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German Pages 770 Year 1889
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Deutsche Haus
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Stuttgart Verlag v. W. Spemann Thiersch
Börsenleben Jermögensver
960 1223
472 3weiter
Band.
(April bis September 1889.)
nforderungen an des Beurlaubten47
AP 30 √942 1889 - t . Apr.Seg
A
Stuttgart.
Druck von Gebrüder Kröner.
15445
Inhalt .
Bweiter Band (April bis September 1889).
Seite Eeite |Obersteiner, Dr. Heinr. Geisteskrank1399 g , Ernst v . Bei den teg se -War Hes | Eeite heiten L. Romane , Novellen , Plaudereien 2c. französischen Pflanzern von NeuSchleiffarth , L. Aus dem Gebiete 1107 1507 onen trati ien 9 Illus Mit . Akad der Luftschiffahrt . Band , Moriz . O, du himmelblauer Jagow , Eugen v. Pariser GefängSpitaler , R. Die moderne Amateur1067 790 95 See . 27 photographie . Mit 9 Jlluſtrationen . nisse Baudit , Sophus . Vergeudete Kräfte Str.eifzüge durch die Pariser Daudet , Alphonse . Die schöne NiverAusstellung , durch Stadt und über IV. Geschichte und Kulturgeschichte. 694 naiſerin. (Uebersetzung vonWilhelm Land . Mit 32 Jlluftrationen 124 Angermann , C. Kriegsdrangſale Karpeles , Gustav. Eine alte FürſtenKiehne) . 780 1279 Deutschländer , Martin. Gespenster 1472 en tion einer sächsischen Landpfarrei stra t 5 Jllu Mit . stad Eckstein , Ernst . Universitätsleben in Donner Richter , Otto . Die PorträtKatscher , Leopold . Wie die Armen 620 1093 1528 der römischen Kaiserzeit malerei der Alten in London wohnen • 577 Hejekiel , Ludovica . Ein Wortbruch Egelhaaf , Gottlob . Die franzöſiſche Keil , Robert. Tiefurt . Ein Früh41 Hoff , Bernhard . Auch eine Art Miſlingsmorgen an klassischer Stätte 970 Revolution . 517 sionär . (Deutsch von Emil Jonas) Friedlieb , Werner. Vom Reichstag Müller , Karl . Eine Sommerfriſche Löhn - Siegel , Anna . Eine Episode des alten deutschen Reiches in Kalifornien . Mit 11 Juustrationen 935 aus Hermann Hendrichs KünſtlerHeigel , Karl Theodor . König Mar II . 346 Prümer , Karl . Eine Bergfahrt in 1499 1048 leben und Leopold v. Ranke . den steirischen Alpen 289 Mauthner , Friß. Sein lehter Toter Kaden , Woldemar . Deutſche Sprachset , C. W. Elefantenjagden auf Ros 540 165 Moldenhauer , Paul . Der Adept Ceylon. Mit 1 Jlluſtration inseln in Italien 183 Lord , K. Das Plantin -Haus in Antwebel , Oskar. Greifswald . Ein von Helmstedt Sch 328 Möllhausen , Balduin . Das Haus werpen. Mit 23 Jllustrationen deutsches Städtebild . Mit 7 Julu0 Schurt , H. Der Fremdenkultus in 52 ue 6 9. . . . tag 163 124 55. 481 758 980 Mon strationen . 1666 Rötel , Louis . Lebende Bilder. HistoElsässer Bilder . Mit 7 Illustrationen 1606 Deutschland 255 670 g hlun e 954 Wilsdorf, Oskar . Schloß Stolpen risch Erzä nius , A. Die Ruhl Tri 1553 Ulmann , S. Die Kaffeehäuſer Wiens Ohorn , Anton . Trinkgold und die Gräfin Cosel. Mit 7 Jllu1375 Perfall , Anton Freiherr von. Das Vetter , Ferdinand . Eine Beſteigung strationen . 598 214. 374. 643 aus en Erdmannsh tion ſtra la. Mit Zllu 3 Hek der 1114 Peschkau , Emil. Franske Weinlich , Eduard . Aus der grünV. Litteratur. Pettersch , R. H. Zur Naturgeschichte weißen Steiermark . Mit 9 Zülustra6 167 e stern son . Mit 5 Jaustrationen Björn Björn der Reklame 169 Erdmann , Guſtav Adolf. Der Dichter tionen Roderich , Albert . Friße Kulasch auf 799 des Quickborn " . Mit 1 Porträt der hamburgischen Gewerbe- und III. Naturwissenschaft , Heilwissenschaft , 4 5. sen lm ica el 140 . 168 John . Wilhe , . Ludov Heseki . Industrie -Ausstellung Technologie 2c. 592 Mit 1 Porträt Sauer , C. M. Schlagschatten 898. 1337 Alsberg , Morih . Ein Schutz- und ge , Dr. R. Der Sänger der „ be: Lan Schmidt , Rudolf. Der Himmel hängt is ndn Truzbü zwischen Tier und 139 511 voller Geigen . Geschichte eines zauberten Rose" . Pflanze erte kers r risi hes Muſi . (Auto Uebe : Binder , Otto . Naturwissenschaftlic . 806 VI. Artikel verschiedenen Inhalts . 639 sehung von J. Langfeldt) . Ein Problem für Elektrotechnik Aus den Schreibershofen , H. v . us r ism Arendt . Friedliche Geſellſchaft . Jαu1153 Dessoi , Mar. Hypnot und 550 684 Papieren meines Oheims . ie 245 path Tele fen stration Welthu , Andreas . Der Sirius 1196 Gräßner , Fr. Ein außergewöhnlicher Berg , Leo . Ein Schlachtenbild 107 Castner , J. Die Schnellfeuergeschüße Hund . Mit 1 Illustration und ihre Bedeutung für den heuII. Länder- und Völkerkunde , Städtebilder. Habenicht , Oberförster . Der Laub616 ausbruch der Buche . Mit 11 Zulutigen Krieg 3 40 Blankenstein , A. M. Zwei Tage Eisenhart , Dr. A. Vasen und ihre ionen ſtratrn 1314 Hellbo 451 , F. M. Wächtervögel . Mit Verzierung . Mit 37 Zllustrationen in Algier 1081 1 Böhm , Dr. W. Deutschlands Stellung Was ist Rokoko ? en tion stra 7 Illu ke ob Fal Jak , v. 10 Klümpfgen , Dr. C. Was thun wir, 960 in der Südsee . Mit 11 J¤luſtrationen Klaußmann , Oskar . Abfälle 180 Kniest , Ph. Börse und Börſenleben 1223 Brugsch - Pascha , H. Im Lande der um uns abzuhärten ? 1201 Lenden feld , R. v. Gebirgscharaktere . Pharaonen . Mit 21 Jllustrationen Lammers , Mathilde . Vermögensver472 1403 1441 Cronberg im Taunus . Mit 7 3lustrationen waltung Hardmeyer Jenny , J. Die PilatusMagnus , Hugo . Das SchönheitsPoten , V. Die Anforderungen an 865 gefühl als Funktion des Auges 1539 die Offiziere des Beurlaubtenbahn. Mit 8 Jlluſtrationen 47 Murr , J. Die heimischen Laubmooſe . Desse Wartegg , Ernst v . Eine 93 ſtandes . 12 Badereise längs des englischen Mit 34 Illustrationen 06 Kanals . Mit 12 Jlluſtrationen . . 10
IV
Inhalt.
Seite Poten, B. Die neuen RegimentsSeite Was die Mode Neues bringt. 280 1018 Flamingo und Marabu namen im preußischen Heere . Ida Barber . 569 1243 Fragen . Die Lanze als Reiterwaffe Was Frau Mode Neues bringt 569 Mädchen junge Für Schmidt, Dr. F. A. Die künstliche Von Jda Barber Kinderernährung. Mit 3 Jllustrationen 1390 *Gebetsmühlen, durch Wasser Wein aus Johannis- und Stache 268 getriebene beeren . Von O. Hüttig *Geburtshaus , das , Dantes . • 1425 Werke VII. Gedichte. , neue philoſophiſche 571 Gemüsepflanze , eine neue Avenarius, Ferdinand. Kornspuk . 1372 Gnom Wesen, das , der Träume. Von · 1434 , der unsichtbare * Eduard Löwenthal . Bequignolles, Hermann v. Der Tri*Göta Kanal , der . 1426 1079 Wink, ein, zu gunsten der deut berger Wasserfall . Goldschmiedekunst : Ausstellung , schen Ornithologie . Bodenstedt, Friedrich v . Aus Omar große Wien. die , in Von Jda 325 Chejam Barber 857 * Zauberschlüssel, der Bolze, A. Liebe, Glaube, Hoffnung Zigeunerin, die 896 Grillparzerdenkmal , das, in 934 Zu Murets englischem Lexikon Brunold, Fr. Im Wiesengrund Wien . 1433 Dickmann, H. Spruch 9 * 269 *Zur Zeit der Sänfte *Hausgarten, unser. Von D. Hüttig Hafner, Dietrich. Frühlingsgruß 480 Heimatkolonie Friedrich - WilHartwig, Guſtav. Die Glücksnummer 691 helmsdorf, die , bei Bremer: Heinzmann, Arthur. Aus VitezsIX. Vollbilder. haven . 1711 1604 * lav Haleks Gedichten 1437 *Heliopolis Düne , auf der. Von Max van Hoffs , Friedrich. Der Rhein an Cassel und der Soldaten: die Mosel Schmidt . 597 Hessenverkauf 1134 1113 Familienfreude. Von Hugo Kauf: Kunze, Wilhelm. Am Waldesteich 282. 564. mann 1683 Himmel, der gestirnte Littauer, Hugo. Pessimistisch 862. 1140. 1427. 1704 1416 im *Frühling, Paulus , Eduard. Genesung . 573 Hüttig und Nötel . . Grablegung Christi. Von FriedSchack, Adolf Friedrich Graf v. Der *Im Wald. Von Julius Sturm 1438 448 * rich Keller Mönch von St. Bernhard *Insekten , die , in ihren Be Hafen , der , von Bodoe in NorSchanz, Frida. Der Mond spielt in ziehungen Pflanzen. zu den . 1127 den Blattgeflechten wegen. Von A. Normann 842 Von O. Hüttig Schultes, C. Zu Vallendar am Rheine. 568 Heimkehr vom Kirchgang. Von *Kalender , immerwährender A. Guillon 1200 Kopfzerbrechen zum (Lied im Volkston) * , 277. 565. Jungfrau, die. Von J. Schoyerer Sturm, Julius . Einem jungen Mäd 853. 1141. 1429. 1705 1248 chen . Kronberg im Taunus . Von A. Küche und Haus , aus . Von L. v . Chelius Pröpper 285.570.847.1144 . 1427.1698 VIII. Sammler. Lenz , der, ist gekommen . Von * Kunstbeilagen , unsere 276. 564. (Die mit bezeichneten Artikel sind illuſtriert.) Messerschmitt 849. 1148. 1423. 1710 Lenzes lust. Von Robert Beybortanlage mit Torfmull 1716 849 Leben in Holland . schlag Abstammung, über die, der Hohen*Lianen. Von D. Hüttig Maitafer flieg. Von Messer das öster- 1693 zollern. Von Dr. Kaufmann 284 Magazingewehr, schmitt eußerungen , von mechani reichische. Von J. Castner . 1708 Markte, auf dem , in Kairo. Von schen, der menschlichen Wil*Mark Twains Schloß 856 2. C. Müller • 1440 *Muskelstärker , ein neuer lenskraft . 561 Musikunterricht. Von Ernst ZimAllerlei . 1711 *Neues für unsere Hausfrauen mermann . 570 Antwort, gute 571. 860. 1145 Nachtwandlerin , die. Von Suchogenentzündung, etwas von der 283 *Osterhase , der . dolska . . ägyptischen . 848 Photographieren, das, ohne Opiumrauche r . Von G. Ferrier. 287 uswandererzug, ein, in Berlin Apparat. VonHerm. Schnauß 1699 Richelieu bei der Belagerung von eetblumen, neue 1131 Postkartenwesen , das. Von Oskar La Rochelle. Von H. Motte Bodenstedt, Friedrich v., zum 70 . Nennewit 845 Roserl, mein herziges . Von Fr. Geburtstag 265 Reisezeitung , unsere. Von T. W. v. Defregger Boscos Taubenkunſtſtück . 850 Soukup 274. 559. 859. 1438 chafe im Stall . Von H. Zügel Charakter und Handschrift. Von 556 Sago , vom. Von D. Hüttig . H. Amselmann 276 * Salonmagie 281 Schuhplattler. Von Rettig me Mode in der Pariser Welt1139 Städtchen, andre , andre Mäd* Schloß Nauders chen. Von Max Volkhart ausstellung. Von Zda Barber 1148 *Schreiben , das , auf der MaStunde, eine bange. Von Ben573 orf, ein, in der Eifel 863 schine jamin Vautier 1432 Sommerabend 1129 rfindungen, neue auf der. Von J. Dupré rnte, die, zur See 1147 Sommerbild , ein , vom Bodensee 1417 Weide, Waldweben . Von H. Züber . icher, der. Von Ferd. Luthmer 553 Sonntag - Nachmittag , ein, in . 1711 cher, der wiederersete . London. Von Wilh. J. Brand 1135 erhalter mit Tinte . 852 Venus , die , von Milo 1148 X. Extrabeilagen . Fischer , kleine , von Elleder. (Sil573 *Verkäuferin in Rußland houette) 1417 Waldmeiſters Einzug 558 Immerwährender Kalender.
114 167 114 86
1050
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865 1104 1489 1153 144 672 240
Was
ist if
Rokoko ?
+
Von Jakob von Falke.
3 war einmal ein Künſtler und überhaupt lange Zeit die ganze der Re- | Barock bezeichnen läßt . Es ist vorzugsvielleicht lebt er noch der verstand naissance nachfolgende Kunst höchst ober- weise in der Architektur, aber auch in der sichsehr gut aufdas Rokoko, wenig flächlich und unterschied gar nicht zwischen Malerei man vergleiche Poussin und wo sie zum Ausdruck gelangen. stens glaubte er es. Er nahm ein ihren eigentümlichen , ja in Gegenfäßen Lebrun Die eine dieser Richtungen seht die vaar Muscheln, einige kantige Steine, etliche sich entwickelnden Stilarten. Man faßte Rüben, etwas Kohl und anderes Gemüse, die ganze , zwei Jahrhunderte dauernde Renaiſſance insofern fort, als dieselbe auf auch sonstige Ingredienzien , wie sie ihm Kunstbewegung mit dem Worte „ Barock" dem Studium der antiken Bauwerke be eben zur Hand waren, würfelte alles durch zusammen oder belegte sie mit dem Ehren- ruht, welche in Italien noch aufrecht ſtaneinander , schaute sich das Ding von fern titel des Zopfes . Dann unterschied man den oder insichtbaren Trümmern vor Augen an, und sein Rokokomotiv war fertig. allerdings zwischen Barock und Zopf und lagen. Diese Ueberreste wurden gezeichnet, Wollte er ein neues haben, brauchte er nur gab jene Bezeichnung dem siebzehnten, diese gemessen, dabei Vitruv ſtudiert und hierdem achtzehnten Jahrhundert . Nun haben aus entwickelte sich eine Kunstlitteratur das Potpourri wieder umzurühren. Dieser Künstler kommt mir immer in wir aber im Fortschritt unserer kunstge mit einem Kanon , welcher die Regeln der den Sinn, wenn ich jemand wiederum für schichtlichen Studien auch auf diese bis- klaſſiſchen Kunſt feſtſtellte, d . h . der klafdas Rokoko schwärmen sehe. Wie schnell her vernachlässigte Epoche unsere Auf- sischen Kunst, wie man sie an diesen rödoch die Dinge heutzutage gehen ! Vor merksamkeit gerichtet und haben dann gemisch-italischen Bauwerken vorfand. Diese wenigen Jahren noch wurde man gesteinigt, funden, daß es , wie gesagt, gar bedeutende Richtung mit ihren strengen Regeln ge= wenn man nicht in den nationalen Stil Unterschiede und selbst Gegensäße gibt, staltete sich zu einer Schule , welche mit der deutschen Renaiſſance einſtimmte, dann daß eine ständige Bewegung, eine Entwicke einem gewissen Recht den Namen des Ihr künst wurde die Fahne für das Barocco geschwenkt, lung vorhanden ist, die nicht erlaubt, alles Klassizismus erhalten hat. and noch sah man dieses Panier in den in einen Topf zu werfen, alles mit einem lerisches Haupt war Palladio. Die Schule Lüften wehen , als schon die Schwärmerei einzigen Schlagwort zu bezeichnen. ging fort durch das ganze siebzehnte Jahrfür Rokoko begaun. Hinter dieser erſcheint DieFranzosen haben das zuerst erkannt, hundert in das achtzehnte hinein und fand bereits der langweilige Empirestil mit wie natürlich, denn es war im wesentlichen ihre Vertretung nicht bloß in Italien, von ſeiner Gräzität , der auch schon wieder ihre Kunstgeschichte, welche in Frage stand. wo sie ausgegangen war , sondern ganz eine Verehrer gefunden hat , und ohne Sie haben die Unterschiede erkannt und besonders in Frankreich und in England, Zweifel wird sich auch die Gotik wieder bezeichnen die Stilarten nach ihren Herr wo die Schule ſelbſt den Namen von Palinstellen, welche ohnehin ihren kirchlichen schern. So habensie eine Stilart Louis XIII. , ladio annahm . Das war die eine Richtung, die Schule Besi behauptet. Gar das höchste aber, Louis XIV. , einen Stil der Regentschaft, wie wir in Wien sagen, ist der Enthusias- | sodann Louis XV. und Louis XVI. und der strengen Regeln , des festen Kanons mus für Japan und seine Kunst. So sind endlich den Empirestil. Sie wissen, was nach klaſſiſch römiſcher Art. Aber damit wir wieder mitten im Stilgedränge , auf sie damit sagen wollen , aber geschichtlich waren nicht alle Geister zufrieden. Dem einem Kampsplaye, wo die Kämpfer von ist es wohl nicht ganz richtig , denn Zwang der Regeln trat die künstlerische allen Seiten herbeistürmen, alle gegen alle, die Grenzen der Stilarten fallen mit den Freiheit entgegen, das Recht des genialen jeder gegen jeden. Daten der Herrscher nicht immer genau Künstlers , seinen eigenen Weg zu gehen, Unter solchen Umständen ist es immer zusammen, wie denn z . B. derjenige nach sich über die Regeln hinwegzusehen und aut und nüßlich, wenn man sich die Dinge dem Regenten Philipp von Orleans ge- der Welt neues zu zeigen. Dies war genau ansieht und fragt, wes Geistes Kin- nannte Stil die wenigen Jahre der Re- die zweite Richtung oder Strömung, welche er sie sind, was ihre Berechtigung bildet. gentschaft lange überdauert selbst bis zur von dem gewaltigen Michelangelo ihren Wir haben es in diesen Blättern einmal Mitte der Regierungszeit Ludwigs XV. Ausgang nahm und geniale Künstler, die mit dem Japonismus versucht, werfen wir Sodann ist zwischen der Kunst in der Architekten und Bildhauer Borromini und Diesmal die Frage auf : Was ist Rototo ? zweiten Hälfte der Regierung dieses Königs Bernini, den Architekten und Maler PieEine wohl aufzuwerfende Frage, denn es und derjenigen unter seinem Nachfolger tro da Cortona, zu ihren Hauptvertretern aben sich ja in diesen Jahren erst die her fein wesentlicher Unterschied , wenigstens zählte. Dies ist die Richtung oder die Schule, vorragendsten Geschichtschreiber der Kunst nicht im Charakter. Ein wesentlicher Ünter- welche mit demWorte Barock bezeichnet wird bgemüht, uns zur Klarheit über Begriff, ſchied_aber, ja ein Gegensah, der Beginn und allein zu bezeichnen ist. Sie hatte ihren Bedeutung , Herkunft des Rototo zu vereiner neuen Bewegung tritt genau in jenen Hauptsit in Italien und dann in Südelfen. Es ist mit immer schärferer Fas- mittleren Jahren der Regierungszeit des deutschland und Oesterreich, auch wohl in ung von Zahn und Springer und anderen fünfzehnten Ludwig (um 1750) ein, so daß den katholischen Niederlanden. In Frankersucht worden und in jüngster Zeit erst , diese zwei ganz verschiedene Stilarten be reich hatte sie als Architektur nur ger. .ge vie uns bedünkt, am besten von Cornelius sigt, nicht nebeneinander , sondern nach- oder gar keine Bedeutung, wohl aber Surlitt. einander. Auch das siebzehnte Jahrhundert | Innendekoration und in der Kleinkunst. Und es that wohl not , denn wie man ſcheidet sich nicht so einfach in Louis XIII . Alle großen Pariſer Bauten des siebzehnicht weiß , wenigstens nicht mit Sicher und Louis XIV. Vielmehr gehen vom ten Jahrhunderts vom Louvre bis zum it , was eigentlich das Wort „ Rokoko " Anfang bis zum Ende zwei Strömungen, Palaste in Versailles gehören der gelehrten deutet , wann es entstanden , wann es zwei Kunstrichtungen nebeneinander her, palladianiſchen Richtung an ; Bernini hatte prit gebraucht , so betrachtete man ja von denen sich nur die eine mit dem Worte in Paris troz aller Ehren , welche ihm 1 89. II.
Jakob von Falke. Was ist Rokoko ? -5 erwiesen wurden, keinen Erfolg, wohl aber , neue ornamentale Motive hinzu , welche der große Dekorateur, der Maler Charles der Stilart der Regentschaft einen ganz Lebrun , der in den Fußstapfen Pietros eigenartigen Charakter geben. Dies sind von Cortona wandelte. einerseits Motive und Gegenstände der Wer wollte das Recht der Individua- Liebe, Amoretten , die sich in alles drän lität, das Recht der künstlerischen Freiheit gen, auf allen Wänden herumfliegen, auf bestreiten, wie es diese Schule behauptete! allen Möbeln herumreiten , in Feld und Wer möchte heute noch den Eindruck leug- Wald und Buſch und Wiese einherflattern, nen wollen, den die gewaltigen Schöpfun- dann die Schäfer- und Hirtenszenen , die gen jener Meister der Baukunst machen ! Chineserie , das Komödiantentum und was Sie haben ein neues , lebensvolles Element Welt und Leben sonst von falschem Scheine in die Kunst eingeführt und sind insofern darboten. Insbesondere aber ist es ein dem Vorgange der größten Künstler der ganz eigenes Ornament , welches sich so Renaissance treu geblieben, als sie Archi in jeglichen Kunstzweig eindrängt, daß es tektur, Plastik , Malerei zu gemeinsamer das eigentliche Erkennungszeichen der StilWirkung zu vereinen bestrebt waren. Undsie art dieser Epoche bildet. Das ist das thaten es in großartiger Weise. Allein die Stein- und Muschelwerk, damals rocaille Freiheit wurde bei ihnen zur Willkür ; was genannt . Mit seiner beabsichtigten Un jede Kunst als ewiges Gesez in sich trägt , symmetrie , mit seiner gänzlichen Form abgesehen von der Eigenart der Zeiten und losigkeit, mit seinem fieberhaft unruhigen der Völker , das wurde bei ihnen zum Abspringen nach rechts und links , bevor Spiel. Sie spielten mit der Architektur nur eine Linie ausklingen kann, spottet es und ihren Gesezen , nicht mit den klassi aller natürlichen Geseze. Dies kann nun schen, sondern den statischen Gesetzen. Was sehr geistreich, auch sehr anmutig geschehen, seiner Natur nach gerade sein muß, mach- und so geschicht es auch wohl , immerhin ten sie krumm , was wirklich sein muß, aber ist es doch nur die Entartung , die machten sie zum Schein. Sie schweiften Verwilderung des Barocco , denn selbst den Grundriß wie die Dachlinien und die jenes scheinbar eigenartige Stein- und Gesimse , drehten die Säulen , selbst die Muschelornament findet Erklärung und Türme , und erbauten Scheinarchitekturen Ursprung in der Vorliebe der Barock in zeit zeit für für Nachbildungen ausgeTropfsteinmit künstlicher Perspektive , wie sie in schmückten de mit Muscheln von Wirklichkeit kaum ausführbar waren. wollten mit Gewalt neu, originell, anders Grotten. sein, als es herkömmlich war ; sie waren Diese grillenhafte Stilart, welche einer es, aber auf Kosten der Vernunft oder der kapriziösen Gesellschaft gefiel, überlebte die Vernunftmäßigkeit. Regentschaft, unter welcher sie entstanden Diese Richtung nahm zu an Willkür in war, noch um ein Vierteljahrhundert. So der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts , lange mag man auch die Nachwirkung der insbesondere in der Dekoration und Or- wilden Epoche des Regenten rechnen . Da namentik. Alle Architekturteile drangen kam in der That ein neuer Geſchmack, ein als Ornamentmotive in die Dekoration ein neuerKunſtſtil, deſſen Gegensätzlichkeit gegen und verbanden sich dort in gewaltsamer Geist und Charakter des Barocco man Weise mit grotest geschwungenen , nach wohl bisher viel zu wenig hervorgehoben bedeutender, großartiger Wirkung streben hat. Genau um 1750 , da Madame de Pomden Pflanzenmotiven. Auch im Mobiliar padour regierte , hört in der franzöſiſchen begannen die Linien in Bewegung zu ge- Kunst das Stein- und Muschelwerk auf, raten und die Strukturgeseße, Symmetrie die Konstruktion kommt wieder zu ihrem Recht, die gerade Linie löst die geschweifte und Gleichgewicht mißachtet zu werden. Dies ist die Stilart, welche man nach ab , und in das Ornament treten griechische Ludwig XIV. benennt : schwer , mächtig, Motive ein, insbesondere die späten italischgewaltsam , stand sie immer noch unter griechischen , wie sie zum Teil schon aus einem gewissen Maß. Das Maß hörte der Raffaelzeit bekannt geworden , nun aber aber auf, als (1715) Philipp von Orleans durch die wiederaufgedeckten Städte Kamdie Regierung Frankreichs übernahm . Wir paniens in reichster Fülle mit ihrer un erinnern nur daran, daß unter ihm Zucht vergänglichen Grazie an das Licht geund Sitte sich aller Bande entledigt fühlten, bracht wurden. seine kurze Epoche durch Orgien, Schwindel, Dieser neue Stil, der Stil Louis XV. Zügellosigkeit sich berühmt , vielmehr be in der zweiten Hälfte seiner Regierung, rüchtigt gemacht hat. Von diesem Cha- der also genau um die Mitte des 18. Jahr rakter trägt auch die Kunst vieles an sich, hunderts entstand, ist wohl als eine Fortzwar nicht die Architektur, denn sie hatte sehung oder Wiedererhebung der klaſſiziſtiin den wenigen Jahren kaum Zeit dazu, schen Richtung zu betrachten , aber er ist wohl aber die Dekoration, das Ornament, doch so eigentümlicher Art , so neu und die Kleinkunst. Die schlimmen Charakter- originell in seiner Weise, daß er als Bezüge des Barocco , das willkürliche Um- ginn einer neuen Kunstbewegung zu gelten springen mit den Formen, die Verachtung hat, deren Hauptcharakterzug in der Aufder geraden Linie , die Schweifung aller nahme der antiken Motive beruht. Denn struktiven Glieder, das artet in der neuen diese Eigenschaft der Gräziſierung, welche Stilart , welche man nach dem Regenten im engen Zusammenhange mit der Wie benennt und die auch in der That seines derbelebung der klassischen Studien und Geistes Kind ist, in völlige Verwilderung der neuen Wissenschaft der Archäologie aus . Es treten aber zu diesen alten Zügen steht , geht mit raschen Schritten weiter,
wächst an in der durchaus nicht de: denen Stilart Louis XVI. unb e. ihre Höhe im Stil Empire, un m Sturze des Kaiserreichs und der Nuc des Ancien régime in raſchem Falle verschwinden. So war in der That die Kunstben gung. Das Barocco beginnt mit Mich angelo und entartet und endet mit de Stil der Regentschaft ; parallel läuft d nach Palladio benannte Klassizismus . Zusammenhang mit demselben und do eigentümlich erhebt sich der gräziſiereni Stil um 1750 mit Louis XV. und end mit dem Sturz des Empire. D Wo bleibt nun das Rokoko ? zwischen hat es keinen Play. Keine dies Stilarten benennt sich zu ihren Lebzeite mit dem Worte Rokoko, und doch muß e für eine derselben Gültigkeit haben. Da Wort erscheint zum erstenmal gegen End des 18. Jahrhunderts , in der Litteratu gebräuchlich wird es erst im 19. und auf fallenderweise vorzugsweise in Deutschland während sich die Franzosen wissenschaftlich sowie in der Kunstpraxis dieses Wortes nicht bedienen. Welche Stilart also in damit gemeint ? Als das Wort zum erstenmal vorkommt , wird damit in spöttischer Weiss und verkommener veralteter ein bezeichnet Stilbereits . Da dies zur Zeit des Stils Louis XV. oder Louis XVI . geschieht , so kann damit nur der Stil der Regentschaft gemeint sein, der ja seit 1750 in Frankreich aus der Mode gekommen war. Und damit stimmt auch die Ableitung des Wortes , soweit sie mit einiger Sicherheit festgestellt werden kann. Wir erinnern uns , daß in der Stilart der Regentschaft ein willkürliches Stein- und Muſchelwerk das hauptsächlichſte Motiv des Ornamentes ist und dieses allgemein , künstlerisch wie litterarisch , mit dem Worte rocaille bezeichnet wurde , für welches wieder roe. Stein, Fels , das Stammwort bildet . So erscheint Rokoko nur als eine Umbildung des Wortes rocaille und zwar , wie uns bedünken will, mit seiner seltsamen Form als ein Spottwort, ein Spigname für dies allgeliebte und bald allverachtete Steinund Muschelwerk ; es erscheint als ein Spitzname, der im Künstlermunde, in den Ateliers entstanden und in denselben sich fortgepflanzt hat, bis er nach einem halben Jahrhundert in die Schriftsprache und in die Litteratur eindrang, um heute zur viel gebrauchten , rechtsgültigen Bezeichnung eines Kunststils zu gelangen , ohne jede spöttische oder verächtliche Nebenbedeutung. Rokoko ist demnach dieselbe Stilart, welche die Franzosen als die der Regentschaft bezeichnen, eine Stilart, welche aus der Umbildung und Verwilderung des Barockstils gegen das Jahr 1720 entſteht und mit dem Jahr 1750 aus der Mode kommt. Geblüht also hat das Rokoko nur ein einziges Menschenalter_und_ist_rai sh wieder in Verachtung gesunken. Das hat nicht verhindert, daß man r und da länger in diesem Stile c hat, besonders außerhalb Franfr
H. Dickmann. Spruch. 8:
9
vor allem in Deutschland, wo das Rokoko | befreien. Freilich die Gesellschaft wandelte | schaft , voll Reiz wie diese selber , wenn vielleicht, wenn nicht seine originellste und mit ihm denselben Weg aus den letzten reich und üppig, und zugleich gezügelt von geistreichste, doch seine üppigste und wildeste Jahren des alternden Ludwig XIV. durch vornehmer Grazie, sinnlos aber, langweilig Entfaltung gefunden hat. Frankreich hat die kurze Zeit des Regenten hindurch. Als und armselig , wenn es sich zur bürgerkaum dem etwas an die Seite zu stellen, der fünfzehnte Ludwig zur eigenen Regie- lichen Welt herabläßt und nichts weiter was sich an Rokoko noch heute an deut rung gelangte , waren Gesellschaft und thut und kann , als ihr Mobiliar mit schen Fürstenfißen und in bischöflichen Kunststil beide in ihrer Art fertig. Für einigen Schnörkeln auszustatten. diese war nun Meissonnier der große, der Das Rokoko endete in Frankreich in der Residenzen erhalten hat. Von Anfang bis zu Ende brach sich eigenste Meister des Rokoko, der die volle Mitte des Jahrhunderts . Im Jahre 1750 ras Rokoko in Frankreich an dem Wider- Leichtigkeit, Zierlichkeit, Beweglichkeit und erschien bereits ein Ornamentbuch ohne stand der Klassizisten. Dieser Widerstand jene Grazie besaß , wie die Gesellschaft Rocaille. Madame de Pompadour, selber hat verhindert, daß das Rokoko ein Archi- selber. Seine künstlerische Zeit trifft genau eine Künstlerin , liebte diesen Stil nicht ; tekturstil geworden ist, nicht aber, daß es mit der Lebenszeit des Rokoko in Paris fie zeichnete nach griechischen Kameen und als Dekorations- oder Ornamentstil alle zusammen. Er sorgte für alles , was der stach diese Zeichnungen in Kupfer. Sie Innenräume erfüllte. In einfach, trocken- Rokokogeschmack bedurfte, sei es an Deko- liebte die neuerstandene Dekorationsweise klaſſiziſtiſch gebauten Häusern und Paläſten ration , sei es an Mobiliar und Gerät. von Herkulanum und wurde mit Unterüberzieht es , in Relief wie gemalt und Andere Künstler standen gleich fruchtbar ſtüßung ihres Bruders, des Großmeiſters vergoldet, Plafonds, Thüren und Wände neben ihm, aber keiner übertraf ihn gerade der schönen Künste in Frankreich, und mit mit seinem krausen, immer abspringenden, in dem , was den Reiz des Stiles aus- Hilfe ihrer künstlerischen Freunde die Beniemals Ruhe gewährenden Ornament, macht und was der Welt gefiel. Einer gründerin des neuen Stils, der durch die erbaut mit seinen Schnörkeln Oefen und vielleicht ausgenommen, der aber mit seiner zweite Hälfte der Regierung des fünfzehnKamine, steigt in geschmiedetem Eisen an Kunst , gleich Oppenord , noch zum Teil ten Ludwig und durch die Zeit des sechden Windungen der Stiegen empor , löst rückwärts schaut. Dies ist der Maler zehnten Ludwig hindurch zum Empire die Rahmen der Spiegel , der Gemälde, Watteau , dessen kurze Lebenszeit schon führte und mit diesem abschließt. In der Füllungen in schiefe Schnörkel , ge- endete , als das Rokoko noch nicht sein Deutschland hatte das Rokoko noch ein schweifte Ranken und rauhes Steinwerk zweites Jahrzehnt zurückgelegt hatte. kurzes Nachleben. Hier fallen die großen auf, bringt die Möbel aus jeder ſymmeEntsprechend dieser seiner Lebenszeit Rokokodekorationen noch in die vierziger trischen Form, schweift Beine, Rücken und wendet Watteau das Stein- und Muschel- und fünfziger Jahre , aber auch nur in Lehnen und begleitet sie mit starrem , werk noch bescheiden an . Seine Dekora- einem Teile Deutschlands, denn in Oesterstachlichtem Ornament. Nirgends ist Ruhe, tionen , seine Ornamente , mit denen er reich und zumal in Wien und in Prag, nirgends ein Halt , nirgends kann das Wandfelder, spanische Wände, Fächer und geht der italienische Barockstil fort und Auge rasten, um sich an diesem oder jenem was sich sonst an bequemer Fläche dar- fort und läßt dem Rokoko nur einen bezu erfreuen. Wenn man mit längerem bietet, erfüllt und schmückt, leiten sich aus scheidenen Platz. Selbst das Kunstgewerbe, Weilen betrachtet , was z . B. die über jenen Arabesken und Grotesken her , wie das sich teilweise, wie in der geschmiedeten schwänglichste Laune wir geben zu, mit sie von der Frührenaiſſance begonnen, von Eisenarbeit oder im Porzellan, dem Nokoko Geist und findiger Phantasie - in unauf Raffael antitisiert , von seinen Schülern willig gebeugt hatte , hält nicht länger hörlicher Abwechselung auf der Amalien- | weitergeführt , dann umgewandelt und aus . Ein paar Jahrzehnte nur, und die burg bei München, in Bruchsal oder im unter Ludwig XIV. französisiert wurden. Herrlichkeit des Rokoko , rasch gekommen , Würzburger Schloß geschaffen hat , so Von hier nimmt die Dekoration Watteaus ist ebenso rasch wieder verschwunden , um schwirrt und verwirrt sich alles vor unseren ihren Ausgang, aber er macht völlig sein nur noch mit Spott- und Spiznamen beAugen. Eigen daraus, das sich von seinen Vor- zeichnet zu werden. Die Franzosen betrieben das Rokoko gängern und Nachfolgern unterscheidet, Und sollte das Rokoko von heute, wie entschieden mit mehr Maß und Grazie als sein Eigen , d . h. die echteste Dekoration es uns wiederum gepriesen und als das die deutschen Künstler , unter denen man im Stil des Rokoko, geistreich, launenhaft, Heilmittel des Geschmacks empfohlen wird , den Dekorateuren der genannten Schlösser | willkürlich , aber gemäßigt von einem glücklicher sein ? Die moderne Kunstbewe freilich eine wundersame Begabung , die wahren Schönheitsgefühl, erfüllt von vor gung, welche die Renaiſſance und die nachvolle Empfindung für die eigentümlichen nehmer Grazie , freilich im Sinne der folgenden Stilarten geschaffen , hat dazu Reize dieser Stilart nicht absprechen wird. französischen Gesellschaft. Chineserie, Alle drei bis vierhundert Jahre gebraucht. Die frivole, kokette, kapriziöse, aber feine gorie und Mythologie , Liebesgötter , die Heute haben wir dieselbe Bewegung in und geistreiche Gesellschaft fand verwandte Theaterwelt, Hirten und Hirtinnen , alles fünfundzwanzig Jahren durchgemacht. RechKünstler, und diese schufen eine gleichge- wie es eben der Zeit gefällt , nimmt er nen wir auf jede Stilart im Durchschnitt artete Kunst kokett, sprudelnd, launenhaft in seine Dekorationen auf. Seine Gemälde fünf Jahre, so haben wir nach fünf Jahren beweglich bis zu den Fingerspißen. sind einzig der Liebe und den Freuden dieser auch das Rokoko wieder überstanden. Die An den Hauptmeistern der Franzosen Welt gewidmet, aber es liegt der Schleier Zeit, wie sie ist, verlangt den Wechsel, ſie läßt sich die Umbildung des Rokoko aus der Melancholie darüber , als ob er das verlangt immer nach neuem, und zum neuen dem Barockstil deutlich verfolgen. Oppenord, Schicksal dieser Gesellschaft ahnte. Doch gehört nun heute das Rokoko . Wenn aber der als der Vater des Rokoko gilt, bildete es ist mehr Sehnsucht als Melancholie, alles , was alt geworden , wiederum als sich in Italien an den Barockbauten und denn früh leidend und jung gestorben, war neues durchgekostet und nichts mehr übrig ſteht noch mit einem Fuß , mit seiner ihm vom Schicksal wenig zu teil geworden ist , dann , so scheint es , wird man nach halben Lebenszeit im Stil Louis XIV. von dem, was er darzustellen liebte. dem Schönen und Guten fragen und an Man kann an seinen Kompoſitionen verDiese zweite Seite , das Gegenständ- dieſem festhalten. folgen, wie die Detailformen der Architek- liche im Maleriſchen, darf man nicht übertur in schwingende Bewegung geraten, sehen , wenn man wissen und verstehen die Symmetrie verlieren, in ein Ornament will, was das Rokoko iſt. Formell ist das ich verwandeln, von dem man nicht weiß, Stein- und Muschelwerk mit allen seinen → Spruch. 8– zehört es der Architektur oder der Pflanzen Auswüchsen das entscheidende Kennzeichen, Schreib, Freund, in dein Gedenkbuch ein, velt an ; man kann sehen , wie nach und innerhalb desselben aber spielt die Liebe, Mag auch das Gleichnis hinken -: nach erst das Stein- und Muschelwerk die Galanterie, das Theater, die erträumte „Auf fremde Größe stolz zu sein, inzutritt , um zuletzt die Oberhand zu Idylle des Land- und Hirtenlebens . Die Das heißt berauschen sich am Wein, t , innen. Alle Kompositionen Oppenords ausgelassene Weltlust unter dem Regenten Den andre für dich trinken." deutet noch etwas von der Schwere des von Orleans hat das Rokoko geschaffen . b. Dickmann. erſt (tils an sich ; er konnte sich nie davon Es ist der Stil jener vornehmen Gefell-
Dr. W. Böhm . 10-
Deutschlands Stellung in der Südsee. 11
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utele, Ofu u. a. Wie alle Südseeinseln sind auch die Samoas vulkanischen Ursprungs mit meist erloschenen Kratern in der Höhe bis zu 1300 m ; noch 1866 fand auf dem Eiland Olosenga bei Matua eine unterseeische Eruption statt. Die Küsten sind meist hoch und steil und bieten wenig gute Häfen , darunter der bedeutendste der von Apia an der Nordküste von Upolu. Das Innere zeigt zwiſchen den Gebirgsketten schöne reich bewässerte Ebenen ; die Hauptflüsse auf Upolu find der Sigago, Vaivaja und Vailele. Das Klima ist gesund, häufige Regen mildern die tropische Hiße und bedingen die Ueppigfeit der Vegetation, im Sommer herrschen unbeständige Ostwinde, in der ersten Hälfte des Winters frische Passatwinde vor, selten von Windstillen und leichten Südwestwinden unterbrochen. Die hauptsächlichsten vegetabilischen Erzeugnisse der Inseln sind tropischen Charakters, voranKokospalmen (S. 10), dann Brotfruchtbäume, Zuckerrohr , Yams , Pisang. Die animalische Welt ist arm an Arten, größere Säugetiere fehlen ganz, sofern sie wie unsere Haustiere nicht durch Europäer eingeführt sind ; dagegen ist das Meer reich an Fischen und Schildkröten. Was nun die ursprünglichen Bewohner dieser Inseln betrifft , so gehören sie zu dem hellfarbigen polynesischen Menschenschlage, einer wohlgebauten kräftigen Rasse, nicht ohne mancherlei geistige Anlagen, wenngleich früher im Rufe gelegentlicher Menschenfresserei stehend. Sie sind von jeher gute Fischer und Schiffer gewesen, wozu die Umgebung des Meeres fie anweist , wohnen in wohlgebauten Hütten, die zu Dörfern vereinigt sind ; eine Art Hausindustrie, die meist von den Weibern betrieben wird , besteht in der Herstellung von Zeugen und Matten aus den Fasern Kokospalme (S. 12). der Kokospalme. Jhre Waffen waren in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft mit den Europäern Keulen und Schleudern, leider haben sie seit längerem auch mit Feuer gewehren umgehen gelernt. Deutschlands Stellung in der Südsee. Als eine samoanische Sprachprobe mag Von hier die Einleitung des zwischen Deutsch land und Samoa abgeschlossenen Freund Dr. W. Böhm. schaftsvertrages neben der deutschen Ueber segung folgen: Seine Majestät der Deutsche Kaiser. Jer in der Südsee zwischen dem 13. und sucht, als englische Missionare, wie es sich König von Preußen 2c. 2c., im Namen des D 14. Grade südlicher Breite und dem zeigte, mit gutem Erfolge die Bekehrung der Deutschen Reichs einerseits , und Ihre Erzet169-173 . Grade westlicher Länge von Eingebornen zum Christentum unternahmen. lenzen die Herren der Taimua, im Namen der Greenwich gelegene Samoaarchipel wurde Die gesamten zur Samoagruppe ge- Regierung von Samoa anderseits , von europäischerseits zuerst im Jahre 1722 von hörigen Inseln enthalten einen Flächen dem Wunsche geleitet , ihre freundschaftdem holländischen Seefahrer Roggenveen, raum von 3010,84 Quadratkilometern oder lichen Beziehungen und ihre Interessen dann seit dem Ende der sechziger Jahre 54,63 deutschen Quadratmeilen , also wenig gegenseitig zu fördern und zu befestigen des vorigen Jahrhunderts von Schiffen mehr als das Großherzogtum Strelitz, aber haben beschlossen, einen Freundschaftsver verschiedener Nationen , Franzosen , Eng mit noch nicht voll 38 000 Bewohnern. trag abzuschließen. ländern, Amerikanern und Russen besucht. Dieses Areal und die Bevölkerung verteilt Ua finagalo Lana Afioga le Kaisa Von dem französischen Weltumsegler Bou- sich auf die einzelnen Inseln, von Westen - Tupu Silio Siamani Tupu o gainville, welcher die Inseln 1768 anlief nach Osten gerechnet , wie folgt : Sawaii Polusia etc. etc., ona o le Malo o Siaund eingehender durchforschte, erhielten sie mit 31 Quadratmeilen und 12 000 Cin mani i le tasi itu , ma Latou Susuga wegen der Geschicklichkeit, mit der die Ein- wohnern , Upolu mit 16 Quadratmeilen o Alii Taimua, ona o le Malo o Samo gebornen ihre eigenartigen kleinen Fahr und 20 000 Einwohnern , Tutuila miti le isi itu , ona faatupu ma faamauin zeuge zu handhaben verstanden, den Namen 2½ Quadratmeilen und 3700 Einwohnern, o le tasi i le tasi o le fealofani ma mea Schifferinseln. Regelmäßig werden sie von Manua 12 Quadratmeilen mit 1300 Cin- uma o lóo la masani ai ma mea uma Europa und Amerika aus erst seit 1830 bewohnern ; kleinere Inseln sind Apolima, Nu- | foi ua tatau ia i laua.
Dr. W. Böhm.
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In politischer Hinsicht ist die Bevöl | ferung in eine große Anzahl kleiner Dorf staaten zerspalten , fast jeder unter einem eigenen Häuptling oder König " , die in fast ununterbrochener Fehde miteinander leben und daher zu der grauenhaften Verminderung des Volkes beitragen ; gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde die Kopfzahl derselben noch auf 180000 geschäßt, heute, wie gesagt, beträgt sie noch nicht 38000, jedoch soll in den legten Jahren eine kleine Zunahme bemerkt worden sein. Unter den unzähligen allerkleinsten Fraktionen treten zwei größere Parteigrup pen, die der Taimua und Poletua , hervor. Die Bemühungen, ein Staats geordnetes wesen unter wirklichen Oberherren, wie Malietoa oder Tamaſeſe herzustellen, haben bis her noch kein befriedi gendes Resultat erfen nen lassen. Für die Europäer ist der wichtigste Teil des ganzen Archipels die Insel Upolu ; sie ist ungleich fruchtbarer, weniger gebirgig im Innern als das größere Sawaii und besigt den vortrefflichen Hafen von Apia. Von den Nationen , welche seit einem halben Jahr: hundert hier Handelsanknüpfungen gesucht und Rolonisationsbe strebungen gepflegt ha ben , kommen nur di Deutschen, die Englän der und Nordamerikaner in Betracht und es fann gleich vorweg gesagt werden , daß unter diesen die erſte= ren bei weitem am einlußreichsten sind und Den größten Besitz ha ben. Das deutsche Geiet auf Upolu um aft etwa 24000 Hekaren oder 96000 Morgen , dagegen das nglische und amerikanische je etwas über 3000 Hektaren. Dazu kommt, daß die Engänder und Amerikaner so gut wie gar keiien Plantagenbau treiben, während auf den eutschen Ansiedelungen, wie ein auf perönlichen Wahrnehmungen beruhender Ar ikel der Kreuzzeitung neulich ausführte, er Anbau der Kokospalme auf rationeller Grundlage betrieben wird ; ferner wird auf en meisten deutschen Plantagen Kaffee, Labak , Mais und Baumwolle gepflanzt, uch die Rindviehzucht gedeiht , so daß ie beiden deutschen Plantagen Vaivase ind Vaitele die ganze Inselgruppe mit
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Fleisch versorgen. Erworben wurde dieser Besit durch legitimen Ankauf von den Eingebornen. In Rücksicht auf den Betrieb der Plantagen bemerkt die angezogene Korrespon denz, daß derselbe ausnahmslos durchfremde Arbeiter geschehen muß. Denn der Sa moaner arbeitet nicht oder nur dann, wenn ihm die Not auf den Nägeln brennt, er ist außerdem in der Arbeit unzuverlässig. Infolgedessen werden die Arbeiter von
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Sehr anschaulichschildert Dr. Schellong in Königsberg diese Arbeiterwerbungen : "In den meisten Fällen ist das Werbegeschäft eine mühsame und zeitraubende Sache ; ich habe am Nordkap und an der Südwestküste von Neu- Mecklenburg solche Rekrutierungen mit angesehen. Man geht mit dem Schiff so nahe wie möglich an Land; dann wird der Werber im kleinen Boot abgesetzt, in welchem sich außer einer zuverlässigen Bootsmannschaft diesehr wichtige Riste (trade box) befindet , in welcher Tabak, Streichhölzer, Thonpfeifen, rotes Tuch, Messer, Beile, Aerte, Glasperlen, kurz die ganzen Reichtümer des , weißen Mannes " enthalten sind. Das Boot wird schnell durch die Brandung gebracht und versammelt als bald um sich die Schar der Eingebornen, welche die Neugierde halb scheu halb ängstlich herantreibt. Der Werber macht ein freundliches Gesicht, spricht und gestikuliert lebhaft und verteilt reiche Geschenke ; je nachdem er das erfor derliche Vertrauen ge= wonnen zu haben glaubt, gibt er sodann früher oder später seine eigentliche Absicht zu erkennen: er fragt, ob jemand mit dem Schiff mitgehen wolle, und läßt es dabei an allen möglichen und unmög lichen Versicherungen nicht fehlen : not to much work ; plenty kaikai ; plenty lawa lawa (feine harte Arbeit bei reichlichem Essen und gutem Lohn) ; er findet zunächst nur ungläubige Gesichter und geht deshalbruhig an Bord zurück , um Junger Häuptling von Samoa. zu gelegener Zeit wieder vorzusprechen, bis anderen Inseln , welche notorisch tüchtige | etwaige Entschließungen bei dem einen Leute liefern , wie den Salomonsinseln, oder dem andern ausgereift sein möchten. den Gilbertsinseln, der Ellicegruppe, dem Zahlreiche Kanus umgeben dann das Schiff; Bismarckarchipel u. a. unter Aufsicht von es entspinnt sich der übliche Tauschverkehr, Konsulatsbeamten geholt und für eine drei- so manches dieser Naturkinder klettert an jährige Thätigkeit angeworben ; außerdem Bord und bewundert das riesige Fahrzeug, werden sie ärztlich untersucht, erhalten ein sieht auch ein paar schwarze Kameraden, Drittel ihrer Löhnung während der An- welche sich aus dem großen Kochtopf (für wesenheit auf den Plantagen und die übrigen solche Zwecke stets an Bord genommen) zwei Drittel entweder in Geld oder was zufrieden ihre gekochten Yamknollen heraussie vorziehen , in Waren , wie Tabak, holen ; dann empfindet auch er vielleicht Kleiderstoffen , Messern und Eisenwaren etwas wie Reiselust und er entschließtsichzum beim Abgang von den Samoainseln ; unter mitgehen ; er bezeichnet diejenigen seiner Beaufsichtigung des Konsulats werden sie Angehörigen, an welche ein Handgeld von Aerten, Messern 2c. entrichtet werden soll, nach ihrer Heimat zurückgebracht .
Dr. W. Böhm .
Deutschlands Stellung in der Südsee. 17:
16:
-18 =
1884.
Flagge.
deutsch englisch amerikanisch verschiedene
zusammen .
1885.
Anzahl Zahl Raumder der gehalt. gehalt. Schiffe. Besuche. Brit. Reg. Tons. Schiffe. Besuche . Brit.Reg. Tons,
Anzahl der
Zahl der
Raum-
31 19 11 1
161 42 28 1
13 966 9 073 2728 550
37 29 20
187 43 20 2
14 588 4048 2619 748
62
232
26 317
88
252
22 003
2228
und der Werber darf dann nicht sparen, er zahlt bis zum Werte von 20 Mark. Hat sich so erst einer bereit gefunden, so folgen die andern leichter nach. Ohne weitere Abschiedszeremonie werden sie an Bord gebracht, und ohne viel zu überlegen, machen fie ein Kreuz unter den Vertrag, welcher ihnen vorgelegt und so weit als möglich verdolmetscht wird. " Den Grund für die blühende Ent wickelung deutschen Handels und deutscher Kultur in der Südsee hat das Hamburger Handelshaus Godefroy gelegt , welches sich den berühm ten deutschen Kaufmannsfirmen früherer Jahrhunderte,den norddeutschen Hansea ten, den Augs burger Fuggers seit hundertJahren würz dig zur Seite stellte und seine Verbin dungen von den Schifferinseln aus über weit ent fernte Insel gruppen ausdehnte. Zu den mächtigsten der stolz zen Schiffskolosse bei den Vorsetzen" im Hafen zu Sankt Pauli bei Hamburg zählten viele Jahre lang die riesigen Dreimaster Godefroys , ihre Ladung von Kopra und Kokosöl zu löschen. Aber un günstige Konjunkturen , schwere Unfälle trübten den Glanz des alten Hauses, dessen Thätigkeit dann von der deutschen Südsee-Plantagengesellschaft aufgenommen und bis gegenwärtig fortgesezt worden ist. Eine Zinsgarantie bis zur Höhe von 300 000 Mark für diese Gesellschaft zu übernehmen lehnte der Reichstag bekanntlich im Jahre 1880 , wesentlich auf die Autorität des Abgeordneten Bamberger hin, ab, obgleich große Gefahr vorhanden. war , daß der großartigste deutsche Besitz in der Südsee für Deutschland verloren gehen könnte. Die Erfolge der Plantagen gesellschaft haben zum Glück diese Gefahr abgewendet. Wie bedeutend der deutsche Schiffs verkehr auf den Samoainseln den der
Bei diesem Ueber: gewicht des deut schen Handels überden jenigen aller an deren Natio nen ist es natür lich, daß von den legteren große Anstren gungen gemacht worden sind , um demsel ben den bisher unter manchen Opfern und Ge fahren durd
Deutsche Pflanzung auf Samoa.
übrigen in Betracht kommenden Nationen übersteigt, zeigt ein Blick auf die Schiffs liste für den Hafen von Apia in den Jahren 1884 und 1885. Es liefen ein (siehe oben) : Der Wert der Einfuhr betrug in den selben beiden Jahren nach chilenijchen Dollar ausgedrückt :
Fleiß, Aus: dauer
und Geschick errungenen Vorsprung wieder abzugewinnen und ihn möglichst aus dem! Felde zu schlagen. !! Die Kaiserliche Regierung," heißt es schon in dem Weißbuch von 1879, hat es als eine nationale Pflicht erachten müssen, die deutschen Unternehmungen im Stillen Ozean nicht lediglich ihrem eigenen Schida 1884. 1885. Durch Kaufleute sal zu überlassen. Die zunächst angeord 281 613 nete Entsendung und bezw. dauernde Sta deutscher Nationalität 258 178 tionierung Kaiserlicher Kriegsschiffe zum englischer 36 328 amerikanischer , 65 565 92 000 3eigen der Kriegsflagge, oder zur Sühne und Verhütung von Gewaltthätigkeite 360 071 zusammen 468 613 seitens unzivilisierter Inselvölker erhöhte Die Ausfuhr von Landesprodukten aus mit dem Ansehen des deutschen Namens die Sicherheit der deutschen Handelsflagge Samoa wies folgende Zahlen auf: in jenen Meeren. " Gleichzeitig aber wa 1885. 1884. darauf Bedacht zu nehmen, daß diese er Durch Kaufleute freuliche Entwickelung nicht durch Cin 294 800 deutscher Nationalität 346 033 griffe von dritter Seite gestört wurde 43 385 10 025 englischer " Dazu schien das wichtigste und zwe 10 000 31 000 amerikanischer " mäßigste Moment die Beseitigung der p zusammen 366 058 369 185 litischen Zersplitterung der Zuseln unter vielen Häuptlingen durch ein moderne chilenische Dollar.
Dr. W. Böhm .
Deutschlands Stellung in der Südsee .
21 e in Tonga und ersucht , in großer 20 Anzahl in Apia eri | Am 28. und 29. September veranstaltete Ide Königtum , wie die 19: König Tamasese zu Ehren des deutschen Geschwaders ein Fest, welches unter überren . stie u Hawaii burch die Könige George Tubo Schlimm war es, daß die Unfähigkeit aus zahlreicher Beteiligung der samoaniand Kamahamea praktisch bisher ganz be- dieser sogenannten Regierung den Auf- schen Bevölkerung stattfand ; es sollen mehr friedigend ausgefallen ist. Unter Mitwir heßereien der eifersüchtigen englischen und als 6000 Personen dabei gewesen sein. fung der Konsuln von Nordamerika , Eng- namentlich amerikanischen Händler gegen Aber gerade, daß der neue König die land und Deutschland wurde der Häuptling die Deutschen sich dienstwillig zeigte . Als tschen auszeichnete , daß er den ihm Deu zt Malietoa (S. 25) als König eingeset die Deutschen in Apia (S. 28) am Abend von der Plantagengesellschaft empfohlenen (1874), welcher aber keine der auf ihn des 22. März 1887 nach der Feier des Ge- Hauptmann a. D. Brandeis zu seinem gefeßten Hoffnungen erfüllte . Indem er burtstages Kaiser Wilhelms I. das Fest Ratgeber , deutsche Richter und Polizeichefs sich ganz dem Einfluß eines amerikani lokal verließen, wurden sie von Anhängern ernannte und seine Leibwache nach deutjchen Günstlings namens Steinberger über Malietoas überfallen , mit Steinen ge em Reglement einererzieren ließ , erregte sch hließ, vermochte er nicht nur den fortwä worfen und zum Teil schwer verlegt . Da aufs renden Fehden der Eingebornen unter sich neue und heftiger fein Ziel als zu zu sehen, vor die sondern Eiferließ es sucht der auch wieder: Engländer holt zu und nablutigen mentlich Zusam der menAmeri stößen faner. mit den Von seiMannten schaften Deutschder eng Lands lischen war Ta= und amerifa: masese ohne nischen Weige Schiffe rung ankommen . erkannt Kaum worden, das die die VerDeuttreter schen im von Jahre 1877 11 . England und f. durch Nordeine amerika Reihe verharrsich ab: ten in Löfender Pflanzung von Arbeitern auf Samoa. ihrer Kriegstha, Ariadne , Albatroß u. s. w. ihren | machte Fürst Bismarck kurzen Prozeß. In ablehnenden Haltung . Der amerikanische GeHer schiffe, tz schü Besiust a, ßen konnten . Zwischen Petitionen aller völkerrechtlichen Form wurde an neralkonsul , Sewall, von allen Seiten als ein Aug anEngland und Nordamerika um Protektion Samoa der Krieg erklärt , Herr Malietoa , ganz junger , hochmütiger und leidenschaftlicher Mann geschildert, zog nach der Festder sich selbst stellte, arretiert und von den nehmung Malietoas seine Flagge ein, oder Annexion schwankte die Regierung die Samoainseln entfernt (August bis Seppolitische Abenteurer namentlich amerikases Königs hin und her. Zu seiner sonstigen tember 1887 ) . Der eigentliche Krieg hatte nischer Staatsangehörigkeit , die sich ohne Charakteristik trägt in drastischer Weise ohne Blutverg ieße uert zweiietTag oa eauf geda ign Mal er. erkennbare andere Thätigkeit auf den Nachdem Kön Sein gende Stelle des leßten Weißbuches bei : folers ich allein, die in Betracht kommt, auch Majestät Schiff Adler" untergebracht Inseln umhertrieben , suchten , von ihrer r Es ist nicht die Unfähigkeit des als Mensch hat Malietoa durch seineHer Auf- worden, schritt das " freie Volk von Samoa konsularischen Vertretung begünstigt , oder führung Achtung und Ansehen nicht nur zur neuen Königswahl , aus welcher mit doch geduldet , Gelegenheit , um Konflikte bei den Europäern , welche ihn kennen , drei Vierteln aller Stimmen der Häuptling mit der neuen samoanischen Regierung sondern auch bei seinem eigenen Volke Tamasese (S. 23) hervorging . Auch von und den Deutschen herbeizuführen . Ameriverscherzt. Daß Malietoa die fremden den meisten Anhängern Malietoas wurde kanische Schiffe brachten Gewehre, HinterVertreter und darunter auch den deutschen ihm gehuldigt . In der That schien die Wahl lader aller Systeme , Patronen in Hülle um kleine Geldvorschüsse angegangen und eine glückliche zu sein. Tamasese war und Fülle zur Bewaffnung der Eingebornen , solche von demselben erhalten hat , kenn wirklich bemüht , eine geordnete Verwal- die dafür ihre Kopraernten im voraus verzeichnet weniger seine Persönlichkeit , als tung für die Inselgruppe einzuführen ; er pfändeten . Ein Führer der Unzufriedenen die Thatsache, daß Schuldscheine, in welchen teilte den Konsuln der fremden Mächte war bald in der Person des Häuptlings er sich Malietoa , König von Samoa" mit , daß er die internationalen Verträge Mataafa (S. 35) gefunden , der , obgleich unterzeichnet und den ersten besten Händler treu beobachten werde , führte in Apia vorher selbst ein Gegner des vertriebenen um Tabak oder Lebensmittel im Werte eine reguläre Polizei ein, ernannte einen Malietoa , sich doch kurzer Hand selbst zum von häufig ganz geringen Beträgen unter Munizipalrichter , bestellte Verwaltungs- König Mataafa Malietoa II. ernannte ; dem Versprechen demnächstiger Zahlung beamte für die einzelnen Bezirke u. s. w. freilich wurde die Proklamation , die er
Dr. W. Böhm,
22 an den Straßenecken von Apia ankleben ließ , von Tamaseses Polizeidienern ein fach wieder abgerissen. Um die Mitte September des vorigen Jahres kam es zum offenen Kriege zwischen Mataafa und Tamasese. Am 9. dieses Monats liefen übereinstimmende Meldungen ein, daß die Aufständischen aus dem Lager in Faleula durch die deutsche Pflanzung Vaitele nach Apia vorgerückt waren. Etwa 600 mit Gewehren bewaffnete Leute hatten in einer nach samoanischer Sitte auf bevorstehenden Kampf deutenden Ausrüstung (wie Bemalen des Gesichts mit schwarzer Farbe u. a. ) eine halbe Wegstunde von Sa valalo , demjenigen Teile Apias, der die Faktorei der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft umfaßt und wenige Minuten von Mulinuu entfernt ist, Aufstellunggenommen. Am 12. September kam es zur ersten Schlacht" zwischen den Armeen" Tamaseses undMataafas, wobei durch mehr als 30000 Schüsse fünf Mann getötet und vierzig verwundet wurden. Auf jeder Seite sollen efwa 800 bis 1000 Krieger gestanden haben. Am meisten wurden Häuser und, Bäume beschädigt, die deutschen Pflanzer mußten vor verirrten Kugeln mit den Frauen und Kindern viele Stunden Zuflucht in den Kellernsuchen. Die Schlacht hatte ein Ende , als beide Teile feine Batrone mehr hatten; wie es auch in europäischen Kriegen schon vorgekommen ist, schrieben sich beide Teile den Sieg zu, und beide Teile zogen sich zurück, Tamasese auf die Halbinsel Mulinuu, westlich , Mataafa nach Matautu, östlich der Bucht von Apia. Der Krieg wäre in kurzer Zeit von selbst erloschen, wenn nicht aus schnöder Gewinnsucht englische und amerikanische Schiffe aufs neue Waffen und Munition für die Krieg führenden herbeigeschafft hätten. Um den Amerikanern den Vorwand zu nehmen, als befände er sich in Mulinuu auf amerikanischem Boden , ging Tamasese später zur See nach Saluafata , einem Hafen an der Nordküste von Upolu östlich von Apia. Von seiten der deutschen Regierung war man von vornherein entschlossen, in diesem inneren Kriege eine strenge Neutralität zu behaupten. Unter dem 8. No vember 1887 schon schrieb der Staatsfelretär Graf Herbert Bismarck an den faiserlichen Konsul Becker in Apia : " Der Herr Reichskanzler hatte gehofft , daß die
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Beseitigung unseres Gegners Malietoa | und die Einsetzung des deutschfreundlichen Königs Tamasese genügen würden , um den Schuß unserer Landsleute und ihrer Handelsinteressen zu sichern. Die Offu pation Apias durch deutsche Streitkräfte wird, auch wenn sie nicht zu Kollisionen mit den dort ansässigen Amerikanern und Engländern führt, der Presse in den austra lischen Kolonieen und in den Vereinigten Staaten den willkommenen Vorwand bieten, unsere Politik auf den Samoainseln zu
König Lamasese (S. 20). verdächtigen und uns die Absicht einer Machterweiterung und einer Vergewaltigung der vertragsmäßigen Rechte anderer in der Südsee interessierter Staaten unterzuschieben. Unter diesen Umständen ist es erforderlich, die Okkupation thunlichst abzu kürzen und , solange sie dauert , alles zu vermeiden , was ihr den Charakter einer lediglich zur Unterstützung des von uns anerkannten Königs Tamasese getroffenen Schußmaßregel nehmen könnte. Auch unsere weitere Aktion ist nicht im eigenen Namen und unter Berufung auf speziell deutsche Interessen zu führen, sondern im Namen der jetzigen Samoaregierung , welche die Aufgabe hat, an Stelle der unter Malietoa herrschenden anarchischen Zustände Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, und deren
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Stärkung und Unterſtüßung daher im o seitigen Interesse liegt. " Unter dem & Dr tober 1888 telegraphierte das Auswärtige Amt unter dem Eindruck der Schlacht vom 12. September : „ Sie wollen sich vor läufig auf Schutz der Reichsangehörigen und ihrer Interessen beschränken. Falls lettere durch neue Regierung geschädigt werden, bitte ich Sie, kurz telegraphisch zu berichten." Auch als die befürchteten Schädigungen deutscher Interessen in der That eintraten, als von den Rebellen nicht nur Nahrungsmittel, Vieh und Geräte gestohlen, an dere Besitzstücke mutwillig zerstört wurden, der Scha den allein der Plantagengesellschaft weit über 20000 Mark stieg, wurde von Berlin aus noch immer Mäßigung und Vermeidung einer Vergeltung von Feindseligkeiten anbefohlen, da man beim Friedensschluß ent schädigt werden würde. Erst am 14. Dezember wurde der deutsche Konsul in Apia ermächtigt , die Hilfe der deutschen Kriegsschiffe zu requirieren, falls die Räubereien gegen deutsches Eigentum fortdauern “. Fast scheint es, als ob diese vorsichtige Zurückhaltung auf die Partei Mataafas das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung her„Die vorgebracht habe. Stimmung unter den Angehörigen Tamaseses ", berichtet der Konsul am 7. Oftober , ist gedrückt. Die andauernde Agi tation seitens hiesiger Ausländer hat sie eingeschüchtert. Dieje Agitation scheut keine Mittel der Lüge, Entstellung und Drohung. Der amerikanische Kriegsschiffskapitän und der konsularische Vertreter der Bereinigten Staaten unterstüßen die Partei Mataafas ganz offen und reizen dieselbe zu energischer Fort: segung des Kampfes. Die Anhänger Malietoa-Mataafas haben sich vor Ausschreitungen gegen deutsches Eigentum nicht gescheut. Soweit es bei den Machtmitteln des einen hier befind lichen deutschen Kriegsschiffs möglich war, ist weiteren Ausschreitungen vorgebengt worden. Das kleine Besitztum eines Reichsangehörigen, Schröder, bei Faleula war geplündert worden. Auf den Pflanzungen der Deutschen Handels- und Plantagen: gesellschaft innerhalb des von den be waffneten Scharen Mataasas beseßten Umkreises nahmen die Diebstähle an Früchten und Vich in erschreckender Weise
Sophus Bauditz. 25
u. Am meisten hatte die Pflanzung Bai tele zu leiden. Die Krieger Mataafas lagerten sich in der: selben, raubten die Früchte , erschossen fast den ganzen Viehbestand, bedrohten die schwarzen Arbeiter und beantworteten die Proteste des deutschen Pflanzungsverwalters mit übermütigen Reden ; dem deutschen Konsul wurde ein Pferd aus dem Stall gestohlen 11. s. w." Das Uebermaß der fast über jede Grenze der Geduld ertragenen Gewaltthätigkeiten erreichte endlichdas Aeußerste, und am 17. Dezem bererteiltederKaiser liche Konjul Knappe in Apia dem Korvettenkapitän Frize den Auftrag, mit den Schiffen " Adler",
Vergeudete Kräfte. 26-
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Dorfanficht auf Samoa. „ Olga " und „ Eber" zur Entwaffnung der kriegführenden Parteien und damit zur Beendigung des Krieges zu schreiten. Unter wie schmerzlichen Verlusten für unsere brave Marine, am wesentlichsten durch die schändliche Verräterei des amerikanischen Renegaten Klein diese Expedition ausgeführt wurde, ist aus den Tagesblättern noch in frischem Gedächtnis ; 17 der Tapferen blieben tot , 37 wurden schwerer oder leichter verwundet. Der deutsche Reichskanzler hat sich neulich in privatem Kreise vertraulich dahin geäußert , wir müßten uns hüten, wegen unserer überseeischen Angelegenheiten Trübungen in den Beziehungen zu Mächten eintreten zu lassen, die lange mit uns verbündet und befreundet seien, weil auch die leiseste solcher Trübungen große Schädi gungen unseres gesamten Handels im Gefolge habe. Aber ebenso dürfen wir überzeugt sein, daß die Ehre und die Interessen Deutschlands auch fern im Stillen Ozean unter den Händen des Fürsten Bismarck am besten gewahrt sind. Die für die nächste Zeit in Aussicht genommene Berliner deutsch englisch-amerikanische Samoakonferenz wird das ergeben.
Vergendete Von
Kräfte.
Sophus Baudik .
Ronig Malietoa (S. 19). 89. II.
Cand. phil. Adolf Petersen war das einzige Kind eines Schullehrers in Jütland , dem es nur mit großen Schwierigkeiten möglich gewesen war , ihn studieren zu lassen. Der Ehrgeiz des Vaters war zunächst dahin gerichtet gewesen, den Sohn einstens als Pastor des heimatlichen Kirchspiels zu sehen ; aber dazu kam es nicht : als Adolf Student geworden war, mußte er ich nämlich zumeist durch Erteilung von Privatunterricht 2
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anderer schrieb so reizende Gelegenheitsterte zu nicht unbekannten Melodieen. Die Ergebenheit seiner Schülerinnen verstand er ebenfalls zu würdigen sagte er einer ein Leb oder dankte er für eine Blume oder ein Lese zeichen , so blickte er die Betreffende so eindringlich und väterlich liebevoll an, daß sie vor Freude und Scham errötete ; seine Stimme bekam einen eige J.DAVIS nen , gedämpften Klana Photographer und er konnte des Mad chens kleine Hand länget in der seinigen , großen, halten , als es eigentlic And notwendig war. außer der Unterrichtszeit beschäftigten sich seine Ge 美门 danken vielfach mit dem Schülerinnen; es hatte einen eigenen Reiz für ihn, der Individualität de Einzelnen auf den Grund zu dringen; aber obgleid es zunächst ein rein psycho Ansicht von Apia (S. 20). Logisches Interesse war das ihn erfüllte , hatte fortbringen, und er bekam immer mehr stunden hatten , sich regelmäßig in seine dasselbe doch so viel Erotik , daß er auf Lust , die Theologie an den Nagel zu Klasse hineinseßten, um ihre Kenntnisse zu Grund seiner wechselnden Stimmungen hängen , bis er das definitive Aufgeben erweitern und ihren Geist zu bilden ; und von der Schule her die kleinen Gedichte derselben nach Verlauf einiger Jahre da ihn eine Dichtung vorlesen zu hören, galt schreiben konnte, welche er häufig Bazar durch bezeichnete , daß er sich nicht mehr als ein wirklicher , künstlerischer Genuß. sammlungen und überhaupt Büchern , di namentlich jene zwi zu wohlthätigem Zweck herausgegeben stud. theol. " , sondern cand. phil." Die Schülerinnen schrieb. Ein Opfer von seiner Seite war schen 14 und 16 Jahren schwärmten wurden, schenkte. Diese Gedichte , derer es indessen nicht : er befand sich über natürlich für ihn. Diejenige, deren Stil- Grundton in der Regel eine resigniert aus wohl als Stundenlehrer, und in den übung gelobt oder gar vorgelesen wurde, Sehnsucht nach etwas unerreichbarem Un Instituten, in denen er unterrichtete, war konnte acht Tage davon leben ; jede seiner bekannten ausdrückte , machten verdientes man nicht weit davon entfernt , ihn zu geistreichen Bemerkungen über dänische Glück, namentlich bei jüngeren weiblicher vergöttern. Er hatte damit begonnen , daß Dichter wurde gewissenhaft nachgeschrieben, Lesern, und trugen in hohem Grade dazı er in einigen Mädchenschulen Religions- und es konnten manchmal drei bis vier bei, den Nimbus zu verstärken, der Kandida stunden in den unteren Klassen übernahm ; Veilchenbouketts für ihn auf dem Katheder Petersen umgab. Man glaubte allgemein da es sich aber herausstellte , daß er be liegen, und zwar zu einer Jahreszeit, wo daß er eine platonisch-feurige, aber uncr sondere Talente zum Unterricht im Däni- das Stück 25 Dere kostete. An seinem widerte Liebe zu einem Weibe genähr schen und in der Litteraturgeschichte befize, Geburtstage erhielt er in seiner Eigen welches seiner vermutlich nicht würdig ge und da es sich außerdem zeigte , daß er schaft als beliebter Lehrer eine Anzahl von wesen, und diese Liebe ihn beständig m selbst ein Dichter sei, wurde er in furzer Briefen zumeist anonym - mit Glück sanfter Wehmut erfülle , welche ihn teil Zeit ein gesuchter Lehrer in diesem Fache wunschkarten und gepreßten Blumen, und in Stand seßte , die vielen Gedichte für halb und ganz erwachsene Mädchen er hatte im Laufe einiger Jahre eine so schreiben , teils ihn in tieferem Verstand in den besten Instituten. Die Vorstehe- große Sammlung gestickter Lesezeichen an- gegen jeden weiblichen Liebreiz unempfäng rinnen , an deren Etablissements er festgelegt , daß er damit alle besten Stellen lich mache, was ja für jede Institutsvol gebunden war, hatten gleich von Anfang bei den vornehmsten Klassikern hätte be- steherin sehr beruhigend war. Die Jahre verflossen und Adolf Peterse an ein eigentümliches Vertrauen zu seinem zeichnen können. geistvollen und dabei für einen so jungen Kandidat Petersen war indessen weder war dreißig Jahre alt geworden. Imme Mann ungewöhnlich ernsten Wesen gefaßt; unempfindlich noch undankbar gegenüber fester verwuchs er mit den Schulen , a niemand konnte bei den Lehrerkonferenzen all der Freundlichkeit, die ihm von seiten denen er wirkte , und in immer weitere in solchem Grade interessiert über die der Vorgesetzten und der Schülerinnen Kreisen drang seine Dichtung durch : jet Elevinnen sprechen wie er ; einer jeden entgegengebracht wurde. Bei allen Schul- begnügte er sich nicht mehr damit , nu Anlage und ganzer Charakter schien Gegen festen war es denn auch eine selbstver- Gedichte für Schulhefte und Bazare z stand seines beständigen Denkens zu sein, und ständliche Sache, daß er sowohl eine Rede schreiben , sondern seine Poesie wurde b seinem Votumüber Olga Jensens oder Hulda hielt als auch die Leier schlug ; keiner konnte Grundsteinlegungen zu größeren Asyle Sörensens intellektuellen und moralischen wie er mit erhobener Stimme und erho- und anderen ähnlichen auf „ Bürgerglüc Standpunkt wurde deshalb ein Gewicht benem Glase die Gesundheit der Vorsteherin abzielende Institutionen gesucht ; er schrie beigelegt, wie nur wenig anderen. Seine ausbringen oder einer Sache gedenken", Gedichte zum Andenken berühmter Männe Vorträge über dänische Litteraturgeschichte an die niemand anderer gedacht hat ; keiner welche starben , mehr als eine Zeitschri waren so begeistert , daß nicht nur die konnte mit so sichtlichem Behagen lau- druckte seine vaterländischen Romanzer Schülerinnen hingerissen wurden, sondern warmen Thee schlürfen er war so ge- und ein größeres Blatt stellte ihn al auch die Lehrerinnen, welche freie Zwischen- bildet , kein Bier zu trinken und kein festen Theaterkritiker an.
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Da geschah das Unglaubliche : er verlobte sich. Er hatte in Frau Bisserups höherer Bildungsanstalt mehrere Jahre hinburch des Tischlers Holm einzige Tochter Anna unterrichtet, ohne ihr aber eine befondere Aufmerksamkeit zu schenken. So wurde sie gegen 16 Jahre alt, ward kon firmiert und vertauschte die kurzen Kleider mit langen, und nun gewahrte er plöglich, wie überaus reizend sie war : keine andere in der ganzen Klasse hatte ein so frisches und dabei frommes Geficht ; ihre ganze Gestalt hatte die Feinheit des Rindes und den Liebreiz ber Jungfrau, und wenn ie ihre dunkelblauen Augen zu ihm aufschlug was sie immer that, wenn er sprach - war Jeine Tiefe und eine Reinheit in ihrem Blick , die ganz bezaubernd wirken. Er wurde in den Unterrichtsstunden noch beredter als er es früher gewesen, und er merkte selbst ; er verweilte befonders bei den AusLajungen der Dichter über die Liebe, hielt eine Reihe von Vorträgen über weibliche Gestalten in der dänischen Dichtung und las Heibergs „Die Neuvermählten “ Tor, mit einemGrundzug von Erotik, der gleich überwältigend auf alle Zuhörerinnen wirkte, obaleich Petersen sich in Wirklichkeit nur eine einEge als Bublikum dachte. Anna Holms dänische Ausiage wurden stets belobt und regelmäßig vorgelesen ; sie waren rucht nur fehlerfrei, von cinem philiströsen Sprachlehrerstandpunkt betrachtet , sondern er fand in denselben eine einheit in der Beobachtung und eine echte Beiblichkeit, die ihn zu lest mit solchem Intetene für die Verfaj: ferin erfüllten, daß seine Gedanken sich länger und häufiger mit ihr beschäftigten, als sie es je früher mit einer Einzelnen gethan hatten. Nun schrieb er auch riel häufiger wehmütige Gedichte , als es fonit seine Gepflogenheit war; er borgte ihr Bucher aus seiner Privatbibliothek und prach mit ihr über das Gelesene, kurz : war, was man gewöhnlich genannt haben würde : verliebt ; aber von hier par nach seiner Meinung ein weites Stück bis zu dem bloßen Gedanken, sich zu verleben. Die viele Erotif en detail hatte tha nämlich allmählich daran gewöhnt, anen leichten Zustand der Verliebtheit
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als normal und recht angenehm zu be- | Studenten den Hof machen lassen und übertrachten ; und obgleich er noch so jung war, dies vielleicht sich verloben werde. In daß er sich kaum erst in den besten Jah- dieser Stimmung schrieb er ein Gedicht, ren" befand, war er doch so alt geworden, welches „ Der Abschied " betitelt war und daß er nicht lange von einer Zukunft als schilderte , wie er am Strande stehe und Chemann phantasierte , ohne sich alsbald mit den Augen dem Schiffe folge, das sie zu erinnern, daß er kein Weib würde er ihm für immer entführe , sie , der er sich nähren können, es sei denn, daß er die doch niemals anzuvertrauen gewagt hatte. --übrigens nicht übertriebenen Anforde- Es gelang ihm auch, dasselbe in die ,," Sonnrungen, die er sich im Laufe der Zeit zu tags - Post" zu bringen, ein Blatt, in welstellen angewöhnt hatte, bedeutend herab- ches Anna Holm öfters ihren Schulimbiß eingewickelt hatte, und von dem er daher nicht ohne Grund vermutete, daß es bei ihr zu Hause gehalten werde. Tags darauf, nachdem das Gedicht im Blatte gestanden hatte, war Anna zum lestenmale in seiner Stunde zugegen. Als er in die Klasse hineinkam und sich auf den Katheder sette , suchte sein Blick den ihrigen ; sie errötete wie eine Rose und schaute zu Boden; es zuckte nervös um ihre Mundwinkel - es war zweifellos : sie hatte seinen „Abschied" gelesen und war davon erfüllt. Die Stunde war zu Ende und er mußte Aber draußen gehen. in dem finsteren Korridor kam Anna verlegen auf ihn zu und stammelte mit Thränen in den schönen Augen einen Dank für Alles , was er ihr gewesen , einen Dank für all die be= geisternden Worte und für all seine Freundlichkeit ; sie werde sich Alles merken und es nie, nie vergessen. Er wurde selbstverständlich gerührt, sowohl über ihre ungeheuchelte Ergebenheit wie über alles, was er für sie hätte sein kön nen, und so nahm er ihre Hand, um das letzte Hoher Häuptling. Lebewohl zu sagen. Nach seiner Gewohnheit hielt sehte ; das mußte ja sehr unangenehm er die Hand in derseinigen, während er sprach sein , und er besaß deshalb , wie gesagt, - und wie sprach er nicht ! Bewegliche, Selbstbeherrschung genug, um seine Phan- gedämpfte Worte darüber, wie er in Getasie an strammeren Zügeln zu führen, danken immer seine Schülerinnen in die wenn sie durchzugehen begann. Aber es große Welt hinaus begleite, wenn sie die kam ganz anders, als er gedacht hatte. Schule verließen, welche bisher über ihre Der Tag, an dem Anna Holm zum human-sittliche Entwickelung gewacht habe ; lettenmale das Institut besuchen sollte, und noch beweglichere Worte darüber, wie nahte mit mächtigen Schritten, undKandidat er doch niemals eine mit solchem Interesse, Petersen fühlte beinahe eine Art Eifersucht ja, er könne sagen Liebe, begleitet habe wie bei dem Gedanken, daß das hübsche Mäd- sie. Möchte es ihr doch beständig wohl chen ihm plöglich entrissen werden sollte, ergehen, möchte sie doch ihre liebenswürdige daß es herumschwärmen, auf Bällen und in Reinheit bewahren , jest , wo die Schule der Gesellschaft fetiertwerden, sichvonjungen und er sie verlieren sollten , die liebste
Sophus Bauditz. -34Schülerin nein , verlieren , davon konnte nicht die Rede sein : er könne sie nicht ganz verlieren , das fühle er jest ! Und, nicht wahr, er werde sie auch nicht Und Kandidat Petersen legte verlieren? väterlich-erotisch seine linke Hand wie seg nend auf ihr Haupt, indem er sich, so sehr auch die Situation auf ihn eingewirkt hatte, seine Schlußbemerkung , daß er sie nicht verlieren werde, doch zunächst so ausgelegt dachte, daß er ihr auch in Hinkunft Bücher borgen und im ganzen noch weiter für ihre ästhetische Entwickelung sorgen werde. Aber so legte Anna Holm seine Worte nicht aus. Sie, die ihn drei Jahre lang bewundert und ein Jahr aus dem Grunde ihrer jungfräulichen Seele geliebt hatte, blickte strahlend zu ihm auf und warfsich schluchzend an seine Brust, indem sie sagte: „" Gott! nein , ist es wirklich wahr! So hab' ich mich nicht getäuscht !" Als in diesem Au genblicke Frau Bisserup in den Korridor hinaus kam , flog Anna ihr an den Hals und flüsterte unter Weinen und Lachen einige unzusammenhängende Worte, welche die würdige Institutsvorsteherin doch so weit verstand, daß sie selbst sehr erschüttert zu dem ganz überwältigten Kandidaten Petersen sagte, es sei allerdings sehr, sehr unerwartet gekommen, doch hätten ja andere eigentlich nichts da reinzureden ; sie könne daher - so überrascht sie auch, wie gesagt, sei doch natürlich nur wünschen, daß es zu beider Glück ausschlagen möge u. s. w. Was Kandidat Petersen ant wortete , daran konnte er sich später selbst unmöglich mehr erinnern, so sehr er sich auch anstrengte, um sich feine eigenen Worte ins Gedächtnis zu rückzurufen , und er ging wie im Traume dahin, als er Anna nach Hause begleitete und beim Auseinandergehen versprach, abends zu ihren Eltern zu kommen. Halb betäubt fam er in seine Wohnung, warf sich aufs Sopha und begann nachzudenken. War es auch Wirklichkeit , das Ganze ! War er es, der sich heute Mittag auf dem Korridor bei Frau Bisserup verlobt hatte, er, cand. phil . Adolf Petersen, der jetzt eine Braut hatte ? Es war im Grunde entseßlich, so kopfüber in eine
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Entscheidung für das ganze Leben hinein | das Empfangen und Geben des ersten geworfen zu sein - es war ihm über Kusses, da begann er sich in seinem Schidhaupt zuwider , einen entscheidenden Befale merkwürdig wohl zu befinden , und Und dann die Zu dieses Wohlbefinden stieg von Tag zu Tag. schluß zu fassen! பந் தம Anna verhielt sich beinahe anbetend. kunft ! Ja, ausziehen mußte er natürlich ; aber das war ja das Geringste von allem, lauschte gläubig jedem Worte der Weisobschon er ein paar recht hübsche Zimmer heit, das von seinen Lippen floß, und fühlte hatte; aber sonst ganz im allgemeinen ihr Herz von Stolz geschwellt , wenn er was, wann, wie und weshalb? Der rou ihr auf einsamen Spaziergängen Pläne zu tinierte Sprachlehrer gebrauchte alle Frage- größeren Dichtungen anvertraute , die er Pronomina und Adverbia der Sprache, über Jahr und Tag zu schreiben gedachte. All dies schmeichelte ihm, und wenn er sich mit dem einnehmenden Mäd chen am Arme zeigte und die Leute sie be achteten, so nahm er dies als eine Art von Tribut hin, der ihm gebührte, und war stolz darauf, mit so viel Jugend und Schönheit verlobt zu sein. Dies hinderte ihn indessen nicht, rasend, ja beinahe verrüct eifer süchtig zu sein; er sah es ungern, wenn sie mit anderen Männernsprach, und eines Abends , als fie im Theater ge wesen waren und „Die Frauenzimmerschule" ge= sehen hatten, hielt er ihr einen längeren ethisch ästhetischen Vortrag dar über, wie es im Grunde ein großer Fehler Mo lières wäre, Arnolphs Theorie von der Che lächerlich zu machen; und als sie einmal zu sammen mit ihren El tern auf einen Ball in dem gesellschaftlichen Vereine Die Harmo nie" gingen, seßte er es durch, daß sie in einem puritanisch hochgeschlos senen Kleide erschien und nicht tanzte. Aber dieses fleine Opfer brachte fie. ihm gern; er hatte sie ja so unsäglich glücklich gemacht, und von Tag zu Tag fühlte sie sich mehr zu Dank verpflich Mataafa (S. 21). tet nicht am wenigsten gegen Weihnachten hin, aber ohne zu einem Resultat zu kommen da er sie mit einer kleinen, im eigenen Verlag und ohne eigentlich zu wissen, ob er über erschienenen Gedichtſammlung überraschte, das Geschehene glücklich oder unglücklich die den vielsagenden Titel „ An fie ! " trug und worin ihr voller Name vor dem In sein sollte. Nachdem er indessen den Abend in dem haltsverzeichnis gedruckt stand. Es waren gemütlichen Heim des Tischlers Holm ver- zwar nicht alle Gedichte darin ganz neu, bracht hatte und dort mit der Herzlichkeit da er, um dem kleinen Bande eine paſſende aufgenommen worden war, welche die bra Größe zu geben, auch einiges von seiner ven Eltern im voraus dem Zufünftigen früheren Erotik abgedruckt hatte ; aber das ihrer vergötterten Tochter gegenüber nähr konnte ihm auch niemand verbieten, da es ten, sowie auch mit sichtlicher Freude dar doch seine eigenen Gedichte waren über , daß er ein studierter Mann sei ; Frühjahr wurde Hochzeit und nachdem er die Seligkeit genossen, für Schwiegervater lieferte die wohl niemand ganz unempfänglich ist : steuer - Möbel vo
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- ein Freund Petersens dichtete einen Ge- | ganzen Abend füllenden dramatischen Wer- | behauptete, daß sie dieselbe besonders liebe. ang, worin er den Bräutigam aufforderte, fes entwickelte, die er zu schreiben gedachte, Zuerst fand er , daß es ungemütlich für rmöge Eros und den Genius der Poesie wenn er einmal gesammelte freie Zeit ge ihn sei, so gewissermaßen allein zu essen; Hausgötter in seinem Heim sein lassen ; winnen konnte. Vorläufig blieb es jedoch aber allmählich fand er sich darein und nd hierauf bezogen die Neuvermählten bei kleinen Gelegenheitsdichtungen undKan richtete sich in diesem Punkte unbedingt ine Wohnung im vierten Stock in der taten ; aber dies war ja auch gut : Alle nach dem Wunsche seiner Frau. Moniralgaffe, von wo aus man eine weite waren darüber einig, daß sie sehr geschmackBei alledem war er indessen nicht immer Aussicht über die Dächer und die herrliche voll und sehr fein in der Stimmung waren. so frischen und leichten Sinnes , als sie — Morgensonne hatte. Die Sommerferien kamen und Anna es wünschen konnte, und sie hatte bisweilen Sie richteten sich auch recht gemütlich hatte ein wenig gehofft , daß ihr Adolf Skrupel bei dem Gedanken , daß er ihretein ; besonders hübsch war sein Zimmer, jest wenigstens eine der größeren poetischen wegen mehr arbeiten mußte als er es sonst in welchem der Boden mit einem Teppich Arbeiten beginnen werde, die er geplant nötig gehabt hätte , so daß er oft müde bespannt war und all die Kupferstiche, hatte ; aber er erklärte mit einem resig war und stundenlang auf dem Sopha liegen welche fonnte, ihm ohne bank jich mit bare irgend Schüle etwas rinnen zu be= als schäfti Hoch gen; fam fie peitsdann gabe aber zu werehrt ihm hatten, und geschmacksprach nol an fich gebracht darüber wur: aus , so den. wies er Der ihren SchreibKumtiich mer stand Hochidrag mütig in der zurück. Ede, „Habe ich ge= machit dem hei Fenster, ratet, " da: sagte er, hinter ..so muß thronte ich auch die auf ener Konse hola Hütte im Walbe auf Samoa. quenzen jernen tragen, Saule eine Statuette von Holberg , und nierten Lächeln, daß es hier in der dumpfigen das versteht sich von selbst, und ich arbeite n der Wand gleich vorn hing ein Bild Stadt unmöglich sei , sich zu etwas Grö- ja auch nicht mehr, als es verschiedene on Ewald niemand konnte im Zwei- ßerem zu sammeln ; könnten sie alle beide, andere thun müssen. Aber freilich , etwas el darüber sein, daß hier das Heim eines wie er es bisher gethan , irgendwohin Größeres werde ich wohl niemals schreiben Dichters war. aufs Land gehen , dann wäre es etwas können, dazu bleibt mir keine Zeit aber, Adolf Petersen würdigte auch vollauf anderes ; aber dazu hätten sie ja nicht die mein Gott , ich werde mich wohl darein rine Frau sowohl wie sein Heim, und in Mittel . So begnügten sie sich, ein Abon finden; man muß ja auf so vieles auf dieser er ersten Zeit der Che freute er sich den nement fürs Tivoli zu nehmen , wo sie Welt verzichten!" Nun gab es indessen nichts , wovon die anzen Vormittag darauf, nach Hause zu die Abende verbrachten , und im übrigen ontmen , Annas herzliche Begrüßungen ruhte sich Adolf daheim gründlich aus, um kleine Frau sich weniger denken konnte, daß u hören und den Fuß unter seinen eigenen nach den Ferien mit frischen Kräften seine ihr Adolf und die Welt darauf sollten Epeisetisch zu sehen. Unterrichtsthätigkeit wieder zu beginnen. verzichten können, als seine großen DichTann saßen sie nach dem Mittagessen Das that er denn auch; und er gab tungen entstehen zu sehen , und sie spekuufammen auf dem Sopha und sprachen noch überdies einige Privatstunden bei sich lierte daher lange Zeit hin und her , bis paraber, wie glücklich sie wären, machten zu Hause , um sein Einkommen zu ver es ihr endlich gelang, einen Ausweg zu nerauf einen kürzeren oder längeren Spazier größern. Anna erhob anfangs auf das finden. Eines Tages im Juni, ein Jahr gang, und des Abends las er vor, wäh bestimmteste dagegen Protest und erklärte, nach ihrer Verheiratung , kam Adolf erend sie neben ihm saß und aus lauter daß sie mit dem, was sie hätten, sehr gut müdet nach Hause und war augenscheinlich in Entzüden ganz ihre Näharbeit vergaß . Am ihr Auskommen finden könnten ; da er ziemlich schlechter Laune. Nach dem MitSonntag gingen sie häufig in den Tier- aber gleichwohl die Stunden übernahm, tagessen setzte er sich hin, um Stilübungen garten hinaus , und es waren ihr unver- sorgte sie dafür, daß er immer eine recht auszubessern ; als er aber ein paar davon cliche Stunden , wenn er , ihren Arm kräftige Ertrakost zu Mittag bekam, wäh- erledigt hatte, legte er sich in den Stuhl under dem feinigen, den Gang eines größeren rend sie selbst sich in der Regel mit einer zurück, gähnte und seufzte. Anna erhob chologischen Romans oder eines den Milchspeise begnügte, von der sie allerdings sich sogleich , trat auf ihn zu und beugte
Sophus Bauditz. 40: sich über ihn , küßte ihn auf die Stirn und fragte, was es gebe. „Ach, es ist nichts ! " antwortete er. " Ja , sag' es mir nur , Adolf ! Was bedrückt dich in der letteren Zeit ? Es ist wohl etwas. " Ach, es ist nichts Bestimmtes !" „Hör' , sag' es mir doch ! " Nun, du könntest dies wohl selbst denken , daß es nicht besonders lustig ist, sich voll von Ideen und Plänen zu wissen, aus denen etwas zu machen wäre , wenn man seine Freiheit hätte , die aber jezt, wo man nie aus der Tretmühle kommt, nicht weiter gelangen als bis hierher ! " Dabei zeigte Adolf auf seine Stirn . „ Da sich' einmal Frederik Rasmussen oder Karl Bröndum an : ich darf wahrhaftig, ohne unbescheiden zu sein, behaupten, daß ich doch wohl mehr Poesie in mir habe als die beiden Diebe zusammen ; aber Gott bewahre ! Die können Bücher herausgeben, dicke Bände jedes Jahr , und es werden Stücke von ihnen am Königl . Theater aufgeführt, bloß weil sie das haben, was mir fehlt : Otium ! Ja, ich mache dir natür lich keinen Vorwurf , mein liebes Kind ; du bist ja sparsam genug ; aber es ist gleich wohl hart genug zu denken, daß ich, wenn ich nur einen Monat im Sommer an einem hübschen Orte in ungestörter ländlicher Ruhe verbringen könnte , jedenfalls das roman tische einaktige Drama , du weißt schon, schreiben würde ; so aber wird nie etwas daraus werden !" " Ist es wirklich wahr, Adolf ?" fragte Anna freudestrahlend . „Ja, sonst würde ich's natürlich nicht sagen. Aber was hast du bist du froh darüber, daß ich „Nun, so kann ich es denn nicht für mich behalten. Ich hatte mir vorgenommen, nichts zu verraten, bis die Ferien kämen ; aber jezt muß ich's dir erzählen ! Siehst du, Vater und Mutter haben mir zu Weihnachten fünfzig Kronen auf einen neuen Mantel gegeben ; ich kaufte mir aber keinen, da der alte noch ganz hübsch ist . Dann habe ich auch ein wenig für ein Industriegeschäft gestickt , ohne daß du davon eine du warst ja immer mit Ahnung hattest deinen Schulheften und deinen Bücherbe; es ist zwar sprechungen beschäftigt nicht viel , aber es sind doch immer über dreißig Kronen. Und nun kommt das Wesentlichste : ich habe den ganzen Winter hindurch an meinem Wirtschaftsgelde gespart und du hast doch immer dein gutes Essen gehabt, nicht wahr? Ich habe über hundert Kronen beiseite gelegt , so daß du sehen kannst , daß uns nicht viel von zweihundert Kronen fehlen , die wir zur Verfügung haben. Sobald du nun Ferien bekommst, mieten wir uns zwei kleine Zimmer, wo du willst, und dann schreibst du das Drama! “ „ Aber , liebe Anna , wie konntest du !" sagte Adolf halb unruhig und doch streichelte ihr lieb vorwurfsvoll die Wange ; so war es ja nicht gemeint ! " Und seltsam genug er sah durchaus nicht so fröhlich aus, als sie gemeint hatte, daß er werden würde.
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Als aber die Ferien kamen, zogen sie | Händedruck ganz so väterlich-warm_wie je hinaus nach Rungstedt und Anna war mals. Auch seine Poesie schien nichts ver beinahe außer sich vor Freude. " Denke, loren zu haben ; im Gegenteil : noch immer das sind wirklich wir zwei , die wir da konnte jede Schulfestlichkeit sicher auf seine auf dem Lande wohnen, wie andere feine Muse rechnen, er geleitete die großen Männer Leute , und du wirst dichten ! Das ist bei mit seiner florumwundenen Harfe zu Grabe, nahe nicht zu ertragen !" und er gab eine Sammlung „ Gedichte zum Die ersten acht Tage war Adolf in Auswendiglernen “ heraus, worin man mit dessen zu müde von der strengen Eramens- Vergnügen den Herausgeber durch zwei zeit, um arbeiten zu können ; aber er er bisher ungedruckte vaterländische Romanzen holte sich gut, sagte er selbst, machte lange vertreten fand. Spaziergänge und hatte einen untadelAdolf Petersen war bereits sechs Jahre haften Appetit. Nun hätte er ja endlich verheiratet, als er an einem Nachmittag schreiben können ; aber da schien entweder im November in ungewöhnlich guter Laune die Nachmittagssonne so heiß auf seine nach Hause kam. Er hatte eine größere Wohnung , daß er es kaum aushalten deutsche Novelle für die Zeitung überfest, konnte und gerade nachmittags war für die er Theaterkritiken ſchrieb, und daer immer in der besten Stimmung oder für ein größeres Honorar erhalten, als er er kam allmählich zur Einsicht , daß die erwartet , nämlich ganze siebzig Kronen. Muse jedenfalls seine Muse sich Dies erzählte er Anna, die darüber selbitnicht so kommandieren laſſe, ſich zu einer verständlich ebenfalls sehr erfreut war, bestimmten Zeit des Jahres einzustellen, und sie wollten sich eben zu Tische setzen, und das Drama wurde daher nicht ge- als er sagte : Ja, richtig : es soll in vierzehn Tagen schrieben. Anna kränkte sich darüber nicht und ein großer Ball stattfinden aus Anlaß de: konnte nur zu gut verstehen, daß Adolf Uebersiedlung von Frau Biſſerups Institut „das ins neue Gebäude ; da werden wir woh. oft schweigsam und gereizt war ; mußte er ja werden nach einer solchen nicht wegbleiben dürfen . “ und so bestrebte sie Enttäuschung !" „Wir?“ frug sie verwundert. „Ja, du auch; ich kann bei dieſer Gesich auf jede Weise , es ihm so gut zu machen als möglich : sie forderte ihn selbst legenheit nicht allein kommen. “ „Ach , ich glaube , du willst .. : J¢ auf, nicht zu sehr an dem Heim zu hängen, sondern Eindrücke und Einwirkungen im habe auch wirklich kein Kleid. " ,,Dann mußt du dir eines anfertigen Leben draußen zu suchen ; sie schlug ihm vor, wenn er ins Theater mußte, nachher lassen !" " Ein Ballkleid ?" in einem Restaurant zu speisen , wo er Bekannte treffen und sich erheitern konnte, „Ja, natürlich ! " ,,Ausgeschnitten ?" kurz : sie riet ihm immer auf die beste „Ja , warum nicht?" Weise, und Adolf Peterſen ſah es ein und „ Ach, ich meinte bloß, " Anna Lachte folgte dem Rate seiner verständigen Frau . „erinnerst du dich noch , als wir ver Sie war so viel allein , nicht nur den ganzen Vormittag über, sondern auch oft lobt waren, ſetteſt du Himmel und Erd. des Abends , und eigentlich zusammen in Bewegung, daß ich mit hochgeschlossener: lebten sie ja im Grunde nicht , da er, Kleide erscheine! " „ Ja , das war damals ! " antwortet. wenn er zu Hause war , immer vollauf mit Schularbeiten, kleinen Gedichten und er mit einem überlegenen Lächeln über Rezensionen zu thun hatte. Die Spazier seine frühere Thorheit. " Bist du nicht mehr eifersüchtig ?" gänge und Ausflüge wurden auch immer ,,Nicht im Geringſten! - Wollen wir seltener , und da sie sich keinen Dienſtboten hielten, und sie selbst des Morgens nicht zu Tische gehen ? " Der nächste Tag war bedeutungsvoll zeitlich aufstehen mußte , konnte sie nicht Sie war in einem so lange aufbleiben wie er , der in der für Frau Anna. Regel erst nach Mitternacht zur Ruhe Modengeschäfte, um sich einen Seidenstof ging und dann noch , im Bette rauchend , für ein Kleid zu wählen - ſie entschied das Abendblatt las. Aber sie war den sich für eine lichte Cremefarbe – es wurd noch glücklich. Sie hatte ja den Einzigen ihr das Maß genommen, und einige Tag. zum Manne erhalten , den sie geliebt , sie später mußte sie wieder kommen, um das konnte für ihn leben, und er schäßte auch Kleid zu probieren. Dies geschah indeſſen sie hoch, das zeigte er ja auf mannigfache nicht ohne verschiedene Einwendungen vor Art. seiten der Frau: sie entseßte sich beinahe Kandidat Petersen war übrigens noch als sie hörte, daß man dermalen gar keine immer der anerkannte und von den In Aermel trage, und fand das Kleid zu tie stitutsbesitzerinnen gesuchte Lehrer und blieb ausgeschnitten ; allein die Dame , welche auch ferner der Gegenstand der Bewunde ihr dasselbe anprobierte, erklärte beſtimmt rung und des Zutrauens von seiten der daß die Frau doch wie andere Menſcher Schülerinnen . Während der Zeit seiner aussehen müsse , und daß man schon im Verlobung war er dies natürlich weniger ; Ballanzug erscheinen könne , wenn man aber allmählich war die alte Verehrung eine solche Figur habe . Endlich einigte eben so natürlich wieder zurückgekehrt : sein man sich zu einem Kompromisse , zufolg Interesse für jede einzelne Schülerin war dessen die Armöffnungen und der Halsnämlich offenbar eben so groß wie früher, ausschnitt mit Spigen besetzt wurden , sein Vortrag aber so geistvoll und sein gleichwohl ging aber Frau Anna in einer
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Fieberhaften Spannung herum , bis der Balltag und das Kleid kamen. Nachmittags, als sie mit ihrer Toilette beginnen wollte , fiel Adolf plöglich ein, baß er absolut zu dem Herausgeber eines illustrierten Kalenders , dem er schon vor längerer Zeit bestimmt einen poetischen Beitrag versprochen hatte , gehen und ihn bitten müsse , sich nur noch einige Tage "! Aber komm nur nicht u gedulden. spät nach Hause , damit du beim AnLeiden nicht hasten mußt ! " bat Anna. „Nein , ich werde schon zur rechten Zeit zurückkommen ! " antwortete er und qua. Als er zurückkam , war es schon spät ceworden, und er eilte ins Schlafzimmer. Er offnete rasch die Thür, blieb aber un willkürlich an der Schwelle stehen und ereilte so einige Augenblicke. Vor dem Toilettetischchen, auf dem zwei Lichter brannten , saß Anna im vollen Staat ; e beiden herrlich geformten , mattweißen Arme waren erhoben, um eine dunkle Rose in dem leicht gefräufelten, aſchblonden Haar befestigen ; als sie aber sein Kommen bemerkte , ließ sie dieselben rasch fallen, d bevor sie sich nach ihm umwandte, trante er im Spiegel sehen , daß sie er tutte. -Du sagst gar nichts , Adolf! findest du daß du eine hübsche Frau hast ?" fragte halb verlegen. Und sie erhob sich und stellte sich vor on hin, legte die Hände auf seine Schultern ne jah ihm in die Augen. Niemals noch hatte Adolf Petersen acwußt oder bloß geahnt , daß Anna so zaubernd schön sei ! War das wirklich fein Weib? Gehörte all dieſe blendende Shonheit ihm? Er konnte kein Wort hervorbringen vor lauter Bewunderung , cadern ergriff mit beiden Händen ihre Arme, zog ſie ſelbſt an ſich und küßte sie mit einer ganz anderen Wärme, als er es jonst zu thun pflegte. Ja , es ist eigentlich schrecklich, " fuhr fie fort, in einem solchen Anzug sich sehen zu laſſen — und ich weiß, es wird mich frieren : ich bin noch nie mit bloßen Armen argangen ! aber du wolltest es ja so !" Und die junge Frau sah halb neugierig auf sich selbst nieder und errötete wieder rie eine sechzehnjährige Braut. Jeht fehlen mir nur noch die Schuhe ich habe sie selbst mit Seide überzogen ah, hilf mir doch sie anzuziehen, dann it du lieb, Adolf!" Und Adolf kniete ohne Einwendungen ver ihr nieder er hatte es früher nie getban und sie streckte ziemlich kokett as reizende Füßchen unter dem Kleide Arvor. Seidenstrümpfe ! " rief er. „ Nein, was *ür einen herrlichen, gedämpften Glanz sie batzen !" Ja, es iſt das einzige Paar, das ich Sense ; es sind dieſelben , die ich bei der adzeit trug. Nein, ich glaube schon, werde mir lieber ſelbſt helfen, du drückſt mich zu ſtark ! So , nun bin ich fertig ; cile du dich nun auch!“
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Ein wilder, wahuwißiger Gedanke stieg | Ah, halte mir unterdeſſen meine Bouplößlich in ihm auf: fie, die heute Abend ketts ! Da sieh : ich habe deren ganze schön , bezaubernd war wie keine andere, sieben erhalten ! Bist du nicht stolz, sie mußte ja die Königin des Balles daß solch eine alte, verheiratete Frau noch werden , gefeiert und umschwärmt von Glück machen kann ?“ allen ; freche Männer werden sie um Hierauf tanzten sie hinaus und sie schlingen und an ihre Brust drücken ; sie flüsterte : werden ihr fade Schmeicheleien ins Ohr " Wie du ausgezeichnet führst ! O, ich flüstern, und er, der Mann , ihr recht- unterhalte mich so herrlich ! Ich könnte mäßiger Herr, wird dastehen und zusehen die ganze Nacht hindurch tanzen mit müssen ! Zum Teufel mit dem verfluchten dir natürlich !" Ball ! Noch war es Zeit ! Sie konnten ja Man brach verhältnismäßig früh auf --zu Hause bleiben : er brauchte nur Kopfes waren ja nicht wenig halberwachsene schmerzen vorzuschüßen , und Anna werde junge Leute zugegen www.c und gegen zwei sicherlich die erste sein , darauf zu ver Uhr war das Ehepaar zu Hause. Sowie zichten ! Nein, das wäre doch zu feig ! er die Lampe im Schlafzimmer angezündet Und seine Kantate, die bei Tisch gesungen und seinen Frack ausgezogen hatte , dachte werden sollte , er bekäme sie ja gar nicht er einen Augenblick , sich seiner Frau um zu hören ! Nein, fie mußten gehen, den Hals zu werfen , sie um Verzeihung wie gern er auch geblieben wäre! Jn zu bitten er wußte selbst nicht für wenigen Minuten war er angekleidet, der was seine grenzenlose , wahnwißige Wagen hatte bereits vor dem Hause ge- Eifersucht zu gestehen und aber dann wartet, und so rollten sie denn davon. ward er plöglich wieder anderen Sinnes Es war keine Täuſchung möglich : Frau und sagte in seinem gewohnten geſchäftsAnna erregte gleich bei ihrem Eintreten mäßigen Tone : „ Geh du nur zu Bette! in den Festsaal Senſation ; Frau Biſſerup Ich werde noch schreiben. “ "Jest, in der Nacht ? Das kannst du nahm ihren lieben Kandidat Petersen auf die Seite und vertraute ihm an, daß seine nicht meinen ! Ach, Adolf "Ja , ich glaube gerade , daß ich jetzt Frau die allerschönste sei ; halb und ganz erwachsene Mädchen blickten sie an und schreiben kann ! Ich bin in der richtigen. flüsterten zusammen neidisch bewundernd, Stimmung! " fügte er in einem eigenen und all die jüngeren Lehrer hatten im Tone hinzu. " Gute Nacht, Anna ! " Laufe von fünf Minuten Frau Petersens Er zog seinen Schlafrock an, ging ins Tanzordnung mit ihren Namen bedeckt. Arbeitszimmer undsetzte sich an den Schreib Unter anderen Umständen würde Adolf tisch ; und hierauf schrieb er nie waren. Petersen sich hierdurch geschmeichelt gefühlt ihm die Verse so leicht aus der Feder haben ; aber in der Stimmung, in der er geflossen wie jetzt ! sich jezt befand , betrachtete er es beinahe Gegen die Morgenstunde war er fertig als ein Verbrechen, daß sie anderswo sein und begab sich zur Ruhe ; als er sich aber konnte als bei ihm und die übrigen ihm über Anna beugte, bemerkte er , daß sie sein Eigentum entreißen konnten ; niemand im Schlafe geweint haben mußte : es sollte es ihm jedoch anmerken , am aller hingen noch einige Thränen zwischen den wenigsten sie , und so tanzte er denn wie langen Augenwimpern, die Wangen glühten, ein professioneller Balllöwe mit allen sie atmete schwer und gleichsam schluchzend. Am nächsten Tage erhielt der Herausanderen Damen, war geistreich und liebenswürdig , lachte und sagte allerlei Ange- geber des illustrierten Kalenders Adolf nehmes und engagierte endlich Marie Petersens Gedicht, und es war die höchste Berner, die fünfzehnjährige aber voll ent- Zeit, denn es brauchte nur noch der lezte wickelte Schönheit des Institutes zum Bogen des Buches gedruckt zu werden, eine Woche darauf erschien dasselbe. ersten Tanz nach Tische. Er war wie verjüngt. Für gewöhnlich Dann saß der Dichter einige Tage war seine Haltung nicht sonderlich gerade, später des Abends an seinem Schreibtisch und er machte im ganzen keine gute Figur ; und besserte Schulhefte aus ; allein er aber an diesem Abend nahm er sich vor mußte sie jeden Augenblick beiseite legen trefflich aus , und Anna war glücklich, auch es war ihm unmöglich, seine Gedanken. ihren Mann als Ballkavalier bewundern beisammen zu halten , wie es ihm schon zu können. Wenn sie nur zuweilen seinem seit jenem Ballabende unmöglich gewesen. Blick hätte begegnen können ; aber er sah war. Was war es doch nur mit ihm ? nicht auf sie er war wohl allzusehr Was für eine sonderbare Unruhe hatte sich seiner bemächtigt ? War er eifersüchtig ? in Anspruch genommen ! Bei Tische übertraf er sich selbst. Die Auf wen? - Auf ein unbeſtimmtes X? Kantate machte großes Glück , er strich oder vielleicht eher auf die ganze Welt? viele Komplimente ein und trank jeder Nein , ernstlich eifersüchtig war er nicht mann zu viele Gläser und zuletzt aber wie herrlich Anna doch damals ge= hielt er eine Rede für die Damen, welche wesen ... und wie herrlich sie auch jest selbst Frau Bisserup für die beste und war, wie sie dort auf dem Sofa ſaß! ritterlichste erklärte, die sie noch von ihm Aber was hatte denn auch sie? So kurz gehört hatte. Beim Kotillon trat Anna und einsilbig, wie sie seit dem Balle war! auf ihn zu und verbeugte sich vor ihm . sie wich jeder Annäherung von seiner Seite „ Du hast nicht ein einziges Mal mit aus , während er gerade — nein, ſie war mir getanzt, du abscheulicher Mann ! " sagte eine ganz andere geworden ! Und sie hatte sie. „Aber nun entkommst du mir nicht ! in den letzten Tagen öfter geweint! Sollte
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gleichwohl? nein, es war unmöglich! Sie mußte ja glücklich mit ihm sein; es war lächerlich, etwas anderes zu denken ! Es läutete, und Anna erhob sich, um zu öffnen ; man brachte das Abendblatt. Er machte sich wieder an die Hefte , und sie warf einen Blick in die Zeitung. " Du bist hier erwähnt, " sagte sie plöglich. „ Na , das wird das Gedicht im KaLender sein. " "Ja, aber du bist gelobt, sehr gelobt. Komm' , und lies ! " Und hierauf lasen sie zusammen die Besprechung , welche mit der Bemerkung schloß , daß Adolf Petersens Gedicht Bygmalion" das beste im Buche sei. In ,,hat der diesem Gedichte" - hieß es Dichter, der bisher sein Talent an allzu viele Bagatellen verschwendete, etwas wirklich Bedeutendes hervorgebracht . Während seine früheren Gedichte hübsche Kleinigkeiten ohne Gepräge eines tieferen Gefühls und ohne Energie im Ausdruck gewesen waren, hat er in " Pygmalion“ eine wirkliche Inspiration gezeigt , und hier ist die Erotik echt. Man muß hoffen, daß dieses Gedicht einen Wendepunkt in seinem litte rarischen Schaffen bilden und daß er im stande sein werde , noch manch ähnliches hervorzubringen. “ „Aber ich habe ja das Gedicht gar nicht gelesen!“ ſagte Anna. „ Weshalb hast du es mir nicht gezeigt?" Er gab ihr den Kalender und ſie las es. Die alte Mythe von Pygmalion, dessen schöner Statur die Götter Leben schenkten, war hier auf eine ziemlich seine Weiſe behandelt. Das Gedicht schilderte zuerst, wie das Leben in dem weißen Marmor erwachte , wie das Blut gleichsam von innen heraus in diese üppigen Formen aus blinkendem Schnee strömt und ihnen einen gedämpften Glanz warmer Karnation verleiht, wo die feinen Adern sich bläulich auf dem herrlichen Arm und den runden Schultern zeichnen, wie der erste Atemzug die feste , jungfräuliche Brust hebt , und wie Galathea wie im Traume die Augen öffnet, und ob ihrer eigenen keuschen Schönheit errötet. Pygmalion wird von Entzücken erfaßt, aber im nächsten Augenblicke auch schon von Wahnsinn ergriffen : ihre Schönheit gehört nicht ihm allein, er kann sie ja nicht, ohne ungerechtfertigte Gewalt zu üben, einsperren ; er kann sie nicht ganz besigen , kann es nicht verhindern , daß auch andere Blicke als nur der seine auf ihr ruhen, und in unbändiger Raserei erhebt er den Hammer und zertrümmert mit einem einzigen Schlage sein lebendig gewordenes Ideal. Immer stärker bewegt las Anna die klingenden, leidenschaftlichen Verse , und als sie mit dem Lesen fertig war, brach sie in heftiges Schluchzen aus, verbarg das Gesicht mit den Händen und sank über dem Tische zusammen. Aengstlich und verwirrt lief Adolf herbei und wollte seinen Arm um sie legen; aber Anna sprang auf, und in einem Tone, den er früher nie gehört hatte , rief ſie : „Rühr mich nicht an ! Ich ertrag' es
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nicht ! - Ja , es ist wahr , was in der | lassenes „ Reichsmilitärgeseh" gabden Rezension steht : es ist Erotik in diesem Grundgedanken der geltenden Vorschriften Gedichte und sie war früher niemals in erneuten Ausdruck und die als Ausfüheiner Zeile von dem, was du geschrieben ! rungsbestimmungen für dieſes und die übri― O, ich hab' gen maßgebenden Geseze ergangene WehrNun kann ich es sehen ! jest ordnung vom 28. September 1875, es ja geahnt gleich seit dem Balle ---mich hast sowie die als Ergänzung derselben dienende bist du verliebt ! Und mich Nein, verantworte Heerordnung vom nämlichen Tage volldu niemals geliebt! dich nicht ! Ich bin blind gewesen , ich endeten den Ausbau des Gebäudes . Daswerde es aber nicht länger sein ! - Auf selbe unterschied sich von dem 1867 aufwen ist das Gedicht geschrieben? Ant gerichteten nur wenig. Wir wenden uns deshalb gleich zu den worte mir, ich will es wissen ! Welche gegenwärtig in Kraft befindlichen. Sie hat diese weißen Arme und den — “ Entseht, wie vom Blizz getroffen über beruhen auf der am 22. November 1888 die Wirkung , welche seine Poesie geübt erlassenen Wehrordnung und der Heer: hatte, rief Adolf abwehrend: ordnung vom nämlichen Tage. Beide „ Anna ! aber Anna!“ waren nötig geworden, nachdem durch das Und in einem ruhigen verlegenen Tone Gesetz vom 11. Februar 1888 die in Befügte er hinzu : „Aber, Herrgott, das bist treff der Wehrpflicht geltenden Geseze erheb ja Du! Wer sollte es denn sonst sein ?" liche Abänderungen erfahren hatten. "Ich?" rief sie aus . Wie dieses Gesetz dem gesamten Volke „Ja, bei Gott, du !" vermehrte Laſten auferlegt und an alle zur Und hierauf folgte eine Erklärung, Erfüllung ihrer Wehrpflicht Herangezogenen ein flüsterndes Geständnis eigener Schuld größere Anforderungen stellt, so verlangt und Schwäche; die kleine Frau mußte nun es insonderheit von denjenigen größere weinen und lachen zu gleicher Zeit , und Leistungen, welche den Anspruch erheben, keines von beiden las an diesem Abende in den Tagen der Gefahr zu den Führern gehören zu wollen. mehr das Zeitungsblatt. " Nun wirst du richtig dichten !" sagte Die Kriegskunst ist in raſchem Fortsie am nächsten Tage. „Und in den schreiten begriffen. Auf dem Gebiete der Waffentechnik treten ſtets neue Erfindungen Sommerferien gehen wir aufs Land !" Aber Adolf Petersen schrieb kein Ge- und Entdeckungen zu Tage. Sie nötigen dicht mehr, das in gleicher Weise durch zu Aenderungen in der Kampfweiſe und schlug wie " Pygmalion " ; es schien , als zu immer größerer Vervollkommnung im ob seine Erotik ihren Höhepunkt erreicht Gebrauche der Waffen und aller sonstigen und eine einzige Blüte abgesezt hätte, um Streitmittel . Stillſtehen wäre Rückschritt. niemals wieder eine ähnliche zu entfalten. Angestrengten Fleißes und vermehrter Sie zogen auch dieses Jahr nicht aufs Uebung bedarf es daher für den Offizier des Land , denn mitten in den Sommerferien Beurlaubtenstandes , wenn er der seiner kam der Storch mit einem reizenden kleinen harrenden Aufgabe jeden Augenblick geMädchen zu ihnen , und sie beide be- wachsen sein will. fonders aber sie waren außer sich vor Die gegenwärtig geltenden BeFreude. stimmungen. Die Familie Petersen ist glücklich und Die Pflanzschule für die Offiziere des befindet sich in guten Verhältnissen, denn Adolf hat eine Anstellung als Mitdirektor Beurlaubtenstandes sind nach wie vor die eines größeren Institutes erhalten und die Einjährig Freiwilligen. Familie ist später nicht vermehrt worden. Wer seiner Dienstpflicht als Einjährig Freiwilliger genügen will , muß zunächst um die Berechtigung dazu nachsuchen. Im allgemeinen darf dies nicht vor zurückgelegtem 17. Lebensjahre, muß aber spä Die Anforderunge n an die testens bis zum 1. Februar des ersten Offiziere des Militärpflichtjahres , d. h. desjenigen geschehen , in welchem das 20. Lebensjahr Beurlaubtenlandes . vollendet wird. Es geschicht mittelst schrift Don licher Meldung bei der Prüfungskommission für Einjährig Freiwillige desjenigen Be B. Poten. zirkes , in welchem der Nachsuchende gestellungspflichtig sein würde. Der Meldung Jie treue Waffenbrüderſchaft der Kame sind ein Geburtszeugnis , eine Erklärung Die raden von Nord und Süd einten das des Vaters bezw . Vormundes über die Reich ; Blut und Eiſen ſchweißten die Glie Bereitwilligkeit, den Freiwilligen während der desselben zu einem untrennbaren einer einjährigen aktiven Dienstzeit zu be Ganzen zuſammen und nach Friedensschluß kleiden und auszurüsten, sowie die Kosten gingen die bewährten Einrichtungen des für seine Wohnung und seinen Unterhalt Norddeutschen Bundes auch auf den Süden , zu übernehmen, wozu die Fähigkeit obrig soweit er sie nicht schon vorher angenommen keitlich zu bescheinigen ist , und ein Un hatte , über. Das Gesetz über die Ver- bescholtenheitszeugnis beizukegen , welches pflichtung zum Kriegsdienst vom 9. No- den Zöglingen höherer Schulen der Direk vember 1867 erhielt Geltung für das tor, allen anderen die Polizei oder ihre ganze Reich; ein am 2. Mai 1874 er Dienstbehörde ausstellt. Außerdem ist die
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wissenschaftliche Reife, entweder durch Beibringung eines Schulzeugnisses oder durch Ablegung einer Prüfung nachzuweisen. Tiejenigen Lehranstalten, welche zur Aus stellung der Zeugnisse berechtigt sind, wer den öffentlich bekannt gemacht; im all gemeinen sind es die sogenannten höheren Schulen; zugleich wird bestimmt , welche Klaje derselben erfolgreich besucht sein muß, um die Befreiung von der Prüfung zu begründen. Wenn wir auch hier dem Sprachgebrauchefolgen , um sie zu bezeichnen, so muß die Reife für Prima eines Gymraums vorhanden sein , eine sehr erhebliche Verschärfung in den Ansprüchen an die wiſſenſchaftliche Bildung, denn bisher hatte der einjährige Besuch von Unter sekunda genügt und hier brauchte das Zeugnis nicht verdient zu sein , sondern es konnte erſeſſen werden. Wer das Zeug nis nicht beizubringen vermag , muß bei der Prüfung, welche im Frühjahr und im Herbst vorgenommen wird , den jenem Standpunkte entsprechenden Bildungsgrad nachweisen. Wer den Ansprüchen genügt und den Berechtigungsschein erhalten hat, darf den Truppenteil , bei welchem er einzutreten wünſcht, ſelbſt wählen ; in größeren Garnifonen erfolgt die Verteilung auf die Trup penteile der gewählten Waffe jedoch durch die Militärbehörde ; Feldartillerie und Train ſind an Erten, wo Truppen zu Fuß garnijonieren, zur Annahme von Freiwilligen nur bis zur Zahl von vier bei einer jeden Batterie bezw. Kompanie verpflichtet. Während ihrer Dienstzeit wird den Einjährig- Freiwilligen nach Möglichkeit Ge egenheit gegeben sich in ihrem eigentlichen Lebensberufe fortzubilden. Wer Stu ent ist , kann dies auch während seiner Dienstzeit bleiben. Er verliert dann wenig tens keine Zeit. Ob er in litteris viel rofitiert, ist eine andere Sache. Der Eintritt kann, mit Genehmigung er Erjagkommiſſion bis zum 1. Oktober esjenigen Jahres verschoben werden , in selchem das 23. Lebensjahr vollendet ird ; ausnahmsweise darf Zurückstellung is zum 26. erfolgen. Der Eintritt findet im Train am 1. November , bei den brigen Waffengattungen am 1. Oktober att, während er früher bei der Infanterie ich am 1. April geschehen konnte. Me ziner, welche in das Sanitätskorps aufnommen zu werden wünschen , dienen n halbes Jahr mit der Waffe und, nach haltener Approbation als Arzt , ebensonge als Unterärzte. Wer die Approbation m Tierarzt beſißt und eine Prüfung im ufbeschlage bestanden hat, darf, nach halb hriger Dienstzeit mit der Waffe , zum njährig-freiwilligen Unterroßarzt befördert erden. Apotheker können ihrer Dienst licht in einer Militärapotheke genügen. Die Einjährig Freiwilligen müſſen für re Bekleidung und ihren Unterhalt bſt ſorgen. Die Ausrüstungs- einschließ h der Reitzeugstücke werden ihnen gegen ahlung des durch den Etat festgeseßten usrüstungsgeldes geliefert ; die Waffen nen leihweiſe überlaſſen und auf ihre 89. II.
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Kosten in Stand erhalten. Es ist gestattet aus dem Ererzierreglement, der Felddienstund empfohlen , die Bekleidung durch die ordnung , der Schießvorschrift , der allgeBekleidungskommissionen gegen Zahlung meinen Dienstkenntnis , dem Technischen der Etatspreise zu beschaffen; es ist dies die der eigenen Waffe (Waffen, Schießbedarf, billigste Art und sie leiſtet Gewähr, daß die Pferdekenntnis 2c. ) , wozu je eine Stunde Stücke vorschriftsmäßig angefertigt sind. Zeit gewährt wird. Die mündliche Prüfung Der von den Einjährig- Freiwilligen erstreckt sich auf alle Gebiete des Erlernten. für ihre Berittenmachung mit DienstDie Entlassung erfolgt zur Reſerve pferden zu zahlende Preis hatte schon der eigenen Waffe, doch dürfen Einjährig früher eine erhebliche Steigerung erfahren. Freiwillige der Garde zur Provinzialreserve, Es zahlt der Kavallerist und der reitende der Jäger und Schüßen , der Pioniere, Artillerist 400, der der nichtreitenden Ar- | Eisenbahn- und Luftschiffertruppen zur tillerie und des Trains 150 Mark, außer- | Infanterie , der Kavallerie zum Train dem entrichtet jeder derselben ein Pausch entlassen werden . quantum für Hufbeschlag und Pferdearznei Zur Ergänzung der Offiziere des und den Preis für das Futter. Der Auf- Beurlaubtenstandes dienen außer den wand , welcher hierdurch erfordert wird, Reserveoffiziersaspiranten diejenigen Offirichtet sich nach den Marktwerten für ziere , welche aus dem aktiven Dienst in das Futter und nach der Waffengattung, den Beurlaubtenſtand übertreten und Mannwelcher der Freiwillige angehört ; gegen schaften, welche sich vor dem Feinde auswärtig ist er auf etwa 350 Mark zu verzeichnen. anschlagen . Die Reserveoffiziersaspiranten haben Wenn der Einjährig - Freiwillige mit nun zunächst , um die volle Befähigung zu seiner Truppe die Garnison verläßt, Offizieren zu erlangen , zwei achtwöchent so wird er wie erstere einquartiert ; er liche Uebungen abzuleisten ; früher war hat dafür den gesehmäßigen Betrag und, es nur eine. Dieselben finden in den wenn es mit Verpflegung geschah , für beiden ersten auf die Entlassung folgenden lettere täglich 2,50 Mark zu zahlen. Jahren statt. Die Vorschläge dazu gehen Werden den Truppen die Lebensmittel von den Bezirkskommandos an die obersten geliefert, so entrichtet er für seinen Anteil Waffenbehörden. Es sind dies für das 50 Pfennig . Wird er in das Lazarett Gardekorps das Generalkommando desaufgenommen, so zahlt er 1,20 Mark täg selben, für Provinzialinfanterie, -Kavallerie, lich. Während der Dauer einer Mobil Feldartillerie das betreffende Generalmachung wird er wie jeder andere Soldat kommando , für Jäger und Schüßen die Inspektion, für Fußartillerie und Pioniere bezw. Unteroffizier verpflegt. Sämtliche Einjährig Freiwilligen wer die Generalinspektionen , für Eisenbahner den, soweit sie sich dazu eignen , zu Offi- und Luftschiffer der Chef des Generalzieren des Beurlaubtenstandes ausgebil- stabes der Armee, für den Train die Zndet. Dazu werden sie, neben ihrem son spektion . Für die Zuweisung an den stigen Dienste, spätestens von Beginn des einzelnen Truppenteil ist dessen Bedürfnis vierten Monats ihrer Dienstzeit an, durch im Mobilmachungsfalle maßgebend . Beide einen dazu befehligten Offizier praktisch Uebungen geschehen in der Regel bei dem und theoretisch unterwiesen. Wer sich nicht nämlichen Truppenteil . Wünſche der Aſpizum Offizier eignet, wird zum Unteroffizier ranten in Betracht des letteren werden ausgebildet. Die Ernennung zu Gefrei berücksichtigt , soweit das Dienſtintereſſe ten kann, wie früher, nach sechs , und nach es zuläßt. neun Monaten kann die Beförderung zum Die erste Uebung findet im StandUnteroffizier erfolgen. orte des Stabes des Truppenteils statt . Kurz vor Beendigung ihrer Dienstzeit Der Aspirant thut Unteroffiziersdienst und werden diejenigen , welche sich nach dem wird durch einen Offizier praktisch und auf die Beurteilung des Kompanie-2c.Chefs theoretisch weiter unterrichtet. Am Schluß und des mit der Unterweisung beauftragten der Uebung findet für diejenigen , welche Offiziers gestüßten Urteile des Truppen dienstlich und außerdienstlich befriedigt befehlshabers zu ,,Reserveoffiziersaspiranten haben, die „ Reserveoffiziersprüfung" eignen " , einer praktischen und theoretischen statt. Sie ist mündlich und schriftlich und Offiziers aspirantenprüfung" unter erstreckt sich auf die Taktik der eigenen worfen, nach dem Bestehen zu !! Reserve- und, in großen Zügen, der verbundenen offiziersaspiranten " ernannt und, wenn Waffen , Lesen von Karten und Ansie noch nicht Unteroffiziere waren , dazu fertigen vonKroquis, Kenntnis der eigenen befördert. Ihre weniger glücklichen Kame- Waffen und Schießvorschrift und allgeraden können als „ Unteroffiziersaspiranten " meine Begriffe über andere, Pionierdienst der eigenen Waffe, Grundzüge der Armee entlassen werden. Die praktische Prüfung besteht in organisation, Dienstkenntnis , insbesondere Vorererzieren eines Zuges, Vorinstruktion Kenntnis der ehrengerichtlichen Bestimeiner Abteilung über ein gegebenes Thema, mungen, Militärbriefſtil und bezw . PferdeFühren eines Zuges in der Kompanie, kenntnis . resp. Lösung einer Felddienstaufgabe mit Sein Endurteil über den Aspiranten Gegner , über welche eine Meldung nebst faßt der Kommandeur in dem gewichtigen einfacher Skizze anzufertigen ist. Die Worte zusammen , welches im Uebertheoretische Prüfung ist schriftlich und weisungsnationale die Uebung als „ erfolg mündlich. Die schriftliche besteht in der reich" oder „ ohne Erfolg" bezeichnet. Wenn Abfaſſung kurzer Arbeiten über Aufgaben das erstere gefällt wird, so erfolgt gleich3
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zeitig die Beförderung zum Vizefeldwebel bezw . Vizewachtmeiſter. Die erste Uebung hieß die Uebung A. Es folgt Uebung B , welche thunlichst wiederum beim Stabe des Truppenteils stattfindet. Sie ist zur praktischen Ausbildung im Dienste des Offiziers bestimmt, welche wiederum durch den von einem Offizier zu erteilenden Unterricht gefördert wird ; ihr Ergebnis wird einer praktischen Prüfung unterworfen . Fällt lettere günstig aus, so hat der Truppenkommandeur, unter Berücksichtigung der außerdienstlichen Haltung des Aspiranten , sich in dem Ueberweisungsnationale darüber auszusprechen, ob er damit einverstanden ist , daß der Aspirant zum Reserveoffizier seines Trup penteiles in Vorschlag gebracht wird. Uebungen , welche ohne Erfolg" gewesen waren, dürfen wiederholt werden ; wenn die Uebung B auch dann das ge-
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Wie der Landwehroffizier, gehört der Reserveoffizier zum Offizierskorps desjenigen Landwehrbezirkes , welchem er überwiesen wird ; seine Gesuche und Meldun gen gehen, wenn er nicht zum Dienst ein gezogen ist , an das Bezirkskommando . Jm Dienst erscheinen Reserve wie Land wehroffiziere stets in Uniform . Während der Beurlaubung dürfen sie dieselbe bei feierlichen Gelegenheiten, insbesondere bei Festen der Kriegervereine 2c. anlegen. Sie unterliegen den ehrengerichtlichen Bestim mungen. Die Reserveoffiziere können während der Dauer dieses Verhältnisses dreimal zu vier- bis achtwöchentlichen Ucbungen herangezogen werden ; in der Regel soll an dem höchsten zulässigen Maße der Dauer festgehalten und es soll die Uebung nach Kräften für die kriegsgemäße Aus bildung ausgenügt werden. In der Regel
gleich. Einberufene Zivilbeamte behal ihre Zivilbesoldung, auf welche die M tärbesoldung angerechnet wird ; eine & zung der ersteren findet für diejenia welche einen eigenen Hausſtand har nur dann statt , wenn beide Besoldun. zusammen mehr als 2400 tragen. Eine äußere Anerkennung langer, ü das gesetzliche Maß hinaus und mit sonderem Interesse geleisteter Dienste folgt durch Verleihung eines Ehrenzeich der Landwehr Dienstauszeichnun Es gibt zwei Klaſſen derselben . Die er ein silbernes Kreuz , können nur sel Offiziere und Sanitätsoffiziere des urlaubtenstandes erhalten, welche mehr zwanzig Jahre dem stehenden Heere der Landwehr ersten Aufgebots" angeb haben ; die zweite Klasse die Schnall ein farbiges seidenes Band in eiſer
wünschte Ergebnis nicht geliefert hat , so finden die Uebungen beim eigenen Truppen bleibt dem Aspiranten noch die Hoffnung, teile statt. Die Zugehörigkeit zu den Re daß der Kommandeur ihn " als geeignet serveoffizieren ist für den Einzelnen nicht zum Offizierstellvertreter im Kriegsfalle " be mehr, wie früher, auf eine bestimmte Reihe zeichnet; geschieht auch das nicht, so verfällt von Jahren beschränkt ; sie wird jedoch er ganz dem Schicksal des Reservemannes. über die geſeßliche Zeit (das 7. Dienſtjahr) Während der Uebungen wird der hinaus nur unter der Bedingung zuge Aspirant wie jeder andere Unteroffizier ſtanden , daß der Betreffende sich zu begehalten ; er wird also vom Staate besonderen für ſeine Ausbildung nötig erkleidet, beſoldet, verpflegt und beritten ge- achteten Uebungen bereit erklärt. Die macht. Außerdienstlich gehört er jest in Beförderung erfolgt mit dem Hinter die Gesellschaft der Offiziere , damit dieſe mann im Linientruppenteile , die Befähibeurteilen können, ob er würdig sei, ganz gung dazu wird bei den gewöhnlichen in ihren Kreis zu treten. Den Einjährig Uebungen dargelegt. Die Einberufung der Offiziere Freiwilligen trennt von ihnen eine Kluft, welche je nach seiner Lebensstellung und der Landwehr ersten Aufgebotes namentlich nach der Garnison , in der er richtet sich nach ihrer Mobilmachungssteht, größer oder geringer ist. In einer bestimmung. Ihre Befähigung zur Be fleinen Stadt überbrückt sie sich leichter förderung haben sie durch) vier bis acht als in einer größeren ; wo nur wenige die wöchige Uebungen bei Linientruppenteilen Brücke beschreiten, trägt ſie dieſelben leichter nachzuweisen , im übrigen sind sie nur als wo der Zudrang groß ist , wie in zur Teilnahme an Landwehrübungen verBerlin, in einer Universitäts- oder großen pflichtet. Offiziere des zweiten Aufgebotes Handelsstadt. haben eine solche Verpflichtung überhaupt Es folgt nun die Wahl. Sie findet nicht. Die Beförderung von Land durch das Offizierskorps desjenigen Land- wehroffizieren erfolgt nach ihrem wehrbezirks , welchem der Offiziersaspirant Dienstalter in den zugehörigen Linienangehört , im Kriegsfalle durch das des truppenverbänden (z. B. Jnfanteriebri Truppenteiles statt. Nur solche Aspiran- gaden, Kavalleriedivisionen , der gesamten ten dürfen zur Wahl gestellt werden , welche Fußartillerie 2c. ) mit Rücksicht auf ihre Lebensstellung und Während ihrer Einziehung zu Uebun ihr außerdienstliches Verhalten zu Offizieren gen erhalten die Offiziere des Beurlaubten geeignet sind , eine gesicherte bürgerliche standes Diäten und zwar der HauptExistenz besigen und sich mit ihrer Be- mann 7,50 , der Premierlieutenant 3, der förderung schriftlich einverstanden erklärt Sekondelieutenant 2,50 Mark , daneben haben ; nur solche dürfen gewählt werden, beim Verlassen der Garnison die Komwelche bei ehrenhafter Gesinnung eine mandozulage der Linienoffiziere , außer dem Ansehen des Offizierſtandes ent- dem bei jeder Einziehung ein Equipiesprechende Lebensstellung besitzen “ . rungsgeld im Betrage von 210 Mark für Bei der Wahl entscheidet Stimmen den Hauptmann 2c. , von 150 Mark für mehrheit. Ist mindestens ein Drittel der den Lieutenant. Zu den Uebungen haben abgegebenen Stimmen gegen die Wahl die Offiziere der Kavallerie und reitenden gewesen, so werden ihre Gründe derselben Artillerie ein Reitpferd mitzubringen, außzerdem wird ihnen ein Dienstpferd vom in die Wahlverhandlung aufgenommen. Wer gewählt ist, wird zur Beförde- Truppenteil gestellt ; für beide empfangen rung zum Offizier , und zwar in der sie Nationen. Bei der nicht reitenden Regel bei demjenigen Truppenteile, deſſen Feldartillerie und dem Train werden sie Kommandeur sich damit einverstanden er durch den Truppenteil beritten gemacht. klärt hat, in Vorschlag gebracht. Er hat Im Falle einer Mobilmachung sind sich zu verpflichten, daß er mindestens drei die Gebührniſſe der Offiziere des BeurJahre als Reserveoffizier dienen will. laubtenstandes denen der Linienoffiziere
Einfassung , wird an Personen verlich welche nach Erfüllung ihrer Dienstpili im stehenden Heere und in der Landwe ersten Aufgebots einen Feldzug mit macht oder mindestens noch drei Mon aktiv gedient haben. Nach erfüllter Landwehrpflicht dark i Offizier des Beurlaubtenſtandes um ſer Entlaſſung nachſuchen. Er tritt dann 31 Landsturm über, um „ wenn einst das V im Sturm bricht los " die Waffen v neuem zu ergreifen. Beim Ausschein kann ihnen das Recht verliehen werden, d Landwehr- oder auch die Regimentsunifor fortzutragen. Auf Pension haben sie in Frieden nur dann Anspruch, wenn sie dur unmittelbare Dienſtbeſchädigung invalid a worden sind. Im Kriege stehen sie au in dieser Beziehung den Berufsoffiziere ganz gleich. ** * Die Verpflichtungen und Lasten, weld der Offizier des Beurlaubtenstandes Gegenleistung für die aus seiner Stellu ihm erwachsenden Vorteile und Vergi stigungen auf sich nimmt, sind nicht gerin Aber die Opfer werden gern gebra Der stetig wachsende Zudrang zum Die als Einjährig Freiwillige und zu weite Beförderung, welcher gestattet hat , immer mehr sichtbar werdenden Bedürf beſſerer Ausbildung der Offiziere des urlaubtenstandes durch eine Erhöhung Ansprüche zu genügen, beweist es. manias Söhne sind auf dem Wege , Wehrpflicht zu einem Wehrrecht zu stalten ; ſie wollen das Dichterwort, weld das Pfui ! ausruft über den Schran hinter dem Ofen, zur Wirklichkeit mac Schon fragt man bei dem jungen M aus den höheren Ständen , welcher Offizier ist : „ Warum ist er es nicht Des Kaisers Rock ist der höchste T mit dem der Offizier der Reserve und Landwehr an seinem Ehrentage ſich ſchmü auch nach seinem Austritt aus dem Di wünscht er denselben zu tragen ; für bedeutet „ Wehrlos ehrlos !"
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Balduin Möllhausen. Das Haus Montague. -56-
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was nur immer zu Ihrer Kenntnis gelangte , müſſen wir hören. Die kleinsten Nebenumstände können eine Bedeutung Das Haus Montague. von größter Wichtigkeit gewinnen , wenn wir sie in Zusammenhang mit anderen Erzählung in drei Bänden von Ereignissen bringen. Erzählen Sie daher ausführlich, wie Sie überhaupt in Beziehung Balduin Möllhausen. zu den Zwillingen gelangten, und fürchten Sie nicht, ein Wort umsonst zu sprechen. " (Fortsetzung.) Unter unseren gespannten Blicken ſann das Weib eine Weile ernst nach, dann hob es an : Wie lange es her ist , kann der neigte meinen Kopf vor den Professor | es mir ein , infolgedessen ich mich daran junge Herr an seinem eigenen Lebensalter hin; um einer Berührung der Drentel gewöhnte, es ängstlich zu verheimlichen. " abmessen, da kam eines Abends ein Herr, u entgehen, strich ich das halblange Haar Hier überwältigte mich die Erregung, und der mich ohne Zeugen zu sprechen wünschte. ach dem Hinterkopf hinauf. Troydem der Drentel mich zukehrend, fragte ich be- Ich vermutete, in irgend welchen Geschäftsählte ich schaudernd eine warme breite schwörend : „Wo finde ich meinen Bruder ? angelegenheiten ; allein er fragte nur an, erſpiße über meinen Nacken hingleiten; Nur das sagen Sie mir, und ich will es ob ich geneigt sei, ihn gegen hohes Entgelt m triumphierendes heiseres Lachen drang Shnen lohnen so hoch, wie es in meinen auf einer Reise zu begleiten und zwei Waisenkinder für ihn in Empfang zu u meinen Ohren, und an dieſes ſchloſſen Kräften steht." die Worte an , mit welchen die alte ,,Sie verlangen mehr , als ich beim nehmen. Damals lebte ich in glänzenden Eferin dem Profeſſor eine Erklärung besten Willen zu leisten vermag , " ant- Verhältnissen, daß ich's nicht nötig gehabt feltſamen , unter dem Haar fast ver- wortete dieſe mürriſch, „ ich dächte, es wäre hätte ; allein da er über die Hunderte von schon eine große Sache, zu wissen , daß Dollar redete , als brauchte er sie nur wwindenden Zeichens gab. Und das ſoll ein Muttermal_ſein? " wenn Sie jemand mit 'nem ähnlichen auf der Straße aufzulesen, meinte ich, daß te sie geringſchäßig , „ da müßte die Merkmal auskundschaften , Sie ihn als solche Bekanntschaft ihr Gutes haben möchte, und bereitwillig sagte ich zu. War ich doch tut wunderlich gespielt haben, um eine Bruder anreden mögen. “ ich hörte es wenigstens „Beide Kinder befanden sich in Ihren | jung , hübsch tige Zeichnung zuwege zu bringen. und leichtlebig ; auch gefiel Ten Strich wollte ich noch gelten lassen, Händen, " beteiligte der Professor sich nun alle Tage die Pfeilspige da vorn und die mehr wieder an dem Gespräch, „ das eine mir's , daß es sich um eine geheimnisvolle aue Farbe ? Ja, ja, schon früher ſah ich übergaben Sie dem Frländer O'Neil, da Angelegenheit handelte. Mit heiligen Eiden selbe Mal ; ich sah es, als die Nadel- müſſen Sie sich entsinnen, wohin Sie das mußte ich beschwören , nie eine Silbe über unseren Verkehr verlauten zu lassen , und fe, durch welche es hergestellt wurde, andere brachten." "In meinen Händen hielt ich beide, solche beschworene Geheimnisse machen sich nicht ganz geheilt waren. Und mehr có sah ich : auf einem anderen Genick das räume ich gern ein , was aus dem in den meisten Fällen gut bezahlt und au ich ein ähnliches Mal , aber in roter zweiten geworden, erriet ich dagegen nie, begründen nicht selten eine recht haltbare rbe ausgeführt , wahrscheinlich um die und fragen durfte ich nicht . Ich wieder Freundschaft. Wir begaben uns also auf den Kinder voneinander unterscheiden zu hol's, man mißgönnte mir ' nen klaren Blick den Weg, und nach zwei Tagen ununterinen ; denn mit dem blauen Bändchen in die Angelegenheit ; trennte man aber die brochener Fahrt auf Eisenbahnen und in dem roten , die sie um den Hals Kinder voneinander , so geschah's mit Postkutschen erreichten wir unser Ziel. en, war es doch eine unsichere Sache. “ schlauem Bedacht. Mir wurde ganz wirr Dort hielten wir uns nicht länger auf, Ich hatte mich aufgerichtet , und des im Kopfe vor allen Heimlichkeiten ; nicht als gerade notwendig, zwei Kinder, welche refefors nicht achtend , der unter dem um die Welt hätte ich über Dinge reden die eigene Mutter, wenn sie noch lebte, indruck der neuen Ueberraschung schwieg , mögen , von denen ich fürchtete, daß sie nicht voneinander zu unterscheiden_vertrte ich mich hastig der Drentel mit den mich in Ungelegenheit bringen würden. " mocht hätte, in unsere Obhut zu nehmen, Ratlos betrachtete ich den Professor. und mit derselben Eile reisten wir heimBaten zu: „Ich besize also einen Zwilgsbrader ?" Dieser sah grübelnd vor sich nieder. Erst wärts . Hier in New York kehrten wir Bermutlich, " hieß es selbstgefällig nach einer Pause des Schweigens richtete in einem Gasthause ein; das brachte mich tu , „ wenn überhaupt Kinder , die in er sich wieder auf und bemerkte zögernd : auf die Vermutung , daß der Herr wohl rieben Stunde von derselben Mutter ge- Welche Erwartungen müssen sich auf der anderweitig zu Hause gehöre. Ein uṇann wurden, den Namen Zwillinge ver- einen Seite an die beiden Zwillinge ge- sehnliches Kosthaus war's obenein zu meinem knüpft haben , und welche Befürchtungen Erstaunen. Heute könnte ich es selber nicht ΤΕΠ. „Aber meine Mutter und deren Name?" auf der anderen, um zu deren Beseitigung mehr herausfinden ; mögen auch längst und gleichzeitiger Vernichtung der Spuren andere Gebäude an dessen Stelle getreten. rich in fieberhafter Erregung fort. Da fragen der junge Herr mehr, als ein derartiges Gewebe von Ränken zu sein. Dort warteten wir bis Abend. Dau beantworten weiß ," beteuerte die spinnen. Wir stehen vor einem undurch bei gestattete der Herr mir nicht einmal, entel, ich sah weder eine Mutter, noch dringlich erscheinenden Rätsel , und doch in meiner eigenen Wohnung vorzusprechen, te ich Namen. Es war eben alles darauf dürfen wir deshalb die lezte Hoffnung von wegen der Kinder, wie er meinte, die echnet, daß ich selber troß meiner Dienst auf deſſen Lösung nicht aufgeben. Nicht meiner Pflege bedürften. Erst nachdem tung im Dunkeln bleiben sollte ; es Mühe noch Kosten dürfen wir scheuen, den es dunkel geworden war , zahlte er mir -ite mich sonst nicht gereuen , Ihnen schwer geschädigten Brüdern zu ihrem Recht den ausbedungenen Preis bis auf den legten Cent aus , dann forderte er mich zu verhelfen das zu verraten. “ iah auf den Professor, der plöglich „Beschränkte der ganze Erfolg sich auf, das eine der beiden Kinder , die ge naden seiner mit so viel Ueberlegung darauf , daß ich meinen wahren Namen rade schliefen, in eine Decke zu hüllen und citeten Pläne verloren zu haben erführe, so wollte ich es mit vollen Hän auf den Arm zu nehmen. Ich griff nach ar. Er bedurfte eben der Zeit , mit den danken, " fiel ich wieder leidenschaftlich dem ersten besten, und wie ich jetzt weiß, neuen Enthüllung sich vertraut zu ein, " ich wollte davon abstehen, diejenigen war's das mit dem blauen Mal. Gleich en und deren mögliche Ausnügung zur Rechenschaft zu ziehen, die sich an mir darauf saßen wir in einer Mietskutſche, versündigten, nur der einzigen Aufgabe die uns schnell an den Hudson brachte. ridaen . Unglaublich!" rief ich aus, „ und doch leben, meinem Bruder nachzuforschen. Doch Dort seßten wir nach Brooklyn über, wo e Zweifel unzulässig. Ich wußte um wir müssen noch mehr wissen, " fehrte ich wir in einer anderen Mietskutſche aberMal, denn manchen bösen Hohn trug | mich der Drentel wieder zu, „ alles , alles, mals eine Strecke fuhren. Auf einer ein-
Balduin Möllhausen. -58samen Stelle in der Vorstadt stiegen wir aus ; die Kutsche fuhr zurück , wir aber gingen noch einige hundert Ellen. So lange hatte der Herr kaum ein Wort gesprochen . Jezt aber wies er auf das erhellte Fenster eines kleinen Bauwerks, mich zugleich beauftragend , das Kind da hineinzubringen und den daselbst hausenden Leuten mit einigen kurzen Aufträgen zu übergeben . Mehr zu reden brauchte ich nicht, riet er ; ich möchte mich indeſſen beeilen, wieder zu ihm zu kommen. Pünktlich führte ich alles aus, und eine unheimliche Wohnung war's, wo ich das Kind abseßte, und nicht minder unheimlich schauende Leute , die mich er warteten, daß ich den armen Wurm ordent lich bedauerte. Doch das ging mich wenig an war ich doch eingeschworen — und schleunigst begab ich mich auf den Rückweg zu dem Herrn . Zu meinem Erstaunen war er verschwunden. Hin und her lief ich in meiner Besorgnis ; auch verriet ich durch gedämpfte Rufe meine Anwesenheit, allein alles vergeblich. Viel Suchen gab es in der finſteren Nacht überhaupt nicht, und da blieb mir ſchließlich nichts anderes übrig , als nach dem Gaſthause zu eilen, wo ich den Herrn bei dem anderen Kinde vorzufinden hoffte. Dort aber erfuhr ich zu meinem Erstaunen , daß der Herr mit seinem Söhnchen ja, Söhnchen sagten die Leute bereits nach Hause gefahren ſei. Zuvor hatte er seine Rechnung bezahlt , auch einen schönen Gruß an mich zurückgelassen. Damit endigten meine Erfahrungen mit den Kindern . Weitere Nach forschungen anzustellen , hatte ich ja keine Ursache bei der Vorsicht des Herrn wären sie nebenbei vergeblich gewesen , auch erschien's mir nicht ratsam , eine Sache, von der ich wußte, daß sie nicht ordnungsmäßig , in die Oeffentlichkeit zu tragen. Da ich den Herrn nie wieder sah , nie von ihm hörte, auch nie über meine Erlebnisse mit ihm befragt wurde , so schwand die Angelegenheit bald aus meinem Gedächtnis. Ich hätte sie ganz vergessen gehabt, wäre ich vor langen Jahren nicht durch Sie selber daran erinnert worden. “ ,,Entsinnen Sie sich des Namens jenes Herrn ?" forschte der Profeſſor nach einer Pause des Schweigens . „Was thut der Name? " meinte das Weib geringschäßig grinsend , " wer auf heimlichen Wegen wandelt, hütet sich wohl weislich, den richtigen anzugeben. Stuart nannte er sich , soviel ich mich erinnere. " Der Professor neigte das Haupt bei pflichtend und fragte weiter: " Sie wür den ihn vielleicht wiedererkennen , wenn er plöglich vor Sie hinträte? Es wäre nämlich nicht unmöglich , daß wir eines Tages in die Lage gerieten, Ihr Zeugnis anrufen zu müſſen. “ Förmlich höhnisch klang der Person Stimme nunmehr , indem sie erklärte : Wenn Sie dem Herrn das Aussehen von damals zurückgeben, möcht's mir gelingen ; doch auch dann wär's noch zweifelhaft . Hab's zu oft erlebt , daß Gentlemen , die nicht erkannt sein wollten, durch künstliche Mittel ſich im Aeußeren gänzlich umivan
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delten ; warum sollte der es nicht ebenfalls erhob, "!besinnen Sie sich unterdeſſen allen Kräften auf weitere Namen 21 gethan haben?" Der Profeſſor sann wieder nach. Das Umstände, welche uns das Auffinden vn Zutreffende dieser Erklärung leuchtete ihm Harrys Kabin erleichtern, und bauen ein ; und da ich selbst in meiner krank darauf, daß ich für jede Nachricht, die ar haften Erregung unfähig, mit in das Ge- ein wenig mehr werth als nichts , m spräch einzugreifen , fuhr er fort : Es erkenntlich zeige. " Mit einem kurzen „ Gott befohlen bleibt uns also nur noch übrig , festzustellen , wohin damals die Reise führte. trat er mir voraus auf den Hof hinazs Besinnen Sie sich recht genau . Vielleicht Dort wurden wir abermals von der va sind sie im stande, nicht nur den Weg so wilderten Brut des Elends und des Ve zu beschreiben , daß wir ihn zu verfolgen ver- brechens , die bis dahin kühner und z mögen, sondern auch das Haus , aus welchem dringlicher geworden war , belästigt Sie die Kinder entführten , ausfindig zu verhöhnt. Erst als wir auf die Gei machen. Wäre es doch nicht unmöglich, hinausschritten , ließen die jugendlic daß wir dort namentlich über deren Eltern Bösewichter von uns ab. Statt dejen b gegneten wir wieder Geſtalten und Blicke Auskunft erhielten. “ „Ich will's versuchen, " hieß es zwei in welchen der ganze Haß sich auspräc felnd zurück, „ doch ich wiederhol's : Der zu dem man sich jedem beſſer gekleidet Herr Stuart hatte es sich zur Aufgabe Menschen gegenüber für berechtigt hie Mit beschleunigten Schritten und ur gemacht , mich zu verwirren. Auf Schritt und Tritt überwachte er mich, daß ich mit jeder Bemerkung enthaltend , erreicht den Leuten , von welchen wir die Kinder wir bald lichtere Stadtteile. Tief atmo in Empfang nahmen, kein ordentliches Ge- ich auf. „ Mir ist , als sei mir eine Laſt ve spräch anknüpfen konnte. " Auf ein Zeichen des Profeſſors säumte erdrückender Schwere aufgebürdet worden sie, bis er Taſch:nbuch und Bleifeder her- redete ich den Profeſſor an, „ eine Auſka vorgezogen hatte , dann erzählte sie mit ist vor mich hingestellt worden , die n einer gewissen durch Zweifel erzeugten Un- bis an mein Lebensende beunruhigen wa sicherheit : „ Ueber die Hauptrichtung der Sie von mir zu weiſen , bin ich unfäh Fahrt war ich im klaren , und die lief obwohl ich mir sage, daß irgend ein E nach Kanada hinauf. Auf unserer Reise folg selbst von den ernſteſten Bemühunge berührten wir Utica ; dann ging's in der nicht zu erwarten. “ 39 Take it easy, Kohlmeise," erwider Nachbarschaft des Lorenzoſtromes eine kurze Strecke nach Kanada hinein , wo wir in der Professor , und in seiner Stim dem Dertchen Dundee übernachteten. Von offenbarte sich das herzlichste Wohlwolle da fuhren wir in einem Mietswagen überrede nicht von deinen Bemühungen, io Land an die drei Stunden , bis wir ein dern von den unsrigen . Deine Sorgen su Gehöft erreichten , das ich Harrys Kabin ja die meinigen seit den Tagen, in welch nennen hörte , und da fanden wir die Agathe über dich frei verfügte, durch ihr Kinder. Harry hieß nämlich der Eigen Zauberſpruch die bunt gesprenkelteKohlmei tümer der Farm , und der war ein voll sich in einen ſamtweich gefiederten Blauved blütiger Judianer, aber in ſeinen Manieren verwandelte. Eine solche Aufgabe die ein Weißer. Also Harrys Kabin , und vielmehr dazu , den Menschen friſch die war weit und breit bekannt, denn der thatkräftig zu erhalten , das an Schwa Herr Stuart brauchte nur danach zu fragen, grenzende Träumerische, welches du ind um jedesmal auf den richtigen Weg ge- Ferne dir zu eigen machtest und wozu wiesen zu werden . Vielleicht ist's heute hier gewaltsam erzeugte Scheu den Bed noch so." ebnete, von dir auszuscheiden und an de „ Das sind allerdings nur dürftige Stelle unternehmungslustige Mannhaft Spuren , " verseßte der Professor , welcher keit treten zu laſſen. Fühle ich selbst de die Namen der Reihe nach niedergeschrieben eine gewisse Erleichterung, seitdem ich a hatte, sichtbar entmutigt ; allein wir dürfen ganzer Seele Dinge ins Auge faſſe, wel es uns nicht verdrießen lassen , dieselben mich ein wenig mehr schmerzlichen bis ans Ende zu verfolgen. Dort müssen trachtungen zu entreißen versprechen. wir unser Glück weiter versuchen . Wer take it easy, wie ich es thue ; gerade weiß , ob Harrys Kabin heute noch steht. erbitterten Kampfe mit den Verhältnin Und doch sollte man glauben , daß die werden ſtarke Charaktere ausgebildet. U Erinnerung an die Zwillinge , die jeden dann vergegenwärtige dir den Trium falls ihre mehr als alltägliche eigene Ge- wenn auch nur der kleinste Erfolg schichte hatten, wenigstens in der Nachbar- gemeinsames Wirken lohnt. Erreich schaft nicht gänzlich erloschen sein könnte. " wir aber troß der äußersten Anstrenqura Damit war der Zweck unseres Be- wirklich gar nichts , so bliebe uns imm suches bei der Drentel erfüllt . Einer hin das beruhigende Bewußtsein , daß Harpye ähnlich überwachte sie uns , wäh im Schicksalsbuche nicht anders geschr rend wir den versprochenen Lohn in klei- stand. Ob du als Dirk Gosse du neren Münzen abzählten , worauf sie den Leben wandelst, ob als Baron, Graf ol ganzen Betrag mit der Gier einer Hyäne Herzog : Der Wert des Mannes wird du in den Falten ihres Kleides verschwin solche leere Beigaben nicht erhöht . U daher nochmals , Kohlmeise : take it ea den ließ . Ich spreche noch einmal bei Ihnen zu Fußze wollen wir zu unserer d vor," bemerkte der Professor, indem er sich Penelope heimkehren ; was wir ihr
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zuteilen haben , erfährt sie ein Stündchen 25. Kapitel . später immer noch früh genug. Auch Harry s Kabin. finden wir im gemächlichen Einherwandeln mehr fürs Auge und damit für den Geiſt. Viel Mühe hatte es uns gekostet, viel Sich, wie der Himmel ſich rötet, während des Fragens und Forschens von Ort zu die Sonne der Erde Gute Nacht bietet. Ort , um endlich nach Dundee auf der Schade, daß die Häuſermassen uns jede Kanadaſeite zu gelangen. Dort erst er Kernsicht rauben. Ich bin sonst nicht wiesen sich die nachträglich eingeholten furchtsam, " und das spanische Rohr drehte Mitteilungen der Drentel von höherem sich herausfordernd in Radform , allein Wert, indem wir dadurch in die Lage veretwas leichter ums Herz wurde mir tro segt wurden, wenigstens die Hauptrichtung dem , ſeit ich die schrecklichen Pflanzſtätten nach Harrys Kabin , von der man in des Verbrechens hinter uns weiß. Einer Dundee nichts wußte, zu verfolgen . Zu gewissen Schadenfreude vermag ich mich diesem Zweck hatten wir einen leichten indeſſen nicht zu erwehren , die einst in Mietswagen angenommen ; es trug uns Samt und Seide , Gold und Edelgestein die Hoffnung , allmählich eine Gegend zu - alles Blutgeld prangende Drentel erreichen , in welcher die Bezeichnung : im tiefsten Morast der Verworfenheit und " Harrys Kabin" wenigstens feinen frem des Elends gefunden zu haben. Leider den Klang hatte. fügen solche, mit jedem Laster innig ver In später Morgenstunde von Dundee traute Scheusale sich nur zu leicht in der aufbrechend, waren wir nicht allzuweit gefahren , als der Professor auch schon mit artige Wechsel ihrer Lage. " So sprang der Professor in seiner seinen Nachforschungen begann . An jeden Unterhaltung von einem zum anderen über, uns Begegnenden richtete er die betreffende um mich, ich begriff es ja, freundlicheren Frage, ohne nur einmal eine ermutigende Eindrücken zugänglich zu machen. Auch Antwort zu erhalten. Obwohl auf der Agathes gedachte er, daß er auf mein ganzen Reise uns nichts ferner lag , als Wiedersehen mit ihr hoffe. Möchte es überschwängliche Hoffnungen , bemächtigte immerhin Thränen kosten, meinte er, so sich unserer infolgedessen doch eine gewisse wirke das Wachrufen wehmütiger Er- Unsicherheit . Einsilbiger wurden wir in innerungen doch wie ein Segen auf be- unserem Verkehr, nichtssagender die kurzen drängte Gemüter. ein. Den dereinstigen Bemerkungen , in welchen wir scheu jede Chef des Hauses Montague aber nannte Mahnung an den Zweck der Reise um er einen Verbrecher, gegen welchen Raub- gingen. Ich hatte sogar die Empfindung, mörder Engel genannt zu werden ver- als ob unser ganzes , auf den unsichersten dienten. Denn diese , erklärte er in ver Mitteilungen begründetes Unternehmen in haltenem Grimm , der in seltsamem Wider den Bereich kindisch abenteuerlicher Pläne spruch zu seinem sanften Charakter stand , gehört habe. laufen in Ausübung ihres finsteren GeZwei Stunden waren wir gereist, und werbes Gefahr, Freiheit, Kopf und Kragen der Professor wagte kaum noch , diesen zu verlieren, müssen also mit Mut aus oder jenen uns Begegnenden nach Harrys gerüstet sein , mit Gleichgültigkeit gegen Kabin zu fragen , als wir in einem nur das eigene Leben. Um dagegen ein zartes , aus wenigen Gehöften und Geschäftsedelgesinntes Wesen zu martern , zu miß häusern bestehenden Dertchen eintrafen. handeln und zu zertreten, es gewissermaßen Die Mittagszeit war nahe, die Pferde bein einen Rang zu stellen mit den Ver- durften einer kurzen Rast ; wir entschlossen vorfensten ihres Geschlechtes , dazu sei der uns daher, in dem bescheidenen Gasthause elendeste Feigling stark genug. Wüßte er einzukehren und uns ebenfalls zu erfrischen. och , daß keine Strafe folge, niemand da Vor der Thür stand ein einspänniges ei , der ihn zur Rechenschaft ziehe , die Wägelchen, dessen Pferd aus einer vor das Stimme aber , die um Gerechtigkeit zum selbe hingeschobenen Krippe sein Mahl hielt. In das Gastzimmer eintretend , fiel Himmel schreie , ungehört verhalle , bevor ie über das Dach des Hauses hinausge- unser erster Blick auf einen bereits ins rungen. Wie Hohn klang sein gedämpftes Greiſenalter getretenen Herrn mit ehr Lachen, und : „ Arme, arme Agathe, " floß es würdigem Aeußeren , der vor einem gevie eine tiefe Herzensklage von seinen Lippen. deckten Tische saß . Unseren Gruß beant „Arme Agathe ," wiederholte ich er wortete er mit freundlicher Höflichkeit ; chüttert und gleichsam unbewußt. nachdem der Professor auch für uns ein Wir befanden uns an Bord des Fähr | Mahl bestellt hatte, fügte er beinahe schüchampfers, der uns nach Brooklyn hinüber tern die gewohnte Frage nach Harrys rug. Schweigend ließen wir unsere Blicke Kabin hinzu . ber das noch immer reich belebte ge= „Harrys Kabin? " verseßte der Wirt valtige Hafenbecken hinschweifen. Däm zweifelnd , „ nun ja , den Namen höre ich terung war bereits eingetreten. Nur noch nicht zum erstenmal , “ und während mir hatt wirkte das letzte Abendrot. Es vor freudiger Erregung der Atem stockte, picgelte sich in einer über der Riesenstadt entdeckte ich, daß in des Profeſſors Antlig angenden Dunstschicht , dem Brodem, heller Triumph aufleuchtete. „Harrys elcher unabläſſig vielen Tausenden von Kabin?" wiederholte der Wirt nachdenkſſen entſtieg . Meine Gedanken wanderten lich , „ die muß irgendwo hier herum in eit fort übers Meer, weit fort nach jenen der Nachbarschaft liegen. " Er kehrte ſich Statten, auf welchen die Luft ſo rein, der dem fremden Herrn mit den Worten zu : Simmel so klar. Herr Doftor, in den dreißig Jahren oder
63 mehr , die Sie unsere Gegend bereisen, dürfte kaum ein Winkel weit und breit vor Ihnen verborgen geblieben sein ; vielleicht wissen Sie näheres über Harrys Kabin. “ „ Gewiß ,“ antwortete der alte Herr zuvorkommend , das ist das Gehöft des greisen Grotesen Harry. Ich kenne die Kabin wie deren Beſizer, obwohl ich nur sehr selten dort vorsprach, das lezte Mal vor zwei Jahren , als es galt , Harrys Frau die letzten Liebesdienste zu erweisen. Die Eingebornen , selbst die ziviliſierten wie Harry , geben immer noch mehr auf ihre alten angestammten Hausmittel , als auf die Kunst wirklicher Aerzte ; daher kommt es , daß sie in den meisten Fällen erst dann zum Doktor schicken , wenn menschliche Hilfe nichts mehr auszurichten. vermag , und die nächste Folge ist Mißtrauen. “ Er hatte kaum ausgesprochen, als wir vor ihm standen und der Professor mit einer gewissen Begeisterung uns vorstellte. Dann setten wir uns zu ihm , den Wirt beauftragend, unser Mahl dort anzurichten. "Ich begrüße es als ein günstiges Zeichen , mit jemand zusammenzutreffen, der , wie ich hörte , seit mehr als dreißig Jahren mit Land und Leuten dieses Distriktes vertraut , " nahm der Profeſſor nunmehr eifrig das Wort, und ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich darauf hin voraussehe, durch Ihre Güte über Ereignisse unterrichtet zu werden, die vor etwa vierundzwanzig Jahren gerade in Harrys Kabin stattgefunden haben." Der Doktor warf einen freundlich forschenden Blick auf mich. Die heftige Spannung, welche sich auf meinen Zügen ausprägte, konnte ihm nicht entgehen und mochte ihn noch mitteilsamer stimmen ; denn dem Professor zugewendet , hob er bereitwillig an: " Vierundzwanzig Jahre sind freilich eine lange Zeit ; es gibt indessen Ereignisse , die auf Grund der ſie begleitenden rätselhaften Umstände in der Erinnerung sich nie ganz verwischen. Indem ich aber den genannten Zeitraum in Beziehung zu dem ehrenwerten alten Frokesen und seiner Kabin bringe, meine ich, es könnte nichts anderes Sie zu Ihren Erkundigungen bewegen, als das Schicksal einer jungen Frau, welche in jenen Tagen unter Hinterlassung von Zwillingssöhnen dort das Zeitliche segnete. " „ Das ist's , ja , das ist's ! " rief der Professor erregt aus, und über den Tisch hin drückte er des alten Herren Hand, während ich selbst förmlich bestürzt meine Blicke zwischen den beiden Herren hin und her schweifen ließ. Ja , das ist's , mein teurer Doktor , und wenn ich im allgemeinen nicht sonderlich auf die sogenannten Schicksalsfügungen gebe, so beschleicht mich jezt doch ein eigentümliches Gefühl des Erstaunens, gerade hier mit dem Einzigen zusammenzutreffen , von dem ich zuverlässige Kunde aus jenen Tagen erwarten darf. “ Nichts Erstaunliches , " erklärte der Doktor lächelnd , „meine Praxis entfällt
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vorzugsweise auf das Land , da bin ich neten. Wenn die Aermste aber glaubte, Sobald ich aber wieder in ihre groß beinahe täglich zu dieser oder jener Stunde ihre Flucht gänzlich verschleiert zu haben, ängstlichen Augen sah und in denselben n hier zu finden. Nebenbei gewährt es mir so hatte sie sich getäuscht . Auf alle Fälle gewöhnlich verheimlichte Angst entdec große Befriedigung , nach besten Kräften war es ihr nicht gelungen, ihre Spuren stand ich endgültig davon ab , sie zu b in einer Sache zu dienen , welche da vollständig zu verwischen. Zwei Monate unruhigen . Konnte ich doch auch nic mals meine innigste Teilnahme wachrief, ungefähr waren nämlich seit meinem ersten wissen , ob ich mit der von mir als Ar zumal die arme junge Frau bis zum leg Besuche verstrichen , als ich eines Tages getroffenen Entscheidung in ihrem Sin ten Atemzuge sich in unlösbar erschei hier jemand vorfand , der mich dringend gehandelt hatte. " Monate gingen wieder dahin , u zu sprechen wünschte. Damals lebte das nende Rätsel hüllte.“ „ Woraus hervorgeht, daß Sie in irgend geheimnisvolle Auftauchen der jungen auch der Tag kam, an welchem die arr welche Beziehung zu ihr getreten waren ?" Frau und ihrer Zwillinge in aller Munde; Dulderin schmerzlos hinüberſchlummert ebenso wußte man, daß ich sie behandelte ; und dann der Tag , an welchem sie fragte der Professor eifrig. Ich behandelte sie bis zu ihrem da konnte es nicht überraschen, wenn jener einem traulichen Waldeswinkel zur ewig Tode Fremde gerade mit mir eine Zusammen Ruhe gebettet wurde. Außer mir „ Und erfuhren sicher das eine oder das kunst suchte. Als einen Herrn Stuart gleiteten nur noch die Bewohner vo andere über ihre Vergangenheit ?" fiel der stellte er sich vor, der, in naher verwandt Harrys Kabin sie auf ihrem leßten Wea Professor ein , "! doch ich schicke voraus, schaftlicher Beziehung zu der Frau Shields Was auch immer im Leben sie ängstign mein teuerster Doktor , was auch immer stehend , gekommen sei , um ihr Trost zu die Geheimnisse und Rätsel , welche Sie aus jenen Tagen berichten : Der kleinste bringen. Nach seinen Mitteilungen war in ihrer Brust barg, alles, alles hatte Nebenumstand kann von den weittragend sie seit Jahresfrist Witwe und hatte auf mit sich in die Erde hinabgenomme sten Folgen begleitet sein." Grund trüber Familienverhältnisse durch nicht die leiseste Andeutung war ihr en Ich wiederhole : bei dem scharf aus die Flucht sich jedem Verkehr mit ihren schlüpft , welche es mir ermöglicht hätt geprägten Willen , über ihre persönlichen Verwandten und denen ihres Mannes zu irgend welche Schritte zu gunsten d Verhältnisse das strengste Geheimnis zu entziehen getrachtet. Ich leugne nicht, beiden kleinen Waisen zu thun. Selbi bewahren , fonnte ich nur wenig über die dieser Stuart mit seinem unstäten eisigen verständlich benachrichtigte ich jenen Stua arme Dulderin in Erfahrung bringen . Blick und der thönernen Stimme gefiel von dem traurigen Ereignis , zugler Als ein Verbrechen galt es mir dagegen, mir nicht . Ich vergegenwärtigte mir die um Ratschläge betreffs der Kinder e sie auf ihrem Sterbelager noch mit unge- nimmer schlummernde, wenn auch versteckte suchend. Die baldigst eintreffende An hörigen Fragen zu beunruhigen. Hätte Angst der Mutter, und ohnehin zum Argwort lautete dahin , daß dringende sie doch nichts gehindert, mir, ihrem Arzt, wohn geneigt, ließ ich in meinem Verkehr schäftsangelegenheiten ihn hinderten , vo volles Vertrauen zu schenken. Aber ich mit ihm die größte Vorsicht walten. Als Ablauf von sechs Wochen selbst nach de begriff, ihr Geheimnis war ein derartiges , er aber den Wunsch äußerte, Frau Shields Zwillingen zu sehen, und daß sie bis de daß sie von dessen Ruchbarwerden Nachteil persönlich seine Aufwartung zu machen, hin in der Pflege der Jrokesenfamil für ihre Kleinen fürchtete. Als ich zu schlug ich ihm denselben rundweg ab. Ich bleiben sollten. Wer beschreibt daher mei ihrem Beistand gerufen wurde , hatte sie berief mich darauf, daß ihr Befinden ein Erstaunen , als ich nach vierzehn Tage sich bereits sechs oder sieben Monate in zu bedenkliches , um sie den Gefahren der bei einem gelegentlichen Besuch in Harr der Obhut des indianischen Ehepaares be aus einem überraschenden Besuch hervor Kabin die Kinder nicht mehr vorfant funden, welches mit rührender Teilnahme gehenden Erregungen aussehen zu dürfen. Schon eine Woche früher war, wie Har " Mit Widerstreben fügte er sich mei- mir erzählte, ein Herr, nach der Beschre für sie sorgte. Ihre eigentliche Pflegerin war die hochbetagte Mutter Harrys , und nem Willen , zumal ich ihm zu verstehen bung kein anderer als Stuart , in Be wußte sie von deren beinahe eifersüchtiger gab , daß die Leute , unter deren Obhut gleitung einer Dame daselbst eingetroffen Aufmerksamkeit nicht genug zu erzählen. sie lebte , den strengsten Befehl erhalten hatte die beiden Kleinen an sich genomme Wie ich durch Harry erfuhr, war sie eines hätten, niemand, wer es auch sei, zu ihr und nach ganz kurzem Aufenthalt die Ru Abends auf ihrer Flucht nach Kanada zu lassen. Ich gewann überhaupt die reise wieder angetreten. Während er ſelk hinein bei ihm eingekehrt , wo Schwäche Ueberzeugung, daß er vorläufig damit zu sich als deren nächsten Verwandten un und Uebermüdung sie zwangen, einige Tage frieden, der Aermsten Zufluchtsstätte aus gesetzlichen Beschüßer vorstellte, erstickte da zu rasten. Sie schickte daher den in Dundee gekundschaftet zu haben. Auf seine Frage Dame sie fast mit Küssen und Zärtlis gemieteten Wagen zurück, und da mag bei über ihre äußeren Verhältnisse unter Hin keiten , so daß Harry und dessen Ana den guten Leuten in der stillen Abgeschie- zufügung des Versprechens , daß er bereit hörige gegen die Entführung keinen E denheit der Entschluß gereift ſein, gänzlich sei , sie durch meine Vermittelung aus- spruch zu erheben wagten. Auch na dort zu bleiben. Ueber die Richtung ihrer giebig zu unterstüßen, konnte ich nur ant- Papieren , Briefen und sonstigen Dot Flucht hatte sie nur verlauten lassen, daß worten , daß Mangel ihr augenscheinlich menten hatte Stuart geforscht, jedoch ohr sie aus dem Süden gekommen sei , was fern liege. Indem wir darauf abermals das Geringste vorzufinden. Wenn ab mich auf die Vermutung brachte , daß sie ihren hoffnungslosen Zustand besprachen, etwas den ehrlichen Grofesen über die 3 die hinter ihr liegenden Spuren vorsichtig bat er mich, im Falle ihres Ablebens ihm kunft seiner Schußbefohlenen beruhigte, zu verheimlichen wünschte sofort unter einer beſtimmten Adreſſe in geschah es dadurch, daß Stuart die Sum „ Aber ihr Name , Herr Doktor , ihr New York Nachricht zu geben , damit für von zweitausend Dollar, welche erf Name ?" fiel ich unter dem Einfluß töd- die kleinen Waisen und deren Zukunft Frau Shields in Verwahr hielt, ihm allicher Spannung mit einer Heftigkeit ein, gesorgt werde. Er meinte noch , diese Lohn für deren ſorgſame Pflege zuerkannt. welche den alten Herrn sichtbar befremdete. | dürften nicht unter dem Einfluß des Eigen- Mir erschien die Summe allerdings Er antwortete indeſſen freundlich : ſinns leiden, durch welchen Frau Shields hoch, um hinter derselben nicht irgend en „Shields nannte sie sich , doch konnte ich ihr eigenes Leben und das anderer ihr Teufelei zu argwöhnen, wie Frau Shield. mich des Eindrucks nicht erwehren , daß sehr nahe stehender Personen verbittert eine solche vielleicht längst fürchtete. Er dieser Name ein angenommener, wahrschein habe. Da dies Verlangen mir gerecht gewisse Bestätigung fand mein Verdad: lich um die sie etwa Verfolgenden irre zu fertigt erschien , sagte ich zu und damit darin , daß der Brief , welchen ich 11ana leiten. Als ich zum erstenmal zu ihr ge- endigte unsere Zuſammenkunft. Noch zur Stuarts mir aufgegebene Adreſſe rufen wurde, erkannte ich sofort, daß ihre selbigen Stunde begab Stuart sich auf New York richtete, mit dem Vermerk U Tage gezählt seien. Die beiden Kinder den Heimweg , wogegen ich selbst meine bestellbar in meine Hände zurückgelangte erfreuten sich dagegen des besten Wohl- Fahrt nach Harrys Kabin fortsette. Es ging daraus mehr als zur Genuge seins . Nicht allzu kräftig, waren es doch „Lange schwankte ich, ob ich der armen hervor, daß, wie die junge Frau einst ihr hübsche Bürschchen , welche sich durch un jungen Frau Mitteilungen über den ab eigenen Spuren zu verwischen trachtete gewöhnlich starkes braunes Haar auszeich- gelehnten Besuch Stuarts machen solle. man jetzt ähnlich mit denen ihrer Kinde
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fuhr. Was solchem rätselhaften Thun dem Behauen eines Balkens beschäftigte. Srunde gelegen haben mag, wird schwer Ein wenig abseits von ihm vergnügten jemals enthüllt werden ; so oft ich zwei halb erwachsene braune Burschen sich r die arme junge Dulderin mir ver- mit der zärtlichen Pflege mehrerer Pferde. enwärtige, nie geſchieht es, ohne ihren Wie ein Bild des Friedens lag es vor unbekannter Ferne weilenden Kindern uns, gleichsam überwacht von einem run en aufrichtigen Segenswunsch nachzu zeligen braunen Greise , der neben der den. " Hausthür auf einem bequemen Armstuhl Hier schloß der Doktor. Durch das saß und mit beinahe starrer Ruhe eine glich eingetretene Schweigen erschreckt, lange , seltsam geschmückte Steinpfeife idh empor und gerade in die Augen rauchte. Diese und das rotgewürfelte alten Herrn, der mich mit unverkenn- Tuch, welches er turbanartig um sein bis freundlicher Teilnahme betrachtete. auf die Schultern niederfallendes ergrauich des Profeſſors Blicke waren auf mich tes Haar geschlungen hatte, waren das richtet , als hätte er in meinem Innern Einzige, was an die indianische Geschmackslesen gesucht. Ob er irgend eine Kund- richtung erinnerte. bung von mir erwartete , ich weiß es „Wohnt hier der Jrokeſe Harry ? " fragte ht, aber in meiner tiefen Erregung einem der Professor hinüber, als der Wagen in mpfen Gefühl der Dankbarkeit nach gleicher Höhe mit dem Hause anhielt. bend, reichte ich dem Doktor die Hand. „ Der Jrotese Harry, " antwortete der amit war die Frage beantwortet , die Mann auf dem Vorhofe, sich nachlässig m auf den Lippen schwebte und die zu auf seine Art stüßend , „ zu Hause ist er llen er rücksichtsvoll vermied. Seinem ebenfalls , wenn die Herren ihn zu sprechen ten Erstaunen aber folgten die Beweise wünschen ," und er wies auf den Alten, behten Wohlwollens , und manch freund der uns mit unerschütterlichem Gleichmute hs , wenn auch Wehmut erzeugendes betrachtete. ld zauberte er in herzlichen Worten vor „ So dürften wir Ihre Gastfreundschaft ich hin, indem er einer längst Entſchlafe- auf einige Stunden in Anspruch nehmen ?" fuhr der Profeſſor fort. in gedachte. Stunden saßen wir noch in lebhafter „Auf heut, auf morgen und länger, " aterhaltung beijammen. Neue Anhalts hieß es bereitwillig zurück , " Plaß genug mite für unsere ferneren Forschungen im Hause für ein halb Dußend Gäste. it der Toktor indeſſen nicht, auch glaubte | Mehr noch finden an unserem Tisch Play ; nicht , solche bei dem alten Frokesen hartkörniger Mais für die Gäule ist eben raussehen zu dürfen ; dagegen billigte falls vorhanden ! " unjeren Plan , bei demselben vorzuWir stiegen vom Wagen. Fast gleichrechen, und geschähe es auch nur , um zeitig eilten die munteren braunen Burschen ine eigenen Mitteilungen bestätigt zu herbei , um beim Ausspannen der Pferde ren. Nachdem er uns den Weg nach hilfreiche Hand zu leiſten. artys Kabin noch einmal genau beſchrieDie Empfindungen , welche mich anen hatte, trennten wir uns wie lang gesichts des Daches beſchlichen , unter welrige Freunde voneinander. chem meine eigene Mutter lebte, litt und Raum eine halbe Stunde waren wir starb , unter welchem ich einst mit einem ahren, als wir von der Landstraße auf Zwillingsbruder eng zusammengebettet lag, niger befahrenem Wege in eine lichte, sind unbeschreiblich. Schmerzlicher denn en ſchmalen Wieſenſtreifen durchſchoſſene je zuvor durchzitterte mich das Bewußteidung einbogen . Nur noch eine kurze sein , nie Elternliebe kennen gelernt , die trede und wir befanden uns an unserem holde Bezeichnung " Mutter" nur gewohn Ziel . Obwohl noch immer unter dem Ein- heitsmäßig an ein unglückseliges elendes rud des wunderbaren Zufalls , der uns Geschöpf verschwendet zu haben. Unter mit dem Doktor zusammengeführt hatte, solchen Eindrücken fand nicht einmal der vie feiner ungeahnten Mitteilungen, waren gerechtfertigte Haß gegen meine grausamen vir doch schweigsam geworden. Wir sagten Feinde eine Stätte in meiner Brust. Wie ins , daß für unsere Zwecke im Grunde auf geweihtem Boden schritt ich einher, nur wenig gewonnen , scheuten aber , die während die Gedanken in meinem Kopfe igenden Bedenken vor einander zu sich gleichsam sinnverwirrend kreuzten . Erst Fenbaren. Wir lebten eben unter dem als der braune Farmer uns freundschaft Einfluß der Besorgnis , mit Harrys Kabin lich begrüßte , trat die Aufgabe , welche seleich die Grenze zu erreichen, über welche uns dorthin führte, wieder in den Vorderen Blick hinüberzuwerfen uns versagt grund. In seiner Begleitung begaben wir letben sollte. uns zu dem alten Harry hinüber , durch Eine größere Lichtung dehnte sich end- einen Gruß des Doktors uns gewisser itratvor von uns aus . Auf derselben, um maßen bei ihm einführend. Auch er hieß eingefriedigten Feldern und be- uns willkommen, und auf einen Ruf von heidenen Gartenanlagen , erhob sich das ihm trug ein schönes , ernſtes braunes Lane Gehöft. Ein aus Balken und Bret- Mädchen zwei Stühle aus dem Hauſe her:9m errichtetes, weiß angeſtrichenes Wohn- bei, auf welche wir uns dem Alten gegen Eaus bildete deſſen Es dessen Mittelpunkt. Indem über niederließen . wir uns demselben näherten , unterschieden „Wir sind von weit hergekommen , " wir einen nach Sitte der Weißen geklei- eröffnete der Professor ohne Säumen das ten Indianer in reiseren Jahren , der Gespräch, " um über zurückliegende Zeiten ich auf dem fest umzäunten Vorhofe mit von Ihnen zu hören."
