan g un d wi e das , wa s da zwischen liegt , nich t eindeutig , sonder n steh t verschiedene n Interpretatione n offen. Dasselbe gil t nu n abe r auc h fü r de n Bereich , de r mi t de m Begrif f beri t = Bund angedeute t wird . Auc h hie r is t di e ergebnislos e un d manchma l auc h wortklauberische Auseinandersetzung , o b beri t mi t Bun d ode r Verpflichtun g zu übersetze n sei , insofer n wiede r lehrreich , al s sic h zeigt , da ß de r Begrif f schillernd un d mehrdeuti g ist . De r einseiti g vo n Got t geschenkt e Bun d al s Selbstverpflichtung un d Zusag e Gotte s setz t z u Got t i n ei n Verhältnis , da s als solche s selbs t auc h verpflichtende n Charakte r hat . S o häng t auc h hie r wieder alle s vo n de r Akzentuierun g ab : Is t Bun d primä r di e gnädig e Zuwen dung Gottes , un d heiß t Tu n de s Gesetze s lediglic h di e Annahm e de s Evan geliums i m konkrete n Leben , da s j a imme r nu r al s Tu n un d Lasse n lebt , so da ß da s Geset z nu r Aspek t de s Evangelium s wäre , wi e e s Kar l Bart h über haupt dogmatisc h verstande n wisse n wollte , wen n e r al s recht e Reihenfolg e der Begriff e stat t Geset z un d Evangeliu m Evangeliu m un d Geset z vorschlu g (Evangelium un d Gesetz , 1935; und vgl . di e Diskussio n übe r diese n Entwur f in: Geset z un d Evangelium . Beitr . z . gegenwärtigen theologische n Diskussion , 1968)? So kan n ma n i n de r Ta t deute n un d verstehen . Is t etw a i n 2.Mose 3 4 , 1 0 - 2 6 wirklich alt e Traditio n enthalten , s o zeig t scho n diese r Text , da ß vor allem , „wa s ic h di r heut e gebiete" , Got t sei n macht - un d huldvolle s Wer k ankündigt un d zusagt . Da s alte , amphiktyonisch e Israe l unte r Jahwe s Privi legrecht wa r nich t ein e primär dienstverpflichtet e Gemeinschaf t unte r de r Las t des Gesetzes, sondern Volk , da s sich al s von Got t aus der Knechtschaf t befreit , mit Lan d beschenk t un d durc h solch e Erlösun g un d Beschenkun g konstituier t verstand. Da ß ein e Restauratio n solche n Verständnisse s i n eine r entfaltete n Bundestheologie i n de r Spätzei t möglic h war , zeig t an , da ß diese s Israelver ständnis, un d da s heißt , diese s Verständnis vo n Bun d un d Verpflichtung , auc h in de r staatliche n Zei t niemal s gan z verlorengegange n war . Freilic h werde n auch de r ander e Aspek t un d ein e ander e Möglichkei t i n diese m selbe n Um kreis sichtbar : Jahw e schenk t da s Land , di e Seine n abe r habe n e s al s sein e Lehnsmannen freizukämpfen , un d di e Einwohne r z u „bannen" , als o auszurot ten und deren Altäre , Götzen un d Haine z u zerstören (2.Mose 23,32f.; 34,1116). Auch da s wir d i n 5.Mose 7 „restauriert" un d i m Josuabuc h erzählerisc h als de m Bun d konfor m geschehe n dargestellt . Hie r errichte t Israel , un d se i e s auch i m Name n seine s Gotte s un d mi t seine r Hilfe , mi t Feue r un d Schwer t 8 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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eine Gottesherrschaft , alle n spätere n Gotteskämpfern , di e das Schwert au s de r Scheide zoge n ode r di e Waffe n segnete n ode r bezahle n halfen , zu m blutige n Vorbild. Daß historisc h gesehen , wenige r Blu t vergosse n wurde , al s e s nach de m nachträg lichen un d weitgehen d sagenhaft-fiktive n Berich t de s Josuabuches de n Anschei n hat , daß als o di e Landnahm e ei n vorwiegen d friedliche r Vorgan g war , un d da ß sowoh l die deuteronomistischen Aufforderungen , di e Einwohner Kanaans nicht zu verschonen (5.Mose 7,2.16-25) als auch schon di e älteren Parallele n (2.Mos e 23,22-24.31-33; 34,11-16; vgl. 4.Mos e 21,2; Ri. 1,17; 1.Sam . 15,3) erst i m nachhinei n formulier t worden sind, behebt ja nicht die Fragwürdigkeit dieses ohne Zweifel auch vorhandenen und praktizierte n Aspekte s vo n Bund , Geset z un d Gottesherrschaft : de r menschlich e Wille zu r Macht oder auch nur zur Selbstbehauptung verklär t sich religiös al s heiliger Krieg, in dem die wehrbare Mannschaft Gotte s seinem Gott zu Hilfe eilt (Ri.5,23 un d überhaupt Ri.5 ; 2.Mos e 15,1-21 und hier insbesondere da s älteste Stück 15,21), um alles, Mensc h un d Vie h (5.Mose 13,16f. ; Jos.6,21ff.) , wa s de m Eife r Gotte s - und der Seine n - entgegensteht, de m „Bann" , d.h . faktisc h de r Vernichtun g preiszugebe n und die Ortschaften der Gebannten einzuäschern. Dabei is t es in höchstem Maß e bezeichnend , daß , obwohl di e Aufforderung , die Ureinwohne r Kanaan s solchermaße n nich t z u verschonen , i m Kontex t vo n Bund un d Geset z un d i m Zusammenhan g mi t Jahwe s Privileganspruc h au f Israel begegnet , gerad e hie r da s als o einmali g auserwählt e Israe l sic h nich t prinzipiell vo n de n Völker n ringsu m unterscheidet : auc h be i de n Moabiter n war de r Ban n i m heilige n Krie g bekannt , wi e au s de r berühmte n Mescha Stele hervorgeh t (TGI , S.51ff. ; KA I 181,17; RTAT, S.253ff.) . Die s is t als o kein Spezifiku m Israel s un d kei n spezifische r Aspek t vo n Bun d un d Gesetz . Wohl wir d hie r wiede r di e Ambivalen z de r sic h Israe l nennende n un d sic h als Gottesvol k verstehende n Größ e Israel s deutlich : gerad e da s fü r sein e Son derexistenz al s Gottesvolk , wi e e s glaubt , i m Auftra g un d mi t Beistan d seine s Gottes kämpfend e Gottesvol k gerä t i n di e Versuchun g un d i n di e Gefahr , sic h als Gottesvol k z u verliere n un d „wi e di e Völke r ringsum " z u werden . Di e Mehrdeutigkeit vo n Geset z und Bun d ist nicht nur ein sprachliches Phänomen , vielmehr spiegel t sic h hier die ambivalente Uneindeutigkei t dessen , was sich al s Israel un d Vol k Gotte s versteht . Dabe i is t nich t die s da s i m tiefste n Proble matische, wi e da s Verhältni s vo n Bun d un d Geset z z u bestimme n sei , o b als o dem Bun d ode r de m Geset z de r Prima t gebühre : nirgends , wo i m Alte n Testa ment Bun d da s Verhältni s Gott-Israe l meint , is t a n eine n einklagbare n zwei seitigen Vertra g gedacht , überal l gil t der Bund al s gnädige Setzun g Gottes . Das glauben auc h di e Psalmiste n vo n Ps . 1; 19B un d 119, sogar dan n noch , wen n diese Gebet e gesetzlic h z u verstehe n sei n sollten . Vielmeh r steh t i n Frage , o b der Bun d sic h ers t un d nu r i m Tu n de s Gesetze s realisier t un d ohn e solche s Tun hinfälli g wir d ode r o b die im Bund ergehende Zusag e un d Selbstverpflich tung Gotte s stärker is t als das menschlich e Versagen . De r Dichter de s Debora liedes (Ri.5) , de r de s Glauben s war , da ß di e Bürge r de r Ortschaf t Meros , di e das Schwer t i n de r Scheid e ließe n un d dahei m blieben , stat t i n de r Stund e der Gefah r Jahw e i m Heilige n Krie g beizustehen , fluchwürdi g waren , un d de r die Keniteri n Jae l „unte r de n Weiber n gesegnet " heißt , wei l si e de n feind © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Ambivalenz und Mehrdeutigkeit de s Gesetzes
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liehen Feldhauptman n heimtückisc h erschlug , bekunde t dami t di e ein e mög liche Auslegung vo n Bun d un d Gesetz , deren Lini e bi s in di e Gegenwart hinei n oben scho n skizzenhaf t durchgezoge n wurd e (s.o . S . 95 ff.). Die Motive, welche die Merosleut e un d ander e vo m Krieg e fernhielten , sin d nich t bekannt . O b sie schlich t au s Feighei t unbeteilig t blieben ? Di e Frage kan n nich t meh r beant wortet werden , si e is t deshal b abe r nich t sinnlos , wei l auc h hie r un d nu n bereits i n älteste r Zei t jen e scho n mehrfac h herausgestellt e Ambivalen z ei n wenig sichtba r wird , di e i n seh r vie l spätere r Zei t noc h deutliche r in s Lich t tritt: I n den Makkabäern , di e nac h de m Vorbil d un d au f de n Spure n Deboras , Baraks un d de r Keniteri n Jae l ihr e Schlachte n schlugen , konnte n di e „wahre n FRömmen", di e i m Danielbuc h z u Wort e kommen , nu r ein e „klein e Hilfe " erkennen (Dan . 11,34), während di e groß e un d wahr e Hilf e allei n vo m Jen seits Gotte s un d nich t vo n menschliche m Tu n un d Kämpfe n erwarte t wird . Das ist , un d se i e s i n später , apokalyptische r Gestalt , di e ander e Möglichkeit , Bund un d Geset z z u verstehe n un d z u praktizieren . Si e schließ t nich t imme r auch de n Quietismu s ein , de r i n de r Stund e de r No t dahei m bleibt , wei ß aber , daß menschliche s Tu n nich t meh r al s nu r ein e klein e Hilf e z u leiste n vermag , von de r de r Bestand de s Bundes un d dami t de s göttlichen Heil s nich t abhängt . In solcher Erkenntni s is t die Apokalyptik ohn e Zweife l di e Nachfolgerin de r Prophetic In Israel s große r Prophetie , a m Voraben d de r staatliche n un d völ kischen Katastrophe , mußt e di e immer scho n latent e un d mit Bund und Geset z immer scho n vorgegeben e Frage , „o b di e hie r zugesagt e Liebeszuwendun g s o übermächtig ist , da ß auc h ei n allfällige s Mißachte n de s Gottesrecht s durc h Israel de n Bun d nich t ungülti g z u mache n vermag , ode r o b de r Rechtswill e des eifersüchtige n Gotte s s o flammen d ist , da ß eine s Tage s di e gnädig e Bun deszuwendung angesicht s de r Rechtsbrüch e de s Volkes zusammenbricht " (W . Zimmerli, Da s Geset z i m Alte n Testament , Ges . Aufs., S.270) , mi t Vehemen z aufbrechen. Dies e Frag e i n ihre r erschreckende n Abgrundtief e erkann t z u haben, mach t di e Größ e de r vorexilische n Propheti e aus . Jetzt , i n de r poli tischen, nationale n Kris e brac h noc h ei n weitere s Proble m auf , da s mi t de m vorigen auf s engst e verzahn t ist : De n Bun d stell t wenige r de r einzeln e mi t seinen Verfehlunge n i n Frage ; de r einzeln e Sünde r kan n au s de r Gemein schaft - dem Bun d un d de r Lebenssphär e - mit Got t un d de n Mensche n aus geschieden werden . Is t aber nich t Israe l überhaup t bundesbrüchig , wen n e s al s Staat gemä ß de r Eigengesetzlichkei t de s Staate s lebt ? Wi e vertrage n sic h Jah wes Privilegrech t un d da s autonom e Wese n de s Staates ? Is t nich t politische s Handeln Inbegrif f menschliche r Selbstverfügung , Eigenmächtigkei t un d Eigen gesetzlichkeit? Hatt e di e alte , vorstaatlich e Zei t vielleich t a n ein e lückenlos e Übereinstimmung vo n Privilegrech t Jahwes , Gottesherrschaft , Gottesrecht , politischem Handel n un d Heilige m Krie g unte r charismatische n Führer n glau ben können , s o mußte mi t und seit der Staatenbildung di e immer scho n latent e Problematik jene r Übereinstimmun g i n Gestal t imme r neuer , konkrete r Kon flikte zwische n politische n un d militärische n Notwendigkeite n einerseit s un d Jahwes eigener Bundessetzung mi t ihrem Recht , Gesetz und Anspruch anderer seits aku t werden . Vollend s al s di e Grundfeste n vo n Staa t un d Natio n i m An 8* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Gesetz und Bundesurkund e
sturm de r assyrischen , späte r de r babylonische n W e l t m a c h t z u w a n k e n began nen, mußte n de r Staa t un d dami t di e Identitä t vo n Gottesvol k un d Staatsvol k grundsätzlich un d jenseit s alle r Einzelkonflikt e wurzelhaf t problematisc h wer den. Auc h dies e abgründig e un d noc h i n de r heutige n Diskussio n u m Religio n und Politi k nich t bewältigt e Frag e w u r d e vo n Israel s große r Propheti e erkannt . Die Antworte n fiele n abe r alle s ander e al s einheitlic h aus . Für Arno s is t Israel s Schul d z u groß , al s da ß Vergebun g möglic h wäre . Da s bedeu tet als o theologisch , da ß hie r da s Geset z eindeuti g de n Vorran g hat : ei n Israel , da s Jahwes Wille n nich t tut , geh t de m Untergan g entgegen . Di e Verkündigun g de s Arno s sagt Israe l da s End e „u m drei , vie r Freve l willen " a n (Am . 8,2; 2,6) . Ob diese s radi kale Nei n nu r denkba r war , wei l da s J a Jahwe s auc h weiterhi n noc h Jud a galt , se i hier dahingestellt . „Da s Nei n de s Arnos " (Smend ) is t völli g un d restlo s eindeutig , be deutet abe r fü r di e vo n diese m Nei n Getroffene n ei n End e ohn e Ende . Da s Geset z tötet un d läß t keine n Res t übrig : „Da s End e is t gekommen , ic h wil l hinfor t nich t mehr verschonen" (Am . 8,2). Anders laute t Jesaja s Antwort : Israe l geh t de m Verderbe n entgegen , abe r ei n Res t wird umkehre n un d au s ih m wir d ei n neue s Israe l hervorgehe n (Jes.6-8) . Da s neue , wahre Israe l is t gegründe t nich t i m eigene n Tun , e s verläß t sic h nich t au f Bundes genossen un d Kriegsmach t (Jes.30, 1-5; 3 1 , 1 - 3 ) , sondern „glaubt " un d finde t sein e Stärke i m „Stillesein " (Jes . 7,4.9; 28,16 ; 30,15) . In de r Absag e a n politisch e Bünd nisse un d militärisch e Mach t bekunde t sic h di e nunmeh r durchbrechend e Erkenntnis , daß Gottesvol k un d Gottesherrschaf t nich t mi t Staatsvol k un d Staa t identisc h un d überhaupt nich t ein e menschlich e un d mi t menschliche n Mittel n z u verwirklichend e Möglichkeit sind , sonder n nu r i m Festhalte n (Glauben ) a n de r Verheißun g Gotte s al s Gabe empfange n werde n können . I n diese r Unterscheidun g vo n Israe l un d Rest , Israe l und wahre m Israe l äußer t sic h auc h di e neu e Einsich t i n di e alt e Ambivalen z jene r ethnischen, soziale n un d religiöse n Menschengruppe , di e sic h Israe l nenn t un d sic h au f Grund eine s Gottesbunde s un d eine s göttlichen Privilegrechte s al s Gottesvol k versteht , und doc h auc h zugleic h al s Staatsvol k i n eine m Staa t wi e di e Völke r ringsu m kon kret existiert . D a Israel , wi e e s jetz t i n Nor d un d Sü d al s Staatsvol k un d als o al s politische Größe , di e Bündnisse eingeht , Kriegsrüstunge n beschaff t un d überhaup t sic h in di e politische n Geschäft e un d Verflechtunge n hineinbegibt , nich t i m Glaube n un d Stillesein au s Gott , sonder n au s eigener , menschliche r Kraf t lebe n wil l (Jes.30, 15f.), muß da s bundesbrüchig e Vol k wi e eins t Sodo m (Jes . 1,10) zugrunde gehen . Abe r i m Untergang vollzieh t sic h auc h un d zugleic h ein e Scheidung : da s wahr e Israel , jetz t schon repräsentier t vo n Jesaj a un d de n Seinen , wir d au s de r de m Untergan g geweih ten Mass e ausscheide n (Jes . 8,11-14). Für diese s neu e Israe l is t de r Glaub e konsti tutiv, abe r e r is t e s gleichsa m i m negative n Sinne : „glaub t ih r nicht , s o bleib t ih r nicht" (Jes . 7,9): Wer nicht glaubt, wir d de m Verderben preisgegeben . Die Aporie , di e sic h i n de r Zuordnun g vo n Bun d un d Geset z verbirgt : wi e di e i m Bunde gesetzt e un d zugesagt e Gottesherrschaf t i m konkrete n Tu n de s Gottesvolke s verwirklicht werde , is t hie r als o durchau s erkannt . Erkann t is t auch , da ß de r Staa t mit seine n Waffe n un d Bündnisse n al s Inbegrif f menschliche n Tuns , menschliche r Selbstbehauptung, Eigengesetzlichkei t un d Eigenmächtigkei t nich t mi t de r Theokran e und nich t mi t de m Goitesvol k identisc h sei n kann . Erkann t is t schließlich , daß , wen n Gottes Herrschaf t wirklic h Gotte s eigen e un d nu r vo n Got t he r möglich e Herrschaf t ist, de r Mensc h sic h nu r rezeptiv , glaubend , „fü r fes t haltend " un d „al s fes t zuge sagt anerkennend " verhalte n un d nich t z u de n eigene n Waffe n greife n kann . Währen d aber da s Nei n de s Arno s zwar eindeutig , abe r kein e Lösun g ist , sonder n ei n End e ohn e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Ende bedeutet , bring t Jesaja s J a zu m Res t kein e letzt e Eindeutigkeit : Is t de r „Rest " nicht doc h auc h wiede r ein e innerweltliche , innergeschichtlich e Größ e i n un d u m Jeru salem, nu r da ß si e sic h stat t au f eigen e Waffe n au f Gotte s ebens o innerweltlic h un d innergeschichtlich sichtbare s Wunderhandel n verläßt ? Trit t a n di e Stell e de s „Selbs t is t der Mann" , de r „au f Kriegsrosse n reite n will " (Jes . 30,16), jetzt ei n Gott-mit-un s (Immanuel, Jes . 7,14), das die Wirkung de r stärksten Kriegsross e au f mirakulös e Weis e übertrifft? Sol l als o da s verurteilt e menschlich e Tu n i n Politi k un d Krie g durc h Gotte s wunderhaftes Eingreife n zugunste n de s Reste s ersetz t werden ? Au f dies e Frage n gib t Jesaja kein e eindeutig e Antwort . Di e Einsicht , da ß da s empirisc h vorhanden e Staats volk i n Israe l un d Jud a nich t schlechterding s mi t Jahwe s Bundesvolk , da s seine m Pri vilegrecht untersteht , identisc h ist , un d da ß di e Herrschaf t Gotte s durc h da s Tu n vo n Menschen nich t aufgerichtet , sonder n allenfall s nu r in s Gegentei l verkehr t wird , kan n auf jede n Fal l z u eine r Mischun g vo n Utopi e un d Quietismu s führen , welch e di e äußerste Gegenpositio n z u jenen handfeste n Krieger n darstelle n würde , di e ihre m Got t mit de r Waff e i n de r Han d z u Hilf e kamen . Bedeute t de r „Rest , de r umkehrt " un d „glaubt" eine n Durchbruc h durc h de n Zwan g de r Selbstbehauptun g un d durc h di e Nötigung, Gottesherrschaf t mi t menschliche n Mittel n errichte n ode r sicher n z u müs sen - und insofer n ein e posthum e Ehrenrettun g de r Daheimgebliebene n vo n Mero s - , so doc h nich t auc h ei n Durchbreche n de r Schrank e un d de s Zwange s de s innerwelt lichen un d innergeschichtliche n Bereiches : auc h de r Res t un d da s au s ih m hervor gehende neu e Israe l bleib t diese m Bereic h verhafte t un d de m Zwan g innerweltliche r Realisierung unterworfen , nu r da ß solch e Verwirklichun g jetz t stat t vo m eigene n Tu n von Gotte s Wunde r erwarte t wird . Au s eine m Gesetz , da s zu m Tu n verpflichtet , wir d ein Gesetz , da s zu m Glaube n a n da s Wunde r nötigt . Deshal b mu ß e s nich t Unglaub e und Verstockun g gewese n sein , di e de n Köni g Aha s veranlaßten , nich t solchermaße n Gott zu versuchen (Jes. 7,12). Daß e s nich t nu r schwierig , sonder n unmöglic h ist , da s Alt e Testamen t ode r auc h nur di e Propheti e au f ein e einheitlich e Antwor t festzulegen , un d e s daru m nich t an geht, ein e Antwor t fü r typisc h alttestamentlic h z u halten , lehr t di e u m ebe n dieselbe n Aporien vo n Bun d un d Gesetz , Gottesvol k un d staatliche r Existen z kreisend e Verkün digung andere r Propheten . Auc h Hose a läß t Jahw e ei n Nei n sprechen : Israe l is t nich t mehr sei n Volk , Jahw e nich t meh r Israel s Got t (Hos . 1,9). Für ih n is t da s Königtu m der Anfan g alle r Boshei t (Hos . 9,15) und geradez u Ausdruc k göttliche n Zorne s (Hos . 13,11). Auch fü r ih n ha t da s Geset z also , wi e fü r Arnos , tötend e Kraft . Abe r diese s Nein Gotte s übe r Israe l is t i n paradoxe r Dialekti k dennoc h auc h ei n Ja . Da s J a schwächt da s Nei n nich t ab , sonder n schaff t Israe l i n de r Wüst e un d au s de r Wüst e seiner Verwerfun g wiede r ne u (Hos. 2,16f.). Wen n da s Geset z tötet , s o mach t doc h Jahwe lebendig , den n sein e Lieb e is t stärke r al s di e tötend e Kraf t de s Gesetzes , un d gerade dari n erweis t sic h Gotte s Gottsei n (Hos . 11,8 f.). Hier richte t sic h di e Hoffnun g also nich t au f eine n o b seine s Glauben s errettete n Rest , sonder n gan z Israe l geh t in s Gericht un d ers t i n de r Wüste , wohi n e s al s a n de n Anfan g seine r Existen z zurück geführt wird , dort , w o e s gan z au f di e gnädig e Erhaltun g un d Führun g seine s Gotte s angewiesen ist , wir d de r Bun d erneuer t ( H o s . 2 , 1 6 - 2 2 ) , und di e ne u verlobt e Brau t Israel bekomm t al l da s al s Brautgab e geschenkt , wa s de n neue n Bun d vo n Got t he r beständig macht : Gerechtigkei t un d Recht , Gnad e un d Erbarmen , Treue . De r neu e Bund ist reine Gabe jenseits des Gerichtes und ohne die Werke des Gesetzes. Ähnliche Gedanke n äußert e dan n später , auc h hieri n Hose a verwandt , Jeremia : Erst i m totale n Gerich t un d durc h da s Gerich t hindurch , i n Babe l un d trot z baby lonischer Gefangenschaf t begnadig t un d erneuer t Got t sei n Vol k (Jer.29, 1-7; 24 ; 32,1-16) und schenk t ih m „schalom" . Un d nac h de r große n Visio n vo n Totenfel d © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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und Totenauf erweckung von Ez. 37 wird das neue und wahre Gottesvolk gleichsam aus dürren, leblose n Knoche n wiedergeboren . Auc h hie r setz t Got t un d Got t allei n a m Nullpunkt, wen n da s Gesetz seine tötende Kraft vol l ausgewirk t hat , de n Neubeginn . In wiederum andere n Worte n un d Bilder n wir d i n de r sekundär-jeremianische n Ver heißung (Jer.31,31-34 ) dieselb e wurzelhaft e Erneuerun g i n Aussich t gestellt ; hie r begegnen nunmeh r di e Begriff e Bun d un d Gesetz . Auch zu m neue n Bun d gehör t da s Gesetz, aber nun ein von Gott selbst ins Herz geschriebenes, und das Tun des Gesetzes wird sich spontan in der Erkenntnis Gottes vollziehen. Wie di e theologisch e Zuordnun g vo n Geset z un d Bun d i m Alte n Testamen t überhaupt mehrdeuti g bleibt , s o gibt als o auc h di e Prophetie , di e da s Proble m erkennt ode r doc h erahnt , kein e einmütig e un d nu r selte n ein e eindeutige Ant wort. Abe r gerad e i n allem , wa s hie r mehrdeuti g bleibt , verrä t sic h ein e um fassendere Aporie : da s Problem vo n Gesetz und Bund is t aufs engste verwobe n mit de m andere n - immer wiede r ne u aktuelle n — Problem, o b un d wi e Herr schaft Gotte s un d Vol k Gotte s innerweltlic h un d innergeschichtlic h realisier t werden können . Ma n mach t e s sic h z u einfac h mi t de r Meinung , di e große n Propheten hätte n ein e falsche, eigenmächtig e Politi k abgelehnt : wi e kan n Poli tik j e ander s al s eigenmächti g sein ? I n Wahrhei t habe n di e Prophete n all e Bündnisse und , d a j a Politi k vorwiegen d i m Eingehe n un d Aufkündige n vo n Bündnissen besteht , alle Politik al s eigenmächtiges Tu n des Gottesvolkes abge lehnt. Di e Ablehnung is t Antwort au f ein e Aporie un d selbs t auc h wiede r apo retisch. Di e Apori e steck t i n de r Ineinssetzun g vo n Gottesvol k un d empirisc h innerweltlich existierende m Staatsvolk . Di e Gottesherrschaf t sol l sic h i n Vol k und Staa t verwirklichen , Vol k un d Staa t solle n sic h al s Gottesherrschaf t ver stehen. Dies e Apori e is t unlösbar . De r vo n Jesaj a un d andere n Prophete n geforderte Verzich t au f Bündniss e un d Kriegsrüstunge n is t ebens o aporetisch , denn der Staat kann nicht „stille sein" und nicht „glauben" und damit auf Politi k verzichten, e s sei denn , e r gibt sic h selbs t preis . Erst wo de r Bereic h de s Inner weltlichen un d di e Nötigun g innergeschichtlic h sichtbare r Verwirklichun g endgültig - eschatologisch - durchbrochen werden , w o zwische n Glaube n un d Schauen (2.Kor.5,7 ; Röm. 8,24f; Joh.20,29 ) unterschiede n wird , d a kan n auch erkann t werden , da ß da s Gottesreic h „nich t vo n diese r Welt " (Joh . 18, 36) und deshalb , wen n auc h i n de r Welt , s o doc h „nich t vo n de r Ar t diese r Welt" (Bultman n z.St. ) is t un d daru m wede r mi t menschliche n Waffe n noc h von himmlische n Krieger n (Joh . 18,36) vom Himme l herunte r aufgerichte t wird, wie Jes.31,4f. erwarte t wird . Solche endgültig e - eschatologische - Eindeutigkeit erreich t da s Alte Testa ment nicht . E s enthält vielerle i un d verschieden e Antworten , un d ebens o viel e Fragen bleibe n ohn e Lösung . Di e Fragen un d Antworten, auc h di e Fragen, di e keine ode r ein e aporetisch e Antwor t finden , lasse n sic h herausarbeiten . Wa s aber gilt ? We r ha t recht ? Debor a un d Bara k ode r di e Leut e vo n Meros ? Jeh u (2.Kön.9) ode r Hose a (Hos . 1,4)? Jesaja ode r Ahas? Jesaj a ode r Jeremia ? Di e Makkabäer ode r di e Stille n i m Lande ? Di e Zelote n ode r Flaviu s Josephus , der ihnen di e Schuld a n Jerusalems Untergan g zuschreibt ? Ode r ander s formu liert un d auf s Ganz e gesehen : Is t da s Alt e Testamen t endlic h un d letztlic h Gesetz ode r Bund , Testament , göttlich e Zusag e un d Heilssetzun g - welche © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Bezeichnung gilt ? E s is t - inneralttestamentlich betrachte t - beides möglich , wie auc h beid e Bezeichnunge n vorgegebe n sind . Auc h ein e Linie , di e vo m Gesetz zu m Bun d ode r vo m Bun d zu m Geset z führte , läß t sic h nich t aufwei sen. Daß das keineswegs primär theoretisch-theologische , sonder n existentiell e Problem solche r Ambivalenz un d Mehrdeutigkei t bereit s inneralttestamentlic h erkannt wurde , lie ß sic h unschwe r zeigen . Auc h die s erwie s sich , da ß e s zu r letzten Klarhei t inneralttestamentlic h nich t kommt . Da s ist freilich nich t s o zu verstehen, al s o b nich t blo ß einzelne, sonder n all e Text e de s Alten Testament s und all e Phänomen e de s alte n Israe l sam t un d sonder s i n ei n Zwielich t ge taucht wären , da s ein e eindeutig e Interpretatio n ausschlösse ; auc h nich t so , als o b sic h i m Alte n Testamen t ein e ode r mehrer e unabgeschlossen e Linie n abzeichneten, di e entwede r au f da s Neu e Testamen t ode r auc h au f da s Juden tum hi n offengebliebe n wäre n un d s o ers t i m nachhinei n zeigten , wohi n si e mit letzte r Klarhei t führe n mußten , se i e s in di e Gesetzesfreihei t eine s Paulus , sei e s in s talmudisch e Judentum . E s kämpfte n vielmeh r Gesetzeseifere r un d Gotteskämpfer a m früheste n Anfang , un d Zelote n tate n ei n Gleiche s a m spä ten Ende . Da ß alle m Geset z di e Bundeszusag e vorausgeht , is t Glaubens bekenntnis de r alte n Zei t un d Überzeugun g auc h noc h derer , di e da s Geset z als solche s al s geschenkt e Heils - un d Lebensordnun g lobe n un d sic h dara n freuen. Vielmeh r dari n besteh t di e Ambivalenz , da ß inneralttestamentlic h un bestimmt bleibt , wa s hie r letztlic h gilt : Geset z ode r Evangelium . Vo n diese r im Ganze n waltende n Ambivalen z he r bleibe n auc h di e einzelne n Text e un d einzelnen Phänomene , auc h die , di e i n sic h eindeuti g sind , ohn e eindeutige n Stellenwert: Sin d di e theokratische n Gotteskämpfe r vo n Ri.4f. , sin d di e pro phetisch initiierte n un d abgesegnete n Bluttate n de s Jeh u (2.Kön.9f.) , di e Schlachten de r Makkabäe r un d de r Zeloten , ode r Jesaja , de r zu m Stillesei n und Glaube n Mu t mache n will , ode r Jeremia s Verkündigun g vo m Hei l mitte n im Gerich t di e Rege l ode r di e Ausnahme } Un d wonac h ließ e sic h bestimmen , was Rege l un d was Ausnahme, was Tiefpunkt un d was Höhenflug , wa s gesetzlich un d wa s „evangelisch " gemein t sei ? Wen n di e Zah l de r Belegstelle n nicht da s Kriteriu m sei n kann , nac h welche m Maßsta b müßte , inneralttesta mentlich, dan n woh l gemesse n werden ? Di e Diskussio n u m Bun d un d Geset z in de r Wissenschaft , abe r scho n di e unterschiedliche n Möglichkeite n de s Ka nonverständnisses un d di e entsprechen d verschiedene n Rezeptione n de s Alte n Testaments i n de r Kirch e un d noc h frühe r bereit s di e i m Alte n Testamen t bezeugten Auseinandersetzunge n u m das rechte Verständnis von Bund, Gesetz, Gottesherrschaft i n Israe l selbst , di e auc h hie r nich t z u eine m einhellige n Ergebnis geführt hatten , lehren, daß ein solches Kriterium fehlt . Dies is t ein e schlicht e Feststellung , un d nich t de r Versuch , übe r da s Alt e Testament ei n geheimnisvolle s Dunke l z u breiten , i n da s dan n ein e christlich e Interpretation ers t da s wahr e Lich t bringe n soll . Da s Alt e Testamen t al s ein e ein runde s Jahrtausen d umspannend e Sammlun g religiöse r un d nationale r Li teratur ha t s o weni g ein e eindeutig e Mitt e wi e irgendein e ander e Literatu r auch. Nich t dies , sonder n allenfall s da s Gegentei l wär e verwunderlich . Di e Versuche, dennoc h ein e Mitt e z u bestimmen , sin d ei n Notbehel f ode r verfüh © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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ren z u Leerformeln , wi e da ß Got t di e Mitt e de s Alte n Testamente s se i (vgl . etwa G.F.Hasel , Th e Proble m of th e Center etc. , 1974; s.o. S.79ff.) . Ohn e Mitte abe r kei n eigener , immanente r Maßstab ! De r Pharisäismu s ha t nac h sei nem - auch nich t völli g einheitliche n - Maßstab interpretier t un d gehandelt ; das Judentu m verstan d un d versteh t e s au f sein e ers t rech t nich t einheitlich e Weise - vom wörtlic h bindende n Geset z jüdischer Orthodoxi e bi s hin zu r Na tionalliteratur, di e de r Wiedergewinnun g un d Stärkun g de r nationale n Identi tät dient ; da s Christentu m ererbt e e s als „Alte s Testament" , macht e e s zu sei nem Geset z ode r z u seine m bleibende n Stache l un d Ärgerni s de s Gesetzliche n oder la s es als Verheißung de s Neuen Bundes , dessen Geset z ins Herz geschrie ben ist . Kan n und sol l als o jeder mit „seinem " Alte n Testamental s heiliger oder nationaler Schrif t i n de r Hand nac h seine r Fasso n seli g werden ? Darau f is t mi t einem J a un d mi t eine m Nei n z u antworten . Ja : di e Bezeichnung „da s Gesetz " ist ein e ebens o zutreffend e Wertun g wi e da s Verständni s al s israelitisch jüdische Nationalliteratu r ode r auc h al s Bund , Testament , Alte s Testament . Je nac h de m Ausgangspunk t de s Betrachters biete t sic h ein e Mitt e an , von de r her da s Ganz e i n de n Blic k genomme n werde n kann . Un d Nein : de r Stand punkt de s Betrachter s is t kein e pur e Willkü r un d di e vo n eine m solche n Gesichtspunkt au s vorgenommene n Wertungen , Abwertungen , Anerkennun g und Verwerfun g sin d noc h kein e Vergewaltigun g vo n Texte n i n ihre m ur sprünglichen Verständnis , sonder n das , wa s si e sind : Wertungen . Un d vo r allem: di e Verwerfun g de s Christu s ode r abe r di e Proklamatio n de s Endes de s Gesetzes un d de r i m Christusereigni s gründend e Glaube , da ß de r Mensc h gerecht werd e ohn e de s Gesetze s Werke , sin d nich t subjektive , beliebi g aus tauschbare Gesichtspunkte , di e mi t de r Wendun g „nac h seine r Fasson " adä quat beschriebe n werde n könnten , sonder n Grundentscheidungen , di e da s Daseins- un d Gottesverständni s insgesam t umfassen . Insonderhei t auc h de r christliche Gesichtspunkt , vo n de m au s da s Alt e Testamen t gelese n wird , lie fert keine n subjektive n Maßsta b zu r christliche n Uminterpretation , di e auc h noch au s de m letzte n Opfergeset z ei n gesetzesfreie s Evangeliu m macht . Diese r letztere Gesichtspunk t is t abe r woh l i n sic h da s Kriterium , mi t desse n Hilf e überhaupt un d mi t letzte r Klarhei t zwische n Geset z un d Evangeliu m unter schieden, di e inneralttestamentlich e Aporie , da s nackt e un d tötend e - auch i m buchstäblichen Sinn e mörderische - Gesetz erkannt, abe r auc h da s offene ode r verborgene ode r ers t angedeutete Evangeliu m i m Alten Testamen t vernomme n werden kann . Obig e Sätz e stelle n nich t einma l ei n neue s hermeneutische s Pro gramm vor : faktisc h un d praktisc h ha t di e Kirch e ih r Alte s Testamen t imme r nach diese m Kriteriu m i n Auswahl gelese n un d nac h diese m Maßsta b au s de m Alten Testament Geset z und Evangelium vernommen . Un d wenn auc h mangel hafte dogmatisch e un d hermeneutisch e Theorie n Christu s un d sei n Evange lium i m Geset z z u finde n meinte n ode r - weit schlimme r - aus de m Evan gelium ei n Geset z werde n ließen , s o wa r doc h of t di e Praxi s besse r al s di e theologischen Theorie n - man denk e nu r a n Luthe r ode r auc h a n Calvin ! - : es wa r di e Praxi s de s Glaubens , i n de r sic h di e eigen e Mächtigkei t de r Schrif t Alten und Neuen Testament s durchsetzt . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
V. KAPITEL
Das Alte Testament als Dokument einer Fremdreligion 1. Entdeckung und Betonung der religiösen Fremdheit Die Frage, ob das Alte Testament insgesam t und letztlich al s Gesetz zu verstehen se i ode r nicht , un d auc h noc h di e bejahend e Antwor t au f dies e Frag e gehören i n eine n Bereich , de r i m engere n Sin n theologisc h genann t z u wer den verdient . Di e Geltung de s Gesetzes, sein e bindende , tötende , z u Christu s hin treibend e Kraf t wir d hie r nich t verneint ; da s Geset z gil t al s vo n Got t ebenso gesetz t wi e da s Evangelium . De r Got t de s Alten Testament s un d de s Gesetzes ist derselbe wie der Gott des Neuen Testaments und des Evangeliums. Das war für den Apostel Paulu s ebenso wenig zweifelhaft , wi e es im 20. Jahrhundert für manche Theologen der grundsätzlichste Glaubenssatz ist, von dem alle Erwägunge n übe r das Verhältnis de r Testamente auszugehe n habe n (vgl . etwa Fran z Hesse, Das Alte Testament al s Buch der Kirche, 1966, S.21; u.s.u . S. 185f.). De r Unterschie d vo n Geset z un d Evangeliu m kan n sic h abe r auc h zur Unterscheidun g vo n blo ß menschliche m Geset z un d göttliche m Evange lium, fremdreligiösem Geset z und christlichem Evangeliu m ode r gar vo n verschiedenen Religionen , nämlic h de r israelitisch-jüdische n un d der christliche n Religion ausweiten. So ausgeweitet, betrifft di e Unterscheidung nicht mehr nur das Geset z un d da s Gesetzlich e i m Unterschie d zu m Evangelium , sonder n überhaupt di e Fremdartigkei t de s Alte n Testament s i m Vergleic h z u alle m Christlichen. Ein e letzt e Schärf e erhäl t di e Unterscheidun g dann , wen n auc h die neutestamentlichen Verkündigungsinhalt e gleichsa m von außen betrachte t und als Religion aufgefaß t werden . An die Stelle von Offenbarung - im Alten und i m Neue n Testamen t ode r i m Alte n nicht , abe r i m Neue n woh l - tritt nunmehr de r Begrif f de r Religion . Vo n Offenbarun g i m strenge n Sinn e kan n man nu r al s a n Offenbarun g Glaubende r un d vo n Offenbarun g Betroffene r sprechen; übe r Religio n sol l hingege n möglichs t objekti v gehandel t werden . Objektivierung verfremdet, entläß t aus der Sphäre der Betroffenheit un d rückt ins Fel d nüchterne r Rekonstruktion . Hie r abe r erschein t da s Alt e Testamen t als das ältere noch fremder al s das durch seinen Inhalt und dessen Traditionsbildung un d Wirkungsgeschichte i n der Kirche und überhaupt i m christliche n Abendland vertrautere Neue Testament. Wenn auc h ers t i n de r moderne n Zei t vol l ausgebildet , ha t dies e Betrach tungsweise doc h seh r tief e un d alt e Wurzeln . Ma n kan n soga r scho n au f da s Johannesevangelium verweisen .
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Das Alte Testament al s Dokument einer Fremdreligio n
Anders al s be i de n Synoptikern , w o nu r selte n vo n „Juden " di e Red e ist, begegne t im vierte n Evangeliu m diese r Terminu s 70mal , un d zwa r sowoh l i n eine m - an sic h schon auffällige n - mehr neutrale n Sinn e al s Bezeichnun g fü r di e Leute , mi t dene n Jesus e s z u tu n hat ; de r Terminu s „Jude " kan n hie r abe r auc h ein e Verwendun g finden un d i n solche n Zusammenhänge n stehen , da ß e r vo n vornherei n impliziert , daß Gegne r gemein t sind , di e de n Christu s nich t verstehe n könne n un d ih n daru m verwerfen. Si e vermöge n ih n nich t z u verstehe n un d lehne n de n Offenbare r ab , wei l sie Jude n sind . Weil , s o kan n ma n etw a Joh.2, 18-21 auslegen, di e jüdisch e Reli gion Glaub e a n di e Gegenwar t Gotte s i n eine m mi t Hände n gebaute n Tempe l z u Jerusalem ist , verschließ t si e sic h vo n vornherei n de r Möglichkeit , da ß Got t sic h i n Tod un d Auferstehun g Christ i offenbare . Nac h 8,48-59 argumentieren di e Jude n als Jude n un d mi t jüdische n Argumente n gege n de n Christus . Bemerkenswer t is t di e Stelle 10,32-38, wo da s Alt e Testamen t nich t nu r al s Gesetz , sonder n soga r al s „euer Gesetz" bezeichnet wird. Die Distanz zum Judentum un d zum Alten Testamen t als Gesetz und Dokumen t eine r anderen , fremde n un d gar feindliche n Religio n kling t hierund an anderen Stellen deutlich mit an (vgl. auch 9,29; 11,8 ; 20,19). Die johanneisch e Gemeind e ha t sic h offenba r eindeuti g vo n de r Synagog e getrennt und ist auf das Alte Testament als heilige Schrift nich t mehr angewiesen . Späterhin ha t sic h di e Großkirch e wede r au f ein e paulinisch e noc h ga r au f eine johanneisch e Theologi e mi t ihre m j e spezifische n Verständni s de s Alte n Testaments festgelegt, sonder n sic h auf ein e mittlere, „katholische " Lini e begeben un d sic h di e Fremdhei t de s Fremde n zunehmen d mi t Hilf e de r eine n „anderen", wenige r fremdreligiöse n Sin n herausstellende n Allegores e zurecht gelegt un d de n Jude n ih r Verständni s ihre s heilige n Buche s al s ungläubige s Nichtverstehenkönnen vorgeworfen . W o hingege n solch e kirchliche Dogmati k nicht i n Geltun g stan d un d di e Fremdhei t nich t allegorisc h z u verdecke n vermochte, wurd e de r Unterschie d vo n Alte m un d Neue m i n de r Polemi k gegen eine n solchermaße n „falschen " Kano n dest o schroffe r herausgestell t und hervorgekehrt . Hie r is t noc h einma l Marcio n z u nennen . Be i ih m weite t sich der extrem überzogen e paulinisch e Gegensat z von Evangelium un d Geset z zu eine r totale n Ablehnun g de s Alte n Testament s al s eine s Dokument s eine r fremden Religio n aus . Da s gescha h zwa r noc h nich t i n eine r distanzierte n und objektivierende n religionsgeschichtliche n Betrachtungsweise ; solche s wa r zu Marcion s Zeite n noc h nich t denkbar . Sein e Denkweis e un d Argumentatio n sind zeitbeding t mythisc h un d gnostisc h beeinflußt . Abe r sein e mythisch e Lehre, da ß de r „Demiurg " genannt e Schöpfer- , Gesetzes - und Gerechtigkeits gott de s Alte n Testament s ei n andere r al s de r gnädig e Got t sei , de n da s pau linische un d lukanisch e Evangeliu m verkündigt , besagt , entmythisiert , doc h folgendes: da s Dasei n unte r de m Geset z steh t eine m Lebe n au s de r Güt e de s Evangeliums schrof f gegenüber ; de m j e verschiedene n Existenzverständni s korrespondieren zwe i verschieden e Götte r un d zwe i verschieden e Religionen , die de r Juden mi t ihre m Judengot t un d di e de r Christen . Da s nach de m Wort sinn un d nich t allegorisc h z u verstehend e Alt e Testamen t wir d s o zu m Doku ment eine r Fremdreligion , dere n Got t für Marcio n allerding s kei n bloße s theologisch-theoretisches ode r religionsgeschichtliche s Phänomen , sonder n gefähr liche Wirklichkeit un d Mächtigkeit ist . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Aber auc h w o da s Fremd e un d Befremdlich e de s Alte n Testament s nich t solchermaßen einseiti g beton t un d solch e extreme n Konsequenze n nich t gezo gen wurden , mußt e doc h scho n da s nebe n un d gege n di e Kirch e bestehend e Judentum, da s da s Alt e Testamen t gleichermaße n sei n eigene s nannt e un d nach seine m Geset z z u lebe n bestreb t war , ei n bleibende r Stache l sein , de r ei n Bewußtsein dafü r wachhielt , da ß da s Alt e auc h ei n Andersartige s sei . Insbe sondere da s Zeremonialgesetz , Speisegesetze , Sabbatvorschrifte n un d di e Beschneidungsverpflichtung, die , wi e auc h imme r mi t ode r ohn e Begründung , außer Kraf t gesetz t un d nich t meh r befolg t wurden , stellte n j a ei n fremde s Element dar , da s nu r höchst e Kuns t de r Allegores e z u verchristliche n ver mochte. Ode r ma n behal f sic h mi t eine r Berufun g au f Schriftstellen , welch e Opfer un d Zeremonie n al s eigentlic h vo n Got t ga r nich t gewoll t ode r nu r wegen de r Sünde un d Verstockun g Israel s geboten erscheine n lasse n (etw a Jer . 7,21-24; E z . 2 0 , 1 9 - 2 1 ; A m . 5 , 2 1 - 2 7 ; Ps.50,7-15) . Ode r ma n stützte , wi e es Origene s tat , da s Rech t un d di e Pflich t zu r Allegores e mi t de r Behaup tung, de m wörtliche n Verständni s nac h seie n di e Gesetz e sinnlo s un d unaus führbar un d de n Jude n nu r z u ihre r Bestrafun g erlassen , dami t si e eins t de n höheren, wahre n Sin n erkenne n möchten . Auc h s o komm t de r Unterschie d zwischen christliche r un d jüdische r Praxis , christliche r un d jüdische r Religio n zur Geltung , obwoh l a n de r Selbigkei t Gotte s hie r un d dor t festgehalte n wird . Diese Selbigkei t wir d auße r vo n Marcio n vo n de r Gnosis überhaupt preisge geben: de r mi t de m Vate r Jes u Christ i nich t identisch e un d nich t vergleich bare „Judengott " is t Engelfürst , Schöpfe r de r niederen , unvollkommene n Welt, Gebe r de s tyrannische n Gesetzes ; e r ist , wei l i m Alte n Testamen t de s öfteren al s sichtbar erschiene n geschildert , nich t der wahre Gott , de m Unsicht barkeit un d Geistwese n eignen . Obwoh l die s i n de r Gnosis oft mittel s abstru ser Spekulatione n un d quas i tiefsinniger , willkürliche r Interpretatione n begründet un d ausgeführ t wird , s o is t doch , wi e be i Marcion , de r Versuc h unverkennbar, da s Neue, Andere, Andersartige de s - allerdings gnostisch miß verstandenen - Christentums i n seine m Verhältni s zu m Judentum , abe r auc h zum Heidentu m deutlicher , freilic h auc h einseitige r z u betonen , al s es der ver mittelnden Theologi e de r Großkirch e gelinge n konnte . Hie r wurd e di e figür liche un d allegorisierend e Auslegun g da s Mittel , i n de r Auseinandersetzun g mit Ketzer n un d Jude n de n kirchliche n Exklusivanspruc h au f da s Alt e Testa ment z u erhärten . Ja , wi e scho n Origene s di e wörtlich e Auslegun g mi t de r Bemerkung, ohn e Allegores e müss e ma n wiede r Opfertier e schlachten , a d ab surdum führe n z u könne n meinte , s o wird di e Allegorese geradez u zu m Kenn zeichen orthodoxe n Schriftgebrauchs , wi e umgekehr t di e Hervorhebun g de s Wortsinnes al s jüdisch-judaisieren d un d ketzerisc h gilt . Inde m di e Kirch e abe r den Literalsin n weitgehen d de n Jude n un d Ketzer n überließ , gestan d si e wide r Willen di e Fremdheit de s Alten Testament s ebenso ein wie die Eigenständigkei t des sich auf ei n wörtlich verstandene s Altes Testament berufende n Judentums . Das hermeneutisch e Proble m de s Alte n Testament s is t hie r verdrängt , di e offene Frag e durc h kirchliche s Machtwor t zugeschüttet . Waru m den n nu n di e vom heilige n Geis t Gotte s inspiriert e Schrif t sic h s o dunke l un d verschlüssel t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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ausdrückt, da ß ers t allegorisierend e Künst e si e z u entziffer n vermögen , dar f nicht einma l meh r gefrag t werden . Wer , wi e Hieronymus , trot z alle r Linien treue un d kirchliche r Frömmigkei t un d trot z Betonung , da ß di e Schrif t geist lich un d nich t nac h de m Buchstabe n z u interpretiere n sei , wi e e s di e Ketze r tun, dennoc h u m de n Wortsin n un d di e Notwendigkei t seine r philologische n Beachtung weiß , gerä t leich t i n de n Verdacht , selbs t auc h ei n heimliche r Ketzer z u sein . Dies e Sche u wir d angesicht s eine r sic h vollziehende n Polari sierung de r Standpunkt e woh l auc h verständlich : w o de r Wortsin n Beachtun g findet, verbinde t sic h hiermi t ein e zunehmen d schroff e Verwerfun g de s Alte n Testaments, un d gege n dies e Preisgab e ihre s Erbe s un d de s größte n Teil s de r Heiligen Schrif t mu ß sic h di e Kirche , un d se i e s auc h mi t ungeeignete n Waf fen, wehren . Daß , wi e Marcio n behaupte t hatte , de r Got t de s Alte n Testa ments ei n andere r Got t un d ga r de r de m christliche n Got t feindlich e Schöp fer-Gott (Demiurg ) sei , vermocht e di e Kirch e mi t Rech t nich t al s authentisch e Auslegung ihre s Ursprungs , de s paulinische n Evangelium s ode r auc h nu r de s Alten Testament s zu akzeptieren . Dasselbe gil t auc h fü r de n Manichäismus, de r im 4. Jahrhundert ei n fü r di e Kirch e nicht ungefährlicher Konkurren t wurde . Für den manichäischen Dualismu s von Licht und Finsterni s is t de r Got t de r Jude n de r Fürs t de r Finsternis , sei n Geset z mach t nicht lebendig , sonder n tötet ; sein e Prophete n weissage n nich t de n Christu s un d ihr e Botschaft geh t daru m nu r di e Jude n an . U m di e Verschiedenhei t un d Fremdhei t des alttestamentliche n Gotte s nachzuweisen , werde n bevorzug t al l diejenige n Stelle n herangezogen, di e als religiös oder sittlich anstößi g erscheinen, wenn man sie wörtlich versteht: da ß Gott eifersüchtig sei n soll (2.Mose 20,5), Unheil statt Heil anrichte (Jes . 45,7; Am. 3,6), ja, di e Ausrottung de r Kanaanäe r befohle n habe . Der Gott des Alten Testaments sei auc h nich t allwissend, e r hätte sonst Adams Sünde vorausgesehen. Die Reinheitsgesetze, Sabbat- und Beschneidungsvorschriften stamme n entweder nicht von dem wahre n Gott , ode r si e müßten auc h heut e noc h vo n de n Christe n gehalte n wer den. Vo r alle m erheb t sic h hie r - und späterhi n noc h öfte r - Widerspruch gege n den irdisch materiellen Inhal t alttestamentlicher Verheißungen: Landbesitz, Fruchtbarkeit, lange s glückliche s Leben . De r Sinnlichkeit de r Heilsgüter entsprech e da s sittlic h anstößige Lebe n de r alttestamentlichen Heiligen , wofü r sic h ja unschwer manch e Beispiele anführe n lassen . Di e scho n hie r gesammelte n un d gehäufte n Argument e un d Attacken kehre n i n de r Folgezei t un d bi s i n di e Gegenwar t wieder . Si e wolle n di e Gedanken- un d Vorstellungswel t de s Alte n Testament s al s ein e minderwertig e un d auf jede n Fal l de m Christentum gegenübe r fremd e un d ander e Religio n erweisen . Die manichäische Lini e fan d i n de n Katharer n (= die Reinen ) de s 12. Jahrhunderts ein e Fortsetzung. Auc h dies e asketisch e Sekte , di e vo r alle m i n Südfrankreic h un d Nord italien Einflu ß gewann , verwar f mi t gleiche n Argumente n da s Alt e Testamen t al s Dokument eine r unchristlichen un d ungeistigen Religion , dere n Heilsgu t blo ß leiblich ist. Abe r gerad e di e Schroffhei t diese s überzogene n Verständnisse s de s Alte n Testa ments schie n de r offizielle n Großkirch e un d ihre r Allegores e nu r rech t z u geben. Die zwar ketzerische (Kathare r = Ketzer!), aber deshalb nicht weniger richtige Erkenntnis, die sich hier auch anbahnte, konnte so nicht zum Tragen kommen. Erst di e entschlossen e Rückkeh r zu m Literalsin n i n de r Reformatio n zerri ß die Decke, welche Allegorese, Dogma , Traditio n un d kirchliche Autoritä t übe r das Alte Testament gebreite t hatten , un d lie ß auch wieder di e Fremdheit diese r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Schriftensammlung an s Lich t kommen . Zuma l au s Luther s Schrifte n lasse n sich unschwe r viel e Äußerunge n zusammenstellen , welche , wollt e ma n si e fü r sich nehme n un d vo n andere n Aussage n absehen , s o marcionitisc h klingen , daß Harnac k di e Ansich t vertrete n konnte , e s se i nu r ein e Inkonsequen z gewesen, da ß nich t endlic h überhaup t de r Ballas t de s Alte n Testament s au s dem Schif f de r Kirch e übe r Bor d geworfe n sei . Da s Geset z is t fü r Luthe r „de r Juden Sachsenspiegel" , un d soga r di e Zeh n Gebote , obwoh l i n ihre m wesent lichen Bestan d mi t de m alle n Mensche n gemeinsame n Naturgeset z identisch , sind jüdisc h gefärbt . Alle s Jüdische abe r i m Alten Testamen t geh t di e Christe n nichts an , Mos e is t Gesetzgebe r de r Juden , nich t de r Christen . I n solche n Äußerungen (vgl . H . Bornkamm, Luthe r un d da s Alte Testament; hie r Zusam menstellungen vo n entsprechende n Äußerungen ) sprich t sic h di e Erkenntni s aus, da ß da s Alt e Testamen t auc h Dokumen t eine r nicht-christlichen , parti kularen Religio n un d Lebensordnun g ist . Wen n Luthe r dennoc h nich t zu r völ ligen, marcionitische n Verwerfun g kommt , s o deshalb , wei l di e Dialekti k vo n Gesetz un d Evangeliu m auc h innerhal b de s Alten Testament s wahrgenomme n und nich t einfac h da s Geset z mi t de m Alte n Testamen t un d da s Evangeliu m mit de m Neue n Testamen t gleichgesetz t wir d (s.o . S.49ff.). DaßdamitdasPro blem, wi e da s Alt e Testamen t - zumindest auc h - Dokument eine r andere n Religion un d doc h al s ganze s Tei l de s christliche n Kanon s sei n könne , gelös t sei, wir d ma n kau m behaupte n können . De r richtig e un d fruchtbar e Ansat z der dialektische n Unterscheidun g vo n Geset z un d Evangeliu m bezieh t sic h au f Gesetz und Gesetzlichkei t überhaup t un d bedar f z u seiner Begründun g un d al s sein Fundamen t nich t de s Alten Testaments . Da ß di e Erkenntni s vo n „de r Ju den Sachsenspiegel " i n letzte r Konsequen z un d doc h ohn e überzogen e Konse quenzmacherei da s ganz e Alt e Testamen t z u verfremde n fähi g ist , wir d hie r noch nich t gesehen . Da s wir d vo n de r Annahm e verhüllt , da ß i m Alte n Testa ment nich t nu r dieselb e Dialekti k vo n Geset z un d Evangeliu m wi e i m Neue n walte, sondern da ß beide Testamente, auc h wenn da s Alte nicht mehr angehen des Fremde s enthält , z u eine r höhere n Einhei t zusammengehören : i n beide n gehe e s um denselbe n Got t und seine Offenbarung , beid e bezeugen („treiben" ) Christus, insbesonder e de r vo n Luthe r hochgeschätzt e Psalte r red e vo n Chri stus, seinem Tod, seine r Auferstehung un d Himmelfahrt. Ander e alttestament liche Stelle n sin d Beleg e fü r da s Trinitätsdogm a (etw a 4.Mose 6 , 2 2 - 2 7 ) . Die Ansicht, da ß Luthe r un d sein e Nachfolge r - für di e andere n Reformatoren , insbesondere Calvin , gil t da s noc h meh r - hier di e recht e Folgerichtigkei t ver missen lassen , wie Harnac k i n seinem Marcion-Buc h imme r wieder betont , be steht durchaus z u Recht. Das überkommene Dogm a un d die Last der Traditio n wogen z u schwer , al s da ß es , trot z tiefgreifen d kritische r Ansätz e zuma l be i Luther selbst , z u eine m deutliche n Erkenntnisfortschrit t gekomme n wäre . Di e dann sic h formierend e Orthodoxi e ha t alsbal d di e kau m gelüftet e Deck e aber mals übe r di e Fremdhei t de s Alten Testament s gebreitet un d durc h da s Dogm a von de r Verbalinspiratio n di e offene Diskussio n übe r da s hermeneutische Pro blem de s Alten Testament s unmöglic h gemach t ode r au s den heilige n Häuser n von Theologie un d Kirche hinausgedrängt . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Dokument einer Fremdreligio n
Die Folg e diese r Entwicklun g war , da ß da s verdrängt e Proble m gleichsa m am Rande erneut aufbrach un d dann von dort mit großer Heftigkeit in Theologie und Kirche eindrang. Hier ist der Sozinianismus zu nennen, von dem wichtige Impuls e ausgegange n sind . Faustus Socinus (Faust o Sozzini, 1539-1604) erhob eindeutig di e gesunde Vernunf t (san a ratio ) zu r Richtschnu r de r Bibelauslegung. Die Vernunft sol l das Vernunftgemäße i n den historischen Gewan dungen, i n dene n e s sich i n de r Bibe l verhüllt, entdecken . De r Rationalismu s mit seine m anthropozentrische n Ansat z is t hie r scho n präfiguriert : di e prin zipielle Infragestellun g dogmatische r Vorentscheidunge n un d Vorurteile kün digt sic h bereit s an , wenngleich di e praktische Durchführun g de s Programms sich noch recht gemäßigt ausnimmt. Dem nüchternen Blick bleibt insonderheit die Verschiedenhei t de r Testament e nich t verborgen . Erkann t wird , da ß da s alttestamentliche Denke n national geprägt und eingeschränkt ist , während im Neuen Testament universal allen Menschen und allen Völkern das Evangelium verkündigt wird. Wie schon früher de r Manichäismus deutlich gemacht hatte, so wir d auc h hie r herausgestellt , da ß di e alttestamentliche n Heilsgüte r ir discher Natu r sind . Zukunftsträchti g is t di e Erkenntnis , da ß da s als o volks gebundene un d geschichtsbedingt e Alt e Testament geschichtlic h z u verstehen sei. Mag auch die Kirche mancherlei Psalmen messianisch auf Christus deuten, die sana rati o lehrt, da ß solche Psalmen ursprünglic h sic h auf Davi d oder auf andere irdische Könige Israels bezogen oder - so Ps.22, der allgemein in besonderer Weis e al s Christuspsal m gal t - als Klagelie d eine s anonyme n unglück lichen Menschen zu verstehen sind. Auch die allgemein-kirchliche Ansicht, daß die Prophete n Christu s geweissag t hatten , wir d dahingehen d abgeschwächt , daß si e Künftige s angesag t hätten , da s ers t i m nachhinei n vo m christliche n Standpunkt au s auf Christu s hin ausgeleg t werde . Wenn auc h das Alte Testament nich t mi t sovie l Worte n al s Dokumen t eine r Fremdreligio n bezeichne t wird, s o tritt hie r doch der Unterschie d zu m Neuen deutlic h hervor . Obwoh l die Sozinianer , verfemt , vertrieben , al s bloß e Sekt e nu r ein e gering e direkt e Wirkung entfalte n konnten , s o wirkten doc h der rationalistische un d anthro pozentrische Impul s un d de r Sin n fü r historisch e Unterscheidunge n weiter : trotz manche r unausgegorene n Irrunge n un d Wirrunge n - Antitrinitarismus, mit Supranaturalismu s untermischte r Rationalismu s - war dies e Bewegun g ihrer Zei t voraus , un d di e Kirch e sollt e i n eine r nich t meh r ferne n Zukunf t erkennen lernen, daß durch Machtspruch, Verfolgung un d Ketzerverbrennun g (Servet, 1553 in Genf ) da s theologisch e un d hermeneutisch e Proble m nich t gelöst werden kann. 2. Abwertung und Verwerfung des Alten Testament s Die ratio, als Instrument de r Auslegung vo m Sozinianismus, aber auch von Grotius und Spinoza empfohlen und praktiziert, ließ sich nicht zurückdrängen. Für Spinoza, de r selbst Jude war , konnt e da s Alte Testament nich t al s Dokument eine r fremde n Religio n i m Verhältni s zu m Christentu m problematisc h werden, woh l abe r verliere n hie r groß e Teil e de s Alten Testament s al s bloß e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Abwertung un d Verwerfung de s Alten Testament s
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Volksmeinung, welch e di e absolut e Gotteslehr e keinesweg s adäqua t wieder gibt un d erfaßt , ihre n unmittelbare n Wert . Di e rati o is t nich t nu r da s Instru ment de r Untersuchung , sonder n auc h Raster , da s alle s wirklic h ode r schein bar nich t Rational e aussiebt . Dies e Tendenz wirk t sic h dor t vol l aus , wo kein e Rücksichten au f Synagog e ode r Kirch e un d kein e Bindunge n a n Tradition un d Dogma di e Freihei t de r rati o einschränken . S o ga b englische s Freidenkertum , das sic h i n de r zweite n Hälft e de s 17. Jahrhunderts entfaltet e un d al s Deismu s bezeichnet wurde , nich t nu r - wie j a auc h Spinoz a - wichtige Impuls e fü r di e freie Untersuchun g de s Pentateuchs - Hobbes etw a hiel t de n Pentateuch außer Teilen de s Deuteronomiums fü r nichtmosaisc h - , also de s ersten un d wichtig sten Teil s de s alttestamentliche n Kanons , sonder n di e hie r entwickelt e Ide e einer natürlichen , vernunftgemäße n Religio n wurd e z u eine m Maßstab , de m das Alt e Testamen t kau m gewachse n sei n konnte . Gemesse n nac h de m Ma ß des Vernunftgemäße n verlier t di e alttestamentlich e Religio n ihre n Offenba rungscharakter un d ihre spezifische Besonderhei t i m Vergleich z u anderen par tikularen un d nationale n Religionen , dere n Rite n un d Zeremonie n sic h al s den israelitisch-jüdischen durchau s vergleichba r herausstellten . Solch e „äußeren " Riten un d Zeremonien , insbesonder e di e Tieropfer , könne n nich t Bestandtei l der wahre n Vernunftreligio n un d nich t vo n Got t angeordne t sein . Auc h da s Argument, da ß es der wahren Religio n u m di e Seligkeit de r unsterblichen Seel e und nich t u m irdisch e Güte r geht , kehr t hie r wiede r un d sol l belegen , da ß das Alt e Testamen t mi t seine n materielle n Heilsgabe n nich t al s ganze s Ur kunde de r wahre n Religio n sei n kann . Vo n de n religionsgeschichtliche n Über legungen un d Erkenntnisse n eine s Joh n Spence r (1630-1693), der manch e mosaischen Gesetz e und Rite n au s dem Bereich andere r semitischen Religione n abzuleiten versucht e un d wenigsten s diese m Tei l de s Alte n Testament s de n Offenbarungscharakter absprac h - wie könnt e Offenbarun g sein , wa s außer halb Israel s i n de r Heidenwel t auc h i m Schwang e war ? —, ist kei n weite r Schritt meh r z u eine m Thoma s Morga n (1680-1743), der da s Alte Testamen t als Dokumen t eine r bornierte n nationale n Religio n de r Jude n brandmarkt e und nu r i m paulinische n Christentu m di e wahr e Vernunftreligio n verkörper t sah. Wi e eins t Marcio n träg t Morga n all e denkbare n Argument e zusammen , die di e Fremdhei t un d Minderwertigkei t de r alttestamentlic h bezeugte n Reli gion belege n können : da s Geset z is t blo ß äußerlich , droh t mi t irdische r Straf e und kenn t kein e jenseitig e Vergeltung , wi e da s Alt e Testamen t überhaup t nichts von eine m ewige n Lebe n weiß ; moralisc h verwerflic h is t die Ausrottun g der Kanaanäer ; di e Wundererzählunge n sin d Lu g un d Trug ; de r Messia s de r Propheten ha t mi t de m Christu s de r Christe n nicht s gemeinsam ; kurzum : Jahwe is t der Götze einer fremden Nationalreligion . Daß un d wi e solch e Idee n au f de n Kontinen t hinüberwirkten , wurd e scho n dargelegt (s.o . S.64L) . Di e neue , „frei e Untersuchun g de s Canon " Semler s führte auc h be i ih m dazu , da ß groß e Teil e de s Alten Testament s al s Zeugniss e einer fremden Religion , di e in mancher Hinsich t auc h dem Christentum-als Inbegriff dessen , wa s „vernünftig " is t un d „moralisc h bessert"-entgegengesetz t ist, i n de n Blic k kamen . De r neue n Betrachtungsweis e konnt e de r Unterschie d © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Dokument einer Fremdreligio n
der Testamente nich t verborgen bleiben . Der alttestamentliche Kano n ist historisch primär ein e jüdische Sammlun g israelitisch-jüdische r Schriften . Si e habe n darum keine n unmittelba r christliche n Inhalt , sonder n sin d Dokument e de r jüdischen Religion , di e keinesweg s mi t de r christliche n identisc h ist . Si e ha t vielmehr eine n partikularen , nationale n Charakter , währen d di e christlich e Botschaft sic h a n jede n einzelne n richtet . Sodan n is t de r Inhal t de r alttesta mentlichen Verheißunge n materielle r Natur , währen d di e christlich e Religio n auf di e „moralisch e Ausbesserung" , d.h . di e religiös-sittlich e Vervollkomm nung un d Erfüllun g de s menschliche n Leben s zielt . Semler s a n Spinoz a orien tierte Charakteristi k de s Alte n Testament s schließ t auc h jede n Gedanke n a n eine heilsgeschichtlich e Zuordnun g de r beide n Testament e aus . Di e Botschaf t des Neue n Testament s steh t de m Alte n Testamen t un d de r Wel t de s Heiden tums gleic h na h un d gleic h fern . Wiewoh l Semle r einige s i m Alte n Testament , vornehmlich solches , das nach seine r Meinung übe r die partikularen, jüdische n und blo ß innerweltliche n Schranke n hinausführ t ode r wa s dari n allgemei n menschlich ist , al s christlic h möglic h gelte n lasse n will , läuf t sein e Anschau ung au f ein e Abschaffun g de s Alten Testament s al s eines Teils de s christliche n Kanons hinaus . Ei n Auszu g ausgewählte r alttestamentliche r Schrifte n wär e nach Semle r ein e gut e Lösung . Si e entspräch e einerseit s de r Weise , wi e di e christliche Kirch e sei t e h un d j e da s überkommen e Erb e gebrauchte : faktisc h war imme r nu r eine , wi e auc h imme r begrenzt e un d begründet e Auswah l au s dem Alte n Testamen t i n christliche m Gebrauch . Andererseit s geh t Semler s Vorschlag eine r alttestamentliche n Blütenles e wei t übe r de n Usu s de r Kirch e hinaus, welch e ni e eine n christliche n Kano n i m alttestamentliche n Kano n aus grenzte und alles andere Schrifttu m verwarf . Wenngleich sic h de r rationalistisch-moralisch e Maßsta b al s unangemesse n erwies un d überhaup t de r Rationalismus , obwoh l e r de r historische n For schung mächtig e Impuls e gab , i n manche r Hinsich t auc h de n unbefangene n Blick fü r historisc h Gewachsene s verstellte , s o wa r doc h de r einma l einge schlagene We g historische r und kritischer Untersuchun g unumkehrbar . S o wa r es auc h nich t blo ß de r praktische n Arbeitsteilun g wege n geschehen , da ß di e biblische Theologi e sic h alsbal d i n ein e Theologi e de s Alte n Testament s un d eine des Neuen Testament s gegabelt hatte. Der historische Ansatz dieser neue n Disziplin mußt e notwendigerweis e z u solche r Differenzierun g gelangen . Un d es wa r ebenfall s ein e notwendig e Konsequenz , da ß dies e Theologi e sic h al s Religionsgeschichte de r israelitische n un d jüdische n Religio n ne u formiert e und sic h redlicherweis e entsprechen d umbenannte . Au s de r nunmeh r ei n fü r allemal erkannte n Verschiedenhei t un d Distanz lassen sic h freilich unterschied liche un d verschiede n klar e Konsequenze n ziehen . De r entdeckt e un d imme r deutlicher in s Lich t gerückt e Unterschie d de r Testament e kan n zu r meh r ode r weniger radikale n Ablehnun g de s Alte n führen . Marcion s Verwerfun g de s Alten Testament s schie n stark e neu e Argument e gewonne n z u haben , un d di e von Deismu s un d Aufklärun g i n Gan g gebracht e historisch e Forschun g lie ferte ständi g neu e Einsichte n i n di e historisch e Bedingthei t de r alttestament lichen Religio n un d ihre r Verflochtenhei t mi t un d auc h Abhängigkei t vo n de r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Abwertung und Verwerfung des Alten Testaments
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„heidnischen" Umwelt , welch e wiederu m al s weiter e Argument e fü r Abwer tung un d Ablehnun g benutz t werde n konnten . Nich t meh r nu r di e - wirkliche oder vermeintlich e - Gesetzlichkeit, sonder n überhaup t di e Fremdhei t de r alt testamentlichen Religio n un d insbesondere ih r nationaler und diesseitiger Cha rakter rückte n da s Alt e Testamen t zunehmen d i n Distan z zu m Neue n Testa ment. So war fü r de n jungen Georg Wilhelm Friedric h Hege l de r Gott Israels ein Dämon des Hasses , di e israelitisch e un d jüdisch e Religio n da s finster e Gegentei l jene r licht vollen Humanität , wi e si e i m Griechentu m strahlen d erschiene n war . Israel s Pro pheten beurteilt e e r al s borniert e Fanatiker , di e sic h i n di e Tagespoliti k ihre r Zei t einzumischen wagten . Da s jüdisch e Schicksa l könn e nich t einma l Mitleid , sonder n nur Abscheu wecken . Kurzum : „De r unendliche Geis t hat nicht Rau m i n de m Kerker einer Judenseele" (Jugendschriften , S . 256ff.). I n den großen philosophische n Werke n ist dies negative Urteil allerdings erheblich gemildert, abe r auch jetzt noch steht Israels „Religion der Erhabenheit" unterhal b der der Griechen und der Römer und mit beiden gemeinsam i m Gegensat z z u de r sic h i m Christentu m manifestierende n „absolute n Religion" (vgl. Kraus, Geschichte, S. 191 ff.). Schleiermachers Urtei l übe r di e alttestamentlich e Gesetzlichkei t wurd e obe n bereits erwähn t (s.o . S . 103). Aber auc h sein e Kriti k is t umfassender . Der Zusammenhang de r Testamente , de r frühe r zumeis t i n de n messianische n Weis sagungen, di e im Neuen Testament al s erfüllt verkündig t werden , gesehen wor den war , zerbricht , d a di e historische Untersuchun g lehrt , da ß hie r keinesweg s der Christu s de r Christenheit , sonder n ei n Messia s de r Juden gemein t war . I m sogenannten Zweite n Sendschreibe n a n Lück e (1829) wird ein e besonder e Offenbarung Gottes , di e sic h i n Israel s Geschicht e ereigne t habe n soll , geleug net; überhaup t bedar f da s Christentu m keine s Anhalte s i m Judentum . Auc h Schleiermachers „Glaubenslehre " (insbesonder e § 132) schärft de n große n Unterschied zwische n de n Testamente n ein . Nu r durc h bewußt e ode r unbe wußte Umdeutunge n könn e au s de n Prophete n un d Psalme n Christliche s her ausgelesen werden . Ähnlic h hatt e scho n di e „Kurz e Darstellun g de s theolo gischen Studiums " von 1811 (§115 ) den „jüdische n Kanon " nich t als Bestand teil de r christliche n Bibe l anerkannt . De r faktisch-historisch e Zusammenhan g von Judentu m un d Christentu m wir d nich t geleugnet ; da ß di e Kirch e da s Alt e Testament al s Erb e übernah m un d zunächs t auc h nich t umhi n konnte , diese s Erbe anzutreten , wir d anerkannt . Abe r ebens o deutlic h erkenn t Schleier macher, da ß de r historisch e Zusammenhan g keinesweg s scho n theologisch e Begründung un d Rechtfertigun g gegenwärtige r Anerkennun g de s Alten Testa ments al s heiliger Schrif t de r Christenhei t bedeute n kan n (§ 13 2 der Glaubens lehre). Man kan n Schleiermache r mi t einigem Rech t Mange l a n eigenständige r Kenntnis de s Alte n Testament s un d de r Orientalisti k vorwerfe n un d sei n idealistisches Verständni s vo n Religio n al s weni g adäquate n Schlüsse l zu r In terpretation de s Alte n Testament s bemängel n - das änder t abe r nicht s a n de r grundsätzlichen Berechtigung , nac h de r theologisc h gültige n Begründun g de r christlichen Rezeptio n un d Verwendun g de s Alte n Testament s z u frage n un d den tatsächlic h vorgegebene n historische n Zusammenhan g nich t als zureichen 9 Gunneweg, Verstehe n
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Das Alte Testament al s Dokument einer Fremdreligio n
den Grun d z u akzeptieren . I n diese r Hinsich t sollt e Schleiermache r eine n kritischen Geis t geweck t haben , der , wen n e r da s Alt e Testamen t ander s un d höher schätzt , al s e s Schleiermache r tat , un d e s ga r al s Tei l de s christliche n Kanons beibehalten will , Rechenschaf t übe r diese s sein hermeneutische s Urtei l abzulegen vermag . Unbeantwortete un d verdrängt e Frage n pflege n dest o heftiger wiede r aufzu brechen. Di e weit übe r Schleiermache r hinausgehend e Polemi k eine s Friedric h Delitzsch (1850-1922), der 1902 durch eine n Vortra g zu m Them a Babe l un d Bibel de n sogenannte n Babel-Bibel-Strei t auslöste , is t al s ei n solche r Aufbruc h und Aufschre i z u verstehen . Auc h hier , ähnlic h wi e be i Schleiermacher , is t nicht di e Frag e wesentlich , o b Delitzsc h sic h i n de r Beurteilun g de s Verhält nisses vo n „Babe l un d Bibel" , als o i n de r Einschätzun g de s gemeinorienta lisch-babylonischen Einflusse s un d de r israelitisch-jüdische n Eigenständigkei t getäuscht hat . E r hat zweifello s übertriebe n un d es seinen Gegner n durc h sein e Übertreibungen un d Verzerrungen , auc h durc h sein e einseitig e Gehässigkei t eigentlich z u leich t gemacht . Wesentlic h is t vielmehr , da ß e r i n seine m zwei bändigen Wer k „Di e große Täuschung" , da s 1920-1921 erschien - 192 1 veröffentlichte auc h Harnac k sei n Marcion-Buch ! - , quasi al s intelligente r Laie , kritisch un d ohn e kirchlich-dogmatisch e Voreingenommenhei t da s Alte Testa ment z u lese n unternimm t un d nu n mi t schonungslose r Offenhei t un d mög lichst detaillier t al l da s herausstellt, wa s de m christlichen Selbstverständni s zu widerläuft, widersprich t ode r al s unterchristlic h ode r auc h historisc h unhalt bar erscheint . Die Grausamkeiten un d Bluttaten, die im Josuabuch erzählt werden, fallen natürlic h ebenso in s Gewich t de r negative n Kriti k wi e di e politische n un d religionspolitische n Übergriffe de r älteren Propheten. Die ganze Darstellung der Sinaiereignisse in der Priesterschrift se i ein e einzig e Fälschun g un d Täuschung . Ein e Täuschun g se i auc h da s Deuteronomium, da s Mos e i n de n Mun d geleg t wird , abe r i n Wahrhei t da s Produk t einer viel späteren Zeit ist. Auch die fälschlicherweise christlicherseit s hochgeschätzte n Propheten seien , nüchter n betrachtet , nationalistisch e Fanatiker . Da ß vo n göttliche r Inspiration diese r Gestalte n nich t di e Red e sein könne , erhellt scho n au s de r Unmög lichkeit, daß derselbe Jahwe, dessen Propheten Jehu zur Revolution angestifte t hatten , dann doc h auc h de n Prophete n Hose a inspirier t habe n soll , de r Jehu s Tate n schar f verurteilte (vgl . 2.Kön.l0,3 0 mi t Hos . 1,4). Über de n jüdische n Partikularismu s un d Nationalismus führe n auc h di e Prophete n Delitzsc h zufolg e keine n Schrit t hinaus . Wenn de r Tempe l lau t Jes . 56,7 ein Hau s de s Gebet s fü r all e Völke r genann t wird , so sprech e sic h dari n kei n religiöse r Universalismus , sonder n di e Hoffnun g aus , all e Menschen möchte n eine s Tages Jude n werde n un d sich beschneide n lassen . De r Haß gegen di e Fremdvölker , wi e e r sic h i n de n viele n Völkerorakel n äußert , is t hie r als o keineswegs i n universal e Menschenlieb e verwandelt . Soga r di e Psalme n seie n nahez u ausnahmslos unterchristlich , si e kennte n kei n Lebe n nac h de m Tode , wi e e s für da s Christentum wesentlic h ist , un d ihr e Heilshoffnun g se i weitgehen d a n materielle n Dingen orientiert . Ps . 73,25-26, wo die Diesseitsgrenze ei n wenig überschritte n un d die Hoffnung au f ei n ewiges Leben mit Gott vernehmbar wird , se i nur die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Äußerungen des Hasses gegen Feinde und Gebete um Rache kommen wei t häufige r vo r al s solch e Stellen , di e vereinzel t auc h vo n Christe n nach gesprochen werde n könnten . Kurzum : ma g da s Alt e Testamen t manch e sprachlich e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Fremdheit als Ärgernis und „Zuchtmeister"
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Schönheit habe n un d wichtig e religionsgeschichtlich e Informatione n bieten , al s Teil des christlichen Kanons könne es nicht in Betracht kommen. Eine bemerkenswerte Konsequen z aus dieser konsequenten Verwerfun g de s Alten Testaments is t offenbar unumgänglic h un d darum überhaup t lehrreich : wie Marcion zu m Stifter einer neuen Religion wurde, in der sich das Christusgeschehen in einen zeitlosen und geschichtslosen Mytho s verwandelte, wie für Schleiermacher Christu s zum ebenso geschichtsfernen Christusprinzi p zu werden drohte , wi e als o i n beide n Ausprägunge n eine s Christentumsverständ nisses, das vom Alten Testament Abschied nahm , dieser Verzicht die Christologie i n ihre m tiefste n Wese n tangierte , s o is t auc h Delitzsc h genötigt , da s überlieferte Jesus-Bil d z u korrigieren . Jesu s sol l ei n Galiläe r un d kei n Jud e gewesen sein . Hier wir d klar : vo m Judentum z u Jesus kan n - oder dar f - es keine Brück e geben. Die Idee vom arischen Jesu s ist geboren. Das Programm eines Christentum s ohn e Alte s Testamen t greift , wi e ma n sieht , auc h i n di e neutestamentliche Überlieferun g ein , wi e scho n Marcio n eine n gereinigte n Kanon zu entwerfen gezwunge n war. Diese Erkenntnis widerlegt freilich noc h nicht die gesamte Argumentation vo n Delitzsch und seinen Vorgängern. Wenn er e s sic h - wie ander e Polemike r vo r un d nac h ih m - in manche r Hinsich t zu leich t gemach t un d häufi g auc h di e Roll e de s gebildeten Laie n daz u miß braucht hat, gegen bessere s Fachwissen un d Verstehen Gründ e und Stoffe fü r seine Polemike n z u sammeln , s o wird hie r nichtsdestoweniger , versuch t ma n einmal vo m Polemischen , Überzogenen , Gehässige n un d Antisemitische n ab zusehen, in eindrucksvoller Weis e die Fremdheit un d damit doc h auch die Eigenständigkeit des Alten Testaments im Verhältnis zum Neuen zur Darstellung gebracht. Wa s de r Lai e empfinde t ode r doch , läs e e r kritisc h un d christlich , empfinden müßte , ha t Delitzsc h - und se i e s au f sein e weni g erfreulich e Weise - ausgesprochen. Da s Unerfreulich e de r Ausdrucksweis e sollt e kei n Hindernis sein , di e Argument e z u studiere n un d darau f ein e Antwor t z u suchen. 3. Fremdheit als Ärgernis und „Zuchtmeister" Die historisch erkannt e Fremdhei t de s Alten Testaments kan n auc h theologisch fruchtba r gemach t werden . Emanuel Hirsch, de r hie r noc h einma l erwähnt werde n muß , geh t e s wi e Schleiermacher , Delitzsc h un d Harnac k nicht nu r u m di e Gesetzlichkei t de s Alten Testament s i m Verhältni s un d al s Gegensatz zu m Evangelium de s Neuen Testaments . In seinem ursprüngliche n Sinne ohn e christlich e Umdeutun g gelesen , stell t sic h da s Alt e Testamen t al s Dokument eine r andere n Religio n heraus , di e fü r Hirsc h i n ein e Lini e mi t anderen vor- und außerchristlichen Religione n rückt. Hirsch mach t mi t Rech t darau f aufmerksam , da ß da s Alt e Testamen t bishe r al s Buch der Kirche Anerkennung hauptsächlich deshalb finden konnte, weil es in großen Teilen christlic h umgedeute t z u werde n pflegte , jedoc h auc h wei l da s Christentu m selbst sein e ursprüngliche Reinhei t einbüßt e un d vom alttestamentlichen Gedanken 9*
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Das Alte Testament als Dokument einer Fremdreligion
gut durchsetz t wurde . Erst dadurch se i di e Beibehaltung de s jüdischen Erbe s möglich geworden. Da ß di e Urgemeind e da s alttestamentlich e Erb e antrat , se i zuers t un d zu nächst ga r nich t Zugeständni s a n da s Judentu m gewesen , sonder n umgekehr t de r Versuch, da s Alt e Testamen t al s Weissagun g au f Christu s z u lese n un d dami t da s eigene Rech t und das jüdische Unrecht aus der Schrift z u beweisen. Ein solcher Beweis sei aber heute, zwei Jahrtausende danach , ebenso historisch unmöglich - die messianischen Weissagunge n sin d historisc h nich t au f Christu s z u beziehe n - wie theologisc h überflüssig. Diese richtig e historisch e Erkenntni s wir d nu n vo n Hirsc h i n ihre r theolo gischen Bedeutun g herausgestellt . I n seine r Schrif t „Da s Alt e Testamen t un d die Predig t de s Evangeliums " (1936, S.74) heiß t e s mit große r Klarheit : „Da s Kreuz Jes u Christ i ha t dies e Volksreligio n ebens o unte r da s göttlich e Nei n gestellt wi e all e andere n Nationalreligionen . Di e neutestamentlich e Vorstel lung vo m Gottesreic h un d vo m Erlöse r heb t di e alttestamentlich-jüdische radi kal auf . Dadurc h trete n christlic h Vol k un d Gemeinde , Volksgeset z un d heil bringender Gotteswill e auseinander , di e Dialekti k vo n Gottesreic h un d Welt reich gewinn t eine n anderen , alttestamentlich-jüdisc h vollkomme n unerhörte n Sinn, un d zugleic h stell t sic h da s Verhältni s de s einzelne n z u Got t nunmeh r rein au f de n persönlich empfangene n Glauben. " Nu r al s Gegenstoß und Ärger nis kan n da s Alt e Testamen t christlic h i n Betrach t kommen , abe r i n diese r dialektischen Bezogenhei t behäl t e s seine n Wert . S o kan n als o Hirsch , de r di e totale Gesetzlichkei t un d dami t di e völlig e Fremdhei t de r alttestamentliche n Religion au f da s stärkst e betont , doc h eine n christliche n Gebrauc h diese s unund vorchristliche n Buche s anerkennen , sofer n di e hie r exemplarisc h bezeugt e religiöse Haltun g faktisc h i n erschreckender Weis e auc h noc h di e von Christe n ist - diejenige Haltung , di e gerad e vo n de r Christusverkündigun g zerbroche n wird. Daß historisch e un d theologisch e Erwägunge n diese r Ar t leich t i n de n So g antisemitischer, politische r un d kirchenpolitische r Kämpf e un d Auseinander setzungen gerate n un d dan n vo n falsche r Seit e Applau s erhalte n könne n un d auch tatsächlic h erhielten , is t bekannt . Da s nötig t abe r gerad e zu r nachträg lichen sorgfältige n Prüfung , di e sic h vo n falsche r Polemi k un d vo n philosemi tischer Begeisterung , welch e au f theologisch e Schwärmere i hinausliefe , glei chermaßen fernhalte n sollte . Wohin di e Lini e Marcion-Morgan-Semler-Hegel Schleiermacher-Delitzsch-Harnack-Hirsch geführ t hat , dar f ni e wieder i n Ver gessenheit geraten ; dennoc h mu ß de r abgrundtief e rassistisch e un d religiös e Mißbrauch - der „abusus " - nicht notwendigerweis e i m „usus " mi t enthalte n sein: di e Erkenntnis vo n Fremdhei t un d auc h noc h vo n Gegensätzlichkei t mu ß ja nicht unbedingt z u Haß un d zu Mordgier führen ! Radikale historisch e Kriti k un d gut-lutherisch e Dogmati k könne n sic h ver söhnen un d Han d i n Han d da s hermeneutisch e Proble m de s Alten Testament s zu löse n versuchen . Al s ei n solche r Versuc h is t di e Positio n E.Hirsch s auc h zu werten . Ähnlic h kan n auc h Friedric h Baumgärte l nachdrücklic h feststellen : „Von unsere m heutige n Denke n au s is t fü r di e hermeneutisch e Frag e nich t eliminierbar di e Tatsache , da ß da s Alt e Testamen t Zeugni s au s einer Religio n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Fremdheit als Ärgernis und „Zuchtmeister"
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außerhalb de s Evangeliums , als o au s eine r fü r un s fremde n Religio n ist , di e geschichtlich gesehe n eine n andere n Or t ha t al s di e christlich e Religion " (Da s hermeneutische Proble m de s AT , 1954, bei Westermann , S . 125). Dennoch behält nac h Baumgärte l da s Alt e Testamen t fü r de n Christe n sein e Gültigkeit , und zwa r einmal , wei l hie r scho n di e „Grundverheißung" : „Ic h bi n de r Herr , dein Gott " ergeht , auc h wen n si e faktisc h vo n Israe l mißverstanden , verding licht un d verfälsch t wurde . Vo r alle m abe r gil t da s Alt e Testamen t deshal b auch noc h de n Christen , wei l dies e imme r wiede r i n di e vorchristlich e Hal tung des alttestamentlichen Mensche n zurückfallen . So kan n e s heißen : ... „uns Christen , di e wi r unte r de r Verheißun g i n Christu s ,sein eigen sein' sind, ist das alttestamentliche Wor t gegenwärtiges, uns meinendes und uns treffende s Wor t Gottes , un d di e Heils-Unheilsgeschicht e de s alttestamentliche n Volkes is t unser e eigen e Heils-Unheilsgeschichte.. . Da ß un s trot z de r fü r un s abge tanen Gebundenheit ihr e Zeugnisse existentiell treffen , wi r uns unter ihnen als o in die alttestamentliche Situation zurückgedrängt finden, muß uns tiefer beugen als die, denen doch der neue Bund verbürgt ist" (Verheißung, S.65). Auf ähnlich e Weis e versucht e auc h Fran z Hess e di e Gültigkei t de s Alte n Testa ments trotz seiner Fremdhei t z u begründen. Auch bei ihm heißt es: „Di e alttestament liche Religio n is t etwa s qualitati v andere s al s de r Glaub e de s Neue n Testaments . Im Glauben Israel s und im Christentum habe n wir wesensverschiedene Religione n vo r uns" (Zu r Frage der Wertung und Geltung alttestamentlicher Texte, 1959, bei Westermann, S.281 ; ähnlic h in : Da s Alt e Testamen t al s Buc h de r Kirche , 1966, hier abe r etwas wenige r schroff) . Abe r wi e fü r Baumgärte l beanspruch t auc h fü r Hess e da s „ganze uns aus dem Alten Testament hie r ansprechende Wor t Gottes... Geltung, auch da, w o e s uns di e ,Verstockungslinie ' erkenne n läßt.. . Geltun g beanspruch t es , wei l und insofer n e s uns warnt , de n We g de s Irrtum s un d de s Ungehorsam s de s alttesta mentlichen Mensche n mitzugehen , vo n dem da s Alte Testament auc h scho n vielfälti g Zeugnis ablegt " (Zu r Frag e usw. , S.289f. ; ähnlic h Da s Alte Testamen t al s Buc h de r Kirche, S. 152 u.ö.). Schließlich mu ß hier Rudol f Bultman n genann t werden . I n seinem wichtige n Aufsatz „Weissagun g un d Erfüllung " (1949) weist e r zunächs t di e Ar t un d Weise, wi e i m Neue n Testamen t mi t Hilf e de s Alte n Testament s de r Weissa gungsbeweis geführ t wird , al s heute nich t meh r möglic h nac h un d knüpft dan n positiv a n de n Erlange r Hofman n a n (s.u . S . 151 f.), desse n These , da ß nich t so sehr einzeln e Wort e de s Alten Testament s Weissagunge n sind , sonder n da ß die Geschicht e weissagende n Charakte r hat , Bultman n aufgreift . Dies e Thes e wird vo n ih m dan n dahingehen d modifiziert , da ß di e Geschicht e Israel s i n ihren wesentliche n Aspekte n - als Geschichte de s Bundesvolkes, al s Geschicht e unter de r Königsherrschaf t Gotte s un d al s di e de s Gottesvolke s - Weissagung sei „i n ihrem innere n Widerspruch , i n ihrem Scheitern " (a.a.O. , S. 183). Damit erfüllt da s Alte Testament insgesam t sein e Funktio n al s Gesetz: „Interpretiere n wir di e alttestamentlich e Geschicht e i n diese m Sinne , s o folge n wi r de r pau linischen Interpretatio n de s Gesetzes . Da s Geset z is t de r Zuchtmeiste r bi s z u Christus (Gal.3,24) , wei l e s de n Mensche n in s Scheiter n führte " (a.a.O. , S. 185). Freilich kan n nac h Bultman n alle s Geset z un d jed e sittlich e Forderun g diese Funktio n auc h übernehmen : „E s kan n als o nu r pädagogisch e Gründ e
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Das Alte Testament al s Dokument einer Fremdreligio n
haben, wen n i n de r christliche n Kirch e gerad e da s Alt e Testamen t benutz t wird, u m de m Mensche n zu m Bewußtsei n z u bringen , da ß e r unte r Gotte s Forderung steht..." (Di e Bedeutung de s Alten Testaments für den christliche n Glauben, 1933, S.321). Wie insbesondere Bultmann deutlich macht, wird die Fremdheit der alttestamentlichen Religion , welch e dere n Urkund e — das Alte Testament - den sonstigen Dokumente n de r außerchristliche n Religionsgeschicht e zuzurechne n ermöglicht un d nötigt , theologisc h al s Geset z interpretiert . Al s Geset z wir d dann da s fremd e Alt e Testamen t wiede r i n di e Dialekti k vo n Geset z un d Evangelium heimgeholt und als notwendiger Teil des Kanons anerkannt. Diese Notwendigkeit is t bei Bultmann nu r noch eine „pädagogische" , wei l i m Prinzip alle s un d jede s Geset z di e gleich e Funktio n übernehme n kann . Dami t wiederholt sic h als o di e bereit s gestellt e Frage , o b di e Religio n de s Alte n Testaments wirklich angemesse n al s „Gesetz" - in jene m engen, theologischen Sinne - verstanden werde n könn e und ob die Situation de s alttestamentliche n Menschen christlic h nu r al s di e de s Scheiterns interpretier t werde n dürfe . S o richtig Bultman n di e Aporie n aufgezeig t hat , i n di e sic h Israel , sofer n e s al s dieses empirisch e Vol k ode r al s dies e vorfindlich e Religionsgemeinschaf t da s ebenso vorfindliche Gottesvol k innerweltlich realisiere n wollte, verstrickte, sowenig läß t sic h doc h da s ganz e Alt e Testamen t eine m auc h noc h s o wei t gefaßten Begrif f de s Gesetze s unterordnen . Ebe n deswege n biete t da s Alt e Testament, noc h ganz abgesehe n davon , da ß es nicht nu r Geschichte erzählt , auch nich t ausschließlic h ein e Geschicht e de s Scheiterns . Di e Aporien , di e Bultmann eindrucksvol l nachzeichnet , wurde n bereit s inneralttestamentlic h erkannt, un d e s wurde n Ausweg e angebahnt . Un d nich t alles , wa s al s dies seitiges und dingliches Heilsgut geglaubt wird , ist ob seiner Diesseitigkeit zum Scheitern verurteil t ode r al s Verfälschun g de r „Grundverheißung " z u brand marken. Dies e Überlegunge n leite n übe r z u eine r Metakriti k de r a m Alte n Testament geübten Kritik. 4. Kritik der Kritik am Alten Testamen t Daß überhaup t di e Einsich t i n di e Eigenständigkei t de s Alte n Testament s nicht immer auch zu seiner Abwertung un d Ablehnung führen muß , lehrt insbesondere die Arbeit der Religionsgeschichtlichen Schule . Wo die Grenzen des bloß Rationalen un d Rationalistischen un d der aufklärerischen Mora l gesehen werden un d ei n unbefangene r Sin n fü r Historische s erwach t ist , kan n ma n mit de r Religionsgeschichtliche n Schul e durchau s da s Urtümlich e un d Ur wüchsige alte r Volkssage n bewundern , sic h hineinzuversetze n versuche n i n Jubel un d Klag e de r Psalmisten , da s hoh e un d streng e Etho s de r Prophete n als vorbildlic h preisen . Freilich : bleib t auc h fü r dies e Betrachtungsweis e da s Alte Testamen t nich t ei n fremdreligiöse s Dokument , da s nich t al s heilig e Schrift i m strenge n Sinn e gesehe n un d nich t al s Zeugni s fü r di e Gegenwar t gehört, vielmehr i n seinem eigene n Anspruc h - „so spricht de r Herr" - nicht mehr ernst genommen un d gar überhaup t nich t vernommen wird ? Ma n kan n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Kritik der Kritik am Alten Testament