69 „Ich bin sehr alt, " antwortete Harry grämlich in fließendem Englisch , nur in der Wahl seiner Vergleiche zuweilen an die indianische Redeweise erinnernd , „ in einem alten Baum vertrocknet das Mark, in einem alten Kopf das Gehirn, daß die Gedanken keinen Play mehr finden." Der Professor warf mir einen besorg ten Blick zu. Er begriff , daß der greise Harry diese Bemerkung bedachtsam voraufschickte, um sich jederzeit auf die Schwäche seines Gedächtnisses berufen zu können, sobald es Dingen galt , die zu berühren ihm wenn auch nur unbequem. Er wählte daher den Ausweg , nicht nur unser Zusammentreffen mit dem Doktor zu schildern, sondern die zwischen uns gewechselten Worte, namentlich die Erzählung des Doktors zu wiederholen. Harry lauschte unterdessen ohne jedes äußere Zeichen von Teilnahme. Nicht eine Linie seines runzeligen Antliges regte sich. Nur die leichten Rauchwölkchen, welche er in regelmäßigen Pausen abwechselnd durch die Nase und mit den schmalen Lippen von sich blies , wie ein gelegentliches zustimmendes Neigen seines Hauptes verrieten, daß warm pulsierendes Leben in dem hageren Körper wohne. So entsprach seinem ganzen Wesen auch die Antwort, welche er erteilte, nachdem der Professor geendigt hatte. ,,Der Doktor ist ein kluger Mann, “ erklärte er , was er sagte , ist Wahrheit. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. " „Aber wie," fuhr der Professor sichtbar enttäuscht und daher um so eifriger fort , " wie , wenn der eine jener Knaben jezt vor Ihnen säße ?“ und er wies auf mich. Harry warf einen langen forschenden Blick auf mich. Endlich glitt ein mattes Lächeln des Mißtrauens über seine braunen Züge, und wieder vor sich ins Leere starrend , hob er an : Wer erkennt ein Kind , nachdem es ein Mann geworden ? Sehe ich heute aus wie vor siebzig und mehr Jahren ? Eine junge Frau wohnte in meinem Hause. Sie war meine Augenweide. Sie kannte nur gütige Worte. Sie besaß zwei Kinder, die waren in der selben Stunde geboren. Ich betrachtete die Kinder oft mit Wohlgefallen. Jedes hatte seinen eigenen Namen. Ich konnte sie nicht voneinander unterscheiden . Sie waren wie junge Hirsche, welche dieſelben Abzeichen tragen. Meine Mutter war eine kluge Frau . Sie liebte die Zwillinge und deren Mutter und pflegte sie Tag und Nacht. Doch auch sie wußte nicht , wer von den beiden Turvil hieß, wer Cyrus . Da knüpfte deren Mutter um den Hals des einen ein rotes Band , um den des andern ein blaues, und mit dem Zweifeln hatte es ein Ende. Nachdem die junge Frau gestorben war, sorgte meine Mutter getreulich für die Kinder. Wir glaubten, sie bei uns zu behalten , bis sie Männer geworden sein würden. Da verlor der eine Knabe des Nachts sein Bändchen, und meine Mutter sagte : Verlieren beide ihr Abzeichen oder es vertauſcht ſie jemand, so ist's mit dem Unterscheiden vorbei. Ich
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will ihnen ein Merkmal geben, das nicht | ist der rote ?" fragte Harry, der mich fort | fort: Die Mutter der Zwillinge war ein verloren gehen kann. Darauf nahm sie gesetzt mit unverkennbarem Wohlwollen Blatt der Pappelweide, welches vor dem feine Nadeln, Schießpulver und Vermillion- überwachte. leiſeſten Lufthauch zittert. Sie zitterte rot, und im Nacken unterhalb der Haare, „Wenn wir das wüßten ! " entgegnete beim Anblick jedes Fremden ; in jedem wo es niemand hinderte , äßte sie jedem der Profeſſor , „ wie man den Zwillingen Fremden fürchtete sie einen Feind. Als einen Pfeil ein ; dem einen gab sie den den Namen raubte, trennte man sie auch sie fühlte , daß es mit ihr zum Sterben roten Pfeil, dem andern den blauen . Dann hinterliſtigerweise voneinander ; uns aber ging, bat sie mich und meine Frau, über war alles gut. Als die Tättowierung kaum ist die Aufgabe zugefallen, nach dem Ver- ihre Kinder zu wachen, für sie zu sorgen, ausgeheilt war, kamen Menschen und hol- schollenen zu forschen, und müßten wir die auf daß sie nicht aufwüchsen wie das Getier des Waldes . Sie sollten lernen , viel ten die Zwillinge ab. Wir konnten es ganze Welt nach ihm absuchen. “ nicht hindern ; sie hatten ein Recht dazu . „ Meine Mutter war eine sehr weise lernen, um sich dereinst einen guten Weg Viele Jahre sind seitdem verstrichen , und Frau," erklärte Harry sinnend, sie mochte durchs Leben zu bahnen . Sie beauftragte heute noch warten wir auf die Rückkehr bedacht haben , daß die Kinder vonein mich, wenn der Tod sie plötzlich überder beiden Brüder. Kommt jemand und andergerissen werden könnten ; daher gab raschen sollte, alle ihre Schriften an mich sagt ich bin Turvil' und er vermag den sie jedem ein untrügliches Erkennungs- zu nehmen und nie aus den Händen zu geben , wer auch immer mich darum anPfeil nicht vorzuzeigen, so spricht er falsch, zeichen mit ins Leben. " ebenso verhält es sich mit Cyrus. “ „Was jezt als ein großes Glück er gehen möchte. Ebenso vertraute sie mir etwas über zweiDa neigte ich mich vor den Alten hin, scheint, " verseßte der Professor aus vollem ihr ganzes Geld an und das Haar vom Nacken zurückſtreichend, Herzen, und ich gebe es immer noch nicht tausend Dollar waren es — das sollte bot ich ihm einen freien Anblick des felt- auf, in unserem ferneren Verkehr mit Ihnen ich zum Besten der beiden Knaben_versamen Mals . Eine Weile verharrte er diesen oder jenen Anhaltspunkt zu gewenden. Einen großen Brief hatte sie gein Schweigen ; dann fühlte ich, wie seine winnen , der mit dazu beiträgt , uns zu schrieben und doppelt versiegelt. Der sei Finger über meinen Hals hinglitten , als nächst auf die Spuren derjenigen zu führen, nur für die Augen ihrer Söhne bestimmt . hätte er die Echtheit der Farbe prüfen die sich berufen fühlten , mit störender meinte sie, aber ich dürfte ihnen denselben wollen. Damit nicht zufrieden , rief er Hand gewissenlos in das Leben der Zwil erst einhändigen, nachdem sie achtzehn Jahre alt geworden ; vorher möchte es ihnen seinen Sohn herbei, und erst nachdem auch lingsbrüder einzugreifen. " dieser erklärt hatte, daß er das Zeichen . Harry war nachdenklich geworden. Erst Schaden bringen. Hätte sie mir mehr wiedererkenne , also kein Irrtum walte, allmählich wurde er wieder gesprächiger. gesagt , möchte ich die Kinder nicht von gab er meinen Kopf wieder frei . Eine Erfuhren wir nichts Neues mehr , so ge- mir gelassen haben. Sie glaubte, daß sich Weile betrachtete er mich durchdringend, währte es mir doch einen eigentümlichen, keiner mehr um sie kümmern würde, und wie in meinem Gesicht nach Aehnlichkeiten von Wehmut durchwobenen Genuß , ihn als ein Herr und eine reiche Lady eines Tages kamen und sie von mir forderten, suchend, und nicht achtend des Professors, von meiner Mutter erzählen zu hören. der uns gespannt überwachte , reichte er gab ich sie heraus. Ich konnte nicht anders. mir die Hand. Auch nach Briefschaften forschten sie, und 26. Kapitel . " Meine Augen sind alt , die meines die verheimlichte ich. Nur von dem Gelde Der Brief der Mutter. Sohnes jünger , " bemerkte er mit der redete ich , und das verlangten sie nicht. ihm eigentümlichen, beinahe ausdruckslosen Nach dem Abendessen, zu welchem sich Ich glaube, es waren sehr schlechte MenRuhe. Sehen vier Augen dasselbe , so außer uns nur braune charakteristische Geschen ; denn als ich wissen wollte, wo die muß es wahr sein. Sie sind heute nicht | stalten um den langen Tisch reihten, blieben Kinder geblieben seien und der Doktor zum erstenmal hier. Das Bett Jhrer Mutter wir noch eine Weile im ernsten Gespräch darum schrieb , erhielt er keine Antwort. steht auf seiner alten Stelle , darinnen beisammen. Dann führte der alte Harry Ich konnte mein Versprechen nicht erfüllen . mögen Sie übernachten . Die Geister der uns über den schmalen Flurgang nach Sechzehn Jahre wartete ich , ich wartete gestorbenen Mütter suchen ihre Kinder. einem größeren Gemach , welches er als achtzehn, ich wartete vierundzwanzig Jahre ; Vielleicht erscheint sie Ihnen im Traum. " die Wohnung meiner Mutter bezeichnete. von den Zwillingsbrüdern sah und hörte Ich war so bewegt, daß ich nicht gleich Freundlich, wenn auch einfach eingerichtet, ich nichts . Ich glaubte, daß sie gestorben eine Erwiderung fand, noch weniger war schien es nur wenig in Gebrauch genom seien oder schlechte Menschen sie hinderten, ich fähig , an eine Nuzanwendung des men zu werden. Für mich genügten die zu mir zu gehen. Mein Herz war traurig : Vernommenen zu denken. Da unterbrach an dasselbe sich knüpfenden Erinnerungen, jezt ist es froh . Vor mir sehe ich den der Professor das plötzlich eingetretene es mit einem Gefühl der Andacht zu be- einen Zwillingsbruder ; ich gebe ihm, was Schweigen mit den Worten : „ Und jezt, treten, teilnahmsvoll jeden einzelnen Gegen- seine Mutter mir für ihn anvertraute. “ Mit den leßten Worten griff Harry alter Freund, sagen Sie uns , ob es Turvil stand zu betrachten, von welchem ich voroder Cyrus, der hier vor Ihnen sitt. Der ausseßte, daß einst die Blicke einer armen unter das auf seiner Bruſt ſich bauſchende Name wurde ihm vor fünfundzwanzig verfolgten Dulderin auf ihnen ruhten. rote Flanellhemd , und ein sorgfältig in Jahren geraubt, und er sehnt sich, so ge- Bevor die gewöhnlichen melancholischen Leder eingeschlagenes Paketchen hervorrufen zu werden, wie es ihm gebührt." Träumereien vollständig Besitz von mir ziehend und vor sich auf den Tisch legend , Shields hieß seine Mutter ," ant ergriffen, stellte Harry die Lampe auf den öffnete er es behutsam. Ein Bündel zuwortete Harry zögernd. Dann spielten Tisch, und uns einladend, vor demselben sammengeschnürter alter Schriften kam zuZweifel auf seinen tief gefurchten Zügen. Play zu nehmen , ließ er sich ebenfalls nächst zum Vorschein, dann ein mit zwei Siegeln verschener starker Brief. Diesen überErst nach einer Pause angestrengten Nach- nieder. „Was gelten einem Manne Ruhe und reichte Harry mir mit den Worten : „ Da denkens fügte er mißmutig hinzu : „Wer ist Cyrus, wer ist Turvil? Ich weiß es Schlaf, wenn viele Gedanken sich in seinem drinnen steht mehr , als ich weiß . Für nicht. Meine Mutter nahm das Geheim Kopf begegnen ?" hob er darauf an. Ich Ihre Augen und die Ihres Bruders allein nis mit sich in die Erde hinab. Wer habe noch manches zu erzählen, und dazu ist die Schrift bestimmt ; ich brauche nicht hätte daran gedacht , sie darum zu be- ist jetzt die rechte Zeit. Ich bin zufrieden : mehr zu erfahren. Mein Versprechen habe fragen?" Was mir vor vielen Jahren aufgetragen ich gehalten ; es ist gut ſo.“ „Nenne dich hinfort Cyrus Turvil, " | wurde, heute kann ich es erfüllen. Mein Zitternd vor Erregung hatte ich den verseßte der Professor zu mir gewendet, Sohn braucht es nicht für mich zu thun, Brief in Empfang genommen. Zudem ich „ und du führst auf alle Fälle den dir in nachdem ich ſelbſt meine alten Augen ge- die Blicke auf die in feinen Zügen ausder Taufe beigelegten Namen. Haben wir schlossen habe. " Er säumte einige Se- geführte Aufſchrift senkte, flimmerte es mir so viel ausgekundſchaftet , mag ein gutes kunden , und in unseren Zügen nur den vor den Augen. Schwerfällig entzifferte Glück uns auch weiter begünstigen. " einzigen Ausdruck ernster Spannung ent- ich die Worte : „ An meine Söhne Cyrus „Ich sah nur den blauen Pfeil ; wo deckend, fuhr er in seiner eintönigen Weise und Turvil" , und immer wieder las ich
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durch welchen Agathe, die einst seine ganze später Agathe sein Eigentum nannte! " Herzensfreude bildete , so namenlos elend und gehässig lachte ich auf, daß es durch geworden. „ Ja, Kohlmeise, Ellen Mon- das ganze Haus schallte. Der Professor erbleichte, für mich ein tague hieß deine arme Mutter , damit ist indessen nicht gesagt , daß du , selber ein Beweis , daß er meine Ueberzeugung , wenn Montague, in näherer Beziehung zu einem auch nur meine Anschauungen teilte, und Hause stehst, aus welchem ein so schweres eine Weile dauerte es, bevor er sich hin= Verhängnis auf unseren Liebling , also länglich gesammelt hatte, um zu antwor auch auf mich hereinbrach. Beruhige dich ten : „ Kohlmeise, ich warne dich, laß dich also und gewöhne dich endlich daran, da, nicht zu Mutmaßungen verleiten , für wo Unklarheit herrscht, nicht alles in der welche du keine sichere Unterlage findest und die nur dazu dienen können , dich schwärzesten Farbe zu sehen. " Während dieser Rede hatten die Ge- heillos zu verbittern , dein klares Dent danken sich wie Blize in meinem Kopfe vermögen in einer ernſten Sache zu begekreuzt. Als sei plößlich die Gabe des einträchtigen . " „So geben auch Sie wenigstens die Hellsehens über mich gekommen, gestaltete vor meinem Geiste sich alles zu einem Möglichkeit zu ? " rief ich mit einem Hohn einzigen figurenreichen Bilde. Ich sah die aus, welchen ich heute noch tief bereue. Des Professors gütiges Antlig erhielt O'Neils , die mich aus den Händen des schrecklichen Weibes in Empfang genommen einen strengen Ausdruck, und feierlich klang hatten und demnächst ein bestimmtes Mo seine Stimme, indem er erwiderte : „ Nichts natsgehalt aus der Kasse des Hauses Mon- gebe ich zu , Kohlmeise, oder ich machte mich einer ähnlichen Unbesonnenheit schultague bezogen. Ich sah dessen Chef und ein anderer konnte es nicht gewesen dig wie du. Hier ist der Brief deiner sein - der bei meinem unerwarteten An- Mutter. Den lese zuvor, und ich müßte blick sichtbar heftig erschraf und mit grau mich sehr täuschen , enthielte er nicht Aussamer Härte mich abfertigte. Ich sah ihn schlüsse , welche diese deine krankhaften vor mir mit seinem schleppenden Gang, Phantasiegebilde heilen. " Ich nahm den Brief schweigend zur hier in den glänzenden Geschäftsräumen , dort auf dem Ufer des Stromes , als der Hand , hatte indessen kaum die ersten beverbrecherische Frländer mich an Bord des reits bekannten Zeilen gelesen , als die segelfertigen Schiffes lieferte. Ich sah Buchstaben vor meinen Blicken ineinander erforderlich.“ So weit war ich gekommen , als ich, seinen Sohn, jenen boshaften Knaben vor verschwammen. Ich fühlte, daß ich unter einem unwiderstehlichen Drange nachgebend, mir, deſſen Ausbrüche der Verachtung und den verwirrenden Eindrücken ohne jegliches den Schluß der Mitteilungen suchte. Kaum Mißhandlung ich über mich ergehen lassen Verständnis fortfahren würde , und schob aber hatte ich einen Blick auf die Unter mußte, und laut aufjammern hätte ich den Brief mit einer ungestümen Bewegung schrift geworfen , als der Brief meiner mögen in meiner Verzweiflung. Aber dem Professor wieder zu. „Ich kann nicht, ich kann nicht ! " rief Hand entfiel. Ein lähmendes , mir die weiter arbeitete meine wild erregte Phanlesen Sie vor ; aus Brust gleichsam zusammenschnürendes Ge- tasie, Jahre und Ereignisse gewissermaßen ich erbittert aus , fühl , welches ich heute noch nicht zu be in Zeitatome zusammendrängend . Was Ihrem Munde klingt alles anders schreiben vermag, bemächtigte sich meiner. damals meiner findlichen Beurteilungsgabe mögen es immerhin die Worte meiner Wie der lezten Kraft beraubt , sank ich entging : in diesen Sekunden gewann es armen sterbenden Mutter sein, “ und aberDie Äehnlichkeit mals meiner Verzweiflung nachgebend , zurück. Die Augen starr auf die ver überwältigend Leben. hängnisvolle Unterschrift gerichtet, war ich zwischen mir und dem braunlockigen jungen fügte ich gehässig hinzu : „Warum konnte unempfindlich dafür, daß der Professor Bösewicht konnte nicht abgeleugnet werden, ich nicht in der nordischen Heimat zwischen bestürzt auf mich hinsah, sogar Harry an ebensowenig, daß mein Erscheinen in den den verschwiegenen Bergen und den treu" gesichts der niederschmetternden Wirkung, Kassenräumen die Ursache gewesen, wegen herzigen Menschen bleiben Take it easy, " fiel der Professor welcher ich unterworfen war , beunruhigt deren ich so schnell außer Landes geschafft dareinschaute. wurde. Dann erfüllte nur noch ein ein freundlich warnend ein , als hätte er geRohlmeise," brach der Professor das ziger Argwohn mein ganzes Sinnen und wußt , daß diese drei Worte von seinen jah eingetretene Schweigen, und tiefe Be- Denken , der furchtbare Verdacht , daß es Lippen, geheiligt durch vieljährige Erinnejorgnis offenbarte sich in seiner Stimme, mein eigener Bruder , der mich einst mit rungen, cinen besänftigenden Einfluß auf was ist es , Kohlmeise ? Take it easy Füßen trat , mein eigener verworfener mich ausübten, take it easy, Kohlmeise, und zeige dich als ein Mann. Bist Brüder, welchem Agathe schamlos geopfert und verschließe dich nicht allen Vernunftin anderen Dingen doch kein zagendes wurde. Wo sollte ich eine Erklärung da gründen. Ich begreife deine Erregung, Mädchen. " für suchen? Durch die unerhörtesten Um aber auch, daß in der Einsamkeit zwischen Ich war so erschüttert , daß ich keine stände bedingt, war der erste Verdacht ins den starren Gebirgsmassen, welche du heut Erwiderung hervorzubringen vermochte. Leben gerufen worden, und ebenso schnell fälschlich Heimat nennst , deine Phantasie Schweigend legte ich den Finger auf die entwickelte er sich zu einer entsetzlichen zügellos geworden. Beherrsche dich, Kohlmeise, und ist es wirklich dein Wille , jo Unterschrift und mit unsicherer Bewegung Ueberzeugung. "Ich sehe nicht zu schwarz , " antwor- lese ich gern für dich. Du findest unterschob ich dem Professor den Brief zu . Zugleich starrte ich in sein Antlig , um tete ich dem Professor mit einer Heftig- dessen Mußze , dich zu beruhigen , dich geden Eindruck kennen zu lernen , welchen keit, die ihn förmlich erschreckte, sogar den wissermaßen vorzubereiten für vielleicht die ungeahnte Kunde bei ihm hervorrufen greisen Grokesen sichtbar befremdete, aber peinliche Erfahrungen , die nicht umgangen würde. Und wie ich, beugte auch er sich in einen Höllenpfuhl blicke ich, in welchem werden können. “ Er nahm den Brief, dadurch mich einer unter einem an Entsetzen grenzenden alles sich einigt , mich um den Verstand Schrecken. Lange dauerte es , bevor er zu bringen. Wie nahe die Beziehung , in Gegenbemerkung überhebend, und begann : " Wenn meine bangen Wünſche ſich erdie Blicke erhob und mit notdürftig er welcher ich zu dem Chef des Hauses Mon- | zwungener Besonnenheit begann : „ Ellen taque stehe , errate ich nicht. Wohl aber füllten, meine heißen Gebete erhört wurMontague. Das ist freilich eine unge- weiß ich, daß ich meinem eigenen Bruder den, so befindet ihr euch beim Lesen dieſes ahnte Lösung des Rätsels, " und es mochte begegnete, als wir beide noch im Knaben Briefes in einem Alter , in welchem ihr ihm vorschweben , daß es ein Montague, alter standen , demselben Montague , der für euch selbst zu denken und zu handeln. 4 89. 11. fie, ohne an den Inhalt des Schreibens zu denken. Da ertönte des Professors Stimme, indem er, meinen Gemütszustand erratend, mir ermutigend zurief : Take it easy, Rohlmeije, take it easy. Streife ab die träumerische Schüchternheit ; fasse klaren Blides ins Auge, mas auch kommen mag, ob Gutes , ob Böses. Einem Feinde mit der Waffe in der Faust unerschrocken zu begegnen, macht nicht allein den Mann. " Tief auf seufzte ich. Gewaltsam entwand ich mich dem unheimlichen Bann, von welchem ich noch eine Spur aus den Knabenjahren mit ins reifere Alter hinübergenommen hatte ; gleich darauf breitete ich das erste Blatt des geöffneten Briefes vor mir aus. „ Teuerster Cyrus , teuerster Turvil ! Annig geliebte Kinder," las ich nunmehr mit wachsender Selbstbeherrschung, wenn meine bangen Wünsche sich erfüllten, meine heißen Gebete erhört wurden , so befindet ihr euch beim Lesen dieses Briefes in einem Alter, in welchem ihr für euch selbst zu denken und zu handeln vermögt. Als Cyrus und Turvil Shields seid ihr auf gewachsen und, sofern Gott es nicht anders fügte , dank der treuen Fürsorge Harrys mit Kenntnissen ausgerüstet, wie solche zu der vor euch liegenden schweren Aufgabe
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vermögt. Als Cyrus und Turvil Shields an die Stelle eures Großvaters getreten | seid ihr aufgewachsen und, sofern Gott es sein. Lebte euer Vater noch, so wäre da nicht anders fügte, dank der treuen Für durch nichts geändert worden ; denn zwi sorge Harrys, mit Kenntniſſen ausgerüstet , schen ihm und seinem Vater bestand ein wie solche zu der vor euch liegenden Auf- | Zerwürfnis , welches durch nichts ausge gabe erforderlich. In bescheidenen Verglichen werden konnte , zumal euer Enkel hältnissen habt ihr gelebt und euch aus- Reginald alles in ſeinen Kräften Stehende gebildet. Das ist für euch ein größerer aufbot , eine Annäherung zwischen beiden Gewinn, als hättet ihr , umringt von unmöglich zu machen. Und was hatte Ueberfluß und Glanz, streng gebotene Ein- euer Vater verbrochen, um den unversöhnschränkungen nie kennen gelernt. Brichtlichen Zorn des gefühllos berechnenden ungeahnter Reichtum auf euch herein , so Familienoberhauptes gegen sich wachzu werdet ihr euch dadurch nicht verblenden rufen ? Nicht mehr und nicht weniger, als laſſen. Wie eurem bisherigen Namen daß er sein treues Herz einer armen ich bezweifle es keinen Augenblick - werdet | Handwerkertochter schenkte und durch den ihr auch dem einzigen euch rechtlich ge ihm entgegengestellten, von den ernſteſten bührenden Ehre machen. Nie aber werdet Drohungen begleiteten Widerstand nur ihr gegen eure Mutter einen Vorwurf noch unerschütterlicher in seiner aufrichtigen daraus erheben , daß sie euch den Namen Zuneigung zu ihr wurde. Sogar meine eures Vaters so lange vorenthielt. Ich dringenden Vorstellungen scheiterten an mußte so handeln, wollte ich die Gefahren, seinem Willen, und doch liebte ich ihn so welche euch schon bei meinen Lebzeiten be- | sehr , daß wir eines Tages ohne Sang drohten, noch über mein Grab hinaus und Klang vor den Altar des Herrn hinausdehnen. Bei dem Jrokeſen Harry_seid traten, um als Mann und Frau die Kirche ihr sicher genug untergebracht ; ich darf wieder zu verlaſſen. mich daher der Zuversicht hingeben , daß „ Damit war der Bruch als unheilbar in den beiden unter seinen Augen auf besiegelt. Hätte später wirklich eine Auswachsenden Shields niemand die Miterben föhnung mit eurem Großvater angebahnt des weltbekannten Handelshauses Montague werden können, so trug der eigene Bruder auch nur entfernt vermutet. Ich schreibe dafür Sorge, daß die Gegensäße sich immer diesen Brief bei erträglichem Wohlbefinden. noch mehr verschärften. Was dabei spielte, An das Glück , euch noch einmal als welche Mittel aufgeboten wurden , euren | Männer zu sehen, glaube ich indessen nicht, Vater und besonders mich herabzusetzen, und so will ich mit diesen Mitteilungen mag Gott wissen. Ich für meine Person an euch gewissermaßen mein Haus be hatte indessen stets die Empfindung , als stellen. ob die gegen den Willen seines Vaters „Ja , ihr seid zwei Montagues , und vollzogene Verheiratung nur als willkom was in eurer ersten Jugend euch ver- mene Handhabe benugt worden wäre, um weigert wurde, das wird im reiseren Alter, eine endgültige Auseinandersehung und sofern ihr euch dessen nicht unwert zeigt , Enterbung zu bewirken. Eine verhältnis in um so reicherem Maße euch zu teil mäßig kleine Summe wurde eurem Vater werden. wohl als Pflichtteil angeboten, allein der „Der jezige Chef des Hauses , also wieś sie mit Entrüstung zurück. Seine euer Großvater , der schwerlich noch lebt, ungeschmälerten Rechte verlangte er, oder wenn ihr eure Ansprüche geltend macht, nichts. In seiner treuen Herzensliebe iſt ein Mann von ungewöhnlicher Gemüts zu mir fühlte er sich stark genug, ſich aus härte. Ich schreibe dies nieder ohne Ge- eigenen Kräften emporzuarbeiten. Gleich „Doch es sollte nicht sein. hässigkeit, obwohl er die Quelle aller meiner Leiden , sondern nur , um euch mit allen nach unserer Verheiratung siedelten wir Verhältnissen vertraut zu machen , auf nach Louisville über. Dort hatte euer welche die gegen euren ehrenwerten Vater Vater in einem umfangreichen Bankgeschäft begangenen Ungerechtigkeiten zurückzu eine Stellung gefunden , welche uns eine führen sind. Er gehörte aber zu jenen mehr als auskömmliche Einnahme sicherte Menschen, bei welchen sogar die heiligsten und immer noch besser zu werden ver Familienbeziehungen hinter irdischem Vor- sprach. Daselbst verlebten wir beinahe drei teil zurückstehen müssen. Ich behaupte Jahre, die ich mit dem Himmel auf Erden damit nicht, daß er keine Liebe zu seinen hätte vergleichen mögen, wäre der Schatten Angehörigen hege, dagegen bemißt er deren nicht gewesen , welchen die unglückseligen Glück einzig und allein nach seinen eigenen Familienverhältnisse auf unser ganzes Anschauungen , ohne sie selbst um ihre Dasein warfen. Eine neue Sonne ging Wünsche zu befragen. Sein Gott ist der indessen für uns auf, als ihr beide geglänzende Name seiner Firma , sein ein- boren wurdet. Eine Sonne des Entzückens ; ziges Streben , denselben zu einem welt- curem Vater aber war es nicht vergönnt, beherrschenden zu erheben. Solchen Re- sich daran länger zu erfreuen , als etwas gungen opfert er kaltblütig die Wohlfahrt über sechs Monate hinaus. Dann legte der Seinigen. er sich hin , um nicht mehr zu erstehen. „ Zwei Söhne waren ihm beschieden. Von Hause aus schwächlich, hatten Ueber Der ältere, Frederik, war euer armer, mir anstrengung, vielleicht auch Kummer und und euch zu früh entriſſener Vater ; der heftige Gemütsbewegungen über das ihm andere, Reginald, also euer leiblicher zugefügte unverdiente Leid dazu beigeOnkel, wird zu der Zeit , in welcher ihr tragen , sein Ende zu beschleunigen . In dieſes leset, längst als Chef des Hauses meinen Armen ſtarb er, das niederdrückende
78 Bewußtsein mit sich hinübernehmend, daß ich vor dem Beginn eines Kampfes ums Dasein ſtehe, in welchem auch ich ſchließ lich unterliegen müſſe. Meinen Zustand zu schildern , als ich mit einigen wenigen Freunden ihn zu Grabe geleitete , unternehme ich nicht. Was mich in dieser furchtbaren Prüfungszeit aufrecht erhielt, waret ihr allein mit euren kleinen lachenden Gesichtern. Nicht einmal euer Onte! erschien , um dem armen Toten die legte Ehre zu erweisen. Ebensowenig erfüllte sich meine stille Hoffnung , daß das auf mich hereingebrochene Unglück die eherne Rinde schmelzen würde, welche sich um die Brust eures Großvaters gelegt hatte. Erit nach Ablauf von sechs Wochen traf Regi nald eines Tages bei mir ein , um Vorschläge vor mir zu offenbaren , die mir heute noch, da ich dies niederschreibe, das Blut der Entrüstung ins Angesicht treiben. Eingeleitet wurden dieselben durch versteckte Anklagen , daß ich seines Bruders Verderben herbeigeführt habe; hieran aber schloß er den Rat , samt euch , meinen Kindern, die jest mein Einziges und mein Alles , meinen Mädchennamen wieder anzunehmen. Als Entgelt bot er mir eine hohe Summe, die Bedingung hinzufügend, daß ich nicht nur nach einer anderen Landschaft verziehe , wo niemand mich kenne, sondern auch mich verpflichte, die Namens änderung als unverbrüchliches Geheimnis der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. „ Ob euer Großvater um den Vorschlag wußte , vermag ich nicht zu ent scheiden. Dagegen bezweifle ich nicht, daß alles nur darauf berechnet war , eurem Onkel und dessen Nachkommen die Firma Montague und das ungeheure Vermögen als unbestreitbar zu sichern. ,,Empört über die schamlose Zumutung. und aufs tiefste verlegt in der Seele eures edlen , rechtschaffenen toten Vaters , wies ich das Anerbieten einer sorgenfreien Zukunft für mich und für euch zurück. Es geschah mit Worten der Erbitterung , die indessen an dem verhärteten Gemüt eures Onkels wirkungslos abprallten ; nur einen anderen Vorschlag zeitigten sie. Als ob ich unehrlich gewesen oder der Liebe cures Vaters mich unwürdig gezeigt hätte, bot er mir eine lebenslängliche hohe Rente unter der Bedingung, euch an ihn auszuliefern, damit ihr zu wahren Montagues ausgebildet werden könntet. Woher er den Mut zu einem solchen Anſinnen nahm, ist mir unbegreiflich. Ich kenne nur die einzige Erklärung, daß er als der Besizer von Millionen sich für berechtigt hielt, einer aus der unteren Volksschicht hervorgegangenen schußloſen Frau gegenüber jede Rücksicht aus den Augen zu ſeßen. Zu. gleich flammte in meinem armen, wirren Kopfe der Argwohn auf, daß der finstere Plan ihn beherrsche, euch auf die eine oder die andere Art seinem Gesichtskreise zu entrücken und das an euch auszuführen, was ſelbſt zu thun ich mich weigerte, nämlich Schritte einzuleiten , welche euch um den Namen und die gerechten Ansprüche eures Vaters brachten.
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„ Meine Antwort auf dieſe ſchreckliche ich von dem Grabe eures Vaters und von und jagte man wie ein schädliches Tier in Zumutung lautete dahin, daß nur der Tod den Stätten, auf welchen ich das höchste die Welt hinaus , wogegen man den Bruder mich von meinen Kindern trennen könne, irdische Glück genossen hatte ; als Frau zu einem Verbrecher erzog Halt an, Kohlmeije ." fiel der Prodaß ich für meine Person gern allen An- | Shields überschritt ich die Grenze von sprüchen entsage, die mir als einer Mon- Kanada, wo ich glaubte, gegen alle ferneren fessor streng ein, " stelle nicht Behauptungen taque vielleicht zuständen, dagegen nimmer Nachstellungen sicher zu sein. Mein Ziel auf, von deren Wahrheit du unmöglich mehr eine solche Verpflichtung auch auf lag ursprünglich tiefer im englischen Gebiet ; überzeugt sein kannſt.' " Ich bin davon überzeugt," versette euch ausdehnen würde. als aber der Zufall, einen Fingerzeig des „ Ein böser Blick aus seinen kalten Augen Himmels möchte ich es nennen, mich nach ich rauh, " Sie selbst erzählten, daß mein traf mich nach dieser Erklärung. Um seine Harrys Kabin führte , gab ich die Fort Enkel Reginald seine Kinder bis auf eins Lippen zudte ein feindseliges Lächeln sehung meiner Flucht auf. Harry und verloren habe. Wer bürgt dafür, daß er in meiner gänzlichen Ratlosigkeit überwachte die Seinigen gewannen eben mein ganzes nicht alle hingab und, um einen Erben für ich ihn genau und die Achseln zuckend Vertrauen , ſo daß der Gedanke, euch über seine Firma zu sichern, den ersten beſten meinte er, daß er es gut genug mit mir kurz oder lang ihrer Obhut allein hingeben von den beiden Zwillingen herausgreifen im Sinne gehabt habe, ich aber mich nicht zu müssen, weniger Beunruhigendes in sich ließ ? Gedenken Sie des Scheusals in der bellagen dürfe, wenn ich unter den Folgen birgt. Wie lange ich noch lebe, steht in Verbrecherhöhle und dessen Enthüllungen. meines Eigensinnes und der aus diesem Gottes Hand . Auf alle Fälle findet ihr Den einen der beiden Brüder aus dem hervorgehenden Entſcheidung zu leiden haben in dem ernſten Grokesen und seinen An- Wege zu schaffen , wurde diesem Weibe würde. Auch riet er mir von jedem Ver- gehörigen Freunde , von deren Gewissen übertragen, mit dem anderen verschwand ſuch ab, in irgend welche Beziehung zu haftigkeit ich überzeugt sein darf. Was Reginald Montague spurlos. Und kein thm oder seinem Vater zu treten. Dadurch, ich euch raten soll, weiß ich nicht. Aber anderer als er war es, das sagt der gedaß ich ihnen jeden Einfluß auf eure Er- ihr seid zur Zeit Männer, die der Aufgabe sunde Menschenverstand, und wundern ſollte ichung versage, habe ich das lezte Band gewachsen sind, den Kampf mit denjenigen es mich nicht, wenn bei einer erneuten Anzwischen ihnen und euch durchschnitten , aufzunehmen, welche sich an eurem Vater, frage die Drentel sich seines schleppenden und fänden nunmehr die mit Rücksicht auf an eurer Mutter und an euch selber so Ganges entfänne, er müßte denn den ihn curen Bater getroffenen Bestimmungen schwer versündigten. Nur die eine Bitte lähmenden Unfall erst nach jenen Tagen auch auf euch ihre Anwendung. richte ich aus bangem Herzen an euch : Wo erlitten haben . " „Und wäre Agathes Mann wirklich Juwieweit Derartiges rechtskräftig be- man zur Sühne geneigt ist, da laßt Milde gründet werden konnte , ahnte ich nicht ; und Versöhnlichkeit walten. Sucht nach dein Bruder, was erst erwiesen werden die Nachforschungen , welche ich darüber besten Kräften die Gegensäße auszugleichen, soll," wendete der Professor mit etwas unanstellte, dienten am wenigsten dazu, mich und es wird euch reichen Segen eintragen. sicherer Stimme ein, so bliebe er immer zu ermutigen. Wo ich anfragte, riet man Wo hingegen die alten feindseligen Gesin- der Sohn deiner Mutter. Sein Dahinmir , den Wünschen eures Onkels und nungen die langen Jahre überdauerten, wo sinken dürfte weniger ihm selbst, als denen Großvaters Rechnung zu tragen, und euch Habsucht und Herzlosigkeit sich einen, um zur Last gelegt werden, deren Aufgabe es dadurch eine glänzende Zukunft zu sichern . euch zu unberufenen, unberechtigten Ein- gewesen wäre , darüber zu wachen, daß Allein um solchen Preis euch von mir zu dringlingen zu stempeln, da wahrt eure seine sträflichen Leidenschaften die besseren geben, das hätte ich nicht über mich ge- Rechte mit allen gesetzlichen Mitteln, schon Regungen nicht überwucherten. " Ich sah den Professor starr an . Unwonnen, und wäre mir die heiligſte Bürg- allein um eurer Eltern willen , und ihr schaft für die Verwirklichung solcher Vor- braucht nicht zu besorgen, daß der Tadel begreiflich erschien mir die Milde seines Urteils über jemand , durch welchen er ausießungen geleistet worden. Nur den ein- eurer Mitmenschen euch trifft. !! Und nun noch einige Worte der innig selbst so schwer gelitten hatte. Er mochte sigen Erfolg hatten diese Ratschläge, daß ich auch gegen diejenigen argwöhnisch wurde, sten, heiligsten Liebe an euch, meine teuren, meine Gedanken erraten, denn nach kurzer welche sie mir erteilten. Ich konnte mich teuren Kinder, wie ſie jezt, da ihr so sanft Pause fuhr er, indem er mir die Hand von dem Verdacht nicht lossagen, daß euer in eurem Bettchen schlummert, noch" keinem reichte, noch gütiger fort : „Wir wollen heute nicht weiter darüber Enkel mit seinem Reichtum alle Menschen Verständnis bei euch begegnen auf seine Seite zog. Was hätte ich überHier verstummte der Professor. Mit sprechen. Du bedarfst der Zeit ungestör haupt von jemand erwarten dürfen, der schnellem Blick überflog er die legten Seiten ten Ueberlegens und Erwägens , mußt dich ſich kein Gewiſſen daraus machte, ein ge- und die Blätter sorgfältig zusammenfaltend mit dem eben Vernommenen ausgiebig verängstigtes und gequältes Mutterherz förm- und vor mich hinlegend, kehrte er sich mir traut machen, bevor du zu einer beſtimmten mit den Worten zu : Anschauung dich bekennen darfst. Ein lich zu zermalmen ? „Was folgt, liebe Kohlmeiſe, ist kaum Endurteil ist überhaupt erst dann möglich, „ Für sich unverrichteter Sache reiſte Reginald ab. Erleichtert atmete ich auf, geeignet für deine augenblickliche Stimmung. nachdem wir einen tieferen Einblick in alles ſobald ich ihn nicht mehr sah ; ſein leyter Du wirst es lesen, wenn du allein bist, gewonnen haben, was jezt noch vor unseren Blick aber brannte in meiner Seele fort, dann aber einen doppelten Genuß darin geistigen Blicken als wirre Masse durcheindaß ich keine Ruhe mehr finden konnte. finden, mag immerhin Wehmut denselben ander wogt . Folge daher meinem Hat Wo ich ging und stand, und nie mehr, durchweben , deiner regsamen Phantasie und lege dich nieder. Die Nacht ist weit als wenn ich euch vor mir sah, folterte freien Spielraum zu gewähren . Was zu vorgeschritten. Auch ich fühle mich ermich namenlose Angst. Ich vermochte mich wissen uns not thut, das haben wir erschöpft. Mit unserem alten Gastfreunde von dem Bewußtſein nicht loszusagen, daß fahren. Wir besitzen die Mittel, dir zu hier, dem wir so viel verdanken, wird es jemand , der mit den schamlosesten For deinem Recht zu verhelfen und das ist mehr, nicht anders sein. Versuche zu schlafen. derungen vor mich hingetreten sei, keinen als je zu erringen wir erwarten durften. " Wenn die Morgensonne erst wieder ihre Augenblick schwanken würde, bei der ersten Vielleicht war es besser, der Professor belebenden Strahlen uns zusendet, wird besten sich bietenden Gelegenheit zu irgend hätte mit Lesen fortgefahren , denn als alles, was dich jetzt bedrückt, dir in einem einem ſelbſtſüchtigen Zweck meiner Kinder er schloß, da kannte ich nur allein die Re- andern Lichte erscheinen.“ Bereitwillig gab ich meine Zustimmung. mich zu berauben. In dem Gefühl, daß gungen einer tiefen Erbitterung. Unter die ununterbrochene Angst um euch meine deren Einfluß lachte ich gehässig auf und Stille und Dunkelheit sehnte ich herbei, um mit mir allein zu sein. Meine Verohnehin tief erschütterte Lebenskraft nur unsäglich herbe fuhr ich fort : " Weder freiwillige noch erkämpfte Sühne gangenheit war ja keine derartige, daß es noch schneller aufreibe, entledigte ich mich daher zunächst meines ganzen Eigentums. geben mir das zurück, was mir schamlos mir durch sie erleichtert gewesen wäre, mich Nur das Notwendigste behielt ich zurück, geraubt wurde. Ungeschehen kann nicht unter den so plößlich empfangenen Einund so trat ich eines Tages meine Flucht gemacht werden, was über mich und meinen drücken hervorzuarbeiten. Zu viel war mit nordwärts an. Als Frau Montague schied Bruder verhängt wurde. Mich selbst hegte | einem Schlage auf mich hereingebrochen.
Balduin Möllhauſen . -82Nachdem der alte Frokese sich unter Zurücklassung der zusammengeschnürten Briefe entfernt hatte , begaben wir uns zur Ruhe. Die Lampe erlosch. Nur noch wenige kurze Bemerkungen wechselten wir, dann herrschte im ganzen Hauſe tiefe Stille. Ich lag in derselben Bettstelle, in welcher meine arme, verfolgte Mutter einst ihren letzten Atem aushauchte. Früher, als ich es erwartet hätte, entschlief ich; doch nicht die Mutter besuchte mich in meinen fieber haften Träumen, wie der ehrliche Frokese voraussette, sondern Gestalten, unter deren Feindseligkeiten ich in meinen jungen Jahren zu leiden gehabt hatte. Allen voraus schritt ein schöner braunlockiger Knabe im schwarzen Sammetkleide. Mich verhöhnend und verlachend, stieß er fortgesetzt mit den Füßen nach mir, ohne daß ich ihm zu wehren vermochte . Es wiederholten sich in mir genau die Empfindungen jener weit zurückliegenden Tage. Ich fühlte sogar den Schmerz, welchen er mir durch die heftigen Stöße verursachte. An der Hand führte er Agathe. In ihrem roten Anzug prangte sie. Weinend suchte sie sich von dem Griff des boshaften Knaben zu be freien, allein es gelang ihr nicht. Ver geblich rief sie mich zu Hilfe. Ich besaß nicht die Kraft, mich zu rächen, nicht den Mut zu Drohworten; denn im Hinter grunde erkannte ich die mich bei jeder Gelegenheit verfolgenden Gespenster : Meike O'Neil, wie er den Riemen über seinem Haupte kreisen ließ und neben ihm Ben Groats , Arm in Arm mit Madge in ihren schlotternden Röcken und auf dem dünn behaarten Haupte das lächerlich schwankende Haarknäuel. Lange, lange dauerte es , bevor un durchdringlicher Schatten alles vor mir verhüllte. Folgenden Morgens führte der erste Gang uns vor das Grab meiner Mutter. Ein traulicher Winkel im schattigen Walde war es, wo sie schlummerte . Kleinere und größere Hügel umringten den ihrigen . Alle trugen die Merkmale pflegender Hände. Ein verwittertes Brett mit dem schwer zu entziffernden einfachen Namen „ Shields " kennzeichnete ihr lettes Heim. Mit Bewußtsein hatte ich die Mutter nie kennen gelernt ; und dennoch , wie durchzitterte mich tiefes Weh, als ich auf den kleinen Hügel niedersah. Eine Welt des Leids vertörperte sich gleichsam in dem vor mei nen Blicken verschwimmenden Namen. Binnen kürzester Frist sollte an Stelle der verwitterten Planke sich eine Tafel mit ihrem vollen Namen : Ellen Montague erheben.
Den Tag verbrachten wir noch in Harrys Kabin. Den größten Teil unserer Zeit verwendeten wir dazu , die von meiner Mutter hinterlassenen Briefschaften auf merksam zu prüfen, und manches fanden wir unter denselben, was den lezten Zweifel an dem Erfolg des vor uns liegenden Unternehmens als ausgeſchloſſen erscheinen ließ. Der sich vor mir eröffnenden Aussichten vermochte ich nicht froh zu werden. Ueber das, was meine Stimmung umdüsterte,
Das Haus Montague.´ 83:
verlor ich zu dem Professor indessen kein Wort mehr. Er dagegen erriet leicht, was an meinem Inneren nagte und vermied ebenfalls, an Umständen zu rühren, welche wie eine mein ganzes Dasein verfinsternde Wolke über meinem Haupte hingen. Gegen Abend schieden wir von Harrys Kabin und deren treuherzigen Bewohnern . Alle Möglichkeiten erwägend, hatten wir die genauesten Verabredungen mit ihnen getroffen . In Dundee beabsichtigten wir zu übernachten . Von dort sollte die Reise uns nach dem Süden führen.
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„Nicht Geschäftsangelegenheiten führen uns hierher ," antwortete der Profefor ruhig, „sondern der Wunsch, Herrn Reginald Montague einen kurzen Besuch abzustatten. Ich hoffe, wir treffen ihn zu Hause ?" " Zu Hause wohl ," hieß es zurüd, allein es ist die Zeit, um welche Herr Montague keine Audienzen zu erteilen pflegt. “ ,,Gut, mein Freund," verseßte der Professor gelassen, es gibt aber Besuche, die zu jeder Stunde vorgelassen werden müſſen. Gehen Sie nur hinein und melden Sie den Professor Treßhold an." Der Diener führte uns in ein fürſtlich ausgestattetes Vorzimmer, wo er uns bat 27. Kapitel . eine Minute zu verweilen. Er selbst ver Eine Schreckensbotschaft. schwand durch eine mit kostbarem Teppich Zehn Tage waren verstrichen, seitdem stoff verhangene breite Flügelthür. Nach wir uns zur Reise nach Harrys Kabin kürzester Abwesenheit kehrte er mit der rüsteten, und zwei nach unserer Heimkehr Nachricht zurück, daß Herr Montague im von Louisville, meiner Vaterstadt. Was Begriff auszugehen, er daher um Wieder: nur immer dazu dienen konnte, meine Ge- holung des Besuchs zu einer gelegeneren burt und die damit verknüpften Anrechte Zeit bitte. festzustellen, hatten wir an uns gebracht ; In der Seele des Professors gekränkt. dagegen entdeckten wir nichts, wodurch der sah ich zu ihm auf. Sein gutes Antlig einmal in mir wachgerufene schreckliche Arg- hatte sich leicht gerötet ; seine Stimme klang wohn abgeschwächt worden wäre. Die in dagegen vollständig leidenschaftslos, indem mir lebende tiefe Erbitterung hatte infolge- er antwortete: " So begeben Sie sich aber dessen einen Höhepunkt erreicht, daß ich mals hinein, mein Freund, und sagen Sie förmlich krankhaft die Stunde herbeisehnte, Herrn Montague, ich sei den weiten Weg in welcher ich meinem Onkel als Ankläger von Brooklyn nicht wegen Kleinigkeiten gegenüber treten würde. Der Professor gekommen , sondern in einer Angelegenheit, durchschaute mich offenbar, und wenn wir die keine Stunde aufgeschoben werden dürfe. mit unserem Besuch bei Reginald Montague Fügen Sie hinzu, ich wälze die Verantlänger säumten, so geschah es auf seine wortlichkeit für die Folgen jedes SäumVeranlassung. Freundlich beschwichtigend nisses von mir ab, wenn ich gezwungen redete er fortgesezt auf mich ein, jedoch werde, unverrichteter Sache heimzukehren. ohne mehr zu erlangen, als mein Versprechen, Wiederum verschwand der Diener geihm allein die Leitung des Verfahrens an räuschlos , um uns gleich darauf bei seinem heimzugeben. Und so standen wir endlich Gebieter einzuführen . Beim ersten Schritt vor demselben Portal , vor welchem ich einst über die Schwelle gewann ich einen vollen mit den Empfindungen eines zum Leben Anblick von ihm . Offenbar um der Notunberechtigten ängstlichen Geschöpfes in wendigkeit überhoben zu sein, uns zum jedem mir Entgegentretenden einen Feind Sigen einzuladen, stand Reginald Vionzu erblicken meinte. Wie viel hatte sich tague neben seinem Schreibtisch, in Halseitdem geändert. Sogar das prachtvolle tung und Miene eisigen, unnahbaren HochGebäude vor mir schien an Umfang vermut zur Schau tragend. Obwohl zwölf loren zu haben, es blendeten mich nicht Jahre verstrichen waren, seitdem ich ihn länger Marmorsäulen und Vergoldungen. zum ersten und lehtenmal flüchtig sab „ Montague und Sohn, " las ich im Vor- erkannte ich ihn doch auf der Stelle wieder , beigehen die Inschrift des gußeijernen zu tief hatte damals sein Bild sich meinem Schildes. „Montague und Sohn, " hallte geängstigten Gemüt eingeprägt . Ja , da es feindselig in meinem Innern nach, wäh- stand er, mit seinem farbloſen, von braunem rend wir langsam die breiten Marmor- Haar und Bart eingerahmten Antlig und stufen erstiegen. „ Was wird die nächste Zu dem unerbittlich strengen kalten Blick meht kunft bringen ?" fragte ich mich zähneknir- einer Statue, als einem Gebilde von Fleisch schend ; wer ist Montague, wer der Sohn ?" und Bein ähnlich. Vergeblich hätte man Die Kontorstunden waren längst ab- in seinen Zügen nach irgend einer Regung. gelaufen. Zwei jungen Männern, augen gleichviel ob feindseliger oder versöhnlicher scheinlich Buchhalter, begegneten wir noch. Natur , gesucht. Ihm sah niemand an, Zm eifrigen Gespräch begriffen, würdigten daß inmitten seiner ungezählten Schäße sie uns kaum eines Blickes . Als wären ein Schicksalsſchlag nach dem anderen auf auch sie meine Feinde geweſen, betrachtete ihn hereingebrochen war . Weib und Kind ich sie finster von der Seite. Wie würden hatte er ins Grab gelegt ; von demjenigen, sie aufgehorcht haben, hätte ich ihnen die der in seine Fußstapfen treten sollte, durch Wahrheit zugeschrieen ! die Kluft ihrer verschiedenartigen Neigungen Auf der obersten Stufe blieben wir weit getrennt, war trostlose Vereinsamung stehen, um die Zuſchriften der verschiedenen sein Teil geworden , und noch immer er Thüren zu lesen . Ein Kontordiener, unsere hob er sein Haupt, als hätte er neben der Unsicherheit gewahrend, trat uns mit den starren Haltung auch die Unempfindlichkeit Worten entgegen, daß die Geschäftsräume eines Felsens beſeſſen. (Forts. folgt.) seit einer Stunde geschloſſen ſeien.
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Jor drei Jahren feierte Björnsterne Björnson sein fünfundzwanzigjähriges Dichterjubiläum , das in ganz Skandina vien freudig begrüßt wurde . Just vor fünfundzwanzig Jahren hatte einblutarmer und blutjunger Student einem Kopenhagener Verleger sein Erstlingswerk angetragen. Leider nur eineBauerngeschichte, ohne alle romantische Zuthat. Der er schrockene Buchhändler ließ sich endlich bewegen, ein so wenig versprechendes Opus anzukaufen. Seine Barmherzigkeit bewilligte sogar ein Honorar von ganzen drei Speziesthalern. So erblickte N Synnöve
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Geraume Zeit nachher erwartete unsern Dichter eine ähnliche Ueberraschungin einer Münchener Kneipe. Zwei Herren, die sich lebhaft über Skandinavien unterhielten, sich zugesellend , wird er ge fragt , ob er von Björnson gehört habe. " Der bin ich selbst ! " Und wer waren die beiden Herren? Verleger und Ueberseger von "/ Synnöve Solbaken". Ja, so reich an harten Kämpfen das Leben dieses außerordentlichen Mannes war und ist, über Mangel an Anerkennung hat er sich nie zu beklagen gehabt. Das Wefentliche zu seinem europäi schen Ruhme haben aber wir Deutschen beigetragen - sagen wir es mit Stolz. Wie immer. Jeder Skan dinave, Russe, Ungar u. s. w. wird durch das Medium unserer enthusiastischen Aufnahme der Welt vermittelt, während das Volk der Dichter und Denker seiner eigenen Litteratur vielfach große freventliche Gleichgültigkeit entgegenseßt. Der Dank ist meist der gebräuchliche. Auch hierin, wie in so manchem anderen, stellte sich Björnson seinen Landsleuten. Es sei schroff gegenüber. ihm nicht vergessen , daß er während des französischen Krieges allein seine deutschBjörnsterne Björnsons Gut (S. 93). freundliche Gesinnung hochhielt. Und doch bleibt er in seiner persönlichen Vorliebe für die romanische Rasse der Björnfterne Björnson. nun ja, eben der echte echte Germane. Wer mag ihm verübeln, daß er von seinem Solbaken" das Licht der Welt. einseitigen Standpunkt des norwegischen „ Solbaken" heißt : eine sonnige Republikaners aus jede geistige Fühlung Bergstelle. Und voller Sonnenschein mit dem Deutschen Reich verloren hat! hatte auf diese Erstgeburt eines Diese Mißstimmung mit den politischen großen Dichters herabgelacht. Nicht Zuständen Deutschlands , deren historische nur in idealer Hinsicht. Auch ma- Berechtigung und genetische Entwickelung terieller Erfolg blieb nicht aus und er als Fremder schwer zu würdigen verdieser Sonnenschein half in dem fei mag , reißt ihn wohl zu ungerechtem menden Genius neue und reifere und oberflächlichem Aburteilen fort. Können doch auch wir die Verhältnisse Früchte zeitigen. Björnson erzählte dem Schreiber dieses Skandinaviens von hier aus nur wenig mit Behagen mehrere Anekdoten , welche beurteilen . die schnelle und plötzliche Berühmtheit, die genug unter uns, die ohne irgend welches den Autor der reizenden Novelle lohnte, Verständnis für den Dichter denselben einkennzeichnen mögen. Bald nach Erscheinen fach aus politischer Sympathie für seinen des Werkes traf er z . B. auf einem Dampfer Radikalismus großschreien. Der dänische einen vornehmen Dänen, der großes In Litterarhistoriker Brandes, früher ein Feind teresse an Norwegen bekundete. Dies sei Björnsons , ist jetzt zum Herold seines legthin noch verstärkt durch eine entzückende Ruhmes geworden, sobald Björnson vom Dichtung aus Norwegens Hochlanden. Da mystischen Puritanismus seiner Jugendzeit mit wies er der errötenden Autoreitelkeit sich zum rücksichtslosesten Skeptizismus ihr eigenes corpus delicti vor! Gegenseitige bekehrte. Charakteristischerweise läßt BranVorstellung folgte der Fremde war der des aber die eigentlichen dichterischen Vordamalige leitende Minister Dänemarks . züge Björnsons unbeachtet, um seine ganze
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Aufmerksamkeit der neuesten Entwickelungs- | diese ganze Dichtung, zu welcher Björnsons die Dramen ,,Maria Stuart" und Hulda ", richtung Björnsons in dessen französierenden erster größerer Roman , Thomas Rendalen" in welchen , wie in den ersten Novellen, Salonstücken zuzuwenden. Unter diesen eine Ergänzung bildet, und welche in dem dem Weltschmerz der übliche Tribut get Stücken sind es gerade die unbedeutendsten, neuesten Werke des nordischen Magus eine zollt wird. Björnson ist auch hier durch aus national. Der Weltschmerz des Nordenen Björnson seine Popularität bei der Art Abschluß findet. Jn " Thomas Rendalen" wird einer mannen zeigt als Symptome berserkerhafte Masse verdankt: „ Das Fallissement " ,dessen Kampfrut Schluß uns recht wenig undVikinger erbaut , und lust. Den landschaft der meister: hafte , aber lichenHinter grund der nicht sonder wilden Tralich tief angödie gelegte Zwei„Hulda" bilafter „ Die Neuvermähldet zwar der ten". Hoch furze nor darüber er: wegische Sommer, in heben sich „Leonarda", den schon der Winter in „ Das neue der Ballade System " und „ Niels Finn" das gewalhereinblickt ; tige , obschon aber die schwerfällige schwarze, Problemstück ,,Ueber blasse, lahme Hulda und menschliche ihr Geliebter Kraft", das sehnen sich wie ein cyklonach Island, pischer Felsder alten block von der Heimat der Bergeinsam Freiheit , wo keit des HochLandsdichters die Flammen herniederdes Hekla un rollte. ter ewigem Die innere Wucht Schnee schlummern, dieses Gewie die Leinius , dessen Schöpfungen denschaft un sich wie vulter verstellter Kälte. Die kanische Na turerschei Flammen brechen her nungen von ihm absonvor : sie stirbt den Feuertod dern und loslösen , wirlt mit ihrem ihrem Wesen Geliebten: „ Das ist die nach so überwältigend, Flamme meiner Liebe, daß man Ciolf. " manchmal Eine ähnliche bangt , der dämonische Schöpfer werde von Frauennatur tritt uns auch der gedankenin der wun überladenen dervollenNo Urgewaltseivelle " Das nes Schaf fens , dessen Fischermäd Björnsterne Björnson. tiefbohrende chen" entge gen. Hier Reflexionsich aus den innersten Eingeweiden des Welt- seits der direkte Einfluß Darwins , zu dessen wird jedoch der vorbereitende Kampf mit geheimnisses zu gebären scheint, selbst wider begeisterten Anhängern sich Björnson zählt, dem eigenen Selbst überstanden und die standslos mit fortgerissen. Bezeichnend ge- anderseits der indirekte Einfluß Zolas Epoche der Reife beginnt. Hiermit forrespondieren die Mannes nug, daß in dieser wunderbaren Halluzi erkennbar. Hier soll das Problem der uation der nordischen Bergnatur (als ähn Vererbung in höchst eigenartiger Weise an gestalten. Da sehen wir zuerst den jungen liche Bodenerzeugnisse sind Absens Beer einer Stufenreihe individueller Entwickelung träumerischen Bauer mit seiner unbewußten dealität (Thorbjörn, Eyvind, Arne), der Gynt" und " Brand" zu begreifen ) ein von den Urahnen her zergliedert werden. Bergrutsch den deus ex machina bildet. Eine jugendliche Vorliebe für Dar sich hinausschut über die hohen Fjällen". Einem Bergrutsch, einer Steinlawinegleicht stellung dämonischer Weiblichkeit verraten . Der junge Björnson verschmilzt mit ihnen
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Björnsterne Björnson . 92rde ihn nur das Erverusfluche wü reichen seiner Bestimmung erlösen . Er ist zum Herrschen geboren und besist ein Anrecht darauf ; dies Recht aber wird ihm vorenthalten . Die Liebe (Audhild) sucht ihn noch einmal von seiner Bestimmung abzu-
-93tiefsten Innern des Dichters hervorquellenden Worte je in volle Erfüllung gehen werden und ob es wirklich das Rechte war , was er wollte , wer weiß es ? Aber, daß er stets nach bestem Wissen und Wollen wirkte , wird keiner zu bestreiten wagen, der je mit ihm in persönliche Be-
ungnefa . heit beginnt wie ein Sausen lenken. Aber er weist sie als un- rühr„Ei Wamhr würdige Schwachheit von sich : sucht im Korne an einem Sommertage und n er doch kein Glück , sondern Selbst- wächst zu einem Brausen über den Wälder . erfüllung. - Er stürzt sich auf sein Doch , bis das Meer sie mit Donnerstimme Ziel . Nachdem alle gütlichen Mittel dahinträgt und nichts mehr vernommen Björnsterne Björnsons Studierzimmer. erschöpft , greift er zu Gewalt und wird außer ihr . " (Lied an das Freiheitsjein eigenes Selbst und man versteht sie | Verbrechen , entzweit sich als Bruder enr.) t lk imr No hte leb seit einigen Jahren Dicrd nur halb , wenn man die Natur nicht kennt, mörder mit der Natur. Das Gesetz der vo De n en stößt - in Paris , in Gesellschaft seiner geistvollen chsei ußt n ue d sei s hundie wird Re der Am 8. Dezember 1832 zu Quifne im bew Rechts aurc Mens ihn du Aber sein Gattin und seiner siebzehnjährigen Tochter . aus welcher sie herausgewachsen. selnd in dieser Steinwüste Besieger gibt zu , da ech endjelabw echt ge- Sein Gut Aulestad , seinen früheren ständigen n ß Jugref unr ma lt Er fäl . d geboren , hat Björnson seine Schuld getrübt . Dov und in Romsdal zugebracht . Dort starren handelt, aus Furcht , seiner Kraft ein ge: Aufenthaltsort , verwaltet sein jüngster die Gespensterberge , die Troltinderne, wo eignetes Feld zu verwehren . Denn sobald Sohn ). Dies Gut (S. 85) liegt in der Eulen und Drachen Wache halten , wäh ein solcher Geist in den Kampf mit der gesundesten und lieblichsten Gegend Norrend am Ende des Thals das majestätische Welt gedrängt wird , tritt er sie entweder wegens , in Gausdal , einem Nebenthal des Romsdalhorn sich in die Wolken bohrt . zu Boden oder wird vernichtet . Doch das großen Thälerzuges Gudbrandsdalen auf Aus diesem Felsgefängnis führt nur ein Große , das hier nur stückweise offenbaret dem Wege nach Drontheim, wo sogar ein Thor, aber ein weltweites : der Ozean. wird , kann sich nach dem Tode zu herr: Sanatorium für Schwindsüchtige wegen Dorthin nach Molde , der paradiesischen licher Bedeutung sammeln . Mit dieser der ungewöhnlich milden Luft errichtet Blumenstadt am Golfstrom , hatte der Hoffnung stirbt Sigurd , sich selbst zur wurde. Die Höhen ringsum sind niedrig, junge , träumend in sich verschlossene Ge- Sühne in die Gewalt der Feinde liefernd, die Waldungen herrlich . Um die Villa Wenn einen grauenvollen Martertod , indem er zieht sich rundherum eine hölzerne Veranda . dann Millionen von Glühwürmchen überm das Kreuzfahrerlied " anstimmt , mit dem Die Nebenbauten liegen übrigens näher s in hule wand . Insel er seine Frrfahrten begonnen . Und das aneinander, als man nach dem Bilde urScen zu en niuer d ndie uner tanz schien zu die Me " lte.mmer 1886 , wo Björnson auf Sigurds Heimkehr " teilen alpen im Alpenglühen verschwammen, da ist nun wahrhaft ImsolSo " einige Monate nach Norwegen zurückkehrte feimten in ihm die Gedanken , deren Früh (Teil dem Drama Björnsons " Zwischen und schon im Christinia Fjord durch einen InIII). rot seinen Pfad bescheinen wird bis zum den Schlachten " spricht eine ähnliche Figur, großartigen nationalen Ehrenempfang ern No König Sverre , über sich die großen Worte en wel rühmte e en lre otichder dr zah SeinAb üllung . Erftbe großen s en en nd 1) Sein ältester Sohn Björn Björnson , der seine eg la geben gelassen aus : " Es kann ja Männer geben , Hoch vellen aus Norw zeit(in Mu-s anfang in Deu Lehr unduspi ganze nd, bei eler hland all diese Eindrücke mit wunderbarer Frische die über viel Volks gesetzt sind , deren fite tschla n Scha r , Jug dens Mei Deutsc danend wieder. Das köstliche Erdbeeraroma dieser Haupt und Stüße sie bilden . Sie müssen ningern, in St. Gallen und am Hamburger Stadttheater e Ste t) nimmt jetzt osngnocinh Poesie vereint sich mit dem stählenden sich verschließen vor der Sorge , denn sie enga fellllu d zwei stiania wirhtet und geac ein sehr als Regisseureine Chrigier Hauch einer Hochlandsluft , die alles Un sollen allen Mut verleihen, wenn sie auch eutendes leisten. reine beiseite fegt. Der Dichter sieht von selbst keinen haben . Aber ich kenne einen , Bed n rk iſt, seinem Bergthro aus alle Gebreste und der so seelensta Grbärmlichkeiten, an denen unsere Kultur- daß er so lange aushal menschheit krankt , hinter ihm in wesen ten kann , bis sowohl Gott als Menschen eingen . lofem Scheine " lie en : es war doch das seh e ich se üml ras rn den ent e in Bjö Hel Di eig hte, was er wollte." Rec n e sons erster Period wird in der zweite Ob diese aus dem von einer anderen Gattung verdrängt . es eni wär ftg und sch Das sind keine Kra merische Jünglinge mehr. Diese Herr schernaturen haben die unklare Gärung überwunden . Weil sie nicht nach Menschensatzung, sondern nach dem „ Recht über den Sternen" ihr Auge richten , schimpft man sie Frre , Tolle, Teufel . Die Trilogie „ Sigurd Slembe " , das großartigste Werk Björnsons und der gesamten skandinavischen Litteratur , stellt eine Beichte , eine Selbstbekenntnis dieses Weil der treuKämpferlebens dar. herzige Jüngling das Ungewöhnliche als Möglichkeit im Innern - trägt , hält man ihn für einfältig . Er wird verbittert und mit angeborner Demut verbindet sich erwachendes Selbstbewußtsein und Ahnung fünftiger Größe . Unaufhaltsam reißt es ihn fort in abenteuerliche Bahnen ; das Früh Sigurds Flucht " (Teil 1) . ist berühmt , irrt Sigurd in der Fremde " (Teil II) umher und von seinem Ahas- I
Lira Skramsts Am Herb eines Hauses in Gausdal.
Eugen v. Jagow . =94-
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freut wurde, sah Schreiber dieses Aulestad | durchzog . So denke ich mir auch Wilhelm wieder nach langen Jahren. Es war viel den Eroberer, vor dessen Schlachtruf „ NoWasser zum Meere geflossen , seit ich zu tredame et Dex aide ! " die tapfersten legt als angehender Weltfahrer mich dort Paladine der Franken den Rücken wandten. umbergetrieben. ') Aber das Bild stand Mit wuchtig tapsigen Schritten , wie noch so lebhaft vor meiner Seele und sein Wappentier und Namensvetter (Björn alles war mir so altvertraut, daß ich be: heißt Bär") wandelt er dort der Länge stätigen konnte, was man mir als Gruß nach die Stube auf und nieder, indem er entgegenrief, als spräche man von gestern : seine Pläne in diesem Schädel wälzt, der Es hat sich nichts verändert." Außer an eine Cyklopenmauer erinnert , hinter dem Wasserfall , wo ich damals gefallen welcher ein Riese seine Waffen schmiedet . sei, da habe man eine Holzrinne gelegt , um das Ausgleiten auf dem schlüpfrigen Stein zu verhindern . Unter einem kleinen natürlichen Wasserfall baden Björnsons nämlich dort an wärmeren Tagen in freier Luft. Man fährt morgens von Christiania mit der Bahn bis Hamar, wo der Kurierzug nach Trondjem für die Nordkapreisenden sich abzweigt , und von da mit dem Dampfer über den ganzen Mjösensee, den längsten Norwegens , bis Lillehammer , wo man abends anlangt . Von da erreicht In der norwegischen Kirche. man Aulestad in 22 Stunden' mit Skyds, jenen einfißigen zweirädrigen Karriolen , mit einem Pferd davor. Nur wenige jener farmoisinrot angestrichenen Pariser Gefängniſſe. Holzhütten, die man im Hochland findet, Von beleben das einsame Thal. Ich selbst habe die Tour jüngsthin von Hamar aus ganz Eugen v. Jagow . allein mit Skyds gemacht, immer am Ufer des Fjords entlang durch die sternenklare
Paris besit zwei Männergefängniſſe für die wegen eines Vergehens oder Verbrechens in Untersuchungshaft Befindlichen, nämlich Mazas und die Conciergerie, außerdem drei Strafgefängnisse, sogenannte Korrektionshäuser, nämlich Sainte- Pélagie, die Grande-Roquette und die Santé. Für die Frauen dagegen gleichviel ob sie verurteilt sind oder nicht, ob sie gestohlen haben , wohl gar der Sittenpolizei unterstehen oder nur gegen ein Reglement ver stoßen haben, vielleicht gar unschuldig find - gibt es nur ein Gefängnis : das schon genannte Saint-Lazare. Das Gesetz fordert eine strenge Sonderung nicht nur dieser verschiedenen Kategorien, sondern auch derjenigen Personen , welche die Einzelhaft vor ziehen , in Zellen. Lettere sind indessen nicht einmal in den Männergefängnissen in genügender Zahl vor handen, noch weniger aber in dem verbauten ehemaligen Kloster von Saint-Lazare, das eigentlich nur für 500 Personen Raum hat, im Januar dieses Jahres aber 900 , ja, in einem früheren Jahre sogar einmal 1800 beher: bergte. Diese höchst summarische Statistik läßt die Lichtstadt in der That in einem recht seltsamen Lichte erscheinen. Der Weg nach den Gefängnissen führt meistens durch das Polizeigewahrsam der verschiedenen Arrondissements von Paris und durch das Zentraldepot der Polizei-
Sommernacht, etwa zwölf Stunden Skydsfahrt, welche die große Anstrengung überreich belohnte. Unvergeßlich wird es mir bleiben, wie das weiße Haus Aulestad auftauchte und auf der Veranda es war Sonntag vormittag , Familie und Gesinde in die Kirche oder auf einen Spaziergang im Thale ausgeflogen eine hohe breit schulterige Gestalt erschien und ein breit frempiger Kalabreser sich winkend in Schwingungen versette. Björnson hatte mich schon in der Ferne erkannt und kam dem Gefährt entgegen. Keinerlei Veränderung schien mir in den altbekannten Zügen vorgegangen. Das mächtige Haupt hob sich immer noch so stolz und gebietend über die Köpfe der Menschen empor. Ueber der Granitwand dieser breiten steilen Stirn sträubte sich das blonde Löwenhaar in der alten üppigen Fülle, nur wenig ergraut . Durch die Brille leuchteten die stahlblauen Nordlandsaugen unter buschigen Brauen mit dem alten scharfen Glanz. Die fest aufeinander gepreßten Lippen und das eherne Kinn trugen unermattet den Stempel unbeugsamer Willenskraft. In seinem elegant und traulich eingerichteten Studierzimmer steht seine Büste aus jüngeren Jahren. Er muß das Modell eines Sigurd, eines Vikingkönigs gewesen sein. So denke ich mir Harold Hardrada, der mit dem Rabenbanner "! Land- Eida", was da heißet „ Weltverwüster" , die Meere 1) Bei einer Verwundung am Fuß mußte ich damals wiederholt von Björnson in mein Zimmer getragen wer den und der Meiſter tief mir lächelnd zu : Na, Sie kön nen doch sagen . Sie sind von Björnson im wörtlichen Sinne auf Händen getragen. "
präfektur, und gerade diese beiden Etappen verdienen vielleicht eine größere Beachtung als manches der genannten Gefängnisſe. Der Aufenthalt im Violon - so nennt der Volksmund das Gewahrsam der ver gehört nicht schiedenen Polizeiwachen gerade zu den Pariser Annehmlichkeiten. Der neue Akademiker Graf d'Haussonville, dessen zahlreiche Arbeiten ich im folgen den vielfach benußen werde, beschreibt ihn bis in die geringsten Einzelheiten. Stellen Sie sich einen Maskenball in der Großen Oper vor. Schon die Treppe, auf deren Stufen je fünfzig Personen nebeneinander stehen können , gibt eine Vorstellung von den Größenverhältnissen des Innern. Der Zuschauerraum strozt von Gold, das Foyer von buntem Marmor, und all diese Herrlichkeiten sind von magischem Lichte übergossen. Hinter einem der zahllosen schwarzen Dominos verbirgt sich das holde Antlig einer neugierigen oder eifersüchtigen Ehegattin , welche, wie in etlichen Lustspielen und bisweilen auch in der Wirklichkeit, heimlich den Ball be sucht hat . Unser modernes Aschenbrödel will sich endlich heimlich fortstehlen ; aber es findet draußen seinen Wagen nicht, aufdringliche , champagnerfrohe Masken verfolgen sie , man täuscht sich über ihre Person und man führt die Jammerside unbarmherzig in das nächste Polizeigewahr sam. Es befindet sich in einem Hintergebäude des Opernhauses selbst. Die Zauberphantasie der Märchendichter hat keinen entseglicheren Gegensatz erdacht, und die Umkehrung des berühmten Goethe-
Diejenigen Pariser Gefängnisse , welche den größten geschichtlichen Namen be sigen, sind längst in Staub gesunken, und niemand wird die Force, das Chatelet und last, not least , die Bastille zurücksehnen, deren Nachahmung auf dem Marsfelde ein Hauptschmuck der Weltausstellung sein wird. Saint-Lazare und die Conciergerie haben freilich die Stürme der großen Revolution überdauert , aber die Tage we nigstens des erstgenannten Frauengefäng nisjes sind ebenfalls gezählt , und auch dieser Schande für Paris wird von niemand eine Thräne nachgeweint werden, es sei denn von den verderbtesten Insassen, welche sich nur in dem Brodem der em pörendsten Promiskuität und einer quet schenden Enge in ihrem Elemente fühlen. Wer weiß , vielleicht werden die Na men der modernen Gefängnisse unseren Nachkommen eine ähnliche Fülle geschicht licher oder romantischer Vorstellungen er wecken, wie die Bastille oder die Concier gerie uns , vielleicht werden ihnen die Figuren Zolas und seiner Jünger so leben dig vor Augen stehen, wie uns diejenigen des älteren Dumas oder Eugène Sués. Die arme Marie Antoinette wird dann durch Luise Michel ausgestochen sein, und statt für Latude und die geheimnisvolle eiserne Maske, deren unschuldiger Träger zu lebenslänglichem Verlust seiner Freiheit und seiner Sprache verdammt war, wird man sich für das größere Rätsel interessieren , wie Wilson , der Schwiegersohn des ehemaligen Präsidenten der Republik, troß seiner sonnenklaren Schuld in Frei heit bleiben konnte.
Eugen v. Jagow .
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verses : „Vor mir den Tag und hinter mir | manche der Armen hat wahrlich Ursache, | wegen Ehebruchs verhaften laſſen. Dann die Nacht" gibtnur eine unvollkommene Vor dem Schicksal zu grollen! wird sie zunächst in die „ Souricière “ und stellung von dem , was unsre zartnervige, Eine Wöchnerin wird zu früh aus dem von dort aus vor das Zuchtpolizeigericht unschuldige Dame beim Eintritt in den Spital entlassen . Sie sinkt ohnmächtig geführt, deſſen Säle über der „ Mauſefalle" Violon empfinden muß. Der Polizeikom auf der Straße zusammen und verlegt liegen, um dann, nach ihrer Verurteilung, miſſar ſchläft daheim den Schlaf des Ge- sich noch dazu am Kopfe. Man schafft abermals den grün und gelb bemalten rechten und will nicht geweckt oder sie nach der Polizeiwache, und da sie ob- „ Salatkorb" zu besteigen und die Reise beim Tanzen in der Oper nicht derangiert dachlos ist , wird sie als Vagabundin nach Saint - Lazare anzutreten. Handelt werden, und sein Vertreter, der ,,chien" , ins Zentraldepot geschickt. Zu all ihrem es sich übrigens um ein schwereres Vergehen hat die Dame barsch abgewieſen : er ist an Elend auch noch die Schande der Verhaf- oder um ein Verbrechen, so wird auch die solche Ausreden gewöhnt. Seine Kunden tung ! Und man denke nicht , daß das Untersuchungshaft im Gefängnisse verbüßt. wollen alle unschuldig sein. Er kennt das, Unglück dagegen immer abſtumpft ! HausDie Seinegefängnisse stehen bei den und kurz und gut , Madame wird die sonville erzählt von einer Spizenarbeiterin , Vagabunden beiderlei Geschlechts wegen Nacht statt in ihrem mit zarten Stoffen die ihr Augenlicht beinahe völlig einge- ihres milden Regimes , wegen der guten ausgeschlagenen Schlafzimmer , statt in büßt hatte. Mitleidige Seelen verwenden Gesellschaft , die man dort trifft , wegen ihrem spihengeschmückten Bett auf einer sich bei der Polizeipräfektur mit Erfolg der Freiheit , die man genießt , im allerHolzbank in einem eiskalten, vier Meter brei- für ihre Unterbringung im Bettlerasyl von besten Rufe , und wer sich, zumal in der ten und langen, finsteren Loche zubringen Villers- Cotterets , das jener untersteht. Da kalten Winterszeit, vom Staate verpflegen und noch dazu in welcher Gesellschaft ! die Unglückliche indessen keine Pariserin lassen will , der läßt sich mit Vorliebe in Zehn andre weibliche Weſen ſizen zu ist, so muß sie zuvor für kurze Frist als Paris festnehmen. Es ist das Nizza der fammengekauert da und empfangen die Vagabundin im Zentraldepot verweilen . Arbeitsunlustigen. Kaum in Saint Lazare angelangt, Zitternde mit einem Schnapsdunst , mit Dazu will sie sich aber nie entschließen , dem Lallen der Trunkenheit, mit Verwün- obgleich man ihr klar zu machen sucht, es müssen die neuen Gäſte ihre mehr oder schungen wegen Störung der Nachtruhe geschehe ja nur um der Form willen und weniger seidenen Kleider mit der unſchönen oder gar mit schmutzigen Spottworten. sie solle dort die ganze Zeit im Lazarett grauen Gefängnistracht vertauschen, gleichAus dem benachbarten Violon tönt das gepflegt werden. Eines schönen Tages viel welches Vergehens sie sich schuldig Schnarchen der Verhafteten männlichen verschwindet sie spurlos. gemacht haben. Eine schreiende Ungerech Geschlechts , von Vagabunden und TrunGar rührend ist auch die von Hauſſon- tigkeit , die freilich mit derjenigen nicht fenbolden , unheimlich herüber , aus dem ville mitgeteilte Geschichte jener blindge verglichen werden kann , welche ehrbare Wachtlokal dasjenige der Gardiens de la borenen Klavierlehrerin, welche sich für eine Frauen mit den elendeſten Dirnen unter paix. Die Unglückliche findet nirgends große Romanſchriftstellerin hielt. Aus der ein Dach zwingt. Saint - Lazare hat in Schug, sie schweigt, duldet und weint. Pension entlassen, wo sie ihr Lehramt ver- der That einen so bösen Ruf, daß ein Am andern Morgen wird sie vom nachlässigte, verſank ſie bald in tiefes Elend Aufenthalt darin einen ewigen Makel hinPolizeikommiſſar verhört und , wenn sie und ward schließlich wegen Professions- terläßt. Und doch kann eine GewerbetreiGlück hat und der Irrtum ſich aufklärt, und Obdachlosigkeit verhaftet. Alle ihr bende, eine Marktfrau beiſpielsweiſe, nur entlassen. Andernfalls muß sie den angebotenen Geschenke wies sie stolz zurück, weil sie gegen das Reglement verstieß, ebenso gut damit behaftet werden wie etwa Frau Zellenwagen , den sogenannten ,,panier à fie forderte nur eines : einen Verleger. salade", besteigen, welcher die Inſaſſen des Vor dem Verlassen des Zentraldepots Clovis Hugues, die doch später, mit Recht Violons dreimal täglich nach dem Zentral- werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf oder Unrecht, glänzend freigesprochen wurde. depot der Polizeipräfektur schafft . die Männersäle , welche der Volksmund Jn kurzer Frist wird Saint-Lazare freilich Die beiden engen Säle für die Frauen Blusen- und Hutsaal nennt. In letzterem nur noch eine bestimmte Klaſſe weiblicher befinden sich dort wie die der männlichen wird die Aristokratie untergebracht, welche Wesen aufnehmen, um schließlich ganz zu Gefangenen in den Kellerräumen des man , nach Balzac , am besten an ihrem verschwinden und durch einen Neubau erJustizpalastes. Es fehlt an Licht , Luft Hute erkennt. So ernst und still es hier seht zu werden . In demjenigen Viertel des Gefängund Raum ; der Herr Architekt hatte, wie zugeht, so luſtig und lärmend in demBluſenüblich, die praktischen Zwecke des Baues jaal, wo von den zweihundert Insassen wohl nisjes , in welchem die in Untersuchungsganz aus dem Auge verloren und ist im zwei Drittel den edlen Müßiggang , die haft Befindlichen untergebracht werden, geht Obergeschoß mit dem Raum wahrhaft ver- Bettelei und die Strauchdieberei zum Le- es selten ohne Weinkrampf und heftige Emschwenderisch umgegangen. bensberufe erwählt haben. Unmöglich kann pörung ab . In zwei niedrigen Sälen auf In dem einen Saale kauern an ein sich der Wächter unter ihnen aufhalten, kleinen, eng aneinandergerückten Stühlen hundertundfünfzig meist noch jugendliche, denn sie würden ihm eines schönen Tages verbringen dieselben denTag, und dieunſchulweibliche Wesen zusammen , deren frecher in einem Anfalle von schlechter Laune eine dig Verhafteten, die vielleicht von der RachBlick erraten läßt , welcher Kategorie sie sogenannte , pousse " geben, d.h. anderWand sucht oder vom Neide bezichtigt worden sind, angehören. Etliche von ihnen verbüßen zerquetschen. Er thront daher auf einem find unfreiwillige Zeuginnen vertraulicher dort, statt in Saint - Lazare , die übliche Holzbalkon. Den mit Gebrechen Behaf- | Gespräche zwischen den verworfenſten GeHaftſtrafe von vier Tagen , also mitten teten würde es vielleicht ähnlich ergehen, schöpfen. In der Nacht verdoppeln sich unter denen, die noch gar nicht verurteilt jedenfalls würden sie von diesen Wölfen die Qualen. Man bleibt zehn Stunden find. In dem andern Saale, in welchem in Menschengestalt verhöhnt werden, und ohne Licht und in der Gesellschaft von die Schwestern vom Orden Marie-Josef man bringt sie daher in den Zellen unter. zwei Leidensgefährten in einer engen Zelle. ebenfalls die Aufsicht führen, werden die „ Das Elend erregt kein Mitleid mit dem Es begreift sich, daß dieses enge Zusam jenigen weiblichen Gefangenen unterge- Elend," bemerkt Hauſſonville melancholisch . menleben , welches auch im Viertel der Verbracht , welche gegen das gemeine Recht Unfre Bekannte aus dem Opernball | urteilten die Regel ist, entsittlichend wirken gesündigt haben oder gesündigt haben sollen . ist von demjenigen Beamten, welcher den muß. In der That verläßt manch junges Ebenso in den Zellen. Lehtere befinden Inhalt der „ paniers à salade" fondert, den Mädchen , welches bei seinem Eintritt in jich sämtlich auf einem langen Gange, und Mörder vom bloßen Berufsbettler , die das Gefängnis der Stimme der Tugend der Anblick , welcher sich einem durch die Vitrioleuse von der Kupplerin scheidet und und der Ehre noch nicht unzugänglich war, fleinen Thürfenster bietet, iſt oft gar jäm- einem jeden seinen Weg vorschreibt , vor- Saint-Lazare als abgefeimte Sünderin. Es finden sich allerdings in Saintmerlich. Finsterer Troß in den Gesichtern aussichtlich sofort entlassen worden. Sie wechselt mit Thränen und Verzweiflung, ist ja auch für ihre Neugier genügend be- Lazare auch einige Zellen, die aber kaum welche oft nervöse Krisen verursacht und straft. Aber nehmen wir nun an , ihr so groß sind wie ein Käfig für wilde Tiere die Ueberführung der Kranken ins Lazarett Gatte habe sie , wie es seit der Ein- und im Winter wegen ihrer Kälte, im Sommer wegen ihrer Hiße unbewohnbar sind. der Polizeipräfektur erforderlich macht. Und führung der Ehescheidung oft geſchicht, 5 89. II.
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Eugen v. Jagow . Pariser Gefängniſſe. 101-
Auf die Dauer, schreibt Haussonville, wider | fromme Institution verurteilt hat ! Das steht keine Natur den bösen Einwirkungen genannte Gefängnis war übrigens unter dieses Aufenthaltes , und ein wahrer dem zweiten Kaiserreiche als das der poliHohn auf Paris , die Stadt der Zivili tischen Gefangenen berühmt , und der befation par excellence ! - die Erlaubnis , kannte Journalist Armand Carrel, der von seine ganze Strafzeit in solcher Zelle zu Girardin im Zweikampfe erschossen wurde, verbringen, gilt trotzdem als eine Gunst- schildert es schlimmer als die Kerker bezeugung des Direktors . Venedigs und des Spielbergs . Vermut Die Bewohnerinnen von Saint-Lazare lich hatte er Silvio Pellico und Anastasollen zur Arbeit, zum Säumen von Taschen- sius Grün indessen nicht gelesen. Wie tüchern, Laken 2c. und zu strengstem Schwei- dem auch sei , jene Zeiten sind vorüber. gen angehalten werden. Die Praxis aber Viktor Hugo ist in Frankreich gestorben kümmert sich um den Buchstaben des Ge- und selbst Rochefort ist es gestattet, im sezes wenig; man arbeitet so gut wie gar Heimatlande den Intransigeant" zu leiten nicht , sondern schwagt unablässig , natür und das schöne Schauspiel seiner Verlich in erster Linie über die Toiletten, die wandlung aus einem Antibonapartiſten in man schmerzlich entbehrt. Was mag aus einen Boulangisten vom reinsten Wasser dem Papagei, aus dem Hündchen gewor in Paris selbst zu bieten. In der That den sein , die in der Wohnung zurückge sind die Gefangenwärter der politischen blieben sind ? Oder man rühmt sich seiner Abteilung zu Siebenschläfern geworden und vornehmen Verwandten , man hat Bou- sogar im wunderschönen Lenz fast erstaunt, langer oder Gambetta gekannt. Nicht sel wenn sie vom Kirchhofe des Père Lachaise ten handelt es sich in der Dunſtatmoſphäre her einige Gäste erhalten. Es handelt sich dieser dicht aneinandergedrängten Weiber natürlich nicht um die umgehenden Geister natürlich auch um schlüpfrigere Dinge. der auf den Barrikaden gefallenen KomUnd was geschieht, um die Unverdor- munarden , sondern um die , welche deren beneren vor dem Kontagium des Lasters Gedächtnis mit roten Blumen und Fahnen, und vor den bösen Ratschlägen zu schüßen ? - Flammenreden und Piſtolenſchüſſen feiern. so gut, wie nichts. Eine Lehrerin erteilt Aber selbst die Herren Possibilisten, Flanunter Aufsicht der Ordensschwestern denen, quisten, Joffriniſten und Anarchisten sind, welche es wünschen , Unterricht . Dieser wie gesagt , seltene Gäste von Saintezielt im wesentlichen auf die Hebung des Pélagie, welche sich jetzt - zumal nach Sittlichkeitsgefühles hin, auch fehlt es nicht Abschaffung der Schuldhaft - im Verein an guten Ratschlägen, wie man sich nach mit der Santé , fast ausschließlich den der Entlassung aus dem Gefängnisse Ar- kleinen Sündern am gemeinen Rechte wid beit und Unterkunft verschaffen kann . Diese met. Beide Gefängnisse beherbergen die neueEinrichtung soll schon einige gute Früchte selbe Kategorie von Verbrechern, das eine getragen haben; indessen genügt sie nicht. empfängt diese in den ersten drei Tagen Man braucht nur die katilinarischen Eri- der Woche, das andre in den lezten drei, stenzen zu beobachten, welche in aller Frühe und doch herrscht in Sainte- Pélagie vor dem Gefängnisse stehen, um ihre aus Gemeinschaftshaft , in der Santé , deren demselben entlassenen, sich scheu umblicken- Name eher auf ein Spital schließen läßt, den Opfer in Empfang zu nehmen , und teilweise wenigstens die Isolierhaft. Kann man begreift , warum die Mehrzahl der man sich etwas Inkonsequenteres , etwas letteren rückfällig werden muß . Widersinnigeres vorstellen, und zwar etwas In den Männergefängniſſen ſind drei um so minder zu Rechtfertigendes , als verschiedene Systeme planlos durchgeführt : über die Unzweckmäßigkeit der erstgenannten in Sainte-Pélagie sind die Gefangenen Form bei den Sachverständigen kein Zweifel Tag und Nacht beiſammen, in der Grande- mehr herrscht und es sich nur um eine Roquette nur bei Tage , in der Santé finanzielle Frage handelt? Diese Knauferei -oder wenigstens in einem Teile derselben an falscher Stelle ist um so man könnte ist dagegen die Einzelhaft durchgeführt. fast sagen unmenschlicher, als Frankreich Sainte-Pélagie ist im eigentlichen Sinne für seine Verwaltung , seine öffentlichen des Wortes ein fideles Gefängnis " oder Bauten und Weltausstellungen hundertmal ein " schlecht gehaltenes Gasthaus " , wie mehr vergeudet , als zu einer gründlichen Haussonville sich ausdrückt. Es hat kaum Gefängnisreform erforderlich wäre. für 500 Play und beherbergt 700 , die Die Santé ist bedeutend jüngeren zum Teil den Korridor als Wohnraum Datums , d . h. sie wurde wenige Jahre benutzen müssen. Eine Ueberwachung ist vor dem Untergange des Kaiserreichs er also schon bei Tage nicht möglich , ge- baut , und zwar zu einer Zeit , wo man schweige denn in der Nacht. Besiht doch nach einem leidenschaftlichen Feldzuge Sainte-Pélagie nur zwei Schlafsäle und gegen die Einzelhaft für die Gefängetliche kleine Zimmer, in welchen letteren nisfrage wieder gleichgültig geworden war ; Gruppen von drei bis zwölf Personen hängen doch selbst diese tief ins Volfs ohne jede Sichtung untergebracht werden. leben einschneidenden Prinzipienfragen leider Daß die Lehrlinge, welche vor dem gemeinen von der Mode ab . Sobald es aber an dem Recht noch ein wenig Respekt haben, hier mächtigen Antriebe der öffentlichen Meifaſt immer ihren Meister, ihren Lehrmeister nung gebricht , so waltet leicht die Befinden werden, versteht sich ganz von selbst. amtenwillkür, deren nachteilige Folgen sich Sainte-Pélagie war, wie Saint-Lazare, vor allem aus dem Mangel jeglicher Einein ehemaliges Kloster. Seltsame Meta- heitlichkeit , aus der fehlenden Durchfühmorphosen, zu denen das Schicksal diese rung eines alleinigen Grundſages offenbart .
=102Das Ministerium des Innern schwärmte für das Gemeinschaftssystem, die Polizeipräfektur für das der Zellen, und da beide Recht behielten, so entstand eben die Santé, d. h. ein Zwitter, an dessen Beseitigung eben um seiner verhältnismäßigen Jugend willen ―― nicht zu denken ist . In dem gemeinschaftlichen Viertel ist zwar für die Nacht eine Trennung durchgeführt, welche übrigens einen mündlichen Verkehr mit Hilfe der Abzugsröhren und Fenster nicht ganz ausschließt, aber dafür geht es bei Tage fast noch ungezwungener her als in Sainte- Pélagie. Das Rauchen ein Sonderrecht in den bei der Verbrecherwelt gut beleumundeten Pariser Gefängnissen ist nur das geringste Uebel. Man behauptet mit Recht, daß jene Diebsund Einbrecherbanden, welche besonders die erzentrischen Viertel und Vorstädte von Paris unsicher machen, sich in den Seinegefängnissen gebildet und zusammengefunden haben . In der That ist es in keinem derselben möglich , die Insassen zu regelmäßiger Arbeit anzuhalten, zunächst , weil die Arbeitssäle zu klein sind , alsdann, weil es von dem Adjudikator der Arbeiten abhängt , wieviel er arbeiten lassen will . Eine dienstliche , erzieherische Maßregel wird mithin einem geschäftlichen Intereſſe untergeordnet. Das Gemeinschaftssystem der Santé ist übrigens ein besonderes ; es ist nämlich in sogenannte Viertel geteilt , welche die verschiedenen Verbrecherklassen sondern , so die wegen Bettelei , oder Landstreicherei, oder Diebstahl, oder Sittlichkeitsvergehen 2c. Verurteilten. Und doch ist diese Eintei lung eine ganz oberflächliche und höchstens dazu geeignet, unter den Verbrechern Spezialisten auszubilden. Eine vernünftigere dagegen , welche die mehr oder weniger verstockten Uebelthäter absonderte , d. h. den ſittlichen Maßstab wählte, ſcheint praf tisch unausführbar. In der That sicht man sich oft gezwungen, in Ermangelung von Raum in einer der Abteilungen beiſpielsweise die Bettler in die Abteilung der Diebe zu schicken und umgekehrt. Unter solchen Verhältnissen , bei solchem Ueberwiegen der materiellen Rücksichten kann natürlich von einer vernunftgemäßen Son derung, welche wenig Gefangene und ein zahlreiches Aufsichtspersonal, die Möglichkeit , sich um jeden einzelnen der wenig stens im Sommer unfreiwilligen Gäste u kümmern , notwendig vorausseßen muß. noch viel weniger die Rede sein. Uebrigens hätte auch diejenige Absonderung, die wir als wünschenswert bezeichneten , so lange keinen Sinn , als sie nicht auch für die Nacht durchgeführt wird. Gegenwärtig verfügt man in den dem Gemeinschaftssystem huldigenden Vierteln zwar über fünfhundert Zellen , aber diese genügen nicht , und vier mächtige , stets gefüllte Schlafsäle bleiben fast ohne jede Aufsicht. Die Grande- Roquettebirgt,wieHausson: ville es treffend bezeichnet, die allergefähr lichsten Verbrecher, nämlich – den Pariser. Es führt den offiziellen Namen : „ Depot der Verurteilten " und diente ursprünglich)
Eugen v. Jagow. Pariser Gefängnisse .
105= -104nur dazu , die vom Zuchtpolizeigericht zu Geschichte des Zellensystems in Frankreich | wirtschaften versehen sind. Im Durch103schnitt gewinnt der Bettler zehn Frank mehr als einjähriger Freiheitsstrafe Ver- und Bis elei 187 überzum die Jah Bettre . 5 huldigte man in täglich . Die meisten von ihnen sind wirk ion nach Neu- Caledonien Deportat Frankreich noch völlig dem Jrrglauben, lich Krüppel , etliche aber simulieren , oder urteilten , die Zuchthäusler und die und zur Cayenne Verdammten provisorisch aufzu daß das Zellensystem verrückt mache ". suchen , wenn sie beispielsweise blind sind, nehmen. Seit jener Zeit werden auch die Von der klei " nen Gruppe, welche in der das Mitleid noch durch das Erheucheln vom Zuchtpolizeigericht zu mehr als drei Nationalversammlung den Antrag auf eine eines andern Leidens , wie nervöses Gemonatlicher Freiheitsstrafe Verurteilten in völlige Umgestaltung des Gefängniswesens sichterschneiden , zu erhöhen . Gewisse Krüppel die Grande -Roquette geschickt , wo eben stellte , zeichneten sich in erster Linie Herr sind bereits als Kinder zu bettlerischen falls, wie schon erwähnt , ein Mischsystem Voisin und der als Jurist hervorragende Zwecken verunſtaltet worden , so die, welche herrscht , welches mit dem von ihm nach Senator Bérenger aus. Der erstere hatte von den Pariser Bettleragenturen aus geahmten Auburnsystem wenig Verwandt die holländischen und belgischen Gefängnisse Spanien verschrieben und ausgebeutet wer schaft besigt, sintemalen in Amerika selbst sehr eingehend studiert , der lettere die fran- den, auf einem Rollwagen leben und darauf bei Tage und trotz des gemeinsamen Arzösischen . Béringer stellte durch eine sehr sogar in der Nacht , neben zehn oder zwanzig beitens jeder mündliche Verkehr untersagt gründliche Statistik fest , daß die Einzel- Leidensgefährten , in einer Remise zuist, während in der Grande-Roquette ge- haft, selbst auf lange Jahre , nicht mehr bringen . Die kleinen Blumenmädchen spielen rade das Gegenteil der Fall ist. Hören Fälle von Jrrsinn erzeuge , als dies bei selbst im zartesten Kindesalter eine Rolle, wir nun Haussonville : „Wenn einer unsrer dem Gemeinschaftssystem der Fall sei . welche oft weit über die Straßenbettelei modernen Romanziers , wie dereinst Eugène Voisin dagegen zeigte, daß die Einzelhaft hinausgeht und nicht selten im GerichtsEue oder Balzac , einige Szenen des Ge- in Holland in sehr viel rationellerer Weise gebäude abschließt . Die den Berufsbettlern fängnislebens hätte wiedergeben wollen , gehandhabt werde , denn sie trenne zwar gemachten Geschenke an Viktualien oder so würde er seine Chourineurs oder Van die Verbrecher voneinander und schüße sie Bons auf Brot und Fleisch werden von trins in die Grande -Roquette versezt haben . | so gleichsam vor Ansteckung, sehe aber eine ihnen grundsäßlich verkauft und meiſt Aber ich glaube, daß selbst Zola vor der starke moralische Einwirkung seitens des vertrunken . Die Hausbettelei bringt noch mehr ein, ise hrec r Red cksc Rohe er er ihreist de. Gefä zurü sses lied würAnschu und dervora Mitgus sausrs tekenseit hungekto nde uet Und it doch rwacsdir dieewe Gra -Roq Uebengni . Außdes auch ist sie minder gefährlich , und zwar fang des Jahres 1887 ihres gefährlichsten dem beschäftige man alle Gefangenen . Aus aus dem guten Grunde, weil der, welcher und turbulentesten Elementes , der Zucht den schon erwähnten rein praktischen Grün- sich durch schöne Worte und sein gutes es fehlte an Geld zu Neubauten Herz hat täuschen lassen , bei der Polizei einer Empörung , welche diese angestiftet oder Umbauten ! ging der erwähnte selten eine Klage anhängig macht . Auch ler , entledigt worden , und häusen wegen denrag d rauf hatt und deren Beweggrunzwa die Ant im französi-schen Parlamente nicht die Hausbettler haben in Paris einen Sitten in unsern Gefängnissen ein merk durch , und es liegt noch heute im Gefäng- Mittelpunkt , und zwar im Maubertviertel , würdiges Licht wirft . Der Polizeiwacht niswesen gar vieles im argen, aber wenig das außerordentlich verkehrsreich ist. Es wurden in Paris im Jahre 1886 ter, welc meisGefä stem ern Ruheeesim ssesüber ist äßes daste Zell ngniher daskann vert , hatt des n aner k sten t , 9955 Personen, darunter 4660 männliche, wachdie fürInn emeials zwec nunfstgem jestensy allg mäßig erachtet , einen jungen Menschen und jedes Jahr bringt Frankreich der Verwegen Bettelei verhaftet ; nicht weniger als von achtzehn Jahren , Liebling der Zucht wirklichung eines zweckmäßigen und ein- 14 685 , darunter 13 579 männliche , wegen häusler , von dem gemeinsamen Hofe in heitlichen Gefängnissystems immer näher . Landstreicherei . Da während des genannten Bettelei und Landstreichertum spielen Jahres im Zentraldepot nur 42 167 Perten" (für Angeber oder begnadigte zum zumal in Paris , eine bedeutsame Rolle . sonen weilten , so ergibt sich daraus , daß e nnt er das sogena "Viertel der Abgesond ebenfalls in die Hälfte aller Verhaftungen in Paris Tode verurteilte Verbrecher) zu versehen. Vor etlicher Zeit erschien. eine sehr dem Elend und der Trägheit zuzuschreiben teDeu swer auf Ban thäusler de empö einers gan Tag darzen wurde Zuchster der rter Wachtmei rdie beme„ rken von der Stu Revue von “ Marime du ist. Von den erwähnten Bettlern und des Mondes umringt , welche ihn zu ermorden planten . Camp über jenes merkwürdige Thema . Die Landstreichern wird allerdings nur ein In der That verdankte er sein Leben nur Gesamtheit der Bettler erschien einem kleiner Teil (die dreimal Rückfälligen) vor der Dazwischenkunft eines Gefangenen, darin wie eine weitverzweigte, wohlorgani Gericht gestellt und wiederum nur ein welcher ausrief , der Wachtmeister sei im sierte Genossenschaft mit verschiedenen Rang- Bruchteil derselben verurteilt . Schon aus Grunde genommen ein braver Mann und und ... Vermögensklassen , Bettlerbörsen diesen Angaben erhellt die Unmöglichkeit, er habe recht gehabt . Seit dieser Em- und Agenturen , Arbeitgebern und Arbeit das Uebel zu beseitigen , ja selbst die Schwiepörung sind die Zuchthäusler in die Santé nehmern, mit einem Sonderrecht , das sich rigkeit , es auch nur zu verringern. Die geschickt , wo sie in einer Zelle den Zeit als ein Gewohnheitsrecht charakterisierte große Zahl der Rückfälligen kreist beständig und im Gegensatz zu dem der Diebe zwischen der Straße , dem Zentralbüreau oder der Kollektivisten - Eigentums- und und dem Gerichtshofe , und der Versuch, punkt ihrer Abreise erwarten . " diesen Strom einzudämmen und von Paris Die von Haussonville geschilderte Em- Erbrecht streng aufrecht erhält . abzulenken , ist um so aussichtsloser , als pörerszene war übrigens keineswegs die Es würde zu weit führen, wenn wir die Seinegefängnisse , wie wir gesehen haben, ch erste. Als einige Zeit zuvor zuglei mit alle Berufsklassen der edlen Bettlerzunft sind. Sie dem Wechsel der Direktion ein Wechsel der aufzählen wollten ; die Mitglieder der les nichts weniger als gefürchtet tionshaus ; unteren Hausordnung eintrat , welche den Herren teren sind fast durchweg Spezialisten , gleich bild eben ein Konversa scheiden sich aber freilich u. a. auch darin Verbrechern nicht behagte, erhielt der neue viel ob sie den durch Erbschaft und Vervon den Kasinos der Modebäder, daß sie Direktor einen Kopfstoß gegen die Brust, schwägerung erworbenen Platz vor der nicht im Sommer , sondern vor allem im t war gen sge r ner ste sei welche , dank der Gei Modekirche innehalten oder im Abfassen chtlle Unterbeamten , glücklicherweise nicht das zweckmäßiger, der Person des Angebettelten Winter gesu sind. nvi berichtet von zwei merkHausso Vorspiel zu einem Morddrama wurde . In entsprechender Bittschriften den höchsten digen Fällen , welche für die von ihm wür s h all im nörd Grad der Kun Frankreic , oder doch jedenf en äfe . kt , wel gewählte Haupteinteilung der Bettler, näm errericht izeipr Polhab Parise Der neue st lichen, sind Kopf und Fuß nämlich die ben Polizeikommissaren lich in die von Beruf und aus Not, cha che tli r von sich säm che liebtesten Waffen , in deren Handhabung der Arrondissements statistisches Material rakteristisch sind . Der eine der ihm im sich zumal der Pariser Verbrecher als hat liefern lassen, scheidet die Bettler - Zentralbureau vorgestellten Bettler " war gt als init der weit größerer Meister zei in Straßen- und ein Mann von leidlich anständigem Aeußern, Nach dieser kurzen Schilderung der ver freilich rein äußerlich n se ied nur noch einiges Hausbettler. Die erst-e Kategorie bewohnt der einer ehrenwerten Familie angehörte. Gefängnis sch t.ene Faus wenige über zwei sehr verschiedenartige , mit Vorliebe gewisse Straßen in solchen Sein Sohn hatte im Lehrfache eine ziem aber gleich intereſſanté Punkte , über die Häusern , die mit Schnaps- und Wein- lich hohe Stellung inne ; er selbst , ehe-
fr. Gräßner. 106maliger Steuerbeamter , bezog eine kleine Pension. Die Bettelei war bei ihm eine Leidenschaft , eine Manie , welche seinen Zigeunergewohnheiten entsprach. Er zog es vor, zu bummeln und von Kneipe zu Kneipe zu wallen, Zigarrenabfälle vom Bürgersteige aufzulesen und zu betteln, wenn ihm die Hilfsquellen ausgingen, als in seiner Wohnung ruhig zu leben und eine ehrenwerte Pfeife am Kaminfeuer zu rauchen . . . ." Minder romanest und sehr viel trauriger ist folgender Fall : „ Eine arme Frau, die aus dem Gefängnis von Saint-Lazare entlassen worden ist! Rechtmäßige Gattin eines Pariser Arbeiters , war sie von die sem nach ihrem dritten Kinde verlassen worden. Von Beruf war sie Sacknäherin und ihr Einnahmeetat nur zu leicht auf zustellen. Sechs Sous für einen Sack und fünf Säcke den Tag (vorausgesetzt, daß die Bestellungen nicht ausblieben) macht dreißig Sous (oder nach deutschem Gelde etwas über eine Mark). Um drei Personen zu ernähren, unterzubringen und zu kleiden, war das doch nicht völlig genug. In der That gewöhnte sie sich allmählich ans Betteln, um auskommen zu können. Verhaftet, wieder in Freiheit gesett , hatte sie sich mehrmals wieder abfassen lassen. Auf diese Unglückliche traf völlig die Definition des Gesetzes zu : Bettlerin aus Gewohnheit und arbeitsfähig. In der That wurde sie vom Gericht zu drei Tagen Gefängnis verurteilt, und es handelte sich alsdann um die Frage, ob sie nach dem Bettlerdepot geschickt oder ihren Kindern zurückgegeben werden würde. Lezteres geschah. Und doch gehört dieser Fall offenbar in den Wirkungskreis der öffentlichen Wohlthätigfeit, und er erwies gleichzeitig die schlechte Organisation und die Unzulänglichkeit der von den Wohlthätigkeitsbüreaus verteilten Unterstügungen. Diese schlechte Organi sation und diese Unzulänglichkeit der öffentlichen Wohlthätigkeit sind ein Schlußergebnis, zu dem man notwendig gelangen. muß, wenn man ernster Arbeit unfähige Greise und Greifinnen , hilflose Krüppel, die aus den Spitälern als unheilbar Entlassenen unter der Anklage der Landstreicherei oder Bettelei erblickt . Alle diese im Kampfe ums Dasein Besiegten müßten aufgelesen werden wie die Verwundeten auf dem Schlachtfeld; statt dessen läßt man sie im vollen Licht der Sonne ihr Elend und ihre Wunden zur Schau stellen ..." In der That ist das Armenbudget unzureichend und befindet sich überdies im Defizit, so daß die Unterstützungen und sogar die Zahl der auf der Liste der Hilfsbedürftigen Stehenden verringert werden müssen, während die der Hilfsbedürftigen wächst. Bei der außerordentlichen Kostspieligkeit der französischen Verwaltung und im besondern der Pariser Stadtver waltung ist das freilich nicht verwunderlich. Trozdem gilt es noch immer für ein Ariom , daß ganz Europa Paris um dieselbe beneidet. Wir bezweifeln das,
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während es anderseits zweifellos ist, daß die Pariser Hilfsbedürftigen sie dem großen Europa von Herzen gönnten. Der vorstehende Aufsatz bliebe unvollständig, wenn wir nicht hinzufügten, daß das Frauengefängnis von Saint-Lazare, wie oben angedeutet, inzwischen eine tief greifende Reform erfahren hat. Immer hin bleibt das , was wir über dasselbe gesagt haben, von geschichtlichem und sitten geschichtlichem Interesse. Die zu geringen Freiheitsstrafen Verurteilten werden von jest ab in Nanterre, die zu längeren Gefängnisstrafen Verurteilten in Doullens untergebracht werden, so daß in SaintLazare nur die unter fittenpolizeilicher Aufsicht stehenden Frauenspersonen zurückbleiben , welche da jest mehr Raum — zur Verfügung steht durchweg in Zellen isoliert werden können. Voraussichtlich wird aber auch das alte Kloster von Saint Lazare demnächst durch einen Neubau er sezt werden. Bemerkenswert ist übrigens die Betrachtung, welche eines der hervor ragendsten Pariser Blätter, der ,, Temps " , über die Veränderungen in Saint-Lazare anstellt. In dem Gefängnis von Saint-Lazare," schreibt das Blatt , lebten wild durcheinander gewürfelt und zusammen gedrängt in entsittlichendster Promiskuität alle Frauen und selbst die kleinsten Mäd chen , welche wegen Vergehen wider das gemeine Recht oder wegen schlechten Lebenswandels verurteilt sind. In gewissen Jahren weilten da 1800 in Untersuchungshaft Befindliche , Verurteilte und Prostituierte. Erwägen Sie ferner , daß die Gebäude nicht für ihre jetzige Bestim mung errichtet wurden. Die Leberwachung
-108und die Aufrechterhaltung der Disziplin ( kann man das Wort hier mit Monns zucht verdeutschen? - ) waren bei der Ueberfüllung doppelt schwierig. In der That hatte man ja die Gefangenen in drei Sektionen geteilt : die in Unter suchungshaft Befindlichen oder Verurteilten, die Dirnen und die kleinen Mädchen , welche eine bestimmte Zeit in einer Beſſerungsanstalt zuzubringen haben. Den Tag über ließ man sie in den betreffenden Sektionen arbeiten , aber mit der Nacht kam auch die Vermischung in den Schlafsälen. Es lag in der Natur der Sache, daß die Schlechten die Guten verdarben. Eine Frau, welche infolge eines geringen Vergehens das Gefängnis betrat , verließ es , unrettbar entehrt und verloren . SaintLazare war so ein Korruptionsherd ge worden, der unter großen Kosten mitten in Paris unterhalten ward. das Uebel oft gekennzeichnet ; alle Welt blieb taub. Heute, wo man die bessernde Hand angelegt hat und man sich von dem klare Rechenschaft gibt, was das Gefäng nis an Fehlerhaftem und sogar Unleid lichem aufwies , schlägt jeder die Hände über dem Kopf zusammen und begreift nicht , daß man einen Flecken auf der Stirn von Paris selbst solange geduldet hat. Sie fragen , warum man diese Reform nicht schon vor siebzehn Jahren freier Stadtverwaltung vornahm . Ganz einfach deshalb nicht, weil unsre Aedilen sich um andre Dinge zu kümmern haben. Die reine Politik oder richtiger die reine philo sophische Politik beschäftigt sie mehr als die Sorge um die Geschäfte, als die Lage der Frauen und Kinder in den Gefängniſſen. De minimis non curant consules."
Ein außergewöhnlicher Hund. Von Fr. Grähner.
Wenn einer oder der andere Leser an der Wahrheit einzelner Züge aus dem Leben des hier vorgeführten Hundes zweifeln sollte. so ist der Verfasser in der glücklichen Lage, sich auf das Zeugnis einer genügenden Anzahl lebender, glaubwürdiger Personen berufen zu können, welche Gelegenheit hatten, das Leben des geistig und körperlich außergewöhnlich entwickelten Tieres zu beobachten und seine zum Teil unglaublich erscheinenden Leistungen mit eigenen Augen angesehen haben. Während meiner Stellung als Rektor in einer großen , im nordwestlichen Deutschland gelegenen Industriestadt wurde ein neues Schulgebäude für die meiner Leitung unterstellte Anstalt in einer damals sehr einsamen Gegend errichtet. Nur zwei Häuser lagen in ziemlicher Entfernung davon. Ihre un mittelbare Umgebung deutete aber keines wegs auf die Nähe einer großen Stadt. Die zahlreichen angrenzenden , mit mannshohen, undurchdringlichen Weißdornhecken eingefrie-
Fr. Gräßner.
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digten Gärten, zwischen denen enge, versteckte Ankunft gab er uns einen glänzenden Bez lich mitunter auch völlig unberechtigte EinWege hindurchführten, ließen vielmehr auf weis von seiner Wachsamkeit und seinem griffe in die Thätigkeit der Menschen und die Nachbarschaft eines großen Dorfes mannfesten Mute. Kurz zuvor , ehe wir bereitete mir ernste Unannehmlichkeiten. schließen. Der den ganzen Kompler durch uns zur Ruhe begeben wollten, sprang er So stellte er sich z . B. jedem Reiter schneidende tiefe Hohlweg harrte zu dieser plöglich von seinem Lager auf und ver drohend in den Weg , der im Galopp Zeit noch auf die Wohlthat einer Pflaste langte, dabei leise knurrend, ins Freie ge- daher gesprengt kam , vielleicht weil ich rung und Beleuchtung durch Straßen lassen zu werden. Nachdem wir ihm und er durch einen solchen einmal mit laternen. Es war deshalb nicht zu ver- Stuben- und Hausthür geöffnet , erscholl Kot besprigt worden waren. Das Tanzen wundern, daß die Gegend am Tage fast auf der Treppe vor der letzteren plötzlich duldete er ebenfalls nicht, selbst nicht einfämtliche sogenannte Sonnenbrüder der der ängstliche Ruf: "/ Halten Sie den Hund, mal in meinem Hause , wahrscheinlich in Stadt, vulgo Bummler , vereinigte und der beißt!" Unser junger Wächter stellte der Meinung , es sei ein allem Anstand des Nachts einen beliebten Schlupfwinkel ein bekanntes arbeitsscheues Subjekt, das und guter Sitte zuwiderlaufendes Verfür allerlei lichtscheues Gesindel bildete. leise die Thürklinke niedergedrückt hatte, gnügen. Als er einst bemerkte, wie eine Das größere Haus , bisher von drei um zu versuchen , ob es seine bisherige Mutter ihren widerspenstigen Knaben auf Eisenbahnunterbeamten und ihren Familien Schläfstätte nicht auch unter den jetzigen dem Felde mit Stockschlägen strafte, sprang bewohnt, war infolge der in die verschie Bewohnern des Hauses zu behaupten ver- er auf die Frau zu, faßte sie am Arme und hielt die zum Tode Erschrockene fest, densten Tageszeiten fallenden Dienſtſtunden möchte. dieser Beamten Winter und Sommer nieSeit diesem Abend hat keiner der ehe- ohne sie zu beißen. Am meisten ärgerte mals verschlossen und aus diesem Grunde maligen nächtlichen Stammgäste diesen Ver- er sich, wenn Fuhrleute ihre Pferde mißvon einigen jener Baſſermann'schen Gestal- such zu wiederholen gewagt; auch am Tage handelten. Zunächst nahm er in drohenten regelmäßig als Nachtquartier benust mied das umher streichende Gesindel unser der Haltung neben den gequälten Tieren worden. Natürlich hatte ich von diesen Haus gänzlich ; und öfterer waren wir Stellung ; wagte ihr Peiniger dann nur Verhältnissen keine Ahnung, als ich das Zeuge , daß noch entfernt von unserer noch einen Schlag, so wurde er mit solcher Haus , um in der Nähe der Anstalt zu Wohnung ein Strolch dem andern zurief : Vehemenz zu Boden geworfen , daß ihm wohnen, mietete und nach einer gründ " In das Haus dort geh' nicht ; da ist ein Hören und Sehen verging. Sahe er dagegen, daß jemand kaum imſtande war, lichen Renovation bezog. Man denke sich schlimmer Hund, der beißt ! " meinen Schrecken , als mir am ersten Von seiner maulwurfsglänzend-ſchwar- einen schwer beladenen Schubkarren von Morgen nach erfolgtem Einzuge zwei zen Farbe, nur Bruſt und Pfoten besaßen | der Stelle zu bringen, so eilte er hilfreich Bummler, die auf dem Boden genächtigt weiße Abzeichen; erhielt er den Namen hinzu , erfaßte den Bock des Fuhrwerks hatten, auf der Treppe begegneten. Sie , Tom ". Bei seiner Ankunft wog er 30 kg; mit den Zähnen und zog , mit rückwärts hatten sich, da die Eingangsthür des Nachts in seinem dritten Lebensjahre erreichte er gerichtetem Körper, aus Leibeskräften. Einen heillosen Respekt hatten die in verschlossen gewesen war , wahrscheinlich das Gewicht von 61 kg (war also be schon in der Abenddämmerung in das Haus deutend schwerer als Tyras , der Reichs- dortiger Gegend zahlreich vertretenen aeichlichen. Ihr Besuch gab die Veran hund), maß bis zur Schulterhöhe 94 cm Schnapsbrüder vor ihm. Wenn er einen Leung, mir einen großen Hund anzu und von der Nasen- bis zur Schwanz derselben im sinnlos betrunkenen Zustande ſchaffen , der nicht nur als Wächter des spiße 1,75 m. liegend fand , betupfte er ihn mit seiner Selbstverständlich wurde er mein be- kalten Nase im Gesicht oder streichelte ihn Hauses, sondern auch als Beschützer meiner erwachsenen Töchter bei abendlichen Aus- ständiger Begleiter auf meinen täglichen in nicht besonders subtiler Weise mit seiner gängen dienen sollte. Meine Wahl fiel Ausflügen. Hier entwickelte er eine un- Vorderpfote so lange , bis er sich regte, auf eine fünf Monate alte deutsche Dogge, geahnte Lebhaftigkeit und Regſamkeit seines hielt ihm dann sein drohendes Gebiß dicht deren Eltern infolge ihrer Größe , Jn Wesens . Da ich mich selbst mit ihm nur vor die Augen und zwang ihn, sich ruhig telligenz und Treue bei den Hundelieb wenig beschäftigte , verschaffte er sich auf zu verhalten. Begegnete er einem solchen habern der ganzen Umgegend in hohem eigene Art und Weise allerlei Kurzweil , Trunkenbold später im nüchternen Zustande, Ansehen standen, zugleich aber auch wegen verfolgte vorzugsweise mit unausgesetter umkreiste er ihn knurrend, so daß er stehen hrer Bösartigkeit gefürchtet waren. Aufmerksamkeit alles Thun und Treiben bleiben mußte, bis ich den Hund an mich Als ich den Hund ins Haus brachte, der Menschen und griff ohne weiteres in rief. var man über sein täppisches Wesen und dasselbe ein , sobald es ihm unstatthaft In geradezu sündhafter Weise wurden einen bösen Blick nicht sonderlich erbaut. erschien. Zank und Streit waren ihm von der lieben Jugend , ja ſelbſt von vielen Er hatte sein Leben bisher in einem einz . B. höchst zuwider. Selbst wenn ziem- Erwachsenen, die Getreidefelder beim Einmen Hofe zugebracht, selten einen frem lich weit entfernte Personen in heftigen sammeln von Feldblumen zertreten. Nachen Menschen gesehen, niemals ein Zimmer Wortwechsel miteinander gerieten , stürzte dem ich nur ein einziges Mal einer wüſten etreten , war daher vollständig verblüfft, er auf sie zu , stellte sich knurrend und Knabenschar um dieses Frevels willen einen s ich ihn in die Wohnstube führte und zähnefletschend zwischen die Streitenden Verweis erteilt, duldete Tom das Beschreiten icht von der Stelle zu bewegen, nachdem und brachte sie bald auseinander. Ebenso eines Getreideackers in keinem Falle mehr. seine Beine, um größeren Widerstand wenig duldete er es, daß jemand im auf- Ebenso verscheuchte er aus eigenem Antrieb isten zu können , wie ein Sägebod aus geregten Zustande auf mich einsprach. Als regelmäßig die im Garten sich einstellenden nander gespreizt hatte. Nach Verlauf einmal in meiner Nähe betrunkene Arbeiter Spaßen , seitdem er bemerkt hatte , daß niger Stunden legte er ſein unbeholfenes eine Dame in der gemeinsten Weise be diese Näscher dort nicht geduldet wurden . Sefen aber schon etwas ab und fühlte lästigten , ich sie deshalb zur Rede stellte Kaum hatte er einige Male beobachtet, h in seinen neuen Verhältnissen ziemlich und sie mich darauf verhöhnten und unter daß ich im Garten stoßende Maulwürfe imisch. Troß der plebejischen Verhält Drohungen auf mich eindrangen, warf sich erbeutete, indem ich durch einen Schlag e, in denen er aufgewachsen, hat er Tom sofort dem Hauptschreier entgegen, mit dem Spaten den unterirdischen Wühler h niemals die geringste Unreinlichkeit zu richtete sich an ihm in die Höhe , legte betäubte und dann aushob, als er sich in ulden kommen lassen. Auch durch andere beide Taßen auf seine Schultern und ähnlicher Weise und ganz auf eigene Faust ntugenden, welche jungen Hunden häufig knurrte ihm zähnefletschend ins Gesicht. an dieser Jagd beteiligte. Sobald er durch) haften, Zerknabbern von Schuhwerk und Gab es eine Balgerei , so packte er den seinen Geruch einen Maulwurf in der Erdé rgleichen Gegenständen , Benaschen von Obenliegenden beim Kragen, warf ihn auf witterte, stürzte er sich in einem mächtigen peiſen u . s . f. hat er uns niemals einen die Seite und zeigte ihm ebenfalls sein Sprunge mit den beiden aneinandergelegten iten Verdruß bereitet , obwohl er den glänzendes Gebiß, sobald derselbe sich un- Vorderpfoten auf denselben und stieß ihn ßten Teil des Tages sich allein über- gehalten über seine Anmaßung zeigte. In dann mit der Nase aus dem Bau. Uebrigens jen blieb. seinem löblichen Bestreben , Frieden und tötete er dieſe Tiere nur mit großem WiderSchon am zweiten Abend nach seiner Ordnung herzustellen, erlaubte er sich frei willen. Alle Felder der Umgegend säuberte
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er gründlich von den hier herumlungern und ein wertvolles Hundehalsband_der den, für das Heimwesen völlig wertlosen Reihe nach aus einem hohen Roggenfelde. Katen. Wenn er einen solchen Wild- und Der Eigentümer dieser Gegenstände hatte Vogelfeind aufgestöbert hatte , wartete er noch keine Ahnung von seinem Verluste, mit einem Angriffe so lange , bis er vor als ich ihn auf den Fund Toms aufmerk ihm Reißaus nahm , holte ihn dann mit sam machte. wenigen Säßen ein, ergriff ihn am RückIn große Aufregung wurde er ver grat und zermalmte es mit einem einzigen seßt, wenn er bemerkte, daß mir die UeberBiß. Nur ein einziges Mal wurde ihm windung von Hindernissen auf unseren von einem alten Kater , der sich auf den gemeinsamen Ausflügen , z. B. das UeberRücken warf und den Angriff durch bliß- springen von Gräben und Bächen, Ueberschnelle Pfotenhiebe zu parieren verstand, flettern von Einfriedigungen der Viehdie Schnauze förmlich zerfleischt ; sonst weiden Mühe und Anstrengung verursachte ; liefen diese Kämpfe ohne die geringste ich hatte dann meine wahre Not, um mich Verwundung des Hundes ab und wurden seiner Hilfe zu erwehren ; unbeschreiblich zu Ende geführt, ehe ich einzuschreiten ver- war schließlich sein Jubel , wenn die sich mir entgegenstellenden Schwierigkeiten mochte. Eine komische Szene fand jedesmal glücklich überwunden waren ; wie besessen statt , wenn ich zur Herbstzeit auf einem rannte er dann , laut bellend , im Kreise Kartoffel- oder Rübenacker einen Felddieb um mich herum. bemerkte. Mochte derselbe noch so weit Am liebsten begleitete er eine zahl entfernt sein , Tom stürzte wie ein Pfeil reiche Gesellschaft, besonders meine Klasse, auf ihn zu , sobald ich mit dem Finger 15 bis 17jährige Mädchen ; er umschmei nach dieser Gegend zeigte und ein leises chelte dann alle Teilnehmerinnen der Partie „Faß ! " ausstieß . Vergeblich war dann so lange, bis sie ihm einen Schirm, Korb das Ausreißen des Spitzbubens , umsonst oder einen anderen Gegenstand zu tragen das Wegwerfen des gestohlenen Guts , um gaben; mit diesem schritt er stolz eine besser laufen zu können ; der leichtfüßige | Strecke dem Zuge voraus , hatte dabei Hund überholte ihn bald und stellte ihn, aber immer acht, daß niemand zurückblieb. bis ich heran kam oder er vermittelst der In seiner Begleitung ging kein Mitglied Pfeife zurückgerufen wurde. der Gesellschaft verloren , mochte dieselbe Häufig führte uns der Weg an einer auch noch so zahlreich sein. Nachdem ich großen, eingefriedigten Wiese vorbei, auf einstmals mit 28 Schülerinnen soeben welcher fast immer 40-50 Mastkühe und einen Wald, in welchem die Mädchen sich Bullen weideten. Sobald die Herde den längere Zeit mit Blumen und Beeren ungewöhnlich großen Hund gewahrte, pflücken beschäftigt, passiert hatte und mit brauste sie wutschnaubend bis an die Um ihnen in einem nahe gelegenen Wirtshaus zäunung heran und forderte ihn durch Einkehr halten wollte, rannte auf einmal Brüllen und Aufschaufeln der Erde mit der Hund, troß alles Rufens und Pfeifens, den Hörnern zum Kampfe auf. In der in den Wald zurück. Ich zählte jezt noch Regel beachtete Tom ihr Gebaren nicht mals die Häupter meiner Lieben, wie ich und trollte ruhig weiter, in welchem Falle vor einer Minute gethan , und siche, ich uns die aufgeregten Stiere bis ans Ende hatte mich vorhin verzählt ; es fehlte eine ihrer Weide folgten ; wenn er aber glaubte, Schülerin. Sie traf erst nach längerer, mir eine Unterhaltung zu verschaffen, nahm in qualvoller Unruhe verstrichener Zeit er das Spiel an , sette dann blißschnell in Begleitung Toms bei uns ein. Er über die hohe Einfriedigung, schoß, teils hatte sie ziemlich tief im Walde aufgeſucht. über die gesenkten Köpfe hinweg , teils Ob er ihr Rufen gehört oder ob er sie zwischen den Füßen hindurch, mitten durch aus irgend einem Grunde vermißt hatte, den zusammengedrängten Haufen , um ist mir ein Rätsel geblieben. kreiste ihn einigemale lustig, jagte dann Obwohl er durch den ununterbrochenen plöglich , wenn ihn das Spiel ermüdete, | Verkehr mit allerlei fremden Menschenschein in gerader Linie nach dem an der entgegen bar ganz harmlos geworden, er ließ sich z . B. gesezten Seite vorüberfließenden breiten, von jeder unverdächtigen Person streicheln Bache, verfolgt von den sich wie toll gebär- und liebkosen , so rächte er sich doch für denden Wiederkäuern, erwartetesie hier bis zu die geringste Neckerei oft recht empfindlich. dem Augenblick, wo sie abermals die Hörner Gaſſenbuben, die ihn durch Zurufe, Grifenften , um ihn zu durchbohren , brachte maſſen oder Werfen auf der Straße reizten, sich dann durch einen gewaltigen Satz nach verfolgte er regelmäßig bis ins Haus, ja dem jenseitigen Ufer in Sicherheit und selbst bis in die Stube hinein, glücklicher bellte von hier aus seine verblüfft darein weise ohne sie zu beißen. Wenn er, mit schauenden Verfolger übermütig an. den Vorderpfoten auf dem Geſims eines Nicht selten bereitete er mir eine an- geöffneten Fensters im Parterre liegend, genehme Ueberraschung, indem er gestoh wie ein von Langerweile geplagtes Men lenes Gut, welches die Diebe vorläufig schenkind die Passanten auf der Straße im dichten Gestrüpp oder hohen Getreide musterte , Bekannte durch Wedeln des versteckt hatten, aufspürte. Mit stolzem Schwanzes begrüßte, mißliebige Personen Selbstgefühl trug er mir dann dasselbe antnurrte, so durfte ein übermütiger Kozu , um das wohlverdiente Lob in Em bold von Lehrjunge nur die ausgespreizten
-114: | dem wie durch eine Feder aufgeschnellten und zum Fenster hinausfliegenden Hunde zu Böden geworfen. Als ein auf einem ſogenannten Rollwagen vorbeifahrender roher Brauknecht es einmal wagte, ihm in dieier Situation einen Hieb mit der Peitsche über den Kopf hinweg zu versehen, faßte ihn in demselben Moment der Hund auch schon am Kragen und schleuderte ihn mit solcher Wucht rückwärts auf sein Fuhrwerf, daß er dasselbe der ganzen Länge nach durchmaß und durch den unverschlossenen Hinterteil beinahe auf die Straße gestürzt wäre. Einstmals begleitete ich eine meiner Töchter in Gesellschaft des Hundes auf einer Landpartie. Unser Weg führte an einem tiefen Wasserbecken vorbei . Dort befanden sich
20-30 Feuerwehrmänner, die eine Uebung veranstaltet und, wie es schien, dem edlen Gerstensaft etwas reichlich zugesprochen hatten. Als sie den vorauseilenden großen Hund gewahr wurden , neckten sie denselben durch allerlei Zurufe und Bewe gungen. Tom sah mich fragend an, wie er sich zu diesen Herausforderungen ver halten sollte. Nachdem ich ihm ein leises Faß !" zugerufen , trabte er mit aufge hobenem Schwanze auf die lärmende Gruppe zu , die aber , je näher er kam , mehr und mehr verstummte und schließlich einer Reihe von Bildsäulen glich, als der Hund unter ſie trat. Ohne sie nur eines Blickes zu würdigen, schritt er auf die in ihrer Mitte befindliche Feuersprize los, hob den einen Hinterfuß zu einer gewissen Verrichtung in die Höhe , wahrscheinlich um seiner Umgebung auf hündische Weise feine Ueberlegenheit oder Verachtung gegen ihr Benehmen auszudrücken , und trollte dann mit einer Seelenruhe, als ob er ſich allein hier befände , zu uns zurück. Ob wohl nicht ästhetisch, wirkte die Szene doch so hochkomisch , daß sämtliche Wehrleuts hinterher in ein herzliches Gelächter aus brechen mußten. Es wäre eine Darstellung für den Pinsel eines Teniers gewesen. Seiner gewaltigen Größe entſprac auch seine Körperkraft . Spielend trug er z . B. einen Henkelkorb von einem halben Zentner Gewicht weite Strecken. Ein ausgewachsener Heidschnuckenhammel , der ihn beim Vorübergehen gestoßen , wurde mir, ohne die geringste Verlegung zu er leiden , über zwei Einfriedigungen einer Eisenbahn hinweg zugetragen. Einen witenden, drohend auf mich zuschreitenden Ochsen , der mit einer Anzahl Kühe zur Weide getrieben wurde, hielt er so nach drücklich am Halse fest, daß das Tier vor Schmerz laut aufbrüllte und entsegt das vonlief, als es von seinem Angreifer be freit wurde. Die Wände einer starken, aus neuen Brettern hergestellten Transportkiste , in welcher er zur Zeit einmal versandt werden sollte und von welcher der Schreiner meinte, dieselbe sei für einen Tiger fest genug gearbeitet, zermalmte er schon auf der kurzen Strecke bis zum Bahnhofe zu Spänen. War er im Be pfang zu nehmen. So beförderte er auf Finger auf die Nase zu sehen, ihn anzu- griff, ſich auf einen Gegenſtand zu stürzen, einem Spaziergange ein Paar neue Stulp grinsen oder einen Gruß zuzurufen und der ihn in Wut verseßte , vermochte ihn stiefeln, einen Reitzaum, eine Reitpeitsche er wurde in demselben Augenblicke von selbst der stärkste Mann nicht zu bändigen,
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er wurde wie ein Kind umgerissen und und der Mangel u . s. f.; besaß überhaupt | regung habe und gab das Vermißte unter fortgeschleift. das Bestreben, jedem nach eigenem Wunsch schlauem Blinzeln nicht früher heraus, als An allen Familienerlebniſſen nahm er und Gefallen zu leben. Kein Wunder bis man sich direkt an ihn mit der Frage wie ein Mensch Anteil. Wurde z . B. je- daher, daß er bald der Liebling der gan gewandt hatte: „ Tom ! weißt du denn nicht, mand bettlägerig , ſo ſaß er stundenlang zen Familie , besonders der weiblichen wo ... hingekommen ist?" War_ich_zuan dem Lager des Kranken , schaute un Mitglieder des Hauses wurde, die ihn frei- | fällig bei diesem Spiel zugegen , so kam verwandt nach deſſen Angesicht und legte lich leider auch mit der Zeit verhätschelten er, ehe jene Frage an ihn gestellt und er feine Schnauze oder Pfote leise auf die und angenommene Unarten, welche später mit einem Blick auf die Mädchen sich ihm entgegengestreckte Hand, um sein Mit viel Verdruß und Aerger bereiteten , an überzeugt, daß er nicht beobachtet wurde, leid auszudrücken . Kam ein Familien fangs als interessante Eigenheiten belach unaufgefordert zu mir, sperrte sein Maul mitglied mit naſſen Kleidern nach Hause, ten, anstatt sie zu bestrafen. Fühlte er sich so weit auf, daß ich den gesuchten Gegenso beleckte er dieselben mit größtem Eifer, z . B. auf seinem harten Lager , einer stand erblicken mußte, warf mir einen verum sie zu trocknen. Er besaß nämlich Strohmatraße, unbehaglich , so pflegte er ständnisinnigen , schelmischen Seitenblick ſelbſt eine geradezu lächerliche Furcht vor während meiner Abwesenheit auf meinem zu , um dann im Umdrehen das vorher heftigem Regen, teils weil er infolge der Sofa der Ruhe ; vereitelten ihm absicht gezeigte dumme Gesicht wieder anzunehmen. abgestußten Ohren gegen das in den Ge- lich darüber gebreitete harte Gegenstände und auf seinen Play zurückzukehren. horgang eindringende Wasser sich nicht zu sein Vorhaben, so nahm er auch mit dem Mir gegenüber erlaubte er sich niemals schüßen vermochte , teils aber auch , weil härteren Sofa in der Kinderstube vorlieb. einen solchen Scherz . Ließ ich auf einem er leicht fror und deshalb glaubte , auch Auf diesem hatte er mit Erlaubnis die Spaziergange einen Gegenstand absichtlich jedem anderen Geschöpf ſei die Nässe so bekannte Krankheit, der die meisten jungen fallen , so nahm er ihn entweder sofort unangenehm wie ihm . Ereilte ihn im Hunde unterworfen sind, in schwerer Weise auf und stieß mich entweder in demselben Freien ein Regenguß, so suchte er zunächst überstanden , wurde aber nach derselben Augenblick mit der Nase an , um mich meinen Schirm als schüßendes Obdach mit ebenfalls nicht mehr darauf geduldet. zum Umdrehen zu bewegen, oder er trug zubenußen ; wehrte ich ihn ab, so stürmte Ueberrumpelte man ihn dennoch ein oder mir das Verlorene unverdrossen so lange er voraus und verkroch sich bis zu meiner das andere Mal auf der verpönten Ruhe- nach, bis ich anfing zu suchen, um es mir . Ankunft hinter einem beliebigen Gegen- stätte und rief ihm dann zu : „ Tom ! bist hierauf, strahlend vor Freude , zu Füßen stand, der Deckung gewährte ; bot sich die du krank ?" so blieb er ruhig liegen, schloß zu legen; natürlich erntete er in jedem Gelegenheit dar , so suchte er in seiner die Augen, ſtöhnte und ächzte laut, so daß Falle das für seinen Dienſt erwartete Verzweiflung nicht selten Schuh in Häu- jeder Fremde, der seine Verstellungskünste Lob ein. fern, gleichviel, ob dieſelben ihm bekannt nicht kannte, annehmen mußte, er liege Unglaublich war sein schnelles Veroder wildfremd waren, nahm dann Platz im Sterben. In der Regel gelang es ihm ständnis für unsere Wünsche und Befehle. neben dem warmen Ofen , unbekümmert aber, sich , ehe die Thür geöffnet wurde, Es sei mir gestattet, nur einige Thatsachen um die im Zimmer versammelten , durch mit einem Saße vom Sofa zu schnellen ; als Beleg anzuführen. Einmal hatte er sein plögliches Erscheinen nicht wenig er in diesem Falle stellte er sich mit der un mit seinen schmußigen Füßen das frisch schreckten Bewohner. Bei dieser Gelegen schuldigsten Miene von der Welt daneben, gescheuerte Wohnzimmer arg verunreinigt. heit sei erwähnt, daß er, nicht gerade zum suchte seine Verlegenheit durch lautes Gäh Er wurde auf sein Vergehen aufmerksam Vorteil der Schlösser in unserem eigenen nen und Dehnen seines Körpers zu ver- gemacht , ausgezankt , vor die Thür geHause, alle nicht fest verschlossenen , son- tuschen und war , wenn er nicht ausgewiesen und belehrt , wie er sich auf der dern nur eingeklinkten Thüren zu öffnen scholten wurde , überzeugt , seine List sei vor derselben liegenden Strohdecke zu reivermochte. Traf eine Postsendung von ihm geglückt. Natürlich nahm er dann nigen habe. Seitdem hat er sich nicht einem in der Ferne weilenden Kinde ein, sein Ruhepläßchen von neuem ein, sobald wieder erlaubt , eher einzutreten, als bis er so konnte er vor Freude kaum die Zeit er er sich wieder allein im Zimmer befand. seine Füße selbst nach Möglichkeit vom warten, bis der Inhalt ausgepackt wurde , Gelang es ihm nicht, ein Sofa zu erobern, Schmut befreit hatte. Fehlte zufällig der ergriff dann den ersten besten , zum Vor- so begnügte er sich mit einem weichen Kopf- Abtreter, so bellte er bittend so lange vor idein gekommenen Gegenstand und eilte kissen, indem er sich einen Puff von einem der Thür, bis jemand mit einem Lappen damit zu allen Familienangehörigen im Sofa oder ein Paar Strümpfe aus dem herausfam und ihm die Füße, die er dann Hause, die beim Auspacken nicht zugegen Strumpfforbe im Nebenzimmer auf sein der Reihe nach aufhob und zum Reinigen waren , um sie auf diese Weise von dem Lager herbeiholte. Die wollene Decke, hinhielt , abrieb. Obgleich er die Schule frohen Ereignis in Kenntnis zu sehen . welche über das lettere gebreitet war, aus eigenem Antrieb zu allen Tageszeiten Stehrte ein längere Zeit abwesendes Fa glättete er mit Hilfe von Nase und Pfoten besuchte , um die aus den Papierkörben milienmitglied von der Reise zurück, wäh- mehrmals täglich so sorgfältig, daß sie nicht von dem Kastellan gesammelten Viktualien rend ich mich in der Schule befand, so das geringste Fältchen zeigte ; auch reinigte in Empfang zu nehmen, wagte er niemals, eilte er sofort dahin , obgleich er es sonst er sie von Zeit zu Zeit von dem auf ihr wie bereits erwähnt, mir dort einen Besuch nicht wagte, mir dort eine Visite zu machen , haftenden Staube , indem er sie mit den abzustatten. Rief man ihm dagegen zu und suchte, indem er mir Stock und Hut Zähnen faßte und heftig hin und her Hause zu : „Tom ! lauf schnell nach der Schule und hole den Papa !" so stürmte herbeitrug und sich vor Freude wie uns schüttelte. innig gebärdete, mich zum Fortgehen mit Am ergöglichsten war sein Benehmen, er zunächst nach meinem Zimmer im Schulihm zu bewegen. Gelang ihm dieses , so wenn sich ihm die Gelegenheit darbot, gebäude ; fand er mich hier nicht, so ergriff stürzte er vor mir ins Haus und brachte meinen Töchtern einen Gegenstand , mit er meinen Hut und brachte ihn nach dem mir irgend ein Befihtum des Angekom welchem sie sich gerade bei ihrer Hand- Zimmer, in welchem ich mich gerade aufmenen entgegen, um mir anzudeuten, wes- arbeit beschäftigten , etwa ein Paar zu hielt. Begreiflicherweise waren mir diese halb er mich geholt. Reiste dagegen ein fammengefaltete Strümpfe , einen großen Ueberfälle im höchsten Grade unangenehm , ihm lieber Besuch wieder ab, so suchte er Wollenknäuel u. s. f. heimlich, wie er sich wenn ich mich , was einigemale vorkam , die Abfahrt zu verhindern , schleppte das einbildete , wegzustibißen und in seinem zufällig in einer Klasse oder Konferenz Reisegepäck wieder aus dem Koupee und großen Rachen verschwinden zu lassen. befand ; denn auf meine Umgebung nahm verfolgte den abfahrenden Zug eine weite Suchten dieselben dann den geraubten der Hund in seinem Eifer nicht die geStrecke mit Bellen und Heulen. Bei Gegenstand absichtlich mit auffallender ringste Rücksicht ; mit Hilfe seiner Vorderschweren , Kraft beanspruchenden Verrich Emsigkeit , so hatte er seinen Zweck er tage riß er mit einem heftigen Rud plö tungen im Hause war er stets mit seiner reicht, er nahm unter besonders gemessener lich die Thür auf und reichte mir die Hilfe bereit; so trug er z . B. Kartoffeln Haltung eine möglichst einfältige Miene Kopfbedeckung entgegen , um anzudeuten, und Kohlen im Henkelkorb aus dem Keller, an , um zu zeigen, daß er keine Ahnung daß ich folgen sollte. Auch im eigenen beförderte die Waschkörbe nach der Bleiche von dem Grunde der stattfindenden Auf- Hause vermittelte er häufig die gegen-
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seitigen Wünsche zwischen der Familie und | Schußzwaffe Gebrauch machte . Das erlegte | Kampf zu beginnen . Damit es aber nicht mir. Mein Arbeitszimmer lag eine Etage Wild apportierte er tadellos . Bei seinem zu einem solchen kommen sollte , wurde höher als die Familienräume. Faßte ich ausgezeichneten Geruchssinn würde er in um die angegebene Stunde die Thür sorg plöglich zu einer ungewöhnlichen Zeit den geeigneten Verhältnissen gewiß ein vorfältig unter Verschluß gehalten . So war auch an dem betreffenden Tage die Zeit Entschluß , mit meiner Frau auszugehen , trefflicher Jagdhund geworden sein. Es würde die Darstellung zu sehr er herangekommen , in welcher der Wächter so brauchte ich nur zu sagen : „ Tom! lauf zur Mama ! wir wollen spazieren gehen ! " müden, wenn ich alle seine übrigen Fähig seinen Dienst anzutreten pflegte. Im und er flog wie ein Pfeil die Treppe keiten und Begabungen , die man sonst als Freien herrschte eine ziemliche Dunkelheit, hinab, suchte meine Frau auf und zog sie charakteristisches Merkmal nur bei gewiſſen obgleich hoher Schnee die Erde bedeckte. nach der Kleiderſpinde . Sie verstand , was Hunderassen vorausseßt , anführen wollte ; Wie gewöhnlich begrüßte Tom auch heute er wollte; kleidete sie sich nun wirklich an, bloß noch zwei Belege für seine außer seine vierbeinigen Gegner mit wütendem ſo kehrte er mit freudigem Bellen in mein gewöhnliche Intelligenz will ich mir er: Gebell durch das Fenster. Während sich ſonſt ſeine Aufregung wieder legte, sobald Zimmer zurück; gab sie dagegen einen lauben, hier mitzuteilen . ablehnenden Bescheid , stellte er sich mit Eines Tages befand ich mich in Be- die leßteren sich aus der Umgebung des langsamen Schritten und trauriger Miene gleitung des Hundes in der Nähe des Hauses entfernt hatten , nahmen heute wieder bei mir ein. Bahnhofes , als eben ein Personenzug ein- seine feindseligen Kundgebungen kein Ende Selbst wenn die Ausführung einiger lief. Gewohnheitsmäßig überblickte ich den und steigerten sich zu immer heftigeren Befehle seiner ganzen Natur widerstrebte , Train, um vielleicht ein bekanntes Gesicht Wutausbrüchen, so daß ich mich schließlich vollzog er sie nach kurzem Kampfe mit an einem Koupeefenster zu entdecken . Da veranlaßt sah, ſelbſt ans Fenster zu treten. sich selbst. Wie schon angegeben , besaß bei wurde ich gewahr, daß Tom abwechselnd Da zeigte er mit der Pfote auf eine dunkle er einen grenzenlosen Abscheu vor dem bald den Zug, bald mich aufmerksam be Stelle mitten im Wege, offenbar in der Wasser und blieb, troßdem ihm die Aus- obachtete , offenbar in der Meinung , daß Meinung , daß ein Hund des Wächters sich flüge über alles gingen , bei Regenwetter ich jemand erwartete . Begierig, zu wissen, dort befinde und durch sein Verweilen ihn lieber zu Hause , ehe er sich der Gefahr ob ich seine Gedanken erraten, rief ich ihm zu höhnen wage. Der vermeintliche Feind aussette , bis auf die Haut durchnäßt zuzu : „Ja, Tom ! lauf! " Da stürzte der war aber nichts weiter als die mit einem werden. Da warf ich an einem heißen Hund blitzschnell den Bahnkörper hinauf eisernen Gitter verschlossene Deffnung eines Sommertage meinen Spazierſtock in einen und hinter dem Zuge her, dem Bahnhof Kanals , welcher das ablaufende Waſſer tiefen, hochuferigen Teich und befahl dem zu . Auf einem kurzen Umwege eilte ich einiger Brauereien und der soeben in Ruhe Hunde, ihn herauszuholen . Unentschlossen | ebenfalls dahin. Ich kam noch zur rechten gesezten Lokomotiven aufnahm , deſſen umkreiste er, kläglich bellend, einige Augen Zeit, um mit ansehen zu können , wie er durch das sogenannte Mundloch des Kanals blicke das unheimliche Gewässer , dann zunächst haſtig alle angekommenen Reifen- entweichende Dämpfe den Schnee in seiner stürzte er sich todesmutig in das verhaßte den durchmusterte , dann die geöffneten Umgebung hinweggeschmolzen und dadurch Element und apportierte den Stock wie Koupees zweimal visitierte und schließlich , den dunklen Fleck erzeugt hatten. Damit ein dressierter Pudel. Nachdem er für als er kein bekanntes , liebes Wesen an der Hund sich selbst von seiner Täuſchung seine mutige That nach Gebühr belobt getroffen , traurig den Rückweg antrat. überzeugen sollte , ließ ich ihn ins Freie. worden , forderte er mich von selbst auf, Seit dieser Zeit diente uns der Hund als Wütend stürzte er dem Loche zu , bedas Experiment noch einigemale hinter der zuverläſſigste Empfänger aller erwar- schnüffelte es von allen Seiten zweifelnd einander zu wiederholen und befreundete teten, dem Hause nahestehenden Reisenden, und knurrend einen Augenblick, kehrte dann sich nach und nach in einem solchen Grade besonders zur Nachtzeit . Sobald der be mit wenigen Säßen ins Zimmer zurück, mit dem Wasser , daß er nicht nur frei- treffende Zug ankam, drängte er sich durch prüfte vom Fenster aus nochmals die willige Schwimmtouren unternahm , sobald den dichten Menschenknäuel auf dem Perron verdächtige dunkle Stelle und begab sich sich die Gelegenheit darbot , sondern sogar bis an die Waggons heran , begrüßte dann erst , wieder völlig beruhigt , auf allerlei, vor seinen Augen hineingeworfene , schwänzelnd die erhofften Gäſte, schmeichelte seine Ruhestätte . Sein wiederholtes leises untersinkende Gegenstände vom Grunde ihnen ein Gepäckstück ab, schritt mit dem Knurren und Bellen in hohen Fisteltönen desselben herausholte und es schließlich selben stolz voraus , bildete deshalb zu während seines Schlafes zeigte jedoch, daß im Tauchen mit jedem Newfoundländer gleich einen vortrefflichen Bahnbrecher und er sich auch im Traume noch mit dem aufzunehmen vermochte . Er würde im führte sie uns außerhalb des Perrons Ereignis beschäftigte . Wer wäre nach einer solchen erlebten Notfalle sicher auch einem in der Gefahr | Stehenden auf dem kürzesten Wege zu. des Ertrinkens Schwebenden seine Hilfe Wie eine Münchhausensiade wird man- Thatsache noch im stande , dem Tier ein nicht versagt haben ; denn als mich in chem Leser das folgende Erlebnis mit dem Seelenleben abzusprechen? * seiner Gesellschaft der Weg einmal an Hunde erscheinen . Kein Geringerer , als * einer Badeanstalt vorüberführte , wo zu der Verfaſſer des „ Tierlebens " , welcher zur fällig ein Knabe vom Sprungbrett sich Zeit in meinem Hause verweilte , war Leider besaß der Hund, wie bereits in die Tiefe stürzte, warf sich der Hund Zeuge desselben und würde es jedenfalls mitgeteilt , neben seinen glänzenden Eigensofort ins Wasser, schwamm ihm nach, als einen Beweis für die ungewöhnliche schaften auch verschiedene üble Angewohn ergriff ihn bei der Badehose und wollte geistige Entwicklung eines Tieres in eine heiten, die schon in seiner Jugendzeit das den Widerstrebenden mit Gewalt ins spätere Auflage seines berühmten Werkes von ihm entworfene Bild wie vereinzelte, Trockene bringen. Das Schießen mit Ge- aufgenommen haben, wenn ihm das Schicksal | dunkle Punkte trübten , mit ſeinem fortwehren in seiner unmittelbaren Nähe brachte ein längeres Leben beschieden hätte. Regel- schreitenden Alter zum Teil aber einen ihn geradezu in Verzweiflung . Um ihn mäßig gegen 7 Uhr morgens und abends solchen unheilvollen Charakter annahmen, zu kurieren, nahm ich ihn einmal mit ins passierte den Weg vor meiner Wohnung daß sie das Zusammenleben mit ihm immer Manöver. Als er bei dieser Gelegenheit der Nachtwächter des nahe gelegenen Bahn- mehr verleideten . Schon die Gier, mit welcher ganze Salven um sich her aushalten mußte, hofes in Begleitung zweier großer Hunde. er troß seiner reichlichen Fleischkost dem verlor er völlig den Kopf, und ich hatte Wahrscheinlich hatte Tom mit den beiden Aas nachstellte, das sich häufig unter dem anfangs Mühe, ihn vor dem Durchbrennen früher einmal ein kleines Scharmützel ge- Miste auf dem Felde befand , machten die abzuhalten . Nach und nach gewöhnte er habt ; denn sobald sie in die Nähe meiner Spaziergänge in seiner Gesellschaft oft sich aber so an den Gewehrknall , daß ich Wohnung kamen , mochten sie auch noch unerträglich. Hatte ich ihn nicht fort ihm kein größeres Vergnügen bereiten so still und ruhig vorüber trollen, sprang während im Auge, so mußte ich befürchten , konnte, als Jagdausübende gelegentlich zu er erregt ans Fenster, donnerte sie mit daß er, sobald ihm der Wind den Duft begleiten. Man sah es ihm dann an, seiner gewaltigen Stimme an und ver- eines solchen Leckerbissens zuführte , mit daß er vor Ungeduld kaum die Zeit er langte grollend , hinausgelaſſen zu werden, vorgestreckter , schnüffelnder Nase schnur warten konnte, ehe der Jäger von seiner um mit ihnen einen frischen, fröhlichen ſtracks durch Dick und Dünn auf denselben *
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losstürzte , auch wenn er noch so weite | Behandlung nicht paßte. Nur mir gehorchte | beigeeilten Dienerschaft erschlagen worden. Streden von unserem Wege entfernt lag. er noch unbedingt und ertrug demütig die Wie ein drohendes Gespenst verfolgte von Hatte er seinen Appetit gestillt, so kam er ihm wegen seines widerspenstigen Wesens jezt ab mich Tag und Nacht der Gedanke, wieeinarmer Sünder zurückgeschlichen, wohl erteilten Züchtigungen. Seine Anhäng welche Schuld ich auf mich laden würde, wissend , daß er der verdienten Züchtigung lichkeit und Sorge für mich schien sogar wenn durch Tom ein ähnliches Unglück nicht entging, besserte sich aber keineswegs , mit seinem Alter zuzunehmen . So warf herbeigeführt werden sollte . Trotzdem er fondern wurde von Jahr zu Jahr leiden er z . B. jeden sofort zu Boden, der mich mir unentbehrlich geworden, konnte ich mich jchaftlicher auf ein solches ekelhaftes Mahl. anzufassen wagte. In welche seltsame Lage der Ueberzeugung nicht verschließen, es sei Während seiner Jugendzeit durften die ich durch seine beſtändige Wachſamkeit für unbedingt notwendig , mich von ihm zu Mädchen sich unbedenklich den Scherz er meine Person zuweilen verseht wurde, mag trennen. Ihn für schnödes Geld fremden lauben, in seiner Gegenwart einen beliebi- der nachstehende Fall illustrieren . Eines Händen zu überlaſſen und einer ungewiſſen gen Gegenstand in recht sichtbar zur Schau Nachts überfiel mich ein Unwohlsein ; ich Zukunft preiszugeben, würde mir wie ein getragener Weise zu schmeicheln und zu machte Lärm , brachte dadurch das ganze Verrat an meinem besten Freunde erſchienen Liebfosen ; er knurrte und bellte wohl diesen Haus in Aufregung und schreckte zugleich sein ; ich beschloß daher , ihn an eine beheftig an, zeigte jedoch durch sein komiſches auch den Hund von seinem Lager im Ne freundete Person, welche sichere Garantie Gebärdenspiel, daß der an den Tag gelegte benzimmer auf, so daß er meinem Bette für eine liebevolle Behandlung bot , zu Zorn nur ein erkünftelter war ; aber schon zueilte. Er begriff augenscheinlich, daß ich verschenken. In diesem Falle war ja auch nach wenigen Jahren nahm sein Wesen mich in einer gewissen Notlage befand, die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß in bei diesem Spiel einen solchen bedrohlichen faßte aber in seiner großen Erregung die fremder Umgebung, in welcher keine unliebCharakter an , namentlich wenn es Men- Situation falsch auf; denn als meine Frau samen Erinnerungen so oft ſeine Raufluſt schen oder Tiere waren , die ihm bevor die Schlafſtube betreten wollte, fiel er sie erregten, der Hund nicht eine stete Gefahr zugt wurden, daß man es aufgeben mußte, drohend an und gestattete ihr nicht, sich für Menschen und Tiere sein werde. Er um nicht ein Unglück heraufzubeschwören. meinem Bette zu nähern. Vergeblich waren ging in die Hände eines entfernt wohnenJe älter er wurde , desto mehr steigerte alle Bemühungen , ihn durch Leckerbissen den Herrn über , der häufig und immer sich sein Haß gegen solche Hunde , mit und Schmeicheleien wegzulocken , er hielt auf längere Zeit in unserem Hause verwelchen er früher einen Konflikt gehabt treulich neben mir Wacht und zeigte auch kehrte, sich dann viel mit ihm beschäftigte hatte. Diesen Haß trug er auch auf die jedem andern Eindringling fletschend die und welchem der Hund fast ebenso zugeBesizer derselben über und nahm gegen Zähne. Da nahte die Zeit, um welche der than war , wie einem Familienmitgliede. fie eine eben so feindselige Haltung an, erwähnte Bahnwächter seinen Heimweg an- Wir waren daher gewiß zu der Erwartung wie gegen ihre Hunde , so daß einige es trat ; jetzt verließ mein grausamer Beschüßer berechtigt, daß er sich in seinen neuen Vernicht mehr wagen durften, die Straße vor auf einen Augenblickseinen Posten und stürzte hältnissen bald heimisch fühlen werde, hatten meinem Hause zu paſſieren, wenn ſie ſich nach dem Fenster meiner Arbeitsstube, um uns aber gründlich getäuscht ; das treue nicht der Gefahr aussehen wollten, von von dort seine Donnerstimme nach der Tier vermochte die Trennung von uns ihm insultiert zu werden. Straße erſchallen zu laſſen. Dieser Moment nicht zu überwinden. Troß der steten FürAus Furcht vor unliebſamen Händeln wurde zu seiner Einschließung benußt und sorge seines neuen Herrn blieb er völlig mit Hunden und Menschen mußten die ich von seiner Fürsorge befreit. gleichgültig gegen denselben ; mußte er ihn Meinigen auch darauf verzichten, ihn als Er stand jetzt in seinem 7. Lebensjahre. begleiten, so schlich er traurig und niederBegleiter mit nach der Stadt zu nehmen ; Was bewährte Kenner der Hunderassen geschlagen , ohne die geringste Teilnahme denn es gab schließlich fast keine Straße mir längst vorhergesagt hatten , traf ein : gegen seine Umgebung , hinter ihm her; mehr, in welcher nicht ein Hund sein Do- sein ursprüngliches , bösartiges Naturell, befand er sich allein , so verriet er ſein mizil gehabt hätte, mit dem er auf Kriegs- das Erbteil seiner gefürchteten Eltern, schein Heimweh durch laute, klagende Töne ; nichts fuß ſtand . Traf er mit einem solchen Kämbar durch den stetigen , jahrelangen Ver- machte ihm Vergnügen ; er hatte alle Luſt pen zusammen, so war ich allein noch im kehr mit Menschen ertötet , kam wieder am Leben verloren, magerte immer mehr stande, ihn von einem Kampfe auf Leben zum Durchbruch, sobald er gereizt wurde. ab und wurde ſchließlich ganz ſtumpfsinnig. und Tod abzuhalten , allen übrigen Per Wie unbezähmbar dann seine Wut war, Wir ließen ihn deshalb zurückkommen. Bei fonen verweigerte er den Gehorsam , riß zeigte er ganz harmlosen Geſchöpfen gegen seiner Ankunft bereitete er uns ebenfalls ſie zu Boden, wenn sie seinen Angriff ver über. Spürte er z . B. einen Igel auf, eine unvermutete Täuſchung. Anstatt, wie hindern wollten, schleifte sie bis zu seinem so versetzten ihn die Verwundungen, welche wir erwarteten, vom Hundekoupee aus im Gegner und erwürgte denselben. Hatte er sich bei seinem Angriff auf denselben tollen Lauf nach unserer Wohnung zu er sich schon in seiner Jugend durch un zuzog, in folche Raserei, daß er jedes Ge- stürmen, schritt er wie ein armer Sünder, befugte Ausübung der Straßen- und Feld- fühl für Schmerz verloren zu haben schien ; mit gesenktem Kopfe und Schwanze, hinter polizei bei einem großen Teil des Pro- denn obgleich er sich die Schnauze so jäm seinem Herrn her , würdigte keinen von letariats verhaßt gemacht , so verfeindete merlich zerfleischte , daß er tagelang hin uns eines Blickes , berührte keinen der dar er sich jezt auch noch mit der Klaſſe der terher nicht im stande war , einen Bissen gebotenen Leckerbiſſen, ſondern ſuchte ſofort Wohlhabenden. Zugleich nahm er ein immer hinunter zu würgen , zermalmte er den feine alte Ruhestätte auf. Seine frühere unfreundlicheres und mürrischeres Wesen armen Stachelhäuter regelmäßig zu einer Munterfeit erlangte er nicht wieder. Ein egen die Kinder an und zeigte sich selbst- unförmlichen Masse. Noch hatte er glück- gut gezielter Schuß bereitete ſeinem Leben ewußter in seinem Auftreten erwachsenen licherweise bis jetzt keinen Menschen ernst ein jähes, völlig schmerzloses Ende. Welche schweren Kämpfe zwischen VerSersonen gegenüber. Während er früher lich verlegt . Da veröffentlichten die ZeiB. den Schulkastellan durch Schmeicheleien tungen in kurzer Zeit hintereinander zwei nunft und Herz vorausgegangen, ehe der um Ceffnen der die Leckereien enthalten Fälle, in welchen deutsche Doggen sich wie Entschluß in mir reifte, den Hund töten en Schublade zu bewegen suchte , packte wilde Bestien gegen ihre eigene Herrschaft zu lassen , vermag nur der zu ermeſſen , ihn später , wenn er ihm nicht augen benommen hatten Die eine zerriß ihren welcher selbst einem lieben Geſchöpf ſeine idlich zu Willen war , mit allen Zeichen Herrn , einen katholischen Geiſtlichen , als ganze Neigung zugewendet hat . Meinen irklichen Zorns am Arme und zog ihn sie derselbe für ein Vergehen züchtigen Schmerz um den treuesten und opfermuit Gewalt nach derselben. Hatte er sich wollte; die andere überfiel Mutter und tigsten meiner Freunde teilten sämtliche seinen ersten Lebensjahren außerordent Tochter, als beide nachts in ihr Besitztum, Familienmitglieder. Heute, nach vier Jahh feinfühlend gezeigt , so daß ihn ein eine Villa bei Wiesbaden , zurückkehrten, ren, wird er fast noch mit derselben Wehmut freundliches Wort bitter kränkte, nahm zerfleischte die lettere und würde auch die betrauert, wie ein abgeschiedenes, uns nahe von den Meinigen jezt Schelte und Mutter, welche sie bereits in einer gräß gestandenes menschliches Weſen. Wir werbit Prügel mit völliger Gleichgültigkeit lichen Weise zugerichtet hatte, getötet haben, den ihn nie vergessen. und drohte zu beißen , wenn ihm die wäre sie nicht noch rechtzeitig von der her- | 6 89. II
Alphonse Daudet.