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diese Frage , wen n ma n si e präzis e stellt , nu r mi t eine m ebens o präzise n Nei n beantworten. Da s Alt e Testamen t wir d fü r solch e Betrachtungsweis e z u eine r „Quelle", au s der eine vergangene Religio n rekonstruier t wird . Diesen Modu s de s Verstehen s kan n ma n mi t H.-G.Gadame r folgendermaße n um schreiben: „De r Text, der historisch verstanden wird, wird aus dem Anspruch, Wahres zu sagen , förmlic h herausgedrängt . I n de m ma n di e Überlieferun g vo m historische n Standpunkt au s sieht , d.h . sic h i n di e historisch e Situatio n versetz t un d de n histori schen Horizont zu rekonstruieren sucht , meint man zu verstehen. In Wahrheit hat man den Anspruc h grundsätzlic h aufgegeben , i n de r Überlieferun g fü r eine n selbe r gültig e und verständlich e Wahrhei t z u finden. Solch e Anerkennung de r Andersheit de s anderen, di e dieselb e zu m Gegenstand e objektive r Erkenntni s macht , is t insofer n ein e grundsätzliche Suspension seines Anspruchs" (Wahrheit und Methode, S.287). Die Reaktio n de r Dialektische n Theologi e au f di e historisch-kritisch e Ver fremdung de s Alte n Testament s un d de r Schrif t überhaup t un d Kar l Barth s energischer Versuch , „zu r Sache " zurückzukehre n un d gleichsa m ohn e Rück sicht au f historisch e Verlust e un d Gewinn e di e Schrif t Alte n un d Neuen Testa ments al s Zeugni s vo n Gotte s heut e ergehende m un d angehende m Wor t z u lesen, wär e ohn e de n nachhaltige n Widerhal l geblieben , wen n nich t da s Unbe hagen a n eine r Historie , di e nu r noc h verfremden d i n fremd e Fern e rück t un d allenfalls de m historisch-ästhetische n un d neuRömantische n Sin n einig e Befrie digung schenkt , überau s groß gewesen wäre . Insbesondere auc h da s vo n Barth s Gefolgsman n Wilhel m Vische r geschrie bene Buc h „Da s Christuszeugni s de s Alten Testaments " (2 Bde., 1934/1942), das Barth s Ansat z i n di e Praxi s de r Auslegun g umzusetze n versuchte , hatt e vor allem auc h in der Pfarrerschaft — große Wirkung . Vischer behauptete die für die christliche Kirche lebensnotwendige Einheit der Testamente un d ei n Verständni s de r Bibel , da s ihre n Anspruch , heut e Gültige s z u sagen , gerade nich t aufhebt , sonder n vernehmba r z u mache n bestreb t ist . Vo n de m Grund satz ausgehend , da ß di e Messiashoffnun g fü r Jude n un d Christe n gleichermaße n di e Mitte de s Alte n Testament s is t un d daß , wen n Jesu s wirklich , wi e e s de r christlich e Glaube glaubt , de r Messias-Christu s war , da s Alt e Testamen t zusamme n mi t de m Neuen Testamen t di e Schrif t de r Kirch e sei , wir d da s Alte Testament au f da s „Chri stuszeugnis" hin ausgelegt . Da ß diese Auslegung findet , wa s die Auslegungsprämisse n zuvor hineingelegt hatten, versteht sich. Vischers Buc h wa r vo n Anfan g a n umstritten , un d di e Unhaltbarkei t un d Undurchführbarkeit seine s Verfahren s lasse n sic h vo m Standpunk t de r histo risch-kritischen Method e unschwe r herausstellen . Vische r macht e es , wie um gekehrt un d doc h ähnlic h ei n Friedric h Delitzsch , de n Gegner n eigentlic h z u leicht. Doc h leichtferti g dar f ma n eine n solche n Versuc h nich t beiseit e schie ben: Sollt e den n wirklic h di e imme r schroffer e Forme n annehmend e Ableh nung de s Alte n Testament s ode r abe r di e wissenschaftlich-vornehm e Distan zierung vo n de n brennende n Frage n nac h Bedeutsamkeit , Geltun g un d Prädi kabilität di e einzi g möglieb e Alternativ e bleiben ? Vische r antwortet e darau f mit seine m Buch , da s de n Wille n bekundete , da s Alt e Testamen t au s seine r Fremdheit zurückzuholen , seine n Anspruc h un d Zuspruc h z u höre n un d di e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Dokument eine r Fremdrcligio n
gegenwärtige Bedeutsamkei t de s biblischen Zeugnisse s neu auszusagen. Dies e Reaktion au f da s wissenschaftliche un d unwissenschaftliche Nei n un d auf di e quasi-objektive Unverbindlichkei t bloße r Histori e wa r notwendig . Dennoc h gilt, da ß di e Geschicht e un d s o auch di e Geschicht e de r Wissenschaf t unum kehrbar ist . Man kan n wie Barth zwa r in einer Kirchlichen Dogmati k thetisc h behaupten - und dan n danac h tu n -, daß da s Alt e Testamen t da s Buc h de r Vorzeit un d desjenigen Zeugnisse s sei , da s Christu s erwarte, un d darum vom Neuen nu r al s da s Vorhe r vo n de m Nachhe r de r Erfüllun g verschiede n se i (KD I 2, S.77ff.), abe r das löscht ja nich t wie mit einem Federstric h di e nicht zu bezweifelnde n Ergebniss e de r historische n Arbei t vo n mehrere n Jahrhun derten mitsam t ihre n theologische n Implikatione n aus . Vielleich t ware n di e Versuche von Barth, Vischer u.a., die , wie man immer wieder betonte, angeblich stet s nu r relati v sichere n Resultat e de r historische n Wissenschaft , sofer n sie nicht i n di e christologisch e un d sons t dogmatisch e Lini e paßten , z u über springen ode r z u bagatellisieren , i n de r konkrete n Situatio n de r Zei t not wendig. Da s wa r dan n ein e tragisch e Notwendigkeit , dere n Tragi k ers t di e Zukunft gan z offenbarte , abe r auc h scho n manch e Zeitgenosse n ahnten : al s mit de m Kamp f gege n de n Nationalsozialismu s auc h di e Kampfbegeisterun g nachließ un d nac h de m kühne n Höhenflu g christliche r un d christologische r Interpretationen wiede r di e Niederun g de s irdische n Landes , da s Israe l un d nicht de r Kirch e verheiße n war , mi t seine m irdische n Heil , seine r nationale n Hoffnung, seine r partikulare n Theokratie , seine n ungelöste n Aporie n un d unendlichen Tragödien , kurzu m da s Alt e Testamen t al s da s Alt e i n Sich t kam, mußte n di e alte n Fragen , di e wiede r einma l verdräng t un d nich t gelös t waren, erneut auf die Tagesordnung kommen. Damit stell t sic h di e Aufgabe , di e Gründe , welch e gege n da s israelitisch jüdische Alt e Testamen t al s heilig e Schrif t de r christliche n Kirch e spreche n oder z u spreche n scheinen , noc h einma l zusammenzustelle n un d historisc h und theologisc h sorgfälti g z u prüfen . Z u diese r Sorgfal t gehör t zunächs t di e Feststellung, da ß de r nich t z u bezweifelnd e historisch e Zusammenhan g vo n Altem und Neuem Testament un d von Judentum un d Christentum heut e kein Grund meh r fü r di e kirchlich e Anerkennun g jene s alte n Erbe s sei n kann : historische Verbindungslinien un d Bindungen dürfe n mi t normativer Verbindlichkeit nich t verwechsel t werden . E s ist ferne r zwa r richtig , daß , wie imme r wieder hervorgehobe n wird , da s Neu e Testamen t ohn e da s Alt e Testamen t nicht vol l verständlic h ist . Tatsächlic h werde n etw a di e meiste n Hoheitstite l Jesu, de r Begrif f de r Gottesherrschaf t un d überhaup t di e religiös e Begriffs und Vorstellungswel t de s Neue n Testament s ers t konkre t faßbar , wen n di e Herkunft au s dem Alten mitbedacht wird. Ein theologisches Wörterbuch zu m Neuen Testamen t is t ohn e alttestamentliche n Vorba u nich t denkbar ! Abe r so richti g solch e Erwägunge n sind , auc h si e vermöge n ein e kanonisch e Ver bindlichkeit diese r Schriftensammlun g nich t z u begründen . Verständlic h wird da s Neu e Testamen t j a auc h nich t nu r vo m Alte n her , sonder n ers t i m Horizont de r antike n hellenistische n Wel t un d de s griechisch-orientalische n Synkretismus kan n e s historisc h rech t verstande n werden , wi e ebens o auc h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Kritik de r Kritik am Alten Testamen t
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das Alt e Testamen t wiede r nu r al s ein e spezifisch e Ausprägun g altorientali scher Religiosität un d Weltanschauung i n einer vielfältigen Verflochtenhei t mi t der Umwel t historisc h rech t betrachte t werde n kann . Wa s zu m Verständni s beiträgt ode r dafü r unabdingba r ist , is t zwa r fü r heutig e Erkenntni s vo n großer Bedeutung, ha t deshalb abe r noch lange keine kanonische Gültigkeit . Wissenschaftliche Sorgfal t verma g woh l auc h z u unterscheiden , welch e gegen di e Geltung de s Alten Testament s vorgebrachte n Argument e bloß e Polemik un d ohn e wissenschaftlic h erns t z u nehmende n Wer t sind . Hierhe r gehör t die Behauptun g eine r kulturellen , religiöse n un d rassische n Minderwertigkei t im Vergleic h z u Ariertum , Griechentum , Christentu m ode r auc h zu r panbaby lonischen Hochkultur . Gan z abgesehe n davon , da ß solch e Urteil e subjektiv e Bewertungen sind : di e religiös e un d kulturell e Eigenständigkei t de r alttesta mentlichen Schriftensammlun g kan n heut e trot z weiter un d tiefe r Verflochten heit mi t un d auc h Abhängigkei t vo n de r außerisraelitische n Umwel t i m Erns t nicht i n Zweife l gezoge n werden . Ei n Wer k wi e da s Hiob-Buc h verdien t nich t weniger, zu r große n Weltliteratu r gerechne t z u werde n al s etw a di e Epe n Homers. Di e sprachgewaltige n un d vo m strenge n Wille n zu r Gerechtigkei t getriebenen Prophete n sin d mi t ihre r schroffen Kriti k a m eigene n Vol k un d a m eigenen Staa t unbeschade t mancherle i Parallelerscheinunge n doc h ein e einma lige Erscheinun g i m ganze n Alte n Orient . Un d obwoh l Israel s Gesetzgebun g für eine n moderne n europäische n un d freiheitliche n Rechtsstaa t gewi ß nich t geeignet ist , s o sin d doc h auc h hie r de r sittlich e Ernst , de r sozial e Zug , ins besondere auc h di e keusch e Sche u i n geschlechtliche n Dinge n unverkennba r und i m positive n Sinn e beispielhaft . I n große r Tief e wir d i n de n erste n el f Kapiteln de s erste n Buche s Mos e menschlich e Schul d ausgelote t un d i n klas sisch gewordenen Bilder n anschaulic h gemacht ; auc h hierz u enthäl t di e Litera tur de r andere n Völke r i n Israel s Umwel t kein e wirklic h vergleichbare n Paral lelen. Auc h dor t noch , w o Israel s Abhängigkei t vo n großen , fremde n Vorbil dern mi t Hände n z u greife n is t - wie i n de r Sintflutgeschicht e - , ist doc h di e assimilierende, umgestaltend e un d au s de m Überkommene n Neue s schaffend e Kraft unverkennbar . Solch e Beispiel e ließe n sic h beliebi g vermehren . Freilic h könnten auc h sie , s o fü r sic h genommen , woh l di e polemisch e Behauptun g mangelnder Originalitä t un d Minderwertigkei t widerlegen , nich t abe r di e Gel tung de s Alten Testament s begründen . Beruh t doc h da s kanonisch e Ansehe n auch de s Neue n Testament s - nicht au f de m wirkliche n ode r vermeintliche n Kulturwert! Auch da s imme r wiede r auftauchend e un d vo n Fr . Delitzsch geradez u zu m durchgehenden Them a erhoben e Argumen t de r „Täuschung " un d de s from men ode r unfromme n Betrug s bedar f keine r ausführliche n Widerlegung , zu mal e s von Delitzsc h gewissermaße n laienhaft , abe r wide r bessere s Wisse n in s Feld geführ t wurde . Hie r is t au f di e Anonymitä t de r meiste n alttestament lichen Schrifte n z u verweisen , di e selbs t ga r nich t da s geistig e Eigentu m be stimmter namentlic h genannte r Autore n sei n wollen un d ein Urheberrech t un d Recht au f geistige s Eigentu m ga r nich t kennen . De r Pentateuch, aber auc h di e Prophetenbücher un d di e historische n Schrifte n entstamme n nich t de r Fede r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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je eines einzigen Autors ; si e sin d i n ihrer jetzige n Gestal t da s endlich fixiert e Ergebnis komplizierte r mündliche r un d schriftliche r Überlieferungsprozesse . Die einma l Gemeingu t geworden e Vorstellun g eine r kanonische n Zei t de r Gesetzesverkündigung durc h Mose nötigte, in der Sinaiperikope un d in deren Umgebung alle s gesetzlich e Materia l literarisc h unterzubringen , da s i n Israe l als Gottesrecht Geltun g habe n sollte . Wo kein Betrüge r un d kein Betrogener , ist es betrügerisch, von Betrug z u reden. Dasselbe gilt auc h für di e Prophetenbücher. Si e tragen zwa r di e Namen bestimmte r Prophetengestalten , sin d aber das literarisch e Erzeugni s vo n ganze n Prophetenschule n un d Tradentenkrei sen, di e i m Name n de r Prophete n dere n Verkündigun g sammelte n un d di e Sammlungen i m Lauf e manchma l vo n Jahrhunderte n au s de m Eigene n un d um fremd e Stoff e bereicherten . Sammelt e ma n doc h nich t au s Interess e a m Historischen un d nich t u m da s geistig e Erb e de r Prophete n unveränder t fü r die Zukunf t z u erhalten , sonder n di e aktuell e Bedeutsamkei t fü r Gegenwar t und Zukunf t wa r de r Impuls zur Sammlung und Umgestaltung. We r hier von Betrug spricht, verkennt den wirklichen historische n Horizont und die wahren Interessen un d Intentione n de r Tradenten . Un d wen n Weisheitsbüche r de m weisen Köni g Salom o zugeschriebe n werden , s o nicht u m durc h solc h from men Betru g de m Inhal t diese r Schrifte n nachträglic h königlich e Geltun g z u verschaffen, sonder n wei l längs t i m hohe n Ansehe n stehend e weisheitlich e Überlieferung, wi e ma n meinte , i n eine r Verbindun g mi t de m al s Weise n gerühmten Förderer der Weisheitsschule stehen müsse. Eher schon stich t al s Argument gege n da s Alte Testament de r Verweis au f die mancherle i Grausamkeiten , di e i m Name n de s Gotte s Israel s begange n oder doc h angeordne t wurden . Hierübe r un d übe r dere n Hintergründ e wa r oben bereit s i m Zusammenhan g mi t Erörterunge n übe r da s Geset z un d di e Theokratie Israel s di e Rede . Da ß hier i n de r Tat bedenklich e Schranke n un d Aspekte sichtbar geworden sind , wurde ebenfalls bereit s gesagt und sollte den Kritikern offe n zugestande n un d nich t verharmlos t werden . Abe r auc h die s sollte deutlic h geworde n sein , da ß jene r Aspek t vo n Geset z un d Theokrati e nicht de r einzi g möglich e un d legitim e Schlüsse l ist , mi t de m sic h da s Alt e Testament de m Verständnis erschließen läßt . Neben und gegen die - übrigens ja auch nicht verwirklichte Ausrottun g de r Kanaanäer - steht der Universalismus etwa vo n Jes. 56,7, der nicht, wie Delitzsch behauptete , die zwangsweis e Beschneidung un d Judaisierung alle r NichtJuden fordert , sonder n den Tempel zum Bethau s fü r all e Völke r au f Erde n erklärt . Gege n ein e national-religiös e Engherzigkeit protestier t auc h da s Jona-Buc h mi t seine r Rüg e de s heilspar tikularistischen Prophete n Jon a un d seine m Zeugni s vo n eine m Gott , de r Erbarmen ha t mi t Ninive , „eine r s o große n Stadt , i n welche r sin d meh r al s hundertzwanzigtausend Mensche n un d daz u auc h noc h unschuldig e Tiere " (Jon.4,11). Man kan n verweise n au f da s Buc h Ruth , da s - allerdings woh l sekundär - die Davidsfamilie vo n der Moabiterin Rut h abstammen läßt (Rut h 4,17), und auc h sons t alle s ander e al s nationa l engherzi g denkt . Vo r alle m aber reih t di e Schöpfungs - un d Urgeschicht e vo n l.Mos e 1-11 Israel al s nu r ein Glie d i n die erschaffene Völkerwel t ei n un d läß t de n von der Menschhei t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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selbst heraufbeschworene n Fluc h vo n eine r universale n Segensverheißun g ohne Schranken (l.Mos e 12, 1ff.) übertroffen werden . Freilich, wie in Hinsicht auf Bun d und Gesetz kommt es auch hier nicht zur letzten Klarheit : Da s Vorrecht Israel s wir d nich t i n Frag e gestellt , Sege n erlange n „all e Geschlechte r auf Erden " nu r in ihrer positiven Beziehun g z u Israel. Worauf komm t es also letztlich an ? Welche s is t da s eigentlich e Zie l - das Hei l alle r Mensche n ode r dies gleichsa m al s Nebenproduk t zu m Wohlergehe n Israels ? Solch e Frage n führen au s vordergründige r Polemi k herau s un d gehe n au f da s eigentlich e Problem der Fremdheit zu. Zuvor muß jedoch noc h auf ei n anderes Stück anti-alttestamentliche r Pole mik eingegange n werden : di e sogenannten Rachepsalmen . D a ist zunächst zu bemerken, da ß e s di e Gattun g „Rachepsalm " nich t gibt . Woh l is t i n Klage psalmen de s öfteren vo n „Feinden " di e Rede , gegen di e Got t zu m Einschrei ten aufgeforder t wird . Auc h da s wir d bevorzug t al s Argumen t fü r di e haß erfüllte Minderwertigkei t alttestamentliche r Frömmigkei t angeführt . Obwoh l hier nich t de r Or t sei n kann , da s vie l erörtert e Phänome n de r Feind e i n den Klageliedern z u entfalten , sol l e s wenigsten s kur z in s recht e Lich t gerück t werden. Scho n da ß di e Red e vo n „Feinden " zu r gan z un d ga r stereotype n Sprache der Psalmen gehört , lehrt, daß keine individuellen, emotionalen Haß ausbrüche gege n bestimmte , konkre t al s Feind e gehaßt e Mensche n ode r ga r eine Menschengruppe vorliegen . Das Stereotype der Ausdrucksweise läß t vielmehr ebenso an stereotype negative Idealgestalten denken , die sich wie Gegenbilder idealtypisch vo m Beter unterscheiden und ihn von seinem Gott zu scheiden trachten. Wi e di e imme r wiede r beschworene n Wasserwoge n un d Flute n (etwa Ps.42,8) , wi e di e wilde n Tiere , Stiere , Büffel , Löwen , Hund e (z.B . Ps. 22,13 f.) sin d auc h di e „Feinde " Bil d un d Elemen t de s von Gott , de m Leben und de m Lebensrau m de r geordneten Schöpfun g trennende n Chaos : i n ihnen spiegeln sic h di e eigene n Ängst e un d Sorge n de r Bete r (s o mit Othma r Keel, Feinde un d Gottesleugner , 1969). Freilich sol l di e auc h hie r wiede r waltend e Ambivalenz vieler alttestamentlicher Aussagen nicht geleugnet werden. Gebete über un d gege n di e „Feinde " könne n auc h i m vordergründigen un d direkte n Sinne als Rachegelüste verstanden und gebetet werden. Täuschung un d Betrug , moralisch e un d religiös e Minderwertigkeit , Mord gier gegen Feinde und Rachegelüste sind Argumente gegen das Alte Testament, die, historisc h in s recht e Lich t gerückt , entwede r unschar f werde n un d nich t mehr stechen oder sich relativieren lassen, wenn anderes, Erfreulicheres, Helleres, Liebenswürdigeres, Höhere s und Tieferes di e Beachtung bekommt , di e es verdient. Man bedenk e nur, daß der angeblich so zornige Gott schlechter Gerechtigkeit des Alten Testaments immerhin bereit ist, wegen der zehn Gerechten ungezählt viele Böse zu verschonen. Wer diesen Gott kritisiert, sollte hinter solchem Erbarmen selbst nicht zurückbleiben un d nicht darob die Moral der alttestamentlichen Autore n tadeln, daß sie die Menschen und insbesondere ihre großen Helden und FRömmen nicht in Makellose und Bösewichter einteilen, sondern um die Zwischenfarben, di e Ambivalenz und die Mehrdeutigkei t alle s Menschliche n wissen . Da ß solche s Verstehe n nich t ohn e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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weiteres auc h Verzeihe n bedeutet , sollt e beachte t werden . Di e Ar t un d Weise , wi e Israels Nationalhelden , alle n vora n Davi d un d Salomo , geschildert werden , lehr t da s zur Genüge : Mor d un d Ehebruc h eine s große n Manne s gelte n hie r al s das , wa s si e sind: als Mord und Ehebruch. Und wer wollte eine solche kritische Einstellung für Vergangenheit un d Gegenwart al s normal un d typisch betrachten? Wenn der Jahwist sein Glaubensvorbild Abraha m zu m Lügne r i n de r No t werde n läß t (l.Mos e 12,11-13), meint da s keinesweg s ein e Billigun g diese s Verhaltens , wi e di e Fortsetzun g - die Gefährdung de r Ahnfra u un d dami t alle r Verheißunge n un d Segnunge n - ja zeigt . Diese Lüg e is t meh r als . bloß moralisc h anstößig , si e is t Unglaube , Mange l a n Ver trauen au f Gotte s ebe n ers t gegebene s Wor t un d führ t daru m i n di e Gefahr, alle s zu verlieren, was soeben als Verheißungsgut zugesprochen worden war. Schon der Elohist, der dasselbe auf sein e Weise erzählt, verstand e s falsch un d machte daraus eine moralische Geschichte (l.Mos e 20,12) -vielen Kritiker n alttestamentlicher Mora l und auch einigen mißverstehenden Alttestamentlern zum gültigen Vorbild. 5. Die Frage nach dem wahren Wese n Israel s Die obe n behandelte n Einwänd e gehöre n zumeis t i n di e Polemi k gege n da s Alte Testamen t ode r beruhe n zu m Tei l auc h au f mangelnde r Kenntni s histo rischer Zusammenhäng e un d de r Intentio n de r Texte , s o da ß si e ziemlic h leicht widerleg t ode r relativier t werde n können . Abe r ei n andere s Argumen t wiegt vie l schwerer . E s trägt gleichsa m all e andere n Bedenken , di e gege n ein e christlich-kanonische Gültigkei t erhobe n werde n können : gleichvie l o b mora lisch hoc h un d niedri g stehend , o b bewunder t ode r verachtet , gelieb t ode r gehaßt - ist nich t da s Alt e Testamen t überhaup t s o ode r s o Dokumen t eine r Fremdreligion, ei n Schriftenverzeichnis , nich t vo n de r Kirch e gesammelt , ein e Sammlung vo n Schriften , di e sam t un d sonder s vorchristlic h un d daru m vo m Christlichen unterschiede n sin d un d sic h partikula r au f Israe l beziehen ? Ebe n dieser Bezu g au f un d dies e Bindun g a n Israe l schließ t j a di e of t gerügt e Dies seitigkeit de r Heilsgüte r i m Unterschie d vo m Evangeliu m ein ; si e lege n di e nationalen un d manchma l nationalistische n Schranke n fest , di e nur ausnahms weise überschritte n werden ; si e bedinge n di e materiell e Gebundenhei t a n ei n bestimmtes Land , da s al s wichtigste s Heilsgu t auc h un d gerad e i n de r israeli tisch-jüdischen Spätzei t nich t preisgegeben un d gar al s endliche Erfüllun g alle r Sehnsucht un d Hoffnun g i n de r israelische n Gegenwar t verteidig t wird . Dies e konkreten un d materielle n Bindunge n könne n vo n Israel s Religio n nich t abge löst werden . We r si e al s verdinglichend e Verfälschun g de r reine n Gottesver heißung, di e au f ei n Lebe n mi t Gott , au f Gerechtigkei t un d Sohnschaf t geht , interpretiert, wi e e s Friedrich Baumgärte l (Verheißung , 1952) und Fran z Hess e (u.a. in : Da s Alt e Testamen t al s Buc h de r Kirche , 1966) wollten, erklär t und se i e s wider Wille n - damit Israel s Religio n faktisc h überhaup t al s ganz e zur „große n Täuschung" . Aber wen n da s Alt e Testament auc h nich t al s große Täuschun g ode r Selbst täuschung un d auc h nich t schlechterding s al s Buc h de s Scheitern s verstande n werden kann , sin d nich t jen e diesseitige n Konkret a vo n Vol k un d Lan d di e ebenso konkret e Schranke , di e da s Christentu m vo n jene r a n Vol k un d Lan d © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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gebundenen un d daru m un d dari n fremde n Religio n trennt ? Di e historisch e Erkenntnis der fremden Eigenständigkei t vo n Israels Religionsbildung, wi e sie sich i m Alte n Testamen t bekundet , is t unumkehrba r un d verbiete t jeglich e Umdeutung de r Texte , welch e ihne n ihr e fremd e Eigenständigkei t nähme . Dennoch is t hiermit noc h nicht das letzte Wort gesprochen. Vor allen Dingen ist damit noc h nicht ausgemacht, da ß die historische Wissenschaf t de n Ketzer Marcion mittlerweil e rehabilitier t hätte ! E s kommt vielmeh r darau f an , di e konkreten Inhalt e vo n Israel s Religio n au s ihre n eigenen , wechselnde n Hori zonten heraus zu erklären und zu verstehen. Die Interpretatio n setz t a m leichteste n dor t an , w o solch e Inhalt e al s gött liche Heilssetzunge n unmittelba r angesproche n un d faßba r werden . Da s is t zuerst in den Verheißungen de r Fall, welche di e Erzväter mit auf ihr e Wanderung bekommen . Al s älter e un d woh l zu m Urbestan d de r Vätertraditio n z u rechnende Inhalte begegnen hier Landbesitz und Nachkommenschaft (l.Mos e 12,1-3.7 J ; u.ö.) . Be i Ρ kommt noc h da s besonder e Bundesverhältni s mi t Gott hinzu (l.Mos e 17,1-8). Wenn e s richtig ist , mi t Albrecht Alt (De r Gott der Väter, 1934) die Väterreligion mi t ihren Kultstifter n un d Verheißungsträ gern fü r ein e Vorstuf e zu r Jahweverehrun g un d überhaup t zu r israelitische n Religion z u halte n - und dara n is t kau m Zweife l möglic h -, so begegne n bereits hier di e beide n konkrete n Inhalte , di e vo n d a a n Themen bleiben , um die das religiöse Leben und Denken in Israel kreist: Landbesitz und Nachkommenschaft, Lan d und Volk. Wenn es ferner richtig ist - und auch das ist kaum zu bezweifel n —, daß sich i n de n Erzählunge n übe r di e Wanderunge n de r Patriarchen i n Kanaa n ein e früh e Phas e de r Landnahm e spiegelt , s o lassen sic h beide Verheißungsinhalte unschwe r au s der Situation de r zwischen de r Steppe und de m Kulturland hi n und he r wandernden un d dan n auc h allmählic h sic h im Kulturland niederlassenden Halbnomaden interpretieren: Land ist Basis der Existenz fü r Mensc h un d Vieh ; we r selbs t Lan d hat , is t i m vollen Sinn e Per son und Bürger. Heißen noch heutzutage i n ländlichen, agrarische n Gegende n Menschen ohn e eigene s Lan d „gering e Leute" , s o gil t da s ers t rech t fü r di e antik-agrarischen Verhältniss e de r Patriarchenzeit , abe r ebens o auc h fü r di e späteren Epoche n de r Geschicht e Israels . Lan d is t be i diese m Denkhorizon t Grundlage de s Lebens , de s Menschsein s i m volle n Sinne , Ermöglichun g vo n konkreter Existen z sowoh l leiblic h wi e geisti g un d auc h rechtlich. Ebe n die s wird vo n dem Gott der Väter, späte r dan n vo m Gott Israels erhofft un d auch als von ihm geschenkt geglaubt. Di e Bindung a n ein bestimmtes Land ist folglich keine Einschränkung, sondern im Gegenteil: Chiffr e eine r Daseinshaltung , die das Dasein selbst von Gott erwartet und empfängt. Die Verheißung von Nachkommenschaft is t aus dem gleichen Denkhorizont heraus z u interpretieren. Da s Leben au f de m beste n un d fruchtbarsten Land e bliebe ohn e Nachkomme n ohn e Zukunft . We r ohn e Kin d un d insbesonder e ohne Soh n ist , mu ß wie Abraha m klagen : „Ic h gehe dahi n ohn e Kinder , un d ein Fremde r wir d mei n Hau s besitzen " (l.Mos e 15,2). Verleiht Landbesit z den Statu s de s Person - un d Bürgersein s i n de r Gegenwart , s o wir d i n de r Nachkommenschaft di e Zukunf t konkre t gesichert . Di e Zei t wir d entgrenzt , © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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und nun kann die Zukunft s o wenig gezählt werden wie die Sterne am Himmel und de r San d a m Mee r (l.Mos e 15,5; 13,16 ; 22,17) . Auch di e Entschrän kung auf eine unendliche Zukunft hi n wird von Gott erwartet und als von ihm geschenkt geglaubt. Sol l man solche Religiosität al s bloß diesseitig und irdisch bezeichnen? Gewi ß is t Israel s geschenkt e Erd e irdisc h un d is t di e Nachkom menschaft leiblic h un d de s Leibe s Frucht , un d doc h sin d di e Bezeichnunge n „bloß diesseitig " un d „nu r irdisch " nich t adäquat , wei l si e di e Totalitä t de s Daseins i n Gegenwar t un d alle r Zukunft , di e al s Wirklichkei t un d Möglich keit-von-Gott-her geglaub t wird , verkennen. Nicht der Glaube ist irdisch und diesseitig beschränkt , sonder n de r vorgegeben e Denkhorizon t vo n Kleinvieh nomaden un d vo n Bauer n is t noc h nich t weiter , al s Kleinviehnomade n un d Bauern i n eine m kleine n Land e blicke n können . Abe r innerhal b de s vorbe stimmten un d historisc h auc h allei n mögliche n Blickfelde s is t diese r Glaub e als solche r keinesweg s nu r au f irdisch e un d diesseitig e Teilaspekte , au f blo ß Leiblich-Minderwertiges un d stat t au f wahre s Hei l nu r au f Wohlergehe n gerichtet, sonder n umfassen d au f alle s überhaupt denkbar e Wohlergehen un d alles überhaup t vorstellbar e un d auc h scho n nich t meh r vorstellbar e Hei l wie Stern e a m Himme l un d wi e de r San d a m Meer . Diese r universal e Heils glaube wir d als o nich t a m End e un d ers t a m Rand e de s Alte n Testament s bezeugt, sonder n steh t a m Anfan g vo n Israels Geschichte un d war sogar , sofern di e Väterreligion mi t diesen ihren Inhalten noch nicht Israels Glaube und die Väterzeit erst ein Vorstadium z u Israels Geschichte ist, bereits vorgegeben, ehe Israel selbst so zu glauben vermochte . Paulus bedurfte als o keiner Typologese und erst recht keiner Allegorese, als er sein Verständnis von Glaube schon l.Mose 15 bezeugt fand (Röm. 4,1—3; Gal.3,6). Das Glaubenszeugnis ist freilich nich t meh r ers t vorisraelitisch , sonder n Bekundun g vo n Israel s eigene m Glauben. Wen n de r Priesterschrif t zufolg e Abraha m vo n Got t auc h di e Ver heißung eine s Bundes und eines besonderen Gottesverhältnisse s bekommt , s o ist dies e Erweiterun g bezeichnen d fü r di e seithe r geschehen e Horizonterwei terung: da s Blickfel d wurd e weiträumiger , di e theologisch e Reflexio n tiefe r und Got t rückt e ferna b i n ein e heilig e Unsichtbarkeit . Jetz t wir d da s Lebe n im Bunde mit ihm zu einem besonderen, „geistlichen " Heilsgut: De r Horizont weitet und verschiebt sich, das Heilsgut entfaltet sich. Man kan n di e Geschichte Israel s überhaup t al s fortwährende Horizontver änderung lesen , welche ebens o fortschreitende Traditionsprozesse , Entfaltun gen, Umgestaltungen , Aktualisierunge n un d Neuakzentuierungen auslös t un d bedingt, die doch alle, sofern si e genuin israelitisch sind , auf Land , Nachkommenschaft, Volk und Gottesverhältnis bezogen bleiben. Die Geschichte bringt abe r nicht nur Horizonterweiterungen, di e gleichsam zur tiefere n un d umgreifendere n Erfassun g de s Heils einladen , sonder n führ t auch i n di e Versuchung , geschenkte s Hei l Gotte s al s verfügbare n Besit z von Menschen z u verfälschen un d so zu verfehlen. De r Staat zumal , der einerseit s den Blick über den eigenen kleinen Acker und über die Hügel und Berge Israels hinweg freigab , der , vor allem i n Jerusalem, al s Einfallstor fü r kanaanäische s und dami t überhaup t orientalische s Gedanken - un d Kulturgut , neu e Geistes© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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räume erschloß, mußte andererseits zu einer solchen Anfechtung werden . Das Land, von Jahwe geschenkt, wird zum gesicherten Staatsterritorium; das Volk, aus Jahwe s Rettungstate n un d Segnunge n hervorgegangen , wir d zu m Staatsvolk, welches das Wohlergehen gemäß der Staatsräson organisiert; da s Gottesverhältnis scheint die Erwähltheit einer theokratisch-politischen Gemeinschaf t zu garantieren , dere n Zentru m - der Zio n - uneinnehmbar sei n soll . Dami t entstehen al l di e Diskrepanzen un d Aporien, di e in andere m Zusammenhan g schon skizziert worden sind. Die Idee des Davidsbundes, auf Grun d dessen der Jerusalemer Köni g als Adoptivsohn Gotte s regiert (2.Sam. 7), kann al s Versuch gewertet werden, die Unvereinbarkeit von Gottesvolk un d überhaupt vo n Leben au s der göttlichen Zusag e mit staatlicher Existen z gemä ß de r politischen Eigengesetzlichkei t z u überwinden , ohn e daß solche Bewältigung möglic h gewese n wäre . Dieses Königtum al s Mittlerinstanz zwischen Gott und Mensch, von Gott eingesetzt zur Führung der menschlich-staatlichen Geschäfte, leb t doc h i m Glänze seiner au s dem alten Orien t ererbten eigene n Göttlichkeit. De r Ide e nac h is t e s bestrebt , ein e allumfassend e Heils - un d Schöpfungs ordnung zu verwirklichen, un d doch muß dieses Streben auc h wieder nur eitel weltliche Politik genannt werden, wenn nicht gar das Königtum in der harten politischen Wirklichkeit überhaup t zum bloßen Politikum wird. So potenziert sich im Königtum Israels aporetische Existenz: Sohn Jahwes - „und Jahwe liebte ihn" (2.Sam. 12,24) -, aber diese r geliebt e Soh n Salom o lie ß treuest e Gefolgsleut e de s Vater s i m greise n Alter ermorden - religiöse Überhöhung brutaler Tyrannei? oder politische Perversion des Glaubens? oder beides? Wie be i de r Frage , o b da s Alt e Testamen t al s Geset z ode r al s Evangeliu m zu lese n sei , s o stellt sic h auc h jetz t di e Wirklichkeit wiede r al s komplizierte r heraus. Es läßt sich auch keine Entwicklungsgeschichte nachzeichnen , die vom reinen Abrahamglauben i n einer reinen „amphiktyonischen " Urgemeind e über David und Salomo bi s hin zu dem endlich vom Gericht hinweggefegten Zede kia al s ein e Geschicht e imme r tiefere n Abfall s un d Niedergang s verlaufe n wäre. Land und Volk sind für den Jahwisten ebens o wie für den orientalischen Despoten Salomo - sie sollen nach der Meinung Viele r Zeitgenosse n gewese n sein - Heilsgüter. Sin d si e die geschichtlich konkret e Ermöglichun g de s Heils als eine s Lebens au s der segnenden un d erlösenden Güt e Gottes oder sind sie selbst da s ei n fü r allema l erworben e un d nu n gehabte , verfügbar e un d z u behauptende Heilsgut? Nicht die irdische Wirklichkeit von Volk und Land, nicht die Sonderstellung und nicht die Diesseitigkeit, auc h nicht die Leiblichkeit von Milch und Honig, von Feigenbäumche n un d Weinstock , nich t da s Fröhlichsei n vo r de m Herr n sind Verfälschung de s Heils, sondern das ist die Frage, ob Israel immer erneut wie Abraha m auszieht , „wi e ih m de r Her r gesag t hatte " (l.Mos e 12, Iff.), Vaterland, Vol k und Sippe verläßt, bereit , alle n Besitz und alle Sicherung fah ren z u lassen un d sich nach vorne z u strecken, u m au s Gottes Hand da s Heil zu empfangen , bereit , Isaa k z u opfern , u m dan n doc h un d ers t s o Isaak un d mit ih m alle s Hei l i n Gegenwar t un d Zukunf t al s reines Geschen k wiede r zu bekommen (l.Mos e 22). © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament enthäl t gewiß solche Zeugnisse, die, obwohl de r Name des Christu s dari n nich t begegnet , ohn e Umdeutung , Allegores e ode r Typo logese al s gültig e Formulierun g un d Konkretisierun g de s christliche n Keryg mas verstande n werde n könne n - und i n de r Kirch e auc h imme r verstande n wurden -, in denen de r Christ , wi e scho n Paulus , sich unmittelbar wiederfin den und die er als Evangelium verstehen kann. Solchem Verständnis dient auch die historisch e Forschung : si e verfremdet nich t nur , inde m si e die historisch e Fremdheit aufdeckt , sonder n si e verma g auc h interpretieren d Verständni s zu wecken und Texte als Zeugnis „heimzuholen". Anderes bleibt ambivalent und mehrdeutige e s kann partikularistisch, nationalistisc h un d als Verfallenheit a n sichtbaren Erfolg und Lohn oder aber gerade als Überwindung solcher Schranken interpretier t werden . Is t etw a de r vo n Deuterojesaj a angekündigt e neu e Exodus eigentlich doc h nur die Restauration vo n Volk, Staat, Stad t und Tempel? Ist der hymnische Überschwan g diese r Verkündigung doc h nur Ausdruck eines extrem gesteigerten Nationalismus, der wie die von den großen Gerichtspropheten gerügte Heilsprophetie des Heiles und des sichtbaren Erfolges absolut siche r ist ? Ode r ring t i n diese m Überschwan g de s Gesangs um Ausdruck , was alle Worte übersteigt, „wa s kein Auge gesehen un d kein Ohr gehört hat " und was , irdisc h zwa r un d fü r Jerusale m erhofft , doc h alle s Irdische , alle s Nationale un d Partikulare transzendier t — und darum al s Zeugnis von dem in Christus eindeutig offenbarten Hei l verkündigt werden kann? Anderes wiederum is t eindeutig fremde de r Juden Sachsenspiegel , de r Israeliten Nationallite ratur mi t ihre n Höhepunkte n un d auc h Niederungen , mi t Erschreckendem , aber auc h - das dar f ebenfall s einma l erwähn t werde n - mit manche n amü santen Seiten . Und wer gelegentlich a n einem derben Spa ß Geschmack findet , der les e di e Geschicht e vo m listige n Jako b ode r e r ergötz e sich , wi e a n Til l Eulenspiegels lustige n Streichen , a m draufgängerische n Simson , wi e e r drei hundert Füchs e a n de n Schwänze n zusammenban d un d mi t brennende n Fackeln ins Korn der Philister jagte (Ri . 15): fürwahr, kei n christlicher Predigt text, abe r es muß ja nich t über alle s Alttestamentliche un d es muß überhaup t nicht immerzu gepredigt werden! Mit allede m wir d nich t „christlic h ausgelegt" , woh l abe r de r Maßsta b de s Christlichen angelegt , den n nu r danac h bemiß t sich , wa s frem d is t un d wa s nicht und was in die Mitte gerückt und was an den Rand versetzt wird. Ob Urkunde einer fremden Religio n ode r - zugleich auch - Zeugnis eigenen christlichen Glauben s un d de m Maßsta b de s Christliche n gewachse n - diese Frage läß t sic h somi t nich t s o ode r s o mi t Bezu g au f da s ganz e Alt e Testa ment, sonder n nu r i m Blic k au f konkret e Text e beantworten . Di e auc h hie r spürbar werdend e Ambivalen z de s Ganze n de s Alte n Testament s is t selbs t wieder Ausdruc k jene r Mehrdeutigkei t de r sic h Israe l nennende n Gemein schaft, dere n national e un d religiös e Literatu r zu m Kano n de r christliche n Kirche wurde: Israel , von Gott, der aus der Knechtschaft Ägypten s erlöst, in s Leben gerufen und konstituiert und doch Amphiktyonie unter Amphiktyonien, Volk und Staat unter Völkern un d Staaten, ethnisch-soziale Grupp e unter vielen andere n mi t eine r Nationalreligion , di e doc h all e partikulare n Schranke n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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überwinden kann . Abe r wan n is t Israe l Israel ? Wen n e s dies e Schranke n hinter sic h läß t un d auc h noc h ohn e Lan d un d Staa t existier t — reine Glau bensgemeinschaft un d „Kirche " - oder wen n e s dies e Schranke n al s di e geschichtliche un d unaufgebbar e Gestal t seine r eigene n Konkretwerdun g bejaht? Di e Bejahun g ode r Verneinun g diese r Frag e trenne n Israe l un d di e Kirche, lasse n da s Alt e Testamen t al s Dokumen t eine r fremden , nationale n Religion erscheine n ode r abe r al s Urkunde , au f di e sic h da s wahr e Israe l des Glaubens stützen kann. Damit ist die Frage nach der Fremdheit de s Alten Testaments, sowenig wi e früher di e nac h de r Gesetzlichkeit , nich t i n de n unkontrollierbare n Bereic h willkürlicher Bewertunge n abgeschoben . I m Gegenteil! Da s alle n Völker n z u verkündende Evangelium von der in Christus offenbarten freie n Gnad e Gottes ist, auch wenn es im Neuen Testament in mancherlei Formen, Formulierungen, Nuancierungen un d auc h Brechunge n bezeug t wird , nich t nu r fü r den , de r daran glaubt, ein eindeutiges Kriterium, ob, daran gemessen, alttestamentlich e Texte frem d sin d un d frem d bleibe n ode r abe r i m neuen Lich t ihr e Wahrhei t enthüllen, ihr e Fremdhei t verlieren , ihr e Schranke n übersteige n un d s o zu m Zeugnis von de m einen Got t werden, de r ein Vate r un d Herr übe r all e Men schen ist.
10 Gunneweg, Verstehe n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
VI. KAPITE L
Das Alte Testament als Geschichtsbuch 1. Göttliche und menschliche Heilsökonomi e War un d is t da s Alt e Testamen t ei n Erb e au s de r Zei t vo r Christus , s o la g und lieg t e s nahe, de n Stellenwer t de s Erbes als Vorstuf e z u bestimmen . S o ha t die Urgemeind e i n de r Ta t da s Alt e Testamen t verstanden . Wa r ih r da s Alt e Testament al s Geset z zumeis t Ansto ß un d Problem , al s Buch, das de n Christu s weissagt, de r nac h de r Schrif t gestorbe n un d auferstande n is t (l.Kor . 15,3f.), an de n di e Christe n glauben , abe r de n di e Jude n verworfe n haben , sol l e s al s Heilige Schrif t de r Kirch e un d ih r allei n rechtmäßi g gehören . Dami t beka m das Alt e Testamen t - für sic h betrachte t ohn e eindeuti g bestimmbar e Mitt e und nac h viele n Seite n hi n un d fü r mancherle i Interpretatione n offe n - eine andere Mitte , al s si e fü r da s Judentu m maßgeblic h geworde n war . Nich t zuerst un d zumeis t al s Gesetz , da s auc h noc h vo n de n Prophete n gepredig t und angewand t wird , al s welche s de r dreiteilig e hebräisch e Kano n sic h prä sentiert, auc h nich t al s Buch umfassende r Geschichtsdeutung , di e sic h vo n de n Uranfängen de r Menschhei t übe r di e Gegenwar t bi s i n di e erhofft e messia nische Zukunf t erstreckt , sonder n al s Schrif t erfüllte r Weissagun g un d Ver heißung wurd e da s Alt e Testamen t zu m Buc h de r Kirche . Diese s Verständni s macht da s Zeugni s de s Alte n Testament s zu r Vorstuf e fü r da s Christuszeug nis, da s di e Erfüllun g de s zuvo r Verheißene n un d Geweissagte n ansagt . Ty pisch is t ein e Stell e wi e Lk . 4 , 2 1 , wo Jesu s nac h eine m längere n Zita t au s dem Jesajabuch spricht : „Heut e is t diese Schrift erfüll t vo r euren Ohren. " Von de r noc h vorpaulinischen , als o seh r alte n Tradition , welch e Schrift gemäßheit de s Christusgeschehen s vo n Kreu z un d Auferstehun g (l.Kor . 15,3 f.) behauptet , bi s i n di e jüngste n Schichte n de s Neue n Testament s häl t sich diese s Verständni s de s Alte n Testament s durch , wen n auc h mi t erheb lichen Nuancierungen . Manch e i m Alte n Testamen t j a tatsächlic h enthalte nen Weissagungen , insbesonder e natürlic h di e messianische n Verheißungen , wie Jes . 9; 11 ; Mi. 5; Sach 9,9 u.a., di e Verheißun g eine s neue n Bunde s von Jer . 31,31-34, aber auc h Worte , di e ursprünglic h ga r nich t al s Zukunfts ansage gemein t waren , sonder n sic h au f eine n gegenwärtige n Köni g bezogen , dessen Inthronisatio n si e besinge n (Ps . 2; 11 0 u.a.), un d ander e Stelle n werde n gegen ihre n wahre n Sin n un d ga r gege n ihre n richtige n Wortlau t - etwa Jes. 7,14, wo de r hebräisch e Tex t vo n eine r junge n Frau , di e Septuagint a jedoch vo n eine r Jungfra u sprich t - nun zu m Bele g un d Bewei s dafür , da ß di e Schrift de n Christus verheißen un d vorhergesagt habe .
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Göttliche und menschliche Heilsökonomi e
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Auch di e - schon vo n Paulu s geübt e - typologische Interpretation , di e mit de r Relatio n vo n alttestamentliche n Type n un d christliche n ode r christo logischen Antitype n rechnet , versteh t da s Alt e Testamen t al s Vorstufe : di e Typoi sin d Präfiguratione n un d Vorausschattunge n dessen , wa s ers t i n Chri stus erfüll t wurde . Wi e di e Weissagunge n mi t Worte n de n Kommende n vor ausverkündigen, s o weise n Gestalten , Institutione n un d Ereigniss e de r Vor zeit durc h ihr e Existen z ode r durc h ih r Geschehe n au f da s Endereignis Jesu s Christus, da s si e vorausdarstellen . Ja , auc h noc h di e allegorisch e Auslegun g kann de n buchstäbliche n Sin n al s fü r di e Vorzei t Israel s gülti g gewese n anerkennen; diese r Vorstuf e gegenübe r erheb t di e Allegores e dan n de n tie feren, wahre n un d ebe n christliche n ode r christologiche n Sinn . S o rechne t der Hebräerbrie f mi t de r tatsächliche n Gültigkei t eine s „frühe r gegebene n Gebotes", das , wei l e s schwac h un d nutzlo s war , auße r Kraf t gesetz t wir d (Hebr. 7,18). Erst wen n di e Allegorese , wi e i m Barnabasbrie f (s.o . S.34) , einen wörtliche n Sin n überhaup t leugne t un d al s bloße s Mißverständni s de r unverständigen un d böse n Jude n disqualifiziert , komm t e s zu r meh r ode r weniger konsequenten Gleichschaltung von Altem und Neuem Testament. In de r Auseinandersetzun g mi t de m Judentu m wa r mi t de m Verständni s als Vorstuf e folgende s gewonnen : de r kirchlich e Anspruc h au f da s Alt e Testament schie n durc h di e behauptet e Erfüllun g de r zuvo r verkündigte n Weissagungen un d Verheißungen, de r zuvor geschehenen „Typen " und durch den jetz t ers t offenbarte n wahren , tiefere n un d geistliche n Sin n de r Schrif t gestützt. Abe r auc h di e Eigenständigkei t de s angetretene n alte n Erbe s i n seinem Verhältni s zu m Neue n un d Endgültige n un d daru m Unvergleich lichen de s Christusgeschehen s konnt e s o gewahrt bleiben : di e ererbt e Schrif t ist das „Alt e Testament", wi e die sich dann durchsetzende und zum Terminus technicus werdende Bezeichnung lautet (s.o. S.35ff.). Diese Verhältnisbestimmun g ermöglich t freilic h auc h ein e noc h differen ziertere Sicht . W o di e Auseinandersetzun g mi t de m Judentu m a n aktuellem Interesse verlier t un d nachläß t un d da s Alt e Testamen t zu m nich t meh r angefochtenen un d nich t meh r anfechtende n erste n Tei l de s christliche n Kanons wird , komm t auc h di e geschichtlich e Linie , di e vo m Alte n al s de m Früheren, Vorhergegangene n zu m Neue n al s de m Spätere n z u verlaufe n scheint, i n den Blick. So geht schon für Lukas die Zeit Israels der sich in Christus ereignende n „Mitt e de r Zeit " voraus , wi e ih r di e Zei t de r Kirch e folgt . Einem solche n Verständni s komm t da s Alte Testamen t selbs t entgegen . Ma g es auch al s „Geset z un d Propheten " bezeichne t werden , s o ist e s doch gewi ß nicht nu r Geset z un d nich t nu r Weissagung , sonder n auc h Geschichtserzählung, die vo n Ada m un d Ev a bi s kur z vo r Christ i Gebur t reicht . Dara n schließt sic h die Geschichte Jes u un d - bei Lukas - die Geschichte der Kirch e an. Au f diese r Lini e gib t e s ei n Vorhe r un d ei n Nachher , un d di e zeitlich e Folge kann als theologische Einordnung und Wertung verstanden werden., Es is t lehrreic h un d bezeichnend , da ß nich t di e Auseinandersetzun g mi t dem Judentum un d seinem Verständni s de r Schrift, sonder n de r Kampf gege n die Gnosis und gegen deren Ablehnung de s Alten Testaments und des „Juden 10* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
gottes" eine n solche n umfassende n Entwur f hervorbrachte , de r Alte s un d Neues Testamen t al s Urkund e eine s durchgehenden , vo n Got t gelenkte n Ge schichtsablaufes z u verstehe n versucht . De r Antignostike r Irenäu s ha t i m 2. Jahrhundert dies e Konzeptio n i n seine m Werk , da s de n Titel : „Entlarvun g und Widerlegun g de r fälschlic h sogenannte n Gnosis" trägt, ausgearbeitet . Nach ih m ha t derselb e Got t scho n i n graue r Vorzei t un d dan n besonder s i n der Geschicht e Israel s gehandelt , eh e e r sic h vol l un d universa l i n Christu s offenbarte. Da s Alt e Testamen t ist , s o betrachtet , nich t meh r nu r di e Vor stufe zu m Neuen , sonder n Urkund e eine r sic h stufenweis e ereignende n un d erstreckenden Heilsgeschichte . Dies e schreitet nac h Irenäu s von Stuf e z u Stufe , von Bun d z u Bund , vo n Ada m z u No.ah , z u Mose , zu m Neue n Bun d Christ i fort, i n de m da s Wor t (logos) sichtbar wird . De r paulinisch e Gedanke , da ß das Geset z Zuchtmeiste r au f Christu s hi n se i (Gal . 2,24), wird dahingehen d abgewandelt, da ß Got t überhaup t i n jene r lange n Geschicht e erzieherisc h habe handel n wollen , u m di e Mensche n endlic h zu m Empfan g de s wahre n Heils rei f un d mündi g z u machen . De m dient e vo r alle m auc h da s Gesetz , da s zuerst, auc h wege n de r Herzenshärt e de s Menschen , de n Gehorsa m gege n Gott erzwang , a n Gehorsa m gewöhnt e un d vo r Abfal l vo n Got t behütete , ehe de r Mensch , endlic h frei , al s Gotteskin d di e Offenbarun g Christ i emp fangen konnte . Hie r begegne t als o ein e umfassend e un d gedankenreiche , woh l abgerundete Konzeption , di e e s erlaub t un d plausibe l macht , da ß da s israeli tisch-jüdische Alt e Testamen t Buc h de r Kirch e is t un d de r Gnosis zum Trot z das auc h bleibe n muß . Da s Zeugni s vo n Christu s wir d dami t freilic h z u eine m Moment, un d se i e s auc h di e höchst e Stufe , eine s universalgeschichtliche n Ablaufs, de r al s solche r al s Handel n Gotte s verstande n wird . A n di e Stell e von Texte n mi t ihre m vo n Perikop e z u Perikop e j e konkrete n Zeugni s trit t eine durchgehend e Geschichtserzählung, in welche r jede r Stuf e nu r ei n rela tiver Stellenwer t i m Gesamtablau f zukommt . Di e scheinbar e Plausibilitä t dieses Entwurf s lie ß ih n nahez u zu r Normaltheologi e i n eine r Kirch e werden , in de r ohnehi n da s verkündigt e Wor t durc h sakramental e Heilsvergegen wärtigung verdräng t z u werde n begann , un d w o de r Ablau f de s Kirchen jahres un d de r Liturgie n de n Verlau f de r Heilsgeschicht e widerspiegelt e (s.o.S.42ff.). Aber auc h außerhal b kirchliche r Normaltheologi e wirkte n Gedanke n de s Irenäus weiter . Di e Ide e eine r Abfolg e vo n Bundesschlüsse n kehrt e vo r alle m in der reformierte n Theologi e (s.o . S.54f.) un d i n der danac h benannte n Föde raltheologie de s Cocceju s (s.o . S.58ff. ) wieder . Auc h da ß Got t i m kindliche n Alter de r Menschhei t sic h i n erzieherische r Absich t de r jeweilige n Entwick lungsstufe angepaß t - „akkommodiert" - habe, is t ei n häufi g geäußerte r Ge danke. Es wunder t nicht , da ß e r auc h i n de r Antiochenische n Schul e wiede r begegnet . Hier wandt e ma n sic h j a vo n de r de n Wortsin n überspielende n un d da s theologisch e und hermeneutisch e Proble m nu r verhüllende n Allegores e a b (s.o . S.39 ) un d lenkt e die Aufmerksamkei t wiede r au f di e Eigenständigkei t de s Alte n Testaments : si e is t bedingt dadurch, daß hier erst die Vorbereitun g auf die Christusoffenbarung geschehe , © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Göttliche und menschliche Heilsökonomie