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Die
schöne
Die schöne Nivernaiſerin. -125-
Nivernaiferin.
Von Alphonse Daudet. (Autorisierte Uebertragung von Wilhelm Kiehne.)
I. Ein Schlag ins Gesicht.
s. Straße Enfants Rouges im TemPari Die pleviertel . Eine Straße, nicht breiter wie ein Straßenkanal , mit stockenden Gossen, Schmußpfüßen , fauligen Gerüchen und weit offenen , unreines Wasser abführenden Hausrinnenausgängen . Zu beiden Seiten turmhohe Häuser mit kasernenartigen Fenstern , zerstörten Scheiben , hinter denen keine Vorhänge sichtbar werden. Es sind diese Häuser teils Wohnungen von Arbeitern , Stuben handwerkern und Maurern , teils Nachtlogis auswärts Beschäftigter. Im Erdgeschoße Krämerläden , Schweine schlächtereien, Weinstuben, Maronenhand lungen, Brotbädereien, Roßfleischläden. Auf der Straße keine gepußten Damen und promenierenden Herren, nur hin und wieder ein Verkäufer aus den „ Vier Jahreszeiten", der den Warenausschuß dieses Handlungshauses ausbietet, oder ein Trupp aus den Fabriken kommender Ar beiter mit der Arbeitsbluſe unter dem Arm. Es ist der achte im Monat, der Tag, an welchem die Miete zu zahlen und an welchem die Hauseigentümer, die oft schon haben vergeblich darauf warten müſſen, das arme Volk auf die Straße sehen. Da wimmelt die Straße von Umzugskarren , die mit eisernen Bettstellen, mit den Füßen nach oben gerichteten Tischen, aufgeschlisten Matraßen und aller lei Küchengeschirr bepackt sind. Obwohl diese ärmlichen, arg verstümmelten Möbel von dem häufigen Transport aus den Bodenkammern , die schmierigen Treppen herab in die Kellerräume und umgekehrt schon viel gelitten haben und des stetigen Wechsels müde zu sein scheinen, hat man doch nicht vergessen, sie zu ihrer Schonung mit Stroh zu verpacken. Die Dunkelheit bricht herein. Nach einander entzünden sich die Gaslaternen, deren matter Schein sich in den Schaufenstern und den Wasserpfüßen auf der Straße widerspiegelt. Kalter Nebel senkt sich herab. Schnell eilen die Paſſanten aneinander vorüber. In dem behaglichen Lokal einer anständigen Weinhandlung steht Vater Louveau, am Ladentisch angelehnt, und trinkt einem Schreiner zu . Das biedere , stark gerötete und benarbte ungeheure Seemannsgesicht hellt sich in ein behäbiges Lachen auf, wobei sich die Augen weit öffnen.
" Die Sache wäre also abgemacht, Vater Dubac, Sie kaufen meine Holzladung zu dem vereinbarten Preise." „Hand. darauf!" Auf Ihr Wohl!" „ Auf das Ihrige." Sie stoßen miteinander an und Vater Louveau leert mit zurückgeneigtem Kopfe und halbgeschlossenen Augen das Glas und schnalzt , den Wein auf seinen Geschmack prüfend, kräftig mit der Zunge. Was ist dabei ? Jeder Mensch hat seine Fehler und Louveaus Schwäche ist der Durst. Deshalb braucht man aber noch kein Trinker zu sein. Warum nicht gar ! Auch würde eine gescheite Hausfrau das Schwelgen nicht dulden . Aber bei einem Leben, wie es der Seemann führt, der fast immer die Füße im Waſſer hat , während der Schädel dem Sonnenbrande ausgesetzt ist, ist es durchaus nötig, ab und zu ein Glas hinter die Binde zu gießen. Allmählich ist Vater Louveau in Geschmack gekommen, und als er auf dem Ladentisch, zwar nicht mehr ganz deutlich, einige Kupfermünzen bemerkt , schmunzelt er vergnüglich, da ſie ihn an den Haufen blanker Thaler denken lassen, den er morgen bei der Holzlieferung einstreichen wird. Noch ein letter Händedruck noch ein leytes Gläschen, und man trennt sich. „Auf morgen also ! “ „Rechnen Sie auf mich !" Und der angeheiterte Seemann geht, sich vergnüglich reckend und streckend und mit der ausgelassenen Freude eines Schülers, der ein gutes Zeugnis in seiner Tasche mit nach Hause bringt, der Seine zu. Was wird Mutter Louveau, seine gescheite Frau, sagen , wenn sie hört, daß er das Holz auf den ersten Schlag verkauft und dabei ein so gutes Geschäft gemacht hat? Noch ein- oder zweimal ſolchen Handel , dann kann man sich ein neues Schiff kaufen und die schöne Nivernaiſerin ", die bereits anfängt, leck zu werden, ausrangieren. Das soll kein Vorwurf für sie sein, nein , denn sie war ehedem ein stolzes Fahrzeug, doch nun wird sie morsch und gebrechlich, gleich Vater Louveau, der auch nicht mehr so auf den Beinen ist wie in der Zeit, wo er auf den Flößen der Marne Schiffsjunge war. „ Aber was ist da unten los ?" Vor einem Hause hatte sich ein Haufen Neugieriger angesammelt, und inmitten des Menschenknäuels stand ein Schuhmann, der auf seinem Mühendeckel ſchrieb . Nicht minder neugierig als die anderen trat auch der Seemann heran.
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Was wird's sein? Vielleicht ein überfahrener Hund, ein festgefahrener Wagen, ein im Rinnstein liegender Trunkenbold, irgend eine Sehensnein, ein kleines , auf einem würdigkeit Schemel sigendes Kind , mit zerzauſtem Haar und einem Zuckerbrot im Munde. Es reibt sich die Augen . Es weint, und durch die herabgeflossenen und auf dem ungewaschenen Gesichte herumgewischten Thränen sind auf demselben allerlei wunderlich gestaltete Schmugflecken zurückgeblieben. Ungerührt und pedantisch, als ob er einen eines Verbrechens Angeklagten vor sich habe, stellt der Beamte verschiedene Fragen an den kleinen Knirps und macht Notizen. " Wie heißt du ?" !! Totor." „ Viktor wohl ?" Keine Antwort; doch fängt der Kleine desto lauter an zu weinen und zu rufen: Mama ! Mama !" Da tritt eine zwei Kinder nach sich ziehende, häßliche und schmußige Arbeiterfrau aus der Menge hervor und wendet sich an den Schuhmann mit den Worten : „ Lassen Sie mich machen !“ Sie kniet nieder , pugt dem Kleinen die Nase, trocknet ihm die Augen und ihm die Wangen streichelnd, spricht sie zu ihm freundlich : " Wie heißt deine Mama, mein Liebling ?" Aber auch sie brachte nichts aus dem Kinde heraus ; es wußte offenbar nichts weiter. Da wandte sich der Polizeimann an die Zunächſtstehenden: „Weiß denn niemand Auskunft zu geben ?" Und sich an den Kastellan des be treffenden Hauses wendend, fuhr er fort: , Sie müßten doch die Leute kennen. “ Doch auch dieser wußte nichts Näheres. Niemand hatte den Namen der Menschen erfahren. Der Wohnungswechsel kam zu oft vor. Man wußte nur, daß die Mieter einen Monat dort gewohnt , daß sie nie einen Sou bezahlt und daß der Hauseigentümer sie, um sie endlich los zu werden, auf die Straße gesezt habe. Was fingen sie denn den ganzen Tag an?" Nichts ! Den Tag über tranken die Eltern und abends schlugen ſie ſich. Sie bewiesen ihre Zusammengehörigkeit nur dadurch , daß sie beide auf ihre Kinder losprügelten, zwei Knaben, welche in den Straßen bettelten und ausgestellte Waren stahlen . Eine nette Familie , wie Sie sehen." „ Glauben Sie, daß sie ihr Kind suchen werden ?" wird ihnen gar nicht einfallen. „Es "/ Der Umzug gab ihnen die schönste Gelegenheit, es los zu werden. Es ist nicht das erste Mal, daß ſo etwas in den Umzugstagen vorkommt. " Hat niemand die Eltern fortgehen sehen ? " fuhr der Beamte fort. Es stellte sich heraus , daß sie am Morgen abgezogen waren , der Mann,
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= 129Marinebrücke bis Clamecy. Kennen Sie |scheinen Sie mir das Aussehen eines braven Mannes zu haben , ich habe Vertrauen zu Clamecy, Herr Kommissar?" Die Umstehenden lachten. Doch fuhr Ihnen . Folgen Sie nur immer Jhrer Vater Louveau unbeirrt, freilich stammelnd Frau ! Auf Wiedersehen ! Trinken Sie und die Silben zum Teil verschluckend fort : auch nicht zuviel !" Die finstere Nacht , der kalte Nebel, !! Ein schöner Ört, Clamecy, wissen Sie, mit einem schönen, reichen Holzstand, schönes das gleichgültige Auseinandergehen der Holz, Nusholz, was alle Schreiner wissen. Leute, die sich beeilten , nach Hause zu Da kaufe ich auch meine Holzschläge. He, kommen, alles dieses war dazu angethan, he ! ich habe Renommee durch meine Schläge. den armen Tropf bald zu ernüchtern. Kaum fühlte sich der Seemann mit Ich habe Verständnis dafür, ich habe Ueberblick. Meinen Sie nicht ? Doch das liegt nicht seinem Stempelbogen in der Tasche und ich bin kein Genie, seinem Schußbefohlenen an der Seite in an meiner Klugheit Der Hunger quälte ihn entseglich. Die sagt meine Frau-, aber Ueberblick habe der Straße allein , als er plöglich seine Cbsthändlerin gegenüber hatte ihm ein ich gewiß." Animiertheit schwinden fühlte und ihm Zuderbrot gegeben , aber das war lange „ Angenommen, ich sähe mir einen Baum das Außergewöhnliche seiner Handlungsverzehrt , und der Kleine fing wieder an an, von einer Stärke wie Sie, mit Erlaub- weise zum Bewußtsein kam. Er wäre doch immer derselbe , sagte zu weinen vor Hunger und auch vor nis, Herr Kommiſſar, so umwickele ich ihn Furcht vor den um ihn herum bellenden mit einem Strick, wie dieser hier er sich, ein Einfaltspinsel, ein Prahlhans . Hunden , vor der Dunkelheit , die immer Er hatte den Schuhmann ergriffen und Konnte er nicht auch wie die anderen seinen mehr hereinbrach, vor den fremden Ge- umschlang ihn mit einem Bindfaden , den Weg gehen, ohne sich in etwas zu miſchen, sichtern , die ihn von allen Seiten aner aus seiner Tasche hervorgeholt. das ihn nichts anging. starrten. Sein kleines , ängstliches Herz Der Beamte sträubte sich. Dann stellte er sich die Wut seiner !! So lassen Sie mich doch in Ruhe! " Frau vor. schlug so heftig, wie das eines sterbenden aber wenn -- Ich Vogels. Himmel , welcher Empfang ! Es ist "„ Aber wenn doch schlimm für einen armen, gutmütigen Als noch immer mehr Leute zusammen will Ihnen , Herr Kommissar , zeigen strömten, nahm der Beamte, dem die Ge- ich schlinge ihn um und dann, wenn ich Mann, eine gescheite Frau zu haben. Nie durfte er sich nach Hause wagen. schichte nachgerade zu langweilig wurde, das Maß habe, multipliziere ich, multidas Kind an die Hand, um es nach der pliziere ich ich weiß wirklich nicht Ebensowenig ging es, zum Kommiſſar Wachtstube zu führen. mehr, was ich multipliziere , das rechnet zurückzukehren. Was anfangen ? Was machen ? „ Niemand macht also Anspruch dar- meine Frau aus, eine gescheite Frau, meine Sie schritten im Nebel weiter. auf?” Frau. " „Einen Augenblick !" Er fing an zu gestikulieren , vor sich Die Zuschauer ergößten sich ungeheuer, Aller Augen wandten sich nach der selbst der Kommissar ließ sich hinter seinem hin zu sprechen, daß es aussah , als präpariere er eine Rede. Richtung hin, woher die Stimme kam. Tische zu einem Lächeln herab. Und man erblickte eine wohlbeleibte GeViktor schleppte sich mühsam durch den Als die Ausgelassenheit sich ein wenig stalt mit rotem Gesicht und kupfernen Ohr beruhigt, fragte er : „ Was werden Sie aus Schmutz. dem Kinde machen ?" Als Vater Louveau das gewahr wurde, ringen, welche vergnügt lächelte. „ Einen Rentier nicht, sicher nicht ; ich blieb er stehen, nahm ihn auf seinen Arm Einen Augenblick! Wenn niemand es will , nehme ich es." glaube , in der ganzen Familie war kein und hüllte ihn in seine Jacke. Die kleinen Arme schlangen sich ihm Aus der Menge ertönten laute Bei- Rentier; aber einen Seemann, einen tüchfallsrufe: Das ist brav , das ist schön tigen Schiffsjungen , wie ich solche aus um den Hals , und bei ihrer Berührung schien er wieder Mut zu bekommen. von Ihnen , daß Sie das thun wollen. " meinen anderen auch machen werde. “ „Sie haben Kinder ?" Der durch den Wein, den Erfolg seines Er setzte seinen Weg fort. Es war doch immerhin eine riskante Handels und die allgemeine Zustimmung "Ob ich Kinder habe ? Eins, das schon Sache, sette er seinen Gedankengang fort ; ſtark angeregte Vater Louveau drängte sich läuft, eins, das noch saugt und eins mit über der Brust gekreuzten Armen durch he, he, he ! Etwas zu viel von dem Uebel, wenn Mutter Louveau sie nicht einließ, den Kreis von Gaffern . nicht wahr, für einen, der kein Genie ist. wäre es zu spät , den Jungen nach der „Na, freilich , was ist dabei , das ist Mit dem Jungen werden es vier werden, Polizei zurückzubringen ; doch vielleicht bedoch eine einfache Sache." doch was schadet das ! Wenn drei Plaß hielt sie ihn doch eine Nacht , und dann Unter Beifallsrufen folgten ihm die haben , werden auch vier unterkommen . hatte er wenigstens einmal ordentlich zu Neugierigen zu dem Polizeikommissar, der Man drängt sich ein wenig aneinander, essen bekommen . Sie hatten die Austerlißbrücke erreicht, ihn, wie üblich, einem Verhöre unterzog . zieht den Leibriemen etwas an und ver "Ihr Name ?" sucht für sein Holz etwas mehr zu be wo die "1 schöne Nivernaiserin " vor Anter lag. Franz Louveau , Herr Kommissar, fommen ." Der süßlich fade Duft der Holzladung verheiratet und das , ich sage es offen, Und seine Ohrringe , durch sein herzmit einer gescheiten Frau, und das ist ein haftes Lachen in Bewegung gesezt, schwanz erfüllte die Luft. Auf dem in der Dunkelheit fast verGlück für mich , denn ich, ich bin gerade gen hin und her, während er einen Blick nicht sehr schlau. Ich bin kein Genie. Der Genugthuung über die Anwesenden schwimmenden Flusse schaukelte eine ganze Flotte von Fahrzeugen. Franz ist kein Genie' sagt meine Frau . " schweifen ließ. Der Kommissar schob ihm ein großes Infolge der Wellenbewegung schwankSo beredt war er noch nie gewesen. Die Zunge fühlte er sich wie gelöst; er Buch zu. Da Vater Louveau nicht schreiten die Schiffslaternen hin und her und war aufgelegt , wie jemand , der eben ein ben konnte , machte er ein Kreuz unten verursachten die sich kreuzenden Ketten ein gutes Geschäft gemacht und eine Flasche auf die Seite, worauf ihm der Kommissar freischendes Geräusch. Wein getrunken hat. Um sein Schiff zu erreichen , mußte das Kind zuführte. „Ihr Beruf?" „ Nehmen Sie den Kleinen mit, Franz Vater Louveau zwei durch Stege ver„ Seemann, Herr Kommiſſar, Schiffs- Louveau, und ziehen Sie ihn gut auf. bundene Barken passieren. patron der schönen Nivernaiserin' ; ein Wenn ich etwas Näheres über seine Mit unsicheren Schritten , ängstlich altes Fahrzeug , das durch die Beman- Person erfahren sollte , werde ich Sie zitternden Beinen schob sich der durch das nung ein wenig ansehnlicher wird. Ah , benachrichtigen ; doch ist es nicht wahr Kind, das ihm den Hals fast zusammenah, eine famose Schiffsmannschaft. Fra scheinlich, daß ihn seine Eltern jemals re- preßte , beengte Seemann langjam vorgen Sie die Schleusenmeister von der klamieren werden. Was Sie anbetrifft, ſo | wärts . einen Karren schiebend , die Frau , einen Back in ihrer Schürze , hinterher die Knaben mit den Händen in den Taschen. Jest würde sie wohl niemand mehr erwischen," meinten die Auskunftgeber. Irgend eine verabscheuende Bemerkung machend, wandten sich die meisten ab und sezten ihren Weg fort. Seit Mittag wartete hier der Kleine . Seine Mutter hatte ihn auf einen Stuhl gefeht und ihm gesagt : „ Sei artig, ich komme bald wieder." Doch sie kam nicht.
Alphonse Daudet.
130 Ringsum dunkle Nacht! Eine einzige kleine Lampe, deren matter Schein durch das Fenster der Schiffskoje fiel, und ein unter der Thür durchdringen der Lichtstreifen erhellten spärlich die in der Stille der Nacht ruhende " schöne Nivernaiſerin". Aus der Küche erscholl die Stimme der Mutter Louveau, die ihre Kinder auszanfte. „Wirst du nun aufhören, Klara ?“ Zum Umkehren war es nicht mehr Zeit; Louveau stieß die Thür auf. Ueber die Pfanne geneigt, drehte ihm Mutter Louveau den Rücken zu, ohne sich durch seinen Eintritt stören zu lassen. " Bist du es , Franz ? Weshalb so spät?" In dem sprudelnden Del hüpften die Kartoffeln, und von dem aus der Pfanne aufsteigenden Brüten beschlugen die Fenster der Kabine. Franz hatte den Jungen niedergesetzt, und als der Kleine in der im Zimmer herrschenden angenehmen Wärme seine Finger auftauen fühlte , verzog er den Mund zu einem Lächeln und sagte mit seinem dünnen Stimmchen : „ Schön warm. " Mit einem Ruck drehte sich Mutter Louveau um , und indem sie auf das mitten im Zimmer stehende Kind zeigte, rief sie ihrem Manne in aufgebrachtem Tone zu : Was ist das ? Was soll das ?" "! Eine Ueberraschung, he, he, he, eine Ueberraschung ! " Um seine Fassung nicht zu verlieren, lachte der Seemann laut auf ; im Grunde wünschte er sich weit fort . Und als seine den Zusammenhang halb erratende Frau ihn mit wütenden Blicken ansah , stotterte er die Geschichte in ganz anderer Weise , wie er sich vorgenommen, sie zu erzählen, mit furchtsam bittenden Augen gleich einem mit Schlägen bedrohten Hunde heraus. Seine Eltern hätten es verlassen , er habe das Kind weinend auf der Straße gefunden. Man hatte gefragt : „ Will es denn feiner mitnehmen ?" Da habe er sich seiner angenommen, und der Kommissar habe ihm gesagt: „ Das ist schön von Ihnen ; nehmen Sie es ! " " Nicht wahr, Kleiner?" Jezt aber fuhr Mutter Louveau los : „Entweder bist du verrückt oder hast zu viel getrunken. Ist einem jemals eine solche Dummheit vorgekommen ? Sollen wir denn ganz und gar verhungern ? Denkst du denn, wir seien reiche Leute? Meinst du, wir hätten zuviel Brot zu essen oder zuviel Platz zum Schlafen ?" Franz blickte, ohne zu antworten, auf seine Schuhe nieder. „ Elender , sich uns doch an ! Dein Schiff ist durchlöchert wie mein Schaumlöffel und dir kann es noch einfallen, anderer Leute Kinder von der Straße aufzulesen. “ Das hatte er sich schon alles selbst gesagt, der arme Tropf. Er dachte gar nicht daran, zu protestieren. Wie ein Ver-
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urteilter, dem die Anklage vorgelesen wird, arme , kleine Bursche mit seinem roten Stumpfnäschen und seinen runden Aermließ er seinen Kopf hängen . „ Du bringst das Kind dem Polizei- chen gar kein so häßliches Aussehen. Mit einem Anflug von Genugthuung kommissar zurück. Wenn er Umstände macht , es wieder anzunehmen , sagst du betrachtete ihn Mutter Louveau. Wie alt er wohl sein mag ?" ihm, daß deine Frau es nicht wolle." Franz nahm seine Pfeife aus dem Mit drohend erhobenem Arm , die Pfanne in der Hand, ging sie auf ihn zu. Munde , seelenvergnügt , wieder einmal Der gute Kerl versprach, alles thun ein Wort mitsprechen zu können . Es war das erste Mal an dieſem zu wollen, was sie wünsche. „Laß nur gut sein , ärgere dich nicht Abend, daß man an ihn eine Frage richtete ; weiter , ich habe es gut gemeint. Doch und wird man erst wieder gefragt, dachte du hast recht. Soll ich ihn gleich wieder er, so heißt das doch, daß man wieder in Gnaden angenommen sein soll. zurückbringen ?" Die Unterwürfigkeit ihres Mannes Er erhob sich und zog seinen Bindbesänftigte Mutter Louveau. Vielleicht faden aus der Tasche. „Wie alt ? he, he ! ich werde es dir kam ihr auch der Gedanke, wenn es eins von ihren Kindern wäre, das in der Nacht | sagen. “ Er schlang seine Arme um den Jungen verloren, den Vorübergehenden das Händund wickelte den Faden um ihn, als habe chen verlangend entgegenstreckte . Sie wandte sich wieder um , um die er einen Baum von Clamecy vor sich. ",Was machst du denn da ?“ Pfanne auf das Feuer zu sehen, und sagte " Postausend ! ich nehme Maß." mürrisch : „Heute abend ist's zu spät dazu, Doch schon hatte sie ihm den Strick das Büreau ist geſchloſſen und da du ihn angenommen hast , kannst du ihn auch entrissen und warf ihn in die entgegennicht wieder auf die Straße schicken. Diese gesezte Ecke des Zimmers. Du armer Tropf, was für unsinnige Nacht müssen wir " ihn schon behalten, aber Manieren hast du doch. Ein Kind ist morgen früh Mutter Louveau war wieder dermaßen doch kein Baum. “ Allem Anschein nach hatte Franz heute in Wut geraten , daß sie das Feuer so heftig schürte , daß die Funken umher abend kein Glück. Ganz verlegen zog er sich zurück, flogen. „Aber morgen früh gnade dir Gott, während Mutter Louveau Viktor zu Klara wenn du mir das Hindernis nicht aus ins Bett legte. Das schlummernde Töchterchen nahm, dem Wege räumst ! " die Hände ineinandergelegt , den ganzen Einen Augenblick war es still. Ungestüm trug die Hausfrau das Raum des Bettes ein. Sie schien zu fühlen, daß man etwas Tischgerät auf, dabei die Gläser zusammenstoßend und die Gabeln hinwerfend. an ihre Seite lege , streckte die Arme aus, Klara zog sich erschrocken in einen stieß ihrem Schlafkameraden die Ellbogen Winkel zurück. in die Augen , drehte sich um und schlief Der Säugling schrie auf seinem Lager. weiter. Viktor sah verwundert in die Kohlenglut ; Man löschte die Lampe aus . Die Seine , deren Wellen rings um wahrscheinlich hatte er noch nie Feuer das Schiff anschlugen , schaukelte das gesehen. Noch mehr Freude war es für ihn, Bretterhaus hin und her. Das aufgenommene Kind fühlte eine als er, eine Serviette um den Hals, einen Haufen Kartoffeln in der Schüssel , bei angenehme Wärme über sich kommen ; mit dem ihm fremden Gefühle, als habe ihm Tische saß. Er schluckte wie ein Rotkehlchen , dem eine liebkosende Hand über die Wangen man an einem Wintertage Brotkrümchen gestrichen, schlossen sich seine Augen. hinſtreut. Mutter Louveau bediente den Kleinen II. ärgerlich , im Grunde jedoch ein wenig Die schöne Nivernaiserin . gerührt durch den großen Hunger des Kindes . Klara war stets frühzeitig munter. Als sie am Morgen erwachte, war sie Die kleine , wieder dreist gewordene ganz erstaunt, daß ihre Mutter nicht mehr Klara streichelte es mit ihrem Löffel. Der ganz konsternierte Louveau wagte da war und neben ihr auf dem Kopfkiſſen ein anderer Kopf lag. nicht mehr, die Augen aufzuschlagen. Als das Essen abgetragen und die Mit ihren kleinen Fingern rieb sie sich eigenen Kinder zu Bett gebracht , sezte die Augen , ergriff ihren Nachtkameraden sich Mutter Louveau an das Feuer und bei den Haaren und schüttelte ihn , kißelte nahm den Kleinen zwischen ihre Kniee, ihn dann mit ihren boshaften Fingern um ihm ein einigermaßen anständiges am Halse und zupfte ihn an der Nase. Unter solchen Martern erwachte Totor. Aussehen zu geben . „ Man kann ihn doch nicht so im Mit weit geöffneten Augen blickte er Schmuß zu Bett legen. Er hat sicher verwundert um sich; er glaubte noch immer zu träumen und war ganz überrascht, daß noch keinen Kamm gesehen.“ Das Kind drehte sich wie im Kreisel sein Traum kein Ende nehmen wollte. Ueber ihnen scharrten Tritte. unter ihren Händen. Man war damit beschäftigt, die Bretter So gewaschen und gereinigt hatte der
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aus dem Schiff auf den Kai zu bringen, wodurch ein dumpfes Geräusch verursacht wurde. Klara hob betroffen den Kopf , hielt den Finger an die Nase und zeigte dann nachoben, als wollte sie sagen : !! Was ist das ?" Dubac, der Tischler aus der Vorſtadt, war frühzeitig gekommen , um das Holz zu holen. Vater Louveau war kaum wieder zu er kennen, so eifrig war er bei der Arbeit. Die ganze Nacht hatte der gute Mann bei dem Gedanken , das frierende und hungernde Kind dem Kommiſſar zurückbringen zu müssen , kein Auge zugethan. Er hatte sich für den Morgen auf eine neue Szene gefaßt gemacht , doch merk würdigerweise kam Mutter Louveau nicht auf Viktor zu sprechen ; sie schien andere Gedanken zu haben. Mit der Verzögerung der Entscheidung glaubte Franz viel zu gewinnen. Er suchte deshalb seiner Frau aus den Augen zu kommen ; sie sollte nicht an ihn denken. Er arbeitete, daß ihm der Schweiß von der Stirn rann , da er fürchtete , wenn sie ihn müßig dastehen sähe , könne sie ihm zurufen : „ Ach , du hast wohl nichts zu thun , bringe doch den Kleinen wieder dahin , woher du ihn geholt hast. " Er arbeitete. Der Bretterhaufen im Schiff wurde zusehends kleiner. Dubac hatte schon drei Fuhren geholt . Mutter Louveau stand auf dem Stege, ihren Kleinſten auf dem Arme tragend, und schien gerade Zeit zu haben , die an ihr vorübergetragenen Bohlen zu zählen . Franz suchte sich die längsten und stärkjten aus. War ihm einmal ein Balken zu schwer, so rief er die Schiffsmannschaft herbei, ihm zu helfen. Die Schiffsmannschaft der "/ schönen Nivernaiſerin " bestand aus einem einzigen Matrosen , der noch dazu einen Stelzfuß hatte. Er war einst aus Mitleid aufgenommen worden , und als man sich erst an hn gewöhnt hatte, behielt man ihn. Der Invalide stemmte seinen Stelzfuß Fest auf, hob mit aller Kraftanstrengung en Balken in die Höhe, und der von der ast gebeugte Louveau schritt mit ihm angsam die schwebende Brücke hinab. Wie leicht hätte er da Malheur haben Sinnen ! Mutter Louveau dachte nicht daran . Sie kam und ging und war dabei nz in Betrachtung des kleinen Emil, er ihr an der Brust lag, versunken . " Immer durstig, dieser Emil, " dachte e, „ wie ſein Vater. " Er, Louveau durstig? Heute nicht, ng und gar nicht. Während des ganzen Morgens war nach Seißwein noch nicht die Frage gewesen . Er hatte sich kaum die Zeit genommen, Schweiß von der Stirn zu wischen, el weniger einmal mit Dubac anzuſtoßen.
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Sogar als Dubac ihm vorschlug, erst halten ; sie prügelte ihn dafür, neckte ihn ein Gläschen zu trinken , antwortete er beständig , und wenn sie ihn an seinem furz: " Später, jezt haben wir keine Zeit. " Lockenhaar herumzog, sah es aus , als habe sich ein Spit über einen Pudel hergemacht. Er, ein Glas Wein ausschlagen! Mutter Louveau entging Klaras zuMutter Louveau war das ein Rätsel. „ Er wird doch wohl bei Sinnen sein ?" nehmende Zufriedenheit nicht , und sie dachte sie. mußte sich gestehen , daß sie von diesem Auch mit Klara schien eine Verände kleinen Kindeswärter wenig Last haben würden. Man könne ihn vielleicht so rung vorgegangen zu sein. Es ist bereits acht Uhr vorüber, und lange behalten , bis das Holz abgeliefert, noch hat sich die Kleine, die es sonst nicht und es würde ja bei der Abreise noch Zeit im Bette läßt, nicht gemeldet." genug sein, ihn wieder zurückzubringen, Und eilig , um zu sehen , wie solches meinte sie im stillen. Am Abend machte sie darum auch keine zugehe, begibt sie sich in die Kabine hinab. Franz , der es bemerkt , bleibt stehen, Anspielungen auf das Zurückſchicken des läßt die Arme sinken und , als ob ihm Kleinen , stopfte ihn mit Kartoffeln voll ein Knochen in der Kehle stecke , preßt es und brachte ihn etwas früher zu Bett. Klara betrachtete den Kleinen schon sich aus ihm heraus : „Jezt kommt's ! Sie hat sich Viktors erinnert , holt nun ganz als ihr Brüderchen ; beim Einſchlafen die Kinder herauf, und ich muß mich auf schlang sie ganz zärtlich ihre Arme um seinen Hals. den Weg zum Kommiſſar machen. “ Aber was ist das ? Mutter kehrt ganz Die Ausladung der schönen Nivernais ſerin“ dauerte drei Tage, während welcher allein zurück ; sie lacht, sie winkt ihm. „ Sieh es dir nur einmal an , es ist sich der gute Mann keine Zerstreuung, keine zu spaßhaft. " Abwechselung gestattete. Am Mittag des dritten Tages war Der arme Tropf konnte diese plögliche Fröhlichkeit kaum begreifen und mit vor die lehte Fuhre geladen , das Schiff geErregung schlotternden Beinen folgte er leert, so daß es am folgenden Tage bugsiert werden konnte. ihr wie ein Automat . Die beiden Aeffchen saßen im Hemde Franz hielt sich den ganzen Tag über und mit nackten Füßen auf dem Bett auf dem Zwischendeck verborgen und besrande. serte die Bordbekleidung aus, wobei ihn die Sie hatten sich die von der Mutter ihm seit drei Tagen in den Ohren ſumin eine Ecke gestellte Suppenschüssel heran- | menden Worte verfolgten : „Bringe ihn geholt , und da für die beiden Mäulchen dem Kommiſſar zurück. “ nur ein Löffel vorhanden, stopften ſie ſich Ach, dieser Kommiſſar ! Es war dieser auf dem Schiffe ebenso abwechselnd wie Vögel im Neste den Mund voll. Klara , die nicht genug kriegen zu gefürchtet wie der in einem Puppentheater. Er war zu einem Schreckgespenst ge= können schien, hielt ihren Schnabel lachend worden, und wenn Mutter Louveau Klara vor den Löffel. Zwar hatten auch Augen und Ohren zur Ruhe bringen wollte, brauchte sie nur ein paar Krümchen abbekommen , doch dieses Wortes Erwähnung zu thun. hatten sie nichts zerbrochen , nichts verUnd derKleine, sobald er ſie dieſenfürchterlichen Namen aussprechen hörte, schaute schüttet . Wenn man so die beiden Kleinen sihen sie mit einem flehenden Blick traurig an. Er schien zu verstehen, was für eine sah, mußte man unwillkürlich lachen. Und Mutter Louveau lachte wieder. Bedeutung dieses Wort für ihn hatte. Das bedeutete für ihn mehr als Klara, „Sie unterhalten sich so gut , daß wir uns gar nicht um sie zu kümmern mehr als Liebkosungen, mehr als Kartoffeln ; es bedeutete die Rückkehr zu dem Elende, zu brauchen . “ Von der Wendung, die die Dinge zu den Tagen ohne Brot , zu der Nachtruhe nehmen schienen, glücklich geſtimmt , kehrte ohne Bett , zu dem Erwachen ohne Kuß. Er kannte die Bedeutung dieses WorFranz eilig an seine Arbeit zurück. Die Lieferungstage waren für ihn ge- tes gar zu gut. Man hätte nur sehen wöhnlich Ruhepausen , in welchen er alle sollen , wie er sich an Mutter Louveaus Seemannskneipen am Bercykai aufsuchte. Kleid hing , als Franz am Tage der AbAuch dauerte die Abladung meist acht reise mit Zittern in der Stimme sagte : Nun, soll ich ihn zurückbringen, ent Tage , ohne daß Mutter Louveau böse darüber wurde. Aber dieses Mal gönnte weder oder?“ Mutter Louveau antwortete nicht. sich Louveau weder ein Gläschen noch Es schien, als sinne ſie über ein Voreine Erholungspause ; eine fieberhafte Wut, sein Versehen wieder gut zu machen, hatte geben nach, das es ihr ermöglichte, Viktor unauffällig zurückbehalten zu können. ihn gepackt, er arbeitete ohne Rast. Der Kleine, als ob er verſtünde , was Klara wälzte sich mit vor Thränen ihm seine Sache gewinnen könne , that erstickter Stimme am Boden, schluchzte, daß sie ohne ihren Freund nicht leben seinerseits alles , was Klara belustigte. " Zum erstenmal in ihrem Leben ging könne , und mit schwermütiger Stimme der Tag ohne Weinen hin , ohne sich zu sprach endlich die gescheite Frau : „ Armer Tropf, du siehst wohl ein, stoßen , ohne die Strümpfe zerrissen zu daß du wieder einmal einen dummen Streich haben. Ihr Spielkamerad ließ es sich ange- gemacht hast. Jezt müssen wir darunter legen sein , sie auf das beste zu unter- leiden. Das Kind hat sich an uns ge-
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136wöhnt, Klara ist unzertrennlich von ihm, und es würde schwer halten, sie von ihm zu reißen. Ich muß versuchen, es zu behalten. Aber daß du dabei mithilfft. Das erste Mal , wo Klara wieder ungezogen ist, oder du dich betrinkst, kommt der Junge wieder zum Kommissar. " Vater Louveau war überglücklich. Er wollte keinen Tropfen mehr trinken. Mit glückstrahlendem Gesicht lichtete er die Anker und von einer ganzen Schiffsflotte begleitet zog die " schöneNivernaiſerin" von dannen. III.
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| daß die „schöne Nivernaiſerin " in zwölf Ta- | merte sich um sie , wohl aber hielten gen den Fluß und die Kanäle passiert hatte Landleute mit ihrer Meinung über Louvent und an der Brücke von Corbigny vor vor dem Herrn Pfarrer nicht zurück, det Anker ging, um in Frieden ihren Winter ihnen den Seemann als Beispiel hinstellte „ Das ist alles recht gut, Herr Pfarrer, schlaf zu halten. Von Dezember bis Ende Februar fah- aber wenn man selbst schon drei Kinder ren die Seeleute nicht. Sie bessern wäh- hat, sich noch mit fremden abzugeben, das rend dieser Zeit ihre Schiffe aus und zeugt von keinem guten Herzen. Aber di nehmen die Wälder in Augenschein , um Louveaus sind immer so gewesen. Den die Frühlingsschläge auf dem Stamme zu armseligen Ruhm haben sie, und alle Rat schläge, die man ihnen geben wollte, wer kaufen. Wenn sie sie zu einem billigen Preise den sie nicht ändern . Wir wünschen ihnen erstehen konnten und auch das Herbstge- nichts Böses, doch wäre es ihnen ganz ge ſchäft ein gutes war, ist diese Ruhezeit eine sund, wenn sie einmal eine ordentliche zek tion bekämen. " angenehme Erholungspause. Unterwegs . Der Herr Pfarrer war ein brava Die schöne Nivernaiſerin “ wurde zur Viktor war unterwegs . Ueberwinterung vorbereitet : man nahm Mann, ohne Falsch , der sich leicht über An der Landschaft vorüber, die sich mit das Steuer ab , barg den Maſt im Zwi zeugen ließ und sich schließlich stets einet ihren Häusern und Hütten im Flusse wider schendeck, entfernte alles Bewegliche vom Stelle der heiligen Schrift oder der Kir spiegelte, vorüber an gewaltigen Kreide- Oberdeck , daß dieses einem Spiel und chenväter erinnerte , um sich über seim Sinnesänderung zu beruhigen. felsen , vorüber an Berg und Thal, den Tummelplage glich. ,,Meine Pfarrkinder haben recht," sagti durch Schleusen aufgehaltenen ruhigen Lauf Wie hatte doch Viktors Leben sich geer sich, dabei mit der Hand über sein glatt des Yonnekanals entlang nach den in ewi | ändert ! gem GrünprangendenWäldern vonMorvan. Während der ganzen Reiſe war er ganz rasiertes Gesicht streichend. !!„ Man muj Franz war standhaft. scheu und verblüfft, gleich einem in einem Kä die göttliche Vorsehung nicht versuchen." Da aber die Louveaus sonst brave Leute An das Steuerruder seines Schiffes fige groß gewordenen Vogel, dem die Freiheit angelehnt , hörte er nicht auf die ihm wiedergegeben wird und der vor Erstaunen waren, machte er ihnen gelegentlich einen Besuch. freundlich zurufenden Schleusenmeister und vergißt, seine Flügel zu gebrauchen . Er fand die Mutter in einer alten Weinhändler, die erstaunt waren, ihn geDie Schönheit des vor seinem Auge mächlich vorüberfahren zu sehen. ſich entrollenden Landschaftsbildes machte Bluse und damit beſchäftigt , Viktor eine Er mußte sich freilich an das Steuer noch keinen Eindruck auf ihn ; stumm ließ Hose zu machen ; denn der Bursche wat anklammern, um die „ schöne Nivernaiſerin “ er alles an sich vorübergehen, so daß Vater ohne alles gekommen, und Lumpen duldete zu hindern , an den Schenken anzulegen . Louveau, der ihn stillschweigend beobachtete, die Hausfrau nicht. Sie bat den Pfarrer, Plaß zu nehmen, So oft hatte das Schiff dieselbe Reise immer wieder zu dem Schluſſe kam : „ Er gemacht , daß es die Anhaltepunkte zu ist taubstumm." und als er auf Viktor zu sprechen kam, kennen schien und gleich einem OmnibusDoch der kleine Pariser aus dem Tem dabei geschickt einflechtend , daß man ihn vielleicht in einem Waisenhauſe unterbringen gaul bei den Stationen wie ganz von selbst | pleviertel war es keineswegs . anhielt. Hätte er nur begreifen können, daß er könne, fiel ihm Mutter Louveau, die vo Auf dem Bug hantierte die hinkende nicht in sein früheres Elend zurückkehren niemand ein Blatt vor den Mund nahm, Schiffsmannschaft trübsinnig einen mäch- müsse, daß der Kommissar" keine Schrecken rasch ins Wort: " Daß der Kleine eine tigen Bootshaken, stieß die Hindernisse zu mehr für ihn bedeute, seine Zunge würde Last für uns ist , ist ohne Zweifel, Hett sich gelöst haben. Pfarrer, und damit, daß Franz ihn mit rück oder rundete die Wendungen ab. Allmählich fing er an aufzublühen , wie brachte , hat er wieder einmal bewiesen, Sie hatte gerade nicht sehr viel zu thun, troßdem hörte man Tag und Nacht eine Kellerpflanze , die ans Sonnenlicht daß er kein Genie ist. „ Mein Herz ist auch nicht von Stein, auf dem Deck das Stampfen ihres Stelz- gebracht wird. fußes. 1 Er fauerte sich nicht mehr in den Winkel, doch wenn mir der Junge in den Way Der Mann war einer von denen, denen sondern war zuweilen ausgelassen wie ein gekommen , ich hätte ihn , obwohl es mit alles im Leben schief gegangen . Wiesel. Die tiefliegenden Augen unter seiner schwer geworden wäre, gelassen, wo er wat „ Doch nun, wo wir ihn einmal angeIn der Schule hatte ihm ein Ka- gewölbten Stirn verloren ihre unruhige Bemerad ein Auge ausgestoßen ; ein unglück weglichkeit , und obwohl er meist zurück nommen haben , wollen wir ihn uns aus licher Arthieb hatte ihn zum Krüppel gehaltend blieb , fing er doch an, in Klaras nicht wieder vom Halse schaffen, und we wir einst seinetwegen in Verlegenheit kom macht; in einer Zuckersiederei war er in helles Lachen zuweilen einzustimmen . Das Töchterchen liebte seinen Kame- men sollten, werden wir doch bei niemand einen Bottich gefallen und darin abgebrüht worden. raden mit Leidenschaft , soweit man bei um Erbarmung_betteln . " In diesem Augenblick trat , Emil auf Er würde als ein Bettler Hungers ge- Kindern , die sich schlagen und vertragen, dem Arme tragend, Viktor in das Zimmer storben sein, wenn ihn nicht Louveau, der von einer solchen sprechen kann. Obwohl sie eigensinnig wie ein kleiner Der Kleine, dem es gar nicht behaate, immer Ueberblick hatte, in einem Graben liegend aufgefunden und nach überstandener Esel, hatte sie doch ein gutes Herz, und , entwöhnt worden zu sein, wollte, wie um Krankheit als seinen Gehilfen auf sein wie gesagt, um sie artig zu machen, brauchte sich zu rächen ; nicht mehr laufen. Be Schiff genommen hätte. Es war damals man nur des Kommissars Erwähnung der Annäherung jemandes verzog er das Mäulchen zum Weinen. zu einem eben solchen Streite wie Viktors | zu thun. Eben war man in Corbigny angekom Durch den sich ihm bietenden Anblit wegen gekommen. Die gescheite Frau war aufgebracht men, da kam eine kleine Schwester zur Welt. gerührt, legte der Herr Pfarrer die hard gewesen. Da der kleine Emil erst achtzehn Monate auf das Haupt des armen Jungen und Louveau hatte klein beigegeben. alt und man trotz allen Fleißes nicht so sprach feierlich : " Die großen Familien Und schließlich hatte man die Schiffs viel erübrigen konnte, um eine Magd hal- segnet Gott. " darüber, daß ihm eine der Und erfreut mannschaft behalten. Jest nahm sie teil an ten zu können, so mehrten sich damit die der Instandhaltung der schönen Niver- Lasten. Da hatte die Schiffsmannschaft, Situation so angepaßte Sentenz in den naiſerin" und genoß kein größeres Ansehen der es mit ihrem Holzbein schon sauer Sinn gekommen, ging er fort. war so, wie Mutter Louveau gesagt als dieKaße und der Rabe auf dem Schiffe . genug wurde, noch mehr zu thun, und dies hatteEs : Viktor gehörte jezt zur Familie . Vater Louveau steuerte so gut , und that Mutter Louveau leid . Bei allem Brummen und Sagen , den die Schiffsmannschaft manövrierte so flott, Niemand aus der ganzen Gegend küm
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lengel wieder zum Kommissar zurückzu- | ingen , hatte sich die gescheite Frau an n Kleinen , der immer an ihrem Rocke na, bereits gewöhnt . Als Louveau einmal äußerte , daß er wiel gehätschelt werde, antwortete sie wie wöhnlich: Du hättest ihn nicht nehmen llen. " Von seinem siebenten Jahre an schickte sie n mit Klara zusammen in die Schule. uf dem Wege dahin trug Viktor stets asche und Bücher. Um ihr Vesperbrot vor dem unstill iren Appetit der jungen Morvanier zu tten, stritt er sich mutig mit ihnen herum. Eben so groß wie sein Kampfesmut ar seine Arbeitslust, und obgleich) er nur ährend des Winters , wo man nicht schiffte, e Schule besuchte , hatte er nach seiner üdfehr die kleinen , wie ihre Holzschuhe zwerfälligen Bauern, die des Jahres zwölf lonate hintereinander über dem Abcbuch ihnten, bald überholt. Auf dem Heimwege von der Schule ngen Viktor und Klara fast immer durch n Wald , wo sie den Holzhauern beim ällen der Bäume zuschauten. Oft schickte an Viktor, der als ein flinker und gejidter Junge bekannt war, in die Gipfel r Tannen , damit er das zum Fällen enende Seil befestige. Wenn er Klara, höher er stieg , desto kleiner zu werden hien und am höchsten Ende angekommen ir , weinte sie oft aus Furcht , daß er llen könne ; und er, furchtlos wie er war, aufelte sich dann, um sie zu necken, be nders stark. Zuweilen besuchten sie auch Herrn Maundre auf seinem Zimmerplage. Der Zimmermann war ein wie ein tock trockener und magerer Mann. Er wohnte, fern von allem Verkehr, ßerhalb des Dorfes mitten im Walde. Die ländliche Neugierde wurde durch € Zurückgezogenheit und das beſtändige chweigen dieses Unbekannten , der aus inter-Niévre gekommen war , um sich nen entlegenen Zimmerplaß einzurichten, nge auf die Folter gespannt. Seit sechs Jahren arbeitete er mit allen raften , fast ohne sich einmal eine Erlungspause zu gönnen, wie ein Tagelöhner, gleich er viel zu seinem Leben ausgab , oße Geschäfte machte und oft den Notar in Corbigny aufsuchte. Dem Herrn Pfarrer ttte er eines Tages mitgeteilt , daß er Sitwer wäre . Mehr wußte man nicht ber ihn. Wenn Maugendre die Kinder heranmmen jah, legte er seine Säge beiseite ad plauderte freundlich mit ihnen. Er hatte Viktor in sein Herz geschlossen nd suchte ihn damit zu unterhalten , daß ihn aus den Holzabfällen kleine Boote huizen lehrte. Einmal sagte er zu ihm : „ Du erin erst mich immer an ein Kind , das ich erloren habe, " und als fürchte er, zuviel jagt zu haben, sezte er hinzu : ,, es t lange, lange her." Ein andermal sprach er zu Vater ouveau : „Wenn du Viktor nicht mehr
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An einem Märzabend , es war tags behalten möchtest , laß ihn mir. Ich habe keine Erben , würde es mich um ihn etwas zuvor, als das Schiff nach Paris unter kosten lassen , ihn in die Stadt auf das Segel ging , suchte Louveau Maugendre Gymnasium schicken und nach bestandenem auf, um sich sorgenbedrückt von ihm zu Examen indie Forstakademie eintreten lassen. verabschieden . Franz aber wollte davon nichts wiſſen Der Zimmermann , nachdem er seine und lehnte das Anerbieten ab. Doch gab Holzrechnung geregelt , nötigte ihn , in Maugendre die Hoffnung noch nicht auf, seinem Hause eine Flasche zu trinken. "/ Ich möchte mit dir ein Wort reden, sondern. wartete geduldig darauf, daß der Zuwachs der Familie Louveau oder irgend Franz." Sie traten ein. eine bedrängte Lage dem Seemann den Maugendre füllte ein paar Gläser, Geschmack an die Adoptionen verleiden und sie seßten sich einander gegenüber an würde. Der Zufall schien seinem Wunſche ent- den Tisch. !! Ich bin, wie du vielleicht wissen wirst, gegenzukommen. Mit Viktor schien das Unglück auf der nicht immer ein Einsiedler gewesen. Es schönen Nivernaiſerin " eingefehrt zu sein. gab eine Zeit , wo ich alles besaß , was dazu gehört, um glücklich leben zu können, Alles ging seit der Zeit schief. Das Holz fand schwer einen Käufer, ein wenig Vermögen und eine Frau, die und hatte man einen solchen gefunden, so mich von ganzem Herzen lieb hatte. Das stieß der Schiffsmannschaft am Tage vor war einmal. Ich habe es verloren und — durch meine Schuld. " der Lieferung sicher ein Unfall zu. Der Zimmermann hielt einen AugenSchließlich wurde , als man eines schönen Tages im Begriffe war , nach blick inne ; das Geständnis , das er auf . Paris abzureisen, Mutter Louveau krank. den Lippen hatte, ſchnürte ihm die Kehle Bei dem unaufhörlichen Kindergeſchrei | zusammen. „Ich bin niemals ein schlechter Mensch verlor Franz den Kopf; er verwechselte " die Suppe für die Kinder mit der Arznei gewesen, aber ich hatte ein Laſter ?" Du " für die Kranke, wodurch dieselbe so erregt " Ja , ich habe es noch ; ich hänge zu wurde , daß er ihre Verpflegung Viktor sehr am Gelde. Das ist schuld an meinem überlassen mußte. Zum erstenmal in seinem Leben kaufte Unglück. " Aber wie ist das möglich , lieber der Seemann sein Holz. So oft er auch mit seinem Faden die Bäume umwickelte, Maugendre?" „ Du sollst es wiſſen. Bald nach immer wieder dasselbe Maß nahm , stets verrechnete er sich; Mutter Louveau fehlte unserer Verheiratung , nachdem uns ein eben. Kind geboren , kam mir der Gedanke, In großer Aufregung machte er sich meine Frau nach Paris zu schicken , das auf den Weg nach Paris , gab unterwegs mit sie dort eine Nahrungsstelle für sich das Kommando meist ganz verkehrt und ausfindig mache. Sie wollte sich nicht Aber , lieber fiel schließlich auf einen unredlichen Käufer, von ihrem Kinde trennen . welcher den Umstand benußte, ihn zu dü Mann, sagte sie mir , wir verdienen so viel, wie wir brauchen ; das viele Geld pieren. Mit schwerem Herzen kam er zurück. macht uns nicht glücklicher. Ueberlaß „ Arme Frau, werde bald gesund, oder solchen Nebenverdienst den armen , mit Rindern belasteten Familien und erspare. wir sind verloren. " Allmählich erholte sich Mutter Louveau . mir den Kummer, mich von euch trennen „Ich Ich wollte nichts davon. Hätten sie Mittel gehabt, sich ein neues zu müssen. Schiff kaufen zu können , das Geschäft wissen und zwang sie, nach meinem Willen wäre bald wieder flott geworden, aber zu thun. " „Und dann ?" durch die Krankheit waren alle Ersparniſſe daraufgegangen, und der Verdienst reichte "Ja, meine Frau fand eine Stelle, gerade hin, die "schöne Nivernaiserin " , die da sie aber das Kind nicht bei sich beimmer der Reparatur bedurfte, ausbessern halten konnte, gab sie es einer alten Frau, zu lassen. Viktor wurde eine schwere Last die ihr versprach, das Kind zu mir zurückfür sie. Er war nicht mehr das vierjährige zubringen, und begleitete es noch nach der Kind , das man in eine Jacke steckte und Eisenbahn. Seitdem haben wir nichts das der Handel nebenbei ernährte. wieder von ihm gehört." Er war jest zwölf Jahre und aß wie „ Und was sagte deine Frau dazu , ein Mann , obgleich er mager geblieben armer Maugendre ?" " An den Folgen des Schreckens , den war und man es ihm nicht ansah, daß er, wenn die Schiffsmannschaft sich irgendwie sie bei dieser Nachricht bekommen , ist sie verlegt hatte, im stande war , das Schiff gestorben. " Sie schwiegen beide. Louveau war flott machen zu helfen . Mit diesem ging es von Tag zu Tag von dem eben Gehörten im Innerſten erschlechter. Auf der letzten Reise hatte man griffen , Maugendre überwältigt von den es kaum noch von der Stelle gebracht. wieder wachgerufenen Erinnerungen. Der Zimmermann ergriff zuerst wieDas Waſſer drang an allen Seiten durch, Flicken konnten nicht mehr helfen , man der das Wort. „Um zu fühnen , was ich verschuldet, hätte das ganze Boot neugestalten oder noch besser es durch ein neues ersehen verurteilte ich mich zu dem Leben, das ich müſſen. bisher geführt. Zwölf Jahre habe ich so
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-142gelebt, von allem zurückgezogen. Länger ertrage ich es nicht. Es schaudert mir bei dem Gedanken, sterben zu müssen , ohne einen Menschen um mich zu haben. Hast du Erbarmen mit mir, so gib mir Viktor als Ersay für das Kind, das ich verloren habe. " Louveau war in großer Verlegenheit. Viktor hatte sie schon viel gekostet, und wenn man sich jetzt , wo er eben anfing, sich nüßlich zu machen , von ihm trennen wollte, würden alle Opfer , die man ihm gebracht hatte, vergeblich geweſen ſein. Maugendre erriet seine Gedanken. „ Natürlich," sagte er, " werde ich dich für die Ausgaben, die du seinetwegen gehabt , entschädigen. Auch würde es für den kleinen gut sein, wenn du ihn mir ließest, und ich, so oft mir im Walde ein Forsteleve in den Weg kommt , muß ich mir sagen, daß mein Junge auch so ein schmucker Kerl hätte werden können. Viktor ist kein Sauſewind, er gefällt mir und ich würde ihn, wie du mir glauben wirst, wie meinen Sohn halten. Laß ihn mir!" Am Abend , als die Kinder zu Bett gebracht waren, sprach Vater Louveau mit seiner Frau über diese Angelegenheit. Mutter Louveau schien auf Maugendres Begehren eingehen zu wollen. „ Sieh, Franz, wir haben sicher für das Kind gethan, was in unseren Kräften stand. Gott weiß, daß wir es gern behalten möchten. Da sich nun aber einmal eine Gelegenheit bietet, es los werden zu können , ohne es dem Elend wieder preiszugeben, muß man sich ein Herz fassen." Trotzdem sie so sprach, konnte sie nicht umhin, unwillkürlich ihr Antlig nach dem Bette zu wenden, in dem Viktor und Emil fest und ruhig , wie es nur Kinder thun, schliefen. „Armer Kleiner ! " entschlüpfte es Franz. Dann war es eine Zeitlang still. Das Wasser schlug bald leise, bald heftiger gegen das Schiff, und ab und zu durchdrang das schrille Pfeifen der Lokomotive die Nacht. Plöglich brach Mutter Louveau in Schluchzen aus. "/ Gott erbarme sich unser ! Franz, ich behalte ihn.“
IV. Schicksalsschläge. Viktor stand in seinem fünfzehnten Jahre ; mit einemmale war er in die Höhe geschossen, aus dem kleinen Burschen ein kräftiger, breitschulteriger Knabe geworden. Wie ein alter Seemann kannte er die Fahrstraße , wußte er die Untiefen , wit terte er den Wasserstand , lenkte er das Steuer. Er trug eine bauschige Bluse, die von einem roten Gürtel zusammengehalten wurde. Hatte Vater Louveau ihm das Steuer überlassen , so kam Klara , die zu einem großen Mädchen herangewachsen war, zu ihm heran, sezte sich, mit dem Strickzeug in der Hand, an seine Seite und ließ dabei ihren Blick mit Wohlgefallen auf der ebenmäßigen Geſtalt und seinen gewandten Bewegungen ruhen.
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Die Reise von Corbigny bis Paris | schoß mit voller Wucht auf den Kai zu war das legte Mal eine äußerst gefahr- und zerspaltete von vorn bis hinten ; ein volle gewesen. Durch ungeheure Herbst entsetzliches Gewimmer erscholl, ein heftiregengüſſe angeschwollen, hatte die Seine ger Strudel folgte und noch ganz erstarrt alle Abdämmungen weggeschwemmt und von diesem Schiffbruch, hörten die Louwälzte sich mit reißender Schnelligkeit dem veaus auf dem Landungsplaße plößlich ein Meere zu . lautes Jammergeschrei hinter sich. Da der Fluß bereits bis zu den Kais Bei dem heftigen Wirbelstoß hatte sich gestiegen war , beschleunigten die besorgt die „schöne Nivernaiserin " losgerissen und gewordenen Seeleute ihre Lieferungen , entfernte sich bereits vom Ufer. Meine Kinder ! " stieß Mutter Louzudem auch die von den Schreinern abgesandten Depeschen keine angenehmen Mit- veau aus . Viktor war aus der Koje gestürzt und teilungen enthielten. Schon wurden Nachrichten laut, daß auch die Nebenflüsse ihre erschien , den Kleinsten auf dem Arm, auf Dämme durchbrächen und das Land über dem Deck. — „Hinnehmen !" schwemmten und noch immer stieg die „Ein Boot!" Flut. „ Ein Tau ! " schwirrte es durcheinander. Auf den Kais wimmelte es von ArWas sollte man machen ? Es war beitern , Gaffern , und Fuhrwerken , und unaufhörlich bewegten sich die großen nicht mehr möglich , sie noch zu erreichen. Arme der Dampfkrähne. Ganz aus der Fassung gebracht, stürzte Bald wurden die Weinkeller ausge- die Schiffsmannschaft von einem Bord räumt und der Zucker in Kiſten auf Roll- | zum andern. wagen verladen. Beim Anblick des bestürzten Mannes Die Schiffer verließen ihre Koje, auch die und der jammernden Kinder wurde Viktor Kais, an denen das Wasser immer höher von Mut und Thatkraft beseelt. Laut ertönte ſein Kommando : " Tau emporstieg , wurden menschenleer, und die Noch einmal ! - 3u am Landungsplaße aufgefahrene Wagen ausgeworfen ! reihe machte sich vor dem nahenden Hoch- fassen ! " Dreimal versuchten sie es , doch hatte wasser gleich einem fliehenden Heere eilig von dannen. Infolge des Hochwassers sich die schöne Nivernaiſerin " schon zu wollten auch die Louveaus fast daran verweit vom Kai entfernt ; das Tau fiel ins zweifeln , ihr Holz noch zu rechter Zeit Wasser. Ohne sich einen Augenblick zu besinnen. liefern zu können. Bei der großen Not mußten sie alle stürzte Viktor ans Steuer, indem er rief: bis spät in die Nacht hinein bei dem Habt keine Angst , ich werde es schon Scheine der Gaslaternen auf dem Kai machen !" Und er schien es fertig bringen zu Hand mit anlegen, das Schiff zu räumen ; gegen Mitternacht war die ganze Ladung können, das Schiff sicher zu führen, denn am Landungsplaße aufgestapelt. Aber der mit einem kräftigen Stoß richtete er das Wagen Dubacs, des Tischlers , kam nicht Boot , das sich bereits auf die Seite gemehr ; endlich suchte man schweren Herzens legt hatte, wieder auf. Louveau verlor den Kopf. Um zu sein Lager auf. Es war eine schreckliche Nacht ; laut seinen Kindern zu gelangen, machte er schon rasselten die Ketten bei dem beständigen Anstalten, sich ins Wasser zu stürzen, doch Schwanken der Schiffe ; die schöne River Dubac hielt ihn am Arme fest. Mutter Louveau bedeckte , um das naiſerin“ machte ein Geräusch, das wie das Seufzen eines von Schmerzen gepeinigten Schreckliche nicht zu sehen, ihr Gesicht mit Kranken flang. f den Händen. Da niemand ein Auge zu schließen Die schöne Nivernaiserin" war bereits vermochte, so erhoben sich Vater Louveau . mitten in der Strömung und schoß mit seine Frau, Viktor und die Schiffsmann reißender Schnelligkeit auf die Austerlig schaft schon bei Tagesanbruch ; ihre Kinder brücke zu . Ruhig angelehnt saß Viktor am Steuer, den Kleinen Mut einsprechend. ließen sie zurück. Während der Nacht war die Seine der Schiffsmannschaft Befehle erteilend. noch gestiegen . Heftig bewegt und weit wie Er hatte die Gewißheit, in gutem Fahrdas Meer rollten ihre Wogen unter dem wasser zu sein, denn er manövrierte das tief auf sie herabhängenden Himmel fort . Schiff in der Richtung der roten Fahne, Auf den Kais zeigte sich nicht die die in der Mitte des Hauptbrückenbogens geringste Spur von Leben, und kein Boot aufgehängt war , um den Seeleuten den war auf der weiten Wasserfläche zu sehen, Weg anzuzeigen. Würde man aber auch an den Brückenwohl aber Trümmer von Dächern und Zäunen , die die Strömung mit sich ge- pfeilern vorbeikommen ? Mit rasender Gerissen hatte. Aus der hinter den Brücken schwindigkeit näherte sich die Brücke. !! Bootshaken zur Hand, Schiffsmannaufragenden Nebelwand trat in undeutDu, Klara, laß das Kind nicht lichen Umrissen die Notre Dame hervor. schaft ! Man durfte keine Sekunde verlieren, denn los !" schon hatte der Fluß die niederen BrüMit aller Kraft klammerte er sich an stungen des Hafens überſtiegen und hatten das Steuer an. Die Brücke war erreicht. Mit furchtbarem Geräusch verschwand die bewegten Wogen die Holzstöße erdie „schöne Nivernaiſerin “ unter dem Joch | griffen. Eine mit Mühlsteinen beladene Barke bogen. Die auf der Brücke angesammelte
Eine bange Stunde .
Benjamin Dautier.
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Menschenmenge konnte sehen, wie der Matrose mit dem Stelzbein mit dem Bootsbaten fehlte und platt auf den Bauch fiel, hrend der Knabe am Steuer schrie : „Einen Hafen ! einen Haken !“ Jcht war die "schöne Nivernaiſerin“ mitten unter der Brücke. Ganz erstaunt var Vittor, daß er Zeit fand, die in die Steinquadern der Pfeiler gehauenen unscheuren Wappen , die Fugen der Wölna über seinemHaupte und weiterhin die Kite der anderen Brücken zu betrachten. Das Schiff stand. Brückenleuten, die die Gefahr erkannt, war es gelungen, einen Haken in die BordHeidung zu werfen. Viktor sicherte bebend das Tau und, einem neuen Impulse elaend, näherte sich das Schiff mit der Stsmannschaft , den Kindern und dem fzehnjährigen Kapitän langsam dem Rai von Tournelle. Ah, welche Freude am Abend , sich Me um die dampfende Mahlzeit in der diskoje wiederzufinden , ohne Sorge über, daß die schöne Nivernaijerin " , die uf das sicherste verankert und angekettet , it abermals befreien könne. Der kleine Held hatte den Ehrenplay, ser. Hapitänsplatz , inne. Der Appetit war ith nach dem schrecklichen Vorkommnis am ergen nicht sehr groß, doch war das Lage Herz leicht geworden , man atmete Louveau und seine Frau blinzelten über den Tisch zu mehreren Malen verisinnig zu. Die Blicke schienen zu n: Wie wär's geworden, wenn wir ihn am Kommisar zurückgeschickt hätten? Mit zärtlichem Blicke überschaute Vater ruveau sein wieder vollzähliges Völkchen no lachte mit dem ganzen Gesichte. So groß war die Freude, daß man att meinen können, es wäre ein großes Glad hier eingekehrt , ein neues Schiff then, das große Los gewonnen . Der brave Seemann schlug Viktor mit ingern halb tot, eine Art, ihm seine tlichkeit zu bezeugen . Welches EinPrachtkerl, der Viktor ! Stonern ! Hast du es gesehen, Schiffsannidaft? Ich selbst hätte es nicht Her machen können , he , he , ich , der ariten!"
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Viktor las : " Büreau des Polizeikommissars . 12. Bezirk. Herr Louveau (Franz), Schiffspatron, wird hiermit aufgefordert, sich schleunigst in dem Büreau des Polizeikommissars einzufinden." „Ist das alles ?” "Ja, alles. " "! Was mag man von mir wollen ?" Louveau kam den ganzen Tag über nicht nach Hause. Als er abends zurückkehrte , merkte man nichts mehr von seinem sonstigen heiteren Wesen, vielmehr war er mürrisch, finster und verſchloſſen. Mutter Louveau wußte nicht, was sie dazu sagen sollte, und fragte ihn endlich, die Kleine spielte gerade auf dem Deck : " Was ist dir denn passiert ?" " Ich habe Kummer. " "Wegen der Holzlieferung ?“ „ Nein , Viktors wegen , " und er erzählte seinen Besuch beim Kommiſſar. Du kennst die Frau, die ihn verlassen hat ?" „ Die war nicht seine Mutter. " "„/ Wirklich ?" Sie hatte ihn gestohlen. " „Wie hat man das erfahren ? “ „ Sie selbst hat es auf dem Sterbebette dem Kommiſſar gestanden." „Hat man dir den Namen der Eltern mitgeteilt ?" Louveau bebte am ganzen Leibe. " Warum sollte man ihn mir sagen ? " "! Weil man dich kommen ließ.“ Franz wurde verstimmt. „Wenn ich ihn wüßte, würde ich ihn dir sicher sagen." Mit vor Zorn gerötetem Gesicht ging er fort und schlug die Thür hinter sich zu . Mutter Louveau blieb bestürzt zurück. "1 Was mag er nur haben ?“ Ja, was er hatte. Als man an diesem Tage abfuhr, kannte man ihn kaum wieder. Er aß nicht, schlief unruhig und sprach im Traume. Er verantwortete sich sogar gegen seine Frau , zankte mit der Schiffsmann| schaft, fuhr alle an und Viktor nicht zum wenigſten. Wenn die Mutter ihn erstaunt fragte, was er vorhätte , antwortete er barsch : Vierzehn Tage lang stieß er solche „ Nichts habe ich ; was wollt ihr nur usrafe aus , lief auf die Kais und von mir ? Scheint alle verschworen gegen blte jedermann von Viktors That. mich zu sein." Hören Sie zu! Das Schiff lag schon Schließlich kam die arme Frau zu dem if der Seite. Da er Ruck!" und Gedanken : „ Er wird wirklich noch verrückt. " it einer Handbewegung ahmte er den und als er eines Abends , als das Gespräch toß nach . auf Maugendre gekommen war , sich wie Allmählich sank die Seine und damit ein Rasender gebärdete , hielt sie ihn für idt der Tag der Abreise heran. vollständig wahnsinnig. Eines Tages , als Vater Louveau und Man war am Ziele der Reise , kam attor damit beschäftigt waren , das ein in Clamecy an ; Viktor und Klara plauder rungene Waſſer aus dem Schiffe zu ten vergnügt von der Schule , und eben pen , überbrachte der Postbote einen hatte der Knabe geäußert , er freue sich, nef , der ein Siegel mit dem Stadt Maugendre wiederzusehen , als Vater Gian trung . Louveau auffuhr : „Höre mir von Mau2. Seemann erbrach das Siegel, gendre auf, ich will nichts mit ihm zu türlich mit der Hand ein wenig thun haben." ttend, und da er nicht viel besser lesen " Was hat er dir denn gethan ? " kam schnen konnte, sagte er zu Viktor : die Mutter dazwischen. stabiere du mir das !" Er hat mir gethan-- hat mir ge× II
147 than ---- das geht dich nichts an, was er mir gethan hat ; ich bin der Herr ! " In der That, er spielte jegt so gut den Herrn, daß er es fertig brachte, statt wie gewöhnlich in Corbigny vor Anker zu gehen, noch zwei Meilen höher vor einem dichten Walde anzulegen. Er erklärte , daß Maugendre sie nur beim Handel zu übervorteilen gedächte, er könne mit anderen Käufern beſſere Geschäfte machen. In die Schule zu gehen, daran konnten Viktor und Klara bei der großen Entfernung nicht denken. Den ganzen Tag über trieben sie sich herum und machten sich aus den in Menge vorhandenen Weidenruten Flöten. Waren sie ermüdet, warfen sie sich in die Wiesenblumen aufs Gras ; Viktor zog ein Buch aus der Tasche und Klara las daraus vor. Mit wahrhaftem Entzücken sahen sie der untergehenden Sonne nach , deren Strahlen zwischen dem Grün der Bäume durchdrangen und zitternde Lichter auf sie warfen, die ihnen das Haar vergoldeten ; um sie das Summen von Tausenden von Käfern, in der Ferne die tiefe Stille des Waldes. Da fühlten sie sich so wohl, so überaus glücklich , daß sie oft den Heimweg vergaßen und eilen mußten, um nicht zu spät nach Hause zu kommen. Dann ging's im raschen Tempo den bekannten Waldweg entlang , über den die hohen Fichten ihre Schatten warfen , und nicht eher mäßigten sie ihren Schritt , bis sie in einiger Entfernung vor sich den Mast der „schönen Nivernaijerin " und in dem leichten, über dem Flusse lagernden Nebel einen Da, schwachen Feuerschein erblickten. wußten sie, war Mutter Louveau, welche im Freien über einem Reisigfeuer die Abendmahlzeit bereitete , ihr zur Seite Mimile, ganz zerzaust, gleich einem alten Federfittig, und die kleine Schwester , die sich auf der Erde herumkollerte. Louveau und die Schiffsmannschaft rauchten gemächlich ihre Pfeife. Eines Abends um die Essenszeit sahen sie jemand aus dem Holze treten und auf ihr Schiff zukommen . „Sieh da, Maugendre!" Es war der Zimmermann , dem man auf den ersten Blick ansah, daß er sehr gealtert, sehr weiß geworden war ; in der Hand trug er einen Stock als Stüße ; sein Sprechen klang beklemmt. Er kam auf Louveau zu und reichte ihm die Hand. ,,Du hast mich verlassen, Franz ; warum das ?" Der Seemann stammelte eine ganz verwirrte Antwort. Laß nur gut sein ; ich will nichts von dir !" Er sprach das mit so mattem Ausdruck , daß Mutter Louveau davon ganz gerührt wurde ; und ohne die schlechte Laune ihres Gatten im geringsten zu berücksichtigen, nötigte sie ihn, sich zu setzen. „Sie sind doch nicht krank, Herr Maugendre ?“ 7
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,,Doch, ich habe mich stark erkältet, " | Anschein nach hatte er eben seine Mahlkam es langsam und leise von seinen zeit beendet und schlummerte ein wenig, Lippen ; er erzählte dann , daß er seine den Kopf etwas nach vorn über sein Gebetbisherige Wohnstätte verlassen , um in buch geneigt. Durch Louveaus Eintritt Hinter-Nièvre von seinen Renten zu leben. erweckt, schloß er, nachdem er die Seite „Ich kann sagen, ich bin reich, habe angemerkt , das Gebetbuch und lud den viel Geld, aber was nügt das mir ; mein Seemann , der fortwährend seine Müße verlorenes Glück kann ich nicht wieder zwischen den Händen drehte, ein, Plaz zu erkaufen. " nehmen. Mit gerunzelter Stirn hörte Franz zu, ,,Da sind Sie ja, Franz, was wollen und Maugendre fuhr fort: „ Meine Ein- Sie denn von mir ?" samkeit verspüre ich mit jedem Tage Er wolle Rat suchen, wie er sagte, und schrecklicher ; je älter ich werde , je mehr bat, seine Geschichte erzählen zu dürfen. leide ich darunter. Früher zerstreute mich „ Sie wissen , Herr Pfarrer , ich bin die Arbeit noch, aber seitdem ich dazu die nicht sehr klug , ich bin kein Genie' , he, Kraft nicht mehr habe, finde ich an nichts he ! sagt meine Frau , " und nach dieser Gefallen mehr. " Vorrede trug er seine Angelegenheit in Unwillkürlich fiel sein Blick auf die einem Atem und beständig seine Müße Kinder; eben kamen Viktor und Klara betrachtend vor. mit einem Bündel grüner Weidenzweige Sie erinnern sich wohl, Herr Pfarrer, zurück. Kaum hatten sie Maugendre be- daß Maugendre Ihnen mitteilte, er wäre merkt , da warfen sie ihre Last ab und Witwer. Vor fünfzehn Jahren nämlich eilten auf ihn zu. war seine Frau nach Paris gegangen, um Freundlich empfing er sie, wie immer, eine Stelle zu suchen . Wie es Brauch und sprach zu Louveau , der immer noch ist, hatte sie ihr Kind dem Arzte gezeigt, verdrießlich vor sich hinstarrte : „ Wie glück und es dann einer Ammenbesorgerin anlich bist du doch, daß du Kinder hast ; ich | vertraut. “ Der Pfarrer unterbrach ihn. !! Was habe keins , " und ein tiefer Seufzer entfuhr ihm . Dann erhob er sich. „ Adieu, Viktor, ist das , eine Ammenbesorgerin?" sei immer fleißig und deinen Eltern geDas ist eine Frau , Herr Pfarrer, horsam ! " dabei legte er ihm die Hand welche man beauftragt, neugeborene Kinder auf die Schulter und sah ihn lange an. zu Ammen in der Provinz zu bringen. " Wenn ich ein Kind hätte, denke ich mir, Solche Kinder werden von diesen Frauen würde es wie Viktor aussehen." in Menge in einem Korbe wie kleine Louveau zog das Gesicht in zornige Kazen, die ertränkt werden sollen , hinFalten, als wollte er sagen : ,,Mache, daß geführt. " du fortkommst !" „ Das ist ja ein drolliges Geschäft ! " Und doch , als der Zimmermann sich „Es befassen sich aber ganz ehrbare zum Gehen anschickte, kam es wie ein Leute damit, Herr Pfarrer, aber Mutter Anflug von Mitleid über ihn , daß er Maugendre war auf eine Frau gefallen, nicht unterlassen konnte , zu sagen : „Iß die niemand bekannt war, auf ein böses doch einen Teller Suppe mit uns." Weib, das Kinder zu erhaschen suchte, um Wie gegen seinen Willen war es ihm sie an Tagediebe zu vermieten , die sie, über die Lippen gekommen und in einem um Mitleid zu erregen, auf ihren Bettel Tone, der nicht gerade einladend war. gängen mitnahmen. " Kopfschüttelnd antwortete der Alte : Was muß ich hören !" " Danke, ich habe keinen Hunger. Sieh, Die reine Wahrheit, Herr Pfarrer ; wenn man so traurig gestimmt ist , wird diese Schurkin von Frau hat Scharen von es einem schwer, anderer Glück mit anzu- Kindern an sich gebracht, unter ihnen auch sehen," und auf seinen Stock gestüßt, ent- das Maugendres . Bis zu seinem vierten fernte er sich. Jahre behielt sie es bei sich, um ihm das Den ganzen Abend sprach Louveau Betteln beizubringen. Da es sich aber kein Wort mehr. Während der ganzen als Sohn eines braven Mannes stets Nacht wanderte er ruhelos auf dem Deck weigerte, die Hand auszustrecken , verließ umher und am Morgen ging er fort, sie es eines schönen Tages auf der Straße, ohne jemand etwas davon zu sagen. wodurch es seinem Schicksale überlassen Er begab sich zu dem Pfarrer. war. Vor einem halben Jahre jedoch, als Das Pfarrhaus lag neben der Kirche ; sie in einem Hospitale im Sterben lag, es war ein großes , einfaches Gebäude, wurde sie von Gewissensbissen gepeinigt. vorn mit einem Hofe , hinten mit einem Was das sagen will, Herr Pfarrer, weiß Gemüsegarten . ich aus Erfahrung , das macht HöllenVor dem Eingange scharrten Hühner qualen, " und als wolle er den Himmel zum und suchten sich ihre Nahrung ; nicht weit Zeugen dafür anrufen , daß seine Worte davon weidete eine angebundene Kuh. Wahrheit seien, richtete der arme Mensch Louveau, der sein Herz durch den Ent seine Augen gegen die Zimmerdecke. schluß , den er gefaßt hatte , erleichtert !! Schließlich hat sie den Kommissar komfühlte, öffnete mit einem schwachen Seufzer men lassen , hat ihm den Namen des das Gitterthor, sich dabei ſagend, daß er, Kindes genannt , und dieser hat ihn mir wenn er wieder heraustrete , von seinem wiedergesagt. Er ist — Viktor. " Kummer befreit sein würde. Dem Pfarrer entfiel das Gebetbuch. Er fand den Herrn Pfarrer in der „ Viktor wäre Maugendres Sohn ?" „So ist es. " Kühle seines Speisezimmers sigend ; allem
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Der Geistliche konnte kein verſtändlic Wort hervorbringen, so betroffen war e er stotterte etwas wie : Armes Kind, Fina Gottes . Er erhob sich , ging einiger im Zimmer auf und ab, stürzte ein G Wasser hinunter und blieb schließlich , Hände in seinen Gürtel gesteckt, vor Lo veau stehen. Er schien über ein Schrif wort nachzuſinnen, das er an das Eri nis anknüpfen könne, da ihm aber fo solches einfallen wollte , sagte er einfa , Man muß das Kind natürlich seine Bater wiedergeben . " ,,Das ist ja gerade mein Kumme Herr Pfarrer. Sechs Monate lang ha ich ihn bei mir getragen , ohne jemas etwas darüber zu sagen , selbst mein Frau nicht. Um des Kindes willen ha wir uns so viel Entbehrungen auferled so viel Elend durchgemacht , daß ich ni weiß , wie ich es fertig bringen würd mich von ihm zu trennen." Louveau sagte die Wahrheit, und m mußte den armen Franz nicht weniger mitleiden als den beklagenswerten Ma gendre. Das empfand auch der He Pfarrer, der, nicht wissend wie er Louve trösten könne, mit erhobenem Antlige u Erleuchtung von oben flehte ; endlich, ob daran zu denken, daß Louveau gekomme war, sich von ihm Rat zu erbitten, spra er mit erstickter Stimme : Ja , Fran was ist da zu machen ; was würden an meiner Stelle thun ?" "Ich glaube doch , daß Maugent Viktor wieder haben muß , Herr Pfarr An dem Tage , an welchem Maugent unvermutet zu uns kam , ist mir das recht zum Bewußtsein gekommen. innersten Herzen that es mir weh, ihn alt , so gebrechlich , so niedergedrückt sehen. Ich kam mir vor, als hätte ich beraubt , war beschämt wie ein ertappi Dieb. Da konnte ich mein Geheim nicht mehr länger bei mir behalten , mußte es Ihnen offenbaren. " !! Und das haben Sie recht gem Louveau , " entgegnete der Pfarrer , fr darüber, daß ihm dieser selbst seine It nung von Viktor vorschlug . " Einen Feb gut zu machen , ist es niemals zu je Ich werde Sie zu Maugendre begleite gestehen Sie ihm alles . “ Morgen, Herr Pfarrer. " „ Nein, Franz, sofort, “ und den Sch des armen Tropfs erkennend, der konra sivisch seine Mühe drehte, fügte er bitte hinzu : „Ich bitte Sie darum , Louve da wir doch einmal entschieden haben. V.
Maugendres Stolz. Ein Sohn ! Maugendre hat einen Sohn! Im Eisenbahnzuge , der mit rasens Geschwindigkeit Nevers zueilt, fißt er gegenüber und läßt ihn nicht aus den Augs Ohne auch nur ein Dankeswort sagen, hat der Alte seinen Sohn an gerafft und sich gleich einem Bauer dem großen Lose mit ihm davongemed
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151Nicht länger wollte er sein Kind seinem bisherigen Schicksale überlassen , dazu hat er es zu lieb , nicht minder lieb als sein Geld; auch will er es für sich allein haben. Was gehen ihn andere an? Vor Maugendres Ohren summt und brummt es unaufhörlich ; ſein Kopf glüht wie das Kohlenfeuer der Lokomotive des Schnellzuges, der ihn davonträgt. Doch schneller, als ein Dampfroß es zu ſein vermag , ſchneller als der schnellste Eil zug sind seine Gedanken ; sie durchfliegen die Tage, Monate, Jahre und weilen bei dem zwanzigjährigen Viktor, der, bis zum Zerspringen mit Geld vollgepfropft , ein dunkelgrünes Kleid trägt, bei dem Schüler der Forstakademie mit dem Degen an der Seite und dem Klemmer auf der Nase, in einerUniform, wieſie die Studenten tragen, mit Treffen und Goldborten beſeßt. Man kann das ja bezahlen. Da werden die Herren den Hut vor ihm ziehen und die jungen Damen bis über die Ohren in ihn verliebt sein , und etwas beiseite wird ein Alter mit schwieligen Händen ſtchen und ſagen: „ Das ist mein Sohn. " „ Seht, mein Sohn . “ er träumt Und 17 mein Sohn" ob auch von Barett und gol benfalls Es wird ihm schwer, denem Lorgnon ? die Thränen zurückzuhalten . Es war alles so ploglich gekommen. Noch brennt ihm Alaras Kuß auf der Wange, sieht er, wie Bater Louveau sich abwendet, das bleiche Gesicht von Mutter Louveau, und Mimile ihm , um ihn zu trösten, ihren Suppennapf bringen. Er denkt an alle.
Wie wird es bei ihnen ohne ihn sein ! Wie wird er ohne sie leben können ! Der kunftige Forstakademiker ist so geistesabwesend, daß er seinem Vater auf dessen Fra gen nicht anders zu antworten weiß als : Ja, Herr Maugendre." Und der kleine Seemann von der „ schönen Nivernaiſerin " ist noch nicht am Ende seiner Trübsale. Es iſt nicht ſo leicht, ein „Herr“ u werden ; das kostet nicht allein Geld, uch Mühe und Entbehrungen. Noch ist Viktor in solche Gedanken versunken, als der Zug mit schrillem Pfeifen ber die Flußbrücke in die Vorstadt Nevers injährt. Die engen Straßen mit den gedrückten Fenstern, an denen statt der Vorhänge Lumpenfeßen herunterhängen, kom nen ihm so bekannt vor ; es ist ihm, als nüßte er das schon irgendwo vor langer Zeit einmal gesehen haben. Jezt haben sie das Pflaster unter den Füßen. Um sie kreiſt und lärmt das Bahnofsgewühl, das Durcheinander von mit Heväck belasteten Männern und Frauen, as Rollen der Droschken und schwerfälligen Eisenbahnomnibuſſe, die von mit Taſchen ind Plaids bepackten Reiſenden im Sturm enommen werden. Viktor und sein Vater verlaſſen mittels Croschke den Bahnhof. Der Zimmermann n seiner Gedankenrichtung : Viktor muß eu eingekleidet werden, beharrend, führt einen Sohn geradewegs zu dem Akaemieschneider. Beim Eintritt in den eleanten Laden öffnen ihnen neugekleidete
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| Herren, die denen auf den an den Wänden | der „ schönen Nivernaiſerin “ , die wieSonnenaufgehängten kolorierten Kupfern gleichen , blicke in dem Dunkel seines Lebens sind, mit einem etwas herablassenden Lächeln und das ist sicherlich die Ursache davon, die Thür, und ehe Maugendre sein Be- daß der Präzeptor zu seinem Erstaunen gehren kundgethan, legen ſie ihm das neueste auf allen Buchseiten Maugendres ZeichBlatt der Modes illustrées vor , welches nungen von Schiffen findet, und mit harteinen rauchenden Gymnaſiaſten in Gesell- nädigem Eigensinn immer wieder dasselbe schaft einer Amazone , eines Gentlemans Fahrzeug, bald auf den schmalen Seitenim Jagdkostüm und einer Braut in weißem rändern , wie in einen Kanal einlaufend, Seidenkleide darstellt. Der Schneider ist bald mitten im Lehrsaße und den geomegerade mit einem eleganten Waffenrock- trischen Figuren im Sturme scheiternd, bald muster mit karierten Schößen und goldenen auf den Meeren der Landkarte mit vollen Knöpfen beschäftigt ; er legt es dem Zimmer- Segeln einherfahrend, dargestellt. mann vor, und mit vor freudigem Stolze Der Direktor , dem man über dieſen strahlenden Augen ruft dieser : Darin sonderbaren Burschen immer und immer wirst du wie ein Militär aussehen . “ Ein wieder eingehend berichtet hatte. ließ endein Zentimetermaß um den Hals tragen- lich Vater Maugendre kommen , der ganz der Herr in Hemdsärmeln nähert sich dar- erstaunt war , das von seinem Sohne zu auf Viktor und nimmt ihm Maß. Bei hören. dieser Verrichtung kommt dem zukünftigen Er ist doch ein so ruhiger Junge. " " Starrköpfig und eigensinnig wie ein Forstakademiker unwillkürlich der Gedanke an Vater Louveau, wie dieſer ihm hat auch | Esel. “ " So begabt. " Maß nehmen wollen, und an die Erregtheit Nichts begreift er. “ seiner gescheiten Frau über Louveaus ThorDarum ist es jedermann unerklärlich, heit. Alles, was er verlaſſen , tritt ihm wieder vor die Seele, und seine Augen | daß er mitten im Walde bei so kurzem füllen sich mit Thränen. Schulbesuch hat lesen lernen können und Vor den großen Wandspiegel tretend, nicht auch ebensogut unter der Zucht erkennt Viktor in dem sich ihm darbieten eines gelehrten Magisters die Mathematik den Bilde eines stattlichen Jünglings im verstehen lernt. Vater Maugendre war ganz verzweifelt. Uniformanzuge den Schiffsjungen von der schönen Nivernaiserin" nicht wieder, und Seine Vorstellung von dem Förster schien als er den Schneider seine alte Bluse wie schnell zu erblaſſen. Er wurde aufgebracht, ein Bündel Lumpen mit dem Fuße ver- dann flehte er wieder, machte allerlei Verächtlich unter den Arbeitstisch schieben sieht, sprechungen. ist es ihm , als habe er nun mit seiner „Willst du Privatſtunden , beſondere Vergangenheit abgeschlossen, als solle ihm Lehrer? Ich will alles anwenden." Viktor blieb. auch die Erinnerung daran geraubt werden. Doch blieb er ein schlechter Schüler, ,,Die bedenklichen Folgen Ihrer ersten Erziehung müssen mit aller Energie be was die Quartalzeugnisse schonungslos seitigt werden," sagte der Anstaltsdirektor bestätigten. streng bei Viktors Aufnahme, und um dem Er selbst glaubte an seine Unfähigkeit. Zöglinge diese Umwandlung zu erleichtern, Täglich mehr verſank er in ſein dumpfes bestimmte man, daß er nur an jedem ersten Brüten. Was würden Klara und die andern Sonntage im Monat die Schule einmal verlaſſen dürfe. sagen, wenn sie ihn in einem solchen ZuO , wie er am ersten Abend in einem stande sähen . Wenn sie doch kommen Winkel des kalten und finsteren Schlaf- würden und ihn aus diesem Kerker be | faales weint und schluchzt , während die freiten ; wie gern wollte er mit einem Stücke übrigen Zöglinge laut schnarchen und der trockenen Brotes vorlieb nehmen. Aufseher beim trüben Schein der NachtUnd sie leiden in der That Not. Immer lampe einen Roman verschlingt . Wie sehr schlechter gehen die Geschäfte , immer geer in den Erholungsstunden leidet, während brechlicher wird das Schiff. Viktor weiß seine Kameraden ihn hänseln und necken. das aus Klaras Briefen , welche er von Wie traurig er im Unterricht auf sein Zeit zu Zeit mit einem von dem Direktor, | Pult niederblickt, zitternd vor den Zorn dem diese heimliche Korrespondenz nicht ausbrüchen des Magisters , der von Zeit gefällt, ärgerlich mit rotem Stift gefrigelten zu Zeit heftig auf das Katheder klopft ,vidi " von ihr erhält. „Ach ! wenn du doch bei uns wärst, “ und dabei stets wiederholt : „ Ein wenig Ruhe, meine Herren !" sagen Klaras immer gleich zärtliche , aber Diese keifende Stimme rührt in Vik auch immer betrübter geschriebene Briefe, tors Innern die ganze Fülle der schreck- ,,wenn du doch bei uns wärst ! Es ist, lichen Erinnerungen wieder auf und ver- als hätte uns mit dir auch unser Glück giftet ihm damit die Lebensluft. Die trüben verlaſſen, und ich glaube, daß alles wieder Tage der ersten Kindheit treten wieder leb- gut würde, wenn du wiederkämſt. “ Nun wohl , Viktor wird auch alles haft vor seine Seele ; die schmutzige Wohnung der Templevorstadt, die Prügel, die wieder gut machen — wird ein neues Schiff er täglich bekommen , das ewige Zanken . erwerben wird Klara glücklich machen Alles , was er schon vergessen zu haben den Handel wird er in Schwung bringen wird beweisen , daß man seine Liebe glaubte, taucht wieder auf in ihm . Um davon abzukommen, zwingt er sich an keinen Undankbaren verschwendet hat ; andere Vorstellungen auf, von Klara, von doch um das alles zu können, ist es nötig,
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ein thatkräftiger Mann zu werden ; zu er- | nur Viktor erhalten bleibt. Er wirft sich schönen Nivernaiſerin “ , von Klara, vo werben , muß man etwas gelernt haben. über Viktors Bett. Der starke Baum neuen Schiffe und was weiß ich no Mögen ihn die Kameraden necken, möge ist bis auf den Kern zerspalten, Maugen- alles . Dann erinnerte ich mich an deine Brief, an den Brief von Klara, den man d der Magister noch so heftig auf sein Pult dres Herz weich geworden. " Werde nurwieder gesund, mein Junge, aus den Händen genommen und ihn m schlagen und gleicheinem Papagei immer wie: derholen : " Meine Herren, ein wenig Ruhe “ : du sollst reiſen, ſollſt zu ihnen zurückkehren, gegeben und an den ich in der Aufregun Viktor wird nichtmehr duckmäuserig dasigen, wieder fahren, und das ist auch für mich gar nicht mehr gedacht hatte. Ich zie auch keine Schiffe mehr zeichnen; er wird gut , da ich dich doch dann öfter sehen ihn aus der Tasche, lese ihn, schlage mi arbeiten. fann." nun arbeiten mit der Hand vor den Kopf, mir ſagen !! Ein Brieffür den SchülerMaugendre. " Die Ferien sind gekommen ; nicht läutet daß ich über meinen Kummer nicht d „ Ah, " denkt er, „ das ist Klaras Weihe die Glocke mehr zu den Arbeits- und Er- Not meiner Freunde zu vergessen brand zu meinem Entschluß; sie will mir Mut holungsstunden, zum Mittag- und Abend und schreibe an sie , erhalte aber ten machen , im Hinblick auf die dereinstige eſſen, der Lehrsaal ist verödet , die Zög- Antwort. Da mache ich mich eines Tage Freiheit." linge weilen in der Freiheit . wo es mit dir besser ging, auf und ho Viktor neigt sich über sein Pult, um In dieser stillen Zeit wird der Kranke | ſie in mein Haus , wo sie auch jezt we nen und so lange wohnen werden , b die Adresse zu küssen, die sauber geschriebene, nach Hause gebracht. doch mit zitternder Hand , wahrscheinlich Ganz überrascht, sich in einem weißen ihre Sache geordnet ist. Nicht wah von der Schiffsschwankung hervorgerufen. Bett mit behagliche Dämmerung um ihn Louveau?" Allen stehen die Thränen in den Auge Doch nein, nicht daher rührt die Unsicher verbreitenden Vorhängen zu finden, schaut heit der Schriftzüge. Es ist vorbei, er um sich. Ihn gelüftet es , sich aufzu- und troß der Warnungen des Doktors zie meinteurer Viktor ; die,schöne Nivernaiſerin richten und umzusehen, wo er sich befinde, Viktor die Arme unter der Decke here wird nicht mehr fahren ; sie ist ruiniert, die Vorhänge beiseite zu schieben, doch hat und schlingt sie um seinen Vater. Mas und wir sind es mit ihr . Man hat ein Schilder, obwohl er sich wie neu belebt fühlt, gendre fühlt , was er noch nie hat er pfinden können , den Kuß eines zärtlia darangehängt mit der Aufschrift : Auf nicht die Kraft dazu. Abbruch zu verkaufen' ; Leute sind gekomWas ist das ? Flüsternde Stimmen Kindes auf seinen Lippen. men , die alles tariert , alles numeriert und ein leises Gehen wie auf Fußspißen, Am folgenden Tage eröffnet Mar haben, von dem Bootshaken bis zur Wiege und dann noch ein ihm sehr bekannt vor gendre seinen Hausgenossen , daß er na der kleinen Schwester . Ich glaube , man kommendes Geräusch, wie von dem Kehren Clamecy reisen werde , um für Louver will uns alles nehmen und verkaufen. Was mit einem Besen herrührend. Wo war bei Bekannten, die eine große Holzlieferun soll aus uns werden ? Die Mutter wird doch das ? War es nicht auf dem Deck der übernommen, Beschäftigung zu suchen un vor Kummer sterben und der Vater macht schönen Nivernaiserin" ? Natürlich, das ist die einen so tüchtigen Seemann sicher m " mir bange Und seine ganze Kraft zusammen offenen Armen aufnehmen würden. Klas Weiter las Viktor nicht ; die Wörter nehmend , ruft der Kranke mit schwacher möge solange bei Viktor bleiben, ihn unte tanzten ihm vor den Augen ; sein Kopf Stimme, die ihm freilich sehr laut scheint : halten und dadurch die bitteren Arznen versüßen. Mutter Louveau würde we glühte, in seinen Ohren summte es unauf "! Heda! Schiffsmannschaft, heda ! " hörlich. An das Studium dachte er nicht Da schieben sich die Vorhänge beiseite, die Wirtschaft führen und Franz den S mehrer fing an zu delirieren. Er wähnte und von der auf ihn hereinströmenden des von ihm übernommenen Gebäudes sich auf dem Schiff mitten auf der Seine, Lichtfülle halb geblendet, gewahrt er alle der Grande Straße beaufsichtigen. Bald kann Viktor das Bett verlaſic wollte hinabtauchen in den Fluß, um seine die teuren Seinen, die er in seinen PhanIn einem Fauteuil sisend, rollt ihn Kit Stirne zu fühlen. Dann war es ihm, als tasien so oft gerufen hatte. höre er den Ton einer Glocke, wohl von Alle ! Klara, Maugendre, Vater Lou ans Fenster und plaudert mit ihm , o einem Bugsierer herrührend, der im Nebel veau, Mutter Louveau, Mimile, die kleine ganz allein. Klara, weißt du noch, wenn ich a vorbeifuhr ; dann wieder war's wie das Schwester und der alte abgebrühte , wie Brausen des Hochwassers , daß er rief : sein Hafen magere Reiher , der mit dem Steuer saß und du mit dem Strickzeug „ Die Flut, die Flut, " und ein Schauder ganzen Gesichte lacht. Alle strecken ihre der Hand an meiner Seite warst?" ergriff ihn. Hände aus , neigen sich über ihn , küſſen Errötend schlägt Klara die Augen mi Auch den Inspektor mit seinen langen ihn, drücken ihm die Hände , überstürzen der, und beide sind eine Weile stumm v Haaren sah er in seinen Visionen und sich mit Fragen – und er : „ Wo bin ich? Glück. hörte ihn sagen: "! Sie sind frank , Mau- Woher kommt ihr ?" Er ist nicht mehr der kleine Burd gendre. " Doch der Herr Doktor hatte streng mit der roten Müße, deſſen Füße, wenn Ja, Maugendre ist sehr krank. Frei Schonung befohlen, und der Alte mit dem auf dem Bettrande saß, nicht den Bed berührten , und sie gleicht einer eben # lich schüttelt der Herr Doktor, als ihn der grauen Haar spaßte nicht dabei. arme Vater, der ihn aus der Krankenſtube Man steckt dem Genesenden die Arme Jungfrau erblühenden Mädchenknospe. „Komm recht früh, Klara, und weit hinausgeleitet, mit vor Bangigkeit zittern unter die Decke, und um ihn am Sprechen der Stimme fragt : „ Nicht wahr, er wird zu hindern, läßt Maugendre ihn nicht zu solange du kannst ," wiederholt er jede nicht sterben ?" sein ergrautes Haupt, doch Worte kommen. mal, wenn Klara ihn verläßt. ,,Denke dir nur , schon sechs Wochen Wie schön muß es aber auch für merkt man es ihm an , daß er über den Zustand des Kranken nicht beruhigt ist . liegst du krank. Ich war gerade bei dem sein, so bei einander am Fenster hinter d Von dem grünen Rocke ist keine Rede Direktor , um mich bei ihm über dich zu Vorhängen zu ſizen, miteinander zu spei mehr, nur wieder gesund werden, ist jetzt erkundigen . Zu meiner großen Freude zu plaudern , sich der ersten Kindheit der einzige Wunsch. teilte er mir mit, daß du jezt arbeitetest erinnern , wo sie auf dem Bettrande „Wenn er davonkäme, " hat der Doktor wie ein Tagelöhner und sichtlich Fortschritte demselben Löffel ihre Brotsuppe aßen. A gesagt, müßte er sofort aus der Anstalt machest. Ich hatte soeben darum gebeten, diese Kindheitserinnerungen ! Sie gen entlassen werden. " dich einmal sprechen zu können, da stürzt von dem einen auf das andere zurück, Ja, wenn er davonkäme ! ganz außer sich der Inspektor herein und daß man immer Neues zu erzählen we Der Gedanke , sein eben wiedergefun- stammelt , du habest ganz plötzlich einen Ein Paar achtzigjährige Eheleute dent denes Kind schon zu verlieren, dieser Ge- Fieberanfall bekommen; ich eile zu dir, nicht mehr als die beiden in der Kranic danke läßt alle ehrgeizigen Wünsche des doch du erkennst mich nicht , hast Augen stube an die Vergangenheit. Kommt es ihnen aber denn nicht weich gewordenen Vaters vergessen. Gern wie Feuerflammen und phantaſierſt ſtark. will er auf die Verwirklichung seiner Träume Mein armer Junge , du bist sehr krank den Sinn, auch an die Zukunft zu denke Ach, sie denken wohl daran, wenn sie a verzichten, den Schüler der Forstakademie gewesen. Keine Minute habe ich dich vermit eigenen Händen begraben, wenn ihm laſſen, fortwährend ſprachst du von der nicht davon reden. Das iſt ja aber au
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Der Sänger der „bezauberten Rose". 158
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nicht von nöten. Ein Händedruck, ein leises worten : „ Du denkst wohl nicht mehr an Der Sänger Erröten find deutlicher als Worte, und in meine alte Schuld , hast wohl ganz verder bezauberten Rose". dieser Sprache reden sie den ganzen Tag, gessen, was dich Viktor gekostet hat. Sei woher es auch wohl kommt , daß sie oft ruhig, Franz, ich bleibe immer noch dein Von " so schweigſam sind und daß ihnen die Schuldner.' Dr. R. Lange. Und mit Thränen in den Augen fallen Tage so schnell dahinfließen und ihnen unvermerkt ein Monat verstrichen ist. sie sich in die Arme und halten sich um Viktor kann wieder hinaus. schlungen wie Brüder. Seit Kaiser Wilhelm I. in der stillen CharDa , wie Maugendre es gewünscht . lottenburger Gruft den Todesschlaf ſchläft, Zu dieser Zeit fehrt Vater Maugendre von seiner Reise zurück . Er findet alle bei naht ein Zug aus dem Walde mit dem um auszuruhen von den Thaten eines wunderbar einander. Sogleich fragte ihn der arme Herrn Pfarrer und einem Musikkorps an reichen, Heil und Segen in Fülle spendenden Lebens , ist der 22. März , der Tag, an dem einſt Louveau gespannt: " Nun, kann man mich der Spiße. das ganze deutsche Volk sein 29 Macte senex da unten gebrauchen ?“ Ganz Clamecy in Prozession ist geimperator " dem Vielgeliebten zujubelte , ein Maugendre kann ein schmunzelndes kommen, um dem Feste der Schiffsweihe Tag der stillen Wehmut und schmerzlicher Er Lächeln nicht unterdrücken : „ Ob man dich beizuwohnen. innerung für uns Deutsche geworden . Er ist vor allem dem Andenken des Geschiedenen gehaben will, Alter ? Man gebrauchte einen Und das Banner fliegt im Winde. neuen Schiffspatron , und als ich ihnen Und die Musikspielt : Zim ! bum, bum ! weiht und soll und wird es bleiben . Dennoch mag es mir vergönnt sein, bei der diesjähriUnd alles jubelt. dich vorschlug, waren sie freudig einverſtanden.“ Und über dem allen lacht freundlich gen Wiederkehr dieses Tages den Leser auch des die Sonne, in deren Strahlen das Silber an einen andern Sohn unseres Vaterlan " Wer denn sie' ?" zu erinnern , deſſen Haupt freilich keine FürAber in seiner Freude fragt er nicht des Kreuzes und die Musikinstrumente stenkrone, wohl aber der Dichterlorbeer schmückte weiter, und ohne mehr erfahren zu haben, | funkeln. und der seinerzeit in demselben Kampfe mitmachen sich alle auf nach Clamecy . Ein schönes Fest! gefochten hat , in dem auch Kaiser Wilhelm Die Freude , als sie am Kanal an= Da verschwindet ein graues Segel vom als jugendlicher Prinz zuerst die Schrecken, kommen! Hinterteil des Schiffes und in goldenen aber auch die Ehren , die der Krieg bringt, Da , am Kai , ragt der Mast eines Lettern auf blauem Grunde erscheint der kennen lernte. Ich meine Ernst Schulze, den Dichter der „bezauberten Rose". Denn wenn vollständig neuen , prächtigen , von oben Name: „Die neue Nivernaiſerin “. Ein Hurra durchbrauft die Luft. Ein er auch nicht zu den größten und ruhmreichbis unten bewimpelten Schiffes aus der ſten Sängern Deutſchlands gehört , ſo vergrünen Flut. Hoch der „ neuen Nivernaiſerin “, daß sie dient doch auch er in der Erinnerung seines „D, das schöne Schiff ! " tönt es von so alt werden möge wie die alte , und Volkes weiter zu leben. Zwar ist er früh allen Lippen . in ihrem Alter glücklicher wie diese sein ins Grab gesunken, ehe er zur völligen Reife sich emporgerungen hatte, aber in der kurzen Louveau traut seinen Augen nicht ; möge. mit offenem Munde und so erregt , daß Indessen ist der Herr Pfarrer ans zeit, die ihm zu leben vergönnt war , hat er ihm die Ohrringe hin und her schwingen, Schiff herangetreten. Hinter ihm haben viel mehr Schönes und Treffliches geschaffen, ſteht er da. sich die Sänger und Musikanten gereiht . als die meisten ahnen. Ernst Konrad Friedrich Schulze wurde am „Das ist zu schön ! Ich würde es nie- Das Banner senkt sich. 22. März 1789 zu Celle als Sohn des dorti Benedicat Deus - " mals wagen, mit einem solchen Schiffe zu gen Bürgermeisters geboren. Er ward ein Paten sind Viktor und Klara. Der frischer, munterer, zu Zugendstreichen aller Art fahren ; das ist zu gut zum Schiffen. Man Sollte es unter eine Glasglocke seßen." Herr Pfarrer hat sie zu sich herantreten aufgelegter Knabe, dabei gutherzig und offen. Maugendre ist genötigt, ihn vorwärts lassen ; zitternd halten sie sich an der Hand ; Daß es ihm an Anlagen nicht fehlte, zeigte auf die Brücke zu schieben, von welcher ganz verwirrt stammeln sie die Worte nach, sich bald , aber von Ordnung und geregeltem die ihnen ein Chorknabe vorflüstert, wäh Fleiß mochte er damals nichts wissen. Er beihnen die Schiffsmannſchaft winkt. trachtete sich, da er von anderen immer fo Wie ! Sogar die Schiffsmannschaft rend sie der Herr Pfarrer mit Weihwasser beurteilt wurde , bald auch selbst als einen ist restauriert ? Sie hat ja einen neuen übersprengt : Menschen, aus dem nie etwas Rechtes werden Benedicat Deus Hafen und ein ganz frisches Holzbein. würde. Erst später zeigte ſich ſeine dichteriſche Das ist sehr hübsch von dem SchiffsMan möchte sie für ein junges , vor Anlage und der Hang zur Schwärmerei und eigentümer, der ein umsichtiger Mann sein dem Altar stehendes Paar halten. Dieser Romantik, der ihm dann durch sein ganzes muß. Wie zweckmäßig hat er alles ein- Gedanke kommt allen, vielleicht ihnen selbst, Leben hindurch treu geblieben ist. A13 er richten lassen ! Das Oberdeck von einer denn sie wagen nicht aufzusehen und fangen fünfzehn Jahre alt war, verbrachte er oft lange Wochen auf einem abgelegenen Landgute einige Balustrade umgeben , mit Sitzbänken und immer mehr an zu zittern. Endlich ist die Zeremonie zu Ende. Meilen von Celle, das sein Vater zu verwalten durch ein Zeltdach vor dem Wetter geund in dem ein Pächter mit seiner chüßt. Der Schiffsraum faßt noch ein- Die neue Nivernaiserin" ist geweiht ; all hatte Familie hauste. Der junge Romantiker aber mal so viel wie ein anderes Schiff, und mählich zerstreut sich die Menge. Vater lebte dann troß der immer erneuten Auffor: die Kojen , o die Kojen ! Drei Zimmer, Louveau wendet sich zu den Musikanten derungen des Pächters nicht in deſſen Haus, eine Küche, Fenster !" und stößt mit ihnen an ; Maugendre hat sondern bezog mutterseelenallein das halbverGanz überwältigt zieht er Maugendre währenddessen die Paten an die Hand fallene Herrenschloß, das in einem ganz veran sich heran und stottert: „ Aber mein genommen , und indem er Louveau zu wilderten Parke lag , und spann sich hier im uter Maugendre, du hast noch etwas ver- blinzelt , wendet er sich an den Herrn großen Rittersaal oder im alten Himmelbett ganz in seine phantastischen Träume ein oder zeſſen, haſt mir noch gar nicht gesagt, für Pfarrer mit den Worten: „Die Taufe ist streifte draußen durch Moor und Heide und vor sich gegangen , Herr Pfarrer , wann wen ich fahren soll. “ lauschte dem Rauschen des Windes, der durch die Hochzeit ?" Möchtest du das wissen ?" die alten Tannen fuhr. Viktor und Klara werden über und # Na, freilich ! " Siebzehn Jahre alt , bezog er 1806 die über rot. Mimile und die kleine Schwester Universität Göttingen, um Theologie zu studie„Nun, für dich ! “ 1 " denn das Schiff ?? Wie klatschen in die Hände, und inmitten des ren. Sonderliche Neigung brachte er dazu „Gehört dir ! “ allgemeinen Enthusiasmus hängt sich der nicht mit, und so war es denn natürlich, daß Die Ueberraschung ! Ein Glück , daß etwas angeheiterte brave Seemann an die er sehr bald auf andere Gedanken kam . Gleich der umsichtige Unternehmer auf dem Deck Schulter seiner Tochter , lacht mit dem von Anfang an hörte er fast nur die ästheti und litterarhistorischen Vorlesungen des ine Bank hat anbringen lassen. Louveau ganzen Gesichte , und sich über seinen schen von ihm hochverehrten Professors Friedrich inkt darauf zusammen . schlechten Wiß schon vorher freuend, spricht Bouterweck, der später ( 1822 ) seines Schülers „Das ist ja nicht möglich - wie kann er: „Nicht wahr, Klara, jezt könnten wir sämtliche poetische Werke herausgab . So wurde man das annehmen ! " wohl Viktor dem Kommiſſar zurückbringen?" er zum Philologen und ist es geblieben. Sein Wunsch war später, eine Professur in GöttinDoch Maugendre weiß ihm zu ant-
Dr. R. Lange.
160gen zu erlangen, und er hat ſpäter auch Vor lesungen gehalten . Aber wenn er auch, freilich nicht ohne Unterbrechungen , sehr fleißig und ernsthaft sich seinen Studien gewidmet hat, wenn es auch Zeiten gab, wo er, wie er ſelbſt erzählt, „ wie ein verliebter Schäfer tage: lang einer einzigen Konjektur nachschlich und sie mit himmlischer Zufriedenheit durch die Sandwüste mächtiger Folianten verfolgte", so hat er doch eine wirkliche Liebe zum philologischen Studium nie empfunden ; oft genug ſpottet er ingrimmig über die Beschäftigung mit dem Gesindel ", wie er die alten Schriftſteller nennt, und über „ die heilige Philologie, die ihn in ihre knöcherne Arme genommen". „Gelehrt wird man freilich auch wider Willen," meint er , aber was bleibt von Geiſt und Phantasie übrig ? Mir zum Glück noch so viel , um auf meine eigene Narrheit und auf meinen Jammer ein Spottgedicht machen zu können!" Sein eigentliches Feld war und blieb immerdar die Poesie, für sie schlug sein Herz und für die Liebe. Jahrelang lebte er in Göttingen fröhlich dahin, und da er, auch darin ein wahrer Dichter, immer nur sang , was er lebte und fühlte, so atmen auch seine Gedichte aus jener Zeit Heiterkeit, Frohsinn , Lebenslust. Das Leben lag vor ihm, wie ein blühendes, duftendes, sonnendurchglänztes Gefilde. Das war die Zeit, von der er in seinen Elegieen sang: Wahrlich , ich habe gelebt ! Nicht reut mich die fröhliche Wildheit; Fest an die feurige Bruſt drückt' ich das blühende Sein, Küßte die scheidende Lust , und der nahenden lacht' ich entgegen, Und zur geliebtesten Braut ward die Minute mir ſtets. es war Das wurde anders , als er gegen Ende des Jahres 1811 - Cäcilie Tychsen, die siebzehnjährige Tochter eines Göttin ger Gelehrten, kennen lernte. Nur ein kurzes Jahr hat er sie gekannt, dann nahm der Tod sie hinweg --- aber dieses Jahr entschied über ſein ganzes ſpäteres Leben. Täcilie war ein schönes, außerordentlich begabtes , für alles Hohe empfängliches , tief empfindendes Mädchen, aber so zart besaitet , so ätherisch , daß man frühzeitig schon ahnen konnte, sie sei für die rauhe Erde nicht geschaffen . So wie sie entwickeln sich nur zu oft die Menschen , die dann in der Jugend schon hinweggenommen werden ; es ist, als ob sie, da ihnen die Zeit zum Leben so kurz zugemessen ist, schneller sich entfalten, raſcher alle Schäße des Geistes und Herzens sammeln und wieder spenden müßten. Bei der ersten Bekanntschaft zog Cäcilie den Dichter nicht an, und er machte sich später Vorwürfe , daß er sie anfangs falsch beurteilt habe. Bald aber lernte er das seltene Mädchen lieben, und seine Liebe ward immer inniger, obwohl Cäcilie sie wenigstens nicht in dem Maße erwiderte , wie sie ihr entgegengebracht wurde. Sie war freundlich zu ihm und dank: bar für seine Anhänglichkeit, aber weiter scheint sie nicht gegangen zu sein. Und der Dichter war damit zufrieden, mußte es schon deshalb sein, weil er nach kurzer Bekanntschaft schon erkannte, daß die Geliebte einem frühen Grabe zuwankte. Schon darum ist es zu einer bestimmten Erklärung zwischen beiden nicht gekommen. Die Liebe zu Cäcilie ließ für den Dichter alles andere in den Hintergrund treten ; sie bewirkte , wie er nach kurzer Bekanntschaft schon empfand, eine vollständige Umwandlung seines Wesens. Durch der Geliebten Einfluß erst erwachte in ihm die Liebe zum bedrängten Vaterlande, erst sie stimmte ihn religiös ; aber freilich raubte ihm die Liebe auch seine Heiterkeit und Seelenruhe ; dafür aber gab sie ihm erst die Dichterweihe und uns außer ſeinen poetischen Erzählungen auch eine Reihe
Der Sänger der „bezauberten Rose". 161-
der schönſten und zarteſten Lieder und Gedichte. Ich erinnere hier an jene an Cäcilie gerichtete Epistel, von der er selbst sagt, hier sei, wäh: rend er doch sonst unendlich viel schlechte Verse gemacht habe, eine solche Zartheit des Ge: fühls, eine ſo geiſtige Empfindung, daß man das Gedicht aus Lust gewebt nennen möchte, Und fürwahr, er hat recht ; und da dies Ge : dicht für Schulzes ganze Art zu empfinden und wohl auch zu schwärmen , so bezeichnend ist, möge wenigstens eine Stelle daraus hier Play finden: „ Als dich zuerst mein ird'sches Aug' erblickte, Nicht Staunen war's, was da mein Herz empfand, Du warst mir längst verbunden und bekannt, Und jeder Traum, der früher mich entzückte, Er lich von dir sein gautelndes Gewand. Nie ließ mein Herz die süße Hoffnung schwinden, Ginst würd ich auch auf meines Lebens Pfad Den Genius des Traumes wiederfinden, Der freundlich oft vor meine Seele trat. Biel holde Bilder nahten mir und schwanden Im raschen Tanz des ird'schen Gaufelspiels, Umflochten mich mit leicht zerriff'nen Banden Und wiegten sich, vom Hauch der Laun' entstanden, Auf Funken nur des geistigen Gefühls. Doch unentweiht umfloß das heil'ge Feuer In meiner Bruft ein namenloses Bild, Kein fremder Reiz zerriß den jarten Schleier, Worin es still und dämmernd sich gehüllt. Da sah ich dich, und sich, der Flor entbebte, Der höchste Wunsch, der mir im Herzen lebte, Der schönste Traum der Sehnsucht war erfüllt. " Eine ganze Anzahl von Gedichten find an Cäcilie gerichtet ; er kannte damals kaum etwas anderes , was ihm wert schien , besungen zu werden , und in immer neuen Worten und Bildern gesteht er ihr , wie teuer, wie heilig sie ihm sei : „In jedem Blick, in jedem gedämpften Laut, 3m stummen Gram und in des Frohsinns Sonnigem Lächeln enthüllt mein Herz dir, Daß du allein ihm Leben und Liebe bist, Daß zart und innig jedes Gefühl in mir Dein Eigentum ist, daß dein Blick nur Kraft in die Brust mir und Milde senkte. So weht belebend um das entfeimte Grün Mit duft'gem Flug des sel'gen Lenzes Hauch, So gaufelt freundlich in der Quelle Rieselndem Silber der Rose Bildnis !" Wie schon erwähnt , mußte der Dichter bald erkennen, daß der Geliebten Tage gezählt seien. Da kam immer gewaltiger die Schwer mut über ihn. Ab und zu brach zwar wieder ein Sonnenſtrahl der Hoffnung durch des Kumaber schnell ver: mers dunkles Gewölk schwand er wieder. Cäcilie hatte früher an einer heftigen Nervenkrankheit gelitten ; ſeit dem war sie nie wieder ganz gesund geworden, und nun verzehrten sich ihre Kräfte mehr und mehr. Sie selbst sah den Tod kommen und sprach viel von ihm . Daß ihr Sänger auch in dieser schweren, hoffnungsarmen Zeit treu bei ihr ausharrte, sie zu erheitern, zu trösten suchte, ihr tausend kleine Liebesdienste erwies, blieb nicht ohne Eindruck auf des Mädchens Herz . Sie war dankbar für soviel Liebe, und das machte den armen Schwärmer so glücklich ! Und endlich ſtarb ſie , noch nicht achtzehn es war am 3. Dezember 1812 . Jahre alt Des Dichters Schmerz war tief und schwer. Trost gab ihm zuerst wieder die Dichtung. Der Gedanke stieg in ihm auf, die Verlorene in einem großen epischen Gedichte zu verherr lichen. Er wollte darin, wie er selbst schreibt, ihren Charakter bis in seine kleinsten Feinheiten darstellen. Deutsch sollte es sein , wie ihr Gemüt, und die Religion sollte das Hauptmotiv werden. In Cäcilie wollte er die christliche Sehnsucht nach dem Himmlischen und Ewigen darstellen. Rastlos ging er an die Ausführung seines Planes , und so entstand in verhältnismäßig kurzer Zeit sein bedeutend stes Gedicht, die romantische Epopöe ,, Cäcilie ". Die Form ist die freie Stanze des Oberon. Das Ganze enthält zwanzig Gesänge und be-
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| handelte den Sieg des Christentums über d Odinsdienſt in Dänemark ; es ſpielt zur 3 Ottos I. Cäciliens Wundergestalt führt d christliche Heer zum Siege. Gelefen wird d Gedicht jezt wohl nur noch wenig ; das Gan | verſchwimmt, wie Schulze ſelbſt erkannte, etro im Nebel, und die Geſtalten haben kein rec; Leben. Aber bewundernswert ist auch bi des Dichters reiche Phantaſie und die Kur der Schilderung , die sich ganz besonders einzelnen prächtigen Epiſoden zeigt. Vor alle aber ist auch in diesem Gedicht der Vers meist haft gehandhabt : in Beziehung auf muſt lische Klangfülle, auf leichten mühelosen der Rede scheut die „ Cäcilie“ den Vergleich a mit den besten Werken nicht. Die letzten Jahre von Schulzes Leben ft: wenig erquicklich. Nicht als ob er sich sell untreu geworden und etwa geſunken wäre nein, er blieb, der er war, und unerschöpfl war der Quell seiner Lieder. Was uns al wenig erfreulich anmutet , iſt die dieſe gar spätere Zeit ausfüllende eigentümliche Dorp liebe des Dichters. Er blieb seinem eigen Geständnis nach bis zum Tode Cäcilien tre und doch faßte er sehr bald nach ihrem Sch den eine schwärmerische Liebe auch zu ih Schwester Adelheid. Er sah in der lebend Schwester gewiſſermaßen ein anderes Jch 2 Gestorbenen; beide verschmolzen für ihn einer einzigen Gestalt. Er beweinte und i flagte die Tote und verlangte nach dem Be der Lebenden. So ſagt er ſelbſt: Mein Singen soll nur eine Herrin preiſen, Die doppelt stets mein zweifelnd' Aug' erblidt Dort in des Grabes ewig stummen Kreisen. Hier mit des Lebens frischem Reiz geschmüct; Und wenn auch hier zwei Namen sie benennen, Nie kann mein Herz die holden Bilder trennen ' Neben der toten widmet er nun auch t lebenden Schwester seine Lieder , und c unter ihnen sind nicht wenige Edelsteine ; finden sich besonders in dem „ Poetischen Ta buch", das von 1813 bis 1817 reicht und dem der Dichter in oft klassisch schönen u reinen Verſen ſein Fühlen und Denken , j Lieben und Leiden uns enthüllt . Nur ein Stellen darf ich hier anführen. Vom 6.3 nuar 1814 stammen die Verſe : Alles, wo ich weil' und gehe, Mug Verlangen mir erregen, Ewig ist von süßem Wehe Mir die volle Brust erfüllt. Und du kommit auf allen Wegen Mir entgegen, Holdes Bild! Flich' ich dich, so muß ich leiden, Leiden, wenn ich dich erblicke, Immer zwischen Schn und Meiden Schwankt mein Herz im raschen Streit, Und mir naht, wohin ich blide, Leid im Glücke, Glück im Leid ." Wenige Tage später ſchrieb er die St nieder : „Wenn ich still an deinen Blicken hange, Quilt in mir ein wunderbares Leben Und der Träume bunte Geister spielen Um mich her in zauberischem Tanz. Wie die Tön' im goldnen Harfenklange, Leis' und laut sich ineinander weben, So verslicht von wechselnden Gefühlen Hell und dämmernd sich der holde Kranz. Liebestüsse beut mir dann mein Sehnen, Und in meinem Arine ruht mein Hoffen. Was ich träumte, steigt vom Himmel nieder, Aus dem Grab ersteht, was ich verlor, Und es ist die Bahn zu allem Schönen, Und des Sieges goldnes Thor mir offen. Und es strebt mit mächtigem Gefieder Mutig der erlöste Geist empor. " Will uns schon die Doppelliebe des T ters an und für sich nicht recht behagen, n das ganze Verhältnis uns unklar eriche so steigert sich dies Gefühl noch dadurch, Schulze , obwohl Adelheid seine Liebe erwiderte , doch nicht aufhörte, um ihre
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gung zu werben und ihr immer wieder sein Leid zu klagen in einer Weise, die uns jest nicht mehr so recht als eines Mannes würdig erscheinen will. Dauernde Heiterkeit kam nie wieder in des Dichters Seele, seit Cäcilie gestorben war. Zu dem Schmerz über seinen unerseßlichen Berlust und zu der unglücklichen Liebe, die ihn quälte, kam noch, daß auch seine Gesund heit zu wanken begann. Traurig und öde lag das Leben vor ihm. Da trieb's auch ihn, mit in den Krieg zu ziehen , durch den der Uebermut des fremden Eroberers vollends gebrochen werden sollte. Mit großer Freude hatte er im Jahre 1813 die deutschen Waffen Sieg auf Sieg erfechten sehen , und immer von neuem war der Wunsch in ihm aufge: taucht , auch zum Schwert zu greifen. Zum Breise der wieder errungenen Freiheit schrieb er sein bekanntes Gedicht : " Cäcilie , eine Geisterstimme", und am 1. November jenes Jahres zeichnete er in sein ,,V. Poetisches Tagebuch das schöne Gedicht ein , das mit den Worten beginnt : Roffe wiehern, Waffen blinken, Deutschlands Rächer sind genaht, Und die bunten Fahnen winken Zu des Ruhmes goldnem Pfad. Soll ich stets dem fummer dienen Sehnsuchtsvoll und hoffnungslos ? Rimmer blüht die That des Kühnen In der Ruhe trägem Schoß." Am 8. Dezember trat der Dichter in das Grubenhagische Jägerbataillon ein. Im Früh ling erst zogen die Jäger ins Feld, um Davoust aus Hamburg vertreiben zu helfen, und nach einigen hißigen Gefechten zog Schulze mit ihnen in die befreite Stadt ein. Das ungewohnte Kriegsleben hatte ihm wohl gethan , und frischer kehrte er nach Göttingen zurüd ; hier aber begann die alte Dual von neuem . Ab und zu schien er sich zwar im Berkehr mit Freunden aufzuraffen , aber das dauerte nie lange. Immer mehr verdüsterten Gram und Mißmut jein Gemüt . Ein Kolleg über Homer , das er eröffnete , wurde wenig besucht, und alle seine Bemühungen, eine feste Stellung zu finden, scheiterten. Sein wachsender Dichterrühm vermochte ihn über all' sein Leid nicht zu trösten. Als der Krieg wieder ausbrach, entschloß er sich nach einigem Schwanken , wieder mitzuziehen. Er wollte wieder in ein Jägerkorps eintreten , das sich auf dem Harz bildete ; da er aber hier zu spät fam, fehrte er wieder nach Göttingen zurück. Immer dunkler wurde es in seinem Innern. Wenn ich noch lange so in meiner stillen Abgeschiedenheit size , " schrieb er damals an Adelheid, und Vergangenheit und Gegenwart vergleiche , muß ich fürchten , wahnsinnig zu werden. In manchen Augenblicken kommt es Die Familie mir vor, als sei ich es schon." der Geliebten und diese selbst wurden immer fühler und zurückhaltender gegen ihn , und endlich raffte er sich dazu auf, jeden Verkehr mit ihr abzubrechen. Der lange Brief (vom 25. und 26. Mai 1816) , in dem er endlich Abschied von Adelheid nimmt, zeigt, wie furcht bar schwer ihm auch jezt noch dieser Entschluß wurde. Oft ersehnte er den Tod : Ich bin von aller Ruh' geschieden Und treib' umher auf wilder Flut, An einem Ort nur find' ich Frieden, Das ist der Ort, wo alles ruht.
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Und wenn die Wind' auch schaurig sausen und falt der Regen niederfällt, Toch mag ich dort viel lieber hausen, Als in der unbeständ'gen Welt." Er ahnte nicht, daß, was er ersehnte, ihm fo nahe war ! Von seiner Mutter hatte er die Anlage zur Schwindsucht ererbt, und seine Tage waren gezählt. Noch bis zum Anfang
Elefantenjagden auf Ceylon. 164
des Jahres 1817 blieb er in Göttingen ; seine ganze Sehnsucht und sein Wille standen nach Stalien , nach Rom , wohin zu kommen ihn einige seiner Freunde dringend aufforderten. Dort hoffte er, die Vergangenheit endlich ver geffen und sich für sein ganzes künftiges Leben Ruhe erkaufen zu können". Die Hoffnung auf das Land seiner Sehnsucht sollte sich nicht erfüllen , aber sie hat ihn noch bis zu seinen lezten Tagenfreundlich umgaukelt. Und noch eine andere Freude ward ihm zu teil. Schon erkrankt , hatte er seine " Bezauberte Rose" geschrieben und sich mit ihr um den Preis beworben, den Friedrich Arnold Brockhaus in Leipzig für die beste poetische
165 die größte dichterische Kraft und den ganzen holden Liebreiz des Minnegesangs. Was uns nicht zusagen will, ist schon hervorgehoben ; wer aber weiß, ob der Dichter, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, Stalien zu sehen, wenn er reifer , selbstbewußter zurückgekehrt wäre und nicht so bald hätte scheiden müssen von der süßen , freundlichen Gewohnheit des Daseins, ob er dann nicht auch jenes Weichliche und Gestaltlose abgestreift hätte ? Wohl möglich, daß er dann bei seiner unvergleich: lichen Formbeherrschung und seiner tiefen Em pfindung uns noch ganz andere Werke geschenkt hätte ; doch - das Schicksal hat es nicht ge= wollt. Wir können ihn nur messen nach dem,
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Elefantenjagden auf Ceylon (S. 168). Erzählung ausgeschrieben hatte. Schulzes Ge: dicht wurde einstimmig für das beste erklärt und verdiente den Preis auch in der That trop der nicht abzuleugnenden Weichlichkeit, die sich vielfach zeigt, schon durch die geradezu musterhafte Behandlung der wohllautenden Stanzen, durch die Anmut und den Liebreiz, der über dem Ganzen liegt. Nur wenige Tage, nachdem der Dichter die Nachricht von seinem Siege erhalten er war unterdes ins väterliche Haus nach Celle übergesiedelt schied er am 29. Juni 1817 aus dem Leben, das ihm soviel Lust und soviel Dual bereitet hatte. — Ernst Schulze war ein echter Minnesänger, ein warm und tief empfindender Mensch, der, was er dachte und empfand, aus seinem über vollen Herzen hinaussingen mußte. Auch ihm gab die Gottheit, zu sagen, was er litt : Wie im Lenz an blüh'nden Zweigen Immer junge Knospen teimen, So entsprießt mit ew'gem Drange Mir im Busen Lied auf Lied. Singen oder ewig schweigen, Sterben muß ich oder träumen, Weil im Traum nur und Gefange Mein verwelttes Leben blüht." Seine Kunst zu einem Gewerbe zu machen oder auch nur zum Lebensberuf, daran dachte er nicht ; schon seine Gedichte drucken zu lassen, kostete ihm Ueberwindung. Es wäre unge recht , wollte man ihn nur beurteilen nach seinen poetischen Erzählungen : gerade in den kleineren lyrischen Gedichten , vor allem in denen des Poetischen Tagebuchs ", zeigt er
was er uns wirklich hinterlassen hat ; auch das ist viel , und sein Volk soll es ihm danken ! Elefantenjagden auf Ceylon. Von C. B. Rollet.
Elefantenherden sind aufCeylon nochzahlreiche namentlich in den wasserreichen Ebenen des Ostens und Südens, auch des Nordostens, während sie in geringerer Menge auch in der gebirgigen Zentralprovinz bis zu dem 5000 Fuß hohen Nuwera Ellia vorkommen. Die Gefahr einer Elefantenjagd wird gewöhnlich für viel zu schlimm angesehen. In der That gefähr lich sind nur die sogenannten Roge - Elefanten, alte Männchen , die im Laufe der Zeit sich von der Herde getrennt haben und , infolge ihres Einsiedlerlebens mutwillig und bösartig geworden, alles zerstampfen , zerbrechen und zerstören, was ihnen in den Weg kommt, und bisweilen sperren sie den Eingeborenen sogar die Verkehrsstraßen . Im Januar 1885 rüsteten wir uns zu einer dreimonatlichen Elefantenjagd. Wir hatten von der Regierung auf Ceylon die Erlaubnis bekommen , so viel Elefanten zu schießen, wie wir wollten. Anfangs Februar machten wir uns von Paradenya aus, das in der Nähe von Kandy liegt , auf den Weg. Meine Jagdbegleitung bestand aus zwei Freun den von mir, den beiden Dr. S. , zwei sing-
C. W. Rosset.
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halesischen Dienern , einem Koch und etwa Entfernung. Todesstille trat ein. Ein statt | zu greifen. Wir erblickten einen Dickhäuter im 20 Kulis, die als Träger dienten . Die Aus- licher Riese war es, etwa 11 Fuß hoch , wie dichteſten Dorngebüſch. Als wir uns näherrüstung wurde von zwei Ochsengespannen und man ihn in den zoologischen Gärten Europas ten, hob er Kopf und Rüffel in die Höhe, einem kleinen Eingeborenenwagen befördert. vergeblich sucht. Die Färbung war mattgrau das Zeichen zum Angriff. Unsere Stellung Wir legten die ganze Tour zu Fuß zurück, und sehr sauber. Dieses imposanten und auf war äußerst ungünstig. Wir konnten nicht 8-12 englische Meilen täglich, und wandten regenden Anblickes werde ich Zeit meines aufrecht stehen und den Elefanten wegen des uns zunächst nach der Ostprovinz zum Roogam Lebens gedenken. Jeßt langsam und faſt ge- Dickichts kaum sehen. Wiederholte GewehrTana, etwa 20 Meilen von Batticaloa an der räuschlos, Kopf und Rüssel hin und her wie: salven und der Anblick so vieler Leute erOstküste. Am Tage vor der Jagd ruhten wir gend, stolziert der Elefant gerade auf uns zu. schreckten den Dickhäuter. Er erhielt einen uns aus und setzten Gewehre, Munition und Wir knieen in einer Reihe nieder, hinter uns Schuß in den Rachen und stürzte zuſammen. Proviant in Bereitschaft. Unsere Elefanten : Treiber und Diener mit ihren Reserveflinten. Das schrecklich brüllende Tier ward durch den treiber (Tracker) mußten den Aufenthaltsort DerDickhäuter wendet sich links um, und bei: Pulverdampf unsichtbar ; eine erwartungsvolle der Tiere auskundſchaften. läufig erwähnt sei die merkwürdige Thatsache, bange Pause entstand. Aber mit dem Rauche In aller Frühe des Jagdtages verließen daß Elefanten, sei es zum Angriff, ſei es zur war auch der Elefant verschwunden. Der wir unser Lager mit einem Diener und etwa Flucht, stets linksum kehrt machen . Unser Treiber meinte, der große Blutverlust könne 20 Trägern, die Proviant und Waffen nach- Elefant nähert sich auf 10 Schritt. Wir zielen nur von einem Schuß in die Rüsselwurzel trugen. Um 6 Uhr erreichten wir die erste in die Gegend zwischen Augen und Rüffel- herrühren , und das Tier werde bald ver Fährte. Die Gegend war eine große bewal wurzel. Jest gebe ich das Kommando zum bluten. Wir begannen eine stundenlange dete Ebene mit vielen Bächen und kleinen | Feuern. In einem einzigen Knall entladen Verfolgung und achteten weder der Dornen Seen. Die Waldung , bestehend aus hohen, sich drei Schüsse. Ein ohrzerreißendes Ge- noch unserer Müdigkeit. Der Tag neigte sich, dicken Bäumen mit dornigem Gesträuch als brüll ! Im Stehen geben wir noch eine Salve und wir mußten von der Jagd abstehen. Wie Unterholz, bot ein verhältnismäßig günstiges in die Gegend des Geschreis . Denn vor sahen wir aus ! Die Jacken zerfest und GeTerrain dar, denn gewöhnlich hausen die Ele- Pulverdampf konnten wir nichts mehr sehen. | ſicht und Arme blutüberströmt. Wir schimpffanten in unzugänglichen, 8-10 Fuß hohem Plößlich ruft einer, der Dr. S.: Feuer ! ten den Treiber gehörig aus , daß er uns in Dorngestrüpp, das sie ohne Schwierigkeit Feuer ! Hier noch einer !" Durch das Gebüsch so ungünstiges Terrain geführt habe. Nach einigen Tagen Rast begannen wir durchwandern, wie eine Herde Schafe das zu seiner Rechten sprengt ein gewaltiger DickHeidekraut. Bevor wir die Jagd antraten, | häuter. Unsere Gewehre sind wieder geladen, eine neue Jagd unter Führung eines Trei stärkten wir uns durch einen kleinen Imbiß und wir senden dem Flüchtling mehrere Schüsse bers, der die Jagden des berühmten Elefantenmit einem saftigen Schluck Whiskey und Soda: nach, verfolgen ihn wenige Schritte und große jägers Gordon Cumming mitgemacht hatte. wasser. Der Treiber ersieht sofort an der Blutspuren zeugen von schwerer Verwundung. Der wußte die Sache geschickter anzufangen. Fährte, ob der Elefant ein Männchen oder Wir kehren nun zu der Stelle zurück, wo der Bald hatte er uns in unmittelbare Nähe eines Weibchen ist. Da der Dickhäuter auf der erste Elefant zusammengesunken sein mußte, Elefanten geführt. Wir schlichen uns unge. Flucht alle fünf Minuten Losung fallen läßt und wollen uns die Siegestrophäe , seinen sehen heran und stellten uns in schräger Linie und Zweige abfnickt , so kann man daraus Schwanz , holen. Aber wie erstaunen wir, hintereinander. Auf ein Zeichen von mir legten seine Nähe oder weitere Entfernung schließen, als wir den Play leer finden ! Nur große alle drei an, und dem ersten Schuß , den ich je nachdem die Losung noch rauchig und das Blutlachen bedecken den Boden , und eine abfeuerte, folgten sofort die beiden anderen abgerissene Gezweig noch frisch ist oder nicht. lange Strecke von Blutspuren an Bäumen der Herren S. Ohne einen Laut von sich zu Im ersten Falle heißt es : „ Aufgepaßt!" Ein und Geſträuchen zeigte uns die Richtung , in geben und ohne zu zucken , war er sofort Treiber schüttelt beständig an einem zu diesem der das Tier entflohen war. Es wurde uns mausetot. Die drei Schüsse waren sämtlich Zwecke mitgenommenen Aschensäckchen, damit gleich klar : der Elefant , auf den wir zuerst in die Schläfe gegangen. Um jedoch ganz an der fortgewehten Asche die Windrichtung feuerten , war derselbe , den mein Nachbar sicher zu sein , gaben wir noch einen Schuß gesehen werden kann. Weht der Wind nach später zu seiner Rechten sah. Die Kugeln auf diese tödliche Stelle ab. Der Elefant, dem Elefanten hin , so muß ein großer Um waren vermutlich zu hoch gegangen, und wenn etwa 10 Fuß hoch, hatte nur einen Stoßzahn. weg gemacht werden. Das leiſeſte Geräusch sie oberhalb einer zwiſchen Augenlinie und Die Siegestrophäe, der Schwanz , war eines macht das Tier aufmerksam ; er sieht sehr Rüsselwurzel befindlichen Vertiefung ein Tages mir durchs Los zugefallen. Ich machte schlecht, hört und wittert aber um so besser. schlagen, ſo ſind ſie gefahrlos. Von der Seite | mich sofort daran, ihn abzuschneiden, aber ich Mit Hunden kann man ihm daher schlecht ist eine größere Treffsicherheit mit tödlichem fand nur noch einen verwachsenen , etwa 14 cm dicken und 8 cm langen Stumpf. beikommen, Losung und Fährte bewiesen uns Ausgange an der Schläfe möglich. Die Sonne ging unter , und der erste Noch heute laufen viele Elefanten auf Ceylon ein Weibchen mit einem zweijährigen Jungen. Hierbei war nun noch mehr Vorsicht nötig, Jagdtag war zu Ende. Gut, daß der Ele: ohne Schwanz umher. In früheren Zeiten, als bei einem Männchen oder einer ganzen fant gewöhnlich im Kreisbogen seine Flucht so wird erzählt, machten englische Sportsleute Herde. Nach mehr als sechsſtündiger Versucht ; so waren wir nicht allzu weit vom große Wetten miteinander, wer vor dem Frübfolgung verloren wir denn auch die Fährte Lager entfernt. Aber troßdem verfehlten wir | ſtück die meiſten Elefanten erlegte, und zum vollständig. Denn der Dickhäuter verstand, uns den Rückweg in dieser stockfinsteren Waldung, Beweis mußte immer der Schwanz des er meisterhaft in die Frre zu leiten , indem er und erst nach langem Umherirren kamen wir legten Tieres vorgewiesen werden. Wenn ein meilenlang Flußläufe aufwärts ging und sich 11 Uhr nachts todmüde in unſerem Lager an. Jäger mitten in eine Elefantenherde gerät, Eine zweite Jagd unternahmen wir etwa springen sie nach dem ersten Schuß verzweifelt ebensowenig scheute , über Berge zu klettern. Es war schon Mittag 1 Uhr und alle Hoff- 15 englische Meilen westlich von Batticaloa im Kreise herum. Hierbei hat ein geübter nung auf einen Erfolg der Jagd dahin. Die an einem See. Sumpfiges Terrain, mit fast Schüße Gelegenheit, mehrere Dickhäuter nachheiße Mittagssonne nötigte uns zur Rast, und undurchdringlichem Dorngebüsch bewachsen, be- einander zu treffen, wovon indes viele nur wir wurden ziemlich träge. Indes durch die deckte eine Fläche von etwa 50 engl. Quadrat betäubt niedersinken , da die Kugel zwar die mitgebrachten Erfrischungen zu neuen Unter- meilen Hier hatten wir als Lagerplay ein Nähe des Gehirns paſſiert, aber nicht hinein nehmungen ermutigt, machten wir uns wieder sogenanntes Bungalo, d . h . ein für die Auf- dringt . Der Schwanz wird ihnen abgehauen, aber auf die Suche, und die Müdigkeit war sofort seher des Tangs , sowie für die Ingenieure sie erholen sich wieder und laufen dann davon. Unser Bild (S. 164) iſt von den beiden Dr. S. verschwunden, als wir gegen 3 Uhr eine friſche |der Regierung erbautes Haus. Mobiliar und Fährte fanden, die augenſcheinlich von einem Proviant mußten wir mitbringen. Schon vermittelſt meines photographiſchen Apparates Roge Elefanten herrührte. Es mußte ein einige Meilen bevor wir in diesem Bungalo aufgenommen worden. Es zeigt den Schreiber prächtiges Tier sein, zur hohen Kaste gehörig, ankamen, sahen wir die frischen Fährten zahl- dieser Zeilen, wie er sich, seine Flinte in der wie die Eingeborenen sich ausdrücken , d. h. reicher Dickhäuter. Nach Aussage des Bungalo- Hand , an den erlegten Elefanten anlehnt. ein ausgewachsenes und schönes Exemplar . aufſehers ſollte ſich ſchon ſeit mehreren Nächten Auf einem Beine des Dickhäuters ſiht der Durch dick und dünn , über Felsen und Flüsse eine Herde im See zum Bade eingefunden Tracker, und im Hintergrunde steht einer von ging die Verfolgung. Um 5 Uhr hörten wir haben. Wir machten uns zur Jagd auf den meinen singhalesischen Dienern . Der abgein einem See ein Spriten und Planschen . folgenden Tag fertig . Leider fehlten uns | hauene Schwanz liegt auf einem der Hinterbeine. Wir führten noch niehrere Jagden mit Er Einige Treiber beschlichen den Elefanten von tüchtige Treiber und von einem guten und erder Seite. Sobald er ihrer ansichtig wurde, fahrenen Führer hängt der Erfolg der Jagd ab. folg aus . Aber unseren Zweck , Elefanten: Etwa 200 m vom Bungalo entfernt, trafen embryone zu bekommen , erreichten wir nicht. wandte er sich sofort aus dem See dem Walde zu. Die Treiber eilten zurück und führten wir eine frische Fährte, die wir auch sogleich Bald trennte sich unsere Geſellſchaft. In dem uns geradeswegs zu der Stelle, wo der Ele: verfolgten. Als wir uns bei einem fru Elefantensport aber hatte ich bald solch eine fant das Wasser zu verlassen im Begriff war. galen Mahle befanden, hörten wir wieder in Sachverständigkeit erlangt, daß ich auch ohne So wurde ihm der Weg abgeschnitten. Plöh wenig Schritt Entfernung ein starkes Geräuſch. Tracker erfolgreiche Jagden ausführte. lich erblickte ich das stolze Tier in 20 Schritt Kaum hatten wir Zeit, zu unseren Gewehren
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Graz gegen Westen (S. 172).
Aus der grün-weißen Steiermark . Don
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Grün-Weiß, das sind die Farben der Steiermark; und grün ist das liebe Land allerorten zu schauen , bis zu den Höhen hinauf, wo weißschimmerndes Felfengestein und blinkender Schnee an die Stelle der Wälder und Matten tritt. Kommt man vom Norden her durch die grauen Schluchten des Semmering, so fällt einem diese Eigenschaft gar lieblich auf. Das Auge sieht noch die wildpräch tigen Felszaken , die schwindelnd tiefen Klüfte und Tobel , welche die verwegene Bahnlinie auf zahllosen kühn gewölbten Mauerbogen übersetzt . und ist noch voll all dieser pittoresken , schauerlich schönen Bilder, während uns schon die Finsternis des legten Tunnels umfängt ; nun über schreiten wir im Schoße des Berges die Grenze zwischen Niederösterreich und Steier mart und zugleich auch die höchste Stelle der Bahn und sehen, während wir wieder ins Freie rollen , mit Staunen , daß die Gegend mit einem Schlage eine ganz an dere geworden ist. Weiche üppige Matten liegen zu beiden Seiten des Schienenweges , herrliche, hoch stämmige Wälder ziehen sich an den sanft gerundeten Bergen hinan und im Thale liegen idyllische Ortschaften lieblich zer streut auf dem grünen Plane. Und es ist , als sei hier Laub und Gras viel frischer und lebhafter in der Farbe als anderswo ; mit innigem Behagen 89. II.
sehen wir den Kontraſt mit den Felswüſten jenseits des Berges . So lieb und freundlich bleibt nun die Gegend bis hinab zur Hauptstadt ; auch sie ist ringsum von Grün umgeben, überall taucht zwischen ihren roten Dächern die augenerfrischende Landesfarbe auf, und in ihrer Mitte , da baut sie sich gar zu an sehnlicher Höhe empor , denn mitten im dichtesten Häusergewirre ragt der grüne Schloßberg ; er gibt der Stadt das cha rakteristische Gepräge , er bestimmt ihre Physiognomie und weither von allen Seiten sieht man seine waldige Höhe, das Wahr: zeichen von Graz. Es ist nicht anders , als hätte das Waldgebirg des Landes hier eine Stadt wohnung genommen. Unter den Menschen hat es ihm aber gar wohl gefallen ; die Fichten und Tannen, die Eichen und Buchen gedeihen so fröhlich inmitten der großen Menschenansiedlung , als stünden sie weit draußen auf freier Höhe, an den Wänden des Hochschwab oder der Veitsch. Freilich , seine liebsten Freunde sind dem guten Wald hier treu geblieben : alle Vög lein , die nur irgend in den Wipfeln woh nen, sind ihm hierher gefolgt, sie werden sorgsam gehegt und gepflegt ; das Hochgebirg aber sendet ihm von Norden und Westen seine alpenfrischen Grüße her nieder. — So steht der Schloßberg, ein Vorposten
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des Waldes inmitten der großen Stadt, und Häuser und Gassen drängen sich um seinen Fuß (S. 175) . Er ist ganz isoliert und hängt mit feinem der Berge ringsum zusammen ; im Norden der Stadt hat er aber einen kleinen Bruder , den Kalvarienberg ; die beiden Felsbrocken soll niemand geringerer als der Teufel hierher geworfen haben. Er wollte nämlich dem platten Schöckl, dem höchsten Berge der Umgebung, einen stattlichen Kopf auffeßen, die Steine dazu hatte er gar aus Afrika herbeigeholt ; aber eines der üblichen Hindernisse hier eine fromme Wallfahrerschar - vereitelte seine Absicht , und seine Bürde fiel auf das Grazerfeld. Frühzeitig mag dieser wichtige strategische Punkt befestigt gewesen sein ; urkundlich wissen wir's, seitdem die Türken ihre zahlreichen blutigen Einfälle ins Steirerland begannen. Die starke, ehedem für uneinnehmbar geltende Hochburg krönte noch zu Beginn dieses Jahrhunderts den steilen Felskegel , zuletzt wurde sie 1809 von Major Hacker mit 500 Mann und 26 Kanonen sieben Tage lang gegen 3000 Franzosen verteidigt. Als aber zu Wien der Waffenstillstand geschlossen wurde, mußte auch Graz den Feinden überantwortet werden, und sie rächten sich an der trogigen Bergfeste mit Pulver und Spit hacken so gründlich , daß wir heute nur noch wenige Mauerreste von dieser ehemals so imposanten Fortifikation mehr finden. Die zwei Türme aber , welche heute noch den Schloßberg so malerisch schmücken, kaufte die Grazer Bürgerschaft den Franzosen mit schwerem Gelde ab. Später wurde der Berg friedlicheren Zwecken überwiesen, und ein Soldat selbst war es, der Feldzeugmeister Baron Welden , der ihn zu einem Wildparke eigenster Art umgeschaffen hat. Auf schön gepflegten Pfaden , ja sogar im bequemen Wagen kann man die Höhe erreichen. Oben dehnt sich ein schattiges Plateau aus ; wenn wir dieses umschreiten , so können wir ganz Graz mit seiner fröhlichen mannigfaltigen Umgebung überblicken , ein Bild von entzückendster Schönheit und überreich an malerischen Einzelheiten (S. 190). Wir sehen im Norden die steile, grüne Wand des Schöckl ( S. 172) , des 1342 m hohen Wetterpropheten von Graz, links davon die grauen Felshöhen gegen Gleinalpe und Hochschwab, die nur im Hochsommer von Schnee frei sind . Von dort her schlängelt fich das blaue Band der Mur durch das fruchtbare Gefilde , an der hochragenden Ruine Gösting vorüber. Im Rundblick reihen sich nähere Waldberge an; schon zeigen sich die Kirchen und Kapellen auf den Bergkämmen , die im südlichen windischen Land so häufig werden. Darüber baut sich der breite Rücken der Koralpe auf, des gewaltigen Wächters an der Grenze von Steiermark und Kärnten. Dann verslacht sich das Land gegen Süden , die Mur zieht in breitem Bette durch die reichbebaute Ebene, am Horizonte sieht man das ferne Bacher8
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=172 gebirge und andere Höhen von Untersteier ; näher zu uns liegt der langgestreckte Wil donerberg. Dann rasch herantretend der villenbedeckte Ruckerlberg. Aus dem Waldesdunkel der östlichen Hügel leuchtet die liebliche , doppeltürmige Wallfahrtskirche Mariatrost hervor und dann schließt der Rosenberg den Ring ; an ihm ziehen sich die schönsten Gärten, die anmutigsten Land häuser hinan ; mit seinem Genossen , dem waldigen Rainerkogel, legt er sich vor den Schödl. Ringsum, uns zu Füßen, breitet sich die Stadt aus . Westlich fällt der Schloßberg steil und felsig zur Mur ab. Nur wenige schmale Gassen mit alten , hochgiebligen Häusern schmiegen sich an seinen Fuß. Destlich schließt der ausgedehnte Stadtpark an den raschaufsteigenden Wald an; er ist an Stelle des ehemaligen Glacis und mit geschickter Benütung der langen, die alten Wälle überschattenden Alleen an gelegt; auf dieser Seite stehen auch noch Reste der Stadtmauern. Südlich ziehen sich die Häuser und Gassen bis an die steile Bergwand hinan und einer der zur Höhe führenden Wege beginnt sogar in einem Hausthore der Sporgasse. Wir blicken von unserem Standpunkte fast senkrecht auf das stattliche Häusermeer hinab und können uns mit Bequemlichkeit die Punkte aussuchen, die wir später , zu Thal gestiegen , in näheren Augenschein nehmen wollen (S. 169). Wir sehen im Weichbilde der Stadt vier Brücken den rauschenden Fluß über sehen. Ueber die mittelste Rettenbrücke geht es wie Ameisengewimmel hin und wieder; sie leitet den Hauptverkehr in die westlichen Stadtteile, und durch die lange Annenstraße zum Südbahnhof, den wir weit draußen, halbwegs von den Bergen liegen sehen. Eine schattige Allee führt von ihm noch weiter, bis an den Rand des ausgedehnten Thalbodens, zum fünf türmigen Schlosse Eggenberg. Auf der Mur schwimmen Flöße dem Süden zu; seit kurzem bemühen sich auch zwei kleine Schraubendampfer, die reißende Strömung zu überwinden ; aber das wilde Bergwasser scheint sich diese Neuerung nicht
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recht gefallen lassen zu wollen. Drüben, jenseits der Mur liegen die meisten industriellen Etablissements , hier herrscht die Arbeit. Aufder entgegengesetzten Seite der Stadt bleiben die Häuser nicht lange zu engen Gassen vereinigt , Gärten und Anlagen schieben sich dazwischen, und bald jenseits des Stadtparkes beginnen die Villen und Landsize, oft von verschwenderischer Pracht ; hier sind die Heimstätten des Lurus und des Wohllebens . Gegen Süden läuft die breite , statt liche Herrengasse mitten durch die Stadt ; sie geht vom dreieckigen Hauptplay aus, den das Denkmal des Erzherzogs Johann schmückt. Links drüben in den neuen Vierteln des Südostens ragt der hohe, schlanke Turm der Herz- Jesutirche empor und zwischen diesen markantesten Punkten breitet sich die Stadt aus, von deren roten Dächern das allenthalben hervorbrechende Grün gar lieblich absticht. Etwas unterhalb des eigentlichen Schloßbergplateaus steht ein massiver acht eckiger Turm, der in seinem Innern die größte Glocke des Landes, die alte Liesel " birgt. Ihr sonorer , nicht zu verkennen der Klang tönt dreimal täglich über die Stadt hin . So haben's die Grazer gehalten seit der großen Türkennot des Jahres 1664. Unter Kaiser Josef wurde diese Uebung aufgehoben. Aber den Bürgern ward es alsbald zu bang ohne den gewohnten Ton, und der Kaiser nahm auf ihr Bitten das Verbot wieder zurück. Noch weiter unten liegt die Feuerbatterie, gleichfalls ein Rest des ehemaligen Festungsbaues, von der aus bei größeren Bränden die Stadt durch Kanonenschüsse alarmiert wird. Man gelangt über eine hohe , gemauerte Brücke zu ihr hinüber, unter der sich ansehnliche Trümmer der von den Franzosen gesprengten Kasematten befinden. Wandern wir durch eine schattige Kastanienallee wieder eine Staffel tiefer, so erblicken wir, scharf gegen die Stadt vorgeschoben, das merkwürdigste Bauwerk des Schloßbergs , den viereckigen , untersetten Uhrturm ( S. 175) . Von einer hohen Dach haube überragt , steht er trosig auf der steilabfallendenFel sentanzel und zeigt mit ungeheuren Zifferblättern nach allen vier Welt: gegenden, wie viel die Uhr geschlagen hat ; das Triebwerk ist äußerst kunst volleingerichtet. In diesem seltsamen, halb in der Erde versunkenen Bau soll der berühmte Schauspieler Brock mann das Licht der Welt erblickt haben. Wir schreiten, nach dem wir rasch Um schau gehalten, Der Schödl (S. 171). fröhlich weiterdurch
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schönen Wald und kommen bald zu einer netten Restauration , dem Schweizerhaus , vor dem die Grazer dem Feldzeugmeister Welden von Hans Gasser ein Standbild errichten ließen. Reizend ist die Aussicht von der Terrasse über die Stadt und die Waldberge. Auf mannigfach sich kreuzenden Wegen können wir nun vollends zu Thal steigen und betreten bei dem altersgrauen Paulusthor den wohlgepflegten Stadtpark, in dem uns zunächst das weißleuchtende Marmordenkmal des Dichters Anastasius Grün (Graf Auersperg) in dunkler Laubnische vor Augen tritt. Dann sehen wir einen stattlichen Monumentalbrunnen, der im Jahre 1873 den Mittelpunkt der Rotunde in der Wiener Weltausstellung bildete ; dahinter liegt ein Kaffeehaus , bei dem sich zur Sommerszeit, wenn Musik hier spielt, die elegante Welt von Graz sammelt. Da hört man viel italienisch sprechen , denn Graz wird von zahlreichen Familien aus Triest, Görz, Fiume als Sommerfrischort benutzt. Wir blicken durch die schattigen Bäume links in die breite palastgeschmückte Elisabethstraße hinein, an deren Ende der Turm von St. Leonhard sichtbar wird, und biegen dann rechts ab, um durch das niedrige Burgthor in das Innere der Stadt zu gelangen. Zunächst kommen wir zu der Domkirche. Sie wurde von Kaiser Friedrich III . im Jahre 1446 erbaut ; am westlichen Portale hat er auch seinen bekannten Sinnspruch A. E. I. O. U. angebracht . Der Bau ist groß und stattlich, es krönt ihn aber nur ein kurzes , stämmiges Türmlein, kaum viel größer als ein Dachreiter. Gleich daneben sehen wir ein pruntvolleres Gebäude. Hier hat sich Kaiser Ferdinand II. ein Mausoleum gebaut (S. 180) , dessen reiche Fassade eine der bemerkenswer testen Zierden der Stadt bildet. Wir müssen ein paar Schritte links in die Bürgergasse hinabgehen, und dann die breite Treppe hinansteigen. Die interessante Zusammenstellung von übereinander gereihten Rundgiebeln und Attiken macht im Verein mit den wohlproportionierten jonischen Säulen einen ganz prächtigen Eindruck. Im Innern ruhen die Eltern des Erbauers, Erzherzog Karl II . und seine Gemahlin in einfachem Grabgewölbe. Auch Erzherzog Johann war bis 1861 hier beigesezt. Dem Dome und dem Mausoleum gegen über liegt die Karl-Franzens - Universität, auf der anderen Seite der Straße der kleine Burggarten. Wir kommen dann weiter am landschaftlichen Theater und dem Franzensplaß vorüber, durch die steile, enge Sporgasse aufden Hauptplatz (S. 178). Rechts und links altertümliche hochgieblige Häuser mit abenteuerlichen Wasserspeiern, unten an der Ecke des " Luegg" , mit Lau ben und mannigfacher Stuckarbeit an den dunkeln Wänden. Den Hauptplatziert das ErzherzogJohann- Denkmal , ein in großem Stile angelegter Monumentalbrunnen. Um die Statue des allverehrten , unvergeßlichen
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Gönners und Förderers der Steiermark, und nicht weit davon das Denkmal Kaiser | hause , von dessen Giebel uns freundliche reihen sich vier schönbewegte weibliche Ge- Josefs . Dann mögen wir an der netten Sprüche grüßen, vorüber, steigen wir durch stalten, welche die Hauptflüsse des Landes , protestantischen Kirche vorüber längs den prächtige Tannen zum Aussichtsturm Enns , Mur, Drau und Save repräsen Häusern der Glacisstraße weiterschreiten, hinan; seine bequeme Wendeltreppe erhebt tieren. An der Ecke der allzeit belebten welche den Stadtpark östlich umsäumt ; da uns rasch über die Wipfel der Bäume . Herrengasse steht das 1807 erbaute Rat gibt's noch eine Merkwürdigkeit zu schauen, Da liegt nun wieder die liebe Stadt mit haus , es wird eben bedeutend erweitert. Die älteste Kirche von Graz, die Leechkirche ihren roten Dächern , ihren Türmen und Auf dem Plaze, zu dem der Schloßberg ( S. 182) , bescheiden in einer Seitengasse dem allerorten hervorlugenden Grün vor überaus malerisch hereinblickt, fiel im De- gelegen. Sie ward von den Babenbergern uns. Der Schloßberg zeigt sich von Osten zember 1671 das Haupt jenes Grafen gegründet und von den Habsburgern in gar stattlich. Wir sehen ihn im Profil und Tattenbach, der als Statthalter der Steier ihrer heutigen Gestalt 1275 erbaut. Jegt er verbirgt uns keinen seiner intereſſanten Punkte. Darüber blauen die Berge der mark mit Zriny und Frangepan in die gehört sie dem deutschen Orden. Weſſelenysche Verschwörung verwickelt war. | Das Bild von Graz ist nicht vollstän- | anderen Thalseite, rechts schließt der Schöckl an und Seine im Rück Genos blick sen liegen auf schaut man in dem die Kirchhof von WaldWiener thäler des östNeustadt. lichen Nun Landes. Wan führt dern wir uns der am Weg in die stattHilm liche, teich links menvorüber, schenwim so kommen wir melnde JOS-SOR zur weit Herrenhin sicht: gaſſe. BEE 5 baren, Hier EFE F herricht doppeltürmi lebhafte ster, gen NAYYYYMMMMMM ... Wall großfahrts ſtädti firche scher Maria Verkehr, We Troit in hier fin li 8 ch 8 det man S.188). ( ・Whethurm" die Eine (S. 173). steile schönsten Läden der Stadt . Rechter Hand ruft uns Treppe führt Partie am Schloßberg (S. 171). eine verwittert Tafel mit der Jahreszahl e hinan ; 1588 an der grauen, ernsten Fassade des oben Landhaus zu: " Das niemand sich unter: es steh' in diesem hochbefreite Landhause zu dig, wenn wir die Stadt nicht auch noch blickt man durch das tannendunkle Thal n rumohren, die Wöhr , Tolch oder Brodmesser von einem außerhalb ihrer Grenzen ge- gegen Graz hinaus ; und von allen Seiten zu zucken, gleichfalls mit andern Wöhren legenen höheren Punkte sehen können, von drängen sich die Nadelbäume heran , die 14 ungebühr zu üben , oder Maulstreich aus dem aus sie sich, ihr grünes Wahrzeichen schöne, stille Kirche zu umfassen. Unten im Thal führt die Straße weiter Im Hofe fallen uns edel in der Mitte, dem Auge darstellt. zugeben". Dazu eignet sich eine neue Anlage, der gegen Weiz an die jungeRaab, und links Bogengänge und eine wunproportion ierte derschöne ,schmie deeiserne Brunnenlaube auf. hohe, schlanke Turm derHilmwarte, oberhalb abbiegend zu dem wunderthätigen Kaltauf der linken Seite des Hilmteiches ( S. 185), ganz besonders wasserbade Radegund, das auf weiter BergDie Stadtpfarr kirche birgt in ihrem Inn ern eine Himmelfahrt gut. Ich möchte nicht gerade behaupten, halde, am Fuß der dräuenden Schöcklwand Mariä von Tintoretto . daß der fabrikschlotartige Rohziegelbau mit gelegen , einen herzerhebenden Rundblick Nun öffnet sich bald der Jacominiplat, der gekünstelten Dachkonstruktion just eine über die ganze südöstliche Steiermark bis an den rechts der schöne botanische Garten Zierde der Gegend wäre; aber seinen Zweck nach Ungarn hinein bietet. Am Horizont blaut der steile Felskegel der Riegersburg, des Joanneums anstößt , während links als Schaugerüste erfüllt er vortrefflich. die schattigen Alleen des Karl-LudwigDen lieblichen Hilmteich, auf dem sich an den Hohentwiel gemahnend; rechts daund Burgrings uns wieder zum Stadt die Grazer im Sommer mit Kahnfahren, von sieht man jene zwei ähnlich geformten park zurückführen. Wir finden manch im Winter mit Schlittschuhlaufen ver Berge , von denen Bad Gleichenberg den lauschiges, reizendes Pläßchen ; sehen auch gnügen, erreichen wir mittels Pferdebahn Namen führt. noch eine hübsche Erzstatue von Brand- oder auch zu Fuß durch hübsche VillenVon Radegund gelangt man in kaum stötter, die „Waldlilie", aus Roseggers straßen sonder Mühe in einer halben zwei Stunden auf das Schöcklplateau. Waldschulmeister", und eine Schillerbüste. Stunde. Er liegt am Rande der östlichen Die Aussicht ist umfassend und steht mit Hier steht das zweite Theater von Graz, Waldgehänge. An einem schmucken Holz- ihrer hehren Pracht in keinem Verhältnisse
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des Ruhestan des. Das ist charakteristisch. Die Zahl der Beamten und Offiziere, diesich nach mehr oder weniger rühm lich vollstreckter Dienstzeit hier angesiedelt ha ben, wächst mit jedem Jahre, da her denn Graz auch die " Pen fionopolis " von Desterreich ge nannt wird. Allenthalbenbegegnet man den strammen alten Wal oli Herren, die auch th im Zivilkleide den ehemaligen Hauptplatz (S. 174). Militär nicht verleugnen fön zu den geringen Mühen des Aufstieges.nen ; es schlägt ihnen hier gut an, sie wer Kehren wir von Maria- Trost heim , so den sehr alt, ein Beweis , daß es sich hier mögen wir auf halbem Wege rechts ein gar angenehm hausen läßt. — Aber die schwenken und auf guter Fahrstraße zum Jugend ist, Gott sei Dank, doch auch zur Rosenberg hinansteigen. Auf ihm reiht Genüge vertreten. sich Garten an Garten, Landhaus an LandDie Karl - Franzens - Universität lockt haus . Ein stattliches Gebäude hat Pro von allen Seiten, namentlich auch aus den fessor Krafft - Ebing hier aufgeführt , so südlichen Provinzen der Monarchie Lern schön gelegen und so fröhlich zu schauen, begierige an; ebenso die technische Hochdaß man darüber die traurige Bestimmung schule, die eben in einen neuen Brachtbau desselben vergißt : es dient Gemütskranken übersiedelt. Die Garnison stellt ein statt zum heilsamen Aufenthalt. Auf der Höhe liches Kontingent flotter Offiziere , und finden wir den " Stoffbauer" und die der weibliche Teil der Jugend ist durch Rose", zwei Ruhepläge, die allen hung seine Anmut weithin berühmt: fo find alle rigen und durftigen Wanderern angelegent Bedingungen gegeben, um das Gesellschaftslichst empfohlen sein mögen. In lauschiger leben zu einem fröhlichen und angenehmen — Waldschlucht am Fuß des Rosenberges liegt zu gestalten. das stille Kirchlein Maria- Grün (S. 188). Die jungen Damen , und noch mehr Herzerhebend ist allenthalben der Ausblick die verehrten Frauen Mamas über die Stadt und ihre Gärten , über die beklagen sich zwar, daß in Graz Berge und die blühende Ebene, vom silbernen so wenig geheiratet werde ; es Bande der Mur durchzogen. Wer noch gäbe unter den disponiblen Herren mehr und weiter sehen will, der kann auf nur Studenten, die noch nicht dem Bergeskamme weiterschreitend die oder Pensionisten, die nicht mehr „ Platte" mühelos erreichen. Die oben zu Hymens Fackel schwören wolbefindliche ,, Stefaniewarte" schimmert weit len; aber das ist schnöde Verund breit ins Land hinaus . leumdung und ließe sich durch Andere reizende Ausflüge gibt es, mehr statistische Daten widerlegen. als ich in diesem engen Rahmen beschreiben Das geistige Leben findet kann. Da ist das waldumhegte Tobelbad, mannigfache Anregung ; eifrig dann Judendorf mit dem zierlichen Wall- und mit Verständnis wird die fahrtskirchlein Straßengel ; die malerische Musik gepflegt ; die Litteratur Ruine Gösting, auf steilem Felsen über der aber ist vor allem durch zwei Mur gelegen ; die Burg von Thal , Schloß Berühmtheiten vertreten , durch Eggenberg und noch unzählige schöne, leicht Hamerling und durch Rosegger. Der Namen der Stadt dürfte crreichbare Punkte. Man kann in jedem Konversations- windischen Ursprungs sein, aus lerikon nachlesen , daß die Hauptstadt der gradec Burg" entstanden ; die Steiermark bei 100000 Einwohner zählt ; ehemals übliche Bezeichnung und der alte Cicerone oben auf dem " Grät" ist längst verschwunSchloßbergplateau, der jedem, in dem er den. Die Gegend war bis ins einen Fremden erkennt oder vermutet, un achte Jahrhundert slawisch, und gebeten allerlei statistische Daten über die wir brauchen auch heute noch gar Stadt mitteilt , weiß uns genau zu be- nicht mehr weit gegen Süden richten, wie viel " Pensionisten " sich darun vorzudringen , um in den Beter befinden, allein bei hundert Generale reich windischer Sprache zu ge
180: langen. Das heutige Graz selbst aber ist kerndeutsch ; es weht hier eine frische, ener gische Luft in jeder Beziehung, das bringt die Nähe der Berge mit sich. Der deutsche Steirer gehört ja überhaupt zur Elitebevölkerung von Desterreich , es ist ein wohlgebildeter, thatkräftiger , intelligenter Stamm, dem's nicht leicht einer gleichthut in den weiten Marken der Monarchie. Er weiß auch , was er wert ist und ist stolz auf sein schönes Land , in dem sich's so gut wohnen läßt. Der wadern Hauptstadt aber hab' ich nunmehr meinen Dank abgedenn stattet ; ich war ihr ihn schuldig ; aus ihren Mauern hab' ich mir mein süßes, holdes Weibchen geholt.
Was thun wir, um uns abzuhärten?
Die Frage nach einem Mittel ſich abzuhärten hängt so innig mit der allgemeinen Pflege der körperlichen Gesundheit zusammen, daß ich im Grunde am einfachsten thäte, auf eines der zahlreichen Bücher über Gesundheits pflege zu verweisen. Wer das befolgt , was die Hygieine lehrt, wird hart genug sein, um überwindlichen Schädlichkeiten des Lebens sieg reich entgegenzutreten. Da aber mein Lehrbuch der Hygieine noch nicht gedruckt ist, überhaupt vorläufig nur aus zahlreichen unbeschriebenen Bogen Normal: papiers besteht, mir auch mehr daran liegt, selbst Leser zu haben, als meinen schriftstel lernden Kollegen Wißbegierige zuzuführen, ſo will ich heute versuchen, einige Punkte herauszugreifen, die besonders geeignet sind, die ge wünschten Aufklärungen zu geben. Wenn alle Menschen gleich wären , was fie zum Glück für den Abwechslung verlangenden Geist des Beobachters nicht sind, so würde es sehr einfachsein, eine Methode aufzustellen. Da nun aber ein jeder seine eigene Natur hat, die sich aus seiner Herkunft, Erziehung,
Mausoleum (S. 174),
Paul Moldenhauer. 181:
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183: Man kann nicht Kräfte bekommen , ohne Gewöhnung und Lebensweise erklärt, ist es Wer sich zu warm kleidet , verweichlicht grundfalsch, alle über einen Leisten schlagen sich, das ist allgemein bekannt. Ebenso richtig sie zu üben , aber es wird niemand einfal zu wollen, wie es die überzeugungstreuen aber ist, daß wer sich ungenügend kleidet, sich len , durch unausgesetzte Arbeit dahin zu geVerfechter eines selbsterprobten Verfahrens ge- nicht etwa abhärtet, sondern seine Wider langen. So kann man sich auch nicht ab wöhnlich gerne möchten. Wenn Herr A. die standskraft herabseßt. Trozdem wird gegen härten , ohne sich regelmäßig und immer wie Folgen seiner überreichlichen Nahrungsauf diese Thatsache außerordentlich oft gesündigt, der der frischen Luft und anderen Einflüssen, nahme durch reine Pflanzenkost beseitigt und gerade in der Absicht sich abzuhärten. Die denen man widerstehen will, auszusehen, aber seine Gesundheit dadurch auf einen beneidens: Jugend in der Entwickelungsperiode hat ohne auch dieser Arbeit , die der Körper leistet, werten Standpunkt gebracht hat, so folgt dar hin eine gewisse Neigung, Ueberzieher und muß zur rechten Zeit die Ruhe folgen. Und aus für ihn, daß nun alle Menschen Vege- ähnliche praktische Kleidungsstücke zu ver- wohlgemerkt , wie nicht in jedem Arm die tarier werden sollten ; wenn Frau B. ihren schmähen, sei es weil das Anlegen derselben zu Fähigkeit steckt , Herkuleskünfte zu verrichten, schwachen Magen nach Bocks Vorschrift durch umständlich ist, sei es weil irgend ein bevor so ist auch nicht jeder in der Lage, es an allmorgendliches Trinken von warmem Wasser zugter Genosse keinen solchen trägt oder weil erkannten Abhärtungsmeiern gleich zu thun. kuriert hat und Herr C. seit dem Gebrauch es flotter anssicht und was dergleichen Schüler Wer ohne Unterzeug bei kaltem Wetter nekgeknoteter Unterkleider keinen seiner be gründe mehr sind. Auch die Wärme der Um Schnupfen und Rheumatismus bekommt, thut kannten furchtbaren Schnupfen mehr durchgebung soll weder zu groß noch zu gering sein. besser, ein wollenes oder baumwollenes Hemd unterzuziehen, als abzuwarten, bis durch Gewöhnung sein zumachen hatte, so möchten diese Glücklichen in uneigennützigster Dr. C. Rlümpfgen. Leiden chronisch geworden ist. Menschenfreundlichkeit auch anderen diese Segnungen zu teil eines schickt werden lassen. Die Absicht ist gut, aber sich nicht für alle, und jeder thut am besten, sich allein des Gewonnenen zu freuen und die Belehrung anderer Der Adept von Helmstedt . den Fachmännern zu überlassen , welche in jedem Falle das Für und Wider erwägen können. Von In der That lernt jeder am besten aus eigener Erfahrung , was ihn vor Erkältungen Paul Moldenhauer. und ähnlichen Leiden schüßt . Nur gewisse allgemeine Regeln gibt es, die zu besprechen von schon deshalb Wert hat, weil auch ihre Wenige Meilen nordöstlich Uebertreibung Schaden bringen kann. Braunschweig liegt in der Nähe Die Abhärtung läßt sich niemals er: der waldbedeckten Hügel des Elm in zwingen, sondern immer nur allmählich anmutiger , wenn auch nicht eben und durch bedachtes Vorgehen erreichen. malerischer Gegend das Städtchen Wohl dem, der als Kind verständige Helmstedt , welches sich, heute nur Eltern und Erzieher gehabt und unbewußt wenig genannt und aufgesucht, bis in zur Festigkeit und Gesundheit erzogen das erste Jahrzehnt unseres Jahrhun ist. Der kleine Körper des Kindes erderts als ansehnliche Universitätsstadt leichtert die Maßregel sehr , welche bei eines weitverbreiteten Rufes und zahlweitem die wichtigste ist : das Baden. Hier wird nun freilich durch Uebertreireichen Zulaufs erfreute. Im Jahre bung sehr viel gesündigt. Wer der An1575 vom Herzog Julius von Braunsicht ist, daß man sich nur in recht kaltes schweig begründet und durch sorgsame Wasser zu begeben brauche, um sich ab康 Wahrnehmung ihrer Interessen seizuhärten, wird bald mit blauer Nase und 健 tens der Nachfolger des Stifters erfroftroten Händen den Kampfplatz verfolgreich gefördert, hatte sich die Julia Lassen. Das gesunde Bad soll wenig Carolina zu einer bedeutungsvollen unter der 28 ° R. betragenden Körpertemperatur liegen, bei Kindern 27-26, Pflegestätte der Wissenschaften entwickelt. Sie sollte jedoch ein jähes bei Erwachsenen 27-25 ° R. warm sein ; seine Dauer 5-10 Minuten. Das FlußEnde finden ; denn als in unseres bad, in dem ausgiebige Körperbewegung Vaterlandes unglücklichster Zeit der möglich ist, kann wesentlich kühler sein; Faschingskönig Jérôme in Westfalen im Seebade, dessen Salzwasser die Haut seinen erbärmlichen Thron aufschlug, stärker reizt , werden Wärmegrade bis befand er es im Dezember des 11 und 10 herab noch günstig wirken, Jahres 1809 - für gut, die Uniwenn die Dauer kurz genug bemessen wird, um das unübertreffliche Urteil einversität aufzuheben und Helmstedt mit treten zu laſſen, das in dem wohligen einem Schlage seines Rufes und t a h s W I Wärmegefühl nach dem Bade liegt. Wer Glanzes zu berauben. sich nach dem Bade matt und kühl oder Dieser Willkürakt des Königs gar übel fühlt, hat zu kalt oder zu lange Leechkirche (S. 176). Lustik traf die Stadt gerade zur Zeit gebadet oder —was sehr zu beachten ist ihrer höchsten Blüte; nie zuvor hatte - fich nicht schnell und energisch genug abgetrocknet. Wer sich nach genommenem Bade | Wer dauernd im zu kühlen Zimmer sist, wird sie einen regeren Besuch von Jüngern der wohl fühlt, wozu beim warmen Wannenbade sich niemals abhärten, sondern höchstens eine Wissenschaft zu verzeichnen gehabt, und es eine nachfolgende kühlere Brausedouche beiträgt, chronische Erkältung davontragen. Sehen wir war niemand zweifelhaft, doß sie aufbestem wird die abhärtende Wirkung bald verspüren. uns nur die Leute etwas genauer an, welche Wege war, selbst das berühmte Göttingen Dazu gehört nun noch, daß man auch damit renommieren , daß sie stets im Kalten zu überflügeln. Ohne sich der Uebertreibung schuldig sonst sich vernünftig versorgt, was Speise und sißen , ohne Ueberzieher gehen, den ganzen Trank, Kleidung und Umgebungswärme be- Morgen nüchtern bleiben u. s. w. - wir wer trifft. Nüchtern große Anstrengungen zu er den an ihnen allen manches auszusehen finden. zu machen, darf man behaupten, daß Elmtragen ist ebenso unzweckmäßig , wie allzu Ich habe wenigstens noch keinen solchen Ab- Athen, wie Helmstedt im Munde der für große Pausen zwischen den einzelnen Mahl- härtungsferen gefunden , mit dem ich hätte ihre alma mater begeisterten Studenten seiten zu lassen. Soll die Maschine gleich: tauschen mögen. Es läßt sich eben dem Men hieß, seine Bedeutung in den legten fünfmäßig arbeiten, so muß sie regelrecht bedient schen seine Natur so wenig abgewöhnen , wie zig Jahren seines Bestehens fast ausschließ- werden. Die drei größeren und zwei kleineren dem Pferde das Futter. Der Bauer, der er lich einem einzigen Manne auf dem akaMahlzeiten unseres Klimas sind gute Erzählt, er habe seinem Gaul jezt gerade das demischen Lehrstuhle der medizinischen Farungenschaften Volkserfah: Unglück Fressen ganz abgewöhnt sei er aber zum fultät zu verdanken hatte ; in ihm warder rung. Wer sichjahrhundertelanger für gewöhnlich regelmäßig gestorben, findet und vieledaSpötter, und genügend nährt, kann am ehesten ohne fast ebenso viele Nachahmer, denn der Mensch Magnet zu suchen, der nicht allein die HörSchaden im Notfall einmal eine Mahlzeit ent: thut gern selbst das, was er bei anderen be: jäle mit wissensdurstigen Jünglingen füllte, sondern auch gelehrte und ungelehrte Män frittelt. behren.
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184ner, Angehörige des Volkes wie der höch ſten Stände veranlaßte , in großer Zahl den Ort seiner Thätigkeit aufzusuchen. In dessen nicht sein fabelhaftes , durch Vielseitigkeit beſte= chendes Wissen, nicht die Art, wie er dasselbe sei= nen Kau : schenden Schü lern mitzuteilen verstand, nicht auch die wohlver: diente Be rühmt heit als ausübender Arzt, oder sein unbe streitba Wei nli rer Ruf ch als einer derersten Chemiker seiner Zeit war das Motiv, das die Mehrzahl seiner Bewunderer ihm zuführte ; zu zählen waren die wenigen , welche der innere Drang, dem großen Manne ihre persönliche Verehrung darzubringen, oder ein wirklich wissenschaft liches Interesse nach Helmstedt trieb. Der große Haufe der ihn aufsuchenden Frem den ließ sich lediglich durch das ganz abjonderlich Geheimnisvolle und Rätselhafte seines Auftretens anziehen. Halb als Gelehrter, halb als ein Charlatan und Renommist sich darstellend, hatte der „ Primarius Professor Medicinae, Chemiae, Chirurgiae, Pharmaceutices, Physices, Botanices et reliquae historiae naturalis, Präsident der allerhöchst gestifteten medizinischen Gesellschaft, Mitglied medizinischer, physikalischer , ökonomischer , litterarischer Vereine, und Dominus praedii Weiden see, " wie sich der Herzoglich Braunschweigische Hofrat Gottfried Christoph Beireis mit unnachahmlichem Stolze zu zeichnen liebte, zu einer ans Unglaubliche grenzenden Anzahl von Fabeln und sturrilen Schnurren Anlaß gegeben , die sich teils an seine Person, teils an seine selbst geschaffene häusliche Umgebung knüpften. In wunderbarem Grade wußte er , der Eigenart jedes seiner Besucher sich anschmie gend, seine Kenntnisse und Besißtümer in stets neuen, immer aber gleißenden Farben schillern zu lassen, dergestalt, daß man in diesem fieberhaften Bemühen, sich unter
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allen Umständen ein in die Augen stechendes Air zu geben, sein eigentliches Lebensziel zu erkennen glaubte ; sein sonstiges Wirken als Lehrer und Arzt verschwand
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der Strömung seiner Zeit zu lösen ; noch heute ist das Urteil über den Toten nicht immer ein vorurteilsfreies . Die Entstehungsgeschichte derartiger Anekdoten anzudeuten, werden wir ſpäter mehrfach Ge legenheit finden; es wird sich als dann ergeben, daß, falls sie nicht gänzlich aus der Luft gee griffen m rt oder Gl wa mißver ständlich geändert worden sind, Beireis cine in Wirklichkeit vorhan dene Thatsache wohl Am Hilmteich (S. 176). ausgeschmückt für den minder genauen Beobachter fast und ruhmredig übertrieben habe in dem völlig. Das äußerliche pomphafte Beiwerk, von niemand zu leugnenden Bestreben, seine mit dem der rätselhafte Gelehrte sich wie Person stets in das hellste Licht zu stellen ; mit einem goldstrohenden , verschnörkelten aber nur solchen Leuten mag er wohl geRahmen umgab, blendete die meisten seiner radezu selbsterdachte Märchen aufgebunden Mitbürger und fremden Besucher , seiner haben , bei denen er voraussehen konnte, Amtsgenossen und Schüler, und verstimmte daß sie ihre Unsinnigkeit auf den ersten sie zum Teil. Je weniger sie sich aber Blick einsehen und als guten Scherz beimstande oder berufen fühlten , Beireis ' lächeln würden, oder die ihn durch gar zu Bedeutung als eines wahrhaft edlen Men kritiklose Einfalt und Leichtgläubigkeit kiselschen und großen Gelehrten von seiner ten, seiner kühnen Phantasie schrankenlos maßlos eitlen Selbstvergötterung zu schei Thür und Thor zu öffnen. Was die den, um so mehr ließen sie sich daran ge- letteren persönlich für einen Eindruck von nügen , auf seine lettere und , darf man ihm erhielten, konnte ihm gleichgültig sein; getrost behaupten , fast einzige Charakter derjenige, den die von ihnen verbreiteten, schwäche alles Gewicht zu legen und durch nun ihrerseits als glaubhaft hingestellten Entstellungen , ja selbst Erdichtungen das Fabeln in der großen Menge erweckten, Auffinden der echten Goldkörner seines war ihm nicht unangenehm , da er stets Wesens dem unbefangenen , sein Wirken seiner Eitelkeit schmeichelte. Von ersterer gegen seine Worte genau und sine ira et Klasse seiner Bewunderer aber meinte er studio abwägenden Beobachter erheblich wohl eine gänzliche Verkennung seiner Abzu erschweren. Gegenüber den Schriften, sichten nicht befürchten zu müssen ; es waren in welchen Beireis auf Grund wahllos nur wenige , die diese Erwartung rechtaneinander gereihter , zum Teil gänzlich fertigten. Um zunächst einen Begriff von den unverbürgter, zum Teil entstellter und in ihrem Zusammenhange mit wirklichen Vor- Wunderlichkeiten zu geben , welche jeden fällen schwer erkennbarer Anekdoten als Besucher ohne Ausnahme in Beireis ' Wesen ein verlogener, charakterloser Charlatan und und Häuslichkeit erwarteten , bitten wir Schwindler hingestellt wird , verschwinden den Leser, mit uns das Haus des „ Zaubeinahe die Bemühungen wohlmeinender berers von Helmstedt " , wie ihn Goethe Männer, das psychologische Rätsel, welches nennt, zu betreten. Die Zeit der BesichBeireis ohne Frage war , unter Berück- tigung, welche der Hofrat nach tags zuvor sichtigung seiner persönlichen Anlagen und erfolgter Anmeldung zu bestimmen pflegte,
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" war eine sehr verschiedene ; der Fremde | dann, angesichts seiner Schäße und seines mußte es sich gefallen lassen, zu jeder Stunde unbestreitbar großen Wissens die That des Tages, am frühesten Morgen sowohl sächlichkeit seiner der Selbstberäucherung wie spät am Abend "/ bestellt" zu werden. dienenden Geschichtchen zu bezweifeln, ohne Dafür aber bot ihm Beireis ' liebenswür- jedoch auf besserem Wissen beruhende Gründe dige Gastfreundschaft und die bereitwillige, hierfür angeben zu können , so begann der eingehende Vorzeigung und Erläuterung Wunderliche das Gebiet des allenfalls aller Sehenswürdigkeiten volle Entschä- Wahrscheinlichen gänzlich aufzugeben und digung. In der sich automatisch öffnen seiner ausschweifend kühnen Phantasie die den Thür des durchaus nicht altertüm Zügel schießen zu lassen, bis niemand mehr lichen und düsteren , sondern hell und Wahrheit von Dichtung sich zu unterscheifreundlich aussehenden Hauses, dessen Fen- den getraute. ster in dem seltenen Glanze von SpieDie Sehenswürdigkeiten, welche Bei gelscheiben strahlten , empfing den Ein- reis' Haus enthielt, bestanden aus Sammtretenden des Hofrats treuer Diener Leon lungen der verschiedenartigsten Dinge in hardt, dem mit seiner Familie ausschließ- seltener Vollkommenheit ; ihr Umfang verlich die Mitbenutzung des umfangreichen anlaßte den Besizer, jedem seiner Besucher Gebäudes gestattet war ; Beireis selbst zeigte die Frage vorzulegen, welche derselben er sich dem Fremden erst in einem hinteren denn zu besichtigen wünschte. Die alsdann Wartezimmer, zu dem man über einen mit regelmäßig erfolgende Antwort : Wenn verschiedenen Seltenheiten bestandenen, im es angeht , doch alle , Herr Hofrat", gab übrigen einfach ausgestatteten und ge- ihm stets erwünschte Gelegenheit, mit einer tunchten Flur gelangte. Hier befand sich seine Ueberschätzung kennzeichnenden und u. a . der große Magnet, dessen Pole einst, als typisch anzusehenden Uebertreibung nach der üblichen, an jedem Gegenstande lächelnd zu erwidern : Ja, mein Lieber haftenden Anekdote einen Bauersmann an da werden Sie sich daraufeinrichten müssen, den Metallknöpfen seines Rockes angezogen ein halbes Jahr bei mir zu verweilen." und festgehalten haben sollten. Auch in Es war in der That nicht zu leugnen, dem Vorsaale sah man bereits, gleichsam daß eine einigermaßen genaue Musterung als Vorspiel, einige Wunderwerke, so einen der angehäuften Schäße einen Aufwand von Mohren aus Holz , der eine mit Tabak mehreren Tagen erfordert hätte; dem aller gefüllte Pfeife behaglich rauchte, und ein geringsten Teile der Besucher aber war es ver graues Männchen , das in der Hand eine gönnt, öfter als einmal zur Besichtigung wie eijerne Kugel hielt, nach deren Entfernung derzukommen ; mit den meisten durchwanderte aus der Hand ein hoher Wasserstrahl auf Beireis einmal die Sammlungen , ihnen stieg. Hierdurch wurde der Besucher gleichzeigend und erörternd, wozu sich ihm gerade beim Eintritt in eine Stimmung verseht , die bei vielen, wohl bei den meisten, die mitgebrachte, allgemein verbreitete Vorstellung von dem „ Charlatan" Beireis und den Wunsch, sich mit ihm und möglichst auch über ihn zu belustigen, nährte. Wie ganz anders wirkte dann aber das Eintreten des Hofrats selbst. Dieser nicht eben große Mann mit wachsbleichem Antlig, in dem die hohe, vornehm gewölbte Stirn , die edelgeformte Nase , das kluge , bis zum höchsten Greiſenalter unverändert scharf blickendeAuge begründete Aufmerksamkeit erregte, dessen altmodische, zwar kostbare , aber von dem erwarteten aufdringlichen Prunk gänzlich freie Kleidung ihm durchaus nichts einem Char latan Aehnliches , sondern eher eine gewisse feierliche Würde verlieh, feine Art, je nach dem Thema, ruhig ก oder begeistert unter lebhaften Gesten zu sprechen und gern und so recht aus dem Herzen zu lachen - alles dies hatte so unendlich wenig Lächerliches und machte im Gegenteil einen so gewinnenden Eindruck , daß man sich doppelt enttäuscht fühlte, wenn Beireis im weiteren Verlaufe der Unterhaltung seiner prahlerischen Eitelkeit freies Maria-Trost (S. 177). - Maria Grün (S. 178). Spiel ließ. Erlaubte man sich aber
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| Anlaß bot. Dennoch verließen ihn alle hochbefriedigt von den gesehenen und gehörten Wunderdingen. Bei allem wissenschaftlichen und künstlerischen Werte , der zweifellos den Sammlungen eigen war, verwandte der Besizer nicht die geringste Mühe darauf, sie zu ordnen oder auch nur vor dem Verderben zu schüßen ; in einem entsetzlichen Chaos lag, stand und hing alles durcheinander, angeblich, damit die größten Kostbarkeiten , unter dem Wust versteckt, hierdurch amsichersten vor Entwendung geschüßt würden. Der größte Reiz dieser Unordnung lag für ihn aber augenfällig darin, daß er dem staunenden Besucher spielend die enorme Kraft seines Gedächtnisses vorführen konnte , indem er alles, dessen er gerade bei seiner Erörterung benötigte, ohne Besinnen aus diesem Wirrsal hervorzugreifen im stande war. In sonderbaren Widerspruch zu dieser Vernachläffigung trat die fast bei jedem Stück von neuem hervorgehobene Kostbarkeit, der unablässig betonte Geldwert jedes Objektes , unter denen verschiedene präsentiert wur den , deren Erwerb Unsummen gekostet haben sollte und deren Weiterveräußerung er selbst gegen fürstliche Gebote ablehnen zu müssen vorgab. Natürlich war auch dies cine seiner beliebten Uebertreibungen, darauf berechnet, sich selbst, den Besizer so unerschwinglicher Seltenheiten, inden Augen der Welt über alles zu erheben. Immer hin bleibt es im höchsten Grade erstaunlich) , woher ein Privatmann die Mittel zur Beschaffung derartiger Sammlungen gewonnen habe ; denn obwohl Beireis nachweislich viele seiner Schäße bei Gelegenheit billig erwarb, zögerte er in anderen Fällen nicht, seinen allerorts thätigen Unterhänd lern zum Ankaufe eines ihm besonders begehrenswert scheinenden Gegenstandes ungemessene Vollmachten zu geben. Ueber seine Vermögensverhältnisse werden wir später Näheres erfahren ; bemerkt sei hier nur, daß er, ein echter Sammler , den größten Teil seiner nicht unbedeutenden. Einkünfte seinem Steckenpferde zu gute fommen ließ und sich für seine Person und Häuslichkeit der genauesten Sparsamkeit befleißigte. Gehen wir nunmehr unter Berücksich tigung der einschlägigen charakterisierenden Geschichtchen und Anekdoten die Hauptstücke seiner Sammlungen durch . Das lebhafteste Interesse bei Laien, denen der wissenschaftliche Teil weniger bedeutsam erschien, erregten stets die Automaten , welche Beireis an erster Stelle zu zeigen pflegte. Er rühmte sie , die troß ihrer kunstvollen Zusammensegung kaum eine andere Bezeichnung als mechanischer Spielereien verdienen, als unerreichbare Kunstwerke, Wunder der Mechanik von unschäßbarem Werte ; vor allem machte er auf die goldstroßende Kostbarkeit ihrer äußeren Bekleidung aufmerksam und brüstete sich mit den ungeheuren Summen , die er für ihre Er-
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ten Gartenzimmer stand, war durch Staub und Rost außer Thätigkeit geraten ; ein in Helmstedt zufällig anwesender franzö sischer Uhrmacher wurde von Beireis be auftragt , das Werk wiederherzustellen, machte sich aber , nachdem seine Kunstfertigkeit demselben völlig den Rest gegeben hatte , plößlich auf Nimmerwieder sehen davon. Als man Beireis über die Thätigkeit des Franzosen befragte , antwortete er scherzend, er lasse jest dem Flötenspieler eine Einrichtung geben, daß
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werbung und die etwa nötig gewesenen Reparaturen aufgewendet haben wollte. In erster Linie erwähnenswert sind die bekannten Vaucansonschen Kunstwerke : eine Ente , welche sich natürlich bewegte, schnatterte, unter Wasser tauchte , Körner fraß und verdaute ; ein provençalischer Pfeifer, der in sigender Stellung mit der Linken ein Flageolet an den Mund führte und mit der Rechten in den von den Melodien erforderten Modulationen eine baskische Trommel schlug ; endlich der welt-
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Blick vom Schloßberg (S. 171). berühmte Flötenspieler , der unter natur getreuer Bewegung der Finger und des Kopfes, sowie der Zunge und Lippen zwölf einfache Stücke auf der Flöte vortrug. Von den zahlreichen Fabeln , welche, an geblich aus Beireis' Munde stammend, über die Automaten verbreitet waren, führen wir nur die folgende an, welche für die Entstehung vieler der bestehenden Märchen und den ihnen beizulegenden Wert für die Beurteilung von Beireis bezeichnend ist. Der Flötenspieler, welcher mit den anderen Automaten- darunter eine astronomische Uhr von Johann Baptist Homann, eine Zauberuhr von Pierre Jacques Dooz, und eine von Goethe praktisch erprobte Rechenmaschine in einem feuch-
er jedes Stück vom Blatt spielen könne; nach dem heimlichen Entweichen des Uhr machers führte er den Scherz offenbar weiter, indem er den sich Erkundigen den mitteilte : der Franzose hole jezt die Noten ! Diese Worte wurden weiter er zählt, bis man ihren scherzhaften Cha rafter verkannte und sie für ernsthaft gemeint hielt ; so kam es denn schließlich fogar so weit , daß ein hochachtbarer hol ländischer Gelehrter in einer seiner Schriften als eine von Beireis persönlich behauptete Thatsache angab : „ Der Flötenbläser spielt jedes Stück vom Blatt ! " Nach den Automaten pflegte Beireis seine Instrumente zu zeigen , welche zum Teil von großem praktischen Wert waren ;
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indessen pflegte er sich hiermit nicht la aufzuhalten , da die physikalischen , aft nomischen und mathematischen Appa wenig Anlaß boten , selbstverherrliche Geschichten vorzubringen. Es folgten sodann die Natural welche kostbare Seltenheiten enthielt aber in welchem Zustande! Die a gestopften Tiere waren haarlos oder fiedert, die Herbarien von Insekten plündert, die Weingeistpräparatevertro die Skelette auseinandergefallen. Diese nachlässigung, die er, wie wir bereits jagt als absichtlich hervorgebracht hinzustel suchte , war nicht sowohl die Folge Gleichgültigkeit und Indolenz des rats , als vielmehr seiner thatsächli Unfähigkeit, in eigener Person dem falle zu wehren ; einen anderen aber, wäre es der treue Leonhardt gewesen der Ordnung seiner zahllosen Schäße nehmen zu lassen, hätte er nie übers gebracht. So ließ er denn die Dinge ihren Verlauf nehmen und suchte Miene zum bösen Spiel zu machen, dem er u. a. dem über den Mottenfra einer prächtigen Kolibrisammlung befrem ten Goethe erklärte, er habe das Ungezie hierher konzentriert, damit seine übrig Sammlungen davon verschont bliebe Alles dies störte ihn jedoch keineswegs seinem Eifer , die Sammlungen stetig mehren. Nur insofern wurde er vor tiger, als er in den letzten zehn Ja seines Lebens die neuerworbenen, oft wertvollen Seltenheiten nicht mehr zu bisherigen gesellte , sondern sie nach leicht nur einmaliger prüfender Be gung in ihre Kisten gepackt und mit servierenden Stoffen bedeckt beiseite bra und ihren Besit sogar konsequent leugnete. An die anatomischen Präpa fnüpft sich manche heitere und tenne nende Erzählung. Dieselben waren verschiedenen Privatsammlungenzusamme gekauft und gaben ihrem derzeitigen siger eine nie übersehene Gelegenheit der hierzu angeblich erforderlich gewesen Aufwendung unendlicher Summen prahlen. Unter denselben heben wir von dem berühmten Anatomen So Nathanael Lieberkühn angefertigten vor ; sie bestanden aus 128 hermet zwischen zwei Glasplatten und 157 feinen Goldblättchen in Messingkap unter geschliffenen Gläsern eingesch nen Präparaten , welche die fei Organe zur Anschauung brachten: Nervensystem der Retina , die auffau den Papillen des Magens , die zarte Verästelungen der Bronchien. zeichnet waren auch die Nachbildung sie waren hergestellt nach Wachsmode welche in Gips gehüllt und alsdann gebrannt wurden ; die entstandenen Lungen waren mit Silber ausgegossen bildeten nach Beseitigung der Gips die eigentlichen Objekte . Der Wert bie Teiles der Beireisschen Sammlungen ein unbestreitbarer ; der Hofrat freilich der allgemeinen Anerkennung nicht zu den, stellte denselben als unerreichbar
E & hrhardwX Ruftico Markt dem Auf Kairo in D on Müller C. .C.
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obwohl ähnliche Sammlungen dieser Art reggio , Tintoretto u. a. auch obskure füllen würden. Wenn man des Besizers sich im Besize verschiedener Gelehrten be- Machwerke, fade Kopien entdeckte und es Worten trauen wollte , so war dieser der fanden ; mit gewohnter Ueberschwenglich- wagen wollte, dem Hofrat dieſe Meinung kostbarste Edelstein der Welt, an Wert feit behauptete er : nur nach seinen Prä vorzutragen, dann legte sich Beireis ins die Summe der größten sonst bekannten paraten könne man die Heilkunde ſtudieren, Zeug, um an der Hand von kritiklosen Diamanten weit überragend und für den mithin könne sich außerhalb Helmstedts Auktionskatalogen und der von ihm ge- fürstlichsten Preis nicht feil. Letteres war niemand zum Arzte ausbilden, solange zahlten, oft riesigen Rechnungen zu be- angeblich auch der Grund , weswegen er er allein dieſe Präparate beſize. Vielfach weisen , daß nichts Unechtes in seiner den Stein , der nach Goethe die Größe rühmte er sich auch der von ihm selbst Sammlung sei ; höchstens gab er zu , in eines Gänsecies hatte , völlig klar und angefertigten Präparate, unter denen sich den angefochtenen Schaustücken Jugend- durchsichtig war und an den Seiten schwache unsichtbare" befinden sollten. Freilich werke des von ihm vorgegebenen Urhebers nierenförmige Wölbungen aufwies , nicht suchte er deren Besichtigung unter den zu sehen. War es doch , wie er in un- schleifen ließ ; wenigstens erklärte er dem nichtigsten Vorwänden zu umgehen, indem nachahmlicher Selbsttäuschung behauptete, Prinzen Heinrich von Preußen , er wolle er u. a. einmal behauptete , sie seien in der Grundgedanke dieser Sammlung, daß gern die Million opfern , die der Schliff Verwahrung bei einem Kollegen , nach sie, eine Art praktischer Kunstgeschichte, an erfordern würde ; aber welcher König wäre dessen Tode er sie erst zurückerhalten je drei Werken jedes nur eristierenden imstande, dann den Stein , der nur eine würde; ein andermal erzählte er , es er Malers die Entfaltung seines Könnens Königskrone zieren dürfte, ihm abzukaufen? fordere mehrere Stunden an Zeit, um sie darlegen sollte , und zwar sei es ihm ge- Beiläufig tarierte er den Stein auf 6400 Kain den Brennpunkt seines beiläufig lungen, bis auf ein ihm noch fehlendes rat, was nach der üblichen Berechnung acnz einfachen - Mikroskops zu bringen. Jugendwerk von Cimabue, von sämtlichen unter Berücksichtigung des beim Schleifen Bezeichnend ist auch folgende , verbürgte großen Künstlern das Erstlings- und unausbleiblichen Gewichtsverlustes einen Wert von etwa 2 Milliarden Mark erAnekdote , welche E. v. Heister mitteilt : Meisterwerk zusammenzubringen. Wir schließen hieran die Anführung geben hätte. In der That ein Kleinod „Eine große Rolle in den Aufschneidereien ipielte die Fibra simplicissima , welche einer höchst charakteristischen Anekdote, die ohnegleichen wäre es nur wirklich ein Beireis sich im Kolleg aus der Wade ge- sich an eine von Beireis ' ethnographischen Diamant gewesen ! Wie aber die im wesentichnitten haben wollte. Doch was sah Seltenheiten knüpfte. Der Berghaupt lichen übereinstimmenden Mitteilungen zu man? Nichts eigentlich , als einen ein mann August Ferdinand Graf von Velt ständiger Fachleute erwiesen haben , war fachen Strich. Rudolphi wurde sie auf heim hatte ihm ein japanisches Gewehr der Stein nur ein immerhin selten großes einer Pinzette präsentiert ; er sah aber zum Geschenke gemacht, das jedem Frem- und darum verhältnismäßig wertvolles nur ein ganz feines Haar. Das ist nicht den gezeigt wurde. Als Veltheim einmal Topasstück. Der wohl häufig vorgebrachte möglich doch richtig, da hat mir wie persönlich einige Besucher dem Hofrat zu Zweifel an der von Beireis unter Ander ein Acarus den Streich gespielt , das führte, erzählte dieser bei Besichtigung der führung von mindestens 20 Proben bePräparat wegzufressen und sein Gespinst Waffe mit gewohntem Stolze , daß ihm haupteten Echtheit , dem er sich höchſtan die Stelle zu sehen , war des Hofrats der Kaiser von Japan selbst dieselbe als wahrscheinlich selbst auf die Dauer tro famose Ausrede!" Man kann nach alle- Anerkennung seiner in aller Welt bekann seiner unerhörten Selbsttäuschung wohl dem kaum umhin , Beireis' angebliche, ten Verdienste habe überreichen lassen; und nicht entziehen konnte, veranlaßte ihn, in „eigene Präparate" für Gebilde seiner im dies im Beisein des wahren Gebers ! Man den späteren Jahren seines Lebens mit Dienste der Eitelkeit so viel des Unglaub wird doch wahrlich nicht annehmen können, der Vorzeigung seines Schatzes zurückdaß Beireis diese Geschichte seinen Gästen haltender zu werden ; spaßhaft und für haften schaffenden Phantasie zu halten. Nur im Vorübergehen lassen sich die habe für wahr ausgeben wollen, wenn die ihn bezeichnend waren die Ausflüchte, mit gleichfalls durch wertvolle Seltenheiten und Gefahr, einer offenbaren Lüge überführt zu denen er die neugierigen Fragen seiner zahlreiche sich daran knüpfende Schnurren werden, so handgreiflich nahe lag. Es zeigt Besucher zu befriedigen suchte. So gab ausgezeichneten Sammlungen von Gem sichvielmehrhier wie invielen anderen Fällen, er vor , er habe ihn fortgegeben , um im men, Webereien und Stickereien, Büchern wo er gelegentlich Kollegen und anderen Königreiche Westfalen im Jahre 1808und Kupferſtichen erwähnen ; die Bücher kenntnisreichen Männern Anekdoten von nicht zu unerschwinglicher Vermögenssteuer ſammlung namentlich enthielt nach offenbarer Widersinnigkeit und oft lächer herangezogen zu werden ; bald hieß es , er C. v . Heiſter — u . a. 77 kostbare Manu: licher Unwahrscheinlichkeit vortrug, daß es sei unter Schloß und Riegel und könne kripte, 13 chinesische und türkische Werke, ihm einzig und allein darauf ankam , sich vor zwei Stunden nicht ausgepackt werden , 26 Inkunabeln u. dal . mehr. Wie Bei- selbst zu verherrlichen , und war es auch bald : die Kaiserin Katharina II. habe soeben reis zu behaupten liebte , besaß er jedes nur , daß er scherzhaft übertreibend sich ihn zu sehen befohlen. Behauptet wurde Werk in drei Exemplaren, eins zum Privat- lobte ; ihm genügte es , da das Erzählen auch , daß Beireis sich die Fähigkeit anzebrauch, ein zweites für die Vorlesungen, derartiger Späße seine Lieblingsgewohn- gemaßt habe, ihn augenblicks nach jedem bas dritte zur Reserve ! Die Wahrheit heit geworden war, wenn der erste Ein- beliebigen Orte hin und wieder nach Helmprach er damit freilich nur hinsichtlich druck derselben auf den Gast ein ihm stedt zurückzuzaubern ; indeſſen läßt sich ines anatomischen Werkes von Gautier schmeichelnder war ; gewann sein Zuhörer diese Fabel auf Beireis ' Worte nicht direkt Agoty. Bezüglich der Münzen , deren bei kurzem Nachdenken dann die Ueber zurückführen , sondern vermutlich aus der Sammlung eine nahezu vollzählige war, zeugung, eine Unwahrheit gehört zu haben, Thatsache erklären , daß er einem neureute er sich, neugierige Frager mit dem so kam diese doch entweder ihm vorläufig gierigen Engländer den Stein als „ gerade Echerz abzuspeisen, daß er ständig bei Her kaum zum Bewußtsein, dank des Hofrats in Indien abwesend " ausgab , denselben ulanum Leute sich halte , die für sein nimmer rastender, stets mit Ueberraschun- aber mit größter Gemütsruhe hervorholte, Rabinett graben und suchen müßten , so gen spielender Unterhaltung , oder aber als sein Gast tiefere Sachkenntnis verriet ; ald die von der italienischen Regierung Beireis verstand es , wie wir oben ge- es ist anzunehmen , daß zu dieser Zeit Beireis eauftragten Arbeiter sich am Abend ent- legentlich der Fibra simplicissima sahen, selbst noch die unumstößliche Ueberzeugung ernt hätten. Bewundernswert war seine sich geistreich aus der Verlegenheit zu ziehen . von der Echtheit des Diamanten besessen eich versehene Gemäldegalerie - ein Am Schlusse unserer Wanderung durch haben muß, denn später hütete er sich vor --Zimmer, in dem auf- und übereinander Beireis' Sammlungen er selbst gab allem davor , Sachverständigen die Behöpfungen der bedeutendsten Künstler ihre Anzahl auf 8 , 13, auch 17 ansichtigung zu gestatten. Aus dieser Beller Zeiten und Länder regellos und wollen wir das anziehendste und merk sorgnis, daß einmal, vielleicht nach seinem aubbedeckt hingen und standen. Wenn würdigste Stück derselben, den vielgenannten Tode, das Nonplusultra eines Edelsteing in gewiegter Kenner neben echten , wun- großen Diamanten, nicht übergehen, über seinen Nimbus einbüßen und nach seinem erichönen Kunstwerken eines Holbein, den allein so viel Fabeln in die Welt ge- wirklichen Werte bemessen werden könnte, ukas Cranach, Rembrandt, Dürer, Corschickt wurden, daß sie ein eigenes Buch erklärt es sich , daß der Diamant unter 9 89. II.
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dem Nachlasse des Hofrats nicht aufge- werden müßten ; daß er wohl vordem einen | selbst über die Mauern seines Wohnortes funden wurde ; wahrscheinlich hatte ihn Kerl zum Aufwärter gehabt hätte , der hinaus einen nicht unbedeutenden Ruf, der Besizer zuvor vernichtet. Andeutungen dieses alles verstanden , daß dieser aber nach welchem er sich sogar im Besiße überdieser Absicht hatte er zeitweilig ziemlich mit anderen Braunschweigern in den Ameri- natürlicher Kräfte befinden sollte; so eroffen, natürlich nicht ohne die ihm eigenen kanischen Krieg gegangen und nie wieder zählte man sich, er wäre imstande, FeuersHyperbeln , gegeben ; wenigstens läßt es gekommen wäre. Dieses veränderte die brünste zu besprechen und durch in die sich in diesem Sinne deuten, wenn er ge- Fama bald dahin, daß Beireis gesagt habe, Glut geworfene Holzplättchen , die mit heimnisvoll von dem Steine sagte : Auf- um seinen Transport zu besorgen , müsse seltsamen Figuren bezeichnet gewesen seien, steigen soll er zum Urquell , von dem er er die Leute aus Amerika verschreiben. zu dämpfen ! Es dürfte zweifellos ſein, daß ausging. Ferner erklärte er ein Jahr Ein Wizzling schmückte es noch besser aus der jugendliche Gottfried Christoph an der vor seinem Tode ganz unzweideutig einem und verbreitete die Sage , Beireis müsse dem Vater gezollten Bewunderung zuerst Großneffen, daß man nach seinem Ableben aus allen fünf Weltteilen Leute zum Trans- das eigentümlich berauschende Gefühl ken= den Diamanten nicht vorfinden würde. port seiner Sachen haben, weil die Kuriosa nen lernte, welches den Sohn eines ausEbenso rätselhaft und völlig unaufgeklärt jedes Weltteils nur durch Eingeborene fort gezeichneten Mannes gewöhnlich zu befallen wie der Verbleib des Steins war auch geschafft werden könnten . In dieser letzten pflegt und ihn widerstandslos antreibt, nun seine Herkunft. Unter den zahllosen Va Gestalt hatte sich mir das Märchen auch seinerseits den Vater womöglich noch zu rianten , die Beireis hierüber zum besten wirklich schon in Braunschweig präsentiert. “ überflügeln ; in diesem Gefühle eines im gab, führen wir nur an, daß er bald der Die bisherigen Ausführungen lassen Grunde berechtigten , strebsamen Stolzes Lohn für einen wunderbaren Heilerfolg leicht ersehen, daß für einen oberflächlichen dürften wir den Keim zu dem maßlos gesein, bald aus der ältesten Diamantengrube Beobachter, der nur nach den auf Auge steigerten Ehrgeiz finden , der Beireis bis Bengalens zu Sumelpur ( Sumsulpur) am und Ohr wirkenden Erscheinungen an zu seinem Tode gänzlich in Beſchlag nahm Flusse Gruel durch besondere Sendlinge Beireis ' Wesen urteilen mochte , die Ge- und sein Leben wie ein roter Faden durch des Hofrats gewonnen sein sollte; auch fahr nicht so sehr fern lag, in dem Hofrat zieht. Schon in frühester Jugend zeigte hörte man, er sei vom Kaiser von China einen zweiten Münchhausen oder mindestens er viele Sonderbarkeit in seinem Wesen; Beireis als Pfand für eine vorgestreckte einen durch seine Wunderlichkeiten recht er erschien auffallend ernst und nachdenk Geldsumme gegeben, deren Rückerstattung amüsanten Kauz zu erblicken und dieses lich , zog sich still vor den Altersgenossen wegen ihrer unberechenbaren Größe nie einseitige , persönliche Urteil über den zurück und legte eine leicht reizbare Er zu erwarten sei ! Wundermann" mit vollster Ueberzeugung regbarkeit, blühende Phantasie, für ihn ein Die mit ungeahnter Reichhaltigkeit und als wahr zu verbreiten. Bei der jedem Danaergeschenk der Natur, und staunens in stets überraschendem Wechsel auf den Menschen innewohnenden und gerade an- werte, ihm das Lernen zum Spiel machende Besucher anstürmenden Eindrücke machten gesichts rätselhafter Erscheinungen zu Tage und bis in das höchste Alter ihm treu die Besichtigung von Beireis' Sammlungen tretenden Lust zu fabulieren" darf man bleibende Gedächtniskraft an den Tag. zu einer höchst ermüdenden , zumal der auch die dem großen Publikum zur Last Die harmlosen Spiele einer glücklichen, Hofrat bei jeder vorgezeigten Seltenheit fallende Uebertreibung und Entstellung der mit dem Augenblick zufriedenen Knabenzeit die Echtheit und den gezahlten Preis aufs Beireis zugeschriebenen „Lügen , welche hat er nie kennen gelernt, sondern stets umständlichste an der Hand von Katalogen, hundert compurgatores nicht zur Wahrheit ein über derartige Tändeleien sich stolz einschlägigen Werken und Rechnungen zu machen können " , nicht eben sehr tragisch erhebendes Selbstbewußtsein zur Schau erörtern pflegte. Dessenungeachtet aber nehmen , soweit man die Ueberzeugung getragen. Fast möchte man , wäre eine ging keiner seiner Besucher von ihm , ohne hegen zu dürfen glaubt, daß sich dieselbe derartige Frühreise nicht gar zu unwahrhochbefriedigt , ja in seinen Erwartungen nicht auf böse Absicht zurückführen läßt. scheinlich, behaupten, er habe schon damals übertroffen zu sein ; wohl im Sinne aller Um so entschiedeneren Vorwurf aber ver- sich mit der bewußten Absicht getragen, derer , die jemals Beireis ' Gäste waren, dient es, daß gerade von denjenigen, welche einmal der Erſte im Besize alles irgendwie sprach sich der Hofrat K. W. Böttiger in sich ein Recht zur Beurteilung von Beireis' Begehrenswerten und Wissenswürdigen zu folgenden, seinen Reisebemerkungen" ent- Wesen anmaßten , am wenigsten Mühe werden. In diesem Sinne führte er häufia nommenen Worten aus : „Ich verließ angewandt wurde, die über ihn verbreiteten selbst eine Thatsache an, deren Richtigkeit diesen Mann mit einem sonderbaren Ge- Gerüchte zu prüfen und nach Maßgabe von einem seiner Verwandten verbürgt wird. fühl, mit einem Gemisch von Empfindungen, ihrer Thatsächlichkeit zu beschneiden. Hiernach habe die Beschreibung der b und es war mir ungefähr so zu Mut, als Unter dem 2. Martii 1730 “ findet kannten Vaucansonschen Automaten , die wenn man ein Märchen in Tausendund- | sich in dem Kirchenbuche von Sankt Bla- man ihm als Knaben zu lesen gegeben, eine Nacht' gelesen und neben den abenteuer- sius zu Mühlhausen, der ehemaligen freien einen derartigen Eindruck auf ihn gemacht, lichsten Orientalismen die sublimsten Züge Reichsstadt, folgende Notiz: "Herrn Cam daß er seinem Vater begeistert erklärte: von dichterischer Einbildungskraft bewundert merschreyber Johann Christian Beyreiß ein er müsse dieselben einſt ſein eigen nennen. hat. Und doch hatte ich noch so wenig Sohn getaufft, genand Gottfried Christoph. Wegen dieser Vermessenheit vom Vater ge vom Ganzen gesehen ! " Eben dieser liefert Der Pathe war der Herr Geheimbrath straft , habe er unter Thränen gerufen: auch zu der häufiger berührten Legenden Stüler. " Hieraus ergibt sich, da es in Ich werde sie besigen". Und 40 Jahre bildung nach ziemlich harmlosen von Bei- Mühlhausen Gepflogenheit war, die Neu- später besaß er sie. Sein gern vorat reis herrührenden Aeußerungen einen Bei- geborenen am zweiten Tage nach der Ge- tragener Wahlspruch war : der Mensch könn trag , den wörtlich herzusehen wir uns burt zu taufen, daß Beireis am 28. Februar alles erreichen und vollbringen , was er wegen seines hervorragenden Interesses nicht 1730 das Licht der Welt erblickte. Sein vernunftgemäß wolle, und die Befolgung versagen mögen : „ Als die Verlegung der Vater , einer seit mehreren Generationen dieses Wahlspruchs hatte in der That den Akademie von Helmstedt nach Wolfenbüttel hochangesehenen und nicht unbegüterten eisernen Fleiß, den er auf seine Studien vom Herzog mit vielem Eifer betrieben Familie angehörig , bekleidete in Mühl- verwendete, die Beharrlichkeit bei Verfolg wurde, mußte jeder Professor einen An hausen die Aemter eines Senators , Kammer- seines einmal erwählten Zieles , die B schlag einreichen, wieviel wohl der Trans- schreibers und Kriegskommissars ; er war herrschung jeder erniedrigenden sinnlichen port seiner Effekten , Bibliothek 2c. kosten ein begabter und hochgebildeter Mann, der Leidenschaft zur Folge ; sie aber war es würde. Beireis , der sich schon an und namentlich den Naturwiſſenſchaften ein reges auch , der man sein zähes Festhalten an für sich gegen diese Neuerung sehr ereiferte, Interesse entgegengebracht zu haben scheint . seinen Gewohnheiten und einmal gefaßten schrieb geradezu , daß sein Transport gar Dieser Umstand im Verein mit den un Meinungen , mochte deren Irrtümlichten nicht zu tarieren , zu bewerkstelligen sei. gemein glücklichen Erfolgen , die er dank auch längst erwiesen sein, zurLast legen dari. Bereits in seinem zwölften Jahre be Mündlich seste er hinzu , daß viele , be- seiner Energie und Umsicht bei Ausübung sonders erotische Seltenheiten, mit ganz seiner Amtspflichten in politisch bewegter trieb er, neben den alten Sprachen natür eigener Kenntnis verpackt und vorgesehen Zeit zu verzeichnen hatte , verliehen ihm lich, das Studium des Franzöſiſchen , Eng
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201 lischen und Italienischen , ferner der Ge- Treiben seiner Altersgenossen ; so erzählte Tabaksqualm und dem ihm gleich verhaßten schichte, Physik, Mathematik und Musik, er später noch gern von den bedeutenden Kartenspiele sich unterhalten zu können. und leistete in allen Disziplinen für sein Trinkproben, die er in fideler Gesellschaft So frugal er aber auch für seine Person wenn er Fremde bei sich zu Gaste Alter Erstaunliches . Obwohl auf dem hätte ablegen müssen. Mehr aber, als zu lebte Gymnasium unfleißig, war er dennoch in den oft rohen und wüsten studentischen geladen hatte, was mehrmals geschah, entfait jämtlichen Klassen der Erste. Dies Gelagen fühlte er sich zu idealerem freund wickelte er in Speisen und Getränken den erklärt sich aus dem Umstande, daß seine schaftlichen Verkehr hingezogen, wie er sich größten Lurus ; nur das Giftgewächs der häuslichen Studien, unter der Leitung ihm in der Gesellschaft der Verehrer der Kartoffel war und blieb von seinem Tische von Hauslehrern betrieben , ihn fesselten Dichtkunst" bot ; in einem überschweng verbannt. -Seine verständige Lebensund mit Leichtigkeit die Aufgaben der lichen , dem Geschmacke seiner Zeit entweise war das Arkanum, daß er körperSchule einholen, ja überholen ließen. Auch sprechenden Gedichte feierte er u. a. sein lich wie geistig bis zu seinem Todestage sein Vater versäumte nicht, ihm aus seinem inniges Verhältnis zu einem Herrn von sich einer fast jugendlich frischen Rüstigteit erfreute und während der legten fünfzig eigenen reichen Wissensschaße mitzuteilen. Hugßen . Neben seinen wissenschaftlichen und Jahre seines Lebens nicht einen einzigen Das eifrige Interesse, welches der junge Beireis für die Naturwissenschaften bewies, schöngeistigen Bestrebungen betrieb er eifrig Tag des Krankseins zu verzeichnen hatte; veranlaßte den Stadtphysikus Juch, einen gymnastische Uebungen ; in der Fechtkunst dazu trat als miterhaltende Kraft seine Freund seines Vaters, ihm im Unterrichten erreichte er eine unbestrittene Meisterschaft , Thätigkeit, die, obwohl ihn aufs äußerste des Knaben auf diesem Gebiete zu helfen. mit der er sich noch als Greis gern brüstete. anstrengend , ihm mehr Vergnügen als Welcher Art aber war die Weisheit , die Zn der That besaß er bis zum höchsten Mühe war. Wenn er unter diesen Umdem Wiſſensdurstigen hier gepredigt wurde! Alter eine außergewöhnliche Körperkraft ständen von sich sagte : „ Ich habe meiner Die Naturwiſſenſchaft war zum Teil noch und liebte es, dieselbe bei jeder passenden Seele so viele angenehme Unterhaltungen ein ſyſtemloses Gemenge von Vorstellungen, Gelegenheit zur Schau zu tragen. Ließ verschafft, daß ich jetzt in meinem 79. Lebensdie oft in krassem Aberglauben und Un er doch von seinem Diener wohl eine jahre noch immer nicht fühle, daß ich älter Goldbarre in das Auditorium schaffen, die als 18 Jahre bin", so liegt unseres Erverstand ihren Ursprung hatten. er dann zum Staunen der hierzu nicht achtens kein Anlaß vor , diese Worte als aus das Umhertappen, ziellose Dieses schließliche Hervorheben von Aeußerlich- fähigen Zuhörer mit ungebogenem Arme „ in die Kategorie seiner beliebten Flunkereien teiten war für einen so außergewöhnlich aufhob ; und wenn es keinem der Hörer fallend" zu bezeichnen , wie es gleichwohl reich beanlagten Knaben wie Beireis natür im Kolleg gelingen wollte , die schweren geschehen ist. Doch wohin sind wir geraten ! lich amüsant und anziehend, und er säumte Halbkugeln der Guerickeschen Luftpumpe Wir verließen Beireis in Jena, wo er auch nicht, seine leicht erfassende, glühende auf den Tisch zu heben, so nahm der alte Phantasie mit dem bunten Formenkram Herr den Apparat in die Hand und seßte mit unermüdlichem Eifer seinen , wissenzu erfüllen ; welchen Einfluß derselbe auf ihn kaltblütig an seinen Platz. An der schaftlichen Studien oblag und neben deneinen tro aller Beanlagung unreifen, zu Erhaltung seiner Kraft hatte aber nicht selben sich auf einem Gebiete praktisch belogischem Denken noch nicht fähigen , ge- allein deren stete Uebung, sondern in wohlthätigte , welches wir demnächst einer geschweige denn geschulten Geist haben mußte, noch höherem Grade Beireis ' rationelle" naueren Betrachtung unterziehen wollen . Ohne seine Studien zum Abschluß geist leicht erklärlich. Beireis ist von diesem Lebensweise den Hauptanteil. Er pflegte sehr einfach zu speisen : bracht zu haben, trat Beireis plöglich im Einfluß bis zu seinem Tode nie völlig frei geworden : daher das Charlatan- Kräuterthee mit altem Zwieback, Gemüse, Juli des Jahres 1753 von Jena aus eine Aehnliche in seiner äußeren Erscheinung. Obst, altbackener Kuchen, zum Abend eine Reise an, als deren Ziel unter seinen UniDaß er aber nicht wirklich Charlatan Wassersuppe waren seine ständigen Gerichte ; versitätsfreunden , die dem Scheidenden ein wurde, sondern namentlich als Arzt mit Fleisch genoß er nur selten und sog es warmempfundenes Abschiedsgedicht widvielen althergebrachten Entartungen der alsdann nur aus , um mit der bloßen meten, Frankreich angesehen wurde. ThatWiſſenſchaft aufräumte, ist ein glänzendes Fleischfaser ohne Nährwert den Magen sächlich aber ist sein Aufenthalt in den Zeugnis für seinen scharfen, in das Wesen nicht zu belasten. Reichlichen Genuß von nächsten, aufdie Jenenser Periode folgenden Zucker hielt er für heilsam und --- für ein Jahren nicht minder wie seine Beschäftigung der Dinge eindringenden Verstand. Der außerordentliche Eifer , mit dem Zeichen von Geistesschärfe ; dagegen er während derselben in ein unaufgeklärtes der Knabe seinen Arbeiten oblag , der er klärte er Hülsenfrüchte und namentlich die Dunkel gehüllt. Wie leicht erklärlich, bot staunliche Erfolg, der ihn krönte, erregte Kartoffel für dem menschlichen Körper höchst der rätselhafte Umstand, daß er eine nicht allenthalben Aufmerksamkeit , die sich in nachteilige Vegetabilien. Von letterer be unbedeutende Spanne Zeit wie spurlos der schmeichelhaftesten Bewunderung des hauptete er, daß ihr die Schuld zuzuschreiben verschwunden war und sich kaum ein einsei , wenn die Menschheit von Generation ziges sicheres Merkmal für seinen AufentHeranwachsenden zeigte. In seinem 21. Lebensjahre bezog er, zu Generation dem Idiotismus zuschreite ; halt an irgend einem Orte auffinden ließ, nachdem sein Vater verstorben war und er hatte Gelegenheit , einst scherzhaft eine der geschwäßigen Fama eine prächtige Gedie Familie nicht in den besten Verhält kleine Probe dafür an sich selbst zu machen. legenheit zur Verbreitung der wunderbar nissen zurückgelaſſen hatte, die Universität Die Gattin eines Freundes segte ihm sten Fabeln , die um so leichter Glauben Jena. Dem Wunsche des Verstorbenen , nämlich bei einem Mittagessen ein von fanden , als Beireis in der ersten Zeit nach sowie den Familienüberlieferungen getreu, Kartoffelmehl bereitetes Gericht vor , das seinem Wiedererscheinen es mit faſt ängstwidmete er sich zu Anfang dem juristischen er, mit seiner Zusammensetzung unbekannt, licher Sorgfalt vermied, von jenen Jahren Studium ; bald aber gewann seine unbe- sich vortrefflich munden ließ. Man lachte zu sprechen. So erzählte man sich und wingliche Vorliebe für die Naturwissen ihn darauf unter Hinweis auf seine stete glaubte es auch, da er nie das Geringste schaften die Uebermacht über ihn und er Behauptung aus ; er aber erwiderte mit an derartigen Märchen in Abrede zu stellen vernachlässigte Pandekten und Institutio: vortrefflichem Wit : „ Da sehen Sie , wie pflegte, daß er Spanien, Holland, Italien nen , um mit gewohntem Rieseneifer sich ich mit meiner unablässigen Warnung im besucht und in Aegypten durch Pyramidenauf das Studium der Physik, Chemie und Rechte bin ; die Kartoffeln haben mich so priester (!) die magische Kunst kennen geHeilkunde zu werfen. Obwohl er aber dumm gemacht, daß ich sie gar nicht ein- lernt haben sollte. In dem von der Neumit eisernem Fleiße seine Arbeiten betrieb, mal erkannt habe. " Ebenso verwarf er den gierde diktierten Streben, aus seinem eigenen, sich sogar gelegentlich praktisch als Arzt gewohnheitsmäßigen Genuß von Bier, sonst doch wahrhaftig nicht mit selbstver versuchte und über interessante Fälle mit Kaffee, Thee und Tabak ; was namentlich herrlichenden Geschichten sparsamen Munde berühmten Medizinern wie Prof. Stengel den letteren betrifft, so litt er das Rauchen die Bestätigung jener Phantasiestücke zu in Wittenberg und Junker in Halle in in seinem Hause nie und ging nur in Ge- vernehmen , fragte man ihn häufig und regem Briefwechsel stand , entzog er sich sellschaften , in denen ihm ein besonderes immer wieder nach den Erlebnissen seiner keineswegs mehr wie früher dem fröhlichen | Zimmer vorbehalten war, um fern von dem | Reisen, ohne jedoch lange Zeit den gering-
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sten Erfolg zu haben. Auf Beireis übte ihn zu blamieren , als echter Menschen- tischen Bethätigung seiner angeblichen Kunſt freilich das wiederholte Anhören der ihm kenner anmerkte, mit Emphase aus : Wie regelmäßig abzulehnen : seine unverfälscht zugeschriebenen Erlebnisse einen durchaus kommen Sie in den Besit dieses Papiers ? in seinem Charakter begründete und nur natürlichen und namentlich bei ſeiner Eigen- Es enthält eine Stelle aus dem besten von einer maßlosen , aber dennoch_nieart verständlichen Einfluß aus : er konnte Romane, den Chinas Litteratur besist ! " mand zum Schaden gereichenden Eitelsich, trotz seines festen Vorsages , ein ewis Spöttisch sah man ihn an ; er ließ sich keit überwucherte Redlichkeit. Daß er die ges Schweigen über seine angeblichen aber nicht beirren, sondern erfand im Augen Ueberzeugung gewonnen hatte, das GoldReisen zu bewahren, der Verführung, auf blick einen spannenden Roman, den er so machen sei ein Ding der Unmöglichdie ihm vorgetragenen Fabeln bestätigend hinreißend vortrug, daß er aller Empfin- keit , daran darf nicht gezweifelt werden ; einzugehen und endlich sie in seiner belieb: dungen fesselte und seine gesamte Zuhörer schreibt er doch allerdings datiert der ten Weise zu erweitern , nicht erwehren ; schaft die Veranlassung zu dieser Erzählung Brief erst vom 20. März 1767 - an den so kam es denn , daß er im Alter sogar ganz und gar vergessen machte. Bei der Leibmedikus Brückmann in Braunschweig aus eigenem Antriebe dieses von ihm doch interessantesten Situation erhob er das u . a., daß er sehr in Anspruch genommen anfänglich energisch gemiedene Thema mit unscheinbare Zettelchen mit den Worten: sei mit Beantwortung so vieler, im alchiVorliebe anschlug und ausnutzte. Mögen ,Dies ist die Stelle ! " Am Ende des Romans mistischen Labyrinth herumirrender Goldseine ersten Mitteilungen über die Reisen waren alle derart begeistert, daß niemand kocher, Abfertigung der Afterchymisten , die mit Wahrscheinlichkeit auch nur als geist mehr an die Prüfung der chinesischen Kennt aus Küchensalz mit großem Vorteil Salreiche Abfertigungen aufdringlicher Neu- nisse des Hofrats dachte und alle sich wider peter machen wollten u. s. w. " Auch aus gierde angesehen werden dürfen und seine standslos der Führung seiner weiteren Unter- Stellen anderer Briefe, sowie mündlichen späteren, eigenerfundenen Märchen sich aus haltung überließen. Aeußerungen läßt sich schließen , daß er der noch jeden Tag wahrnehmbaren ErIm September des Jahres 1756 kam die alchimistischen Operationen in der Erfahrung erklären , daß mancher Erzähler Beireis plöglich nach dreijährigem Ver- kenntnis ihrer Erfolglosigkeit eingestellt lustiger Geschichten dieselben als selbst schollensein in seiner Vaterstadt Mühlhausen hatte, und zwar mag dies aller Wahrscheinerlebte ausgibt , um ihre Wirkung zu erzum höchsten Erstaunen seiner Angehörigen lichkeit nach gegen 1760 geschehen sein. höhen , so muß man immerhin gestehen, wieder zum Vorschein ; ihre Verwunderung Wenn nun auch Beireis so wenig wie daß Beireis als Erzähler seiner Reise- wuchs , als er , der als wenig bemittelter andere Adepten Gold herzustellen verſtand , erlebnisse recht wenig vertrauenerweckend Student nach Jena gegangen war, sie in so läßt sich doch mit Sicherheit behaupten, erscheint. Aus der großen Menge von seinem Koffer gewichtige Goldbarren und daß er thatsächlich schon als Student und Thatsachen, die für diese Behauptung spre- einen unbekannten roten, nach seiner Aus- mehr noch in späteren Jahren aus seiner chen, führen wir nur die folgende an, welche sage wertvollen Stoff sehen ließ. Der Beschäftigung mit der Alchimie Gold gevielfach verbürgt ist und unwiderleglich Schleier, der über den Erwerb dieſer Schäße | wann nämlich in Gestalt von Honozeigt, mit welcher Selbstgefälligkeit der von ihrem Besizer gebreitet wurde , war raren für die bei dieser Gelegenheit von Hofrat sich über seine Reisen zu verbreiten indessen leicht zu lüften, wenn man Bei ihm gemachten Erfindungen. Wie 1677 gelernt hatte, aber auch - welche Schlingen reis ' Thätigkeit während seiner Studienzeit der Hamburger Alchimist Brandt , der in er sich selbst in seinen Erzählungen ahnungs- verfolgt hatte, und mit Lösung dieses Rät- dem menschlichen Urin das große Arkanum los legte. Er befand sich einst bei dem sels war auch eine Handhabe gegeben, um der Goldbereitung suchen zu sollen glaubte , bereits erwähnten Berghauptmann von seinem Aufenthalt während der Jahre infolge seiner vielfachen Versuche mit dem Veltheim in einer größeren Geſellſchaft , 1753-56 wenigstens auf die Spur zu Urin der Entdecker des Phosphors wurde, welcher u. a. der als Satiriker bekannte kommen. Bereits oben hatten wir den und wie viele andere Alchimisten durch die Hofrat Schrader beiwohnte. Als Beireis Stand der Naturwissenschaften und ihren zufällig erzeugten chemischen Präparate der von seinen Reisen zu erzählen begann, Einfluß auf den jugendlichen Beireis im Wissenschaft und Induſtrie unbeabsichtigte zeichnete Schrader genau auf, wie lange allgemeinen angedeutet. Die in seiner Dienste zu leisten sich in der Lage sahen, Zeit jener sich an den einzelnen Orten auf Knabenzeit ausgefäeten Keime hatten sich so hatte auch Beireis die Beschäftigung gehalten haben wollte ; am Ende des Vor- in ihm naturgemäß bei eingehenderem Stu mit den in der Alchimie in Frage komtrags fragte er Beireis nach seinem Alter dium der Geseze, welche man damals den menden Metalloryden auf eine höchſt wertund rief, als er es erfahren hatte, in ge- Erscheinungen der Natur unterlegte, in der volle Erfindung geführt, welche nach sicherer machter Verwunderung aus : "/ Sie sind doch einmal gegebenen phantastischen Richtung Vermutung in die Zeit seines Jenenjer in allem wunderbar und ganz außerordent entwickelt, und es war somit nicht zu ver- Studiums fällt und ihm bereits damals lich ! Sind Sie ja doch nach dieſer Be- wundern gewesen, wenn er, der wie wenige zu reichen Geldmitteln verhalf, mit deren cben jene rätselhaften Reiſen rechnung bereits dreizehn Jahre vor Ihrer andere zu lebhaftester Bethätigung gerade Hilfe er Geburt gereist! " Beireis ließ sich freilich der Phantasie neigte, endlich auch auf die auszuführen vermochte. Es waren zwe Farbstoffe, deren Bereitung sein Geheimnis durch die eklatante Blöße, die er sich ge- noch rege betriebene Alchimie verfiel. geben, nicht verwirren, sondern sette sich Beireis selbst hat es niemals geleug war und ihm enorme Summen einbrachte ; er und die peinlich erstaunte Gesellschaft mit net, daß er sich mit der Kunſt des Gold- selbst bezeichnete eine „ Schmalte " genannte einem Scherz darüber hinweg . Bezeichnend machens befaßt habe ; er hat niemals Farbe als von ihm herrührend, deren Bereifür die Ungeniertheit, mit der er sich das gegen den ihm mit Vorliebe beigelegten tungsart er in einer Programmrede 1759 mit umfassendste Wiſſen anmaßte und zugleich Ruhm eines erfolgreichen Adepten Wider teilte. Die Hauptrolle spielte jedoch eine rot für die schlagfertige Geistesgegenwart, mit spruch erhoben ; vielmehr hat er zu wieder Farbe; welcher Art diese war, hat bisher welcher er die ihm gestellten Fallen um- holten Malen selbst seine Zuhörer in den nicht bestimmt nachgewiesen werden können . ging, ist folgendes Geſchichtchen, das mehr Glauben versetzt, als ob er jenes vielbe- am wahrscheinlichsten bleibt die von Goethe fach verbürgt ist: In einer Gesellschaft gehrte Ziel thatsächlich erreicht habe. In aufgestellte Ansicht, daß dieser vielbespro legte man , augenscheinlich um seine oft dessen hütete er sich wohl, mit unumwun- chene, karminrote Stoff, der, wie erwähnt. gerühmte und, da man ihn nicht kontrol- denen Worten seine Meiſterſchaft in der auch bei der Rückkehr des Hofrats nad lieren konnte , bewunderte Kenntnis der Alchimie zu behaupten ; nur in Andeutungen Mühlhausen allgemein angeſtaunt wurde chinesischen Sprache auf die Probe zu stellen, wies er darauf hin , mit Sicherheit rech ein veredelter Krapp, also kein Metalloru ihm eine Thee (oder Tusch-) Etikette vor, nend , daß seine Hörer den beabsichtigten gewesen sei. Die bedeutenden Einnahmen deren Ursprung und eigentliche Bedeutung Sinn in seinen Worten wohl selbst heraus die er lange Jahre aus der Herstellung durch Beschmutzen und Zerreißen der Ränder finden würden. Was ihn zu dieser sonst seiner Präparate und ihrer geſchäftlichen unkenntlich gemacht war. Gebeten, die da ungewohnten Zurückhaltung veranlaßte, Verwertung zog, verbunden mit den Ein rauf enthaltenen chinesischen Worte zu er war dasselbe Motiv, welches ihn abhielt, künften aus seiner Thätigkeit als Arzt und klären , rief Beireis , der den gespannten die häufig aus höchsten fürstlichen Kreisen akademischer Lehrer, machten ihn allmähli Zuhörern wohl die verräterische Absicht, an ihn ergangenen Aufforderungen zur prak zu einem reichen Manne.
Paul Moldenhauer. 205 Außer seinen Farbepräparaten werden ihm noch andere, industriell sehr wertvolle Erfindungen zugeschrieben , wie ein Verfahren, schnell und billig Essig zu bereiten, oder die Herstellung eines dem Kognak ähnlichen Branntweines . Sicheres ist hier über nicht bekannt geworden ; dagegen steht es fest, daß er mit weitschauendem Blick den wahren Wert von zielbewußt geleiteten chemischen Operationen ohne Phantasterei zu ermessen wußte, da er behauptete , es fönne der erfahrene Chemiker aus dem des Wegwerfens Werten den größten Gewinn ziehen ein Ausspruch , dem der heutige Stand der industriellen Chemie in wunderbarer Weise recht gegeben hat. Dieses prophetische, von ihm vielleicht weniger objektiv als vorstehend angeführte Wort hat vielfach Anlaß zu der Behauptung gegeben, er habe sich gerühmt , alles erfinden zu können. Hatte er dies that sächlich einmal gesagt, so konnte, ja mußte ihm diese Prahlerei als die ungeheuerlichste Selbstüberschäßung ausgelegt werden ; und thatsächlich finden wir in vielen bezüglichen Arbeiten über Beireis diese ihm in den Mund gelegte Aeußerung aufs schärfste verurteilt. Wie ganz anders aber , wie einfach und entlastend liest sich die nach stehend wiedergegebene Stelle aus dem in der Kasseler Allgemeinen Zeitung vom Jahre 1810 abgedruckten Aufsaße eines Schülers, der, weit entfernt, seines großen Lehrers Schwächen beschönigen zu wollen, nur mit gesundem Urteil ohne Voreingenommenheit Beireis ' Charakter zu ergründen suchte und sich vielfach als zuverlässiger Gewährsmann gezeigt hat: ,, Beireis behaup tete, alles erfunden zu haben, und diese Behauptung wird ihm als die größte Wind beutelei angerechnet. Bedenkt man aber, daß er denn doch außer sich noch zwei ganze Köpfe zugab, die doch auch etwas erfunden haben müßten, so ist man wohl berechtigt anzunehmen, daß jene Behauptung einen ed leren, höheren Grund hatte als Eitelkeit und Windbeutelei. Mir ist es sehr wahrschein lich, daß Beireis größtenteils Autodidaktos war, und wer sich ohne Lehrer strenge und ernsthaft mit den Wissenschaften, besonders mit den mathematischen und physikalischen beschäftigt , der kommt durch sein Nach denken auf Säße und Resultate , wovon er mit Recht behaupten kann, er habe sie für sich aufs neue erfunden. Daß dies des Beireis Meinung war, davon hat mich eine Aeußerung desselben unter Freunden und Vertrauten, daß er manches sage, um die Aufmerkſamkeit seiner Zuhörer zu reizen, überzeugt. Und in der That, nichts war angenehmer und lehrreicher , als wenn er uns darstellte, wie er etwas erfunden habe. Man fah hier den Hang des menschlichen Geistes in der Erforschung der Wahrheit und Auffindung der wichtigsten Entdek fungen , obgleich Beireis Zeiträume von Jahrhunderten in ein halbes Jahr zusammen drängte. Er lehrte hierdurch gewissermaßen die Kunst, zu entdecken und zu erfinden. Bei der Lebhaftigkeit seines Geistes konnte es aber auch hier nicht fehlen, daß Ueber treibungen vorkommen mußten ."
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Wie wir bereits erwähnten, hatte Bei- | zu erzielen, als er ; ja es schien Marime reis seine Beschäftigung mit der Alchimie zu sein, sich dadurch eine künstliche Familie in richtiger Erkenntnis ihrer Fruchtlosig- und die fromme Pietät einer Anzahl Menfeit wenige Jahre nach der Rückkehr von schen zu schaffen . " Und an anderem Orte : seiner Reise aufgegeben ; aber auch die In Gesellschaften , besonders aber bei Verfolgung und weitere Ausnutzung seiner Tische gab er seiner Galanterie die ganz praktischen chemischen Erfolge unterblieb eigene Wendung , daß er sich als eheseit dem Jahre 1761 . maligen Verehrer der Mutter, als jezigen In Mühlhausen , wohin Beireis nach Freier der Tochter oder Nichte ungezwungen dreijährigem Verschollensein zurückgekehrt darzustellen wußte ; und man ließ sich war, hielt er sich nur ganz vorübergehend dieses oft wiederholte Märchen gern geauf ; er begab sich alsdann über Braun- fallen, weil zwar niemand auf den Beſig schweig nach Helmstedt, welches er fortan seiner Hand, wohl mancher aber gern auf nur noch auf Stunden bis an sein Lebens- einen Anteil an seinem Nachlasse Anspruch ende verließ, ohne seine Heimat und seine gemacht hätte." Angehörigen ein einziges Mal wiederzuDagegen ist Beireis' vorurteilsfreier sehen. Da er jedoch aus der Ferne in Biograph K. v . Heister in der Lage, einen regem Briefwechsel mit ihnen blieb und ihm seitens " einer hochverehrten Frau, sie reichlich unterstützte, so liegt kein Grund welche ihren Namen nicht genannt haben. zu der Annahme vor , daß er sich über will " , zur Verfügung gestellten Brief mithebend oder durch einen Zwist entfremdet zuteilen, welcher der wörtlichen Anführung von ihnen zurückgezogen habe. Einzig und wohl wert erscheint ; derselbe lautet, soweit allein seine ungeheure Thätigkeit , die ihn hier von Interesse : " Was Goethe 1805 beunlöslich an Helmstedt fesselte , hat ihn merkt haben will, iſt gänzlich falsch. Beireis abgehalten, die Familienbeziehungen eifriger war gegen alle Frauen , alt oder jung, zu pflegen. War ja doch auch hierin haupt- hübsch oder häßlich, äußerst galant, dabei sächlich der Grund dafür zu suchen , daß in den Häusern fast aller Professoren ein er sich niemals einen eigenen Herd , ein gewissenhafter und treuer Arzt. In dem eigenes Familienleben gründete. Man hat sehr geselligen Helmstedt war er ganz den behaupten wollen, daß Beireis ein Weiber Frauen überwiesen ; er spielte nicht Karten und Kinderfeind gewesen sei, und hat häufig und rauchte keinen Tabak, kam sehr pünktaus dem Mangel eines veredelnden weiblich und gab selbst viel Gesellschaften, wolichen Einflusses seine Sonderbarkeiten er bei er sich mehr mit den Frauen unterflären wollen. Doch steht es als sicher hielt. Es war wohl keine, die ihm nicht fest, daß Beireis in der ersten Zeit seines Dankbarkeit für ärztliche Hilfe schuldig Aufenthalts in Helmstedt die ernste Absicht war , in deren Familie er nicht Lebensgehabt hatte , sich mit der jungen und retter gewesen. Kein Wunder also , daß geistreichen Witwe eines in Helmstedt ver- sich jede bemühte , ihm Aufmerksamkeiten storbenen angeblichen Kabinettsrates zu erweisen und ihm zuzuhören, worin die zu vermählen ; aber die durch seinen Hund gesellschaftliche Unterhaltung bestand. Alz herbeigeführte Entdeckung unzweifelhafter Mädchen, von 15 Jahren an, habe ich oft Untreue der bereits mit ihm Verlobten stundenlang neben ihm gesessen , ihm zu hintertrieb die Ausführung dieser Absicht. gehört und mich seines Vortrags erfreut, Wenn Beireis auch später dem Herzog der stets sehr belehrend war ; und wie fühlte von Braunschweig gegenüber den Grab ich mich geehrt , wenn er mich dann zu stein dieses Hundes als das Denkmal seines Tisch führte." besten Freundes , dem er viel zu verdanken Nach dieser Abschweifung kehren wir habe, bezeichnete, so war doch dieser fatale zu dem Zeitpunkt zurück , mit welchem Zwischenfall weit entfernt, ihn thatsächlich Beireis sich in Helmstedt niederließ. Sein zu verbittern . Er fühlte sich im Gegen aus dem Jenenser Studium herrührender teil stets in Damengesellschaft aufs an Mangel an praktischen medizinischen Ergenehmste angeregt und schlug eine Einfahrungen, welcher ihm persönlich während ladung zu einer solchen nur in den zwingend einer heftigen Krankheit fühlbar geworden sten Fällen aus. Aus diesem Umstande, war, veranlaßte ihn, sich von neuem als sowie aus der Thatsache, daß Beireis als Student der Heilwissenschaft einschreiben liebenswürdig galanter und geiſtvoller Er- | zu lassen. Er hätte keine bessere Gelegenzähler die Kosten der Unterhaltung in ge- heit finden können, sein Wissen zu vervollschicktester Weise ganze Abende hindurch ständigen , als in Helmstedt unter der zu tragen pflegte, nahm Goethe, der sich persönlichen Leitung des hochberühmten in seinen Tag- und Jahresheften häufig Lorenz Heister , welcher , seine Genossen als ein wenig in Beireis' Charakter ein auf dem Lehrstuhle weit an Gelehrsamkeit dringender Kritiker zeigt , Veranlassung, überragend, in Beireis mit sicherem Blick den Gelehrten als einen eitlen, sogar von denjenigen Schüler erkannte, welcher ihm unlauteren Motiven erfüllten Gecken zu allein fähig schien , seine von dem daschildern : „Bei den Gastmahlen spielte der maligen Stande der Wissenschaft nicht seltsame Mann seine jugendliche Rolle mit selten abweichenden Lehren zu verstehen Behagen fort ; er scherzte mit den Müttern, und weiterzubilden. Da Beireis dieses als wenn sie ihm auch wohl früher hätten Vertrauen in seine Fähigkeiten durch eisergeneigt sein können, mit den Töchtern, als nen Fleiß und eifrigste Hingabe an sein wenn er im Begriffe, ihnen seine Hand Studium lohnte, wurde er bald statt Heianzubieten, wäre .. Gewiß war niemand sters Schüler ſein beständiger Aſſiſtent und gewandter und geschickter , Erbschleicherei | Freund, der ihn in seiner Praxis bei allen
Paul Moldenhauer. 208: Behinderungen vertrat. Heister starb in seinen Armen 1758, aber nicht, ohne den Weg des vielversprechenden Studenten durch rühmliche Empfehlungen , namentlich bei dem Herzog, nach Kräften geebnet zu haben. Der Erfolg, mit dem Beireis weiterarbeitete, fonnte keinem Einsichtsvollen verborgen bleiben ; seine erste Frucht war es , daß im Jahre 1759 der junge Arzt an Stelle des eben verstorbenen Professors Krüger als Professor publ. ordinarius auf den Lehrstuhl der Physik berufen wurde, ohne zuvor Privatdozent oder außerordentlicher Professor gewesen zu sein, ja ohne sogar, wie sonst unerläßlich), zum Doktor promoviert zu haben. Letteres holte er indessen zwei Monate nach seiner Berufung nach. Zwei Jahre später, am 17. März 1762 , ernannte ihn der Herzog unter gleichen Umständen zum Professor der Medizin ; auch in diesem Falle erfolgte die Promo tion erst einige Monate darauf. Wenn wir nun sehen , wie nunmehr eine Erhebung, eine Beförderung nach der anderen eintrat, fast Schlag auf Schlag, während Beireis sich sagen mußte, daß sie alle wohlverdient und eine schuldige Anerkennung seiner Fähigkeiten und Leistungen waren, so war es nicht verständlich, wenn er sich hierdurch in seiner stolzen Eitelkeit bestärken und keine Gelegenheit vorübergehen ließ , sich selbst in schmeichelhaftester Weise durch Anführung der ihm von allen Seiten zu teil gewordenen Gunstbezeigungen zu verherrlichen. Seine Verdienste fanden auch außer halb seines engeren Wirkungskreises in Helmstedt reiche Anerkennung , welche in mehrfachen Versuchen , den berühmt gewordenen Gelehrten als Dozenten an andere Universitäten oder als Leibarzt an Fürstenhöfe zu ziehen , sich äußerte ; Beireis jedoch lehnte die verlockendsten Anerbietungen ab , um seiner Julia Carolina treu zu bleiben. Dafür aber konnte er bei passenden Gelegenheiten es nie unterLassen, sich dessen zu rühmen , daß es in seiner Macht gelegen hätte , dem einen oder anderen Fürsten durch Annahme der Berufung einen Gefallen zu erweisen. Es war in der That kein Wunder, wenn von zahlreichen Seiten der Wunsch laut wurde , einem Manne wie Beireis einen größeren , seinen Fähigkeiten angemessener erscheinenden Wirkungskreis zu geben ; denn die Thätigkeit , die er als akademischer Lehrer und ausübender Arzt entwickelte, war eine geradezu unbegreiflich umfassende und erstreckte sich, worin ihr größter Wert gesehen wurde, fast aus schließlich auf Verfolgung praktisch nüß licher Ziele, ohne sich von fruchtloser Theorie ablenken zu lassen. Es ist erstaunlich, welche Arbeitskraft in dem nicht eben besonders kräftig erscheinenden Gelehrten verborgen lag. Wie K. v. Heister erzählt und auch anderweit versichert wird , schlief Beireis nur drei Stunden täglich , und zwar von 12 bis 3 Uhr des Nachts . Er aß äußerst wenig, was einen verlangsam ten Stoffwechsel und vermindertes Schlafbedürfnis bedingt. Von den 21 Stunden,
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welche er täglich lebte, verwendete er 1787, Er hatte recht , wenn er sich so in wo er auf dem Höhepunkte seiner Thätig Gegensatz zu seinen Amtsgenossen stellte ; keit stand, 13 zu Vorlesungen, also wöchent denn die ganze Art seines Auftretens als lich 78 Stunden , während heute durch akademischer Lehrer hatte etwas derart vom schnittlich der vierte Teil für übergenug Herkömmlichen Abweichendes, daß er als gilt. Freilich minderte sich diese Zahl mit bahnbrechender Neuerer in der akademischen dem Fortgange seines Lebensalters ; immer Lehrmethode angesehen werden kann . Wähhin aber bleibt es wunderbar, daß er auch rend der Universitätsprofeſſor jener 3eit nur einige Jahre hindurch beharrlich an dieser einzig und allein seiner Wissenschaft, oder gewaltigen Anstrengung festhalten konnte. besser seinem speziellen, eng abgeschlossenen Die öffentlichen Vorlesungsverzeichnisse Lehrfache Leben durfte , ohne durch der Universität Helmstedt geben uns einen Nebenamt, eine bürgerliche Thätigkeit von Begriff, wie vielseitig das Wissen war, derselben abgezogen zu sein, zeigte sich über welches Beireis verfügte. Wir geben Beireis als ebenso tüchtiger, praktischer nachstehend eine aus denselben zusammen Arzt , wie als die Theorie erörtern der gestellte Blütenlese der Gegenstände, welche Dozent , als ein ebenso umsichtiger GeBeireis im Laufe seiner Lehrthätigkeit vor schäftsmann bei Verwertung seiner chemigetragen hat. Es waren nach dem Werne- schen Erfindungen und Vermehrung seiner burgschen Manuskript : Geschichte, Theorie Sammlungen , wie als wissenschaftlicher und Encyklopädie der Arzneiwissenschaft ; Forscher. Seine Kollegen waren noch generelle und spezielle Pathologie ; über lange Zeit nach ihm in allen Dingen die Nerven ; über die Muskeln ; Semio- des gemeinen, namentlich gesellschaftlichen logie ; über Kinderkrankheiten ; Diätetik ; Lebens völlig unwissend , ja unbehilflich allgemeine und besondere Therapie; Ma bei den einfachsten Verrichtungen; je mehr teria medica ; Pharmazie ; Kommentation sie sich in ihre Studien vertieften, jede zum württembergischen und braunschwei- Berührung mit dem bürgerlichen Treiben gischen Dispensatorium ; Medicina forensis ; vermieden , ihre Studenten nur auf dem nur Geburtshilfe ; Interpretation der Apho- Katheder , das profanum vulgus bei feierlichen Gelegenheiten mit ihrem rismen des Hippokrates . Theoretische und experimentale Natur- Anblick beehrten , um so mehr galten lehre ; Optik, Dioptrik, Katoptrik; Hydro- sie als Gegenstand allgemeiner Ehrfurcht. statik, Hydraulik, Aerometrie, Pyrometrie. Anders Beireis . Er besaß und zeigte bei Theoretische und experimentale Chemie ; jeder Gelegenheit ein elegantes , weltmännisches Auftreten ; er war ein angenehmer Farbenlehre. Naturgeschichte der Tiere ; Botanik mit Unterhalter und darum gesuchter Gast in Exkursionen ; Mineralogie ; Metallurgie ; den Geſellſchaften aller Kreise, dazu freundüber das Kochsalz. lich , human , selbst opferwillig für den Mathematik; Astronomie ; Logik ; Aesthe- niedrigsten Bauersmann und last not least, tik ; Musik ; Malerei ; Münzen. ein wahrer Freund seiner Schüler, die es Dekonomie ; Gartenkultur ; Forſtwiſſen- | ihm nach Kräften dankten ; denn wenn es auch viele gab , die unter seinem ſonderschaft; Bergwerkskunde ; Zymotechnik. De generatione hominum . baren Auftreten seine wahre Bedeutung nicht verstanden, so war doch keiner unter Ueber die Kunst , zu erfinden. Ueber die Kunst, mit Nußen zu reisen. ihnen, der sie nicht geahnt, der seine BeEs ist begreiflich, daß bei einem der mühungen roh mit Hohn und Spott verartigen Repertoire nicht an eine alle Tiefen golten hätte. erschöpfende Bewältigung des gewählten Das den Studenten im Hörsaale sich Themas zu denken war , um so weniger, bietende Bild des Dozenten war bisher als Beireis die Gewohnheit hatte , sich überall ein durchaus man verzeihe das ― beständig in Nebenbemerkungen und An- häßliche Wort uniformes gewesen, bei führungen , sowie im Erörtern von nicht welchem vornehmlich die gewaltige Allongedirekt in seinen Vortrag gehörenden That- perücke als unzertrennlich erachtet wurde sachen zu ergehen. So hieß es denn auch von der Würde des Professorentums . allgemein, daß man bei dem Herrn Hof- Beireis zeigte sich , den Brauch nichtrat eigentlich wenig von dem lernte, woachtend, ohne eine solche, das eigene Haar für man das Honorar erlegt habe ; aber im Haarbeutel untergebracht. War dies dessenungeachtet waren seine Kollegien, na schon gleichsam ein stummer Protest gegen mentlich die naturwiſſenſchaftlichen, stets seine in allen Schwächen der Pedanterie bis auf den lezten Platz gefüllt, weil man befangenen Kollegen , so dokumentierte er überzeugt sein konnte , wenigstens an all- sich mehr noch durch seine Vortragsart als gemeinerem Wissen gefördert zu werden. Vorfämpfer einer freieren akademischen Beireis selbst war sich dieser Eigenart sehr Richtung, als welcher er sich nicht scheute, wohl bewußt ; man wirft mir vor, " pflegte auch gegen den veralteten Disziplinar er nach Lichtenstein und anderen Gewährs zwang offen die Fehde anzusagen. Bei männern zu sagen , daß ich so viel von den, im übrigen zweifellos höchst achtungsDingen rede, die nicht zur Sache gehören ; werten und grundgelehrten Dozenten seiner aber ich habe auch die Zeit dazu . Denn Zeit war es Sitte, aus einem von Seich fange meine Stunden pünktlich an, ich mester zu Semester buchstäblich das gleiche schnupfe keinen Tabak, räuspere mich nicht bleibenden Kollegienhefte , welches „unund stottere nicht , womit meine Herren wandelbar in Sätzen, Glossen und Wißen" Kollegen so manchen Augenblick in ihren war , in gleichförmigem, ein besonderes Kollegiis einbüßen. " Interesse weder erweckendem, noch ſelbſt
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verratendem Tonfall vorzulesen . Beireis in Gegensatz gestellt hatte , so verlor er | seines Heilsystems ermöglichte es ihm, sich einen freien , be dieses Recht im Laufe seiner späteren Le von dem Gange eines Leidens nach überunerhört ! hielt lebten und anregenden Vortrag , den er bensjahre mehr und mehr. Da er nicht Zeit standener Krise auf lange voraus ein selten mit zahlreichen, für ihn nicht selten kost hatte, durch eigene Forschung die neu ins Le- irrendes Bild zu entwerfen. Bemerkenswert ist es, daß Beireis zahlspieligen Erperimenten fesselnd unterstüßte. ben gerufenen Hypothesen gleichsam nachzuWenn auch er zu Beginn des Kollegs einen entdecken, beharrte er mit ſtarrem Eigensinn reiche und schöne Erfolge auf dem Gebiete Leitfaden anführte oder einen kurzen Ab auf seinen veralteten Systemen, wohl wis der Psychiatrie zu verzeichnen hatte, auf schnitt zur Uebersicht diktierte , ſo ließ er send, daß mit dem Lockern eines einzigen welchem man zu seiner Zeit noch fast völlig sich hierdurch keineswegs in seinem vom Grundsages der ganze alte , so oft von im Dunkeln tappte ; freilich verdankte er Augenblick gebotenen Gedankengange be ihm verteidigte Bauzusammenstürzen mußte. diese Erfolge wohl weniger einer vorgeschränken ; so schrieb er selbst an den öfters Ein schlagendes Beispiel für dieses betrü schritteneren theoretischen Erkenntnis der ... Meine bende Stehenbleiben auf veraltetem Stand- Seelenstörungen als seiner umfaſſenden genannten Zimmermann ciaenen Grundsäße arbeite ich zu eben der punkt bietet folgende, einem Briefe an den Menschenkenntnis und der von wahrer Zeit aus, da ichsie in die Feder vorsage, Superintendenten Helmuth zu Calvörde ent- Herzensgüte diftierten gewinnenden Freund... Es läßt sich alles lichkeit und Milde, mit der er jedem Patienund folglich raubt mir diese Arbeit in der nommene Stelle : Woche keine Stunde. " sehr deutlich widerlegen, was jest fast alle ten ausnahmslos begegnete. Während seine Thätigkeit als akadeNur so erklärt es sich auch , daß er Physiker angenommen haben. So auch tro der überreich bemessenen Stundenzahl die närrisch ausgedachte Entstehung des mischer Lehrer in seinen lezten Lebensder Vorlesungen noch Zeit genug übrig Waſſers aus Orygen und Hydrogen, wo jahren an Bedeutung verlor , zeigte er behielt , um seine umfangreiche ärztliche von noch neulich (ein) Herr Professor der sich als Arzt fast bis zum letzten AtemBraris in glänzender Weise versehen und Naturlehre aus Paris hier versicherte, daß zuge im Dienste der leidenden Menschsich wissenschaftlich bethätigen zu können. es nun a priori durch Lavoisier und heit thätig, unbekümmert um die ihm erVielfach wurde Beireis' wiſſenſchaftliche a posteriori von demselben und in Hol- wachsenden Mühen und Gefahren. Dieſe Thätigkeit von seinem Fürsten, dem Her land durch die Elektrizitätsmaschine deutlich Selbstlosigkeit , die ihn keinen Hilferuf eines Erkrankten überhören ließ, war denn zog von Braunschweig , in Anspruch ge- erklärt wäre. " Seine Praxis war eine ungemein aus endlich auch unmittelbar die Ursache seines nommen, welcher ihm unter schmeichelhaftester Anerkennung seiner Verdienste die gedehnte ; sie umfaßte außerhalb Helmstedts Ablebens. Ueber seine letzten Tage beAnfertigung von Gutachten über Vorkomm- die Umgegend in meilenweitem Umkreise und richtet K. v. Heister: Im September 1809 nisse auf den verschiedensten Gebieten über kein Tag verging, ohne daß Kutschen und herrschte in Helmstedt die Gallenruhr. Der trug und ihn wiederholt mit Visitationen Reitpferde vor seinem Hause hielten , um Achtzigjährige besuchte unermüdlich , Tag wirtschaftlicher Etablissements beauftragte. ihn abzuholen ; seine Studenten sprachen und Nacht , die zahlreich Erkrankten und Daß er die Anstrengungen aller dieser daher viel von seiner reitenden Praxis " . stieg zu den armen Leuten viele Treppen Arbeiten , mit denen sich nun auch noch Selbst brieflich wurde er in zahlreichen hinauf. Er wurde selbst von der Krankseine ärztliche Praris verband, bis in sein Fällen, so von Berlin aus, konsultiert und heit ergriffen. In der Apotheke erschrak hohes Alter ertragen konnte , ist erstaun es ereignete sich mehrfach, daß er Patien- man über die riesigen, fast widersinnigen lich ; in einem an Zimmermann gerichteten ten , die von weither ihn persönlich aufge- Mittel, welche er sich selbst verschrieb . Von Briefe äußert er sichdarüber: „ Meine Seele sucht hatten, in seinem eigenen Hause aufs seinem Tode überzeugt , wies der Kranke ist von Jugend auf zu übertriebenen Ar gastfreundlichste Unterkommen gewährte. jeden Beistand zurück, auch besondere Pflege, beiten angewöhnet worden und sie hat da- Zu jeder Stunde am Tage oder des Nachts Nachtwachen, Besuche. Ohne Schmerzen, her eine Fertigkeit zu denken erlangt, die zur Hilfeleistung bereit , machte er keinen nur mit Gott und sich selbst beschäftigt, den Körper nicht angreift. Einige hinter Unterschied , ob ein Armer oder Wohl erwartete er heiter und in höchster Seeleneinander folgende schlaflose Nächte, wenn habender seiner bedurfte ; wie er es ver- ruhe den Tod , welcher am Morgen des notwendige und keinen Aufschub leidende stand, von Vermögenden reiche Honorare 18. September erfolgte. Er wurde allgemein Privatauffäge in ökonomischen, chemischen, und kostbare Geschenke als schuldigen Aus- und auf das innigste in Helmstedt bephysikalischen und medizinischen Dingen von druck ihrer Dankbarkeit in Gemütsruhe trauert ; denn wie vielen war er Helfer, Auswärtigen von mir verlangt werden, anzunehmen, so bedachte er sich anderseits Ratgeber, Wohlthäter gewesen ! " er war es gewesen ; und Jawohl können freilich auch einige Zeit meinem nie, die materielle Not bedürftiger Patien= Körper ein frankhaftes Ansehen geben ; ten durch reichliche Gaben aus eigenen wie zeigte sich die schuldige Dankbarkeit allein in einigen Tagen ist alles wieder Mitteln zu lindern. Rührend sind die seiner Zeitgenossen ? Kein Denkstein schmückte verbessert. " Danksagungsbriefe, die ihm, selbst in Poesie, sein Grab , selbst dann nicht , als der Es ist selbstverständlich, daß er häufig die überströmenden Gefühle glücklich Ge: Friedhof, der seine Asche barg, geschlossen Ausdrücke der schmeichelhaftesten Bewun- nesener ausdrückten. Es gab nicht wenige, und verlegt wurde ; so ist denn heute nicht derung über diese unermüdliche Arbeits- die in seinem feierlichen Auftreten den Kran- einmal die Stelle bekannt, wo der merkkraft und die durch sie erzielten Erfolge ken gegenüber eine Bethätigung seiner Eigen würdige Mann, der verdienſtliche Gelehrte zu hören bekam ; bedauerlich aber ist es, liebe sehen wollten. Es war in der That und gutherzige Mensch , die ewige Ruhe daß er sich hierdurch verleiten ließ , sich auffallend, daß er stets in gewählter Toi- gefunden hat. Und auch den Mangel einer feinen weniger bevorzugten Kollegen gegen lette , säuberlich frisiert , gleichviel ob es äußeren Anerkennung seiner Verdienste über in oft unglaublicher Weise zu überheben ; Tag oder Nacht war , die Patienten be würde man weniger zu bedauern haben, ja, er beurteilte auch fernerstehende , an- suchte, alsdann, bevor er ein Rezept schrieb, wenn diejenigen, die sich mit der Weitererkannte Gelehrte in absprechendster Form. in einer Ecke des Zimmers betete und den verbreitung von Schilderungen aus seinem So sagte er ú. a. einmal dem mehrfach Zeitpunkt der Genesung in vielen Fällen Leben befaßten, ernstlicher bemüht gewesen erwähnten Hofrat Böttiger : Hahn war mit unfehlbarer Miene auf den Tag be wären , seine unleugbaren Verdienste geein großer Mechaniker und dieser verdient stimmte. Seine Verordnungen waren ein rechter gegen seine gewiß ja nicht zu überAchtung; da hat aber die Kanaille , der fach, bestanden zumeist im Verschreiben von sehenden Schwächen aufzurechnen . Aber es handelte Pflanzensäften , die er in seinem eigenen selbst dies ist nur vereinzelt geschehen ; in Leibniz, auch so etwas erfinden Laboratorium häufig selbst bereitete ; mit den Augen der meisten überwog Beireis ' sich um eine Rechenmaschine wollen. Dieses hat er nur anderen ab- erstaunlich sicherem Blick wußte er die je Erscheinung als unnachahmlicher „ Virtuos weilige Krankheit nach Art und Höhegrad der Persönlichkeit“ all seine Bethätigung gestohlen. " Wenn der sonderbare Gelehrte auch in zu erkennen ; sein wirksamstes Heilmittel, auf dem Felde der Wissenschaft und echten der größeren . ersten Hälfte seiner Wirk- das bei folgsamer Anwendung seine Kraft Menschenliebe. samkeit als Lehrer in manchen Fällen nicht selten versagte , war eine klug bemessene ohne Berechtigung sich zu den Kollegen Diät , und eben dieſes diätetische Prinzip
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,Wenn die Sache sich so verhält, und das Mädchen wirklich von Ihnen nicht unterſtügt wird, so beruhigen Sie sich, ich werde das Meinige dazu thun. Aber offen Das Erdmannshaus. gesagt, Herr Erdmann, der Verdacht, daß Von das Verhältnis von den Eltern des Mädchens unterstützt wird, liegt sehr nahe, viel Anton Freiherr von Perfall. näher als die Annahme einer so schroffen. Abweisung Ihrerseits , die fast noch un(Fortsetzung.) glaublicher wird , wenn man die Gründe hört , die Sie dazu bewegt haben sollen . Mangel an sicherer Existenz und dergleichen ! blo, Familienangelegenheiten ! -Habe der ein Brillant blißte, stüßte sich auf das Wie kommen Sie dazu , bei einem Grafen Perin sich darum Sorge zu machen?" entschon davon gehört daß Fräulein Schreibpult. Graf Perin ! Tochter und der junge Graf - man spricht Es war derselbe Kopf , der draußen gegnete, eine reservierte kühle Haltung anja sogar von einer geheimen Verlobung.am Gange aus Rüstungen und Hermelinen nehmend, Graf Perin. " Ich sehe, Sie halten mich für einen Gratuliere! Gratuliere ! Eine große Ehre. " von allen Seiten auf Andreas herabblickte. Erdmann ward feuerrot. ,,Was wünschen Sie ? " fragte er mit Lügner, was dem Erdmann allerdings noch "I Sie hören ja allen Teufel, " fuhr er einer angenehmen, wohllautenden Stimme, nie begegnet ist ! Sie können es nicht bejäh auf, ich möchte Ihnen aber raten, während des Verwalters Miene am Tische greifen, daß der Erdmann sich nicht glückdieses Gehörte nicht weiter zu erzählen, immer mürrischer wurde. lich schäßt, seine Tochter Gräfin Perin Herr Lehmann , sonst sonst müßte ich " Mein Name ist Erdmann . Der werden zu sehen ? vielleicht können Sie mich an Sie halten. Hüten Sie sich davor Schmied Erdmann aus der Burggasse, " es begreifen, wenn ich Ihnen sage, warum ich eigentlich hier bin. " und kümmern Sie sich nicht um anderer erwiderte Andreas . Leute Geschichten! " Des Grafen Antlig zog sich in Falten, Das schroffe Benehmen des Grafen Die drohende Haltung des Schmiedes seine ganze Haltung ward plöglich eine machte es Erdmann leichter, mit seinen ließen Lehmann einen eilenden Rückzug andere , auch seine Stimme flang härter. Anliegen herauszurücken. ,,Ach, Sie kommen wohl betreffs Ihrer " Ihr Herr Sohn Sergius ," fuhr er ratsam erscheinen. " Nur nicht so hizig. -- Habe ja ge- Tochter und meines Sohnes Sergius ? Eine fort, ist ein Freund meines Sohnes SirKorpsbruder sogar. Die jungen sehr unange- tus unangenehme Geschichte glaubt, Ihnen Angenehmes zu sagen. hat mir schon Leute denken einmal anders über die GeWenn Sie wollen , bin ich schweigsam wie nehm, Herr Erdmann Aber Sie burtsunterschiede als wir Alten. - Leider ! die Nacht. Adieu, Herr Erdmann , gute sehr viel Verdruß gemacht. Mir paßte der Umgang auch nicht. Geschäfte ! Und wie gesagt wenn Sie werden doch einsehen, Herr Erdmann -- “ mich brauchen- bin zu jedem Dienſt bereit. " ,,Aber, Herr Graf," fiel Erdmann ein, Ein Graf Perin hat andere Ansprüche ans Mit dem Stöckchen herumfuchtelnd ging der sich auf eine solche Anrede nicht ge- Leben und Bedürfnisse, wie ein Erdmann haben soll. Aber was kümmern sich heuter bis auf respektvolle Entfernung rück- faßt gemacht. wärts , wohl um den hißigen Schmied „Lassen Sie mich ausreden , " unterzutage die Herren Söhne um die Ansichten nicht aus den Augen zu verlieren . Dann brach ihn dieser mit einer zurückweisenden der Väter ! Es kam so , wie ich gedacht, wandte er sich rasch und ging zur Hosthür Bewegung - „ Sie werden doch einsehen, mein Sixtus wurde in ein Leben hineinhinaus. daß daraus nichts werden kann, daß das gerissen, das für seine Verhältniſſe viel zu Andreas spuckte mit einer verächtlichen ganze Verhältnis nichts ist, als einer der kostspielig war. " Der Graf konnte einen Seufzer nicht Bewegung auf das Pflaster , warf noch vielen leichtsinnigen Streiche meines Sohnes , einen schmerzlichen Blick auf die schwer den Sie als vernünftiger Bürger nicht unter | unterdrücken . „Die Folge davon waren Schulden, gefährdeten Waffen und ging der Thür stüßen sollen. “ und auch diese wurden von den beiden zu , über welcher in großen Lettern ,, GutsErdmann verließ jetzt seine Ruhe. kanzlei" stand. „Herr Graf, sparen Sie sich jedes Herren in Kompanie gemacht. Auch Ihr Der kurze Aufenthalt in diesen ehr- Wort !" entgegnete er heftig. Eigentlich Sohn lebte über seine Verhältnisse . Es würdigen Räumen hatte eine eigentümliche sollte das erst zuleht kommen, aber unter wird Ihnen gewiß schon Sorgen genug Wandlung in ihm hervorgerufen, gegen diesen Umständen muß ich es Ihnen gleich gemacht haben ! Ich zahlte , solange ich) die er selbst vergeblich ankämpfte, es drückte sagen , Herr Graf, wie die Unterstützung konnte , aber jetzt sind schlechte Zeiten, ihn etwas auf den Nacken , den er nicht ausgesehen hat , die Ihr Herr Sohn von man kann sich selbst kaum durchhelfen ; mehr so gerade erheben konnte, wie er sonst mir erfahren. Ich habe ihm rundheraus da kommt der Bursch heute daher mit gewohnt war. Seine ganzen Lebens mein Haus verhoten, habe ihm erklärt, daß einer Ehrenschuld von tausend Thalern ! anschauungen und Neigungen griffen zu- ich meine Tochter nur einem Mann geben Haben Sie denn von der Geschichte nichts rück auf längst vergangene Jahrhunderte, kann, der auch eine Familie ernähren kann. " gehört, Herr Graf?" und es regte sich in ihm wieder die EhrDer wurde sichtlich ungeduldig. Der Graf biß die Lippen zusammen „Aber wie komme ich denn dazu , von furcht vor allem Althergebrachten. Graf und trommelte mit den zarten Händen auf einer Schuld Ihres Sohnes zu hören, Perin war jest, troß seiner schlechten Ver der Platte des Schreibtisches. hältnisse, für ihn eine Respektsperson. „Daß mir ein noch so hoher Name mein Herr? Oder wollen Sie vielleicht Er trat ein. Ein wohlgenährter alter nichts helfen kann , ja , daß ich selbst ein meinen Sergius verantwortlich machen? Herr saß an einem massiven Schreibtisch Feind bin von solch unnatürlicher Ehe . Was kann er dafür, wenn Ihr Sohn in von alter Arbeit und sah ihn mit einem Das alles habe ich ihm gesagt, dem jungen Kreisen sich bewegt, die für ihn nicht geärgerlichen Ausdruck an, ohne seinen Gruß Herrn , und auch das noch, daß ich von eignet sind?" „ Also kein Wort hat er Ihnen davon zu erwidern, während der große, auffallend | ihm als Ehrenmann erwarte, daß er meiner schlanke Herr in tadelloser Salontoilette, Gilde nicht hinterwärts nachstelle. Er gesagt , der Herr Sohn? " fuhr in erregtem der am Fenster lehnte, ihm sofort freund hat es aber doch gethan, und ich hätte den Ton der Schmied fort, „ das ist allerdings lich grüßend entgegentrat ; eine stattliche Herrn Grafen selbst ersucht, der Sache ein stark ! So hören Sie es von mir , Herr Erscheinung, ein schneeweißer, mit großer Ende zu machen , erst später allerdings , Graf, die tausend Thaler sind die Schuld Sorgfalt gepflegter Spitbart gab dem edel- nachdem ich die Hauptsache erledigt, wegen Ihres Sohnes , mein Sixtus hat nur gutgeschnittenen Angesicht mit dem milden, der ich eigentlich hier bin , da Sie mich gestanden mit ſeinem Namen für die Summe, gewinnend blauen Auge etwas Ehrwürdiges . aber selbst darum anreden, mußte es gleich die er sonst nicht bekommen hätte. Und da er sein Ehrenwort nicht einlösen konnte, Eine kleine Hand von tadelloser Weiße, an heraus. "
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wohl zu feig war, seinem Vater ein offenes Bekenntnis abzulegen , überließ er die ganze Geschichte seinem Freunde. Der reiche Erdmann sollte bezahlen ! Jeßt, Herr Graf, begreifen Sie vielleicht auch , daß ich kein Lügner bin und mich nicht danach sehne, meine Gilde als Gräfin zu sehen. " Die Entrüstung , die wieder in ihm aufstieg , riß ihn mit fort. Der Graf, rer nur mühsam eine gewisse Ruhe heuchelte die Bläſſe ſeines Antlihes, die zitternde Hand straften ihn Lügen hieß mit einer kurzen Bewegung den Schreiber am Tisch sich entfernen ; mit einem cynischen Lächeln verschwand dieser. ?? Sie kommen natürlich, " begann der Graf, ohne sich im geringsten wegen des dem Schmiede angethanen Unrechts zu entschuldigen , um von mir die Zahlung der Summe zu fordern ? Nicht mehr als billig ! Und wann ist der Termin ?" Morgen ! " entgegnete Erdmann kurz. Der Graf wischte sich über die feuchte Stirn, seine Züge wurden schlaff, wie die eines plötzlich Erkrankten. „Morgen," wiederholte er, „ und Auf Ehrenwort steht unter dem Namen meines Sohnes ?" Und unter dem des meinen , " fügte Erdmann bei , in einer häßlichen Regung einen Moment die Seelenangst des Grafen mit Genugthuung betrachtend. „ Dann ist er verloren ! Er muß seinen Red ausziehen - ich kann bis morgen die Summe nicht zahlen." Er schien in seiner Herzensangst diese Worte zu sich selbst zu sprechen und auf den Schmied ganz vergessen zu haben ; plöslich hob er mit einem ganz veränderten Ausdruck das gesenkte Haupt. „Sie wissen ja selbst als Geschäftsmann , wie oft eine Zahlung sehr ungelegen kommen kann. Ich hatte große Ausgaben in der legten Zeit es fällt mir wirklich schwer in diesem Augenblick. " Trok der angewandten Energie lag doch die größte Verzweiflung in den Zügen des Grafen. Der Schmied sah ihm fest ins Auge. " Es ist Ihnen nicht nur schwer in dieſem Augenblick, ſondern unmöglich, Herr Graf,“ ſagte er. Zu was diese Verstellung unter Männern ?“ Der Graf fuhr mit einer schlimmen Erwiderung auf der Lippe auf. Erdmann legte seine Hand auf seine Schultern, der Ausdruck seiner ernsten und doch so milden blauen Augen mußte fascinierend wirken auf Graf Perin er ließ das stolze Haupt schweigend sinken. Ich bin selbst in einer schlimmen Lage , Herr Graf, da hat man einen geschärften Blick, aber auch ein mitfühlendes Herz. Was ich in der Sache thun kann, thue ich ja gerne. Der Sirtus ist ja aber wie am Ende mit schuld daran gesagt , es ist zum Teufel holen , daß es gerade jezt sein muß . " Er kraute sich ärgerlich das noch immer üppige Haar. Nichts davon , Herr Erdmann ," er widerte , seinen ganzen Stolz zusammen89. II.
Das Erdmannshaus.
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| nehmend , der Graf. „ Gerade weil Ihr | Thränen rollten in den schneeweißen Bart, Sirtus gut stand , ist es eine doppelte die kleine zitternde Hand ergriff die derbe Ehrenschuld meines Sohnes und kann von Schmiedefaust und drückte sie fester , als einem Bezahlen Ihrerseits keine Rede sein. " man ihr zutraute. Einen Augenblick war Er versank wieder in Nachdenken. es mäuschenstill. „Ich nehme es an. - Sie sind ein " Wären Sie nur um eine Viertelſtunde oder halt" früher gekommen er Ehrenmann . - Verzeihen Sie mein Mißfuhr sich an die Stirne -- ich kann ihn trauen von vorhin. --- Ich bin krank. ja zurückholen lassen , er kann noch nicht Es lastet so viel auf mir. Ich werde weit sein." es Ihnen nie vergessen" brachte der Graf Perin wollte eben die Glocke Graf abgerissen , stückweiſe hervor - es am Tische berühren. Der Schmied fiel kam aus einer gequälten Bruſt. Ich verlange nur eines dafür , Herr ihm in die Hand. ,,Den Herrn , der eben das Zimmer Graf," entgegnete Erdmann, " halten Sie verließ , als ich gekommen , wollen Sie Ihren Sohn von meinem Mädel fern. holen lassen ?" fragte er, starr den Grafen Sie hat heißes Blut und will oben hinanblickend , der noch immer die Hand an aus. Wenn ich eine Schande erleben müßte es brächte mich um. “ der Glocke hatte. "/ Seien Sie versichert , er wird den „Kennen Sie den ? " fragte der Graf. " Er sprach mit mir eben am Gang Retter seiner Ehre zu achten wissen. Bei draußen. Der Lehmann , nicht ? Und allem Leichtsinn ist er doch ein Edelmann." was soll der Lehmann ? " „Aber Herr Erdmann, " fuhr der Graf Erdmann atmete schwer auf, eine böse Ahnung lastete auf ihm , die er nicht los auf, „ Sie sind neugierig ! " Die schönen Waffen soll er Ihnen werden konnte. abkaufen für tausend Thaler , nicht ? die „Also abgemacht , " sagte er , sich zum da draußen hängen ? " fuhr der Schmied Gehen wendend, den Wechsel übernehme unbekümmert um die Erregung des Grafen ich bis auf weiteres und die Waffen bleiben fort. „ Das dulde ich aber nicht. Nein ! im Hause. " das duld ich nicht ! " Er schlug mit der „Auf baldiges Wiedersehen, Herr Erdmann. " Der Graf reichte ihm nochmals Faust auf den Tisch. Der Graf trat fast ängstlich zurück, die Hand. " Sie werden den Weg nach als habe er es mit einem Verrückten zu Herrenwörth hoffentlich bald wieder finden, thun. "! Wie kommen Sie zu einer solchen dann will ich Ihnen noch vieles zeigen Vermutung , und wie können Sie vom aus alter Zeit, da Sie solch eine Freude Dulden und Nichtdulden sprechen in daran haben. Jezt habe ich ein anderes, meinem eigenen Hause ? " entgegnete er . minder angenehmes Geschäft. Ich will „ Er selbst, der Jude, hat es mir aber meinem Sohn ins Gewissen reden , ihm gesagt, " fuhr Erdmann fort, „ daß er die sagen , daß ein wackerer Handwerksmann Waffen gern haben möchte, daß Sie aber seine Ehre und die braven Waffen , wie einen zu hohen Preis dafür verlangen. Sie sie nennen, gerettet hat. " Herr Graf ! Sehen Sie, ich bin ein BürAls Erdmann den Korridor entlang gersmann , ein einfacher Schmied , aber schritt, schmunzelte er zufrieden beim Anwenn ich nur ein Stück aus dem Erd- blick des Rüstzeuges an der Wand. mannshaus hergeben müßte ! mein Es war ihm als winkten ihm die alten Gott , es wird ja vielleicht bald so kom- Herren da oben aus den ſtählernen Halsmen - aber es wird dann sein , als bergen und Spißenkragen freundlich zu . schnitten sie mir ein Stück Fleisch heraus . Er dachte den Augenblick nicht an die Und Sie, ein Graf Perin wollen die tausend Thaler, die er aufbringen mußte Waffen , die Ihre Ahnen ruhmreich ge- bis morgen. schwungen , die ihre starke Faust vielleicht Die Croquetspieler im Parke waren noch im Tode umklammert hielt, dem Leh- verschwunden. mann geben ? Herr Graf, das kann nicht Ein heftiger Wind brauste in den ursein ! Es muß Ihnen das Herz brechen alten Linden, in den Akazien , beugte die schlanken Pappeln , wirbelte flirrend das cher alles ! alles ! " „Wenn aber das Alles schon geschehen vorjährige Laub von den Wegen auf und ist, Herr Erdmann ?" erwiderte der Graf, jagte schwere , dunkle Wolkenballen von der , anfangs schmerzlich betroffen , seine Westen über das Schloß hin. Erdmann fürchtete sonst kein Gewitter, entseglichen Verhältnisse vor diesem Mann so aufgedeckt zu sehen , plöglich von dem jest war ihm bang wie einem Kinde. warmen, ihm ganz unerwarteten Interesse Wenn der Bliß das Erdmannshaus träfe an seinen auch ihm heiligen Familientra und er nur noch seine rauchenden Trümmer ditionen tief erschüttert war. „ Wenn es anträfe ?! das Lette ist , womit ich bis morgen die Er beschleunigte seine Schritte. Ehre meines Sohnes retten kann ?" Daz Kapitel VI. blaue Auge war feucht . ,,Dann, Herr Graf, dann nehmen Sie Das waren böse Tage im Erdmanngdie angebotene Hilfe eines ehrlichen Mannes haus , nach dem Besuch des Andreas in ohne weitere Bedenken an — und – und Herrenwörth ! Monikas Augen waren verbehalten Sie die braven Waffen ! " Auch dächtig gerötet und geschwollen, sie ruhten Erdmanns Stimme stockte. immerwährend mit forschendem Ausdruck Graf Perins Stolz war gebrochen — auf den abgehärmten, düſteren Zügen des 10
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Andreas, dem auch die Arbeit nicht mehr | sammengefunken , die Augen lagen in | nete der Schmied etwas ruhiger, die ist ja an über seine Sorgen hinweghalf. grauen Höhlen , der Bart war zerzaust, allem schuld mit ihrem Hochmut . Wenn's Gildes jetzt immer verdrossenes , un- unordentlich), er sah nicht wie sonst nach nach ihr gegangen wär', wärſt du ja auc ein Herrischer geworden, und ich fäße jez zufriedenes Gesicht , ihr teilnahmsloses , | der Arbeit der Gesellen. kühles Wesen, das nur den Aerger widerPlag dich nicht, Valentin, " sagte er allein da in meinem Jammer." Der Gedanke beruhigte offenbar de spiegelte , durch die schlechten Verhältnisse mit bitterem Ausdruck, damit ist nichts in ihrem Aufwande behindert zu sein, trug mehr geholfen. Ich muß morgen den furchtbaren Sturm in seinem Inneren. nicht dazu bei , die Last auf Andreas' Bankerott ansagen, es geht nicht mehr, " " So habe ich wenigstens dich, Valentin Schultern zu erleichtern. Auf Sirtus hatte sprach er leise. „ Die Maschinenfabrik der mich nicht verlassen wird, was aud die Szene mit dem Vater keinen so nach Böhme und Kompagnie hat heute ihre kommen mag. Was du vorhin von den träglichen Eindruck gemacht als es den Zahlungen eingestellt , der Posten ist so Eisen gesagt, da hast du schon recht, aud Anschein hatte. gut wie verloren, Graf Perin kann auch ich will gerade nicht zu dem schlechter nicht zahlen, die tausend Thaler könnten Zeug gerechnet werden, aber du weiß Der Wechsel war bezahlt vom Vater das erfuhr er von Sergius , der ihn mit mich noch retten, es wäre ein Betrag zum nicht, Valentin, wie das schmerzt, hinaus Dankesworten überschüttete – auf welche Weiterwirtschaften." zu müssen aus diesem Haus, das ich so liel Weise bezahlt, das las er in dem kummerValentin schnitt die Verzweiflung des gehabt, das mein Stolz war ! Das weiß vollen Antlig des Vaters , und da ihm Vaters mehr ins Herz , als diese Nach- | du nicht, Valentin. “ Das Haupt sank schwer zur Brui dieses Lesen peinlich war , ließ er sich richt, die ihm nicht unerwartet kam . „Kopf selten sehen unter dem Vorwand ernsten oben, Vater," sagte er, den Hammer weg herab, die eine Hand krampfte sich in di Studiums . legend, „ ich wußte es ja schon längst, wie Schultern des Sohnes , während die an Valentin allein hatte sich nicht geändert. es kommen würde mit dem verdammten dere sich vor das Gesicht legte, um di Sein einfacher, genügsamer Sinn , das Eisenhandel. Wir sind Schmiede und Thränen zu verbergen , deren sich de stolze Bewußtsein seiner Arbeitskraft half keine Händler und hätten beim Handwerk starke Mann schämte. „ Vertrau auf unsern Herrgott, Vater! ihm über alles hinweg. Sein ganzes bleiben sollen. " Wesen wurzelte mehr in der Gegenwart, Und wer ist denn schuld , daß ich erwiderte in felfenfeſter Ueberzeugung Ve als das des Vaters , dessen ausgeprägten nicht dabei geblieben?" wendete Andreas lentin, " wenn er will, gewinne ich mi Sinn für Althergebrachtes er zu dessen ein. „ Meine Kinder, der Sirtus und die meinen Armen das Erdmannshaus wiede Verdruß nicht geerbt. Ihm war die Ar- Gilde, für die der Ertrag des ehrlichen zurück, und wäre es tausendmal verloren. Andreas schüttelte ungläubig den Kop beit für sich Lebenszweck und Genuß, und Handwerks nicht mehr langte, da habe ich "1 " Damit hat's gute Wege, armer Jungs wenn alles zusammenbrechen sollte , dann mich verleiten laſſen schwang er eben in Gottes Namen seinen "! So müssen wir eben wieder werden, Aber ich danke dir, es trägt sich leichter Hammer in einer fremden Werkstätte. Mit was wir waren , Vater , einfache wenn man solche Worte hört. Laß es ti ic diesem Gedanken, der für Erdmann fürchter | Schmiede - Arbeiter ! Unser Herrgott nur nicht rauben das Gottvertrauen , id lich war, hatte er sich im stillen schon lange hat uns ja tüchtige Arme verliehen, die geb' was drum morgen ! " Er strich dem Sohn über die üppiger ausgeföhnt ; und noch einen Schatz be- helfen überall durch." wahrte seine breite Brust , ein kindliches "In fremden Dienst nicht?" ent- blonden Locken, sah ihm tief in die treue Gottvertrauen , einen tiefreligiösen Sinn, gegnete der Schmied. „ Das sagst du so Augen, als suche er darin einen Schaß, de dem das skeptische Lächeln Sirtus' und ruhig, und im Erdmannshaus ſoll von nun ihm fehlte, und verließ tiefgebeugt die Weri selbst die derben Späße des Vaters , die an ein Anderer arbeiten . Und du glaubst, statt. in dieser Beziehung sehr freie Ansichten daß ich das ertragen kann, daß ich mich Jezt erst packte es auch Valentin, al hatten, nichts anhaben konnten. Er dachte so mir nichts dir nichts auf die Straße er die gebeugte Gestalt des Vaters ver nicht , er fühlte bloß , und so blieb ihm sehen lasse wie einen Hund ? Ja , Herr schwinden sah , er fühlte jezt die ganz der Glaube. gott ! Was habe ich denn für Söhne? Wucht des Schlages , der morgen die Es kam nicht selten vor, daß er nach Der Eine hat mich mit seinem Herren Schultern treffen sollte. Die Geselle Feierabend einen Sprung in die der spielen zu Grunde gerichtet , der Andere waren wieder an der Arbeit, ſie achtete Schmiede gegenüberliegende Heiligegeist nimmt geduldig sein Werkzeug und vernicht auf sein plötzliches Verschwinden. kirche" machte. Da herrschte eine so frische läßt ohne umzuschauen sein Vaterhaus, trieb ihn hinüber in die Heiligegeiſtkirch Kühle in dem hohen Gewölbe. Diese in dem seit Jahrhunderten die Erdmanns Da ward ihm noch jeder Herzenskumme heimliche Stille that ihm so wohl nach gesessen." erleichtert ; er wußte es von der bös dem Lärm des Tages , und ohne ein GeAndreas achtete in seiner Erregung Zeit her, wo Fevi ihn verließ. bet zu sprechen , fühlte er so erhaben. gar nicht mehr, daß das Lärmen der Tiefe Schatten breiteten sich schon üb Diese riesigen Pfeiler und Wölbungen Hämmer um ihn her aufgehört , die Ge- das Mittelschiff, aus denen das eintöme zogen seine ganze Seele gleichsam nach sellen die Köpfe zusammensteckten und er rhythmische Gemurmel Betender in die bes oben diese purpurnen dunkelblauen staunt auf den wütenden Meister her: Wölbung hinaufstieg. Auf dem Haur Lichter , die , durch die Glasmalerei bre- überblickten. altar brannten vier Lichter, deren fahle chend , in allen Winkeln und Ecken ihr " Und was hilft das Toben , Vater?" gelber Schein die nächste Umgebung be mystisches Wesen trieben , verseßten ihn, entgegnete gefaßt Valentin. „ Sag selbst, leuchtete. Dunkle Gestalten bewegten fie deſſen Phantasie durch den Gedanken nicht was kann uns denn retten, wenn es ein in der Dämmerung doppelt so groß e gestört wurde , in eine andere geheimnis mal so weit ist, als die Arbeit, die ja scheinend, dazwischen räusperte und huste volle Welt , die hoch erhaben war über auch unter einem anderen , fremden Dache es in allen Ecken --- es war wohl Nofer die, in der er sich des Tags über bewegte. keine Schande ist. Ich weiß recht gut, was kranz . Das war kein Platz für Valenta Das war für ihn eine unendlich süße, fast das für dich ist, aus diesem Haus zu müssen, Diese sinnlosen Gebete wälzen keine a wollüſtige Ruhe, die er nicht mehr missen und ich wäre recht schlecht, wenn ich dabei vom schwerbedrängten Herzen , das fan fonnte. gleichgültig sein könnte, aber ein Schmied, nur eine stumme, sich ganz in das Es war in der zweiten Woche nach der immer mit dem spröden Zeug da herum stische versenkende Andacht einer glän dem Besuche in Herrenwörth. Der Vater arbeitet, der muß auch ein bißchen geerbt gen Seele. mußte schlimme Nachrichten erhalten haben, haben davon, meine ich, und auch einige Er schlich auf den Fußspißen , u er arbeitete den ganzen Tag nicht und feste Schläge ertragen können , ohne in niemand zu stören, an den Betenden ve schloß sich in sein Zimmer ein ; des Abends Stücke zu gehen. So schlechtes Zeug hast du über , einer Seitenkapelle zu , die er kam er in die Werkſtatt. Valentin er immer verachtet ! Was soll denn die arme zu besuchen pflegte. Dort befand sich ei Die ganze Mutter thun, wenn wir so ratlos sind ?" Madonnenbild , das er besonders verehrt schrak bei seinem Anblick. starke Gestalt war förmlich in sich zu„Höre mir mit der Mutter auf, " entgeg Er verstand nichts von Malerei, aber da
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selige Beisammensein der Gottesmutter ,,Konnt' nicht anders ? " erwiderte bitter , Auge der Gottesmutter auf sie herableuch mit ihrem liebreizenden Kinde, das den im Flüsterton Valentin. Ich weiß einen, tete ; der Zwiespalt ihrer Seele wollte sich ganzen bestrickenden Zauber Rafaelscher der dich nicht verlassen hätte, wenn die nicht lösen, ja Valentins tröstende Worte, Kindergestalten an sich hatte, ergriff ihn ganze Stadt eingestürzt wäre. - Fevi, ich die sie den ersten Augenblick beglückten, fachten ihn erst recht an. Das alte Gezu Thränen, ein überirdisches Glück leuch- kann dich nicht so weinen sehen." tete aus diesen jungfräulichen Zügen, das Der junge Schmied verließ seinen Stuhl fühl für ihn stieg in ihr wieder auf, und ihn immer selbst förmlich ansteckte. Er und näherte sich dem verzweifelten Mädchen. sie verachtete sich ob dieser neuen Unbemußte immer mit dem Kinde lächeln, das „ Reiß' raus die Lieb, es ist nicht die Zeige mir den 11 ständigkeit ihres Herzens . Weg, Gebenedeite ! " flehte sie in verzeh ſeine Arme jubelnd nach der Mutter aus rechte, und dann zeigt dir Die da oben streckte, und ohne daß er es wußte, stand er deutete auf das Bild , vielleicht den render Herzensangst. Der Tag, vor dem Andreas seit Moer ganz im Banne der Kunst, die in dem rechten Weg. B'hüt Gott, ich will dich naten gezittert, war gekommen . Er wollte jungen Schmiede ihre hohe Miſſion ganz nicht stören in deiner Andacht." und voll erfüllt hatte. Er wandte sich zögernd , als erwarte wenigstens ehrlich enden. Das gerichtliche Siegel prangte an allen Thüren, die WerkEin matt violettes Licht fiel durch das er eine Antwort. „Die will nichts mehr von mir hof- statt war leer, kalt, dunkel wie ein Grab, farbige Fenster und erfüllte unendlich sanft jeden Raum der fast ganz abgeschlossenen färtigem, leichtsinnigen Ding wissen, " flüzum erstenmal seit Jahrhunderten waren Kapelle. Im Hintergrunde flüsterte es . sterte die weinende Fevi . darin die Feuer erloschen. Die Nachbarn Valentin wandte sich um , es kam aus Valentin wußte, welcher Vorwurf sie standen in Gruppen unter der Hausthür dem mit grünen Vorhängen behangenen quälte, er sah aber auch mit Frohlocken, und besprachen mit dem bekannten wohligen Beichtstuhl. Eine weiße Soutane leuchtete wie die Reue mächtig in diesem Mädchen Mitleid den Bankrott Erdmanns . ,,Da hat sie's mit ihrer Nobelthuerei daraus und eine männliche Hand lag auf herzen sich regte und mit der Reue die der dunkeln Brüstung , die sich hier und Erinnerung an ein treues Herz , das sie die stolze Moni ! Und was wird jetzt da heftig bewegte. Der Sünder war nicht | leichtsinnig verschmäht. Fräulein Gilde anfangen ? Mit dem Grafen sichtbar. „ Wenn sie aber den, dem du am wehe- ist's jezt aus, der mag nimmer, da heißt's Valentin kehrte sich wieder zu dem sten gethan durch deinen Leichtsinn, gerade arbeiten. Arbeit'n ? Die Gilde ? CherMadonnenbild. Da lag ja eine Welt von jest hergezogen hätt', um dir zu verzeihen, Das hat er jezt davon der Andreas von Versöhnung und Liebe darin, wie sie der glaubst du dann auch noch, daß sie nichts all dem Ruß und Staub, den er g'schluckt Priester dort nicht bieten konnte. Er von dir wiſſen will ?" lispelte er. hat das ganze Jahr für seine Kinder!" Iniete in den alten, wurmstichigen BetFevi blickte unter Thränen auf zu Solche Redensarten gingen von Mund ſtuhl und konnte kein Auge wenden von dem Schmied. zu Mund, selten wurde ein herzliches Be" Dann thät' ich ihr danken mein Leb- dauern, aufrichtiges Mitleid laut über das diejem göttlichen Antlitz , um das jezt Unglück Erdmanns , keiner dieser Leute glorienhafte Lichter spielten. Er lispelte tag," sagte sie mit innigem Ausdruck. fein Wort , aber in seinen feuchten, anSo dank ihr, Fevi, " sagte der Schmied, dachte daran, daß mit ihm ein blühender, dächtigen Augen lag ein brünſtiges Gebet, ihr die Hand reichend. " Da ist weiter kräftiger Zweig von ihrem eigenen Stamm zu dem das Gemurmel von draußen wie kein Platz zu solchen Reden, wenn du ein gewaltsam abgerissen und der edle Saft, Hohn klang. Herz brauchst, was ehrlich für dich schlägt, der aus der offenen Wunde rann , auch Die Thür des Beichtstuhles knarrte, so frag nach dem Valentin. " Er warf ihnen entzogen wurde. In der Stube oben saß Erdmann in ein junger Priester in weißem Chorrock noch einen Blick auf die Madonna, es war, rauschte an ihm vorüber in eine Seiten als ob . sie ihre liebesseligen Blicke einen dem alten Lehnstuhl , bleich, verfallen, ein thür verschwindend , dann trat jemand Augenblick auf ihn richtete, ein wonniges Zeitungsblatt in der Hand. Sein brennenhinter ihm in den Stuhl , wohl das Gefühl durchzuckte ihn. Dann schlich er des Auge ruhte auf einer fett gedruckten Beichtkind, er wandte sich nicht um , so leise fort in den Kirchenraum, wo eben die Annonce. versunken war er im Gebet. ,,Schmiedeanwesen ! Zur exekutiven Rosenkranzbeter sich lärmend entfernten. Lange war es still , nur das ewige Die Unbeständigkeit Fevis hatte Va- Feilbietung des in die Konkursmaſſe AnLicht in der silbernen Ampel knisterte hier lentin tiefer betroffen, als er sich merken dreas Erdmann gehörigen Hauses , Nr. 34 und da auf. Plötzlich schluchzte es hinter ließ. Er hatte sich mit dem Gedanken, Burggaſſe , bekannt unter dem Namen ihm mühsam , erstickt. „Ein Leidens sie zu seiner Hausfrau zu machen , schon.Erdmannshaus ' , wurde der erste Termin genosse," dachte Valentin. Doch das Schluch ganz vertraut gemacht , obwohl das Ver- auf Montag den 30. September , Vormitzen wurde zum Weinen es war ein hältnis noch lange nicht so weit gediehen tag elf Uhr, durch das königliche Bezirksweibliches Weinen. Töne höchsten Seelen- war und sich über die gewöhnlichen Liebes - amt angeordnet. Massenverwalter Dr. Georg Hueber. schmerzes rangen sich aus einer gemarter- tändeleien nicht erhob. Er wußte , daß ten Brust. Valentin wandte sich um. Fevi ihn lieb habe , daß sie vortrefflich In dem Hause befindet sich eine renomEin Mädchen kniete einige Stühle zusammenpaßten in allen ihren Neigungen, mierte Schmiede mit alter, vortrefflicher rückwärts und verdeckte, wohl aus Scham, und daß die plötzlich auflodernde Flamme Kundschaft." Er fing immer wieder von vorne an, beobachtet zu sein, das Antlig mit beiden zu Sirtus ein Strohfeuer war. Händen. Die ganze Gestalt kam ihm so Auch in dem plöglich veränderten Wefen jeder Buchstabe brannte ihm ins Herz und bekannt vor, trotz der Dunkelheit, er konnte Fevis , die früher so einfach und kindlich, doch konnte er nicht ablaſſen davon. Besich nicht mehr davon abwenden, jest ent- plötzlich die Dame spielen wollte, erkannte sonders der Nachsaß eine renommierte Schmiede mit alter , vortrefflicher Kundfernte sie die Hände und nestelte am er immer den bösen Einfluß Gildes.. Kleide, wohl um das Taschentuch zu suchen. Im geheimen hoffte er auf baldige schaft" preßte ihm das Naß in die Augen. Valentin sprang in die Höhe - das Mäd- Heilung von dieser Krankheit , er verlor Daneben Monika mit verweintem Antlitz, chen erhob erschreckt den Kopf. kein Auge von ihr, und jetzt traf er mit stummen Vorwurf in den gramverzehrten „Fevi ! " flüsterte er, mit vorgebeugtem ihr gerade in dem Augenblicke der höchsten Zügen, sie wagte die Augen nicht zu er Kopfe die Dunkelheit durchdringend . Krisis zusammen dort vor dem Madonnen- heben im Bewußtsein ihrer schweren Schuld . Diese verbarg ihr Antlig von neuem. bilde. War das Zufall oder höhere Fü In der Fensternische stand Sirtus und Was hast du denn auf dem Herzen ? gung ? Er glaubte in seiner glücklichen Gilde in leisem Gespräch begriffen . Heute Hat er dich am Ende verlassen, der Sir Einfalt das lettere und betrat voll neuen war der 30. September, in einer Stunde tus , weil's Unglück hereinbricht ? Das Mutes das Vaterhaus, über dem düsteres begann die Auktion . ,,Wo ist denn der Valentin ? " unterSchweigen lag. thut weh, ich hab's selbst erfahren ! jag, ist's so ?" Fevi kniete noch lange in der stillen brach die Meisterin die bange Stille, „ in Das Mädchen nickte mit dem Kopfe. Kapelle, aber vergebens flehte sie um einen einer solchen Stunde soll doch keines fehStrahl der Himmelsklarheit, die aus dem len von der Familie." Er konnt' nicht anders .“
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Der hat Besseres zu thun, Moni !" ent Sie glichen Schiffbrüchigen , die um- ihm, als handle es sich um ein Begräbnis , gegnete Andreas mit einem vielsagenden tost von den erregten, immer höher steigen- und es handelte sich auch um ein BegräbBlick auf Sirtus, " er sucht eine Stelle für den Wellen sich zusammendrängen auf dem nis , um das Begräbnis des Erdmannsund mich." ihn und Wrack, alle Unterschiede, alle Feindschaft hauses. Unter allen Thüren der NachbarDas letzte Wort kam schwer heraus. vergessend, den sichern Tod vor Augen. Er häuser standen gaffende Menschen. " Eine Stelle? Was für eine Stelle Da trat Valentin ein , er stußte beim fuhr sich ans Herz , atmete schwer auf. denn?" fragte erstaunt Moni. Anblick der innig vereinten Gruppe , eine ,, Wartet es heroben ab, Kinder!" sagte er. „Ihr seid komische Leute , " erwiderte solche Harmonie war ihm seit lange fremd Moni verlor alle Fassung ; mit einem der Schmied, !! was für eine Stelle ! Eine in seiner Familie. Was das Glück nicht jähen Aufschrei " Andreas ! " hing sie sich Schmiedgesellen oder wenn es gut geht zustande gebracht , das Unglück hat es an seinem Hals. Unsäglicher Schmerz, eine Werkmeistersstelle! Von was sollen vermocht. Sein ohnehin freudiges Antlig bitterer Vorwurf , alles hingebende Liebe wir denn sonst leben ? Vielleicht von der erhellte sich noch mehr. "1 Vater!" rief er, lag in diesem markerschütternden Schrei. Wissenschaft Sixtus ' ? Oder dem Klavier- ,,ich komme mit froher Botschaft, ich habe Dieser löste die Arme der erschütternspiel Gildes ?" Er lachte spöttisch auf. Arbeit für mich und dich. “ den Frau , drückte einen Kuß auf ihre Ich werde dir nicht zur Last fallen, " Wo denn?" fragte mit bitterem Lachen Lippen ein göttliches Vergeben ! und Vater, " bemerkte Sirtus , ich habe mich Andreas . verließ eilends die Stube. Maschinenfabr ik ; "! Bei Böhme in der schon um eine Stellung umgesehen.“ Unten war es lebendig. Auf dem Und ich auch nicht, " fuhr Gilde auf, sie eröffnet nächste Woche wieder die Arbeit, Gange , in der Stube , in der Werkſtatt drängten sich Kauflustige, das Erdmannsein junges Mädchen mit meinen Kennt eine Aktiengesellschaft hat sie gekauft. " " In einer Fabrik !" fuhr Erdmann auf, haus war eine gesuchte Ware , die heute nissen kann sich schon allein durchbringen. " du auch nicht, Mädel ! " wandte "! und gerade in der, die mich zu Grunde für jeden erreichbar, der bezahlen konnte. "! Du er sich gegen Gilde , " du willst allein in gerichtet ," er schüttelte den Kopf, " und Man umstand die riesigen Ambosse, probierte die Welt hinaus mit deiner Unerfahren was soll ich denn in einer Fabrik?"" Er unter Gelächter die schweren Hämmer, die heit! Daß du dem sauberen Grafen voll sprach das letzte Wort so gehässig , mit die wenigsten heben konnten. Die Herren ständig ins Garn läufst , das er um dich zusammengebissenen Zähnen. vom Gerichte nahmen in der Nebenstube " Einen tüchtigen Werkmeister machen, Platz. gespannt ! Und glaubst du denn, ich muß Als Erdmann sich zeigte , stieß man das jest dulden, weil ich ein armer Mann wie sie notwendig einen brauchen, und ich bin? Glaubst du, jest hätte ich nicht mehr arbeite unter deiner Führung als Geselle, " sich mit der Schulter , ein Gewisper ging das Recht , meine Hauschre zu wahren, entgegnete Valentin etwas verdrossen, daß umher , kalte Blicke trafen ihn von allen weil ich kein Haus mehr habe ? Fehl ge- die Nachricht, auf die er so stolz war, keine Seiten. Niemand, selbst seine Bekannten nicht reichten ihm die Hand , er war ja schossen, Mädel! Jezt halte ich sie erst freudigere Wirkung hervorgebracht. recht hoch, als das einzige, was ich noch Was Werkmeister und Gefelle! Fa jest arm - ein Proletarier! Nur einer habe, und wehe dem , der danach greift. brikarbeiter ! Nenn's nur beim richtigen drängte sich vor, Erdmann stieg die ZornesIch kann's nicht glauben, Gilde, daß du Namen. " Er erhob sich jäh_und ging er röte empor , der Lehmann mit derselben deinen alten Vater jest verlassen kannst, regt im Zimmer auf und ab. schmutzigen Weste, mit demselben schlauen wo er im Unglück ist! Schau , ich will „Warte doch wenigstens, bis die Ver- Lächeln wie damals in Herrenwörth . "Warum sind Sie nicht gekommen, dir ja keinen Vorwurf machen , du bist steigerung vorüber, " meinte Moni, die es jung und schön, und die Eltern sollten die dem armen Andreas ansah , wie schwer Herr Erdmann ? Hab's Ihnen doch angeboten. Das Haus wär' noch Ihr eigen." Gescheiteren sein , aber ganz ohne Schuld ihm der Entschluß ankam. an dem heutigen Tag bist du doch nicht. Dieser sah auf die Uhr : „ zehn Minuten ,,Auf wie lange wohl ?" entgegnete der Der Sixtus ist ein Mann, der kann's ja auf elf Uhr. Die Herren werden gleich Schmied . Lehmann zuckte die Achseln. probieren, es wird ihm auch schwer genug kommen , es ist zwar umsonst , es bleibt Daz fallen nach dem Leben. Nicht wahr, Gilde uns kein Heller , aber zur Fabrik ist ja weiß man nicht , die Zeiten können sich ändern. Nun ich weiß es wenigstens zu du bleibst bei uns ? " es klang wie eine immer noch Zeit. " Bitte, es soll dir nichts abgehen, Valentin „Ich muß bis Abends Nachricht bringen, schäßen das Erdmannshaus mit seinen und ich werden dafür sorgen.“ es haben sich ein Dußend um die Stelle alten Traditionen, " ſette er spöttiſch dazu, ...viel mehr als der Graf Perin seine Waffen. Gilde ward feuerrot , diese Bitte des beworben, " sagte enttäuscht Valentin. Vaters um ihr Bleiben, wo sie nichts als "Wenn bis dahin sich kein anderer Aus- Ich hab' sie doch bekommen , ich hab's Vorwürfe erwartete , beschämte sie ; diese weg bietet, nehme ich's an, " erwiderte mit Ihnen ja gesagt. “ Wollen Sie es denn kaufen ? " fragte innige Liebe, die darin lag , packte doch ihre gepreßter Stimme Andreas. Gilde warf einen unfreundlichen Blick der Schmied. mehr leichtsinnige als schlechte Natur. Sie ging auf den Vater zu, umarmte ihn auf Valentin, den wackeren Pilot, der den „ Zu was bin ich denn sonst hier und“ und drückte einen Kuß auf seine bleichen Schiffbrüchigen Trost zu bringen glaubte. seine kleinen Augen schweiften forschend umher „ von denen da kommt dem LehLippen. Ich bleibe bei dir ! " sagte sie Der Gedanke, ihr Leben als Tochter eines zärtlich, und ihre Thränen rannen in den Fabrikarbeiters zubringen zu müssen, ent mann keiner vor. Es muß Sie doch freuen, Bart des Vaters. setzte sie. Das waren ja die Parias der Ihr Anwesen in soliden Händen zu wiſſen. “ Erdmann drehte sich alles vor den Dieser atmete erleichtert auf und ſtreckte Menschheit, der unterſte Stand. Fast reute in seiner weichen Stimmung die Hand aus sie schon ihr Versprechen , das sie vorhin Augen. Er dachte an seine Ahnung da genau so war es nach Moni, die ihm die ganze Zeit keinen dem Vater in Aufwallung ihres Herzens mals in Herrenwörth Trost zu spenden wagte. Komm' her, gegeben. Was wird Sergius dazu sagen, gekommen und rascher als er geglaubt. Mutter!" sagte er mit einem fast freudis dessen Liebe zu ihr, durch das strenge Ver Zum Glück rief ihn ein Gerichtsdiener ab, gen Ausdruck im Antlig , wir wollen uns bot des Vaters , durch die immer wachsen er hätte sonst den Lehmann in seinem Zorn nicht mehr böse sein und zusammen das den Schwierigkeiten einer Annäherung eher an der Kehle gefaßt. gewachsen war. An dieser Klippe mußte Unglück tragen, wie einst das Glück." Die Versteigerung begann, alles drängte Moni ergriff die dargebotene Rechte auch die heißeste Liebe zerschellen , ihrer in die Stube, voran Lehmann. Der Auktionator pries die Vorteile des und drückte sie schluchzend an die Lippen, Ansicht nach ein Graf Perin und ein, ſie Andreas zu Füßen sinkend. wagte es kaum zu denken , ein Fabrik- Anwesens , die Rentabilität desselben. Die Schmiede sei die älteste, renommierteste der „ Na, Sirtus," rief der Schmied, „ willst mädchen ! du allein bleiben ?" Am Flur unten wurde es laut, Andreas ganzen Stadt, ein tüchtiger Mann müſſe Zögernd näherte er sich , da riß auch fuhr zusammen . Er trat an das Fenster. darauf reich werden. ihn die Gewalt des Augenblicks zu den Ein Wagen hielt vor dem Hause, ein Herr Das waren alles Geißelhiebe für AnFüßen des Vaters . „ Verzeih, “ ſtammelte er. im schwarzen Anzuge stieg aus ; es war dreas, der wie ein Verdammter unter der
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Thür stand. Die Steigerung ging troß- | ihre Aufmerksamkeit von dem Vorgange unten abzulenken. dem auffallend matt. Der bleiche Andreas schien allen eine Sirtus und Gilde standen im eifrigen stumme Warnung, er war ja als ein so Gespräch vertieft in der Fensternische und lider, tüchtiger Handwerker bekannt , und machten ihre Pläne für die Zukunft. doch verdarb er auf dem Anwesen. Da Ersterer sah ein, daß an ein Weiterstudieren, mußte es doch seinen Haken haben! Die das hieß bei ihm so viel als von vorne näheren Umstände waren ja den meisten anfangen, nicht mehr zu denken war. Er unbekannt. Lehmann allein verriet starke mußte sich um irgend eine Kanzleistelle Kauflust. bei einem Anwalt umsehen. Ein schlimmer Ist ein Angebot gemacht worden, " Ausweg , dessen Perspektive sehr düster ertönte seine scharfe Stimme und bot mehr. war. Eine vollständige Trennung von der Fünfundsechzigtausend!" rief eine Gesellschaftssphäre, in der er bisher gelebt, Stimme. war die notwendige Folge. Ein arbeits„ Siebzigtausend, " ſchrie nun Lehmann, volles, reizloses , monotones Leben lag vor triumphierende Blicke herumwerfend , mit ihm, vor dem ihm efelte. Jest wäre für der schweren Uhrkette spielend. Alles ver- ihn selbst Fevi eine wünschenswerte Partie, ſtummte. sie hätte ihn wenigstens vor Nahrungswiederholte der sorgen geschütt . Fast reute es ihn , daß „Siebzigtausend ," Auktionär heiser. Niemand rührte sich. Ein er ihr abgeschrieben. Aber der alte BäckerGemurmel ging durch die Versammlung. meister hätte ihn, den Mittellofen, ja doch Achselzucken. Viele entfernten sich kopf- zum Hauſe hinausgejagt . Und Sergius , schüttelnd. der es noch toller getrieben wie er , der „Siebzigtausend zum erstenmal, " klang mit schuld war an dem Ruin seines es wieder. Hauses , blieb doch der Graf Sergius und Erdmann hielt sich am Thürpfosten glänzte in seiner Uniform. Das schien fest, sonst wäre er gefallen. Nicht einmal ihm eine bittere Ungerechtigkeit. Er fühlte die Ausſtände wurden gedeckt, wenn nicht | jezt wieder den alten Haß aufsteigen gegen mehr geboten wurde , und der Lehmann, die bevorzugten Stände, wie damals , als der Wucherer, den er so haßte, sollte ein er im Korb lag und sein Vater in diesen ziehen in das Haus seiner Väter ! fremden Kreis trat , von allen belächelt. „ Siebzigtausend зит zweitenmal! Sie waren ja an allem schuld. Zuerst Kein Preis, meine Herren, für dieses herr- rissen sie ihn in ihren Strudel, ließen ihn liche Anwesen." seine Herkunft vergessen, solange er Geld Der Vorsitzende wurde sehr ungeduldig. im Beutel hatte, jest, wo er geleert, werden Lautlose Stille herrschte, Lehmann trom fie ihm den Rücken kehren. Jezt ist er melte init den Fingern auf der weißen wieder der Niedriggeborene , der HandWeste und lächelte Erdmann zu. werkerssohn. Er dachte sich das alles so „Siebzigtausend zum dritten und aus , ohne Veranlassung , und sprach sich lehtenmal. Herr Salomon Lehmann , ' in einen förmlichen Haß hinein . Gilde pries ihn noch glücklich, er könne wandte er sich an den Vorſizenden , der den Namen in das Register eintrug. sich wenigstens frei durchs Leben schlagen Alles entfernte sich lärmend mit ärger- und mit einigem Glück doch hinaufkommen ; licher Miene, heftigen Bewegungen. Leh kein Mensch frage dann nach seiner Ab mann trat mit tiefen Bücklingen zu dem kunst. Aber sie sei an die Familie geGerichtstisch und unterzeichnete das Schrift- kettet, verdammt, in der stinkenden Fabritsstück. Er war jest Besizer des Erdmanns- atmosphäre unter dem niedrigsten Volk in hauses. Dann trat er zu Erdmann . den fümmerlichen Verhältnissen eines Ar Verdammt viel Geld für das alte beiters weiter zu leben, wenn sie dem Vater Haus! Siebzigtausend! Wenn ich nicht ihr Versprechen halten wollte. Was soll so viel Interesse daran hätte ! Wollen Sie Sergius dazu sagen? War es ihm dann nicht die Schmiede pachten, darüber ließe noch möglich, mit ihr zu verkehren , ohne ſich reden seine Stellung zu verlieren ? Von Heirat Der Antrag kam Erdmann über gar nicht zu sprechen. „Ich kann und darf es nicht ! Gerade raschend. Einen Augenblick schwankte er. Er konnte dann wenigstens in den lieben Sergius zuliebe nicht , den ich mit ins Räumen bleiben , in der alten Werkstatt Verderben hineinziehen würde. Er würde weiter arbeiten. Das wäre am Ende doch mir in die Fabrik folgen und selbst archer zu ertragen als die Fabrik ! Nur beiten, lieber als mich laſſen, ich weiß es. einen Augenblick , dann belehrte ihn ein Und darum darf ich dem Vater nicht Blick in das schadenfrohe Gesicht des folgen. Was weiß er von unserer Liebe ! Wucherers, daß dieses Brot für ihn noch Von der Aufopferung , deren Sergius bitterer sei. fähig ist!" Er ließ ihn ohne Antwort stehen und Sirtus hatte tiefes Mitleid mit der ging nach oben. So steil schien ihm die schönen Schwester. Wie sollte dieses verTreppe noch nie. Er mußte jeden Augen- wöhnte , leidenschaftliche , lebenssüchtige blic stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Mädchen sich in diese Verhältnisse fügen ? Oben hatten sich unterdessen zwei Das war ja unmöglich. Er mußte ihr Gruppen gebildet. recht geben , nur ihre schwärmerische AnValentin sprach der unglücklichen Mutter sicht von Sergius teilte er nicht. „ ArTrost zu, so schwer ihm selbst ums Herz beiten wird Sergius nicht , auch deinet war, und gab sich alle erdenkliche Mühe, willen nicht, " sagte er lächelnd, und da
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er nicht zu dir herunter kann , mußt du zu ihm hinauf auf irgend eine Weise, obwohl ich , offen gesagt , überhaupt die Möglichkeit nicht einsehe, wie ihr zusammenkommen sollt ! Dein Versprechen dem Vater gegenüber war etwas voreilig. Für jezt mußt du mit ihm, mit der Zeit wird er selbst die Unmöglichkeit einsehen , dich in seiner Sphäre zu halten. Mir thut er ja so leid, der arme Vater, und auf dich hält er ja alles , es wäre häßlich von dir, ihn jetzt zu verlaſſen." Andreas trat ein und schnitt das Gespräch ab. „Wir nehmen den Antrag von Böhme an, Valentin, " sagte er fest. „Lehmann ist der Käufer. Siebzigtausend Mark! Dieses Haus um siebzigtausend Mark! Er hätte mir die Schmiede in Pacht gegeben , vielleicht hätte ich's thun sollen, aber" er riß sich das Hemd auf und rang nach Luft , aber ich kann's nicht, es fräß' mich auf, man muß so ein Geschwür auf einmal herausschneiden, wie es auch schmerzt. Komm, Moni , weg mit den Thränen, " er wischte ihr zärtlich über die Augen, und frisch daran ! Wenigstens sind wir alle beiſammen , und wenn wir fest zusammenhalten, wird unser Herrgott doch ein Einschen haben ! Hast du denn allen Mut verloren ?" fügte er bei , als Moni in einen neuen Thränenſtrom ausbrach. "! Willst am End' auch den Andreas verlassen?" „Verlaſſen ich dich? Den ich ins Unglück gebracht?" sagte sie , sich an ihn anklammernd , „ der jetzt kein schlimmes Wort für mich hat , obwohl ich's so verdiene ? Jns Elend gehe ich für dich , wenn's sein muß. Arbeiten will ich wie die unterſte Magd , und will keinen Laut von mir geben , wenn ich nur bei dir sein und deinen Kummer mittragen kann bis an mein Ende. " Sie beugte ihr Haupt an der breiten Brust ihres Mannes . Die Erregung nahm ihr die Stimme. Er war ihr ein Gott in diesem Augenblick, der schwer geprüften, von bitteren Vorwürfen gepeinigten Frau. Valentin lachte im stillen. Vier kräftige Arme ! Arbeit ! Und so innige , alles duldende Liebe ! Dann fehlte es nicht so weit, da war überall eine Heimat. Gilde und Sixtus nötigte diese Seelenstärke der Eltern Ehrfurcht ab, eines solchen Heroismus waren sie nicht mehr fähig. Von unten herauf ertönte die Stimme Lehmanns, der sein Eigentum besichtigte. Andreas schnitt sie nicht mehr ins Herz, wie vor einer halben Stunde. Er nahm ja doch einen Schatz mit aus dem Erdmannshaus , den dieser ihm nicht bezahlen konnte, sein treues Weib und seine lieben Rinder; daß ein häßlicher Wurm sich darin eingenistet hatte, ahnte er noch nicht.