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lehrte ei n Theodo r vo n Mopsuestia ; un d sei n Zeitgenoss e Johanne s Chrysostomos , der groß e Prediger , meint e i n de r Menschenlieb e un d Güt e Gotte s de n Grun d dafü r erkannt z u haben , da ß di e großen Gottesmänne r wi e z u Kinder n redeten . Abe r auc h schon fü r Augusti n hatt e da s Geset z de s Alte n Bunde s ein e Funktio n i n eine r um fassenden Heilsökonomi e Gottes : e s sollt e di e fleischlich e Begierd e un d Herzens härte bändige n helfe n un d s o vo m irdische n Staat , de r civita s terrena , zu m Gottes staat, de r civita s Dei, hinführen, j a Israel s Aufgab e wa r es , Vor-Bil d (imago) des himmlischen Staate s zu sein. Auch Augustins bedeutendem Zeitgenosse n Hieronymus , dem erfahrenen Übersetze r un d Philologen , konnte n di e Unterschiede vo n Altem un d Neuem Testamen t nich t verborge n bleiben : i m eine n walt e noc h Vergänglichkeit , im anderen abe r die ewige Gnade, im einen die Vergeltung Auge um Auge, im anderen die lautere, vergebende Liebe (vgl. Diestel, S. 106ff.). Wie di e Bundestheologi e späte r fü r de n reformierte n Bereic h charakte ristisch wurde , s o tauch t hie r auc h da s Erziehungsmoti v wiede r auf : wege n des noc h kindliche n Zeitalter s de r Menschheit , s o mein t Calvin , werd e i m Alten Testamen t of t entsprechen d kindlic h geredet , besonder s Mos e hab e sic h wegen „de r Kindlichkei t de s Volkes " (puerilita s populi ) „akkommodiert" , s o z.B., wen n e r schreibt , da ß Got t selbs t de n erste n Mensche n Kleide r gemach t habe. Fü r Calvi n häl t überhaup t ein e göttlich e Pädagogi k (paedagogi a Dei) beide Testament e zusammen . Insbesonder e di e Anthropomorphisme n un d Anthropopathien erscheine n s o al s pädagogisch e Anpassun g a n de n Bildungs stand de r noc h kindliche n Menschen , dene n di e Offenbarun g anfänglic h gal t (vgl. Diestel, S.290ff.) . Wie scho n Irenäu s gege n di e gnostisch e Ablehnun g de s Alte n Testament s den Gedanke n eine r Heilsveranstaltung , eine r Heilsökonomie , un d eine s Erziehungshandelns Gotte s al s Argumen t gebrauch t hatte , s o kehr t i n durch aus vergleichbare r Frontstellun g dasselb e Moti v i n de r Verteidigun g de s Alten Testament s gege n di e aufklärerisch-rationalistisch e Polemi k wieder . Während noc h fü r Semle r di e vor-logisch e un d vor-rational e Redeweis e Anpassung ist , wir d di e al s Mytho s verstanden e Darstellungsweis e de s Alten Testament s vo n J.G.Eichhor n un d J.Ph . Gable r al s spezifisch e Den kungs- un d Vorstellungsar t eine r noc h kindliche n Menschhei t erklärt . Al s ein solche r Mytho s müss e insbesonder e di e biblisch e Urgeschicht e interpre tiert werden , wi e i n de r vo n Gable r herausgegebene n „Urgeschichte " Eich horns (1792/93) dargelegt wird . Hierzu bemerk t Gable r (Bd . II, S.62 A.26) : „Geh t di e Entwicklun g de s mensch lichen Verstandes stufenweise, s o muß auch die göttliche Offenbarung denselbe n Gang nehmen: si e wird zwa r manch e Wahrheiten , worau f de r menschliche Geis t von selbs t später gefalle n sei n würde , Jahrhundert e frühe r mitteilen , abe r doc h nu r i n eine r zum Zeitalte r passende n Form . S o sin d auc h di e verschiedene n Religionsökonomie n sehr begreiflich ; di e Wahrhei t selbs t is t ewi g un d unveränderlich , abe r di e For m de r Wahrheit is t wi e di e Method e eine r stete n Veränderun g un d Abwechslun g unter worfen. Hierübe r verdien t vorzüglic h di e Erziehun g de s Menschengeschlecht s vo n Lessing gelesen und studiert zu werden" (zit. nach Kraus, S. 150). Interessant is t di e hie r geäußert e Vermutung , da ß di e Offenbarun g nicht s bringe , worauf di e menschlich e Vernunf t nich t auc h ohn e Offenbarung , wen n auc h ers t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Geschichtsbuc h
sehr viel später , gekomme n wäre . Si e findet sic h auc h be i Gotthold Ephrai m Lessing , der hie r j a ausdrücklic h genann t wird . Lessingjiatt e ausgeführt , da ß e s noch Millio nen von Jahren hätt e dauern können , wenn Got t nicht erzieherisch eingegriffe n hätte . Einem barbarische n Polytheismu s verfallen , mußt e di e Menschheit i n göttliche Zuch t genommen werden , un d das ta t Gott , indem e r die Juden erwählt e un d soweit erzog , daß hie r schließlic h di e universal e Christusoffenbarun g geschehe n konnte ; un d Got t tut das , inde m e r auc h gegenwärti g di e Menschheit , di e imme r noc h nich t zu r vollen Höhe von Vernunft un d Moral, di e in Christus offenbart wurd e und im Neuen Testament bezeug t wird , gereif t ist , weite r un d höhe r erzieht . Eichhorn , Gable r un d Lessing - das ist zu bedenken - wollen mi t solchen Überlegunge n da s Alte Testament und überhaup t da s Christentum , da s durc h manch e unabweisbare n Angriff e gege n die Orthodoxi e mancherort s i n Mißkredi t z u gerate n drohte , verteidigen . Di e Mei nung vo n de r Vernünftigkei t de r Offenbarung , di e nicht s enthalte , worau f mensch liche Vernunf t nich t auc h ohn e göttliche n Beistan d z u komme n fähi g wäre , stell t freilich i n ihre r Konsequen z di e Notwendigkei t vo n Offenbarun g un d göttliche r Erziehung überhaupt in Frage. Ähnliches gil t auc h fü r Johan n Gottfrie d Herder , de n andere n bedeuten den Apologete n un d Verteidige r de s Alte n Testament s un d de s „Geiste s de r hebräischen Poesie " (Vo m Geis t de r ebräische n Poesie , 1782/83). Seine ein dringliche Forderun g eine s kongeniale n Verstehens , eine s Sichversetzen s un d Sicheinfühlens i n di e alte , kindliche , morgenländisch e Schönheit , sein e War nung, nich t de n dürre n Abstraktione n de s Rationalismu s z u verfallen , un d sein Rat , möglichs t kindlic h unbefange n z u genießen , wa s kindlic h unbefan gen gemein t war , läuf t i n seine r Konsequen z ebens o wi e Lessing s u.a . Ansat z darauf hinaus , de n Offenbarungsanspruc h de r Schrif t un d dami t di e Stellun g des Alte n Testament s al s eine s Teile s de s kirchlich-christliche n Kanon s i n Frage z u stellen: au s eine m Höre n wir d ei n Genießen , au s dem „S o spricht de r Herr" wir d hebräisch e Poesie , au s göttliche r Ökonomi e un d göttliche r Er ziehung kan n s o ein e Entwicklungsgeschicht e werden , di e sic h auc h ohn e jeden Rekur s au f Got t un d di e Offenbarun g rei n immanen t verstehe n läßt , und i n welche r da s Alt e Testamen t nu r di e Urkund e eine r Vorstuf e zu m Chri stentum darstellt . S o erschein t i m dreistufige n Syste m Hegels , i n de m vo n Stufe z u Stuf e fortschreiten d de r absolut e Geis t z u sic h selbs t kommt , di e alttestamentliche Religio n au f de r zweite n Stuf e nac h de r Naturreligio n un d vor de r absolute n Religio n de s Christentums . Stell t ma n dies e Spekulatio n auf di e Füße , s o bleib t ein e Entwicklungsgeschichte , i n de r ein e Stuf e au s de r anderen genetisc h erklärba r z u werde n scheint . Da s genetisc h Erklärt e gil t dann al s verstanden . 2. Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte , Typologi e Es ist freilic h auc h möglich , Got t al s di e Mach t z u denken , welch e di e zu m Endziel hi n fortschreitend e Geschicht e antreib t un d i n Bewegun g hält . Un d es is t wiede r lehrreic h un d bezeichnend , da ß - wie scho n be i Irenäu s - die heilsgeschichtliche Konzeptio n i n Auseinandersetzun g - nun gewi ß nich t mehr mi t de r Gnosis, aber doc h mi t eine r Geisteshaltun g entworfe n wird , di e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte, Typologi e
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dem Alte n Testamen t seine n Ran g al s Urkund e christliche r Offenbarun g un d Wahrheit z u nehme n droht . E s wa r di e „konservative " Theologie , di e gege n diese Tendenze n mi t heilsgeschichtliche n Entwürfe n ihr e Stimm e erhob . So lehr t Johan n Tobia s Bec k (1804-1878), angeregt vo n Benge l u.a. , da ß aus de r vo m inspirierte n Gotteszeuge n geschriebene n Schrif t ein e Heils geschichte ablesba r sei . Manch e i n de r wiederbelebte n Theologi e de s Alte n Testaments de s 20. Jahrhunderts entfaltete n un d propagierte n Gedanke n sind hie r bereit s gedach t worden . I n Beck s „Einleitun g i n da s Syste m de r christlichen Lehr e ode r propädeutische n Entwicklun g de r christliche n Lehr wissenschaft" vo n 1838 ist davo n di e Rede , da ß di e Verheißun g Gotte s di e herrliche Kraf t sei , welch e di e fortschreitend e Heilsgeschicht e i n Bewegun g hält, ein e Geschichte , i n de r jed e Erfüllun g i n sic h wiede r neu e Verheißun g berge. Die im Alte n Testamen t scho n implizi t enthalten e Offenbarun g komm e im Neue n Testamen t vol l zu r Entfaltung , s o da ß da s Alt e Testamen t al s „präformierende Offenbarungsurkunde " verstande n werde n müss e (a.a.O. , S.238). Nac h manche m Gestaltwande l un d ne u nuanciert , präsentier t sic h hier mi t de r Leidenschaf t de r rechte n Lehr e di e alt e heilsgeschichtlich e Kon zeption de s Irenäu s erneut , u m wi e eins t gege n di e Gnosis s o jetzt gege n di e historische Wissenschaf t un d ihr e philosophische n Prämisse n z u protestieren . Der Protes t de s 20. Jahrhunderts, auc h e r mi t Patho s de r Wahrheit , abe r manchmal nu r mi t halbe m Herze n de r Wissenschaf t zugetan , konnt e hie r anknüpfen. Unter de n Vertreter n de r heilsgeschichtliche n Konzeptio n wurd e i m vori gen Jahrhunder t woh l a m bekannteste n Johan n Christia n Konra d vo n Hof mann (1810-1877) mit seine m Wer k „Weissagun g un d Erfüllung " (18411844). Für vo n Hofman n is t di e Bibe l Alte n un d Neue n Testament s ein e „historia sacra", die heili g genann t werde n muß , wei l si e i n einzigartige r Weise vo n Got t gelenk t wird ; di e Geschichte , di e da s Alt e Testamen t bekun det, is t Vorbereitungsgeschicht e au f Christus , di e de n noc h erhoffte n Christu s präfiguriert. Christu s is t da s urbildlich e Weltziel , au f da s di e Geschicht e zu geht. Di e Geschicht e is t selbs t Offenbarun g un d Offenbarun g is t Geschichte , nicht Lehre . Abe r nich t soseh r dies e Gedanken , di e vo n Hofmann s Theologi e mit andere n heilsgeschichtliche n Entwürfe n teilt , mache n ihr e eigentlich e Be deutung aus . Vielmeh r bekomm t de r Begrif f de r Weissagun g hie r eine n neue n Inhalt ode r doc h eine n neue n Akzent . Weissagun g heiß t nich t meh r nu r mi t Worten Vorhersagen , sonder n di e Geschicht e Israel s al s solch e wir d al s weissagende Geschicht e interpretiert , di e ih r Zie l i n sic h trägt . Wir d abe r de r Geschichte selbs t de r Charakte r vo n Weissagun g un d Offenbarun g zuge schrieben, s o droh t da s verkündigt e Wor t de r Bibe l sein e Bedeutun g z u ver lieren. Dies e unvermeidlich e Konsequenz , di e auc h i n de r gegenwärtige n Ge schichtstheologie etw a Pannenbergs , abe r auc h scho n Gerhar d vo n Rad s (s.o. S.81 ) - wie ebenfall s i n de r Gesellschaftstheologie , fü r welch e gesell schaftliche Interessen , Konflikte , Konfliktlösunge n un d Anliege n Offen barungscharakter annehme n - erkennbar wird , ha t vo n Hofman n scharf sichtig erkannt . E r versucht , ih r dadurc h z u entgehen , da ß sein e „Biblisch e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
Hermeneutik" (1888, S.153) i m Alte n Testamen t einerseit s „ein e zusammen hängende Reih e vo n Vorgängen , i n welche n sic h ein e au f di e Erscheinun g Jesu un d di e Entstehun g seine r Gemeind e abzielende " Geschichtslini e ab zeichnet, z u unterscheide n trachte t vo n i m Alte n Testamen t andererseit s auch enthaltene n „Aussagen " übe r da s Heil , da s sic h i n diese n Vorgänge n zu verwirkliche n beginn t un d i n de r „Aussage " de s neutestamentlichen , endgültig verwirklichte n Heil s di e letzt e Vollendun g findet . De n zwe i Aspek ten müsse n nac h vo n Hofman n di e Diszipline n de r Geschicht e Israel s un d der Theologi e de s Alte n Testament s zugeordne t werden ; i n de r erste n geh t es um di e Tatoffenbarung , i n de r zweite n u m di e Wortoffenbarung . I n beide n geht e s abe r u m dasselb e Heil . Di e Bedeutun g de s Worte s sol l dadurc h ge wahrt werden , da ß erst von de r Heilserkenntnis i n Christu s au s die Geschicht e als Heilsgeschicht e offenba r wird . Dami t bekomm t abe r da s Verkündigungs wort dennoc h ein e andere , geringer e Qualität : e s bring t nich t — als Wor t vo m Kreuz un d vo n de r Auferstehun g - das Heil , da s e s zusprich t sonder n wir d zum Schlüsse l fü r da s recht e Verständni s de r Geschichte , i n de r sic h da s Hei l von Stuf e z u Stuf e entfaltet . Da s Dilemm a de r vo n Radsche n Theologi e is t hier schon „typisc h präfiguriert" un d bleibt hier wie dor t ungelöst . Trotz de r Schwierigkeiten , di e vo n alle m Anfan g a n di e heilsgeschichtlich e Konzeption belasten , un d obwoh l jed e Geschichtsphilosophie , di e di e histo rische Wirklichkei t - die „Geschichtlichkeit " - als Glie d un d Stuf e eine s Prozesses z u verstehe n versucht , Gefah r läuft , jen e Wirklichkei t z u verliere n und nu r noc h Stufe n un d Phase n z u sehen , di e allenfall s „Stellenwert " i m Ganzen haben , dene n abe r eigenständige , individuell e Bedeutun g abgeht , is t es doc h woh l begreiflich , daß , i n geistliche r ode r profane r Ausprägung , de r zuerst vo n Irenäu s ausgeführt e Entwur f zuma l i n de r jüngste n Vergangenhei t und auc h noc h i n de r Gegenwar t weit e Verbreitun g un d Anerkennun g finde n konnte. Nachde m i n de r Aufklärungszei t da s historisch e Bewußtsei n er wacht wa r un d di e Einsich t i n di e historisch e Distan z un d i n di e Fremdhei t der alttestamentliche n Religio n ein e dogmatisch e Gleichschaltun g de r beide n Testamente wenigsten s de n wissenschaftlic h Redliche n verbot , mußt e e s sic h nahelegen, di e durc h di e historisch e Wissenschaf t entstanden e theologisch e Schwierigkeit auc h mi t Hilfe de r Histori e z u bewältige n z u versuchen. Di e au s dem historische n Bewußtsei n geboren e biblisch e Theologi e verwandelt e sic h konsequent i n eine Geschichte de r israelitischen un d jüdischen Religion . Entsprechend wurd e der Titel „Theologi e de s Alten Testaments" o.a. durc h „Lehr buch de r alttestamentliche n Religionsgeschichte " (R.Smend , 1893) oder etw a „Di e Alttestamentliche Religion " (K.Budde , 1899) ersetzt; un d mußt e gelegentlic h ein e Neuauflage eine r alten , vergriffene n Theologi e de s Alte n Testament s erscheinen , so gestaltet e de r Bearbeite r da s Buc h u m i n ein e „Geschicht e de r israelitische n Religion" - so Karl Mart i al s Herausgeber un d Bearbeiter vo n August Kayser s Theologie de s Alte n Testaments , 1907, und die s mi t de r lehrreiche n un d daru m hie r zitierten Begründung : „Di e Kritik , weich e da s Buc h i n de r neue n Gestal t überau s freundlich aufnahm , fan d abe r zugleich , da ß e s mi t de m alte n Name n a n de r Spitz e eigentlich unte r falsche r Flagg e segle . Da s wa r de r Grund , waru m ic h di e folgende n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte, Typologi e
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Auflagen mi t neuem Titel ausrüstete . »Geschichte der israelitischen Religion , wi e es von d a a n heißt , entsprich t übrigen s auc h de m ganze n Aufba u de s Buche s wei t besser; e s wird dadurc h di e Erkenntni s zu m Ausdruck gebracht , da ß es unmöglich sei, aus einem so vielgestaltigen und mannigfaltigen Buche , wie das Alte Testament es ist, eine einheitliche Theologie abzuleiten" (a.a.O., S.V). Diese Erklärung verdient es, sorgfältig gelesen zu werden. Der Titel mußte geändert werden nicht zuerst wegen der geschichtlichen Uneinheitlichkei t de s Alte n Testaments , sonder n wei l „Theologie " für das so fahrende Schiff ein e falsche Flagge gewesen wäre. Aus Theologie wird also Historie. Als die s dan n al s erschreckende r un d peinliche r Verlus t erkann t wurde , schien nu r di e Alternativ e z u bleiben , zu r theologische n Systemati k zurück zukehren ode r abe r di e Geschicht e selbs t theologisc h z u befrage n un d z u bewerten un d Historie als Theologi e z u betreiben . Nun kann ma n gewi ß mi t Fug un d Rech t versuchen , wichtig e Aussage n de s Alte n Testament s - die „erheblichen Anschauungen , Gedanke n un d Begriffe" , wi e e s i n Ludwi g Köhlers Theologi e heiß t - systematisch, als o i m Sachzusammenhan g darzu stellen un d lehrmäßi g darzubiete n ode r sons t u m ein e bestimmte , angenom mene Mitt e z u gruppiere n un d verständlic h z u mache n (vgl . o . S.79ff.). Da s hat zuma l fü r Lehrbetrie b un d Studiu m seine n gute n Sin n un d Nutzen . Abe r das theologische Problem , wie di e Geltung un d die Gültigkeit solche r „erheb lichen" Gedanke n un d Begriffe theologisc h z u begründe n un d nac h welche m Kriterium solch e Erheblichkei t z u bemesse n sei , un d wi e da s vo n de r histo rischen Wissenschaf t verfremdet e un d in seiner fremden Eigenständigkei t ent hüllte Alte Testament doch wieder christlich-eigenes Zeugnis, das den eigenen und heutige n Glaube n fordert , sei n ode r werde n könne , is t mi t eine r syste matischen Darstellun g noc h nich t gelöst , j a noc h nich t einma l deutlic h ge stellt. Di e systematisch e Gestal t alttestamentliche r Theologi e läuf t vielmeh r Gefahr, das bleibende Problem der Geschichte zu überspielen. Hier liegt zweifelsohne da s besondere Verdiens t de r von Radschen Theologie. Dies e versuch t ja , de n Proze ß de r Traditionsbildun g al s fortschreitende s Zeugnis un d imme r wiede r ne u aktualisierende s Rede n vo n Jahwe s Heils setzungen un d dami t di e Geschicht e selbs t al s theologisc h relevan t z u ver stehen. E s läß t sic h schwe r bestreiten , da ß ma n ein e solch e Konzeptio n al s heilsgeschichtlich bezeichne n kann ; vo n Ra d selbs t gebrauch t diese n Begrif f häufig, un d sei n Kernsat z bezüglic h de s Verhältnisses de r beide n Testament e besagt, da ß da s Entsprechungsverhältni s i m Heilsgeschichtliche n liege . Ge schichte abe r wil l erzähl t werden , un d s o heißt da s ander e Stichwor t „nach erzählen". Es schmälert vo n Rad s Verdienst , entschlosse n be i de r Geschicht e z u blei ben und ihr nich t i n eine um eine postulierte Mitt e kreisend e Systemati k hin ein auszuweichen , nich t i m geringsten , wen n ma n beobachtet , da ß sic h auc h seine Theologi e i n da s Dilemm a alle r heilsgeschichtliche n Konzeptione n ver strickt. Mi t de m Stichwor t „nacherzählen " wurd e da s scho n angedeutet . Dieses Zeitwor t setz t j a ei n Vorhe r un d Nachher , ein e Geschehensfolg e vor aus. Wichtig ist das Nacherzählen i m Hinblick au f de n Geschichtsproz^/?. Die © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Abfolge al s solche is t wesentlich un d dies e bekomm t ih r wahres Gewicht , wir d überhaupt ers t einsichti g vo m End e de s Geschichtsverlauf s her . E s schmäler t von Rad s Verdiens t auc h nicht , wen n ma n sein e Theologie al s besonder e Aus prägung un d di e modern e historisch e Forschun g berücksichtigend e Neuauf lage vo n Ansätze n un d Gedanken , di e sic h bereit s be i Irenäu s finden , un d vo n Rad selbs t al s besonder s ausgezeichnete n Repräsentante n eine r Auffassung , die inzwische n breit e Zustimmun g gefunde n hat , versteht . Dies e protestier t — seit Irenäus ' „Widerlegung " (lat. : Adversu s haereses , Wide r di e Ketzer! ) gegen de n drohende n Verlus t de s Alte n Testament s durc h gnostisch e Ver unglimpfung ode r wissenschaftlich-historisch e Verfremdun g mi t de m — wie auch imme r i m einzelne n formulierte n - Verweis au f di e Al t un d Ne u ver bindende Geschichte . Im Bereic h de r neutestamentliche n Wissenschaf t un d Theologi e wir d de r Ge schichte al s Ablau f kau m unmittelba r theologisch e Bedeutun g zugemessen , soseh r gewiß auc h di e neutestamentlich e Wissenschaf t ein e historisch e un d daru m mi t ge schichtlichen Abläufen , Entwicklunge n usw. rechnend e Diszipli n ist . Neutestament ler al s Heilsgeschichtle r stelle n trot z alle r - bezeichnenderweise meis t polemische n Beachtung, di e ma n eine m Osca r Cullman n (Christu s un d di e Zeit . Di e urchrist liche Zeit - un d Geschichtsauffassung , 1946; Heil al s Geschichte . Heilsgeschichtlich e Existenz i m Neue n Testament , 1965) oder eine m Ethelber t Stauffe r (Theologi e de s Neuen Testaments , 1941) schenkt, Ausnahme n dar , welch e di e Rege l de r Skepsi s gegenüber heilsgeschichtliche n Konzeptione n nu r bestätigen . Di e alttestamentlich e Wissenschaft abe r zeigt, wenn kein e der Herzensneigung entsprungen e Liebe , so doch eine der Pflicht gehorchende Treue zur Heilsgeschichte. Dies lehr t ein e auc h nu r flüchtig e Durchmusterun g de r i n de n fünfzige r Jahren geführte n Diskussio n u m da s hermeneutische Proble m de s Alten Testa ments insbesonder e i n de r Zeitschrif t „Evangelisch e Theologie " (vgl . insbes . EvTh 12, 1952/5 3 und di e Sammlun g „Problem e alttestamentliche r Herme neutik" vo n Clau s Westermann , 1960). Die hie r behandelte n Frage n sin d heute keinesweg s gelös t un d bestimme n auc h gegenwärti g noc h weitgehen d den Diskussionsstand ; si e müsse n deshal b ausführliche r zu r Sprach e gebrach t werden. Die verschiede n angesetzte n Versuche , zu r Theologi e heimzufinden , ohn e aus de r Geschicht e auszubreche n un d ohn e di e gewonnene n historische n Ein sichten unredlic h z u verleugnen , sin d fas t überal l vo n de m Bestrebe n beglei tet un d getragen , di e Geschicht e - als Ablau f - theologisch z u werten . Si e gilt - fast überal l - als Vorstuf e zu m Christusgeschehe n un d al s Geschicht e auf Christu s hi n un d al s vo n diese m Geschichtszie l he r geheiligt . Si e ist , u m hier nu r wenige s i m Wortlau t z u zitieren , fü r W.Zimmerl i „Bewegung , di e von Verheißun g z u Erfüllun g drängt " (be i Westermann , S.88) . Zwa r wei ß auch scho n da s Alt e Testamen t vo n Erfüllung , s o gege n End e da s Josua buches (Jos . 21,45), wo festgestell t wird : „Nicht s vo n al l de m Guten , da s Jahwe de m Haus e Israe l verheiße n hatte , wa r hinfälli g geworden , alle s wa r eingetroffen". „Hier " - so schreib t Zimmerl i - „scheint de r Stro m zu m Stehen gekomme n z u sein . Abe r e s ist doc h nu r Schei n - in der Folg e wir d da s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Richterbuch da s Ausschaue n nac h de m Helfer , de r Rau m schaff t un d Israe l Ruhe gibt , deutlic h machen" . Aber , s o möchte ma n fragen , waru m wir d dan n so deutlic h un d brei t vo n Erfüllun g gesprochen , wen n si e doc h „nu r Schein " war? Un d ferner: führ t diese r Versuch, di e Geschichte erns t zu nehmen, un d j a nicht z u verlieren , nich t z u eine m Umgan g mi t de n Texten , de r s o tut , al s handle e s sich u m historisch e Berichte ? Abe r eh e au f dies e Frag e un d di e ganz e Problematik de s Unternehmen s eingegange n wird , sol l e s hie r noc h ei n weni g ausführlicher zu r Darstellun g gebrach t werden . Auc h Zimmerl i läß t keine n Zweifel daran , da ß di e Verheißung-Erfüllung-Geschichte , di e da s Alt e Testa ment bezeugt , ihr e endgültig e Erfüllun g i n Christu s fand : „Di e ganz e alt testamentliche Geschichte , insofer n si e vo n Jahwe s Wor t gelenkt e un d ge schenkte Geschicht e ist , bekomm t Erfüllungscharakte r - aber i n de r Erfüllun g neuen Verheißungscharakte r . . . Ein Ruf , de r dies e Geschicht e z u ihre m Ende brächte , is t i m Alte n Testamen t nich t z u höre n . . . Diesem Tatbestan d nun begegne t di e neutestamentlich e Botschaf t vo n de r Erfüllung " (a.a.O. , S.92f.). Grundsätzlich nich t ander s urteil t de r Herausgebe r de r hermeneutische n Aufsatzsammlung Clau s Westermann : Di e Situatio n is t nac h ih m - völlig richtig - gekennzeichnet einerseit s durc h di e „Entdeckun g de r geschicht lichen Perspektive , vo n de r auc h di e sogenannt e Religio n nich t ausgenomme n werden konnte , andererseit s vo n de r Erfahrun g de r Unausweichlichkei t eine s theologischen Reden s vo m Alte n Testament , da s au f irgendein e Weis e z u der Frag e Stellun g nimmt , o b un d wi e de r Gott , vo n de m un d z u de m i n diesem Buc h gerede t wird , derselb e ist , de n i m Neue n Testamen t Jesu s anruf t und de r de r Got t de s Bekenntnisses de r christliche n Kirch e ist " (a.a.O. , S.22) . Nach diese r adäquate n Beschreibun g de r hermeneutische n Problemlag e er klärt er , wa s da s alle n neue n Versuche n Gemeinsam e ist : „Be i alle n is t grund legend: da s Alt e Testamen t berichte t Geschicht e ode r berichte t ein e Geschich te oder berichtet Geschehendes " (a.a.O. , S.22). Als Bele g werde n Marti n Noth , Gerhar d vo n Rad , Walthe r Zimmerli , Marti n Buber un d G . Ernest Wrigh t zitiert (a.a.O. , S.2 2 ff.). Interessan t is t insbesonder e für di e Gegenwart, d a die Möglichkeit eine r „narrativen" , als o erzählenden Theologi e diskutiert wird , di e scho n vo n Wright aufgestellte un d vo n Westerman n zitiert e Forderung, recht e Theologi e soll e „theology o f recital " sein (God wh o acts , 1952 , S. 13; Westermann, S.24) . Auc h hie r gehöre n Heilsgeschicht e un d Nacherzählun g zusammen. Freilich gebrauch t Westerman n da s Wor t Heilsgeschicht e nich t unreflek tiert und , unte r Berufun g au f di e zitierte n Kollegen , nich t ohn e Bezu g au f da s Wort Gottes. Gerhard vo n Ra d hatt e seine n Aufsat z vo n 1952 „Das Alte Testamen t is t ei n Geschichtsbuch" (be i Westermann , S . 11 ff.) mi t de n Worte n eröffnet : „Da s Alte Testa ment is t ein Geschichtsbuch . E s stellt ein e von Gotte s Wort gewirkte Geschicht e dar , von de r Weltschöpfun g bi s zu m Komme n de s Menschensohnes. " Da s wird vo n Westermann zustimmen d zitier t un d dahingehen d erweitert , da ß die s ein e neu e Bestim © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
mung de s Geschichtsbegriffe s sei , welch e di e immanen t verstanden e Geschicht e de s 19. Jahrhunderts korrigiere n un d deutlic h mache n wolle , da ß di e Geschicht e de r Menschheit nich t angemesse n beschriebe n werde n könn e „unte r Ausschlu ß de r Frag e nach de m Wirke n Gottes " (a.a.O. , S.25) . Di e i m Alte n Testamen t berichtet e Ge schichte se i daru m wede r al s Religionsgeschicht e noc h al s Heilsgeschicht e „i m Sinn e einer Sektorengeschichte " z u verstehen, sonder n al s „ei n Stüc k Weltgeschichte " i n de m kein einzige r Fakto r objekti v beweist , da ß e s i n ih m i n eine r einzigartige n Weis e um Gotte s Handel n gehe ; auc h nich t un d vo r alle m nich t Gotte s Wor t al s ein e vor findliche Größe " (a.a.O. , S.25 f.). Die Geschicht e sprich t al s ein e vo n Gotte s W o r t gewirkt e Geschicht e nich t schlechterdings, wi e e s dan n späte r be i W . Pannenberg (Offenbarun g al s Geschichte, 1 9 6 1 , S.112ff.) heiße n kann , di e „Sprach e de r T a t s a c h e n " , son dern Westerman n erkannte , klare r al s ander e un d auc h al s vo n R a d , da s i n jeder heilsgeschichtliche n Konzeptio n notwendigerweis e problematisc h wer dende Verhältni s vo n Geschicht e un d Wort . D a r u m versuch t e r - wie scho n von Hofman n - die wesentlich e Bedeutun g vo n Geschicht e un d W o r t glei chermaßen z u w a h r e n : Ers t da s - bezeichnenderweise vornehmlic h al s An kündigung verstanden e - W o r t qualifizier e di e Geschicht e al s Offenbarungs prozeß. So heiß t e s be i ih m zu m Verhältni s vo n Geschicht e un d Wort : „Ers t durc h dies e Verbindung mi t de m ankündigende n Wor t un d allei n durc h di e Verbindun g mi t ihm wir d da s Geschichtsfaktu m zu m Handel n Gotte s i n eine m Zusammenhang , nu r dadurch komm t e s z u eine r ,Geschicht e Gotte s mi t seine m Volk* . Di e Kontinuitä t dieser Geschicht e lieg t i n nicht s Andere m al s i n de m Spannungsbogen , de r di e An kündigung mi t de m Eintreffe n de s Angekündigten verbindet . Die s is t der Grun d dafür , daß i n de m jetz t geführte n Gespräc h u m di e Auslegun g de s Alte n Testament s di e Frage nac h de m Begriffspaa r Verheißun g un d Erfüllun g i m Vordergrun d steht " (a.a.O., S.27) . De r Begrif f „Spannungsbogen" , de r di e Ankündigun g mi t de m Ein treffen verbindet , wir d nu n zu m hermeneutische n Schlüsse l schlechthi n un d finde t entsprechend häufig e Verwendung . I n eine r spätere n Studi e (Da s Alt e Testamen t un d Jesus Christus , 1968, S.51) heiß t es : „Da s Verhältni s de s Alte n Testament s zu m Neuen Testamen t kan n dan n nich t nu r s o gesehe n werden , da ß da s Alt e Testamen t das Verheißene , da s Neu e Testamen t da s Erfüllt e enthalte ; vielmeh r enthäl t da s Alt e Testament di e Geschicht e de r Verheißung , di e i m Neue n Testamen t zu r Erfüllun g kommt; Verheißun g un d Erfüllun g bilde n ei n Gesamtgeschehen , vo n de m di e Bibe l Alten und Neuen Testaments berichtet" . Wie Westerman n un d seine n Gesprächspartner n geh t e s auc h Klau s Schwarzwälle r (Das Alt e Testamen t i n Christus , 1966) um Geschichte , nämlic h u m ein e solch e de s göttlichen Selbsterweises . Ähnlic h schreib t Friedric h Mildenberge r übe r „unser e Entscheidung fü r di e Einhei t de r Gottesgeschicht e un d dami t de r Schrift " (Gotte s Ta t im Wort , 1964, S.93). Vo n diese r Gottesgeschicht e wir d gesagt , da ß ih r „ei n Zusam menhang eignet , de r den Anfang au f di e Vollendung verweise n läßt , wie die Vollendun g als Vollendun g ebe n diese s Anfang s z u erfasse n ist " (a.a.O. , S . 107). Und daz u merk t Mildenberger seh r richti g an : „Ein e derartige Begrifflichkei t steh t immer i n der Gefahr , die Kontingen z de s geschichtliche n Geschehen s i n de m Schematismu s eine r gedank lichen Konstruktio n aufzuheben . Diese r Gefah r werde n wi r abe r entgehe n könne n durch di e Bindun g a n de n konkrete n Text " (a.a.O. , S . 107, A.41). Vo n „Heils geschichte" mu ß un d dar f auc h nac h Mildenberge r gesproche n werde n wege n de r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Heilsgeschichte, Verheißungsgeschichte , Typologi e
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Bedeutsamkeit de s linearen Ablaufs , de r „Kontinuitä t de s göttlichen Handeln s i n der Geschichte" (S . 108), die mi t de m Begrif f de r „Verkündigungsgeschichte " zu m Aus druckgebrachtwerden sol l (a.a.O., S. 81 f.; 107ff.) . Für W.Eichrod t (Is t di e typologisch e Exeges e sachgemäß e Exegese ? be i Wester mann, S. 205 ff.; vgl . S.207 ) is t typologisch e Exeges e deswege n angebracht , wei l „der Typo s ebens o wie da s ganz e alttestamentlich e Heilsgeschehe n j a nu r ein e Vor stufe de s Heil s i n Christu s bedeute t un d a n desse n Vollkommenhei t nich t heran reichen kann . S o steht da s Momen t de r Steigerung , auc h wen n e s nicht ausdrücklic h ausgesprochen ist , imme r i m Hintergrund" . Beachtun g verdien t Eichrodt s Bemer kung, da ß Exegese sic h nich t au f de n mit den Mittel n historische r un d philologische r Kritik z u erhebende n Wortsin n beschränke n dürfe . Vielmeh r müss e „be i de r Bibe l die Auslegun g übe r di e Feststellun g de s Wortsinne s hinausgehen , u m di e Bedeutun g einer Stell e i n de m größere n geistesgeschichtliche n Zusammenhang , i n de m si e steht , zu bestimme n un d ihr e Auswirkun g i n de r Folgezei t abzuschätzen . I m Alte n Testa ment abe r kan n da s nu r s o geschehen , da ß di e Funktio n seine r Geschicht e al s ein e Vorstufe de s neutestamentliche n Heilsgeschehen s berücksichtig t wird . Den n da s is t es ja , wa s di e christlich e Exeges e vo n de r jüdische n un d alle n andere n Auslegungs arten unterscheidet , da ß si e al s di e grundlegend e Bestimmthei t de s Alten Testament s seine Ausrichtung au f da s Neue Testament hi n glaubt un d erkennt" (a.a.O. , S.222 f.). Bemerkenswert ist nicht nur, daß der Glaube als Erkenntnisorgan fungiert un d daß der so bestimmt e Glaub e sic h au f di e „Ausrichtun g de s Alte n Testament s au f da s Neu e Testament hin" , als o au f eine n Geschichtsverlau f richtet , sonder n auc h da ß solche m Glauben un d de r vo n ih m gesteuerte n Exeges e da s Alt e Testamen t zu m Dokumen t einer Vorgeschichte und zur „Vorstufe" zum Neuen wird. Mit eine r i n sic h theologisc h bedeutungsvolle n Geschicht e rechne t auc h di e typologische Exeges e (s.o . S.97f.) , un d s o wunder t e s nicht , da ß di e Diskus sion u m ein e neu e Theologi e de s Alten Testament s au f geschichtliche r Grund lage auc h diese n alten , scho n paulinische n hermeneutische n Schlüsse l ne u i n Erwägung zog . Di e Tatsache , da ß innerhal b de r Schrif t selbs t typologisch e Analogien herausgestell t werde n - etwa be i Deuterojesaj a da s typologisch e Verständnis de s verkündigte n neue n Exodu s al s Antitypo s de s erste n Exodus ; sodann gelegentlich e typologisch e Interpretatione n scho n de s Paulu s (s.o . S.24 ff.) - , und überhaup t di e Überzeugung, da ß beide Testamente durc h eine n geschichtlichen Zusammenhan g un d eine n göttlichen , planvolle n Geschichts ablauf zusammengehalte n werden , lie ß e s al s berechtig t un d nöti g erscheinen , solche typologische n Entsprechunge n aufzuspüren . Wi e da s Schem a Ver heißung (Weissagung ) un d Erfüllun g un d wi e überhaup t di e Ide e eine r fort schreitenden Heilsgeschichte , s o schein t auc h da s typologisch e Verständni s dem Alte n Testamen t al s de m Alten , al s Vorstuf e un d Vorgeschicht e seine n relativen, nämlic h a n di e Relatio n zu m Neue n Testamen t gebundene n Wer t zu geben. Di e al s Typen erkannte n Ereignisse , Personen , Institutione n werden , anders al s i n de r Allegorese , di e überal l eine n „anderen " Sin n z u finde n sic h anstrengt, nich t verflüchtig t un d aufgelöst , sonder n i n ihrer Realitä t un d kon kreten Geschichtlichkei t belasse n un d doc h i n diese r ihre r Einmaligkei t al s Präfiguration, al s Vorausschattun g un d Vorausdarstellun g de r antitypische n Erfüllung interpretiert . Da ß di e Ide e de r Heilsgeschicht e un d di e Method e der typologischen Exeges e zusammengehören, is t unschwer einzusehen . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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So schreib t etw a W.Eichrod t (Is t di e typologisch e Exeges e sachgemäß e Exegese ? bei Westermann , S.221) : „Den n di e Typologi e . . . stellt a n zentrale n Punkte n di e Kontinuität un d Zielstrebigkei t de s göttliche n Handeln s in s Licht . Si e erschöpf t sic h dabei nich t i n de r wi e imme r geartete n Entsprechun g äußere r Fakten , sonder n bezieh t sich au f de n i n ihne n verwirklichte n Verkeh r zwische n Got t un d Mensch . Au f dies e Weise beantworte t si e ein e bedrängend e Frage , di e de n christliche n Glaube n i m Blic k auf di e Problemati k de r Geschicht e überhaup t un d de s alttestamentliche n Geschehen s insbesondere bewegt ; si e weist au f di e Verwirklichung de s Heils durc h ein e Geschicht e hin, di e vo n de m gleiche n göttliche n Gemeinschaftswille n i n de r alttestamentliche n wie i n de r neutestamentliche n Gemeind e gestalte t wir d un d eine m Vollendungsziel e zustrebt." Außer Leonar d Goppel t (Typos , 1939) haben vo r alle m Gerhar d vo n Ra d un d Han s Walter Wolff im Bereic h alttestamentliche r Wissenschaf t di e Berechtigun g un d Not wendigkeit de r typologische n Betrachtungsweis e z u begründe n versucht . I n Ausein andersetzung u.a . mi t Rudol f Bultman n (Ursprun g un d Sin n de r Typologi e al s herme neutischer Methode , 1950), der di e Typologi e vo m Gedanke n de r Wiederholun g un d der Ide e de r zyklische n Wiederkeh r de s Gleiche n z u erkläre n versuchte , abe r auc h mit theologische n Entwürfe n vo n Ludwi g Köhle r un d Ott o Procksc h beton t vo n Ra d (Typologische Auslegun g de s Alte n Testaments , 1952/53), daß da s Alt e Testamen t primär ei n Geschichtsbuc h sei , „da s Bilderbuc h eine r Glaubensgeschichte " (Ges . Stud, II , S.279), i n de m „allenthalbe n scho n da s neutestamentlich e Christusgeschehe n präfiguriert" ist . Daru m müss e di e typologisch e Deutun g „grundsätzlic h da s histo rische Selbstverständni s de s betreffende n alttestamentliche n Texte s verlasse n un d überbieten. Si e sieh t i n de n alttestamentliche n Fakte n etwa s sic h anbahne n un d ab zeichnen, da s de m alttestamentliche n Zeugni s noc h nich t bewuß t geworde n ist , wei l es überhaup t jenseit s de s alttestamentliche n Zeugniskreise s liegt. " Da ß di e Typologi e hier i n Allegores e überzugehe n droh t un d di e Grenz e zwische n beide n Betrachtungs weisen au f jede n Fal l fließen d wird , lehr t da s Zita t ebens o wi e vo n Rad s of t kriti sierte Äußerung , übe r di e Handhabun g de r typologische n Deutun g könn e un d dürf e „keine lehrgesetzlich e Nor m aufgestell t werden" , si e könn e „hermeneutisc h nich t mehr regulier t werden" , sonder n gescheh e „i n de r Freihei t de s Heilige n Geistes " (a.a.O., S. 286ff.). Da ß mi t de r Freihei t de s Heilige n Geiste s di e Willkü r de s Exegete n leicht verwechsel t werde n kann , dar f nich t verschwiege n werden . Vorsichtige r formu liert daru m H.W.Wolff (Zur Hermeneuti k de s Alte n Testaments , 1956). Nach ih m darf di e reformatorisch e Hinwendun g zu m Literalsin n nich t wiede r rückgängi g gemacht werden ; willkürlich e Deutunge n sin d unerlaubt . D a abe r nac h Wolff keine Frage ist , „da ß Israe l al s Bundesvol k Jahwe s i m ganze n un d i m einzelne n Typo s de r Ekklesia Jes u Christ i ist " (a.a.O. , S.264) , könn e da s Verhältni s vo n Altem un d Neue m Testament nicht , wi e e s etw a Hirsc h wollte , ausschließlic h antithetisc h bestimm t werden, sonder n e s walte ein e Analogi e zwische n Alte m un d Neue m Testament : „De r alte Bun d geh t au f de n neue n zu : Israe l wir d u m de r Völke r wille n berufen . De r neu e Bund komm t vo m alte n her : Jesu s Christu s is t David s Soh n un d Passahlamm . E s is t die Analogi e vo n We g un d Ziel , vo n Schatte n un d Körper , vo n Verlöbni s un d Ehe . Diese Analogi e i n geschichtlic h einmalige r Relation , di e nich t ohn e ei n entscheidende s Moment de r Steigerun g hi n zu m Eschato n ist , nenne n wi r Typologie " (a.a.O. , S.270 f.). Un d daß auc h hie r Typologi e al s Method e vo n de m prinzipielle n Verständni s des Alte n Testament s al s Vorstuf e zu m Neue n Testamen t ausgeht , erhell t au s de m Satz: di e „Leitfrag e typologische r Auslegung " lautet : „Inwiefer n wir d da s neutesta mentliche Kerygm a vo n seine r Vorgeschicht e he r verdeutlich t (bzw . nu r i m Mithöre n der Vorgeschichte ergriffen)?" (a.a.O. , S.263).
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Geschichtsprozeß und Offenbarung
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Freilich kan n Typologi e auc h gan z anders , nämlic h unabhängi g vo n eine m linearen Geschichtsverständni s un d ohn e methodisch e Zuordnun g z u heils geschichtlichen Konzeptione n verstande n werden : Typologi e differenzier t dann zwische n Alte m un d Neue m so , „da ß si e di e Selbigkei t de s Sein s i n de r Zeit zu r Vergleichsbasi s wählt " (Erns t Fuchs , Hermeneutik , 1954, S.201). Dies Verständni s kan n freilic h nich t al s fü r di e typologisch e Method e charak teristisch gelten , wenngleic h e s geeignet ist , di e zum Erliege n gekommen e Dis kussion u m da s Rech t typologische r Auslegun g z u eine m sinnvolle n Abschlu ß zu bringen (s.u . S.179f., 193). 3. Geschichtsprozeß und Offenbarun g Während exegetisch e Einsichte n - und auc h Irrweg e - sonst of t ohn e allz u großen Einflu ß au f di e systematisch e Theologi e bleiben , ha t jener weitreichen de Konsensu s heilsgeschichtlic h un d lineargeschichtlic h orientierte r alttesta mentlicher Theologi e i n mehrfache r Hinsich t geradez u systembildend e Wir kung gehabt . D a is t einma l Jürge n Moltmann s Entwur f eine r „Theologi e de r Hoffnung" z u nenne n (1964, seither mehrer e Auflagen) . Hie r wir d ebens o apodiktisch wi e programmatisc h erklärt : „Nu n ha t abe r gerad e di e neuer e alttestamentliche Theologi e gezeigt , da ß di e Wort e un d Sätz e vo m ,Offenbaren Gottes ' i m Alte n Testamen t durchgängi g mi t Sätze n de r ,Verheißun g Gottes verbunde n sind . Got t offenbar t sic h au f di e Weis e de r Verheißun g und de r Verheißungsgeschichte . E s stell t sic h vo n dahe r di e Frag e a n di e systematische Theologie , o b da s si e leitend e Verständni s de r Offenbarun g Gottes nich t vo n de r Ar t un d de r Zielsetzun g de r Verheißun g beherrsch t sein muß" (a.a.O. , S.36). Moltmann kan n di e alttestamentlich e Religio n daru m al s „Verheißungsreligion " bezeichnen (a.a.O. ) un d vo n d a he r auc h noc h da s Ereigni s vo n Kreu z un d Auf erstehung Jes u Christ i al s Verheißungsoffenbarun g interpretieren : „,Offenbarung' i n diesem Geschehe n ha t nich t de n Charakte r logosgemäße r Erhellun g vorhandene r Wirklichkeit de s Mensche n un d de r Welt , sonder n träg t hie r konstituti v un d grund sätzlich de n Charakte r de r Verheißun g un d is t daru m eschatologische r Art " (a.a.O. , S.75). Au s de m „Spannungsbogen " Westermanns , de r sic h vo n Verheißun g z u Er füllung spannt , wir d hie r ein e Bezogenhei t vo n Hoffnun g au f Verheißun g un d vo n Verheißung, di e au f Hoffnun g ziel t un d ein e „schöpferisch e Erwartung " — so mi t Ernst Bloc h - wachhält, di e z u gesellschaftsändernden Tate n ermutig t un d e s als einzige verdien t - wieder mi t Bloc h — präsentische Eschatologi e genann t z u werde n (a.a.O., S.30 9 unte r Bezugnahm e au f Bloch s Tübinge r Einleitun g i n di e Philosophie , II, S.176). Au s Verheißun g (Weissagung ) un d Erfüllun g wir d ein e alttestamentlich e „Verheißungsgeschichte"; dies e „finde t i m Evangeliu m nich t einfac h ein e Erfüllung , die si e aufhebt , sonder n si e findet i m Evangelium ihr e Zukunft " (Moltmann , S . 133). Die „Futurum-Religio n de r Bibel" (Bloch , a.a.O. ) kenn t nu r eine „Exodusgemeinde " (Bloch, a.a.O. , Moltmann , S . 280 ff.). Da ß dies e Ideen , di e vo n de m bestimmte n Verständnis de s Alte n Testament s i n seine m Verhältni s zu m Neuen , wi e e s hie r verhandelt wird , ausgehe n un d e s al s vo n de r alttestamentliche n Wissenschaf t erarbeitetes un d begründete s un d daru m einzi g richtige s voraussetzen , große n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Einfluß ausüben , brauch t nu r a m Rand e vermerk t z u werden . Di e Wirkun g is t desto größer , al s dies e Theologi e sic h al s theoretisch e Anleitun g zu r kirchliche n und vo r alle m gesellschaftliche n Praxi s versteht , de n alttestamentliche n un d dan n insbesondere auc h reformierte n Wille n zu r Verwirklichun g de r Gottesherrschaf t beflügelt un d i n eine r Ar t „historische m Kompromiß " eschatologische s Hoffnungs ziel und marxistische Zielvorstellung zu vereinigen versucht. Auch da s Program m „Offenbarun g al s Geschichte" , da s vo n Wolfhar t Pan nenberg 1961 herausgegeben wurd e un d a n de m de r Alttestamentie r Rol f Rendtorff maßgeblic h beteilig t war , ist , wi e de r Tite l besagt , a n Geschicht e orientiert un d nich t zuletz t durc h ei n Verständni s de s Alte n Testament s al s Geschichtsbuch inspiriert . Di e vo n Rendtorf f vertreten e Auffassung , di e da s alte heilsgeschichtlich e Dilemm a vo n Geschicht e un d Wor t bzw . vo n Tat sachengeschichte un d Überlieferungsgeschicht e überwinde n wollte , da ß nämlich Überlieferun g selbs t auc h Geschicht e sei , tru g al s Überbietun g de r schon vo n vo n Ra d erreichte n Position , welch e Geschicht e un d Wor t ehe r harmonisierend unterschie d un d doc h z u verbinde n versuchte , wesentlic h zu r Grundlegung de s neue n universalgeschichtliche n Entwurf s de s „Pannen berg-Kreises" bei . Der Entwur f wurd e vol l entfalte t un d unte r Berücksichtigun g de r gegenwärti g aktuellen wissenschaftstheoretische n Diskussio n ausgebau t i n Pannenberg s „Wissen schaftstheorie un d Theologie" (1973). Hier sind nicht nur Altes und Neues Testament durch eine n geschichtliche n Zusammenhan g verbunden , sonder n e s gilt : „Werde n . . . die exegetische n Diszipline n al s Tei l de r historische n Theologi e aufgefaßt , dan n hat di e Kanonfrag e nu r untergeordnet e Bedeutung . De r religionsgeschichtlich e Zu sammenhang Israel s mit dem Alten Orient , di e Bedeutung de r jüdischen Geschicht e in der Zeit ,zwischen de n Testamenten ' fü r da s Urchristentum trete n stärker ins Bewußtsein, un d ebens o werde n di e Übergäng e vo m Urchristentu m zu r frühe n Kirchen geschichte fließend . Di e Kanonbildun g erschein t dan n al s ei n Momen t innerhal b der Geschicht e de s Christentum s selbst " (a.a.O. , S.377f.) . Bezeichnen d fü r dies e Theologie is t auch , da ß au s eine m normative n Schriftenkano n di e normativ e Bedeu tung de r christliche n Anfangszei t wir d (a.a.O.) . Di e Geschicht e al s sic h erstreckend e Zeit bekomm t Offenbarungsqualität . I n polemischer Zuspitzun g gege n di e Theologi e des Wortes Gottes, die „Kerygmatheologie" mi t ihrem Begriff de r im ergehenden, verkündigten un d geglaubte n Wor t sic h ereignende n Selbstoffenbarun g Gotte s is t i n de r Programmschrift „Offenbarun g al s Geschichte" vo n der „Sprach e der Tatsachen" di e Rede. Die Geschichte als ganze ist also Offenbarung Gottes . Da sie noch nicht zu Ende ist, wird sie erst vom Ende her als Offenbarung erkennba r (Rendtorff , „Offenbarung " im AT, Sp.837) . Dieses End e nun ha t sic h i n de r Auferstehun g Jes u Christ i vo n de n Toten, di e i m Sinn e spätjüdische r Apokalypti k j a al s Endereigni s z u verstehe n ist , vorweg ereignet . Di e Auferstehun g is t di e Vorwegnahm e de s Ende s un d de s Ge schichtsziels, von dem her die ganze Geschichte als Offenbarung einsichti g wird. „Geschichte" wir d s o zu m Inbegrif f de r Wirklichkei t i n ihre r Ganzhei t überhaupt. Ähnlic h wi e be i Moltman n verlager t sic h da s Interess e vo n de r Schrift al s Wort , vo n de r Offenbarun g al s Anrede , vo m Glaube n de s ein zelnen, de r da s Wor t vernimm t un d daraufhi n glaubt , un d überhaup t vo m einzelnen al s vo n eine r vermeintlic h individualistisch-existentiale n Engfüh © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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rung weg un d eine m universalgeschichtliche n ode r gesamtgesellschaftliche n Horizont zu . Di e Auferstehun g Jes u Christ i gehör t al s vorwegereignete s Ziel (telos ) de r Geschicht e zu r Faktizitä t alle s wahrhaf t Geschichtlichen . Der Glaub e richte t sic h au f diese s zuverlässi g überliefert e Faktu m un d nich t auf ei n bloße s Wort . D a di e faktisc h geschehen e Auferstehun g Christ i di e Vorwegnahme — Prolepse — der einzige n Offenbarun g i m volle n Sinn e diese s Wortes is t un d universalgeschichtliche n Charakte r hat , kan n auc h nu r de r Universalgeschichte Offenbarungscharakte r zugesproche n werden , wa s ein e besondere Offenbarungsgeschicht e etw a i n Israe l ausschließt . Di e Sonder stellung de s Alte n Testament s beruh t als o nich t darauf , da ß hie r ei n Sonder fall vo n Geschicht e bezeug t wird , sonder n da ß i n Israe l ei n Bewußtsei n vo n Geschichte i m Spannungsboge n vo n Verheißun g un d geschichtliche r Erfül lung geweck t worde n ist , ohn e da s auc h da s Christentu m nich t geschichtlic h existieren könnte . S o heiß t es : „Da s Wese n de s Christentum s selbs t is t dies e Geschichte zwische n de m Adven t de r Zukunf t Gotte s i m Auftrete n Jes u un d der Zukunf t de s Gottesreiche s i m Zeiche n de s wiederkommende n Christus " (Wissenschaftstheorie un d Theologie, S.420) . Ist fü r Pannenber g - und ähnlic h auc h fü r Moltman n - der Glaub e nich t wesent lich au f da s Wor t de r Selbstoffenbarun g Gotte s un d primä r überhaup t nich t au f das Wort, sondern au f di e Faktizität von Geschichte, die Sprache der Tatsachen bezogen, s o verlier t notwendigerweis e auc h di e Schrift , di e da s Wor t bezeugt , ihr e zen trale, kanonisch e Stellung . Au s de m Allei n durc h di e Schrif t (sol a scriptura ) wir d ein Allein durch die Geschichte (sol a historia). In diese totale Geschichte wird auch die vom Alte n Testamen t bezeugt e Geschicht e al s Teilaspek t eingegliedert . Entsprechen d werden Exeges e vo n Texte n un d Bibelwissenschaf t überhaup t zu m Bestandtei l eine r universal-umfassenden, zugleic h religionsgeschichtliche n un d theologische n Auf gabenstellung. Begreiflic h is t vo n daher , da ß di e Kirchengeschicht e ein e wesentlich e theologische Aufwertun g erfährt : „Di e Kirchengeschicht e is t nich t meh r ein e theo logische Spezialdisziplin . Si e is t da s vie l wenige r al s di e biblisch e Theologie . Di e Kirchengeschichte umgreif t da s Ganz e de r Theologi e au f ein e Weise , wi e e s de r bi blischen Theologi e al s Diszipli n nu r pe r nefa s [au f widerrechtlich e Weise ] un d de m einzelnen Exegete n nu r durc h de n Mu t möglic h ist , di e Schranke n de r eigene n Dis ziplin z u überschreite n . . . Wenn ma n nich t i n de r Weis e de s Altprotestantismu s die kanonische n Schrifte n ode r mi t K.Bart h da s ganz e Zeitalte r de r Aposte l prin zipiell de r Zei t de r Kirch e un d ihre r Geschicht e entgegensetzt , dan n is t nich t ein zusehen, wi e de r mi t de r Erforschun g de r Geschicht e de s Christentums beschäftigte n Disziplin di e Zuständigkei t fü r di e Anfäng e de s Christentum s - wie auc h fü r sein e Vorgeschichte - generell abgesproche n werde n kann , auc h wen n die in der Besonderheit de s christliche n Glauben s begründet e Herausbildun g eine s Gegenüber s alle r späteren Zeitalte r de r Kirch e z u de m de r Apostel un d zu den apostolischen Schrifte n in ihre r Bedeutun g innerhal b de r Geschicht e de s Christentum s durchau s gewürdigt wird" (Wissenschaftstheorie , S.394f.) . Da s is t vo n diese m Standpunk t au s verständ lich: die Geschichte der Anfänge de s Christentums ist eine kurze Teilstrecke, gemessen an de r alttestamentliche n „Vorgeschichte " mitsam t de r übrige n Vorgeschicht e un d gemessen auch an der 2000 Jahre währenden Christentumsgeschichte . Während Schrif t un d Exeges e fü r di e zuletz t skizziert e Positio n star k i n de n Hintergrund trete n un d nu r meh r di e fundamentale n Stichworte : Verheißun g 11 Gunneweg, Verstehe n
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oder Auferstehun g al s Vorwegnahm e de s Ende s un d de s Ziele s z u liefer n haben, werde n gegenwärti g auc h Versuch e unternommen , z u eine r gesamtbi blischen Theologi e zurückzufinden . S o häl t Pete r Stuhlmache r (Neue s Testa ment un d Hermeneutik , 1971, S.43) di e „Zweiteilun g de r Schriftauslegung" , nämlich al s gesondert e Diszipline n de r alt - un d neutestamentliche n Exeges e theologisch fü r „durchau s fragwürdig" . Auc h er meint, da ß sich die „ein e Zeit lang zurückgedrängte n universalgeschichtliche n Problem e nunmeh r mi t Vehemenz und , wi e mi r scheint , unentrinnba r zurückmelden" . E r forder t daher ein e „erneut e Reflexio n au f di e universalgeschichtliche n Lebenspro zesse, i n dene n wi r stehen , durc h Ausweitun g unsere s Sinne s fü r Wirklichkei t und Traditio n sowi e durc h ei n geschärfte s Interess e a n de n fü r di e Mensche n in de r Geschicht e jeweil s lebensentscheidende n Zukunftsentwürfen " (a.a.O. , S.40). Unte r diese m Aspek t „erscheine n i n de r Tat alt - un d neutestamentlich e Traditionsbildungen al s en g aufeinande r bezogen e Phänomene , di e sic h nich t mehr länge r mi t de m eingebürgerte n religionsgeschichtlich-dogmatische n Denkschema bewältige n lassen , da s Neu e Testamen t se i kraf t seine r Christus verkündigung di e wahr e Offenbarung , da s Alt e Testamen t abe r gehör e mit samt andere n Zeugnisse n de r spätantike n Religionsgeschicht e nu r zu r Umwel t des Neue n Testament s un d stell e hie r bestenfall s ein e traditionsgeschicht lich besonder s wichtig e Vorstuf e neutestamentliche r Überlieferun g dar " (a.a.O., S.43) . Offe n bleib t hier, wie der überlieferungsgeschichtliche „Befund , daß di e wesentliche n Interpretament e de r neutestamentliche n Christologie , und zwa r di e meiste n Hoheitstite l ebens o wi e z.B . di e Auferweckungsvor stellung, alttestamentlich-jüdische r Provenien z sind , da ß - anders ausgedrück t — die neutestamentlich e Christologi e offenba r alttestamentlic h gedacht , er fahren un d verkündig t worde n ist" , z u verstehe n sei : e r müss e „vo n un s ers t noch gedanklic h un d theologisch " eingehol t werde n (a.a.O.) . Denkba r is t es, diese n Befun d überlieferungsgeschichtlich-linea r fruchtba r z u mache n und Alte s Testament un d Neue s Testament al s durch de n historische n Zusam menhang verbunde n z u denke n un d diese n Zusammenhan g dan n al s solche n für religionsgeschichtlich-theologisc h erheblic h z u erklären . Die s würd e i n die Näh e Pannenberg s bringen , de r de n hie r zitierte n Aufsat z mi t eine r Reve renz erwähn t (Wissenschaftstheorie , S.385) . Denkba r is t freilic h auc h ein e andere Interpretatio n de s - historisch un d überlieferungsgeschichtlic h nich t anzweifelbaren - Befundes de r Zusammengehörigkei t de r Testamente ; darüber wird noc h an anderer Stelle zu reden sein (s.u . S. 187ff.). In einem spätere n Aufsat z zu r Möglichkei t eine r neue n biblische n Theologi e (Das Bekenntni s zu r Auferweckun g Jes u vo n de n Tote n un d di e Biblisch e Theologie, 1973) soll nac h Stuhlmacher , wi e de r Tite l de r Arbei t besagt , ei n solcher gesamtbiblische r Entwur f vo m Auferstehungsbekenntni s ausgehen . Aber ebens o sol l beachte t werden , da ß di e Auferstehungsvorstellun g un d die Idee , da ß Got t Mach t hab e auc h übe r de n Tod , vo n Israe l „i n lange r eigenständiger Traditionsarbei t erworben " sin d (a.a.O. , S.146) . Ma n dürf e „die Entwicklun g de s jüdische n Auferstehungsglauben s al s eine n We g de r Ausweitung de s Jahweglauben s verstehen " (a.a.O. , S . 149). Und daru m gilt : © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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„Das christlich e Auferweckungsbekenntni s is t ein e christologisch e Präzi sierung de s i n lange r Traditionsarbei t ausgestaltete n israelitische n Gottes bekenntnisses, un d zwa r i m Blick au f To d und Erscheinung Jesu" . Ebe n deswegen, s o laute t di e Folgerung , müss e di e neutestamentlich e Theologi e al s biblische Theologie, die zum Alten Testament hin offen ist , entworfen werde n (a.a.O., S. 151 f.). Wiederum kan n ma n fragen , wa s a n jene m nich t z u bezweifelnde n über lieferungsgeschichtlichen Befun d hermeneutisc h un d theologisc h erheblic h sei: di e „lang e Traditionsarbeit" , als o ein e Traditions- und Entwicklungs geschichte au f Christu s un d da s Auferstehungsbekenntni s hi n ode r da s Fak tum, da ß di e christlich e Verkündigung , da s Kerygma , di e Sprach e de s Alten Testaments aufnimmt un d vom Christusgeschehen he r umformt. Anscheinen d geht e s auc h hie r wenige r u m Kerygm a un d Sprache , un d auc h diese r „We g zur biblische n Theologie " führ t i n de n al s Offenbarun g verstandene n Ge schichtsprozeß, der, wie man meint, von sich aus dazu drängt, „z u ergründen, inwiefern i n Jes u Verkündigun g di e alttestamentlich e Glaubenstraditio n a n ihr Ziel und Ende gekommen ist. . ." (a.a.O., S. 154f.). Eine bemerkenswert e Konsequen z is t auc h hier , da ß Offenbarun g historisc h er kennbar un d faßba r sei n soll : „Historisc h is t kei n Zweifel , da ß sowoh l di e Offen barung Gottes im Alten Testament als auch im Neuen Testament in einem bis zur Auferweckung Jes u fortschreitende n Proze ß in Erscheinung getreten ist. Es ist historisch ebenso weni g z u bestreiten , da ß es nach Jes u Auferweckun g wiede r eine r gewisse n Zeitspanne und verschiedener Erfahrungsräume bedurfte, um die Christusoffenbarung Gottes kerygmatisch s o zu erfassen , z u durchdenke n un d auszusagen , da ß wirklich alle Bereich e de s Sein s i n Vergangenheit , Gegenwar t un d Zukunft , i n Vorzeitigkei t und über das Ende der Geschichte hinaus als von der Christusoffenbarung betroffe n und umfaßt gelten konnten" (a.a.O., S. 165). Von seite n de r alttestamentliche n Wissenschaf t un d vo n ähnliche n Erwä gungen ausgehen d wurd e da s Proble m de r Einhei t de r biblische n Theologi e und dami t de s Verhältnisse s de r beide n Testament e zu r gleiche n Zei t vo n Hartmut Ges e angegange n (vgl . de n Aufsatzband : Vo m Sina i zu m Zion , 1974). Deutlicher al s be i Stuhlmache r wir d hier , da ß di e Einhei t de r bi blischen Theologi e mi t de r „Einhei t de s biblische n Traditionsprozesses " (so de r Tite l de s erste n Abschnitte s de r Arbei t „Erwägunge n zu r Einhei t der biblische n Theologie" , a.a.O. , S . 11 ff.) begründe t werde n soll . Da s Neue Testament „bilde t de n Abschlu ß eine s Traditionsprozesses , de r wesentlic h eine Einheit , ei n Kontinuu m ist " (a.a.O. , S . 14). Die Erwägunge n führe n zum Ergebnis : „Di e Offenbarun g is t ei n Proze ß un d nu r i m Ganze n is t de r Prozeß zu greifen. De r Offenbarungsprozeß setz t einen ontologischen Prozeß , der sic h i n de m Ereigni s vo n To d un d Auferstehun g Jes u vollendet , i n wel chem di e Grenze n vo n Sei n un d Nichtsei n fallen . Da s Sei n wird , un d di e Wahrheit is t geschichtlic h geworden " (a.a.O. , S.30) . Da s Kontinuum , da s Altes Testamen t un d Neue s Testamen t verbindet , se i de r ununterbrochen e Traditionsprozeß, de r mi t de r Pentateuchkanonisierun g angefange n habe , aber zu r Zei t de s neutestamentliche n Geschehen s noc h völli g offe n gewese n 11*
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sei. Nac h Ges e wa r e s „antiapokalyptische , antisapientiale , vornehmlic h anti christliche Polemik " . . ., „wenn i n diese m Traditionsabschlu ß 100 n.Chr. ein entscheidende r Tei l eliminier t wurde , nämlic h ei n Großtei l de s apokalyp tischen un d sapientiale n Materials . Ei n christliche r Theolog e dar f de n m a soretischen Kano n niemal s gutheißen , den n de r Kontinuitä t zu m Neue n Testament wir d hie r i n bedeutende m Maß e Abbruc h getan . Mi r schein t unte r den Einwirkunge n de s Humanismu s au f di e Reformatio n di e ein e verhäng nisvolle gewese n z u sein , da ß ma n di e pharisäisch e Kanonreduktio n un d di e masoretische Texttradition , au f di e ma n al s ,humanistische ' Quell e zurück griff, miteinande r verwechselt e un d Apokryphe n aussonderte " (a.a.O. , S. 16f.). Da s Arg e a n jene r Kanonreduktio n ist , da ß damit , fall s e s menschen möglich wäre , da s Offenbarungskontinuum , da s Ges e annimmt , unter brochen würde . Wi e be i de n Theologe n vo n „Offenbarun g al s Geschichte " die Apokalypti k al s „missing link " wiederentdeckt un d zu r Wiederherstellun g des unterbrochene n Geschichtskontinuum s eingesetz t wird , s o is t auc h Ges e genötigt, di e kanonisch e Lück e z u schließe n un d gleichsa m kanonische r z u werden al s die heilige Schrift . Auch dies e Anschauun g wurd e anhan d un d i n Auseinandersetzun g mi t de r vo n Radschen Theologi e entwickelt . Is t nac h vo n Ra d da s imme r erneu t aktualisiert e und umgestaltet e Kerygm a inhaltlic h - außer i n de r Weisheitsliteratur , i n manche n Psalmen un d i n de r Apokalypti k - geschichtsbezogen, s o is t fü r Ges e da s Kerygm a „keine statisch e Größe , sonder n wächs t fortwähren d mi t de m geschichtlichen Proze ß des Tradierens " (a.a.O. , S.18) . Un d wi e be i Pannenber g besteh t de r Fortschrit t dieses Wor t zunächs t ohn e jeglich e Wertun g - darin, da ß auc h da s Kerygm a selbs t in de n Geschichtsproze ß hineingenomme n un d s o zu m Offenbarungproze ß? wird . Im Unterschied vo n Pannenber g freilic h wir d diese r Proze ß einzi g au s de r Schrif t Alte n und Neue n Testament s erhoben , e r is t exklusi v ei n israelitisch-jüdisch-christliche r Offenbarungsprozeß, de r nich t universalgeschichtlic h ausgeweitet , wird. Un d ander s als bei Moltmann , fü r de n auc h da s Christusgeschehen wiede r wesentlic h un d primär Verheißung ist , gil t fü r Gese : „De r gesamte n heilsgeschichtliche n Traditio n i n ihre r futurischen Erwartun g de s Anderen, i n ihre m Abstan d zu m Hei l tra t entgege n Jesu s von Nazareth in de r Verkündigun g de s Heils hic et nunc [hie r un d jetzt] . Eine r apo kalyptischen Erwartun g de r Zukunf t setzt e da s eine n ebensolche n Ziel - un d End punkt wi e de r tor a un d de r weisheitliche n Konzeptio n eine r symbolischen , abbild haften Heilspartizipation" , wei l i n Jes u Verkündigun g „di e Gegenwar t de s Heil s nicht nu r angezeig t wird , sonder n sic h auc h vollzieht " (a.a.O. , S. 28f.). Dami t ist das Alte Testament auc h hie r trot z Betonun g de r Einhei t de r Bibel un d de r daru m gefor derten Einhei t de r biblische n Theologi e al s Dokument eine r - allerdings wesentliche n - Vorgeschichte verstanden. 4. Geschichte und Wort : Kriti k de r Heilsgeschicht e Alle obe n skizzierte n Versuche , da s hermeneutisch e Proble m de s Alte n Testaments z u löse n un d z u eine r gesamtbiblische n Theologi e zurückzu finden, sin d sic h trot z alle r Unterschied e i m einzelne n dari n einig , da ß da s Alte Testamen t primä r al s Geschichtsbuc h i n Betrach t kommt , ode r mi t Westermanns Worten : „Be i alle n is t grundlegend : da s Alt e Testamen t berichte t © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Geschichte und Wort: Kritik der Heilsgeschichte
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Geschichte ode r berichte t ein e Geschicht e ode r berichte t Geschehendes " (Probleme, S.22 ; vgl . o . S . 155). Will ma n dies e weitverbreitet e un d fas t i n kanonischem Ansehe n stehend e Meinun g gebühren d un d auc h i m Blic k au f Entwicklung un d Geschicht e de s hermeneutische n Problem s beurteilen , s o muß zunächs t folgende s festgestell t werden : Al s Irenäu s gege n di e Ketze r (Adversus haereses) , welche di e Geltung de s Alten Testament s bestritten , sein e Heilsgeschichte entwarf , wa r e r sic h woh l kau m bewußt , mi t diese m seine m Entwurf ei n Verständni s de s Alten Testament s z u lehre n un d anzubahnen , da s zwar nich t selbs t auc h ketzerisc h genann t werde n muß , abe r doc h keines wegs de m ursprünglichen , urgemeindliche n Umgan g mi t de r Schrif t ent sprach. Gan z abgesehe n davon , da ß de r vo n de r Kirch e übernommen e grie chische Kano n nac h eigene m Verständni s gewi ß nich t Urkund e eine r Vor geschichte sei n wil l un d daß der hebräische Kano n gerad e nich t a n Geschichte , sondern a m Geset z und a n desse n Auslegun g orientier t ist : di e Urgemeinde be rief sic h au f da s Alte Testament al s au f di e Schrif t (ode r „di e Schriften") , abe r nicht au f ein e wi e auc h imme r geartet e Geschichte , di e vo n diese r Schrif t „berichtet" ode r „nacherzählt " wir d un d di e gleichsa m hinte r de n Texte n liegt. Nac h de r alten , scho n Paulu s vorgegebene n Traditio n is t Christu s ge storben un d auferstande n nac h de n Schrifte n (l.Kor . 15,3f.), nich t jedoc h am End e eine r Vorgeschicht e ode r eine r Zeitstrecke , di e al s fortschreitende r heilsgeschichtlicher Proze ß z u betrachte n wäre , de r i m Christusereigni s seine n Höhepunkt fand . Auc h noc h w o i m Neue n Testamen t vo n de r „Füll e de r Zeit" ode r vo n de m „Augenblick " (kairos) , de r erfüll t is t (Gal . 4,4; Mk. 1, 15; Eph. 1,10), gesprochen wird , lieg t nich t di e Vorstellun g eine r Entwick lungsgeschichte, eine r Geschicht e allmählic h sic h verwirklichende n Heil s ode r eines vo n Verheißun g z u Erfüllun g fortschreitende n Prozesse s vor . Gemein t ist vielmehr , wi e de r Begrif f kairos , de r i n solche n Zusammenhänge n meisten s begegnet (Mk . 1,15; Lk. 21,14; Eph. 1,10), lehrt, de r entscheidende , end zeitliche (eschatologische ) Augenblick , di e endzeitlich e mi t de m Christushei l gefüllte Zeit . Soga r noc h fü r Luka s is t mi t de r Erscheinun g Jes u Christ i „diese Schrift " erfüll t (Lk . 4,21); nicht einmal fü r diese n „zeitlich " denkende n Evangelisten is t di e Geschicht e Israel s al s ein e sic h übe r Jahrhundert e er streckende Vorgeschichte , sonder n di e Schrif t wichtig , dere n Bedeutun g ins besondere i n ihre m Charakte r al s Weissagun g un d Verheißun g liegt . Nich t am Kontinuu m de r Geschicht e un d de r Zei t ist gelegen un d nich t u m einer sol chen kontinuierliche n Geschicht e willen , di e Israe l un d di e Kirch e verbindet , wird da s Alte Testament zu m Buc h de r Kirch e erklärt , sonder n wei l di e Kirch e die Schrif t erfüll t glaubt . Wil l ma n de n Begrif f de r Kontinuitä t unbeding t bei behalten, s o müßt e ma n vo n eine r solche n i m Wor t un d i n de r Sprach e reden : im Licht e de s Christusgeschehen s wir d da s alt e Wor t zu m neue n Wort , e s be kommt neu e Aktualität , e s entbirg t jetz t sein e ganz e Wahrheit , kurzum : e s ist „heut e erfüllet vo r euren Ohren " (Lk . 4,21). Es is t da s Verdiens t vo r alle m Günte r Kleins gewesen, i n mehrere n Arbeite n mi t Energie, abe r leide r dennoc h nich t überal l genügen d vernommen , au f diese n gan z anderen Schriftgebrauc h un d diese s ganz andere Verständni s de s Alten Testament s in © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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der frühe n Kirch e hingewiese n z u haben . Vo n Seite n de r systematische n Theologi e wurde die s positi v aufgenomme n un d vertief t vo n H.G.Geye r (Zu r Frag e de r Not wendigkeit des Alten Testaments, 1965). Nun kan n zwa r di e urgemeindlich e Weis e de r Rezeptio n de s Alte n Testa ments und de s Umgangs mi t de r Schrif t nich t unbesehe n maßgeblic h un d nor mativ fü r all e Zeite n sein , si e verma g da s dest o weniger , al s si e selbs t alle s andere al s einheitlic h un d z.T . auc h kau m theologisc h kla r durchdach t ist . Wohl abe r lehr t jenes ganz andere , nicht-lineargeschichtliche Verständnis , da ß wer au s de m Konsensu s derer , di e da s Alt e Testamen t al s Geschichtsbuc h interpretieren, ausbricht , au s rech t angesehene m Kreis e i n di e noc h besser e Gesellschaft de r neutestamentliche n Zeuge n tritt . Fü r si e wa r da s vo n de n Vätern überkommen e Erb e zuers t „di e Schrift" , „da s Gesetz " un d vo r alle m „die Propheten" . Da ß die s ein e einseitig e Ansich t ist , wurd e scho n dargelegt ; das Alt e Testamen t läß t sic h nich t al s Ganze s al s Geset z qualifizieren , e s kann auc h nich t i n seine m ganze n Umfan g al s Prophetie , Weissagung , Ver heißung verstande n werden . S o konnt e sic h di e Frag e aufdrängen , o b da s sei t Irenäus imme r wiede r vertreten e heilsgeschichtlich e un d überhaup t linear geschichtliche Verständni s de m Alte n Testamen t nich t doc h ehe r angemesse n ist. E s kan n j a nich t geleugne t werden , da ß hie r Geschicht e erzähl t wir d un d daß auc h ein e Lini e verfolg t werde n kann , di e vo n Ada m bi s i n di e nach exilische Zei t hinein reicht . Man soll diese klare Beobachtung nicht dadurch abzuschwächen versuchen, daß man auf di e Diskrepan z vo n tatsächlic h Geschehene m un d Berich t übe r Geschehenes , von Tatsachengeschicht e un d kerygmatische r Erzählung , vo n historisch-kritisc h erarbeitetem Geschichtsbil d un d de m Bild , welche s da s Alt e Testamen t selbs t i n kerygmatischer Intentio n vo n de r Geschicht e zeichnet , hinweis t un d di e enorme n Unterschiede zwische n beide n betont , u m s o jegliche n Modu s vo n Heilsgeschichte , sowohl ein e i m faktische n Geschichtsverlau f angesetzte , abe r ni e s o geschehene , als auc h di e al s Geschicht e vo n Verkündigun g verstandene , di e au f ni e s o Geschehenes verweist , a d absurdu m z u führen . Immerhi n läß t sic h trot z alle m di e historisch e Faktizität de r wichtigste n „Heilstatsachen " - Patriarchen-Wanderungen, Auszu g aus Ägypten , Landnahme , Staatenbildung , davidische s Königtum , nachexilisch e Restauration - nicht bestreiten . E s is t scho n ein e Geschicht e geschehe n un d si e is t auch linear verlaufen. Nun ha t ma n angesicht s de s Auseinanderklaffen s vo n biblische m Ge schichtsbild un d tatsächliche m Verlau f de r Geschicht e gemeint , sic h ent weder theologisc h fü r da s biblisch e Bil d (G . vo n Rad ) ode r fü r di e Fakten geschichte (Fran z Hesse ; späte r ha t Hess e sic h korrigiert : Abschie d vo n de r Heilsgeschichte, 1971; ders., Zur Profanitä t de r Geschicht e Israels , 1974) entscheiden z u müsse n ode r au f Grun d de r Erwägung , da ß j a di e Überlieferungs geschichte selbs t auc h Geschicht e sei , beide s z u kombiniere n versuch t (R . Rendtorff, Hermeneuti k de s Alte n Testament s al s Frag e nac h de r Geschichte , 1960; ähnlich scho n O.Cullmann , Hei l al s Geschichte , 1965, S.75 u . 92). Darin offenbar t sic h nu r wiede r di e Schwierigkei t alle r Heilsgeschichte , di e i n der Zuordnun g vo n Geschicht e un d Wor t (Deutung , Bericht , Bezeugung ) © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Geschichte und Wort: Kritik der Heilsgeschichte
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und i m drohende n ode r tatsächlic h geschehene n Verlus t de s Worte s besteht . Dieser Verlus t wär e jedoc h z u verschmerze n un d gar al s Gewin n z u begrüßen , wenn da s Alt e Testamen t selbs t di e „Sprach e de r Tatsachen " redet e un d ohn e das Wor t al s Kerygm a auskäme . De r schadenfrohe Verwei s au f di e Schwierig keiten, i n di e sic h ei n vo n Ra d einerseit s un d ei n Fr . Hess e andererseit s hin einbegaben (etw a be i G . Klein, Bibe l un d Heilsgeschichte) , mu ß als o noc h nicht di e Heilsgeschicht e al s möglich e biblisch e Denkstruktu r widerlegen . Die Schwierigkeite n könnte n j a auc h dahe r rühren , da ß di e Tatsachen Heilsgeschichte noc h nich t konsequen t genu g au f de n Begriff gebrach t worde n wäre. Tatsächlich trate n ja , Hesse s un d vo n Rad s Schwierigkeite n hinte r sic h lassend, sowoh l Moltman n al s auc h de r Pannenbergkrei s mi t eine m neue n Begriff vo n Tat - un d Geschichtsoffenbarun g gege n di e Theologi e de s Worte s zum Generalangriff an . Moltmann möcht e de n Offenbarungsbegrif f au s dem angeblich verengende n „Rah men un d Fragezusammenhan g de r transzendentale n Subjektivität " befreie n (Theo logie de r Hoffnung , S.67) . Fü r ih n is t da s Wor t pe r se , al s solche s imme r Ver heißung, di e de n Proze ß de r Geschicht e au f Erfüllun g hi n i n Bewegun g setzt . Da ß Offenbarung i n diese m Sinn e imme r al s Verheißun g z u verstehe n sei , hab e di e alt testamentliche Wissenschaf t selbs t gezeig t (a.a.O. , S.36) . Dami t verweis t e r au f da s Offenbarungsverständnis de s Pannenbergkreises , da s vornehmlic h vo n R . Rendtorff herausgearbeitet worde n war . Wiewohl als o der Ausgangspunkt i n einem bestimmte n Offenbarungsverständnis, fü r da s da s Wor t vo r alle m Verheißun g un d Verwei s au f Geschichte ist , hie r un d dor t ähnlic h ist , trenne n sic h di e Wege be i de r Ausarbeitun g des Systems . Währen d fü r Pannenber g di e als o verstanden e Offenbarun g i m uni versalgeschichtlichen Horizon t sic h ereignet , is t fü r Moltman n de r „apokalyptische , universalgeschichtliche Deutungshorizon t de s Ganze n de r Wirklichkei t . . . sekundär gegenüber de m verheißungs - un d sendungsgeschichtliche n Horizon t diese r Weltver änderung" (a.a.O. , S. 73). Bei näherem , nüchterne m Zusehe n zeig t sic h aber , da ß da s begeistert e und begeisternd e Syste m de r Hoffnungstheologi e un d auc h di e Geschichts theologie überhaup t au f seh r schmale r un d nich t tragfähige r exegetische r Basis stehen . Davo n da ß „di e neuer e alttestamentlich e Theologi e gezeigt " habe, da ß Got t sic h „au f di e Weis e de r Verheißun g un d i n de r Verheißungs geschichte" offenbar e (a.a.O. , S.36), kann kein e Red e sein . Gegen diese s zumindes t seh r einseitig e Verständni s vo n Offenbarun g i m Alte n Testament ha t sic h auc h alsbal d ei n ernstzunehmende r Protes t erhoben . Kur z nac h Erscheinen de s Programm s „Offenbarun g al s Geschichte" , 1961, hat W.Zimmerl i i n dem Artikel : „Offenbarung " i m Alte n Testament , 1962, auf di e Einseitigkei t diese s Offenbarungsverständnisses hingewiesen . Obwoh l auc h Zimmerl i selbs t i n eine r früheren Arbei t übe r „Da s Wor t de s göttliche n Selbsterweise s (Erweiswort) , ein e prophetische Gattung " vo n 1957 gesagt hatte , da ß sic h di e Wahrhei t de r Selbst offenbarung Gotte s „mitte n i m geschichtliche n Ereigni s draußen " erweis e (a.a.O. , S.126), un d dadurc h di e von Rendtorf f vertreten e Meinun g z u stützen schien , da ß es letztlich au f da s historisch e Ereigni s selbs t ankomm e un d Offenbarun g ers t i n de r Geschichte un d al s Geschicht e sic h ereigne , ha t e r i n seine r Kriti k a n Rendtorf f © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Geschichtsbuc h
betont, da ß das Wort selbs t scho n Geschehnis , das Welt und Geschicht e bewegt , und daß da s Geschehe n verwirklichte s Wort , eingelöst e Verkündigun g se i (a.a.O. , S.25) . Und nich t zuers t au f eine n Geschichtsablauf , de r ei n Sinngeheimni s i n sic h trage , komme e s an , sondern : „Diese r Glaub e versteht , da ß di e geschichtlich e Rettungs tat, übe r welch e de r Nam e Jahwe s verkündig t ist , gezielte s Geschehe n ist , da s nich t im Zusammenhan g eine s Geschichtsganze n verstanden , sonder n i m Heut e al s Anruf unter de n Name n Jahwe s gehör t un d i m anbetenden un d glaubenden Gehorsa m ver standen un d beantworte t sei n will " (a.a.O. , S.29) . E s is t freilic h unverkennbar , daß Zimmerii s eigen e Positio n (s.o . S . 154 f.) ih n i n nich t gering e Schwierigkeite n brachte, konnte sich doch Rendtorff au f Zimmerl i wie Pannenberg sich auf G. von Rad berufen! Wen n Offenbarun g ei n Geschehe n zwische n Verheißun g un d Erfüllun g ist , wie kann dann von einem Primat des Wortes die Rede sein? Einer gründliche n exegetische n un d theologische n Kriti k wurd e da s neu e Offenbarungsverständnis vo n R.Knieri m unterzoge n (Offenbarun g i m AT , 1971). Hier wir d nich t nu r dara n erinnert , „da ß Geschicht e al s solche , i n welcher Weis e sie auch konzipiert wird, für das Alte Testament i n keiner Weis e die einzig e Kategori e vo n Wirklichkeitserfahrun g war , auc h nich t vo n uni versaler Wirklichkeitserfassung " (a.a.O. , S.228) . Auße r i n de r Geschicht e ereignet sic h ei n Offenbarwerde n Jahwe s i m Tat-Ergehen-Zusammenhang , in de r Natur , zuma l i n Jahwe s Beherrschun g de r Schöpfung , i n de r weise n Weltordnung, i m Kreislau f vo n Morge n un d Abend , vo n Geborenwerde n un d Sterben, i n der Füll e de r irdische n Gaben , i n der Fruchtbarkeit (a.a.O. , S.229) . Vor alle m abe r wir d hie r kla r unterschiede n zwische n de r gemein-altorien talischen Vorstellun g vo n „Manifestatione n de s Göttliche n i n alle n Bereiche n menschlicher Erfahrung " un d s o auc h i n de r Geschicht e - einer Vorstellung , die Israe l teilt e —, und de r Identifizierun g diese s Allgemein-Göttliche n al s Jahwe i n eine r Offenbarun g ebe n diese s au s keine r Geschicht e ablesbare n Namens. De r Nam e al s da s Spezifiku m is t sprachliche r Natur , ei n Wort ereignis. Richtig schreib t Knierim : „Nu n kan n abe r nich t zweifelhaf t sein , da ß da s Be kanntwerden eines Namens (geschehe es in der Selbstvorstellung, durch Namengebung, durch Proklamatio n ode r Akklamation ) imme r ei n Wortereigni s ist , gleich , o b es auf ein andere s Ereigni s bezoge n ist , ei n solche s vorgängi g ankündig t ode r nachfolgen d interpretiert" (a.a.O. , S.222) . Au s diese n exegetische n Beobachtunge n ergib t sich , daß in de r Offenbarun g Jahwe s al s de s Gottes, der er in Wahrhei t ist , zwe i verschie dene Offenbarungsvorgäng e zusammenfallen : di e Manifestatio n eine s Göttlichen , das al s Unverfügbarkeit , Transzendenz , übe r menschliche s Vermöge n hinausgehend e Mächtigkeit erfahre n wird ; die s is t ei n Phänome n de r allgemeine n Religionsge schichte; abe r da ß Jahw e sic h i n solche n Manifestatione n offenbart , kan n ers t au s der Kundgabe seines Namens vernommen werden (vgl. a.a.O., S.223 f.). Damit stell t sic h heraus , da ß de r sic h maßgeblic h a m Alte n Testamen t und seine m Verständni s vo n Offenbarun g orientiere n wollend e universal geschichtliche Entwur f Pannenberg s i n Wahrhei t seine n Universalismu s au s der allgemeine n Religionsgeschicht e bezieht , a n de r Israe l allerding s gewi ß auch teilhat , abe r gerad e nich t i m spezifisc h Jahwistische n un d Alttestament © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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liehen veranker t ist . Ebens o erweis t sic h auc h Moltmann s Offenbarungsver ständnis un d sein e fü r dies e Konzeptio n wesentlich e Unterscheidun g vo n „Epiphaniefrömmigkeit", fü r welch e di e Gegenwar t durc h da s Anwese n Gottes geheilig t un d qualifizier t wir d un d fü r di e da s Hei l al s di e Geborgen heit i n der Gegenwar t de s Ewigen erfahre n wird , un d de r angeblich genui n alt testamentlichen Verheißungsreligio n al s exegetisch e Engführung . O b e s überhaupt christlich-theologisc h legiti m ist , sic h da s Verständni s vo n Offen barung vo m Alte n Testamen t he r maßgeblic h vorschreibe n z u lassen , is t ein e andere Frage , dere n Beantwortung , unabhängi g davon , o b ei n exegetisc h haltbarer Offenbarungsbegrif f au s de m Alte n Testamen t erhobe n wir d ode r nicht, selbs t scho n wiede r ein e bestimmt e Auffassun g übe r da s Verhältni s von Alte m un d Neue m Testamen t voraussetzt , di e au f jede n Fal l nich t unre flektiert bleibe n dürfte , wi e e s hie r tatsächlic h de r Fal l ist . Da ß abe r Be hauptungen, diese s ode r jene s Phänome n se i genuin-israelitisc h un d ohn e außerisraelitische Parallele n zuma l i n Anbetrach t de r noc h ständi g wachsen den Kenntniss e vo n Israel s Umwelt , imme r heikle r werden , zeig t sic h auc h a n der Kategori e de r Geschichte : da ß nu r Israe l ode r Israe l zuers t au f Grun d seines spezifische n Verheißungsglauben s di e Geschicht e al s Or t de r Offen barung ode r ga r al s Offenbarun g entdeck t ode r al s Höre r vo n Verheißun g die Geschicht e al s imme r erneute n Aufbruc h au s jede r Gegenwart , di e kein e Erfüllung, allenfall s nu r Sollerfüllun g kennt , erfahre n hätte , widerleg t ei n Blick i n di e Umwelttexte , wi e si e etw a vo n B.Albrektso n (History an d th e Gods, 1967 ) in Betrach t gezoge n werden , da s kan n abe r auc h ein e vorurteils lose Exegese des Alten Testaments selbst lehren . Läßt sic h da s Alt e Testamen t somi t nich t de m Begrif f de r Geschicht e unter ordnen, s o kan n doc h auc h nich t geleugne t werden , da ß hie r überhaup t Geschichte erzähl t wird . Di e breit e Übereinstimmung , da ß das Alte Testamen t ein Geschichtsbuc h sei , is t nich t schlechterding s ohn e alle n Grund . Is t di e hier erzählt e Geschicht e al s Heilsgeschicht e z u verstehen ? De r Begrif f Heils geschichte is t allerdings schillernd, und wer ih n verwendet, un d sei es auch, u m ihn abzulehnen , mu ß ih n zuvor , s o gu t e s geht , definieren . Währen d „Heils geschehen" zu m Ausdruc k bringe n will , da ß Hei l i n di e Geschicht e un d i n da s Geschick de s Mensche n geschichtlic h eingeh t un d vo m Mensche n j e und dan n empfangen un d erfahre n wird , mein t „Heilsgeschichte" , wen n da s Wor t über haupt i n seine m konventionelle n Sinn e verstande n werde n soll , ei n Kontinu um, eine n Geschichtsablauf , i n de m sich , wi e auc h immer , Hei l allmählic h ermöglicht ode r i n welche r Got t di e Geschicht e au f ei n Hei l hi n lenkt . Heils geschehen un d Heilsgeschicht e sin d als o z u unterscheiden , abe r si e hänge n auch zusammen : W o Hei l al s geschichtliches j e und je - als Errettung au s Not , als Begabung mi t Land , Fruchtbarkeit , Wohlfahrt , al s Gesegnetwerde n usw . erfahren wird , d a kan n sic h auc h de r Horizon t auftun , i n de m da s j e einzeln e Heilsgeschehen z u eine r Ereigniskett e sic h verbindet . S o wurde n tatsächlic h die einzelnen , ursprünglic h selbständige n Pentateuchtheme n - Väterverheißungen, Exodus , Wüstenwanderung , Landnahm e - zur durchgehende n Geschichtserzählung verbunden . Abe r da ß sic h Hei l i n allmähliche r Ent © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
wicklung realisiert e oder daß am Zielpunkt eines Geschichtsprozesses das Heil endlich erreich t wäre , davo n kan n kein e Red e sein . Auch da ß nac h Darstel lung de s ersten Buche s Mose etw a di e Patriarchen, di e al s Verheißungsträge r und ers t al s Fremdling e i m gelobte n Land e weilten , wenige r mi t Hei l be schenkt ware n al s di e Generation , di e da s Lan d i n Besit z nahm , kan n ma n nicht behaupten . Ja , e s ist überhaupt fragwürdig , o b den Verfassern wirklic h wie der moderne historisch denkende Mensch als selbstverständlich annehme n möchte, a n einem Kontinuu m un d einem Ablauf von Ereignissen al s solchem gelegen war . Di e Lini e ha t keine n Eigenwert ; da s Eigengewich t de r imme r noch deutlich abgrenzbare n „Perikopen " - bis hinein i n das Neue Testament - zeigt j a an , da ß si e j e i n ihre r eigene n Aussag e un d nich t blo ß al s Phasen , die nur vom Ganzen her ihren „Stellenwert " bekommen , gehört werden wollen. De r linear e Ablauf , de r si e verbindet , ha t dienend e Funktion . E r dient , indem e r Vergangenhei t un d Gegenwar t verknüpft , de r Vergegenwärtigun g des Vergangene n und , ander s formuliert , de r Identifizierun g de r gegenwärti gen Generation mi t der Vergangenheit. Un d wo sich keine Ereignislinie zeichnen ließ , diene n Genealogi e un d ununterbrochen e Geschlechterfolg e dem selben Ziel : Wa s de n Väter n geschah , gil t auc h de n i n ihne n inkorporierte n und i n ihre m „Samen " scho n enthaltene n Nachkommen ; di e Söhn e sin d de r Väter Erben , si e erbe n nicht s anderes , al s wa s de n Väter n geschenk t ward . So kan n e s soga r z u de r Aussag e kommen , nich t mi t de n Vätern , „sonder n mit uns , di e wi r hie r un d heut e leben" , hab e Jahw e de n Bun d geschlosse n (5.Mose 5,3). Wer solch e Sich t al s Heilsgeschicht e bezeichnet , verwende t den Terminus auf jeden Fall in einem uneigentlichen Sinne. Im Blick auf da s große deuteronomistische Geschichtswerk könnt e man eher noch geneigt sein, von einer Unheilsgeschichte zu sprechen. Jedoch die Beobachtungen, die gegen den Begriff Heilsgeschicht e sprechen, sind auch Argumente gegen so etwas wie eine Unheilsgeschichte. Auch der Darstellung de r Ereignisse im deuteronomistischen Geschichtswerk zufolg e entwickel t ode r verwirklicht sic h das Unheil nich t i n einem allmählichen Prozeß. Vielmehr, der wiederholte Abfall von Jahwe schon in der Frühzeit wiederholt sic h weiterhin i n der Königszeit , d a di e Könige, wie mit konstante r Eintönigkeit gesagt wird, taten, „wa s Jahwe übel gefiel"; un d in der abschließenden Betrachtung wird entsprechend die ganze Geschichte seit dem Auszug aus Ägypten als immer neue r Abfal l un d Ungehorsa m dargestellt : di e Israelite n „wandelte n i n den Sünden Jerobeams . . . und ließen davon nicht ab" (2.Kön. 17,22 ff.). Dieser charakteristische Ausdruck meint die Wiederholung des immer gleichen Bösen und nicht eine Entwicklung. Aber auc h sons t läß t sic h au s dem Alten Testamen t kein e von Verheißun g zu Erfüllun g fortschreitend e Geschicht e ablesen , wen n di e Text e i n ihre r eigenen Intentio n un d nich t nac h Maßgab e eine r „Erziehun g de s Menschen geschlechts" oder gemäß einer - religiös überhöhten - Entwicklungsgeschichte verstanden werden . Di e dargestellte n handelnde n Gestalte n erlange n kein e volle Erfüllung, di e Patriarchen bleibe n wandernde Fremdlinge, Mose darf da s Gelobte Lan d nich t betreten , soga r Davi d mu ß sein Reic h gegen de n eigene n Sohn un d sonstig e Usurpatore n verteidigen; scho n unte r Salom o beginn t da s © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Reich a n seine n Grenze n z u zerbröckeln , wi e e s auc h frühe r scho n negativ e Besitzverzeichnisse ga b (Ri . 1,21. 27-35) . Aber i n al l solche m „Noch-Nicht " spricht sic h doc h nich t zuers t neu e Verheißun g aus , sonder n ei n Wisse n u m Sünde un d Schuld , u m eigen e Schul d un d di e de r Väter , di e zu r Folg e hatte , daß da s Vol k da s Hei l ni e vol l ergreife n konnte . S o kan n da s deuteronomi stische Geschichtswerk , da s ein e Unheilsgeschicht e bi s zu m Untergan g Jeru salems erzählt , doc h auc h betonen , da ß Jahw e kein e einzig e Verheißun g un erfüllt lie ß (Jos . 21,45; 23,14) . Aber e s ist Jahwe, de r voll e Erfüllun g schenkt , der Mensc h hingege n ist's , de r alle s Bös e heraufbeschwört , wi e sofor t hinzu gefügt wir d (Jos . 23,15). Daß solche s Wisse n u m menschlich e Schul d un d Un zulänglichkeit, di e da s voll e Hei l imme r wiede r verfehlt , auc h vo n de r Hoff nung au f ein e endlich e - eschatologische - Erfüllung getrage n werde n kann , ist sicher ; da s is t abe r kei n Charakteristiku m de r alttestamentliche n Ge schichtswerke, sonder n de r Prophetic Dem entsprich t es , da ß fü r da s Neu e Testamen t da s Alt e Testamen t nich t Urkunde eine r kontinuierliche n Geschicht e au f Christu s hi n ist , sonder n di e Schrift, di e Christu s verheiß t un d weissagt , da s Neu e Testamen t sic h als o vo r allem au f di e Propheti e - und freilic h auc h au f solch e Texte , di e al s prophe tisch uminterpretiert werde n - zurückbezieht. Das gilt zunächs t fü r Paulus . Mi t Rech t schreib t Fr . Hesse, der nac h eigene n bitte ren Erfahrunge n mi t de r Heilsgeschicht e „Abschie d vo n de r Heilsgeschichte " (1971) nahm: „Nirgendw o geh t de r Aposte l vo n eine r Kontinuitä t i m Sinn e eine r heils geschichtlichen Entwicklun g aus ; überhaup t is t nirgendw o vo n eine m kontinuier lichen Geschehenszusammenhan g di e Rede . E s gib t woh l ein e nu r de m Glaube n erkennbare Kontinuität beispielsweise zwischen Abraham und dem Glaubenden heute, aber hie r handel t e s sic h ebe n nich t u m eine n geschichtliche n Zusammenhang " (a.a.O., S.32f.) . I n de r Tat , un d stat t vo n Kontinuitä t sollt e ma n soga r besse r vo n Analogie sprechen . Un d wen n Paulu s gelegentlic h typologisch e Exegese n wag t wi e etwa l.Kor . 10, so sin d doc h Typo s un d Antitypo s nich t Statione n au f eine m nac h Plan verlaufende n Weg e un d ein e „Tradierungsgeschicht e de s göttliche n Heils " wird nich t gezeichnet , den n all e Zwischenstatione n zwische n de r Mosezei t un d de m Christusereignis bzw . de r Zei t de r christliche n Gemeind e fehle n bezeichnenderweis e völlig; un d nich t da ß etwa s Heilsgeschichtliche s geschehen , „sonder n da ß da s Ge schriebene ,un s zu r Warnun g geschrieben ' is t (l.Kor . 10,11), ist entscheidend " (a.a.O., S.33) . Un d obwoh l di e Evangeliste n ein e Geschicht e Jes u schreibe n un d da s Kerygma vo n Jesus Christus erzählerisch gestalten , komm t doch auc h fü r si e das Alte Testament nich t al s Dokumen t eine r zuvo r geschehene n Heilsgeschicht e i n Betracht . Nicht einma l fü r Luka s is t ei n kontinuierliche r Zusammenhan g mi t de r israelitisch jüdischen Vorgeschicht e vo n theologische r Wichtigkeit , sonder n „e s komm t Luka s nur au f de n Hinwei s an , daß der Weg Jesu zu m Kreu z und seine Auferstehung eine m göttlichen Pla n gemä ß geschehe n seien , un d i n diese m Pla n hab e Got t diese m un d jenem weissagenden Zeuge n des Alten Testaments Einblick gewährt" (a.a.O. , S.34). Die Ansicht , da s Alt e Testamen t se i ei n Geschichtsbuch , stell t sich , obwoh l von viele n vertreten , doc h al s unhaltba r heraus , wen n unte r Geschicht e zu mindest ei n kontinuierliche r Ablau f verstande n wird , de r al s solche r — sei e s nun i n seine r Verkettun g vo n Ursach e un d Wirkun g ode r al s vo n Got t plan © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
voll gestaltet e Ereignisfolg e au f ei n Zie l hi n - wichtig ist . Zwa r vermöge n alttestamentliche Verfasse r größer e geschichtlich e Zusammenhäng e darzustel len; abe r i n solche n Erzählunge n geh t e s doc h ni e u m vo n Got t gesteuert e Entwicklungen ode r Entfaltungen , di e sic h z u eine r Heilsgeschicht e konti nuierlich verbinde n ließen , wen n nich t ga r Got t überhaup t al s Fakto r i n de n Hintergrund trit t un d di e Mensche n al s allei n Handelnd e geschilder t werde n - wie in der Thronfolgegeschichte . Nicht di e i m Alte n Testamen t selbs t gezeichnet e Geschicht e - oder Ge schichten - , erst rech t nich t di e allerers t vo n de r Wissenschaf t z u rekon struierende „wirklich e Geschichte " einschließlic h de r Überlieferungsgeschich te sin d al s Geschichtsablau f theologisc h vo n Bedeutung , sonder n al s i m Lauf e der geschichtliche n Wandlunge n un d Horizontverschiebunge n j e un d j e ne u gewagte Versuche , Israe l i n Vergangenhei t un d Gegenwar t vo n Jahw e he r zu deuten , di e Gegenwar t mi t de m Anfan g vo n Jahwe s Heils - un d Gerichts handeln z u konfrontieren, Israe l al s das Gottesvolk , da s es nach seine r eigene n Sage vom Anfang sei n soll, anzusprechen, dami t es wieder werde, was es war. So stellt der Jahwist in einem Rückentwur f de s Glaubens Abraham al s Vater Israel s - und darum selbst Israel - dar, der alles Gehabte fahren läßt und im Glauben auszieht, wie ihm Jahwe gesagt hatte, und darum und darin gesegnet wird; und diese „Geschichte" is t nich t bloß e Vorgeschichte , sonder n si e „erzählt " Israe l vo n Israel s wahre m Wesen, wie es war und ist, sein soll und sein darf. Anders un d doc h vergleichba r versetz t di e deutetonomistisch e Theologi e da s spät e Israel nach langer und leidvoller Geschichte noch einmal i n die Wüste, um es dort von Mose warne n un d tröste n z u lassen , dami t e s - „heute" - sein wahre s Hei l ergreif e und Jahw e diene . Wiede r ander s un d doc h auc h ähnlic h entwirf t di e Priesterschrif t in später Zeit ein Bild von Israels Frühzeit in der Wüste, wie es sich dort um das Begegnungszelt schar t un d di e Selbstvergegenwärtigun g Jahwe s erfährt . Da s wir d al s Geschichte erzählt , un d is t doc h nich t Heilsgeschichte , sonder n Program m un d Tröstung i n einem : Israe l heut e kan n Israe l a m Anfang , i n de r Wüst e vo n Got t selbs t konstituiert sein ; di e Gemeind e heut e un d hie r is t de r innerst e Krei s i m au s de m Chaoswasser ausgesparten Lebensraum. Trotz Einsat z be i Ada m biete t schließlic h auc h da s chronistisch e Wer k keine Heilsgeschichte , sonder n ein e Ar t wei t un d brei t ausgebaut e Ätiologi e und Legitimatio n de r nachexilische n Gemeind e i n Jerusale m un d de s Jerusa lemer Tempels. Von Jahwe selbs t durch Vermittlung de s heiligen König s Davi d begründet, is t hie r de r Ort , d a Jahw e heut e „di e Auge n leuchte n läßt " un d „ein Auflebe n gewährt " (Esr . 9,8). Solches Lebe n vo n Got t he r is t nich t End e und Zie l eine s Geschichtskontinuums , sonder n ne u geschenkte s Hei l nac h dem Bruc h un d de m Unhei l de s Gerichts. Das chronistisch e Wer k is t geradez u wegen seine r historische n Unzuverlässigkei t berüchtigt . E s unterscheide t sic h in diese r Hinsich t jedoc h allenfall s nu r graduel l vo n de n ältere n Geschichts werken. Solc h gleichsa m sorglose r Umgan g mi t de n Fakte n kan n nu r de n ver wundern un d enttäuschen , de r ein e Sprach e de r Tatsache n z u vernehme n hoffte ode r wege n de r mancherle i Erzählunge n da s Alt e Testamen t al s Ge schichtsbuch mein t bezeichne n z u müssen . Da s alttestamentlich e Interess e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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an de r jeweilige n Gegenwar t - die „anachronistisch " un d entgege n alle m historischen Lineardenke n di e Darstellunge n de r Vergangenhei t bi s i n Einzel heiten hinei n präg t - müßte e s ehe r nahelegen , vo m Buc h de r Gegenwarts bewältigungen z u sprechen . Die Einsicht , da ß e s i m Alte n Testament , sofer n e s Geschicht e un d Ge schichten erzählt , nich t u m ei n heilsgeschichtliche s Kontinuu m un d nich t u m eine Lini e au f Christu s hi n geht , nimm t diese m Erzähle n freilic h nich t seine n Wert, sonder n gib t de n Blic k fü r di e j e besonder e Botschaf t de r verschiedene n Geschichtswerke un d de r einzelne n Text e frei . Da ß be i solche r „Resistenz " des Alte n Testament s un d auc h noc h de s Neue n Testament s gege n di e Ide e der Heilsgeschicht e (G . Klein, Bibe l un d Heilsgeschichte , 1971) diesem Begrif f und diese r Ide e de r Abschie d gegebe n werde n sollte , is t deutlich . Deutlic h ist abe r auch , welche s Anliege n sic h hie r mi t unangemessene n Mittel n arti kuliert: Heilsgeschicht e un d Lineargeschicht e überhaup t wolle n „daz u dienen , eine rei n spekulative , abe r auc h ein e rei n anthropologisch-existential-philoso phische Begründun g un d Entfaltun g de r christliche n Wahrhei t z u verhindern , indem si e si e unmöglic h un d unnöti g machen" , schrie b de r Systematike r Kar l Gerhard Stec k (Di e Ide e de r Heilsgeschichte , 1959, S. 12). Aber gnostisieren den Spekulatione n un d anthropologische n Engführunge n kan n ma n nich t mit lineargeschichtliche n Spekulatione n un d nich t mi t eine r exegetisc h nich t begründbaren Ide e begegnen . Dies e ist , auc h abgesehe n vo n de r mangelhafte n exegetischen Basis , i n mehrfache r Hinsich t fragwürdig : systematisch-theo logisch, wei l Glaub e un d Heil , abe r nich t Glaub e un d ei n Geschichtskon tinuum i n eine r wechselseitige n Beziehun g zueinande r stehen . „Vielmeh r sind Inkarnatio n un d Auferstehun g al s göttlich e Geheimniss e vo n de r Ge schichte he r unzugänglich . Auc h da s wa r imme r di e Meinun g de r christliche n Lehre, wen n ma n vo m Geschichtsmaterialismu s neuere r Generatione n ab sieht" (a.a.O. , S. 60). „Heilsgeschichte" is t abe r auc h geschichtsphilosophisc h fragwürdig : Heil , hier j a verstande n al s Hei l vo n Got t her , begegne t soweni g wi e Got t selbs t als Faktu m i n de r Geschichte . Nu r ei n Geschichts-Supranaturalismus , de r den „Geschichtsmaterialismu s neuere r Generationen " religiö s überhöht , kann sic h einbilden , Gotte s Handel n vo n Heilstatsach e z u Heilstatsach e aufweisen un d nachzeichne n z u können . Geschicht e überhaupt , di e j a nich t einmal di e spezielle Domän e de s Gottes Israels und nich t der einzige Or t seine s Redens un d Handeln s un d seine r Heilsereigniss e ist , sollt e zuma l i n de r Theo logie nüchter n gesehe n werde n al s das , wa s si e ist : nämlic h al s Inbegrif f menschlichen Handeln s un d Erleidens , desse n Verkettun g un d Zusammen hang, Kontinuitä t un d Diskontinuität , Nezessitä t un d Kontingen z vo n de r historischen Wissenschaf t untersuch t werden . Das gil t auc h fü r de n neueste n vo n Ges e un d Stuhlmache r anvisierte n Versuch , Traditionsgeschichte unmittelba r theologisc h z u überhöhe n un d de n Proze ß de r Traditionsbildung mi t de m Geschehe n vo n Offenbarun g gleichzusetzen , de r i n Gese s Satz gipfelt : „Di e Offenbarun g is t ei n Prozeß , nu r i m dynamische n Proze ß au f da s Telos hin sic h entfaltend kan n si e verstanden werden " (Anfan g un d Ende der Apoka© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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lyptik, a.a.O. , S.230) . Ma n kan n zwa r behaupten : „Di e neutestamentlich e Tradi tionsbildung gründe t sic h au f di e alttestamentlich e un d bring t si e z u ihre m unüber bietbaren Abschluß " (a.a.O.) . Abe r diese r Sat z stimm t nur , sofer n e r au f da s Neu e Testament al s Traditionsbildun g bezoge n bleibt . Da s Neue Testament kan n un d darf jedoch nich t primä r ode r ga r ausschließlic h al s Traditionsbildun g un d scho n ga r nicht al s Abschlu ß eine s traditionsbildende n Prozesse s verstande n werden . E s is t nicht nu r z u verstehe n al s das Endprodukt vo n Traditionsbildung, sonder n de m eigenen Anspruc h nac h al s de r schriftlich e Niederschla g de r frühesten un d authentische n Christusverkündigung, di e zwa r au f di e Schrif t - auf Geset z un d Prophete n -, aber nicht au f Geschicht e zurückgreift , un d doc h da s wesentlic h unableitbar e geschicht liche un d endgeschichtliche , i n keine r Geschicht e entwickelt e un d vo n keine r Ent wicklung abhängig e Christusereigni s al s Heilsereigni s fü r all e Wel t predigt . Auc h daß im Neuen Testament der unüberbietbare Abschluß des Alten vorliege, stimmt nur vom Standpunkt traditionsgeschichtlicher Betrachtungsweise, die einen Ablauf der Traditionsbildung überblickt . Dabe i is t e s nich t anti-synagogale s Ressentiment , wen n die ander e Traditionsfortsetzun g i n de r Synagog e gänzlic h abgeblende t wird . Dies e muß übergange n werden , dami t de r christlich e „Abschluß " al s allei n berechtig t er scheine un d i n diese r Unüberbietbarkei t theologisch e Würd e bekomme . Hie r werde n Traditionsbildung al s Proze ß - ein wissenschaftlich-historisc h rekonstruierbare r Vorgang - und Gotte s Offenbarun g - die nu r geglaub t werde n kan n - identifiziert. Durch dies e Ineinssetzun g wir d di e Offenbarun g z u eine m Geschichtsproze ß un d ei n Geschichtsablauf zu r Offenbarung . Auc h diese r Versuch , mittel s eine r Linearkon struktion - „Prozeß" - die theologisch e Bedeutsamkei t de s Alte n Testament s un d Möglichkeit un d Notwendigkei t eine r gesamtbiblische n Theologi e z u begründen , führt zu m Verlus t vo n Offenbarun g un d verflüchtig t da s Alte Testament zu m Dokument de r Vorgeschichte : Anspruc h un d Zuspruc h konkrete r Text e tausche n ihre n Eigenwert gege n eine n Stellenwer t ein , de n si e al s blo ß relative n vo n ihre m Or t im geschichtlichen Ablauf beziehen . Auch di e ander e - gewollte ode r unbeabsichtigt e - Implikation eine r Ge schichtsphilosophie un d Geschichtstheologie , fü r di e Geschicht e un d Offen barung nu r noc h al s Proze ß i n Betrach t kommen , sol l beachte t werden : I n jenem „Prozeß " kan n de r Mensch nu r noc h einen „Stellenwert " haben . Offen barungs- bzw . Geschichtsverständni s un d Menschenbil d entspreche n sich : Nicht meh r u m seine r selbs t wille n angeredet , nich t meh r al s unverwechsel bares Ic h ernstgenommen un d gerechtfertigt , sonder n vo n de m mi t de r Offen barung Gotte s gleichgesetzte n So g de r Geschicht e un d vo n immerz u vo n Ver heißung z u Verheißun g fortschreitende n Geschichtsprozesse n zu m ni e end denden Exodu s i n Bewegun g gesetzt , ha t de r einzeln e Mensc h allenfall s sei nen „Stellenwert" , wen n e r sic h de m Proze ß einfüg t un d ih n nac h Gebüh r und Pflich t vorantreibt . We r di e Geschicht e zu m Mediu m Gotte s und ga r zu m Gott macht , erfährt , da ß diese r Got t ei n Moloc h ist . Un d da s scho n vie l zitierte Wor t de s Johan n Tobia s Beck : „Geschicht e is t heutzutag e de r Gott, de m alle s nachläuft , un d gerad e di e Geschicht e is t da s Eitle " (al s Mott o zitiert vo n K.G.Steck , a.a.O. , S.3 ) ha t noc h nicht s vo n seine r Aktualitä t eingebüßt. Ma g di e Geschicht e nich t da s Eitl e sei n - die Schrecke n zuma l der jüngste n Geschicht e wir d ma n j a kau m al s „eitel " bezeichne n dürfe n - , so wär e e s doc h angebracht , z u eine r nüchterneren , theologische n Betrach © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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tung de r Geschicht e zurückzukehren . Si e sollte theologisch verstande n werde n als Aspek t „diese r Welt" , s o da ß gesag t werde n kann : „Christu s is t da s End e der Geschichte , wei l di e Geschicht e al s Welt , al s da s i m Fleisc h nac h de m Fleische Leben , da s Produk t de s Lebenshunger s de s sündige n Mensche n ist . Von diese m Lebenshunge r heb t sic h da s Zeugni s dere r ab , di e davo n leben , daß si e schlechterding s alle s al s Gotte s gnädige s Geschen k verstehe n lerne n (Röm.. 8,32)" (E.Fuchs, Christus das Ende der Geschichte, S.95f.) . 