Kapitel VII. Sirtus hielt diesmal Wort , er fiel dem Vater nicht weiter zur Last. Ein Advokat, alter Herr der Rhenania, nahm ihn mehr aus Mitleid als seiner Brauchbarkeit halber in seine Kanzlei. Die Arbeit
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kam ihm leichter an , als er sich dachte, nur die geringschäßige Behandlung , das gänzliche Ignorieren der ab und zu gehen den Klienten des Doktors Stör empörte oft sein Blut. Auch betreffs der Gesellschaft hatte er sich nicht geirrt ; alte Befannte grüßten ihn kürzer, oberflächlicher, die Rhenanen schienen durchaus nicht ent zückt , einen gewöhnlichen Schreiber unter ihre Leute zu zählen , und die erbetene Philistrierung wurde ihm aus verschiedenen vorgeschüßten Gründen vorderhand nicht gewährt. Selbst Sergius zog sich auffallend, wenigstens an öffentlichen Orten, von ihm zurück. Der mußte es wohl. Der Verkehr mit einem Kanzlisten wurde gewiß nicht gerne gesehen beim Regiment. Seine monotone , geisttötende Arbeit ließ ihm Zeit genug , über das "! Einst " und Jezt" seine Gedanken zu machen ; diese wurden immer verbiſſener. Er war zu etwas Besserem geboren, an Geiſtesgaben seiner Ansicht nach all den anderen , die ihm vorausgeeilt, weit überlegen, und nur das verfluchte Geld hinderte am Weiter kommen. Daß er bei fleißigem Studium schon sein Examen gemacht haben und sich eine ihm angemessene Stellung hätte er werben können, das gestand er sich nicht. Er war der vom Unglück Verfolgte, Aus gestoßene, ein Opfer der Geburt, der Vorurteile, ein Dulder ! Die unselige Halbbildung , die er sich erworben , gärte in seinem Innern , irgend wo gehörte oder gelesene, schlecht verdaute philosophische Sentenzen, die er sich, wie sie ihm bequem, zurechtlegte, die alten Schlagwörter von Freiheit, Gleichheit, Menschenrecht, wie er ſie in den gelegentlich durchblätterten Schriften Rousseaus, St. Simons , Lassalles aufgeschnappt , kamen ihm wieder in den Sinn; er, der sich jahrelang geschämt, der Sohn eines Handwerkers zu sein , der in üppigem, müßigem Genußleben keinen Blick geworfen auf die unter dem Druck der Armut und Not lebende Menschheit, fühlte auf einmal eine sittliche Entrüstung über diese unnatürlichen Verhältnisse. Der Gehalt war, seiner untergeordneten Stellung angemessen, gering. Er mußte nun seine bisherige Wohnung aufgeben und bezog ein bescheidenes Dachſtübchen in der Alt stadt. Anfangs kümmerte er sich nicht um seine Stubennachbarn ; soviel er von ihnen gesehen, waren es lauter „ Kaffern “ , ihrem heruntergekommenen Aussehen nach. Keine Gesellschaft für ihn, den noch die Atmosphäre der eben verlassenen Welt umgab. Auch diese betrachteten Sirtus in seiner tadellosen eleganten Kleidung, die er aus dem Schiffbruch gerettet, mißtrauisch, wie einen Eindringling in ihrem Revier. Von der geschwätigen Hausfrau erfuhr er, ohne danach zu fragen, alle Personalien, als sie ihm zum erstenmal den mageren Kaffee auf die Stube brachte. ,,Da nebenan der Maler Wölfl , ein braver Herr , aber ein schlechter Zahler, und einen Schmuß , eine Unordnung hat er in seinem Zimmer. Atelier nennt er
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es ! Der ganze Mensch ist ein großer Del- | drohend , „ du bringſt mich um meinen fleck. Und dann wissen Sie," fie lächelte guten Ruf." verschmitt , ich bin gerade auch keine Sirtus trat ein. Schwerer Del- und Heilige und weiß, wie man's in der Jugend Firnißgeruch schwängerte den engen Raum, treibt ; aber was der für ein Volk da ein unfagbarer Durcheinander von Farben, heraufschleppt . Ich danke ! Sag' ich was , Leinwandlumpen , zerbrochenen Bilderrahheißt's : Aber Frau Dreher , Sie wissen men, Tabak, Pfeifen, bunten Koſtümſtücken doch, daß ein Künstler Modelle braucht ! erfüllte ihn. Mitten unter dem Trödel Will ich mein Geld: Warten Sie nur Wölfl in einem mit der ganzen Farbennoch bis zur nächsten Ausstellung , dann skala beschmierten Leinwandkittel, ein rotes nehme ich so wie so ein größeres Atelier und Fez auf dem Kopfe. Ein mächtiger, verzahle Siedoppelt. Nummer dreiundzwanzig, wilderter Bart mit weit abstehender buneben dem Wölfl , wohnt ein Litterat, schiger Schnurre bedeckte das Gesicht bis von Strehlen schreibt er sich. Ein lieber, unter die klugen , lustigen Augen , die junger Mensch ; Augen hat er Ihnen, ich wieder von dicken , an der Nasenwurzel möchte immer weinen , wenn ich ihn an zusammenlaufenden Augenbrauen beschattet schaue. Er schreibt den ganzen Tag, den waren ; die unförmlichen großen Füße ganzen Tag , und auch in der Nacht ist staken in zerschlissenen Hausschuhen. In noch keine Ruh; da geht er umeinander der Mitte der Stube , vor Wölfl , stand wie ein Narr und red't mit sich selbst, eine Staffelei mit einem eben in der Ardaß mir ganz angst wird. Aber er kommt beit begriffenen Bilde. Auf den erſten doch auf keinen grünen Zweig, er schaut | Blick war es schwer daraus klar zu weraus wie die Not , aber zahlt pünkt den, obwohl es fast beendet war. Dunkellich ! Neulich sind Leute vom Gericht ge- blaue hochgewölbte Meereswogen, sich überkommen, wie er fort war, und haben alles stürzend , rollen gegen wildzerklüftetes durchsucht in seinem Zimmer, alles durch- Felsgestade , auf welchem eine Gruppe einander geworfen, Schriften und Bücher, bocksfüßiger Satyren , dicht zusammengeauch seinen Koffer haben's aufgesprengt . drängt , mit gierig fauniſchen Blicken auf Er soll's mit den Sozialisten halten. Mein das schneeweiße Meerweibchen zu lauern Lebtag nicht. Der brave Mensch mit den scheinen , das , in einer Wogenwölbung guten Augen. Ich habe mich zu tot ge- friedlich ruhend, jeden Augenblick auf den ärgert. Der daneben auf Nummer ein- Strand geschleudert werden muß. Ueber undzwanzig, den Windbeutel , den haben's das ganze spannt sich blauer Himmel mit ungeschoren gelaſſen und gerad' dem traute leuchtenden weißen Wolkengebilden. Der ich was Böses zu. Geht Ihnen alleweil phantastische Vorgang war lebendig gedaher wie ein Graf, mit einem Diamant schildert, die göttlich wohlige, leidenschaftsam Finger und an der Kravatte , macht lose Ruhe in den schönen Gliedern des die Nacht zum Tag, arbeit' nichts und ein Meerweibchens , dem das Tosen der See G'schau hat er Ihnen, daß einem unheim- ein süßes Schlummerlied zu sein schien, lich wird ! Zahlen thut er, das ist wahr. die urwüchsige und deshalb nicht verWär' aber doch froh , wenn ich ihn drau- legende Begierde in den jede Muskel anspannendenSatyren, denen der Humor nicht ßen hätt'." Diese Schilderung machte Sirtus natür- fehlte, die märchenhafte Stimmung in der lich nicht begierig , seine Hausgenossen Natur war vortrefflich getroffen. Wölfl kennen zu lernen, höchstens den Litteraten, war offenbar, wenn auch nicht ein Schüder es mit den Sozialisten_halten soll . ler, so doch ein Verehrer Meister Böcklins Der war aber den ganzen Tag nicht zu der leuchtenden phantastischen Farbengebung sehen. In kurzer Zeit war ihm aber nach, die sich in den schärfsten Kontrasten dieses einſame Leben doch verleidet . Seinen zu gefallen schien. Natürlich fehlte diese früheren Kameraden wollte er sich nicht unnachahmliche, mystische Harmonie, dieſe aufdrängen, wenn sie ihn auch nicht direkt höchste Poesie der Farbe , die uns an die zurückgewiesen hätten ; in seiner Familie Bilder dieses Meisters fesselt. Sirtus verstand nicht viel von der hatte er keine Aussicht , Zerstreuung zu finden, er hatte sie in ihrem neuen Heim Kunst, er hatte, wie die meisten Studenten, noch nicht einmal während der zwei ver- keine Zeit gefunden , ihr Aufmerksamkeit flossenen Wochen aufgesucht. Eines Tages , zu schenken , doch war er sichtlich überals er in grämlicher Simmung vom Büreau rascht. Nach dem Urteil der Frau Dreher heimkehrte, stand die Thüre von Nummer hatte er eine solche Leistung nicht erfünfundzwanzig weit offen , Wölfl , der wartet . Wölfl, die Beine übereinandergeschla Maler , saß auf einem alten zerflickten Koffer , mit unendlichem Behagen eine gen , in der einen Hand die noch nasse Zigarrette rauchend , während unsichtbar Palette , zwinkerte mit den Augen bald hinter der Thüre eine kichernde Mädchen- nach dem Bilde, bald nach Sixtus , ſelbſtstimme hörbar war. Wölfl , offenbar in zufrieden vor sich hinlächelnd . Da rauschte seliger Laune, nickte Sirtus freundlich zu . es in der Ede, Sirtus hatte das weib„Nur hereinspaziert, Herr Erdmann! " liche Lachen ganz vergeſſen über dem Bilderief er , „ oder hat mich Frau Dreher bei eine spanische Wand wurde auf die Seite Ihnen so schwarz gemacht , daß Sie für geschoben und ein junges, schlankes MädIhre Unschuld fürchten?" chen trat hervor , mit einer__niedlichen Das Kichern artete in helles Lachen weißen Hand eben den lezten Knopf ihres einfachen Kleidchens zuknöpfend - das aus hinter der Thüre. „Lili ! Lili ! " rief er, mit dem Finger | Meerweibchen !
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„ Lili, die Muſe meiner Kunſt. Wenn der Geberin ; man nannte mich schön , ich Glück habe mit dem Nirchen," er deu überhäufte mich mit Schmeicheleien. Ein tete auf das Bild , „ binnen kurzem Frau junger Künstler malte mich mit meinen Wölfl," stellte er das hübsche Mädchen mit Blumen , es war meine erste Sigung. dem bezaubernden Lächeln, mit dem schel- Das Bild machte Aufsehen , ich wurde mischen Nirenblick Sirtus vor. wit verlockenden Anträgen überhäuft, jeder Und das Bild, wie gefällt es Ihnen ? wollte mich malen. Solange es Blumen Nicht übel, was ? Und das wird in einer gab , wollte ich davon nichts wissen , es folchen Schaluppe gemalt, während in den war zu schön draußen im Freien und ich noblen Ateliers ein Schund A was! hatte es so lange entbehrt. Da kam der Schwamm drüber ! " Herbst , die Blumen blieben aus , Arbeit Er machte eine verächtliche Bewegung. fonnte ich keine , die Not begann wie „ Vortrefflich , Herr Wölfl! Ich bin, der. Mit Entseßen dachte ich daran, wie offen gesagt, selbst überrascht , ein solches der in die schmutzige Straße zurück zu Kunstwerk hier zu finden , " entgegnete | müssen - das hätte ich jest nicht mehr Sirtus , dessen Sympathie für den ver ertragen. Ich nahm einige Anerbieten kannten, zurückgesezten Maler sofort rege von Künstlern an, es ist doch keine Schande, war. Er war ja sein Leidensgefährte. sich als Blumenmädchen malen zu lassen ! # Doch glaube ich, hat Fräulein Lili auch Doch der warme Sonnenschein hatte mich großen Anteil daran an dem Gelingen,' gereift , ich war kein Kind mehr , kein rüate er galant bei , indem ſein Blick ver- Blumenmädchen ich war ein Weib gegleichend von dem Meerweibchen zu Lili worden. Das machte mich den Künstlern hinüberirrte, auf deren Wangen, zu seinem noch begehrenswerter. Andere AnfordeErstaunen, eine leichte Röte emporstieg - rungen wurden an mich gestellt, ich sträubte | sie war ja ein Modell ! mich , ein ungewisses Gefühl in meinem. Da haben Sie recht, Herr Erdmann, Innern empörte sich dagegen, man verlachte ganz recht! Ja, die habe ich ihnen vor mich, und als auch das nichts half, reizte der Naſe wegstibißt , den großen Künst- man meine Eitelkeit, ließ man mich eine lern . Die Wut fönnen Sie sich denken ! Ehre darin erblicken, der Kunst zu dienen, Es ist ihnen unbegreiflich, wie die schöne zum Schaffen zu begeistern. Grundsäße Wo ich vili zu dem armen Teufel , dem Wölfl, hatte ich keine , woher denn ? fommt. Mein Gott! Ich könnte es ja aufgewachsen, war Scham ein unbekanntes nicht leisten, aber die Liebe , die göttliche Wort. Ich folgte den Zureden und wurde, Liebe! Ja , lachen Sie nur! Es was ich noch bin ein Modell ! Mit dem bißchen Sonnenschein, mit den Bluist mir selbst ein Rätsel." ― Die kleinen, lustigen Augen gewannen men war es aus . Was es mit der auf einmal einen innigen Ausdruck. versprochenen Ehre für ein Bewandtnis „Das ich dir vor diesem Herrn da hatte, bekam ich bald heraus, als ich meine lösen will , wenn es ihn nicht langweilt. Kolleginnen kennen lernte, und ich konnte Bielleicht verzeiht er die dann, daß du mich den Künstlern ihr geringschäßiges , oft zu deiner Frau machst , " fügte Lili bei , geradezu verächtliches Betragen nicht verder das Erstaunen Sirtus' über die Er argen. Ich machte Karriere, jede Stunde flärung des Malers nicht entgangen. " Ich einer Sigung wurde mir reichlich bezahlt, bin ein Modell ," begann sie , " ich mache ich verdiente das Zehnfache wie mit den kein Hehl daraus. Wer weiß , wo ich Blumen, und doch sehnte ich mich nach aufwuchs , wird mir daraus keinen Vor- ihnen zurück. Ich kam über die verächt wurf machen. In einer finsteren, schmugi- liche Behandlung nicht hinweg , die mir gen Gaſſe unter unzähligen, ebenso schmugi zu teil wurde. Woher dieser Stolz in gen Kindern, Frauen und Männern. Wer mich kam , weiß ich nicht! Da kamst eigentlich meine Eltern waren , weiß ich du und batest mich um eine Sigung, du nicht. Da schrie, keifte und schlug alles könnest den hohen Preis nicht bezahlen, durcheinander, wir gehörten alle nur einer aber es hinge dein ganzer Erfolg davon großen Familie an, dem Elend ! Da erstickt ab. Deine bescheidene Bitte rührte mich, alles in einer Kinderbrust, Scham, Liebe, jest konnte ich doch auch einmal im Leben. Glaube und wie die schönen Dinge alle großmütig sein und glücklich machen, heißen, die nur im Lichte gedeihen. Ich ich folgte dir. Du warst ganz anders war noch ein Kind , da starb eine der wie die übrigen, kein schlechter Scherz kam Frauen, es war gerade die, die mich am über deine Lippen, und als die Sigung meisten gequält und geschlagen sie beendet , drücktest du mir so warm die ſagten mir , es sei meine Mutter. Ich Hand. Das that mir unendlich wohl. weinte nicht , ich war froh , der Quälerin Ich kam wieder und wieder , du er los zu sein. Da kam ich auf die Straße, klärtest mir , es ginge weit über deine ſelbſt in diesen Winkeln war kein Raum Mittel, mit einem schmerzlichen Blick auf mehr für mich. Ich verkaufte Veilchen die unvollendete Skizze . Ich lachte dich wie glücklich war ich jest ! In aller aus , ich thäte es ja gerne umsonst, Früh ging's zur Stadt hinaus in den da traten dir die Thränen in die Augen Wald, um die duftigen Blumen zu holen, und du küßtest mir die Hand. Seit der das war eine Lust ! Die strahlende, wär Zeit liebe ich dich, Hermann. “ Der schelmische Ausdruck war ver mende Sonne, das friſche Grün der Wiesen und Wälder, die balsamische Luft, alles schwunden aus dem schönen Antlig wäh: war mir neu. Das Geschäft ging , man rend der Erzählung , er hatte einem bald kaufte die Blumen und blickte lüstern nach trotzigen, bald wehmütigen Plaß gemacht ;
237 der bittere Kampf um die Existenz , den sie geführt, spiegelte sich darin ; nur zulett ruhte ihr großes Auge mit einem seelenvollen Blicke auf dem Maler , der seine Zigarette zerkaute , wohl um die in ihm aufsteigende Bewegung zu verbergen. „Und kein anderer soll dich mehr malen, als der Wölfl dein Mann! " rief er, auf sie zueilend und sie umarmend. Sirtus war starr , er hatte sich nach der Schilderung Frau Drehers den Maler und was er mit sich schleppt " ganz anders gedacht. „Das haben Sie auch nicht gedacht, Herr Erdmann , " sagte lachend Wölft, „ daß Sie da so mir nichts dir nichts zu einer Verlobungsfeier kommen ! Nurschade, daß der Strehlen die Lebensgeschichte Lilis nicht angehört hat , das wäre Wasser auf seine Mühle! Kennen Sie ihn nicht, den Strehlen?" fragte er Sirtus . ,,Den Schriftsteller nebenan ? Nein ! Nur gehört habe ich von ihm - ein Sozialiſt, was ?" " Vom reinsten Wasser, er glaubt selbst daran," erwiderte der Maler. "/ Und das ist verdammt selten." „Na, na, ein bißchen Sozialisten find wir alle in der Dachstube, " sagte Sirtus , "! und Sie hätten allen Grund dazu, Herr Wenn man tro Wölfl. Bei Gott! allem Streben , aller Arbeit nicht_fortkommt und sieht , wie andere mühelos praſſen — “ "!Bravo ! Bravo ! " rief Wölfl , „ ganz Strehlenscher Ton ! Sie werden sich gut vertragen miteinander. Was mich betrifft, pfeife ich auf alle Politik und derlei Schwindel , es wird mir immer schlecht dabei ; wir Künstler brauchen ruhige Zeiten. Sagt nicht der Strehlen neulich , es sei ein Verbrechen vom Staate , nur einen Heller für die Kunst auszugeben, die nur von dem geringsten Teil des Volkes verstanden und genossen werden könnte, solange ein Mensch hungert. Der Teufel hol' solch verrückte Ideen! Hab' selbst schon gehungert und weiß wie's thut, ist mir aber nicht eingefallen , deshalb jeden Reichen zu hassen. Es geht einmal nicht anders und man muß die Sache mit ein bißchen Humor betrachten, dann geht's schon. " Sirtus ärgerte sich , Wölfl so wenig gereizt zu sehen. "Fragen Sie doch Fräulein Lili , ob in den schmutzigen Gäßchen , von denen sie erzählte, noch Humor zu finden ist! Hat dieser Strehlen nicht am Ende doch recht, wenn er behauptet, daß solche Peſtwinkel erst gesäubert gehören , ehe man für die Kunst Geld ausgibt, von der nicht einmal der Name dahin dringt ?“ Falsch , total falsch !" brauste der
Maler jest auf, mit heftiger Bewegung. " Redensart ! Die bildende Kunst allein kann auf die Maſſe veredelnd wirken, mehr als alle Schulen und Kirchen miteinander ! Die Griechen haben's begriffen. Und die veredelte Maſſe Ja wohl! wird dann diese Pestwinkeln selbst nicht mehr dulden , von Innen heraus muß
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Strehlen war noch bei der Arbeit. die Menschheit sich umformen und bessern, | kaum leben ließ, war sein höchstes Jdeal, | nicht von Außen mit roher Gewalt oder er war glücklich, nur einen unsichtbaren, Wie ein Magnet zog ihn der Streif. Polizeimaßregeln ! Das ist alles umsonst! unendlich kleinen Keim legen zu können Hüten Sie sich vor dem Strehlen! " sagte Deffnet sie dem Licht diese Bestwinkeln, zu der fünftigen , unendlich entfernt lie- Wölfl. "! Ein lieber Mann mit seinen zerrt sie heraus diese Unglücklichen , füllet genden Wiedergeburt der Menschheit , die schönen Augen, " sagte Frau Dreher. Es mit Gold ihre Taschen , sie werden das ihn darben ließ in der Dachstube. Wie wäre doch interessant , den Mann kennen Licht gar nicht vertragen können wie die erbärmlich kam er sich daneben vor ! Ich zu lernen. Er war zu aufgeregt, um Maulwürfe und mit leeren Taschen bald kann nur Ihren Mut bewundern, mit dem schlafen zu können, der Wein rumorte in wieder andere Winkel aufsuchen — und es Sie alle diese Widerwärtigkeiten des Lebens seinem Gehirn , und dieſer ließ ihn auch bleibt die alte Geschichte ! Von Jnnen ertragen, " konnte er sich nicht versagen, alle Bedenken vergessen , einen Fremden, heraus , sage ich Ihnen , Herr Erdmann , dem Maler zu erwidern. " Wir sind ja der noch dazu arbeitet, in so später Stunde muß der Kampf geführt werden und in am Ende Schicksalsgenossen , beide Stief zu stören. Er schlich an die Thüre und diesem Kampfe ist die Kunst die Banner- kinder des Glückes , unser Leben ist ein horchte, das Kniſtern einer Feder war der trägerin!" fortgesetter Kampf! " einzige Ton, der herausdrang ; ohne daß Den struppigen , vierschrötigen Mann „ Schicksalsgenossen ?" fragte erstaunt er es wußte, klopfte er leise und trat ein hatte es gepackt wie Begeisterung , die Wölfl. "! Und was kämpfen Sie denn für ohne das " Herein" abzuwarten. Ein junger magerer Mann in dunkler kleinen Augen leuchteten feurig auf unter einen Kampf, Herr Erdmann ? " Sein Kleidung sprang von einem mit Schriften den buschigen Brauen. fluges Auge fah ihn durchdringend an. Sirtus schüttelte ungläubig den Kopf. Gegen was haben Sie schon Ihre und Büchern belegten , von einer Lampe ,,Sagen Sie mir einmal, Herr Wölfl, geistigen und körperlichen Sehnen ange mit grünem Schirm hell erleuchteten Tisch auf welche Weise soll z . B. dieses Bild spannt , um Ihr heißestes Wollen zur auf. Es entging Sirtus nicht, daß er hier diese Mission der Kunst erfüllen, die That zu machen , alle Hindernisse verach ein Blatt mit rascher Bewegung in die Sie ihr zuschreiben ? Das begreif' ich nicht ! tend ? Haben Sie schon gehungert dafür, Tasche schob. Der Ausdruck ängstlichen Ein ehrwürdiges Bauwerk, ein Bild, das unzählige Nächte schlaflos durchgemacht ? Erstaunens lag auf den bleichen , regelirgend eine große That aus der Geschichte Nein, das haben Sie nicht ! Ich kenne mäßigen Zügen , die großen , schwarzen, darstellt , da läßt sich am Ende darüber Ihre Geschichte ! Sie sind im Feldlager allerdings schönen Augen ruhten mit einem streiten. Aber dieses Meerweibchen ! Bei verweichlicht, erschlafft, und als dann zum gehässigen, bösen Ausdruck auf dem Einaller Achtung vor seinen entzückenden Kampf gerufen wurde, da fehlte es an tretenden . Reizen. Diese lüsternen Faunen ! Was der Muskulatur des Armes und des ,,Entschuldigen Sie Herr v. Strehlen haben die mit der Veredelung des Volkes Willens. Sie streckten die Waffen , ehe mein ganz unqualifizierbares Benehmen , zu thun? " es noch recht begann , und lästern nun zu so später Stunde Sie zu belästigen, " „ Sehr viel haben sie damit zu thun , über den allzumächtigen Feind, den zu be- sagte Sirtus . „ Mein Name ist Sixtus wenn es auch das Volk noch nicht ahnt, zwingen Sie die Kraft und den Mut nicht Erdmann , Ihr Hausgenosse.“ Der ge= wenn es auch nur ein Sandkorn ist zu hatten ! Nehmen Sie mir das nicht übel , hässige Ausdruck in Strehlens Gesicht war einem gewaltigen Bau. Die Schönheit ver- Herr Erdmann , ich meins nicht schlimm verschwunden , ein freundliches Lächeln edelt in jeder Form und ihr Verständnis und Sie sind ja um so viel jünger als umkräuselte den schönen Mund, er atmete führt zur Natur zurück, von der alles Heil ich, da kann man schon einen guten Rat erleichtert auf. kommt. Sie spricht aus diesen rhythmischen | annehmen. Hüten Sie sich vor dem Streh„Wir haben etwas stark gekneipt nebenan Gliedern , aus diesen in wilden Akkorden len ! " Wölfl erhob warnend den Finger. bei Herrn Wölfl. Da sah ich noch Licht "1 Sie sind ein vortreffliches Material | bei Ihnen und ich wollte Sie ja schon sich wälzenden Wogen , aus diesem lichtvollen Gewölke, mehr oder minder mächtig, für diese Leute ! Aber jest genug davon. lange besuchen.“ „ Keine Entschuldigung,HerrErdmann ! “ je nachdem es mein Vermögen war , sie Zünden wir uns eine frische Zigarette an zum Ausdruck zu bringen , zu dem Be- und trinken eins auf den guten Erfolg entgegnete Strehlen, einen etwas defekten Strohsessel Sirtus anbietend. „ Es freut schauer, und legt dort , wenn auch leider des Meerweibchen! “ selten genug , einen befruchtenden Keim, Er lächelte Lili schalkhaft zu, die wäh mich ja von Herzen , Ihre Bekanntschaft der nie ganz verloren geht ! Millionen rend dieser Unterredung in den verschie zu machen. Also bei Wölfl haben Sie solcher Keime geben dann erst das Samen- denen Skizzenmappen herumgestöbert. gekneipt? War Lili auch dabei ?" „Gewiß, wir feierten die Verlobung, “ korn ab, aus dem die herrliche Frucht der Wölfl holte eine schon angebrochene Flasche erkannten Schönheit einst sich entwickeln Rotwein unter Del- und Firnißflaschen entgegnete Sirtus . Ein komisches Pärchen, nicht wahr?" wird, wahre Menschlichkeit, die Harmonie herunter und bot Lili und Sixtus die des Wollens ! Und sie wird kein Elend Zigarettendose an. Die liebliche Lili, die mit sagte Strehlen. " Kennen Sie Lilis Gedulden , mag es noch so schwere Opfer so unnachahmlicher Grazie die glimmende schichte ? " Sie hat dieselbe vor mir erzählt, obfosten, weil das Elend häßlich ist, und sie Zigarette zum Munde führte , mit ihrem alles Häßliche haßt ! Jett wissen Sie, wie heiteren Geplauder, die derben Wiße und wohl sie mich zum erstenmal gesehen! ich über die Lösung der sozialen Frage denke, das schallende Gelächter Wölfls ließen Ein Unikum als Modell !" Wie er als Künstler ," entgegnete ein armer Teufel, der selbst nichts zu nagen Sirtus alle Sorgen vergeſſen. und zu beißen hat, aber ein Künstler ! " Es war schon spät in der Nacht, als Strehlen. „Nach allen Mißerfolgen immer Sirtus glaubte zu träumen ! Lili , das sie aufbrachen, das herabgebrannte Kerzen der alte Idealist und Schwärmer. Man Modell, erzählt eine rührende Liebesge- licht zwang sie dazu. Sirtus fühlte sich sichts ihm nicht an ! Sie müssen ihn einschichte, aus der troy allem Elend ein im um vieles leichter, seine Situation schien mal hören, wenn er seine WeltbeglückungsInnersten unverdorbenes Herz, echte Liebe ihm nicht mehr so verzweifelt. Der starke ideen entwickelt, das ist drollig!" Hab sie eben gehört, jedenfalls ganz spricht. Wölfl , „ der Oelfleck “ , der ver- Wein Wölfl hatte seinen ganzen Vormochte wohl mit daran geistreich, wenn auch phantaſtiſch und unkannte, verlachte Maler, der sich in einem rat geopfert Dachſtübchen herumdrücken muß, troßseines schuld sein, hauptsächlich war es aber die durchführbar ! " bemerkte Sirtus. „Finden Sie? Intereſſieren Sie ſich entschiedenen Talentes , sd wärmt von der heitere Lebensauffassung des Malers , die hohen Mission der Kunst, daß ihm selbst diese Wirkung erzielte ; daß dieselbe auf also für soziale Probleme, Herr Erdmann ?" ganz heiß wird. Beiden hatte das Elend, einem strengen Pflichtgefühl basierte, daran Strehlen rückte seinen Stuhl näher zu die Not, die Verachtung und Ungerechtig dachte er nicht . Um eines beneidete er Sirtus . um Lili! Ich habe allen Grund dazu , " er: keit , die sie erfahren , ihre heiligsten Ge- ihn, fühle nicht rauben können, keine VerbitAls er auf den finsteren Gang hinaus widerte dieſer , „ habe ich doch in kurzer terung klang aus den begeisterten Worten trat , um sein Zimmer aufzusuchen , fiel Zeit schlimme Erfahrungen in dieser Bedes armen Malers ; die Kunst , die ihn ein greller Lichtstreif aus Nr. 23. zichung gemacht. “
Waldweben V Zuber .H.on
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Anton Freiherr v. Perfall. Das Erdmannshaus . 242:
„Wieso ?“ Strehlen schien ſich ſehr für dicie Erfahrungen zu interessieren, so rasch ities er diese Worte hervor, während er die Lampe so drehte, daß ihr voller Schein Sirtus traf, er aber noch im Schatten saß. „Kennen Sie das Erdmannshaus, die alte Schmiede in der Burggasje?" fragte Sirtus. Kann mich gerade nicht erinnern, und was ist damit ?" Dieses Erdmannshaus mit der berühm ten Schmiede gehörte meinem Vater , es ist eines der schönsten, reichsten Anwesen der Altſtadt. Ich ſtudierte als Sohn cines reichen Bürgers Jus. “ „Und?"
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| fie schneller gelöst wird, Herr v . Strehlen ? " | deinem Wesen nicht verändert , laſſe den Kopf nicht tiefer hängen wie sonst und fragte Sirtus. Ja, ich weiß ihn , Herr Erdmann," verkehre öffentlich nicht mit mir. Man entgegnete fest der Litterat , sein blasses beobachtet mich und gerade deine Unverdächtigkeit macht dich uns wertvoll. Auf Gesicht rötete sich. Warum machen Sie denn ein Ge- morgen abend, Sirtus ! " Er winkte dem unter der Thür Stehenheimnis daraus ?" „Wer sagt Ihnen , daß ich ein Ge- den freundlich zu und wandte sich wieder heimnis daraus mache? Ihnen gegenüber zur Arbeit. Sirtus wankte betäubt von all den vielleicht. " „ Das ist unnüt ! " entgegnete verlegt Eindrücken über den finsteren Gang seinem Sirtus . „Ich kenne Ihr Glaubensbe Zimmer zu . Aus Nr. 23 drang lautes Schnarchen, kenntnis , Sie sind Sozialist. Jedermann im Hauſe weiß, warum neulich Ihr Zimmer Wölfl träumte wohl schon von dem Meerdurchsucht wurde. Ihr Mißtrauen gegen weibchen . Aus dem Zimmer des Litteraten mich ist ungerecht. Gerade gegen mich, zuckte der schmale Lichtstreif wie eine bluUndheute ist mein Vater Werkmeister der ich am wenigsten Grund habe, Sie zu tige Klinge in sein Auge. Der Kuß des in der Maschinenfabrik von Böhme, die verraten, der ich, offen gesagt, gekommen Rächers brannte auf seinen Lippen und -- ließ ihn nicht schlafen. jeht einer Aktiengesellschaft gehört. Mein bin, um warum soll ich es leugnen Bruder ebendort Schmiedegeselle , ich Ihre Freundschaft zu suchen . Ich bin Kapitel VIII. Shreiber bei Doktor Stöhr ! Das sind bis jest wie ein Blinder durchs Leben. Die Maschinenfabrik Böhme , mit der doch kleine soziale Veränderungen in kurzer gegangen, mein Unglück hat mir die Augen Zeit, die einem nachdenken machen. " geöffnet , ich sehe , wie faul und morsch zugleich ein eigenes Hüttenwerk verbunden Diese Veränderungen schienen Strehlen die ganze Gesellschaft, wie ihre ganze Ge war, jezt im Besize einer Aktiengesellwar wieder in vollem Gange. noch mehr Nachdenken zu machen , als schichte, eine Geschichte der Unterdrückung schaft Sirtus selbst. der Schwächeren ist . Ich habe nicht im Der frühere Besizer schien genügend aus Er schwieg einige Zeit, Sixtus' ganze Sinne, in der Kanzlei des Doktor Stöhr dem Schiffbruch gerettet zu haben , um Gestalt muſternd. Allerdings einschnei zu verkümmern, ich will auch etwas leisten einer der Hauptaktionäre der neuen Aktiendende Veränderungen , " begann er dann für die Menschheit , für die Reform der gesellschaft zu werden , welche die Fabrik plöslich. Bei Böhme in der Maschinen Gesellschaft. Ich möchte auch wenigstens unter Beibehaltung des alten FirmaFabrit arbeitet jezt Ihr Vater? Als Werk ein Samenkorn dazu streuen , wie dieser namens übernommen. Die Arbeitslöhne meter ? Hm! Und Sie mußten Ihr Wölfl, und da ich kein Künstler bin und wurden etwas reduziert , wem es nicht Studium aufgeben, das ist hart!" ebensowenig wie Sie an die Frucht ge- paßte , wurde entlassen , man hatte so zu Erfuhr sichzerstreut über die hohe Stirn. rade dieses Samenkorns glaube, so kam viel , und der neue Direktor verstand #Und wie trägt Ihr Vater ſein Los ?" ich zu Ihnen, Herr v . Strehlen. Lernen keinen Spaß. Der erste Jahresabschlußz frante er weiter . Sie mich fäen. Ich glaube immer, Sie sollte ein großartiger werden , das war Leichter wohl als ich," entgegnete wissen die rechte Art. " Der Wein , die sein einziges Trachten. Ein tosender Lärm Sirtus. „Der Unterschied ist auch nicht begeisternden Worte Wölfls , die ihn be stieg empor Tag und Nacht aus den unfe einschneidend wie bei mir. Er ist von schämt , die Unzufriedenheit mit seinem zähligen Schmied- und Schlosserwerkstätten, Jugend auf an Arbeit gewöhnt. “ Lebenslos , erwachter Ehrgeiz , vielleicht aus den Hochöfen und Schmelzwerken, die Und Sie nicht?" warf mit einem einmal eine Rolle zu spielen in der, wie zusammen eine rauchende, pustende, feuerfartaſtiſchen Lächeln Strehlen ein. er glaubte , nahe bevorstehenden sozialen sprühende, kohlengeſchwärzte Stadt bildeten. Jch verkehrte wenigstens in einer Umwälzung, das alles gärte mächtig in Ein Hymnus der Arbeit, wie er großartiger nicht gedacht werden kann! Und en anderen Sphäre , in der besten Ge- ihm und brach sich jezt Bahn. schaft, während mein Vater von jeher " Strehlen betrachtete lächelnd den in wie das alles ineinandergriff! Diese tauseiner normalen echten Begeisterung wirk send angespannten Muskeln , diese un„ Nur mit dem Arbeitervolke verkehrte, cilen Sie sagen . Er war aber doch lich schönen Sixtus und ergriff die dar zähligen knurrenden , schnurrenden Räder in eigener Herr, ein Bürger , jest ist gereichte Rechte des jungen Mannes . und Rädchen , dicht verschlungene Treibein Stlave, halten Sie das für leicht? „Ich vertraue Ihnen, in Ihrem Alter riemen ; welche Ordnung herrschte in diesem ie verlieren meiner Ansicht nach beide kann man nicht so lügen. Ich will Sie scheinbaren Durcheinander! Das Ganze leich, und beide das höchste , die Frei- jäen lernen auf meine Art," die Hand glich einem riesigen Lebewesen, deſſen uneit Das andere !" Er schnalzte ver- Sirtus' nervös schüttelnd. "/ Aber stellen | zählige Glieder und Gliedchen nur von tlich mit dem Daumen. " Ihr Vater Sie sich das nicht so leicht vor , mit der einem Willen und zu einem Endzweck beuhlt es vielleicht nicht so wie Sie , aber Ruhe ist es aus , Arbeit und wieder wegt werden. Und welche Summe von verwird schon darauf fommen in der Arbeit , keine Schmiedearbeit , das kommt schiedenartigen Bewegungen, von den riesigen Fabrit ! Waren Sie schon draußen ! " erst zuleht, zuvor nur Maulwurfsarbeit, Flamm- und Schachtöfen des Hüttenwerks, „Bis jetzt noch nicht . " die das Licht scheut – und der Lohn ? Das in deren Schlund der Arbeiter das rohe Ein Hundeleben, sag' ich Ihnen und Gelächter der Menge, für die wir arbeiten, Erzgestein schüttet , wie es der Erde entbi faum das tägliche Brot. Eine die Verbannung, das Gefängnis ! " nommen, bis herab zum Polierhaus, wo die ttiengesellschaft , sagen Sie, hat jetzt die „ Und das Bewußtsein, die Rächer der fertiggestellte Maschine ihren letzten Schliff abrik ? Dann wird's noch schlimmer, diese Unterdrückten zu sein," schloß Sirtus von erhält. Ein Mikrokosmos, der den Makrotionäre find ja unersättlich, dreißig bis dem eigentümlichen, in die Seele dringen- kosmos beschämt durch sein Zielbewußtsein, merig Prozent, dabei wird dem Arbeiter den Blick Strehlens fanatisiert. durchsein Ausnutzungs- und Verwendungslegte Schweißtropfen ausgepreßt ! Da „Wenn Sie das haben, Erdmann, dann system . wird er schauen, der Vater, und die Fäuste nenn' ich Sie Bruder, dann sind Sie reif, Die Arbeiterquartiere um die Fabrikallen in ohnmächtiger Wut. Da soll dann habe ich kein Geheimnis mehr vor gebäude sich anschließend, unterschieden sich an diesen Idealisten , den Wölfl, ein: Ihnen , Verrat könnte Ihr Tod sein. wenig von diesen, dieselbe Monotonie und al hinaussperren nur auf ein halbes Kommen Sie morgen zur selben Stunde, Nüchternheit, derselbe Ruß und Rauch. Es hr, ob er dann nicht andere Sdeen be da beginnt der Unterricht. Gute Nacht, waren am Ende auch nur Maſchinenmagamt . Die Kunst soll die soziale Frage Sirtus. " Er drückte innig seine Hand und zine, wie die andern dort, nur daß an die ien? Wer das erwarten kann!" küßte den Jüngling auf den Mund . Stelle von Eisen und Stahl Fleisch und Und wissen Sie einen Weg, worauf „ Und noch etwas zeige dich in Muskeln traten. II. 89. 11
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Andreas Welthusen. 245-
Der Sirius.
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Andreas Erdmann hatte es noch gut | Andreas, der öfters in diesen Räumen | Damit warf er das Steinchen übergetroffen, er war wenigstens Werkmeister, zu thun hatte, ergriff ein Schauer, so oft mütig zum Fenster hinaus . Glücklicherdas heißt , er hatte sechs bis sieben Ge- er sie betrat. Diese teuflische Hiße , die weise fand der Händler das aus dem fellen, darunter auch seinen Valentin, unter lodernden brennenden Feuer ringsumher, Staube hervorgligernde Mineral wieder, sich und arbeitete ziemlich selbständig in deren greller Schein die geschwärzten, halb und als er nach Grahamstown gelangte, der Schmiede, die in dem Trakte der Hüt nackten , von Schweiß erglänzenden Ge- ließ er es von zwei Naturkundigen unter: tenwerke sich befand. Dadurch hatte er stalten der Arbeiter phantastisch umzuckte. suchen. „" Es ist ein echter Diamant, " entschie doch wenigstens den Charakter eines Hand- Das dumpfe, ohrenbetäubende Grollen und werkers beibehalten und war noch nicht Rauschen der aufgeschütteten Erze - der den diese, !! und er wiegt 22½ Karat." Der Diamant kam nach Kapstadt in ganz aufgegangen in der großen Arbeiter unzählig sich auf und ab bewegenden . armee. Hunte" das alles vereinigte sich zu die Hand des Kolonialsekretärs , welcher Die ihm zugeteilte Wohnung befand einem Bild, das nur Breughels Pinsel hätte ihn zur Schätzung nach London schickte. Die Tare lautete auf 500 Pf. St. , für sich in dem Schmiedegebäude selbst und malen können. (Fortseßung folgt.) welchen Preis ihn der Generalgouverneur wenn sie auch für den ehemaligen Beſizer erstand. Der Händler strich hocherfreut des stattlichen Erdmannshauses sehr primitiv war , hatte sie doch den Vorteil , von sein Geld ein und begab sich wieder zu dem wohlthätigen Ohm dies ist ein den Massenquartieren getrennt zu ſein, in Der Sirius . denen jede Individualität , die Familie unter den Boers allgemein verbreitetes Freundschaftswort. Er brachte ein zweites selbst aufgeht in der Allgemeinheit. Von Moni verstand es vortrefflich ihren kleines Ding “ von 8's Karat heim, woAndreas Welthusen. für ihm derselbe Käufer 200 Pf. St. zahlte. Andreas, wenigstens innerhalb seiner vier Die Sache wurde ruchbar , und nun Wände, die alten Gewohnheiten eines wohlbegann ein Suchen nach den glänzenden habenden Bürgers nicht missen zu laſſen. Verschiedene aus dem Bankrott gerettete, wer hätte nicht schon von jenen , Ster- Steinen, welches bisher noch nicht aufge ihm persönlich werte Gegenstände und nen Südafrikas " gehört, welche fast hört hat. Die Eingebornen glaubten, es Möbel gaben den beiden Wohnzimmern in der ganzen zivilisierten Welt das Dia- feien Talismane, welche den Weißen als ein behagliches , wohlhabendes Aussehen . mantenfieber erzeugten und ganze Ströme Zaubermittel dienten. Sie suchten mit In ihrem Aeußeren gab sie sich trotz der von gewinnsüchtigen Wanderern in die ihren schnellen und scharfen Augen das bescheidenen Verhältnisse alle Mühe , An- Flußthäler des Orange und des Waal Ufer des Orangefluſſes ab und entdeckten dreas den Unterschied von einst und jezt lockten? in wenigen Wochen weitere zehn Wertnicht fühlbar zu machen. Auch die Arbeit Es war im Jahr 1867 , als auf der steine. Im nächsten Jahre sah man bei sagte ihm zu. Die unzähligen Pferde im Farm eines Boers am Orangefluß ein Pniel am Waal Hunderte von DiamanDienst der Fabrik waren zu versehen, das "1‚ blankes Steinchen" gefunden wurde. Die tengräbern , welche mit der Pike in der ganze Wagenmaterial in Ordnung zu halten, Kinder des Boers spielten mit dem kleinen Hand den edlen Sandboden durchforschten ; es war doch immer noch selbständige Ar glänzenden Dinge, und niemand hatte eine und noch ein Jahr später brach das Diabeit. Die Beamten erkannten bald , daß Ahnung davon, wie wertvoll es war. Da mantenfieber aus , welches wie eine ansie in ihm eine tüchtige Kraft erworben, kam einer jener reisenden Händler, welche steckende Krankheit durch die ganze Kapund behandelten ihn mit aller Achtung, ihre Waren von Ort zu Ort führen und kolonie ging. Ein Kaster nämlich , namens Swartdazu kam die konservative Kraft des Fa den Farbigen so willkommen sind als den milienlebens, ſein immer noch reger, durch weißen Ansiedlern, und ſah das schimmernde boi, das heißt Schwarzbursche, fand einen " blanken Stein" und ging damit nach das Unglück eher noch gehärteter Sinn Spielzeug. für das Historische , die Tradition. Kein „ Von wo habt Ihr das kleine Ding, Hopetown in den nächsten Kaufladen. Wunder, wenn beim Werkmeister Erdmann | Ohm ?" fragte der Händler. Hier," sagte er, seinen Fund auf den die kommunistische Luft , die alle dieſe „ Weiß nicht, Ohm , " antwortete der Ladentisch legend, schön Medizin für die Mir geben Rum, Räume durchwehte , nicht recht angreifen Boer ; " die Kinder, glaub' ich, fanden's im Amalungi (Weiße). wollte. Sande. Es glänzt wie jene weißen Steine, Perlen , Flint , schwarz Sand (Pulver), Und sie wehte stark, seitdem die Löhne von denen schon in der Bibel die Rede ist. " rund Kugel , wollen Deck und viel bunt von neuem herabgedrückt wurden . Düstere "1„Es mag ein Kiesel sein, der so durch War und 100 Geld. “ Er meinte damit Gesichter , heimlich geflüsterte Drohungen, sichtig wie Glas ist , vielleicht auch ein 100 Pf. St. unwillige Arbeit überall . Der Gehilfe wollte in Abwesenheit Stückchen geschliffenes Glas. Wißt Jhr In der Schmiede da ging es noch, was , Ohm ? Gebt es mir , Eure Kinder seines Prinzipals eine so große Summe Andreas Erdmann ging ja mit gutem Bei sollen dafür ein besseres Spielzeug haben. “ nicht daranwagen und lehnte das Geſchäft spiel voran, mit dem Fleiße und der ZuDie Kinder griffen mit Vergnügen nach ab. Swartboi ging mit seinem Schatz zu friedenheit ; auch in den übrigen Werk dem Hampelmännchen , welches ihnen der dem Farmer Niekirk und forderte hier das stätten ließ die vielgestaltige , den Geist Händler darreichte. doppelte. Der Farmer verstand seinen Vordes Arbeiters doch etwas in Anspruch " Von Herzen gern , " sagte der Boer teil besser und gab Swartboi 500 Schafe, nehmende Thätigkeit das Sinnieren über lachend und ließ selbst das Hampelmänn einige Pferde und so viel Waren, daß der diese Verhältnisse nicht recht aufkommen. chen spielen. glückliche Verkäufer vermeinte , sich damit Der Händler reiste nach Colesberg und sein lebenlang betrinken , pußen und am Aber in dem Hüttenwerk oben , wo die höllische Hize, die vergiftete Luft böse Ge- zeigte das kleine Ding" den Gästen des Knallen vergnügen zu können. D Swartdanken erzeugt , alle Leidenschaften auf Hotels , in welchem er logierte . boi , wenn du gewüßt hättest , was deine stachelt , wo um dürftigen Tagelohn die „Seht ihr einmal zu, " sagte er, „ was „Medizin " wert war ! Niekirk erhielt daMenschen zum toten Karren, zum willen es sein mag ; vielleicht ist es ein Edelstein. für von dem großen Hauſe Lilienfeld und losen Hebel herabgewürdigt, oder an ewig Ich habe schon versucht, ob es Glas schneidet, Brüder in Hopetown 11 200 Pf. St. , nach deutschem Gelde 224000 Mark. lodernden , ihre Lebenskraft verdorrenden und es thut's . " Feuern gebannt sind, wie Verdammte, oder „ Gebt doch her, " versette einer und Und dieser selbe Stein ist es , der unter den genäßten Schwamm vor dem Munde, machte mit dem Steinchen einige Risse in dem Namen „ Stern_von Südafrika “ berühmt geworden ist. Es war ein prächtiger, fahlen Antlizes unter höllischen Schwefel- die Fensterscheibe. dünsten hin und her karrend , ſich Tag für Ach was ! " spottete ein anderer, welcher rein weißer Diamant von herrlichſtem Waſſer Tag vergiften , da gärte es in allen es in die Hand nahm und von allen Seiten und 83½ Karat schwer. Zuerst durch SüdWinkeln , da trafen die Ingenieure und betrachtete; es sicht nach nichts aus , solche afrika, dann durch England im Triumphe Beamten oft Blicke, die sie besorgt machten. | Krizel im Glase macht jeder Feuerstein. " umhergeführt, erregte er durch seine Größe
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Andreas Welthusen. 248 =
Der Sirius.
und Schönheit großes Aufsehen. Der Kron | ziemlich genau das Bild zweier Fliegen juwelier Hunt in London kaufte ihn für dar, die in den Stein eingeschlossen waren, 11500 Pf. St. und übergab ihn einem weshalb er der Fliegendiamant genannt Diamantenschleifer in Amsterdam . Erst wurde. Beide Steine kamen nach New in dem daraus geschliffenen Brillanten Rusch, wo sie gegen ein Eintrittsgeld zur entfaltete sich die ganze Pracht des Steines. Schau ausgestellt wurden und ganze Scharen Graf Dudley erstand ihn für seine junge von Diggern heranzogen. Wie viele Millioschöne Gattin um den Preis von 25 000 nen der glückliche Besizer für seine Steine Bf. St. erhalten hat , ist hier in der Kapkolonie Seit dieser Zeit befand sich ganz Süd- nicht bekannt geworden. afrika in fieberhafter Aufregung. Ein Dies ist in furzem die Geschichte der Strom von Menschen bewegte sich nach südafrikanischen Diamantenfelder. Ich kannte dem Lande der Diamanten. Zunächst die sie , brachten doch alle unsere Zeitungen benachbarten Boers , welche ihre Farmen wöchentliche Berichte aus West- Griqua mit Weib und Kind verließen, dann Kauf land ; ich hatte auch manchen Schwarzen Leute, Jäger, Hirten, Soldaten, Matrosen, gesehen und gesprochen, der aus den DigBeamte u. a. Die Dienstherren hatten gings mit seiner Beute zurückgekehrt war : ihre Not , denn die Farbigen entliefen aber ein wohlunterrichteter Digger, von ihnen zu Hunderten, um sich Flinten und dem ich näheres hätte erfahren können, so viel Geld zu erwerben , um eine Frau war mir noch nicht zu Gesicht gekommen. kaufen zu können. Und die meisten fanden Da führten mich einmal meine Gefich nicht getäuscht, denn in keinem Lande schäfte ich geleitete unsere lang beder Welt sind bisher so viele Diamanten spannten und mit Wolle hoch beladenen in kurzer Zeit gefunden worden als in Ochsenwagen nach Durban — in die HauptWest Griqualand so nannten die Eng stadt von Natal , nach Marißburg. Hier länder den Diamantendiſtrikt, nachdem sie las ich in einer Lokalzeitung folgende ihn annektiert und der Kapkolonie einver Annonce : leibt hatten. Es entstanden ganze Städte, „ Ein erfahrener Digger, welcher von welche von Diggern (Gräbern) und ihrem New-Rusch nach Europa zurückkehrt , ist Anhange bevölkert waren, wie Pniel, Klip- bereit , ausführliche Auskunft und Rat drift, New -Rusch u. a.; und bis auf den schläge jeder Art über sein bisheriges Geheutigen Tag ist die Ergiebigkeit der süd- schäft zu erteilen. Man zahlt 1 Pf. St. " Die Wohnung des seltsamen Ratgebers afrikanischen Diamantendiggings noch nicht erschöpft. war genannt. Ich wagte die kleine Summe Im Jahre 1872 ereignete sich der daran , um meinem Wiſſensdurſt zu gegrößte Glückssund, den jemals ein Mensch nügen, und sollte es nicht bereuen. gemacht hat. Ein junger Franzose arbeitete. Ich fand in dem Digger einen geam Waal, vier Stunden weit von New- bildeten Mann. Er war von Geburt ein Rusch, für den Kaufmann Spalding. Am Deutscher, Schiffskapitän von Beruf, und 6. November vormittags hatte er kaum hatte fünf Jahre lang die Pike gehandhabt . die ersten Spatenstiche gethan , als ihm Umgeben von seinem Handwerksgerät, einem ein heller Schimmer plöglich in die Augen cifernen Sortiertisch mit Sortierlineal, leuchtete. Er griff zu und blieb vor freu Sieben aus Drahtgeflecht und durchlöcher digem Schreck in buchstäblichem Sinne des ten Zinkplatten , einer Wiege , Picken , Worts sprachlos , erst einige Tage später Schaufeln, Eimern aus Ochsenhaut, Seilen gewann er den vollen Gebrauch der Zunge und andern Werkzeugen , und angethan wieder. Es war ein Stein von der schön mit grober Diggersbluse beschrieb er mir ſten Form , nämlich ein ziemlich regel wie man den "Diamantenstoff" so mäßiges Oktaeder ein von acht gleichen nannte er die den Edelstein enthaltende und gleichseitigen Dreiecken umschlossener Erde grub, hackte , hob, siebte oder in Körper dabei vollständig durchsichtig der Wiege schüttelte und wusch, und wie und fast so groß als ein Hühnerei. Es man endlich das zubereitete Material auf soll auf der ganzen Erde nur einen ein den Sortiertisch brachte und mit dem zigen Diamanten geben, welcher größer ist ; eisernen Lineal auseinander schob, um die derselbe gehört dem Sultan von Mattam glitzernden Steinchen herauszulesen. Er auf Borneo und wiegt 367 Karat. Der zeigte mir die Kiesel der Flußdiggings holländische Gouverneur hätte ihn gern und die Tuffe der Trockendiggings , wo für seinen König erworben , aber er bot die kostbaren Steine eingebettet sind. Er vergebens zwei Kanonenboote und eine berichtete über die „ Kopjee ", jene rätselMillion Mark dafür. Spaldings Diamant haften Hügelkuppen, welche in Felsenkessel wog 2882 Karat, so daß derselbe also eingeschlossen die zahlreichsten Diamanten der zweitgrößte Diamant ist , welcher bis enthalten und gleich Bergwerken bearbeitet jezt eristiert. Allerdings ist er nicht rein werden. Er kannte die verschiedenen Diaweiß, sondern gelblich und hat einen kleinen mantsorten, die Lebensweise der Diggers , schwarzen Flecken nahe an der Oberfläche ; die Gefahren und Krankheiten , denen sie er wäre sonst unschätzbar gewesen. ausgesetzt sind , die Uebelstände der engNicht genug daran , derselbe junge lischen Gesetzgebung, welche die Spizbuben Franzose zog im nächsten Augenblicke mit begünstige und dem ehrlichen Manne Hemmdem zweiten Griffe noch einen andern schuhe anlege, die Diebereien der schwarzen großen Diamanten hervor , welcher schön Arbeiter, die Preise der Lebensmittel, der weiß war und 50 Karat wog. Einige Wohnungen, der „ Claims ", das sind die schwarze Flecken in seiner Mitte stellten kleinen Landparzellen, welche für ungeheure
-249Summen verpachtet werden, und beschrieb das alles so genau und anschaulich, daß ich mich vermaß , das Diggerhandwerk binnen einer Stunde begriffen zu haben. Doch darüber gehe ich hinweg. Ich bemerkte, daß die Blicke meines Lehrmeisters sich wiederholentlich auf ſeine linke Hand richteten , wo an dem Ringfinger ein einziger Diamant prangte. Er drehte die Hand oftmals hin und her und ließ wohlgefällig den Stein sich vor seinen Augen spiegeln. „ Es ist ein rein weißer Diamant, " sagte ich fragend, den Sie da am Finger tragen." „ Dies ist der schönste aller Diamanten, " verseßte er mit Stolz, " die ich je= mals gesehen ; und ich habe ihn so gefunden, wie Sie ihn sehen, und so einfassen lassen, wie ich ihn gefunden habe. Keines Schleifers Hand hat ihn berührt ; die Natur hat ihn vollkommener gebildet , als es irgend ein Künstler vermocht hätte. Er wiegt nicht viel über 3 Karat und würde nach seinem Gewichte kaum 300 Pf. St. wert sein. Aber nun beachten Sie hierbei zog er den Ring vom Finger und gab ihn in meine Hand - beachten Sie dieſen regelmäßigen Kristall ; drehen Sie ihn um, und sehen Sie genau zu, ob es nicht das regelmäßigste Cktaeder ist, das es geben. kann. Da ist keine Kante, keine Ecke, keine Fläche abgerundet , kein Dreieck ungleichmäßig ; dieser Brillant ist vollkommen . Und nun untersuchen Sie die Farbe so ſo - halten Sie ihn gegen das Fenster. Da ist kein Flecken, kein Streifen, kein Riß ; alles ist rein weiß und durchsichtig , als wäre es ein kristalliſierter Wassertropfen er ist vom reinsten Wasser. Das Feuer aber ſo ſo halten Sie ihn gegen das Licht sehen Sie diesen hellen Glanz , dieses wundervolle vielfache Farbenspiel ? Alle diese Regenbogenfarben ? Sehen Sie ? Diese Feuerstrahlen ? D, und das alles hat die Natur allein geschaffen ! Herr des Himmels ! Sie hat ihn gebildet , sie hat ihn geschliffen , sie hat ihn poliert ! Wunder über Wunder! Ach , ich bin nicht wert, ihn zu tragen! " Der Mann war in voller Begeisterung, als er so sprach, und steckte mit innig befriedigtem Lächeln das Kleinod wieder an seinen Finger. In der That war das Feuer des kleinen lichtbrechenden Kriſtalls so strahlend , daß ich mich mit Entzücken daran weidete. Wie man am Probierstein die Goldhaltigkeit eines Metalls prüft, so hätte dieser Diamant einen Probestein abgeben können, um die Reinheit, die Durchsichtigkeit und den Glanz aller übrigen Diamanten danach zu meſſen. Besigen Sie noch andere Diamanten?" fragte ich. Die meisten habe ich verkauft," ent gegnete der Digger, während er nach einer schlechten Schwefelholzbüchse langte und den Inhalt derselben auf einen Bogen weißen Papiers schüttete ; aber hier habe ich mir noch zum Andenken an meine harte Diggerlaufbahn eine Ausleſe von verschiedenen Diamantenjorten aufgehoben. "
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Der Sirius.
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Die kleinen Steine gliserten mir ver- wie der Drache das goldene Vlies ; aber wie die beiden anderen Automaten, weld führerisch in die Augen, ihr Besizer aber sie versprach, ihn mir zu zeigen, ich sollte aus der Hand des Mechanikers Vaucanjo schob sie gleichgültig auseinander und fuhr der erste Europäer sein , der den Schaß in den Besitz des Professors Beireis über dann fort : „ Dies hier" - er gab mir der Malaien zu sehen bekäme. Ihr Vater gegangen waren. Der eine ſtellte eine dabei einen weißen Stein in die Handhabe jeden zum Tode verurteilt, der einen Flötenbläser in Lebensgröße vor , welche „ist ein sogenannter Glasstein und gehört Zweifel an der Echtheit des Steins ge- auf seinem Instrument mit den Finger zu der wertvollsten Sorte ; allein , was äußert , und sie hüte ihn wie das Auge spielte und Luft hineinblies, ganz so wi bedeutet er gegen meinen - meinen Schatz im Kopfe ; denn wenn er verloren ginge, ein lebender Künstler. Der andere was hier ! Weiß ist er — ja — aber die Linien so wäre es aus mit Borneo, die Fremden ein Esel, der geblümtes Zeug webte. De und Winkel find nicht mathematiſch genau, würden das Land vollends erobern und Kardinal Fleury nämlich hatte Vaucanso ---und ſein Glanz — nun, Sie sehen es selber alle Malaien vernichtet werden. Die Alte zum Inspektor der Seidenmanufakture: nicht wahr? Ich für mein Teil traf nun alle nur möglichen Vorsichtsmaß ernannt. Die Weber von Lyon aber hielter schätze diesen anderen hier, den man einen regeln und ließ den Palast von Mattum die Maschinen des Inspektors für Zauber Froststein nennt, höher ; er wird, obgleich mit Kriegern umstellen und Thore und werke, und da sie fürchteten , daß dieselber er jest wegen seiner gereifelten Oberfläche Thüren verschließen. Darauf führte sie ihren Arbeitslohn schmälern würden , f nur durchscheinend ist , doch in der Hand mich in die Schatzkammer und brachte aus drohten sie ihn zu steinigen. Zur Straf des Steinschneiders und Polierers das den Umhüllungen von vielen Kisten und dafür fertigte er den webenden Esel.“ „ Prächtig ! Prächtig ! Bitte ſehr, fahren volle Feuer erlangen. Hier sehen Sie einige Schachteln das Kleinod von Borneo her Phantasiesteine sie sind braun, violett, vor. Doch wer malt mein Erstaunen, als Sie fort. " auch blau - dieser hier goldlicht — aber ich es in meiner Hand hielt ! Es war " Mein Großvater hat diese drei Auto von reiner Farbe. Den vierten Rang nichts weiter als ein hübsches Stück Berg- maten selbst gesehen und zwar in Thätig nehmen diese Diamanten hier ein sie kristall , auf einer Seite abgebrochen und keit, denn der Besizer zeigte sie den Stu sind von unreiner Farbe, meist gelblich und auf der anderen mehrfach geschliffen. Ich denten oftmals . Aber nur sehr selten und hätte keine zehn Gulden dafür gegeben. spielen mitunter ins Braune und Graue nur in vertrauten Kreisen brachte der ge man hat die letteren schwarze Diamanten Hahaha ! Das sagt Gronovius , der im lehrte Mann ſeinen höchſten Schat, ſeinen genannt und viel Redens von ihnen ge- Jahre 1829 Reſident an der Küste Kayong Diamanten hervor , den er Kaiser von macht. Das übrige da ist schlechtes Zeug war. Aber die Welt glaubt noch heute China' nannte. Dieser kostbare Edelstein, schlechtes Zeug, das - Splitter und an den Sultan ' . und die Antwerpener, pflegte er dabei zu sagen, iſt ein Diamant Schnitzel nennt man sie , wenn sie auch welche das Modell davon verkaufen, laſſen von 6400 Karat und so viel wert , daß alle Fürsten der Erde nicht reich genug zuweilen bis 20 und 30 Karat schwer ge- es sich gut bezahlen. Haha ! “ "! Was halten Sie denn vom , Braganza' , find, ihn zu bezahlen. Kienlung, der Kaiser funden werden - unregelmäßig geformt und ungleich gefärbt. Das ist alles nichts welchen der König von Portugal besigt ? " von China , hat ihn mir für eine große " Von dem, der 1680 Karat wiegt und Summe verpfändet ; aber er hat das Geld gegen meinen Solitär hier, meine Wonne, meinen Sorgenbrecher, das wundervollste größer ist als ein Gänseei ? O, das ist für seine vielen Kriege verbraucht, und ich Kleinod, welches Mutter Natur jemals in bekannt. Er ist nichts als ein Topas , fürchte , daß sowohl Kapital als Zinien ihren unterirdischen Werkstätten geschaffen immerhin wegen seiner Größe ein kost verloren sind. Kienlung, der Sohn des hat. " barer Edelstein, aber kein Diamant. " Himmels , war der Freund meiner Jugend, ,,Kennen Sie denn , " fragte ich , die „Mein Großvater hat auf der deutschen wie er überhaupt ein Freund der Christen großen berühmten Diamanten, den Groß- Universität Helmstedt ſtudiert und er be war , er selbst ein frommer und gelehrte mogul , den Kohinor , den Stern des Sü- richtet, wie in unseren Familienakten von Mann und hervorragender Dichter. Sen dens , und wie sie alle heißen ? Ich sollte seiner eigenen Hand geſchrieben zu lesen ist, Lobgedicht auf den Thee ist berühmt, und meinen, daß dieſelben schon vermöge ihrer daß der berühmte Professor Beireis den er hat es mir mit höchsteigener Hand über Größe einen helleren Glanz verbreiten größten aller Diamanten vorgezeigt habe. " reicht. Wenn der Profeſſor seinen Dias müßten." Vorgezeigt ? Bitte , mein Herr , er manten sorgfältig wieder eingepackt hatte. „ Nein, mein Herr, nein und tausend zählen Sie. Die Geſchichte der Diamanten holte er regelmäßig einen Band mit chine mal nein , " versette der Gefragte eifrig. ist mir ziemlich bekannt, aber von Beireis ſiſcher Schrift herbei und las den ver Im kleinsten Punkt die größte Kraft habe ich nur als von einem gelehrten Son- düßten Zuhörern die kaiserlichen Lob " verse vor , von denen sie kein Wort ver das ist entscheidend. Ob ich sie kenne, derling und Charlatan gehört. jene berühmten Steine? Ich habe sie stu„Beireis machte große Reisen und kam standen. " ", 6400 Karat ! D, über den Schwinddiert und einige von ihnen gesehen. Hier mit bedeutenden Geldsummen nach Helmfind sie, natürlich nur im Modell. " stedt , wo er eine Professur erhielt und ler !" Das Meer hat seine Seeschlangen, Damit brachte er eine Kiste hervor und Leibarzt des Herzogs von Braunschweig die Luft ihre Vögel Rock und Greif, di öffnete sie. Auf weißem Atlas lagen zwölf wurde . Er besaß eine kostbare Gemälde Erde ihre Drachen , und die Bergwerk 6400 Karat Modelle, nach Größe und Schliff genau sammlung, ein reichhaltiges Münzkabinett, ihren Kaiser von China'. so geformt und ähnlich gefärbt , wie ihre sehr gute physiologisch-anatomische Präpa sind mehr als zwei Pfund. Hat man je Urbilder , freilich ohne ihre Härte, ihre rate und andere Seltenheiten , wie kaum mals so etwas gehört ? Was sagte denn Durchsichtigkeit, ihren Glanz, ohne , Wasser" irgend ein zweiter Privatmann zu seiner Ihr Großvater dazu ?" und Feuer“. „Der Schluß seines Berichts lautet Zeit. So hatte er die berühmte Vau" Dies ist der , Sultan' , " fuhr mein cansonsche Ente erstanden. Sie war von also : Die Spötter unter uns pflegten a Mentor fort , indem er auf das größte Messing ; aber wenn sie wie ein Uhrwerk sagen, daß der Sohn des Himmels seiners Stück seiner Sammlung zeigte , der sich aufgezogen wurde, so fraß sie das ihr vor- Freunde einen langen Zopf angehän in den Händen eines schwachsinnigen Ma- geworfene Futter, wobei sie mit den Flü habe , denn er habe ihm für gutes Ge einen Kieselsten Laienfürsten befindet. Er hat eine ebene geln schlug , und gab es verdaut wieder wässerigen Thee und angeschmiert. Grundfläche , wie Sie sehen , und ist als von sich. “ ,,Haha, mein Herr, haha ! " lachte mein " Eine köstliche Geschichte das be Rosette geschliffen , während die meisten übrigen als Brillanten geschliffen sind, Zuhörer , indem er sich den Bauch hielt. | , Sultan ' iſt ein Kind gegen den Kaiſer vor die China." das Eine kostbare - Ente d. h. wie Doppelkegel mit ihren GrundMein Mentor fuhr in seinen Eri flächen aneinander stoßen. Er soll 367 Ka: Guanohändler sollten sie sich anschaffen . rat wiegen. Aber wissen Sie , was der Wenn's nur nicht ein , Sultan' unter den rungen fort und knüpfte daran die Ge schichte jener bekannten großen Diamanten holländische Resident Gronovius von ihm Automaten ist. " erzählt? Nein ? Hahaha! Die alte Sul„Keineswegs, Herr Kapitän, die Sache des "! Orlow ", Großherzog von Toskant tanin so erzählt er — hütete den Stein ist vollständig beglaubigt , eben so sicher, „Regent ", "Kohinoor" und so fort bis
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um 19 Sancy “ . Endlich kam er zum MoNell Nr. 12. „Erkennen Sie Nr. 12 ?" fragte er. Es ist mein kleiner Afrikaner , und ich haube er verdient seinen Play. Obgleich o Hein, so ragt er doch über alle seine Rachbarn dadurch hervor, daß die schöpfe= e Natur allein ihm vollendete Form nd Schönheit gab. " Sicherlich , Jhr kleiner Afrikaner Barde in einer Sammlung von Diamantnitallen sogar den ersten Plaz verdienen, enn ich habe immer gehört, daß eine unpesinderte vollkommene Kristallisation sehr elten stattfindet. Er ist in dieser Bephung einzig, wie es der blaue Diamant hopes und der grüne Dresdener wegen hrer schönen Farbe sind. Nur ein angenesiener Name fehlt ihm noch. “ Ein angemessener Name! Ja, mein er Sie verstehen mich. Wie oft habe hmir schon den Kopf zerbrochen , denben zu finden ! Aber wie ich auch sinne, dbringe es nicht fertig . Stern Berg Meer des Lichts das alles it rerbraucht. Wenn ich nur nicht Meier e , io würde ich meinen Namen dazu cenden, den Namen des Finders ; allein že ſchen ein , das wäre gar zu wenig w.nich."
| Saphir und Smaragd den Sieg streitig, | Kaiserin zu sehen , den schönsten Stein, nämlich durch die Schönheit ihrer Farbe. den die Erde erzeugt hat , an der Hand Sonst ist nichts in der irdischen Welt mit der erhabensten Fürstin, so wollte ich mein Haupt in Frieden niederlegen. " ihm vergleichbar. “ Nach diesen Worten vertiefte sich der Der Mann war mir mit seinem Diamanten - Enthusiasmus etwas befremdlich Kapitän wieder in seinen Ring. " Sie kennen doch Ihren Rückert ?" nahm vorgekommen, sein Patriotismus erwärmte ich wieder das Wort. " Wissen Sie, welchen mich. Ich fühle Ihnen nach ," entgegnete Vergleich er aufgestellt hat ? Er sagt : Der beste Edelstein ist, der selbst alle schneidet, ich, denn ich liebe das Vaterland meiner Die andern und den Schnitt von keinem andern Mutter; und wäre ich nicht schon hier geleidet ; wesen und durch meinen Beruf als Farmer Das beste Menschenherz ist aber, das da litte verpflichtet, so hätte ich mich gern in die Viel lieber jeden Schnitt, als daß es andre Reihen der deutschen Helden gestellt. " schnitte. " ,, mein teurer Landsmann !" sagte Der Kapitän horchte auf, und ein der Kapitän , mir seine Hände entgegenwonniges Lächeln ging über seine harten streckend ; U ich freue mich , hier in SüdGesichtszüge , als ich die Verse in deut- afrika solcher Gesinnung zu begegnen. Aber wir hatten bis wird Ihre Majestät auch mein Geschenk scher Sprache recitierte annehmen ? Ich sage mein Geschenk, denn her englisch gesprochen. ,, mein Herr," sagte er mit Wärme es soll ein Dank sein, wenn auch nur ein und in deutscher Sprache , indem er mir geringer Dank für all den Ruhni und all die Hand schüttelte, „ Sie sind ein Deut die Ehre, die uns Deutschen geworden ist. scher , Sie sind mein Landsmann. Wie Es würde mich tief verlegen , wenn man glücklich bin ich, nach so langer Zeit wieder mir einen Preis oder einen Orden oder einmal die füßen Laute meiner Mutter dergleichen bieten sollte. Sie verstehen sprache zu hören. Bitte, sprechen wir mich. Wird man es nicht für zu kühn halten, daß ich es wage? Wie ?" deutsch miteinander. “ Meine Mutter war eine Deutſche, Mein lieber Landsmann , “ antwortete Ihr Sirius ist kostbar , aber ein und ich habe gleich meinem Vater und ich , Allerdings , " erwiderte ich lächelnd , meinem Großvater auf deutschen Univer- patriotisches Herz ist viel köstlicher , und wenn Sie den Dank desselben in solcher Meier, Müller, Schulze sind zwar gute ſitäten studiert. " " Und wie lauteten doch die schönen Weise abstatten, so wird Ihre Kaiserliche Ed gebräuchliche Personennamen , aber " ir einen Diamanten Verse Rückerts ? Haben Sie die Gefällig- Majestät den Sinn Ihrer Gabe verstehen. P Was meinen Sie zu Feuerstrahl ?" keit und sagen Sie mir dieselben noch und sich huldvoll herablaſſen Feuerstrahl ? Hm ! Etwas zu bren einmal her." „ Will's hoffen , will's hoffen ! " rief and wie soll ich sagen? und ein Ich that nach seinem Wunsch, worauf der Kapitän und rieb sich vergnügt die Hände. #ather Feuerstrahl ist sehr ungewöhnlich . er versezte : „Ja, ja, ich verstehe, Sie wollen mir Als ich ihn verließ , waren wir gute Sie wäre es mit Hesperus ?" Hesperus - hm Abendstern eine Lehre geben und Sie thun recht Freunde geworden. Er begleitete mich Horgenstern - “ daran. Aber glauben Sie nicht , daß ich noch bis zu meinem Hotel. Ich gab ihm Oder mit Sirius ' ?" mein Herz ganz und gar an irdische Dinge meine Adresse und er versprach mir, von Sirius - ei , das läßt hänge. Nein, nein, ich habe mit meinem dem Schicksal ſeines „ Sirius “ Nachricht Sirius E hören." Kleinod etwas anderes vor und Sie sollen zu geben. Der Sirius ist der glänzendste aller hören , was ich meine. Doch dies bleibt Ein halbes Jahr später lief bei mir iriterne, er hat ein weißes Licht , die vorläufig noch unter uns, denn noch nie folgendes Telegramm ein : unit hat keinen Teil an ihm. “ An den Farmer Andries Welthuſen mand weiß davon. So hören Sie denn , daß Ja , ja , mein Herr ! " rief Kapitän ich nicht wert bin, wie ich schon gesagt habe, auf Friedrichsruh am Mordbach bei EastNeter jubelnd aus . „ Sie haben den Nagel den , Sirius zu tragen ; er soll die Hand der court. Mein Sirius glänzt jezt an der uf den Kopf getroffen - ich danke Ihnen, Erhabensten, der Herrlichsten zieren, und das geziemenden Stelle. Meier." ante Ihnen tausendmal. Sirius ! O mein ist keine andere als Augusta, die Kaiſerin von ftlicher Sirius ! Sehen Sie, wie er strahlt! Deutschland , meine Kaiserin. Seit ich Es scheint, als wüßte er - sehen Sie?" von den großen Thaten gehört habe, welche Dabei drehte er seine Ringfinger hin Kaiser Wilhelm und Bismarck und Moltke Lebende Bilder. nd her und blickte glückselig bald auf mich, und alle die greisen und jungen Helden in Frankreich vollführt, bin ich ein glückid auf sein geliebtes Kleinod. Historische Erzählung von Welche Macht hat doch der Schein ! " licher Mann , ich bin stolz auf den deutLouis Nötel. ate ich nicht ohne Absicht. „ Ein Stück schen Namen. Welche Schmach , welche warzender Kohle faſſen wir nicht ein Schmerzen habe ich nicht erlitten , wenn al gern an; wenn es aber kristallisiert ich in so viel fremden Landen unseren
1. dan es zum Juwel, zum Freu➡etipe nder.wird “ Auch der Saphir und der Rubin find hts anderes als kristallisierter Thon ; bet vergessen Sie nicht , daß der Dia et noch immer der seltenste und der crichte und der durchsichtigſte aller Edeline ist , daß er die beste Politur anrimt und bewahrt und daß er das Licht tausendfachem´ Farbenspiel bricht wie in anderer Körper auf Erden . Und nur cinem Punkte machen ihm Rubin,
Namen verachtet jah ! Jest sind wir wieder zu Ehren gekommen, jezt endlich ist mein Vaterland einig und groß geworden. Wie schal und elend kommen mir diese Engländer hier vor ! Und diese Schwarzen, mit denen sie sich balgen ! Nein , ich gehe wieder nach Deutschland zurück , das in aller Welt herrlich dasteht. Da will ich das Glück und die Ehre genießen , eines solchen Kaisers Unterthan zu sein . Und wenn ich die Freude haben könnte, diesen Stein an der Hand Ihrer Majestät der
Seit acht Tagen regnete es faſt unaufhörlich. Das ist überall unangenehm, sowohl im Gebirge, wie auf flachem Lande, und so auch am Oſtſeeſtrande in dem aufblühenden kleinen Badeorte G. "! Das ist ein verpfuschter Sommer," sagte der Geheime Oberpoſtrat von Bienenkorb zu seinem Kousin, dem gleichnamigen Geheimen Oberfinanzrat Bienenkorb ohne „ von". „ Total verpfuscht ! " replizierte der letztere dem ersteren. Indessen unsereiner kann
Louis Nötel. 256sich noch die Zeit mit einem Spielchen oder dergleichen vertreiben, aber die arme Frau „ Die malt ! “ hohnlächelte der Vetter mit „ von". "! Was denn ? Wo denn ? Bei solchem Wetter kann man doch unmöglich seine Staffelei auf der Düne aufstellen , und sie malt doch nur nach der Natur. " „Weiß ja, habe sie neulich am Strande interviewt , sie war gerade dabei , dies Bild da zu entwerfen. Sanftleben auf Wassergerölle nannte sie's ja wohl ?" "1 Warum nicht gar ! , Meeresstille ! Es ist fertig und harrt nur noch des Rahmens. " „ Fertig ! Ah bah, da sehe ich ja noch eine Menge weißer Bazen , die müssen doch erst übermalt werden ! " !! Wo denn?" Na da, da und da !" " Das sind ja weiße Möwen, die übers Wasser streifend den nahenden Sturm verkünden !"
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| schichte tüchtig einseifen , ist nur dein gott nicht stiefmütterlich behandelt worden, aber loser Junge , der Robert, daran schuld, während bei Robert alle Vorteile eines denn er hat die Geschichte mit der Abend solchen Naturgeschenkes zu Tage traten und unterhaltung und den lebenden Bildern auch von dem Eigner nach Kräften auszum wohlthätigen Zwecke ins Leben ge- genügt wurden, war gerade das Gegenteil bei Aribert der Fall. Zum größten Aerger rufen !" War denn das nicht eine ganz hübsche seiner Mama wurde ihr einziger Sohn, Idee! Und wurde dieselbe nicht gerade auf welchem allein die Zukunft der Gevon deiner Gnädigen mit Begeisterung schlechter derer von Bienenkorb beruhte (sein Großvater war nämlich um irgend aufgenommen ?“ Leider ! Es geht mir stark an den eines Verdienstes willen vom verstorbenen Geldbeutel. Der Anzug für Aribert, und Fürsten in den erblichen Adelstand erwas sonst alles drum und dran hängt ! hoben worden), in allen und jeden Dingen , Na, meinethalben, die Frauen haben ihren die sich vor den Augen der Gesellschaft Willen und sind vergnügt, und die deine abspielten , stets durch Robert in den noch dazu das Arrangement der Bilder. Schatten gestellt. Anders verhielt es sich aber mit solchen Sie befindet sich in ihrem Fahrwasser. Du mußt ja die lezten Tage über ge- Eigenschaften , die dem Auge der Welt nicht auf den ersten Blick erkennbar sind lebt haben wie Gott in Frankreich !" !! Du beurteilst meine Lage nach der und einer der Badgäſte, ein finſter blickender deinigen. Die gnädige Frau Kousine ist dunkler Ehrenmann aus dem Wupperthale, ebenfalls um den Finger zu wickeln, seit welcher im Hotel wohnte und Ariberts dem mein Robert freiwillig zu gunsten Zimmernachbar war , hatte einmal über „ Sofo Möwen, das muß aber deines Aribert auf die Darstellung des diesen sich geäußert : er sei ein Jüngling dem Menschen doch erst gesagt werden ! " Liebhabers in den lebenden Bildern ver- nach dem Herzen Gottes , während der meinte der boshafte aristokratische Herr zichtete. Der arme Bursche! Aus seinem fecke, ungenierte Robert ein Sohn Belials Vetter. Ja , sie hat Talent deine Kopfe entsprang die Idee und zum Danke genannt zu werden verdiente. Aribert war ein durchaus harmloser Gattin , das muß ihr der Neid lassen . dafür darf er sich jetzt höchstens als BühnenKostspielige ah , ich wollte sagenarbeiter nüßlich machen und ungesehen den und gutmütiger Mensch und, wie bereits kostbare Sachen das !" gesagt , auch ganz und gar nicht häßlich. Vorhang auf und niederziehen.“ ,,Nu, nu es geht ! Ein Vergnügen „ Dafür entfallen bei dir auch die Regie: All das Eckige , das seiner Art , sich zu muß der Mensch doch haben ! Ich meines kosten. Die Geschichte kostet mich einen gerieren , anhastete , war nicht etwa anteils habe keinen Sinn für so etwas und netten Bazen ! Die ganze Garderobe für geboren, sondern anerzogen. Sein Gesicht das ist ihr größter Kummer! Mit den den Jungen mußte ich nach Angabe der konnte sogar für hübsch und seine ErMöwen da ging mir's gerade wie dir, ich Malmutter - ach entschuldige — deiner scheinung für angenehm gelten, wenn nicht aus Berlin kommen lassen ; die weit über das natürliche Maß herabsah keine Schnäbel und kein Gefieder! Gattin Mein Robert meinte aber , das müſſe ſo na und diese hat in nichts gespart. Wa hängenden Augenlider dem erstern einen sein , es sei dies die moderne Art zu rum mußte das nun gerade ungarisches Anstrich von Blödheit und die auffallende malen , Spritarbeit !" Magnatenkostüm sein ? Die Tracht der Steifheit des Ganges dem ganzen Habitus ,,Dein Robert sollte mit seinen bos hiesigen Strandbewohner wäre auch male etwas Hölzernes verliehen hätte. Das Herabhängenlassen des oberen haften Bemerkungen doch wenigstens seine risch genug geweſen und jedenfalls weniger Augendeckels war ihm nach beharrlicher nächsten Anverwandten schonen. Er soll's kostspielig. " nicht zu weit treiben in seinem tollen „ Aber dann hätte die ungarische Gräfin, Uebung endlich geglückt. Er hatte sich Uebermut. Man verzeiht der Jugend zwar die ehemalige Öpernsängerin, ihre Mit dieser nicht leichten Aufgabe auf Befehl manches , aber alles muß seine Grenzen wirkung versagt , und diese wurde doch der Frau Mama unterziehen müssen, welche haben. Meine Alte hat ihn gewaltig auf speziell von deiner Gnädigen für die Sache in dieser Körperverrenkung etwas überaus dem Zuge und wäre mein Aribert nicht gewonnen, und ihr zuliebe und aus Rück- Vornehmes erblicken mochte. Die beiden Familien Bienenkorb, so ein überaus gutes Schaf, er hätte ihn sicht auf die Etikette mußte ja auch, auf wegen Insulten schon längst fördern müssen." Anordnung deiner lieben Ehehälfte , der wenngleich ziemlich nahe verwandt , waren Höre du nichts über meinen Robert ; bürgerliche Bienenkorb dem adligen Kousin nicht sonderlich befreundet miteinander. Die beiden Geheimräte trafen sich zwar das ist meine Freude, mein Stolz . Aus weichen. " dem wird noch etwas ! In dem Jungen Better , jezt kein Wort mehr über regelmäßig im Klub und besuchten auch, ist alles Leben und Bewegung und was unsere Söhne ! Wollen wir uns etwa gar wie Figura zeigte, ein und dasselbe billige er anfaßt, das gelingt ihm ! Und Einfälle dieserhalb entzweien. Lassen wir den Seebad , aber sie konnten sich beide doch hat er , na, wenn der nicht wäre, was Dingen ihren Lauf und kümmern wir uns dem Einflusse ihrer besseren Hälften nicht sollte dann die Gesellschaft hier vor Langer- nur um das Materielle bei der ganzen gänzlich entziehen , der darauf gerichtet weile anfangen? Wäre wohl dein Herr Unterhaltungsgeschichte . Wer zuleht lacht, war , den Verkehr nur insoweit aufrecht Aribert im stande, etwas zur allgemeinen lacht am besten! Und das bist jeden zu erhalten , als ihn das Dekorum geErheiterung beizutragen ? Im Gegenteil, falls du, denn du behältst dein Geld und bieterisch erheischte. Wie hätten auch die wer es bei dem elenden Wetter nicht schon ich das Magnatenkostüm ! Das kann ich beiden Frauen miteinander sympathisieren längst geworden, der muß in seiner Nähe mir dann einpfeffern. - Komm, spen können ? Die adelstolze Geheime Obermelancholisch werden. Im übrigen jedoch dieren wir uns einen Kognak auf den posträtin und die kunstbegeisterte Geheime Oberfinanzrätin , die , wie der Leser schon sind beide Jungen gut und brav , das Aerger!“ Und beide Bienenkörbe verschwanden aus einer ihrem Widerpart entschlüpften wird ihnen niemand bestreiten und am wenigsten ich!" in einer Nische in unmittelbarer Nähe Aeußerung entnommen haben mag, in der Gesellschaft den Spottnamen „ Die Mal„Hören wir auf, uns über unsere des Büffetts . Sprößlinge zu unterhalten , es weiß ein Der siebzehnjährige Aribert, von wel mutter" führte. Daß beide Mütter im jeder, was er an dem Seinen hat. Seßen chem seither in für ihn nicht besonders stillen darauf hinwirkten , auch den Umwir uns lieber zusammen und machen wir einnehmender Weise gesprochen wurde, war gang zwischen ihren beiden in gleichem einen vorläufigen Ueberschlag , was uns ebenso wie sein Kousin Robert Primaner Alter stehenden Söhnen auf das abſolut Beide Notwendigste zu beschränken , wird unter der für morgen projektierte Zauber kosten eines Gymnasiums der Residenz. wird. Du , wenn wir uns bei der Ge- jungen Leute waren von der Natur durchaus | solchen Umständen niemanden verwundern.
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So wenig nun auch Robert Ursache gehabt haben mochte , seinen Kousin um irgend etwas zu beneiden, und noch weniger ihn anzuseinden, so hätte er doch die That iache nicht in Abrede stellen können , daß in die Bevorzugung Ariberts gelegentlich der Mitwirkung in den lebenden Bildern insgeheim doch wurmte. Er , der gefeierte Liebling der jüngeren und das verhätschelte Schoßfind der bejahrteren Damen, mußte ruhig dabei stehen und zusehen , wie der hölzerne Herr Koujin mit dem ewig gesenk ten Augendeckel die üppig entfaltete unga rische Rose in den Armen halten und gar tinen Kuß auf ihre Lippen drücken durfte! Aber was konnte und durfte er da gegen thun ? Die beiden Mütter hatten es io beschlossen, die Väter selbstverständlich eingewilligt, und er, der geniale Schöpfer des Ganzen, mußte schon aus Bescheidenheit zu gunsten des von der Gesellschaft ziemlich vernachlässigten Anverwandten vom Schauplatze des öffentlichen Wirkens abJedoch der Groll ließ sich nicht unterdrücken, und wie hätte er sich darum die Gelegenheit entgehen lassen können, welche ihm , ganz ohne sein Zuthun, der Zufall verschaffen sollte , sich für die er fahrene Zurücksetzung dadurch zu rächen, indem er dem bevorzugten Günſtling der adligen Frau Tante zu einer Niederlage verhalf , welche ihm die Lust, und sei es im schönsten Kostüme, nochmals in lebenden Bildern mitzuwirken, für alle Zeiten verleiden mußte. Der Abend , welcher für Aribert so verhängnisvoll verlaufen sollte , war angebrochen. Dem Primaner Robert war die Aufgabe zugefallen, während der Produktion das Aufziehen und Fallenlaſſen des Borhanges zu überwachen . Zwei Minuten lang, so hatte die Malmutter verfügt, und nicht um eine halbe Sekunde länger wird je ein Bild gezeigt; verlangt das Publikum ein oder das andere Bild da capo , so wird der Vorhang nochmals aufgezogen und nach Verlauf von nur einer Minute wieder herabgelaſſen. Vor gedrängt vollem Saale begann die Vorstellung . Aribert und die ungarische Gräfin hatten die Nummer vier. Die Situation war dieſe. Ein ungarisches Edelfräulein in vrächtigem Nationalkostüm kniet halb auf der Erde und pflückt Veilchen, ihr Gelieb ter in reicher ungarischer Magnatentracht war unversehens dazu gekommen , hat sie von rückwärts beſchlichen und mit dem Arme um die Taille gefaßt. Erst heftig erschrocken, hat sie sich ihm zugewendet und blickt ihm nun wonnetrunken ins liebe Auge. Während der vorhergehenden Nummer (einer längeren Deklamation) lehnte Aribert in seinem prächtigen Kostüm, eine fast verlegende Gleichgültigkeit zur Schau tra gend, mit herabhängendem Augendeckel an einem Pfosten und wartete der Dinge, die da kommen sollten . Die artistische Leiterin des choreogravhischen Teiles der Abendunterhaltung , die jogenannte Malmutter, stand unweit von Aribert. Sie hielt einen Malerſtock in
der Hand , an dessen oberem Ende ein weißes Taschentuch geknüpft war und wel ches Requisit die Bestimmung hatte, dem am Vorhang postierten Robert das Zei chen zum Aufziehen und Fallenlaſſen desselben zu geben. Eben hatte die Zwischenmusik begonnen , da richtete die Frau Direktorin in schnei dendem Tone an den darob erschreckten Aribert die Frage : aus welchem Grunde er der Vorschrift entgegen den langen Schnurrbart nicht angeklebt habe, und ob er vielleicht gar die Absicht hege, sich noch andere willkürliche Aenderungen in dem von ihr für gut befundenen Arrangement zu erlauben? „Verzeihen Sie , gnädige Frau , " er widerte Aribert in höflichstem Tone, ich habe mir vom Theaterfriseur in der Resis denz einen geknüpften Schnurrbart eigens zu diesem Zwecke anfertigen lassen. Der selbe wird nicht mit Gummi aufgeklebt , sondern vermittelst Drahtklammer am Nasenbein befestigt. Die Klammer aber zwickt etwas stark und so wollte ich bis zum letzten Momente mit dem Einseßen warten. Hierneben auf dem Tische liegt der Bart bereit, sobald die Musik zu Ende ist, befestige ich ihn am gehörigen Plaze. " „Hm “ machte die Geheimrätin und sich dann zu ihrem Gatten kehrend , der eben einen Rundgang durch die Garderoberäumlichkeiten beendet hatte, sagte sie : „ Eigentümlich, alle übrigen mitwirkenden Herren kleben sich die Bärte auf. Der hohe Adel muß natürlich wie gewöhnlich etwas voraus haben !" „Jawohl, " meinte der gefällige Gatte und wahrscheinlich, um nur etwas zu sagen, fügte er die Phraſe hinzu : „ Das Ei will immer flüger sein als das Huhn ! " Da= nach nahm er aus seiner Tuladose eine kräftige Prise Spaniol. Der Herr Geheime Oberfinanzrat war dieses scharfen Tabaks seiner Augen wegen benötigt . Noch aber hatte er die beiden Finger nicht vollständig bis zur Nase erhoben, als sein Blick demjenigen seiner Ehehälfte begegnete und ihm vor Schreck darüber die offene Dose aus der Hand und samt ihrem kostbaren Inhalte auf die weltbedeutenden Bretter herabfiel. Die Malmutter hatte nämlich in voller Entrüstung den Kopf in die Höhe geworfen. und ihn mit durchbohrendem Blicke von oben bis unten gemeſſen . „Wer ist das Ei und wer das Huhn ?" fragte sie in gereiztem Tone. Der gutgezogene Ehemann verbißseinen Unmut, nahm die von seinem Sohne ihm dargereichte inhaltslose Dose entgegen und fand für gut , sich unverzüglich rückwärts zu konzentrieren, indem er etwas , das einer Entschuldigung gleichkommen konnte , vor sich hinmurmelte und woraus allenfalls zu entnehmen war , daß er sich nur im Ausdrucke vergriffen und eigentlich Hahn hatte sagen wollen. Niemand von den Anwesenden konnte es bemerkt haben, daß Robert , gleich sei es hier gesagt , einer teuflischen Eingebung folgend, den braunen Schnurrbart Ariberts vom Tische genommen und diesen mit einer Gewandtheit,
-261welche auch einer beſſeren Sache zu Nutzen hätte gereichen können , in dem auf dem Boden liegenden Tabakshäufchen mehrere Male kräftig um- und durchgerieben unddann wieder aufseinen früheren Platz gelegt hatte. Mit rauschendem Beifalle waren die ersten drei Bilder aufgenommen worden. Ein jedes mußte da capo gezeigt werden. Nun kam das Vierte und legte , die Krone des Abends . Die Frau Geheime Oberfinanzrätin, obgleich eine abgesagte Feindin jeder öffent lichen und demonstrativen Huldigung, hatte sich dennoch im geheimen vorgenommen, schon um den Neid ihrer adligen Kouſine zu wecken, nach diesem letzten Bilde, dem doch unfehlbar zu erwartenden Verlangen des Publikums nach persönlichem Erscheinen. auf der Bühne Folge zu geben und sich für die ehrende, aber wohlverdiente Auszeichnung bescheidentlich durch Verneigen zu bedanken . Aber derverantwortliche Regisseur denkt und ein Unberufener hinter den Kulissen lenkt zuweilen! Aribert hatte, nachdem er den Schnurrbart an gehörigem Orte befestigt hatte, das Podium bestiegen und die ihm vorgeschriebene Position eingenommen. Zu seinen Füßen, den Körper anmutsvoll zurückgebeugt, kniete dieschöne Ungarin. Mit ihren himmlisch schönen Augen blickte sie voll in das schläfrige Antlik Ariberts , dessen Augendeckel heute noch länger als sonst herabzuhängen schienen. Starr wie aus Lehm geknetet stand er da. Man hätte annehmen können, er schlöße absichtlich die Augen, um den Gefahren zu ent gehen, die jeden anderen seines Geschlechtes beim Anblick dieser reizvollen Büste bedroht haben würden. Das Kommandowort „ fertig ! " ertönte ; die Malmutter winkte mit der Signalſtange und der Vorhang flog in die Höhe. " Joseph und Potiphar ! " sagte der Finsterling aus dem Wupperthale halblaut vor sich hin. Niemand achtete darauf; aller Augen waren auf das herrliche Bild gerichtet . Ein Ausruf der Bewunderung entrang ſich den Lippen aller Anwesenden und ein nicht endenwollender Beifallssturm durchzitterte die Luft. Das Künstlerherz der Geheimen Oberfinanzrätin erzitterte vor Freude und gleiches Gefühl schwellte das Mutterherz der Geheimen Oberpoſträtin , die auf der ersten plößlich drohSperrsihreihe saß. Da ten beide eben erwähnten Herzen mit jähem War es AugenRucke stille zu stehen ! täuschung oder entsegungsvolle Wirklichkeit ? Die männliche Figur des Bildes schien aus dem Rahmen treten und lebendig werden zu wollen ! Es mußte so sein, denn nicht nur die scharfen Augen beider beteiligten Mütter hatten es bemerkt, alle, alle im Saale Anwesenden mußten es gesehen haben und noch sehen, denn der frenetische Beifallsjubel hatte sich plöglich in wicherndes und weihin schallendes Gelächter verwandelt. Ja der Geheime Oberpostrat von Bienenkorb, obschon Vater des unglücklichen Mimen , konnte der Natur nicht gebieten
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und verfiel in einen Lachkrampf, an wel | Seite geschoben und mit Hilfe des rasch Die Malmutter genoß den Triumph. chem er fast erstickt wäre. herbeigeeilten Robert wieder festen Boden sich dreimal vor die Rampe gerufen zu Und was war die Ursache für solch gewonnen hatte , sofort den Schauplatz sehen und sich im ganzen neunmal graziös überraschendschnellen Umschlag inder Stim ihres tiefen Falles verlassen und sich laut verneigen zu können . mung des Publikums ? lachend in den Saal begeben, wo sie sofort Im ersten Augenblick befürchtete man Aribert von Bienenkorb , welcher von von ihrem Gatten in Empfang genommen bei Aribert eine kleine Gehirnerschütterung seiner Aufgabe, ein Bild darzustellen, zwar und vom gesamtenPublikum beglückwünscht infolge der gewaltigen Erspiration ; glüd derartig durchdrungen war, daß jede Mus- und zugleich bedauert wurde. Die mun licherweise erwies sich diese Furcht als kel seines Körpers wie aus Stein gehauen tere junge Frau war der Magnet für alle grundlos. Das krampfhafte Niesen aber erſchien, konnte indeſſen den Menschen in sich Anwesenden, und heiter und froh unter hielt auch dann noch an, als der ominöse doch nicht so weit verleugnen, daß er auch hielt man sich noch bis spät in die Nacht Schnurrbart längst aus dem Gesichte entdas Atemholen eingestellt hätte. Bei dieser hinein über das unprogrammmäßige ko- | fernt war, denn als schon das Krähen der Funktion, welche durch die Nase bewerk mische Intermezzo . Hähne den nahenden Tag verkündeten, Oben aber auf den weltbedeutenden fand es der im Nebenzimmer einquartierte stelligt werden mußte , hatte der Aermſte eine beträchtliche Menge des pulverisierten Brettern hatte sich hinter geschlossener Wupperthaler für angezeigt, einen StiefelTabakkrautes in sein bis dahin noch jung- Gardine mittlerweile eine andere Szene zieher gegen die dünne Scheidemauer zu fräuliches Riechorgan eingesogen und wie abgespielt , deren Held der unglückliche schleudern und wutentbrannt auszurufen : ein Verzweifelter wehrte er sich gegen die Magnatenjüngling war. Nachdem der Vor- „ So hören Sie doch endlich einmal auf unfehlbar zu erwartende Explosion! hang gefallen, stürzte die Malmutter auf mit dem ewigen Niesen , das ist ja zum Es war auch zu komisch anzusehen ! die Bühne. Ihre Aufregung war eine Teufelholen ! " Doch schnell sich verbessernd Jeder einzelne Kopfnerv, jedes Aederchen, derartig große , daß ihr die Worte verfügte er hinzu : " Helf Gott ! " * jeder noch so verborgen liegende Gesichts- sagten, sie mußte ihre Zuflucht zur Panto* muskel war in krampfhafte Anspannung mime nehmen . Mit hochgeschwungenem Vielleicht gereicht es der kleinen Geversezt, um das loszubrechendrohende Un Malerstock , an dessen oberem Ende das gewitter so lange wenigstens zurückzuhalten, weiße Fähnlein in Schlangenlinien die Luft schichte zur Empfehlung, wenn ich sie als bis der Vorhang gefallen sein würde. durchschnitt, fuhr sie auf den unglücklichen nicht vollständig erfunden bezeichne. Sm Aber der niederträchtige Leinwandfeßen Aribert los, der sich unter unaufhörlichem letzten Sommer traf ich auf meiner Ferienwar durchaus nicht entgegenkommend . Die Niesen noch nicht völlig vom Boden er reise mit einem Kollegen , dem jungen noch fehlende halbe Minute wurde ein hoben hatte und wer mag wissen, was Schauspieler X., zusammen und gemeinJahr für den in Todesangst schwebenden hätte geschehen können, wenn nicht Robert schaftlich machten wir eine Postwagenfahrt Jüngling in Magnatentracht. Der böse seinem Opfer zu Hilfe geeilt und Aribert nach einem bedeutenden Seebadeorte . UnterVetter am Vorhange hätte die Zeit wohl schüßend in seine Arme geschlossen hätte. wegs hatten wir einen mehrstündigen Auf"1 aber nein, sein etwas abkürzen können. Das Wort enthalt in einem etwas abseits vom Welt" Sie sind ein Ri schwarzes Gemüt fand Gefallen an des blieb unausgesprochen , denn das Eltern- verkehr liegenden Stranddorfe. Hier, sagte bevorzugten Vetters Todesqualen und der paar des Schlachtopfers trat auf die Szene, mein Reisegefährte, habe seine theatralische Vorhang fiel nicht. und niemand konnte somit erfahren , ob Karriere vor zehn Jahren ihren Anfang Endlich war's vorbei mit Ariberts Wi- die sonst so sanfte Malkünstlerin den hoff genommen , und er erzählte mir die vor derstand gegen die unabweisbaren Folgen nungsvollen jugendlichen Anverwandten stehende kleine Episode aus seinem seither des eingesogenen Reizmittels und ein ner- als zur Gruppe der bekannten schwerfälli- vielbewegten Leben. Mein Kollege war nämlich identisch venerschütterndes Niesen verhalf dem krank gen gehörnten Haustiere, die als überaus haft unnatürlichen Zustand zu einem ra- nüglich überall anzutreffen sind , oder zu mit dem, in vorangegangener Erzählung schen und drastischen Schlusse. Noch hielt jenen ungeschlachten gepanzerten Säuge , Aribert" genannten, damals siebzehnjäh er zwar den linken Arm steif in der Luft, tieren gezählt wissen wollte , die sich am rigen Primaner. Jene Niederlage, an der da aber folgte dem ersten ein zweites, bei Nil und Umgegend umherzutreiben pflegen. er vollkommen unschuldig war, hatte ihm Aribert konnte nichts erwidern als so vielen Spott und Hohn eingetragen, weitem mächtigeres Nieſen auf dem Fuße nach , das den ganzen Körper erzittern „Hatschi ! " , wobei er sich unter fortwäh- daß er alsbald den festen Entschluß faßte, machte ; dabei verlor er das Gleichgewicht, renden Verbeugungen wie ein Kreisel um diese Scharte auszuweßen und sich ausschließlich der Bühne zu widmen . --- Er rutschte aus und ſank mitsamt der auf sich selber drehte. 1 seinem rechten Arme ruhenden süßen Laſt „ So lang Sie sind , so —, “ das übrige verschwand aus dem Elternhauſe und kam unsanft auf den Boden nieder. Die un ließ die Malmutter wiederum unausge- erst dann wieder zum Vorschein , als er sich in der Kunstwelt schon eines ehrengarische Attila bedeckte liebevoll den schauer- sprochen. "1Hatschi! Hatschi ! " brüllte Aribert. vollen Rufes zu erfreuen hatte. lich komisch schweren Sündenfall . “ „Und Ihr boshafter Anverwandter ?" „ Alles ist verdorben durch diesen Für einen Augenblick verstummte das homerische Hohngelächter , denn die allbe- Auch hier überließ es die erzürnte Kunst frug ich. " Er hatte reumütig alles eingeſtanden liebte schöne Dame konnte Schaden ge- leiterin den anwesenden Eltern, sich selbst nommen haben. Deutlich hatte man es das Ende des Sazes auszudenken. „Hatſchi ! und ich habe ihm nichts nachgetragen. Ich hören können, wie ihr Hinterkopf auf die Hatschi ! Hatſchi ! “ brauſte es durch die Luft. bin ihm im Gegenteile jetzt dankbar, war Dielen niederschlug, wobei ihr unwillkürEben wollte sich das geheimrätliche er doch die Ursache, daß ich das geworden, lich ein lauter Schrei entführ. Gleich Ehepaar „von " Bienenkorb ins Mittel was ich heute bin, wenngleich es sicherlich darauf aber hörte man ein helles frisches legen, als Robert der peinlichen Situation nicht in seiner Absicht lag. " "/ Und was ist aus ihm selbst geworden?" Lachen unter der pelzverbrämten Decke und dadurch ein jähes Ende bereitete, indem er das Er ist verheiratet und betreibt und augenblicklich war die frohe Laune wieder- | Klingelzeichen gab und dadurch den noch nicht hergestellt ; des Klatschens und Lachens vollständig erloschenen Applaus im Audito leitet eine ihm von seinem Schwiegervater war kein Ende. rium zu lebhafter Beifallssalve anfeuerte. überlassene Leimfabrik !" Da erbarmte sich endlich der Vorhang Zu was allem es der Mensch doch Der Ruf nach der Arrangeurin des und fiel! genußreichen Abends war jetzt ein allge- bringen kann ? Aus dem melancholiſchen Dem nicht endenwollenden Verlangen meiner. Alles von der Bühne ! " kom Jüngling mit den herabhängenden Augendes Publikums nach einer Wiederholung mandierte Robert, „Mama tritt hinaus ! " deckeln war also ein Komiker von Redes Bildes konnte natürlich keine Folge Wohl oder übel mußten sich Herr und nommee, und aus dem aufgeweckten und gegeben werden , denn erstens hatte die Frau von Bienenkorb zurückziehen und voller Tollheiten steckenden Robert ein — ungarische Gräfin, nachdem sie zuvor ihren ihren niedergebeugten, niesenden Sprößling Leimsieder geworden ! Kleine Ursachen — große Wirkungen! ungezogenen Liebhaber recht unsanft zur mit sich fortnehmen .
Der Sammler
ein zweiter deutscher Poet Friedrich v. Bodenstedt. ist v. Bodenstedt ein Wan(3 um 70. Geburtstag.) derer gewesen der besonWenn es einem Dichter beschieden ist, ein hohes Alter ders Rußland , den Kaumit ungeschwächter geistiger wie schöpferischer Kraft zu fasus , den Orient und erreichen , so wird ihm die schöne Genugthuung, seine Amerifa mit offenen Sin Lebensarbeit von den Mitlebenden als etwas Abgeschlossenes nen , lebendigster Phan gewürdigt zu sehen und somit sich selbst als eine in der tafie und bewundernswert Slut der Erscheinungen feitbestehende Gestalt zu erblicken. feinem Verständnis und Eine solche Gunst des Geschicks ist Friedrichv. Bodenstedt Nachempfinden durchzogen. ju teil geworden Eine verhältnismäßig früh errungene und in seinen Schriften Bolkstümlichkeit hat ihn seiner Nation wert gemacht und die Kultur und Poesie jekt , da er die Schwelle des Greijenalters überschritten, ferner Länder geschildert darf er mit dem, was eigenes Verdienst, wie Anerkennung hat. Man kennt ihn als und Anteil ihm gegeben, vollauf zufrieden sein. verdienstvollen Uebersetzer In dem ersten Bande seiner jüngst erschienenen Er- Puschkinscher und Lerinnerungen beginnt er uns mit seinem Dasein selbst bekannt montowscher Poeficen, zu ju machen, eine reizvolle und willkommene Gabe , deren einer Zeit, da diese großen Bollendung in einem zweiten Bande dieser , Erinnerungen ", Dichter im Ausland noch die im Allgemeinen Verein für Deutsche Litteratur in fast unbekannt waren. Als Frucht seiner Wan Berlin erscheinen, nahe bevorsteht. Der erste Band reicht von der Kindheit des Dichters derung durch die Gebiete der Rosaken erschien bereits 1815 : „Die pocan bis zu seinem Auf enthalt in München, tische Ukraine", eine Sammlung von Volke liedern nebst einer jenes Volt betreffenden der im Jahre 1846 begann. Es ist also geschichtlichen Einleitung.. Von Rußland aus durchzog der beobach die Zeit des Wer dens, Lernens und tende, forschende und jammelnde Dichter über das schwarze Meer , Odessa und Kon. Wanderns, die uns lebensvoll und ein stantinopel, die griechischen Inseln und Von Wasser getriebene Gebetsmühlen in Tibet (S. 268). Kleinafien und kehrte im Jahre 1816 gehend geschildert mit Manuskripten , Studien und wird. Mehr wie fast Erinnerungen reich beladen in die Heimat und nach München zuriid. | folgte bald eine Sammlung Gedichte und ein Epos : Kurz darauf im Jahr 1848 erschien dasjenige Werk, welches seinen Ada , die Lesghierin ", die aber nach dem Erfolg des Namen zuerst im Vaterlande bekannt machte: Die Völker des Kau. Mirja-Schaffy " nicht den erhofften Eindruck hervorriefen. tasus und ihre Freiheitskämpfe gegen die Ruffen" und bald darauf Der Grund lag zum Teil darin , daß man damals in das Reisewerk: Tausend und ein Tag im Orient", weldes einen be Bodenstedt vornehmlich den meisterhaften Dolmetscher deutenden Erfolg zu verzeichnen hatte. In dasselbe sind Nachbil- slawischer und orientalischer Poesie erblickte und der erste dungen persischer, turdischer, tatarischer, armenischer, georgischer und Eindruck, den das Publikum von einem Autor erhält, tscherfeffischer Lieder eingeflochten , die von der seltenen Fähigkeit des meist lange maßgebend für seine Beurteilung desselben Verfassers , in fremde Dichtung , ihren Geist und ihre Form einzu bleibt, bis er zur Genüge und wiederholt bewiesen , daß dringen, ein erstaunliches Zeugnis ablegen. Wie sehr er die Eigen er auch in anderen Regionen , als den zuerst gewohnten, tümlichkeit der durchforschten Gebiete erkannt hat, zeigt dieses Reise- heimisch ist. werk deutlich und er konnte nach seiner eigenen Aussage mit LerInzwischen hatte der Dichter auch seine journalistische montow ausrufen: Begabung erwiesen, indem er im Jahre 1848 die Leitung des damals liberalen Desterreichischen Lloyd " zu Triest Du greifer Kaukasus, ich griiße dich! übernahm , eine Thätigkeit , die er später als Redakteur In deinem Reich kein fremder Gast bin ich: Schon oft, gar oft durchzogen meine Träume der ,Weferzeitung " fortsette. Im Jahre 1819 war er als Mit dir des Ostens sonnenvolle Räume." Vertreter der preußischen Freihandelspartei in Paris und Neben den erwähnten Werken aber zeitigte der Auf 1850 in Frankfurt. Wie man ersieht , ist es eine unge enthalt v. Bodenstedts in Tiflis, wo er den Unterricht des mein vielseitige und lebensvolle Persönlichkeit, die uns in gelehrten Mirza. Schaffy genoß, jene eigenartige Sammlung dem Dichter entgegentritt. Seine Welt war nicht am von Poesieen, die unter dem Namen jenes Weisen einen Schreibtisch und in der Arbeitsstube abgeschlossen ; der Weltruf erlangten und infolge ihrer orientalischer Spruch. Atem des Lebens erhielt auch ihn lebendig und nach weisheit nachgebildeten Form lange als Uebertragungen manchen Seiten schaffend, anregend und befruchtend. Das galten, bis es sich herausstellte , daß kein anderer als Jahr 1851 sah ihn abermals in München und zwar war Bodenstedt selbst der Dichter derselben sei. Diese Lieder er dem Ruf des Königs Maximilian von Bayern gefolgt, sind bekanntlich in sämtliche europäische und viele außer der ihn als Professor der slawischen Sprachen an die europäische Sprachen übersetzt worden und als Dichter dortige Universität berufen hatte. Hier zählte er zu dem Mirza-Schaffys wird v. Bodenstedt vornehmlich in der Lit- Dichterkreise , der sich um den kunstsinnigen und hoch. teratur fortleben, so manche Schöpfung auch später seinem gebildeten Fürsten sammelte und welchem Geibel, Heyse unermüdlichen Schaffensdrang entsprungen ist. An der und Schad angehörten. Im Jahre 1866 übernahm er Anmut, Weisheit und Formschönheit dieser kleinen Dich die Professur der altenglischen Litteratur und beteiligte tungen, die wie kunstvoll geschliffene Edelsteine in vielen sich auf Wunsch des Königs insofern an der Leitung des Farben und Lichtern zittern, blitzen und leuchten, wird oftheaters , als er die Auswahl und Einstudierung der noch manches nachlebende Geschlecht sich erfreuen, denn in klassischen Stücke übernahm . Bedenkt man, daß mit diesen ihnen vermählen sich orientalische Formschönheit und Aemtern eine fruchtbare litterarische Thätigkeit Hand in deutsches Gemütsleben in seltenem Bunde. Diesen Liedern Hand ging , so erkennt man den raftlosen Trang nach) Ofterhafe ( 283). 12 89. II.
Durch Wasser getriebene Gebetsmühlen. Unser Hausgarten. 270268 269 Bethätigung, der einen hervorragenden Zug in der Physio- | daher einen Rosenkranz mit 108 Perlen bei sich , um an gnomie dieses Dichters bildet. Unzweifelhaft wird der diesen seine guten Worte abzuzählen , welche ihm die zweite Band seiner Erinnerungen über diese Periode Stelle der guten Werke ersetzen müssen; aber damit nicht seines Lebens interessante Aufschlüsse bringen. Während genug, lehren ihn auch seine Priester, daß er selbst leblose derselben erschienen ein neuer Band Gedichte unter dem Dinge für sich beten lassen kann, damit sie ihn von Gott Titel: „Aus der Heimat und Fremde ", die Tragödie gutgeschrieben werden. Der einzelne Tibetaner errichtet Demetrius , das Lustspiel König Autharis Brautfahrt daher Gesetzesbäume ", d. h. hohe Flaggenstangen mit und zahlreiche Prosaschriften, wie Ueberschungen mehrerer seidenen Wimpeln und Fahnen daran , auf welchen die Erzählungen Turgenjews , der durch ihn zuerst einem sechs heiligen Silben : Om Mani padme hum" (wört. größeren Teil des deutschen Publikums bekannt wurde. lich: Ah, das Juwel ist in dem Lotus, dem Einne nach : Wie man hieraus ersieht , sind bei aller Mannigfaltigkeit Die selbstschaffende Kraft ist im Kosmos) gesticht oder geseiner Thätigkeit gewisse leitende Ideen zu erkennen , die schrieben stehen. So oft der Wind die Fahne entfaltet, alles Zerstreute in einen Brennpunkt zusammenfassen und gilt dies als ein Gebet, welches dem Errichter des Gesek. seine Lebensarbeit als ein Ganjes erscheinen lassen. baumes Segen bringt. Darum sieht man auch allent In engem Zusammenhang mit seiner Professur der halben in Tibet diese Gesetzbäume. Allein vielleicht die altengl. Litteratur steht dasjenige Werk, welches v. Bodens wunderbarste Erfindung, welche der Tibetaner ersonnen hat, itedt auch einen hervorragenden Platz als Litterarhistorifer um Segen auf sich zu lenken, sind die bekannten Gebetsräder jichert, nämlich: Shakespeares Zeitalter und die Werke odermühlenjene merkwürdigen Maschinen, welche, mit seiner Zeitgenossen". Es beruht auf gründlichen Studien, auf Papierstreifen geschriebenen Gebeten, Zaubersprüchen, die zum Teil in England selbst gemacht wurden. Wohl Dharanis (magischen Phrajen) , oder Stellen aus den durch diese Studien angeregt , erschien bald darauf die heiligen Büchern angefüllt , in den Städten auf jedem Uebertragung von Shakespeares Sonetten , dieser merk freien Plake, auf dem Lande neben jedem Weg und Pfade würdigen Sammlung von Selbstbekenntnissen des großen stehen und sich in jedem Strome drehen oder auf jedem Dichters, welche Bodenstedt mit einer vorzüglichen Ein Hügel durch Windmühlenflügel bewegt werden. Eine leitung versah, die geeignet ist , manches Duntle und derartige Gebetemühle, aus drei senkrechten, an einer Art Nätselhafte in den Sonetten zu erklären. Bodenstedts Turbine befestigten Cylindern bestehend, welche irgend ein Doppelnatur als Litteraturforscher einerseits und Dichter frommer reicher Mann in einem Fliißchen der dreimal und Ueberseker anderseits zeigt sich auch hier in seiner heiligen Thäler von Tibet hat aufstellen lassen , um sich Reiherbuschbaum . 271 ). Eisenholzbaum (S. 271). eingehenden Beschäftigung mit der großen Litteratur des des Himmels freigebigsten Segen zu verdienen , führt der Inselreichs. Er thut sich in der Forschung an sich selten Holzschnitt unseren Lesern vor. Die Myrte gilt als Sinnbild der Jugend und Schön genug; es ist ihm vielmehr daran gelegen , die Geistes. heit und war schon im Altertume, bei den Griechen , der größen, denen er ein so liebevolles Studium widmet, auch Aphrodite geheiligt, die sich unter dem schönen Baum jeinem Volk zugänglich zu machen , und so entstand im zu verstecken suchte, als sie den schäumenden Wogrn des Verein mit Gildemeister, dem hervorragenden Verdeutscher Meeres entstiegen war. Die römische Benus Murica Byrons, mit Paul Hebie, Wilbrandt und anderen eine wurde mit Myrten bekränzt und auch die eleusinischen Uebersetzung sämtlicher Dramen Shakespeares , welche in Priester trugen einen Myrtenfranz ; auch wurde bei den Jahren 1866-72 in Leipzig erschien und sich durch Triumphen, wenn der Sieg fein Blut gekostet hatte , die Treue gegen das Original auszeichnet, wenn sie auch die Myrte benut, einen Kranz aus ihren Zweiglein zu Arbeiten Schlegels und Baudissing nicht zu verdrängen winden, eine Corona ovis , womit man das Cpfertier, vermochte. ein Schaf, zu schmücken pflegte. Durchseine Leitung der klassischen Aufführungen an Die Blätter der Myrte erscheinen, wenn man sie gegen der Münchener Hofbühne war der bühnenbegeisterte Herzog das Licht hält, wegen der in ihnen befindlichen Celdrüsen von Meiningen auf v. Bodenstedt aufmerksam geworden und stark und vielfach punktiert. Das erklärten die Alten durch so berief er den Dichter , dessen litterarischer Ruf bereits folgende Sage: Phädra , die zweite Gattin des großen festgegründet war, im Jahre 1866 als Leiter der Hofbühne Helden Theseus , Königs von Athen, Besieger der be nachMeiningen. SeinerFührungverdanken die „Meininger" rüchtigten und schredlichen Straßenräuber Periphetos ein gutes Teil ihrer Erfolge , denn das litterarisch ge= und Sinis im Labyrinth von Kreta, aus dem er nur läuterte Urteil wie die Hingebung an den poetischen mit Hilfe seiner ersten Gattin Ariadne ( Faden der Bestandteil der Bühnendichtungen, welche v. Bodenstedt aus Ariadne") erlöst werden konnte, der Erleger des Minozeichnete, verfehlte den Eindruck und Einfluß auf die ihm taurus, jenes Geschöpfes halb Tier, halb Mensch, welches anvertraute Bühne nicht. Der Herzog lohnte den Dichter von den Jünglingen und Jungfrauen lebte , welche die durch Verleihung des Adels und durch fortgesette Huld. Athener ihm als Tribut liefern mußten, Phädra , jagen Die litterarische Thätigkeit des Rastlosen neigte sich wir, die Gattin dieses gewaltigten aller griechischen mit zunehmendem Alter wie dem Zuge der Zeit folgend, Helden, verleumdete wegen verschmähter Liebe ihren Stief vorzugsweise dem Epischen zu und es entstand eine Reihe sohn Hippolytos , der, vom Vater unschuldig verfolgt, ", und Jakobs Elisabeths von Erzählungen, so: Bom Hofe auf der Flucht umfam, weshalb sie , die reuige Phädra, Aus deutschen Gauen“, „ Das Narrenhaus in Eschenin ihrer Schwermut einem bei Tronzen stehenden Myrten wald", in welchem eigene Erlebnisse dichterisch verarbeitet baum die Blätter durchstach und sich daran erhängte, bei worden. Aber die Poesie übte noch hin und wieder ihren Tronzen, jener uralten Stadt in der Landschaft Argolis alten Zauber auf ihn und wie ein Nachtlang seiner lieder im Peloponnes, die, nahe dem jaronischen Meerbusen ge reichen Jugend erschien im Jahre 1874 die GedichtsammLegen, dem Pittrus , Großvater des Theseus, zur Resi Gewürznelfenbaum (S. 270). lung: Aus dem Nachlaß des Mirza-Schaffy " und 1886 denz angewiesen war. die Gedicht und Spruchsammlung : Neues Leben “, dem Die Früchte des Myrtenbaumes sind erbsen. das Epos „ Sakuntala" folgte. große Beeren, die, mit Wein übergoffen , in Griechenland Bisher liegen von den Gesammelten Schriften " des als beliebtes Mittel gegen Magenbeschwerden , besonders Dichters zwölf Bände vor , die aber einer Ergänzung Unser Hausgarten. bei kleinen Kindern , benußt werden. Dieser Gebrauch durchaus bedürftig sind , um der Mit- und Nachwelt ein Von scheint schon sehr alt zu sein, denn nach Apicius , dem treues Bild seiner vielumfassenden, schöpferisches Studium Verfasser eines lateinischen Werkes Ueber die Kochkunft und Forschen mit eigener dichterischer Bethätigung ver der Römer", wurden die Beeren bis zur Einführung des D. Hüttig. einigenten Lebensarbeit zu geben. Pfeffers als Gewürz einer Menge von Speisen beigegeben. Seine schon erwähnten Erinnerungen" aber werden se. Myrtengewäch Das berühmte Engelswasser (Eau d'ange), das ver der Nation einen tiefen Einblick in ein Dasein geben, Es sind dies aromatische Bäume und Sträucher mit schwundene Schönheit wieder herstellen soll , wurde durch welches geistig wie räumlich auf Erden weite Kreise ge. Destillation aus den Blüten der Myrte bereitet , obwohl zogen, Kreise, deren Spuren nicht verweht sind , so daß gegenüber- oder quirlständigen, immergrünen, lederartigen der Dichter am Abend seines Lebens von sich sagen fann: Blättern und schönen Blüten. Die ungefähr 1800 Arten nicht diese, sondern die Früchte und Blätter, besonders die der Familie sind in den Tropen , in Neuholland und im letzteren, aromatisch sind. „Nennt man die besten Namen, südlichen Europa einheimisch. Die Bedeutung der Myrte ist groß, aber der materielle Wird auch der meine genannt." Obenan steht unsere gewöhnliche Myrte (Myrtus Ertrag, welchen der Baum liefert, verhältnismäßig gering. 3hm ist manche Herrengunst zu teil geworden , aber In dieser Beziehung leisten andere Mitglieder der großen immer ist er ein Freier im Geiste geblieben . Seit Jahren communis L.) , eine bei uns allbekannte und beliebte lebt er im Kreise seiner Familie in Wiesbaden, und dort Topfpflanze, die in den Ländern am Mittelmeer wild oder Familie viel mehr. So der Gewürznelfen oder werden ihn auch an seinem siebzigsten Geburtstag die verwildert wächst, in Portugal große Flächen Landes be eigentlich Gewürznägeleinbaum (Caryophyllus aroGrüße und Glückwünsche seiner Freunde und Verehrer aus deft, auch bei Rom und Neapel viel gefunden wird, aber maticus L., . 269), ein auf den Molutfen (Archipel im bei Konstantinopel und am ganzen Bosporus entlang an- Stillen Ozean zwischen dem 5.0 südlicher und 3.9 nördlicher nah und fern antreffen! gepflanzt ist , aus deren jungen Zweigen die grünen Breite, 142-1520 östlicher Länge von Ferro) einheimi Jungfern und Brautkränze gewunden werden (die Juden scher, auf den Antillen u. f. w. angebauter, 9-13 m hohet ziehen die großblätterige pielart vor , bei der stets drei immergrüner Baum. Derselbe war früher ausschließliches Durch Waller getriebene Gebets- Blätter quirlartig beisammen stehen), und es ist Gebrauch Eigentum der holländisch-ostindischen Kompanie, welche ihn bei unseren Mädchen, das Bäumchen dazu selbst zu ziehen, nur auf vier Inseln angebaut hatte; die Ausführung des mühlen. weshalb sie schon in der Jugend einen Trieb dicht unter selben war, wie Leussis' Synopsis der Pflanzenkunde Wie die erhabensten religiösen Ideen und die edelsten einem Blattpaar abschneiden , ihn in ein Töpfchen mit berichtet , bei Todesstrafe verboten. Trokdem glüdte es Religionslehren der Profanierung und Verballhornung stark sandiger heideerde steden und , nachdem sie es an- 1770 dem französischen Statthalter von Isle de France, durch Eigenliebe und Uebereifer einzelner Befenner ver gegossen, mit einer Glasglode oder einem Trinkglase be Herrn Poivre , der mit zwei kleinen Schiffen Gewürz unstaltet und verdorben werden, das zeigt uns namentlich decken, das , weil die Erde immer feucht gehalten werden nägelein und Muskatnüsse aufsuchen ließ, den Verfolgungen das Religionssystem des Buddhismus, zu welchem sich die muß , das verdunstende Wasser tropfenweise anzieht und des holländischen Geschwaders zu entgehen und den geMehrzahl der Einwohner Asiens , eine Gesamtzahl von deshalb im Innern öfters abgetrocknet werden muß. raubten Gewürznelfenbaum nach den Seschellen, einer Insel mehr als 14 Milliarden, bekennen. Die so einfache und Solcher Stedling schlägt bald Wurzeln , wonach er die gruppe des Indischen Ozeans, und nach der Insel Bour sinnige Lehre Gautama Buddhas ist in ihrem Vordringen Glasglode entbehren kann und bald danach in eine fräi bon zu bringen, von wo er 1773 durch die Franzosen nach Norden, namentlich in Tibet , ganz abscheulich ver- tigere Erde zu versehen ist , in eine mit etwas Lehm ver- auch nach Cayenne tam, wo er nun sehr gut gedeiht. Die kurz vor dem Entfalten abgenommenen und dann ballhornt und in leeren Formendienst verwandelt worden. mischte Heideerde, in welcher er binnen wenigen Jahren an der Abbildung links Eine unsägliche Menge abergläubischer Bräuche und Auf- so groß wird, als der Jungfrau Herz ihn sich nur wünschen getrockneten Blütenknospen fassungen und hohler Formen hat sich in die Religion der mag. Wenn sie den Stedling von einer reich- und gefüllt oben in natürlicher Größe- riechen gewürzhaft, schmecken Tibetaner und nördlichen Buddhisten überhaupt einge- blühenden Pflanze genommen hat, wird ihre Freude an scharf bitterlich und heißen im Handel Gewürznelfen drängt und seine unnatürlichste Ausbildung in dem kirch den jährlich im Sommer erscheinenden Blüten groß sein. oder Gewürznägelein (Caryophilli aromatici der lichen System des Lamaisinus gefunden. Die Lehre Uebrigens ist es bekannt , daß das Myrtenbäumchen sich Apotheker) , letteres , weil sie die Gestalt eines kleinen Gautamas legt einen hohen Wert auf das Gebet und am Fenster des Wohnzimmers ganz wohl befindet; wird Nagels haben. Sie werden beim Einmachen vonFrüchten, namentlich auf deffen Innigkeit und Inbrunst , die tibe es groß wie ein Baum , muß man es über Winter im bei Bereitung verschiedener Liköre u. f. w . gebraucht und tanische Religion nur auf die quantitative Seite desselben, fühlen, aber frostfreien Raum unterbringen und nur wäh. sind bei Schwäche des Magens auch heilkräftig. Sie ent auf seine möglichste Wiederholung. Jeder Tibetaner führt rend des Wachstums im Frühjahr stark gießen. halten viel fliiffiges Del , das Neltenöl (Oleum caryo-
Was die Mode Neues bringt. 273=271272phyllum) , und einen eigentümlichen Stoff, das Karyo- | teinen Spedglanz annimmt ; - ein sehr dauerhaftes Gefichtlich einen Umschwung in der seither gültigen Mode phyllin , welches nur in den besseren Sorten, in den so webe, dem englischen Kammgarnstoff ähnlich, wird unter bewirken. Wie faltenreich und phantastisch man auch jetzt die genannten Amboina oder Königsnelfen vorkommt. In dem Namen Vigoureur in den Handel gebracht und Der Arzneifunde werden die Gewürznelfen zu vielen zu viel gekauft. - 3ft es nicht sonderbar, daß, so viel Wert Kleider gestaltet, so einfach bleibt das Mantelet; es hat immer dieselbe prall anliegende, glatte Form, wird bald fammensetzungen, namentlich zur Gewürztinktur (Tinctura man auch darauf legt, heimische Fabrikate in den Vorderaromatica) benutzt, welche gewiffe Verdauungsbeschwerden grund der Mode zu stellen, stets ein ausländischer Name aus Perlenstoff, bald aus Metlassé oder Samt gefertigt, beseitigen hilft. Das Nelkenöl wird wegen seiner fäulnis die Einführung ermöglichen muß ? So empfiehlt man bald mit Jet, Possamenterien, bald mit Marabouts oder gestickten Bordüren besetzt. verhindernden ( antiseptischen ") Eigenschaften häufig zu Zabutinkturen, Pillen u. a. gebraucht. 1 Gute Gewürz Durch recht anmutende Neuheiten haben uns unsere Modiftinnen überrascht. Bei der Preiskonkurrenz, die nellen müssen schwer sein, sich aber leicht zerbrechen lassen jüngst die Wiener Mode" eröffnete , hatten sich 22 und ihre Blütentöpfe noch befizen ; sie müssen fein gewürz baft riechen und beim Zerbrechen Del von sich geben, Hutfirmen beteiligt. Der erste Preis von 100 fl . wurde welches ihnen , leider aus Gewinnsucht , oft schon vorher einer reizenden Kapotte aus mausgrauem Tuch, mit Stahl. durch Destillation entzogen ist. Caryophyllus wird im stiderei geziert, zuerkannt; der zweite (50 fl.), einer Kapotte warmen Gewächshause kultiviert, scheint aber nur in Libelle, aus Strohspitzen und Goldflieder gefertigt ; der dritte (25 fl.), einer Kapotte Adrienne, die einen aus Jet größeren botanischen Gärten , wohl auch bei Haage und Schmidt in Erfurt vorhanden zu sein. gebildeten Schmetterling darstellt ; sämtliche preisgekrönten Bon anderen Verwandten der Myrte wurde der Blau Hüte sind aus dem Atelier F. Th. Keyzlar (Wien) hervor gummibaum (Eucalyptus Herix.) bereits im Märzheft gegangen und dürften Schule machen ; auffallend, die 1883 besprochen. Dagegen ist der Jambusenbaum Schmetterlingstapotte hat viele Nachahmungen gefunden Jambosa australis DC. u. a., S. 271) zu erwährten, und zeichnet sich durch besondere Kleidsamkeit aus. Der Hut hat weder Kopf noch Schirm ; zwei flügelartige deffen apfelgroße, rojenartig riechenden roten Früchte von Jetteile liegen auf einem mit Rosen gededten Bügel auf; den Tropenbewohnern als Obst gegessen und zu fühlenden Getränken benutzt werden. Unser Baum stammt aus Neu statt des schwarzen Jet werden auch Bronze. und Granat holland und ist eine Zierde unserer Gärten im Sommer perlen verwendet ; der Bügel ist dann mit Blumen gleicher and falter Gewächshäuser im Winter. Aehnliches gilt Farbe garniert. Der eigentliche Frühjahrshut scheint ein Gemisch von Tüll, Blumen und Spitzen, ein echtes Phan. bom schuppigen Rajaputbaum (Melaleuca squamea Labill , S. 272), dessen gewürzhafte Blätter und Früchte tasiegebilde, werden zu sollen. Der Directoirehut hält sich alsHeilmittel und zum Räuchern verwendet werden; auch vielleicht noch in dieser Saison, wird aber allem Anschein nach im Sommer den kleineren und solid geformten Tonking. geben sie durch Destillation ein flüchtiges, start riechendes und grüngelbliches Del , das Rajaputöl , welches in der und Nizzafaçons weichen, runden, tellerförmigen Hütchen, Heilkunde zu den besten Mitteln gegen Reißen, Lähmungen, die auf einem mit Blumen geschmüdten Rand aufliegend, als Rund- wie Kapottehut getragen werden können , je Zahnschmerzen, Krämpfen u . s. w. gehört. Eine ebenso nachdem man sie mit oder ohne Bindeband ausstattet. beliebte Pflanze unserer Gärten , Gewächshäuser und Blumenfenster ist der immerblühende Reiherbusch Biel Meinung gibt sich für die leichten, aus farbigen Kajaputbaum (S. 271). Strohspiken gemachten Schäferhüte fund; der Kopf ist aus oder Eisenholzbaum (Metrosideros semperflorens Hort., . 270), der ein hartes, beinahe unzerstörbares uns als neuestes : Crêpe rayé, Beige croisé, Grosgrain, Hanf, Liseret , oder englischem Stroh , der weite Schirm Holz besikt, das zu Antern, Steuerrudern u. dergl. mehr Cheviot , Ottoman , Cord , alles Stoffe , die im Inlande aus durchbrochenen Fiesoliebordüren gefertigt. Zum Aufverarbeitet wird. Die Blüten dieser wie der vorigen gefertigt werden ; trotz aller nationalen Begeisterung ist put dieser duftigen, echt sommerlichen Hüte wird ein zur Pflanze stehen in der Form einer Flaschenbürste zusammen, man noch immer in dem Wahne befangen, der fremde Strohspite passender, spinnwebfeiner Gazestoff verwendet, was ihnen ein eigentümliches Ansehen gibt. Schließlich Name helfe dem heimischen Produkte zu größerer Ver- aus dessen kunstvoll geschlungenen Falten fleine Streu sei noch erwähnt, daß auch der Granatbaum (Punica breitung. - Zu den beliebtesten Modestoffen zählt eine blümchen hervorlugen. Mädchen und Knabenhüte sind zumeist aus zwei granatum L.) jur Familie der Myrten gehört. Er trägt Art Wollatlas, mit stumpfen Ripsfäden durchzogen, ferner im südlichen Europa bis Tirol eßbare Früchte (Granat ein blaugrün karrierter Tuchstoff, den man gern mit farbigem Stroh genäht, erstere mit breiten Elsaßmaschen, apfel) mit angenehm säuerlich schmedendem Samen. Wegen passendem Samt eint. Glatte Wollgewebe mit astrachan lettere mit gemustertem Gajeband garniert. -- Die Herrenhüte zeigen wenig Abweichung von denen des Vorjahres ; der farmin und orangeroten, im hellen Laube glühenden artig gerauhten Bordüren , die zum Besatz verwendet die Herrenmode wenig Schwankungen Blüten (das Sinnbild feuriger Liebe) wird der Baum bei werden , erfreuen sich gleichfalls großen Beifalls. 1 Bon ist ja überhaupt uns viel in Töpfen und Kübeln gezogen; zum Winter ärztlicher Seite werden die von Ferdinand Jakob (Dins unterworfen. 1 Die Pariser , Tailleurs machen Stimmung aufenthalt genügt ihm ein frostfreier Keller. - Sämtliche laken, Rheinproving) fabrizierten porös wasserdichten für mausgraue Tuchfrads , farrierte Ueberzieher , hell bier genannten Pflanzen sind bei den rühmlichst bekannten Stoffe als eine beachtenswerte Neuheit empfohlen . Sie jeidene Westen zc. Bei einem Balle. den die dortige Herren Haage und Schmidt in Erfurt vorrätig. haben den Vorteil vor den gummierten Stoffen , daß sie Schneidergenossenschaft jüngst im Hotel Kontinental ver weder riechen, fleben noch brechen, bei äußerst leichtem anstaltete, erschienen die Herren in grauen Frads, weißen Gewicht sehr warm halten und wohl die Luft, aber nie seidenen Westen, schwarzseidenen Kniestrümpfen und kurzen male die Feuchtigkeit durchlaffen ; letzteres ist dadurch er schwarzseidenen Beinkleidern. Man erzählt, daß die Pariser daß nur die Faser der Stoffe durch eine befondere jeunessedorée, diedemBall wie einer Art Modeausstellung möglicht, bringt. Neues Was die Mode Methode imprägniert wurde, die Poren aber offen blieben. beiwohnte , der neuen Tracht vollste Anerkennung zollte! 1 Bei uns wird die Herrenwelt von derartigen ErzentriJeder Stoff, der die Fabrik in Dinslaken verläßt, ist zuvor Von einer Gwöchentlichen Regendouche unterworfen worden und zitäten wenig Notiz nehmen. Wien insonderheit zeichnet sich durch eine sehr einfache und in vornehmem Stil ge= gelangt erst dann zum Versandt, wenn er sich als voll. Ida Barber. fommen wasserdicht erwiesen. Man hat lange erperi- haltene Herrenmode aus. Tonangebend für Wien ist Jene belebende Kraft, die draußen in Wald und Flur mentiert, um einen Stoff zu fertigen, der dem Wasser den 3. Rothberger; teine Hauptstadt des Kontinents hat ein Wunder schafft, die Natur in neuem Glanz erstehen läßt, Eintritt wehrt, der Luft aber den Austritt gestattet ; diese Warenhaus , das wie der Rothberger-Bazar durch alle ſcheint auch in Kreisen unserer Modeindustriellen ihre Doppelaufgabe, Wasserdichtigkeit und Porosität, erfüllen fünf Stockwerke hinauf mit den einfachsten wie elegante Wirkung auszuüben. Die großen Werkstätten , in denen gedachte Stoffe, die jetzt in Wolle , Leinen und Loden in ften Herrenkonfektions gefüllt , cleftrisch beleuchtet , im tunstgeübte Hände im Dienste der Göttin Mode thätig den Handel gebracht werden und sich schnell den Weltmarkt großen Stil eingerichtet ist ; cs gilt als Sehenswürdigkeit Wiens und wird von Fremden eingehend gewürdigt. Die find, weisen eine Fülle bemerkenswerter Neuheiten auf; erobern dürften. Da gute Wollstoffe ihren Preis behaupten, minder große, vom Parterre in die oberen Stockwerke hinaufunsere Webmanufakturen sind bemüht, die Konkurrenz mit den engliſchen und französischen aufzunehmen ; ihre Er wertige Seidengewebe aber oft zu fabelhaft billigen Preisen führende, im Rokokostil gehaltere Freitreppe mit Gitter zeugnisse dürfen als gleichwertige anerkannt werden, wenn eingeführt werden, macht sich bereits eine Vorliebe für von Goldrelief und roten Samtteppichen macht, namentlich nicht das Vorurteil, daß alles Gute vom Ausland kommen leichte Seidenstoffe, die statt der wollenen zu Besuchs- und bei elektrischer Beleuchtung, einen monumentalen Eindruck . müsse , noch zu viele in seinem Bannkreis festhielte. Die Promenadetoiletten verwendet werden, geltend. Neben Dem Aeußeren entsprechend ist die Einrichtung der Waren. inländischen Modestoffe wie Norma (reine Wolle mit schwarzen Seidenkaschmirs behaupten sich für diese Zwecke lager und Ateliers ; die Schneider arbeiten an weißen, fischbeinbreiten Streifen), Plaid rayé (mit Kreuzstreif), Beau de soie , ein stumpfes , atlasartiges , sehr solides marmornen Tischen ; Zuschneide- und Nähmaschinen neue Selila (melierter Fond mit glattem Streif), Remo Gewebe , ferner Petin mit Diagonalbild , Surah Pekin ften Genres find in Verwendung ; während die ersten drei in schmalen Streifen ; für den Sommer sind wasserechte, Stockwerke vom Warenlager eingenommen sind, befinden indische Foulards (geblümt und gestreift), seidene Spitzen sich im vierten und fünften die Ateliers und die Buchftoffe und seidene Lodengewebe in Aussicht genommen . haltung. Im Souterrain ist eine Abteilung für die Ein echter Saisonartikel scheint das von G. Henneberg jenigen, die nicht gerade mit Glüdegütern gesegnet sind, (Zürich) eingeführte Schweizer Seidentuch zu werden; aber doch gern ein Kleidungsstück aus gutem Hause" der Zettel dieses als Ersatz für weißwollene Tuch und tragen; es ist das die sogenannte Schwemme", in der Flanellroben zu verwendenden Gewebes ist ganz Seide, der kleine Mann feinen Bedarf zu mäßigsten Preisen dect. die Schußfäden aus best gezwirnter Lamawolle gefertigt ; Indem ich heute prüfenden Blickes die im ersten Stoc da das Seidentuch einen veloursartigen Faltenwurf hat aufgestapelten Nouveautés mustere, gewahre ich, daß bei und obschon billig , sehr distinguiert aussieht , dürfte es aller Solidität der Form doch manche Abweichung sich sich viele Freundinnen erwerben. Man verwendet es jetzt geltend macht ; so werden die Ueberzieher fürzer als im mit Vorliebe zu den Toiletten der Konfirmandinnen, zu ein Vorjahre getragen , aus lichten drapfarbigen Cheviots, fachen Gesellschaftskleidern und zu den langen, wallenden oder melangiertem Venischen gefertigt ; der Menzitoff aus Theaterbourneaug, die mit Stahl oder Silberstickereien englischem, gestreiftem, oder klein quadrilliertem Stoff gilt umrandet, auch wohl mit plissierten, echten Spigen be- als eigentlicher Modeartikel. Das Sacco mit seidenem setzt , im Toilettenrepertoire jeder eleganten Dame Auf- Revers und seidenem Einsaß, der lange englische Taillennahme finden dürften. - Die an den Kaiserhöfen in rod aus Kammgarn, zweireihig, zum Knöpfen, das CoachWien und Berlin herrschende Trauer und Halbtrauer hat manjadett mit passendem Gilet , sind zumeist in dunklen die Mode nicht unwesentlich beeinflußt. Selbst Damen, Farben vorrätig. 3u braunen und dunkelbraunen Röden die in gar keiner Beziehung zum Hofe stehen , finden es werden lichtere Beinkleider gewählt ; der Anzug aus gleichem comme il faut, schwarze Toiletten zu tragen. Sie lassen Stoff ist durch eine gestickte Weste gehoben. Die Form dieselben zumeist im Genre Sappho fertigen, schlingen die der Westen differiert merklich von der des Vorjahres ; sie von der Achsel faltig herabwallenden Stofflagen unterhalb find tiefer ausgeschnitten, teils mit , teils ohne Shawlder Taille durch breiten Silbergurt, der aus feinstem tragen, einreihig wie zweireihig, immer aber so gehalten, Filigran gefertigt, mit dem Diadem grec übereinstimmt, daß der Spiegelcinsatz des Hemdes zur Geltung kommt. das die Haarpuffen in Hälften teilt. Zu den Sappho Dieser ist nicht mehr glatt wie eine geweißte Wand, son fleidern ist , da die troisierten Stofflagen die Körperform dern geschmackvoll gefaltet, mit Handstickereier geziert, und nicht plastisch hervortreten lassen , ein Mieder durchaus trägt nicht unwesentlich dazu bei, dem sonst oft recht ein Jambusenbaum (S. 271 ). nicht mehr obligat. Damen, die die Bequemlichkeit lieben, förmigen Herrenanzug ein air de noblesse zu verleihen. haben denn auch auf das zur Zeit der Panzertaillen und Für die Wäscheindustrie ist diese Neuerung von un (Kreuzgewebe mit Haarstreif) sind diesmal in reizenden Polonaisen unentbehrliche Mieder verzichtet und zählen schäzbarem Wert, sie dürfte aber auch für die Herrenwelt Musterungen vorrätig ; der Cachemir allemand die im Genre gehaltenen Kostüme zu den praktisch selbst nicht unerwünscht sein; die hohe Tuchweste war bei jählt, namentlich in Schwarz und Stahlgrau, zu den be- sten, die wir Sappho Jahrzehnten gehabt: sie sind für schlanke 180 R. gerade fein angenehmes Kleidungsstück; auch be liebtesten Modeftoffen und hat vor den ausländischen wie forpulenteseit Damen gleich vorteilhaft und werden voraus. züglich der Kleidsamkeit ließ sie vieles zu wünschen übrig. Kaschmirs den nicht zu unterschätzenden Vorteil , daß er
Unsere Reisezeitung. Charakter und Handschrift. - Unsere Kunstbeilagen. 274 275276 Die Herren der Schöpfung sind zwar in diesem Punkte auf ihr , um dann über den Mailiewgletscher hinüber wenig anspruchsvoll , vom ästhetischen Standpunkt aus auf die Gebänge des Rasbet am 3ybir choch hinaufzu Charakter und Handschrift. follte man aber doch Moden , die jeder Schönheitsidee klimmen. Nach 2 Stunden gelangten sie zu einem Gletscher, Hohn svrechen, von der Bildfläche bannen. Daß dies mit auf dem sie mit Gefahr eines Absturzes in ungeheure Don H. Amselmann. den hohen Gilets und glatten Wandeinsätzen geschehen, Tiefen 12 Stunde lang ihren Weg ins Eis einhauen XX. mußten. Hierauf ging es über Hügel etwa 14 Stunde ist offenbar ein Fortschritt, der Anerkennung verdient. lang, dann kamen die Bergsteiger an einen Gletscher, über Die Graphologie kennt außer den einzelnen Zeichen den sie sich ihren Weg durch eine Stunde mit der Haue noch ein Mittel, auf die Eigenschaften der Menschen zu bahnen mußten . Abermals wurde ein Hügel überschritten schließen. Das sind die Resultanten. Die RejulUnsere Reisezeitung . und die beiden langten bei einem gelben turmartigen tante ist, wie das Wort besagt, ein Ergebnis von zwei An unsere Lefer! Verge an, den Tulatow nach seiner Farbe Bur- choch oder mehr Faktoren, oder graphologisch ausgedrüdt: bas Durch die freundliche Aufnahme, welche unsere Reise- (offetisch gelber Berg " ) nannte. Hier wurde Raft ge- Ergebnis aus zwei graphologischen Zeichen . Die Rejulzeitung allenthalben bei unseren geſchätzten Lesern gefunden halten. Inzwischen trat ein heftiges Schneetreiben ein, tanten zeigen uns somit Eigenschaften, die durch einfache bat, veranlakt , haben wir uns entschlossen , bei bevor so daß sich dieBergsteiger gezwungen sahen, zu den Mineral Zeichen nicht gegeben sind. Ein Beispiel mag dies erläutern : Ruhige Schrift: Ruhe Resultante : stehendem Wiederankange der Reisesaison den Umfang quellen zurückzukehren. Am 7./19. Auguft fam Tulatow in Begleitung seines Runde, auf Güte deutende Schrift: Güte unserer Rubrik zu erweitern , den einzelnen Objekten eine Geduld . Dorfgenoffen Alibek Kanukow wieder zu Zacharow, d. h. es ergibt sich leicht der Schluß, daß jemand, der eingehendere Behandlung zuzuwenden. Tags darauf um 10 Uhr vormittags stiegen die 3 Offeten gütig, mild und zugleich ruhig ist, auch Geduld bestt;t ; Wir hoffen, daß die Reisezeitung in ihrer neuen Ge. ftalt ebenso wie bisher den Beifall unserer verehrten Leser zum Fuße des Zybir-doch hinauf, von wo sie am 9./21 . Güte und Sanftmut besißen ein graphologisches Zeichen, August um 5 Uhr morgens die Bergbesteigung begannen. nämlich, wie wir früher nachgewiesen haben, eine runde, erringen werde. Die Redaktion. Zigeunerleben in Ungarn. Der Reisende, der eine Am Bur choch hielten sie kurze Rast, dann fingen sie an, von Eden freie Schrift. Ruhe und Gleichmäßigkeit beTour in die Zentralkarpathen unternommen , ver- den Gletscher des Kasbet emporzutlimmen. Wenngleich sitzen ebenfalls ein graphologisches Zeichen , nämlich eine fäume es nicht, von der Station Povrad-Félla der Kaschau, den Himmel drohende Wolken überzogen und ein arger gleichmäßige, wenig bewegte Schr ft. Geduld aber bestt;t Oderberger Eisenbahn aus eine Wagenfahrt ins Gömörer Wind zu wehen begann , gelangten die Wanderer doch kein besonderes Zeichen ; diese Eigenschaft ergibt sich aus Komitat nach Dobschau zu machen. Denn abgesehen von nach einstündigem Gange bis zu einem ebenen Flede, von zwei bereits feststehenden Zeichen : das ist eine Reſultante. Es ist namentlich Crépieur-Jamin, der sich mit Gr. den vielfachen Schönheiten und Reizen der ganzen Fahrt, welchem aus sie am Nordabhange des Kasbek, unmittelbar von der erhabenen Pracht der vor der Stadt Dobichau über dem Dowdorakthale, einen schneefreien Hügel gefolg auf das Studium der Resultanten verlegt und in wahrten, wohin ſie ſich begaben, um hier zu ruhen , zu seinem Buch eine Reihe derselben veröffentlicht hat. Wir liegenden Dobschauer Eishöhle, bietet sich hier Gelegenheit, die Niederlassungen, das Leben und Treiben der ungari essen und ihre Eiseisen auszubeffern. - Auch diesmal reproduzieren hier zwei davon: trat während der Rast ein solch heftiger Schneesturm mit 1. schen Zigeuner in ihrer ganzen Eigenart fennen zu lernen . Hagelwetter ein, daß die Bergsteiger nach vergeblichen Stark geneigte Schrift : Sensibilität › Gemäß., i Zaum Draußen vor den Dörfern da liegen an sanft an geh. Sensibilität. fteigenden Hügellehren die niederen , faum einen Meter Mühen, zur Kasbekspitze aufzusteigen , mit knavver Not StarkeHalen u. Eden : Festigkeit 2. hohen Erdhütten der armen braunen Enterbten . Nur das auf den alten Weg zu den Mineralquellen zurückfanden. svik zulaufende Dach blickt, mit Laub und Dünger bededt, Nachdem sie den allerschwierigsten Weg bereits zurüdgelegt Zurückgebogene Endungen : Egoismus (Neigung zur) aus der Erde hervor. Das kleine vieredige Loch an der hatten, unterlag es keinem Zweifel mehr, daß sie ihre Fahne Sehr schiefe Schrift : Leidenschaft Vorderseite, knapp unter dem Eingange , geftattet den auf dem Kasbekgipfel aufgepflanzt hätten, wenn der Orkan Lange Querstriche der t: Lebhaftigkeit ( ungerechtigkeit. Gintritt nur auf allen vieren triechend. Ein Blic durch nicht die Besteigung unmöglich gemacht haben würde. Aber Crépieur Jamin hat ſich auch das Verdienst erdiese Thür zeigt das ganze grenzenlose Elend, das in der Neber Sommerfrischen im Erzgebirge enthält die worben, nachzuweisen, daß man einen und denselben ChaHütte herrscht. In einem Winkel ein Haufen halbver erste Nummer des Erzgebirgevereines einen sehr wichtigen rafterzug durch verschiedene Resultanten erhalten fann. faultes Stroh als Lagerstätte , einige zerbrochene Koch . | Artikel, der es sich zur Aufgabe macht, die unverantworte Wir können dies nicht besser illustrieren , als durch ein geschirre und ein primitiver Kochherd, der seinen Rauchlichen Zustände in ungeschminkter Wahrheit darzustellen. - Beispiel, das er selber gibt: 1. abzug durch das Eingangsloch hat , dies sind die Ein- Wir wünschen aufrichtig , daß der Zweck dieses Aufſakes richtungsstüde der Zigeunerhütte, in der Mensch und erreicht und die schweren Mißverhältnisse bald beseitigt Sehr schiefe Schrift : Senſibilität Tier friedlich bei einander wohnen. würden, welche einem regeren Besuche des schönen Erz GroßeSchrift : Stolz, Selbstbewußtsein Empfindlichkeit. 2. Die ungarischen Zigeuner, die trok ihrer Armut ihren gebirges abweisend entgegenstehen. Ausgeführte Wintertouren. ursprünglichen Humor nie verleugnen, immer guter Laune Sehr schiefe Schrift : Sensibilität und frohen Mutes sind, fristen in den Dörfern, in denen Naunspike ( 1641 m) 12. Dezember v. J. , Westwand ; 12 St. L, dessen untere Vartie start ausge-} Empfindlichkeit. fie sich einer verhältnismäßia glimpflichen Behandlung Elmauer Halbspike (2775 m) 15. Dezember ; 15 St. bildet ist: Eitelkeit 3. erfreuen, auf die mannigfachste Weise ihr Daſein. Die Tretfauer Kaiser (2325 m) 17. Dezemb.r; 14 St. einen ziehen als Refielflicker . Huf- und Nagelschmiede Hintere Keſſelſchneide (1980 m) 5. und 6 Januar d. J. Sehr schiefe Schrift : Sensibilität Empfindlichkeit. ruhelos von Ort zu Ort ; trägt ihnen ihre Beschäftigung Hohes Brandjoch (2579 m) 20. Januar d. 3.; 16 Et. Aufwärts steigende Schrift: Ehrgeiz 4. nicht genug ein, dann verlegen sie sich aufs Betteln und Widderstein (2531 m) 3. Jan. d. J.; Hochkrumbach ; 312 St. hier und da rohl auch aufs Stehlen. Die bettelnden Scesaplana (2963m) 14. Jan.d.J., Schruns-Bludenz ; 20St. Sehr schiefe Schrift : Senſibilität Zigeuner verstehen es auf eigentümliche Weise, durch ihre Röffler (3239 m) 17. Januar d. J. D spiralig gerollt: Anspruchsvolles Empfindlichkeit . Wesen halb aufrichtige. halb höhnische Unterwürfigkeit, durch Zigmondyspike (3081 m) 21. Januar d. J. Nun darf man freilich eines nicht dergessen : Durch. schlaue, originelle Einfälle und besonders durch die raffi Schrechorn (4080 m) 16. Januar d. 3. nierte Schaustellung ihres Glends , das Herz zu rühren Mönch (4105 m) 19. Jan. d. 3., Berglihütte; 4½ St. schnittlich ergeben die Rejultanten keine sehr hervorstechenaus Berichte hat, einem Ndscharo Kilima Den den, direkt neuen Züge. Wenn wir V. nun auf die und dem von Mitleid ergriffenen Reisenden eine Gabe abzuloden. Zum Danke dafür singen sie dann eines Sansibar vom 28. Dezember v. I. zufolge , der deutsche eben mitgeteilte vierfache Resultante zurückommen , Stolz, Ehlers - Lankow von der Nordseite Eitelkeit, Ehrgeiz. anspruchsvolles Wesen in einer Schrift ihrer Lieder , ein Kauderwelich von Zigeunerisch und Rittergutsbesitzer finden, so schließen wir daraus von vornherein, wenigstens Ungarisch, in schrillen , schreienden Tönen. Andere wieder aus bestiegen. Erdbebenmeldungen. Semmering , 4. Februar, in der Regel, auf Empfindlichkeit. Aber man darf dennoch siedeln sich bei den Dörfern an und verdingen sich zeit unterirdischem starkem mit : Erdbeben moraens 5 Uhr nicht übersehen, daß das Mittel der Resultanten manchen weise zu Handlangerarbeiten, die ſie dann leidlich ordentlich verrichten. Schon unter der Regierung der Kaiserin Getöje. - Klagenfurt, 27. Januar : 10 Uhr 49 Min. Nebenzug finden oder doch bestätigen hilft, daß also ein Maria Theresia batte man versucht, die Zigeuner zu stabiler, nachts bedeutender Erdstoß. Nordost-Südwest, Dauer vollständiges Bild nur durch sie ermöglicht wird. Man bewahre aber immer kaltes Blut und hüte fich regelmäßiger Arbeit heranzuziehen. Man verteilte Bauerns 2 Sekunden. - Franz beiCilli , 27. Januar, 311 Uhr, vor übereilten Schritten. Miſſon verfiel auf dem Gebiet giter unter fie, schaffte offiziell den Namen der Zigeuner Dauer 5 Sekunden. Die Schuhhütte in der Schobergruppe im Debant der Resultanten geradezu in Lächerlichkeit und auch Trés ab und nannte sie Neubauern " . Es half nicht viel. Die bei den Bauern untergebrachten Jungen entliefen thale wird heuer durch die Sektion Linz des D. u . Oesterr. pieur Jamin war nicht im ftande, sich vor Uebertreibungen ju bewohren. Folgendes Beispiel mag genügen : ihren Lehrherren und gingen samt ihren Eltern auf und A.-V. hergestellt. Die Kaindlhütte am Großen Wiesbachhorn ist Steigende Zeilen : Feuer davon. Gin gewiffer träumerischer Zug der allen Zigeunern eigen , erschwert ihnen die regelmäßigen Be. nunmehr vollständig trođen gelegt und mit neuem Koch Kurze Endungen: Sparsamkeit Liebe zum Spiel. fchäftigungen ungemein und zieht sie mit unwiderstehlicher herde versehen worden. Schrift: Lebhaftes Wesen ( Von der Alpe Bedole bis zur Mandronhütte Lebhafte Schiefe Schrift : Sensibilität Macht zu der gewohnten Lässigkeit hin. Von den Zigeunern Nun findet man Liebe zum Spiel bei den verschie erfreuen sich die Musikanten aüberall der meisten Be. wird von der Sektion Leipzig des D. u. Desterr. A.-V. densten Naturen; aber eine von Crépieur Jamin gefor liebtheit. Auf dem schönen Sommerschlosse des Edelmannes ein Saumpfad hergestellt. In den Sannthaler Alpen wurde der Steiner derte Eigenschaft hat gewiß mancher Spieler nicht: Spar und in der Hütte des Bauern, in der einsamen Ticharda dem Logarthale nach Krain instandgesetzt. samkeit. Die einfache Ueberlegung, daß der leidenschaftliche und im pruntvollen Stadthotel, da svielt der Zigeuner sattelweg aus Eine Besteigung des Elbrusgipfels versuchten im Spieler in der Regel ein Verschwender ist, hätte ihn vor seine Weisen. Bei dem harmonischen Strich der Violine, die er oft meisterbaft zu vielen weiß, wirbeln und drehen August v. 3. Baron Ungern - Sternberg und der dieser übereilten Resultante bewahren können. Offizier M. Golombiersty in Begleitung von Hiermit sind wir mit dem System der Graphologie, fich die Paare im feurigen Tschardas; nur er allein versteht 9russische Kojaten. Nach unsäglichen Mühfalen erreichten die mit den theoretischen Erläuterungen, ungarische Nationallieder zu spielen. - Alles um ihn her zu Ende. Reisenden , welche am 23. August von der Thalstation jauchzt und jubelt , nur der Zigeuner bleibt ernst und traurig. Mit seinen schwarzen , glühenden Augen ftarrt aufgebrochen waren, dann in der Nacht ober dem Griktchaier traumverloren in Leere . während die Finger den Bogen gletscher und tags darauf auf einem Firnplateau in Unsere Kunfbeilagen. führen, rubelos vom Nachmittag bis zum sväten Abend, ca. 14700 m Höhe biwatiert hatten, den Sattel zwischen Freude ist eingekehrt im Haus , denn den Eltern ist bis die Fiedel den müden Händen entfällt. Dann schleicht den beiden Elbrusgipfeln am 25. abends. Hier zwang er sich beim in seine elende Hütte, der arme Geächtete, ein am 26. eingetretener furchtbarer Orkan die Expedition ein Kindlein geboren und der Freude ist Schmerz gefolgt, denn die nächst Gott dem kleinen Wesen das Leben spen schen und furchtfam wie ein Dieb, wennaleich hinter der zu schleunigem, fluchtartigem Rückzuge. Eine neue Tropfsteinhöhle wurde im Kanton dete, hat schwere Krankheit erfaßt „Eine bange Stunde braunen Haut vielleicht ein braves Herz schlägt, unbemerkt Bern, etwa 12 km von dem Dorfe Reclère entfernt, brach an, das Licht des Hauses droht zu erlöschen, bedenkund unerkannt das ist Zigeunerlos. Von einer Kasbekbeſteigung durch Effeten be entdeckt. Die Höhle hat eine Länge von etwa 1600, eine lich zählt der alte Arzt die Schläge des Pulses , schmerze richtet der Globus": Die Lorbeeren der überseeischen Breite bis zu 600 und eine Höhe von 10 bis 20 m. lich bangendlauschen angstvoll die Umgebenden den schwe Kaukasusreisenden , die weither für teures Geld gereist Ein vollständig mit Haut , Haar und Fleisch ren Atemzügen der Kranken , zu deren Seite die Bibel tommen , haben einem Chieten T. S. Tulatow teine erhaltener Mammutkörper ist in Sibirien an einem aufgeschlagen liegt , aus der ſie Trost und Seelenstärke Ruhe gegönnt. Aus feinem 25 km südwestlich von zum Zeniſseisystem gehörenden Flusse (Bolachna?) entdeckt schöpfte. Das ist der Vorgang , den Meister Vautier Wlodilautas am Fuße des Kasbek gelegenen Heimats worden. Vom Wasser sind freigespült und demnach sichtbar auf seinem prächtigen Bilde erfaßt und mit ergreifender dorse Koban wanderte er schon am 8./20. Juli v. J. ein Stoßzahn, ein Teil der Stirn und ein Ohr, das von Gewalt dargestellt hat. Aber so tieftraurig auch dieser Vorins Dorf Imenikou. Dort hatte der Gebirgsjäger den Hunden schon stark benagt worden ist. (Globus. ) gang ist , so liegt doch ein Etwas über das Gemälde g Die Statuten des österreichischen Vereins zur Be- breitet, das dem Beschauer die verheißungsvolle Gewigheit Tepssaruko Zacharow einst, im Jahre 1865, unter Belebt dem Mailiewaletscher heiße, salzige Eisenwasser ent freiung der Sklaven in Afrika wurden von der Statt gibt, daß alles sich zum guten wenden wird. deckt und in schwerer , jahrelanger Arbeit einen Badeort halterci genehmigt. Im Büreau (Wien I, Adlergasse Nr. 1) und viclgeſtaltig ist 2. C. Müllers „Markt in Kairo“, mit 8 steinernen Häuschen für die Kranken geschaffen, die werden fortwährend Beitrittserklärungen entgegenge die Szene dem Leben abgelauscht und mit schönem können nommen. weit aus dem Gebirge hierherströmen. auf der Leinwand festgehalten. - Der geheimnisvolle Die im deutschen Reichstage eingebrachte ostafri Zauber des Waldes erfaßt uns beim Anblic von Zubers Tulator und Zacharow machten sich nun gemeinsam an die Besteigung. Gleich von den Mineralquellen aus kanische Vorlage ist angenommen worden ; Hauptmann Blatt „Waldweben“ und trok Schnee und Eis , die jetzt gingen sie an der linken Seite des Mailiewgletschers hin, Wißmann geht als bevollmächtigter deutscher Reichs. noch die Natur in Banden halten, tönt es laut in uns: erreichten nach 3 Stunden die Alpenweide Kolka, rasteten kommiſſär nach Afrika. Es muß doch Frühling werden ! "
Wortkettenrätsel.
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Togogriph. Ein Schiffer, den die Alten warnten, „Trau nimmer den empörten Wogen", Berlacht der Weisen Rat Und glaubt', er wäres! Er stach in See ; da warf ein Wirbel Jäh ihn an schroffe Felsenwände, Ein Schrei! dann alles still Er war - ein Zeichen mehr!