5. Kritik de s Weissagungsbeweise s un d der Typologi e Daß di e Theologi e nac h Erwache n de s historische n Bewußtsein s un d nach de r Entdeckung de r auch di e biblische Religio n umgreifende n Geschicht e bis hi n zu m fas t einstimmige n Konsensu s da s sic h durc h di e entdeckt e Ge schichte ne u stellend e hermeneutisch e Proble m nu n auc h mittel s de r Ge schichte z u löse n versucht e un d dies e Lösun g i n de r geschichtliche n Verbin dungslinie z u finden meinte , is t begreiflich. I n diesem Zusammenhan g is t auc h die Wiederbelebun g de r Typologi e z u sehen . Di e historisch-kritisch e Ermitt lung de s ursprüngliche n Sinne s alttestamentliche r Text e un d di e wissen schaftliche Redlichkei t hatte n e s künftighi n unmöglic h gemacht , mi t de n Texten umzugehen , wi e di e neutestamentliche n Verfasse r da s mi t ehrliche m Gewissen un d gemä ß de n Auslegungsmethode n de r damalige n Zei t noc h z u tun vermochten . Dieser Sachverhal t is t de s öftere n dargestell t worde n un d übe r desse n Beurteilun g wird i n de r wissenschaftliche n Exeges e auc h nich t meh r gestritten ; e r brauch t hie r deshalb nich t noch einmal ausführliche r referier t z u werden (vgl . insbes . R.Bultmann , Weissagung und Erfüllung, 1959; H.Braun, Das AT im NT, 1962; u.s.o. S.26f.). Einige wenig e Beispiele , di e auc h ohn e Kommentierun g al s Fehlzitat e ode r Zitierunge n gegen de n ursprüngliche n Sin n erkennba r sind , möge n hie r genügen . Insbesonder e die Ar t un d Weise , wi e prophetisch e un d quasi-prophetisch e Stelle n al s messianisch e Weissagungen zitier t werden , is t heut e s o nich t meh r möglich . Di e jungfräulich e Geburt Jesu wir d mi t Jes. 7,14 belegt (Mt . 1,23), der Kindermor d z u Bethlehem mi t Jer. 31,15 (Mt. 2,17f.), Jes u Heilungswunde r mi t Jes . 53,4 (Mt. 8,17), die dreißi g Silberlinge de s Juda s mi t Sach . 11,9f. (Mt . 27,9). Auch Paulu s geh t mi t - für heu tige Begriff e — souveräner Willkü r mi t de n Texte n um : nac h Röm.. 10,18 ist di e Heidenmission i n Ps . 19,5 geweissagt. Ps . 8,7, der vo n de r herrliche n Stellun g de s Menschen überhaup t spricht , sol l di e Vollendun g de r Herrschaf t Jes u Christ i weis sagen (l.Kor. 15,27). Solche Beispiele ließen sich unschwer vermehren. Die Schlußfolgerung, mi t der schon Bultmann seine Übersicht über die alttestamentlichen Zitat e i m Neue n Testamen t beschloß , lieg t nahe: „E s is t klar , da ß i n alle n diesen Fälle n di e neutestamentliche n Schriftstelle r nich t neu e Erkenntniss e au s de n alttestamentlichen Texte n gewinnen , sonder n au s ihne n heraus - bzw . i n si e hinein lesen, wa s si e scho n wissen . Folg t ma n ihre r Intention , s o mu ß ma n sagen , da ß fü r sie vo n de r Erfüllun g au s das Alte Testament al s Weissagun g durchsichti g wird . Von der Erfüllun g au s wir d als o Weissagun g ers t al s solch e erkannt ! Welche s wär e abe r der Sin n eine s solchen Verfahren s Gottes ? . . . Aber is t da s theologisc h haltbar ? Dar f der Ansto ß de s Kreuze s Jes u dadurc h überwunde n werden , da ß ma n e s al s längs t von Gott beschlossen und geweissagt erkennt? oder nicht nur dadurch, daß man seinen Sinn, sein e Bedeutun g erfaßt ? . . . In Wahrhei t gib t dies e Methode , Weissagun g z u © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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finden - sei e s ohne, sei e s mit Allegorese -, den alttestamentliche n Tex t de r Willkü r preis, un d di e groteske n Beispiel e be i de n Apostolische n Väter n sin d nu r di e Konse quenz de s Verfahren s de r neutestamentliche n Autoren " (a.a.O. , S . 167f.; vgl . auc h die ähnlich e Argumentatio n F.Baumgärtel s i n seine m Buc h Verheißung , 1952, S.75 u.ö.). I n de r Tat , ma n wir d sic h solche r Erkenntni s un d de n darau s z u ziehende n Folgerungen kaum entziehen können. Dennoch is t hiermi t noc h nich t da s letzt e Wor t zu m Them a Weissagun g und Erfüllun g gesagt . Den n obwoh l da s unverkennbare Interesse , de n eigenen , christlichen Anspruc h au f di e ererbt e Schrif t au s der Schrif t selbs t z u beweise n und trot z beibehaltene r Schrif t doc h da s ganz und gar Neue de r Christusoffen barung auszusagen , heut e s o nich t meh r aktuel l sei n kann , s o ha t da s Phäno men de r intensive n Bezugnahm e au f di e Schrif t noc h ander e Aspekte , au f di e später noch eingegangen werde n mu ß (s.u. S. 196f.). Schien somi t ei n Umgan g mi t de m Alte n Testamen t nac h Maßgab e de s neu testamentlichen Schriftgebrauch s unmöglic h geworde n z u sein , un d wa r ma n dennoch bestrebt , sowoh l de r Geschicht e al s auc h de r Theologi e ih r Rech t widerfahren z u lassen , s o mußt e sic h ein e scho n i n de r Schrif t selbs t vor gebildete Auslegungsmethod e empfehlen , die , a n de r Geschicht e orientiert , doch de n tiefere n theologische n Sin n z u ergründe n versprach . Di e Entdeckun g und da s Ernstnehme n de r Geschichte , di e historisch e un d theologisch e Un möglichkeit de s Weissagungsbeweise s un d de r Wille , mittel s de r Geschicht e des ne u gestellte n hermeneutische n Problem s Her r z u werden , führte n s o z u einer Wiederbelebung de r Typologie . Obwohl da s Anliegen , de m Alte n Testamen t al s de m Alte n - dem Typo s sein Rech t z u wahren un d wiederzugeben un d das Neue des Neuen Testament s ebenso zu m Ausdruc k z u bringen , deutlic h un d a n un d fü r sic h richti g ist , s o erheben sic h doc h auc h gege n diese s Verfahre n erheblich e un d unüberwind liche Bedenken . Dies e ha t insbesonder e F.Baumgärte l formuliert . Unte r Verweis au f W.Vischer s „Christuszeugnis" , da s da s Schem a Weissagung Erfüllung fallengelassen , abe r di e Typologi e ne u beleb t un d mi t ihre r Hilf e Christus i n de n Mittelpunk t de s Alte n Testament s gerück t hatte , schreib t Baumgärtel: „Di e Typologes e ziel t au f da s Rechte . Abe r al s hermeneutische s Prinzip is t si e heut e gena u s o weni g möglic h wi e da s Prinzi p Weissagung-Er füllung" (Verheißung , S.138) . Un d di e Argument e lauten : „De r Nachweis , daß Ereigniss e de s Neue n Testament s i m Alte n Testamen t vorgeschatte t sind , trifft mic h nich t i n meine r Existenz , vielmehr : e s dräng t mic h i n di e Roll e de s intellektuellen Zuschauers . Die Einsicht, da ß das neutestamentliche Geschehe n und sein e Vorschattun g i m Alte n Testamen t sic h entsprechen , betriff t mic h nicht un d triff t mic h nicht . . . Ich bi n i n Distan z gegenübe r de n typolo gischen Entsprechungen , si e sin d fü r mein e Glaubensexisten z völli g irre levant. E s fehl t de m Typu s da s Momen t de r Faktizität , gan z natürlich , den n Faktizität begreif t i n sic h ei n Geschehe n vo n Got t he r a n mi r un d mi t mir . Die Typen sin d kei n Geschehen , si e sin d Abstraktionen . I n den Type n handel t Gott nich t a n Israe l un d nich t a n mir . Fü r Israe l ware n di e Type n überhaup t nicht zugänglich , si e könne n j a ers t eingesehe n werde n vo n Christu s her , vo n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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dem das Alte Testament noc h nichts wußte. Und für mic h als Christen habe n sie kein e zwingend e Mächtigkeit , den n mic h zwing t nu r Gottes Tun i n Chri stus" (a.a.O. , S . 138f.; vgl . auc h di e Auseinandersetzun g mi t verschiedene n ,,Typologen",S.86ff.). Wem di e Betonun g de r existentielle n Bedeutungslosigkei t eine r Ent sprechung vo n Typos und Antitypos z u subjekti v ist , de r möge als objektive s Argument gege n di e Typologi e noc h folgende s bedenken : De r Versuch , da s Alte Testament mittel s dieses hermeneutischen Prinzip s theologisch z u retten, ist in sich so widerspruchsvoll, da ß er am inneren Widerspruch scheitern muß. Was i n seine r theologische n Bedeutsamkei t herausgestell t werde n soll , wir d zu diese m Zwec k z u eine m Typo s = Vorausschattung = Präfiguration = Vorstufe verflüchtigt . De r Typo s sag t nu r scheinba r sein e eigen e Sache , i n Wahrheit abe r nu r das , wa s vollgülti g un d voll-wah r de r Antitypo s besagt . Wenn etw a Josep h erklärt , sein e Brüde r hätte n bös e Absichte n z u verwirk lichen versucht , abe r Got t hab e da s Bös e zu m Gute n gewende t (l.Mos e 50,20), so is t nich t diese r Spruc h Joseph s al s solche r un d mi t Bezu g au f das hie r gemeint e Geschehe n vo n gegenwärtige r Bedeutung , auc h nich t das , was der Verfasser der Josephsnovelle seinen Lesern mit den dem Joseph in den Mund gelegte n Worte n sage n wollte , sonder n ers t de r Antitypo s de s Chri stusgeschehens, da s heillos e Kreuz , das doc h da s ganz e Hei l bedeutet , bring t die Wahrhei t de s Typo s an s Licht . Di e Frag e aber , wa s i n solche m Lich t dann noc h der Schatten z u bedeuten habe , ist nicht zu beantworten. Di e Antwort etwa , da ß di e typologisch e Entsprechun g un d di e zielgerichtet e Er streckung de r Zei t vo n Typo s z u Antitypo s ein e bloß e Zufälligkei t de r Christusoffenbarung ausschließen , ei n Vorhe r un d Nachhe r de s Gottes handelns zu m Ausdruc k bringe n un d dami t vo r de m Verlus t de r Geschicht e bewahren, bleib t be i nähere m Zusehe n unbefriedigend . Den n al s a m Typo s wesentlich gelte n j a gerad e nich t di e - allerdings nich t geleugnet e - tatsächliche Geschicht e un d konkret e Geschichtlichkeit , sonder n de r schatten hafte Verweischarakte r vo n Ereignissen , Institutione n un d Persone n de s Alten Testaments . Sodan n bleib t di e methodisch e Frag e unbeantwortet , wi e die Typologes e al s Method e angewand t werde n soll : wi e entdeck t un d begründet ma n typologisch e Entsprechungen ? Di e mi t Rech t of t gerügt e Äußerung Gerhar d vo n Rads , da ß übe r „di e Handhabun g diese r typolo gischen Deutun g a n de n einzelne n Texte n . . . keine lehrgesetzlich e Nor m aufgestellt werden " könn e un d dürfe , sonder n da ß si e ohn e hermeneutisch e Regulierung „i n de r Freihei t de s Heilige n Geistes " gescheh e (Typologisch e Auslegung de s Alte n Testaments , S.288) , is t kein e extrem e Ausnahme , son dern charakteristisc h fü r ei n hermeneutische s Prinzip , das , nich t kontrollier bar, nich t lehrbar , nich t lernbar , sic h jede r wissenschaftliche n Kontroll e ent zieht un d daru m i m strenge n Sin n kei n hermeneutische s Prinzi p meh r ist . Exegetische Erfahrun g un d umfangreiches historische s Wissen truge n be i von Rad selbs t zu r Besonnenhei t bei ; i n de n Hände n wenige r begabte r Schüle r wird de r typologisch e Schlüsse l zu m Dietrich , mi t de m all e Türe n de r Phan tasie geöffnet werden können. 12 Gunneweg, Verstehen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Der leidenschaftlich e Protes t Baumgärtel s gege n diese s Verfahre n wa r berechtigt : „. . . wie werde n s o manch e Studente n un d Pfarrer , di e nich t vo n Ra d heißen , i n diesem de m eigene n Pneum a (besser : Verstand , bzw . auc h Unverstand ) s o herrlic h freie Bah n lassende n Geheimni s herumkramen ! . . . Ich glaube , da ß dies e Verkündi gung: di e Landgab e is t di e Vorschattun g de s Christusgeschehen s bzw . de s i n ih m verbürgten, ewige n Heils . . . schlichten Leute n unte r de r Kanze l seh r schö n un d seh r fromm dünke n wird , wei l si e s o geheimnisvol l ist ; geisti g geschulte n Hörer n (au f die wi r doc h woh l nich t verzichte n wollen! ) wir d diese r Sat z di e Verkündigun g de r Kirche verdächti g bzw . lee r machen , au s demselbe n Grund : wei l e r s o geheimnis voll ist. Die einen haben zu wenig Intellekt, um diesem Satz - ohne jede Einsicht in das Gemeinte - nicht z u unterliegen ; di e andere n habe n z u vie l Intellekt , u m diese n Satz nich t al s fü r ih r Glaubenslebe n belanglo s sogleic h falle n z u lasse n . . . Das Land Palästina al s vorgeschattete s evangelische s Heilsgut , da s is t fü r de n Glaube n ei n i n dem ewigen Nebel eingehülltes Thule - er wird e s nie finden!" (Verheißung , S . 124f.). 6. Die Strukturanalogie de r Testament e Versucht ma n nac h de r lange n un d zeitweis e auc h erbitterte n Debatt e u m die Typologie, Verheißung-Erfüllung , di e Heilsgeschichte un d das Problem de r Geschichte überhaup t ei n Fazi t z u ziehen , s o wird folgende s festzuhalte n sein . Historisch un d religionshistorisc h kan n kei n Zweife l dara n aufkommen , daß ein e historisch e Lini e Alte s un d Neue s Testament verbinde t un d da ß dies e Linie stärke r un d bedeutende r al s ander e religionsgeschichtlich e Zusammen hänge - zwischen Israe l un d seine r altorientalische n Umwelt ; zwische n de r Urgemeinde un d Hellenismu s un d Gnosis - ist. Wen n die s neuerding s wiede r stärker — etwa vo n Stuhlmache r un d Ges e — betont wird , s o is t da s z u be grüßen. Da s Neu e Testamen t kan n tatsächlic h ohn e da s Alt e noc h wenige r recht verstande n werden , al s ma n frühe r woh l annahm . I n de r Konsequen z verhängnisvoll wär e e s aber , dies e richtig e historisch e Einsich t unmittelba r theologisch überhöhe n z u wollen , wi e es , jeder au f sein e Weise , u.a . vo n r ^d , Zimmerli, Pannenber g un d neuerding s Ges e versuchten, inde m ma n sic h historisch abzeichnend e un d historisc h i n etw a rekonstruierbar e Entwicklungs linien eine m Offenbarungsproze ß gleichsetzt . Woh l ha t sic h i n neue r Weis e und deutliche r noc h al s frühe r di e Zusammengehörigkei t vo n Alte m un d Neuem Testamen t gezeig t und ' es frag t sich , wi e diese r Zusammenhan g z u deuten sei , wen n di e Entwicklungslini e al s solch e nich t scho n Offenbarun g genannt werde n dar f un d wen n da s Wese n de r Geschicht e überhaup t nich t primär al s - erst au s de r Rückscha u manchma l einigermaßen , abe r gewi ß nicht immer erkennbare r - Verlauf vo n Begebenheite n begriffe n werde n kann , sondern al s konkrete s Geschehen , Widerfahrnis , Erleiden , Erfahren , Ent scheiden, Wagen, Gelingen , Verfehlen , Scheitern . Ist di e sic h abzeichnend e Linie , mi t de r de r als o geschichtlic h existierend e Mensch da s Geschehe n nachträglic h ordnet , deshal b nu r pur e Konstruktio n und ei n sekundäre s Reflexionsprodukt ? Is t de r Mensc h ohn e geschichtlich e Ordnung un d Zusammenhan g nich t orientierungslo s i n de r Gegenwar t un d ohne Rückhal t fü r di e Zukunft ? Angewand t au f da s hermeneutisch e Proble m © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Strukturanalogie de r Testament e
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des Alten Testaments: I n welcher Hinsicht is t der sich historisch imme r deutlicher zeigend e Zusammenhan g de r Testament e theologisc h relevant , wen n nicht ein e Entwicklungs - ode r Heilsgeschicht e ode r ei n Offenbarungsproze ß oder Offenbarun g al s Proze ß - gleichviel welch e un d wieviel e Prozess e un d Entwicklungen sic h auc h imme r historisc h un d überlieferungsgeschichtlic h rekonstruieren lasse n - als unmittelba r theologische s Them a i n Betrach t kommen können? Hier ist , nachde m sic h di e Ide e de r Heilsgeschicht e i n ihre n verschieden artigen Ausprägunge n un d Abwandlunge n vo n Irenäu s bi s Pannenberg , un d nachdem sich das Alt und Neu verbindende Schema Weissagung (Verheißung ) und Erfüllun g al s nich t meh r hantierbares , wei l historisc h widerlegte s Aus legungsprinzip herausgestell t haben , noc h einma l au f di e typologisch e Aus legung zurückzukommen . Di e obe n — insbesondere unte r Berufun g au f F . Baumgärtel - geübte Kriti k sol l nich t nachträglic h abgeschwäch t werden , es kan n abe r sein , da ß ei n bessere s Verständni s vo n Typologie , al s si e sic h faktisch selbs t verstand , da s Wahrheitsmomen t diese s hermeneutische n An satzes in s rechte Lich t z u rücke n vermag . Obe n wurd e di e typologisch e Exe gese i m größere n Rahme n de s Thema s de r Geschicht e un d Vorgeschicht e zum Neue n Testamen t erörtert ; i n dies e Themati k gehör t di e Behandlun g auch hinein , d a di e modern e Wiederbelebun g de r Typologie , wi e gezeig t wurde, mi t de r Entdeckun g vo n Geschicht e überhaup t un d de r Geschicht e Israels al s Vorgeschicht e zu m Christusgeschehe n insbesonder e zusammen hängt. Nu n ha t freilich , wi e ebenfall s dargeleg t wurd e (s.o . S.2 4 f.), bereit s Paulus Typologi e geübt , un d zwa r nich t u m dami t di e Schrif t ode r di e vo n der Schrif t bezeugt e Geschicht e zu m heilsgeschichtlich-typische n Vorstadiu m zu erklären . Au s de r Weise , wi e Paulu s a n theologisc h zentrale r Stell e Abra ham-Texte aufnimm t un d interpretier t - Abraham al s Glaubender , de m de r Glaube zu r Gerechtigkei t gerechne t wir d (Röm. . 4,3; Gal. 3,6) - , läßt sic h unschwer ablesen , da ß nich t ein e heilsgeschichtlich e Kontinuitä t „nach erzählt", sonder n vielmeh r di e faktisch-historisch e Kontinuitä t zwische n Abraham un d de n Jude n al s geistlic h un d theologisc h irrelevan t erwiese n werden soll (Röm.. 4,13; Gal. 3,7; vgl. . . 9,7f.) . Dies e Textbehandlun g ist freilich nich t typologisch. Sie lehrt aber, daß auch die paulinischen Typologien (s.o . S.2 4 f.) wi e überhaup t sei n Schriftverständni s nich t heils - ode r lineargeschichtlich orientier t sind , wi e Ph . Vielhauer (Paulu s un d da s AT , 1969) und G.Klei n (u.a . Bibe l un d Heilsgeschichte , 1971) nachgewiesen haben. Wen n Paulu s etw a l.Kor . 10, I ff. ausführt, da ß da s Geschehe n de r Wüstenwanderung Typo s für di e Gemeinde sei (10,6. 11) , so ist hier nicht an die Typo s un d Antitypo s verbindend e Geschicht e gedacht , sonder n darau f wird da s Gewich t gelegt , da ß solche s zu m Typo s un d al s Typos fü r di e Ge meinde geschriebe n wurd e (l.Kor . 10,11; vgl. Gal . 3,7f. , w o di e Funktio n der Schrif t dari n besteht , da s Rechtfertigungsgeschehe n zuvo r gesehe n z u haben.). Schrift, nichtvo dien Geschichte das „Zuvor"! e un d lineare r Kon Nicht Die zu r Begründung so etwas wiist e Heilsgeschicht tinuität diene n Paulus ' typologisch e Interpretationen . Da s hat scho n E.Fuch s 12 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament als Geschichtsbuch
1954 in seine r Hermeneuti k dargelegt : „Wa s nötig t Paulu s zu r Typologie ? Offenbar kan n sic h de r Aposte l mi t de m heilsgeschichtliche n Denke n line aren' Stil s nich t zufriedengeben . Ih m lieg t alle s a n jene m Jetz t seine s Auf tretens, i n welche m Got t ,alle ' gnädi g zusammenschließe n wil l (R öm. 11, 30-32). Gottes Gnadenwirkunge n un d Berufunge n habe n abe r unwiderruf liche Gültigkei t (Röm. . 11,29; 15, 8 f.). Paulu s orientier t sic h gerad e al s Heidenapostel a n de r Selbigkei t Gotte s (Röm. . 10,12 f.; 3,29f. ) un d deshal b an de r Einhei t de s Worte s Gotte s (Röm. . 3,2; 9,4 ) . . . Paulus dacht e di e Selbigkeit i n Anfan g un d End e nich t gnostisch , al s wär e si e di e Selbigkei t eines metaphysische n Etwa s i m Menschen . E r dacht e si e al s diejenig e Selbig keit, i n welche r de r Mensc h de r Selbigkei t Gotte s entspricht : al s de m Gehor sam, de r alle s vo n Gotte s Selbstgewißhei t erwarte t . . . " (a.a.O., S.19 8 f.). So kan n Typologi e al s ein e Method e beschriebe n werden , di e „zwische n de m Alten un d de m Neue n s o differenziert , da ß si e di e Selbigkei t de s Sein s i n der Zei t zu r Vergleichsbasi s wählt" , währen d da s Schem a Verheißun g ode r Weissagung-Erfüllung de n Versuc h eine r lineare n Interpretatio n de r Ge schichte darstellt (a.a.O. , S.201). Es is t erstaunlich , da ß di e Bemühunge n u m da s hermeneutisch e Proble m des Alte n Testament s sic h vo n solche n Einsichte n nich t ode r kau m habe n anregen lassen ; offenba r ha t di e langjährig e Gewöhnun g a n lineare s Ge schichtsdenken al s allei n un d allgemei n gültige s Verstehe n vo n Geschicht e zu eine r Betriebsblindhei t geführt , welch e di e Nachbardiszipli n de r neu testamentlichen Wissenschaf t nich t mehr wahrnehmen konnte . Ohne erkennbare n Bezu g au f Fuchsen s Ausführunge n ha t allerding s H.D.Preu ß (Das A T i n de r Verkündigun g de r Kirche , 1968) die Typologi e ne u z u bestimme n versucht. Nac h eine r kurze n Übersich t übe r di e verschiedene n hermeneutische n Positionen vo n Vische r übe r Hirsc h bi s Baumgärte l un d Hess e komm t Preu ß z u der Schlußfolgerung, da ß eigentlich nu r die Möglichkeit de r typologische n Auslegun g verbleibe. Die hier (s.o. S. 176 ff.) erörterten Bedenken gegen die Typologie werden freilich ernstgenommen . Daru m wir d vorgeschlagen , vo n Existenztypologi e z u sprechen . Sie sol l daru m bemüh t sein , di e Strukturanalogien , analog e Situationen , geschicht liche Relationen zwische n Altem und Neuem Testament zu ermitteln. Sie kann solches entdecken, wei l da s Alt e Testamen t „de r Or t de r Inkarnation" , „di e Sprach e de r Inkarnation und ihr notwendiges Interpretament" sei: „Da s Alte Testament ist die Tradition, i n di e hinei n Christu s sic h inkarniert " (a.a.O. , S.78) . De r leide r seh r kurz e Aufsatz bring t i n der Tat da s relative Rech t der Typologie an s Licht, un d wenngleic h auch hie r de r Ban n de s linear- un d heilsgeschichtliche n Denken s noc h nich t gan z gebrochen ist , s o is t doc h de r skizziert e Ansatz , auc h i n seine m Verwei s au f di e Bedeutung de r Sprach e de s Alte n Testaments , ei n echte r Fortschrit t hinübe r i n ei n Neuland, das urbar zu machen sich lohnt (s.u. S. 195 ff.). 7. Zusammenfassung un d Ausblick Das Alt e Testamen t al s Dokumen t de r Vorgeschicht e un d al s Geschichts buch — diese Formulierun g umschreib t au f ihr e Weis e da s hermeneutisch e Problem de s Alten Testament s al s de s Alten. Da ß diese s „alt " de m erwachte n © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Zusammenfassung un d Ausblick
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historischen Bewußtsei n leich t al s da s „Zuvor " au f de r Zeitlini e erscheine n konnte, is t verständlich . Di e sehr erheblic h gewachsene n historische n Kennt nisse und der Einblick in große historische Räume und weite Epochen mußten es nahelegen, Geschichte überhaupt und primär von der Historie statt von der geschichtlichen Existenz her zu verstehen. Manche der geschichtstheologischen Entwürfe, besorg t u m di e Rückgewinnun g un d Wahrun g de r theologische n Bedeutung de s Alte n Testaments , bemühte n sich , vo n solc h historische m Geschichtsverständnis al s vo n eine r Selbstverständlichkei t ausgehend , daru m zuerst un d zumeis t u m „Geschichte" . Nu r al s Geschichtsbuch , durc h ge schichtlichen Zusammenhan g mi t de m Neue n Testamen t verbunden , schie n das Alt e Testamen t sein e Bedeutun g behalte n z u können . Weissagung-Erfül lung, Heilsgeschichte , auc h noc h di e a n de r heilsgeschichtliche n Steigerun g orientierte Typologi e sin d nu r j e verschieden e un d doc h ähnlich e Ausprä gungen jene s geschichtstheologische n Denkens , das , selbs t vo n Geschicht e wie besessen , imme r noc h ein e faszinierend e Wirkun g au f di e Wissenschaf t ausübt. Au f di e Wissenschaf t - denn i n de r Ta t is t di e Rekonstruktio n de r geschichtlichen Entwicklunge n un d Zusammenhäng e ei n de n dami t Befaßte n fesselndes un d begeisternde s Unternehmen , da s unabdingbar e Vorarbei t für ein e sachgemäße , verstehend e Interpretatio n de r konkrete n geschicht lichen Überlieferunge n un d s o auc h de r alt - un d neutestamentliche n Text e ist un d bleibt . Daran , da ß di e Faszinatio n fü r di e Kirch e un d ihr e Verkündi gung und Unterweisung jedoc h wesentlich geringer ist als für den historischen Wissenschaftler, besteh t kei n Zweifel . De r vo n Baumgärte l imme r wiede r gegen di e Geschichtstheologi e un d ihr e Typologi e erhoben e Einwand , da ß sie „mich " nich t treff e un d existentiel l bedeutungslo s bleibe , un d da s vo n Preuß geäußert e Bedenken , s o ausgelegt e Text e - falls hie r überhaup t Text e noch eine n eigene n Skopos , Wert , Anspruch , Zuspruc h habe n dürfe n führten allenfall s zu m Erlebni s „Ah a - na und?" , treffe n di e verhängnisvoll e hermeneutische Situatio n seh r genau . Di e Histori e entläß t ihr e Jünge r nicht , aber di e von andere n al s historische n Sorge n Umgetriebene n un d i n andere n als historische n Freude n Glückliche n - also di e Höre r de r Predig t un d di e christlich Unterwiesene n - haben da s gut e Recht , sic h nich t fü r historisch e Abläufe un d auc h nich t fü r de n traditionsgeschichtliche n Zusammenhan g der Testament e interessiere n z u dürfen . Hie r zeig t sic h abe r nich t nu r ei n Vermittlungsproblem, sonder n da s hermeneutisch e Proble m selbst : di e au f die geschichtlich e Lini e gereihten , i n de n „Prozeß " de r Offenbarun g eingebrachten un d dami t z u Phase n eine s umgreifende n Ganze n eingestufte n und eingeebnete n konkrete n Text e könne n nun , von diese m Standpunk t aus , nicht meh r i n ihre r Konkrethei t zu r Sprach e gebrach t werden . Un d de r Mensch, de r solch e Sprach e verstehe n könnte , wir d infolg e diese r Redu zierung konkrete r Geschichtlichkei t au f rekonstruiert e un d konstruierte , möglichst kontinuierlich e Geschichtsabläuf e un d Offenbarungsprozess e in seiner eigenen konkreten , lebendigen , fleischlichen un d geistigen geschicht lichen Existenz , di e nu r vo m j e ne u un d gegenwärti g empfangene n Bro t und nicht vo n Bro t allein , sonder n auc h vo n de m j e ne u un d gegenwärti g ver © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Geschichtsbuc h
nommenen Wort , da s de s Fuße s Leucht e ist , lebe n kann , i m Stic h gelassen . Es ist , wi e wen n au s de r strahlende n Musi k eine r Mozart-Symphoni e ein e musikhistorische Phas e zwische n Hayd n un d Beethove n gemach t würd e interessant fü r de n Musikhistoriker , abe r sang - un d klanglo s fü r de n Kon zertbesucher. Freilich, da ß we r sic h s o i n di e Geschicht e hineinbegibt , di e konkrete n Texte un d auc h de n konkrete n Höre r verliert , bedeute t nicht , da ß umgekehr t die Geschicht e verliere n muß , we r bei m Tex t z u bleibe n gedenkt . Da s lehr t schon Paulus ' Umgan g mi t de m Alte n Testament . Da s lehre n auc h di e man cherlei Beiträg e zu m hermeneutische n Proble m de s Alte n Testament s seiten s der neutestamentliche n Wissenschaf t un d de r allgemeine n Hermeneutik . Das zeig t auc h de r Ansat z z u eine r Neufassun g de s Typologiebegriffes , wi e er obe n skizzier t wurde . Di e Einsich t i n Strukturanalogie n un d Existenz typologien s o wie i n di e Bedeutun g de r di e Testament e verbindende n Sprach e ist geeignet , weiterzuführen . Si e leite t auc h übe r z u de m nächste n un d letzte n Abschnitt diese r hermeneutischen Überlegungen .
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VII. KAPITEL
Das Alte Testament als Teil des christlichen Kanons 1. Das Neue Testamen t als Kriterium de r kanonischen Geltun g des Alten Nicht di e Geschicht e de r Kanonbildun g un d de s Zustandekommen s de s zweiteiligen Schriftenkanon s sol l hie r verfolg t werden . Daz u se i au f di e Ein leitungen i n da s Alt e Testament , au f di e Monographi e Di e Entstehun g de r christlichen Bibe l vo n H.Freiher r vo n Campenhause n (1968) und di e Aus führungen de s II. Kapitels hingewiesen. Auc h soll hier nicht, wie es K.Schwarz wäller (Da s Alt e Testamen t i n Christus , 1966) tun wollte , ei n Standpunk t begründet werden , nac h welche m angeblic h da s Alt e Testamen t überhaup t nur al s Teil de s Kanons der christlichen Kirche , nämlich vo n Christu s her rech t verstanden werde n könne , wei l da s Faktum , da ß da s Alt e Testamen t Tei l de s christlichen Kanon s ist , nich t meh r hinterfrag t werde n könne . Hie r wir d j a das Dogm a zu m Dogmatismus , un d di e Frage , wi e den n di e Testament e zu sammenhängen un d wie dieser Zusammenhan g begründba r sei , wird verboten , statt beantwortet . Woh l kan n ma n - mit A . Jepsen - sagen, da ß jed e wissen schaftliche Beschäftigun g mi t de m Alte n Testamen t scho n deshal b ein e Be schäftigung mi t de m christliche n Kano n ist , wei l j a nu r i n de r Relatio n zu m Neuen Testamen t sinnvollerweis e vo m Alte n Testamen t gesproche n werde n kann (vgl . Wissenschaf t vo m Alte n Testament , 1957, S.231 f.). Da s Juden tum ha t „Gesetz , Propheten , Schriften " ode r „Geset z un d Überlieferung" , aber i m strenge n Sinn e kei n „Alte s Testament" , auc h wen n di e jüdisch e Wis senschaft gelegentlic h dies e Bezeichnun g gebraucht . Di e Vorgegebenhei t un d das nich t z u leugnend e Faktu m de s zweiteilige n Kanon s is t erns t z u nehme n und dar f als o nich t au s de r Betrachtun g un d au s de r wissenschaftliche n Untersuchung de s Alten Testaments ausgeklammer t werden . Aber Vorgegebenheit un d Faktu m bedeute n nich t de n nich t meh r z u hinterfragenden Ausgangs punkt vo n Betrachtun g un d Untersuchung , vielmeh r is t de r kanonisch e Zu sammenhang vo n Alte m un d Neue m Testamen t selbs t da s eigentlich e her meneutische Problem . E s lautet , noc h einma l kur z gefaßt , o b diese r Zusam menhang, de r historisc h vorgegeben , wei l i n de r Vergangenhei t s o geworde n und gewachsen ist , auch theologisch z u rechtfertigen sei . Es wurd e obe n de r Versuc h unternommen , di e verschiedenen , alte n un d neuen Versuche , da s Proble m z u lösen , z u ordne n un d kritisc h z u überprüfen . Dabei stellt e sic h heraus , da ß keine r de r bishe r referierte n Ansätz e z u eine r einmütig befriedigende n Lösun g führe n konnte . Da s is t nich t zuletz t dadurc h bedingt, da ß di e bunt e Vielgestaltigkei t de r i m christliche n Kano n zu m Alte n
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Das Alte Testament al s Teil des christlichen Kanon s
Testament gewordene n Sammlun g vo n israelitische n un d jüdische n Schrifte n sich nich t au f eine n Nenne r bringe n un d nich t mi t Hilf e eine s hermeneu tischen Generalbegriff s bewältige n läßt . De r einzige, wi e ma n meinte , gelun gene Versuch, da s ganze Alte Testament christlic h z u vereinnahmen, nämlic h die Allegores e de r alte n Kirche , stellt e sic h al s Scheinlösun g heraus ; si e lie ß das Alt e Testamen t sei n eigene s Wor t nich t meh r sagen , sonder n unterlegt e ihm eine n anderen , christliche n Sinn . Dies e Method e is t durc h Reformatio n und historisch e Wissenschaf t unmöglic h un d unerlaub t geworden . Di e anderen, seither erprobten Ansätz e konnten allenfall s z u Teillösunge n führen . Das Alte Testamen t al s Geset z und da s Neu e al s Evangeliu m - diese Gegen überstellung ha t nur teilweise Berechtigung, nämlic h mit Bezug auf diejenige n Stücke, di e tatsächlic h Geset z un d gesetzlich gemein t sind . Fü r al l di e Texte, die keinesweg s gesetzlic h sei n wollen , sonder n Gebet , Jubel , Klage , Erzäh lung, Gegenwartsdeutung , Trost , Verheißung , Drohun g bring t jen e Gegen überstellung kein e Lösun g ein : i n welche r Relatio n stehe n si e zu m Neue n Testament? Woh l schließ t di e Gegenüberstellung vo n Gesetz und Evangelium eine Dialektik ein , die als Kriterium fü r di e Wertung alttestamentliche r Text e unaufgebbar ist . Da aber diese Dialektik auc h innerhalb des Alten Testament s waltet, biete t si e noc h kein e Begründun g fü r di e Geltun g de s - ganzen — Alten Testament s al s des ersten Teile s des christlichen Kanons , sondern kan n erst kritisch angewandt werden, wenn die Geltung im Prinzip schon anerkann t ist. Ähnliches ist auc h mi t Bezug au f da s Verständnis de s Alten Testaments al s Dokument eine r Fremdreligio n z u sagen . Gewi ß ist di e Religio n Israel s nich t die christlich e Religion ; ohn e Christu s kei n Christentum . Abe r noc h gan z davon abgesehen , da ß auc h di e Urgemeind e un d di e alt e Kirche , di e de n Kanon abgrenzt e un d bestätigte , keinesweg s mi t de m heutige n Kirchentu m oder auch nur mit der heutigen Christenhei t deckungsgleich sin d und insofer n - mit Bezu g au f Weltbild , geschichtlich e un d sozial e Situatio n - auch al s Fremdreligion betrachte t werden könnten: so viele und so enge Verbindungen, Zusammenhänge, Analogie n lasse n da s Christentum un d seine heilige Schrif t als au s Israel-Jud a hervorgegange n erscheinen , da ß scho n vo n dahe r di e Bezeichnung al s Fremdreligio n problematisc h wird . Mi t solche r Begründun g das Alte Testament au s dem Kano n auszuscheiden , is t unmöglich un d müßte auch, wi e di e Geschicht e lehrt , zu r Verkürzun g de s neutestamentliche n Kanons führen . Freilich , de r unbestreitbar e historisch e Zusammenhang , de r solche Begründun g de r Ablehnun g de s Alte n Testament s unmöglic h macht , bedeutet, wi e gesagt , auc h noc h kein e positiv e Begründun g de r Geltun g de s Alten Testaments. Ist die Religion des Alten Testaments auch nicht als Fremdreligion z u betrachten, so ist sie immerhin vor-christlich und — ohne Christus — un-christlich. Der zuletz t behandelte , i n sic h vielgestaltig e Versuch , au s diese r Apori e herauszukommen, inde m ma n da s Alt e Testamen t al s Geschichtsbuc h i n Betracht zieht, will gleichsam au s der historischen und theologischen No t eine geschichtstheologische Tugen d machen . Da ß dies e Tugen d ga r nich t s o © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Das Neue Testament als Kriterium der kanonischen Geltung des Alten
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tugendsam is t un d gemesse n a m neutestamentliche n Umgan g mi t de m Alte n Testament zumindes t eine Neuerung darstellt , wurde z u zeigen versucht . Offenbar kan n di e Frag e nac h de r Geltun g de s Alte n Testament s al s de s ersten Teil s de s christliche n Kanon s vo n jene n Ansätze n he r kein e befriedi gende Antwor t finden . Da s wir d verständlich , wen n ma n da s mi t „Geltung " Gemeinte durchdenkt . Gemein t kan n - und darf ! - nur sein , wa s i m Bereic h der christliche n Kirch e Anspruc h au f Gültigkei t hat . Geltun g i n diese m stren gen Sinn e ist als o christlich e Gültigkeit , gelten d gemesse n a m Maßsta b dessen , was al s christlic h gelte n kann . Da s bedeute t aber , da ß übe r Geltun g un d Nichtgeltung nu r vo m Christliche n her , als o au f Grun d un d anhan d de s Neuen Testament s geurteil t un d entschiede n werde n kann . Vo n dahe r wir d noch einma l deutlich , da ß di e Such e nac h eine r theologische n Mitt e de s Alten Testament s nich t nu r aussichtslo s ist , wei l i n eine r s o verschieden artigen un d vielgestaltige n Literatursammlun g kau m ein e Mitt e z u erwarte n ist, sonder n wei l - wenn hie r wenigsten s „theologisch " stren g i m Sinn e de s Christlich-Theologischen verstande n wir d - eine solch e Such e theologisc h verfehlt ist , a m falsche n Ende , nämlic h bei m Alte n stat t bei m Neue n Testa ment ansetzt , obwoh l doc h nu r anhan d eine s christliche n Kriterium s ent schieden werde n kann , wa s christlic h is t un d al s christlic h Gültigkei t be anspruchen kann . Aber auc h de m möglichen Mißverständni s is t zu wehren, al s sollte nun vom christlichen Glauben her über alttestamentliche Aussagen zu Gericht gesessen werden. Zwar kann man - mit F.Hesse - mit vollem Recht sagen: „Es ist eine unableitbare Glaubensentscheidung, wen n wi r sagen : I m Alten Testamen t . . . ergeht Gotte s Wor t a n uns , genau s o wi e e s i m Neue n Testamen t ergeht . E s kann nich t Aufgab e de r Theologi e sein, diese n Sat z z u begründen , oder , wei l e r nich t begründe t z u werde n vermag , z u verwerfen. Wi r könne n nu r konstatieren: We r dies e Glaubensaussage , dies e positiv e Antwort au f di e Frag e nac h de r Geltun g alttestamentliche r Text e nich t mitvollziehe n kann, de r is t eine s andere n Glaubens " (Zu r Frag e de r Wertun g un d Geltun g alt testamentlicher Texte , 1959, S.273). Dennoch darf dies e richtige Bemerkung, di e sich streng au f de n Glauben a n Gottes Wort im existentiellen Sin n persönlicher Glaubensentscheidung bezieht , nich t daz u verführen , da s Urtei l übe r di e christlich e Geltun g dem Glauben ode r ga r de m Bereich subjektive n Ermessen s zu überantworten. O b die Praxis de r Bannun g vo n i m heilige n Jahwekrie g gefangene n Feinde n ode r - weniger kraß, aber arg genug - ein Gebet um Rache wie Ps. 109 oder auch, da es nicht nur um ethische Wertun g geht , da s Vergeltungsdogma , wi e e s i m chronistische n Geschichts werk vorausgesetz t wird , mi t de m christliche n Etho s de r Bergpredig t bzw . mi t de r Lehre vo n de r Rechtfertigun g allei n au s de m Glaube n übereinstimmt , is t nich t ein e Frage de s Glaubens , di e nu r de r Glaub e z u beantworte n vermag . Dies e Unterschied e und Gegensätz e kan n auc h der , de r nich t glaubt , konstatiere n un d beobachten , un d aus diese r Beobachtun g vermöge n de r Christ , de r Jud e un d de r Atheis t gleicher maßen die Folgerung der Unvereinbarkeit zu ziehen. Mit diese m Kriteriu m de s Christliche n wir d i n de r Ta t da s Alt e Testament , sofern e s Dokumen t eine r nichtchristliche n Religio n ist , mi t eine m ih m frem den, nämlic h christliche n Maßsta b gemessen . Da ß solches Messen un d Werte n unerläßlich ist , mu ß beton t werde n auc h un d insbesonder e i m Blic k au f di e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Teil des christlichen Kanon s
häufig begegnende , scheinba r selbstverständlich e Meinung , da ß de r Got t Jes u Christi un d de r Aposte l de r Got t de s Alte n Testament s war . Di e Behauptun g ist, trot z unzweifelbare r historische r Verzahnun g vo n Israe l un d Kirche , nu r scheinbar selbstverständlic h richtig . Is t de r Gott , de r Josu a un d de n Israelite n in blutige n Schlachte n voranmarschiert , de r di e Feind e z u „bannen " befiehlt , der Got t Jes u Christi ? E s hieß e da s Alt e Testamen t au f ei n einzige s Gottes bild - etwa vo n Hos. 2,21 f.; 11,8-9; Jes.66,13 un d vo n andere n Stelle n festlegen, wollt e ma n überhaup t vo n dem Gott des Alten Testaments sprechen . Dieser Got t ha t viel e Name n un d s o unterschiedlich e Eigenschaften , da ß di e Rede vo n de m Got t de s Alten Testament s i n de r Gefah r steht , zu r Leerforme l zu werden . Di e Red e vo n de m Got t de s Alte n Testaments , de r de r Vate r Jes u Christi sei , überspring t da s hermeneutisch e Proble m un d setz t voraus , wa s erst noc h begründe t werde n muß . Die Begründun g kann , wi e gesagt , nu r vo m Neuen Testamen t he r erfolgen . Diese n Maßsta b a n da s Alt e Testamen t an legen heiß t nicht , da s Alt e Testamen t christlic h auslegen . Christlic h legt e die Allegorese , leg t auc h Typologes e aus . Wa s abe r nich t christlic h ist , kan n auch nich t christlic h ausgeleg t werden ; christlich e Auslegun g dessen , wa s nicht christlic h ist , is t falsch e Auslegung . Recht e Auslegun g is t vielmeh r bemüht, da s Alt e Testamen t sei n eigene s Wor t sage n z u lasse n un d e s gegen wärtig z u interpretiere n un d z u verstehen . Is t di e Aussag e de s konkrete n Textes gegenwärti g interpretier t un d verstanden , is t da s Zie l de r historisch kritischen Auslegun g erreicht . Die historisch-kritisch e Auslegun g bekomm t nicht dadurc h christlich e un d theologisch e Qualität , da ß de m Tex t nu n auc h noch allegorisc h ode r typologisc h ei n christlicher , geistlicher , höhere r Sin n zugeschrieben wir d ode r da ß si e zu r pneumatische n Auslegun g - was imme r darunter z u verstehen se i - oder zur christlichen Meditatio n - wie imme r dies e verfahren ma g - überleitet ode r da ß si e de n interpretierte n Tex t de m Dogma tiker zustellt , de r übe r desse n Geltun g - nach welche m Maßsta b un d mi t welchen Mittel n auc h imme r - zu urteile n hätte . Vielmeh r is t de r historisch kritische Auslege r dari n Theologe , da ß e r de n Tex t a m Maßsta b de s Christ lichen z u messe n gelern t ha t un d imstand e ist . Hie r un d nich t zuers t be i de r gemeinsamen historische n Rekonstruktio n kontinuierliche r Linien , di e Alte s und Neue s Testament verbinde n - so wichtig auc h diese r Arbeitsgan g is t - ist die alttestamentlich e Wissenschaf t theologisc h au f di e Hilf e de r neutesta mentlichen Diszipli n angewiesen . Hie r kan n interdisziplinär e Arbei t theolo gisch fruchtbar sein . Daß da s Alte Testamen t Tei l de s christlichen Kanon s ist , is t eine Tatsachen feststellung. Wi e e s daz u kam , da ß israelitisch e un d jüdisch e Schrifte n zu r Heiligen Schrif t de r christliche n Kirch e wurde n un d werde n konnten , unter sucht und schildert di e Kanongeschichte. O b und inwiefern diese r Kanon heut e kanonische Geltun g beanspruche n kann , is t als o Sach e theologische r Wertun g auf de r Basis historischer Rekonstruktio n un d Interpretation . Fällt vo m Neue n Testamen t he r da s Urtei l übe r Geltun g ode r Nichtgeltun g alttestamentlicher Text e i m christliche n Bereich , is t als o da s Neu e Testamen t Maßstab fü r di e Kanonizitä t de s Alte n un d kan n diese s Urtei l nu r j e un d j e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Schrift, Sprache , Monotheismu s