37. 38
In jedes Feld der obigen Figur ist eine Silbe ein jutragen. Dadurch sollen 24 Wörter gebildet werden, beren jedes drei Silben umfaßt ; die Schlußsilbe des vorangchenden Wortes ist immer zugleich die Anfangssilbe des nachfolgenden. Die Schlußfilbe des letzten Wortes ist zu. gleich der Anfang des ersten , so daß eine geschlossene Boritette entsteht. Die einzelnen Wörter find: 1) 1, 2, 3 eine Stadt an der Cder, 2) 3, 4, 5 eine 3njel des ostindischen Archipels, 3) 5, 6, 7 ein Malername der niederländischen Schule, 4) 7, 8, 9 ein Monat, 5) 9, 10, 11 ein hervorragender Künstler des Barodstils, 6) 11, 12, 13 eine alte Stadt am Tigris, 7) 13, 14, 15 eine Stadt in Oberitalien, 8) 15, 16, 17 ein ehemaliges Königreich in Guropa , 9) 17, 18, 19 ein französischer Klassiter, 10) 19, 20, 21 ein Staat der nordamerikanischen Union, 11) 21, 10, 22 ein Prophet des alten Bundes, 12 ) 22, 23, 1 cine durch ihre Ruinen bekannte , verfallene Stadt in Borderindien, 13) 1, 24, 25 eine Stadt in Dalmatien, 14) 25, 26, 27 ein durch eine Schlacht (1866) bekanntes Dorf in Böhmen, 15) 27, 28, 29 ein Reich im Sudan, 16) 29, 30, 31 eine Stadt in Krain, 17) 31 , 32, 33 eine russische Festung, 18) 33, 34, 35 eine Landenge in Amerika, 19) 35, 36, 37 ein Frauenname , 20) 37, 38, 39 eine Grazie, 21) 39, 40, 13 ein amerikanischer Baum mit ef barem Marte. 22) 13, 41 , 42 eine Vorhalle, 23) 42, 32, 43 eine Geliebte des Zeus und 21) 43, 44, 1 eine Stadt in Portugal.
Togogriph. Es ist ein Vogel, Ein Freund der Nacht; Hast ohne Fuß du Es dir gedacht, Gehen ihm stetig Andre voran Beim Militär man es Wahrnehmen kann.
Charade. Fühlst in deinem Herzen brennen Du das zweite Silbenpaar, Darf es nie die Erste kennen, Soll's beständig sein und wahr. Ueberall in Wald und Flur E. N. Findest du des Ganzen Epur.
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2 1 a
d e f g h Weiß. (5 + 2 = 7.) Weiß zieht an und setzt in drei Zügen matt.
b
c
Schachaufgabe in Typen L. Bon Dr. Konrad Bayer in Olmüş. Weiß: Kc7. Dh6. Tb4, g4. Bd2, d3, 15. Schwarz: Kd5 . Sc4, e4. Bb5. Weiß zicht an und setzt in zwei Zügen matt. Lösung von Nr. 57. 1. 1. Tb3-b6 Ke4-f5 Ke4 - d3 2. Tb6- g6 Kf - g6 :, e1 2. Tb6-b1 Kd3-c4 3. La4 - c2 . 3. Lai- b5 . 2. 2. Kds -e1 Kd3-d2 3. La4- c2 . 3. Tbi- d1 .
K
Logogriph . Wenn ich, der Eorgen Last erliegend, Es bin mit u, so nahst du mir Mit a und scheuchst die Falten Von der Stirn mit linden Küssen. E. v. H. Bahlenrätsel. (Sechs Buchstaben.) Fünf, sechs, eins, wei war ganz mit Recht Zu seiner Zeit verhaßt bei. allen ; Denn was als niedrig gilt und ichlecht, Hat stets am meisten ihm gefallen. Berwunden kann sechs , eins , zwei, drei, Doch kann's die Schmerzen auch versüßen ; Erschließt sich's umgestellt im Mai, Wird jedermann es froh begrüßen. Sechs, eins, vier, drei liebt Zank und Streit, Kann rasch der Freundschaft Band zerreißen; Mein Ganzes ist voll Süßigkeit, C. 2. Man mag es tüssen oder speisen.
Homonym. (Auf die Franzosen.) Dieweil, der Deutschen Gründlichkeit verspottend, Jhr's itets gewesen: So wurdet ihr's, E. v. H. Da ihre Heere euch bedrohten.
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Rebus.
Charade. (Dreifilbig.) [Einer eingebildeten Schönen ins Stammbuch.] Schön bist du, wie's nur die Ersten sind, Die Letzten dein wie fie's nur wen'gen sind, Und gern ' ne Frau, wie du, ich nähme, Die ganz, doch nicht am Ganzen gleich dir fäme.
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Schachaufgabe Nr. 58. Von E. Betsch-Manstopf in Frankfurt a. M. Schwarz. e f g h a b c d
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Rätsel. Die Gaben sind's, die du den Armen spendest, Das Veilchen ist's, das im Verborg'nen blüht ; Die Bitten sind's, die du zum Himmel sendest, Die Sehnsucht ist's, die dich zur Heimat zieht. Die Lerchen sind's, die froh zum Aether steigen, Nicht ist's der Spaß, auch nicht die Nachtigall , Die Geister sind es, die dem 28ein entsteigen, Die Männer, Frauen, Kinder sind es all'. So wenig aber sind's die Menschenkinder, Als es die Tugenden derselben sind ; Doch merke dir : Sagst du von einem Sünder, Daß der es sei, ich's in der Ordnung find'. Berriet ich mehr, ich glaub', zu raten bliebe Dir nichts, drum sag' noch eins ich nur: Die Wellen sind's des Meeres und der Liebe", Und nun genug ! Verfolg' der Deutung Spur! -
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Kopf - Berbrechen.
Zum
schauung, statt aus Büchern, kenWaldarbeiter beim Abendbrot nenlernenwollen . (S. 757). Ein Spazier gang von einer Viertelstunde am Ufer der Seine entlang , oder auch eins der größeren Dampfschiffe führt uns nach Billancourt , der ersten Pariser Sommerfrische. Der Ort steht mit dem Pointdu jour fast schon in ununterbrochener Verbindung . An jedem freien Platz ist irgend eine provisorische Gastwirtschaft oder ein Landhäuschen errichtet , an dessen Fenster man nur zu oft das vielsagende Wörtlein : à louer" lieft. In der That sieht es dort immer noch ein bißchen kahl und städtisch aus, und wenn ich die Wahl hätte, so würde ich mir einen etwas ferneren, mehr im Grünen und an den villenreichen Hängen am linken Ufer der Waldpartie bei Mondschein. Seine gelegenen Sommeraufenthalt wäh len. Gegenüber von Billancourt (S. 724) elbar an den Fortifikationen die sich er- heures Getöse machen. Daneben Schieß mit seinen Booten und Fischernetzen liegt beiternde Seine. Von ihrerHöhe aus genießt buden, Buden mit Waffeln und gebratenen die Insel Robinson. Da sieht's schon hüban, wie unser Bild erraten läßt , einen Kartoffeln, Seiltänzer und all die Wesen scher aus. Eine langgestreckte, sehr schmale rächtigen Ausblick auf die Seine und bis und all das Leben, welche nun einmal in Seineinsel, fast ganz mit Bäumen bewachu jener grünen Hügelkette, in welche sich deren Gefolge sind (S. 722). Ihre Wagen sen, der Wallfahrtsort des Pariser Kleine reizenden, waldreichen Sommerfrischen dienen zugleich als Nachtherberge, und die bürgertums. Natürlich fehlt die GastwirtMeudon, Sevres und Saint- Arbeiterwelt, die hinter dieser ambulanten schaft nicht und ebensowenig die unver on Clamart,tten Eloud einbe . Kolonie in elenden Baracken wohnt, bildet meidliche Schaukel und die nach odysseeischen Das Dampfschiffhält übrigens noch dies die Hauptkundschaft etlicher Assommoirs, die Mustern in der Baumeskrone gezimmerte eit der Brücke am rechten Ufer der Seine, wo bei Nachtzeit zu besuchen nicht gerade rät: Laube. Dazu Spazierritte hoch zu Esel ch die merkwürdigsten Cafés (S. 708), lich ist. Dort werden die schlimmsten Gifte, und noch höher zu Roß , also alles , was Canzlokale, Tingeltangel aneinanderreihen, ein arsenikgrüner Absinth, Scheidewasser das Herz derer begehrt, welche den Pariser iedrige , halb und halb im Schweizerstil schnaps und ähnliche magenstärkende Ge- Staub von den Sohlen geschüttelt haben
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Streifzüge durch die Pariser Ausstellung, durch Stadt und über Land. 756 755
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Die Felfen von Cuvier-Ghatillon (Fontainebleau). und sich fessellos vergnügen wollen. Zahllose Dampfschiffe führen dann am Sonntagabend die animierte Gesellschaft in die städtische Sklaverei zurück; fröhlicher Ge-
sang, meist derberen und minder elegischen Inhalts als das Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ," tönt von ihrem Deck weit über die flimmernde Flut hinaus, während
die Feueraugen der Lokomotive von hochgelegenen Bahnhof des Point-du wie ein lauerndes Ungetüm auf die ho los nahende Beute herabblickt.
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Wir haben die Wahl , ob wir nach Hier hatte, etwa zur Zeit Karls des Großen, | lonbild (S. 737) zeigt , den schuldigen Zoll Rorden, nach Westen, nach Süden unseren ein dänischer Pirat Bier , Cotte-de-Fer, der Hochachtung. Beide lebten lange Zeit in fusflug unternehmen wollen, denn allent sein Raubnest sich errichtet und jagte, wie dem schon genannten Dörfchen Barbizon, alben ist es schön , in Montmorency so die Chronik berichtet, gleichzeitig Tiere und wo der Feldhüter unter den Honoratioren ut wie in Bersailles und Rambouillet Menschen. Hier zeigte der kluge Jagd den ersten Rang einnimmt. In Rousseaus it ihren prächtigen Schlössern , wie in hund Bléau seinem verschmachtenden Herrn, Atelier , in seine Wohnung und sogar in Fontainebleau mit seinem an Kunstschäßen einem Nachkommen Hugo Capets , eine seine Scheunen hat sich die internationale icht minder reichen Schloß. Machen wir Quelle , und er nannte sie dankbar Fon- Künstlerschar eingenistet, wie die Schächer 6 wie der Präsident Carnot , der im taine Bléau Fontainebleau. Hier jagte in den Tempel , und wo unsere Pietät origen Jahre seinen Sommeraufenthalt Ludwig der Heilige, um sich von den Stra- seines schöpferischen Geistes Hauch zu spüren a wählen hatte - entscheiden wir uns pazen des Kreuzzuges und seinen frommen vermeint, da rollen jest profane Billardir den Süden, für den fernsten Ort, für Bußübungen zu erholen. Hier trieb der kugeln , denn man vergnügt sich in der ontainebleau , in dessen uraltem Schloß wilde Jäger sein Wesen und höhnte Hein Einsamkeit so gut, wie es eben geht. Die schwedische Königin Christine ihren rich IV. , der mit leeren Händen von der Zerstreuungen der Weltausstellung bietet getreuen Stallmeister Monaldeschi er- Jagdheimkehrte, auf dem Hifthorn mit einer Barbizon nicht. orden ließ, wo Heinrich IV. sich von der Siegesfanfare. Hier wappnete sich Philipp Für Millet, dessen Haus (S. 737) , wie onen Gabriele d'Estrée unter tausend Auguste in eine ganz mit Rasiermessern ge- man sieht, recht bescheiden ist, habe ich stets hränen für immer trennte, wo Pius VII. panzerte Rüstung eigenster Erfindung, um eine besondere Vorliebe gehabt. Wie tief Gefangener weilte und der große Bona-- in verderbenbringender Umarmung einen hat er die Seele der Natur erfaßt , wie te von seinen Garden Abschied nahm . furchtbaren Lindwurm zu erdrücken. charakteristisch gestaltete er den Landmann, berhaupt flossen hier viel Thränen und Liebenswürdiger und menschlicher ist wie belauschte er die Aehrenleserin , den migen brachte der Aufenthalt im Schlosse die Sage von der schönen Gisela. Ihr Mäher bei ihrer schweren Arbeit im vollen lut. Das herrlich ausgestattete Schlaf- Bräutigam war in den Kreuzzügen tödlich Brand der Mittagssonne! Und welch ein mach Marie Antoinettes steht in unheil- verwundet worden. Die Fee Nemorosa, heiliger Friede ist über die verdämmernde llem Gegensatz zu unserer Erinnerung welche in den Legenden von Fontainebleau | Landschaft gebreitet, die er in seinem unihr tragisches Ende auf einem elenden überhaupt eine große Rolle spielt , ver- sterblichen Meisterwerk, dem Angelus “, etterschafott. kündet ihr, daß sie mit einem Rosenstrauß dargestellt hat , wie tiefergreifend Antlig Und schwermütig und düster ist auch den Geliebten retten könne. Aber man und Haltung der Beterin, die im Augenblick, Wald einer der größten und herr befindet sich mitten im Winter. Gisela wo die Kirchenglocke aus der Ferne herüberen Frankreichs , der Fontainebleau finkt vor einem Muttergottesbilde in die schallt, in schlichter Andacht die Hände faltet. brei Seiten umfängt und dank seinen Kniee , tief im Schnee , und fleht unter Angelus gehörte lange Zeit der be vergleichlichen Felspartien und Schluch- Thränen um die lebenspendenden Rosen. rühmten Galerie des Financier Secrétan , ben Rochers et Gorges de Fran, Mutter Gottes , du bist auch Köni an. In den Kupferkrach mit hineingerd", nach denen sich etliche Cafés und gin der Erde , und wenn du wolltest, zogen , sieht sich derselbe genötigt , seine häfte der kleinen , stillen Stadt be- könntest du heute Blumen sprießen lassen, kostbare Sammlung zu versteigern. Das men, dank seiner ,, Roche qui pleure" , so schön wie die des Lenzes ! " Und Notre Sprichwort : " Habent sua fata libelli " Felsenmeer von Apremont, der Caverne Dame erwidert mit sanfter, zarter Stimme: gilt in der That auch von den Bildern und Brigands, dem Bas-Bréau (S. 734) „ Deine Thränen haben das Wunder voll- vielleicht noch in höherem Maße. In dem den anderen in unseren Bildern dargebracht. " Gisela blickt zur Erde, und siehe tiefen Frieden der Waldeseinsamkeit geten Sehenswürdigkeiten das Ziel un- da , jede Thräne hatte aus dem Schnee malt, ist der Angelus nun in den wilden iger Reisenden ist . Kein Wald , so eine Rose emporsprossen lassen. Kampf der Börse um Leben und Tod, in int es, bietet dem Maler so herrliche Bevor wir den schönen Wald wieder das Getümmel des Hotel Dronot geraten, mürfe , keiner eignet sich so sehr, wie verlaſſen, bringen wir dem Gedächtnis der vielleicht, um seinem kunſtſinnigen Besizer plein air- Studien, und so hat sich berühmten Maler Millet und Rouſſeau, noch einen legten Liebesdienst zu erweisen ein rettender Engel zu sein. n in den kleinen Dörfern Marlotte und deren ausdrucksvolle Züge unser Medail- und ihm bison eine ganze Künſtlerkolonie niederen. Wer für schöne, uralte, phantastisch rmte Bäume schwärmt , der ist hier rechten Ort. Viele von ihnen führen ndere Namen(S. 744) und haben ganzen ergenerationen als Modelle gedient, Das Haus Montague. fünfzig Jahren ebenso frisch und Erzählung in drei Bänden von wie dereinst , und nur noch ein ig embelliert“. Könnte man doch auch Balduin Möllhausen. den Modellen aus Fleisch und Blut elbe behaupten ! (Fortsetzung.) Leider hat ein Riesenbrand vor sechs Reben Jahren manche der am herren bewaldeten Kuppen kahl gemacht. ach 'ner guten halben Stunde ſtetigen | ich erhielt von dem Kapitän nur den AufBlit auf unſere Abbildungen (S. 739, 746 und 752) läßt erraten , woEinherschreitens auf niederträchtigen trag, dich irgendwo hier herum abtreiben jener Brand entſtand . Die be- Wegen bergan gelangten wir auf den zu lassen. Er will dich einfach los sein. Zerstörung des Heidekrauts durch Höhenkamm, welcher den Hafen von allen Da rechne ich , es ist besser , wir scheiden , die zahllosen Köhler , welche in Seiten einschließt . Da legten wir uns als gute Freunde voneinander . eine Fläche von 17000 Hektar be- im Schatten auf den Rasen und ich sagte Und was antwortete der Satansnde Wildnis hauſen, urwüchsige Hünen zu John Blount : John, sagte ich, du junge ? Verdammt ! Wer den übertrumpfen Iten, wie man sie sonst in Frankreich bist ein vernünftiger Junge und ich halte wollte, hätte früher aufstehen müſſen. Jest will auch ich dir etwas sagen, noch selten findet - erklären ihn ein Stück auf dich , daß ich's nicht übers sham. Aber all die schönen Legenden , Herz bringe, dich zu belügen . Würde es Bob Vanish, sagte er, und er lachte und e geschichtlichen Erinnerungen , welche mich doch wurmen, dächtest du später, ich grinste wie ein halb Dußend Teufel auf weite Gebiet üppig überwuchern , hat habe als ein Verräter an dir gehandelt . einmal, landeinwärts hast du mich wohl Brand nicht zu zerstören vermocht . Das mit dem Gewerbe ist nämlich Wind ; gelotst , allein mich an Bord zurückzu-
Balduin Möllhausen. 760 schaffen , wär' dir nicht gelungen , und hättest du dir die 6 Kielhölzer bis an die Kniee abgelaufen, sagte er. Schon früher vertraute ich dir an, daß ich Schiffe hasse ; da lauerte ich nur auf eine Gelegenheit, auszurücken. Gib dir also weiter keine Mühe , geh ruhig an Bord und bestelle dem Kapitän , daß ich ihn samt seinem ganzen Schiff , dich ausgenommen , zur Hölle wünschte, sagte er, , auch wär's ein Glück für seine Haushere, daß ich dieses Mal nicht zu Hause geblieben sei ; denn ich hätte schon ' nen Plan entworfen gehabt , wie ich sie in einer handlichen Schlinge einfangen und an den Haken oberhalb der Thür aufhissen wollte, sagte er. "Da sah ich John Blount verstört an. In seinem Angesicht meinte ich zu lesen, daß solche sündhafte Worte ihm vom Herzen kamen . John, sagte ich erstaunt, ich glaube , in dir steckt eine leibhaftige Räubernatur. Da wälzte er sich auf dem Rasen und wollte vor Lachen ersticken, wie ' n gestrandeter Pottwal. Bob Va nish , sagte er, wenn das Räubermetier mir gefällt, so werde ich ein Räuber, und lieber noch Räuber als Knecht des Kapitäns und Nigger seines Weibes , dieser giftigen Here, sagte er. Ein Stündchen plauderten wir noch mitsammen , ich beinahe schwermütig , er munter, wie 's Kielwaſſer hinter dem Steuer bei guter Fahrt, und als ich endlich los machte , um wieder an Bord zu gehen, da hielt er sich seitlängs von mir. Er meinte, was er auf freiem Felde solle ; er ginge lieber unter Menschen , um sich Broterwerb zu suchen, sagte er. Dagegen konnte ich nichts einwenden , aber zwei Dollar gab ich ihm , damit er in den ersten Tagen nicht zu hungern brauchte. „ Ich nehm's, sagte er über die Schulter , und er schob sie in die Tasche , als wären's zwei verrostete Nägel gewesen, er selber aber der Mayor von New York, ,ja , ich nehm's , weil du ein guter Kerl bist, sagte er, und einem hier schwerlich die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Das heißt, sagte er, ich nehm's nicht geschenkt , sondern nur geborgt , um es dir zu seiner Zeit zurückzugeben , sagte er, und man mußte ihn sehen , oder man hätt's nicht geglaubt , daß es nur ein Bürschchen, welches so redete. So gelangten wir allmählich in die Stadt, wo wir in den letzten acht Tagen das Fahrwasser einigermaßen kennen gelernt hatten. Da tranken wir als gute Maats abermals einen und trennten uns mit ' nem festen Händedruck und 'nem ehr lichen: Gute Fahrt! voneinander. Mir selbst war ordentlich schwermütig ums Herz , wenn ich bedachte, daß dieses Ding von 'nem Jungen nunmehr seinen Kurs allein durchs Leben peilen sollte. Er hingegegen schaute drein wie ein Wiesel, das eben ' ne Bruthenne abwürgte, so ver gnügt und zufrieden . Bevor ich am Ende der Straße zum Wasser hinunter ging, lugte ich noch einmal rückwärts . Da machte ich ihn aus, wie er an einen Montetisch ) 1) Ein bei den Megikanern beliebtes Glüdspiel.
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| herangetreten war und seine zwei Dollar | alles aufbieten , Näheres über ihn in Cr verspielte. Mag auch gewonnen haben fahrung zu bringen ," erklärte ich ent was weiß ich's ? Aber in mich hin- schlossen , „ kehre ich zurück, so spreche is ein lachte ich über den Jungen ; denn der wieder bei Ihnen vor. Hoffentlich was dachte, wie das Getier im Walde, und ich dann, wer dieser John Blount eigent kümmerte sich wenig um den anderen Tag, lich ist. " Ich legte fünf Dollar in des solange ihm heut noch die Sonne leuchtete. " erstaunten alten Teers Hand und fügte Mit beinahe krankhafter Spannung hinzu: „Der Sicherheit wegen erstatte id hatte ich den Mitteilungen des ehrlichen Ihnen schon jezt die zwei Dollar nebst alten Teers gelauscht, und als er endigte, Zinsen zurück. Finde ich ihn, so sollen fragte ich hastig : „ Sie kannten den John Sie von ihm hören ; vielleicht ſucht er Blount so lange und so genau. Entdeckten selber Sie noch einmal auf. " Vanish schob das Geld in die Taide Sie jemals ein Abzeichen an ihm , ich meine einen auf seinem Nacken unterhalb und bemerkte grunzend: „Mit dem Finden des Haars eintättowierten roten Pfeil ?" hat's seinen Haken. Wem die ganze Welt Vanish sah nachdenklich vor sich nieder. zu klein ist , der bleibt schwerlich lange in Wie um sein Gedächtnis dadurch aufzu solchem Neſt. " " Und wäre es bis ans Ende der Welt frischen, zog er ein zur Schnupftabaksdose umgewandeltes kleines Hammelhorn aus so folge ich seinen Spuren nach, " verjete der Tasche. Nachdem er geräuschvoll eine ich ungeduldig , daß ich nachträglich über Prise genommen hatte , bemerkte er mit mich selbst erstaunte, nicht eher ruhe oder einer gewissen Entschiedenheit : Male trug raste ich, bis ich weiß, woher dieser Job er sicher , auf der Brust wie auf beiden Blount stammt und was aus ihm geArmen, und die tättowierte ich ihm selber worden ist. " Ich erhob mich und reichte dem alten großartig ein. Da waren Schlangen zu sehen , Herzen und zwei Sternen- und Bullenbeißer die Hand zum Abschied. Det Streifenbanner , die lagen über Kreuz. Professor , wie eingeschüchtert durch mein Von nem schönen Anker mit darum heftiges Wesen , folgte meinem Beispiel. gewundenem Tau wollte er dagegen nichts Gleich darauf befanden wir uns auf der wissen. Dagegen mußte ich ihm ' nen Straße , wo wir uns der Stadt zuwenGaul mitten auf die Brust zeichnen ; der deten . Eine Weile schritten wir schweigelang zwar nicht ordentlich, aber er war gend nebeneinander einher. Dann be zufrieden damit und meinte , im Sturm merkte ich in der That unbewußt : „Das jei jeder Port gut genug , und dabei sind keine schöne Aussichten , welche sic blieb's . Sonstige Male habe ich nicht an vor mir eröffnen. Weder die Mitteilungen des alten Weibes noch die des Bootsihm ausgemacht. " „Hörten Sie jemals wieder von ihm?" manns haben große Hoffnungen in mir fuhr ich ungeſtüm fort , und ich fühlte wachgerufen . Sollte ich indeſſen mit dieförmlich des Professors Blicke , die ängst sem John Blount zusammentreffen und wirklich meinen Zwillingsbruder in ihm lich auf mir ruhten. „Nie wieder," lautete die Antwort, erkennen , so werde ich nie vergessen, daß „ ich hegte wohl große Lust , mich nach er der Sohn meiner Eltern. “ Bitter, sogar bedrohlich mochte meine ihm umzuthun , allein in den nächsten Jahren hielten wir nicht auf Acapulco, Stimme geklungen haben. Trotzdem erund dann traf mich's , daß ich durch die füllte den Professor , wie er mir spät.r Dedluke bis in den Kielraum hinunter eingestand , eine gewisse Genugthuung stürzte , da war's mit meinem Seefahren daß angesichts der schweren Aufgabe meht vorbei. Auch der Kapitän vergaß eines und mehr die Weichheit aus meinem Morgens das Erwachen, und so ist John Wesen schwand , an Stelle des träumeriBlount allmählich in Vergessenheit geschen Schwankens männliche Entschloſſenheit sich in erhöhtem Grade Geltung ver raten. " "/ Halten Sie für möglich, daß er zur schaffte. Und so hob er mit dem ge= Zeit noch in Acapulco oder in der Nach wohnten lieben ,,Take it easy" an. barschaft lebt ?" forschte ich weiter. „Ja, Kohlmeiſe, take it easy, " wieder Möglich ist alles , " gab Vanish zu, holte er , " und gib es auf, dich ferner „ ich rechne , es kommt darauf an , ob er hin mit Phantasien zu martern , die nur daselbst eine gute Brotstelle fand; denn zu sehr geeignet , den deinen Jahren ge mit Geringem war der nicht zufrieden. bührenden Frohsinn zu beeinträchtigen. Aber immerhin , wer nach ihm aus ist, Ein schönes Bild entwarfen beide freilis möchte in Acapulco wohl ' ne Spur von nicht von deinem ― ich meine von dem ihm auspeilen , der er nur nachzufolgen rätselhaften John Blount. So viel leuchte brauchte. Ging er noch nicht kopfüber, indessen aus ihren Mitteilungen hervor, so muß er zur Zeit ein gehöriger Mann daß neben der Zügellosigkeit seines Cha geworden sein. Sollten die Gentlemen rafters auch bessere Eigenschaften ihren wirklich Jagd auf ihn machen und Sie Plaz fanden. Sie können zu einem ge finden ihn , dann möcht' ich Sie bitten, sitteten Lebenswandel, aber auch abwärts es mich wissen zu lassen. Zu gern er in niedrige Sphären geführt haben; es führ' ich, wohin es mit jemand gekommen, hängt davon ab , in welche Lagen und der neben einer großen Gutmütigkeit auch Verhältnisse er geriet. Beide nannten ihs ein Stück vom leibhaftigen Satan mit ehrlich; das ist eine Bedingung, die nicht sich herumtrug." leicht Versumpfung im Gefolge hat. " „Ich werde nach Acapulco reisen und Ich lachte herbe vor mich hin.
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„ Ob dieſes oder jenes, " erwiderte ich | so glatt geschoren, die Blumenbeete kunst | fuhr etwas lebhafter fort : „ Leider kann idenschaftlich, ist er in der That mein gerecht erneuert und gepflegt - gerade die Reise nicht umgangen werden ; ich ruder , und muß er , tättowiert wie ein wie wir, " fügte sie schwermütig lächelnd unternehme ſie indessen in der stillen Hoff" Auch wir mußten uns in die nung , daß meine Mühen von Erfolg Silder und geneigt zum Spiel wie zur hinzu . ewaltthätigkeit , zu den Verlorenen ge- den dahinrollenden Jahren entsprechenden gekrönt werden. Wohin ich verschlagen. hlt werden, oder fand er ein verfrühtes, Formen einzwängen. Aber schöner war werde und wie lange ich fortbleibe , das auriges Ende , so mache ich denjenigen es damals , als der Garten noch eine ruht freilich verborgen im Schoße der Zufür verantwortlich, der uns auf gleiche Wildnis , wo das Unkraut ungehemmt kunft Nur nicht zu lange, Kohlmeise, " fiel rt erbarmungslos in die Welt und in wucherte und wir bei unserem wilden Einerhältnisse hinausjagte , von welchen es herstürmen nicht zu befürchten brauchten, Agathe sanft flehend ein, nein, nicht zu n Wunder , wenn sie nicht zu unserem Schaden anzurichten.“ Lange, dennich kann es dir nicht verschweigen : iderseitigen Untergange führten." Schöner , weit schöner damals ," be- vergeblich kämpfe ich gegen die traurige Nicht doch, Kohlmeise, " begütigte der stätigte ich begeistert, als unsere Herzen Ahnung , daß ich nicht allzu lange mehr rofeſſor väterlich, " warte mit einem end noch so leicht wie die der Falter, nach lebe nicht doch, Kohlmeise, erschrecke iltigen Urteil , bis das Ergebnis deiner denen wir haschten , wir noch keinen an nicht so , ich bin ja noch da ; und wenn lachforſchungen unzweideutig vor dir liegt . deren Kummer kannten als den , daß die ich dir meine heimliche Besorgnis eingestehe, u bist ein Montague und als solcher Tage so unabsehbar lang , die zwischen so betrachte das als einen neuen Beweis rpflichtet , den Namen deines Vaters dem einen Sonntag und dem anderen sich meines unbegrenzten Vertrauens. Zu dem sch zu halten. Agathe wurde eine Mon- ausdehnten. Ja, Agathe, im Verkehr mit Professor und der guten Painelow darf gue, das verpflichtet dich doppelt, alles dir und den beiden guten Alten wurde ich nicht darüber sprechen, und so bist du in ihr fern zu halten, was niederdrückend auch mein Herz leicht, vergaß ich so gern, der einzige, vor dem ich zur eigenen Bes if sie einwirken könnte. Sie erduldete daß mein Leben ähnlich dem einer Raupe, ruhigung meine Bedenken offenbaren kann. viel; ihr Gemüt darf nicht noch mehr welcher von der Natur zuerkannt worden, Und dann, Kohlmeise, es muß ja nicht lastet werden." heute ein kriechendes, von jedem Fuß be- gleich sein, auch mag ich mich erholen ; Ich antwortete nicht ; aber meinen Arm | drohtes Dasein zu führen und morgen auf aber erwäge , was ich in den legten vier gte ich auf den des väterlichen Freundes , breiten , schillernden Schwingen sich zu Jahren erlebte und erduldete, “ und Thrädem wir unseren Weg heimwärts weiter wiegen. Wie es war, kann es freilich nicht nen drangen in ihre Augen, " unter ſolchen rfolgten. Wochen gingen noch dahin, mehr werden ; aber aufleben wirst du und Bedingungen hätte wohl eine kräftigere sich so weit war, um meine Reise an- neu erblühen in dem Bewußtsein deines Natur als die meinige untergraben werden eten zu können. Vollständig unbekannt eigenen freien Willens und der herzlichen müſſen.“ Die Wirkung des überstandenen Leids it der spanischen Sprache und den meri Liebe , deren unzweideutige Beweise dir, nischen Landesverhältnissen, bedurfte ich wo auch immer du weilst , entgegenge unterschäße ich nicht, " nahm ich nach der ersten Bestürzung gefaßter das Wort, Zeit , um mich wenigstens notdürftig tragen werden. " rzubereiten. Reginald sah ich in der Agathe sann eine Weile nach. Es „ anderseits solltest du die voraussichtliche hat nicht wieder. Es befremdete mich kostete sie sichtbar Mühe , sich von den Wirkung der für dich beginnenden neuen cht. Zwischen ihm und mir vermittelte Bildern loszureißen, welche ich vor ihren Lebensweise nicht unterschäßen. Was dem r Professor. Nicht einmal ein Rat wurde Geist hingezaubert hatte. Dann sprach sie, Körper zum Vorteil gereicht, die liebevolle ir von dem Bruder meines Vaters er ihre großen freundlichen Augen mit einem Pflege, das vervollständigt die zurückgeilt. Den mir zugefertigten ungebundenen Ausdruck unerschütterlichen Vertrauens auf wonnene Ruhe des Geistes , der ungestörte redit begleitete die einzige dürre Mah- die meinigen richtend : „ Nachdem du die Friede, in welchem deine Tage fortan vering, nicht zu vergessen, daß ich ein Mon- Reise angetreten hast, wirst du mir sehr rinnen werden. Für gefährlich halte ich gue und als solcher ſtandesgemäß auf- fehlen. Auch dem Profeſſor und der guten dagegen, Betrachtungen nachzuhängen, die reten habe. So wurde ich auch mit Painelow. Es hätte doch vieles anders allerdings eine natürliche Folge der kumwaigen Berichten und Anfragen auf den sein können, so daß du nicht auf so lange mervoll verlebten Tage , jedoch mit ein rofessor verwiesen , von dem ich ferner- fortzuziehen brauchtest. Ich werde mich wenig Willenskraft erfolgreich bekämpft n über das von mir zu beobachtende nach dir sehnen zu jeder Stunde ; es ist werden können. " " Möchtest du recht behalten , " vererfahren unterrichtet werden sollte. ja so natürlich. Denn mag ich mit meinem . Agathe war unterdeſſen nach dem stillen ganzen Herzen voll Liebe an den beiden guten sette Agathe, und leise bebte ihre Stimme eim des Profeſſors übergesiedelt, wo sie Alten hängen, so erscheint das Verhältnis vor Wehmut , möchte wirklich heiterer iter Freudenthränen willkommen geheißen zwischen uns beiden mir doch anders - Seelenfriede allein mich beherrschen , die urde. Als ein Aufatmen nach langem vertraulicher möchte ich sagen. " Sie lächelte Trauer auslöschen, welche ich bei dem Geweren Leid hätte man es bezeichnen trübe und doch so süß und fügte unbe- danken empfinde, daß mein ganzes Leben ögen, als sie, dem gleißenden Elend ent- schreiblich sanft hinzu : „ Es kann ja nicht ein verfehltes gewesen. Doch so gern ich nnen , die einfachen , jedoch überaus befremden, Kohlmeise, denn vergegenwär- auch möchte, Kohlmeise, ich glaube nicht, eundlich eingerichteten Räume ihrer neuen tige dir nur die schrecklichen Geheimnisse, daß es noch möglich. -Sprechen wir lieber Sohnung bezog. Etwas unendlich Rüh welche damals zwischen uns schwebten : nicht weiter darüber ich sehe ja, wie ndes lag in dem stillen Entzücken , mit abgebrochene Obstbaumzweige, Obstbaumzweige , unreise schwer es dir wird , darauf einzugehen. elchem sie die einst so vertraute Um Aepfel, mit Tinte besprißte Taschentücher, Nur die Beteurung nimm noch hin, daß bung , sogar die starräugigen Bestien die versteckt wurden und als verloren galten, ich mein Aeußerstes aufbieten will, zu gejunden, deine Ratschläge zu befolgen . Neue grüßte und in die altbekannte Haus- und wer weiß, was sonst noch. “ dnung sich einlebte. Traumhaft wiederSo wird auch fernerhin unbegrenztes Kräfte will ich versuchen zu sammeln, dalten sich dabei die Gedanken und Em Vertrauen zwischen uns walten, " erklärte mit die Freude deiner Heimkehr dir nicht indungen , welche einst den Kopf der ich gerührt, und Agathes Hand ergreifend, durch mich verbittert werde. Wenn wir einen mutwilligen Elfe erfüllten , hier zog ich ihren Arm unter den meinigen, aber scheiden und das lezte: „Auf Wien Lächeln der verschollenen Lust ent- ein Vertrauen, welches nicht das kleinste dersehen" miteinander austauſchen , dann dend, dort eine Thräne der Wehmut. Geheimnis zwischen uns duldet , und ich wollen wir freudig und hoffnungsvoll "Wie ist doch alles anders geworden," weiß , es wird uns beiden zum Segen blicken und dadurch uns gegenseitig ein zahlte sie, als wir zur abendlichen Stunde gereichen und im Grunde gehören wir tröstliches Erinnerungszeichen mit auf den is im Garten ergingen , und zutraulich, zu einander, schon allein durch den gemein Weg geben da tommt Frau Painelow, ie in früheren Tagen, kehrte sie mir ihr schaftlichen Namen. " Ich entdeckte, daß um uns zum Abendessen zu rufen , wie Jönes, zartes Antlig voll zu, die Wege bei dieser unvorsichtigen Mahnung ein in den alten Zeiten um Gotteswillen sauber und zierlich begrenzt, der Rasen Schatten über das liebe Antlitz eilte und -Kohlmeise , was ist dir ? schaue nicht
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so nachdenklich . Sie ist so klug, sie errät, | Zu Vergleichen herausfordernd , schmückt | Dampfer nur diejenigen zurückgeblieben , was zwischen uns zur Sprache gekommen . " sich gegenseitig mit den zauberischen Farben die durch Pflicht , Trägheit oder Schu Förmlich gewaltsam richtete ich mich einer glühenden Phantasie , was, durch Erd- vor den in dem Gewühl zwischen der auf. Ein Bild hatte mir vorgeschwebt, hälften voneinander getrennt, in der Er- Buden zuweilen sich abspinnenden bedrchwelches mich bis ins Mark hinein erschüt innerung sich lieblich und erhaben zugleich lichen Szenen gefesselt wurden . terte. Was Agathe mir anvertraute, es aneinander reiht . Nachmittags war der Dampfer einge wollte nicht mehr aus meinen Gedanken Draußen regte der Ozean ſich unwirsch. laufen ; jest mochte es neun Uhr ſein, weichen. Aber schöner noch und holdseliger Als mächtige Hügelketten rollten die schaum also eine Stunde nach Sonnenunteracno . erschien sie mir, als sie von mir forttrat, gekrönten Wogen auf die merikanische Küste Gruppenweise begannen die Reisenden si um ihre alte Freundin zu begrüßen ; schöner ein. Mit hohlem Dröhnen brandeten die wieder einzuschiffen. Boote, gerudert von und holdseliger mit ihrem schlanken , ge- schweren Dünungen gegen das felſige Ge- halbnackten bräunlichen Burschen und alut schmeidigen Wuchs und dem wunderbaren stade. Die Nacht war hereingebrochen. äugigen Mädchen flogen zwischen demDam Ausdruck himmlischer Verklärung auf ihren Ein leuchtender Schaumgürtel schied Meer pfer und der Stadt hin und her. Höchstens Zügen. und Festland voneinander. Den Tag über noch eine Stunde, und der erste KanonenAls die Stunde ver Trennung endlich hatte es scharf geweht. Die jest ermattete schuß, welcher die letzten Nachzügler an gekommen , wie wurde der Abschied mir Luftströmung strich an dem von der See Bord rief , weckte das vielfältige Edo | so unsäglich schwer ; wie durchzitterte es aus nicht sichtbaren Hafen von Acapulco ringsum zwischen den Bergen. mich wehevoll, als Agathe, wie einst dem vorüber. Nur in der gewundenen EinBis dahin hatte ich an Bord gefäumt. schüchternen Gespielen, mir beide Hände fahrt machte das Grollen des erregten | Mir widerstrebte , mich in das Gedräng. auf die Wangen legte und mich zärtlich Ozeans als träge auslaufende Schwel- der sorglosen Menschen zu begeben, durf küßte ! Wie bebte mein Herz, als sie mich lungen sich noch bemerklich . Das umfang welche ich vielleicht gehindert wurde, i innig bat , nicht zu lange fortzubleiben, reiche Hafenbecken selbst, ringsum geschüßt dem kleinen Ort nach einem geeigneten sondern heimzukehren so bald wie möglich durch Berge, lag ruhig. Den Winden un Quartier mich umzusehen. Wie auf de und wohlbehalten, um mich zu überzeugen, zugänglich, strahlte es mit der Regungs- Fahrt von New York her, beherrschte mic daß sie meiner Ratschläge eingedenk gelosigkeit einer Glasscheibe den dürftig auch jetzt eine Stimmung , welche mid blieben. Die letzten gewechselten Worte gestirnten Himmel zurück. Dürftig ! Denn zum Verkehr mit anderen untauglich machte. erstickte tiefe Wehmut. Ueber uns dagegen der Mond war bereits über die östlichen Neben der Brüstung des Hinterdecks saß lächelte der Himmel so blau, strahlte die Höhen hinausgestiegen. Mit bläulichem ich, gleichsam schwelgend in dem Anblick, Morgensonne so goldig und sang die Drossel Licht überströmte er die ihm erreichbaren welchen die märchenhaft beleuchtete Um im Garten so süß, als hätten das alte Bergabhänge und den größeren Teil des gebung mir bot. Erst nachdem eine größere Haus und dessen Bewohner weit außer Hafenbeckens . Bläuliche Lichter ruhten Anzahl Fahrgäste zurückgekehrt war, erhob halb des Bereichs düsterer Schatten ge- auf den Mauern und Turmecken des alten ich mich, und über Bord ſpähend, suchte Legen. Forts , welches mit seinen Geschützen die ich unter den beweglichen Bootsführern. Einfahrt beherrschte, wie auf den Gesimsen „ Will noch jemand zur Stadt, ſo ru Viertes Buch. der flachen Dächer der Stadt. Bläuliche dere ich ihn für eine Kleinigkeit hinüber !" Der Baquero . Lichter spielten mit den hoch hinaufragen tönte eine helle melodische Stimme nech den breiten Blättern der Muſaceen und Vorderdeck hinauf. 30. Kapitel. Ich neigte mich etwas weiter über. den träumerisch gesenkten Wedeln der PalCarlota. men. Wohin die Beleuchtung des Mondes Jn dem hellen Mondlicht erkannte ich ein: Aus dem winterlich beeisten Skandi- ihren Weg nicht fand, da vervollständigten junge Merikanerin, ein Mädchen von höd navien nach dem tropisch beschatteten Lito- | tiefe Schlagschatter das erotische Gemälde. stens siebzehn Jahren , welche mir schon gleich nach dem Anlegen des Dampfers rale der Südsee : Welch gewaltigerKontrast ! Es war eine Zaubernacht. Hier spiegeln sich immergrün bekleidete Zwei größere Schiffe und mehrere durch ihre große Schönheit und findlic Bergabhänge in dem zauberisch eingerahm kleinere Fahrzeuge ankerten der Stadt ge- unschuldige Fröhlichkeit aufgefallen wat. ten, einem Binnenſee ähnlichen Hafenbecken genüber. Mehr nach dem westlichen Winkel Zu meinem Unternehmen nach jeder Nichvon Acapulco , bestimmen anmutige Pal- hinein hatte der von Panama heraufge- tung hin mich vorbereitend, hatte ich die menformen gemeinschaftlich mit den Riesen- kommene Kaliforniadampfer sich neben das Zeit auf dem Schiff redlich dazu be blättern der Bananenstauden den Charakter als Steinkohlenmagazin dienende Gerüst nußt, wenigstens mit den notwendigsten der Landschaft; dort starren, wie Träume gelegt, um zur Fortseßung der Reise neuen spanischen Redensarten mich vertraut aus der Urzeit des einst kältere Räume Brennvorrat einzunehmen. Mit den zahl- machen, und so antwortete ich dem heiteren durchrafenden Erdkörpers , beinahe endlose reichen erleuchteten Fenstern erschien es wie Kinde : Sennorita, willst du mich ſamt Nur das meinem Koffer hinüberschaffen , so dant: Gletscherreihen ausdruckslos gen Himmel, ein Gasthof ersten Ranges . erzittert der norgiſche Granitpanzer unter Voltern , das Rasseln der Ketten , das ich es dir nicht nur mit guten Worten. dem Andrange des erzürnten, nimmer ra- Rollen der Taue durch die Blöcke und sondern auch mit dem doppelten Preise. stenden Weltmeeres. Doch hier wie dort : gelegentliche kurze Kommandos , unter welchen du forderst." „Wenn ich aber einen ganzen Dolla: Eine Pracht ist es überall. Gleichviel, ob welchen die an der Ra emporgehißten die Sonne in ungetrübtem Glanze mit bele- vollen eisernen Kasten ihren Inhalt in die fordere ?" fragte das Mädchen lachent bendem Licht alles überströmt oder fühle Maschinenräume hinabsandten , verhinder herauf, in dem Glauben, die unerhörtesten Ansprüche zu erheben. Nebel die Fernsicht verſchleiern , ob die ten eine vollständige Täuſchung. So gebe ich dir zwei Dollar, " ant Nacht ihr kostbarstes funkelndes Geschmeide Die auf den verhältnismäßig schmalen anlegte oder schwarzes Gewölk zuckende Strand mündenden Straßen der Stadt wortete ich ergött. Wenn Sie am Lande nur ebenio Flammen entsendet : Wo die Empfänglich waren erleuchtet wie zu einem Volksfeſt. feit des Gemütes nur ein wenig über den Laternen und offene Lampen brannten dicht reden wollten, " spöttelte die muntere Boct Instinkt vernunftloser Geschöpfe hinaus gedrängt, hier auf Montetischen , wo ge- führerin. „ Der Weg bis dahin ist kurs ragt , da webt sich ein geheimnisvolles räuschvoll zum Glücksspiel eingeladen wurde, aber lang genug, um auf demſelben viel Band zwischen dem Sterblichen und einer dort auf Gerüsten mit Muscheln oder Süd- zu vergessen. “ „Keine Not, Kind, " rief ich hinunter. gewaltigen, alles umfaſſenden Naturkraft ; früchten aller Art. Das Eintreffen des ein Band, stärker und heiliger, als es durch Dampfers, dessen Verweilen gegen sechs „ich zahle im voraus und stelle nur die die Lehren irdisch Geborener geschaffen Stunden dauerte, hatte alles hinausgetrie Bedingung, daß du einen Umweg beschreibſt. werden kann . Je schärfer die Kontraste ben, was nur immer hoffte, mit den an- Ich möchte ein wenig Umschau halten, bevor in der Natur, um so nachhaltiger die kehrenden Fremden in lohnenden Handels- ich die Füße auf festen Boden stelle. " „Für zwei Dollar rudere ich Sie die Wirkung. Das eine hebt das andere. | verkehr zu treten. Ebenso waren auf dem |
Die Nachtwandlerin.
Von Suchodolska.
Balduin Möllhausen.
769 zanze Nacht. Santa Maria ! sogar noch eine Stunde nach Sonnenaufgang . " Ein halbes Stündchen genügt," erflärte ich, bringe dein Fahrzeug neben die Treppe; in zwei Minuten bin ich unten. “ Ich rief einen Aufwärter herbei , weldem ich meinen Koffer zur Beförderung übergab. Gleich darauf ſaß ich der jungen Merikanerin gegenüber, die alsbald die Riemen in die Fluten tauchte und ihr Boot von dannen trieb.
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Vielleicht ihre Herzen ; da möchten sucht , kommt oft im Traume. Aber ich sie das deinige haben." pflichte dir bei : im Mondenschein gefällt "Jeder besigt nur ein einziges Herz. es mir fast noch besser hier als am hellen Santa Maria ! Wenn ich das fortgab, Tage. Sieh doch, wie die Lichter in der kann ich kein zweites mehr verschenken . “ Stadt so munter herüberflimmern und sich „ Das klingt lieblich, mein schönes Kind. im Wasser spiegeln ; und doch ist das nichts Ich errate , du hast jemand gefunden, im Vergleich mit denen, welche der Mond welchem du dich gänzlich zu eigen geben ausstreut. Und dann das Feuer, welches du mit deinen Riemen aus dem Wasser möchtest." "Ich möchte wohl, allein das mag noch schlägst. Man möchte es für flüssiges lange dauern. Kommen Hunger und Durst Silber halten. Ferner das Kielwasser, „Wohin, Sennor ?" fragte sie glückselig, zusammen , fliegt die Liebe zum Fenster wie da die kleinen glatten Wellen leuchten . “ als wären die zwei Dollar in ihrer Tasche hinaus . Wir werden noch manches Jahr „ Eine günstige Nacht fürs Meerleuchfür sie der Inbegriff alles irdischen Reich- arbeiten und ſparen müſſen, bevor so viel ten , " versette Carlota mit hochweisem tums gewesen. beisammen , wie notdürftig dazu gehört, Ausdruck ; schöner sah ich selber es nie, Ein wenig weiter nach dem Hafen einen eigenen kleinen Hausstand zu gründen. " wenn auch ebenso schön. Man sollte nicht "! Wie viel gehört dazu ?" finauf," riet ich ; eine freie Aussicht auf glauben , was für Geheimnisse es gibt. die Stadt möchte ich gewinnen und auf Furchtbar viel. Ich mag es gar nicht Da reden kluge Menschen zwar von undas Fort da drüben. Strenge dich nicht aussprechen. Mindestens einhundertund sichtbaren Tieren , die wie Stahl und Stein zusammenprallen und dann Funken sprühen; ubermäßig an ; je langsamer du ruderst, fünfzig Dollar. " um so lieber soll es mir sein. Ich " Nicht mehr ? Das iſt ja eine Kleinig- aber reden läßt sich viel, beweisen dagegen nur wenig. Sähe es nicht so milde und ache nämlich nicht an Bord zurück, son- feit. " „Für Sie vielleicht, doch nicht für je feierlich aus , möchte man die feuchten dern beabsichtige, kurze Zeit in Acapulco zu bleiben." mand , der Cent um Cent beiseite legen blauen Flammen weit eher für Teufels„Ob langsam oder schnell, die Arbeit muß, um einen Dollar daraus zu machen. werk ansehen." ist dieselbe," hieß es sorglos, aber immer Und dennoch , des Sparens halber jeder Vom Bug des Dampfers zuckte eine bin" - und sie mäßigte den Takt der Lust zu entsagen, wäre wohl zu viel ver- Feuergarbe. Fast gleichzeitig krachte der Schuß herüber , mit welchem die noch in Auderschläge es ist eine schöne Nacht | langt." und unsere Stadt verdient wohl, nicht nur Wer ist dein Schatz und was treibt er?" der Stadt weilenden Fahrgäste an Bord „Zunächst ist er der schönste Mann der gerufen wurden. bei Tage sondern auch bei Nacht bewundert ,,Still ," riet Carlota eifrig und ihre zu werden; oder sah der Herr jemals einen Welt. Und was er treibt ? Maria Joschöneren Ort in der Welt ?" seph Er liebt mich über alle Maßen ; Stimme etwas dämpfend, während sie die „Keinen schöneren in seiner Art, " er er würde sterbeno , umbringen und Riemen in der Schwebe hielt, „jest werflärte ich bereitwillig, aber ich finde, du morden, was ihm begegnete, wenn ich ihm den Sie ein Wunder erleben . Horchen spricht ziemlich fertig englisch. Wo lern untreu würde. Nebenbei ist er Vaquero Sie_aufmerkſam. “ und ein Reiter, wie kein zweiter geboren test du das ?" Vierfaches dumpfes Krachen antwortete Ein filberhelles Lachen schallte in die wird . Das wildeste Pferd ist in seinen kurz hintereinander aus verschiedenen tille Atmosphäre hinaus, dann sprudelte Händen ein Lamm; den Lasso wirst erRichtungen. Dieses erzeugte wiederum es förmlich von den frischen Kirschenlippen : ich möchte sagen : beſſer mit dem Fuß als seinen Widerhall und immer wieder, bis Man lernt so allerlei im Leben, man manche andere mit der Faust. Und dann es endlich in leises Rollen überging und braucht nur Chren und Augen offen zu sein Tanzen - heilige Mutter Gottes ! verstummte , um abermals aus größerer halten. Der Herr muß übrigens furchtbar Herr , den sollten Sie sehen ! Wenn er Entfernung einen gedehnten Ton herüberreich sein, daß er mit Dollars um sich auf dem Fandago die Füße rührt, stehen zusenden , welcher dem hohlen Brausen mirst, als brauchte er sie nur von der alle und erstaunen. Es ist nicht zu glauben, eines aufspringenden Windes ähnlich. Mit Straße aufzulesen. Heilige Mutter Got was er leistet, wenn Guitarre, Geige und dem Entschlummern des fernen Echos vertes! ich bin es sonst gewohnt, daß die Triangel klingen. Woher er's hat, mögen sank ich in schwermütige Träumereien. Carlota mochte instinktartig herausfühlen, Heisenden um fünf Cent feilschen, als käme Gott und alle Heiligen wiſſen.“ ,Wie heißt er denn ?" daß ich mit meinen Betrachtungen allein es darauf an, sich vom Fegefeuer loszuhandeln." Das Mädchen lachte glücklich und ant- zu sein wünschte , denn auch sie schwieg. Ich bin doppelt belohnt, wenn ich wortete : „ Das ist mein Geheimnis . Sagte Leise tauchte sie die Riemen in die Fluten dir eine Freude bereitete. Deshalb braucht ich es, so wären Sie ebenso flug, wie ich und weiter glitt das Boot vor den ge= man nicht gleich über Berge Goldes zu selber , und eine Kleinigkeit muß ich vor messenen Schlägen. Wie so häufig in Ihnen voraus haben. Doch ernstlich, meinem Leben wanderten meine Gedanken gebieten . Eine große Freude, Herr ; denn von Herr, wüßten Sie seinen Namen, so möch- ihre eigenen Wege. Vergessen hatte ich den zwei Dollar gebe ich fünfundzwanzig ten Sie ihn auf mein Geheimnis anreden, den Zweck, welcher mich nach Acapulco Cent an meine Hausherrin - der gehört und das gefiele ihm schwerlich. Er istführte. Das Verhallen des Echos ernämlich das Boot - und das übrige ist nämlich schrecklich eifersüchtig natürlich innerte mich an das hohle Brausen, welches im fernen Norden das Berſten der mein rechtliches Eigentum. Doch sagen ohne allen Grund. " Sie, wie gefällt Ihnen unsere Stadt? So darf ich wenigstens deinen Namen Eisfelder und Niederbrechen überlasteter Liegt sie nicht da , wie ein Stückchen | erfahren ?" Gletscherteile begleitete. Wo befand J3Faradies ? Freilich, im Paradiese geht es Sicher, Herr ; Carlota heiße ich, Car berga sich zur Zeit ? Wie verlebte Agathe den heutigen Abend ? Als hätten sie zu wohl etwas friedlicher zu als da drüben . lota"Cumbro. " hört der Herr, wie sie da schreien ?" „ Ein schöner Name, mein liebes Kind. " einander gehört, tauchten beide Gestalten So wohnt dort eine streitsüchtige „Lieber hieße ich Barbara , um der vor meinen geistigen Blicken auf. Es Sorte von Menschen ?" mächtigen und süßen Schußheiligen willen. umringten sie andere, die mir so vertraut „Nicht_ſtreitsüchtiger als allerwärts . Zu der wollte ich beten Tag und Nacht, geworden, wie liebe Freunde nur werden Vielleicht stecken da die Meſſer etwas loser daß sie uns beiſtände. Fehlen uns doch min konnten . Fern blieb alles , was geeignet in der Scheide, als an manchem anderen destens noch hundertundzwanzig Dollar. " gewesen wäre, feindselig zu wirken. Mil" Wer weiß , wie bald dir die in den der Friede durchwebte die Wehmut erCrt, allein ärger noch sind die Burschen mit ihren bösen Blicken. Die sehen mich Schoß fallen ," verseßte ich innig ergött zeugenden Visionen. Mechanisch überwachte nämlich an, als hätte ich ihnen etwas durch die holde Einfalt des lieblichen Mäd- ich das unter den regelmäßig geschwungenen gaitohlen." chens ; das Glück, wenn es den Menschen Riemen plätschernde Wasser. Jede leise 33 89. II.
=772Störung des regungslosen Elementes, jede noch so kleine, jedoch gewaltsame Bewegung zauberte wunderbar helles, phosphorisches Leuchten hervor, gleichsam wetteifernd mit dem auf dem Wasser schwimmenden Spiegel bild des Mondes. Weit abwärts war das Boot getrieben , aber deutlich , wie aus nächster Nähe, schallte der Lärm herüber, mit welchem die verspäteten Reisenden die Boote bestiegen und den Rückweg nach dem Dampfer einschlugen. Da weckte Carlotas Stimme mich aus meinem Brüten . „ Sieht der Herr den Schatten auf dem Wasser?" fragte sie geheimnisvoll. „Man sollte glauben, es sei ein Felszacken. Aber er regt sich , oder er schaffte keine feurige Bahn hinter sich." Ich folgte der angedeuteten Richtung mit den Blicken und entdeckte einen dreieckigen Gegenstand von der vierfachen Größe einer flachen Hand, welche in der Entfernung von etwa zwanzig Ellen gleichen Schritt mit dem Boot hielt. Das ist die Rückenflosse eines Hais, " fuhr Carlota gedämpft fort, als hätte die Nähe des Ungetüms ihr Scheu eingeflößt. „Der wittert Nahrung im Hafen , sonst Ginge wäre er nicht hereingekommen . einer von uns über Bord , so verschlänge er ihn in einer halben Minute. Möge die allerheiligste Jungfrau darüber wachen, daß da drüben kein Boot umschlägt oder ein Taucher seine Künste versucht um ein paar Cent. Rein Vogel fliegt schneller, als er hineilen würde, um seine Beute zu packen." „So sind dieſe Scheufale gefährlich hier?" fragte ich , den Hai aufmerksam beobachtend. In der Nähe der Stadt nicht, da ist das Wasser zu seicht für sie, um sich beim Angriff auf den Rücken zu werfen , aber hier vermöchte kein Mensch ihm zu ent rinnen. O , ich könnte Ihnen schreckliche Geschichten von diesen grausamen Tieren erzählen. Der da ist mit dem Dampfer hereingekommen. Er mag ihm schon seit Tagen gefolgt sein. Hoffentlich begleitet er ihn wieder hinaus . “ Ich spähte um mich. Die engen Straßen der Stadt hatten sich offenbar geleert, denn die Lichter bei den Tischen und Buden erloschen eins nach dem anderen. „ Wir wollen umkehren, " riet ich, „ die Fremden sind abgezogen , da gelingt es mir leicht, mich nach einem Hause durchzufragen, in welchem ich auf einige Tage oder Wochen Unterkunft finde. " Carlota warf das Boot mit einigen geschickten Ruderschlägen herum , zugleich den Hai überwachend , der einen weiten Bogen beschrieb und in gleicher Höhe mit uns ebenfalls die Richtung auf die Stadt zu verfolgte. "/ Wäre es Tag , dann möchten die jungen Männer sich wohl mit Geräten auf den Weg begeben, um den bösen Feind auf eine ordentliche Angel beißen zu lassen, " erklärte sie mit scharf hervorklingender Gehässigkeit , aber in der Nacht ? Santa Maria ! wer möchte es da mit einem sol chen Ungeheuer aufnehmen. “ Und in
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= 774:
|freierem Tone : „Der Herr ist also nach raschte mich die wunderbare Anmut , m einem guten Unterkommen aus ?" welcher sie sich trug und einherbewegt "Ja , mein Kind, ob gut oder schlecht. Schlank gewachsen, jedoch nur wenig übe Ich bin nicht verwöhnt und begnüge mich die Mittelgröße hinaus, und mit den breite Hüften schien jede Faser des jungfräuli mit einer erträglichen Lagerstätte. " ,,Da kann ich dem Herrn raten, " hieß blühenden Körpers aus geschmeidig. es bereitwillig, " ich stehe nämlich in Dienst Stahl zu bestehen. Das schwarze Har bei guten Leuten, die halten ein Gaſthaus sank in langen schweren Flechten tief übe offen für Fremde. Auch spricht die Frau ihren Rücken nieder. Ein kurzärmelige englisch. Sie ist nämlich eine Amerikanerin, Hemde von geblümtem Stoff umschlo aber schon seit einer Reihe von Jahren faltig den tadellos gebauten Oberförver im Lande. Sie heiratete einen Mexikaner, Von den Hüften fiel dann ein dunkel den Don Cenato. Will der Herr mir farbiger Flanellrock mit olauem Bandbeia folgen , so führe ich ihn dahin. Er wird bis auf zwei Handbreiten oberhalb de freundlich aufgenommen werden, und junge zierlich abgerundeten Knöchel nieder un Männer sind genug am Strande, die ihm an diese schlossen sich unbekleidete gebräunt für einige Cent den Koffer nachtragen." Füße an, die so tadellos geformt und s „Besseres wünsche ich mir nicht, Car- klein , als ob sie im Vergleich mit der lota, " antwortete ich erfreut, „da folge ich verlockenden Körper im Wachstum ei dir gern, wohin auch immer du mich führen wenig zurückgeblieben wären. magst. Habe ich aber durch dich irgend Ohne sich weiter um mich zu kümmern welche Erleichterungen zu erwarten , so schritt sie nach dem mit Flaschen un baue darauf, daß ich noch etwas zu dem Gläsern besetzten Schanktisch hinüber, hi ter welchem eine vielleicht dreißigjährig fehlenden Heiratsgut beitrage." Und Sie mögen darauf bauen , daß beinahe männlich gebaute Frau mit der Sie mir nur einen Wink zu geben brauchen, Ausdruck großen Selbstbewußtſeins die ve um mich sogleich zu Ihren Diensten zu den Gästen des Dampfers benutzten Trini haben , " erwiderte Carlota hoch beglückt, gefäße spülte. Zwischen den Lippen hie und schärfer peitschte sie die Fluten und sie eine brennende Zigarre, dieselbe in eine vergessen war das Meerungeheuer, welches Weise behandelnd, welche unzweideutig vo uns nur noch bis dahin begleitete, wo die langjähriger Gewohnheit zeugte. Seichtigkeit des Waſſers es in seinen freien " Mucho dinero blanco hoy, ) rid Bewegungen hinderte. Carlota der gutmütig dareinschauende Fast in demselben Augenblick, in wel- Wirtin zu , und eine Handvoll Münze chem das Boot auf den Sand auflief, aus der Tasche hervorholend, zählte sie de donnerte der zweite Kanonenschuß von dem für jene bestimmten Anteil ab, worauf i Dampfer herüber ; gleichzeitig sette das den auf sich entfallenden Reſt unter einige stolze Schiffsgebäude sich mit wachsender fröhlichen Bemerkungen in die Tasche zuruc Schnelligkeit in Bewegung. Mehrere junge flirren ließ. Dann wies sie auf mich, die Männer waren unterdessen, sobald sie Car- Bewegung mit einigen mir unverstän lota erkannten, herbeigeeilt, und auf beiden lichen Worten an die Frau begleiten Seiten die Bootsränder packend , schlepp welche von dieser mit beifälligem Neige ten sie es unter mutwilligem Jauchzen die des Hauptes beantwortet wurden . lezte kurze Strecke durchs Wasser und nach In demselben Augenblick ertönte eini dem trockenen Strande hinauf. Dort be- Schritte abwärts im Schatten der g durfte es nur eines Wortes Carlotas an räumigen Halle das ungeduldige Schrei die ihr mit unverkennbarem Wohlwollen eines Kindes, und als wäre dies ein R begegnenden wilden Gesellen , um eine für sie gewesen , flog Carlota förmli neue Bewegung unter ihnen zu erzeugen . | herum. Gleich darauf ſtand ſie vor eine Nach kurzem geräuschvollen Ringen um eigentümlichen kaſtenartigen Geſtell , mi den Vorzug, ihr zu dienen , nahmen zwei ches an zwei Stricken von der Decke niede den Koffer zwischen sich, und gefolgt von hing. Nachdem sie einen mit beschi den lustigen Bemerkungen ihrer Genossen tigenden Worten geeinten Blick in da schlugen sie die Richtung nach dem Gast- selbe geworfen hatte , gab sie ihm ein leichten Stoß , daß es hin und her hause ein. schwingen begann. Zugleich hob sie n 31. Kapitel . ungewöhnlich heller klangvoller Stim Im Gasthause. zu singen an. Ein Wiegenlied war Nachdem ich mit meiner lieblichen , kind- nach dessen Takt sie die Schwingung lich heiteren Führerin etwa fünf Minuten regelte. Ein Ausdruck herzlicher Befriedigu Wegs auf der mäßig ansteigenden Straße, welche in ihrer Verlängerung als niedrige glitt über das nicht unschöne Antlig Allee sich nach dem Fort hinzog , zurück- Mutter hinter dem Schanktisch. Sie na gelegt hatte, bog Carlota auf ein umfang die Zigarre aus dem Munde, und mit reicheres Gebäude zu . Einstöckig und mit spitten Lippen eine recht anſehnliche Rau flachem Dach trug es ein echt merikanisches wolke von sich blasend, kehrte sie sich Gepräge. Fenster und Thüren standen zu. " Kleine hilflose Kinder verdienen weit offen. Durch dieselben drang ver- allem Aufmerksamkeit, " redete sie mich hältnismäßig heller Lichtschein ins Freie. unserer gemeinschaftlichen Mutterspra Carlota ging voraus, und erst jest, nach an , "1 und jezt stehe ich Ihnen ganz dem sie eingetreten war und die Beleuch1) Viel klein Geld heute. tung mehrerer Lampen ſie voll traf, über- |
Balduin Möllhauſen .
Das Haus Montague.
777 776 Dann verschwand er auf lange Jahre , bis Diensten. Carlota775 sagte mir, Sie wären | wollte ich nicht zurückbleiben , und weil die er plöglich wieder einmal da war. So lebt er zur Zeit hier in der Stadt ?“ nicht abgeneigt, auf unbestimmte Zeit hier Zigarretten unhandliche Dinger und einem ognung zu nehmen. Ist es bei uns betriebsamen Menschen stets im Wege, griff fragte ich, meine heftige Erregung gewaltnicht wie im Astorhause in New York , so ich zur Zigarre ; die ist obenein besser auf sam bekämpfend und von dem einzigen foll es Ihnen doch an nichts fehlen , was unser Klima berechnet . Ja, an die fünf Gedanken beseelt , nunmehr nahe vor der zur Bequemlichkeit gehört . Und ein guter zehn , sechzehn Jahre bin ich in Acapulco Lösung des mich unablässig marternden Landsmann darf schon etwas höhere An- ansässig . Kam als junges Ding auf der Rätsels zu stehen . Der und in der Stadt ?" hieß es fprüche erheben als jeder andere . Mein Reise nach Kalifornien mit meinem Vater fts n Man befindet sich auf einem Geschä hierher, und als ich meinen Mann kennen spöttisch zurück . „ Der duldet so wenig ausfluge ins Innere des Landes , sonst lernte , meinte ich, das Brot möchte mir vier Wände um sich wie das Getier des hier nicht schlechter schmecken als in San Waldes . Freie Luft und keinen Herrn mirde er Ihnen dasselbe sagen ." Francisco , und leid ist mir's nicht gewor- über sich, das sind seine zehn Gebote . " Ein gewisses Zutrauen erweckendes den bis auf den heutigen Tag . " Also ein Vagabund ," verseßte ich, „So läßt sich voraussehen , daß Sie und " ein unbeschreibliches Gefühl bitterer Bohlwollen offenbarte sich in ihrer Stimme, und die Zigarre zwischen die Lippen neh mit dem größten Teil der Stadtbevölkerung Entsagung mochte aus meiner Stimme hermend, verschleierte sie ihr Antlig abermals mehr oder minder bekannt sind ?“ ngen . tin „Es läuft kaum eine barfüßige Range" vorkli Die Wir sah mich scharf an. Er: mit einer Rauchwolke . Ich war zu ihr herangetreten und reichte über die Straße , deren Name mir fremd .' staunen prägte sich in ihren Zügen aus. hr unter Ausdrücken der Dankbarkeit die Ich schöpfte tief Atem . Es kostete Dann rief fie Carlota herbei , und aus Hand. Dann mit den Armen mich auf mich Ueberwindung , zu erwidern : ,,Da wäre Höflichkeit gegen mich der englischen Sprache den Tisch lehnend , fuhr ich fort : " So soll es nicht unmöglich , daß ich von Ihnen sich bedienend, sagte sie zu der Herantreten mein Erstes sein, daß ich in einem Glase Aufschluß über jemand erhielte, der vor den : „ Schau den Herrn an, Carlota ; fällt Kaliforniawein Ihnen ein gutes Glück zwölf Jahren ungefähr hier eingewandert dir an ihm irgend etwas auf?" Carlota runzelte die schwarzen Brauen für Sie und Ihre Nachkommenſchaft zu sein soll. Damals war er noch ein Knabe. n ige tinist dten ein en cht ck Wir sansei flü trinte, vorausgesett ich fordere nichts un- JohDie Bli ein wenig , wie um dadurch die Sehkraft n Blo unt me Na ." a hinüber , die noch immer über ihrer prachtvollen erotischen Augen zu verlot zu Car s iche mögl hts ." Unmögliches , " antwortete die die seltsame Wiege hinfang , dann verseßte schärfen . Meine Blicke hingen unterdeſſen Nic Stau selbstbewußt , und unter den Tisch sie, ihre Stimme ein wenig mäßigend : mit ängstlicher Spannung an dem bräungreifend , zog sie eine umfangreiche Korb John Blount ? Wer kennt nicht den John lichen holden Kinderantlig . Plöglich leuchflasche hervor, hier finden Sie ſo feurigen Blount ? Thut er doch alles mögliche und tete es in den samtweichen Zügen hell Raliforniawein , wie nur je welcher in unmögliche , um sich bei den Leuten in auf. Dunkle Glut schoß in ihre Wangen . ben eljentellern von San Francisco seine Santa Maria !" rief sie aus , ihre " im Erstaunen ineinander legend ; Sie füllte ein großes frischem Gedächtnis zu erhalten. " Neife erlangte." Hände and ein fleineres Glas , und ersteres mir Doch nichts Schlechtes ? " fragte ich , man sollte es gar nicht glauben , Sennora! " d daß ich's jetzt erst entdecke ! Aber uschiebend , fuhr sie fort : " Auch sollen Sie un m Atem . mit verkürzte mcht über Mangel an guter Sitte klagen , „ Schlechtes gerade nicht , aber zu loben es war schon dunkel , als ich den Herrn oder daß ich Ihnen nicht herzlich entgegen- ist's nicht , wenn er im Streit jemand mit von dem Dampfer abholte ." Dann geh wieder zu dem Kinde , bevor Sie stieß mit dem klei- der Messerklinge durchs Gesicht fährt oder gefommen wäre . " meten Glaje an das meinige und meinte sich am Schmuggeln beteiligt. Nun , das das Bett still steht , " sprach die Wirtin, Ladend : Wer hierher verschlagen wird, hat er abgesessen oben im Fort mit vollen Carlota nicht minder wohlgefällig betrach findet nicht viel Großstädtisches ; das hin brei Wochen, da mag ihm die Lust zu dem bert indessen nicht , daß auch Acapulco gefährlichen Gewerbe etwas vergangen sein . " tendC. arlota that , wie ihr geheißen war, feine Schönheiten besigt . Also willkommen Nicht achtend , daß ich, meine peinliche stellte sich aber neben dem schwingenden Shnen und gut Glück zu uns beiden . " Spannung verheimlichend , in eine andere Kasten so auf , daß sie mich im Auge zu Sie leerte ihr Glas in einem Zuge, Richtung fah, fandte die Wirtin abermals behalten vermochte . In dem Bewußtsein , n und mir einen gleichsam kameradschaftliche einen rätselhaften Blick zu Carlota hin- von ihr scharf überwacht zu werden , beBlid zuwerfend , sprach sie redselig weiter : über, die, fortgesetzt singend , mit wunder fleißigte ich mich nach besten Kräften einer So, Fremder, jest sind wir gute Freunde, barer Anmut ihren Oberkörper den Schwin- sorglosen Haltung . Namentlich vermied nd was auch immer Sie wünschen , geben gungen des Kastens folgen ließ . Dann kehrte ich , ihren seltsam forschenden Glutblicken ie frei fund . Küche und Keller sind zu zu begegnen ; denn mir war, als hätte sie h mir wieder zu. hren Diensten , und sobald Carlota den fie fic ,,Neigen Sie sich mir ein wenig näher, in meinem Innern lesen müssen , wie da nebenbei mein Jüngster von daß ich leiser sprechen mag , " bemerkte fie die widersprechendsten Empfindungen mitangen in den Schlaf gesungen hat, zutraulich , das Kind da braucht nicht zu infen er . selhaft ," sprach ich ge fie Ihnen eine Schlafkammer einrichten , hören , was "!ich sage, und einem Landsmann einand „ Dasran istgen rät or ad en l ber r s rn " tei on f hn h n wa enü che be mit et sch sic geg dar ma ein Go wel zu wo dämpft zu der Wirtin , die sich ebenfalls gn fiue äuhe beauich habr chtkei ." ne Bedürfnisse," famer sein. Also den John Blount suchen über den Tisch hinneigte und neugierig in zurlsc cht„Vo twortete ich ergößt durch das wunder Sie? Nun ja , der war eines Tages da, meinem Antlig suchte , ich gewinne den mannhafte Wesen der guten Frau, als wäre er vom Himmel heruntergefallen , Eindruck, als ob ich Aehnlichkeit mit irgend ann aber nicht umhin , einzugestehen , daß und weil er nicht aus noch ein wußte, gab jemand trage , wohl gar mit dem vermich bereits heimisch unter Ihrem Dach ich ihm Arbeit ums Brot und Kleidung . rufenen John Blount ." „ Sie sagen es , Herr , " bestätigte die r Ein anstelliger Junge war er , aber wild le. Hätte ich doch nicht vermutet , hie nnin mä ds an er _L sen es en n r ach ch ent he re li e in gew b nt tin de r em e im Wirt Pa daß übe ein . halIchaus wi geheimnisvoll , und ehrlich gestandes Kon En fdeiner an dachte mir gleich, Gebirg sode freund ammenzutreffen . Sie müssen schon lange kurz oder lang jemand kommen würde, um den, ich vermute , daß John Blount wohl Acapulco wohnen , um mit dem bösen nach ihm zu suchen ; meinte ich doch , feines gar ein Verwandter von Ihnen ist." Dbma sowohl wie mit den Landessitten Blut in ihm zu erkennen , weil er sich von wohl noch immer zweifelnd , neigte ich beinahe keinem anderen als von mir wollte be unwillkürlich das Haupt zustimmend, und Was nennen Sie Landessitte ?" fragte fehlen lassen . Leider hielt er nicht lange die Wirtin fuhr redselig fort : „Unter solend, „ rren bei uns aus . Das Leben war ihm zu ein chen Umständen haben Sie ein Anrecht , waha ß nich dabe lach Wi tetzu raut rtin ?" Ziga gemach vert the wie ein Flaneur auf dem Broad- förmig , und von der Arbeit , die ich ihm das Nähere zu erfahren . John Blount ich gehöre nämlich gab , erklärte das Bürschchen , daß sie gut und das Mädchen da drüben sind nämlich in New York aber wo alles rauchte , genug für Mägde, aber nicht für ihn sei.einig geworden , einander zu heiraten
#zu Hause
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C. Ungermann.
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Kriegsdrangſale einer sächsischen Landpfarrei. 779:
armes Gesindel ; mit ihren liebeheißen Her- | Carlota begleitete ihn , und dazu gehört zen und leeren Taschen werden sie noch mehr Geld , als die beiden je in ihrem manches Jährchen warten müssen , daher Leben vor Augen sehen werden. Nein, hüllen sie ihr Uebereinkommen vorläufig nein, damit ist's nichts ; denn besäßen sie noch in Geheimnis . Hierher darf John wirklich Ueberfluß , so würden sie lieber Blount nämlich nicht kommen, oder er sigt den John von der Strafe freikaufen, und wieder im Fort , eh' er das erste Glas kämen obenein billiger dazu als mit der Wein über seine Zunge schüttete ; da bleibt Flucht. " dem armen Volk freilich nichts anderes „Er könnte also freigekauft werden ?" übrig, als ganz verstohlen sich zu sprechen. " fragte ich erregt. " So ist eine neue Missethat auf seine „ Sicher," bestätigte die Wirtin, „ denn Rechnung gekommen ?" fragte ich, und mein laut vor Zeugen erklärte der Alkalde, John Herz sank in demselben Maße, in welchem Blount müßte aufs Fort in den Kerker die Zweifel über John Blounts Persön- oder seine hundert Dollar Buße zahlen. lichkeit schwanden. Recht wie Hohn klang es, denn woher sollte ,,Nunja, wenn Sie es Missethat nennen, der so viel Geld nehmen ? Vielleicht hegte er daß er dem Alkalden, der seinem Mädchen auch den Hintergedanken , die Summe nachstellte, auflauerte und ihn beinah zu selber vorzuschießen , und dadurch wäre schanden schlug. Das heißt, er fuhr nicht der Schlingel sein Peon oder Leibeigener gleich auf ihn ein, sondern forderte nur geworden. Und der Alkalde hat eine eigene Rechenschaft von ihm. Weil der Alkalde Art , dafür zu sorgen , daß seine Peons ihn aber einen Lump nannte und ihm ver aus den Schulden nicht herauskommen ; bot, sich um anderer Leute Angelegenheit von John Blount aber weiß jeder , daß zu kümmern, ihm auch Höflichkeit anriet er lieber stürbe, bevor er nur einen Tag als und daß er den Hut vor ihm ziehen sollte, Leibeigener vor den Leuten einherginge. " schlug er ihn braun und blau. Dabei beNachdenklich sah ich zu Carlota hinüber . schwor er, daß er überhaupt nur vor seinem Ihr Singen hatte sie eingestellt. Sich über Herrgott das Haupt entblöße. Nun ist das schlummernde Kind hinneigend, küßte aber solch ein Alkalde selber ein Gott in der sie dasselbe. Einen durchdringenden Blick von ihm regierten Stadt, daß er den Men warf sie auf mich , kehrte sich aber hastig schen, die ihm nicht angenehm , das Leben ab , als sie dem meinigen begegnete , und recht sauer machen kann. Nachdem er also schweigend verließ sie die Halle. Mich der seine Schläge aufgeladen hatte, schickte er Wirtin wieder zukehrend , entdeckte ich in sogleich Leute aus, um John Blount ver- deren Zügen teilnahmvolle Neugierde . Es haften zu laſſen , und geschah das , gab's mochte eine Ahnung in ihr aufsteigen, daß ein großes Unglück. Seine Zeit hätte zwischen John Blount und mir nähere John Blount wohl ruhig abgesessen , kam Beziehungen walteten, als einzuräumen ich er aber frei, so hätte ich nicht die Asche für gut befand. Da ich mit der Eröffnung meiner Zigarre für des Alkalden Leben eines neuen Gespräches säumte, füllte sie gewagt. Denn es ist erstaunlich, was für mein Glas , und es mir zuschiebend , sprach ein Hochmut in dem Schlingel wohnt, und sie freundlich : "Hier, Herr, trinken Sie eins. doch kann ihm keiner ernstlich gram sein. Wenn jemand sich mit Sorgen trägt, ist So fand sich denn auch jemand, der ihm ein guter Trunk das beste Mittel , die zutrug, daß der Alkalde ihm an den Kragen Raupen aus dem Kopfe fortzuspülen. “ wolle, und seitdem hat er sich nicht mehr Ich trank mechanisch. Das Bild meines in der Stadt blicken lassen. Denn auf nunmehr mutmaßlichen Bruders tauchte per anderen Seite der Verge, wo er als häßlich verzerrt vor mir auf. Ich erschrat Vaquero bei den Hacienderos Dienst leistet, förmlich, und mich haſtig aufrichtend, fragte möchte man ebenso leicht einen Hirsch leben- ich dringlich : "! Es waltet also kein Zweifel, dig einfangen wie ihn auf seinem Teufels- daß die böse Angelegenheit mit Geld aus pony. Kein Wunder daher , wenn das geglichen werden kann ?" "Zuverlässig , ich wiederhol's . Fände mit der Liebe zwischen ihm und Carlota nicht ausgeschrieen wird und sie bei ihren sich jemand , der für ihn einträte , so beZusammenkünften große Vorsicht walten reitete das Loskaufen keine Schwierigkeiten . " Wo finde ich den jungen Mann ?" Das einzige Gute ist, daß der lasjen. Alkalde sich nicht mehr um das Mädchen fragte ich gespannt ; " bevor ich irgend kümmert. Er mag begreifen, daß er vor welche Schritte zu seinen gunsten thue dem John Blount keine Stunde sicher und ich vertraue Ihnen an, daß ich dazu muß ich ihn gesehen und gewäre. Vielleicht trachtet er auch, Carlota bereit bin auf ihren Wegen überwachen zu lassen, sprochen haben." ,,Das klingt herzlich, " meinte die Wir auf daß sie selber ahnungslos zum Verräter an ihrem Schah werde. Er sollte tin, wenn auch nur um Carlotas willen, mit seinen Schlägen nur zufrieden sein, augenscheinlich von ehrlicher Teilnahme für oder die Feindschaft des wilden John möchte den wilden Gesellen erfüllt, „doch mit je ihm noch gefährlich werden." mand zusammenzutreffen, der sich verborAuf alle Fälle verging er sich schwer gen hält und keinen Menschen ohne Argwohn gegen die Obrigkeit, " versetzte ich ernst, betrachtet , ist leichter ausgesprochen als und um der Schande einer längeren Ge- ausgeführt. Sieht er Sie aus der Ferne fangenschaft zu entgehen, wäre es am rat und merkt, daß Sie nach ihm ausschauen, samsten, er verließe diese Gegend gänzlich. " so wittert er Verrat und verschwindet, als Das geschicht nimmermehr, " beteuerte hätte die Erde ihn verschlungen. Das die Wirtin zuversichtlich, " es sei denn, einzige wäre, daß Sie dem Mädchen heim-
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| lich nachschlichen , wenn es sich auf den Weg zu seinem Schatz begibt. Ich halt: Sie nämlich für einen Gentleman , der nichts Arges gegen das junge Volk im Sinne hat. " " Gerade das Gegenteil ; es schwebt mir daher vor, Carlota offen und ehrlich um ihre Vermittelung zu ersuchen. " „Die traut Ihnen so wenig wie jedem anderen, solange auch nur der Schimmer einer Möglichkeit des Verrates vorliegt. Nein , Fremder, der Versuch lohnte ſich nicht der Mühe. Ich will mir indeſſen dieAngelegenheit beschlafen ; denn auf Grund der großen Aehnlichkeit traue ich Ihnen die besten Absichten zu , und da wäre es sündhaft, Ihnen nicht ein wenig zur Hand zu gehen. Carlota muß nächstens wieder über die Berge, um Federvieh für die Küche einzuhandeln, und das ist die Gelegenheit, bei welcher sie sich gewöhnlich mit John Blount zusammenstiehlt. Ich will sie das her aushorchen und danach meinen Plan entwerfen . Ich vermute wenigstens, daß die beiden die Tage ihrer Zuſammenkünfte lange vorausbestimmen, um sich gegenseitig nicht zu verfehlen. Ihnen dagegen rate ich dringend , mit dem Kinde selbst kein Wort darüber zu reden, auch nicht zu thun, als ob Sie um den John Blount wüßten. Denn Carlota ist scharfsinnig wie eine Fischotter ; die braucht nur einen Blick in anderer Leute Augen zu werfen , und ſie liest deren Gedanken wie in einem Buch." (Fortsetzung folgt.)
Kriegsdranglale einer Sächsischen Landpfarrei. Tächſiſche Von C. Angermann.
n den kürzlichngten Familienpapieren fand ich unter anderen das Bruchstück eines Heftes , das, wie ſich ergab, von der Hand meiner mütterlichen Großmutter geschrieben ist. Offenbar hat ihr dasselbe ursprünglich lediglich als Ausgabebuch dienen sollen. Aber bei der Eintragung aller der Ausgaben, die ihr das Kriegsjahr 1813 auferlegt , hat ihr die Größe der Ereignisse sozusagen die Feder in die Hand gedrückt , so daß auš dem Ausgabebuch allmählich ein förmliches Tagebuch wird. Mir will es scheinen, als ob gerade jezt, wo dank der Entstehung des neuen Deutschen Reiches wir im inneren. Deutschland wenigstens ein Gefühl der Sicherheit vor unmittelbarer Kriegsgefahr haben, wie es viele Generationen vor uns nicht hegen konnten , es ganz besonders angezeigt wäre, sich zu vergegenwärtigen, was für Drangsale unsere Großeltern zur Zeit der napoleonischen Kriege sowohl von Freund wie Feind auszustehen gehabt haben, um dadurch die Gegenwart um so mehr schäßen und lieben zu lernen . Einen Beis trag dieser Art werden, wie ich hoffe, die
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schlichten und doch in ihrer Weise so be- dem rechten Flecke hatte. Im Jahre 1796 redten Aufzeichnungen meiner Großmutter verheiratete sie sich mit Heinrich August abgeben. Richter, der damals Diakonus in RadeZunächst sei über den Schauplatz und berg , von 1803 an Pfarrer in Ottendie Zeit der geschilderten Vorgänge, sowie dorf war. Mit diesem lebte sie in acht über die handelnden oder vielmehr leidenden | unddreißigjähriger glücklicher Ehe bis zu ihrem 1834 erfolgten Tode. Nicht weniger Personen folgendes vorausgeschickt . In nordöstlicher Richtung von Dres- als zwölf Kinder entsprossen diesem Bunde, den, ungefähr 16 Kilometer entfernt, liegt aber nur vier von ihnen sind zu reiferen ein ziemlich ausgedehntes, jest blühendes Jahren gelangt , darunter meine Mutter Kirchdorf , das den in Sachsen oft vor als das jüngste Kind. kommenden Namen Ottendorf führt. Mein eben erwähnter Großvater, geb. Das westliche Ende desselben, unweit von 1766 , 8. Febr. , entstammte einer alten Kirche und Pfarre, wird von der von Dres- sächsischen Pastorenfamilie , die nachweisden nach Königsbrück führenden Straße lich von 1634-1808 , wo sein Bruder durchschnitten. Lettere Stadt ist ebenfalls starb, ein und dieselbe Pfarrstelle , Pouch in nordöstlicher Richtung ungefähr noch bei Bitterfeld, innegehabt hat. Nach alle10 Kilometer entfernt. Ungefähr gleich dem, was ich über ihn von meinem Vater, weit ist es nach der südöstlich gelegenen seinem Schwiegersohn und Amtsnachfolger, Stadt Radeberg , sowie nach dem nord- sowie von meiner Mutter und anderen westlich gelegenen Städtchen Radeburg . Verwandten erfahren habe , war er ein Diese ganze Gegend ward vom Krieg un energischer Mann, der in Haus und Gemittelbar berührt, als Napoleon nach der meinde streng auf Zucht und gute Sitte Schlacht bei Dresden (27. Aug. 1813) sah. Nicht scheute er sich, vorkommenden den Versuch machte , sich auf Blücher zu falls sich mitten in der Predigt zu unterwerfen, der mit seiner schlesischen Armee brechen und zu rufen : Ein jeder wecke am 26. Aug. Macdonald an der Katzbach seinen schlafenden Nachbar auf." Noch geschlagen hatte und nunmehr nach Westen heute steht bei der ältesten Generation der vordrängte. Bekanntlich wich Blücher durch Gemeinde , der er ein treuer Seelsorger seinen berühmten Rechtsabmarsch der von bis zu seinem 1845 erfolgten Tode war, Napoleon sehnlichst gewünschten Haupt- sein Andenken in hohen Ehren. In seiner schlacht aus , um weiter nördlich bei Warten- wissenschaftlichen Bildung ragte er weit burg am 3. Oft. die Elbe zu überschreiten über das Niveau der damaligen Landund so die Nordarmee unter dem unzu pfarrer hervor. Namentlich wurden seine verlässigen Kronprinzen von Schweden ausgebreiteten Kenntnisse in Kirchen- und mit sich fortzureißen. Doch ehe es dazu Profangeschichte allgemein gerühmt. Noch fam, stießen erst in der Lausit, dann auf wenige Stunden vor seinem Tode er der Linie , die ungefähr durch die Städte örterte er mit meinem Vater historische Königsstein (links der Elbe) , Bischofswerda, Fragen. Den Grund zu seinem Wissen Bulsnig , Königsbrück , Großenhain be hatte er auf der Universität Wittenberg zeichnet wird, einzelne feindliche Abteilungen gelegt, wo er als Student ein begeisterter aufeinander. Bei diesen mannigfachen Schüler des Kirchenhistorikers Johann Vorstößen und Rückzügen ward nun auch Matthias Schröckh, sowie des nachmaligen das Dorf Ottendorf, entsprechend seiner sächsischen Oberhofpredigers Franz VolkLage an einer von Dresden , dem Stüßmar Reinhard gewesen war. Schröckhs punkt Napoleons ausgehenden Heerstraße, zahlreiche Schriften hat er sich nach und stark in Mitleidenschaft gezogen . nach alle angeschafft , wie er überhaupt Es kommt noch dazu, daß es an dieser eine große Bibliothek hinterlassen hat, die Straße gerade da liegt , wo dieselbe von zum Teil , wie z . B. Schröckhs Werke, dem Straßenzuge Bischofswerda - Rade- schließlich in meine Hände gelangt ist. Nicht unerwähnt will ich lassen , daß berg = Radeburg = Großenhain geschnitten wird. einer der nächsten Amtsnachbarn meines Was nun die Persönlichkeit der Ver- Großvaters , der auch in verwandtschaft: faſſerin dieſer Mitteilungen betrifft , so licher Beziehung zu ihm stehende originelle sei folgendes bemerkt. Johanna Friede- Pfarrer Samuel David Roller in Lausa rike Theodosia war als die dritte Tochter war, eine der frühesten Erinnerungen meiner des Stadtkämmerers Haase in Pirna am eigenen Kindheit. In seinen Jugend13. Juni 1772 geboren. Mütterlicher- erinnerungen eines alten Mannes " hat seits stammte sie von dem kursächsischen Wilhelm von Kügelgen da , wo er seinen Kanzler Bayer ab , der einst 1530 5as zweiten Aufenthalt bei dem von ihm hoch deutsche Exemplar der confessio Augustana verehrten Roller schildert , auch meines auf dem Reichstag zu Augsburg mit so Großvaters gedacht , als „ des würdigen lauter und deutlicher Stimme vorgelesen Patriarchen inmitten einer blühenden Fahat, daß auch die auf dem Hofe Stehenden milie. " feine Worte noch hatten verstehen können . Die äußeren Verhältnisse meiner Groß Die Schulbildung meiner Großmutter muß eltern müssen, wenn auch keine glänzenden eine für die damalige Zeit gute gewesen. - das Einkommen der Pfarrstelle wird sein , wie ihre Aufzeichnungen beweisen. Anfang dieses Jahrhunderts kaum sieben Zugleich aber ward sie sicherlich schon in hundert Thaler betragen haben doch dem finderreichen Elternhaus zur tüchtigen, wohlhäbige und durch Sparsamkeit und umsichtigen und sparsamen Hausfrau er- Wirtschaftlichkeit trot ausgedehntester Gastzogen, die jederzeit Herz und Zunge auf freundschaft wohlgeordnete gewesen sein.
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| Wie es früher auf Landpfarren fast allgemein geschah , so bewirtschafteten auch meine Großeltern einen Teil des großen Pfarrgutes selbst. Hierdurch , sowie durch die damals noch üblichen Naturalabgaben der Gemeinde an den Pfarrer wird es erklärlich, daß meine Großeltern den an sie während des Krieges gestellten großen Anforderungen an Lebensmitteln immer noch so ziemlich haben nachkommen können. Ich lasse nun die Aufzeichnungen meiner Großmutter folgen, indem ich nur die notwendigen Veränderungen in Orthographie und Interpunktion, sowie einige sich nötig machende Zusammenziehungen vornehme. Noch in die Zeit des bis zum 10. Aug. reichenden Waffenstillstandes gehören folgende Bemerkungen : Den 26. Juli. Vier Italiener baten um Brot , Butter und Bier. Elende Menschen. 12 Groschen. Den 7. Aug. Einem sächsischen Kürassierlieutenant, Frhrn . von Seckendorf, Abendessen und Frühstück gegeben . 18 Groschen . Den 9. Aug. Einen französischen Wachtmeister-Major zu Mittag gehabt mit seinem Bedienten, welchen er an seinen Tisch siten ließ und mit selbigem Kameradschaft hatte. Sie machten am andern Tage in Dresden Parade und kamen um 4 Uhr wieder. Am andern Morgen zogen sie ab. Verpflegung 2 Thaler 1 Groschen. Ueber die Schlacht von Dresden selbst fehlt jede Bemerkung, was auch nicht zu verwundern ist , da dieselbe lediglich auf dem linken Elbufer geschlagen ward. Dagegen stehen offenbar mit Napoleons Zug gegen Blücher die folgenden Aufzeich nungen im Zusammenhang. Den 3. Sept. Nachts 1211 Uhr kam der Amtssteuereinnehmer und sagte , wir sollen aufstehen, es käme Einquartierung. In das Dorf kamen überhaupt 500 Mann . Wir bekamen 4 Offiziere, 6 Bedienten und 16 Pferde. Heu und Hafer schaffte die Gemeinde , Stroh zum Streuen nahmen wir aus der Scheune von den Pächtern und bezahlten es nachher. Die Verpflegung der gemeinen Soldaten an Brot, Butter, Käse, Bier , Branntwein und Erdbirnen betrug 2 Thaler. Den Offizieren habe ich dreimal Kaffee gemacht. In Zucker waren sie unersättlich. Die ganze Verpflegung 6 Thaler 12 Groschen. Es waren polnische Ulanen. Sie waren sehr zufrieden. Dann (4.Sept.) zogen 50-100000 (!) Mann durch das Dorf. Infanteristen kamen viele herein , nahmen mir mein ganzes Obst , Aepfel und Pflaumen , die noch nicht reif waren. Butter, Brot, Bier rissen sie mir aus der Hand. Entseßlich viel Salz nahm mir einer der Soldaten weg. Konnte ich doch rechnen , daß sie mir auf 4-5 Thaler kosteten. Flaschen und Gläser sind mir beim Durchzug weggekommen. Die ganze Nacht habe ich das Feuer auf dem Herd und im Bratofen unterhalten müssen. Den 5. Sept. Sechs Soldaten Brot und Butter gegeben, desgleichen den 7. Sept. acht Soldaten Brot, Butter und Bier.
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Den 8. und 9. Sept. war großer Marsch. | meinem Manne , Servietten , Kopfziechen keit für so viele Offiziere ein gutes FrühEs kamen Offiziere , die hier Quartier und Schnupftücher. Aus einem Kasten nah- stück hernehmen sollte. Jedoch schaffte ich machten, ein Colonel , 7 Hauptleute, 10 men sie meiner Frizel (der ältesten Tochter) in der Kürze folgendes herbei : 8 BouBediente, ein Koch, eine Frau und 7 Mann ihr neues schwarzseidenes Kleid, mein großes teillen Wein, Schweinebraten ließ ich bei Wache. Diese mußte ich alle füttern . Auch Umschlagetuch , einige Kattuntücher, neue Herings (im Gasthof) holen , 30 Stück 21 Pferde waren mit in unserem Hofe. Leinwand , ferner zwei Flaschen Schnaps, Eier hatte ich noch , ebenso Käse , ſaure Die ganze Nacht mußte ich Feuer auf verschiedenes , was ich noch nicht weiß, Gurken , eingelegte Pilze , Butter , Brot dem Herde und im Bratofen erhalten, und Tabak, Braten , Butter , kurz alles war und Kaffee. Dies war es ungefähr, was die ganze Nacht brannten überall Lichter. ihre, und auf Zureden hörten sie gar ich in der Schnelligkeit zusammenbrachte. Diesen Abend und Morgen 20 Thaler ist nicht. Diese Diebsthat rechne ich auf einige Ich sollte es ihnen erst herausschicken, dann nicht zuviel. Dann kam noch dazu , daß 40 Thaler . Wir schrieen um Hilfe. Wie kamen sie aber alle herein und frühstückten unsere Bornwiese ganz ausgehütet wurde. Leute herbeieilten, fielen sie über diese her, bei uns . Es kam der Mittag heran, sie Dies war doch ein Schaden von 4-6 übermannten sie , warfen sie nieder und verlangten wieder zu essen. Ich schlachtete Thaler. Den morgenden Tag (9. Sept.) nahmen ihnen das Geld aus dem Schub- Hühner, hatte Rindfleisch, machte eine Eiersuppe, prägelte Erdbirnen, machte Fleischmußte ich noch jedem Butter und Brot sack. Dies war ganz schrecklich. mitgeben und ein Weinglas voll Schnaps . So wie der Morgen graute, kam ein keulchen, kurz alles, was ich hatte, mußte Dann kam ein französischer Obrist, Plaß- Preuße und erzählte, daß sie mit den Fran- herbeigeschafft werden. Acht Bouteillen major bei der Gendarmerie. Unsere Of zosen diese Nacht bei Klotsche scharmuziert Wein wurden wieder gebracht, Butter ging fiziere waren fort , und die Trainknechte hätten. Er bat um ein paar Flaschen diesen Tag auf 4 Kannen , Branntwein fouragierten entseßlich um und neben uns Wein für den Major und den Ritt- und Bier, alles war wie bei dem reichen herum , nahmen auch andere Sachen mit. meister. Wir gaben ihm diese und der Mann. Der Abend kam und mir wurde Ich klagte dies dem Obrist, der gut deutsch Vater ging selbst hin. Es mußte Brot nicht wenig bange, als ich auch ein Abendkonnte und ein Herz im Busen trug, das geliefert werden. Indem wir noch zu brot zurechtmachen mußte, und der Geneedel war. Dieſem erzählte ich unsere Leiden. | sammenpackten und sahen , was uns ral mit 10 Offizieren eine Streu verlangte. Teilnehmend hörte er mir zu und sagte : diese Nacht geraubt worden war , hörten Der Morgen brach an, ich_machte Kaffee Jest bleibe ich noch eine Stunde bei wir es schießen und sahen da entseßlich und es wurde noch keine Anstalt zum FortSie , dann lasse ich Ihnen einen Gen- viel Soldaten bei der Mühle gehen, reiten gehen gemacht. Der General meinte : darm zurück, und da soll ihnen für dies- und fahren. Ein dicker Herr sprengte die „Nun , Frau Pfarrerin , Sie werden uns mal kein Leid zugefügt werden." Es kam Straße daher und schäumte vor Wut. heute noch nicht los ; was werden Sie uns noch ein Offizier. Diese aßen miteinander Mein Mann ging ihm entgegen. Es war zu essen machen ? Fleisch sollen Sie be und wie sie fortgingen, blieb der Gendarm | der Württemberger General Normann ¹ ) , kommen. " Dies war freilich das allerda. Diesem mußten wir dann , nachdem der sehr erbost auf dies Dorf war , weil wenigste, jedoch kamen auch Hühner. Ich er sich satt gegessen und getrunken hatte, er in Okrylla (dem Nachbardorf von gab her, solange ich was hatte. Drei Tage 3 Thaler 16 Groschen bares Geld , eine Ottendorf) gefragt hatte, ob Kosaken hier habe ich die Offiziere ziemlich von meiner Bouteille Wein, ein großes Stück Braten, gewesen wären, und ein Mann ihm mit Haushaltung erhalten , dann hatten wir einen Wecken , Butter und Brot geben. "! Nein" geantwortet hatte. Nun wollte aber auch gar nichts mehr , und ich sagte Zusammen rechne ich diesen Mann 6 Thaler, der General plündern und zünden lassen. es dem General , der mir zur Antwort mußte aber sehr froh sein , daß ich ihn Mein Mann suchte ihm immer gut zuzu- gab: " Los werden Sie uns nicht, unsere hier hatte. Den Obrist und den Lieutenant, reden und bat ihn, bei uns ein Frühstück Wirtin müssen Sie bleiben , jedoch für die hier frühstückten, rechne ich 1 Thaler. | einzunehmen . Er ritt aber wieder fort. Lebensmittel will ich sorgen." Dies geDen 10. und 11. Sept. kamen sieben In einer halben Stunde schickte er einen schah auch. Doch habe ich in diesen sieben Soldaten, denen ich Suppe reichen mußte, Soldaten und ließ ein Frühstück für sich Tagen, was ich noch weiß, folgendes einauch Butter und Brot. und sechsundzwanzig Offiziere bestellen. gebüßt und zugesezt : In Lichtern und Den 15. Sept. kamen viele Kosaken, ' ) Das war nun ein sehr starkes Stück und Tabak haben wir müssen den ganzen Gedenen ich Branntwein und Brot geben ich wußte nicht, wo ich in der Schnellig- neralstab sieben Tage hindurch freihalten. mußte. Die darauffolgende Nacht war Alle Abende brannten 14 Lichter und zwei Karl Friedrich Lebrecht Graf von Normann, geb. Lampen , und 4 Lichter die ganze Nacht die schrecklichste, die wir erlebt haben. Es 1784,1) war einem alten Adelsgeschlecht Rügens entſproſſen, war gleich 12 Uhr, als es heftig an un- von dem sich ein Zweig nach Württemberg gewendet hatte. hindurch. 10 Pfund Lichter , 8 Pfund sere Pforte anklopfte. Als wir nicht gleich Kürasferregiment Jahren war Schon mit fünfzehneingetreten, in ein docherschon nachösterreichisches vier Jahren Tabak, 2 Kannen Del, eine Tonne Bier, aufmachten , wurde die Hofthür aufge- nahm er wieder vaterländische Dienste. Bei den verschie 5 Kannen Butter, 2_Kannen Rahm tägsprengt. Ein Kosak und zwei Husaren densten Gelegenheiten durch Tapierkeit er sichbereits Besonnenheit aus, so zeichnete daß er 1812 als Oberst und des lich , außerdem 8 Kannen Branntwein, verlangten mit aller Gewalt herein zur Leibchevaurlegersregiments mit nach Rußland jog. An 2 Pfund Kaffee, 3 Pfund Zucker, 8 Stück Mostwa ward er tapfer kämpfend verwundet. 1813 Hausthür. Wir mußten ihnen öffnen ; der erhielt er als Generalmajor das Kommando einer Reiter. Hühner , 3 Schock Eier , die ich mir zum denn schon hatten sie das eine Fenster brigade, an deren Spige er am 17. Juni bei Kitzen un. Winter gesammelt hatte. Brot rechne ich Leipzig wie man jegt wohl annehmen darf, hinter mit ihrer Picke durchstochen. „ Schnaps " weit das nicht. Ich hatte mir 2 Schock Kraut gegangen vom französischen General Fournier war ihr erstes Wort. Aber sogleich liefen Lükowsche Freiforps trotz des Waffenstilstandes fast ganz kauft . Das war ein guter Morgen. Möhren, sie auch die Treppe heran , durchsuchten der aufrieb. Nach Schlacht Zeit bei ,Dresden, während Sellerie , Kohlrabi , Petersilie , Bohnen, oben in Redederstehenden operierte also er selbständig Dies alles in der Stube und verlangten von zwischen Elbe und Schwarzer Elfter. In der Schlacht bei Erdbirnen, Zwiebeln , Salz, Essig, meinem Mann die Uhr. Auf seine Ant- tembergern Leipzig tratdergestalt er am 18.zu Oktober mit ungefähr 600 Würt. rechne ich nicht, aber wohl zu merken, daß den Verbündeten über , daß er wort , er habe keine, nahmen sie ihm sich freien Abzug nach Württemberg ausmachte. Doch mir eine Steingutterrine, 20 Stück Teller, den Geldbeutel mit ungefähr 7 Thaler verzieh I., König diese Eigenmächtig teit nie,ihm so sein daß König, ihm erstFriedrich 1817 unter Wilhelm die. 2 Paar gute Taſſen zerschmiſſen wurden, weg, durchsuchten die Betten, schmissen die Rückkehr nach Württemberg, nicht aber nach Stuttgart, meine große zinnerne Kaffeekanne einſchmolz, Kinder in den Betten herum, durchsuchten gestattet fonnte nie meine Bratpfannen , Töpfe und Tiegel, erlangen.ward, 1822 Militärische begab er sichRehabilitierung , als die Hellenen sichervom das ganze Bettstroh , gingen in meines Türtenjoch zu befreien suchten, nach Griechenland. Am alles entzwei gekocht, und was nicht ent 7. Februar in Navarino wo er die VerteidiMannes Bücherschrank, dann in das Schränk- gung dieses landete wichtigenerPlakes sofort , energisch in die Hand zwei gekocht, mir entwendet worden. Nicht chen , das in der Kammer steht , nahmen nahm. Zum Generalstabschef des Maurofordatos ernannt, übersehen konnte ich , was mir entwendet dann drei Stück silberne Speiselöffel, drei zeichnete er sich 1822 noch mehrfach aus, starbamaber bereits Wie am worden an Tischzeug und Meſſern. Den 15. November in Missolounghi Fieber. Stücksilberne Kaffeelöffel, vier Hemden von ein Fluch hat auf seinem späteren Leben die Meinung einen Tag über den andern mußte ich feiner Zeitgenossen gelastet, daß er in verräterischer Weise die Lützower vernichtet habe. Jezt kann wohl als allge. neues Tischzeug geben. Früh wurde Kaffee 1) Diese Kosaken werden wohl zu den Truppen des mein ausgemacht gelten, daß auch daran Napoleons Ver. getrunken. Um 9 Uhr wurde warm ge General Wasiltschikoff gehört haben, der am 15. Septem. logenheit und Heimtüde, die sich so oft gerade den rhein- frühstückt , allemal Suppe , Braten und ber die drei Stunden von Ottendorf entfernte Stadt Puls. bindischen Bundesgenossen gegenüber gezeigt, einzig und allein die Schuld trägt. nig besetzte ein Einschiebessen. Zu Mittag mußten
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ieben Schüsseln allemal sein ; dann wurde | worunter ein ruſſiſcher Doktor war , der Ein Kapitän und ein Lieutenant waren laffee getrunken, und Abends vier Schüsseln , mit meinem Mann alles Latein redete. unsere Gäste. Schon zuvor waren viele uch allemal frischer Braten. Ich wußte Sie aßen bei uns Suppe , ich hatte vier Franzosen hereingekommen, manche hatten icht , wie mir war. Nachmittags um 3 Uhr Tauben und briet ein Kuheuter, dazu machte höflich um Butter, Brot und Bier gebeten . ekamen gewöhnlich mein armer Mann ichKartoffelsalat und außerdem nochBrannt- Ein Grünmantel aber, der sehr gut deutsch ind die Kinder was zu essen. wein und Bier. Vier Soldaten mußte konnte,-verlangte drei Brote, nahm mir die Dies dauertebis Mittwoch (22. Sept.), ich auch zu essen geben. Den andern ganze Butter weg , riß alle Thüren auf, a fie früh 5 Uhr fortmarschierten ' ) . Sie Morgen tranken sie Kaffee, und ich sette nahm mir Eier und Branntwein aus dem adten aber auch alles ein. Ich bat um ihnen dann Butter , Brot und Schnaps Schrank, kurz, es war ein unbändiger Bube. in bißchen Branntwein , sie nahmen vor und hatte Rindsmaulsalat dazu, dies Am andern Tag kam er wieder und in ganzes Faß mit fort , auch diesen behagte diesen Herren, und sie zogen ihre wollte wieder dumm thun und verlangte wieder Brot und Butter. Wie ich ihm ekam ich nicht. Alle angeschnittenen und Straße weiter. anzenBraten wurden eingepackt, auch sieben Den 28. , Dienstag nachmittags hielten dies verweigerte , wollte er den Degen Frote, die noch da waren , kurz , es blieb eine Anzahl Kosaken vor unserer Thür. gegen meinen Mann ziehen . Mein Mann ichts für uns übrig als der Kot, denn Wir mußten aufmachen , und ein Ko- faßte ihn aber gleich , stieß ihn an die inser Haus und Hof sah aus wie ein sakenobrist mit Namen Silvanoff nahm Wand und hielt ihn fest , er wollte sich Schweinestall . Es war schrecklich . mit 4 Offizieren und 22 Kosaken hier wehren, wurde aber jämmerlich zurückgeDieser Tag ging ruhig dahin. Aber Quartier. Diese blieben alle hier im stoßen. Es waren Pfarrpachter in der er Donnerstag (23. Sept.) brachte wieder Hofe , und ich mußte sie von Dienstag Scheune, diese kamen uns zu Hilfe. Auf eue Angst hervor. Denn sowohl Würt bis zum Freitag (1. Okt. ) abends be das Geschrei , das nun entstand , kamen emberger als auch Franzosen rückten wieder föstigen und habe weiter gar keine Zu auch die Okryller unter Führung des n das Lager. Zwei Württemberger Offi- buße gehabt als 2 Gänse, die mir die Amtssteuereinnehmers herbei. Es waren iere baten uns , ihnen Essen ins Lager Richterin brachte. Es ging vornehmer zu noch drei andere Soldaten dabei , die waren u schicken. Am Kirchhofthor stand eine als bei dem General Normann. Ein Wort sehr höflich, wollten gern ein bißchen Brot Companie Franzosen. Die Offiziere, drei Deutsch konnte nur ein Dolmetscher, ein haben und baten meinen Mann , er solle der vier, waren immer unsere Gäste. Dies naseweiser Junge. Dieser peinigte nicht jenen gehen laſſen. Dies that auch mein auerte bis den Sonntagnachmittag (26. wenig. Diese Tage kosten mich zum wenigsten Mann. Jedoch ein anderer rief meinen Sept.) , wo der Befehl fam , alles Vich 20 Thaler. Denn während erst 14 Lichter Mann wieder heraus . Unterdessen nahm ollten die Soldaten forttreiben . Dies brannten , brannten alle Abende jezt 18, der Grünmantel seine Pistole hervor und var ganz schrecklich. Ein guter Offizier, und zwei Lichte die ganze Nacht durch legte auf meinen Mann an. Da waren er wie einheimisch bei uns war , mit in der Scheune, zwei unten in der Stube, mittlerweile die Dfryller angelangt , sie Ramen Rodrigus (?) , erhielt uns zur Zeit zwei Lampen auf den Treppen und im rissen ihm die Pistole aus den Händen, nire beiden Kühe. Das Lamentieren unserer Durchgang , eines bei den Kosaken und walkten ihn jämmerlich durch und wollten Bewohner war schrecklich. zwei beim Obristen. 7 Pfund Lichter gab ihn arretieren. Die andern aber baten In einer halben Stunde, wie die Fran- ich her , überallher ließ ich welche holen, für ihn , und so wurde er wieder losgeosen fort waren, kamen Russen 2), ein Ko- aus Radeberg, Radeburg und Königsbrück, lassen und mit einem Boten nach Hermsatenmajor und sieben Kosaken waren und ebenso nahm ich bei den Dorfkrämern dorf (dem nächsten nach Dresden zu genjere Gäste. Diese gingen den Montag die Lichte in Beschlag. Die Kosaken waren legenen Dorfe) geschickt . Unterwegs aber rüh (27. Sept.) wieder fort. An diesem so unhöflich , mir immer das Essen , das in den Hermsdorfer Tannen wurden ſie Lag war den ganzen Vormittag Marsch. ich für die Offiziere kochte, aus den Töpfen von Kosaken eingeholt und gefangen. Da sehr viele Preußen, wohl an die 30 , kamen zu mausen. Wenn ich dazu kam , feirten hatte der Grünmantel auf den Kosatenerein und baten um ein Stück Brot und sie mich an und sagten: "1Mutter , Kost offizier wieder schießen wollen , aber die Zutter, Bier, Milch und Branntwein. Ich gut. " Was wollte ich mit diesen dummen Kosaken hatten ihn gestochen , und so ist erſchnitt an diesem Vormittag 3 große Kerlen machen ? Auch im Garten waren er in Lausa im Hirtenhaus gestorben. So weit die Aufzeichnungen meiner 3rote. Einigen preußischen Offizieren mußte sie sehr ungenügsam. Ich war froh, wie h auchBraten geben. Zu Mittag gingen sie Freitag abends fortzogen. Noch muß Großmutter. Es folgen zwar noch einige iele Russen durch. Es wurde ein Lager ich bemerken, daß der französische General- Mitteilungen , denen jedoch der Schluß ezogen. Russische Jäger nahmen uns stab wie der russische die ganze Zeit von fehlt, da von hier an das Heft verstümmelt njer ganzes Grummet weg , auch nicht unserem Holze sieben Feuer in und außer ist. Immerhin wird das Mitgeteilte geinen Korb ließen sie da. Alles Bitten dem Hof unterhielt. Unser ganzes schönes nügen, um zu ermessen , welche Drangſale alf nichts . Es waren wohl zwanzig, die Holz , das von sieben Jahren her stand , dienapoleonischen Kriege über unserdeutsches Vaterland gebracht haben. Aber auch noch 5 wegholten. mußten wir preisgeben. Obgleich der General Umanzoff. (?) Am Sonnabend (den 2. Okt. ) gleich auf einen Punkt möchte ich hinweisen . So Zuartier hier bestellt hatte, so half es doch wie wir uns zu Tische sehen wollten, kam tüchtig auch die Verfaſſerin in diesen schweren ichts, und die Offiziere, die wir von der ein Kosakenmajor mit seinem Knappen, Zeiten sich als Hausfrau bewährt Straße hereinholten und baten, sie sollten ein alter Herr , aß da , schlief da und nirgends bricht eine Spur von patriotischem ns nur etwas Futter laſſen, kamen zwar frühstückte bei uns . Es mochte ein sehr Gefühl bei ihr hervor. Ob sie Franzosen, erein , aber Einhalt thaten sie diesem guter Herr sein , konnte aber kein Wort ob Russen oder Deutsche zu bewirten hat, ist ihr an und für sich gleichgültig . Und Ingestüm nicht. Dies ist für uns ein deutsch. Den 3. Okt. kam ein Kosak, verlangte kann man es bei ihr , der Sächsin, Schaden von einigen 40 Thaler, und 8 haler hatten wir erst gegeben für Hauen, Fleisch, Brot, einen Sack Hafer und eine anders erwarten? Wurde doch unser rocknen und Hereinfahren und nun mußten Bouteille Wein. Fleisch, Brot und Wein tüchtiger Volksstamm damals , zur Zeit ir mit trockenem Maule darben. bekam er , aber Hafer damit war es der Erhebung und größten Begeisterung, durch die falsche und verzagte Politik seines Dieſen Abend hatten wir fünf Offiziere , nichts. Den Montag früh (4. Okt.) kam er Königs auf der Seite des Reichsfeindes 1) Wahrscheinlich rückten die Württemberger in der istung nach Pulenit und Bischofswerda vor. Wenig wieder , trank Kaffee da und verlangte festgehalten . Auch dafür sei die Gegenam 15. September in dieser Gegend mehr wieder Wein. Wir gaben ihm ein paar wart gepriesen, daß derartige Verirrungen ins fanden statt. & Treffen deutscher Fürsten nunmehr sicherlich für 2) Dieſe Ruſſen müssen zum Korps des Generals Gläser, dann ging er fort. hfilfſcitaff gehört haben , der am 27. September von Den Dienstag, als dem 5. Okt., zogen alle Zeiten unmöglich sind. alenit nach Großenhain marschierte, sowie die nachher wähnten Preußen zum Korps Yort unter Oberst kakler, der Franzosen eine erstaunliche Menge fsen Marsch in gleicher Richtung sich bewegte. Blücher hier durch. Die letzten blieben da. Wir te am 27. September sein Hauptquartier in dem nahe- bekamen zwei Kompanien in unseren Hof. legenen Rönigsbrüď.
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lung, daß alles ins Wanken und Schwanfen geriet, bis Platten, Flaschen, Tassen, Kasten samt dem Amateurphotographen, Amateurphotographie. der sich erst mit Mühe aus seinem verVon wüsteten, dunklen Versted losmachen konnte, in einem wirren Knäuel durcheinander lag. R. Spitaler. Eine silbergeschwärzte Wange meinerseits , Sie von einer mir unliebsamen Berührung och vor wenigen mit der silbergebadeten Hand meines Vaters Mod Jahren war so herrührte, war so ziemlich das beste Bild wandernder unserer damaligen Erfursion. Photograph eine Welcher Photograph von dazumal war wahre Jammer- nicht schon von weitem an seinen mit gegestalt. Bepackt schwärztem Silber beklerten Händen oder wie ein Saum durch den Aethergeruch seines Labora tier konnte erwohl toriums zu erkennen ? Jedermann fürchtete nie der Neugierde sich, einem Photographen für ein paar Stun des Publikums den ein Zimmerchen zu einem improviſierten entgehen, das ihn Laboratorium abzutreten, da stets an Tiwährend seiner schen , Stühlen und Boden die schwarzen Operationen gaf Spuren seiner Thätigkeit zurückblieben. fend und wohl Welcher Gegensatz zu heute! auch Späße maEin Tornisterchen am Rücken oder chend umstand. als Tasche in der Hand wandert der heuWenn er nicht tige Amateurphotograph durch Berg und Gefahr laufen Thal, durch Stadt und Land, schöne Erwollte , daß sei innerungen oder auchwertvolle Studien von nem Apparate, den durchwanderten Gegenden sammelnd Apparat im Tornister ( S. 791). während er im (S. 790) . Ja noch mehr ! Ein Paket oder Dunkelzelte die Buch in der Hand, dessen äußere Form Plattenpräparierte oderentwickelte, vonbös- den photographischen Momentapparat verwilligen Buben, von zudringlichem Weide deft, fängt er auf seinen Platten zusam vieh oder heftigem Winde nicht gerade die men , was da kreucht und fleucht. Vom schonendste Berührung zu teil werde, war Hut hängt ein Schnürchen herunter wie es unbedingt notwendig, wenigstens einen zur Sicherheit gegen den Wind, ein Zug Diener bei sich zu haben. Landschafts- an demselben und das gegenüberstehende aufnahmen im Gebirge waren ohne be- Objekt hat sein Bild in der im Hut verdeutende Hilfs- und Transportkräfte des borgenen Geheimcamera abgedrückt. Im massenhaften Krames überhaupt nicht aus Knopfloch sitt das wunderwirkende Kleinod führbar. Ich erinnere mich, wohl nicht oder als Uhr in der Westentasche. Und ohne ein stilles Lächeln unterdrücken zu mit welcher Reinlichkeit kann gegen früher fönnen, wie ich mit meinem Bruder ein alles gehandhabt werden. Auf der Reise mal den Vater, der auch zu den alten plagt man sich mit keinen zerbrechlichen ,,nassen" Amateuren gehörte , auf einer Flaschen und Tassen , mit Glaceehand photographischen Exkursion , die zumeist schuhen läßt sich die heutige Amateur wohl nicht weit vom Hause weggingen, be- photographie betreiben, weshalb sie sich gleiteten. Während Väterchen im dunklen denn auch schon in allen Kreisen als Kasten, das schwarze Tuch unter den Ar- Liebling eingebürgert hat. Ein fröhlicher men zusammengebunden, mit seinen Platten Freundeskreis, eine lustige Jagdgesellschaft, zauberte, heßten wir unsern Hund herum. eine heitere Tafelrunde sigt beisammen, da Leider kam dieser aber bei einem Rückzuge zieht einer ein Kästchen aus der Tasche, vor unsern Angriffen mit den Beinen des entfaltet es zu einem photographischen Künstlers, sowie den Füßen, worauf der Apparat und, ehe man sich's verhofft, ist Kasten stand , in eine derartige Verwicke- man auch schon auf der lichtempfindlichen Platte festgebannt. Welcher Jubel , welches Gelächter, wenn uns nach ein paar Tagen das Bild vorgelegt wird! Fröhlichkeit strahlt aus jedem Auge, es ist ein Bild voll Lust und Leben. Der Künstler wird umringt und bewundert , jeder behauptet , noch nie in seinem Leben so gut wie auf diesem Bilde getroffen" zu sein. Jeder möchte nun selbst so ein Amateurphotograph werden, wenn die Sache, wie er meint , nur nicht so schwer zu erlernen wäre. Dem ist aber nicht so arg. Während früher im nassen Kollodiumverfahren es fast unbedingt notwendig war, in der Chemie einige Vertrautheit zu besitzen, um nicht sein Geld in verdorbenen Silberbädern und Chemikalien zum Fenster hinauszuwerfen und von der ganzen Amateurphotographie nichts als Verdruß und Aerger Das Einstellen (S. 793).
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Die moderne
H Geschlossener Apparat auf dem Stativ (S. 793).
zu haben, braucht man heute, ich wage es getrost zu sagen, wenn man nichts weiter als einige hübsche Bilder, Landschaften, Gruppen 2c. machen will, von der Chemie wohl nicht viel mehr zu verstehen als etwa der Bock von der Gärtnerei. Die Photographie auf Trockenplatten läßt sich ohne Lehrmeister spielend in für zester Zeit erlernen. Ja, es kommt vor, daß Leute heute vomHändler einen photographi schen Apparat mit Laboratorium (S. 795) und Gebrauchsanweisung, oder sagen wir doch mit einem kurzgefaßten Handbuch der Photographie beziehen und in ein paar Tagen bereits im Besige ganz netter selbstgefertigterBildersind. Ichhabe in derKunstanstalt für Amateurphotographie des Herrn R. Lechner in Wien zum wiederholtenmal Gelegenheit gehabt, eingesandte Erstlingsaufnahmen zu sehen, die meine Bewunde rung erregten. Und doch darf man dies Resultat nicht allein der Güte des Apparates - Davids photographischer Salon und Reiseapparat oder dem Genie des angehenden Photographen, sondern haupt sächlich der Einfachheit des Verfahrens zu schreiben. Ueberblicken wir einmal ganz flüchtig die Herstellung eines Negativs, von dem dann in beliebiger Anzahl positive Kopien auf Papier hergestellt werden können, welde Arbeit an Leichtigkeit der Erlernung noc) den Negativprozeß übertrifft. Der im Tornister sorgfältig verpackte
Entfalten des Apparates (S. 793).
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Apparat wird auf das zerlegbare oder als | Partien, es tritt immer mehr und mehr | Stock verwendete Stativ aufgesezt und so- vom Bilde hervor , bis endlich dasselbe dann entfaltet (S. 792). vollständig detailliert erschienen ist und Nach Ansehung des separat aufbe- sich auch auf der Rückseite der Platte wahrten Objektivs an die Camera wird zeigt. Hat man etwas zu kurz oder zu das aufzunehmende Bild mittels eines lang exponiert, so kann durch geeignete Triebes oder einer Schraube und even Hilfsmittel der Fehler gleich ausgebessert tueller Zuhilfenahme einer Lupe auf der werden . Nach einigen aufmerksamen Aufmatten Glasscheibe scharf eingestellt ( S.790) nahmen und Entwickelungen trifft man und der Apparat zur Vermeidung jeder auch die Expositionszeit ziemlich genau. weitern Verschiebung mittels der Klemm- Das entwickelte Bild wird mit Wasser schrauben am Stativ firiert. Nachdem gut abgespült und in das Firierungsbad man nach der Helligkeit des Objektes die gelegt. Das firierte Bild kann nun ans Expositionszeit, die näherungsweise auch Tageslicht gebracht werden, wird gut ge= aus Tabellen entnommen werden kann, waschen und zur Auswässerung der letzten beurteilt hat, wird an Stelle der matten Spuren des sonst die Gelatineschicht zerScheibe die Kassette mit der lichtempfind- störenden Firiernatrons einige Stunden Laboratorium (S. 792). lichen Platte eingeschoben und exponiert. in öfters erneutes Wasser gelegt. Hierauf wird das Negativ an einem staubfreien Orte getrocknet und eventuell zum Schuße haben die gegenwärtigen Fortschritte in der Gelatineschicht mit einem durchsichtigen der Photographie fast ausschließlich Amateuren zu verdanken , die wie Pioniere Lack übergossen. Von diesem Negativ ( S. 794) lassen sich den Weg immer weiter bahnen und die beliebig viele positive Abdrücke auf photo- Photographie zu allgemeinem Nugen, zu graphisches Papier machen , welches man den interessantesten Forschungen in den ebenfalls schon zum Gebrauche hergerichtet Naturwissenschaften führen. in den verschiedensten Sorten zu kaufen Während Elektrizität und Galvanisbekommt. Will man recht wenig Mühe mus, sagt Stein , der sich mit der Anund troßdem sehr nette Bilder haben, so wendung der Photographie in verschie empfiehlt es sich, die Bilder auf Liesegangs denen Wissenschaften großes Verdienst Aristopapier zu kopieren. Die Kopien wer- erworben hat , für die gegenseitige Anden, wie sie aus dem Kopierrahmen kom- näherung der Völker dienstbar gemacht men, in das Tonfirierbad gelegt, wodurch wurden , während der Dampf den heusie gleichzeitig eine schöne Farbe bekommen tigen weltbewegenden Verkehr geschaffen und, gegen Licht gesichert, firiert werden. und zur Hebung und Förderung der InNachdem man die fixierten Bilder ( S. 795) dustrie in ungeahntem Maße beigetragen, gut gewaschen, werden sie getrocknet und während die Lehre vom Schalle ihre prafmittels Kleister auf Karton geklebt. tische Verwertung in der Musik gefunden, Wenn wir aus dieser flüchtigen Skizze war es den Strahlen der Sonne vorbeauch noch nicht das Photographieren er halten , auf den verschiedensten Gebieten lernt haben, so hat sie uns doch gezeigt, der Wissenschaft und der Kunst durch die daß die Technik der heutigen Photographie Photographie in mannigfacher Richtung sehr leicht zu erlernen ist. Die einst Großes und Bewundernswertes zu leisten. auf einen engen Berufskreis beschränkte Wie die andern genannten Fächer wurde Apparat für Radfahrer (S. 798). Lichtbilderkunst greift immer tiefer und auch sie in erster Linie dem praktischen tiefer in das ganze Publikum ein und Leben nugbar gemacht, bis in der neuesten . Um mehrere Aufnahmen nacheinander zu wird zum Gemeingut aller Menschen . Aber Zeit ihre Leistungsfähigkeit für wissenmachen, find im Tornister fünf bis sechs nicht bloß als Spielerei, um sein Album schaftliche Studien erkannt wurde, um in Doppelkassetten mit je zwei Platten ver mit selbstgefertigten Porträts und Land- kurzer Zeit zu bedeutenden und erfolg= wahrt, die hernach in einem dunklen Zim schaften zu bereichern, betreibt der eigent reichen Resultaten zu führen. Durchfliegen wir einmal ganz flüchtig mer oder des Nachts, da man auf Reisen liche Amateurphotograph diese schöne Kunst, zumeist im Tage mit zehn bis zwölf Auf- nein, das ist nur die erste Stufe, die er die Bestrebungen und Erfolge, die bis jezt nahmen ausreicht, beim Lichte einer kleinen zu nußbringendem Wirken betritt. Wir die Amateurphotographie zu Tage gefördert roten Laterne ausgewechselt werden. Ob die Blatten nach Wochen oder nach Monaten entwickelt werden , ist gleichgültig , nur müssen bis dahin die exponierten Platten gegen jedes Licht und Feuchtigkeit geschütt werden. Zu Hause richtet man sich ein dunkles Kämmerchen her, in welchem nun die Platten bei rubinrotem oder braunem . Lichte entwickelt werden. Man gibt zu diesem Zwecke die exponierte Platte, auf der noch das Bild verborgen ist, in eine Tasse mit der Entwickelungsflüssigkeit, die man ent weder schon vorgerichtet beziehen oder bei größerem Bedarfe selbst leicht herstellen wird. Nach kurzer Zeit zeigen sich bei richtiger Expositionsdauer auf der wäh rend der Entwickelung in schaukelnder Bewegung befindlichen Platte die hellsten Pofitives Bild (S. 794). Lichter als sich allmählich schwärzende Regatives Bild (S. 794). 34 89. II.
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hat, ohne des Umstandes eingehender zu Vorkehrungen photographisch ab und läßt durchwandert, die im ewigen Eiſe ſtarrende erwähnen , daß die Photographie ihren ihre rotierende Bewegung, sowie die Form Gletscherwelt besucht , bringt in seinem gegenwärtigen Höhepunkt zumeist Ama- der ihr vorauseilenden Luftwelle erkennen, Tornister alle diese Herrlichkeiten im Bilde teuren zu verdanken hat. was für das Studium der Schießtechnik mit und durchlebt an einförmigen Winterabenden beim Entwickeln der Platten in Die Astronomie , die Königin der von großem Nußen sein kann. Wissenschaften, hat sich die Photographie Momentaufnahmen von sich bewegen seinem stillen Kämmerlein noch einmal die als wertvolles Hilfsmittel ihrer Erfor den Menschen oder Tieren, von fliegenden schönen, fröhlichen Stunden, die ihm sein schung der Sternenwelt dienstbar gemacht. Vögeln zeigen Stellungen , die das Auge Sommerurlaub geboten hat. Hat er daDie photographischen Sonnen- und Mond gar nie zu erfassen im stande ist. Wird zu noch seine Aufnahmen mit einem ge= bilder, die Aufnahmen der Planeten und der Sprung eines Menschen oder Pferdes wissen naturwissenschaftlichen Verständnis Kometen, die Erscheinungen auf der Sonne, über ein Hindernis , der nur eine oder ein gemacht , so werden seine Bilder zugleich die insbesondere zur Zeit der Finsternisse paar Sekunden dauert, in dieser Zeit 20- eine Bereicherung der Kenntnisse der geo= sichtbaren Lichtwolken, Protuberanzen , die bis 30mal photographiert, so ist uns da logischen , historischen , ethnographischen, wie ungeheure Brände und Feuerflammen durch die ganze flüchtige Erscheinung in wirtschaftlichen 2c. Verhältnisse der durchdem Sonnenkörper entströmen und zu die einzelnen Momente analysiert, und wir wanderten Gegenden bilden. Forscher in noch unbekannten GegenTausenden von Meilen emporgeschleudert können das , was so flüchtig vor sich gewerden , die fernsten Sternhausen , die gangen, sich in einer längeren Zeit ab den der Erde beleben von nun an ihre mitunter wegen ihrer fast endlosen Ent- spielen laſſen, also die Zeit gleichsam ver- intereſſanten Reisebeschreibungen durch fernung sich für das Fernrohr nur in größern. Umgekehrt können wir wieder photographische Aufnahmen und übermit ein schwachleuchtendes Lichtwölkchen zu Erscheinungen von zu langer Dauer, wo- teln uns auf diese Weise die Sitten und sammendrängen , die so mannigfach ge- durch der Eindruck von dem einen Bild das Leben fremder Völkerschaften in stalteten Nebelflecke, die der beste Zeichner | zum andern verloren geht , in einen kür- staunenswerter Treue. Mit einigen nach der Natur aufgenommenen Photographien nicht naturgetreu wiederzugeben vermag, zeren Zeitraum zusammendrängen. werden in dem Dunkelraum der photoWelchen erhabenen Eindruck müßte bei- sagen sie oft mehr als durch umfangreiche graphischen Camera festgebannt und drücken spielsweise die Entwickelung des Menschen Beschreibung. durch die Einwirkung ihrer Lichtstrahlen vom Kindesalter hinüber in die Blüte seiner Den Ingenieur, den Jäger, den Förster, der empfindlichen photographischen Platte Jahre und dann wieder allmählich herab ins den Maler, den Radfahrer (S. 793), den ihr Bild auf, der Mit- und Nachwelt zu ehrwürdige Greifenalter , wo der Mensch Offizier zu Land und zu Wasser, sie alle vergleichenden Studien und zur Belehrung wieder zum Kinde wird, auf uns machen, begleitet heute schon ein photographischer von den großartigen Vorgängen über uns , wenn uns in Form eines sich allmählich Apparat teils zum Vergnügen , teils zu in dem Bereiche der lautlosen Sternenwelt. verwandelnden Nebelbildes ein Menschen- praktischem Wert. Im Detektiv- und Polizeiwesen leistet Welchen Gegensatz bildet dazu die alter in wenigen Minuten vor Augen gedie Photographie vortreffliche Dienste zur Mikrophotographie ! In der Astronomie führt würde ! firiert uns die Photographie das unendGanz unbezahlbare Dienste verspricht Darstellung von Dertlichkeiten, die einen lich Große, die Geheimnisse des Weltalls, auch die Photographie den medizinischen Thatbestand beweisen sollen , oder zur dessen Veränderungen sich meist in großen Studien zu leisten, um beispielsweise den Wiedergabe verdächtiger Persönlichkeiten. Zeiträumen abspielen, hier überliefert sie Entwickelungsgang einer Krankheit zu ver- Im Paßwesen und bei Legitimationskarten uns das Bild des unendlich Kleinen, eine folgen. Es klingt fast unglaublich, wenn ersetzt eine einfache Photographie die ausandere geheimnisvolle Welt. Der Mikro- wir hören, daß man mittels der photo- führlichste Personalbeschreibung. Auch im Militärwesen wurde bereits skopiker ist durch die Photographie in den graphischen Kunst im stande ist, Teile des Stand gesezt , das mühsam präparierte innern menschlichen Organismus naturge zur raschen Vervielfältigung von Plänen, Objekt im Bilde zu firieren, um daran treu nachzubilden. zur schnellen Aufnahme von Terrainver nicht nur weitere Studien zu machen, Wird Raschheit in der Aufnahme verhältnissen u. s. w . aus der Photographie sondern auch das, was er nur mit Mühe langt , um beispielsweise das Leben und vielfacher Nuzen gezogen. Im deutsch-französischen Kriege forre und Anstrengung gesehen , auch andern Treiben der Tierwelt zu belauschen, so zur Belehrung zu übermitteln. bietet uns die jest so überaus vervoll spondierte während der Belagerung ganz Auch die Meteorologie , die ganze kommnete Momentphotographie das einzige Paris mittels Luftballons und TaubenPhysik versucht bereits aus der Photo- Mittel , dies zu erreichen. Die neuesten post mit der Außenwelt. Es wurden die graphie ihren Nußen zu ziehen. Der künstlichen Lichtquellen , z . B. das Bliz- Depeschen ganz klein photographiert und Gang der Quecksilbersäule im Barometer pulver , gestatten uns Höhlen mit ihren zu Tausenden, in einem Federkiele eingeund Thermometer, die Dauer des Sonnen- Tropfsteingebilden, Bergwerke, Katakomben schlossen, durch eine Taube expediert. scheins , die Stärke der Tageshelligkeit, u . dergl. aufzunehmen, wohin das TagesSo oberflächlich dieser Durchblick über die Schwingungen der Magnetnadel, die licht nicht zu dringen im stande iſt. die vielfache Verwendung der Photographie durch die noch rätselhafte Kraft des ErdWährend früher wegen der Umständ- in Kunſt und Wiſſenſchaft, ſowie im öffent magnetismus in beständiger Unruhe ist, lichkeit, die das nasse Kollodiumverfahren lichen Leben war, so sahen wir doch, wie zeichnen sich von selbst am lichtempfind mit sich führte, die Verwertung der Photo- sich heute die photographische Kunst fast lichen Papierstreifen auf. Der rasche Bliz, graphie auf Forschungsreisen mit den überall ihre Wege gesucht und gebahnt hat der prachtvolle Strahlenkranz des Nord größten Schwierigkeiten und Kosten ver- und wie ein goldener Faden durch das lichtes , die eilig dahinsausende Stern- bunden war, gibt es heute wohl keinen Leben und Treiben, Forschen und Streben schnuppe werden troß der Schnelligkeit des Forschungsreisenden mehr, den nicht ein der Menschen zicht . Mögen diese Zeilen Entstehens und Wiedervergehens dieser photographischer Apparat durch Did und ein Scherflein beigetragen haben, Sym Phänomene gezwungen, ihr Bild und ihren Dünn begleiten würde. Der Tourist, der pathie für die Photographie zu erwecken Weg auf der photographischen Moment im Sommer die herrlichen Alpenthäler und ihr neue Freunde zu erwerben. platte zurückzulassen. Der finstere, düstere Meeresgrund , wohin kein Sonnenstrahl mehr gelangt, wird durch geeignete Vorkehrungen gezwungen , sein unheimliches Antlig durch die lichtempfindliche Platte zu enthüllen; Meeresströmungen in den Tiefen der Weltmeere verraten sich mittels der Photographie. Die der Kanone enteilende Kugel bildet sich mittels geeigneter Apparat im Wagen.
Gustav Adolf Erdmann.
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Der Dichter des „Quickborn". 800-
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Die Mutter, eine schöne und sanfte Frau, | deutschen Sprache und der Mathematik zuDer verloren die Kinder ſehr früh ; doch blieb ihre | neigte ; dann trat er mit 16 Jahren in den Dichter des „ Quickborn". Erziehung nicht ohne weiblichen Einfluß. Die Büreaudienst der Kirchspielvogtei zu Heide. Schwester des Vaters, „ Tante Chriſtine", ver: Diese Stellung sah er aber nur als UeberDon trat an ihnen Mutterſtelle. Was sie den gang an ; denn er hatte den Entschluß gefaßt Kindern , besonders aber Klaus , gewesen ist, sich später dem Lehrerberuf zu widmen. Da Gustav Adolf Erdmann. darüber belehren uns die vier Sonette, welche seine Beschäftigung ihm noch viel freie Zeit der Dichter ihr später in seinen „Hundert übrig ließ, benutte er dieselbe eifrig zu ſeiner Blättern" widmete. Sie ist es auch gewesen, Weiterbildung. In der Bibliothek des „ KaSteig' empor aus tiefen Klüften, Längst verscholl'nes altes Lied ; die den Samen der Poesie in das Herz des spelvagd" entdeckte er unsere Klassiker , die Leb' aufs neu' in heil'gen Echriften, Kindes pflanzte , den Samen , der später so bald seine vertrauten Freunde wurden. Auch Daß dir jedes Herz erglüht." herrliche Blüten und Früchte zeitigte. das Klavierspielen erlernte er zu jener Zeit. Mar von Schenkendorf. An dem munteren und geweckten Klaus Da die Art, wie er diese Kunſt als Autodidakt erschollen und vergessen war es , das alte fand der alte Großvater besonderes Wohlge- erlernte , ein Beispiel von seiner eisernen Lied in der weichen, volltönenden nieder- fallen und oft erzählte er dem begierig lau- Energie gibt , so möge sie hier erzählt ſein. deutschen Mundart ; es hatte sich vor den schenden Kinde die alten Sagen und Ge: Klaus Groth fand eines Tages auf einem hochmütigen Blicken der hochdeutschen Schwester schichten aus den Freiheitskämpfen der Dith: Boden ein altes, halbzerfallenes Klavier. SoBo verborgen in einsamem Gemäuer und war marschen. Und im Herzen des Dichters lebten fort zimmerte er sich den Kasten wieder etwas tert in einen tiefen , todesähnlichen Zauber diese alten Geschichten wieder auf. Ut de zurecht , und nun begann er seine Uebungen ilaf verfallen. Nur noch leise tauchte hin ol Krönk“ , „ Wat sik das Volk vertellt", zwei mit solcher Ausdauer , daß er nach wenigen und wieder die Erinnerung an die Schlum Abschnitte aus dem „ Quidborn“, sind Erinne: Wochen leichte Sonaten von Mozart und mernde in vereinzelten Dichterherzen auf, wie rungen an jene Erzählungen des Großvaters . Beethoven zu spielen vermochte. Rechtzeitig wurde Klaus der Bürgerſchule 1838 bezog Klaus Groth das Seminar in sehnsuchtsvollem Traum verſuchte wohl iner oder der andere in der Mundart der zu " Heide übergeben. Hier erst zeigten sich zu Tondern , auf dem er bis 1841 blieb. Verschollenen zu singen; aber das Lied ver: seine bedeutenden Geistesgaben im rechten Der Fleiß, den er hier auch in alter Weise enthallte, wie das Zwitschern eines träumenden Licht. Sein sicheres Gedächtnis und sein wickelte, war von dem besten Erfolge gekrönt ; Bogleins während der Nacht. Es fehlte allen eiserner Fleiß ließen ihn bald zum besten denn er verließ die Anstalt mit einem gländer Mut, durch die dichten Dornenhecken und Schüler der Anstalt und zum Liebling aller zenden Zeugnis. Auch nahm er mehr Kennt cubigen Spinngewebe , welche die schlum: seiner Lehrer werden. Auch seine Kameraden nisse mit aus dem Seminar, als seine Mitrernde Muſe der niederdeutschen Sprache dicht hatten ihn gern ; denn er fand stets noch Zeit schüler. Unablässig hatte er sich dem Privatungaben, ſich mühsam hindurchzuarbeiten, um genug, sich an ihren Spielen im Freien zu studium hingegeben , bei welchem er fremde die jugendſchöne mit dem glühenden Flam- | beteiligen und war ein freundlicher Spielge: Sprachen, Latein, Franzöſiſch und Schwediſch menfuß der Liebe zu wecken. fährte. Im Freien mußte er übrigens viel besonders bevorzugte. Sogleich fand der tüchUnd jetzt ? Sie lebt ; jubelnd eilt sie mehr sein , als ihm lieb war . Da in den tige junge Lehrer eine Anstellung an der durchs deutsche Land und schmeichelt sich mit Herzogtümern wegen der vorhergegangenen Mädchenschule zu Heide. Aber welche Arbeit threm füßen Wohllaut in alle Herzen . Wer Kriegsjahre die Landwirtschaft arg danieder: wartete seiner ! Nicht weniger als 43 Unterven uns ſtand wohl noch nicht unter dem lag , so war den Landleuten von der Regie: | richtsſtunden waren ihm wöchentlich aufge= Zuber ihrer sieghaften Anmut ? Und daß sie rung gestattet worden, während der Sommer- bürdet, übergenug, um auch den begeiſtertſten lest, und daß sie der Nacht der Vergessenheit monate ihreKinder zu ländlichen Hilfeleistungen Fortbildungseifer gründlich zu ruinieren und entriſſen wurde , ist das Werk eines einzigen aus der Schule zurückzubehalten . Dbgleich nun aus dem kräftigſten Lehrer einen müden Mann Mannes , der dies schwierige Ziel allerdings Hartwig Groth auch bezüglich der Ausbildung zu machen. Aber Klaus Groth ließ sich das zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte , an seiner Kinder ein ſehr gewiſſenhaſter Mann war, | nicht anfechten. Mit ungeſchwächter Kraft gab dezen Löſung er mit faſt beiſpielloſer Energie machte er doch von dieser Erlaubnis der Re- er sich dem erfolgreichsten Selbststudium in und Entsagung nun schon vier Jahrzehnte gierung gern Gebrauch , und so kam es , daß der Mathematik, den Naturwissenschaften und arbeitet. Profeſſor Dr. Klaus Groth ist Klaus den Sommer hindurch wohl in Wiese, der Philosophie — besonders Psychologie und darüber zu einem Greise geworden , der am Feld und Wald, nicht aber in der Schule zu Aesthetik — hin und erlernte so nebenher noch 4. April d. J. ſeinen 70. Geburtstag feierte. finden war . Der ſtrebſame, ehrgeizige Knabe | Englisch, Franzöſiſch, Italieniſch und Griechiſch. Ziese Falten haben ihm die arbeitsreichen bedauerte dies tief genug ; der Dichter aber Wie er das fertig gebracht, dürfte nicht so Fahre in Gesicht und Wangen gegraben, aber wird diesen Zufall kaum genug preiſen können. leicht zu begreifen sein. Man weiß thatsächlich herz und Geiſt find noch ebenso frisch wie Er kam hierdurch in die engste Berührung nicht , was man am meisten bewundern soll : damals, als der etwa 25jährige junge Mann mit der Natur, an welcher so viele gut bean: die wahrhaft eiserne Gesundheit des jungen den kühnen Entschluß faßte , dessen bewunde lagte Kinder achtlos vorüber gehen müssen, Mannes , mit der er allen Anstrengungen rungswürdige Durchführung ihm vom deutschen und sie wurde ihm zur Lehrmeisterin und Troy bieten konnte , oder den phänomenalen dolk und von der deutschen Litteratur nie Herzensfreundin. Der stets geistesrege Knabe Geist, der alles , was ihm geboten wurde, so hrgeſſen werden wird . lernte beobachten , Augen und Ohren gewillig aſſimilierte, oder die heldenhafte Energie, Ein Blick auf den Entwickelungsgang und brauchen und wurde von der Schönheit und welche ein Ermüden nicht zuließ und die ge as Ringen des Dichters möge zeigen , wie Majestät der Allmutter so gefesselt , daß er wiß manchmal in dem jungen Manne aufhm das große Werk der Wiederbelebung später das Studium der Naturwissenschaften zu tauchenden Wünsche nach Zerstreuung siegreich nederdeutscher Sprache in der Poesie gelang. seinem Lieblingsstudium erhob . Mit vollem bekämpfte. Denn daß Klaus Groth sich bei Klaus Groth wurde am 24. April 1819 Recht kann er heute von sich schreiben : „ Von einer solchen Arbeit nicht den zerstreuungen Heide in Norderdithmarschen geboren. Sein den Naturwiſſenſchaften ist mir kein Zweig und Vergnügungen, denen man ſonſt in ſeinem Sater Hartwig Groth war Landmann und unbekannt, selbst mathematische Physik nicht“ ; Alter zu huldigen pflegt , widmen konnte, Ruhlenbesiger und galt für die dortigen Ver- und wie wahr er das Wesen der Naturfor: liegt wohl auf der Hand. Seine Erholung altnisse für wohlhabend. Er war ein biederer, schung erfaßt hat, geht aus den fünf scharf bestand in dem Verkehr mit dem Elternhauſe, ruster Mann, in deſſen Herz die freundlichste, satirischen Sonetten : Evangelische Naturwis in weiten botanischen Exkursionen und in *ts hilfbereite Milde wohnte. Von seinen senschaft" in den „ Hundert Blättern" hervor. seiner Beteiligung an der Liedertafel zu Heide. klannten wurde er hochgeachtet , von seinen Der Dichter aber verdankt seiner innigen Lettere sollte verhängnisvoll für ſein ſpäteres undern -- er besaß außer Klaus noch zwei Vertrautheit mit der Natur die herrlichen, Leben werden. Söhne und eine Tochter innig geliebt. lebenswarmen Naturschilderungen, die er uns 1844 wurde er nämlich durch diese Lieerstand er doch die schwere Kunst , allen so zahlreich im „ Quickborn" bietet. dertafel auf das Sängerfest zu Schleswig gegentümlichkeiten der Kinder gerecht zu wer Nachdem nun die Bürgerſchule zu Heide | führt . Hier lernte er das herrliche Bellmannen, wußte er doch die Erziehung mit fester absolviert war , richteten sich die Blicke des sche Schleswig-Holsteinlied kennen, das ihn in and aber ohne Schelten und Strafen zu lernbegierigen Knaben sehnsüchtig auf das ungeahnter Weise für sein Vaterland und für iten . Ein einziger Blick genügte , um die Gymnasium als dem Schlüssel zur Universität. die deutsche Sache begeisterte. In jene Zeit inder zu regieren. Wer ein recht lebhaftes, Hier aber legte der Vater ein entschiedenes fällt auch die Entstehung der vlämischen Betreues Bild dieses seltenen Mannes zu haben Veto ein. Er meinte , das ginge weit über wegung , jenes patriotischen Bestrebens , der ünscht, der lese im „ Quickborn" das schöne seinen Stand hinaus und schlug deshalb sei: vlämischen Volkssprache ihre lang verkannten by : De Sünndagmorgen". In der Ge- nem Sohn die Wünsche nach einem derartigen Rechte wiederzugeben , die in Klaus Groth alt des Pockennarbigen hat der Dichter sei : Weiterstudium rundweg ab. Zunächst blieb einen mächtigen Wiederhall fand und den Vater ein schönes Denkmal kindlicher nun Klaus noch einige Zeit dem Selbststudium ersten Gedanken zum " Quickborn" in ihm ebe gesetzt. überlassen, bei dem er sich besonders der wachrief. Und wie oft kleine Ursachen große
Gustav Adolf Erdmann.
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Der Dichter des 803
Quickborn". 804-
Wirkungen hervorbringen, so auch hier. Herr | sah, wie Klaus durch seine allzuanstrengenden dem Drange seines Herzens folgend , ei Pastor Johannes Paulsen aus Kropp in Hol: Studien seine Gesundheit untergrub , sprach plattdeutsche Kriegslieder in die Welt geld stein, der bekannte Herausgeber der von Klaus er eines Morgens zu ihm : ,,Min Jung, son hatte. Aber keine noch so unangenehme Groth revidierten plattdeutschen Uebersehung Arbeiden Nacht un Dag ohn en Erholung lästigung durch die Polizei vermochte ihn des Neuen Testamentes von Joh. Bugenhagen, geit ni, dat kann keen Minschennatur utholn. " seinem Plage zu vertreiben ; treu harri schreibt mir, daß Groth ganz besonders durch Klaus: ,,Dat weet it." Vater : ,,Denn hol bei seinem Werke aus, das seiner Vollend den plattdeutschen Vortrag eines einfachen doch mal pust un rau (ruhe) di mal ut !" entgegenreifte. Aber es wurde auch Zeit Handwerkers, der zur Entsagung vom Brannt: Klaus : It will öwern Graben springn un den Dichter, daß das Werk fertig wurde ; d mein aufforderte, für die plattdeutsche Sprache nehm jüs den Tolop . Pust holn geit ni. der einſt ſo kräftige Körper war durch die ja begeistert worden sei. Wie dem nun auch Röwer kam ik, ob dod oder lebennig, dat weet lange übermäßige Anstrengung so elend gen sei: so viel steht fest , daß der junge Lehrer ik nich." den, daß er jeden Augenblick zusammenzubre von jener Zeit an nur noch daran dachte, Er ließ sich auch durch nichts von seinen drohte. Noch einmal raffte er alle Ene der plattdeutschen Muttersprache einen ehren Studien ablenken , weder durch die Bitten zusammen , noch eine kurze Zeit aufreiber vollen Platz in der deutschen Arbeit, und wenige Bo Litteratur zu erringen. Da vor Weihnachten 1852 schien der „Quidbo die Mundart Volkssprache ist, Volfsleben in plattdeuts so beschloß er , in ihr ein Gedichten dithmarscherRu Werk zu schaffen, welches ein Bild des innersten Denkens art." Das große Wert und Empfindens, des ganzen vollbracht. Der Erfolg Lebens und Webens des Volein ganz unerwarteter, überaus glänzender. Im fes seiner Heimat geben sollte, drangen die Lieder Gr und so nahm der Plan zum in alle Schichten der Ge ,,Duickborn" festere Gestalt an. Sofort ging er ans schaft ein, in Hütte und last , bei Arm und Werk ; er versuchte , einige mundartliche Dichtungen zu eroberten sie sich den Eli schreiben. Bald aber ließ er play. Wie sehr sich alle bildeten damals mit dem von diesem Beginnen ab, da her unbekannten Dichter er die Nutlosigkeit desselben schäftigten , davon weiß einsah. Er erkannte, daß die C. J. Hansen, Stadtbi erste Bedingung zu einem thekar zu Antwerpen in erfolgreichen Weiterarbeiten nem zum 24. April d. 3 eine tiefere Erforschung der Sprachgesete, besonders der schienenen trefflichen Bad dessen Aushängebogen er Lautgeseße des Plattdeutschen aütigst zur Verfügung ste sei, ohne welche alles Mühen vergeblich war. Mit dieser interessante Einzelheiten erzählen. Die bedeutend Erkenntnis war er an den Männer jener Zeit , Ge Scheideweg gekommen. So nus , Gustav Freytag, groß seine Kraft und Energie von Humboldt, Ernst M auch war, er fühlte, daß er Arndt drückten ihm ihre der Doppelaufgabe des Lehrwunderung und ihren berufes und der tiefgehenden fall aus ; und die erste Forschung nicht mehr_ge= lage von 2000 Erempli wachsen sein würde. Eins war noch vor Weihnad mußte aufgegeben werden. vergriffen. Die Wahl wurde ihm aber 9 r ,,Herr, laß mich so le 2 nicht allzuschwer, und 1847 o 2 leben, bis ich mein Buch m ec 0 trat er vom Lehramt zurück, 2 C D tig habe. Amen !" Das um sich von nun an ganz oft genug das kurze Ab der Forschung und Dichtgebet des Schaffenden funst zu widmen. Nach dem wesen ; und nun das abgelegenen Landkirchen auf fertig war, nun der E der Insel Fehmarn lenkte er ihn mit Ehre und Ane seine Schritte und nahm in nung überschüttete , die dem Hause seines Freundes, als wenn dem Dichter des Lehrers Leonhard Selle, s h u t a o Kl Gr Lebensfaden durchgeschni seine Wohnung. Mit vollster werden sollte. Bon Hingabe versenkte er sich in Ueberanstrengung gần seine ernsten sprachverglei Klaus Groth. aufgerieben, fant er auf chenden Studien; daneben schweres Krankenlager , studierte er eifrig Metrik und stellte viele metrische Uebungen an. Karl Eggers, | seines Vaters , noch durch die politischen Er: | ihn 3 Monate festhielt. Als seine kernige der verdienstvolle Biograph von Klaus Groth, eignisse , die nun bald hereinbrachen. Ich endlich den Feind überwunden hatte, begal erzählt nach dem Vorgange des Prof. Karl glaube wohl , annehmen zu dürfen , daß ihm der Rekonvaleszent nach Kiel, um sich in Müllenhoff, daß der alte Hartwig Groth mit angestrengteste Arbeit damals ein Bedürfnis, Bädern von Düsternbrook völlige Genefun dem Schritt seines Sohnes nicht ganz einver eine Seelenarznei war ; denn es galt, eine holen, die ihm auchwurde. Gleichzeitig aber standen gewesen sei und führt ein recht senti: tiefe aber unglückliche Liebe niederzukämpfen, er auch wieder litterarisch thätig. Er samt mentales Gespräch zwischen Vater und Sohn eine Liebe, von der die wunderbar ergreifen seine früheren hochdeutschen Gedichte, die er an. Demgegenüber erklärt mir Herr Prof. den , fast Heineschen Klänge" in den ,,Sun unter dem Titel : Hundert Blätter. Klaus Groth , daß dies sentimentale Gespräch dert Blättern" so glücklich und auch wieder pomena zum Quickborn " herausgab. auf einem Mißverständnis seines Freundes mit so schneidend schrillem Ton zu erzählen gleich diese Gedichte nicht mit dem born" in die Schranken treten können Müllenhoff beruhe. Da der verehrte Dichter wissen. Das Idyll auf Fehmarn wurde bereits enthalten sie doch zahlreiche echte Berlen wünscht, daß Hartwig Groth und sein Sohn Klaus nicht als sentimentale Waschlappen der 1848 gestört, als nach der schleswig-holstein- Lyrik und haben keinen geringeren als Nachwelt erscheinen", so möge hier der wirk schen Erhebung sofort dänische Kriegsschiffe hannes Brahms zu Tonschöpfungen ange liche Inhalt des Gespräches in der Weise sich blicken ließen , die nun nicht wieder von Aber das Buch ist von dem Publikum folgen, wie der Dichter ihn mir selbst mitteilte. der Küste verschwanden. 1850 wurde die 1) Klauss Groth in zijn leven en st Zunächst ist es unrichtig, daß Hartwig Groth den Insel gar von den Dänen besetzt, und nun be- als dichter, taalkamper , mensch met reisve Schritt seines Sohnes mißbilligte. Als er aber gannen viele Scherereien für den Dichter, der, enterngblik op de Dietsche bewegung. Antwe
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seachtet worden, es hat leider noch keine erwähnen : Ut min Jungsparadies " und alle diese Journale haben die Sprache und weite Auflage erlebt. Und doch bietet es " Cuidborn" Teil II. Zahllos sind die Ge Schreibweise des Dithmarschen angenommen. inen tiefen Blick in das innere und äußere dichte, Geschichten und Studien, welche Groth Treffend charakterisiert G. M. Hein , der teben des Dichters . Klaus Groth aber hatte im Laufe der Zeit in den angeſehenſten Blät- Redakteur des plattdeutschen " Weltblatt" elbſt durch den ungeheuren Erfolg seines tern, besonders in der „ Gegenwart“ veröffent (Grand Island - Nebraska) , die Bedeutung Quickborn" seine nachfolgenden Werke tot lichte ; er kennt eben tros seines hohen Alters Groths für die Deutschen in Amerika : „Du gemacht. Im nächsten Jahre erschienen seine keine Ruhe , keine Schonung, wenn es gilt, magst di mal ornd'tli utlachen , wenn du „Berteln “, die ein besseres Schicksal hatten. der Sache der plattdeutschen Sprache einen Reuter un all de annern Jurmakers lesen Dieses Jahr und die darauf folgenden Dienst zu erweisen. In edler Selbstlosigkeit deihst, wenn du awer as ole Mann wiet von gehören zu den angenehmsten , welche dem opfert er denjenigen , welche mit ihm ringen, din Heimat in din Sorgenstohl mit K. Groth Dichter beschieden waren. Er begab sich über Zeit und Kraft, unbekümmert darum, ob ihm sin ,Quickborn' in'e Hand sigt , denn vertellt di jede Siet en Geschich von de ole Heimat. Kamburg nach Pyrmont an den Rhein , wo wohl oder übel gelohnt wird . hm reiche Ehren und Freuden erblühen sollVon Groths späterem Lebensgange bleibt Du , as Plattdütsche , left dar en Sprak , de en. Simrock, Jahn, Brandis, Arndt, Bettina nicht mehr allzuviel zu berichten. 1863 machte du ganz vergeten harrst , de din Moder to di sen Arnim, Dahlmann u. a. zeichneten ihn auf er eine größere Reise durch Frankreich und sprak , as du noch op ern Schoot seets . pede nur mögliche Weise aus , und auf An England und wurde 1866 zum Professor er: In Gedanken büst du to Hus bi Vader un regen Dahlmanns wurde der Dichter von der nannt. 1872 wurde er gelegentlich seines Moder un snackſt plattdütsch. Du legst din peiloſophiſchen Fakultät zu Bonn durch Er: 25jährigen Schriftstellerjubiläums von der Book ut'e Hand , en stille Tran slikt ſit teilung der Doktorwürde geehrt. Ueber Dres: Regierung dadurch geehrt, daß man ihm von vellicht lank de Backen un in Gedanken drückst ben und Leipzig kehrte Dr. Groth nun 1857 nun an das Doppelte seines bisherigen Ge- | du Klaus Groth de Hand. “ Aber noch bedeutender als in Amerika wieder nach Kiel zurück. Hier habilitierte er haltes gewährte ; auch wurde ihm von sei sich noch in demselben Jahre als Dozent für nen zahlreichen Freunden ein Ehrengeschenk | ist der Einfluß unsers Groth in Belgien. Die Deutsche Sprache und Litteratur und gründete überreicht. Anregung, welche er 1844 aus der vlämischen ich einen eigenen freundlichen Hausſtand durch Täuschung aber wäre es, wenn man an- Bewegung empfing , hat er derselben reichlich Verheiratung mit einer ebenso liebenswürdigen nehmen wollte , das Leben des so hochver wieder vergolten ; denn Jahrzehnte hindurch als gebildeten Bremenſerin. dienten Mannes sei nur eitel Sonnenschein haben die Vlämen die Kraft zum ausdauernIn dem folgenden Jahre ( 1858) gab er gewesen. Schwere Schicksalsschläge trafen ihn, den Kampf aus den Dichtungen Groths gefeine Briefe über Hochdeutsch und Platt von denen das tiefergreifende Gedicht : „ Min ſchöpft, um die ſich der schon vorhin genannte deutsch“ heraus , durch die er , wie bekannt, Port “ im „ Quickborn “ ſo einfach und schlicht | Antwerpener Gelehrte , Dr. Hansen , große Verdienste erworben hat. Derselbe ersann in einen unerquicklichen Streit mit Friß und doch so erschütternd zu melden weiß. Heuter verwickelt wurde. Da der hochver ,,Ade ! ade ! - Un de Port de knarrt eine Schreibweise , durch welche plattdeutsche ehrte Dichter erst kürzlich an dieser Stelle Un ik sitt dar mit min eensam Hart." Dichtungen . auch ohne Uebertragung jedem wegen jener Angelegenheit heftig angegriffen Aber mag der Dichter sich auch einſam | Niederländer, der ſeine Sprache wirklich kennt, worden ist (cf. „Friß Reuter und die Gebrüder | fühlen, er ist es in Wahrheit nicht. Tausende leicht verſtändlich werden ; natürlich auch vice Soll" von K. Th. Gaedery. Heft V Spalte eilten in Gedanken an seinem Ehrentage zu versa. Die großen Verdienste , welche sich 140-1341 ), so muß ich bei diesem Werke ihm , um ihm den Zoll ihrer Bewunderung Professor Groth um die vlämische Sprache etwas verweilen. und Liebe zu entrichten. Nicht allein in erworben hat, sind auch vom Könige Leopold II. Mag man dreist zugeben , daß Klaus Deutschland hat man den 70. Geburtstag anerkannt worden ; denn dieser hohe Beschüßer Groth in den Briefen hin und wieder zu weit Groths festlich begangen , nein , weit darüber der Künste und Wissenschaften hat den Dichter ging, so ist es doch unrichtig, daß die Angriffe hinaus bis nach Amerika ist der Festjubel ge zum Ehrenmitglied der neubegründeten vlämiauf Reuters „Läuſchen un Rimels " aus „ Miß- drungen. Zahllos sind die Verehrer des schen Akademie ernannt. Auf dem eng zugemessenen Raum konnte gunst" über eine wohlwollende Kritik von Ro- | greisen Dichters in Nordamerika. Die platt: bert Prug erwachsen wären. Der Dichter des deutsche Sprache ist dort für die versprengt ich selbstverständlich nur oberflächlich den ernsten „Quickborn" stritt aus Liebe zu seiner lebenden Deutschen ein Zauberband , welches Lebensgang und die Bedeutung Klaus Groths sie eng zusammenkettet. Nicht weniger als streifen ; der Zukunft bleibe eine eingehende edlen Sache, nicht aus Mißgunst. Reuter hat sich mit Glück gegen Groths drei große plattdeutsche Zeitschriften sorgen Würdigung dieses seltenen Geistes vorbe= Angriffe gewehrt. Von dem edlen Charakter in den Vereinigten Staaten dafür , daß die halten. Möge dem verehrten Dichter noch ein unseres Dichters gibt es nun wieder Zeugnis, niederdeutsche Sprache den in der Fremde daß er als der erste namhafte Schriftsteller lebenden Deutschen nicht verloren gehe , und langer , goldiger Lebensabend beschieden ſein! das Weihnachten 1859 erschienene Buch „ Ut de Franzosentid“ ſchon am 29. Dezember dezselben Jahres im " Altonaer Merkur" mit Ausdrücken höchsten Lobes besprach. Spalte 1341 wird der wahrhafte Biedersinn Reuters gerühmt , der unangenehm von Groths Lob Der Himmel hängt voller Geigen. berührt wurde. Kennt Herr Dr. Gaedery Reuters Verhältnis zu seinem erst kürzlich verGeschichte eines Musikers. torbenen Leidensgefährten Karl Schramm ? kaum möglich ; denn sonst würde er nicht gar Don so laut auf den „ Biedersinn “ gepocht haben! Daß Klaus Groth jemals Annäherungsversuche Rudolf Schmidt. an Reuter nach jener Kontroverse vom Jahre 1858 gemacht hat, iſt nicht richtig. Klaus Groth (Autorisierte Uebersehung von I. Langfeldt.) hat solche weder persönlich unternommen , noch von seinen Freunden unternehmen laſſen. Sollten trohdem sich vermittelnde Freunde geI. funden haben, wovon Herr Profeſſor Groth voll von lauter Streichinstrumenten, und aber nichts weiß , so haben diese ohne seine Einwilligung gehandelt. Was nun endlich steht in einem deutschen Volksliede ! dann muß es einem vor den Ohren klingen, den von Herrn Dr. Gaedert gegeißelten NachDen Zusammenhang habe ich ver- als würden sie von unsichtbaren Händen ruf auf Reuter betrifft, so sind die ange gessen und kümmere mich auch nicht einen berührt. Gerade so geht's an den eigentgriffenen Stellen in ihrem Zusammenhang Deut darum ') . Der Himmel hängt voller lichen Festtagen zu , wenn man seine besten durchaus nicht trivial. Der Artikel ist auf Geigen die Zeile ist's , die uns ganz Augenblicke hat. Dann wallt's in der allein angeht. Es muß einem zuweilen Seele , mein Lieber ! - Wer niemals dies telegraphische Beſtellung während einer Nacht geschrieben. Wallen gespürt, hat auch kein Talent zur 1862 veröffentlichte Klaus Groth sein 'mal vorkommen, als wäre die blaue Luft Musik, wenn er auch alle Griffe beſſer reizendes Idyll Rothgeter-Meister Lamp un lernte , als Sie sie jetzt in den Fingern 1) Der Veriaffer ist in der deutschen Litteratur beſſer g beson die auch , Dichtun eine , Dochter" sin ders in den Niederlanden großen und ver- zu Hause als Großmann und weiß sehr wohl , daß das haben. Wenn ich sage : die besten Augennur die Ueberschrift eines Liedes in Des Kna, blicke, so muß man troßdem einen Unterdienten Beifall fand. Von den späteren Ber: Litelwort ben Wunderhorn " und zugleich ein bekanntes deutsches schied machen. Es gibt Leute , die zus öffentlichungen des Dichters will ich nur kurz Sprichwort ist.
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weilen einmal, wenn sie den ganzen Dampf heraufhaben, das Gefühl ankommen kann, als würde ihnen mit einemmal eine von den vielen Geigen da oben unters Kinn geschoben, als umfaßten unsichtbare Finger die ihren und führten sie, so daß sie selbst dazu kämen, an der Musik mitzuwirken, die zu ihnen heruntertönte. Dann haben diese Leutchen ihre besten Augenblicke . Sie erreichen , was sich erreichen läßt, wir anderen müssen uns mit der Ahnung begnügen. Sie hat die Natur für die erste Klasse bestimmt , mich für die zweite. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden!"
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Student ward ich mit dem dritten Cha | verbinden. Nach zwei Monaten weigerter rakter und habe mich nicht auf ein Brot Sie sich, die drei Mark per Stunde z studium geworfen . Nach zweijähriger Vor- nehmen , mir ward's , die Wahrheit z bereitung trat ich gestern abend im Kon sagen , sauer genug , sie zusammenzu bringen. Ich wurde Ihr Liebling , und zert auf und spielte schlecht - " „ Niederträchtig !" Jhr wohlmeinender Eifer spiegelte mir " Hier bestand ich also nicht einmal eine Zukunft vor , an die ich schließlid mit dem dritten Charakter, fiel aber eher selbst zu glauben anfing. Da liege it nun. Sie geben das Faktum zu, leger durch, und das mit Glanz. " es aber in einer Weise aus, die Ihrem "! Stellen Sie beides zusammen?" Nicht ganz! Daß ich zum Studieren Naturell entspricht." „Mein Naturell sollen Sie ohne Re keine Lust habe, hat mich nie besonders Cu gequält. Daß ich aber gestern abend eine servation ausgeliefert bekommen - Eu Niederlage erlitt, das wird einen bleiben können damit thun , was Sie wollen!" den Schatten in meine Seele werfen. Das rief der alte Organist. „ Was Sie aber Der Sprecher war ein ältlicher Herr ist der Unterschied. Aber just in meinem meine Auslegung zu nennen belieben, die mit krausem, grauem Haar, dessen wilde Fiasko eine Bekräftigung dessen zu sehen, Gabe zu sehen und zu verstehen, davon Locken infolge unablässigen Hineinfahrens daß ich ein musikalisches Genie bin, den halten Sie mir hübsch die Finger ab noch mehr auseinanderstrebten. Er wandte Gefallen kann ich Ihnen mit dem besten das zu gewinnen, hat mehr gefoſtet, ala sich so ' n Grünschnabel wie Sie vorstellt. " sich an einen jungen zweiundzwanzigjähri- Willen nicht thun. " „So , das können Sie nicht! " fuhr Ohne daß er in dasselbe gefahren, gen Mann von schmächtiger, gebeugter Geſtalt, mit einem blaſſen Gesicht, das einen der alte Herr auf, und seine runden Augen richtete sich sein graues Haar in die Hobi ungewöhnlich hellen und zarten Teint und sprühten. „Ja, was verstehen Sie denn und bildete widerstrebende Löckchen, und auch davon ? Gottserbärmlich spielten schnellen Schrittes stampfte er ein paar merkwürdig klare Augen aufwies . Der junge Mann hob ſeinen Kopf und Sie, schlechter noch als die Schafsköpfe mal im Zimmer auf und nieder. Darn schaute sein Gegenüber mit einem trauris von Kritikern gesagt haben , denn die blieb er mit einemmal vor dem junge gen Lächeln an. Art Bursche sieht nur auf das , was Manne stehen und sagte in einem fonder"!Und troßdem spielte ich gestern, daß Glück macht. Aber sehen Sie, mein Lie: bar weichen Tone: es ein wahrer Jammer war, “ sagte er. ber, wenn man so umschmeißt wie Sie, „Es ist am besten , ich sage Ihnen „ Ganz recht! Weshalb aber ?" fiel der so stellt man sich wieder auf die Beine frei heraus , was ich eigentlich darunter hatte , Sie bei dem Konzert zum Au alte Herr mit bissigem Eifer ein. „Weil wie ein Held. " "! Ihr Glaube ist mächtig. Sie etwas hineinlegen, das Ihr Eigentum Ich kann treten zu bewegen ; das Stipendium ſpielte ist. Die anderen leierten herunter, was ihn leider nicht teilen , obgleich ich der nicht die Hauptrolle dabei. - Daß Sie sie gelernt hatten. Wäre das verdammte nächste dazu wäre. Ich habe die leßte durchaus nicht immer gleich glücklich find Muß nicht gewesen, ich hätte Ihnen auch Nacht viel darüber nachgedacht. Eigent wußte ich gut. Was Sie innerhalb diefer gar nicht erlaubt, öffentlich aufzutreten. lich war's der Zufall, der mich zum Gei- vier Wände geleistet haben , können Sie Ich weiß am besten , was Ihnen noch gen führte. Nach meinem schlechten Ar- nicht jederzeit ungeschehen machen, wema fehlt. " tium erhielt ich von Onkel einen Brief, stens jetzt nicht. Aber Sie waren so we "Ja, die unsichtbaren Finger versagten der augenscheinlich in der Absicht geschrie gekommen, daß Sie künftig Ihr eigene allerdings ihren Dienst, und zwar in sol ben war, daß ich mich wie ein begossener Lehrmeister sein können; was Ihnen chem Grade , daß es mich selbst wunder Pudel fühlen sollte. Da wurde der Troß noch fehlte, war die Befreiung von eine nimmt." in mir wach ich fühlte den Trieb in gewissen Drucke , verursacht durch Sh " Sie haben sich noch nicht zum Dienste mir, wieder zu arbeiten . In demselben schlechten Umstände und die Scherereic gemeldet : da liegt der Hund begraben ! " Moment fiel mein Auge auf Vaters alte Shres Onkels . Nun kalkulierte ich is fuhr der alte Herr fort, mit der Barsch | Geige — Sie haben ihren trefflichen Bau ständen Sie im Konzertsaal, so würde de heit, die ihm natürlich schien. „ Ich weiß und die vorzügliche Beschaffenheit des Hol- innere Spannung das Ventil plöglich öf aber, daß Sie sich melden werden, und ich zes oft genug gerühmt. Vater hatte sie nen, und Sie würden mit einem Schle verstehe mich auf solche Dinge, hol' mich auf einer seiner Reisen erworben und als Sieger aus dem Kampfe hervorgehen der Teufel!" spielte täglich darauf; er selbst hatte mir Ich sollte mich geirrt haben , aber c Der junge Mann schwieg einen Augen- die ersten Anfangsgründe im Violinspiel eine eigentümliche Weise ; es geschah nam blick. beigebracht. Mir wurde merkwürdig weich lich das Gegenteil von dem , was ich a „Wenn ich wüßte, daß Sie mir nicht ums Herz ; die einsame und unglückliche wartet hatte. So gedrückt sind Sie noc böse würden, so möchte ich Ihnen gern Zeit meiner Kindheit stürmte auf mich ein . nie gewesen, Sie spielten, als wenn eins sagen. " Zum erstenmale nach vielen Jahren nahm auf glühenden Eiſenplatten ſtänden. Do "" Nur heraus damit ! " ich die Geige von der Wand herab und ist schlimm; die geehrten Herren Ze Er sprach die Worte in einem Tone, fing an zu spielen. Das gab Trost und genossen betrachten es als ein Verbreche der eben nicht sehr beruhigend klang. Erleichterung. Dann kam mir der Ge- wenn man kein Glück macht. Aber seb "! Daß ich absolut ein Genie sein soll, danke, mir eine größere Fertigkeit anzu Sie , daß gerade das Umgekehrte eintra das ist etwas , was Ihnen Ihr freund eignen . Zu diesem Zwecke ging ich zum ist ein Omen , auf das ich mich verle schaftlicher Eifer eingeredet hat, und da Organisten Großmann, von dem man mir und wenn ich mich auch irrte, in eine Sie sich das nun einmal in den Kopf gesagt hatte, daß er — " Stück irrte ich nicht : diese Stirn hat e gesezt haben, so sind Sie auch nicht da„ Ein Ochse! " rief der alte Herr und Muse mit ihrem Kusse berührt, in dicie von abzubringen. Ja, ja, nun werden fuhr sich mit grimmigem Behagen ins Herzen strömt eine Tonflut aus der Cuel Sie doch bös." Haar. der ewigen Schönheit! " „Wenn das Ihr Ehrgeiz ist, so täu„Sagen Sie mal ! " fing der alte Herr Ueber das groteske, pockennarbige G wieder an und warf dem jungen Mann schen Sie sich. Es gibt keinen , der nicht sicht war eine merkwürdige Feierlich! einen grimmigen Blick zu , es ist Ihre sieht, daß hinter der Maske des Jähzorns gekommen, und bewegt strecte er sein feste Ueberzeugung, daß Sie ein Pfuscher und Aufbrausens ein großes Herz steckt. Arm dem jungen Manne entgegen. Di find?" Ich wandte mich also an Sie, mein lieber, sem war das Waſſer in die Augen o "Das eben nicht ! Aber welchen Weg hochsinniger, hißiger Gönner, und bat Sie, treten ; er faßte die Hand des Organiza ich einschlagen soll, darüber bin ich mit mich unterrichten zu wollen, ohne damit und für einen Moment hatte es den mir selber nicht ins reine gekommen. im Grunde einen besonderen Zweck zu schein, als wollte er dieſelbe küſſen.
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811 Der alte Großmann riß die Hand an fich und begann eine neue Wanderung durch das Zimmer. Plöglich blieb er stehen und heftete einen durchbohrenden Blick auf den andern. Sagen Sie mal , " fing er wieder an, fühlen Sie sich nicht noch gedrückter als früher, ist nicht etwas extra hinzugekommen ?" Ueber die schiere Gesichtshaut des jungen Mannes ergoß sich ein schwaches Hot. "1 Sie haben recht ! " versezte er langfam. " Es ist etwas hinzugekommen." Plöglich erhellte sich das Gesicht des Organisten. „ Ah, ich verstehe ! " rief er aus . Der junge Mann wurde noch verlegener, als er vorher gewesen war. Der Organist gewahrte es, er stellte sich mit gespreizten Beinen, die Hände in den Taschen, vor ihn hin. „Wissen Sie," begann er mit sonder bar zögernder Stimme , "/ was Bröndsted zu einem unserer Poeten sagte , als er dessen erste Gedichte gelesen hatte ? - Jch seh's Ihnen an, daß Sie es nicht wissen ; er sagte: nun müſſen Sie ſich eine un glückliche Liebschaft anschaffen."" „ Soll ich das vielleicht als eine Aufforderung ansehen, so thut es mir leid, Ihnen auch in dem Stück nicht dienen zu fönnen ; mit einer unglücklichen Liebschaft kann ich nicht aufwarten. " "Eine glückliche thut's auch. - Sie haben sich also entschlossen, die Einladung Shres Onkels anzunehmen ?" "Ja.“ Aber Sie hatten ja erst im Sinne, nach Thüringen zu reisen und weite Fußtouren zu machen. Ist's Geld, woran es fehlt, so weiß ich einen, der Ihnen auf fünftige Konzerte gern einen Vorschuß ge: währt, das Geld ist sicher genug. “ Auch dafür danke ich Ihnen! Nein, es ist eine Sehnsucht nach der Gegend meiner Kindheit über mich gekommen . Nun , da es schief gegangen ist , wird Onkel nicht gut zu sprechen sein ; ich reise aber dennoch nach Hause. " „Ja so." Es entstand eine lange Pause.. Sit's nicht im Grunde ein dummer Philisterglaube, " ergriff der junge Mann endlich das Wort , daß die Liebe im Stande sein soll , einen Menschen zum Künstler zu machen.“ „ Vielleicht ! daß. aber die Glut in einem angefacht werden muß, ist kein Philisterglaube. Ich selbst kann als ein Crempel der entgegengesezten Richtung dienen . Wollen Sie aufrichtig sein , so müssen Sie zugeben, daß Sie so in aller Stille geglaubt haben, ein Geschick, eine tragische Begebenheit habe mich zu dem wunderlichen Knasterbart gemacht, der ich bin - Sie haben mich für einen jener Krüge gehalten, die von außen wie ein Satyr geformt und inwendig mit köstlichen Salben gefüllt sind. Weit gefehlt, mein Lie ber ! Nicht die Spur von Salbe oder der gleichen! Die Wahrheit zu gestehen, so
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ist's gerade das Ausbleiben von allem | Matthias , inwendig hast du ebensoviel diesen , das mir Unglück gebracht hat. wie ich, und was die Liebe zur Kunst anSie wissen nicht, was aus einem Men belangt, so hast du davon so viel, als ein schen werden kann , wenn eine unglück Mensch nur haben kann. Ihm aber Luft liche Liebe fehlt. - Darum gönnte ich geben , daß es ' was Neues und Großes wird , das kannst du nicht. Du bist wie Ihnen ein besseres Los !" Der junge Mann schaute ihn mit eine Baumart, die ich im botanischen Gar ten gesehen habe, die weder recht Blätter einem langen Blicke an und sagte: „Mag nun ein großer Virtuose aus noch Blüten treibt , sondern nur Andeudu bist gehemmt. mir werden oder nicht , so werde ich's tungen von solchen stets als ein Glück betrachten, auf meinem Soll das nun zwischen alten Freunden Er breitete seine Lebenswege Ihnen begegnet zu sein, Herr Bitterkeit erzeugen ? Großmann. Sie sind ein Mann mit Arme aus, und ich, der noch nie ein Mädchen gefüßt hatte , ich fiel ihm um den einem großen Herzen." Mit einem infamen , schofeln Her Hals und küßte ihn. Von Walz ging ich zen ! " rief der Organist mit vor Zorn ge- nach dem botanischen Garten und pflückte rötetem Gesicht. Nein , ein Mann mit mir einen Zweig von dem Baume, der's, einem großen Herzen ist der da. " wie ich , bei Andeutungen bewenden ließ. Er deutete auf eine Bleistiftzeichnung, Nun hat er da neben Walz' Porträt in die hinter Glas und Rahmen über seinem fünfzehn Jahren gehangen . Ich hab' mich Schreibtische hing ; es war ein Mann in daran gewöhnt, ihn als mein Porträt anmittleren Jahren mit einem scharfen, fei zusehen , ihn als ein Spiegelbild zu benen Gesicht , in einem Rocke mit Busen- trachten und mir selber zu sagen : Du bist streif. Das Porträt hing zwischen einem gehemmt, mein Lieber ! Aber deshalb thue an der Wand befestigten Violinbogen und ich, was ich kann, um Sie, der Sie nicht einem Zweig mit lederartigem , flachge- gehemmt sind, ins Geleis zu bringen ." drücktem Laub ohne eigentliche BlattDer alte Herr nahm den Violinbogen bildung, der ebenfalls in einen Rahmen herunter, der neben dem Porträt hing. " Sehen Sie sich ' mal den Zettel an, gefaßt war. „Walz und ich sind gleichaltrig, “ fuhr der dabei hängt, “ sagte er. „ Es ist eine. der alte Herr fort. Ihm danke ich's , Bescheinigung , daß er bei einzelnen Gelegenheiten von Paganini gebraucht wurde. daß ich kein Schlingel geworden bin. " Heute übertreffen Sie sich selbst, Herr Jch bezahlte ihn in Leipzig mit siebenunddreißig Thalern , und darum ist mir viel Großmann. “ Ich bin nicht immer so aufrichtig.daran gelegen , bei meinem Glauben zu Sehen Sie, als wir jung waren, hielten Walz bleiben. In meinem Leben habe ich keinen und ich gute Kameradschaft ; wir wollten getroffen , der größere Anlagen hatte als beide große Männer werden ― er wurde Sie. Mit Paganinis Bogen schlage ich einer! Mit mir wollte es nicht recht vor Sie zum Ritter, Anton Haller, troß Ihrer wärts ! Was ich komponierte, taugte nichts, Niederlage. " Anton Haller hob abwehrend die Hand und in den Exekutiven fehlte mir das, worauf es eigentlich ankommt , das , was empor. „Nach meinem ersten Siege, " sagte er, Sie haben. Ich kann nicht leugnen, als Walz' Op. 1 herauskam und gleich die un- wider Willen ermuntert , !! werde ich mich mäßige Anerkennung errang , welche dies aus eigenem Antriebe einfinden und Sic wunderbare Stück Musik sich später stets um den Ritterschlag bitten. Ich will ihn zu bewahren gewußt hat , und als dann auch von keiner anderen Hand empfangenOp. 2 ein paar Monate später erschien nicht einmal von Walzens. " " St! Walz ist etwas für sich. Wär's und von allen Kennern als tiefer und tüchtiger angesehen wurde , wenn es auch gestern abend gut gegangen , so würde ich nicht so viel Glück machte ja, da fing's Sie vorgestellt haben. Nun muß er waran , in mir zu kribbeln. Die einzelnen ten. Wenn ich Sie dazu preßzte, bei dem herabseßenden Aeußerungen fog ich mit Konzert aufzutreten, so hatte ich auch einen wahrem Behagen ein ; in meinem Kopfe egoistischen Grund dabei, ich wollte einen begann der Gedanke zu rumoren, alles zu Trumpf haben , den ich heute abend bei einem Zeitungsartikel zu verarbeiten , der unserer Jahreszusammenkunft ausspielen das Publikum aufklären und Walz die Binde konnte. Sie wissen ja , Walz gibt mir von den Augen nehmen sollte ; ich wollte jedes Jahr eine glänzende Soiree. " ihm natürlich einen Dienst damit erweisen ! " So sagten Sie mir. " Dann traf ich Walz gerade vor seiner "Ich habe Ihnen aber nicht gesagt, Hausthür. He, Alter, sagte er, laßt weshalb er das thut . Es ist zum Anuns 'mal zusammen ein Stündchen plau- denken an den Tag, da er mich zu meiner dern. Er kriegte mich am Rock zu fassen Art stellte und mich unter die Gehemmten und zog mich mit sich herein. Sein bloßer einrangierte. An dem Abend gibt Walz mir Griff machte mich so demütig und gefügig, allein ein Galasouper. Wir effen in seiner daß ich unwillkürlich mitging, obwohl ich Arbeitsstube. Kron- und Wandleuchter ſind deutlich sah , daß er von allem Bescheid angezündet. In den Ecken des Zimmers wisse. - Nun set' dich 'mal , sagte er, sieht man eine prachtvolle Ausstellung eroals wir in seiner Stube waren, und stellte tischer Gewächse , die bei einem Gärtner sich vor mich hin, gerade so , wie ich jest gemietet werden. Das Eſſen ist nach Vorvor Ihnen ſtehe. -- „Hör' mich 'mal an, schrift bei Vincent bereitet , und auf dem Matthias , sagte er - ich heiße nämlich | Tische funkeln Chambertin, Johannisberger
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und Tokayer. - Viel wird übrigens nicht davon getrunken. Aber die ganze Anrichtung wird nicht weggeräumt , obgleich seine alte Magd jedes Jahr ein Attentat darauf macht. Haben wir gegessen, so spielt Walz auf dem Fortepiano eine Phantasie. Dann zieht er einen alten weiten Pokal aus venetianischem Glas hervor
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einer der kleinen am Fjord gelegenen Städte Stadtrichter. Man durfte sich also nicht darüber wundern, daß er in sich versunken daſaß. Es verhielt sich wirklich so : mitten in der Kjöbmagerstraße hatte er an den Kattegatt und die Heiden“ denken müſſen. Mit dieser sonderbaren Pluralbildung be-
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dem mißglückten Studenten von Anfang an eine große Zukunft verheißen und nur gegenüber der entschiedensten Niederlage hielt er seine Prophezeiung aufrecht. War er wirklich einer der Auserwählten des Glückes , dem die erste Apfelsine nur durch einen Frrtum nicht in den Turban geworfen worden ? Würde das fünft
und gießt eine halbe Flasche Champagner zeichnet man eine Heidestrecke , die , einer lerische Talent plößlich die Hülle spren hinein: zuerst trinke ich , und dann trinkt breiten Verbrämung gleich, sich dem Meere gen , und die Bescherung des Glüdes in er. Dann drücken wir zwei alte Jung- entlang streckt und in einem Bogen von einem erwählten , schicksalsreichen Augengesellen einander die Hand und besiegeln mehreren Meilen Länge wie schirmend zwi- | blicke sich nahen, groß, voll, reich ? In seiner Seele entlud sich ein Wolken: die unverbrüchliche Jugendfreundschaft. schen seine winterlichen Eingriffe und den wohlgepflegten, fruchtbaren Ackerboden bruch von Sorgen und Ungewißheit; aber Dann erzählt er von früheren Zeiten. Das ist ein Erzähler, sage ich Ihnen, so sich legt. Hier hatte er die ruhigsten zu seiner Ueberraschung hatte er die Em erzählt Ihnen kein Mensch ! Solche Ver- Stunden seiner Kindheit verlebt, hatte ge- pfindung , als dämmere gleichwohl das einigung von Schönheitstalent und Humor hofft und geträumt , indes die Vögel über Licht dahinter. Welches Rätsel konnte der hat noch keinem Sterblichen zu Gebote ge- seinem Haupte dahinflogen. Niemals hatte Mensch sich selber sein? Unwillkürlich hefstanden. Es ist ein Tanz von Musen und die Natur ihm die Tröstung und Ruhe tete er sein Auge auf den Geigenkasten, Elfen mit Heinzelmännchen und Kobolden gespendet , als an stillen Sommernach den er im Augenblick der Abreise infolge durcheinander. Und während der Rede mittagen zwischen den braunvioletten Hü einer plöglichen Eingebung an sich ge verzehren wir eine kandierte Frucht und geln, die festere Formen annahmen , deren nommen , obgleich er am Abend vorher nippen Tokayer. Nach einigen Stunden Farbenschimmer aber auf eigentümliche beschlossen hatte, den Rat des Organisten kriegt er seine Bratsche her und bewegt mich Weise in der Beleuchtung der sinkenden nicht zu befolgen, sondern diese Ferienzeit zum Spielen. Hab' ich jemals etwas ge- Sonne wechselte , während draußen das der Prüfung , Selbsterforschung und dem leistet, wo die himmlischen Geigen sich hören | Meer sonoren Falles an einem dreifachen Nachdenken zu weihen . ganz wie an Einen merkwürdig durchdringendenBlick ließen, so ist es bei ihm gewesen. Zulegt Riffenkranze ſich brach sezt er sich wieder ans Piano und spielt Jütlands Westküste , nur in bedeutend besaß der alte eifrige Herr. Da hatte er seine erste Komposition , dieselbe , die den kleinerem Maßstabe und mit unendlich nun angefangen, von dem Anschaffen eines Schlingel in mir wachrief und beinahe geringerer Kraft. Nichts hatte ihn der unglücklichen Liebesverhältniſſes zu sprechen ! einen Musikkritiker aus mir gemacht hätte; art in Ruhe gewiegt wie dieser Wellen- Ja , allerdings , er hatte Helga Karlien , aber zuweilen bricht er mit einemmal ab schlag, kein Anblick hatte sich so weich und die Tochter des Rittmeiſters Karlſen, des und bläst ein Stück auf dem Haarkamm, friedespendend an das Gemüt geschmiegt Besizers von Sophienberg, ein paar Taạc den er mit Virtuosität traftiert. Dämmert wie ein stierender Blick über die feinge vor dem Konzert vorüberfahren gesehen dann der Tag über dem Walle herauf, so zogenen Wellenlinien der einförmigen Heides und mit Verwunderung hatte er gewahrt. wandere ich heim, glücklich und stolz.decke. Nun, da sein Lebensplan zu nichte wie schön sie geworden , seitdem er als Sie haben vielleicht bemerkt, daß ich den geworden, nun, da seine Aussichen dunkler Schüler auf Waldbällen mit ihr zusammerschwarzen Frack nur ungern anziehe und denn je, fühlte er einen unwiderstehlichen getroffen war. Dieser frische Teint , d zuweilen mit einem struppigen Stoppel Drang, sich von dem wunderbaren Schwei- dem abgedroschenen Gleichnis von Mi bart in eine Gesellschaft gehe? An dem gen der Heide umfangen zu lassen. Dort und Blut eine neue schlagende Wahrhe Abend bin ich immer fein und glatt rasiert." allein konnte er zur Ruhe , Besinnung, lich , diese stolzen , blauen Augen , dieje Dann will ich gehen, damit Sie mit Klarheit über sich selber kommen. gelbblonde Haar, das ihn plößlich an eine Ihrer Toilette fertig werden können ; denn Darum wollte er sich auch mit Ge- der wenigen Verse Homers erinnerte , di der Stoppelbart ist wieder da , das läßt duld darein finden, wenn der Onkel, was er auswendig wußte, an den, wo Aphre sich nicht leugnen. " höchst wahrscheinlich war , kurz angebun- dite „die Güldne" genannt wird, — alle Sie haben recht ! Die Uhr geht stark den und unbehaglicher sein werde als frü das hatte unleugbar einen überwältigen auf sieben. Sie wollen also absolut zu her. In drei Jahren war er nicht in den Eindruck auf ihn gemacht. Wie ei Ihrem Onkel?" dem Heim seiner Kindheit gewesen. Die Wesen aus einem strahlenden, über steri „Ich reise morgen früh. " Einladung - das verstand er gar wohl liche Menschen erhobenen Dasein war ſ So leben Sie wohl!" hatte darin ihren Grund, daß sein Name an ihm vorübergefahren. Es gab ein Der alte Herr schlug kräftig in die infolge der Kundgebung des Konzertpro- Region der Schönheit und Freiheit , w hingehaltene Rechte Antons ein. Als sich gramms öffentlich genannt worden war. er , wie ein Instinkt ihm sagte , hin g sie war zum einzelnen, sichtbar. die Thür hinter ihm geschlossen hatte, biß Der Onkel gehörte zur alten Schule der höre ; der Organist die fleischigen Lippen mit vierziger Jahre, auf die es stets Eindruck Ausdruck für das geworden , was er e machte , den Namen eines Menschen ge- sehnte und begehrte. possierlicher Bedächtigkeit aufeinander. „Er hat es ja mit einemmal höllisch druckt zu sehen. Und dann war in diesem Und der empfangene Eindruck he eilig diesen Onkel zu besuchen , " sagte er Falle der Name sein eigener : der Neffe sich mit ungeschwächter Kraft erhalt endlich. war nach ihm genannt worden. Der Em Am Morgen des entscheidenden Taa Dann fuhr er nach der Thür hin und pfang würde kein ungemischt herzlicher hatte ihm es war ganz unbegreiflich rieß sie auf. werden , jezt , nachdem der Name in den nicht geträumt , in einem verwunderlic „Heda , noch eins ! Nehmen Sie die Blättern besudelt worden , in den Blät- wachen Rausche hatte er es aber deuth Geige mit! Sie müssen sich wahrhaftig tern , deren Verdammungsurteil Stadt mit seinen inneren Augen geschaut , richter Haller als Sohn seiner Zeit so un- sie ihm unter dem Jubel der Menge in den Ferien üben !" beschreiblich fürchtete, während ihr Lob als Kranz auf die Schläfe drückte. II. unfehlbarer Ausdruck des historischen UrDann war am Konzertabend der R Eine Fahrt den Roeskildefjord hinauf teils angesehen wurde. schlag gekommen ! Der schwarze gübrer Troy seiner tiefen Niedergeschlagenheit Raum, erfüllt von undeutlichen Geſtalt. bietet nichts Merkwürdiges. Die Umgebungen sind in Grün gekleidet und hatte die hißige Behauptung des alten von denen er nur die Gesichter in d freundlich , aber flach und außer stande, Muſikers einen stärkeren Eindruck auf ihn vordersten Reihen verschwommen zu die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. gemacht, als er sich selber gestehen möchte. blicken vermochte, hatte sofort ſeine Br Anton Haller hatte die Fahrt zudem man- Organist Großmann war als ein Mann beklemmt. In der ersten Reihe hatte ches Mal gemacht ; - der Onkel war in von genialem Blicke bekannt. Er hatte drei , vier Paar kalte , feindliche Aus
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Der Lenz ist gekommen .
Von Messerschmitt.
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Er warf die Berlinger auf das ScheiSchiffes gegen die Mündung des Fjords | hin seine Motion zu erschweren begann, licht und heftete einen feindseligen und blieb er stehen und sagte: „Es fängt an falten Blick auf Anton , der seinerseits einen heftigen Unwillen gegen den überzu rollen. " „ Das ist nur in der Breitung, " verlegenen Obertribunalsanwalt in sich kochen seßte Anton, aus seinen Gedanken aufgefühlte. scheucht. " Sobald wir um die Landzunge Wenige Augenblicke und der Dampfer legte bei der Landungsbrücke an. Thomas herum sind, ist's vorüber. " Sie Becket machte eine Bewegung mit der be„Ah, das ist ja Herr Haller ! entsinnen sich wohl noch meiner — Ober- schuhten Hand und rief einem ältlichen tribunalsanwalt Becket ?" Herrn mit grauem Schnurrbart , der in Anton maß die hohe , stattliche Er der ersten Reihe der Wartenden stand, zu: scheinung mit seinen Blicken. Gewiß, „ Das ist schön von Ihnen , Herr Ritter entfann sich seiner, obwohl er ihn nur meister, daß Sie selbst kommen. " Schon hatte ein Kleinbürger der Stadt ein einziges Mal gesehen hatte , vor etlichen Jahren , als er mit seinem Onkel seinen Fuß auf das Landungsbrett gein einem Kopenhagener Restaurant zu sest, er trat aber unwillkürlich zurück, um Mittag gespeist. dem feingekleideten Gaste des Rittmeisters „ Die Seekrankheit ist eine sehr unan- Platz zu machen. Thomas Becket nahm genehme Krankheit, " fuhr der Anwalt fort, sich trefflich aus, als er stramm und ſtattentgegengesetter Weise bekräftigt worden ? ,, und dann ist man so derangiert , wenn lich, seine kleine Reisetasche in der Hand, Es gab vieles zu bedenken und zu man ans Land kommt. " ans Land schritt, und das Englische, das Hären. Heimwärts mußte er , zu „den Der junge Mensch konnte sich eines über ihm lag, gab ihm in diesem AugenHeiden“ mit dem weiten Ausblick über Lächelns nicht erwehren. Becket bemerkte das . blick das Aussehen eines echten Gentleheimwärts , er konnte nicht Das Kattegatt In demselben Augenblick glitt das mans . anders. III . Schiff um die Landzunge und bewegte sich Und Sophienberg lag eine kleine Vier nun in ruhigem Wasser fort , das jede Herr Justizrat Haller Herr OberDie Herren telmeile von dem Städtchen, wo der Onkel Furcht vor Seekrankheit überflüssig machte. tribunalsanwalt Becket. mit der angemaßten Autorität eines Allein- umgeben von grünen Bäumen wie eine kennen sich?" „Wir sprechen uns zuweilen in Kopenerrichers residierte. Er wollte doch ein Schüssel Krebse ! lag ein Haufen von Herr Becket wird uns wohl mal hinausgehen und das interessante roten Ziegeldächern zu innerst der kleinen hagen; bauptgebäude in Augenschein nehmen.Bucht, welche die Landzunge mit dem ent- Freitag abend das Vergnügen machen , Eie war ja in Kopenhagen. gegengeseßten Ufer bildete. Es war Fjordby . unsere jährliche Feriengesellschaft mit seiner Was für seltsame Bemerkungen der jäh- Linkerhand ragte blendendweiß in der Nähe Gegenwart zu beehren. " " Versteht sich! Herr Becket kommt mit ornige alte Mann doch machen konnte; des Ufers das Hauptgebäude Sophienin unglüdlicher Liebeshandel! Hier ist der Wagen, bergs , vor sich zwei mächtige dunkelgelbe Helga und mir. Aber er war sich selber bewußt , daß Scheunen. Verehrtester, bitte, steigen Sie ein! " „Famoser Besit! " meinte der Ober„Ja , mein lieber Neffe , für dich iſt Ian Helga Karlsen binnen Jahr und Tag Der Ritt fein Wagen da , " sagte der Stadtrichter, ht gedacht hatte. Allerdings ! einmal , tribunalsanwalt . " Stil! s vor vier oder fünf Jahren auf einem meister hat das Ganze wohl bedeutend indem er sich wandte und den jungen alle unter einer Française ihre beschuhte heraufgearbeitet ?" Mann gewahrte, der endlich ans Land and die seine berührte, war's ihm durch gekommen war. „ Gib Sören deinen GeSo sagt man." art und Bein wie Feuer gefahren. Aber " Ich hoffe, einige amüsante Tage bei päckschein!" Sören ließ sich den Gepäckschein eine Erinnerung daran war überdeckt und ihm zu verleben." Twiicht worden , und wenn er jetzt an " Wenn ich nicht irre , so steht er mit händigen und fragte , ob er Herrn Haller nicht den Kasten abnehmen solle. dachte, so war's wie an einen erhabe- Onkel drinnen auf dem Molo. “ „Den trage ich selber, Sören. " Hm. Die Tochter ist n, glänzenden Repräsentanten der Welt, „ Richtig ! welcher er sich mit seiner Kunst den nicht mit. " ,,Den Violinkasten ?" sagte der Justiz„Ist sie zu Hause ?" tritt hatte öffnen wollen , von der er rat und sein schmaler Schnurrbart krümmte taber ausgeschlossen war. Aber von Die Worte wurden in einem über sich wie ein Paar Fühlhörner. " Schöner war's ein gewaltiger Sprung bis zum raschten Tone hervorgestoßen. Der Ober- Aufzug das für einen Bürgermeister und rlieben in ein Mädchen , das ein paar tribunalsanwalt betrachtete ihn mit einem Stadtrichter. Na, dann laßt uns gehen.“ hre mehr zählte als er , und mit dem durchdringenden Blicke und sagte dann mit Sie wanderten schweigend den Damm faum zehn Worte gewechselt hatte. eigentümlichem Nachdruck: „ Ja, Fräulein entlang, der Stadt zu. Als sie die erſte Straße erreicht hatten , steckten die Leute in , nein, der alte Großmann war auf Helga Karlsen befindet sich zu Hause." t falschen Fährte. Es war die GeEr machte eine kurze Wanderung über hier und da den Kopf zum Fenster heraus ; Sie war das Verdeck und ergriff dann eine „ Ber- der Stadtrichter heftete aber so zornfund, nach der er sich sehnte. Ropenhagen. linger" , die ein ehrenwerter Pächter aus kelnde Augen auf sie , daß sie ihn sofort Die meiſten Paſſagiere waren ehrjame der Kajütte mit heraufgenommen hatte, wieder zurückzogen. Nur der alte Prokurator Flöjstrup blieb Sleute und Kleinbürger aus den um sie in freier Luft nebst Butterbrot und dten am Fjord , von denen sich ein zubehörigem Schnäpschen zu genießen. unerschrocken in der Hausthüre stehen und Handlungsreisende leichten Kaufes Blötzlich wandte er sich an den jungen rief: Freitag soll also das fette Kalb geein eigentümliches überlegenes Ele Mann: Haben Sie im Sinne, hier schlachtet werden, Justizrat ?" „ Von wegen der Heimkehr des verloreauszuscheiden strebten. Nur ein Sommerkonzerte zu geben?" er hoher, heller, eleganter Herr geDieser ahnte , daß in der Frage ein nen Sohnes ? - Jawohl ! " Der Justizrat öffnete hihig die Hause offenbar den höheren Gesellschafts- Stachel verborgen läge und war außer En an. dem zu sehr überrascht , um gleich eine thür und deutete die Treppe hinauf. ,,Deine Kammer ist in Ordnung. Sete Der Herr war auf dem Verdeck un- Antwort bei der Hand zu haben. Endlich den Kasten von dir, sobald wie möglich . “ ig hin und her gewandert und hatte sagte er ruhig : „Nein!" und wann seine kalten blauen Augen „ Das dachte ich mir. Ich sehe hier Mit diesen Worten ging er brummend den jungen Mann gerichtet. Schließ im Blatt , daß Sie in Kopenhagen kein in seine Schreibstube. Anton stieg die schmale , knarrende als die schaukelnde Bewegung des besonderes Glück hatten. " 35 K3. II. burch die Lorgnette ihn anstieren gesehen . Sein Auftreten war unbeholfen und lachen in jeder Weise dazu erregend gewesen angethan , im voraus gegen ihn einzu nehmen. Das , wovon sein alter Freund immer und immer gepredigt, das, was sich aus dem innersten Jnnern meldete und eben deshalb der Auffaſſung von außen จน kommen schien , das , hatte er gefühlt, müſſe wie ein Bliz herniederzucken, wenn at nicht rettungslos verloren sein sollte. Und dann war das gerade Gegenteil eingetretenes hatte sich zu einer Reihe ichneidender Mißtöne ohne Zusammenhang, Kraft, Tonfülle und Sinn gestaltet. Das , wovon der eifrige alte Herr gefabelt, daß es einem sein könnte, als ob die Unsterb liden selber den Bogen in der Menschen band führten und dem Instrumente ewige war das nicht in Harmonien entlockten
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" Es ist auch gar nicht meine Absicht, ich es nicht verstehe. Aber diese Leute Treppe hinan und öffnete die Thür zu dem | „ Zimmer , das er als Knabe innegehabt mich darein zu fügen." haben nun einmal die Macht in Händen, hatte. Es war ein kleines , enges Gelaß, Ein kurzer Gruß mit der Peitsche, dann und es ist geradezu schrecklich, wie sie einen das nicht viel Anheimelndes an sich hatte. berührte sie mit derselben den Rücken des schikanieren können, wenn sie wollen. Beder Er trug indes kein Verlangen, sich unten Ponys und bog in starkem Trabe in den ist nun eine junge, vielversprechende Kraft" zu zeigen, bevor es not thäte. Feldweg ein, ohne den ehrerbietigen Gruß bei Gott , so hat's in ihren eigener Ueber der Straße lag das Posthaus. zu bemerken , den der Anwalt ihr nach- Blättern gestanden. Geld hat er just nicht übermäßig viel ; er wird's aber einmal Mechanisch folgte sein Auge den Kauf- schickte. V. weit bringen kann Minister werden. mannslehrlingen, welche die Poft für ihre Prinzipäle holten, denen es zu lange dauerte, Am Abend desselben Tages saß Helga Was wolltest du sagen, Kind ?" "Ich wollte sagen , daß ich bei einem ehe der einzige Postbote der kleinen Stadt Karlsen allein in ihrem Zimmer und blätherumkam. Endlich sah er den Beamten, den terte in einigen Bänden, die sie aufs Ge- Diner, wo Herr Becket zugegen ist, meiner --- Bist du alten Ole, in der Thür und über die Straße ratewohl dem Bücherschranke aus Palisan- Orden nicht anlegen werde. auf das Haus des Stadtrichters zukommen. derholz entnommen hatte. Ein leises Klop dann zufrieden, Papa? " „Das ist just nicht viel, liebes Kind. Gleich darauf hörte er, wie der Onkel fen und Rittmeister Karlsen zeigte sich, Du mußt doch selbst einsehen können, in der Kontorstube mit einer Stimme, die nicht ohne eine gewisse Befangenheit , in " daß ebenso erregt klang, wie seine Augen vor der Oeffnung der Thür. " Du erlaubst wohl , daß ich eintrete, Gute Nacht, Papa. " hin geblickt , dem Boten bedeutete , nach Danke !" oben zu gehen. Es wurden schwere Tritte liebes Kind ? Sie legte ihre Arme um seinen Hal Es hatte nicht den Anschein , als ob und küßte ihn. - Das war etwas , das vernehmbar, einen Augenblick später klopfte Ole wirklich an und gab einen Brief ab. der Rittmeister über die Erlaubnis eben nur selten vorkam. ,,Gute Nacht, Kind!" sagte der Hit sehr erfreut sei . Statt in dem Lehnstuhle, Derselbe trug die Aufschrift : Herrn stud. Anton Haller den die Tochter ihm hinschob , Platz zu meister , sich zu gleicher Zeit imponier nehmen, trippelte er mit sichtlicher Unruhe und geschmeichelt fühlend. "! Ueberleg di Adr. Herrn Justizrat Haller hin und her. Die Tochter blickte ihn mit mal die Sache ! Du weißt , daß ich nu Fjordby. Der Brief war vom Organisten Groß dem Ausdruck ruhiger Fronie in ihren deinetwegen " mann. Er war gleichzeitig mit Anton von blauen Augen an und fuhr dann fort, in Gute Nacht ! " Die lehten Worte wurden in einen Kopenhagen abgegangen und mit dem Dam- ihrem Buche zu blättern . pfer angelangt. Schließlich nahm er all seinen Mut Ton gesprochen , der den braven Kriege zusammen. mann bewog , mit einer gewiſſen Haſt z Er lautete folgendermaßen : „Kopenhagen, den 29. Juni 1859. "!„ Liebes Kind ! So geht's nicht länger. “ verschwinden. Einigermaßen mit sich zu frieden, schritt er den finsteren Gang hinau " Was denn ?" 12 Uhr morgens . „ Bitte, ſege nun kein so verwundertes Er trug sich mit dem stolzen Gefühl, da Walz reist morgen nach Knudstrup. Er ist Gast des Kammerherrn , der zu Gesicht auf. Du weißt wohl , was ich er, wenn es auch mit Diskretion gescheh von seiner väterlichen Autorität wahrhafti seinen alten Freunden gehört. Ich habe meine ?" mit ihm über Sie gesprochen. Sie " Gut , ich weiß , was du meinst. Gebrauch mache ! Die Tochter schaute ihm mit eine haben hoffentlich Ihre Geige mitge- Und weshalb geht's nicht länger ?" nommen ? ,,Du lieber Gott, Kind, einmal mußt mitleidigen Lächeln nach. ,,Armer Papa ! " sagte sie. Er fürcht du doch heiraten. " Matthias Großmann. „Hast du mich satt ?" Sie und doch macht er Ihnen die Kow In Walz' Zimmer geschrieben. Ich "!Wie kannst du nur so fragen. Gott | Nein, nein, diese Herren mit den glänze werfe ihn auf dem Rückwege in den Postkasten." weiß , wie gern ich dich immer um mich den Aussichten gefallen mir noch wenig Knudstrup war nur eine kleine Meile hätte. Aber du gehst nun in dein fünf- als die unsrigen. ' Ihre Augen fielen auf das Buch, b von Fjordby entfernt. Anton warf einen undzwanzigstes Jahr. Der eine ist dir ironischen Blick auf den Geigenkasten und nicht recht und der andere ist dir nicht noch immer aufgeschlagen lag. Es sagte bei sich selber: " Ja , ich habe sie mit recht. Und von der Jugend gilt das Wort : ein Band von Dehlenschlägers Gedich: Sie las: genommen. - Sie hat mir schon viel Ver- Kurzer Tanz ist bald gesprungen." Wenn der Tanz vorbei ist, kann man „Reicher Greif kömmt ſauſend, gnügen gemacht. " sich ja ruhig niedersehen. " Kömmt brausend IV. Ueber Felsen so mächtig. "! Man wird aber nicht Besizerin eines Siehst du wohl, du armes Huhn, Zur selben Zeit fuhr der Rittmeister Herrenhofes wie Sophienberg, um ſtillzuWie meine Federn sind prächtig?" mit seinem Gaste längs des Strandes auf ſizen und die Hände in den Schoß zu „ So sind Sie gekommen, Herr Bet Sophienberg zu. Noch waren sie nicht legen. Du hast Verpflichtungen gegen mich lange gefahren, als ihnen an der Stelle , und deine verstorbene Mutter , Kind. Es aber Ihre Federn sind aufgeklebte Pfau wo ein schmaler Feldweg nach den Heiden " ist , bei Gott , an der Zeit , daß du mit | federn. " Sie las weiter : abbog, eine junge Dame mit einem feinen dem ewigen Mäkeln aufhörst. Du mußt " Armes Huhn kömmt weichend, Profil und goldblondem Haar begegnete , endlich ' mal eine Bestimmung treffen. Da Kömmt keuchend die den leichten Einspänner, in welchem sie war der Baron zu Kalholm , mit dem du Ueber Wiesen gegangen. bei Kammerherrs zum Diner warst. Der saß , mit eigenen Händen lenkte. Siehst du wohl, du reicher Greif, hatte genug , als du dich mit deiner „ Aber, Kind ! “ rief Rittmeister Karlsen, Wie meine Federn so hangen?" „du kehrst doch mit um und frühstückst Ordensdekoration zum Vemmeltoftekloster „Das hat der reiche Greif gesehen ! mit Herrn Becket und mir ?" zu Tische settest. Er hat sonst nicht viel beim Mittagstisch in höhnis sprach Bedaure. Ich habe gefrühstückt. " "! los, das hatte er aber gleich weg. Den "/ Soll's nun wieder zu Holzschuh-Klau- Korb brauchtest du also nicht erst auszu- Tone von ihm . Das war keinkluger St zug, Herr Becket. Allerdings kam er sens Frau gehen ? Du bist wahrhaftig teilen, und wenn du ihn nicht mochteſt · sehr aufmerksam gegen die Frauensperson. " na ja, in Gottes Namen, obgleich er dein chend gegangen, als wir ihm nachmit Ich mag gern das Kattegatt sehen. " Halbvetter ist. Nun ist aber dieser Becket auf der Ausfahrt begegneten. Bei diesen Worten flog eine leichte da. Er ist ein stattlicher Mann und ge- gekleidet und in merkwürdig trüber Röte über ihr Gesicht. hört zu den Studierten, den Bürgerlichen , mung. Aber in seinen Augen in t „Herr Rittmeister, " fiel Becket ein,,, Sie die jetzt am Ruder sind, weil sie den Kopf das mir gefällt. Ob's wohl der Blid Genie ! Er hat ja t dürfen den Neigungen Fräulein Helgas haben und zu regieren verstehen. Ja, ja, Genies ist ? kein Hindernis in den Weg legen. “ lache nur, ich weiß wahrhaftig wohl, daß gemacht !"
Rudolf Schmidt. -823Sie blickte gedankenvoll vor sich hinaus. Es ist in der That ein furchtbar schwie riges Ding , sein Herz an den rechten Mann zu bringen ! - Wie müßte er wohl eigentlich sein? Sie hatte in Gedanken einen neuen Band ergriffen. Wieder Dehlenschläger !" sagte sie. Es war ein Band seiner Tragödien. Plöglichflog einLächeln über ihr Gesicht. ..Wollen 'mal sehen ! “ Mit geschlossenen Augen schlug sie das Buch auf und seßte den Finger mitten auf eine Seite. Es war Cölestinens Monolog im vierten Akte des „ Correggio ". Ihr Finger war bei folgenden Zeilen stehen geblieben : ,,Er ist kein Ritter, weniger ein Bürger Noch weniger ein Diener. Er ist einfach, Nachlässig angezogen, reinlich, arm ; Ein schöner Kopf ! Wie blaß ! Wie edle Züge ! Wie hoch die Stirn ! . Edle Züge ? „Blaß ? Nun ja ! Aber schön ? Das ist nur so. Sonst ist es merkwürdig , wie alles zutrifft . Aber , du lieber Gott , da sie ich und denke an den Neffen des Stadtrichters . Daran ist Becket schuld : wie häßlich sprach er von ihm . Das thut kein gebildeter Mann . — Db's in der ganzen Welt wohl einen Mann gibt , der es verdient , daß man ihm einen Gedanken
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Der nächste gesellschaftliche Umgang des Rittmeisters setzte sich aus dem Beamten stande des Ortes zusammen. Selbstredend hatte die Tochter diese Zusammenkünfte, auf denen sie wie eine weiße Lilie erotischer Art zwischen mehr ordinären Gewächsen glänzte, von frühester Jugend geteilt. Den Damen Fjordbys war es von je her eine Lieblingsbeschäftigung gewesen, Helga Karlsen an jemand zu vergeben, und der hübsche, distinguierte Obertribunalsanwalt, der ausdrücklich als des Vaters Gast herübergekommen, war eine allzu naheliegende Möglichkeit , um nicht sofort ergriffen und ausgenugt zu werden. Es bildete sich eine phantastische Legende , laut welcher er bereits in Kopenhagen um sie angehalten und das Jawort erhalten habe, daß ferner die Verlobung bei Gelegenheit des großen Balles auf Sophienberg , der stets das den Abschluß bildende Hauptfest der Ferien war, gefeiert werden solle. Wo man die andern lud , wurde Anton Haller mit eingeladen , und er fand sich ein, weil er nicht wohl anders konnte, wußte er auch , daß sein Ausbleiben von niemand beklagt werden würde . Das Gerücht war natürlich auch ihm zu Ohren gekommen ; es hatte in einem Innern einen eigentümlichen dunfeln Schmerz erzeugt und die feindselige Stimmung verstärkt , die er von Anfang an dem Anwalt entgegengetragen und der dieser durch fortgesette Sticheleien übrigens selber die reichlichste Nahrung ge Denn merkwürdigerweise geben hatte . verlor der feine , selbstbewußte Mann dem verunglückten Studenten gegenüber stets das Gleichgewicht , das er sonst un erschütterlich zu bewahren wußte , und aus seinem Wesen trat etwas Unedles heraus , das seiner innersten Natur zu entſtammen ſchien . Während des Schlaraffenlebens der Ferien geschah es nicht selten , daß an
schenkt ?" In diesem Augenblick machte sich ein dumpfes Geräusch vernehmbar, wie wenn ein weicher Gegenstand mit aller Kraft gegen die Fensterscheibe anstoße. „ Es ist ein Vogel, den das Licht verlockt hat. Reicher Greif kömmt sausend , kömmt brausend. Nein, nein ! dieser Vogel war wohl ein armes Huhn . Sonst würde er die Fensterscheibe zertrümmert haben. " Sie ließ den Vorhang herunter. Unten am Fjord ging Anton Haller. Erst heute, am späten Nachmittage, da er dem Rittmeister mit seiner Tochter und Zu dem Kopenhagener Gast begegnet war, einem Tage ganze zwei festliche hatte er gewahrt, daß Fräulein Karlsen im sammenkünfte stattfanden. Das war eben an jenem Freitag der Fall , da abends Grunde das schönste Weib sei, das er je beim Stadtrichter Gesellschaft sein sollte. vermochte er mals gesehen habe. Nun nicht zu schlafen und zog es vor , einen Der alte Prokurator Flöjstrup mußte sei weiten Spaziergang zu machen, anstatt aufner drei sommersprossigen Töchter wegen zur Geſellſchaftlichkeit das Seine beitragen, zusißen und zu studieren. obgleich er es ungern that. Als das WohlDrüben im Hauptgebäude Sophienbergs feilste wählte er stets eine Vormittags : sah er ein einzelnes Licht schimmern und partie im Lustwäldchen der Stadt , wenn stellte sich selber die Frage, ob es wohl in es abends einen Schmaus gab, und die ihrem Zimmer sei. Forderungen an das Traktement des VorVI. mittags sich gleichsam von selber verminFjordby beherbergte während der Som derten . merferien eine recht ansehnliche Anzahl Gäſte Es waren wohl zwölf oder vierzehn, aus der Hauptstadt. Erstlich war da ein die auf der Tanzestrade sich zusammenKontingent studierender Söhne, die selten gefunden hatten, welche von einem spit an den väterlichen Herd zurückkehrten, ohne zulaufenden Schindeldach , das auf sechs einen guten Freund oder mehrere mitzu- gemauerten Säulen ruhte, überdeckt wurde. bringen. Dann waren zugereiste Verwandte Getanzt wurde nicht, aber auf Vorschlag da, und endlich hatten auch die Töchter der des ältesten Fräuleins Flöjstrup war ein Beamten und Gutsbesitzer Freundinnen auf Spiel arrangiert worden, während man Besuch bei ſich. Die ganze Sammlung von sich mit Rückſicht auf den etwas bewölkten Menschen lebte in den Ferien wie eine Fa- Himmel unter Dach hielt. Der alte milie und traf auf Abendgesellschaften, Spielmann Jens, der stets auf den Beinen Ausflügen und Vormittagspartien zusam war, war allerdings mit seiner Geige un men bis ins Unendliche. bemerkt herangekommen, aber der Kopen
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hagener Jurist hatte die Gesellschaft sofort von seiner Gegenwart befreit, indem er ihm ein Dreimarkstück in die Hand drückte. „Was sollen wir mit seiner Musik?“ sagte er. Wir haben ja selbst einen Künstler unter uns. " Ein paar Kaufmannstöchter kicherten. Anton Haller fühlte, wie sein Herz vor Aerger stärker klopfte ; er besaß aber weder Sicherheit noch Schlagfertigkeit genug, um antworten zu können . Das Spiel nahm seinen Anfang. Die Form, für welche man sich heute entschied, bestand darin , daß man einen Kreis schloß, worauf ein geknotetes Taschentuch willfürlich von dem einen zum andern geworfen wurde mit den Worten : „ Das Schiff ist geladen mit - ?" Es war dann Aufgabe des Empfängers , mit einem Worte zu antworten, das mit einem vorher festgesezten Buchstaben anfing. Dieser ward durch einen neuen erseyt, sobald jemand aus mangelnder Geistesgegenwart nicht zu antworten vermochte und daher ein Pfand geben mußte. In der Regel wurde das Taschentuch von einem männlichen Teilnehmer des Spiels einem weiblichen zugeworfen und umgekehrt. Anton Haller stand wohl nur des Scheines wegen mit im Kreiſe ; denn Fjordbys junge Damen waren allzu wohlerzogene Mädchen , als daß es ihnen darum zu thun gewesen wäre , zu erfahren , womit das Schiff bei einem Studenten dritten Grades geladen sei. Das kümmerte ihn nicht sonderlich. Sein Auge hing an Helga Karlsen ; wie berauscht ruhte es auf ihrer feinen und zu gleicher Zeit doch stark gebauten Gestalt , ihrer frischen Gesichtsfarbe , ihrem goldigen Haar , das , wie er erst jest entdeckte , ins Rötliche fiel. Sie nahm sich in ihrer hellgrauen eleganten Sommerkleidung vortrefflich aus. War's ein Betrug ? aber bisweilen wollte es ihm scheinen, als betrachte sie ihn mit einem eigentümlichen neugierigen Wohlwollen. „Das Burgfräulein von Sophienberg, " wie ein Poet unter der studierenden Jugend der Stadt sie genannt , nahm am Spiele ebenfalls keinen besonderen Anteil. Jm allgemeinen Bewußtsein galt ſie ja zudem als das gesetzliche Eigentum des jungen Advokaten, und in seine Rechte durfte man sich keinen Eingriff erlauben. Thomas Becket dagegen wurde stark bombardiert und antwortete stets mit einer Schlagfertigkeit, die ihn davon entband, ein Pfand zu geben. In einer Weise trat indeſſen die juridische Erziehung des Obertribunalsanwalts zu tage. Er war bei allen Unternehmungen der ordnende und leitende Geiſt. Mit ſonderbarem machtgierigen Instinkt hatte er das Steuerruder von vornherein an sich geriſſen, während er mit unerschütterlicher Selbstbeherrschung den Schein einer herablaſſenden Nachgiebigkeit zu wahren verſtand. Endlich war V als Anfangsbuchſtabe festgesetzt worden, und das Schiff_war bereits mit Vitriol, Vögeln, Vasen geladen
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gewesen, als eine junge muntere Guts | Himmel ? Floß von der hohen, stolzen etwas, das er sich jedoch nicht selber gebesitzerstochter , die neben Becket stand, Gestalt ein Lichtglanz über den Estrich, stehen wollte. Unten bei der Ziegelei stand Sören in der Hoffnung, den überlegenen Kopen über die grünen Sträucher und all die hagener Herrn endlich in Verlegenheit zu verwunderten neugierigen Gesichter? Nur in der Pforte und sprach mit ein paar bringen, zuerst eine Bewegung machte, als ein einziges Gesicht war weiß wie die von den Leuten. Anton sagte ihm wegen wollte sie das Taschentuch gerade vor sich kalkige Wand, und ein kaltes Augenpaar des Klempners Bescheid und schlug dann hinauswerfen , ihm dann aber dasselbe stierte ihn an mit einem wilden, haß einen Fußweg durch das Korn ein, ohne ruhig in die Hand steckte mit dem stereo- erfüllten Blicke und brachte ihn zu sich daß er eigentlich wußte, wo derselbe hintypen: „ Das Schiff ist geladen mit - ?" und rief ihm die Situation ins Gedächt führte. VII. ,,Violinen und Virtuosen ! " rief Becket . nis zurück. " Die beiden Dinge gehören zusammen ; So ist's recht, Kinder! " rief der Ritt„ Kommen Sie hierher, mein lieber Adfragen Sie 'mal Herrn Haller! " meister, der mit dem Justizrat von der vokat , und probieren Sie 'mal Fräulein Bisher hatte er dem stolzen , blonden Stadt herauffam . „ Leben in der Bude, Flöjstrups Küken !" rief der Rittmeiſter, Weibe, um dessentwillen er hier war, das so muß es sein!" das gewaltige Fragment eines solchen in "/ Fräulein Karlsen überraschte uns alle der Hand haltend. Im Stehen essen Taschentuch nicht zugeworfen. Es war ihm bekannt, daß das allgemeine Bewußt durch ihre Erfindungsgabe , " sagte Becket nennt man ein , Sera , nicht wahr? Sie sehen, wir sind hier in Fjordby allweg sein ihm dasselbe zusprach ; aber eben diese mit mühsam errungener Fassung. Erkenntnis hatte eine Ungewißheit hervor"Im Gegenteil!" versezte sie trocken gut skandinavisch. " Fräulein will uns nicht Gesellschaft gerufen, die er ungern bekräftigt haben und ruhig wie vorhin. „ Ich erfand nichts, wollte. Da es indes nicht thunlich war, ich erzählte. “ leisten ?" wandte sich Becket an Helga des Rittmeisters Tochter gänzlich unbe" Können wir auch einen Happen Brot Karlsen, die dem Knechte, der in einiger achtet zu lassen , so wollte er jegt , viel und ein Glas Portwein haben, Fräulein Entfernung die Pferde beaufsichtigte, mit leicht auch , um eine dunkle Wolke, die Anine?" sagte der Rittmeister, als er be- der Hand einen Wink gab. "Ich überlasse es Papa, meinen Plas er über ihre Stirn heraufziehen sah, zu merkte, wie die Töchter des Prokurators verscheuchen, eine Annäherung versuchen. anfingen, die Decke von dem mitgebrachten auszufüllen, " versetzte sie sich der Worte Das Schiff ist geladen mit - ?" Korbe zu nehmen. Er wollte jeder des Justizrats bedienend und ging auf In seiner Stimme lag etwas Weiches näheren Erklärung aus dem Wege gehen. den kleinen Einspänner zu, der, wie der Der Justizrat schaute sich um. Die Knecht durch Zeichen zu verstehen gab, und Abbittendes, in der ausgesucht eleganten Weise , auf welche er ihr das beiden Ahlen auf seiner Oberlippe krümm- zur Abfahrt bereit stand. Aber , liebes Kind , " begann der Taschentuch zuwarf, eine chevalereske Hul- ten sich wie Spürhaare, was symbolisch digung. eine stille Prüfung der herrschenden Stim Rittmeister mit etwas stärkerem NachIhr blaues Auge streifte das seine mung andeutete. Denn nach dieser sich druck als gewöhnlich , ?! Holzschuh-Klauses sekundenlang mit einem kalten Blize. zu richten, dazu fühlte der Alleinherrscher Frau kann dich, weiß Gott, heute woh! „ Vorlauter Verleumdung !" sagte sie der Stadt außerhalb seines Amtes einen entbehren." Ich kann sie aber nicht entbehren. " dann mit einer Stimme , deren trockene inneren Beruf. Der Justizrat merkte, daß Sie ging. Einen Augenblick später Ruhe den ganzen Kreis unheimlich erfüllte. er von einer Volksstimmung emporgetragen " Aber das ist ja auch ein Begriff und kein werden würde, wenn er dem Neffen gegen saß sie im Wagen, grüßte mit der Peitsche und verschwand auf dem geschlängelten Ding. Ich muß also ein Pfand geben. über sich barsch und überlegen zeige. Und so that er es. Waldwege mit einer Schnelligkeit , die Uebrigens ist es jetzt wohl Zeit, daß die ", Donnerwetter, Anton ! " rief er. „ Ich den Vater ganz ängstlich machte. Pfänder eingelöst werden." „ Das ist lauter Koketterie ! " flüsterte Es fehlte zu einer Fortsetzung die hab' vergessen, für heute abend den KlempStimmung. Der Vorschlag wurde mit ner zu bestellen, er muß die kouleurten Lam- Anine Flöjstrup einer der Kaufmannseinem gewissen Eifer aufgegriffen. pen im Garten aufhängen. Kriegt er nicht töchter zu. !! Natürlich!" Die Pfänder wurden eingelöst , und vor zwei Uhr Beſcheid, ſo läßt er uns im Holzschuh Klauses Frau ist sehr die Urteilssprüche waren die gewöhnlichen, Stich, ich kenne ihn . Du mußt der Ferienseit undenklichen Zeiten bekannten. freude schon das Opfer bringen, ' mal hin- | glücklich, " jagte Becket nach einer Pause. Trotz aller Selbstbeherrschung war in " Was soll der thun , dem dies ge- zulaufen und ihm anzusagen. Deine gesellhört?" schaftlichen Qualitäten kann ich der werten seiner Stimme ein leises Beben. " Wenn es ein Herr ist , " antwortete Versammlung allerdings nicht ersetzen, am !! Oho, damit hat's gute Wege ! " ent: Der Mann iſt Anine Flöjstrup, welche die Erfindungs- Brotkorb werde ich aber schon deinen Platz gegnete der Rittmeister. ein Schweinigel. Augenblicklich ist er in gabe von allen am wenigsten drückte, „ so ganz ausfüllen. Hö , hö , hö ! “ soll er einer Dame, ist es eine Dame, so Es wurden einige sekundierende „ Hö, Jütland wegen einer Erbschaft, die ihnen soll sie einem Herrn ein Kompliment hö , hö " laut . -- Anton Hallers gesellschaft zugefallen ist. Die Frau stammt aus ZütSie will gern nach ihrer Heimat ſagen." liche Qualitäten standen nicht hoch ange- land. schrieben. Fräulein Helga Karlsen!" zurück, obgleich sie da, wo sie jest wohner , Man vernahm einen Laut, der einem Anton fühlte, wie ihm das Blut in wahrhaftig Heidekraut genug haben. Sie furzen, erwartungsvollen Summen glich. die Schläfen schoß, er war nahe daran, aber für einen Pappenstiel von ihrem Sie fühlte, wie alle Augen auf sie ge- eine heftige Antwort zu geben. Aber be- Mietskontrakt lösen, dazu hab' ich denn richtet waren, und namentlich merkte sie, reits che der Onkel zu sprechen begann, doch keine Lust. Das Haus liegt nun und wen kriege daß Becket sie mit einer eigentümlichen war es ihm in Gedanken geraten, daß er einmal da draußen ; Spannung betrachtete. auf das, was geschehen, der Sammlung ich nachher dazu, hier zu wohnen ? " "Ich hab's Ihnen wohl hundertmal Sie trat vor Anton Haller hin und und Einsamkeit bedürfe. sagte: „Gestern traf ich den Kammerherrn Er sagte daher nichts weiter als „ Gut ! " , gesagt , Rittmeister ! Sie müssen an der auf Knudſtrup ; er fuhr mit Profeſſor Walz wandte sich und , indem er der ganzen Stelle ein Badehotel aufſeyen laſſen,“ aus . Walz sagte über Ihr Spiel : es ist Gesellschaft einen kurzen Gruß bot, ging rief der Stadtrichter. der dunkle, dichte Rauch, der ein Zeichen er davon. Seine Augen Fräulein Karlsen Hm. Die Idee ist nicht übel, " machte von einem tüchtigen Feuer ist. Ja, eigent- zuzuwenden, wagte er nicht. Dem Ober- Becket. „Man könnte für den Anfang lich bin ich nur der Ueberbringer des Kom- | tribunalsanwalt, der am Ausgange stand, einen Artikel ins Tageblatt rücken . “ ,,Schreiben Sie für die Zeitung?" pliments ; es ist aber größer als jedes , von wo zwei Treppenstufen zum Playe das ich Ihnen hätte sagen können. “ hinunterführten, schickte er dagegen einen fragte der Rittmeister. "Ja." Begannen die gemauerten Säulen zu Blick voll blizenden Unwillens zu , der Die kurze Antwort wurde wie mit wanken ? Schossen Blize aus heiterem jenem eine unbestimmte Furcht einflößte,
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-829einem eigentümlichen drohenden Zungen- | schlag herausgeschleudert. Stadtrichter und Rittmeister blickten einander unwillkürlich an , und obgleich sie nichts verbrochen hatten , lief ihnen ein gelinder Schauder den Rücken hin unter. VIII.
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Auf dem uralten , so gut wie nie be fahrenen Wege, der in zahlreichen Krüm mungen zwischen den Hügeln sich zog, ließ das verhaltene Rollen eines Wagens sich hören. - Was kümmerte es ihn? Hier
nung des Zufalls . Er fühlte , daß dem nicht so wäre! Er fühlte, daß in der Seele des Menschen ein geheimnisvolles Etwas sei , das es elektrisch an sich ziehe. Er war weich, er bedurfte des Glückes. Und er hatte auf dasselbe gehofft, gehofft, gehofft! Sangen sie wirklich dort oben , die Lerchen ?" Ja, fie sangen! Der Tag war warm und wunderbar klar. Er stand auf und schaute sich um. In welche Schöne ward dies unbebaute arme Stück Erde von diesem reichlich flutenden, verklärenden Lichte gekleidet ! Er fühlte, daß zu dieser Stunde die Ewigkeit auf selbige Weise in sein Leben Strahlen geworfen habe. Diesen Gedanken mußte er festhalten, hier ging der einzige Ausweg. Eine ungeahnte Ruhe kam über ihn . Was immer ihm widerfahren mochte, er war nicht der Sklave des Zufalls : ein Gesetz machte sich geltend in dem, wie alles gekommen war. Dem galt's, sich zu beugen ! Der ewigen Schönheit dienen , die in der Töne Spiel ihm eine Botschaft gesandt, das wollte er, ohne andres zu fordern , als unter dem Gesetz zu sein und dasselbe zu verstehen. Er war auf die schmale Wegspur geraten , die mit tiefen löcherichten Furchen seit undenklichen Zeiten durch den Heideteppich sich wand. Um den sandigen Strei fen zu erreichen, der, hin und wieder mit dem starren , blaugrünen Strandgras bewachsen, in einem weißen Gürtel sich dem Wasser entlang zieht, war der Weg durch eine Einsenkung gelegt, die, einer launischen Falte vergleichbar , durch das zusammenhängende Erdreich schnitt. Sobald man aus dieser Aushöhlung kam, befand man sich am Strande und hatte rechter Hand, in unmittelbarer Nähe der Hügelwand, das Haus, das der Holzschuh-Klaus mit seinem Weibe bewohnte. Anton bewegte sich durch die Einsen kung weiter. Das Meer wollte er sehen, den großen, weiten Spiegel, nach welchem die Sehnsucht so plöglich bei ihm erwacht in den sonnigen Straßen der Hauptstadt. Dies Meer war veilchenblau und blank wie jenes , das Paphos' Küste bespülte. In die weite lichtfunkelnde Tiefe wollte er all' seines Herzens Begehren senken und harren , was die ständig schaffende und neu werdende Schönheit mit seinem Opfer ― thun werde. An ihm war's , dasselbe zu bringen, nichts weiter. War's Sinnentrug? Oder sah er dort, wo vom dritten Riff der Grund jach gegen das klaftertiefe Wasser des Kattegats ab-
lag er an der Brust der Mutter Erde, versteckt und geborgen, ungesehen von jedes Menschen Auge, allein mit seinem Schmerze. Aber selbst diese gedämpfte Erinnerung an eine Welt , wo Menschen wandelten und wirkten, lich ihm inmitten feines Schmerses eine merkwürdige Sicherheit und Ruhe. Er fing an nachzudenken . Was für ein seltsames Etwas war doch das Glück ! Von außen, meinten kurzsichtige Menschen , komme es , und schrie ben die Wirkungen seiner Gunst auf Rech- |
fiel , den Anfang einer weiblichen Form, marmorweiß, wie die Göttin dem Schaume des Meeres entstieg, aus der Tiefe tauchen, der Sonne Geleucht auf ihrem gelösten Haar, das golden erglänzte, wie aus Phöbus' eigenen Strahlen gesponnen ? War's Sinnentrug? „Was will Er ? Will Er sich gefälligst mal umkehren ! " Die Sprecherin war ein starkknochiges Bauernweib. Sie trat auf ihn zu ; drohend zugleich und ärgerlich war ihre Miene,
Er stand mitten in den „Heiden“ ; wie er dahin gekommen, er wußte es nicht. Die Güte , die sie ihm erwiesen , erfüllte ihn mit Angst und Betrübnis . Wen ein Weib ſchüßt und schirmt , dem ist in ihrem Herzen kein Plas vergönnt. Er liebte dieses lichte, stolze, königliche Weib, liebte es, so fühlte er jegt, mit dem ganzen Vermögen seiner Seele, und diese Liebe war auf das innigste verwachsen mit dem Streben nach jener Schönheitswelt , wo er mit einem so schmählichen Ausgange das Bürgerrecht zu erringen versucht hatte , der er aber , wie's auch immer gehen mochte , nachstreben wollte als einem nie aufgegebenen Ziele, bis ihm das Herz vor Verlangen und Sehnsucht bräche. Was anders war die Teilnahme , die sie ihm gegenüber herausgekehrt , als ein Obol auf den Weg zu einem Schattendasein in Entsagen und Unbeachtetſein? Er konnte den Gedanken nicht fahren lassen ; er war wie ein Speer mit Widerhaken, der sich tiefer und tiefer in die Wunde bohrte und ständig in ihr gedreht wurde. Entsagen, das war's , was er am wenig sten vermochte, und wäre es auch hunderts mal das besondere Kennzeichen einer tapfern und stolzen Seele. Er konnte es nicht ; denn er liebte und begehrte mit sinnloser Leidenschaft, wild, wahuwizig. Wie unglücklich war er! Er befand sich am Fuße eines niedri gen, runden Hügels , hinter welchem ein zusammenhängender Höhenzug den Ausblick aufs Meer wie ein Wall begrenzte. mit einemmal war's ihm , als ziehe ihn das weiche, bräunliche Heidekraut mit unsichtbaren Armen an sich. Er warf sich unwillkürlich nieder , und in dem Augen blick, da seine Stirn die lockende Pflanzendede berührte , brachen ihm die Thränen gewaltsam hervor ; seine Brust hob sich unter Schluchzen, er weinte, als folle das Herz ihm zerspringen lange und unaufhaltjam !
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als machte sie sich Vorwürfe , nicht hinreichende Wacht gehalten zu haben. Wie betäubt stand er da und ſtierte das Weib sprachlos und ohne Verständnis an . Aber die Frau des Holzſchuh-Klaus faßte ihn mit den starken braunen Händen an den Schultern und drehte ihn um, als ob er ein Kind gewesen wäre. „ Ja , mach' Er nur , daß Er wegkommt ! Das wird Ihn am besten kleiden. So'n " Es bedurfte nicht der bösen Worte, die ihm von dem aufgebrachten Weibe mit grobem Munde nachgeworfen wurden, um ihn zu bewegen , davonzueilen , wie von einer Schuld getrieben, die ihn zu Boden drücken würde , wenn er auch nur einen Moment zögerte. Erst , als ihm war , als müſſe die Brust wegen Luftmangels zerspringen, stand er still. Tief aufatmend schaute er um sich. Er war in eine Gegend der „Heiden “ gelangt , wo er niemals zuvor gewesen. war. Von der Wegspur war er schon längst abgekommen . Hier stand er nun wie in einem Kessel, umgeben von einem Ringe niedriger , sanftgerundeter Hügel. Die Strahlen der Sonne begannen schräger zu fallen , und das Heidekraut gab einen flammenden Kupferschein. War's die Erde selbst , die ihm ein Abbild seiner eigenen glühenden Scham vor Augen hielt ? Aber zu seiner eigenen Ueberraschung brach ein neues Gefühl ſich Bahn, das gleichfam die Empfindung von Scham und Grauen niederschlug , die ihm Flügel an den Fuß geheftet, als habe er den Frieden eines Heiligtums gebrochen. Freude Freude! war's ! Ja Jhm unverständlich kam sie über ihn wie ein Trunkenſein. Wie lagen alle Umrisse im Glanze der sinkenden Sonne so fest und doch mit einer Farbenfättigung , die mit der eigentümlichen brennenden Unruhe des Lebens den empfangenen Schein zurückgab, an all' den ausgedehnten Falten des Erdenteppichs gebrochen , der in diesem Augenblick die Pracht eines Königsmantels aufwies . So leuchtete es auch im Wiederfunkeln von seiner eigenen Seele zurück ! Und wo er sein Auge wenden mochte, mitten durch das wunderbare Spiel der Lichtwirkungen , immer sah er ein weißes Armpaar , eine Fülle flutender , goldig glänzenderHaare. Wohin er auch immersein Auge schickte , sie begegneten ihm in unfaßlicher Wiederholung. Mit der Macht des Willens suchte er die frühere Stimmung der Scham und des Entsehens zurückzurufen vergebens ! Die Berauschung wiederholte sich ständig - er war so wunderbar festlich gestimmt , als sei er einem kommenden unbestimmten Etwas geweiht . Und doch schaute er nicht vorwärts , dachte nicht daran, wie das Wiedersehen sich gestalten werde, versenkte sich nur immer aufs neue in das Gefühl , das sich seiner bemächtigt hatte, und schritt wie ein Schwankender voran. Zwischen zwei Hügeln in einer schmalen
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Einsenkung erblickte er wieder in fernem | eines Weibes sehen . Stolz und Mißtrauen | dene Grade in seinen Augen gestiegen. Abstande ein Stück vom Meere. Es war waren die Folge gewesen. Selbst bei Män- Man sah es an dem wohlwollenden, unweinrot, in die Farbe waren Streifen flüf- nern , deren Haar ergraut und die man merklichen Beben der Spigen unter der Naſe. figen Goldes hineingesprengt. Die Mythe als hochverdiente bezeichnete, hatte sie hinEs war überhaupt , als hätte der gevom Thor fiel ihm ein : es war, als reiche ter der ehrerbietigen Huldigung den lauern niale Mann ein Gefühl für das wirklich ein unsichtbares Trinkhorn aus der Tiefe den Satyr hervorblicken gesehen. War's Große in diesen Kreis hineingebracht, das ihm an den Mund , als schlürfe er in nicht ein Blick derselben Art, der in seinen demselben sonst fremd war. Der Ober: nicht endenwollenden Strömen ihr purpur- Augen funkelte , in den Augen des an tribunalsanwalt merkte, daß ihm nicht die schimmerndes Feuer, ihreFlamme, ihre Glut. sehnlichen, zuversichtlichen Mannes , der ihr Rücksicht zu teil wurde, an welche er durch Aber mit einer Empfindung der Un- gegenüber saß ? Doch nein - bei ihm seine Verbindung mit dem Gewaltigen der zulänglichkeit ließ er das Bild wieder fah- war's wohl eher die andere große Triebfeder, Zeit gewöhnt worden war , und die er ren. Lieber aufs neue , ungehemmt und welche die Männer zu Ritterdiensten be- während seines Aufenthalts auf Sophienungehindert , sich versenken in das , was wog: die Rücksicht auf ihr Vermögen . · berg sicherlich nicht vermißt hatte. Aber Walz gehörte zu den Unantastbaren ; Becket feine Seele erfüllte, als nach einem Not Er war ja ehrgeizig. behelfe zu haschen, der demselben einen AusVom Druck und Widerwillen, den dies war daher höflich gegen ihn, was den bedruck lieh , der nicht standhielt ! Dann alles verursachte, hatte die salzige Flut sie rühmten Sonderling indes nicht ſonderlich löste sich die ganze Summe von Vorstel- befreien sollen. Das hatte Linderung und rührte. Im Hause des Stadtrichters herrschte lungen vor ihm auf in einen kreisenden Erlösung gegeben. Hernach würden die Strom, in welchem alle Gebilde ihre feste kalten Ströme ihre Glieder wie Feuer der Brauch, daß den Gästen, die oft einen Form verloren. Aber aus dem wirbeln- brennen. langen Weg hinter sich hatten, zum Will-den Born seines Innern begann's nun zu Wer? Ohne sich's selber gestehen komm ein Glas Wein geboten wurde. flingen und zu tönen, seltsam und unförm zu wollen , reizte auch diese Ungewißheit Man beschuldigte Juſtizrat Haller, daß er lich, aber doch rufend und lockend, als be fie, in dem Zirkel zu erscheinen, wo sie ihn seinen Gästen verschiedene Sorten Wein gehrte es der rhythmischen Zucht. Oder notwendig treffen mußte. Von dem un reiche. Der weiße Portwein, den er dem tönte es vielleicht von droben herab , wo wissenden Bauernweib war nichts in Er- Profeſſor eigenhändig einschenkte, war ganz der Lerchen Gezwitscher mit einemmal in fahrung zu bringen . Für sie war ein Herr vortrefflich. ,,Das ist Wein ! " sagte dieser, während einen leeren undeutlichen Klang ſich war aus der Stadt eine Perſon in feinem Rocke delte? War's ein Nachklingen der ewigen ohne besondere Kennzeichen. Abersie mußte er anerkennend mit der Zunge schnalzte. Harmonieen , die aus dem lichtfunkelnden ihn ausfindig machen und auf seine Stirn Aber," seßte er mit der Rücksichtslosigkeit Raume leise auf ihn sich niederſenkten? Zorn und Verachtung herniederschmettern , eines alten Feinschmeckers hinzu, " ich habe Der Himmel hängt voller Geigen ! daß er dieselbe mit Scham und Schande einen zu Hause, der doch noch besser iſt." Der Justizrat fühlte sich bei dieser unUnwillkürlich drängten sich die Worte senken mußte. über seine Lippen , ohne daß er an die „Die Aussicht von Holzschuh-Klauses erwarteten Aeußerung etwas verlegen, und selben gedacht. Es war beinahe , als ob Haus muß etwas Extraordinäres sein. es war ihm eine willkommene Unterbrechung, nicht er es gewesen, der sie gesprochen hatte. Sie kommen jeden Tag dahin, Fräulein ?" als er im selben Augenblick draußen auf Er sah jeßt, daß er sich auf der Land„ Ich seye meinen Fuß nie wieder da der Straße seinen Neffen gewahrte. ,", nein, kommen Sie nur ohne wei straße befand, die nordher gen Fjordby hin." führte, und daß er drei Viertelmeilen zu Sie sind wahrhaftig hübsc Sie bemerkte seine überraschte Miene sehr teres herein ! marschieren habe. wohl ; sie war aber zu stolz und gleich genug, " rief der Professor, als Anton am Nun glaubte er an sich selber. Daß gültig , um nicht das zu sagen , was sie Fenster grüßend vorbeiging. er jetzt hätte spielen können! dachte. Mit ironischer Befriedigung geWas war da zu machen ? Er mußte wahrte sie seine tiefe Verwunderung , wäh- hinein, bestäubt und derangiert, wie er war. IX . rend sie zu gleicher Zeit für sich wieder„Also , das sind Sie ! " sagte der Pro„ Ich habe es Holzschuh-Klauses Frau holte , daß sie ihren Fuß nie wieder auf fessor, indem er ihn bei den Schultern faßte versprochen. Sie reist morgen zu ihrem diesen Erdenfleck seße. Auch die Bauern und seine Adleraugen auf ihn richtete, als Manne hinüber. Und dann bleiben sie frau mußte fort. Ihr Schweigen hatte sie ob er ein Objekt wäre, das man ihm zur gleich fort." durch Wohlthaten erkauft ; aber fort mußte Untersuchung übergeben habe. ?? Hm ,,Aber, Kind , sie sind ja jezt wohl sie, ihr nie wieder vor Augen kommen. Großmann glaubt an Sie, und ich glaube habende Leute, und für einen Pappenstiel nun an Großmann. Was sind das für ,,Sie ist verdammt schnippisch, " dachte " kann ich, weiß Gott, doch nicht Thomas Becket bei sich. Ich fasse aber Augen ? Wenn ein Mensch so aussieht, so „Ich erstatte dir den Verlust mit mei mehr und mehr Mut, mich ihr zu nähern. " kann er spielen, wenn er's denn überhaupt nem eigenen Gelde." Sie haben doch Ihre Geige mit ?" In demselben Augenblick bog der Kut | kann. !! Sören soll sie gleich holen ! " rief der „Ja , wenn du die Sache so nimmst, scher auf den alten Stadtrichterhof. so muß ich wohl nachgeben . Ja, ja, Herr Der Rittmeister hatte stumm dagesessen Justizrat , und in seinem Eifer half er Advokat, sie ist daran gewöhnt, daß man und mit gewissem Vergnügen wahrgenom- Sören , der zu Ehren des Tages in eine -ihr gegenüber nachgibt. Die Kutsche men , daß auch der Übertribunalsanwalt Livree gesteckt und daher noch steifer und ist angespannt. Wir haben auf dich ge- sich verblüffen lasse. Zum erstenmal wäh: schwerfälliger war als gewöhnlich , mit wartet." rend der ganzen Fahrt öffnete er jetzt sei einem Puff zur Thür hinaus. „Wir müssen uns ein Ziel seßen," fuhr Sie saß allein auf dem Rücksite, vor nen Mund. ihr der Vater und dessen Kopenhagener „Was Teufel ! " rief er , „ da hält ja der Profeſſor fort . „ Wir wollen in Ge Gast. Es war beschlossen : sie wollte sich der Wagen des Kammerherrn. Dann ist meinschaft verſuchen, dieſe Miene einer gein der Gesellschaft zeigen. Ihr erster Ge- er und Professor Walz auch hier. " kränkten Königin zu verscheuchen. " danke war gewesen , sich vor den Augen Die letzten Worte waren an die TochX. aller zu verstecken der Gedanke war ein ter des Rittmeisters gerichtet. Ihre Stirn falscher. Ihr hatte man die Schmach an„Wo bleibst du denn eigentlich, Mensch? war umwölkt, und die Augen wanderten in suchender Unruhe umber. Jedes Gegethan, es war nicht an ihr, sich zu ver- Der Profeſſor hat nach dir gefragt. " bergen. Der Zufall trug die Schuld Es geschah indes ohne aufzubrausen , sicht war der Reihe nach bis in den entdaran sei's drum ! Aber sie kannte und daß Stadtrichter Haller diese Worte durch legensten Winkel seiner Seele durchsucht wußte, mit welchem Sinn es erfaßt wor- das niedrige Parterrefenſter an Anton rich- und erforscht worden ; sie hatte aber nichts den war. Ein Instinkt hatte ihr gesagt, tete , der bestäubt die Straße herauffam. entdeckt. Sie fühlte sich von ihrem Inmit was für Augen Männer in einem Infolge der Vorfrage des berühmten Man- stinkte im Stich gelassen. Die UngewißBallsaale auf die entblößten Schultern nes war der Neffe aufs neue um verschie heit war ihr eine unvorhergesehene Pein,
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-835 eine Prüfung, die ihr Stolz nicht erwartet hatte. Sie ärgerte sich über die sorglosen, unbedeutenden Gesichter, die nichts zu verraten, nichts zu verbergen hatten, und er wachte bei den Worten des Profeſſors wie aus einem bösen Traume. Der Neffe des Stadtrichters ! Hatte ihre Erinnerung ein Loch gehabt, daß sie gar nicht an ihn gedacht ? Es mußte wohl daher rühren, daß sie sich seiner Ehrerbietigkeit und Hingebung versichert hielt. Ja, sie war dessen gewiß , war aufs innigste davon überzeugt ! Was hatte der berühmte Mann von seinen Augen gesagt ? „ Nunspielen Sie, was Sie wollen ! "sagte der Professor zu Anton, indem er sich an das Pianoforte sezte. Ich werde schon mitfolgen." Ohne zu fassen, wie das alles so gekommen war, seßte Anton die Geige unter das Kinn. Es war ihm eine Erleichterung, daß er nicht zu reden brauchte. In dem Augenblick, da der Bogen die Saiten berührte, wußte er noch nicht, was er spielen wollte, und doch war ihm jede Empfindung von Zweifel und Ratlosigkeit fremd. Infolge einer unbegreiflichen Verschlingung aller Fäden war's eben gekom men , wie er's begehrt hatte. Ein neues und nie gekanntes Gefühl der Sicherheit und Erlösung war über ihn gekommen. Er that den ersten Bogenstrich : es war das eigene berühmte Violin- Solo des Professors , Herbstesgedanken", das er zu spie len begann sanft, ernst, unmerklich vertieft,mit einem dünnen Schleier von Schwer mütigkeit über einer Wehmut , die, weich und verlockend , einem Beben zwischen Lächeln und Thränen gleich und in all ihrer beweglichen Ruhelosigkeit ständig aufs neue, befreit und versöhnt, in ihrem eigenen Frieden ausruhte. Weich und bezau bernd, wie der Meister sie selber gefühlt , alitt seine Dichtung mit ihrer wunderbaren Sprache an das menschliche Herz über die Saiten. Nun redeten sie das, was er wollte ! Aber was war das ? Plöglich brach ein Schmerz, so qualvoll und verzweifelt, daß er die Stimmung der Wehmut zerriß, unter des Bogens Berührung hervor und erpreßte dem Instrumente Schreie wie aus einer bedrängten Menschenseele. Des Mei ſters tiefsinnige Gedanken lösten sich mit einemmal in eine Improvisation , der er nicht Herr war. Nur wie ein unterlaufen des Thema fuhren fie fort , hindurchzuflingen, bald losgelassen, bald wieder aufgenommen, und bildeten die Einfassung zu dem Gedicht, das in ihm selber ward. Denn ob dies alles gleich unwillkürlich fam, als greife, wie der Organist gesagt, eine fremde Macht ihm um die Finger und führe sie , ohne daß er selbst wußte wie, so war's doch sein Schmerz, sein eigenes ausgestandenes Seelenleid, das , befreit und geläutert, von den Saiten schluchzte. Wie durch einen Nebel fing er den flüchtigen Blick auf, den ihm der Meister zuwarf, und merkte , wie die Begleitung auf dem Piano sich seinem Abspringen anschmiegte , also daß eine gesamte Wirfung wie aus einem Gusse zustande kam.
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Und nun trieb es ihn unaufhaltſam zum Weiterspielen. Aus dem in sich versunkenen Brüten des Schmerzes gestaltete sich durch das ihm selber unfaßliche Zusammenwirken der Fin ger und des Bogens eine Resignation und Hingebung , in welcher die Grundakkorde des Daseins nach ihrem tiefsten, langsam begriffenen Sinne hindurchklangen. Dann kam die Sehnsucht nach Licht und Ausblick, und plöglich klang von den Saiten ein Talatta ! jubelnd und ſonnenberauscht. Da lag das Meer, in langen und kecken Bo genstrichen gezeichnet, da lag's wie ein Abbild in klingenden Tönen, schaukelnd und lichterzitternd, schönheitsgebärend und unermeßlich , vor den Zuhörern , deren Anzahl beständig wuchs . Denn in der Thür zum langen Flur, der nach der Küche führte, wurde das Gesinde sichtbar, eins nach dem andern, mit selbstgenommener Freiheit und in atemloser Spannung lauschend. Seit dem Moment , da sein Auge in dem einzigen Blicke des Meisters Billigung gelesen, hatte er nichts gesehen. Alles war ihm in dem unbestimmten Scheine der Lampe verschwommen , der durch die Fenster noch mit dem schwindenden Lichte des Sommerabends kämpfte. Aber nun ward es ihm ein unwiderstehlicher Drang : nun war's ein Augenpaar, das das seine erspähen mußte. Und da stand sie, rein, licht, lilienweiß, erhaben, in der goldigglänzenden Fülle der Locken und mit einer fragenden Angst in der blauen Tiefe der stolzen Augen , als habe sie dies Begegnen ersehnt und erwartet. Konvulsivisch krümmten sich die Finger um den Hals der Geige ; aber was ihm im Hirne glühte , das teilten sie der aus Darm und Metalldraht gewundenen Besaitung in wunderbarer Genauigkeit mit, und unter des Bogens magischem Tanz klang von ihr eine Erlösung der Seele in Freiheit und Freude , eine Erlösung , wo die Phantasie die Grenzen der Wirklichkeit sprengt und in ihr Spiel die Bilder der Myrthe und Dichtung zaubert. Wunderbar war die Wirkung auf den dichten Zuhörerkreis , und nicht am un deutlichsten war's in den harten , groben Gesichtern dort in der Thür zum Korri dor zu lesen. Sein Blick streifte sie un willkürlich. Aber plöglich war's ihm, als breche er inmitten seines Triumphes ab, denn hinter Sörens untersetter Figur bemerkte er ein großes , breites Weibsbild mit offenem Munde und runden , aufgeweiteten Augen in die ihr unbekannte Welt hineinlugen . Es war die Frau des Holzschuh-Klaus. Sobald das Fräulein vom Herrenhofe abgefahren, war sie nach der Stadt gewandert, um dem Bevollmächtigten des Prokurators des Umzugs wegen Bescheid zu sagen. Und da sie die Mägde des Stadt richters kannie , hatte sie mit eins in die Küche hineingeschaut. Auch sie blickte unwillkürlich dahin. Die Augen der Frau wölbten sich noch stärker, und ihre ziegelroten Wangen wurden um noch einen Ton dunkler. Das
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alles geschah in einem einzigen Nu — es war, wie wenn drei Augenpaare in einem Blicke sich trafen. Aber nun nahm er den losgelassenen Faden wieder auf. Eine geniale Phantaſie überbrückte die plögliche Kluft und trotz aller jähen Abgeschnittenheit bestand ein für das Ohr erkennbarer Zusammenhang mit dem Voraufgegangenen. Nichtsdestoweniger war die Fortsetzung seltsam und unerwartet. Es war, als halle das Verdammungsurteil , das dem Entweiher der Heiligkeit eines Gottes gesprochen, im rasenden Zorne aus der Tiefe der Geige wieder, als ließe sich in kurzen, schneidenden Strichen der sausende Geißelhieb der verfolgenden Erinnyen vernehmen. Grauen und Scham redeten mit so deutlichen Zungen, daß jedweder im Kreise am Grunde der eigenen Seele eine dunkle Selbſtanklage sich regen fühlte. Aber was kümmerten ihn die blassen Gesichter , die gespannten , überraschten Mienen - sein Auge ruhte mit Demut und Angst auf einem Paar anderer Augen, die wiederum mit einem langen, aus dem tiefsten Grunde der Seele geholten Blick ängstlich forschend auf ihn sahen. Entdeckte er einen Wechsel in ihrem Ausdruck? Mit einem neuen Sprunge, und doch ohne einem guten, inneren Sinne Abbruch zu thun , begann die Geige zu jubeln , anfangs in einem wimmelnden Heere von Tönen , aber gleich darauf in breiten brausenden Harmonieen , in denen ein Bacchuszug von Faunen und Nymphen, zwischen sich das tigerbespannte Gefährt des Gottes , vorübertanzte, und dann erweiterte sich die Harmonie zu noch breiteren Ringen , bis sie schließlich den unermeßlichen Luftraum selbst zu umspannen schienen : es war das lezte und höchste Losringen der Seele , ihr Begegnen mit dem ewigen All, das in kreisendem Wiederklingen jedes empfangene Tonopfer zurückgab, voller, reicher, gewaltiger und stärker. Er hielt inne. Gab es solche, die anfangs verstohlen nach dem Profeſſor geblickt , um ihre Meinung nach der seinen zu regulieren , in diesem Augenblick hatte man seine Gegenwart vergessen. Wie ein Donner erschallte der Beifall , von der Straße her , vom Flure, von der im Zimmer versammelten Menge. Bei diesen Menschen allen war Antons Spiel bis zum ursprünglich Menschlichen durchgedrungen, deſſen unbeeinflußte Aeußerungen stets über der Einsicht des einzelnen steht , wie bedeutend diese auch immer sein möge. Der Professor hatte sich erhoben, er war sehr blaß. Als er vor den jungen Mann hintrat, entstand eine plötzliche Stille. „ Das ist Spiel! " Er sagte dies ungefähr in demselben Tone, in welchem er vorhin gesagt hatte: Das ist Wein. " „ Und es war besser als mein eigenes," fuhr er an den Justizrat gewendet fort. Dieser machte eine tiefe Verbeugung, als habe der berühmte Mann ihm eine persönliche Annehmlichkeit gesagt. "/ Was Sie hier gemacht haben, " seyte
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Der Himmel hängt voller Geigen. =839
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der Professor fort und legte seine Hand ; auf dem Assistenzfriedhofe. Der Herr war , kam. Alter Freund ! Du schautest meiner an Antons Stirn, „ das machen Sie viel blaß , aber in sein Antlig waren feine gärenden, verſchloſſenen Seele bis auf den leicht nie wieder so gut. Aber was Sie Linien gezeichnet. Die Dame war hoch Grund ! -- Du verstandst mich, noch ehe von jest an leisten, wird genug sein, um und hübsch, mit hellblondem Haar. Der ich selbſt mich verſtand. Solche Klarheit Ihnen einen berühmten Namen und ge- Ausdruck in ihrem Gesichte war stolz ; aber kann nur die Uneigennüßigkeit und Selbitwaltige Honorare zu verschaffen. “ allemal, wenn sie auf ihren Gatten blickte, aufopferung geben. " Er ließ seinen Blick über den blauEr wollte seine Rührung offenbar in breitete sich eine stille Wehmut darüber. Scherz hinschlagen. Nach einer kurzen In der Hand trug sie ein großes Kreuz weißen Himmel schweifen und über der Bäume sprossendes Grün. Dann fuhr er Wendung ergriff er den Arm des Kam aus kostbaren weißen Rosen. „Wir kommen zu spät , " sagte der fort : Unsere Fahrt ging durch Europa merherrn und ging mit diesem in den Garten. Herr, obgleich wir zwei Tage und Nächte und Amerika - das alte Land hält einer Das gab das Signal zu einer allge: hindurch reisten. Heutzutage kann alles doch mit unsichtbaren Armen gefangen. “ „Kanntest du den korpulenten Herrn, meinen Auswanderung. Sören und die im voraus bis auf die Minute geordnet Mägde hatten offenbar darauf gewartet, werden, aber zuweilen einmal geschieht es der uns bei der Eisenbahn vorbeifuhr?“ fie deckten in drei Zimmern an kleinen doch, daß eine Lokomotive entzwei geht, fragte seine Gattin. "Ich glaubte, du hättest ihn nicht erTischen. Anton stand bald allein und un- um uns daran "zu erinnern, daß wir nicht kannt , - darum schwieg ich. Thomas beachtet ; denn nachdem der Professor ihn allmächtig sind." " angesprochen hatte niemand so recht den „Als ich diese Rosen in Montreur Becket machte eine gute Partie und kam Mut , ihm etwas zu sagen. Mit einem pflückte, " sagte die Dame, „ da hoffte ich, in die Politik hinein. Nun manövriert mal war's ihm, als bewege sich der Fuß- daß dein alter Freund sie mit ins Graber in dem unruhigen Fahrwaſſer der Parboden unter seinen Füßen ; er fühlte sich einer nehmen würde. Nun lege ich mein Kreuz teien , um schließlich einmal Miniſter zu werden. Wir haben Becket zu viel Ehre Ohnmacht nahe und ging schwankend ins zwischen den Kränzen auf dasselbe. " Sie that es. erwiesen, indem wir seiner an diesem Grabe Speisezimmer, das augenblicklich leer stand. Auch Becket war wider seinen Willen „ Treue, uneigennüßige Seele! " sagte gedachten. Aber eins muß ich dir an von der Musik ergriffen worden . Bei ihm der Herr. "! Er erreichte das , was er vom dieser Stelle vertrauen , geliebtes Weib. ließ der Verstand aber nie die Zügel Leben begehrte, und nun ging sein letter Ich schrieb unserm alten Freunde, was an fahren , selbst wenn das Gefühl noch so Wunsch in Erfüllung : er rüht neben seinem jenem Tage geschah. Werde nun nicht stark davongaloppierte. Hier hatte er einen berühmten Freunde, der dort in Bronze rot : er hatte ein Recht darauf, die ganze Wahrheit zu erfahren ! Und außerdem: geweihten Augenblick der Rührung , der auf uns herniederlächelt ." benugt werden mußte. Vom Grabe nebenan blickte die Büste | einem mußte ich mich in meinem überFräulein!" sagte er leise , und seine des Professors in geistvoller Wiedergabe, strömenden Glücke vertrauen. Stimme bebte. "1 Bitte, nehmen Sie meinen mit ihrem unbeschreiblichen Zug um den als müſſe ich ein Loch in die Erde graben Arm und lassen Sie mich Ihnen durch Mund, auf sie herunter. und meine Heimlichkeit hinunterflüstern. Ich den Garten folgen. Erhören Sie mich, „Hast du denn nicht erreicht, was du bewußte aber , was ich that , wenn ich ihn Fräulein! ich habe Ihnen etwas zu sagen, gehrtest?" fragte die Dame und legte ihren wählte. Das sollst du in dieser Stunde das keinen Aufschub verträgt. " Arm um seine Schulter. „ Das arme erkennen. “ Er zog einen Brief hervor. Warten Sie! " entgegnete sie kurz . Huhn verwandelte sich ja doch in den „ Das war der Brief, den ich in Mon„ Vielleicht werden Sie dann vorziehen zu reichen Greif, und wo der sich zeigte, kam schweigen. " er sausend und brausend , wie im Ge- treur erhielt , der auf dem Umschlag das Notabene des Juristen trug , der seinen Sie ging ins Eßzimmer. Da saß er, dichte. " "! matt und abgespannt , als habe ihn seine „Es gehören starke Schultern dazu, Nachlaß geordnet hat. Schau her: Seele völlig verlassen , und doch erfüllt das Glück zu tragen. Wer aufgibt , hat Anton Haller. Nach meinem Tode ihm von einer plöglichen Angst, die sein Herz keine Bürde. " uneröffnet zu übersenden.“ Inwendig lag , Wer aufgibt, hat keine Kraft. " mit glühenden Zangen zwickte. Sie hatte mein eigener Brief, und dann waren dieje " An jenem Sommertage , als ich mit Zeilen angefügt. Lies mal !" den Kopf abgewendet, während aller AuSie las : gen auf ihm ruhten . Das mußte in Zorn dem Gesicht im Heidekraut weinte, als ob Lieber Haller! und Unversöhnlichkeit geschehen sein. Ver- mit den Thränen mein Herzblut davon Nachdem ich Ihren Brief dreimal gebens war das Bekenntnis , das er in rieseln sollte , da fühlte ich , daß dieſem gelesen habe , versiegle ich ihn wieder. seinem Spiele abgelegt, trügerisch die Hoff- alten wunderlichen Manne eine Kraft inneIch kann ihn nicht verbrennen. Sic nung , die unter des Bogens Tanze über wohne, wie ich sie nicht besaß. Wäre jener dürfen es auch nicht. Jhr M. G." die Saiten in ihm sich geregt hatte. Und Durchbruch nicht gekommen , ich wäre unter!!„ Es hängt nun von dir ab, “ ſagte Anverhielt es sich so, ja ! dann , das fühlte gegangen , ob ich auch hundertmal beer, würden Finsternis und Grauen ständig schlossen hatte, zu entsagen und zu dulden. " ton, „ ob sein Wunsch erfüllt werden soll. in seiner Seele wohnen, ob auch des Mei!! Du magst recht haben. Ich bin zu Sagst du nein, so reiße ich den Brief in sters Prophezeiung zehnfach sich erfüllte. stolz auf dich , um an deine Fehler zu tausend Stücke und streue sie unter die Blumen auf sein Grab. Aber glaube an glauben." Sie stand vor ihm. Und , Helga , was schuldest du ihm dies ritterliche Herz, Helga ! Fügst du did „Sie waren es?“ ſagte sie und blickte nicht alles ?" ihm ruhig in die Augen. nach seinem Tode in seinen Willen, so fügit " Das ist wahr: ich schulde ihm , daß du dich zu gleicher Zeit in den meinen. Er erhob abbittend seine Hand. Sie ergriff dieselbe und zog ihn, ohne daß er ich dich traf, daß sich mir eine weite Aus- Geliebtes Weib! Das darf nicht spurlos an Widerstand dachte , zur Schwelle des sicht öffnete. — Was hätte ich sonst sollen aus der Welt verschwinden. “ Sie errötete und sagte, indem sie den anstoßenden Zimmers . Der Rittmeister mit meinem Leben ?" unterhielt sich noch mit dem Stadtrichter „Das Gute geht nie verloren," sagte Kopf an seine Schulter lehnte : und ein paar anderen älteren Herren. Anton. "1 Es ist wie eine Wasserader, die Versiegle wieder den Brief ! Während „Vater ! " sagte sie laut. „ Ich bin mit tief unter der Erde im Verborgenen be- die Lebenssonne auf unsern Weg_ſcheint, fruchtet. Die Kraft des Guten in dieser darf ihn kein menschliches Auge sehen." Anton Haller verlobt. " treuen Natur ließ das , was Talent in * * XI. mir war, hervorsprießen. Er hatte sicherDie Lebenssonne ist für Anton Haller Fünfzehn Jahre später, an einem klaren lich recht : ich war einer der Auserwählten Auf Frühlingsnachmittage , standen ein Herr des Glücks , obgleich ich Gott danke, daß und seine Gattin untergegangen. und eine Dame neben einem kürzlich zu Schmerz und Seelenangst vorausgingen Grund des hinterlaſſenen Briefes iſt dieſer geworfenen, mit Kränzen bedeckten Grabe und das Böse beschnitten , che es hervor | Bericht geschrieben.
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Der Sammler
unferes, wenn Das Wesen der Träume. auch alsdann Die Philosophie hat bis jest tein besonderes Ver- nur halbbefländnis bezüglich des Wesens der Träume an den Tag wußten Gei gelegt, dieselben vielmehr meistens als zufällige Hirnge ftes , was den Spinste bezeichnet, was für manche philosophische Systeme subjektivenBeJutreffender wäre, als für manche Träume. weis für die In Wirklichkeit haben wir in dem Traumleben das Wahrschein Borstadium der Emanzipation oder der selbständigen lichkeit der Dajeinsform unseres Geistes zu erblicken. Forteristenz 3u unterscheiden sind, wie ich schon anderwärts her des letzteren borhob 1), drei Arten von Träumen: nachdem Tode a) die Reminiszenzträume, die uns Erlebtes während des Leibes bildes Schlafes vorführen und zwar infolge mechanischer den würde. innerer oder äußerer Anregung. Diese Anregung fann Indem also unter Umständen auch das Erwachen zur Folge haben, die divinatoritritt aber jedenfalls erst mit dem Erwachen in unser Beschen unter al toußtsein, so daß die Ursache der Wirkung natürlicher len Umständen weise vorausgeht , aber erst nach der Wirkung in unser auf das VorBewußtsein tritt, indem sie eben in letzter Instanz unser handensein Erwachen oder Bewußtwerden mit bewirkt. Du Prel hat einer selbstän Fig. 1. Mailäfer. fidh in einer Studie.Der Traum als Dramatifer" in digen über. dieserHinsicht unnüterweise den Kopf zerbrochen, wie aus irdischen Geivorstehendem ersichtlich. Auch die Zeitmaßfrage erledigt ftestategorie und auf unseren Zusammenhang mit ihr Eier legt , so würde die Zahl der Insekten eines einzigen fich dadurch, daß die Zeit zwischen der mechanischen An- bezw . unseren späteren Uebertritt in dieselbe schließen Jahres die ganze Welt beherrschen , wenn die Natur regung (von innen oder außen) und der Schlußwirkung lassen, so ergibt sich daraus, daß die Träume sicher nicht nicht dafür sorgte, daß solcher toloffalen Vermehrung eine des Erwachens oder Wiederbewußtwerdens eine ziemlich so bedeutungslos für die erafte Wissenschaft sind, als man Grenze gesetzt werde, entweder durch starke Niederschläge umfaffende sein kann. Uebrigens ist kein großer Zeitraum bisher in oberflächlicher, wegwerfender Weise anzunehmen (Wollenbruch) oder durch außergewöhnlich kalte oder heiße erforderlich, um durch Berührung eines gewissen Refforts pflegte, daß sie vielmehr einen weit reelleren Wert haben, und trodene Witterung oder auch durch Schmaroker, Des Gedächtnisapparates eine ganze Reihe von Erlebnis als ganze Dußende von philosophischen Formeln. welche mit und in den Nährtieren leben, bis sie dieselben indrüden in zufälliger Zusammenwürfelung gleichsam getötet haben. Ohne diese Einwirkung der Natur fann Eduard Löwenthal. Danoramatisch zum Vorschein zu bringen. Auch unsere der Mensch nur wenig zur Vernichtung seiner schlimmsten Frinnerung während des Wachens ist bezüglich des Zeit Feinde thun, auch wenn ihm eine große Zahl der nük mages ziemlich unbeschränkt. Daß wir uns aber der lichen Vögel zu Hilfe kommt; er sollte nur dafür sorgen, Eräume jelbst noch erinnern , fommt daher, daß unser daß die nilichen Insekten , die Schmaroker u . a.. ihren Die Insekten in Bewußtsein auch während des Schlafes nur ruht, nicht geschont werden. Leider gebietet uns der beschränkte berWeitintereſſ gang erloschen anterist.und von ganz anderer philosophischer Beziehungen zu den Pflanzen. Raum, nur einige wenige Beispiele anzuführen, aus denen man das Leben und Weben dieser Weltherrscher einiger Cragweite find: maßen wird erkennen können. Von Beschäftigen wir uns zuerst mit dem von jedermann b) die monitorischen Träume , die uns gewisse Ezenen und Ereignisse während des Schlafes vor Augen gekannten Maitäfer (Melolontha vulgaris L.), von D. Hüttig. dem unsere Abbildung (Fig. 1) das vollkommene Insekt, ihren, bezüglich deren mehr oder weniger rasch nach. Wenn ich meine verehrten Leserinnen eine lange Reihe den weiblichen und den männlichen Käfer , in der Mitte lgende wirkliche Ereignisse uns zeigen, daß jene Traum. men uns als Warnung dienen sollten. Daraus er. von Jahren in einzelnen Hesten der ihnen liebgewordenen die Larve , den sogen. Engerling, und links die Puppe bt sich von selbst, daß derartige Träume uns nur von Zeitschrift durch Darstellung und Beschreibung der schön zeigt. Der enorme Schaden , welchen der Käfer und die eiterjehenden Wesen einer höheren Daseinsstufe gleichten Blumen und Blattpflanzen , aber auch von Kraut, Larve anrichten, wird durch offizielle Listen bewiesen, nach m hypnotisch eingegeben sein können. Rüben, Obst u. s. w. zu fesseln versucht habe, so zwingt denen im Kanton Bern 1864 und 1865 ungefähr 628 MilDie dritte Art von Träumen find: mich doch das Gewissen eines pflichttreuen Berichterstatters, Lionen Käfer und 1 Milliarde 528 Millionen und mehr c) die divinatorischen oder direkt prophetischen auch einmal der Tierwelt näher zu treten und zwar der Engerlinge eingeliefert und dafür 259000 Fran! oder räume , die uns bevorstehende Ereignisse , sei es in un jenigen Gruppe , welche durch ungezählte Milliarden von 227000 Mart bezahlt wurden; sie hätten sich bis zum ittelbarer Weise vorführen oder aber durch Vorführung Einzelwesen gewiffer Arten einen großartigen Einfluß auf nächsten Flugjahre (1867; die Engerlinge brauchen 3 bis Gegenteils gleichsam in ironischer Weise zum vor das Leben und Gedeihen unserer Lieblinge ausübt , als 4 Jahre zu ihrer vollen Entwickelung, die Puppen nur we ufigen Bewußtsein bringen, so daß man z. B. im welche wir ohne Zweifel die Pflanzen betrachten dürfen: nige Monate) um das dreißigfache , also bis ungefähr raume tanzt oder liebloft mit jemand, mit dem man ich meine die Insekten, eine Klasse der sogen. Glieder 64 Milliarden 685 Millionen vermehrt ; da nun aber 3 darauf in Streit gerät, daß man im Traume Leder- tiere, von denen wir Hautflügler, Käfer, Net- und Halb. nach Oswald Heers (Professor der Botanik , Direktor en genießt, während in Wirklichkeit Mangel bevor flügler, Schmetterlinge u. a. fennen und voneinander des botanischen Gartens in Zürich ; † 1883 in Lausanne) genauer Forschung jeder Engerling während seines Leht , daß man im Traume weint, während Freude in unterscheiden. sicht steht und umgekehrt. Eine Eigentümlichkeit der Insekten besteht bei der bens 1 Kilogramm Nahrungsstoff verzehrt , so würden Die divinatorischen Träume werden ung entweder, großen Mehrzahl derselben in der Verwandlung ihrer obige Milliarden Engerlinge ungefähr 65 Milliarden Kilo ich den monitorischen, von Wesen einer höheren Daseins. Formen ; das vollkommene Insekt: der Schmetterling, der Pflanzerstoff bezw. Wurzelteile verzehrt haben. Und man fe eingegeben, was den objektiven Beweis für das Vor- Käfer, die Wespe u. s. w., hat in der Regel nur den leugne noch , daß die Insekten die Beherrscher der Welt Was der Mensch zur Vertilgung der Maifäfer ndensein einer solchen bilden und damit eine philoso Zweck, für die Fortpflanzung der Art zu sorgen; das Weib. scien ! ische Lösung von unabsehbarer Tragweite bilden würde, then legt nach der Befruchtung die Eier und stirbt dann ; thun kann, beschränkt sich auf folgendes : der Käfer wird r aber fie beruhen auf einer während der Ruhe des aus den Eiern entwideln sich die Larven , die der frühmorgens, wenn er erstarrt am Baume sitzt , abge pers, reip. während des Schlafes gesteigerten Fernsicht Schmetterlinge Raupen genannt, die bei fortschreitendem schüttelt, in Säden gesammelt und in kochendem Wasser Wachstum sich wiederholt häuten , und aus diesen die getötet, wenn man ihn (jein Blut") nicht zu technischen 1) Bergl. meine Schrift , Die nächste Wissensstufe " Puppen , welche schließlich wieder das vollkommene 3n Zweden verwerten kann. Der Engerling wird vom Maul selt ergeben. Da nun jedes Weibchen eine große Menge wurf, der Fledermaus , von Eulen u . a . verfolgt , die pjig 1874). 36 89. II.
Postkartenwesen. -845-
846werden dann Von der Verkehrszeitung ist nun vor kurzem tot sein, von Frage angeregt worden, ob es sich für die Postverwaltu deren Ueber aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht empfehle, alle bei : resten die we eingelieferten Korrespondenzkarten ohne Rüdsicht auf ihr nig oder nicht vielleicht beleidigenden Inhalt zu befördern , de geschädigte es tönne nicht zu den Obliegenheiten eines Postbeams Pflanze durch von vielleicht sehr anfechtbarer Urteilsfähigkeit gehöre wiederholtes dem Urteile des ordentlichen Richters darüber vorzugreife Eintauchen in ob der Inhalt einer Postkarte beleidigend sei oder nid lauwarmes und weiter sei es den Postbeamten ja doch nicht möglu Wasser oder sämtliche durch ihre Finger gehenden Karten zu lesen. Durch lleberBon anderer Seite ist nun zwar die Richtigkeit dies spritzen mit Zweckmäßigkeitsgründe anerkannt , jugleich aber dara solchem zu rei hingewiesen worden, daß damit der Kern der Frage mid Fig. 2. Buchdruder (Bostrychus typographus L.). nigen ist. getroffen , vielmehr durch diese ausschließliche Betonur Ein entschiede rein praktischer Bedenken nur noch mehr verschleiert werd ner Feind der es den Anschein gewinnt, als dürfe es überhau indem also zu schonen sind, aber nicht gang überwunden; in die | Blattläufe im Freien, also einHelfer in der Not des Menschen als Aufgabe des Postbeamten gelten , die Korresponden von Engerlingen heimgesuchten Aderflächen gräbt man ist der Blattlauslöwe , d. i . die bewegliche Larve der farten auf ihren Inhalt hin zu studieren, soweit die it zahlreiche Halbmeterweite und metertiefe Gruben , füllt fie gemeinen Florfliege oder Blattlausfliege (Chrysopa vul- gebotene Eile bei Ausübung seines Hauptberufs ihm di mit frischem Pferdemist und tötet beim Ausgraben des garis, Fig. 5), eines zur Familie der Netflügler gehören erlaubt. In Wirklichkeit fönne vom prinzipiellen Stant selben die, namentlich im Winter angesammelten Larven den Insekts von blaßgrüner Farbe. Die Larve stellt sich punkte aus aber nicht nur nicht die Rede davon sein, da mit leichter Mühe. überall da ein, wo Blattläufe in Massen versammelt sind, den Postbeamten eine derartige Aufgabe gestellt ist, sonder Holsbohrer oder Xylophagen nennt man eine An- und vertilgt diese mit einem unvergleichlichen Heißhunger, die Pflicht des Beamten sei doch eher genau entgegen jahl kleiner Käfergattungen , welche in größeren Gesell wobei ihr die großen zangenartigen innladen gut zu gesetter Natur. Es wird zwar anerkannt, daß das Reiche schaften meist unter oder in der Rinde der Obst und statten kommen , welche durchbohrt sind und als Saug gefek vom 20. Dezember 1875 es unterlassen hat, da Zierbäume leben und ihre Anwesenheit durch freisrunde apparat dienen, so daß die Blattläufe nicht gefressen, son Geheimnis des Inhalts der Postkarten zu schügen bezm Bohrlöcher von der Größe eines starken Stecknadelkopfes dern mehr ausgesogen werden. Die Blattlausfliege legt den Beamten das Lesen derselben zu verbieten , doch je verraten. Die Weibchen bohren sich in die Rinde ein, die Eier in der Weise , daß sie mit dem Hinterleibe auf als man sich auf die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnie bereiten hier einen sogenannten Muttergang und legen das Blatt drüdt, einen klebrigen Stoff dort zurückläßt beschränkte, teinesfalls beabsichtigt worden, die Postkarten ihre Eier mit der größten Regelmäßigkeit auf beiden Sei und diesen langsam hebt, wonach die Masse sich zu einem forrespondenz unter amtliche Kontrolle zu stellen. De ten desselben ab. Von hier aus bohren die ausgekom. Faden, dem Stiele, auszieht, der erhärtet und auf dem das Postkartenverlehr beruhe auf der Voraussetzung, daß di menen Larven seitwärts je einen Larvengang , an dessen Ei abgelegt wird. Die Florfliegen überwintern verstedt im Beamten die Postkarten nicht lesen, und wenn diese Bor erweitertem Ende (die Wiege") fie fich verpuppen , um Freien und befruchten sich zeitig im Frühjahr. aussetzung vielleicht auch nur eine Fittion wäre, die fid im Herbst oder Frühjahr als vollkommenes Insekt zum das Publikum macht, so sei es doch richtiger, nicht an t Zweck der Fortpflanzung auszufliegen. Unsere Abbildung zu rütteln, statt fie umzustoßen, was geschehe, wenn man (Fig. 2) zeigt ein Stück Fichtenholz, das vom sogen. Buchder Postverwaltung ein Zensurrecht an dem Inhalte der bruder (Bostrychus typographus L.) bewohnt ge Postkarten zugestehe und die Beförderung der Karten von Das Postkartenwesen. wesen ist. Infolge seiner Ueberfälle sollen z. B. 1783 im dem Inhalte derselben abhängig mache. Harze ungefähr 2 Millionen Fichten wurmtroden, d. h. geVon So viel Gewinnendes diese Ausführungen für den tötet worden sein. Den Obstbäumen find verschiedene ersten Augenblick an sich haben , so spricht das Resultat Verwandte des Buchdruckers schädlich, wie Bostrychus Dakar Rennewik. eingehenderen Prüfung der Sache doch gegen ſie. einer dispar Hellw. und B. Saxeseni Rtz. u. a . Sie Das in dem Reichsgesetz vom 20. Dezember 1875 ftipu schwärmen im Mai oder Juni und ihre Bohrthätigkeit Im postalischen Verkehr nimmt die Postkarte eine lierte Briefgeheimnis fonnte auf die Postkarten nicht aus verursacht das Verderben der Bäume. Gegen die An- ganz hervorragende Stelle ein und ihr achtzehnjähriges gedehnt werden , weil bei der Offenheit ihres In näherung des fliegenden Insektes zum Eierlegen schütt Bestehen hat hingereicht, uns an ihre Existenz so sehr zu halts das Briefgeheimnis im Sinne des Ge man den Baum durch Ueberstreichen von Stamm und gewöhnen , daß Aesten mit einer Mischung von 1 Kilo Alaun und 2 Kilo wir uns den Coda in 15 Liter Leimwaffer; den bereits angegriffenen Postverkehr ohne Baum rettet man durch Entrinden der befallenen Stellen Postkarte als etMitte Juli und Bestreichen der Wunde mit einem dünnen was für die Ge Brei von Teer und Schiefermehl. genwart und ZuDer Rohlweißling (Pontia brassicae L., Fig. 3) funft Unmög ist ein Schmetterling , deffen Raupen unsere Kohlpflanzen liches denken. Es liegt dies oft bis auf die Strünte abfressen. Sie erscheinen zuerst im Mai und Juni und ihre Raupen nähren sich von in der Billigkeit, wildwachsenden Cruciferen, wie hederich, Ackersenf u. a. Einfachheit und Die Raupen und die bald in 100fach vergrößerter Zahl leichten Erreich. Fig. 4. Schlupfwespe. zum zweitenmal erscheinenden Schmetterlinge sollten ge- barkeit dieses tötet werden, die nun, im Juli, ihre Eier haufenweise auf Korrespondenz die Unterseite der Kohlblätter legen, wo sie leicht gerdrüdt mittels, denn eine Postkarte und Bleifeder sind überall zu seßes gar nicht gewahrt werden kann, denn oft werden können , während die Raupen sich über die ganze bekommen , während Briefbogen , Kouverts , Tinte und genügt ein einziger Blick, um den Inhalt einer deutli Pflanze und über das ganze Kohlfeld verteilen, also Stahlfeder nicht immer gleich zur Hand sind, und die Er geschriebenen Postkarte zu übersehen, und bestünde für die schwer zu vertilgen find , es sei denn , daß man sie mit sparnis an Porto ist in ihrer Bedeutung für den Reichen Postkarten das Briefgeheimnis in dem oben bezeichneten Sinne, dann würde der Postbeamte wegen Berlekung 420 R. warmem Wasser überspritzt, das fie tötet , den nicht geringer wie für den Armen. Pflanzen aber nicht schadet. Ein böser Feind des KohlNur einen Fehler hat die Postkarte, nämlich den der dieses Geheimnisses schon strafbar, wenn er seinen Blid über die mit dem Inhalt versehene Rüdseite einer Bo Offenheit ihres Inhalts, welche es sehr oft verbietet, wich weißlings , also einer der besten Freunde des Menschen, ist die Schlupfwespe , Microgaster glomeratus tigere Mitteilungen niederzuschreiben , da es nicht aus tarte streifen läßt. Das wäre eine Härte, die jedem hu (Fig. 4), welche ihre Eier in die Raupen des Schmetter geschlossen ist, daß die Postkarte bei ihrer Bestellung in manen Gefühle widerstrebt. lings legt, in welchen die Larven sich weiter entwideln Abwesenheit des Adressaten in Hände von Personen geWeil nun aber bei den Postkarten das Briefgeheimnis und die sie töten, nachdem sie dieselben gezwungen haben, langt, welche dieselbe unberufen lesen. Es erscheint uns im Sinne des Gesetzes nicht geübt werden fann, die die Nährpflanze zu verlassen und an Zäunen , Mauern dies viel bedenklicher als der Umstand , daß von dem Praris des Postdienstes es vielmehr nicht selten mit fi u. i. w. fich festzusetzen ; die Puppen der Wespe kriechen Inhalte der Postkarte auch diejenigen Postbeamten Kennt bringen wird , daß den Postbeamten die Rüdseiten vo aus und legen in ihren gelben Gehäusen sich auf die nis erlangen fönnen, durch deren Hände ste geht , denn Postkarten und somit Bruchstücke des Inhalts derselben Raupen, wo der Mensch in seinem Wahn sie als Rau- diese sind auf ihren Amtseid angewiesen und deshalb zur zuerst in die Augen fallen , hat der Gesetzgeber in § 12 peneier tötet . fie, die als seine besten Freunde Geheimhaltung des zu ihrer Kenntnis Gelangten ver- der Postordnung zur Wahrung der Postbeamten vor der pflichtet. sorgfältig geschont werden müssen. Beihilfe zu Vergehen bestimmt , daß Postkarten mit e Alle meine verehrten Leserinnen kennen die der Fa. Es bleibt indessen diese nicht etwa gewerbsmäßig, son sichtlich beleidigendem oder unittlichem Inhalte nicht milie derHalbflügler zugehörenden Blattläufe (Aphes), dern nur beiläufig erfolgende amtliche Kenntnißnahme des befördern sind , denn thatsächlich würden sich Postbeamte, welche sich auf den Spiten junger Triebe festsehen und Inhalts der einen oder anderen Postkarte nicht ohne Ein- welche in dem Inhalte einer Postkarte eine Beleidigung mit ihrem durch das Milchen" der Ameisen in größerer fluß auf das Schicksal letterer, sobald sie eine Beleidi- oder Unsittlichkeit unzweifelhaft erkennen, der Beihilfe zut Menge hervorgelodten Saft die Spaltöffnungen von Blät gung, Unzüchtigkeit u. j. w. enthält, denn in diesem Falle Beleidigung bezw. Unsittlichkeit schuldig machen , we tern u. a. verstopfen, die Lebensthätigkeit der letzteren also ist die Bestellung der Karte an den Adressaten nach § 12 fie trotz der davon erlangten Kenntnis die Karte beförde hindern und die ganze Pflanze schädigen. In den meisten der Postordnung zu unterlassen. würden, und dies allein ist genügend, Postkarten mit b leidigendem oder unstttlichem Inhalte von der Beförde Fällenwird man gut thun, die mit rung auszuschließen. Eine amtliche Kontrolle des Inhalts der Poftfarten Blattläufen be decten Zweigs findet seitens der Post - wie uns auf Befragen einem höheren Postbeamten versichert worden ist spitzen abzu schneiden und zu statt, auch würde zu einem gewerbemägigen Durdle der eingelieferten Postkarten durch Postbeamte teine 3 verbrennen ; wo übrig sein , aber das Recht, welches der Geringfte de das nicht angeht, itellt man die Voltes befitt, nämlich augenfällige Thatsachen zu be Pflanze in einen ten und die Beihilfe zu einem von ihm entdedten B verschließbaren gehen abzulehnen, muß man doch der Post gleichfallsju Kasten - in gro gestehen. Es ist nun zwar gesagt worden, daß es nichtzu de Ben Gärtnereien Obliegenheiten eines Postbeamten von vielleicht sehr das Gewächs fechtbarer Urteilsfähigkeit gehöre, dem Urteile des orde haus-,den man lichen Richters darüber vorzugreifen , ob der Inhalt ein mit dem Dampf Postkarte beleidigend sei oder nicht. Dem ift entgeg des fochenden juhalten, daß stets nur solche Postkarten von der Tabals ausfüllt förderung ausgeschlossen werden, aus deren Inhalt und 24 Stunden unzweideutig eine Beleidigung u. f. w. ergibt. In wei in solchem Zu stande belägt ; haften Fällen findet eine Ausschließung von der Befö rung nicht statt. Es wird dies auch durch die Thatjade die Blattläuse und vieles an bestätigt , daß trok der in Frage stehenden postali Einrichtung immer und immer wieder Beleidigungsproje Fig. 3. Rohlweißling. dere Ungeziefer -844:
Aus Küche und Haus. - Aegyptische Augenentzündung. - Abortanlage mit Torfmull . - Unsere Kunstbeilagen. -848847-849welche sich auf den beleidigenden Inhalt von Postkarten läse vermischt worden, und brate sie über starter Glut und mit nicht durch ungerechtfertigte Befürchtungen ferner tost frühen, vorkommen. spielige Opfer veranlaßt werden ! einem Rofte auf beiden Seiten rasch ab. Anderseits scheint es uns aber sehr gewagt , je Hühnersalat. Man brate vier schöne junge Hühnmands Urteilsfähigkeit in mutmaßlicher Weise zu kritischen recht saftig und weiß , lasse sie erkalten und zerlege fieren, wenn es sich darum handelt, daß derselbe sich vor fie je in zwei Schlegel, zwei Flügel, zwei Bruststüde, Abortanlage mit Torfmull. der Beihilfe zu einem Vergehen schüßen will , gleichviel, lege fie in eine Echale, würze fie mit sechs Eßlöffeln Del, Die nebenstehende Zeichnung verdeutlicht Abortanob dies lediglich vom moralischen Standpunkte aus ge ebensoviel Estragonessig , Salz und Pfeffer und mariniere schicht (wie man bei der Post wohl annehmen kann), oder sie so eine Stunde lang. Unterdessen schneide man aus lagen nach dem Torfmullfäfalbindungssystem D. R.-Pat. aus Furcht vor einer zu erwartenden Strafe. Hier regelt sechs Häuptchen schönem festen Kopfsalat die Herzchen . Boppe, Kirchberg (Sachsen). Der Unterschied zwischen aus und dieübri. diesem zum Wohl der Land- und Volkswirtschaft sich gen, schönen immer mehr einbürgernden System und dem seither ge Blättchen in nu. bräuchlichen Spülsystem beruht darauf, daß das lettere delartige Strei durch die Fortspülung mit Wasser die Stoffe ja nur dem fen, wasche es Gesichte entrüdt , wofür aber schließlich die endgültige Unterbringung dem Ingenieur wie dem Hygieniter um so zusammen und mehr Schwierigkeiten macht und eine Verdünnung der chwinge es in einer Serviette. Extremente, damit aber eine Vermehrung und Entwertung derselben verursacht, die die landwirtschaftliche Ausnützung Der geschnittene Salat wird dann unmöglich macht. Beim Torfmullfäkalbindungssystem mit Cel , Effig, dagegen ist die Vermehrung der Stoffe nur eine geringe Pfeffer, Salz durch einen Stoff, welcher die widerlichen Eigenschaften und etwas ge. (Anblic) der Extremente vollständigt hebt, diese als einen schnittenen Eftra- anerkannt vorzüglichen Dünger gon und Pim von praktischster Form und höch Fig. 5. Blattlausfliege. pinellblättchen stem Düngwert der Landwirtschaft gut angemengt zuführt. Dieser Dünger wird be und die Vertiefung einer flachen Porzellanschüssel damit zahlt mit 50 Pfg. p. 3tr. , sein indem der Verhalten, die Urteilsfähigkeit das subjektive Wert ist ca. doppelt so Urteilsfähigere bei der vollen Erkenntnis der Tragweite belegt, und darüber richtet man nun die Hühnerstücke wirklicher hoch. Die Wirkung des Torfgehäuft an, zuerst die Schlegel, hierauf die Flügel einer Aeußerung oder Handlung weit größere Vorsicht üben wird als der minder Urteilsfähige. Wer die fich und zuletzt die Brüstchen, stellt um die Schüssel rund mulls , der aus den unerschöpi. ihm aufdrängende moralische und im weiteren die straf herum in vier Teile geschnittene, unten abgestußte hart lichen Hochmooren Deutschlands rechtliche Verantwortung für eine That ausschließlich von gekochte Eier, zwischen welche die je nach ihrer Größe in als ein lichtbraunes Pulver von dem Urteile des ordentlichen Richters abhängig machen zwei oder vier Teile geschnittenen Salatherzchen gesetzt großer Leichtigkeit und höchster Aufsaugungskraft (1 Teil des würde, der wäre ein schlechter Beschüßer seiner Ehre und werden, und begießt den Salat init der übriggebliebenen besten Torfmulls bindet bis 15 ein jederzeit dienstbereites Werkzeug in den Händen solcher, Marinade. Teile Flüssigkeit) in gepreßten f Erdbeerauflau . 1 Man reife, treibe 11/2 recht denen es auf widerrechtliche und strafbare Handlungen nicht anfommt, somit eines besseren Ansehens nicht würdig. trodene , nicht gewaschene Walderdbeeren durch ein feines Ballen von ca. 34 cbm Raum In letterem liegt aber der Wert des Menschen und seiner Sieb, vermische zwölf zu steifem Schnee geschlagene Eis und 2-3 3tr. Gewicht fabrik. Einrichtungen und deshalb soll man sich hüten, dasselbe wetg mit 375 g feinem Zuder und den Erdbeeren und mäßig dargestellt wird , beruht fülle es in die Form , übersiebe mit Zucker und lasse bei aufseiner Abstammung von den durch die Zulassung des Mißbrauchs zu untergraben. Eghagnum und Polytrichum gelinder Wärme eine halbe Stunde baden. Beerenbowle. Man treibe 12 1 Johannie- wesen , jedes einzelne Blättchen dieses Mulls besteht aus mikrobeeren, Himbeeren oder Erdbeeren durch ein Haarsieb, füge 375 g Zuder, den Saft von zwei bis drei Zitronen stopisch kleinen röhrenförmig an Rus Küche und Haus. hinzu und rühre es mit anderthalb Flaschen weißem Wein einander gereihten Zellen , die an, laffe es noch ein paarmal durch das Sieb laufen mit erstaunlicher Kapillarkraft die Don Feuchtigkeit der Erkremente an und stelle es falt. sich reißen und einschließen, woI. v. Pröpper. durch selbstverständlich die Ent. Abortanlage. Juni. stehung jeder Fäulnis und auch Etwas von der ägyptischen der Fäulnisgase gehindert wird. Gazpacho (spr. Gaßpátsch o). Man schneidet Augenentzü ndung. Der Gehalt des Torfmulls an 10-20 % Huminsäure, die Weigbrot in Stüde , begießt sie mit einer hinreichenden Vor kurzem ging durch viele Zeitungen die Mittei bekanntlich im höchsten Grade antiseptisch wirkt , erhält Menge von Wasser, Del , Eifig, Salz , Pfeffer und ge quetschtem Kümmel und mengt fleingeschnittene Zwiebeln lung , daß im Regierungsbezirk Posen eine Anzahl von das Düngergemisch stets schwach sauer , verhindert jede and Gurfen darunter. Diese spanische National Schulen wegen des Auftretens der ägyptischen Augenent alkalische Reaktion und somit nach Prof. Koch auch die zündung geschlossen seien, und es wurde damit wieder Ansiedelung und Fortpflanzung der Krankheitserreger. ipeise erfrischt ungemein. (Originalrezept. ) Durch die selbstthätig bei Benutzung des Abortes Französische Kartoffelsuppe. Man dämpfe einmal die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diesen Geeinen gehäuften Eklöffel fein gehadten Knobel und eben genstand gelenkt. Es ist deshalb sicher von Interesse, wirkenden Streuapparate wird nun je nach Regulierung soviel Petersilie in 75 g Butter, füge drei Theelöffel Mehl Einiges aus dem Vortrage wiederzugeben , den einer der ein Quantum von 30-60 g Torfmull auf die ausge hinzu und, nachdem dies hellgelb geworden, 3 1 Fleisch bedeutendsten Augenärzte Deutschlands , Geheimrat Prof. schiedenen Erkremente gestreut und dadurch eine ganz brühe und anderthalb Dutzend geschälte, abgetochte, ge- Förster in Breslau, ein Schüler des berühmten Gräfe, gleichmäßige Mischung erzielt. Ein Zentner Torfmull also su ca. 8-1700 Situngen. Die Anbringung riebene und durch einen Seiher gestrichene Kartoffeln nebst vor einem Kreise von Aerzten diesem Thema gewidmet hat. langt Aus seinen Darlegungen ergibt sich, daß die Geschichte dieser Apparate ist äußerst einfach und leicht bei vorhande Salz, loche die Suppe zwanzig Minuten lang ganz lang. Anlagen wie bei Neubauten, gleichgültig ob die Ent jam, legiere fie mit drei Eidottern und richte sie mit über dieser Krankheit , obwohl noch nicht ein Jahrhundert alt, nen eine sehr unzuverlässige ist. Seit dem ersten und namen leerung in Gruben oder beweglichen Gefäßen unmittelbar in Butter gerösteten Weißbrotwürfelchen an. Hecht im Mantel. Man salze einen schönen, wohl gebenden Auftreten epidemischer Augenentzündungen im wie bei Nachtstühlen, oder durch Rohrleitung erfolgt. Die Konstruktion ist äußerst dauerhaft , die Wirkung gereinigten Hecht einige Stunden ein, toche ihn dann mit ägyptischen Heere Napoleons I. (1798) liegen zwar BeWurzelwert, Gewürz und Salz gar und lasse ihn in der richte auch über Epidemien in fast allen anderen europäi sicher, die Ausstattung jeglichen Ansprüchen entsprechend, Brühe erfalten. Dämpfe nun einen Eklöffel fein geschen Armeen vor, aber sie fallen sämtlich in die Zeit der jo daß sich die Anlagen ebensogut in der Fabrik von Krupp nittene Schalotten in 125 gButter, füge eine Handvoll ärztlichen Wissenschaft, als noch nicht die Beobachtung, in Effen als in kaiserlichen und fürstlichen Schlössern be Mehl , einige feingehadte Sardellen, 1/2 1 jauren Rahm sondern das Aufstellen von Theorien die ärztliche Kunst währt haben. und einige Prisen Salz hinzu , rühre es auf dem Feuer, ausmachte. Deshalb läßt sich nicht einmal feststellen , ob bis es tocht, und überziehe , wenn es erkaltet ist, den auf es überhaupt eine bestimmte Krankheitsform war, die da einer länglichen Schüssel angerichteten Hecht halbfingerdid mals in Aegypten und später in den anderen Heeren Unsere Kunstbeilagen. amit, bestreue ihn mit feingeriebenem Weißbrot, besprite herrschte, oder ob eine Anzahl verschiedener und verschieden SpannendesInteressewedtwohl bei jedem Beschauer das hn mit zerlassener Butter, bade ihn im Ofen (Röhre) bedingter Prozesse unter einem Namen zusammengefaßt hön hellbraun und serviere mit Kapernfauce. wurde. Jedenfalls gibt es nach Prof. Förster in Deutsch- Bild Nachtwandlerin" von Lisbeth von Suchodolsta, Kapernsauce. Man vermische 60 g Butter mit land gegenwärtig keine Form, welche den damaligen Be geborene Brauer. Die Dame, aus Leipzig gebürtig, irem Eglöffel Mehl zu einem weichen Teig, thue ihn schreibungen entspräche ; es gibt überhaupt in heutiger Zeit machte ihre ersten Studien bei Profeffor Jäger daselbst nit 3 1 Waffer, einem kleinen Theelöffel Salz , einer keine epidemischen , sondern nur endemische Augenentzün- und Professor Grosse in Dresden, wurde dann in WeiBrise Bieffer und etwas Muskatnuß in eine Kafferolle dungen , die hier und da in größerer Zahl auftreten und mar mehrere Jahre Schülerin des Professors Pauwels and rühre es auf dem Feuer, bis es tochen will, wonach namentlich hinsichtlich der Gefahr für das Auge keinen aus Antwerpen , jest ebenfalls in Dresden. Nach drei man es absetzt , den Sast einer Zitrone, noch 30 g ge- Vergleich mit jenen Schilderungen aushalten. Von diesen jährigem Aufenthalt in Italien, hauptsächlich in Rom, rödelte Butter und zwei Eklöffel Kapern daran thut Endemien sind es zwei Formen , welche zuweilen zu dem Neapel und Capri , verheiratete fie fich in die Heimat nd gut umrührt , bis die Butter geschmolzen ist ; darf erschreckenden Gerücht vom Auftreten der ägyptischen Augen zurückkehrend mit 3. von Suchodolski, Historienmaler, ber nicht fochen und muß gleich serviert werden. entzündung Anlaß geben : das Trachom und der folli- und lebt gegenwärtig in München. Wem fielen ange Leipziger Allerlei mitammelstoteletten. fuläre Katarrh. Zum Wesen beider Erkrankungen fichts dieses Bildes nicht die Verse von Heine ein: Die Lotusblume ängstigt Kan nimmt dazu sämtliche Gemüse der Saison. Kleine gehören körnige Vorragungen an der Schleimhaut, welche Sich vor der Sonnenpracht, Röhrchen werden geputzt, gewaschen und in Bouillon mit von der innern Fläche der Augenlider zum Augapfel Und mit gesenktem Haupte Butter, Salz und etwas zuder weichgekocht. Einen in hinüberzieht , aber im übrigen sind die Krankheiten äußerst Erwartet sie träumend die Nacht. eine Rojen geteilten Blumenkohl tocht man in Salz verschiedene. Das langsam auftretende und deshalb zur Der Mond, der ist ihr Buhle, affer, ebenso Spargel, in 3 cm lange Stüde geschnitten . Behandlung reichlich Gelegenheit lassende Trachom führt Der wedt fie mit seinem Licht, Die grünen Bohnen schneidet man in schräge Bierede vernachlässigt zu Schrumpfungen und damit zu schädlicher Und ihm entschleiert sie freundlich Rauten) und tocht fie, sowie die grünen Erbsen, in reich- Veränderung der Lidstellung häufig unter Schädigung der Jhr frommes Blumengesicht. Salzwasser schnell weich, damit sie recht grün bleiben, Hornhaut und damit der Sehkraft ; der follikuläre Katarrh nd sobald alle Gemüse gar find, schüttet man sie bebut dagegen , der trotz erheblicher Unterschiede oft mit jenem 3m vollsten Gegensate zu dieser fast unheimlichen Nacht. im in eine flache Kasserolle. Jeht bereitet man aus weißer verwechselt wird, ist ein durchaus gefahrloses Leiden. Das szene stehen die beiden Bilder von Messerschmitt: Der inbrenn (Mehlschwike) und kräftiger Bouillon eine dide Trachom war es hauptsächlich, das früher im preußischen Lenz ist gekommen und Maitäfer flieg , über denen auce, rührt fie mit etwas von dem Spargel oder Heere geherrscht und auf das die meisten Erblindungen lachender Sonnenschein ausgegossen ist. Üeberall drängt lumenkohlwasser an und läßt sie eine Stunde langsam unter dem Militär zurückzuführen sind ; heutzutage scheint sich hier neues, frisches Leben dem Himmel entgegen und hen, entfernt den Schaum, zieht sie mit drei Eidottern es nur noch stellenweise endemisch vorzukommen. Jeden während das eine der Bilder gar herrliche Erinnerungen b. gibt ein Stück frische Butter daran und gießt sie durch falls ist seine Anstedungskraft (nach Prof. Försters an die Jugendzeit und die ersten Lenztage des Lebens er feines Sieb über die Gemüse, läßt diese langsam heiß Beobachtungen während 30 Jahren an Tausenden von wedt, dürfen wir wohl dem freundlichen Paar des anderen nachsagen, daß auch in ihrem Herzen der Frühling der erden, schwenkt sie vorsichtig um, richtet auf einer runden Trachomkranken) eine äußerst geringe. Die weiteren Aeußerungen des berühmten Augenarztes Liebe eingezogen ist, der wie alles Irdische wohl ein Ende, düffel an und garniert mit Hammelstoteletten. Hammelstoteletten. Man tauche die wohl ge beziehen sich auf die Behandlung und bedürfen deshalb aber keinen Herbst tennt. Ansprechend ist auch Duprés opften Roteletten in zerlassene Butter, paniere fie mit hier nicht der Wiedergabe. Um so mehr verdienen seine Bild „Auf der Weide", das besonders durch die glückliche riebenem Weißbrot , welches zur Hälfte mit Parmesan oben stizzierten Ansichten die allgemeinste Beachtung , da- Wiedergabe der Natur feffelt.
Boscos Taubenkunststück. 1- Neue philosophische Werke. — Federhalter mit Tinte. -851852an und bewerkstelligt dadurch den Wechsel der Laden, graphie desselben (von Mar Dessoir, Berlin, Kar! tritt sofort zur Seite , schießt die Pistole ab und bewirkt Dunders Verlag, 1888), die nicht weniger als 812 Scri Boscos Taubenkunfftück. dadurch das Emporspringen der beiden lebenden Tauben. ten und 207 Zeitschriften (lettere ganz oder nur teilweise Von Befürchtet man das zu frühe Sichtbarwerden derselben, mit dem Gegenstande fich befassend) aufweist . Bon erste so kann man der Vor- ren find 477 in französischer. 104 in englischer, 88 in ita ficht halber den Käfig lienischer , 72 in deutscher , 22 in dänischer, 16 in spani Alexander. k vorher mit dem Taschen- scher , 12 in russischer , 7 in holländischer Sprache abge. tuche bedecken. faßt 2c. Von den Zeitschriften erscheinen nur 18 im Eines der Lieblingskunststücke Boscos , mit welchem Fig3 er, ebensosehr durch die Originalität der Ideen , als wie Es jei nun noch eigentlichen Deutschland. Die Bibliographie greift bis durch seine unnachahmliche Darstellungsweise, das Publi. gestattet, zum Schlusse zum Jahre 1855 zurüd. Für das Anwachsen derselber fum zu unterhalten und in die heiterste Laune zu ver einer Anekdote zu ge- feit 1880 ergibt sich folgender Maßstab : 1880 : 14, 1881 setzen wußte, bestand in seinem fog. Taubenkunststüde. denken, die von Bosco 39, 1884 : 78, 1886: 131 , 1887 : 205. 1888 Januar bis Sein Diener brachte in einem Käfige zwei Tauben herbei, erzählt wird, als er April : 82 ; bei gleichem Fortgang ergäben für das ganz von denen die eine vollständig schwarz , die andere eben obiges Kunststück unter Jahr also 246 Nummern. Uebrigens muß bemerkt wer so weiß gefiedert war. Diesen erklärte Bosco den Kopf anderem dem Sultan in Konstantinopel vorführte. Letz. den, daß vom juristischen Standpunkt sich 43 der erwähn abschneiden , denselben wieder aufsetzen und sie wieder terer , heißt es , sei im höchsten Grade von diesem Kunst ten Werke mit dem Gegenstande beschäftigen. lebendig machen zu wollen. Um jedoch, wie er bemerkte, stücke überrascht gewesen und habe an den Künstler das Ein gewiß nicht wenigen Lesern willkommener Bei. bei den Damen keinen unangenehmen Eindruck zu machen, Ansuchen gestellt, dasselbe mit einem weißen und einem trag zur Religion und Philosophie dürfte der Budd folle fein Diener das Kopfabschneiden der Tauben hinter schwarzen Sklaven ebenfalls auszuführen , worauf Bosco histische Katechismus von Subhadra Biďshu ſein . den Kulissen besorgen. Letzterer begabsich sodann mit entgegnet habe, es bis jetzt in seiner Kunst nicht so weit Derselbe ist nach den heiligen Schriften der südlichen den Lierchen zur Seite und brachte dieselben alsbald wie gebracht zu haben , dasselbe auch mit Menschen zu bes Buddhisten zum Gebrauche für Europäer zusammengesteût der, in der entsprechenden Weise getötet, zu Bosco zurück. werkstelligen. Doch hoffe er , daß ihm auch dieses im und mit Anmerkungen versehen. Da die Schrift nur zur Bosco zeigte nun die leblosen Körper und Köpfe der beiden Laufe der Zeit gelingen und er dann nicht verfehlen werde, Einführung in die Lehre des Buddha Gautama dien Tauben, hielt ihnen eine höchst komische Trauerrede in dasselbe Sr. Majestät vorzuführen. soll, so ist in ihr auch nicht alles wiedergegeben, was der gebrochenem Deutsch, welche mit allen denkbaren RedensBuddhismus enthält. Sie wendet sich , wie der Verf. in arten aus verschiedenen Sprachen untermischt war , und der Vorrede sagt , vornehmlich an diejenigen, welche nicht schloß dieselben in eine unter dem Käfige befindliche Lade im materiellen Fortschritt und gesteigertem Wohlleben das ein, dann ergriff er eine geladene Pistole , schoß dieselbe höchste Ziel des Daseins suchen , sondern, abgestoßen von Neue philosophische Werke. in der Richtung des Käfigs ab, und im selben Augendem wilden Kampfe um irdische Güter , den die Selbe Von dem berühmten Werk des leider so früh versucht täglich erbarmungsloser führt und unbefriedigt von blide flatterten die beiden Tauben wiederum lebendig Wunder ! durch ein storbenen Philosophen Friedr. Albert Lange, Geschichte den Lehren der herrschenden Religionen, nach jenem inner in dem Käfige empor. Aber Versehen hatte die schwarze Taube den Kopf der weißen, des Materialismus und Kritit seiner Bedeus Frieden und jener gesicherten Erkenntnis verlangen , die und die weiße Taube den Kopf der schwarzen erhalten. tung in der Gegenwart , hat die Verlagshandlung allein das Leben wert machen. Unter allgemeinem Gelächter der Zuschauer entschuldigte (3. Bädeker , Iserlohn und Leipzig) eine wohlfeile Aus Der erste und sicher einzig wissenschaft fich Bosco unter höchst tomischen Redensarten , mit dem gabe veranstaltet. Dieselbe ist von Hermann Cohen be liche Beweis kein Trugschluß, auch keine Bemerken , dies sonderbare Taubenpaar zur Erinnerung sorgt und mit biographischem Vorwort versehen. Wir bloße Hypothese - auf Grund der Deizen müssen uns begnügen, von dem tausendfach für und wider dengtheorie, daß es einen persönlichen Gatt an die merkwürdige Verwechselung zum ewigen Andenken tritisierten Werk die Inhaltsangabe wiederzugeben : Erstes und eine Unsterblichkeit der Seele gibt - is aufbewahren zu wollen. Der Zusammenhang der Ausführung bestand in nach Buch . Geschichte des Materialismus bis auf Kant. Der lautet der Titel einer in zweiter Auflage vorliegenden Ab. Materialismus im Altertum. Die Uebergangszeit. Der handlung von R. H. Hertzsch (Leipzig, Gustav Fod, 1888). folgendem: Bosco besaß vier Tauben der kleineren Gattung, Materialismus des 17. Jahrhunderts. Der Materialis. Leider ist es nichts mit diesem im triumphierenden Zon eineschwarze, eine weiße, sowie eine schwarze mit weißem, mus des 18. Jahrhunderts. Zweites Buch. Geschichte angekündigten Beweis. Die Deszendenztheorie lehrt , das des Materialismus seit Kant. Die neuere Philosophie fich die Schöpfung vom Ureinfachunvollkommenen zu immer und eine weiße Taube mit schwarzem Kopfe. Sobald er seinem Diener die weiße und schwarze (Kant und der Materialismus). Die Naturwissenschaften vollkommeneren Stufen entwidelt. Der Mensch tonne da Taube mit der Aufgabe sie zu köpfen überreiat hatte, (Der Materialismus und die eralte Forschung. Kraft und her noch nicht die höchste Stufe der Entwickelung dar brachte dieser dieselben hinter den Kulissen einfach in Stoff. Die naturwissenschaftliche Kosmogonie. Darwi stellen. Chriftus , so sagt der Verfasser, bezeichne bereits einem anderen dort vorhandenen Käfig unter , und statt nismus und Teleologie. Die Stellung des Menschen zur eine höhere Stufe der Entwickelung. Nun ist die höchte derselben zwei an Tierwelt. Gehirn und Seele. Die naturwissenschaftliche Stufe der Entwickelung die Vollkommenheit . Das it dere ausgestopfte Psychologie. Die Physiologie der Sinnesorgane und die aber der Begriff .Gott ". Wo bleibt nun aber der persön Fig.1 Tauben nebst zu Welt als Vorstellung). Der ethische Materialismus und de Gott , wenn der Mensch schließlich die Stufe der gehörigen Köpfen die Religion (die Volkswirtschaft und die Dogmatit des Vollkommenheit ertlommen, also selbst persönlicher Gott" seinem Herrn zu Egoismus. Das Christentum und die Aufklärung. Der geworden Oder gäbe es etwa ein Bis hierher und rüd, der dieselben theoretische Materialismus in seinem Verhältnis zum ethi. nicht weiterist? vor Stufe der Vollkommenheit? Da aledann, wie beichen und zur Religion. Der Standpunkt des Ideals). wäre graujam und der fönnte nur eine Eingebung der Eifer mertt, in die an Das Wert ift 53 Bogen start und erschöpft den Gegen sucht sein. Uebrigens bezeichnet der Begriff Bollkommen. dem Käfige befind- stand nach allen Seiten in flarer, meisterhafter Weise. Die Mystik der alten Griechen betitelt sich ein heit selbst eine Grenze und fällt also mit der Dejzendenz• liche Lade unter in nichts zusammen. Werk von mäßigem Umfang von Karl du Prel (Leipzig, theorie brachte. Die Naturerfenntnis im Lichte des Dar DerKäfigFig . 1 Ernst Günthers Verlag, 1888), das folgende Kapitel auf winismus. Vier Vorträge in gemeinverständliche: hatte eine unge weist : Tempelschlaf . Orakel. Mysterien. Dämon des So Darstellung von Emanuel Wurm (Dresden, R. Schnabel, fähre Höhe von frates. Der Name des Verfassers, der sich viel mit Mystik 1888) . Der Verfasser tommt zu dem Endergebnis, das 26 cm, eine Breite beschäftigt hat, bürgt für die Gediegenheit des Werkes. der Mensch schließlich auch den Kampf ums Dasein übers von 33 cm und Uebrigens dürfte die Geschichte der Mystit taum ein in winden werde. Führe er doch schon seit seinem Bestehen eine Tiefe von teressanteres Thema aufzuweisen haben als dieses. diesen Kampf! 22 cm. In der Eine sehr beachtenswerte Schrift ist das Wesen des einen Kampf gegen So war es 1- so ist es Mitte des Gitters, Spiritismus, vom physikalischen und physiologischen Doch muß es ewig so währen? rvie aus der Zeichnung ersichtlich, befand sich eine kleine Thür, Standpunkte besprochen von Dr. Hermann Spiegel (Leip. Es wäre zu wünschen, daß der Verfasser nicht irrie. Gink fowie unten an der Vorderwand inder Mitte des Bodenraums zig , Oswald Mute, 1888). Der Titel fagt schon hin weilen ist dazu wenig Aussicht vorhanden trok aller eine vieredige Deffnung e zum Aufnehmen einer Schieblade, fänglich, um was es sich handelt. Zum bessern Verständ großartigen Siege, die der Mensch seit der Steinzeit über deren noch besonders gedacht werden wird . Im Innern des niz jedoch hier das Inhaltsverzeichnis. Unser Gemüt diesen Gegner errang". Käfiges , in dem Bodenraume a b c d, war eine beweg. (das Nervensystem des Sympathitus. Das Spino- Ciliar dem unter Bekenntnisse seine uns bietet Theologe Ein liche Schiebeeinrichtung (Fig. 2) angebracht , welche zwei Zentrum von Budge. Der herumschweifende Nerv). Die Titel 3m Kampfe um die Weltanschauung Unser (3. und 4. Auflage , Freiburg i . Br. 1888 , Akademie Spiritismus. des Liebe. Wesen Das separate Laden aufzunehmen vermochte. Dieselbe bestand Reflerbewegung. Psychologische Unsere Schlaf. Unser nur aus einem Bodenbrett f h und den darauf befestigten Luftfreis. Gründe. Der Spiritismus im Tierreiche. Unser Blut. Berlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr). Wären nur Wandbrettchen f g h. Waren nun in dieser Schiebeein Der Spiritismus bei den verschiedensten Kulturvöllern. alle Theologen so, wünscht man unwillkürlich, wenn mar richtung die beiden Laden (Fig. 3 i u. k) untergebracht, das Büchlein liest. so ist es ersichtlich , daß durch Seitwärtsschieben bald die Schluß. Dessen lekter Sak lautet: Jeder Mensch kann wenn heranbilden, Ranges ersten Spiritisten eine, bald die andere Lade vor die Mitte der Oeffnung sich zu einem (Fig. 1 c) gebracht und je nach Erfordernis herausgezogen er im stande ist , seine Peripherie derart zu erhitzen, wie Federhalter mit Tinte. werden kann. Ferner ist auf beiden Seiten des Boden die Sonne die Luftschichten der Sahara erhigt, anderraumes bei a u. c (Fig. 1) ein schwarzes Brettchen oder seits aber , wenn er seine Sensibilität derart von seiner einen Feder Die zum Teil sehr primitiven Versuche Dedel angebracht , um die zeitweise darunter befindlichen Motilität (Beweglichkeit der Muskeln und Nerven) trennt, halter zu fonstruieren , der jederzeit zum Schreiben fert als jene in tompleter Ruhe befindlichen Luftschichten, in ist , wozu also der Schreibende tein Tintengefäß benötigt Laden zu ver. deden, wäh welchen sich das Phänomen der Fata Morgana abspielt. " haben in neuester Zeit zur Konstruktion des sog..Meteor rend oberhalb In hohem Grade zeitgemäß ist das von dem Vor- füllfederhalters Dr. Hommels System geführt, der vor stcher der Klinik für Nervenkrankheiten in der Kranken bem ebenfalls in den Handel gebrachten Rohrfederbalter des Mittelrau mes über c der anitalt alpetrière zu Paris , Gilles de la Tourette, die größere Solidität und glattere Funktion, vor der Wirth bearbeitete Werk Der Hypnotismus und die verschen Goldfeder die größere Billigkeit voraus hat. Tr Platz offen ge Fig2 wandten Zustände vom Standpunkte der ge. Halter besteht halten ist. An einem Reservoir mit rohrförmigem Aus dem Schiebe richtlichen Medizin. Autorisierte Uebersetzung (Ham flug, durch denausdie Tinte mittels Zurückschiebens eines ra burg, Verlagsanstalt, vormals J. F. Richter, 1889) ; dem Reservoir befindlichen Kolbens zunächst in dieses aut gestell (Fig. 2) Warum wir das Wert als zeitgemäß hinstellen , bedarf genommen wird, um dann beim Gebrauch durch eine flere ist zur Linken eine kleine Schnur i angebracht, welche an der linken Seite wohl keiner Begründung, da jeder weiß, daß mit dem Drehung der Feder zugeführt zu werden. Füllung des des Vogelbauers zum Vorschein kommt und hier mit einem Hypnotismus fast ebensoviel Unfug und Schwindel ge= Reservoirs und Abgabe der Tinte an die Feder sind d fleinen Ringe i versehen ist. Dieselbe dient dazu , das trieben worden ist , als mit dem Epiritismus , und das denkbar reinlichsten. Der Federhalter wird in zwei Sorten Gestell mit den Laden hier herziehen und dadurch die Lade will viel sagen. Aus dem Inhalt des ebenso wissen fabriziert, die eine für den Schreibtisch, die andere für de interessanten als praktisch wichtigen Buches in der Mitte mit der folgenden verwechseln zu können. schaftlich und besonders dem letzteren können wir nicht werm Zur Vorbereitung des Kunststückes wird also die seien folgende Kapitel hervorgehoben: Die verschiedenen Tasche, genug das Wort reden, weil ein solcher Taschenfederhalter Echiebvorrichtung mit den Laden nach links geschoben, hypnotischen Zustände. Die hypnotischen Suggestionen in zahllosen Fällen für den der Feder überhaupt Be natürliche und ungen Der Offenbarungen). , die Lade h (Fig. 2) herausgenommen und in derselben das (Einflüster eine wahre Wohlthat ist. Empfehlen möcht buntföpfige Taubenpaar untergebracht und dann wieder pathologische Somnambulismus. Erscheinungen der Hy dürftigen wir dem Fabrikanten Joh. Koch & Komp. in Zürich , bet auridge choben, was durch die offene Gitterthiir leicht zu fterie. Der weite " Zustand. Gefahren des Hypnotis Herstellung neuer Muster darauf bedacht zu sein, den Te bewerkstelligen ist. Dann wird die weiße und schwarze mus (für die Gesundheit des Leibes und der Seele). Der der mit den Fingerspiken in Berührung tommt, womögl : von Verbrechen und Ver Taube ebenfalls in den Käfig eingesperrt und auf den Hypnotismus bei Ausführung in Hartgummi herzustellen, in jedem Falle aber die gehen. Ausbeutung des Magnetismus (bes. der schwindel auch darin befindlichen Luerstab g sett Ränder Ausbuchtung der über dem Reservoir als unbeque Sobald der Künstler. den Käfig halb mit dem Körper haste). Der Magnetismus als Gewerbe vor dem Gesetz verdeckend , die toten Tauben in die Lade gelegt hat, u. s. w. Daß es der Mühe wert ist, sich mit dem Hup (und auch unnötig) fallen zu lassen. zieht er mit der Linken die vorerwähnte Schnur i (Fig. 2) notismus ernstlich zu beschäftigen, beweist auch die Biblio 850-
Kopf - Zerbrechen.
3um
A
Schachaufgabe Nr. 60. Von W. Gleave in Manchester. Schwarz. h a b c d e f g
A
C
B
A
Gesetzt wurden:
8
CA
B
C
B
17 6
6
5
5
4
4
C behielt:
3
3 2
2
1 1 Homonym. Gin Feigling ist, wer sich's nicht thut; Von Schaden frei, wer's niemand thut, Doch wer's in seiner Jugend ward, 3ft glüdlich bis zur letzten Fahrt.
C
8
00
Rätsel. Aus einem lieben fleinen Haus Eah oft ein schönes Kind heraus Mit Augen, die ins Herz hinein Sich schmeichelten wie Sonnenschein. Ein Herr, der oft vorüberging, Sah mit Behagen nach der Süßen, Bis er zuletzt sich unterfing, In halbvertrauter Art zu grüßen; Und bald fam Tag für Tag ein Strauß Bon Blumen in das kleine Haus. Die Echöne lang sich so benahm, Als ob dies alles sie nicht rühre. Doch als er einmal wiederkam, Da öffnet plötzlich sich die Thüre, Und in der Rechten einen Brief, Ein Knabe ihm entgegenlief. Er nimmt und öffnet mit Entzüden, Er will ihn an die Lippen drücken ; Doch ach! - er war von Männerhand! hört nun, was in dem Briefe stand: Geehrter Herr! Daß das Sie sind, Was ich verschweig', ist klar genug; Doch Ihr Bemüh'n verweht der Wind Wie leichte Spreu in raschem Flug. Sie fragen überrascht: warum? Mein werter Herr ! ich bleibe stumm; Doch wenn von dem , was just Sie sind, Ein einzig Zeichen Sie entfernen, So finden Sie den Grund geschwind. Und wollen Sie auch tennen lernen, Warum ich diesen Brief geschrieben, So wollen gütight Sie belieben, An dem, was oben sich als Grund Des Migerfolges machte kund, Ein Zeichen umzuändern nur. Sie kommen doch wohl auf die Spur ? Was jetzt Sie fanden, bin ich ihr, Der aller Mädchen Kron' und Zier! Nie werd ich auf mein Recht verzichten. Ich bitte, sich danach zu richten! " Als er den Brief zu End' gelesen, War er ernüchtert und genesen; Er reiste fort nach wenig Tagen. Was mochte wohl der Brief besagen?
Rätsel. Silbenrätsel. Aus folgenden 35 Silben sind elf Worte zu bilden, Meine Letzte ist beweglich, deren Anfangs- und Endbuchstaben von oben nach unten Die Erite gar spröd und hart; gelesen den Anfangsbuchstaben des Vornamens und den Aus ihr schuf dereinst das Ganze Familiennamen eines in Berlin lebenden berühmten Ein Denkmal edelster Art. Staats rannes und sein wichtigstes Werk, eine Errungen. schaft des letzten Jahrzehnts, ergeben: a ber bon can cop e e ge ge gel hel hos ki kov kar les les li lis nec o pont pi prun ri rus sa spie Skat- Aufgabe Nr. 38. tal te te ten to trut wit 1. Teil des Mittelländischen Meeres, 2. optisches Sn A, B und C spielen Points-Ramich. strument , 3. Stadt in Japan , 4. Landschaft des alten hat Coeur-Bube , außerdem Treff-Aß , Triff-10, Hellas, 5. Stadt in der Schweiz , 6. Ort in Mähren, TreffAKönig , Treff Dame , Treff-9 , Treff-8 , Pique-7, 7. Stadt in Spanien, 8. Nebenflug des Rheines, 9. Ort Carreau-8. in der Provinz Brandenburg , 10. See in der Schweiz, Carreau-Dame, -A spielt Treff 8 und macht im ganzen acht Stiche mit 11. Stadt in Portugal. zusammen 116 Points. Bei welcher Sitzung der Karten ist das möglich ? Zweiflbige Charade. Die Erste, wenn sie alt und echt, An Wert gewinnt und an Gehalt, Denn edler Wein wird drum nicht schlecht, Auflösungen zu Heft 9, s. 565-567. Wenn er geworden schwer und alt. Die Zweite Helferdienste thut Whiftaufgabe Nr. 12. Da, wo man Eber spießt und schickt, B hat achtmal Treff, außerdem zweimal Atout, z . B. Und wo in wilder Kriegeswut Carreau-5, Carreau-4 und Pique AB, Pique-6, Pique-4. Man grimmig Menschenblut vergießt. C hat achtmal Coeur , Garreau -3 , Carreau - 2 , PiqueDas Ganze ist ein Sonnenschein König. Pique-Bube, Pique-2. 3m holden Frühling warm und mild, Erster Stich: Pique- 1, Pique-9 , Pique- Bube, Pique-3. Ein lichter Engel, schön und rein, 3weiter Stich: Coeur-2 , Coeur-10 , Carreau-4 , CoeurDer Liebe Gottes Ebenbild! König. Dritter Stich : Pique 6, Pique- 10, Pique-König, Pique-5. Vierter Stich: Coeur-3, Coeur-Bube, Carreau-5, Coeur-Aß. Fünfter Stich : Treff-2, Treff-Aß, Carreau- 2, Geographische KombinationsTreff-10. Sechster Stich : Pique- 2, Pique-7 , Pique- Aß, Pique Dame. Siebenter Stich: Treff 3 , Treff König, Aufgabe. Treff-Bube. B und C haben den Trid. Carreau-3, Amiens , Astrachan , Bayonne, Bayreuth , Florenz, Görlitz, Königsberg , Kreuznach , Lissabon , Marienburg, Dominoaufgabe Nr. 11. München, Petersburg, Potsdam, Prenzlau, Rouen, Trier, Berden. Im Talon lagen : Die Namen der Flüsse, an denen die obigen 17 Städte liegen, lassen sich so ordnen, daß ihre Anfangsbuchstaben den Leiter eines großen Unternehmens nennen.
DODO
Rebus .
de f go h Weiß. (7 + 2 =9. ) Weiß zieht an und setzt in drei Zügen matt. a
b
c
Schachaufgabe in Typen LII. Diamant-Rätsel. Von Dr. S. Gold in Wien. Nach dem nebenstehen. M Weiß: Ke6 . Dc1 . Te4. den Muster, in welchem HAM Schwarz: Kes. La4, d8. Bb3, b5, d6, g7. die senkrechte Mittelreihe PARIS gleich der wagerechten ist, Weiß zicht an und setzt in drei Zügen matt. bilde man eine Wortfigur LESSING Lösung von Nr. 59. folgenden der Hilfe mit MARSCHNER Ke4 - d5 1. Sf3 - d4 Angaben: RICHARD Das oberste Wort Kd5 - e5, 2. Dh8 - a8 + c5, d4: nennt einen männlichen TANNE Borna , . e6 Sd4 das f4, zweite 3. f2 men REH einenausgez Komeichnet en Lösung von Nr. LI. R ponisten des vorigen Jahr Ke5- d6 Ke5 - d4: 1. hunderts , das dritte eine 1. Lf7- d5 2. Se3- c4 . neun Mujen , das vierte einen hervorragenden Rom. 2. Ld8 - f6 # . d7-d6 1. nisten dieses Jahrhunderts , das fünfte ein europäisches 2. Td4 - e4 . önigreich, das sechste einen französischen Kriegshafen, unterste Wort ist ein poetischer Name für einen großen Briefwechsel. Herfüßler. Ein Freund des Schachspiels. Für Jöre en freundlich Mitteilungen (die übrigens nichts wesentlich Neues darbieten , da Dr. Antonius van der Linde , Dr. Rätsel. Lange, van der Lafa u. a. dieses Thema bereits erAuf manchem Berg wirst du mein Erstes schöpfend behandelt haben) sind wir Ihnen dankbar. Wir Oft entzückend, oft auch mein Zweites finden. schreiben aber das Wort „ mat " nicht fremdländisch, son. Hast du mein zweites gar erstiegen, dern einfach deutsch matt", weil auf fremdsprachliche Eo fann dein Aug vom Ganzen aus Bedeutung nichts ankommt. In nebelgraue Fernen fliegen.
Skataufgabe Nr. 37. 3m Stat liegen zwei leere Karten in Pique , z . B. Pique-8, Pique-7. B hat: Coeur-Bube, Carreau-Bube, Treff 10, Treff Dame , Treff-9 , Treff-8 . Treff-7, Goeur AB, Carreau-König, Carreau Dame. Chat: Pique- Aß. Pique- 10, Pique-König , Pique- Dame , Pique-9 , CoeurDame, Coeur-9, Coeur-8, Carreau-9, Carreau-7. Erster Stich: Treff-Bube, Carreau-Bube, Carreau-7. Zweiter Stich: Pique Bube , Coeur - Bube , Carreau -9. Dritter Stich: Carreau Aß, Garreau Dame, Pique 9. Vierter Stich: Carreau-10, Carreau-König, Pique-Dame. Fünfter Stich: Coeur-7, Coeur-Aß, Coeur-Dame. A hat nun Rest und in seinen neun Stichen 106 Points. Becher Arithmogriph: Freyta G Ranke Arago Niger Zwerg LaubE Jakob See Stier Tacitus Franz List Georg Ebers
Füll-Rätsel: SIMSON Platen Eskimo Granit Gordon Ostern
Anagramm-Aufgabe : 1. itn tersberg, 2. Nauheim, 3. Vespasian, 4. Eidergans, 5. Rheingau, 6 Horna haut, 7. Orleanisten , 8. Flamingo, 9. Fledermaus, 10. Tiergarten, 11. Kardinal, 12. Oleander, 13.Murmeltier, 14. Malvasier, 15. Trian gel, 16. Oldenburg, 17. Feuerland, 18. Tasmania. Charade: Hochzeit. Homonym : Lauf. Silbenrätsel: Wachenhusen, Ochsenzunge, Lennep , Derby. Elastizität, Melusine , Armagh, Riberac, Kerberos , Alfieri , Dia dem , Evoe(ö) , Nikander. Woldemar Raden — Römische Typen. Rebus: Kleine Kinder, kleine Sor gen ; große Kinder, große Sorgen. Logogriph und Homonym: Bett, Brett, Barett. Homonym : Versorgt.