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in Hinsich t au f konkret e Text e un d ihr e exegetisc h z u erhebende n Aussage n gefällt werden , s o is t dami t zugleic h gesagt , da ß ein e allgemein e un d fü r all e Teile gleichermaße n gültig e Entscheidun g übe r di e christlich e Kanonizitä t des alttestamentliche n Kanonteile s nich t getroffe n werde n kann . Allei n ein e differenzierende Sicht , di e nu r vo n Fal l z u Fal l ei n Urtei l fäll t un d auc h noc h mit de r Möglichkei t de r Revisio n i m Fall e bessere r historische r Einsich t un d tieferen theologische n Verständnisse s rechne n muß , entsprich t de r Uneinheit lichkeit, de r Vielgestaltigkeit , de m Reichtu m sowoh l al s auc h de r mehr deutigen Ambivalen z de r i m Alte n Testamen t gesammelte n Schriften . Dere n geistigen Gehalt , Frömmigkeit , Religio n un d theologisch e Konzeptio n heraus zuarbeiten un d darzustellen , is t Aufgab e eine r Theologi e de s Alten Testaments , die e s nich t scho n daru m verdient , theologisc h genann t z u werden , wen n si e nicht nur historisch, sondern auc h systematisch ode r von einer wie auch imme r bestimmten Mitt e au s verfährt, sonder n wei l si e das Dargestellte i m angegebe nen Sinn e kritisc h prüft . Si e leiste t au f dies e Weis e wichtig e un d unerläßlich e Vorarbeit z u eine r i n de r Ta t wünschenswerte n un d dringen d notwendige n gesamtbiblischen Theologie . Ein e solch e kan n al s christlich e freilic h nu r vo m Neuen Testament he r entworfen werden . 2. Schrift, Sprache , Monotheismu s Daß da s Alt e Testamen t Tei l de s Kanon s ist , ist , wi e gesagt , ein e schlicht e Feststellung. Da ß freilic h vo n alle m Anfan g de r christliche n Kirch e a n un d bi s in all e Zukunf t sämtlich e zu m Alte n Testamen t zusammengestellte n Schrifte n gleichermaßen un d ohn e all e Abstufungen , Abstrich e un d Unterschied e i m christlichen Bereic h kanonische s Ansehe n genosse n un d genieße n werden , is t mit jene r Feststellun g mitnichte n behauptet . De r Vielgestaltigkei t un d Ambi valenz de r i m Alte n Testamen t enthaltene n Schrifte n entsprich t e s vielmehr , daß si e i m Neue n Testamen t imme r scho n nac h de m strenge n Auswahlprinzi p des Christliche n herangezoge n - bevorzugt werde n da s erst e Buc h Mose , di e Psalmen un d di e Prophete n - und alle s ander e al s nac h eine m einheitliche n Schema interpretier t werde n (s.o . S.23ff.) . Wen n als o obe n dargeta n wurde , daß übe r di e bloß e Tatsachenfeststellung , da ß da s Alt e Testamen t de r erst e Teil de s Kanon s ist , hinau s nu r vo n Fal l z u Fal l un d vo n Tex t z u Tex t gemä ß dem jeweilige n exegetische n Befun d übe r di e christlich e Geltun g au f Grun d von Prüfun g un d Wertun g entschiede n werde n kann , s o entspricht diese s Vor gehen i m Prinzi p de r Ar t un d Weise , wi e scho n i m Neue n Testamen t mi t de m Alten Testamen t umgegange n wird , auc h wen n di e damal s übliche n Aus legungsmethoden i m einzelne n heut e s o nich t meh r gehandhab t werde n dür fen. I n allen Fälle n abe r kommt hie r die Schrift, gleichvie l o b nach de m Schem a Weissagung-Erfüllung ode r typologisc h ode r allegorisc h ode r nac h de m Literal sinn interpretier t ode r auc h nu r i n meh r ode r wenige r wörtliche n Anspielun gen herangezogen , al s heilig e Schrif t i n Betracht . Da s i n di e griechisch e Sprache de r Ökumen e übertragen e Alt e Testamen t liefer t di e Sprachmitte l für di e Verkündigun g de s Christusgeschehens , ode r ander s formuliert : di e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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christliche Verkündigun g schaff t sic h selbs t ein e neue Sprache, die der escha tologischen Neuheit des Christusgeschehens würdig ist, aber sie tut das, indem sie au f di e Sprach e de s Alte n Testament s zurückgreift . Diese r Rückgrif f erfolgt notwendig : de r geschichtliche n Kontingen z de s Christusgeschehens , dem paradoxen Einfürallema l de s in die Geschichte eingegangene n Eschaton , dem Wort, da s Fleisc h wurde , entsprich t di e Kontingen z diese r - und keine r anderen - unverwechselbaren Sprach e de s Anfangs. Darin , da ß di e Anfangs verkündigung vo n Jesu s Christu s dies e Sprach e aufgrif f un d in diese Sprach e einging, lieg t die Notwendigkeit un d die Kanonizität alttestamentliche r Text e begründet. Is t da s Christusereigni s wesentlic h ei n verkündigte s un d imme r neu z u verkündigende s Geschehen , is t e s als o wesentlic h au f Sprach e ange wiesen, un d is t Sprach e andere s und mehr al s nur di e verbale Hüll e un d eine beliebig auswechselbar e For m fü r mitzuteilend e Inhalte , s o wird de r wesent liche un d sachlich e Zusammenhan g de r neutestamentliche n Botschaf t mi t der Sprach e de s Alte n Testament s einsichtig . Sprach e is t al s solch e imme r schon ein e - allenfalls mittel s eine r Metasprach e z u hinterfragend e - Weltund Daseinsauslegung. Das gilt erst recht und noch konkreter für eine Sprache, in de r de r Anspruch de s „S o sprich t Jahwe " un d „Jahw e sprac h z u . . .", ja, ins Griechische übersetzt : „S o spricht de r Herr und „de r Herr sprach z u . . ." erhoben wurde und in der dieser Anspruch eines mehr als alle anderen Götte r radikal transzenden t geglaubte n Gotte s textlich un d schriftlich fixier t worde n war. I n dieser Sprach e artikulier t sic h ei n Daseins - und Weltverständnis , da s trotz alle r Abhängigkeiten , Querverbindunge n un d Analogie n z u Kultu r un d Religion de r Völker ringsu m unverkennba r ander s ist. Dieses Verständnis des Daseins is t abe r da s gleich e wi e da s de s Neue n Testaments , da s gleich e wi e das christlich e gegenübe r de m griechischen , de m humanistische n ode r idea listischen Daseinsverständnis . E s wurd e vo n Bultman n folgendermaße n i n klassischer Weis e beschrieben : »De r Mensc h is t als o hie r i n seine r Zeitlich keit un d Geschichtlichkei t gesehen . E r wird, u m sic h z u verstehen , nich t au f das Allgemeine verwiesen , de n Kosmos, um sich als dessen Glie d z u erfassen , auf de n Logos , um i m Zeitlose n da s eigentlic h Seiend e z u finden, sonder n e r wird i n sein e konkret e Geschicht e gewiesen , i n ihr e Vergangenhei t un d Zu kunft, i n ihr e Gegenwart , di e i n de m konkrete n Miteinande r de r ,Nächsten ' ihm di e Forderun g de s Augenblick s entgegenbringt . E r weiß sic h als o nich t in eine n kosmische n Rhythmu s eingegliedert , desse n Bewegun g sic h nac h ewigen Gesetze n vollzieh t un d i n dem alles Drängen, alles Ringe n ewig e Ruh e in Got t de m Herr n ist , s o daß e s die höchste Möglichkei t de s Menschen wäre , in de r theori a [Schau ] diese s Gotte s inn e z u werden , sonder n e r wei ß sic h durch de n göttliche n Wille n a n ein e bestimmt e Stell e de s zeitliche n Gesche hens gestellt, da s für ihn die Möglichkeiten de s Gerichtes und der Gnade hat, je nachdem e r in gehorsame m Tu n da s tut, wa s Gott von ihm fordert . S o ist das Verhältnis z u Got t nich t ei n Sehen , sonder n ei n Hören , ei n Gott-Fürchte n und ih m Gehorchen , ei n Glauben , d.h . nich t ein e optimistisch e Weltan schauung, sonder n ei n Auf-sich-nehmen de r Vergangenheit i n Treue, ein vertrauendes Warte n au f Got t gegenübe r de r Zukunft , treue r Gehorsa m i n de r © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Gegenwart" (a.a.O. , S.324) . Auc h wen n ma n de n Wille n un d di e Forderun g Gottes etwa s wenige r einseiti g betone n möchte , al s e s Bultmann , de r j a letzt lich da s Alt e Testamen t vo m christliche n Standpunk t au s al s Geset z be trachtet wisse n möcht e (a.a.O. , S.333; u.s.o . S . 133f.),undmehralserauchde n primären Heilswille n Gotte s hervorhebe n sollte , s o wir d hie r doc h ein e i m Grundsätzlichen angemessen e Beschreibun g alttestamentliche r Daseins haltung gegeben . Dieser Haltun g de s Mensche n entsprich t di e Gottesvorstellung . Wen n etw a bei de n mannigfache n Versuchen , ein e Mitt e de s Alten Testament s z u bestim men un d z u beschreiben , au f di e Herrschaft , da s Herr-Sein , di e Unverfügbar keit, di e Erhabenheit , di e Einzigkeit , de n Eife r Jahwe s verwiese n wird , s o wird damit , wen n auc h nich t die Mitte de s Alten Testaments , so doch wohl di e zentrale Wesenseigenschaf t Jahwe s richti g angegeben . Spezifiku m de s Alte n Testaments ist , s o kan n ma n auc h sagen , de r konsequent e un d radikal e Monotheismus. Monotheismus abe r is t nur ein dürre r Begriff fü r konkreteste , lebendig e Erfahrung , die das ganze Dasein prägt: Das Nebeneinander mehrerer Götter bedingt notwendiger weise ein e Einschränkun g ihre r Göttlichkeit : w o de r ein e waltet , is t kei n Plat z fü r andere. Polytheismu s führ t ebens o notwendi g z u Geschichte n vo n Göttern , di e sic h gegenseitig befehden , sic h verbünden , sic h versöhnen ; dies e Götte r sin d potenziert e Menschen, unte r dene n sic h di e Menschen al s depotenzierte Götte r vorkomme n mö gen. Jahwe abe r ist, auch wenn Israe l gelegentlic h mythisc h vo n ihm redet, all solchen Mythen feind . E r übernimm t kein e Roll e i m Mythos , stirb t nich t wi e Baal , wen n die Natur erstirbt , u m mi t de m Erwache n vo n Natu r un d Fruchtbarkei t wiede r auf zuerstehen. E r is t nich t Got t un d zugleic h auc h ei n Naturgeschehen , Gestal t un d zugleich gestaltlose r zyklische r Vorgang , Her r und doch auch abhängi g vo n den recht vollzogenen Riten , die sein mythisches Leben darstellen un d bewirken. Er steht - ganz anders - allem, wa s nich t e r selbs t ist , al s Got t un d Her r gegenüber , e r ist , mi t einem abstrakte n Begriff , de n Israe l s o nicht dacht e - transzendent; e r ist de r Schöpfe r alles dessen, was existiert, un d al s der Schöpfer de r Herr. Sein Herr-Sein un d Anderssein heiß t daru m „heilig , heilig , heilig" . Al s de r Heilig e is t e r de r Unnahbare . Wen n er dennoc h naht , is t die s sein e Herablassung , erschrecken d ode r beglücken d ode r beides in einem. Daß beides möglich und wirklich ist , liegt daran, daß es nicht gelingt, seinen Charakte r ei n fü r allema l s o z u definieren , da ß de r Mensc h mi t ih m al s mi t einer berechenbare n Gegebenhei t rechne n könnte . Einzeln e Eigenschafte n ha t e r mi t Göttern gemeinsam , welch e ander e Völke r un d di e Väte r Israel s i n de r Vorzei t ver ehrten; sein e eigen e Einmaligkei t abe r ist , da ß sons t Unvereinbare s i n seine r Perso n sich z u vereinen vermag : Wi e der Obergot t E l ist er erhaben, gütig un d fern; al s Gott der Väte r abe r erschein t er , läß t e r sic h herab , wir d e r ei n mitwandernde r Gott , dessen Verheißungswort di e ganze menschliche Existenz in Gegenwart - Landbesitz -, Zukunft - Nachkommenschaft - und i n eine m göttlich-menschliche n Bun d umfaßt ; als Jahw e greif t e r mi t mächtige r Han d erretten d un d befreien d i n di e Geschicht e ein , den Seinen einen Raum und eine Ordnung - tora - des Lebens zu geben. Es is t i n diese m Zusammenhan g gleichgültig , o b un d wi e de r Monotheis mus de s Alte n Testament s sic h ers t i n eine r lange n Geschicht e herausgebilde t hat un d o b etw a da s Alt e Testamen t noc h Stelle n un d Schichte n enthält , di e erst ein e Entwicklun g reflektieren , welch e schließlic h zu m reine n Monotheis © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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mus geführ t hat . Da s is t hie r deswege n ohn e Belang , wei l di e Kirch e nich t eine religionsgeschichtlich e Entwicklun g übernahm , sonder n ein e Sammlun g von Schriften ; fü r dies e s o geworden e Sammlun g wa r de r Monotheismu s bereits ein e Selbstverständlichkeit . S o selbstverständlic h wa r auc h fü r di e da s Alte Testamen t anerkennend e Gemeind e de r hie r eingeschärft e Monotheis mus, da ß de r Christusglaube , de r doc h di e Gottheit Christ i behaupte n konnte , nicht i n de n Polytheismu s de r Umwel t zurückzufalle n i n Gefah r stand , so lange er das Alte Testament al s Heilige Schrif t beibehielt . Beibehaltung de r Schrif t bedeute t Wahrun g de s Monotheismu s un d de r Geschöpflichkeit vo n Wel t un d Mensc h i n de r Auseinandersetzun g mi t de m polytheistischen Mytho s un d de r mythologisierende n Spekulatio n de r Gnosis, aber s o auc h noc h i n de r Konfrontatio n mi t gegenwärtige r Philosophi e un d Ideologie, di e u m de r Herbeiführun g de r vollkommene n Zukunftsgesell schaft wille n wieder , wi e di e Gnosis und Marcion , „di e bleibend e Personal union de s Schöpfergöttliche n mi t de m Rettungsgöttlichen " (Erns t Bloch , Atheismus i m Christentum , 1968, S.62) aufgelös t sehe n möchten . Nich t zu letzt durc h di e Verankerun g de r urchristliche n Botschaf t i m alttestament lichen Monotheismu s un d i m Schöpfungsglaube n sperr t sic h auc h da s Neu e Testament gege n ein e „Jesulogie" , di e Got t durc h de n Mensche n Jesu s er setzen möcht e (vgl . W. Schräge, Theologie un d Christologie, 1976). Man kan n i n de r Ta t mi t H.Gra ß sagen : „Da s Alt e Testamen t is t da s monothei stische Gewisse n de r Kirche . E s sperr t sic h auc h heut e gege n eine n Antitheismus , der Got t abschaffen , fü r to t erklären , un d sic h mi t eine m wi e imme r verstandene n Christus behelfe n möchte , de r schließlic h zu m bloße n Repräsentante n vo n Mit menschlichkeit herabsinkt" (Chr . Glaubenslehre II, S.97f.). Dieser als o konkret e Monotheismu s un d da s mi t ih m gesetzt e — bildlose — Gottesbild sin d zweifello s di e Voraussetzun g un d Grundlag e de r christliche n Verkündigung. Ni e werde n di e Erscheinun g un d da s Auftrete n Jes u un d di e nachösterliche Christusverkündigun g i n de r alte n Kirch e al s Korrektu r ode r Kritik diese r monotheistische n Gottesauffassun g verstanden . Di e i m Neue n Testament auc h geäußert e Kriti k a m Alte n Testamen t un d di e hie r gelegent lich auc h spürba r werdend e Distan z (s.o . S.3 1 f.) änder n doc h nicht s a n de r vorbehaltlosen Bejahun g diese s Teil s un d diese s Aspekt s de s alttestament lichen Erbes . Di e Verkündigun g de s i n Jesu s Christu s erschienene n Heil s predigt die s Ereigni s al s Handel n de s eine n Gottes , de n da s Alt e Testamen t meint, wen n un d sofer n e s vo n de m freie n Schöpfe r un d Herr n Israel s un d der Wel t spricht . Da s Christusereigni s stell t diese n Got t de s Alten Testament s nicht i n Frage , e s wird al s sei n eigenes , wahres , endgültige s Wer k verkündigt . Als endgültig e - eschatologische - Tat Gotte s stell t e s freilic h alle s ander e Wirken desselbe n Gotte s i n de n Schatten . I m Lich t de r Christusoffenbarun g kann auc h fragwürdi g werden , o b all e i m Alte n Testamen t Got t zugeschrie benen Tate n un d Eigenschafte n wirklic h göttliche s Handel n un d göttlich e Wesensart waren , ode r o b sic h menschlich e Selbstbehauptung , Egoismus , Nationalismus un d Beschränktheit , kurzu m Menschlich-allzu-Menschliche s als gottgewoll t un d vo n Got t geta n z u rechtfertige n versuchten . Abe r auc h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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notwendige Kriti k nac h de m Kriteriu m de s Christliche n un d gemä ß de r Berg predigt-Antithese: „Ih r hab t gehört , da ß z u de n Alte n gesag t ist ; ic h abe r sag e euch!" stell t gerade nich t den konkrete n Monotheismu s mitsam t seine n ebens o konkreten Implikationen , de n da s Alt e Testamen t einschärft , i n Frage . Di e christliche Verkündigun g verstan d sic h daru m auc h ni e ander s den n al s Predigt vom Handel n de s einen Gottes , außer de m kei n Got t ist. Darum wurd e das Alt e Testamen t beibehalten , auc h al s di e christlich e Missio n di e Grenze n des Judentum s längs t überschritte n hatte . Da s israelitisch-jüdisch e Geset z konnte sein e Gültigkei t fü r Heidenchriste n nich t länge r behalten , abe r auc h noch di e Abschaffun g de s Gesetze s bedeutet e nich t di e Abschaffun g de s Alte n Testaments un d ers t rech t nich t di e Entthronun g de s vo n de r Schrif t bezeug ten eine n Gottes . Da ß hierdurc h di e christlich e Besonderhei t - die Botschaf t vom endzeitliche n Hei l i n Jesu s Christu s - sogar i n de n Hintergrun d trete n und di e christlich e Missio n i n de r Heidenwel t al s Verkündigun g eine s ethi schen un d vo m jüdisch-gesetzliche n Beiwer k gereinigte n Monotheismu s ver standen un d s o dest o leichte r akzeptier t werde n konnte , is t auc h nich t z u übersehen. Sei t di e Apologete n de s 2. Jahrhunderts de n Monotheismu s un d den moralische n Charakte r de s Christentum s hervorkehrten , ha t e s bi s hi n zum theologische n Liberalismu s i n de r Modern e imme r wiede r Zeite n gegeben, d a da s Christentu m vornehmlic h al s ethische r Monotheismu s und theistisch e Moralphilosophi e erschie n un d d a Jesu s al s de r prophetisch e Reformer de s Judentum s gelte n konnte : da s Christentu m al s Reformjuden tum au f de r Basi s eine s kritisc h gereinigte n Alte n Testaments . Ja , ma n kan n allen Ernste s fragen , o b nicht , fer n vo n alle r theologische n Theoriebildun g und ebens o fer n vo n Philosophi e un d Ideologie , fü r da s populär e Verständni s das Christentu m diese n Charakte r hat : Glaub e a n de n Herrgot t un d imme r Treu un d Redlichkei t üben ! Abe r auc h noc h solch e vulgäre n Simplifizierun gen un d ideologische n Engführunge n enthalte n ei n Wahrheitsmoment , da s si e einseitig isolieren : die s Moment is t tatsächlich di e unaufgebbare Verwurzelun g alles Christliche n i m ethische n Monotheismu s i n seine r nich t vo m Alte n Testament ablösbare n Konkretheit . Auße r Jahw e is t kei n Got t (Jes . 4 3 , 1 1 ; 44,6; 41,4 ; 48,12) . Der Jahwenam e abe r wurd e bereit s i m mündliche n Vor trag de r hellenistische n Synod e durc h „Kyrios " = „der Herr " ersetzt . „De r Herr" is t ein e Bezeichnung , di e vie l eindeutige r al s de r längs t nich t meh r in seine m ursprüngliche n Gehal t verständlich e Eigennam e Jahw e da s Herr sein, di e Einzigkei t un d di e transzendent e Verfügungsmach t Gotte s zu m Ausdruck z u bringen geeigne t war . Wie seh r das Alte und da s Neue Testament verbunde n un d verzahnt sind , zeig t der Gebrauch vo n „Kyrios " im Neue n Testament : w o da s Alt e Testamen t zitier t wird , ist au s Jahw e de r Kyrio s geworden ; da s i n de n ältere n Septuagintahandschrifte n jüdischer Herkunf t noc h beibehaltene Tetragramm JHW H wird i n christlichen Hand schriften durc h Kyrio s ersetzt . Kyrio s is t abe r auc h Jesu s Christu s (l.Kor . 12,3; Phil. 2,11), und ursprünglich au f Jahwe bezogene Aussagen gelten nunmehr von Jesus Christus: i m Anschlu ß a n Jes . 45,3, wo vo m Herrsei n Jahwe s gesproche n wird , heißt es nun im Christushymnus von Phil. 2(2,10f.), daß alle Zungen bekennen sollen, © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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daß Jesus Christus der Kyrios sei (vgl. auch Röm. 10,15; l.Kor. 1,2; Apg. 2,36). Gott der Her r un d sei n endzeitliche r Heilbringe r Jesu s Christu s al s Her r gehöre n s o eng zusammen, da ß beid e denselbe n Hoheitstite l trage n könne n (vgl . u.a . Mt . 11,25; Lk. 10,21; Mt. 9,38; l.Tim. 6,15; Apg. 17,24 und har t nebe n Apg . 2,36: 2,39!) , weil Got t der Herr dem Herrn Christu s alle Macht auf Erden gegeben hat (Mt . 28,18; vgl. l.Kor. 11,3; 15,28) . Das Neu e Testamen t setz t abe r nich t nu r de n Monotheismu s de s Alte n Testaments vorau s un d verkündig t nich t nu r da s Christusgeschehe n al s Ta t dieses eine n Schöpfergotte s un d Herrn . Dies e Verkündigun g erwächs t über haupt au s - und ergeh t überhaup t i n - dem vo m Alte n Testamen t sprachlic h erschlossenen weite n Rau m vo n Schöpfung , Erde , Menschheit , Völker - un d Israelgeschichte, vo n Sege n un d Fruchtbarkei t un d Lebensweisheit , abe r auc h von Sehnsuch t nac h endliche r Vollendun g nac h Sünd e un d Fluch , Gottesfern e und Verzweiflung , Verirrun g un d Verworfenheit . All e dies e „Themen" , fas t s o zahlreich wi e da s menschlich e Lebe n Aspekt e un d Facetten , Inhalt e un d Gestal ten hat , setz t da s Neu e Testamen t bejahend , verneinend , zurechtbiegend , zu rechtbringend voraus . Selbst konzentrier t au f da s eine, das not tut, auf de n Chri stus un d sei n Heil , brauch t e s die s alle s nich t imme r ausdrücklic h zu r Sprach e zu bringen . E s klingt i m vo m Alte n Testamen t erschlossene n Sprachrau m wi e von selbs t mi t an . I n de r scho n vorgegebene n Ausgelegthei t vo n Wel t un d Dasein durc h di e Sprach e de s Alte n Testament s ergeh t di e Christusbotschaft ; sie geh t i n ebe n dies e sprachlich e Ausgelegthei t ein : da s Wor t wurd e — auch dieses Fleisch. Sowenig de r Monotheismu s un d de r Schöpfungsglaub e vo m Alte n Testamen t er gänzend zu m Christusglaube n hinzukomme n - ein Letzte s (Eschaton) , da s de r Er gänzung bedurfte , wär e j a ei n Widerspruc h i n sic h selbs t -, so stelle n auc h di e eben angedeuteten Theme n nich t ein e Ergänzun g zu m Neue n Testamen t dar , wi e H.Gra ß meint, de r sei n mi t de m hie r vorgetragene n seh r verwandte s Verständni s de s Ver hältnisses de r beide n Testament e al s „Ergänzungshypothese " mein t bezeichne n z u sollen (a.a.O. , S.99). Korrekte r müßt e man vo n Implikationshypothes e sprechen , wi e an anderer Stelle vorgeschlagen wurde (Gunneweg, Sola Scriptura, 1976, S.9). Das Neu e Testamen t setz t als o di e Geltun g de s Alte n i m Grundsat z un d sozusagen bi s zu m christlicherseit s z u liefernde n Bewei s de s Gegenteil s i n einzelnen Fälle n vorau s un d implizier t dami t da s alttestamentlich e Rede n von de m eine n Gott , de m Schöpfer , de m Sündenfal l de s Menschen, vo n Gotte s Willen zu r Erlösun g un d alle n de n unzählige n hierdurc h mitgesetzte n kon kreten Einzelthemen . Richtig schreib t H.Graß : „Welc h ein e Füll e vo n Haltunge n un d Schicksalen , vo n Menschen un d Menschengruppe n i n de n verschiedenste n Situatione n un d Verhält nissen biete t das Alte Testament; wi e geht es menschlich z u in diesem Buch. Da spielt Politisches und Soziales eine Rolle , bei den Propheten un d anderswo, da gibt e s Kriege, Siege, Niederlagen, Hunger , Verbannung, abe r auch gute Zeiten; d a begegnet uns das Auf und Ab einer dramatisch bewegte n Geschichte, da geht es um das Zusammenleben in eine m Vol k un d u m di e Frag e de r Gerechtigkeit ; d a sprich t de r Psalmis t vo n de r Vergänglichkeit (Ps . 90), Hiob klag t Got t a n i n seine m Leid , d a kling t di e Lebens © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Schrift, Sprache , Monotheismu s
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Weisheit un d di e Resignatio n au s de n Sprüche n un d de m Prediger . Un d be i al l de m ist Gott mit im Spiel, all das vollzieht sich coram Deo" (a.a.O., S. 98). Man wir d hinzufüge n müssen : jen e Geschichten , Gebete , Reflexionen , Jubel un d Klag e vo r Got t (coram Deo ) sind nich t Motiv e un d Theme n nebe n dem Christusgeschehen , di e zu r Christusverkündigun g zusätzlic h hinzukom men. Si e werden vielmeh r i m christliche n Bereic h i m Licht e de r Christusoffen barung „gesamtbiblisch " verstanden . S o werde n si e - ganz i m Sinn e vo n l.Kor. 10,11 - zu Texten , di e menschliche s Dasei n i n seine r unauslotbare n Tiefe - man versuch e allei n scho n di e Urgeschicht e de r erste n el f Kapite l erschöpfend z u interpretiere n - und i n seine r irdischen , essende n un d trinken den, liebenden , hassenden , sterbenden , diesseitige n un d doc h jenseitsbezoge nen Wirklichkei t unte r Gott , de r Kyrio s genann t wird , un d nu n angesicht s des Christus , de r Kyrio s heißt , rech t ode r auc h falsc h auslege n un d di e Frag e des Mensche n rech t ode r auc h falsc h stellen , dami t di e endgültig e Antwor t des Evangelium s überhaup t eine n konkrete n Bezu g hab e un d gehör t werde n könne. Hier lieg t da s Wahrheitsmomen t jene r Lösun g de s hermeneutische n Pro blems de s Alte n Testaments , welch e di e Vorstufen - un d Vorbereitungsfunk tion de s alttestamentliche n Zeugnisse s betont . Hie r lieg t auc h da s Richtig keitsmoment de r Typologese : da s Alt e Testamen t leg t Wel t un d Dasei n de s Menschen au s vo r Christus , vo r de m Endgültigen , vo r de m Letzten , de m Eschaton. Diese s abe r is t nu r das , was e s ist, i n seine m Bezu g zu m Vorletzten , zum Diesseitigen , z u al l dem , wa s ohn e Christu s unvollkommen , uneindeutig , ambivalent, ohn e letzt e un d endgültig e Antwor t bliebe . Mi t de r Erscheinun g Christi wir d da s Vorletzt e abe r nich t zu r bloße n Vorstufe , di e nu r noc h vo n noetischem Belan g wäre , un d verblaßt auc h nich t zur bloßen Vorausschattung . Sondern - und hie r lieg t da s Wahrheitsmomen t jene r Lösung , di e da s Alt e Testament al s Geset z i n seine r dialektische n Bezogenhei t au f da s Evangeliu m zu verstehe n versuch t — im Licht e de s Letzten , de s Christusereignisses , be kommt da s Vorletzt e sein e hell e Eindeutigkeit ; e s wird gewoge n un d geprüft , es wir d transparen t au f Scheiter n un d Sünde , di e Christu s kreuzigt , ode r au f das letzt e Heil , da s i m Alte n Testament , wi e de r Christusname , noc h nich t ausgesprochen, abe r doc h geahnt , erhofft , verheiße n un d eigentlic h gemein t wird. I m Lich t de s Neue n werde n Güter , di e i m Alte n Testamen t al s Heils gaben Jahwe s verstande n werde n - Land, Nachkommenschaft , gute s Regi ment, Feigenbau m un d Weinstock , Gesundhei t un d Wohlergehe n - , nicht einfach z u blo ß diesseitigen , allenfall s al s Vorausschattunge n de s wahre n Heils noc h gültige n Verengunge n un d Verfälschunge n eine r rei n religiö s zu fassende n „Grundverheißung" , sonder n si e bleiben , wa s si e imme r scho n waren: konkrete , diesseitig e Lebensermöglichun g i n Gegenwar t un d Zukunf t allein vo n Got t her , Schöpfung , Erhaltung , Segnun g durc h de n Gott , „de r auch seine s eigene n Sohne s nich t verschon t hat , sonder n ha t ih n fü r un s all e dahin gegeben . Wi e sollt e e r nich t ers t rech t zugleic h mi t ih m un s alle s schen ken?" (Röm . 8,32). 13
Gunneweg, Verstehe n
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Das Alte Testament als Teil des christlichen Kanons
All dies e Herrlichkei t de r Erd e wir d auc h nich t abgewertet , wen n si e unte r das „al s o b nicht " (l.Kor . 7,29-31) gerückt wird ; da s „al s ob " is t j a nu r möglich i m Licht e de s letzte n Heil s Jes u Christi , da s unvergänglic h ist . Stat t abgewertet z u werden , werde n di e alttestamentliche n Heilsgüte r i n diese r ihrer neue n Relatio n zu m Heil , da s i n Christu s erschiene n is t un d geschenk t wird, überhaup t ers t einsichti g al s di e Gabe n Gottes , vo n desse n Lieb e auc h nicht da s Aufhöre n jene r vergängliche n Güte r de n Mensche n z u trenne n ver mag (Röm . 8,38 f.). Noch i n eine r andere n Hinsich t rück t da s Eschato n al s da s Letzt e un d End gültige all e sonstige n Güte r un d Gabe n al s ei n ers t Vorletzte s zurecht . Land besitz, Nachkommenschaft , national e Existen z un d Geset z bleibe n das , wa s sie sind , si e werde n nich t z u bloße n Präfiguratione n un d Vorausschattunge n verdünnt un d verflüchtigt, si e werden abe r jetzt wieder i n ihrem ursprüngliche n Sinn erkennbar : al s Ermöglichun g vo n Leben , Erschließun g vo n Zukunf t un d Gestalt heilvolle r Ordnun g i n eine m vo n Got t geschenkte n Lebensraum , al s Leben schlechthin vo r Gott und von Gott her . Dieses di e ganz e Existen z umspannend e Hei l wurd e freilic h zu r Sprach e gebrach t im Vorstellungs - un d Denkhorizon t de r Damaligen . E s bleibt daru m nich t au f jene n Horizont un d s o auc h nich t au f jene s Land , au f Nachkommenschaf t un d ei n davidi sches Königtum fü r imme r und ewig angewiesen . Da s wurde bereits inneralttestament lich erkannt. Als di e Heilsgüte r sic h z u verdingliche n begannen , Erwählun g i n Erwählthei t umschlug un d di e Gewißhei t de s Mitsein s Jahwe s i n di e falsch e Sicherhei t eine s verfügbaren Besitzes , verkündigt e scho n Israel s groß e Gerichtspropheti e da s End e alle r jener Heilssetzungen un d ein neues Heil allenfall s jenseit s dieses Gottesgerichtes (etw a Am. 3,2; 8,1-2 ; Hos. 1,9; 2,2 1 f.). Un d angesicht s de s tatsächlic h geschehene n Zusammenbruchs de r staatliche n un d nationale n Existen z un d alle s dessen , wa s einst , als Heilsgut Jahwes geglaubt, Geborgenhei t gegeben hatte , verkündigt ei n Jeremia ein Heil Jahwes, das mitten im Unheil denen geschenkt wird, die die Katastrophe von Tempelzerstörung und Verbannung als gerechtes Gericht Gottes anerkennen und annehmen (Jer. 24; 29 ; 32 ; diese Text e i m Grundbestand) . Ein e Theologi e de s Kreuze s (theo logia crucis ) bahn t sic h an , wir d abe r nich t durchgehalte n un d vo n de n Tradente n zur bloße n Heilsansag e fü r dermaleins t verflacht . Gege n End e de s Exil s verkündig t Deuterojesaja mi t hymnische n Worte n eine n neue n Exodus , de r s o sehr jen e früher e Rettungstat Jahwe s i n Ägypte n un d a m Schilfmeer , j a alle s Denkbar e un d Vorstell bare übertrifft , da ß e r geradezu zu m Bil d fü r göttliche s Hei l schlechthi n wird , da s in Worte zu fassen di e menschliche Sprach e nich t mehr fähig is t (vgl . Jes. 55,12: „Berge und Hügel sollen frohlocken, und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen".). Weitet sic h bereit s inneralttestamentlic h de r frühe r enger e Horizont , wir d schon hie r da s Hei l entschränk t un d de r Versuc h gewagt , e s al s i m Diesseit s jenseitig un d al s tota l andersarti g z u denke n un d zu r Sprach e z u bringen , so rück t ers t rech t alles , wa s i n Israe l eins t al s Heilsgu t verkündig t worde n war, durc h da s Christusgeschehe n i n ei n neue s Licht : di e Verkündigungs sprache de s Alte n Testament s wir d zu r Sprach e de r christliche n Verkündi gung. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Sprache der Christusverkündigung
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3. Die Sprache der Christusverkündigung In diese m Zusammenhan g is t noc h einma l au f di e Typologi e un d au f da s Schema Weissagung-Erfüllun g zurückzukommen . Da ß Typologie nich t unbedingt ei n lineare s Geschichtsdenke n zu r Voraussetzun g habe n muß , lehrte n schon ei n Blic k au f Paulus ' typologische n Umgan g mi t alttestamentliche n Texten un d di e sich darau f stützend e Beschreibun g typologische n Verstehen s durch E.Fuch s (s.o . S . 179f.). Stat t a n di e Ide e des Geschichtsablaufs könnt e Typologie, vo n keine m Geringere n al s Paulu s ermutigt , auc h hiera n anknüp fen. Typologie is t dann eine Methode (Typologese) , welche Analogien (Typo logien) aufspürt , un d beruht darauf , da ß es im Geschichtlichen solch e Analogien gibt . Geschichtliche s is t einmalig un d kontingent, e s wiederholt sic h niemals. Dennoc h ereigne t sic h Vergleichbares . Die s Vergleichbar e nenn t di e herkömmliche Typologes e Typo s un d Antitypos . Da ß e s de r Typologes e einmal vo n ihre r Willkü r un d Entartun g abgesehe n - gelang, solch e Ent sprechungen z u entdecken , beruh t au f de r tatsächliche n Vergleichbarkei t der Analogi e - des geschichtliche n Lebens . Da s Momen t de r Steigerun g ist nich t allgemei n au s eine m Entwicklungs - un d Wachstumsproze ß abzu leiten; e s is t fü r ein e s o verstanden e Typologes e überhaup t nich t charakte ristisch, sonder n einzi g beding t dadurch , da ß i m spezifische n Verhältni s de r Testamente de r Antitypo s j a da s endgültig e Endereigni s Jesu s Christus , als o das Eschato n ist , da s alle s Vorherige , Gleichzeitig e un d Nachmalig e i n de n Schatten stellt . Vo n hierhe r erklär t sic h überhaup t da s Aufkomme n vo n Typologese im urchristlichen Bereich : Von Tod und Auferstehung Jes u Christi her gesehen, sag t di e ererbte Schrift , dere n Gültigkei t j a nich t aufgehobe n ist , „Typisches". Diese s Typisch e wir d abe r nich t nu r i n de n Schatte n gestellt . Es wird auch vom Eschaton her ins rechte Licht gerückt. Wie über die Königsherrschaft Gottes nur in Gleichnissen, so kann über das Letzte - das Eschaton nur i n de r Sprach e de s Vorletzte n gesproche n werden . Daru m verliere n di e Typoi, nachde m de r Antitypo s erschiene n ist , nich t ih r Gewich t - wie si e zu bloßen Schatte n un d Scheme n verblassen , wen n de r zeitlich e Fortschrit t übe r sie hinweggeroll t is t - , sondern si e werde n zu r sprachliche n Ermöglichun g eschatologischer Verkündigung . Da wir d etw a ei n Tex t wi e l.Mos e 12 ohne all e Umdeutung , Allegores e oder typologisch e Verflüchtigun g zu m Exempe l dafür , wa s Glaub e heiß t und wi e de m Glaubenden , de r sic h au s alle m verfügbare n Besit z heraus führen läßt , Gegenwar t un d Zukunf t erschlosse n werden ; un d da s Lan d bleibt Land , Basi s alle s Lebens , Schoß , au s de m alle s Wohlergehe n hervor geht; un d di e Nachkommenschaf t bleib t wa s si e ist : Lebe n i n all e Zukunf t hinein; un d die s alle s vo n Got t her , un d die s alle s nich t al s bloß e Vorstuf e vergangen, sondern gegenwärtig, al s gegenwärtige Konkretheit des in Christus geschenkten Heils , da s doc h all e dies e Konkretisierunge n übertrifft , trans zendiert und darum nicht auf sie angewiesen bleibt . Da wir d auc h - anderes Beispie l - die Botschaf t de r große n Gerichtspro pheten al s typisc h un d daru m al s recht e Sprach e christliche r Predig t ver 13* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Teil des christlichen Kanon s
standen: si e verkündige n auc h de r christliche n Gemeinde , da ß da s End e gekommen se i - das End e übe r Hochmut , Gottlosigkeit , Herzenshärtigkei t und Götzendienst , un d da ß nu r dem , de r die s Gerich t a n sic h geschehe n läßt , das Hei l de r da s Lebe n erneuernde n Vergebun g zugesag t werde , da ß ers t a m Nullpunkt menschliche n Scheitern s de m Demütige n Lebe n un d Seligkei t ge schenkt werden . Nu n kan n auc h di e imme r scho n di e Grenze n de s sprachlic h Möglichen sprengend e Sprach e eine s Deuterojesaj a zu r Predig t de s Evan geliums de s i n Christu s erschienene n Heil s werden , di e de n Auszu g au s Babe l ansagt: au s dem , wa s Babe l imme r scho n - typisch! - war, au s Sünde , Unhei l und Gericht , un d hi n zu m Zion , zum.Or t de r Begegnun g mi t de m lebendige n Gott des Heils, der doch a n keinen Or t sich binden läßt . So werde n überhaup t all e - durchaus i m wörtliche n Sin n interpretierte n und verstandene n - Heilsorakel un d „messianischen " Weissagunge n zu r rechten - oder auc h mißverstehende n un d nich t angemessenen - Ankündigung des letzte n Heils , da s allei n e s verdient , s o bezeichne t z u werden , un d de s Heilands, auße r de m kei n Hei l ist . Da s Kerygm a vo n diese m Hei l ergeh t abe r immer nu r i n j e un d j e situationsbezogene r Konkretheit ; da s Alt e Testamen t verhilft - in Auswah l - dem Kerygm a z u seine r Konkretisierung , wei l da s Alte Testamen t di e Traditio n ist , „i n di e hinei n Christu s sic h inkarniert " (H.D.Preuß, a.a.O., S.78 u.s.o . S. 180f.). Außer au f di e als o verstanden e Typologi e mu ß schließlic h noc h einma l au f den sogenannte n Weissagungsbewei s eingegange n werden . Da ß jener Umgan g mit Texte n heut e nich t meh r möglic h un d gestatte t ist , wurd e hie r un d vo n vielen andere n zu r Genüg e deutlic h gemacht . E s wurd e obe n jedoc h bereit s angedeutet (s.o . S . 176), daß mi t diese r Feststellun g noc h nich t da s letzt e Wort gesag t ist . Da s Anliegen , da s sic h i n jene m Schriftgebrauc h äußert , is t nicht allei n dies , i n de r Auseinandersetzun g mi t de m Judentu m de n christ lichen Anspruc h au f di e Schrif t z u behaupte n un d z u begründen , inde m ma n mit exegetische r Gewal t di e Schrif t de n Christu s weissage n läßt . Auc h wen n solche Polemi k fü r ein e vordergründig e Betrachtun g de r Sin n de s sogenannte n Weissagungsbeweises gewese n sei n mag , s o wäre e r doch z u hinterfragen: wa s lag un d lieg t überhaup t a n de r Schrift , au f di e sic h doc h gerad e i n de r ent scheidenden Hinsich t de r christlich e Glaub e nich t stütze n konnt e un d kann , weil si e j a To d un d Auferstehun g Jes u Christ i al s Heilsereigni s gerad e nich t verkündigt? Immerhi n kan n auc h scho n urchristlich e Verkündigun g au f di e alttestamentliche Sprach e verzichten , wi e selbs t Paulu s zeigt , de r nu r i n vie r Briefen (Röm. , 1 u. 2.Kor. un d Gal. ) au f da s Alt e Testamen t zurückgreift , und auch der erste Johannesbrief komm t ja ohne das Alte Testament aus . Der Umstan d jedoch , daß , vo n Ausnahme n abgesehen , di e Kirch e da s Alt e Testament beibehiel t un d ihre n Anspruc h gege n da s Judentu m mi t welche n exegetisch fragwürdige n Mittel n auc h imme r z u verteidige n versuchte , zeigt da s eigene , genuin e Interess e de r Kirch e a n de r Schrift , auc h noc h fer n von alle m Strei t u m di e Schrif t mi t de m Judentu m un d auc h noch , al s dies e Auseinandersetzung längs t ihr e Aktualitä t eingebüß t hatte . Diese s Interess e ist letztlic h begründe t i n de r geglaubte n un d verkündigte n Selbigkei t Gottes : © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Die Sprache der Christusverkündigun g
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gilt di e Schrif t nac h wi e vo r al s Zeugni s vo n de m eine n Gott , de m Schöpfe r und Erlöser , s o mußt e si e auc h vo n de m Christusgeschehe n Zeugni s ablegen , und daru m mußt e Christu s di e Schrif t erfüllen . Un d di e Schrif t leg t diese s Christuszeugnis ab , inde m si e di e Sprach e un d mi t de r Sprach e di e sprachlic h geformten Inhalt e liefert , mi t deren Hilf e da s Christuszeugnis nunmeh r formu liert wird . Ebe n daru m wir d de r Christu s au s eine r Jungfra u geboren , e r erblickt da s Lich t de r Wel t i n Bethlehe m un d mu ß nac h Ägypte n fliehen , damit di e Weissagun g erfüll t werde , da ß Got t seine n Soh n au s Ägypte n gerufen hab e (Mt . 1,23; 2 , 1 ; Lk. 2; Mt. 2,15.18; u. Jes . 7,14; Mi. 5 , 1 ; Hos. 11,1; Jer. 31,15); Er selbst verkündig t be i seine r Antrittspredig t i n Nazareth, daß i n ih m di e Schrif t sic h erfüll t hab e (Lk . 4,16-21). Zu seine r großen , grundlegenden Predig t besteig t e r wie Mose , desse n Geset z er erfüllt un d über bietet, eine n Ber g (Mt . 5,1). Insbesondere is t dan n bekanntlic h di e Leidens geschichte Jes u mi t Hilfe alttestamentliche r Zitat e un d Anspielunge n gestaltet . Jesus zieh t gemä ß Sach . 9,9 in Jerusale m ein , ga r au f zwe i Reittiere n reitend , weil e s de r Prophe t s o geweissag t habe n soll . Juda s verrä t ih n u m dreißi g Silberlinge, wei l solche s Sach . 11,9f. geschriebe n steh t (Mt . 21,5; 25,15 ; 2 7 , 3 - 9 ) . Ansonsten folg t di e Darstellung de m Detai l vo n Ps.22 . Sie will i n de r Tat dartun , da ß un d wi e bi s i n Einzelheite n hinei n di e Schrif t erfüll t wurde . Die Schrift ha t geweissagt, un d in Christus ist die Weissagung erfüll t worden . Der Befun d is t bekannt , di e Einsich t i n di e Unmöglichkei t solche n Schrift gebrauchs heut e einhellig , desse n eigentlich e Intentio n bleib t s o abe r uninterpretiert. Ja , de r wirklich e Befun d is t mi t obige n Feststellunge n nich t einmal rech t beschrieben . E s wir d j a nich t ein e wirklic h s o geschehen e Ge schichte mi t Hilf e eine r au f fragwürdig e Weis e interpretierte n Schrif t al s Erfüllung de r Schrif t aufgewiesen . Vielmeh r wir d da s Christusgeschehe n überhaupt ers t erzählerisc h s o dargestellt , da ß e s al s Erfüllun g de r Schrif t gelten kann : Di e Darstellun g läß t de n Christus , de r i n Nazareth oder anders wo gebore n war , al s Davidssohn un d Messia s i n Bethlehem au s einer Jungfra u geboren werden , nac h Ägypte n fliehen , w o e r sic h gewi ß ni e aufgehalte n hat ; läßt ih n au f zwe i Lasttiere n au f einma l reite n usw. , dami t sei n Geschic k sic h als schriftgemä ß erweise . Is t solche r „Weissagungsbeweis " heut e nich t meh r nachvollziehbar, s o is t ein e Historiographie , di e mi t solche n Mittel n ein e Vita Jes u darstelle n will , noc h vie l wenige r akzeptabel . Abe r geh t e s hier den n überhaupt u m Historiographi e un d ein e Vit a de s historische n Jesus , wen n dessen Geschicht e s o schriftgemä ß dargestell t wird ? Dies e Frag e stellen , heiß t sie beantworten . Hie r wir d zwa r ei n Lebe n Jes u geboten , abe r i n Gestal t einer Leben-Jesu-Darstellun g ergeh t Christusverkündigung , di e daru m auc h nicht al s historisc h richtig e Biographie , sonder n al s Christusverkündigun g gelesen un d verkündig t werde n soll . Un d dies e Christusverkündigun g ergeh t in de r Sprache , di e da s Alt e Testamen t al s da s Zeugni s vo n de m eine n un d einzigen un d selbige n Got t bereitstellt e un d i n welch e di e Christusverkündi gung des Neuen Testament s einging . Ist si e au s diese r Sprach e wiede r ablösbar ? Kan n als o de r sprachlich e Zu sammenhang, „da s de n Glaube n mi t Abraha m verbindend e Kontinuum" , © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Das Alte Testament al s Teil de s christlichen Kanon s
das nich t zeit- , sonder n worthafte n Charakte r ha t (G . Klein, Bibe l un d Heils geschichte, S.30) , sic h wiede r auflösen ? Is t als o prinzipiell da s Alte Testamen t doch kei n unverzichtbare r christliche r Besit z un d nich t notwendi g Tei l de s christlichen Kanons ? Diese Frag e is t z u verneinen . Zwa r sin d di e Verkündigun g un d de r Glaub e nicht ei n fü r allema l a n ein e Sprach e gebunde n - wie j a scho n di e Tatsach e beweist, da ß di e alt e Kirch e da s Alt e Testamen t i n eine r Übersetzun g la s und kanonisierte ! - ; sie sin d auc h nich t festgeleg t au f ein e mi t de r Sprach e immer scho n mitgesetzt e Ausgelegthei t vo n Wel t un d Dasein . Verkündigun g und Glaub e sin d un d bleibe n abe r - sola scriptur a - gebunden a n da s Ur sprungszeugnis de s Neue n Testaments . Die s allerding s sprich t - weitgehend die Sprach e de r alte n Schrif t un d setz t dere n Geltun g al s Zeugni s vo n de m einen un d selbige n Got t voraus . Daru m würd e di e Verwerfun g de s Alte n Testaments auc h di e neutestamentlich e Botschaf t nich t nu r unverständlic h machen, sonder n i n ihre m Gehal t verkürzen . Daru m ha t de r Marcionitismu s - der alt e un d auc h di e neuere n Gestalte n desselbe n - immer di e Substan z des Christliche n selbs t angetastet : de r Christu s de s u m Paulu s bemühte n Marcion is t soweni g de r Christus , de n de r Aposte l verkündigte , wi e de r arische Jesu s eine s germanisc h gereinigte n Christentum s ode r de r sozia l engagierte Stellvertrete r eine s toten Gottes in der Neuzeit . Zwar dar f di e getätigt e Praxi s de r Kirch e nich t vorzeiti g di e Reflexio n der hermeneutische n Theori e fü r beende t erklären . Woh l abe r kan n de r Blic k auf ein e vorgestellte Praxi s de n nu r noch rei n theoretische n un d akademische n Charakter eine r sic h i n eitl e Spekulatio n verdünnende n Reflexio n enthüllen : Man stell e sic h einma l ein e vo m Alte n Testamen t gereinigt e Kirch e mi t eine m entsprechend gereinigte n Neue n Testament , mi t gereinigte n Agende n un d einem gereinigte n Gesangbuch , ohn e „Mach t hoc h di e Tür" , ohn e Kripp e zu Bethlehem , ohn e di e fälschlic h hie r eingedrungene n Ochse n un d Esel , ohne di e kanaanäisch-israelitische n Fest e de s Kirchenjahre s i n de r kirch lichen Praxi s vor ! Ohn e di e Sprach e de s Alte n Testament s würd e de r Kirch e die Sprach e überhaup t ausgehe n un d si e fänd e nu n ers t rech t kein e Wort e mehr, das ihr aufgetragene Christuszeugni s z u verkünden . Zu solche r Praxi s nötig t abe r gerad e di e kritisch e hermeneutisch e Theori e nicht. I m Gegenteil , si e wil l Mu t machen , zusamme n mi t de n neutestament lichen Zeuge n un d eingeden k ihre s christliche n Kriteriums , jedoc h mi t neuer , historisch un d hermeneutisc h haltbare r Begründun g di e alt e Sprach e de s Alten Testament s zu r Verkündigun g vo n de s eine n Gotte s Handel n i n Jesu s Christus neu zu übersetzen .
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Abkürzungsverzeichnis AHAW.PH Abhandlunge n de r Heidelberge r Akademi e de r Wissenschaften . Philo sophisch-historische Klass e ASGW.PH Abhandlunge n de r Sächsische n Gesellschaf t de r Wissenschaften . Philo sophisch-historische Klass e AThANT Abhandlunge n zu r Theologie de s Alten un d Neuen Testament s AVTRW Aufsätz e und Vorträge zur Theologie und Religionswissenschaf t BEvTh Beiträg e zur Evangelischen Theologi e BFChTh Beiträg e zur Förderung de r christlichen Theologi e BGBH Beiträg e zur Geschichte der biblischen Hermeneuti k BGLRK Beiträg e zu r Geschichte und Lehre der Reformierten Kirch e BHTh Beiträg e zur historischen Theologi e BT (N) Bibliothequ e theologique . Neuchäte l BWANT Beiträg e zur Wissenschaft vo m Alten und Neuen Testamen t BZAW Beiheft e zu r Zeitschrift fü r di e alttestamentliche Wissenschaf t BZ NF Biblisch e Zeitschrift. Neu e Folg e CB.OT Coniectanea biblica . Ol d Testament Series D Deuteronomis t DtPfrBl Deutsche s Pfarrerblat t Ε Elohist EdF Erträg e de r Forschun g ELKZ Evangelisch-lutherisch e Kirchenzeitun g ErF Erlange r Forschunge n EThS Erfurte r theologisch e Schrifte n EvTh Evangelisch e Theologi e EZS Evangelisch e Zeitstimme n FGLP Forschunge n zu r Geschichte und Lehr e des Protestantismu s FRLANT Forschunge n zu r Religio n un d Literatu r des Alten un d N^ue n Testaments FS Festschrif t GNT Grundriss e zum Neuen Testamen t GTB va n Gorcum's theologische bibliothee k HNT Handbuc h zu m Neuen Testamen t HThS Harvar d Theological Studie s HUTh Hermeneutisch e Untersuchunge n zu r Theologi e J Jahwis t JAC Jahrbuc h fü r Antike und Christentu m JBTh Jahrbuc h fü r Biblisch e Theologi e JLCR Jorda n Lectures in Comparative Religion KAI Kanaanäisch e un d aramäisch e Inschriften , hrsg . vo n H.Donne r un d W.Röllig, Wiesbade n 1962-1964. 2 1967-1969 KBANT Kommentar e un d Beiträge zum Alten un d Neuen Testamen t KEK Kritisch-exegetische r Kommenta r übe r das Neue Testamen t KIG Kirch e i n ihrer Geschicht e KuD Kerygm a un d Dogm a KuD.B Kerygm a un d Dogma . Beihef t KVR Klein e Vandenhoeck-Reih e LuJ Luther-Jahrbuc h NStB Neukirchene r Studien-Büche r
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Abkürzungsverzeichnis
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Sachregister Abendmahl 25, 94 Allegorese (allegorisch ) Kap. II.6, 38-41 , 46 , 50, 93f., 122-124, 144 , 147 , 157f., 176, 184,186 f., 195 Amphiktyonie (amphiktyonisch ) 88-90, 108 , 113,143 f. Antiochenische Theologi e (Exegese ) 39 f., 148 Antisemitismus 30 Apokalyptik (apokalyptisch) 115,160,164 Apokryphen 9,13 f. Apologeten 191 Aposteldekret 21 Apostelgeschichte 28 f. Apostelkonzil 20 Apostolische Konstitutionen 93 Arminianer 63 Aufklärung 52,65,102,128,134,149 Babel-Bibel-Streit 73,130 Barnabasbrief 34,147 Beschneidung 19f., 34,102,123 f., 138 Biblische Theologie 60, 62, 64-69, 152 , 161164, 187,22 9 Bund, Bundesschlu ß 35f., 49f. , 52-55, 59 , 79f., 87-89, 108f., 111, 113 , 116f., 142, 147f., 158,170 Bund und Gesetz s.: Gesetz und Bund Bundesbuch 90,108 Bundestheologie 78 Calvinismus (calvinistisch) 12, 96,103 Chronistisches Geschichtswer k (Chronist ) 86, 111,172,185 (1.) Clemensbrief 34, 93 Confessio Belgica 13 Danielbuch 63, 91,106,115 DeboraliedlH Deismus 127 f. Dekalog 48 f.,95,108,125 Deuteronomistisches Geschichtswer k (deutero nomistisch) 90, 109,110f., 170-172 Deuteronomium 63, 7 1 f., 91, 108 , 127 , 13 0 Dialektische Theologie 76,135 Ebioniten 20 Elohist72,140
Entwicklung(sgeschichte) 66-68, 70 , 110 , 150,163,170,178 f., 181 Erfüllung (s . auch Weissagung) 51 Esragebet91 Evangelien (synoptische) 23 Ezechielbuch 85 Föderaltheologie 78 (s. auch Bund) Fragmentenhypothese 62 Fünf Bücher Mose s.: Pentateuch Gattungsgeschichte 73 Genesis 187 Geschichte 28 f., 59, 70 Geschichtsablauf (-verlauf ) 70f. , 80-82, 84 , 148, 15 3 f., 157, 159-164 , 165 , 168 , 170 , 172,174,178,195 Geschichtsphilosophie 70 Geschichtstheologie 58-60, 8 1 f., 151, 167 , 174,181 Gesetz 10f. , 16-28, 30f., 35, 44, 46, 48-50 , 52, 53f., 59, 72 , 85f., 88, 90-95 , 97-99 , 108, 110 , 113 , 117 , 119-121 , 123 , 125 , 134,146,165 f., 189,191, 19 4 Gesetz un d Bun d 108-110, 114-116 , 118f. Gesetz un d Evangeliu m 11, 18 , 49-54 , 57 , 59, 95 , 100-103 , 113 , 120-122 , 125 , 134 , 184,193 Gesetzlichkeit 20, 44 , 56 , 72 , 87 , 97 , 109 112,119-121,125,129,131f., 145 Glaubensregel s.: regula fidei Gnosis (gnostisch ) 36 , 38 f., 98, 100 , 122f., 147-149,151,154,190 Hebräerbrief 34,46,50,147 Heidenchristentum 20f., 24, 28 Heilsgeschehen 81,169 Heilsgeschichte (-geschichtlich , -geschicht licher Ablauf , -geschichtlich e Konzeption ) 29, 31f., 36, 42f., 53, 59f., 66f. , 73, 81, 84, 128 , 147f., 150-159, 160 , 164 , 164 175,178-181 Hiobbuchlll, 137 Historisch-kritische Wissenschaf t (-Methode , -Forschung) 8f. , 43f. , 52, 60-70 , 75 , 77 , 82-84,97,103,135,184,186 Homer 137
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Sachregister Humanismus 44, 164 Hussiten 45 Idealismus 52, 68 Inspiration(sdogma) 56-58, 63, 95 Jahwist72,140,143,172 Jakobusbrief 46 Jeremiabuch 85 Jesajabuch 51, 85 Jesus Sirach Buch 85 f., 105 Johannesapokalypse 46,50 Johannesbriefe 31 Johannesevangelium 29, 31,121 Jonabuch 138 Josuabuch ll3f., 130,154 Judasbrief 46, 50 Judenchristentum 19-21 Judentum (Juden , jüdisch ) 13-16, 18-22 , 24, 28-31, 33f., 38, 43, 46, 48, 50f., 55, 72, 86, 92f., 100-102, 107-112 , 119f., 122125, 127-129 , 131f., 135f. , 146f. , 183, 191,196 Kairos 165 Kanon (Schriftenkanon , Schriftensammlung ) 7-10, 12-15 , 35 , 38-40 , 43 , 45, 52, 64, 78, 80 , 82 , 85, 91-93, 99 , 103-107 , 110 , 122, 128-130 , 134 , 144 , 150 , 160 , 164f., 183-187,227-229 Katharer 124 Kirchenjahr 43,198 Konkordienformel 45 Kyrios 191-193 Literalsinn s.: sensus litteralis Literarkritik 73, 108, 110 Logienquelle (Q) 23 Lukasevangelium, Lukanische s Doppelwer k 28,147 Makkabäer ll5, 118 f. Manichäismus, Manichäischer Dualismus 124, 126 Marcionitisch 12,125,198 Markusevangelium 24 Matthäusevangelium 17,26-28 Mescha-Stele 114 Meßopf er 94 Monotheismus 187-194, 225 Orthodoxie 46,57-60,125,150 -, altprotestantische 56 -, reformierte 99
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Pan babylonisch 137 Pentateuch (Fünf Büche r Mose ) 9, 48 , 6 2 f., 71-74, 8 5 f., 91 f., 106, 108, 127, 137, 169 Pharisäer (pharisäisch ) 9, 1 8 f., 24, 105 , 110, 120,164 Pietismus 60 Polytheismus 150,189 f. Priester (u. Leviten) 93 f. Priesterschrift 72, 108 , 111 , 130, 141f., 172 Propheten (Prophetie , prophetisch) 28, 51, 70, 91-93, 104-107 , 115-119 , 124 , 126f., 129f., 134,137 f., 144,146,166 Prophetenbücher 51,137 f. Protevangelium 59 Psalmen, Psalte r 48, 51 , 69, 73 , 126 , 129f., 164,187 Puritanismus 96 Qumran(-sekte) 14,18,105 Rachepsalmen 139 Rationalismus 61, 63, 66-69, 126 , 128, 134, 149f. Recht 88-91, 99 Reformation, Reformatore n 9, 44 , 46 , 53 , 56f., 65, 94f., 184 Reformiert, Reformiert e Kirch e 53 f., 59, 63, 95f.,98f.,103f.,148,160 Regula fidei 40-43, 93 Religionsgeschichte 70, 83 Religionsgeschichtliche Schule 72 f., 75,134 Reliquienkult 43 Romantik 52, 68 Ruth (Buch) 138 Sabbat 94 Sakrament 43-45,56 Samaritaner 85 Scheitern 11,133f., 140 Schöpfung (Schöpfergott , -glaube , -tum ) 18, 37f., 98, 100f., 122-124, 189f., 192, 197 Schriftbeweis 15,24,27,29-31,37,65 Schriftsinn, mehrfacher 33,39 f. -, doppelter 43 -, dreifacher 41 -, vierfacher 46 Sensus litterali s (Literalsinn ) 9, 34 , 40 , 51, 123f., 187 Septuaginta 13-15,105 Septuagintahandschriften 27 Sinaiüberlieferung 91 Sitz im Leben 73 Sola scriptur a 44-46, 48 , 52 f., 57, 65 , 94 , 198 Sozinianer 58, 61,126
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Sachregister
Sprache de s A T 19, 25 , 31 , 37 , 163 , 165 , 187f., 192,194-197 Sprache von NT u. AT 182 Statenvertaling 13 Sukzession (der Bischöfe) 43 Taufe (-bekenntnis) 25, 40 Testament 36,49 Testimonium spiritus sancti internum 53 Theologie de s AT 67, 74-82, 83 , 128 , 151 f., 187 Traditionsgeschichte 153,163,173,181 Typologie (typologisch , Typos, Anti-Typos , typisch, Typologese) 11, 23-32, 33-36 , 38, 60, 8 1 f., 97f. , 144, 147 , 150-159 , 171 , 175-182,186 f., 193,195 Überlieferungsgeschichte 73 f., 80 f., 108, 110, 160,162 f., 179 Universalismus 138 Urkundenhypothese 62
Verbalinspiration 43, 53, 56-58, 61 , 65, 125 Vergegenwärtigung 42-45, 94 , 148, 170, 186 Verheißung 10, 18, 21-32, 46f., 50f. , 53, 55, 146,150-159,165 f., 169,171,174 Vokalzeichen 57, 61 Vorankündigung (s . auch Typos, Weissagung , Verheißung) 23 Vorausschattung (s . auch Typos , Weissagung , Verheißung) 11 Vorhersage 29 Vulgata 13 Waldenser 45 Weisheitsliteratur 91, 164 Weissagung (Weissagun g u . Erfüllung) 10, 15, 21, 23-32 , 35 , 47, 50f., 81f. , 132f. , 146f. , 151, 157 , 165f., 179, 181 , 187, 195 , 197 Weissagungsbeweis 26,38,175-178,196 Wortsinn 40f., 46-48, 51, 124,15 7 Zehn Gebote s.: Dekalog Zeloten 118 f. Zwölf-Propheten-Buch 85
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Personenregister Agricola,J. 101,103 Albrektson, B. 169 Alt, A. 88,141 Ambrosius 40 Arnos 116 f. Anselm v. Canterbury 53 Aristobul 33, 92 Augustinus 40, 56, 149 Bach,J.S.58 Barr, J. 228 Barth, H. 7 Barth, K. 76, 99,104, 113,135 f., 161 Barton, J . 228 Bauer, G.L. 67, 70, 78 Baumgärtel, F. 132f., 140, 176, 178-18 0 Beck,J.T. 151, 174 Beethoven, L. van 182 Begrich, J. 109 Bengel, J.A. 60,62, 83,15 1 Bloch, E. 159,190 Bornkamm, H. 125 Bousset, W. 72 Braun, H. 104,175 Buber, M. 155 Budde, K. 152 Büsching, A. F. 65 Bullinger, H. 54,59 Bultmann, R. 16, 76, 84, 118, 133 f., 158, 175, 188 f. Buxtorf, J. sen . u. jun. 57, 62 Calvin (calvinistisch ) 12, 53-55 , 57 , 59 , 95 , 99,120, 125,14 9 Campenhausen, H. Frh. v. 35 f., 183 Cappel, L. (Capellus Ludovicus) 61 Childs, B.S . 227-229 Clemens v. Alexandria 36 Clericus: s. Leclerc, J. Coccejus, J. 54, 59f., 62, 99,148 Conzelmann, H. 28 Copernikus, N. 61 Cromwell, O. 96 f. Cullmann, 0. 154,166 David 87,140,143 Delitzsch, F. 130-132,135, 137 f.
Deuterojesaja 194 f. Dibelius, M. 24 Diestel, L. 7f., 28,41,59,102,149 Dilthey, W. 7 Diodorv. Tarsus 39 Ebeling, G. 43, 52 Eichhorn, A. 72 Eichhorn, J.G. 67,149 f. Eichrodt,W. 78-80, 82,157 f. Eißfeldt, 0.71,77,83,106 Erasmus v. Rotterdam 44 Esra86f., 103,105 Eusebius v. Cäsarea 36 Fohrer, G. 7, 80, 88 Fries, J. F. 69 Fuchs, E. 159, 175,179f., 195 Gabler, J.Ph. 65 f., 68, 70, 82,149f. Gadamer, H.G. 135 Gerhard, J. 57 Gerstenberger, E. 88 Gese,H. 163 f., 173,178 Geyer, H.G. 166 Goppelt,L. 158 Graf,K.H.71,107f. Graß,H. 190,192 Greßmann, H. 72 Groot, H. de (Hugo Grotius) 62, 126 Gunkel, H. 69, 72 Gunneweg, A.H. J. 88, 90,192 Händel, G. F. 96 Halbe, J. 88,90,110 Hammurabi 87 Harnack,A.v. 39, 101 , 103 f., 125, 130-13 2 Hasel, G. F. 120 Haydn,J. 182 Hegel, G.W.F. 70, 75, 103 , 129 , 132 , 15 0 Hesse, F. 111, 121, 133, 140 , 166f., 171, 180, 185 Herder, J.G. 68, 150 Hieronymus 9, 13, 40,124,149 Hirsch, E. 65,103,131 f., 158, 180 Hobbes,T. 127
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Personenregister
Höffken, P. 229 Hofmann, J . Chr . K. v. 151 f., 156 Horst, F. 90 Hoseall7f., 130 Hume, D. 67 Hus, J. 45 Irenäus 36, 54, 56, 93, 148-152 , 154 , 16 5 f., 179 Jensen, P. 73 Jepsen, A. 183 Jeremia 117-119,194 Jeremias, A. 73 Jesaja 116-119 Jesus 15-19, 21-32, 38f., 55, 100, 109, 131 , 146f., 164,171,175,190,197 Josephus, Flavius 105 f., 118 Judas Makkabäus 96 f. Justinus 35,39,51 Kaiser, O. 7 Kant, 1.101 f. Karl I. 96 Karlstadt 9 Kayser, A. 152 Keel, 0.139 Klein, G. 165,167,173,179,198 Knierim, R. 168 Knox, J. 96 Koch, K. 7 Köhler, L. 79f., 153,158 Konstantin 94 Kraeling, E.G. 7f. Kraus, H.-J. 7f., 61,112,129,149 Kümmel, W.G. 23,27,35,61, 64, 66 Kuenen,A.71f.,107 Kutsch, E. 88 Lebram, J.C.H. 106 LeClerc, J. (Clericus ) 63 Lessing, G.E. 63,150 Ludwig XIV. 96 Luther, M. 9, 13 , 44-55, 57 , 65, 10 1 f., 120, 125 Marcion (marcionitisch) 8, 12, 38f., 69, 100f., 104,122-124,127f., 131f., 140,190 Marti, K. 76,152 Mathäus Judex 58 Melanchthon, Ph. 53, 95,101 f. Melito v. Sardes 36 Milden berger, Fr. 156 Moltmann, J. 159-161,164,167f. Morgan, Th. 127,132
Morinus, J. 61 Mozart, W.A. 182 Müntzer, Th. 95, 99 Nehemia 86 Noth, M. 73 f., 88f., 108f., 112,155 Numelin, R. 90 Oeming, M . 225, 228 Olevian, C. 54,59 Origenes39f., 56, 93,123 Pannenberg, W. 151, 156 , 160-162 , 164 , 167f., 178f. Paulus 10, 20f., 23-25, 28 , 33-35, 38 , 41, 48-50, 67 , 95, 100 , 107f., 121, 142, 144, 147, 157 , 165, 171, 175, 179f., 182, 195f. Perlitt, L. 79,109 Peyrere, I. de la 63 Philo v. Alexandria 33,40 Preuß, H.D. 180 f., 196,224 Procksch, O. 77, 83,158 Rad,G.v. 73, 80, 82, 84, 89, 111 , 151-156, 158,160,164,166-168,176-178 Reimarus, H. S. 63 Rendtorff,R. 160,166-168 Reuchlin, J. 44 Reuß, E. 71 Richter, W. 7 Ruler, Α. Α. ν. 97-99 Salomo87,138,140,143 Sanders, J . A. 228 f. Saul 90 Schleiermacher, Fr. D. 7, 69, 103 f., 129, 131 f. Schmidt, W.H. 225 Schräge, W. 190 Schwarzwäller, K. 156,183 Sellin,E.78f. Semler, J.S. 52, 64f., 68, 77, 82f., 127f „ 132, 149 Servet, M. 58,126 Simon, R. 62 f. Smend, R. sr. 69, 152 Smend, R. jr. 88, 225 Sozzini, Fausto (Faustus Socinus) 126 Spencer, J. 127 Spener, Ph. J. 64 Spinoza, B. 63,126-128 Stauffer, E. 154 Steck, K.G. 173 f. Steck,O.H.7 Steuernagel, C. 76 Stuart, M. 96 Stuhlmacher, P. 162f., 173,178
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Personenregister
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Vatke,K.W.70,74,77 Vielhauer, Ph. 179 Vischer, W. 104, 135 f., 176, 180 Vriezen,Th.Chr.79f.
Wellhausen, J . 71 f., 74, 87,107f. Westermann, C. 76, 78,133, 154-159, 164 Wette, W.M.L. de 69, 71 f., 86f Wiclif, J . 45 Wigand, J . 58 Winckler, H. 73 Wolff, H.W. 158 Wright, G.E. 155
Waldes, P. 45 Weiser, A. 89
Zimmerli, W. 80, 110 , 115 , 154 f., 167f. , 178 Zwingli, U. 54,59
Tertullian 40 Theodor v. Mopsuestia 39,149 Troeltsch, E. 72
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Bibelstellenregister In der Reihenfolge der Bücher im hebräischen Alten Testament 1. Mose 1-11 13 1,27 1 3,15 5 9,20-27 9 12 19 12, Iff. 18,139,14 12,1-3.7 14 12,11-13 14 13.16 14 15 14 15,2 14 15.5 14 15.6 2 16 3 17,1-8 14 18,32f 20,12 14 22 14 22.17 14 22.18 3 34.7 8 35,4 8 50,20 17 2. Mose 3,2 ff. 3,14 1 13,21 f. 15,1-21 11 15,21 11 15,25 8 16.4 ff. 17,6 3 20.5 12 20,22-23,19 9 21-23 10 23,22-24.31-33 11 23,32 f. 24,1.2.9-11 10 24,3-8 11 24,12 5
8 7 9 7 5 3 1 0 2 2 1 2 5 3 1 112 0 3 2 3 9 9 7 15 8 25 4 4 9 25 3 4 0 8 4 113 9 0 6
31,18 5 32,16 5 34,10 ff. 34,10-26 11 34,11-16 113,11 34,27 f.
6 6 110 3 4 56
3. Mose 6,2 8 6,7.18 8 17,8.10 ff. 13 2 18,3.24-30 8 18,6 ff. 19,18 1 20,10 ff.
5 5 1 9 21 5 89
4. Mose 6,22-27 12 19,10 8 20,7-11 2 21,2 11 21,8 f.
5 5 5 4 31
5. Mose 4.7 f. 4.8 9 5.3 17 6.4 f. 7 11 7,2.16-25 11 7.6 f. 7.7 f. 12.5.11.26 9 13,16 f. 17,18 f. 18,20-22 9 22,21 8 24,1 1 25,4 2 27,11 ff. 28,61 90 31,10f.
90 0 0 15 3 4 90 109 0 114 90,109 1 9 7 5 89 , 10 9 89
Josua 2,18 3 6,21 ff. 8,32.34 8 10,12 5 21,45 154 23.14 17 23.15 17 24 8 24,25 8 Richter 1,17 11 1,21.27-35 17 4 f. 5 11 5,23 11 10,1-5 8 12,7-15 8 15 14 20,6 8
5 114 9 8 , 17 1 1 1 8 9 4 1 119 4 4 9 9 4 9
1. Samuel 7,15 ff. 15,3 11 21,7 1
89 4 6
2. Samuel 7 14 12,24 14 13,12 8
3 3 9
1. Könige 21 8
7
2. Könige 9 11 9f. 10,30 13 17,22 ff. 22,8.11 90,10
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8 119 0 170 9
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Bibelstellenregister Jesaja I 19 3 20,19-21 12 1,10 11 6 23 3 6-8 11 6 31 3 6,9 f. 29 34 3 7,4.9 11 6 37 11 7,9 11 6 40-48 9 7,12 11 7 7,14 14,15,26,117 , 146, 175 , 197 Hosea 1,4 118 8,11-14 11 6 1,9 117,19 9 14 6 2,16f. 9,6f. 87 2,16-22 11 11 14 6 2,21f. 28,16 11 6 6,2 2 29,13 2 4 9,15 11 30,1-5 11 6 11,1 19 30,15 11 6 11,8f. 30.15 f. 116 11,8-9 18 30.16 11 7 13,11 11 31,1-3 11 6 31,4f. 118 41,4 19 1 Arnos 43.11 19 1 2,6 11 44.6 19 1 3,2 19 45.3 19 1 3,6 12 45.7 12 4 5,21-27 12 48.12 19 1 8,1-2 19 53 4 7 8,2 11 53.4 27,17 5 53,4-6 2 4 Jona 53,7 3 0 4,11 13 55.12 19 4 56,7 130,13 8 65.17 3 5 Micha 5 14 66.13 18 6 5,1 19 6,8 3 Jeremia 7,21-24 12 3 22,15 f. 87 Haggai 24 117 , 194 2,10-14 8 29 19 4 29,1-7 11 7 Sacharja 29,23 8 9 9,9 27 31 3 6 11,9f. 31,15 27,175,19 7 11,12 2 31,31-34 35,118,14 6 13,7 2 31.32 5 5 31.33 9 1 32 19 4 Maleachi 3,1 2 32,1-16 11 7 Ezechiel 16 3 17 3
3 3
Psalmen 1 112,11 2 14
3 3 3 3 3 8 1 , 130 4 117 7 186,194 4 7 7 117 6 7 6 4 4 3 4 6 8 6 7 7 5 , 146 , 197 175,197 7 4 4 4 6
8,7 17 15 8 19B 19,5 25 22 24 22,13 f. 23 3 24,3-6 8 37 11 42,8 13 50,7-15 12 73,25-26 13 78,2 2 80,9-20 3 90 19 109 18 110 14 110,1 2 118,22f. 119 112,11 119,105 11
5 5 112,114 , 175 , 126 , 197 139 3 5 2 9 3 0 7 3 2 5 6 4 24 4 2
Ruth 4,17 13
8
Daniel 9,10 9 11,34 11
1 5
Esra 7-Neh. 13 8 7,14.25 f. 7.25 8 7.26 8 9.8 17 9.9 11 9,9.13 11 9,11 9 2. Chronik 23,18 8 30,16 8
6 86 7 6 2 1 1 1 6 6
Außerhalb de s hebräische n Alten Testaments Sirach 24 85,9 44-50 8 48,22-49,12 8
2 5 5
1. Makkabäer 7,47 9
7
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222 Baruch 3,37-4,1 9
Bibelstellenregister 2
Schriften de s Neue n Testa ments Matthäus 1.22 2 6 1.23 26 , 175, 197 2,1 19 7 2,15.18 19 7 2,17f. 27,175 2,23 3 2 5,1 19 7 5,17 30,9 2 5,17f. 20,92,100 5,17ff. 26 5,21 ff. 17 5,23f. 19 5,48 2 6 6,25-34 1 8 7,12 26 , 92 8,17 27,17 5 9,38 19 2 10.17 1 9 10,32 f. 23 11,13 9 2 11,25 19 2 12,41 2 3 13,35 2 7 13,36-43.49f. 33 17,21.24-27 2 3 17,24-27 1 9 21,5 27 , 197 22,40 26,9 2 25,15 19 7 26,28 3 5 27,3-9 19 7 27,9 17 5 27,9f. 27 28.18 19 2 Markus 1,2 2 1,2 f. 1,15 16 1,27 2 2,6-9 2 2,21-24 3 2,23-28 2 3,1-6 2 4,13-20 3 4,14 3 7,1-13 2 7,6 f.
4 24 5 4 4 2 4 4 3 3 4 24
7,14ff. 10,1-12 2 10,2-9 1 10,17-19 1 12,10 f. 12,10f.36f. 12,25 f. 12,29-31 1 12,36 f. 13,9 1 14,24 3 14,27 2 15,24.34.36 2
17 4 7 5 24 24 15 5 24 9 5 4 4
Lukas 1,1 2 9 1,6 2 9 1,70-75 2 9 2 19 7 4,16-21 29,19 7 4,18.21 2 9 4,21 146 , 165 10.21 19 2 ll,31f. 23 16,16 23,9 2 16,29 9 2 21,14 16 5 22.20 3 5 22.22 2 9 24.21 2 9 0 24,25 ff.32.45-47 3 24,25-27.32.44-48 2 9 24,26.44 2 9 24,27 9 2 24,32 2 9 24,44 9 2 24,49 2 9 Johannes 1,29.36 3 1,45 3 l,45f. 1,47 3 2,18-21 12 2,22 3 2,30f. 3,14f. 5,9 3 5,9.16 3 5,39.46 f. 6,3 Iff. 2 7,19 3 7,42.52 3 8,39-44 3
0 1 31 1 2 0 30 25,31 0 0 30 6 0 1 1
!
8,48-59 12 8,51 9 8.56 3 8.57 3 9,14 3 9,14ff. 9,29 12 10,32-38 12 10,34 9 11,8 12 11,25 9 12,13-15 3 12,16 3 12,34 9 12,41 3 13,34 30,9 14,6 3 15,12 9 15,25 9 18,36 11 19,14 2 19,24 3 19.28 f. 19,36 2 19,36 f. 20,19 12 20.29 11 Apostelgeschichte 1,6 2 1,16 2 22 2,14-21 2 2,30-32 2 2,31 2 2,36 19 2,39 19 3,18 2 6,46 1 7,35 ff. 7,52 2 8,4 ff. 11,19 ff. 13,24 2 15 2 15,20.28-29 2 17,11 2 17.24 19 18,28 2 21.25 2 28,27f. Römer 2,14f. 2,29 2
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2 8 0 0 0 30 2 2 2 2 8 0 0 2 0 3 0 3 2 8 5 0 30 5 30 2 8 9 9 9 9 9 9 2 2 9 9 28 9 20 20 9 0 1 9 2 9 1 29 101 4
223
Bibelstellenregistei 3.2 18 3,19-28 2 3,21 9 3,28-31 9 3,29f. 18 3.31 4 4,1-3 14 4.3 25 4,12-15 2 4.13 17 5,12-14 6 5,12-21 2 5.14 2 5,20 1 6,3-11 2 72 7,6 2 7,12 2 8,24 9 8,24f. 11 8.32 175 8,38f. 19 9.4 18 9,6-8 2 9,7f. 17 10,4 4 10,12f. 18 10,15 19 10.17 4 10.18 2 11,29 18 11,30-32 18 15,4 2 15,8f. 18
0 0 2 2 0 9 2 , 179 2 9 3 2 5 9 2 0 4 4 8 8 , 193 4 0 2 9 8 0 2 5 5 0 0 5 0
1. Korinther 1,2 19 3,11 22,7 5,6-8 3 5,7 2 7,29-31 19 9,8-10 3 10 17 10, Iff. 17 10,1-6 2 10,4 3 10,6.11 17 10,11 25,171,179,19 10,18 2 11,3 19 ll,22ff. 6
2 9 3 5 4 3 1 9 5 3 9 3 2 2 7
11,25 3 12,3 19 15,1-5 2 15,3f. 146,16 15,21f. 2 15.27 17 15.28 19
5 1 3 f. 5 2 5 2
2. Korinther 1,20 2 3,4-16 2 3.6 2 3,6.14 26,3 3,7-18 2 3,10f. 3 3,14 24,3 4,10 2 5.7 11 5,17 22,35,9 6,2 9 13,4 2
5 8 4 5 5 2 6 2 8 8 8 2
Galater 1,12 2 2,1-10 2 2,15-21 2 2,20 2 2,24 14 3.6 24,25,33 3.7 17 3,7f. 17 3,17 2 3,19 1 3,21-25 2 3,24 13 4,4 16 4,21-31 33,3 4,22-28 2 4,24 3 6,2 9 6.15 3 6.16 2
4 0 0 2 8 , 142,17 9 9 9 5 9 0 3 5 4 2 3 3 5 2
Epheser 1,10 16
5
Philipper 2 19 2,10f. 19 2,11 19
1 1 1
Kolosser 2,17 2 3,3f. 2
5 2
l.Timotheus 6,15 19
2
2.Timotheus 3,16 5
6
Hebräer 3,6 3 3,7-4,13 2 4,14-16 3 7,1-10 3 7,2 f. 7,9-10 3 7,18 34,14 8,2-5 3 9,1-15 3 9,23-28 3 10,1 3 10,20 3 11,13-16 3 12,22 3 13,11-13 3
4 6 4 4 34 4 7 4 4 4 4 4 4 4 4
1. Petrus 3,21 2
5
2. Petrus 3,13 3
5
Apokalypse 21,1 3
5
Außerhalb de s Neue n Testa ments Barnabas 5-8 3 7,9 3 8,3 3 93 9,8 3 10 3
4 4 4 4 4 4
Flavius Josephus Contra Apionem 1,8 10
5
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Nachwort zu r zweiten Auflag e Für die Neuauflage wurde n lediglic h einige Versehen und Druckfehler kor rigiert un d di e Literaturangabe n vermehrt . Di e i m allgemeine n freundliche n Besprechungen de s Buche s gabe n keine n Anlaß , i n sein e Substan z einzugrei fen. Wohl lassen.sie es, wie auch mancherlei Publikatione n währen d des Jahrzehnts sei t de r erste n Auflage , angebrach t erscheinen , au f einig e geäußert e Desiderate kurz einzugehen. 1. Von manchen Seiten wurde der Wunsch geäußert, die vom Verf. vertretene eigen e Positio n hätt e eine r breitere n Darlegun g un d eingehendere n Be gründung bedurft . De m ist zuzustimmen, es ist freilich z u bedenken, daß her meneutische Überlegungen, die letztlich auf di e christliche Prädikabilität altte stamentlicher Texte zielen , ihr e Fortsetzung un d zugleic h Rechtfertigun g nu r als konkrete Anweisung zu r Predigt, ja in der Gestalt ausgeführter Predig t ha ben können . Di e mancherle i Predigtmeditatione n au s de s Verf. Fede r i n de n GPM und anderswo (vgl . die Bibliographie in Sola Scriptura, 1983, und deren Ergänzung i n de r Festschrif t Alte s Testament un d christlich e Verkündigung , 1987) mögen daru m al s Supplemen t un d zugleic h al s Probe n auf s Exempe l gelesen werden . O b auch veröffentlicht e Predigte n hierz u diene n können , is t zu bezweifeln : Predig t is t viva vo x im Angesicht eine r versammelten , hören den Gemeinde un d verlier t durc h Drucklegun g diese n „Stan d i m Leben" und damit ihre n ursprüngliche n Charakter . Diese letzt e Zielsetzun g ode r besse r noch : Ausrichtun g de r Hermeneuti k sollte freilic h nich t als praktisch-theologische ode r - noch enger gefaß t - als homiletische Applikation ode r Nutzanwendun g de r hermeneutischen Überle gungen mißverstande n werden . Si e is t vielmeh r fundamentaltheologische r Art: Is t das Heil Gotte s nicht ei n „Etwas" , so daß ma n sage n könnte : „Siehe, hier! Oder: da ist es" (Lk. 17,21), sondern Gott selbst, der sich selbst als „fü r uns" zuspricht (Ex . 3,14), so sind das Heil un d di e in der Sprache ergehend e Botschaft vo m Heil , wenngleic h nich t identisch , s o doch auc h nich t z u tren nen. Ebendeshalb schließt da s vorliegende Buch mit einem Abschnitt übe r die Sprache de r Verkündigung . Dies e Ausrichtun g beruh t auc h nich t au f eine r sprachphilosophischen Präferenz , sonder n au f christlich-theologische r Grundeinsicht, die sich gar in dem Spitzensatz artikulieren kann , daß Christus das Fleisc h geworden e Wor t Gotte s sei . Da s is t freilic h nich t nu r fü r de n Deutschen Goethe , sonder n fü r all e Tatmensche n divergierende r Ideologie n eine harte und au f jede n Fal l weni g modern e Erkenntnis. Ausdrücklich hingewiese n se i hier auf da s Buch von Horst Dietric h Preuß , Das Alte Testament in christlicher Predigt , 1984, das aufgezeigte Linie n bis in unmittelbar praktisch-theologisch e Überlegunge n hinei n fortsetzt ; sowi e au f
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Nachwort
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Manfred Oeming , Gesamtbiblische Theologien de r Gegenwart, 1985 (2 . Aufl. 1987). 2. Ein anderes Desidera t lautete , da ß au f di e Diskussio n u m ein e „Mitte " des Alten Testaments, der Breite der Diskussion hierübe r entsprechend , etwa s intensiver eingegange n werde n sollte . Nu n wurd e freilic h diese r Aspek t de r hermeneutischen Debatt e keinesweg s übergange n (vgl . S. 78 ff.; S.189) . E s lohnt sic h abe r wohl , übe r da s Gesagte hinau s un d i m Hinblic k au f di e jün gere Diskussion, wie sie insbesondere von R.Smend un d W.H.Schmidt ange regt wurde und wird, folgendes ergänzen d anzumerken: Es kann kein Zweife l sein, da ß di e verschiedene n Versuche , ein e Mitt e z u bestimme n (vgl . obe n S.189), i n Hinsich t au f ei n fü r sic h betrachtete s Alte s Testamen t mi t meh r oder weniger griffiger Begrifflichkei t Zutreffende s festgestell t haben . Die Begriffe Herrschaf t Gottes , sein e Unverfügbarkeit , Heiligkeit , Einzigkeit , Eife r meinen all e de n spezifisc h alttestamentliche n Monotheismu s un d vermeide n diesen Begrif f nur , u m de r Gefah r falsche r Abstraktio n z u entgehen . Abe r auch noch diesen quasi-abstrakten Begrif f ma g man getrost verwenden, wenn man ihn mit G. van der Leeuw folgendermaßen versteht : „Die Einzigkeit Gottes is t nich t ein e Negatio n seine r Vielheit , sonder n ein e leidenschaftlich e Af firmation seine r Gewaltigkeit." (Phänomenologi e de r Religion, 3. Aufl. 1970, S.199). Di e verschiedenen vo n W.H.Schmid t vorgelegte n Arbeite n übe r di e Relevanz un d di e Auswirkunge n de s erste n Gebot s entfalte n dies e „dynami sche Mitte " (sit venia verbo ) ebens o wi e R . Smends Ausführungen zu r Bun desformel. De s eine n wi e de s andere n Darlegunge n sin d zutreffend , we r könnte ihne n scho n widersprechen ? Wen n e s abe r u m Theologi e i m Sinn e christlicher Theologi e geht , is t dami t jedoc h di e eigentliche Frag e noc h lang e nicht gelöst , j a noc h nich t einma l gestellt . Di e eigentliche, spezifisc h alttesta mentliche Konkretio n diese s Monotheismus wir d nämlic h trot z aller konkre ten un d korrekte n Ausführunge n hie r noc h nich t einma l benann t un d bleibt , als wäre das Alte Testament ga r nich t das Alte, völlig ausgeblendet : Da s erste Gebot lehr t tatsächlic h keine n abstrakte n Monotheismu s i m Sinn e vo n „E s gibt nu r eine n Gott" , sonder n schärf t Israe l di e alleinig e Verehrun g Jahwe s ein: Ic h bi n Jahwe , dei n Gott , de r ic h dic h au s Ägypte n ... herausgeführt habe. D u solls t kein e andere n Götte r habe n mi r zu m Trotz . Un d auc h noc h das Sch'm a laute t ja : Höre , Israel , Jahwe , unse r Gott , is t ei n einzige r Jahwe . Es geh t u m da s Ausschließlichkeitsverhältni s Jahwe-Israel . Diese s wir d mi t der „Bundesformel " au f de n kürzeste n un d zugleic h au f de n umfassendste n Begriff gebracht , während das erste Gebot die Einhaltung diese s Exklusivbundes seitens Israels (Höre , Israel) einfordert . Abe r eben: Bundesformel un d er stem Gebo t geh t e s nich t schlechthi n u m da s Verhältni s Gott-Mensch , son dern u m das Verhältnis Jahwe-Israel, un d das gilt auc h dan n noch , wenn mi t zunehmender Klarhei t Jahw e al s de r einzig e Got t de r ganze n Wel t un d alle r Menschen erkann t wird . Ebendeshal b gehöre n z u de r als o bestimmte n „Mitte" oder „Einheit" des Alten Testaments die mancherlei Genealogien un d Stammbäume unabdingba r hinzu : si e enthalten sozusage n di e Geburtsurkun den un d Personalausweis e derer , di e zu Israel gehöre n dürfe n un d dene n wi e © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Nachwort
die Bundesformel s o auch da s erste Gebot gelten. Deswege n auch enthäl t da s Alte Testament Texte, die die Erwartung de r Vernichtung de r fremden Völke r aussprechen ode r - genau entgegengesetzt, abe r immer noch innerhalb desselben Horizont s - die Hoffnun g aussprechen , da ß di e Völke r - nein, nich t „Monotheisten" werden, sondern, - sich zu Jahwe bekehren un d in dieser Erkenntnis zu m Zio n pilger n werden . Diese r Ber g wir d dan n de r höchst e au f Erden sein, aber imme r noc h i n Jerusalem-Israel liegen . Un d deshalb, wer di e Bundesformel al s Mitte de s Alten Testaments oder das erste Gebot als dessen Einheit bestimmt , de r bietet faktisc h (un d möglicherweis e wide r Willen ) ein e richtige Problemanzeige , abe r ers t ein e bloß e Problemanzeige : wi e ein e s o „zentral" auf Israe l bezogen e Schriftensammlun g außerhal b Israel s und unte r völliger Hintanstellung alle r Genealogien vo n zentraler, kanonischer religiöse r Bedeutung sei n kann . Ebendie s Proble m behandel t da s vorliegend e Buc h „Vom Verstehen de s Alten Testaments " i n de r christliche n Kirche . Da ß abe r dieses Problem nich t mi t de m beliebten , aber allz u leichtfertige n Verwei s au f einige Stellen , di e diesen sogenannte n „Partikularismus " - wirklich ode r ver meintlich - durchbrechen, gelös t werde n kann , leuchte t ein . Ma n kan n da s hier gemeint e bzw . gesucht e Phänomen , da s christlich-theologisc h zu m Pro blem wird , stat t mi t „Bundesformel" , „erste m Gebot " ode r mi t welche r Be griffsbildung immer , auc h mi t folgende n Sätze n beschreiben , di e ein e isra elisch-jüdische Teilnehmerin a n manchen meine r Seminar e - Elianore Kraft formulierte un d of t un d einprägsa m wiederholte : Da s Alt e Testamen t sagt , daß Adona i Israe l erwähl t hat . Ma n kan n zweifel n a n allem . Ma n kan n be zweifeln, o b es überhaupt Adona i gibt . Ma n kan n bezweifeln , wen n e s Adonai gibt , o b er Israe l erwähl t hat . Abe r ma n kan n nich t bezweifeln , da ß da s Alte Testament sagt : Adona i ha t Israe l erwählt . We r solch e Sätze , die Israel bezogene Bundesforme l un d da s Israel-bezogen e erst e Gebot als Partikularis mus bezeichne t un d vo n eine r ode r de r „Schranke " de s Alte n Testament s spricht, bezieh t di e Gründe fü r ei n solche s Urteil nich t au s dem Alten Testa ment selbs t un d scho n gar nich t au s dessen eigener Mitte ! E r urteilt dan n al s einer, dessen Herkunf t i n Israel s Genealogien nich t verzeichne t steht . Fü r ein solches Urteil bedar f e s nicht des Glaubens woran auch immer; e s ist ein Feststellungsurteil. We r aber , trot z de r Feststellun g de r feststellba r a m Tag e lie genden „Schranke" , Zeugniss e un d Gebot e vo n Israel s Gott au f sic h bezieht , soll wissen , da ß seine s Glaubens Mitt e nich t i m Alten Testamen t selbs t liegt , sondern i m Neue n Testament , da s dies e Schrank e zuallerers t erkenne n läß t und aufhebt. Solch e Entschränkung alttestamentliche r Zeugniss e muß nicht anders un d besse r al s i n der Alte n Kirche , un d zwa r al s Verdienst historisch kritischer Exeges e - deren christlich-christologisch e Umdeutun g implizieren , sondern bezieht sie von Christus her in ihrem Eigengewicht auf di e Gemeinde, die Gott aus Juden un d Heiden gleichermaße n beruft . Sodann is t zur Debatte um eine „Mitte" des Alten Testaments, unabhängi g von obigen Ausführungen, noc h folgende s z u bemerken: Gemeint ist hier immer ein e Mitt e eine r fü r sic h betrachteten , al s abgeschlosse n angesehene n Sammlung vo n Schriften , se i e s nu n derjenigen , di e zusamme n i n de r Bibli a © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Nachwort
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Hebraica stehen , als o de r Masoretisch e Kanon , ode r - seltener - die umfas sendere Septuagintasammlung . Abe r s o ode r so , ei n solche r Kano n wa r ni e die exklusiv e Gründungs - un d Begründungsurkund e eine r rea l existierende n Glaubensgemeinschaft. Hinsichtlic h de r christlichen Kirch e bedarf die s keiner weiteren Beweisführung; si e war nie ohne Christus und das heißt nie ohne das Christuszeugnis, da s alsbal d selbs t auc h schriftlich e Gestal t annahm . Abe r auch für das Judentum gilt mutatis mutandis dasselbe. Wann auch immer auf die 22 Schriften de s hebräische n Kanon s festgelegt , diese r Kano n bedeutet e und bedeute t di e Abgrenzun g gege n nich t ode r nich t meh r al s authentisc h geltende Schriften , als o vo r alle m gege n apokalyptische s un d woh l auc h christliches ode r christlic h bevorzugte s Schrifttum . Di e Exklusivitä t de s Ka nons is t di e Ausschließlichkei t eine r Berufungsinstan z fü r di e recht e Lehr e und meh r noc h fü r di e recht e Praxis . Diese r Kano n schließ t di e mündlich e Tora-Tradition nich t aus , sonder n setz t si e imme r scho n al s heili g un d ver pflichtend voraus . Ja, diese mündliche Tradition entscheide t letztlic h darüber , wie die „Mitte" zu bestimmen sei , nämlich al s Tora i m Sinne der göttlich of fenbarten Weisun g fü r Israe l mitsam t de n Anleitungen, wi e das Leben je und dann i n concret o sinngemä ß z u gestalte n un d z u „heiligen " sei . Auc h di e israelitisch-jüdischen Tradente n un d „Kanonmacher " ware n scho n s o schrift gelehrt, daß sie nicht anders als die modernen Bibelwissenschaftler u m die uneinheitliche, pluralistische Füll e der im Kanon gesammelten Traditionen wuß ten und damit zugleich die Notwendigkeit erkannten , zu bestimmen, was hier und jetzt normati v sei . Das Kanonprinzip implizier t als o das Auswahlprinzip. Das heißt also, daß auch hier , anders als in der christlichen Rezeptio n de s Alten Testaments, aber doc h durchau s vergleichbar mi t ihr , die Mitte de s Alten Testaments sozusagen „exzentrisch" , von außen her, von dem her, was als Orthopraxie z u gelte n hat , bestimm t wird . Daru m sin d di e christlich-theologi schen Bemühungen um eine „Mitte" des Alten Testaments als Schriftensamm lung rei n fü r sic h un d unte r Absehun g vo m Neue n Testamen t un d vo n de n jüdischen Traditione n ei n abstrahierende s Verfahren , da s leich t de m Irrtu m verfällt, ode r ih m schon erlege n ist , als hätte es jemals eine dem reinen Alte n Testament korrespondierend e Glaubensgemeinschaf t gegeben , nac h dere n zentralem Glaubensinhal t dan n z u frage n wäre . Da s Proble m eine r „Mitte " des Alte n Testament s erweis t sic h al s di e typisch e Frag e vo n spezialisierte n Alttestamentlern, nämlic h al s Folg e de r isolierende n Herauslösun g de s Alten Testaments - und ebenso auch der hebräischen Bibe l - aus seinem Sitz im Leben un d seine m geschichtliche n un d gegenwärtige n Kontext , ohn e welche n diese Schriftensammlun g nich t entstehe n konnte , niemal s wa r un d nirgends , wie auch imme r kanonisch , ist . 3. Mit de m Phänome n un d de m theologische n Proble m de s Kanon s be schäftigen sic h neuerding s auch di e mancherlei Arbeite n vo n B.S.Childs, au f die hier abschließend kur z eingegangen werde n soll . Di e Bezugnahme a n dieser Stelle kann angesichts der langen Debatte, die Childs' Arbeiten bereits ausgelöst haben, kurz sein. Seine Position ha t er klar dargelegt , die hieran geübt e Kritik is t fü r jeden , de r will , nachzulesen . Verwiese n se i lediglic h un d insbe © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Nachwort
sondere auf di e diesbezüglichen Ausführunge n vo n J . Barr, J . Barton un d M . Oeming. Hie r se i nu r bemerkt , da ß Childs ' Anliegen, di e kanonisch e Endge stalt der Texte sei theologisch ernstzunehmen , nicht leicht abgewiesen werde n kann. We r ernsthaf t exegesier t un d einig e exegetisch e Erfahrun g gesammel t hat, weiß , daß Endtext e - final forms - oft doc h theologisc h sinnvolle r un d bedeutsamer sind , al s ma n i n anfängliche r literarkritische r Entdeckerfreud e meinte. Falsc h wir d Childs ' Ansatz abe r dann , wen n solch e Erfahrun g nich t nur verallgemeinert , sonder n al s schlechthinnig e Bestätigun g de r „kanoni schen" Form mißverstanden wird . Vor allem trifft Childs ' Ansatz die oben im Zusammenhang mi t Erörterungen übe r eine „Mitte" des Alten Testaments geäußerte Kritik an der Voraussetzung eine s alttestamentlichen Kanon s als einer vermeintlich s o für sic h bestehenden Nor m einer vermeintlich s o für sic h bestehenden Glaubensgemeinschaf t (community o f faith) . Da es letztere s o nie gegeben hat , is t Childs ' kanonisch e Nor m auc h nich t kanonisc h normativ . Wollte man aber der Autorität dere r sich beugen, die den hebräischen Kano n so, wie er vorliegt, festlegten, müßt e man konsequenterweise auc h deren pha risäisch-rabbinische Voraussetzunge n un d Hermeneuti k übernehmen , den n das ein e gib t e s nich t ohn e da s andere . Abe r da s kan n Child s al s bewußt christlicher Theolog e gewi ß i m Erns t nich t meinen . Gleichwohl gil t i n volle r Übereinstimmung mi t Childs: Die final form , di e unbezweifelbar vorliegt , is t mehr als alle anderen, lediglic h hypothetisc h z u erschließenden Gestalte n de s Textes ernstzunehmen . Insofer n könne n Childs ' Arbeiten eine n wesentliche n und dankenswerte n Beitra g zu r historisch-kritische n wi e zu r theologisch-ka nonischen Exegese biblischer Schrifte n bieten . Auch wer seinen Ansatz wegen des von ihm vorausgesetzten un d propagierten Kanonverständnisse s nich t bejaht, wir d sein e Ergebnisse im einzelnen sorgfälti g z u prüfen haben . Aber gerade wege n de r hie r vertretene n Hochschätzun g de s hebräischen Kanon s al s einer letzthinnigen , gültige n Nor m un d wei l di e jus t hie r verborgenen , nein , offen a m Tage liegenden christlich-theologische n Problem e einfach übergan gen werden, bietet Childs' Ansatz aufs ganze gesehen keinen Beitrag zum Problem eine r biblische n Theologi e au f de r Basi s des aus Altem un d Neue m Testament bestehende n christliche n Kanons . Wer eine christlich-biblische Theologie anstrebt, ha t vo n dem vorgegebenen Kano n beider Testament e auszuge hen. Das ist das Anliegen vo n James A. Sanders, der i n diesem Sinne von „canonical criticism " als eine m methodische n Schrit t spricht , de r da s bisherig e ex egetische Instrumentariu m nich t ersetzen , sonder n e s vollenden will . „Kano nisch" is t fü r Sander s nich t zuers t un d zumeis t exklusiv e Norm , scho n ga r nicht eine „Mitte" oder ein Kanon im Kanon, sondern bezeichne t di e plurali stische Füll e gegenteilige r un d widersprüchliche r Aussage n innerhal b de r Bi bel Alte n un d Neue n Testaments . Ebe n i n diese r unerschöpfliche n Vielhei t und Verschiedenheit lieg t der unvergleichliche , eben in diesem Sinne „kanoni sche" Wert des Kanons. Daß der Schrift di e „unitas scripturae" fehlt, ist keine Not, sondern bedeutet - mehr noch als eine Tugend - gerade die Herrlichkeit des Kanons als eine Art Spiegelun g vo n Gottes eigenem herrliche n Reichtum . © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Nachwort
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Von dieser Fülle weiß Sanders mit einer Fülle von Beispielen so begeistert un d begeisternd z u berichten , da ß ma n di e ursprünglich e Bedeutun g vo n Kano n und kanonisch al s Regel un d Richtschnur darüber fas t vergesse n könnte . Daß für Sander s die Betonung de r Endgestal t vo n Texten durc h Child s als Verabsolutierung eine r historisc h bedingte n Textform , wi e si e in bestimmter histo rischer Situatio n erstarrte , erscheine n muß , is t deutlich . Sein e diesbezüglich e an Childs geübte Kritik trifft hie r wohl zu, aber er selbst muß sich fragen las sen, ob seine Weise von canonical criticis m nicht ohne alle theologische Sach kritik faktisc h de n Kanon aufhebt. Bezeichnen d fü r sein e Position ist, daß der Synagoge und Kirche trennende Unterschied des ' Bibelverständnisses vo n Sanders als quasi-non-existent ständi g überspiel t wird . Da s ist von Sanders' eigenem Ansat z au s erstaunlic h unlogisch , wei l doc h nac h ih m de r eigentlich e „Sitz i m Leben " (s o wörtlic h 1984, S.XV un d vgl . de n Tite l seine s Buche s „canonical community"! ) des Kanons die Glaubensgemeinschaften (believing communities) sind. We r si e un d ihr e Besonderheite n un d Unterschied e nich t beachtet, nimm t de n Kanon au s seinem jeweiligen un d unterschiedliche n Sit z im Lebe n herau s un d verfähr t mi t diese r Abstrahierun g ähnlic h wi e diejeni gen, die nach einer Mitte des alttestamentlichen Kanon s fragen. Vielmeh r gil t auch hier : Kei n hebräische r Kano n ohn e Halach a un d kei n Kano n de s Alten Testaments ohne ein Neues Testament un d ohne das, „was Christum treibet" . Und da ß die s kein e christologisch e Engführun g bedeute n muß , ha t der , von dem diese Formel stammt, ja vorexerziert. S o verstanden, kan n ma n San ders' Begeisterun g übe r de n Pluralismu s de s Kanon s teilen . Un d s o verstan den, könnt e sein e Hervorhebun g de s kanonische n Reichtum s ei n Schrit t hi n zu so etwas wi e „Biblische r Theologie" sein. Die Debatt e hierübe r dauer t nunmeh r bereit s Jahrzehnte , un d di e Argu mente wiederholen sich , ohne daß ein Fortschritt erkennba r wäre . Sie werden sich wiederhole n - da mu ß man kei n Unheilsprophe t sei n -, solange di e Diskussionspartner sic h nich t au f de n einfachste n Ausgangspunk t einige n kön nen, daß nämlich christliche Theologie als christliche nicht anders konnte und kann, als von Christi Zeugni s ausgehen, und daß dieses Zeugnis mitsamt de m Alten Testamen t i n de r Gestal t historische r Dokument e vorliegt . E s wär e darum und auch angesichts der von mancherlei unabgeklärte n un d gar steile n neueren Hypothese n verunsicherte n Situatio n de r Bibelwissenschaf t über haupt besser , stat t ein e biblisch e un d ga r „gesamtbiblische " Theologi e anzu streben, bescheidenere Pfad e z u betreten. Da könnte man anhand vo n Einzeltexten sic h au f bestimmt e Theme n konzentriere n un d si e i n ihre r jeweilige n alt- un d neutestamentliche n Ausprägun g untersuchen , vergleiche n un d be werten. Ei n solche s Verfahren , wi e ers t neulic h P.Höffke n (F S Gunneweg ) vorgeschlagen un d erläuter t hat , vermeide t all e Generalisierungen un d aprio rischen Niedriger- oder Höherbewertungen, beließ e den einzelnen Texten ihr e eigene Aussage un d wäre doc h nich t ohn e klares Kriterium .
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
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Peter Stuhlmacher
Vom Verstehen de s Neuen Testament s
Eine Hermeneutik. (Grundrisse zum Neuen Testament, Band 6). 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage 1986. 275 Seiten, kartonier t
Der Verfasser versucht , z u einem Bibelverständni s anzuleiten , da s die Liebe zu r Schrift mi t den Anforderungen de s neuzeitlichen Wahrheitsbewußtsein s vereint . Er zeichnet den Weg nach, den die kirchliche und wissenschaftliche Schriftausle gung von den neutestamentlichen Anfängen bi s zur Gegenwart zurückgelegt hat . Abschließend beantwortet er die Frage, wie sich das Neue Testament und die Bibel im ganzen mit Hilfe der von ihm skizzierten „Hermeneutik des Einverständnisses mit den biblischen Texten" erschließt. „Wer im Streit um die Schriftauslegung mitrede n will, findet hie r das dazu nötige Grundwissen: jederzeit verständlich, mit vielen Zitaten, in erfreulich unprätentiösem Stil." Deutsche s Pfarrerblat t
Antonius H. Gunneweg/Otto Kaise r
Textgemäß
Aufsäze und Beiträge zur Hermeneutik des Alten Testaments. Festschrift für Ernst Würthwein zu m 70. Geburtstag. 1979. 208 Seiten mit 1 Porträt, kartonier t Vierzehn Beiträg e von verschiedenen namhafte n Alttestamentlern . Di e Themen umfassen theologische, historische und praktische Fragen. So geht es um die Frage der biblischen Theologie, um die Eigenart der Offenbarungsauffassung i n den Samuelbüchern, u m den Jahwenamen, um Lade, Tempel und Jerusalem, sowie den Gebrauch der Psalmen im Krankenhaus und die Gültigkeit de s Alten Testaments in der christlichen Predigt . „Die einzelnen Beiträg e haben ihr eigenes Gepräge, betreffen abe r insgesamt das weite Gebiet der alttestamentlichen Hermeneutik , di e wohl nur schwer als Ganzes, sondern nur unter diversen Aspekten angegangen werden kann. So dient diese Festschrift auch der heute aktuellen Thematik und ehrt zugleich einen Gelehrten, der seine Arbeit in den Dienst der Vergegenwärtigung des Alten Testaments gestellt hat. ... auch für den NichtSpezialisten lesenswer t und anregend." Kirchenblatt f.d . ref . Schwei z
Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen un d Züric h © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684
Grundrisse zu m Alten Testamen t (Ergänzungsreihe zu m Alten Testamen t Deutsch) . Hrsg. vo n Walter Beyerli n Diese Grundrißreihe soll die Welt des Alten Testaments in allgemeinverständlichen themenorientierte n Darstellungen erschließen . 1 Religionsgeschichtliches Textbuc h zu m Alte n Testamen t In Zusammenarbeit mi t Hellmut Brunner , Hartmut Schmökel , Cord Kühne, Karl-Heinz Bernhard t und Edwar d Lipinsk i hrsg . von Walter Beyerlin . 2., durchgesehene Auflag e 1985. 305 Seiten, 4 Taf., 15 Abb., kart . 4 Herbert Donne r Geschichte de s Volkes Israe l un d seine r Nachbar n i n Grundzüge n Tl. 1 : Von den Anfängen bi s zur Staatenbildungszeit. 1983. 232 Seiten, 3 Karten, kart . Tl. 2 : Von Salomo bis zu Alexander de m Großen . 1986. VIII, 279 Seiten, 4 Kartenskizzen, Zeittafel n Register, kart . 6 Claus Westerman n · Theologie de s Alten Testament s i n Grundzüge n 2. Auflage 1985. IV, 222 Seiten, kart . Sonderband: Helmer Ringgre n · Die Religione n de s Alten Orient s 1979. 255 Seiten, kart . Geplant sin d außerdem : 2 Othmar Keel · Religionsgeschichtlicher Bildban d zu m Alten Testamen t 3 Erich Zenge r · Die Lebenswelt de s Alten Testament s 7 Rudolf Smen d · Ethik de s Alten Testament s i n Grundzüge n
Grundrisse zu m Neuen Testamen t (Ergänzungsreihe zu m Neuen Testamen t Deutsch) . Hrsg. vo n Jürgen Rolof f 1 Eduard Lohs e · Umwelt de s Neuen Testament s Mit zwe i Karten und zwei Übersichten i m Anhang sowie einer Skizze im Text. 7., durchges. Auflag e 1986. 224 Seiten, 4 Seiten Abb. , kart . 3 Werner G . Kümmel · Die Theologi e de s Neue n Testament s nac h seine n Haupt zeugen Jesus - Paulus - Johannes. 5. Auflage 1987. 312 Seiten, kart . 4 Wolfgang Schräg e · Ethik de s Neuen Testament s 4., völlig neu bearb. Auflage 1982. 340 Seiten, kart . 5 Hans Conzelman n · Geschichte de s Urchristentum s 5. Auflage 1983. IV, 173 Seiten, kart . 6 Peter Stuhlmache r · Vom Verstehen de s Neuen Testament s Eine Hermeneutik . 2., neubearb. u. erw. Auflage 1986. 275 Seiten, kart . 8 Textbuch zu r neutestamentliche n Zeitgeschicht e Hrsg. v . H. G. Kippenberg; G . A. Wevers. 1979. 244 Seiten, kart . Geplant sin d außerdem : 2 Eduard Schweize r · Theologische Einleitun g i n das NT 7 Harald Hegerman n · Anthropologie i m NT
Vandenhoeck & Ruprecht i n Göttingen un d Zürich © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525516683 — ISBN E-Book: 9783647516684