Die große Goldschmiedekunst-Ausstellung in Wien . 1 Mark Twains Schloß.
858: Arbeit fallen die der Esterhazyschen Schatzkammer entſta menden Krüge undSchenkkannen auf; ein Prachtstüd eigen. fy Bede = 856 ster Art ist der im Barodstil gehaltene Palf bekanntlich ein Geichent der niederösterreichischen Lamb ger von Raab. Gine wahre sieert tennti Türume stä sie dok antaden erphan Zechnde sich in zwei großen , bem Herzog von Cumberland gehörigen Bechern , bie eine Kombination von vier Amanasbechern mit Adam unb che ge en uns ffa Eva als Sta zeig . Der Tra Familienbecher , auf Löwenfüßen stehend , ringsum mit gediegenen goldenen lls Münzen besekt, ist gleichfa ein Bijou eigener Art ; Ebel steine, in allen Farben auf durchbrochenem Silberornament acht , heb zen . Renaissance de Ganzur angebr Pracht die von ergenang Den Ueb derdes Gotif zeichnet ein großer , ungewöhnlich reich mit hängenden nen s stei Fefton , die mit Edel betaut erscheinen, dekorierter Pokal, der, dem Fürsten Esterhazy gehörig, als Rapitalen ren en Ran ges die stid Wäh erstren kannzum geltHer . eist für die im Nebend sich faale ausgestellten reich mit Perlen und Edelsteinen gezierten ungarischen und orientalischen Waffen, die fortbaren Tabatieren , die brillantstrahlenden Orden , Magnatenketten und Antiquitäten interessieren, sieht man die Damen wie traumverloren vor einer Vitrine stehen , in der nicht e weniger als 13 der kostbarsten Brillantdiadem ausgestellt sind. Man glaubt die Märchen von Alabins Wunderlampe wieder aufleben und greifbare Gestalt g winnen zu sehen . Das Auge ist thatsächlich geblendet von all der Pracht , die diesem einen Schmudtaften entſtrahlt. Unter den wie Brilantkronen erscheinenden Diademen der Fürstinnen Metternich , Schwarzenberg , Kinstu . Montenuova , Lichtenstein , Trautmannsdorff find die vassenden Kolliers, Broschen , Boutons postiert, die Armbän der und Medaillons , die jedes für sich als Sehenswürdig Der Schmud der Prinzessin en den nenßte teit föngrö . n Opalen der Welt, der derFüchs Reußgelt mit Metternich mit den nächstgroßen Smaragden , der Herzogin von Cumberland mit dem pflaumengroßen Brillanten (be fanntlich der viertgrößte der Welt ) zählen zu jenen Schöne r eBesVli ten .kanzlers Metternić . chreseibung heitenDas , die gol jededen Staats des spot der Fongo des Grafen Erdödy find gleichfalls Bijous er züd en tenn wie Lai ent en . Der Wert diejer die unfi einen Vitrine wird auf 10 Millionen beziffert. Diet neben dem Kasten sitt ein Wächter , der unverwandt das Mark Twain Schloß . Beweis , wie sehr bur Publikum zu mustern hat. Ein cher lantschätze die Ausstellungsbesu fesseln , ist, daß br halb sagt er unserem Geschmad auch weniger zu. Aber Bril ich ten haul en igs in einer Ede sitzenden Schatjen besc er ist ganz der Mann nach dem Herzen der Amerikaner . wen ken ine hen er magnetisch . Sch. Die Ste wir hüt gese e . Mark Twains Schloß . viel thöricht Wünsche wohl bei ihrem Anschauen in de Ein solches Schlößlein wünsch' ich mir, wünsche es htliebender Frauen aufsteigen mögen ! Wie oft zen prac Her jedem fleißigen Schriftsteller, denn wenn irgend ein Stand wohl die Melodie : Ach wenn du wärst mein eigen "" nicht auf Rosen gebettet ist , so ist es der seinige . Von n? Die große Goldschmiedekunftiseten hte emes nac Werinmöcdies antlingt ukas den Schwierigkeiten , Hindernissen und Widerwärtigkeiten , Obgl!eich Schahwe mehr glänzende die sich dem Schriftsteller auf seiner Laufbahn entgegen Ausstellung in Wien. Pracht, als feine und solide Kunstarbeit zu finden , jesh stellen, hat nur derjenige einen richtigen Begriff, der selbst zu den besuchtesten der Ausstellung . Wiens adlige Damen , an ihrer Spitze Fürstin Pau- er doch mitten in diesem Kampfe steht . Ausnahmen gibt's auch Im anstoßenden Salon fallen zwei Vitrinen , die de Metternich , pflegen alljährlich zum Besten der Armen hier, aber sehr selten , auf tausend vielleicht eine. Talent line goldenen Toiletteeinrichtungen der Herzogin von Rosen t sfes lten h ns ling nsta ßlic Wie Früh ein zu vera ; anlä der und Genie thun's auch nicht immer . Man dente nur, wie Hoftrauer mußte es in diesem Jahre enthalten, ins Auge ; sie sind nicht nur gediegen, sondern rbleiben . Die wahr haft stilvoll , jedes einzelne Stüd ein Meisterwert es einem unserer größten Dichter und dazu dem populärsten gern im Dienste der Fee Wohlthätigkeitunte enden Aristoaller großen Dichter, Friedrich Schiller, ging. Man fann fratinnen tamen nun auf die Idee, ihrewirk n mmer tzka Scha n nkastten . eigener Art ist gegenüber poftien tätekuns ungefähr als sicher annehmen , daß, wenn Christia Gott Einschm Rariiede öffnen , das Wert- und Kunstvollste dem Publikum zur der Gold fried Körner, der Vater Theodors , sich seiner im Jahre zu Er enthält das goldene Reisespeisservice Napoleon's I. len au en tand htsä Sch zu stell . So ents die in den jetzt Prac 1785 nicht annahm und im Verein mit anderen Freunden des Palais Schwarzenberg eröffnete Goldschmiedekunst -Aus- die Uhr, die ihm die Stadt Mailand verehrt , ſeine Doje, - Biel bewundert wird der jeg seine Existenz auf eine Zeitlang sicherte, er untergegangen stellung, der täglich Tausende den Zoll der Bewunderung eug etti en Brun wäre. Und damals hatte er schon die Räuber , Fiesco darbringen . Die adligen Damen selbst machen die Hon sein Schreibz dem Graf zc. gehörige , mit einer kamee geschmüt und Kabale und Liebee geleistet ! Vier Jahre später nahm neurs. Fürstin Metternich erzählt uns , daß sie einen Ring , die Napoleon selbst aus dem Wüstensand heraus In der Ede prangt eine dem Palais de er eine Professorenstell in Jena mit einem Gehalt von wahren Haubzug habe unternehmen müssen , um all die erzot .gs Wilhelm entnommene Uhr, die chedem Eigens Erzhöber barkeiten, die uns thatsächlich des Goetheschen Worts : gest n an. h wir 200 Tha Docler wollten ja nicht von Schiller sprechen , in Kost densBou eroren Schließt , Augen , euch! " gedenken lassen , zusammenzu tum Die des deut RittGraf war. deffen war dies Beispiel notwendig zur Begründung un- brin rgoing enthält eine ine ndes Vitrsche gen. Im großen Silbersaale , der mit kostbarstem , ch merkwürdiger Gegenstände, Bro hl leris e ferer Behauptung , und wir müssen leider hinzufügen , daß dem künst Anza groß nd nen rät erla z omme erge iert Cumb -Schat entn Silb möbl die Verhältnisse heute weit schlimmer liegen als zu das ist, sind ge n ehän n n, , , die den Geschmad da , Ohrg Uhre sche Dose Tische aufgestellt , an denen Thee, Früchte, Konn Kunstepochen illustrieren . icher ren von zarter Hand serviert werden . Mit unnach- verschiedene denn Mark Twain etwa mehr als Schiller , daß fitü chl ahl er ßen Gerät maligerft Zeit. fir Anz gro der Unt icher Grazie und Liebenswürdigkeit walten die Fürstin er ein Schloß besitzt ? Nein. Aber er ist eben fein deut ahmlten uova , Markgräfin Pallavicini , Baronin Bettina fallen auf den ersten Blick auf ein ganz eigenartig scher Schriftsteller , er ist Amerikaner, und die materia Mon aus dem Schatze zu St. Stefan mit einem schild , die Gräfinnen Waldstein , Esterhazy , Czernin, formter Kelch rmi listischen Amerikaner lassen sich ihre Schriftsteller schon Roth herzfö gen Smaragd am Fuße, dann die Pall tics , Potocka , Wydenbrud ihres Amtes . Sie selbst riesigen eher was tosten als die idealen Deutschen , das Volk der Festegen anz aus der Kirche zu Jamnit , da he ftr nisc Mon vici ten brin die gewünsch Speisen und wissen so geschickt kristall , welches einst dem Kirchen zu servieren , so anmutend zu plaudern, nach den Wiin Kruzifig aus Berg Frei Denter . lich, geschenkt ist es ihm auch nicht worden ; er sche rte am . Die Herbersteinsche Taufschüſſel , gehö Agr zu n ihrer Gäste zufragen , daß es diesen zur Pflicht hat's ehrlich verdient, denn ihm sind die großen und lang he große ungarisc Kelch sind kunsttechnische Spezialität mit klingender Liebenswürdigkeit zu lohnen. wierigen Kämpfe um eine bessere Existenz keineswegs er wird,Unse l meisten übersehen werden , aber den von den woh die r Blid schweift , während wir kostbare , aus den spart gewesen . Am 3. November 1835 von armen Eltern schildschen Treibhäusern hervorgegangene Wein Kenner entz n ju Florida im nordamerikanischen Staate Missouri ge Roth ücke e iten . ern Mod Arbe sind nur in geringer Anzahl, aber ben zu Munde führen, über die den Harzer Silberboren, begann er seine Laufbahn als Druder, ein Stand , trau en entstammenden massiven , durch Größe und ausgezeichneter Qualität stellt der seinem unruhigen , abenteuerlustigen Geist jedoch nicht bergwerk n Wir bewunder daausge zunächst . die dem Kaiser lerische Ausführung imponierenden Silbertische, zusagte . Er wurde Schiffer auf dem Mississippi , um sich fünstgel Desterreich vom Bizetönig von Aegypten bereh er en le kühl inen ltig Spie , Stüh , Wein , Terr , gewa die n ssel ilde lle Goldfiligranschü zum Lotsen heranzub . Hier hatte er als Lehrling (der Goldwert wird ße , die, im Barodstil gehalten , der Zeit Ludwigs XIV. prachtvo zuerst auf Kommando zu arbeiten und eines dieser Kom Gefä Gulden angegeben ), ferner eine Wiener Arbeit aus be entstammen scheinen . Alles blankes , weißes Silber ! 8500 mandos ,,mark twain ", d. h. markiere zwei (Faden zu sch al von großartiger d ier nko ori Atel Kli , ein Mem r ist in kostbare Reliefarbeit mit dem die Welt- heit, das Herrn Wasser) , nahm er später als Pseudonym an , denn sein Ein l Tisch ende Mauthner von Markhof zu seinem Shel n Atlas , ein anderer mit einer den Sturz cht eigentlicher Name war Samuel Clemens . Im Jahre 1861 tuge trags ebra e n gearbeitete allegori feste darg wurd ; schö thon darstellenden Allegorie geschmückt . Unweit Figuren umgeben ging er zu seinem Bruder , der Sekretär im damaligen Phae die Familienporträts sämtlicher bar Territorium Nevada war , als Privatiekretär . Dort litt diejen, dem Herzog von Cumberland gehörenden Kost gen zende en höri wie schüt Geni , die Verstorbenen ersche es ihn aber wieder nicht , da es an ausreichender Be- feiten ein vergoldeter , im strengsten Renaissancestil ge, der, kräf- mit Enge schäftigung fehlte und fein Gehalt bezahlt wurde . Er fertigter Tisch , Eigentum der Fürstin Esterhazynen n ste ügel wir die Aus llung verlassen , wird unser S Ehe lsfl Zeit zu durch die in Sammle.rkreisen längst bekannte 4000 Rumm machte sich auf nach Kalifornien und wurde Goldgräber . tiger im Relief gehalten , einer vorangegange Wie es bei so vielen andern der Fall war, sah er sich ke Ringsammlung der Frau 3da von Tarno enannt sogschei nt . en Hildesheimer Lauben , ein ganz starssel Dieen dabei aber in seinenrsta Hoffnungen getäuscht und wurde entstamm sehen da in Form und Farbe so verschid dem dem Fürstbischof von Hildesheim ge- gefe g t ; wir nun Zeitungsberichte tter . Dies brachte ihm etwas eigenarteriger , ehechm modellierte Ringe , solche mit länglichen , rund Tafels uck , zeigt den ureigensten Rotonkostil . arti ein, denn 1864 tonnte er eine Reise nach den Sandwich hörend n tte len Edelsteinen, Materi n einem laubenartige Gang ova ert Pla , andere mit Perlen, inseln unternehmen , wo er sechs Monate blieb und dann Gruppen von Musikante untmerdie daß man, von der vorhistorischen Zeit angefange Tafelmusik darstellend , gezi , hich sein eigentliches Feld als Humorist betrat , indem er in amdTische sitzendilli, ertgleichsa te des Ringes bis aufte unsere Lage verfol seiner , wahrhaft fünstlerischer Aus. die Gesc von so deta Kalifornien und Nevada Vorträge hielt. Nach mehreren sin run Die Geschich spielt wohl überha . -Ausstellung eine bedeutendere Rolle, mei andern Reisen ließ er sich im Staate New York als Re- füh g , daß man diese Arbeit eine der gelungensten zu liontnen er Mil diesnen in kön he hlic cha fläc hte. Bes uer anzuerkennen willene ift. möc enan kennzeichnen das goldene Zeit der ober ZeitVitnen en neb rinnen er . ins Humor entspricht genau dem Charakter jener Die dakteur k Twa Marnied Welche Wandlungen haben diese Schäke erlebt , alter der Becher und Gelage . Alles eitel Gold undeitEdeldes amerikanischen Volkes . Er ist edig , scharfkantig , stei ne ! Durch Schönheit der Form und Gediegenh der grobtörnig , voller Beweglichkeit und Lebhaftigkeit . Es fehlt ihm das Behagliche des deutschen Humors und des -857-
Niederschlags menge des Monats in mm
Unsere Reisezeitung. — für unsere Hausfrauen. Zur Zeit der Sänfte. 859 861 860oft ihre Eigentümer gewechselt ! O, wenn sie reden könnten, hampton, in der Kolonie Queensland. Sie liegt auf dem dahin gelangt, an das Gemüse in dieser Beziehung zu wieviel würden sie uns von dem Wechsel des Geschids Gipfel des Berges Morgan im Zentrum eines früheren denken; es ist dies gerade in der jetzigen Zeit, in der uns und derBergänglichkeit menschlicher Größe erzählen. Geifers. Das Riff ist 600 Fuß lang, 300 Fuß breit und die jungen gesunden und schmackhaften Gemüse geboten Indeffen wie sie Geschlechter und Schicksale liberdauert von unbekannter Tiefe, und man schätzt seinen Goldwert werden, von wesentlicher Bedeutung und so wollen wir haben, jeder Zeitwandlung Hohn zu sprechen scheinen, sind auf mindestens 20 Millionen Pfund Sterling. Der Er denn nicht unterlassen , auf den neuen Pariser Gemüse heune ein Hinweis , daß das wahrhaft Edle, Wertvolle trag daraus ist ein ungeheurer, und in der Woche vom rand, der in vorstehender Abbildung genau veranschaulicht burchfeine Wandlung beeinflußt wird , daß es, wie sich 17. bis zum 24. November 1888 wurden 25 000 Unzen ist, hinzuweisen . Es ist dies ein aus fein poliertem ver and Wetterwolfen amHorizont der Zeiten zusammenballen, des feinsten Goldes zu 100 000 Pfund Sterling gewonnen. nideltemMetall hergestellter Rand, der auf eine Porzellan in rahlender Schöne leuchtet , bewundert von Mit- und Das Terrain im Umfange von 640 Acres (259 ha) gehört schüssel gesezt , und in welchen dann das Gemüse Nachwelt, ein Wahrzeichen des ewig Bleibenden im jetzt einer englischen Kompanie und hat einen Wert von gethan wird; das lettere befindet sich dadurch in einem Ida Barber. mindestens 8 Millionen Pfund Sterling. wigen Wechsel. abgegrenzten Raume, trägt stets das Aussehen, als wenn Eine neue Tropffteinhöhle ist unweit Erlach in es in einer besonderen Form sich befände, und erleichtert Niederösterreich aufgeschlossen worden. Die Höhle, die es den Tischgästen, bequemer davon zu nehmen, während mit schönen Tropfsteingebilden erfüllt , bis jest in einer Länge von 200 Metern begangen wurde, soll durch Er. Unsere Reisezeitung. weiterung der Deffnung, zwedentsprechende Anlage von Von Wegen zc. in möglichst kurzer Zeit bequem zugänglich ge macht werden. Die Herren A. Blamauer und Ed. Fint aus Wien, die die Höhle am 24. März besuchten, 3. W. Soukup. leiten von dem Leidabache, der sich unfern des Höhlen Der Mattenbaum der Südsee. - Missionär W. einganges durch die Eeewiese" schlängelt, den Namen Bhatt Gill in Rarotonga teilt der Geographischen des Grenzflusses zwischen Desterreich und Ungarn, Grieshaft zu Jena hierüberfolgendes mit: Der Matten der Leitha, her. Jam Pandanus utilis, von den Eingebornen Rauara Der österr. Verein zur Befreiung der mannt,der weder Blüte noch Frucht hervorbringt, wird Sklaven in Afrika (Büreau: Wien, I Adlerbar die aus den Wurzeln und dem unteren Teile des gasse 1) erläßt neuerdings einen Aufruf zur Gewin Etammesherauswachsenden Sprößlinge vermehrt und sorg nung von Mitgliedern und Unterstützungen. Der fältig gepflegt. Er erreicht bisweilen eine Höhe von 20 Jahresbeitrag beträgt für Mitglieder des Vereins uf für gewöhnlich aber wird er durch häufiges Ab- 50 Kreuzer. In anbetracht des schönen Zweckes den der Blätter zur Anfertigung von Matten niedrig laden auch wir unsere geschätzten Leser ein, die gehalten. Unternehmungen des Vereins durch Beitritt zu dem= Teppiche würden auf diesen Inseln, wo das Thermo- selben, durch Spenden 2c. zu fördern. ter im Schatten auf 900 (Fahrenheit) steht, unerträgAusgeführte Wintertouren. Amerikanische Universal-Schneidemaschine. und überdies noch für die Insetten , die Plage der Thurnertamp (3414 m) 24. und 25. März; TaufersEmpen,eine toahre Brutstätte sein , während dagegen Luttach-Weißenbach- Nevejerjochhütte; 20 St. es auf derund gewöhnlichen Schüffel ohneVeranlassung diesen Rand gibt. stets atten allezeit fühl und reinlich sind. Seit undenklichen St. Gotthard (2100 m) 6. März; Holventhal zu Ungeschidlichkeiten Betten find dieselben von Frauenhand auf alten, umge „Mätteli" -Hospiz -Val Tremola-Vai Bedretto- abrutscht Sollen nun bei Tafel verschiedene Sorten Gemüse ren Booten geflochten worden , welch lektere wegen Airolo; 6 St. Bölbung und passenden Höhe sich gut zur Unterlage Neue Schuhhütten. Auf dem Golded bei Spittal a . d. ferviert werden, zu den Rändern noch Einlagekreuze, werdenpassend denesRand diesoingibt gelegt (gleichfalls gnen. Auffünf von den sieben Inseln, welche die Hervey Drau wird ein neues größeres Schutzhaus erbaut. uppe bilden, wird Mattenweberei betrieben. - In Im Fimberthale (Fervallgruppe) wird die neue Schutz- ben abgebildet) und den Raum dadurch in vier gleiche Teile teilen ; man kann auf diese Weise 2, 3 oder 4 Corten üheren Jahren verfertigte man auchsehr praktische Rörbe hütte bis 1. August d. 3. fertiggestellt . Hüte aus den Blättern dieses Baumes. 3m Rambach und im Kimmler-Achenthale wird je eine Gemüse hineinthun , ohne daß sie - und das ist sehr wesentlich durcheinander kommen, jedes Gericht bleibt Borgeschichtliche Funde in Spanien. Dem „Journeue Schutzhütte aufgebaut. al of the Anthropological Society" zufolge find von Berunglückt: Dr. R. Kanik aus Wien stürzte abgesondert für sich auf der Schüssel ; die Einlagen find beari and Louis Siret in den Provinzen Murcia am 25. März d. 3. bei dem Abstiege von der Rar ebenfalls vernidelt und passen genau in die Ränder hinein. Almeria an der Küstenstrede von Cartagena bis alpe in die sogenannte ,Wilde Teufelsbadstube" ab Die neuen Pariser Gemüseränder werden in 3 Größen 19 21 23 cm Etationen nachgewiesen und untersucht . und blieb sofort tot. geliefert: Durchmesser ca. meria etwa 30 Preis 3. e ältesten entstammen der neolithischen Periode. Nur in 3.50 4 Mt. Gestorben: Alois Pichler in Sulden, bewähr. rder fünfzehn Stationen dieser Epoche fanden sich ter und bekannter Ortler-Bergführer, am 24. März d. J. die passenden Einlagekreuze daju kosten 2.25 2.50 3 Mt. ren von Wohnpläten ; die Wohnungen bestanden aus Periodische Litteratur. „ Mitteilungen des Amerikanische Universal- Schneidemaschine. einandergelegten und statt des Mörtels mit Erde Deutschen und Desterr. Alpenvereins " Nr. 6, 7, 8. bundenen Rollsteinen . -Oesterr. Touristenzeitung " Nr. 7, 8. - Der Amerika, das Land der Erfindungen, hat uns so oftschon Stoff zur Unterhaltung Globus Nr . 13, 14, schaftlichem über Die gefundenen, genügend erhaltenen Schädel wur. Tourist" (Gisbert) Nr . 20. Neuheiten hauswirt Gebiete geboten freuen, , daß wir unsaufstets Don Dr. Jacques, dem Sekretär der belgischen Anthro- 15, 16. neuen Erzeugnissen aus diesem Weltteil zu begegnen, ogischen Gesellschaft, genauer untersucht; derselbe unter wiffen wir doch im voraus , welch reges Intereffe unsere ibet vier Typen, von denen einer mit der Rasse von geschätzten Leserinnen gerade hauswirtschaftlichen Maschinen, Ragnen genau übereinstimmt, während zwei andere Neues für unsere Hausfrauen. sofern sie eine Erleichterung in der Küche schaffen, widmen. der dritten Raffe von Quatrefages und Hamy gehören den Schädeln von Grenelle und Furfooz gleichen. Pariser Gemüserand. Zum feinen schmackhaften Der vorstehend abgebildete Apparat zeigt eine Universalfe drei Topen finden sich bekanntlich heute noch unter Diner gehört nicht nur die tadellose Zubereitung desselben, Schneidemaschine , d. h. eine Maschine, auf der man mit Basten. Der vierte Typus stimmt ganz mit den nicht nur eine Zusammenstellung ausgesuchtester Delika Leichtigkeit und größter Schnelligkeit fast sämtliche in rijden Schädeln von Nicolucci. teffen , nicht nur ein geschictes appetitliches Tranchieren der Küche zur Verwendung kommenden Gemüse 2c. wie Heberdie prähistorischen Gräberfelder in Krain sondern auch - und zwar in allererster Reihe ein für Rüben , Gurken, Kohl , Kartoffeln u. j. w. in durchaus gleichmäßige resp. gleichstarke Scheiben oder Stüde zer fentlicht Dr. Moris hoernes einen umfassenden Be schneiden fann; der Apparat ist ganz aus Eisen gefertigt, Das merkwürdigste Gräberfeld lag auf der Fläche mit 4 starken Stahlmessern versehen , die verstellbar sind, Bolino und zeigte eine innige Mischung von Typen um je nach Bedarf feine oder stärkere Scheiben zu schnei ballftatt und der La- Tène-Periode, fällt also wahr den, wird an den Tisch geschraubt und dann ohne jedwede lid in die Uebergangszeit zwischen diesen beiden besondere Vorrichtung in Betrieb gefeßt. Oben befindet (der sogenannten ersten Eisenzeit" und dem sich eine Platte, auf welche die zu schneidenden Dinge ge Gijenalter). twidelten legt werden, dahinter ist ein Schieber angebracht, ver. us Frland wanderten seit dem Jahre 1851 3276103 mittelst dessen man das betreffende Stück an die Messer ohner nach den Bereinigten Staaten, nach Australien oder richtiger Messerscheibe herandrückt , und wird diese Reuseeland und nach Kanada aus. Die größte Ausletztere dann durch die auf der Skizze sichtbare Kurbel ge= Errjahl, 190322, wies das Jahr 1852 auf, die ge dreht und zwar so schnell als möglich. Man kann auf 37587, das Jahr 1876. Im Jahre 1887 wanPariser Gemüserand. diese Weise etwa 3. B. eine Mandel Gurken in höchstens 82923 und im Jahre 1888 78681 3ren aus ihrer 6-8 Minuten in Scheiben zerschneiden , feiner und gleich. பக். it derKultur des Theestrauches hat man, wie der das Auge behagliches Servieren, vermittelst dessen uns die mäßiger, als es mit irgend einem anderen Instrument zu us mitteilt, in der englischen KolonieNatal neuer aufgetischten Speisen oftmals den Genuß derselben er bewerkstelligen ist. Wir können diese Maschine aus eige Bersuche in größerem Maßstabe angestellt und sind heblich vergrößern und uns leicht dazu animieren , gern ner Erfahrung allenHausfrauen angelegentlichst empfehlen . jur Zufriedenheit der beteiligten Kreise ausge- und mit gewissem Behagen die aufgetischten Speisen zu Bezugsquelle beider Novitäten KarlHirsch & Co. , Berlin W., Nur die Zubereitung der Blätter wurde auf dem genießen. Man hat sich nun schon seit langer Zeit damit Leipzigerstr. 114 (früher Leipzigerstr. 2). Der Preis ist er Markie nicht ganz für die richtige befunden. beschäftigt , für das Fleisch resp. den Braten geeignete portofrei im Deutschen Reich und Desterreich-Ungarn e reichste Goldmine Australiens ist zur Zeit Schüsseln und Instrumente herzustellen, ebenso für Fische, 6 Mark per Stüd. ount Morgan", 42 km südsüdwestlich von Rod- für Kartoffeln und für Saucen und ist nun endlich auch Meteorologische Berichte aus den Ostalpen (Februar 1889). Zusammengestellt vom Bur Beit der Sänfte. Deutschen und Desterr. Alpenverein. Die gute alte, die eisenbahnlose, ja man kann sagen die landstraßenlose Zeit! denn obwohl die alten Römer den Temperatur Luftdruc Straßenbau bereits zu einer hohen Vollkommenheit gebracht hatten, so war im heiligen römischen Reich deutscher Station Minimum Mittel Minimum Mittel Maximum Maximum Nation wenig davon zu verspüren. In Westfalen, das seiner schlechten Wege halber allerdings seit jeher berüchtigt am 06. I am 03. mm am mm am 06. mm war, gab es vor hundert Jahren noch keine Chauſſeen. 1 Selbst so wichtige Verkehrsstraßen wie die des Hellweges 1,34 +7,0 19. -12,7 27. 146 waren tief ausgefahrene bei schlechtem Wetter kaum pas 77 9. -10,02 +2,7 1. -17,7 13. 609,31 626,8 18. 598,5 einhaus 14. -20 3. +11 fierbare Hohlwege, um deren Ausbesserung sich niemand 97 9. ,8 ,2 1,87 718,0 734,0 18. 708,0 fümmerte. Die Wege werden also damals in feinem 167 703,3 719,5 18. 692,5 11. +9,3 1. -21,5 11. 2,9 in +10,3 1. -14,0 14. 121 1,3 besseren Zustande gewesen sein als zweis oder dreihundert 718,3 736,1 18. 701,3 3. 714 Jahre früher; es wird daher eine uns vorliegende Reise609,78 627,3 18. 599,2 9. - 8,9 +2,4 1. -17,4 10. rghaus schilderung aus dem Jahre 1606 ganz gut auf 1789 37 3,06 +6,04 1. -10,0 24. 691,05 707,07 18. 679,05 9. 0,9 +9,6 1. passen. 21 8,0 13. 710,8 725,7 18. 697,6 9. Es war eine hanseatische Gesandtschaft , die sich im 653,0 669,0 19. 643,0 24 9. 6,4 +6,5 18. -20,0 14. Spätherbst des Jahres 1606 von Hamburg nach Madrid 6,4 2. -18,1 11 . 31,3 9. 5,0 716,50 732,4 18. 704,3 begab. Sie reiste in fünf vierspännigen Wagen und brauchte 9. -10,3 +1,9 1. -19,8 23 73 583,9 599,7 18. 572,4 allein für die Strede von Hamburg nach Aachen vierthalb 96
- Das Schreiben mit der Maschine. 863 864 in Erdnähe, am 20. letztes Viertel, am 27. Mond in Erdferne, schine für Deutschland, F. Schrey in Unterbarmen, den geben, den Abnehmern die Möglichkeit der Abzahlung am 28. Neumond. gestatten, wie solches z. B. beiNähmaschinen längst ber Das Schreiben mit der Maschine. it,und er darf sicher sein, die Verbreitung des prattijan Werkzeugs wesentlich zu erhöhen. Der Mechanismus b Maschinen überall, wohin das Auge blickt ! Für zahl Maschine ist sehr geistreich erdacht und hat vor ander lose Arbeiten , die sonst der Mensch mühsam mit seiner Systemen große Vorzüge. Wir rechnen dahin nicht alle fleißigen Hand verrichtete , ein Ersatz und was für ein die Thatsache, daß 30 Lasten gegen 90 Schriftzeichen wiede Ersatz an Kraft und Zeit , und welche Vorzüge in der geben, nicht allein die höchst bequeme und einen rege Tadellosigkeit und Gleichmäßigkeit der Arbeit. Es war mäßigen Fingersatz ermöglichende halbkreisförmigeAlablat nun natürlich , daß , nachdem der Ingenieur der zarten von zwei Stufen, sondern vor allem die Art, wie die Frauenband das eigentliche Symbol weiblichen Fleißes auf dem Papier erzeugt wird. Es war für jeden, d aus der Hand genommen hatte, auch ein Kollege von ihm auf eine Schreibmaschine zu konstruieren gedachte, wohl g den Gedanken kommen würde, die Feder, das Symbol männ nächst der natürlichste Gedanke, den Buchstaben buc lichen geistigen Schaffens, durch eine Maschine zu ersetzen. einen Hammer auf das Papier drucken zu lassen un und in der That glaubten sich hierzu viele berufen , aber diesen Hammer durch eine Taste ähnlich wie beim Klavi wie auf den meisten Gebieten , sind auch auf dem zu bewegen. Die Notwendigkeit, Buchstaben neben Bu technischen nur wenige auserwählt , das lekte Ziel zu er staben in geraden Zeilen auf das Papier zu bringen, führ reichen. Schreiber dieses hat sich mit den Prinzipien ver zu einer Anordnung, die jeden Buchstaben im Mittelpun eines Kreises da Papier treffen Ließ, wodur Gefahr draht dag bei mid ganz sorgfältige Handbabung zwei Hämme chen aufeinand treffen, fi was verbiege und dadura Stellung der Buchstaben, n mentlich auc Zeilenreihe Frage stellen müssen. Eben fest dieses ftem ein ga gleichmägige Anschlagen b Lasten vorau da im gegentri gen Falle Buchstaben ve schieden star! Färbung anne men Dieſellebe stände find glänzend gel bei der Ha mond Majdin deren Buchstab auf zwei Sr ausschnitten 3 Beilen fie Die durch Drud derTa so weit geschob werden, daß der Stelle, der Buchstabe das Papierto men foll, Type diesem gegenüberd und nun Hammer ge das Papia jchlägtund di an die Type Drüdt. Di Stärke des ichlags ist o Einfluß auf Schlag desH mere, da bi Aus der Zeit der Sänfte. nicht durch Hebeldrud, schiedener Systeme vertraut gemacht, das vollendetste, was | dern durch eine infolge des Tastendruces ausgelößte er bis jetzt fand war das der sogenannten Hammond vorgeschnellt wird. Nicht hoch genug anzuschlagen ist fe Schnellschreibmaschine" (1. Abb. ). deren weiterer Verbrei- der Vorteil, jederzeit in der denkbar türzesten Frist die tung wohl nur der verhältnismägia hohe Preis von M.450 durch neue ersetzen, resp. mit einer andern Schriftart im Wege steht. Wir möchten dem Generalvertreter der Ma jeln zu können. Das Gleiche gilt von den Farbbän die in verschiedenen Farben vorhanden und deren Farbe weise sich auch zum Kopieren und Ueberdruden auf verwenden läßt. Die Zeitersparnis, die mit der Maf erreicht wird, ist ungemein; auf der Maschine, die Schreiber dieser Zeilen in Thätigkeit ist, wurde schon wenigen Wochen eine Schnelligkeit von 125 Buchstabe Minute erreicht, die sich seitdem noch gesteigert hat, förperlich auch nur entfernt so anzugreifen, wie andauerndes schnelles Schreiben. Besonders verdien durch das Maschinenschreiben erzielte Schonung der ganz besonders hervorgehoben zu werden. Die Gri des Schreibens macht gar keine Schwierigkeiten, weniger, als die Beachtung des von Dr. O. Hente faßten Lehrgang zur Einübung des Schreibens au Hammond-Maschine (Berlin 1888) in der ration WeiseFingersatz und Behandlung regeln lehrt. Eines geht bei der Maschine verloren : die Intimität bes lichen Ausdrucks, die man, besonders im Privatverfe gern missenwird; aber um so empfehlenswerteriftdie S maschine für geschäftlicheKorrespondenz, für größere stüde2c., da sievor vielen Handschriften den Zeit undS Schreibmaschine. sparenden Vorzug größtmöglichster Deutlichkeit besit
Der gestirute Himmel im Juni.
862 Wochen. Nehmen wir diese Strede zu 500 km an , so fommt, wenn alle fünf Tage gerastet wurde, auf den Tag eine Strecke von 25 km, also so viel, wie auch der mittelmäßigste Fußgänger bequem zurüdlegen fann. Einige Stellen aus der erwähnten Reiseschilderung werden uns über diese Ungeheuerlichkeit aufklären. „Am 4. December passierten wir auff Eteinforde zu Mittag und den Abend auffHamme; war ein sehr böser tiefer Wegt , daß bei ganzen Meilen die Wagen bis zu den Aren im Drede gingen. Am 5. December tamen wir am Abend binnen Dortmunde durch bösen unfletigen Wegt. Aus Dortmunde schiedeten wir am 7. December, befunden aber einen solchen bergigen engen tiefen Wegt, daß wir nicht länger unsre Pferde zween nebeneinander vor dem Wagen gebrauchen fonnten, sondern mußten sie in die Ringe voreinander hangen. Der Wegt war aber so bös und tief, daß wir den Tag nicht weiter als auf Hagen, sein zwei Meil von Dortmunde, fommen fonnten. " Weiterhin heißt es: Wir mußten die Wegle mit Hacken und Biden wei ter und höher machen, hatten viel Martelans mit den Pferden und famen den Abent ziemlich späte zu Lennep. Den9. December zogen wir aus Lennep einen überaus bösen Wegt und Bergf hinauf, so sehr tiefe hohle Wege hatte , die alle hart gefroren, also daß man die Wagen mit Bö men undWinden mußtehelfen und war nicht wun der, daß wir Wa gen und Pferde nicht gank ju Schanden mach. ten. Wir konn ten die Herstraße (sic!) nicht halten wegen des tiefen Wegkes. mußten durch die Aeder und Gär ten fahren und wurden den Tag mehr als dreißig Beune durchge brochenund Gra ben ausgefüllet, damit wir furt tamen !" In einem Bericht aus dem Jahre 1788 heißt es, es sei nie ein kaiserlicher Reichsportwagen durch das Her jogtum Westfalen gestolpert. Die Martern, welche dieses schwerfällige Un geheuer dem armen Reisenden auferlegte, habe man hier nicht einmal zu er proben Gelegen heit gehabt. In der Grafschaft Mart begann man erst seit 1788 mit dem Bau von Kunststraßen und zwar waren es Heinitz und der Freiherr von Stein, welche den Anfang damit mach ten, letterer sogar mit Aufwendung eigener Mittel. Angesichts solcher Zustände fann man sich mit der Sänfte wohl aussöhnen. Sie war teine so unpraktische Erfindung und keineswegs ein Zeichen der Berweichlichung. Freilich, zur Zurüdlegung großer Streden und förmlicher Reisen war sie nicht geeignet. Der gestirnte Himmel im Juni. In diesem Monat steht gegen 10 Uhr abends das Sternbild der Krone am Sübhimmel nahe dem Scheitel. punkte. Zieht man von seinem hellsten Stern Gemma in Gedanken eine Linie südwärts , so trifft dieselbe auf einen hellen Stern, der zum Bilde der Schlange gehört. Tief am Südhimmel glänzt Antares. Nordöstlich davon steht das Sternbild des Ophiuchus und noch mehr gegen Osten stehen Adler, Leier und Schwan in einer sehr sternreichen Gegend des Himmels , die durch den Glanz der Milchstraße eine besondere Pracht erhält. Am Nordhimmel tommt die Kassiopeia wieder höher herauf, während sich im Nordwesten der große Bär senkt und das Sternbild des Löwen im Untergehen begriffen ist. Am 6. erstes Viertel, am 13. Vollmond, am 13. Mond
Verantwortlicher Herausgeber : W. Spemann in Stuttgart. Redakteur: Joseph Kürschner ebenda. - Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Nachdruck, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgt. — llebersehungsrecht vorbehalten.
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Dir Glut des Vollmonds blinkte golbig auf den Bad), Traumgestalten winfte Trauerweiden Dach. Sehen Sie,da ist schon wieder der Bachh vinem Dach! Fieberbusche tönte Wieb der Nachtigall; Turme aber dröhnte tab der Glode Schall. Edon wiederdie Nachtigall im Flieder Sie hätten fie vom Turme dröhnen Fliederbuscheund Blode origlasse inelln hend tönen wäreim überrasc bas M Reb els chl eier in tiefer berm Dörfelein, har den nahen Weiher, jers Büschchen ein. in der Rähe träumte Ubendrah' der Wald, friedjam, ftill umjäumte, Berges blum'ge Hald'. Cümpfen aber irrten ter jitternd vor. fjerden umidvirtien freen Spiel mein Ohr. ab ich manche Stunde wigheit gelauscht. Dan Sie jo fortfahren, der Ewigkeit en, werden Sie es schwerlich) in Leben zu etwas bringen. Wiesengrunde in Herz imaus natlich getauscht . belennen 3hnen offen unser Un bem hohen Flug Ihrer Dichter. folgen ju fönnen. Der Sinn der Briben Zeilen wird uns bis zu jenem Bijel bleiben, wo alle Rätsel des nbfomit auch dieses gelöst werden Inzwischen auf Nimmerwiedersehen!
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nicht und doch geht's mit viel weniger. en fie einmal auf, wir lassen die erite estehen, um Ihnen zu zeigen, um wieviel u lang ist, und streichen in denfolgenden auger den Reimworten, und doch wird Leser genau wissen, was Sie gewollt Aljo: Jm dunklen Moose fließt ein Bach); Schattig Dach. Dämmerlicht, Bergigmeinnicht. Fliederstrauß, Jägers Haus. Sternenlicht, Bergiß mein nicht. " Welt hinaus, dabeim zu Haus'. ihr Gesicht; Bergiß mein nicht." Wanderftab, fables Grab. Rendeslicht, Begigmeinnicht. Dabei bri verschiedene Lichter und doch Glaudiung. Ueberhaupt scheint Ihr oh mehr als dürftig , denn Bad). Flinderstrauß u. dergl. mehr fommt jer Seite Ihrer Gedichte zum Vorschein. Bird im zweiten, das Sie kleiner er als Ständchen" bezeichnen, glühen fangs die Sterne". Zann macht sich die Nachtigall im berbaume zu schaffen und zum Schluß er abermals herhalten , der bekannte Sternenschimmer", Die Englein halten um dich Wacht. inge lei im Mondesstimmer For beiner Thür bir Gute Nacht". Solaje wohl ! Schlafe wohl ! thu bie blauen Augen zu. Elafe wohl ! Schlafe wohl! lieber füher Engel du ! ad biet wieder die riesige Breite, amang innen: and ebeleinfach hätten Ste jinge leis im Mondesstimmer, moht, du füßes Frauenzimmer. Ban ihren Heimatsbildern wollen wir adh rine Probe herjeten : Silberpappel zittert Abendweh'n gefühlt, bom Gebüsch umgittert Laub die Rose spielt. Hoffentlichverfühlt sie sich nicht. janit im Wiesengrunde Dr Chre Wafer rauscht, bab' id manche Stunde Gwigteit gelauscht . Wir fahabe, daß wir nicht mittauschen
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Nervenübel
angefangen vom nervösen Kopfschmerz bis zu den Prodromen der Apoplerie (Schlagfluß) hat von jcher den Anstrengungen der ärztlichen Kunst gespottet. Grit der Ne gehört die Errungenschaft an: durch Benütung des einfachsten aller Wege, der Haut, zu einer phyfiologischen Entdeckung gelangt zu sein, die gegenwärtig nach hundertfach e schlossenen Experimenten ihre Reise um die Erde antritt und nicht minder die wissenschaftlichen Kreise , wie die nervös franke Menschheit im hohen Maße interessiert. Des dem ehemaligen Militärarzt Roman Weißmann in Vilshofen erfundene, und aus den Erfahrungen einer 50jährigen ärztlichen Prais geschöpfte Heilverfahren : durch tag einmalige Kopfwaschung entsprechende Substanzen direkt durch die Haut dem Nervensystem zuzuführen , hat so sensationelle Erfolge zu verzeichnen , daß die van Erfinder dieser Heilmethode herausgegebene Broschüre:
Ueber Nervenkrankheiten und Schlagfluß (Hirnlähmung) Vorbeugung und Heilung binnen kurzer Zeit bereits in 21ster Auflage erschienen ist . Das Buch umfaßt nicht nur gemeinvernändliche Deklarationen über das Wesen dieser neuen Therapie und der de selbst in verzweifelten Fällen nervöser Leiden erzielten Erfolge, sondern auch die diefer Methode gewidmeten wissenschaftlichen Elaborate der medizinischen Preffe, wie die Bi gabe vieler Aeußerungen ärztlicher Autoritäten, darunter des Dr. med. . Menière, Profeffor der Poliklinik für Frauenkrankheiten in Paris, Rue Rougemont 10 des Irrenarztes Dr. med. Steingreber am Nationalhaus für Nervenkranke in Charenton, des königl. Sanitätsrates Dr. Cohn in Stettin, des großberg Bezirksarztes Dr. med. Großmann in Jöhlingen , - des Hospitalchefarztes Dr. . Forestier in Agen, des Geheimrates Dr. Schering , Schloß utenfes, Ems, des Dr. med. Darfes, Chefarzt und Direktor der Galvano - Therapeut. Anstalt für Nervenkranke, Paris, Rue St. Honoré 334, des Dr. med.und Kon Dr. von Aschenbach in Corfu, des kaiserl. Bezirksarztes Dr. Busbach in Zirknit, des kaiserl. königl. Oberstabsarztes 1. Klaffe Dr. med. Jehl in Wien, des Dr. Bongavel in La Ferrière (Eure), Mitglied des Zentral-Rates für Hygieine und Gesundheit in Frankreich und viele andere. Es wird deshalb allen Jenen, die an krankhaften Nervenzuständen im Allgemeinen, darnach an sogenannter Nervosität labarieren gekennzeichnet durch habituelle Kopfschmerzen, Migräne, Kongeftionen, große Reizbarkeit, Aufgeregtheit, Schlaflosigkeit, törperliche allgemeine Unruhe und Bubcha lichkeit, ferner Kranken, die vom Schlagfluss heimgesucht wurden und an den Folgen desselben und somit an Lähmungen, Sprachunvermögen en 54me fälligkeit der Sprache, Schlingbeschwerden, Steifheit der Gelenke und ständigen Schmerzen in denselben, partiellen Schwächezuständen, Gedächtnisschwäche, Schlaflokk u. f. w. leiden und die bereits ärztliche Hilfe nachsuchten und durch die bekannten Hilfsmittel, wie Enthaltsamkeits- und Kaltwasserkuren, Einreibungen, Eletr Galvanisieren, Dampft, Moor- oder Seebäder - keine Seilung oder Befferung erlangten, endlich jenen Personen, die Schlagfluss fürchten und daju aus bea scheinungen andauernden Angstgefühles, Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerzen mit Schwindelanfällen, Flimmern und Dunkelwerden vor den Augen, Prage unter der Stirn, Ohrensausen, Kribbeln und Taußwerden der Hände und Füße Ursache haben, und somit allen Angehörigen der vorgedachten drei Kategorien Mervenleiden fowie bleichfüchtigen und dadurch der Kraftlosigkeit verfallenden jungen Mädchen , auch gefunden , selbst jüngeren Personen, die geistig viel beschäftigt sind und be Reattion geistiger Thätigkeit vorbeugen wollen, dringlichst angeraten, sich in den Besitz der oben genannten Broschüre zu bringen, welche franko und kostenlos zu beziehen Elbing bei R. Selckmann, Brückstraße 20, Met bei Dr. A. Duve, Adlerapotheke, Balafifirage Aachen bei H. Hansen. Wespienstraße 21a, Augsburg bei Hofapotheker Berger und Schmidtsche Erfurt bei Rob. Reiche, Johannesstraße 170, München bei 3. Reinert, Zieblandstraße 2, Frankfurt a. M. bei E. Kanngicher, Neue Kräme 9, Münster i. . bei A. & F. Hausmann, Buchhandlung (Herzer), Freiburg (Baden) bei L. Schmidt - Bogler , Verlags und Spielerhof, Berlin bei F. Krämer, Waldemarstraße 56, handlung, Möln in . bei Otto Michelfen, Berlin bei . Frey, Neue Jacobstraße 26, Schwäb.-Gmünd bei Theod. Geyer, Neumünster in Holstein bei 3. Bening, Braunschweig bei Paul Mank, Schuhstraße 40, Halle a. d. Saale bei F. Ramdohr, Große Steinstraße New-York bei Aich, Springstraße 96, Bremen bei Heinrich Helmers, Langewieren 5, Ede 33 II, Nürnberg bei Sigm. Meinel, Wunderburggae & Bruchsal bei F. Holtsch, Schönbornstraße 36, Breslau bei J. Friedländer, Ohlauerstraße 36/37, Ein- Hamburg , Expedition der Tribüne", Alter Stein. Oberlahnstein bei Louis Schmit, Spediteur, weg 42, gang Ede Teschenstraße, aris bei Lemaire & Co., 30 Rue de l'equi Plauen i . . bei Rudolf Pflug, Ede der J Hannover bei A. Semme, Vahrenwalderstraße 6, Bernburg bei C. R. Schenke Nachfolger, und Forststraße, Celle bei der Schulzeschen Schulbuchhandlung, Köln bei der Einhornapotheke, Glodnergasse 2, Chemnih bei Max Helbig, Georgstraße 16, Königsberg in Ostpreußen bei der Altstadt - Apotheke Remscheid bei Robert Tigges, Bremerstraße 13, Stuttgart bei Geißelmann, Sanitätsbajar, Art 3. Kahle, Danzig bei v. Lewinski, Sandgrube 54, straße 12, Dresden bei Alfred Blembel, Wilsdrufferstraße 30, Leipzig in der Engelapotheke, Düsseldorf bei 3. Sotta, Klosterstraße 10 a, Würzburg bei M. C. Gerstner, Reibeltsgaſſe 2 Lübeck bei E. F. Alm, Holstenstraße 18, Elberfeld bei F. C. Stahlschmidt, Neuenteich 2, Magdeburg bei A. Weber, Jakobsstraße 6, Zwickau bei Solm von Bose. Lemaire & Co., Apotheke I. Klasse, Paris, 30 Rue de l'Echiquier. Autorisierte Inhaber des Monopols für Verbreitung der Heilmethode von Roman Weissmann, [35771 ehemaliger Landwehr-Bataillongarzt. Ehrenmitglied des ital Sanitätsordens vom weißen Ste
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AUSSTELLUNG Vom 15. Mai bis
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Von F. v . Defregger.
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Aemfigenalp (S 875).
Die
Pilatus bahn. Von
J. Hardmeyer - Jenny.
In den ersten Tagen des Juni ist eine | den, mit seinen Zinken und Zacken wird Bergbahn eröffnet worden , die, was weiter im Lande herum gesehen , als alle ihnheit der Anlage betrifft, alle ähn seine Nachbarn. Hell glänzt er im Morhen Schienenwege weit hinter sich zurück genlicht in alle Ferne, und wenn die bt , die Pilatusbahn . Sie wird der Sonne sich neigt , so steht er düster da ouristenwelt eine wahre Ueberraschung und wirst dunkle Schatten hin über See ten und viel von sich reden machen. und Land. Wenn an schwülen SommerDer Pilatus genießt seit alten Zeiten tagen der Horizont sich verfinstert, so broRuf eines ganz absonderlichen Berges . delt es unheimlich droben in den Schluchten on ihm wurde gesprochen und über ihn des Berges, es leuchten von Bligen um urde geschrieben zu einer Zeit , da nur zuckt die Felszacken in rötlichem Schimmer Hirten und Sennen zu Berge stiegen, aus dem schwarzen Gewölk hervor , die einzig die grüne Alpweide , nicht aber Donnerschläge widerhallen in den Schlündie Schönheit den , und von den wilden Höhen brechen der Natursze Gewitterſtürme mit Graus und Verheerung nen die Men hernieder auf die lachenden Gefilde. Was schen auf die Wunder , daß in der grauen Vorzeit die Höhen lockten, Umwohner und alle diejenigen , in deren da die Alpen Gesichtskreis dieser Berg lag, auf den Gesozusagen danken kamen , dort droben sei es nicht noch nicht entgeheuer? Die erschreckte Phantasie der Men waren. fchen bevölkerte die schaurigen Höhen mit Der weit ge- einem Heer von Gespenstern, Erdmännlein, gen das Hü- schwarzen Geisterrossen, mit Lindwürmern, gelland vorge Schlangen und Drachen von jeder Sorte, Walichobene Fels- und der luzernische Stadtschreiber Johann toloß mit sei Leopold Cyfat, der zu Anfang des 17. Jahr nensteil abfal hunderts lebte , beschreibt weitläufig und Windstein (S. $75). lenden Wän- von der Wahrheit dessen, was er sagt, 89 II.
vollkommen überzeugt , all das teuflische gespenster und geister Werk mit dem der Berg uff der höhe gar wohl besetzt und erfüllet ist " . Das schlimmste Gespenst aber, das dort droben hauste, war dasjenige, nach dem der Berg benannt ist , der jüdische Landpfleger Pontius Pilatus , der auf ganz merkwürdige Weise da herauf kam. Nachdem er den Heiland den Feinden zur Kreuzigung überliefert hatte , wurde er vom Kaiser nach Rom berufen, um sich zu rechtfertigen . Es gelang ihm nicht ; er wurde gefangen gesezt und that sich im Kerker ein Leid an. Der Leichnam wurde in den Tiber geworfen ; allein siehe ! es erhob sich über dem Wasser düsteres Gewölk, ein schreckliches Ungewitter brach los und verheerte die Gefilde. Fort mit dem Unhold ! " hieß es. Die wieder aufgefischte Leiche wurde nach Vienne in Frankreich gebracht und dort in die Rhone versenkt, wo sie am tiefsten ist; doch auch hier entstand Gewitteraufruhr ; es war entseglich! In Lausanne, wohin der ungebärdige tote Mann transportiert wurde - warum wohl nach Lausanne? - trieb er es noch ärger, so daß man beschloß , ihn in ein wildes Gebirg hinaufzuschaffen , um ihn endlich einmal los zu werden, und fort ging's mit 37
-868ihm durchs Land dahin an den vielarmigen See mitten im waldesdüstern Helvetien und hinauf in die oberste Region des zacki gen Berges , der das Seeende überragt. Dort war ganz oben an düsterm Ort im Schatten der obersten Felswand ein kleiner See von schauerlichem Ansehen. Er hatte weder Zufluß noch Abfluß und die Winde glitten über ihn dahin, ohne daß
J. Hardmeyer Jenny. Die Pilatusbahn. -869von dem Unhold. Der kam ihm gerade recht , und er stieg hinauf auf den Berg, um den alten Sünder mit urkräftigen Beschwörungsformeln zu bannen. Es gelang Doch eine Konzession ihm vortrefflich. mußte er dem Gebannten machen, die nämlich , daß er je am Charfreitag aus dem Wasser emportauchen, in Mitte des Sees seinen Prätorstuhl aufrichten und im Or-
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Oberste Partie der Pilatusbahn (S. 876).
eine Welle sich regte. Plumps ! hinein | nate darauf thronen dürfe . Von nun an mit dem Landpfleger. Nun wird doch verhielt sich Pilatus still und manierlich, einmal endlich Ruhe werden.. Allein jedoch nur, wenn man ihn ungestört ließ. weit gefehlt ! So schlimm hat er's noch Wurde er geneckt, warf man Steine oder gar nie getrieben ; er regte Wind und Unrat ins Wasser , höhnte man ihn mit Wolken auf, grausige Gewitter brachen los, Worten , so brach er zornmütig hervor. so daß weithin alles überschwemmt , ver Es versinsterte sich der Berg, das Unwetter hagelt, vom Sturm zerstört wurde ; ja er zog über das Land dahin, so daß überall nahm bald von allen Höhen Besitz und Jammer und Klage war. So sehr glaubte fuhr als scheußliches Ungetüm die Kreuz man an die verderbliche Macht des bösen und die Quere auf denselben dahin. Da Toten, daß der Rat von Luzern sich einfam zum Glück ein fahrender Schüler aus läßlich und eifrig mit ihm beschäftigte. Salamanca dahergereist. Man erzählte ihm Damit das Gespenst ja nicht geärgert und
870= geneckt würde, verbot der Rat bei strenger Strafe die Besteigung des Berges. Solche Verbote sind heute noch im Staatsarchiv in Luzern zu lesen. Sie datieren aus den Jahren 1496, 1564, 1578 und 1589. Die wenigen Sennen , welche mit dem Vieh zu Berge fuhren, wurden von Mitgliedern des Rates jedes Frühjahr in Eid und Pflicht genommen, niemand hinaufsteigen zu lassen auf den schlimmen Berg. Da aber immer wieder Ungewitter los brachen , so forschte man stets nach sol chen , die den Landpfleger geneckt haben könnten . Man kam mehreren solcher Miſſe thäter auf die Spur ; sie wurden hart be strast, ja einer soll hingerichtet worden sein. Nur mit großer Mühe gelang es einigen angesehenen Männern , sich vom Rate die Erlaubnis zu erwirken, den Berg besteigen zu dürfen, so dem Herzog Ulrich von Württemberg ( 1518 ) , dem gelehrten Bürgermeister von St. Gallen , Joachim Vadian und dem zürcherischen Naturfor scher Konrad Geßner. Ganze Bücher wur den über die Pilatusgeschichte geschrieben, und es tauchten nach und nach darin Zweifel auf, die immer lauter wurden, so daß zu Ende des 16. Jahrhunderts der Glaube an den pilatischen Spuk sichtlich ins Wanken gekommen war. Zu Falle brachte ihn ein Stadtpfarrer von Luzern, Magister Johannes Müller. In zahlreicher Begleitung begab er sich hinauf zum düstern See; er forderte in fedet, höhnischer Rede den Geist heraus , warf Steine und Erde ins Wasser und ließ und siehe , es erLeute hineinwaten folgte weder Sturm noch Ungewitter, kein Lüftchen regte sich, und blau blieb der Himmel. Nun war's um Pilatus und seine Macht geschehen. Sogar die Herren vom Rat gaben den alten Glau ben auf und thaten noch ein mehreres: fie ließen das Seelein abgraben, das nun zu einem kleinen , trägen Sumpfe ward, wo sich nur zur Zeit der Schneeschmelze etwas Wasser ansammelt, um bald wieder zu verschwinden. Ein Mann der Kirche hat dem Wahne ein Ende gemacht, troßdem es ohne allen Zweifel kirchliche Autorität gewesen, welche zur Entstehung desselben Jahrhunderte zu vor Veranlassung gegeben hatte. Der Umstand, daß auf einem der Gipfel unsers Berges, dem " Mittaggüpfi ", ein " Gnepfstein ", eine pierre branlante" vorhan den war, ein Felsstück, das man über ein anderes in der Weise hingelegt hatte, daß es in schaukelnde Bewegung gebracht wer den konnte, läßt darauf schließen, daß der Pilatus in den keltischen Zeiten ein heiliger Berg war, auf welchem religiöse Ge bräuche vollzogen und Opfergaben dargebracht wurden. Zur Zeit der alemannischen Einwanderung war der Nimbus der Heiligkeit des Berges noch nicht ver schwunden , und die Eingewanderten ver ehrten auf demselben, besonders an Quels len und Brunnen , ihre Gottheiten. Als das Christentum Wurzel zu fassen begann, hatte die Geistlichkeit viel gegen die nicht weichen wollenden heidnischen Gebräuche
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J. Hardmeyer- Jenny. Die Pilatusbahn. =872-
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zu kämpfen. Um dem Unfug der heid- | gangener Zickzackpfad führt durch die Falte des Werk bewiesen, daß er nicht nur ein nischen Bergfahrten den Riegel zu schieben, zu den Alpweiden empor. " Hier", sagte vortrefflicher Ingenieur, sondern auch ein wurde von geistlicher Seite das Mög- sich der energische Mann , hier ist die vollendeter Mechaniker ist. Sein Genosse, lichste gethan, den Berg zu einem unge Anlage meiner Kletterbahn möglich , und Ed. Guyer , stand ihm als gewandter heuerlichen zu machen , indem man ihn , vielleicht nur hier. Bin ich einmal dro- Organisator zur Seite. Im rauhen Geschon bestehende Sagen benüßend, mit ben auf der Mattalp , so werde ich wohl birge ein solches Werk auszuführen , erdemjenigen Manne in Verbindung brachte, auch mit dem Felsgestein noch fertig wer- forderte unendliche Sorgfalt für Unterkunft durch dessen Schuld der Herr den Kreuzes den können. " Er durchkletterte alle Flühen und Verpflegung der Arbeiter , für Betod erlitten. Und siehe, der Zweck wurde und Hänge , indem er sein Leben mehr schaffung und Transport des Materials, erreicht, um so eher, als die Obrigkeit mit ihren Verboten dem Klerus zu Hilfe kam. Noch lange aber, ja bis in die neueste Zeit hinein, ist ein Rest der alten Scheu geblieben; denn es verlangte erst vor kur zem noch ein Hirte von einem Pilatusbesteiger , er solle sich beim Tümpel des ehemaligen Pilatussees so benehmen , als sei er an einem geheimnisvollen Orte. So erweist sich die Pilatussage als ein Echo , das aus grauem Altertum in unsere Zeit herübertönt und an diejenigen uns mahnt, die Jahrhunderte vor uns in diesem Lande gewohnt haben. Wenn wir uns im Luzerner Archiv die alten vergilbten Dokumente ansehen, welche die Besteigung des Pilatus strenge verboten, und den Aufruf zur Gründung einer Pilatusbahn- Gesellschaft dagegen halten , welchen die beiden Züricher , Oberst Eduard Locher und Eduard Guyer-Freuler im Dezember 1885 ergehen ließen, so sagen wir uns unwillkürlich : Wie ändern fich die Zeiten! Der Berg, den die Obrig feit vor drei Jahrhunderten noch als einen verfemten hinstellte , zu dem sie ängstlich jeden Aufstieg absperrte , wird heute aller Welt erschlossen und alle Mittel moderner Technik werden in Anspruch genommen, um Hunderte mühelos auf die weitschauende, herrliche Bergzinne hinaufzuheben. Nicht, daß bis zum Bau der neuen Bergbahn der Pilatus spärlich besucht wor den wäre; allein die Zahl seiner Besucher blieb in dem Maße hinter derjenigen der Besucher des Rigi zurück , als seine Besteigung beschwerlicher war als die seines Rivalen. Als dann noch vollends die Bahnen von Biznau und Arth aus hinzufamen, da wuchs der Besuch des Rigi in so ungemessener Weise über denjenigen des Bilatus hinaus , daß , wenn der lettere Berg konkurrenzfähig bleiben sollte, eine Bahn auf dessen Höhe zur Notwendigkeit wurde. Allein , wie sollte man ihm beiGRELLFUSSILL kommen? Er steigt so jäh, so handlos an, 3.Wehir18 er steht so spröde , so zurückweisend da! Doch , wie alles auf der Welt seine zwei Wolfortbachviadult (S. 875). Seiten hat, so auch der Pilatus. Man fuhr von Luzern aus aufwärts nach Obwalden und schaute sich den Berg von der aufs Spiel seßte als Wildheuer und Gems für Feststellung des täglichen ArbeitsproRückseite an. Hier steigt er weniger jäh jäger es thun, er studierte, rechnete, zeich gramms , das die Unbill der Witterung empor; sollte die Anlage einer Bahn hier nete und fand endlich sein Tracee. Doch gar oft über den Haufen warf. Kein Weg möglich sein? Mit großer Einsicht und es war so steil , und der Berg ließ sich war vorhanden. Unter unsäglichen Schwieunendlicher Ausdauer durchstöberte Oberst so gar nichts abmarkten , daß es unmög rigkeiten wurde die Bahn rückweise je von Locher den Hang über Alpnach- Staad, dem lich war , mit dem bis jetzt bei Berg- einem Punkte aus erstellt und das fertig fleinen Hafenorte hart am Fuße des Ber- bahnen angewandten Zahnradsystem hin- gewordene Teilstück mußte sogleich in ges . Er faßte besonders eine Bergfalte aufzugelangen. Es bedurfte anderer Ma- Dienst treten. Troy all dieser schlimmen ins Auge , ein Rinnsal, das vom See schinen , einer anderen Einrichtung des Verhältnisse wurde die Bahn im Verlauf strande hinaufreicht bis zu den obersten Oberbaues . Es war eine schwere Auf von zwei Jahren vollendet ; allein wie kurz Felstöpfen , die sich aus der Mulde der gabe zu lösen. Oberst Locher hat sie glän- waren diese zwei Jahre , wenn man die Mattalp senkrecht aufrecken. Ein altbe- zend gelöst und durch sein einzig dastehen Tage zählt, an welchen gearbeitet werden
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J. Hardmeyer Jenny. Die Pilatusbahn . -875-
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konnte! Es waren der letteren in beiden | ineinander greifen und nur wenig Licht zu dem Reichsten und Schönsten gehört einlassen. Bei 800 Meter Bahnentwicke- was die Alpen aufzuweisen haben. D Jahren zusammen genau vierhundert. Den 17. August 1888 fuhr der erste lung und 900 Meter Meereshöhe fängt Soldanellen beeilen sich, überall da schnel Personenwagen zu Berge und brachte den unser Staunen an . Wir sind an einer tiefen, hervorzugucken , wo der Rand der Schnee Verwaltungsrat zu einer Sigung hinauf jäh zum See abstürzenden Schlucht an flächen zurückschmilzt, die prächtigen Gen ins alte Bergwirtshaus in der Lücke zwi gelangt, am sogenannten Wolfortbach, wo tianen in verschiedenen Arten, die wunder schen den beiden Gipfeln Oberhaupt und Wasser eingenommen wird. Eine kühne volle Alpenanemone , der Alpenmohn mi Esel. Hier war zu vernehmen, daß die Pi Baute, der Wolfortbachviadukt (S. 872) , seinen ſeidenleichten Blumenblättern , di latusbahn als solche, inklusive Rollmaterial, überbrückt den Abgrund, durch den wir tief ebenso hinfällig sind , wie die des Adir Stationsanlagen und Werkstätten , jedoch unten den See crblicken. Turmhoch über mohns in den Ebenen drunten , sie ver mit Ausschluß der Hotelbauten und dessen, uns sehen wir auf steiler Fluh die Fort- künden als Herolde das Aufblühen de was damit zusammenhängt , um die in segung der Bahn und fragen uns : Wie ist's Alpenrose, deren herrliches Rot weithin d anbetracht der außergewöhnlichen Schwie denn möglich, dort hinaufzugelangen ? Wir Gründe und die Hänge schmückt. rigkeiten bescheidene Summe von 1900000 treten in einen Tunnel ein und in ſtärkDoch für uns ist hier des Verweilens Franken ausgeführt worden ist. Es ist ein ster Steigung geht es die „ Risleten" hinan, nicht. Die Maschine pustet und feud schönes, großes Werk geschaffen , das den eine mächtige Schutthalde , die das seit Sie hat noch ein gutes Stück Arbeit vo beiden Unternehmern, Locher und Guyer, Jahrtausenden niederrieselnde" Schiefer sich. Allein, wie ist da weiter zu komment zu hoher Ehre gereicht und Tausenden gestein an das Felsgestell des Berges an- Die Bahn findet den Weg ; sie biegt etwas hohen und edeln Genuß verschaffen wird. gelegt hat. Die Strecke über die Halde nach Osten gegen die „Rosegg" aus un Und nun, wie sieht die Bahn aus und hinauf ist die Schmerzensstrecke der Bahn steigt ein großartiges Stück Schienenwie vollzieht sich die Fahrt? Hart neben unternehmung. Sie konnte nur vermit weg! die senkrecht abfallende Ejelwand der Station Alpnach Staad der Brünig telst unterirdischer Gewölbeanlagen , ge- hinan , welche sie in vier Tunnels dur bahn steht das kleine Stationsgebäude der waltigem Schutz - Mauerwerk und weit- bricht, um dann wieder an schwindelnden Bergbahn (S.881 ) , unweit vom Strandedes greifenden Faschinenzügen überwunden wer- Abstürzen hinzuziehen (S. 868) . Zwischen Vierwaldstättersees, 441 Meter über Meer. den und hat unverhältnismäßig viel Geld | dem zweiten und dritten Tunnel entfal Die Länge der Bahn beträgt 4618 Meter verschlungen. tet sich vor unserm Blick das herrlichte bis zur Endstation auf 2070 Meter MeeresEs folgen die zwei Spychertunnels und Alpenpanorama ; besonders großartig tritt höhe. Die Maximalſteigung beträgt nicht bei 2400 Meter Bahnentwickelung und der nahe Titlis hervor, der über den grü weniger als 48 % = 25 ° 39 ' , die höchste 1600 Meter Meereshöhe die freundliche nen Bergen des glücklichen Ländchens Ch bis jetzt mit Zahnradbetrieb überwundene Aemsigenalp (S. 866) mit einer Senn walden in seinem firnbedeckten Gletscher Steigung. Das Fahrzeug legt bei der hütte und einem Bergwirtshäuschen. Hier mantel funkelt und schimmert als eir Bergfahrt sowohl als bei der Thalfahrt könnten wir die herrliche Aussicht bewahrer Juwel im Kranze der Hochper Sefunde einen Meter zurück , so daß schreiben , die sich darbietet ; doch wir gebirge. haben uns vorgenommen , auf alle AusDie Bahn biegt um eine Felsede unt die Fahrt je 80 Minuten dauert. Der Unterbau bildet vom Seegeſtade ſichtsbeschreibung zu verzichten , hier und die Maschine überwindet, als ob sie einen bis zur Höhe eine urfeste , durchlaufende weiter droben , wir würden nie fertig letten , entscheidenden Anlauf nehmen Mauer, welche mit mächtigen Granitplatten werden. Der Wettertannen aber wollen wollte, schnaubend und mit lautem Ph ein bemer wir Erwähnung thun , welche die Alphütte der an den Wänden widerhallt, die legt.. gedeckt ist. Diese wurden kenswerterUmstand – drüben am Südhang schüßen . Ehrwürdig stehen sie da mit in 48 % liegende Steigung und trin der Alpen gebrochen, in den Steinbrüchen ihren Flechtenbärten und beschatten das durch ein hohes Portal in ein Gebäude eir von Osogna bei Bellinzona . Obdach der Menschen und des Viehs . Jahr- das sich an die Felsmauer des obersten Bera Der Überbau, ganz aus Eiſen und Stahl, hundertelang haben sie den Stürmen und hauptes duckt; es ist die Station Pilatus : ist von Meter zu Meter durch gewaltige den Ungewittern Stand gehalten , jedoch kulm ( S. 889) , die obere Endstation der schmiedeeiserne Schrauben mit dem Mauer- nicht ohne Spuren harten Kampfes an sich Bahn , und wir stehen 1629 Meter über werke verankert. Die Zahnstange , die zu tragen, denn zerzaust ist ihr Geäſt und dem Strande des Vierwaldstätterſces, 2070 etwas überhöht zwischen den Laufſchienen vom Blizſchlag zerschunden die Rinde Meter über der Meeresfläche und nur 53 Meangebracht ist, ist beiderseitig gezahnt. In ihrer Wipfel. Auf Aemsigenalp kreuzen ter unter dem Gipfel des „ Ejels “ (S.877), diese Zahnreihen greifen bei jedem Fahr sich die zu Thal und zu Berg fahrenden den wir , trohig und herrschend wie er it. lieber nach seinem alten Namen „ Egel“ zeug rechts und links je zwei horizontal Züge. Durch freundliches Alpengelände geht's nennen würden. Die lautliche Abſchleisich bewegende Zahnräder ein , die jeden Augenblick gebremst werden können und hinauf in die obere Stufe der Bergweide, fung hat sich an dem herrlichen Felshaupt sich überdies automatisch bremsen . Die in die , Wilde “ , wie die oberen Staffeln der versündigt. Wenige Schritte nur und wir stehen Sicherheit kann eine absolute, diejenige aller Alpen in Obwalden genannt werden, in die andern Bergbahnen übertreffende genannt Mulde der Mattalp (S. 911), wo wir auf auf der Terrasse des alten Berghaujës, werden. Rigihöhe angelangt sind. Nun aufgeschaut ! das in diese allen Stürmen ausgeseşte Das Fahrzeug , das uns zu Berge In imposanter Schönheit , in feierlicher Lücke hineingebaut ist , und schauen stau bringen soll , steht schief auf dem Geleise Großartigkeit steht im Halbkreis vor uns nend in grausige Schluchten nieder. De da . Es besteht aus der Lokomotive und die Felskrönung des Berges , die Steig- Felsen fallen Hunderte von Metern tiei vier mit ihr verbundenen etagierten Wa- liegg mit dem hausdachjähen Rasenhang, lotrecht gegen das paradieſiſche Gelände gen zu je acht Sitzplägen. Pustend seht zu dem nur der Wildheuer emporsteigt, von Luzern ab, und jenseits desſelben sich die Maschine in Bewegung und schiebt der Esel, der eigentliche Kulm des Berges , dehnt sich das reizende Hügelland da die Wagen bergan. Es geht lustig_hin= | das Oberhaupt und das ungeheuer wuch Schweiz mit seinen Hunderten von Ca auf durch Matten mit gewaltigen Obst- tige Matthorn mit seinem vorgeschobenen schaften, mit seinen blauen und glißernder und Walnußbäumen, welche im tiefgrün- Ecturm und den senkrechten Schichten, die Seen und den Flüssen, welche zwischen den digen Boden der Schieferhalde trefflich den Felsblock entzweischneiden und von waldgekrönten Höhen wie Silberfäden das gedeihen. Aus Holz gefügte und mit den Hirten des Teufels Karrgaſſe“ ge- Land durchziehen. Zur andern Seite, gegen Morgen, Mittag und Abend hin , erhebt steinbeschwerten Schindeln gedeckte Hütten nannt werden. In der trümmervollen Mattalp , deren sich vor unserm staunenden Auge das Alpens und Ställe stehen da und dort am ſteilen Hange. Bald ist der Buchenwald erreicht, Felsblöcke phantastische Gebilde darstellen gebirge, dessen Anblick nie überwältigender durch den der Zug hinantlettert. Düſter ( S. 865) , blüht in den ersten Som ist , als wenn tief unter uns die Wolken ist's in diesem Walde, wie in allen Berg- mermonaten, welche für diese Höhen die wallen und die Thäler wie in einem Meerforsten, deren Aeste wie zu beſſerem Halt erste Lenzeszeit sind, eine Alpenflora, die versunken sind. Dann heben sich die Taur
Werner Friedlieb.
Vom Reichstag des alten Deutschen Reichs .
879878-ihrenAeltesten oder | ehrwürdigste Verfassungsinstitut die deut877 Fürsten über die sche Geschichte von Anbeginn bis zur Gegent Angelegenheitenwar , und wenn seine Formen je nach des Gemeinwohls den verschiedenen Anschauungen und Verberaten. Gehen wir hältnissen der verschiedenen Epochen geweiter, so gelangen wechselt haben , so veranschaulicht er darum wir zu einer Zeit, in nichts weniger die Kontinuität der deuts wo um die Könige schen Geschichte überhaupt , welche ja nichts anderes ist als die Entfaltung des deutschen aus merowingi ichem Stamm das Geistes , der durch alle Jahrhunderte der Volk der Franken, gleiche gewesen ist. So mag auch heute zugleich Reichstag noch eine Betrachtung des alten Reichsund Heer, sich all tags, wie sie in den folgenden Zeilen verjährlich zum März sucht werden soll , zeitgemäß erscheinen. feld oder Maifeld Wir haben dabei im besonderen diejenige versammelte . Dann Epoche vor Augen , welche wir oben als kommt eine Epoche , die Zeit der höchsten Bedeutung des Reichsin welcher aus der tags bezeichnet haben ; sie ist dieselbe , in welcher auch die Formen des alten ReichsGesamtheit des fränkisch - karolingi tags am reichsten durchgebildet erscheinen. Freilich weichen diese Formen zumal schen Weltreichs sich ein national deut von denen unseres modernen Reichstags sches Reich heraus sehr erheblich ab ; auf den ersten Blick schält , zuerst 843 möchte es scheinen , als ob beide nur den infolge des Ver- Namen miteinander gemein hätten. Der trags von Verdun, alte Reichstag war nämlich nichts weniger dauernd aber erst als eine Volksvertretung durch frei gemit dem Jahre 888, wählte Abgeordnete , sondern in ihm wurden. danach der Entthro die Unterthanen lediglich durch ihre Obrig nung des letzten ge- keiten repräsentiert , so daß man nach der meinsamen Fran- Art der Zusammenseßung den alten Reichskenherrschers , Karls tag weit eher unserem Bundesrat der Aufstieg zum Efel (S. 876) des Dicken, die Stämme , die das Reich gebildet hat vereinigten Regierungen an die Seite freilich aber auch nur er nationalen Herrschern für immer ausstellen möchte ten , unt 1 einandertraten. Auch in dem so begründeten Deut in dieser Beziehung. Schon die Zahl der schen Reiche finden wir einen Reichstag ; derselbe ehemaligen Regierungen im alten Reiche zeigt jest aristokratische Formen , nur die Großen, war eine vielfach größere als heutzutage . die Häupter der einzelnen Stämme , finden sich zur Neben den Fürsten weltlichen Standes , Beratung mit und unter dem König zusammen . Nach deren Zahl allein größer war als die der und nach erweitert sich dieser Kreis ; zugleich aber fürstlichen Regierungen des heutigen Deutgelangt der Reichstag zu immer größerem Ansehen, schen Reiches , stand die große Schar der und in den späteren Jahrhunderten des Mittelalters geistlichen Würdenträger , der Erzbischöfe , liegt in ihm der Schwerpunkt der deutschen Reichs- Bischöfe und gefürsteten Aebte , denen sich verfassung . Im 15. Jahrhundert zumal , als die eine Stufe tiefer die Prälaten , d . h. die be von Gipfeln in hellster Klarheit in mittelalterliche Weltordnung Stück für nicht gefürsteten Aebte und Aebtissinnen r Lüfte empor und strahlen und funkeln Stück in Trümmern auseinanderbrach, reichsunmittelbare Klöster anschlossen , wäh war die Reichsversammlung ein Mittel rend auf der weltlichen Seite entsprechend punkt für die Reformtendenzen , die sich auf die Fürsten die fast unübersehbare auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens Schar von Grafen und freien Herren folgte; hehrer Majestät ( S. 886). geltend machten . Und als im 16. Jahr dazu kamen endlich noch die Vertreter von Dom Reichstag des alten hundert die Reform sich vor allem der etwa einem halben Hundert Städten . Dieſe alle galten als reichsunmittelbar , d. h. fie verweltlichten Kirche zu bemächtigen strebte, erkannten keinen Oberherrn über sich außer da sind auf den Reichstagen die wichtig dem Kaiser als solchem und nahmen daher sten Schlachten zwischen den Anhängern das Recht in Anspruch , mit diesem sich n he hs . Reic Deutsc des alten Glaubens und den Bekennern als die Stände " des Reichs auf den Von der evangelischen Reform geschlagen , auf Reichstag!!en zusammenzufinden , um hier den Reichstagen ist über die kirchliche Zu über die Nöte und Bedürfnisse des Reichs ieb er . Friedl Wern kunft der Nation entschieden worden . Diese zu beraten und zu beschließen , sowie die enig beachtet ist vor kurzem ein Ge- Jahrhunderte bilden den Höhepunkt in der Kosten und Lasten desselben selbständig aufdenktag vorübergegangen , an den sich Geschichte des deutschen Reichstags , der . einsame Haupt dieser , Stände " s gem Dagen uns Deutsche eine tausendjährige Er in der Folge den Fall des Deutschen zubrin erung knüpft . In den Tagen der letzten Reiches mitmachte und mit demselben seit also war der Kaiser. Seit langem bereits hreswende nämlich war ein Jahrtausend dem Westfälischen Frieden zu fast völliger hatte dieser in die inneren Angelegenheiten floffen seit dem Zeitpunkt, von welchem Bedeutungslosigkeit herabsant . Doch be: der einzelnen Herrschaften des Reichs nicht das dauernde Bestehen eines selbstän- gleitete er das Deutsche Reich bis zu seiner mehr viel dreinzureden ; aber gerade auf Deutschen Reiches zu rechnen ist. Auflösung , um sich bei der Neukonsti- den Reichstagen wies sich seine Bedeutung noch jenseits dieses Langen Zeitraums tuierung desselben 1815 in den Bundestag für das Verfassungsleben des Reiches aus . en die Anfänge des deutschen Reichs- zu verwandeln , bis er in unseren Tagen Hier stand ihm die Leitung und die IniSeine Spuren können wir verfolgen bei Begründung des neuen Deutschen Rei tiative zu. Er hatte zu befinden, wann ein n die ältesten deutschen Zustände hinein , ches auf neuer Grundlage, aber unter dem Reichstag erforderlich sei, und anzuordnen , mit welchen Gegenständen sich derselbe zu denen uns Tacitus Kunde gibt ; hier alten Namen wieder erstanden ist. So durchzieht der Reichstag als das sehen wir die Stammesgenossen unter
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beschäftigen habe, wenn schon sich diese Be- die Krone trugen , die östlicheren Städte | zifferte sich oft auf über hundert Personen. ratungsgegenstände natürlich zum großen gelegener waren. Zuweilen belohnte auch In der Regel war diese ganze Gefolgschaft Teil durch die jeweilige Gestaltung der wohl der Kaiser treue Dienste einer Stadt eines Fürsten in gleiche Farben gekleidet. öffentlichen Dinge von selbst bestimmten. dadurch , daß er einen Reichstag dorthin auch wohl mit bestimmten Abzeichen verIhr Kreis war kein abgeschlossener ; alles legte ; denn ein solcher war für die be- sehen. Für ihre Ausrüstung zur Reiſe was die gemeinsamen Interessen der Reichs- treffende Stadt sehr einträglich ; wir finden hatte natürlich der Fürst ebenso zu sorgen . glieder anging , konnte den Reichstag be wohl, daß eine Stadt um Berücksichtigung wie er die Kosten des Aufenthalts der schäftigen. Seit dem 15. Jahrhundert bei der Ansehung eines Reichstags dringend Seinen am Orte der Reichsversammlung war es vor allem die Türkenfrage, welche vorstellig wird , indem sie denselben offen bestritt. Man ermißt daher, mit welchen auf den Tagesordnungen der Reichstags- als das geeignetste Mittel bezeichnet, aus Ausgaben der Besuch des Reichstags für versammlungen einen ständigen Play be- finanziellen Nöten befreit zu werden. Stets die vornehmeren Herren verbunden war, — hauptete. Daneben sind es Materien, wel aber oder wenigstens mit sehr geringen und begreift es , daß sie sich oft davon che sich auf den inneren Ausbau des Reichs | Ausnahmen- fanden die Versammlungen | dispensierten und nur einen Bevollmächbeziehen: Angetigtensandten, wo für dann als legenheiten des Gründe #1Leibes Landfriedens, Poschwachheit" des und Gelizei Herrn, die schlechte richtsordnungen , Münzsachen. u. a. Verfassung und Unsicherheit der m., während im 16. Jahrhundert, Wege oder drin alle diese Mate= gende Regierungsrien an Wichtigkeit angelegenheiten die überragend , im eigenen Lande herhalten mußten. kirchlich-religiöse Mit den gro Frage das Augenmert der ReichsBen Kosten des Reichstagsbesu versammlungen in erster Linie aufsich ches hängt aber FLATUSKAHNY - In der ferner das un zicht. pünktliche Erscheikaiserlichen Kanznen der Stände leiwurde dasAusschreiben an die zusammen , über welches so viel ge Stände aufgefeßt, welches die Beraflagt wurde, ohne IWaler OXELL FUSSE tungsgegenstände daß es doch je bej: ser damit geworAlpnach Staad mit Pilatus und Brünig-Bahnhof (S. 874). kurz aufzählte, Ort den wäre. Denn und Zeit für den Reichstag angab und den Ständen unter der Reichsglieder auf oberdeutschem Boden | umsonst wollte doch niemand gern die KoAndrohung derkaiserlichen Ungnade und der statt, freilich zu nicht geringer Unbequem sten der Ausrüstung tragen, noch die beStrafen des Reichsrechts , die freilich nicht lichkeit für die norddeutschen Stände, die schwerliche Reise machen , um dann an leicht zum Vollzug kamen, aufgab und ein es sich gefallen lassen mußten , zu jedem dem Ort des Reichstags unnüß zu verschärfte, sichrechtzeitig in Person einzufinden, Reichstag eine weite Reise zurückzulegen. weilen. Jeder wartete auf Nachricht, es sei denn, daß ehaste Not" d. h. voll und eine solche war selbst für die vor daß andere schon unterwegs seien , und gültige Gründe sie daran verhinderten, in nehmsten Herren damals keine ganz ein keiner wollte der erste sein. So geschah welchemFallesie gehalten waren, ihre für alle fache Sache . Die Unbilden der Witterung es , daß der angeseßte Termin herankam Beratungsgegenstände bevollmächtigten Ge- waren noch das geringste Uebel , obwohl und vorüberging, ohne daß in der Regel sandten als Vertreter zu entsenden. Als eine Reise zu Roß etwa von Berlin nach auch nur ein einziger Reichsstand sich am Mahlstatt für den Reichstag pflegte eine Regensburg mitten im Winter oder bei Ort des Reichstags gezeigt hätte. Freilich der größeren Reichs- oder freien Städte dem glühenden Sonnenbrand des Sommers war man auch nie sicher, ob der Termin Oberdeutschlands gewählt zu werden ; der denn der Reichstag nahm auf keine nicht etwa noch im letzten Augenblick unmöglich eine erstreckt" oder wohl gar der Reichstag Kreis derselben war nicht groß , da nur Jahreszeit Rücksicht wenige Städte im stande waren, die zahl- Annehmlichkeit sein konnte. Was aber die abgekündigt würde. Aber auch wenn das reichen Reichstagsbesucher angemessen unter- Reisen so überaus beschwerlich machte, voraussichtlich nicht zu gewärtigen war, zubringen: so Worms , Speier, Nürnberg , waren die schlechten Wege ; halperig, un wartete, wie gesagt, einer auf den andern; Augsburg, Regensburg. Welche aus diesen eben, mit tiefen Löchern versehen, schmuzig höchstens wurden Furiere und Quartier jedesmal gewählt wurde , hing in legter bis zur Unergründlichkeit scheinen damals macher entsandt, die sich zugleich umhören Linie von dem Willen des Kaisers ab, selbst die besuchtesten Verkehrsstraßen im sollten, ob schon jemand, zumal einer der bestimmte sich aber meist noch durch be- Lande gewesen zu sein ; oft fanden die Rei maßgebenden Stände, unterwegs sei oder sondere Rücksichten. So verlangte die gol senden auch ganze Strecken überschwemmt sein Erscheinen mit Sicherheit zugesagt dene Bulle , das Reichsgrundgeset Kaiser und sich dadurch zu zeitraubenden , be habe. Endlich aber, wenn man sich überzeugt Karls IV., daß der erste Reichstag, den ein schwerlichen Umwegen genötigt. Dazu kam neugewählter und gekrönter Herrscher ab- die Unsicherheit, die es notwendig machte, hat, daß der Reichstag seinen Fortgang halte, inNürnberg stattfinde. Eine derrheini- sich , ehe man eine Landschaft durchzog, erlangen werde", wird es im ReicheLebendia schen Städte aber pflegte zumal dann zur mit Geleitsbriefen und einem Geleitsmann In den einzelnen Landschaften ziehen de Mahlstatt gewählt zu werden , wenn es vom Landesherrn zu versehen. Auch der vom Landesherrn aufgebotenen Ritter und dem Kaiser darauf ankam, den vornehmsten große Troß, der nun einmal für standes- Vasallen mit ihren Knappen und Knechte Reichsgliedern, den rheinischen Kurfürsten, gemäß galt , machte das Reisen für die an das Hoflager , um daselbst ihre Auss möglichst zu Willen zu sein; denn diese hohen Herren beschwerlich. Mit vierhundert, rüstung zur Reise entgegenzunehmen und entfernten sich ungern weit vom Rhein- fünfhundert und mehr Begleitern zogen von hier aus, ihren Herrn an der Spise strom , während den Habsburgern selbst, die vornehmeren Fürsten einher ; allein aufzubrechen. Alle Straßen , welche zur welche seit der Mitte des 15. Jahrhunderts | das engere adlige Gefolge derselben be- Versammlungsstätte führen , beleben sich.
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Stolz ziehen die Herren einher mit ihrem, wie schon gesagt, Hunderte von Menschen zählenden, bewappneten Gefolge, ein glänzender Anblick ! Bescheidener ist der Aufzug der städtiſchen Vertreter in schwarzer, bürgerlicher Kleidung , die gleichwohl be ritten sind wie die Herren. Gern ziehen die Städter, zumal auch der größeren Sicherheit wegen, in größeren Gruppen, die sich aus den Vertretern benachbarter Gemeinweſen bilden ; aber auch befreundete Für sten verabreden sich, die Reise gemeinsam zu machen, der größeren Kurzweil willen, oder um im traulichen Gespräch während der Reise über ihre Haltung zu den Aufgaben des Reichstags einig zu werden. Außer den berufsmäßigen Besuchern der Reichsversammlung aber zieht noch eine bunte , schier unübersehbare Menge dem selben Ziele zu : Industrielle und Händler, Abenteurer und Glücksritter, Schauspieler, Mujikanten , Sänger und Sängerinnen, Gautler, Lustigmacher und Künstler jeder Art, auch Diebsgesindel und feile Dirnen in großer Zahl, dazu Neugierige, die aus der ganzen Nachbarschaft weit im Um treise herbeiströmen zu Tausenden , be gierig , das Reich in seiner Pracht und Majestät zu schauen und der mancherhand Kurzweil mit zu genießen, die zu erwarten steht. Freudig erregt, aber zugleich sorgenvoll schauen die Väter der Stadt auf die Herbeiströmenden. Wohl berechnen sie den reichen Gewinn, den ihr Gemeinwesen von denselben ziehen wird, aber eine Kleinig feit ist es wahrlich nicht , alle geziemend und nach ihren Wünschen unterzubringen und zu beköstigen, sowie Ruhe und Ord nung aufrechtzuerhalten. Schon sind Vorbereitungen für alles getroffen : Die Wa-
chen auf den Türmen und an den Thoren werden verstärkt, der Wachtdienst streng geregelt ; für Herbeischaffung von hinrei chenden Lebensmitteln wird nach Kräften vorgesorgt ; um die Fremden möglichst vor Uebervorteilung zu schüßen , sind Taren aufgestellt, welche sowohl den Wirten der öffentlichen Herbergen die Preise vorschreiben, die ſie für Unterkunft und Beköstigung erheben dürfen , als auch die Angelegen heiten der vielfach angebotenen Privatlogis regeln. Anderseits haben die vornehme: ren Herren , wie schon angedeutet , bei Zeiten ihre Quartiermacher entfandt und Herbergen mieten lassen ; in Städten, wo häufiger der Reichstag zusammentrat, wie etwa in Nürnberg und Speier, hatten auch wohl manche der Herren gleichsam Stand quartiere , d. h. sie kehrten immer wieder bei demselben Bürger ein , der ihnen ihr altes Quartier von vornherein reservierte, ſo daß sie des lästigen Suchens nach einer paſſenden Herberge überhoben waren . Denn groß war wohl nirgends die Auswahl an geräumigeren , gut gelegenen , für einen Fürſten paſſenden Quartieren in den enggebauten Gleichsstädten , wenn schon die Pracht und der Lurus der inneren Ausstattung der Patrizierhäuser es damals sicherlich mit jedem Fürstenschloß aufneh men konnte. Für ihre Beköstigung sorgten
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| diejenigen Reichstagsbesucher, die ein grö Beres Gefolge mitbrachten , in der Regel selbst ; die fürstlichen Furiere kauften vor her Wein, Bier, Getreide, Salzfleisch, Hafer u . s. w. in größeren Quantitäten ein, oder man brachte diese Vorräte aus der Heimat mit , wobei man sich troß der Transportkoſten jedenfalls besser stand , als wenn man den Bedarf in der Stadt selbst bezogen hätte, wo aller Vorkehrungen un geachtet der Reichstag nie verfehlte , eine erhebliche Verteuerung aller Lebensmittel und Bedarfsgegenstände herbeizuführen. Täglich gibt es jest etwas zu schauen. Jm vollen Schmuck ihrer Ausrüstung , voran die Pfeifer und Trommler, sieht man Fürsten und Herren mit ihrem reisigen Gefolge in die Stadt einziehen und von Tag zu Tag gestalten sich diese Einzüge prunkvoller und großartiger , da es die Sitte erheischt, daß die bereits eingetroffenen Herren den später kommenden entgegen ziehen und sie eine Strecke vor der Stadt einholen, um dann gemeinsam mit ihnen dieselbe zu betreten. Sogar der Kaiser hält es nicht unter seiner Würde , sich an der Einholung eines Fürsten , den er besonders ehren will, zu beteiligen ; anderseits versteht es sich, daß, wenn die Kunde kommt, der Kaiser nahe , keiner in der Stadt zurückbleibt, sondern alle eilen, ihn mit den höchsten Ehren einzuholen. Das erste, was den eintreffenden Herren und Botschaften zu thun obliegt , ist, sich bei Hofe und auf der Reichskanzlei, welcher der Kurfürst- Erzbischof von Mainz als des heiligen römischen Reiches in Germanien Erzkanzler vorsteht, !! anzugeben ", d . h. sich zu melden und einzuschreiben, wobei die Botschafter ihre Beglaubigungsschreiben vorzuweisen haben. Von der Ankunft der
welche der Reichstag beraten sollte , erläuterte und näher auseinanderseßte. Nach ihrer Mitteilung löste sich gewöhnlich die Versammlung auf, die Schreiber der einzelnen Stände aber wurden in die Kanzlei berufen , wo man ihnen die Proposition diktierte, damit jeder Stand den Wortlaut derselben erhalte ; denn die Proposition bildete die Grundlage für die nun folgenden Beratungen der Stände , die sich auf Anfagung durch den Reichsmarschall eine Würde, die im Hause der Herren von Pappenheim erblich war am nächsten Morgen wieder zusammenfanden, zunächst im Sizungssaal; doch pflegten sie alsbald nach „Kurien“ auseinanderzutreten , um , kurienweise" die Beratung über die Proposition zu beginnen . Die Gesamtheit der Reichsstände nämlich zerfiel in die drei Gruppen : der Kurfürsten, der Fürsten und der Städte. Die erste Gruppe oder Kurie, wie der technische Ausdruck lautet , zählte nur sieben Mitglieder , die sieben Kurfürsten , welche an der Spiße der Aristokratie des Reichs eine besondere Ehrenstellung einnahmen. Ihr wichtigstes Vorrecht war bekanntlich die Wahl des Reichsoberhauptes , an welcher kein anderer Stand teilnahm , und schon dieses wichtige Recht hob die Kurfürsten über die anderen Fürsten hoch empor. So fielen auch auf den Reichstagen, wo sie, wie gesagt, die erste Kurie bildeten , ihre wenigen Stimmen meist schwerer ins Gewicht, als das Votum der so viel zahlreicheren Mitglieder der zweiten Kurie. Hier saßen der geistliche Fürstenstand und die weltlichen Herren, die Herzöge, Markgrafen, Landgrafen und gefürsteten Grafen. Aber auch die nicht gefürsteten Grafen gehörten samt den „ freien Herren" und der reich unmittelbaren
ersten Stände an dauerte es dann freilich in der Regel noch Wochen , wenn nicht Monate , bis eine ausreichende Zahl von | Reichsgliedern vertreten war, um die Verhandlungen beginnen zu können . Kaiser und Erzkanzler seßten den Eröffnungstag fest und ließen denselben den Ständen an sagen. Diese versammelten sich am frühen Morgen des betreffenden Tages vor der Herberge des Kaisers , um unter dessen Vorantritt in Prozession nach der Hauptkirche der Stadt zu wallfahrten , wo ein feierliches Hochamt begangen und der heilige Geist angerufen wurde , sich auf die Versammelten herniederzusenken und ihrem Vorhaben Gedeihen zu geben. In derselben Ordnung ging der Zug dann vom Münster zum Rathause oder an die Stätte , wo die Versammlung tagen sollte. Man zog in den Sitzungssaal, der Kaiser nahm auf dem für ihn hergerichteten Thronsessel Play, zu den Seiten desselben gruppierten sich nach Rang und Würde die Fürsten ; die geringeren Reichsglieder standen dem Kaiser gegenüber. In dieser Gruppierung nahm der Reichstag die kaiserliche Proposition " entgegen, welche einer der kaiserlichen Räte den Versammelten vorlas . Diese Thronrede, wie wir sagen würden, pflegte sich an das Reichstagsausschreiben anzuschließen, indem sie die dort kurz berührten Punkte,
Ritterschaft in die zweite Kurie, doch verfügten alle diese nicht fürſtmäßigen Herren nicht, wie die Fürsten, über Virilſtimmen, sondern nur über Kurialſtimmen , d. h. es stimmten in ihrer aller Namen nur einige wenige Vertreter ; entsprechend verhielt es sich mit den nicht gefürsteten Prälaten auf der geistlichen Bank der zweiten Kurie. Endlich drittens bildeten auch die Städte eine Kurie , obwohl die anderen Stände sie nicht als gleichberechtigt an= sahen. Man behauptete, die Städte seien keine selbständigen Glieder des Reichs und hätten darum keinen ſelbſtändigen Anteil an den Verhandlungen der Reichstage zu nehmen, sondern höchstens dasjenige , was die beiden ersten Kurien ihnen vorlegen würden , anzuhören und zu bewilligen . Man hätte die Städte auch wohl ganz von den Reichstagen ausgeschlossen ; aber das erwies sich doch als unthunlich, denn einen Gegenstand gab es , bei dem man immer zuerst an die Städte dachte, wenn es sich nämlich um die Aufbringung von Geldern zu Reichszwecken handelte. Da waren die Städte ganz unentbehrlich ; bei ihnen fand man stets bares Geld und vielfach wurden die Ausgaben des Reichs von Anleihen bestritten, die man bei den Städten aufnahm und denselben aus den meist gar langsam eingehenden Auflagen
Werner Friedlieb . 886 der anderen Stände zurückerstattete. Auf ihrer Finanzkraft beruhte daher recht eigent: lichdie Zulassung der Städte zu den Reichstagen ; hier aber spielten ihre Vertreter, die sich, da man insgemein nur die treff lichsten , erprobtesten Bürger entsandte, meist durch Geschäftskenntnis , praktischen Blick und Arbeitsamkeit auszeichneten, in
Das Nebelmeer vom Pilatus (S. 877)
findig zu machen vermocht , welches jedem Stande seinen Play unzweifelhaft angewiesen hätte. So erzeugten sich stets aufs neue die ärgerlichsten Streitigkeiten um den Plaz und die Reihenfolge bei der Abstimmung, die mit so großer Hartnäckigkeit geführt zu werden pflegten, daß, ehe sie geschlichtet waren, von regelmäßigen Verhandlungen nicht die Rede sein konnte. Aber wie sollte man die Streitenden beruhigen? Sprach man sich zu gunsten des einen aus , so war man sicher, daß der andere der Gesamtheit mit den heftigsten Beschwerden lästig fiel, oder aber stehenden Fußes den Sizungsjaal verließ und die fernere Teilnahme an der Reichstagsverhandlung verweigerte.
Gewöhnlich
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der Regel keine nebensächliche Rolle. In den Kurien also sollte die Proposis tion beraten werden. Wer aber glaubte, daß man dort jest ohne weiteres an dieses Geschäft herantreten würde, der hatte die Rechnung ohne den Wirt, d. h. ohne die berüchtigten " Sessionsirrungen" gemacht, welche ein ständiger Gast auf den Reichs
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tagen waren. Jeder Stand nämlich legte Wert darauf, seinen Siß nach dem Range einzunehmen , und seine Stimme in der hierdurch gegebenen Ordnung und Reihenfolge abzugeben. Unglücklicherweise aber hatte man es nie zur Aufstellung einer bestimmten Rangordnung zu bringen, noch irgend ein feststehendes Kriterium aus
891 tes eigene Kommissionen ernannt wurden, welche unzählige Zeugen verhörten, ganze Stöße Papier vollschrieben und wochenlang angestrengt arbeiteten , bis es ihnen gelang , irgend welches Ausfunftsmittel zu finden , welches wenig stens für den laufenden Reichstag den Streit beendete. So lange aber, bis dies Ergebnis erreicht war, ruhten die Verhandlungen, da es ein Wert der Unmöglichkeit war, eine Abstimmung bei den Kurfürsten zu stande zu bringen. Wohl schütteln wir heutzutage den Kopf über diese Halsstarrigkeit, und über die Geduld der übri gen Stände, welche die Verhandlungen, um derentwillen sie mit großem Kostenaufwand herbeigeeilt waren, lieber wochenlang stocken sahen, als daß sie zugegeben hätten, daß auch nur einer seines Rechtes gewaltsam entsegt werde , und mögen wir uns nicht genug verwundern; aber unmöglich können wir in allem die deutsche Art verkennen , der das Recht, selbst wo es sich um Aeußerlichkeiten von geringem Belang handelt, ein gehei ligter Besig ist, den gleichgültig preiszugeben, schmachvoll und unmännlich sein würde ! Endlich war die zeitraubende, gefährliche Klippe der Umfrage- und Rangstreitigkeiten umschifft und man mochte die Verhandlungen beginnen. Die Be ratung in den Kurien geschah auf fol gende Weise : die Kurfürsten, obwohl an Zahl die geringsten , blieben in demi großen Sizungsfaal zurück, da es ihrer Würde nicht entsprochen hätte , hinauszugehen; die zweite und dritte Kurie aber wurde je in ein anderes Gemach gewiesen. Jest zogen die Herren gewöhnlich einen oder zwei ihrer vertrau testen Räte herzu , mit denen sie die in Redestehende Materie durchgingen. Dann traten sie zu einander und gaben der Reihe nach oder ungefährlich" ihre Voten ab. Gingen diese auseinander,
Bahnhof Pilatuskulm ( S. 876).
DRELL FUSSLI wer beim Votieren der Kurfürsten die Stimmen abfragen sollte , ein Ehrenrecht, auf welches gleichzeitig Mainz und Sachsen Anspruch erhoben : der Erzbischof von Mainz in seiner anerkannten Eigenschaft als Haupt des Kurfürstenkollegs , während der Kurfürst von Sachsen die Umfrage" als Ausfluß seines Amtes als des Reiches Erzmarschall in Anspruch nahm . Und natürlich wollte auch hier niemand weichen; es kam so weit, daß zur Schlichtung des Strei-
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blieb dann nichts anderes übrig, als " ungefährliche Session " zu beschließen, d. h. jeder solle ohne Beachtung der Rangfolge siten, wo er von ungefähr Platz finde ; doch entschloß man sich nur un gern zu dieser Auskunft, da jeder den lebhaften Wunsch hatte, die ihm seiner Anficht nach zukommende Session auch thatsächlich und öffentlich auszuüben. Eine fast noch ärgere Geißel für die Verhandlungen aber als diese Irrungen in der zweiten Kurie war der Umfragestreit" bei den Kurfürsten, der sich lange Zeit hindurch auf jedem Reichstag er neuerte. Es handelte sich hier darum,
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so fragte man ein zweites Mal um, brachte, | zelnen Kurie durchberaten werden mußten, waren ritterliche Spiele, in denen die jünwenn auch das nicht zum Ziel führte, die che man in der Lage war, das schließliche geren Fürſten ihren Mut und ihre GeSache nochmals vor die Räte und beruhigte Ergebnis aller dieser Verhandlungen und wandtheit bewährten und einander aus dem sich meist nicht eher , als bis wenigstens Beratungen an die anderen Kurien zu Sattel zu heben wetteiferten. Damit wechin der Hauptsache Uebereinstimmung in den bringen. Und falls lettere etwa zu ab selten , wenn die Jahreszeit günstig war, Voten erreicht war ; dann brachte man den weichenden Beſchlüſſen gelangt waren , so Ausflüge in die Umgegend , Jagdpartien, Beschluß zu Papier, zunächst in kurzer war man mit allem kaum von der Stelle welche die Herren zuweilen tagelang ven Skizze , welche ein dazu bestimmter Rat gekommen und mußte wieder von vorn der Mahlstatt des Reichstages fernhielten, auszuarbeiten hatte; der so gewonnene anfangen. So wurde denn doch wohl in u. dal. m. Entwurf wurde in der nächsten Sigung den meisten Fällen ein Generalausschuß Inzwischen schlossen die Kommissionen meist fanden vormittags und nach zur Vorberatung der wichtigeren Materien ihre Arbeiten ab. Jest trat wiederum das mittags Sigungen statt zur definitiven konstituiert ; in demselben pflegten die Kur- Plenum zusammen, um dieselben entgegens Beschlußfassung der Kurie vorgelegt. Viel fürsten verhältnismäßig am stärksten be- zunehmen und darüber schlüssig zu werden. fach übrigens warteten auch wohl die Fürsten dacht zu sein, indem jeder von ihnen einen War auf diesem Wege die Willensmeinung auf das, was das Kollegium der Kurfürsten Vertreter senden durfte ; aber da die Depu- der Gesamtheit der Stände zu Tage getre ihnen vorlegen würde, um sich dann dem tierten aus den anderen Kurien zusammen ten, so gab man jezt dem Kaiſer von deranzuschließen, oder ihre Abänderungsvor zahlreicher waren als die der Kurfürsten, selben Kunde und unterrichtete ihn , wic schläge dazu einzugeben ; die Städte aber so stellte sich in dem Ausschuß eine natur- die Stände den von ihm in Ausschreiben wurden regelmäßig erst dann hereingezogen, gemäßere Verteilung des Einflusses her. und Proposition dargelegten Nöten und wenn die beiden ersten Kurien unter sich Die Ausschußwahlen erfolgten in der fürst Bedürfnissen des Reichs abzuhelfen ge einig waren , worauf man jenen anheim lichen Kurie durch Zettelwahl und mit dächten und für zweckmäßig erachteten. gab, sich anzuschließen ; doch blieb es ihnen relativer Majorität, so zwar, daß geistliche Es handelte sich jest darum, ob der Kaiſer unbenommen , in eigenen Ausarbeitungen und weltliche Fürsten, ebenso Prälaten und diese Beschlüsse der Stände annehmen ihren Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, Grafen gesondert wählten, jeder Stand so werde. Ost war das ohne weiteres der und wenn sie, was allerdings wohl nicht viele aus den Seinen , wie er zum Aus- Fall ; man war wohl auch während der oft geschah, selbst der übereinstimmenden An- schuß zu stellen hatte. Das Verhältnis Beratung mit dem Kaiser in Verbindung sicht der Kurfürsten und Fürſten gegenüber war wohl in der Regel so , daß zwei geiſt geblieben und die Beſchlüſſe waren nicht eine eigene abweichende Meinung aufrecht liche und zwei weltliche Fürsten, ein Prä ohne sein Zuthun entstanden. Aber gar erhielten, so geschah es auch wohl, daß die lat und ein Graf, dazu aus der dritten manches Mal erwiesen sich doch auch höheren Kurien wenigstens in Kleinigkeiten Kurie zwei städtische Gesandte gewählt die Interessen von Kaiser und Ständen nachgaben. Denn man hatte den Wunsch, wurden , so daß der Ausschuß mit den abweichend , ja einander zuwiderlaufend wenn irgend möglich , die Beschlüsse ein- Kurfürsten fünfzehn Mitglieder zählte ; doch zumal zur Zeit Maximilians I. sind die stimmig zu fassen , weil man nur dann kommen je nach der Wichtigkeit des Gegen- Reichstage wiederholt die Stätten erbitterihrer gebührenden , allseitigen Beachtung standes ebensowohl größere wie auch weni- ter Kämpfe gewesen, in denen der Kaiſer. und Befolgung sicher zu sein vermeinte ; ger zahlreiche Ausschüsse vor . War die welcher seine europäischen Pläne verfolgte, nicht nur durch die Majorität in allen Geschäftslaſt groß und die Beratungs- und die Stände , welche die Reichsver drei Kurien, sondern durch Einstimmigkeit gegenstände mannigfaltig , so mochten auch fassung in ihrem Sinne umzugestalten jud innerhalb einer jeden Kurie sollten die mehrere aus allen Kurien gebildete Kom ten, hart aufeinander trafen. Allein man Beschlüsse des Reichstags verbürgt werden. missionen nebeneinander tagen. Dazu bedurfte doch auch einander: ohne des Die erste Beratung pflegte sich um die kommen dann aber meist noch Sonder Kaiſers Genehmigung waren die Beſchlüſſe Art und Weise zu drehen , wie man die ausschüsse der einzelnen Kurien , in denen der Stände ungültig ; jener aber bedurfte Proposition vornehmen solle. Gewöhnlich Angelegenheiten vorberaten wurden , die der Beihilfe der letteren zu seinen Fahrten einigte man sich ohne Schwierigkeit dahin, etwa nur eine Kurie berührten oder bei und Kriegszügen , und sein Anſehen im die einzelnen Artikel in der Reihenfolge denen es sich aus irgend einem Grunde Reich beruhte doch auch darauf, daß er dery vorzunehmen , in welcher die Proposition empfahl, sie kurienweise beraten zu lassen. guten Gesinnung der Stände sicher war ſie insgemein nach dem Grade ihrer Jedenfalls lag der Schwerpunkt der Ver- Der Kaiser also teilte, wenn er den stan ſeing allgemeinen oder besonderen Wichtigkeit handlungen ganz wie bei den parlamendischen Beschlüssen nicht beistimmte, icine aufzählte. War das erledigt , so fragte tarischen Körperschaften unserer Tage in Ausstellungen mit oder trat mit Gegens es sich weiter, ob man die Propoſition in den Kommiſſionen, den General- und Spe- vorschlägen hervor , auf welche sich dank den einzelnen Kurien vornehmen oder aber zialausschüssen. Hier arbeiteten statt der wieder die Stände zu erklären hatten, ob einen Gesamtausschuß aus Mitgliedern Fürsten selbst meist die Räte ; den hohen und inwieweit ihnen dieselben annehmbar aller drei Kurien mit der Vorberatung be- Herren, welche freilich, wenn sie gewissen erschienen . Auf diesem Wege kam man traue. Die Kurfürsten waren meist der haft waren , die in Arbeit befindlichen Ma- | einander nach und nach näher und erzielte Konstituierung eines solchen entgegen, terien mit ihren Räten durchnahmen, blieb endlich die zum Heil aller erforderlic weil ihr Einfluß gemindert wurde , wenn gleichwohl Muße zu allerhand Kurzweil Uebereinstimmung zwischen Haupt un ihre Vertreter mit den Deputierten der und Luftbarkeiten. Unzählig waren die Gliedern des Reichs. Uebrigens konnten auf den Reichstage anderen Stände zuſammenberieten und wo Gaſtmähler, weiche die Reichstagsbesucher möglich von dieſen überſtimmt wurden. einander wechselweise gaben; manche sahen auch Gegenstände zur Sprache fommer Auf der anderen Seite waren aus den täglich Gäſte bei sich selbst schon zur die nicht im Ausschreiben verzeichnet c selben Erwägungen die Fürsten und be ,Morgenjuppe" ; die Hauptmahlzeit aber wesen waren ; doch hatte das seine Schwieri sonders die Städte für den Ausschuß. Un am Nachmittage verzog sich oft bis in keiten, da die Gesandten von ihren Herren möglich aber ließ sich auch verkennen , daß die späte Nacht , denn dem Mahle schloß meiſt nur auf die Artikel des Ausschreibens der Weg der Beratung in den einzelnen sich gewöhnlich das Spiel an, bei dem es instruiert waren und sonst höchstens adi Kurien (denn eine Beratung ganz im recht hoch hergegangen sein muß ; Hunderte allgemein gehaltene Weijungen mitbeton Plenum war , wenn es sich um Gegen- von Gulden wanderten beim Spiel der men hatten. Immerhin mochte sich stände von größerer Tragweite handelte, Fürsten aus einer Hand in die andere. schen Ausschreiben und Eröffnung d durch die Natur der Dinge ausgeschloſſen) Auch Tänze unterbrachen zuweilen den Reichstages manches ändern , und aut sehr viel umständlicher war. Wurde näm- Ernst der Geſchäfte, bei denen Fürsten und ohne dies war es dem Kaiſer unbenommen lich dieser Weg gewählt, ſo pflegten die Herren es nicht verſchmähten, den hübschen alles und jedes , was das Reich angir einzelnen Kurien aus sich Ausschüsse zu jungen Bürgerstöchtern die Köpfe zu ver- diesem vorzulegen und selbst wenn i bilden , deren Ausarbeitungen sodann erst drehen und selbst der Kaiser wohl in Per- eigentliche Beschlüſſe darüber nicht crac von dem Plenum der betreffenden ein- son den Ball eröffnete. Häufiger nochließen , wenigstens das Gutachten
A. Boltze.
895 Stände einzuholen. Vielfach erschienen auf den Reichstagen auch Gesandte fremder Mächte, um die Aufmerksamkeit der Versammelten auf das internationale Gebiet zu lenken, Wünsche oder Beschwerden ihrer Herren vorzutragen u . s. w. Endlich aber konnte auch aus der Mitte der Stände selbst die Gesamtheit angerufen werden, namentlich in Angelegenheiten, die ein ein zelnes Reichsglied oder eine abgegrenzte Gruppe derselben betrafen , in Petitionen aller Art, die sich gleichwohl auch mit dem Interesse der Gesamtheit mehr oder minder berühren mochten , oder das Gebiet der Reichsverfaſſung betrafen, sich gegen frühere Reichstagsbeschlüsse richteten u. s. w.; am häufigsten waren auf diesem Gebiet Be schwerden einzelner Stände gegen die Quote ihrer Heranziehung zu den Lasten des Reichs . Waren Beschwerden dieser Art
Liebe, Glaube, Hoffnung. 896:
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an . So pflegte sich wohl an der schließ- | dann der Pflicht überhoben zu sein verlichen Beratung über den Entwurf des meinten, den Bestimmungen des Abschieds Abschiedes , wie ihn die Kommission dem nachzukommen , was freilich die Gegner Plenum vorlegte , noch einmal der erlö nicht zugeben wollten. Der Regel nach schende Eifer der Stände zu entzünden. indes wurde dem Abschied , wenn er in Glaubte sich aber ein Stand durch die die endgültige Form gebracht war , die Fassung , welche man endgültig dem Ab- Liste der sämtlichen anwesenden Stände schied gab, verlegt, so blieb ihm noch übrig und Gesandten angefügt, worauf der Kaiser von dem Rechtsmittel des Protestes Ge- und einzelne Reichsglieder , je als Verbrauch zu machen, d. h. er beschränkte seine treter für die verschiedenen Stände , ihre Zustimmung zu dem Abschied durch die Siegel daruntersetten. Die Vervielfälfeierlich zu Protokoll gegebene Erklärung, tigung des Abschiedes fand dann durch die daß er in diesem oder jenem Punkte den Mainzische Kanzlei statt und zwar schon selben nicht anzuerkennen vermöge und sich früh auf dem Wege des Druckes ; gegen seine Rechte und Ansprüche vorbehalte. eine bestimmte Tare mochte jeder Stand In Zeiten tiefgreifender Gegensäge kam ein Exemplar beziehen. Die Handlung des es sogar vor , daß einzelne Stände oder Reichstags aber war mit der Besiegelung Parteien, falls der Abschied des Reichs sich des Abschiedes zum Abschlußz gebracht, und allzuweit von ihrem Standpunkt entfernte, schneller, als sie gekommen , verschwanden des ihre Unterschrift weigerten , wodurch sie Reiches Stände und eilten der Heimat zu.
in besonders großer Anzahl eingelaufen, so pflegte man wohl eine Revision der An schläge vorzunehmen ; im übrigen überwies man die Petitionen und Beschwerden, welche Einzelheiten betrafen , einer besonderen Kommission , dem Ausschuß für die Supplikanzen". Schon aber beginnt den ReichstagsLiebe, Glaube, Hoffnung. besuchern, welche nun lange Wochen oder Don Monate von der Heimat und Weib und Kind entfernt sind , der Boden unter den A. Bolte. Füßen zu brennen ; die Landschaft harrt ihres Herrn und von Tag zu Tag wird der Beutel leerer. Schon vernimmt man auch, daß einzelne Fürstlichkeiten und c Da sprach der Mann : du bist noch in den Jahren, Städteboten abgereist sind, nachdem sie an Ri waren drei, an Jahren sehr verschieden, Da dich berauscht der Traube Wundersaft, ihrer Statt bevollmächtigte Gesandte hinein Jüngling frisch, ein reiser Mann, ein Greis, Der Liebe Duft, doch wirst du es erfahren, terlassen oder ihre Vertretung befreundeten Drei Altersstufen, die das Los hienieden Daß Leidenschaft behieget andre kraft. Standesgenossen übertragen haben . Auch Gewohnt zu schauen auf verschiedne Weil'! Wir ruhet still im Herzen treue Minne, den Kaiſer drängt es von hinnen zu ziehen ; denn jeder konnt', was ſeiner harrte, finden : Denn ich bin des Behißes mir bewußt, die mannigfachen Obliegenheiten seiner des Tages Luft, des Lebens Ernſt, das Grab ; Nicht wilder Wunsch bethöret mehr die Sinne, vielen Länder wollen nicht gestatten , daß doch jeder trug im Herzen ein Empfinden, Der Glaube kam, zog ein in meine Brust. er allzulange am Ort des Reichstags ver- das feinem Dasein Licht und Wärme gab . Der Glaube kam, er ist zu jeder Stunde weile. So wird auf allen Seiten zum Da haben ſie ſich abends einft getroffen, Wir Balt und Stüße in dem Wißgeschick, Aufbruch gerüstet. Man eilt , mit den Am deutschen Rhein, beim edlen Rebenſaft, Der Glaube lebt, er heilet jede Wunde, Geschäften zu Ende zu kommen, die dabei | Der, klug genoſſen, macht die Herzen offen, Er wandelt Leid in Freud und selig Glück. freilich oft nur allzusehr übers Knie ge- Die Rede leicht, verleihet Mut und kraft. Drum möge das Geſchick mir alle Güter rauben, brochen werden. Minder wichtige Ange- und jeder endlich fand ein löbliches Behagen, Läht es mir eines nur, läßt es mir nur den Glauben! legenheiten bleiben ganz liegen ; ja , ſelbſt Was ihm die Seele füllte, offen auch zu sagen. wichtigere werden wohl nur provisorisch geregelt und manches dringende Bedürfnis. des Reichs erfährt keine oder doch nur eine mangelhafte Abhilfe ; was aber noch zu erledigen bleibt , wird der Beratung durch einen künftigen Reichstag zugewiesen. So kann man sich endlich dem letzten obliegenden Geschäft zuwenden, der Abfaſſung des " Reichstagsabschiedes ". Dies geschah meist durch eine eigene Kommission und zwar in der Weise, daß diese die verschie denen Beschlüsse , über welche der Reichstag übereingekommen war, nach Materien geordnet , zusammenstellte und redigierte. Freilich war wohl noch nicht über alle Punkte Uebereinstimmung erzielt ; manches hatte man bei der Beratung einstweilen fallen gelassen , dann aber nicht die Zeit gefunden, darauf zurückzukommen. Es galt also , sich jetzt in letter Stunde darüber zu einigen. Auch kam auf den Wortlaut des Abschiedes , auf die endgültige Redigierung der Reichsbeschlüsse oft nicht wenig i
Der Jüngling erft ; es ist ein Recht der Jugend, zu fühlen noch mit Ungeſtüm und Baft, Ihr Vorrecht, es zu nennen Eflicht und Tugend, Wenn hie vergiht des Lebens Müh' und Laft. Er trank sein Glas und sprach : ich kann nicht nippen, Wenn mir die Lieb' zersprengen will die Brust, Trink ich doch auch von meines Mädchens Lippen 3n langem Bug den Kuß, mit Wonn' und Luft. Die Liebe ist mir Sonnenschein und Regen, sie ist mir Morgenröte, Abendtau, sie ist Genoffin mir auf allen Wegen, Durch diefes Lebens schöne Blütenau. Gebracht fei dir mein Soch, dir schönstem aller Triebe, Dir hehrer Simmelsgabe , dir gottgefandter Liebe !
Der Greis fah stumm nach seines Glases Neige, Und ernsten Blicks dann zu den beiden auf, Es war fast so, als ob er ihnen zeige, Was übrigblieb von seinem Lebenslauf. Dann, still die Hände faltend, sprach er leiſe: Der Mensch soll lieben, bis er legt das Haupt, Der schwache Greis liebt auch auf seine Weise, Er liebt in der Erinnerung, und glaubt. Doch ist sein Beil ein anderes Empfinden, Die Hoffnung iſt das Gut, um das er wirbt, Die Hoffnung auf ein Jenseits ftets zu finden In feinen alten Tagen, bis er stirbt. Ich ahn' die Ewigkeit, ich seß' den Himmel offen, Dir, großer Gott, sei Dank, du ließeft mir das Goffen !
Schlagschatten.
Don C. M. Sauer.
1.
statten und sage deshalb , ich bin welt müde." Im Rauchzimmer. Aber, Menschenfind, mit deinem , weltDie erste Quadrille war zu Ende. müde' sagst du ja so viel wie nichts ! Was Zwei junge Männer in untadel weißt du , bei Lichte besehen , überhaupt hafter Balltoilette traten in das von der Welt ? Bis zu deinem fünfund S um diese Zeit noch ziemlich ein- | zwanzigsten Jahre hocktest du über den same Rauchzimmer dem Haupteingange des Büchern, tranchiertest Kadaver und kurier Saales gegenüber . test in den Spitälern herum. Dasselbe Hier ist's behaglich ! " sagte der ältere hast du ohne Zweifel später in Wien und Herr mit der Goldbrille , nachdem er bei Paris gethan. Jezt bist du Privatdozent dem dienstfertig herzueilenden Kellner und ein beliebter Frauenarzt. Hörsaal zwei Schalen Eis bestellt hatte, ich denke, und Krankenzimmer , das ist deine Welt. für heute habe ich meine Schuldigkeit ge- Willst du sagen , du seiest dieser Welt than. " müde, so läßt sich das am Ende be „Hast du die Geschichte schon satt, greifen." Gerhard ?" fragte der andere , dem An"! Du kannst mich eben nicht verstehen ! schein nach um einige Jahre jüngere, in- Die Ursache davon liegt in unserer so dem er sich an der andern Seite des grundverschiedenen Lebensstellung. Dein Tischchens niederließ. Reich ist der weite , grüne Wald. Ein„ Mir scheint , ich fange an zu alt zu fache, ursprüngliche Menschen bilden deine werden für derlei Unterhaltungen. Das Umgebung! Ich aber bin an die GroßHerumhüpfen ist etwas für junge Spring ſtadt gefesselt. Was ich sehe, find Masinsfelde gleich dir , mein wackerer Emil. " fen. Das Unleidlichste dabei ist, daß ich Du und alt? Unsinn ! Du denkst selbst die Maske vornehmen muß, um nicht wohl, als Doktor der gesamten Heilkunde überall anzustoßen. " müſſeſt du eine gewisse ehrwürdige Miene Der junge Forstmann sah den Freund zur Schau tragen und willst deshalb den nicht ohne Besorgnis an. Alten spielen. Was ?" Wahrhaftig, Gerhard, ich glaube faſt, „Lache nicht ! Ich fühle mich wirklich du leidest wirklich am Spleen !" verseßte alt , oder , wenn du lieber willst , welt er. "/ Als ich nach dreijähriger Abwesenmüde. " heit wieder hierher kam, hoffte ich in dir „ Weltmüde? Was soll das heißen ? einen glücklichen , mit sich und der Welt Wie kämest du wohl dazu , der Welt müde zufriedenen Menschen zu finden. zu sein ?" sagte mir, du zähltest troh deiner Jugend Es ist doch so ! Du kannst mich nur zu den geachtetsten und gesuchtesten Aerz nicht verstehen." ten der Stadt, deine Vorlesungen fänden „Höre, Gerhard," sagte Emil, die halb großen Zulauf und deine Ernennung zum geleerte Eisschale beiseite schiebend und Professor extraordinarius sei nur eine nach seiner Zigarrentasche langend, wenn Frage der Zeit. Ich durfte also erwar ich dich nicht zu gut kennte, so würde ich ten , meine Hoffnung nicht getäuscht zu glauben, du wollest den Blaſierten spielen, sehen. Und nun klagst du über Weltum dich interessant zu machen. Aber ab müdigkeit ! Bist du am Ende gar krant ?" gesehen davon , daß das heutzutage nicht Warum nicht gar ! Ich bin so gemehr Mode ist , weiß ich zu wohl , daß sund, daß die Heilkünstler verhungern dir alle Affektation fern liegt. Also rücke müßten, wenn sie von meiner persönlichen heraus mit der Sprache, alter Junge ! Bist Kundschaft leben sollten ! Aber mir fehlt du vielleicht verliebt?" etwas und ich weiß nicht was , das ist Gerhard machte eine abweisende Be- alles !" eine „Und wenn dieses Etwas nun wegung . „Also , wo steckt's ? Mir darfst du schon beichten, denke ich. “ „Ich "Ich habe nichts zu beichten. Wäre ich ein Engländer, so würde ich vielleicht fagen , ich laborierte an einem leichten Spleen. Als bescheidener Deutscher darf ich mir jedoch solchen Lurus nicht ge=
mit gefunden Sinnen könnte den Frauen gram sein?" „Nun also , weshalb willst du nicht heiraten ? Du bist kein übler Burſche, hast eine angesehene Stellung, eine schöne Zukunft, ein für deine Wünsche ausreichendes Vermögen , und deine schönen Patientinnen sprechen mit begeisterter Verehrung von ihrem ärztlichen Berater. Auch schickt es sich eigentlich nicht , daß ein Frauenarzt unverheiratet sei. Du solltest somit schon von Berufs wegen zu Hymens Banner schwören." Was du mir da sagst, Emil , haben mir andere, habe ich selbst mir oft genug gesagt. Trotzdem kann ich mich nicht dazu entschließen. " Aber welche Gründe hast du , dein Einsiedlerleben fortzusehen ? " Gerhard blickte nachdenklich in die Rauchwölkchen seiner Zigarre. ,,Eigentlich ist es eine kuriose Geschichte, " sagte er zögernd , „ ich fürchte , du lachſt mich aus, wenn ich frei spreche. " "} Das wird sich zeigen ! Zunächst rücke heraus mit der Sache." „ Unsere jungen Damen sind mir zu gebildet !" 3u gebildet ? Wie ist das zu verstehen ?" Siehst du , daß du mich nicht ver stehst ! Also "1 sprechen wir nicht weiter von der Sache.' „Nein , im Gegenteil ! Sprechen wir erst recht davon ! Denkst du, ich laſſe mich mit einem Rätselworte abspeisen ? Was hast du an der Bildung unserer Frauen auszusehen ?" Nichts und alles ! Je nachdem du es nimmſt ! " Spielst du schon wieder die Sphinr ? Rede doch wie jeder vernünftige Mensch ! Willst du, daß deine Gattin nichts weiter sei als eine tüchtige Köchin ?" Behüte Gott! Aber nicht ver bildet soll sie sein. " ,,Denkst du, die junge Frauenwelt jei wirklich verbildet ?" Ich bin davon überzeugt ! " „ Das wäre zu beweisen! Glaubſt du, ein den besseren Ständen angehöriger Frau wäre ?" „Eine Frau ?" rief Gerhard mit ko- | Mann , vorab ein Gelehrter gleich dir, " Apage ! Apage ! " fönne an der Seite eines ungebildeten mischem Schrecken. "Oho ! Sind der Herr Doktor bei ſei- | Weibes glücklich sein ?“ ner Beschäftigung als Frauenarzt am Ende „Von ungebildet ist nicht die Rede! J sprach nur von verbildet." gar ein Weiberfeind geworden ?" Hm , falls ich dich recht verstehe, Warum nicht gar ! Welcher Mann |
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willst du dir deine Frau selbst heran" Du irrst , " versette Gerhard ruhig. !! Was bist du für ein seltsamer Heibilden?" Ich betrachte , bis jest wenigstens , die liger, Gerhard ! Sollte man nicht glau " So ist es! " Sache in der That nur akademisch , wie ben, du entsegtest dich bei dem Gedanken, Klothilde könnte sich für dich interessieren?" „Höre , alter Freund , das halte ich du sagst. " " Das ist mir lieb. Ich brauche sodenn doch für ein gewagtes Experiment. " "„Aber lieber Junge, ich versichere dich, „Weshalb ?" mit nicht zu befürchten, daß ich mit einer du bist im Irrtum. Wie käme ich dazu , Weil es , meines Erachtens , um die Frage, zu der ich mich als dein alter bei Fräulein Klothilde ein Interesse zu Erziehung einer jungen Frau durch den Freund berechtigt halte, eine Indiskretion erwecken ?" „Wie du dazu kommst, mußt du besser eigenen Mann eine ganz absonderliche begehe." " Du machst mich neugierig ! " Sache sein muß. “ wissen als ich. Seit den sechs Wochen "! Aber ich weiß nicht vielleicht ist meines Hierseins habe ich Klothilde aufWenn die junge Frau bildungsfähig ist , so macht sich , denke ich , die Sache es doch besser, wenn ich schweige." merksam beobachtet. Meine Augen sind " So sprich doch frei heraus ! Ich gut, verlaß dich darauf. " von selbst." „Das denke ich gerade nicht. Man denke, Emil, zwischen uns braucht es keiner „Nein, nein, Emil, es kann nicht sein! " hat Beispiele , daß ein junges Mädchen Geheimnisse. " „Höre, Gerhard, du kommst mir immer "! Du hast recht. den eigenen Lehrer heiratet, und mit ihm Im Grunde ge- seltsamer vor ! Jeden anderen jungen eine glückliche Ehe führt, aber in diesem nommen bin ich es sowohl dir wie mir Mann würde meine Mitteilung glücklich alle war der Mann vorher der Lehrer, selbst schuldig. Also höre : Du bist der machen ; du aber erschrichst darüber! Was und das Verhältnis der Unterordnung ist ärztliche Berater meiner Tante , kommst hast du an Klothilde auszusetzen ?" ein selbstverständliches. Will aber der als solcher häufig ins Haus und kennst Auszusehen? Gar nichts !" " Sie gehört einer sehr guten Familie Mann nach der Hochzeit die Rolle des die Familie noch von unserer Studienzeit Bildners übernehmen , so hört die Frau her. Sage mir offenherzig, Gerhard : Was an , besißt ein ganz hübsches Vermögen, auf seine Ebenbürtige zu sein, und das hältst du von meiner Kousine Klothilde ?" ist , wie du selbst sagst , eine ganz ausFräulein Klothilde von Helling ?" vertragen die Frauen nun einmal nicht. " gezeichnete junge Dame. Zu dem allen Emil nickte. fommt noch die Aussicht auf eine Schwieger„Bah ! das käme auf die Probe an. " Jedenfalls eine bedenkliche Probe ! „Fräulein Klothilde ist eine ebenso lie- mutter, wie man sie sich nicht besser wünAber zu was willst du denn deine künf benswürdige wie geistvolle junge Dame. " schen kann. Heiraten mußt du ja doch "/ Das weiß ich selbst , deshalb frage einmal , und da dein Herz noch frei ist, tige Frau eigentlich heranbilden ? Zum Meich dich nicht." diziner etwa ?“ jo „Aber was soll ich dir sonst sagen ? Ich bitte dich, Emil, halt ein ! Du „Unſinn ! “ weißt nicht, wie peinlich mich der GegenNun siehst du, es ist nichts mit dei- du kennst sie ja beſſer als ich." nen ehepädagogischen Ideen! Wir müssen Emils Blick heftete sich prüfend auf stand berührt." Du bist also doch bereits anderweitig uns also mit dem Bildungsstande unserer die Züge des Freundes . Ich hoffe, Gerhard, wir haben keine verpflichtet ?" Frauen schon begnügen." Was nennst du Bildungsstand ? „Nein, tausendmal nein ! Ich habe Geheimnisse vor einander," sagte er nicht Unsere jungen Mädchen lernen , herzlich ohne Nachdruck. durchaus keine Verpflichtung , mein Wort „Wie seltsam du sprichſt. Was sollte darauf ! " oberflächlich, zwei, drei fremde Sprachen, „Aber so erkläre mir dein wunderliches etwas Musik , bekommen , weil das jest ich vor dir geheimhalten ?" Mode ist , einen Anstrich von poſitiven "Ich glaube dir , Gerhard ! " sagte Benehmen ! " Vorerst erkläre du mir , weshalb du Wissenschaften, lesen allerlei Durcheinander Emil , dem Freunde über den Tisch die die Sache aufs Tapet bringst. Daß du und plappern eine Theaterkritik nach. Hand reichend. Rennst du das Bildung ?" „Aber ich verstehe dich wirklich nicht," nicht in fremdem Auftrage handelst , be„Bei einem Manne gewiß nicht , für erwiderte dieser treuherzig. „Willst du darf keiner Erwähnung. Also welchen dich nicht deutlicher ausdrücken?" Grund hast du ?“ eine Frau sogar zuviel. " „Den Grund sollst du sogleich erfah„ Siehst du , wir kommen uns schon „ Schon lange wollte ich dich etwas näher , mein Sohn ! " rief Gerhard mit fragen , kam aber nicht dazu, " nahm der ren. Zuvor aber sage mir ganz aufrichLaune. Alles kommt darauf an , daß Forstmann nach einer Pause das Wort. tig : Ist dir niemals der Gedanke gekomman sich verständigt ! " Du bist seit etwa zwei Jahren der Haus- men , daß du Klothilde nicht gleichgültig „Aber du kannst dir doch unmöglich arzt meiner Tante. Hast du bei Klothilde sein könnteſt?“ „ Niemals !“ ein Wesen ohne die heutige , wenn auch nichts bemerkt ?“ Sie ? haben bemerkt ich sollte Was wenn dies nun doch der Fall ,,Und " oberflächliche Bildung zur Gattin wün schen! Vergiß nicht das alterprobte eng hat meine Dienste niemals in Anspruch wäre, was gedenkst du zu thun ?" lische Wort :Never marry beneath you ! " genommen. " „Was kann ich anderes thun , als Emil lächelte. „Der Begriff ist ein relativer. Ich fortan das Haus deiner Tante möglichst denke mir, ein Mädchen, das dem Manne „Meine Frage richtete sich nicht an unauffällig meiden ?" „ Aber Mensch , bist du denn von ihrer Wahl ihre gesellschaftliche Stellung, den Arzt !" erwiderte er. Du begreifst , daß mein Beruf mir Stein ? Du weisest kaltblütig ein Glück ihre geistige Bildung verdankt , muß unbedingt eine vortreffliche Gattin werden, die höchste Diskretion zur Pflicht macht. von dir, um das dich hundert andere be= denn zum Gefühle der Liebe tritt bei ihr Ich beschränke mich deshalb überall streng- neiden ?" noch das der Dankbarkeit. " stens auf meine ärztliche Thätigkeit, " fuhr Lieber Emil , dem Herzen läßt sich nicht gebieten ! Deine Kousine besitzt alle „Mag sein. Doch laſſen wir die aka Gerhard fort. demische Behandlung des Gegenstandes „Nun denn , so will ich dir sagen, Eigenschaften , um einen Mann glücklich beijeite und halten wir uns ein wenig was ich bemerkt zu haben glaube. Ich zu machen. Ich glaube jedoch , daß ich an das Sachliche. Hast du etwa ein sol müßte mich nämlich sehr täuſchen , wenn dieser Mann nicht bin, und deshalb muß ches Mädchen gefunden ?" Klothilde in dir nicht mehr sähe, als den ich handeln, wie die Rückſicht auf die Familié deiner Tante es mir gebietet. " Wie kommst du darauf ?" sagte Ger- Arzt ihrer Mutter. " hard betroffen. Emil schüttelte den Kopf. ,, Du meinst doch nicht — “ Ichdenke auf die natürlichste Weise von „Du bist mir noch die Antwort auf Gerhard hielt inne . Er sah den Forstder Welt. Du klagst über Weltmüdigkeit mann höchlichst betroffen, fast erschrocken an. meine Frage von vorhin schuldig," sagte Emil nickte. Gerhard. und sprichst dabei so eifrig von deinen " Die Antwort ist sehr einfach. Ich Bildungsplänen , daß man unwillkürlich „Das ist ja nicht möglich, du täuſcheſt selbst liebe Klothilde ! " an einen bestimmten Fall denken muß. " dich! "
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er. " Nein , Emil , beruhige dich. Für Gerhard prallte zurück. "Ich liebe sie seit langem im stillen, " Klothilde empfinde ich kein anderes Gefuhr der Forstmann fort. " Wenn ich mich fühl, als das aufrichtigſter Hochachtung, bemühte, in der Residenz beim Ministerium und , was sie betrifft , so widmet sie mir anzukommen, so geschah es, um Klothilde gewiß auch nur die Wertschägung eines nahe zu sein. Ich merkte jedoch bald, alten Hausfreundes . Du hast dich gedaß ich zu spät kam. Meine schöne Kou- täuscht ! " sine hegt für mich nur die Gefühle einer Nun, das wird sich wohl bald zeigen. Schwester. " Jedenfalls bin ich jest einer quälenden „Aber Emil , das ist ja platterdings Sorge ledig. Aber sage mir , Gerhard, unmöglich! Vergleiche doch nur einen wie ist es möglich , daß ein Mann wie Augenblick dich und mich!" du gegen so viele Vorzüge blind sein Um Emils Lippen zuckte ein seltsames kann?" Lächeln. „Es mag das vielleicht eine Folge " Du bist allzu bescheiden, alter Freund, " meiner früheren Verhältnisse sein. Du sagte er. Ich begreife recht wohl , daß weißt nicht, Emil, wie schwer ich mich von Klothilde dir den Vorzug gibt. Ich habe unten heraufarbeiten mußte. Wäre meine tie ganze Zeit draußen gelebt unter mei Vaterstadt nicht auch Universitätsstadt, so nen Waldbauern und bin dabei wohl selbst hätte ich unmöglich meiner Neigung folgen so eine Art von Waldmensch geworden. " und Medizin_ſtudieren können. Schon auf ,,Du, der einzige Sohn des Oberst dem Gymnasium mußte ich zur Industrie jägermeisters von Reiffenbühl, ein junger des Stundengebens greifen , um mir die Mann mit der Aussicht auf die glänzendste Mittel zum Studieren und zu einer anLebensstellung, reich, vornehm , dabei ein ständigen äußeren Erscheinung zu verferngesunder, prächtiger Bursche, und schaffen. Ihr habt damals nicht viel davon ich, der Bücher und Spitalmensch , zur gemerkt. Ein vielleicht übel angebrachter Zeit noch simpler Privatdozent ! Geh, Stolz hielt mich ab, meine wirkliche Lage Emil! Du bist in einer seltsamen Täu- kundzugeben ; auch hätte es mir schwer schung befangen ! " lich etwas genügt , wenn ich es gethan "/ Sagtest du vorhin nicht selbst , dem haben würde. Seit meiner Kindheit verHerzen lasse sich nicht gebieten ? Wie waist , war ich fast gänzlich auf mich ankannst du dich also wundern, wenn Klot gewiesen. Als du nach dem Gymnasium hilde deinen geistigen Wert höher an die Forstakademie bezogst und ich das schlägt , als das , was ich ihr zu bieten Studium der Medizin begann , mußte ich im stande bin ? Auch dürfen wir nicht natürlich um so ausdauernder arbeiten, vergessen, daß du einen nicht zu unter denn da hieß es die Mittel_in_noch weit schäßenden Vorteil voraus hattest. Als größerem Maße als bisher beſchaffen. “ "/ Armer Gerhard ! " unterbrach Emil. ich vor fünf Jahren meinen Posten antrat , war Klothilde fast noch ein Kind. !! Weshalb ließest du mich niemals etwas Unterdessen bliebst du am Plage , und von diesen Verhältnissen merken ? Es wäre ohne daß du es ahntest , war das Glück mir ja ein leichtes gewesen , dir durch dir günstig." meine Familienverbindungen zu einem Gerhard war in tiefes Nachdenken Stipendium zu verhelfen." " Mein guter Emil , du weißt nicht, zu versunken. „Eine fatale Geschichte, vorausgesetzt, wie vielen schweren heimlichen Opfern die daß du recht hast , was ich jedoch noch Freundschaft eines Aristokraten zuweilen immer bezweifle, " sagte er endlich. "/ Und einen Plebejer nötigen kann ," erwiderte was soll daraus werden ?" Gerhard lachend. Ich war stolz darauf, „ Das will ich dir sagen. Unsere daß du, der Sohn des Oberstjägermeisters Freundschaft datiert von der Schulbank von Reiffenbühl , mich allein zu deinem her und ist sich durch alle diese Jahre Freunde erwählt hattest . Du brachtest mich treu geblieben, " erwiderte Emil, die Hand in dein väterliches Haus , machtest mich " Ein solches Band bekannt mit deinen Verwandten. Durfte des Ärztes fassend. löst man nicht so leicht. Sobald ich wahr- ich mir da anmerken laſſen , daß ich den nahm , oder, wenn du lieber willst, wahr schönen neuen Rock, die schönen Handschuhe zunehmen glaubte , Klothilde sei dir ge- mit mühsam erworbenem Lektionengelde neigt, hielt ich es für meine Pflicht, nichts bezahlte ? Zum Glücke hattest du keine zu thun, was uns zu Nebenbuhlern oder Neigungen zu kostspieligen Vergnügungen, gar zu Gegnern machen könnte. Ich war denn sonst hätte ich mich bald zurückziehen entschlossen, dir den Platz zu räumen. " müssen , und das hätte mir weh gethan, „Mein wackerer Emil , das sieht dir denn du weißt , ich hatte dich lieb ! Nun gleich! " rief Gerhard , den Händedruck also, zur Zeit, wo ich neben meinen Uniherzlich erwidernd . versitätsstudien die erwähnte Privatindustrie Ich bin sogar entschlossen, dies noch betreiben mußte, kam ich in so manche wohl jekt zu thun, wie hart es mir auch fallen habende Bürgerfamilie. Ich zählte manches möge," fuhr Emil fort , denn siehst du, hübsche junge Mädchen zu meinen SchüleGerhard, meiner Ueberzeugung nach wäre rinnen , und mehr als einmal fühlte ich mich versucht, den Schulmeister gegen eine Klothilde die richtige Frau für dich." Der junge Arzt sah den Freund nicht mir beſſer zusagende Rolle zu vertauschen. Aber überall sah ich mich stillschweigend ohne Rührung an. „ Und da behauptet man, es gebe keine in die mir gebührende Grenze gewiesen. wahre Freundschaft in dieser Welt ! " sagte Da fiel es meinem Hagestolz von Oheim,
906dem Bruder meiner Mutter, welcher, is weiß nicht warum, mit meinen Eltern nicht zum besten ſtand, plößlich ein, das Zeitliche mit dem Ewigen zu vertauschen. Er hatte kein Testament gemacht , und ſo erwachte ich eines schönen Morgens als der Erbe eines ganz hübschen Vermögens .“ Dreißigtausend Thaler, falls ich nicht irre ?" Ganz recht. Ich besaß also eine Rente von fünfzehnhundert Thalern. An ein ein faches Leben gewöhnt , konnte ich damit mehr als doppelt und dreifach meine Be dürfnisse decken. Die Stundengeberei durfte ich jetzt an den Nagel hängen. Nun wohl, Emil! Von diesem Tage an wurde ich der bisher von niemand Beachtete , mit einemmal Gegenstand des lebhafteſten In teresses für meine schönen Schülerinnen und deren Familien ! Man bestürmte mich die Stunden fortzusehen, überhäufte mid mit Einladungen zu Lesekränzchen, Haus bällen, Landpartien u . dgl. Wie es scheint hatte das Gerücht meine Erbschaft nod um ein gutes Stück übertrieben. Mein ehemaligen Schülerinnen machten förmlic Jagd auf mich. Ich hatte alle Händ voll zu thun , um mich dieser schmeichel haften Auszeichnungen zu erwehren. Di Folge von dem allem war , daß ich nad und nach einen wahren Ekel gegen di Gesellschaft empfand. Immer mehr schlo ich mich ab, lebte ausschließlich meine Studien und wurde so allgemach eine Ar von Sonderling. Sichst du , Emil , de ist meine Geschichte.“ " Und von Klothilde befürchtetest d wohl etwas Aehnliches ?" fragte Em lächelnd. „Gott verhüte , daß ich von Fräulei von Helling jemals etwas derartiges gedad hätte ! " rief Gerhard haſtig , „ ich bitt mich nicht mißzuverstehen ! Ich wollte d nur zeigen , wie es fommt, daß unse jungen Damen mich kalt lassen. An dei Kousine habe ich dabei nicht im entfer testen gedacht. " " Das weiß ich, Gerhard. Nun, es i mir lieb, daß wir uns frei ausgesproc haben. Aber, " sagte Emil, nach der l sehend , ich merke , wir haben uns dat ein wenig verplaudert. Es ist Zeit, ich in den Saal zurückkehre. Die Pel geht draußen zu Ende und ich bin z Klothilde zum nächsten Tanze engaaie Also , du läſſeſt mir bei meiner Kouï unbedingt freie Hand ?“ „ Unbedingt ! " ,,Nun wohl, so werde ich mein Gli probieren ! Kommst du mit ?" „Nein! Ich gedenke nach Hauſe gehen. Auf dem Balle der Mediziner he ich mich gezeigt, das genügt ! Bonne chan Emil ! " "Ich danke!" sagte der Forstmann a stehend. " Also, auf morgen !" "/ Gute Nacht , und nochmals bon chance !" Emil legte den Betrag für das C neben die Schale, reichte dem Freunde Hand und verließ das Zimmer. 3 Zurückgebliebene saß eine Weile in e
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Danken versunken da, dann zuckte er leicht die Achseln, zündete eine frische Zigarre an , zahlte und ging hinaus , um sich in der Garderobe den Pelz zu holen. Durch die große Glasthür des Ballſaals sah er, wie Herr von Reiffenbühl mit Klothilde am Arme sich zur Kolonne anstellte. "!Viel Glück, alter Junge ! " murmelte er, " ich gönne dir's von Herzen !"
2.
Dr. Hunold erhält eine Patientin.
Seit dem Gespräche im Rauchzimmer zwischen Emil von Reiffenbühl und Dr. Gerhard Hunold waren etwa drei Monate verflossen. Seinem Vorsaße gemäß hatte lesterer die Besuche bei Frau von Helling von jenem Abend an nach Möglichkeit beichränkt. Obwohl er Klothilde jezt aufmerkjamer beobachtete als vorher, vermochte er doch nichts wahrzunehmen , das Emils Ansicht bestätigt hätte. Das junge Mädden blieb ihm gegenüber vollkommen gleich. Frau von Helling hatte bereits mehrfach ihre Verwunderung darüber ausgesprochen, daß Herr Dr. Hunold mit seinen Besuchen ſo ſparſam geworden sei. Obwohl Klothilde jedesmal zugegen war, fand sie doch keine Beranlassung, auch ihrerseits eine Bemer fung beizufügen. Ahnte sie , daß seine ſeltneren Besuche einen besonderen Grund hatten , oder war ihr sein Kommen oder Fernbleiben überhaupt gleichgültig ? Er glaubte das lettere annehmen zu müssen und fand dadurch die Ansicht bestätigt, daß Emil mit seinen Vermutungen auf falichem Wege gewesen sei. Gerhard mußte sich gestehen , daß ihn diese Gleichgültigkeit Klothildes feineswegs angenehm berührte. Auch der wenigst ein gebildete Mann besigt seine kleine Dosis Eitelkeit. Der Gedanke , eine in jeder Beziehung so ausgezeichnete junge Dame wie Fräulein von Helling habe ihn ihrer Aufmerksamkeit würdig gehalten, hatte ihm doch ein wenig geschmeichelt. Nun zeigte es sich, wie unbegründet Emils Meinung war. Etwas wie das Gefühl heimlicher, selbst von einer leichten Bitterkeit nicht ganz freier Beschämung , überkam ihn bei diejer Wahrnehmung . Als ob sich ein Fräulein von Helling für einen Menschen zleich mir überhaupt interessieren könnte!" dachte er , „ troß meines Wiſſens , trog meiner Erfolge bleibe ich für sie nur ein Plebejer ! Nun, um so besser ! Wer weiß, ob ich ohne Emils seltsame Täuſchung nicht och einmal den Abstand zwischen der Tochter des fel. Oberappellationsgerichtspräsidenten von Helling und dem simpeln Dr. Hunold vergessen hätte!" Obwohl er öfters mit Emil zusammen am, war der Gegenstand ihres damaligen Hesprächs doch nicht wieder berührt worden. Er wußte daher auch nicht, wie weit Herr Jon Reiffenbühl mit seinen Bemühungen im die Gunſt ſeiner schönen Kousine vorzeichritten sei. Da Emil nichts darüber jagte, so fühlte Gerhard sich nicht berechtigt eine Frage an ihn zu richten und jog es vor zu schweigen .
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Zu Anfang Mai war er durch Professor | daß er noch kein Billet gelöst hatte . Er Mylius, den berühmtesten Frauenarzt der trug einem vorübergehenden Packträger Residenz, telegraphisch nach dem etwa zehn auf, den Handkoffer einstweilen in ein Meilen entfernten Städtchen Oberolz be- Koupee zu schaffen, und eilte nach der Kaſſe. rufen worden, um auf einem benachbarten Vor dem Schalter standen eine Menge Schlosse bei einer wichtigen Operation Bei- | Leute. Es dauerte daher eine geraume stand zu leisten. Da die Patientin , eine Weile , bis die Reihe an ihn kam. Alz hochgestellte Dame , während der Nacht er zurückkehrte, sah er den Packträger nicht. unter Obhut des Professors blieb , so Das Billet in der Hand ging er die Wagenkonnte Gerhard noch mit dem Abendzuge reihe entlang, um seinen Koffer zu suchen. zurückkehren. Endlich entdeckte er ihn in dem leeren Oberolz ist berühmt durch seine reizende Koupee eines der letzten Wagen. Ohne Umgebung. Hart am Fuße des WaldZweifel hatte ihn der Träger hier untergebirgs liegt der Bahnhof des Ortes . Vom gebracht , um dem Reisenden einen bePerron umfaßt der Blick das meilenweit quemen Play zu sichern. Während Gerhard den herzueilenden von der Olz durchzogene Thal. Als Gerhard bei der Station anlangte, stand die Dienstmann bezahlte , erscholl das dritte Sonne noch hoch an dem wolkenlosen Läuten. Er stieg ein. Gleich darauf erHimmel. Wie flüssiges Gold gliserten die schien der Schaffner , um das Billet zu Wellen des Flusses , von den Wäldern foupieren. Gehorsamster Diener, Herr Doktor!" wehte ein würziger Hauch herüber, gemischt mit dem Dufte der Fliederhecken und rief der Mann, sichtlich erfreut, indem er Blumenbeete des Restaurationsgartens . In mit einer bei seinen Berufsgenossen unden Zweigen der frischbelaubten Linden gewöhnlichen Höflichkeit die Müze abnahm. wirbelten die Vögel um die Wette, drüben „ Ich habe schon lange darauf gepaßt, dem im Walde hämmerte der Specht, und auf Herrn Doktor wieder einmal zu begegnen ! " dem Teiche des nahen Herrensißes zog ein ,,Sie kennen mich ?" fragte Gerhard, einsamer Schwan in majestätischer Ruhe ihn schärfer ins Auge fassend. Wie sollte ich nicht ? Der Herr Doktor seine Kreise. Selbst die profaiſche Eiſenbahn ſchien haben mich ja kuriert , als ich vor zwei in dem Frühlingszauber befangen. Keine Jahren nach dem großen Eisenbahnunglücke pustende Maschine unterbrach mit schrillem bei Wörth mit der gebrochenen Rippe im Pfiffe die Stille. Nur drüben im Tele- Spitale lag. " graphenbüreau klapperten emsig die Appa Richtig! Nun erinnere ich mich! Und rate, und aus dem Restaurationslokale wie geht es jest ?" , sehr gut! Der Herr Doktor haben ließen sich ab und zu die Stimmen der mit den Vorbereitungen für den zu gewär bei mir ein solides Stück Arbeit gemacht! tigenden Personenzug beschäftigten Dienst Ihnen danke ich meine Gesundheit. " „Nun, das freut mich. Nicht immer leute vernehmen. Gerhard war mit der Equipage der gelingt es uns so gut, "gebrochene Rippen Gräfin von Schloß Kirniß durch den Wald wieder ganz zu machen. Während der Schaffner koupierte , kam nach der Station gefahren. Aufdem Bahnhofe fand er noch alles öde. Ein Blick auf ein junges Mädchen, einen kleinen Reiſeden Fahrplan zeigte ihm, daß er noch eine koffer in der Hand , den Plaid auf und volle Stunde bis zum Abgange des Zuges den Sonnenschirm unter dem Arme eilenden hatte. Er setzte sich in den Restaurations Schritts über die Schienen gerade auf den garten , ließ sich ein Glas Wein geben Wagen zu . und genoß in vollen Zügen den herrlichen Wohin?" fragte der Schaffner. Frühlingsabend. Das Mädchen nannte die Hauptſtadt. Trotz der heiteren Umgebung versank In demselben Augenblick erscholl vorn der junge Arzt , er wußte nicht warum, der Ruf : „Fertig!" allmählich in stilles Sinnen. Er dachte Schnell hier herein, Fräulein !" sagte zurück an seine Besprechung mit Emil, an der Schaffner, die Koupeethür öffnend und die vielen , von niemand geahnten An- die Reisende in den Wagen schiebend. „ So ! strengungen , Entbehrungen und Zurück- Nun ist's gut ! Aber um ein Haar wäre es sehungen , unter denen seine erste Jugend zu spät gewesen ! Bitte um das Billet ! “ Das junge Mädchen, erhißt vom raschen verflossen war. Wohl durfte er heute zufrieden sein ! Aber wie schwer hatte er das Gehen, legte den Handkoffer auf den Sih, alles erringen müſſen ! Und würde er ohne warf Plaid und Sonnenschirm darüber, jenen Zufall, der ihm plößlich die Mittel nahm das einfache Strohhütchen ab , und zum Weiterschreiten in den Schoß warf, strich sich die Locken aus dem Gesicht. "Uf!" sagte sie , tief Atem holend, wohl jemals durchgedrungen sein? Also nicht seinem Talente, nicht seinem eisernen diesmal habe ich's noch getroffen ! Das Willen , nicht seiner unablässigen Thätig Billet wollen Sie ? Ja , wo mag das feit, sondern einem blinden Zufalle ver- wohl sein ?" Sie suchte erst in der einen , dann in dankte er die Erreichung seines Zieles ! Das Pfeifen der heranbrausenden Ma- der andern Tasche des Kleides . " Wenn schine entriß ihn seinen Gedanken. Lang- ich den Zettel beim Laufen verloren hätte ! " sam rollte der endlose Wagenzug in den rief sie, das wäre eine schöne Geschichte ! Bahnhof. Im nächsten Augenblicke herrschte Sie würden mich gewiß auf der nächsten lautes, geschäftiges Treiben an dem vorher Station wieder an die Luft setzen ! Nicht so stillen Orte. Gerhard erinnerte sich, wahr, Herr Schaffner ?"
DRELL FUSSIEG Mattalp (S. 875).
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915 914 Sie, weshalb ich mich in Lenzenbrunn ge913Sie haben sich ohne Zweifel ein wenig ilt d be?" htete " ge mit dem Abschiednehmen aufge langwe Die Worte waren von einem halb zu lan Gerharha betrac überrascht den nied neitlichen , halb schelmischen Blicke be- halten und so beinahe den Zug versäumt !" lichen weiblichen Beamten . Da Sie schon die Güte hatten , fich alettet. Zugleich bemühte sie sich , mit er.t dem Abschiednehmen ? Ach nein ! mir "vorzustellen , mein Fräulein, " sagte er, „Mi einem aus dem Portemonnaie genommenen sagte Das war bald abgemacht ! Aber man sagte so erlauben Sie mir, Jhrem Beispiele zu Schlüffelchen den Koffer zu öffnen . Nun, wenn auch das gerade nicht !" mir, von Lenzenbrunn bis zum Bahnhofe folgen. Ich heiße Doktor Gerhard Hunold, verieste schmunzelnd der Schaffner ; aber sei kaum eine halbe Stunde ! Vielleicht ist bin praktischer Arzt und zugleich Dozent bestäulein müßte doch ein anderes Billet es auch nicht weiter. Wahrscheinlich verversität . "derholte an der Unint Doze ? " wie respektvoll die gaß ich mich ein bißchen beim Blumenn." rend das Mädchen in dem Koffer pflücken , während die alte Lene mit dem Telegr lojeWäh " aphistin . Das ist gewiß ein recht " herumjuchte , hatte Gerhard Gelegenheit , Kofferchen voranging . Plößlich hörte ich hoher Titel , nicht wahr , Herr Doktor ?" „Passiert ! Jedenfalls steht er, was den feine Reisegenoffin genauer zu betrachten. das Glockenfignal von der nächsten Station . Eie mochte etwa zwanzig Jahre alt sein . Nun hieß es eilen ! Bei dem Laufen habe damit verbundenen Gehalt betrifft , dem Das Gesicht , nicht eigentlich schön , war ich denn auch richtig meine schönen Wald- Ihrigen nach, denn vorläufig bringt er mir soviel wie nichts ein , während Sie , als bafür ungemein ansprechend . Kleine, perlloren . d blumen enf Sie nicht zur Kur in königliche Beamtin , Ihren festen Gehalt „Jed veralls sin weiße Zähnchen blickten aus dem halb zum Biheln geöffneten, taufrischen Mund her Lenzenbrunn !" meinte Gerhard mit einem enun bezieh . " hundert Mark alles in allem ! " ,,Ne r. Die Augen , von dunklem Braun , Blick auf die kerngesunde Gestalt . e chn ! rief das Mädchen , das Köpfchen zurückauke h tr tt Wa er nk brin ! htIc seissDa Goche che,uli zu pemahnten beim Aufschlagen an den Blick das ,,Ne nic absin r d et . werfend . ie len ost al ug Damit soll man Sprünge mas fal r be nm gek des. Ne au es der wa bei ich Auf ha eines Kin Ei " Falle der Formen der schlanke Wuchs . " n , Sprünge kann ich mit meinen Die Taille hätte sich bequem umspannen Aber brr ! Ich thue es nicht wieder !" chen!„Nu Die Gebärde des Abscheus bei diesem Honoraren als Privatdozent gerade auch n. ift's!" rief das Mädchen verlaſſebier nicht machen ! " rief Gerhard munter . „Darf Brr ! war von unwiderstehlicher Komik. Um so mehr ist die Mama, die Tante ich mir erlauben zu fragen, wie Sie dazu migt , indem sie aus einem rotledernen Brieftaschchen einen bedruckten Zettel her- oder" Schwester zu bedauern , wenn sie alle kamen , zum Telegraphen zu gehen , mein rog. Ich wußte ja, daß ich das Ding Tage ihre wohlgezählten fünf Becher trinken inru ?" m nicht ? Es ist kein GeheimWa muß , nicht wahr , Fräulein ?" fuhr Gerhard Fräule t aufgehoben hatte !" ter e nt wes h ma r nt Meine Mutter ist Witwe und beme ! Ic nis ? ode Sch , Ta „Ma , Der Schaffner prüfte das Doku nd zfort . ein r gan in Lenzenbrunn und freue zieht eine kleine Pension ; den Vater verall wahel den Koupon ab und gab es zurück . läc „Also, ich danke nochmals für all die mich, aus dem langweiligen Neste fortzu- loren wir vor zehn Jahren . Vermögen ebe und Güte, die Sie mir im Spitale kommen, obwohl mich auch in der Residenz ist keines da. Um halbwegs auszukommen , mußten wir also hübsch knapp leben. wiesen haben, Herr Doktor ! " sagte er, zu Als wir heranwuchsen , meine Schwester Berhard gewendet . „ Recht glückliche Reise ! " nicht viel Angenehmes erwartet ." Nehmen Sie sich nur in acht , daß „Lenzenbrunn hat Ihnen also nicht ge- Bertha und ich , da hieß es sich gehörig e nicht wieder in unsere Hände fallen !" fallen ? Während der Saison soll es dort zusammennehmen . Bertha hatte Freude am Lernen . Sie studierte wie ein Professor widerte Gerhard , freundlich nickend . doch ganz unterhaltend sein ." Während der Saison ? Wohl möglich ! und brachte es richtig dahin, mit achtzehn de schon gut aufpassen , Herr DokWer 韓 Ich war leider nur während des Winters Jahren Erzieherin in einem vornehmen Der Schaffner nahm nochmals respekt- dort und da war es keineswegs besonders Hause in Berlin zu werden . Bei mir war das anders . Ich war , wie unsere Lehrerin zu die Müge ab und kletterte auf seinem unterhaltend , Herr Doktor !" Was Sie sagen ! Ich denke , es gibt sagen pflegte, ein kleines Quecjilber. Das frittbrette zu dem nächsten Koupee . Bei den Worten „ Doktor “ und „Spi- doch"!Konzerte, Bälle und auch ein Theater viele Studieren behagte mir nicht . Auch hatte ich keine Lust , Gouvernante zu wer al hatte die junge Reisende ihren Nach nzenbrunn ?"r flüchtig , aber mit unverkennbarem in Le für mich gab es das den . Aber etwas mußte ich doch ergreifen. „Gewiß , abe Nun, sehen Sie , Herr Doktor , ein Mädntereffe angefehen. Sie schloß die Brief! " n Sie in so klösterlicher Ab- chen ohne Vermögen ist wirklich übel dran. nicthtma he wieder in das Kofferchen, setzte den alles Ha Mein Vater war königlicher Beamter, und ut auf und rückte in die Ecke beim Fenster . geschiedenheit gehalten ?" Der Zug ſauſte mit voller Dampffraft Ich mußte mich selbst darin halten, man ist seiner Familie doch auch eine gen dieMäd chinnesaß re flog en weil ich niemand hatte, um mich zu irgend wisse Rücksicht schuldig . Zur Lehrerin fehlte te gege Masche ; ihrmit Haadem abin. Das Gees mir an Geduld ; um zum Theater zu einer Unterhaltung rd zu begleiten. " Das ist merkwü ig ! Sie lebten aber gehen , an Talent und auch an Neigung . lo in der Zugluft. Sie schien es nicht i doch wohl bei Verwandten oder in irgend So lernte ich also die Puhmachere . Gerade beachten. als ich damit fertig war , sagte meine Mutter Erlauben Sie mir eine Bemerkung , einer befreundeten Familie ?" raulein! " jagte Gerhard. " Sie sind noch "Ich lebte in der Familie meines Bü- eines Tages zu mir : Höre , Anna , ‘ — ich heiße nämlich Anna (Dr. Hunold verfehlte tvom Gehen und seßen sich in den rs ! " reaudienere s ? Wie kommt nicht , bei dieser Mitteilung sich höflich zu ner die s eau "Ih Bür ftzug ! Das ist gefährlich !" Meinen Sie ? Doch ja! Sie verstehen. eine junge Dame gleich Ihnen zu einem verbeugen, eine Artigkeit , die Fräulein Anna "Ich sehe schon , Herr Doktor , ich muß mit gnädigem Nicken erwiderte) — , gestern besser als ich, denn Sie sind Doktor , re h au nen selbst vorstellen , " sagte lachend war der Herr Kommiſſar hier, um mir zu Ih?" mic ich vorhin vom Schaffner gehört habe ! " Bü ings Arrsam b das Mädchen. rd hal zt d le n Ich bin nämlich ," fuhr sagen, daß ein Kursus für Telegraphiſtinnen des , un al Ich bi t e Dami rüdt ſie geho vom Feng r e un che er rk vität fort , „königliche eröffnet wird . Er fragte , ob du nicht Luſt kis t r e it me Gra nec mi sie , Be mi di we ich be weg. Zie beſſer daran thun würden , den Telegraphistin, war während des Winters hättest , daran teilzunehmen . Wenn du dem Amte in Lenzenbrunn zugeteilt und die Prüfung bestehst , bekommst du sogleich hen ! " kehre nun , zunächst mit vierwöchentlichem eine Anstellung mit fünfhundert Mark. Tem Arzte muß man gehorc barin mit dem Tone Urlaub , nach der Residenz zurück , um meine ,Warum nicht , Mama ? antwortete ich . ch e eh Name ortete diun n .“ t is einz cher Unterwürfigkei , während sie sich franke Mutter zu pflegen . Vielleicht ge- Den Kopf wird es ja nicht kosten ! Ob lingt es mir , bei dem Haupttelegraphen- ich mit Nadel und Schere herumfingere Berhard gefiel das müntere Wesen seiner amte in Verwendung zu kommen und in oder mit dem Apparat flappere , kommt So wurde ich der Hauptstadt zu bleiben . So, nun wissen auf das gleiche heraus . die andere Bank sette. 39 #
gefährtin . II. 89.
C. M. Sauer. Schlagschatten . 918: Wenn oder von dem Ungeziefer reinigend . Gerhard sie damals bei seiner Plauderei mit Emil ebenso liebenswürdig wie geistvoll nannte, so genügte ein Blick auf die edle Erscheinung mit den milden und zugleich ernsten Zügen , um das Urteil gerechtfertigt zu finden. Klothilde war keine sogenannte blendende Schönheit. Ihre nur wenig über die Mittelperson reichende Ge beim Haupttelegraphenamte anzukommen , Kranken , nicht wahr, Herr Doktor ?" ,,Sie sprechen da eine der tiefsten Wahr stalt bekundete jedoch das reinste Ebenmaß . was mir sehr lieb wäre . Sehen Sie, Herr heiten der gesamten Heilkunde aus, Fräu- Das tiefschwarze , ins Bläuliche spielende Doktor, nun wissen Sie meine ganze Ge- lein Anna!" sagte Gerhard lächelnd . Haar , sowie die großen, dunkeln, ausdrucksch? Nun sehen Sie, da hat wie vollen Augen deuteten auf eine südliche kli Wir schichte ! " Fräulein Anna hatte ihre biographischen der "einmal eine blinde Henne eine Erbse Herkunft . In der That entstammte KloDaten mit der größten Unbefangenheit ge- gefunden ! Doch davon wollte ich nicht thildes Großmutter dem europäischen geben. Sie plauderte mit Gerhard wie sprechen. Ich dachte mir , wenn Sie die Afrika , d. h. Spanien . Als Oberst bei mit einem alten Bekannten . In den Künsten Güte hätten, meine Mutter einmal zu be den deutschen Truppen , mit deren Hilfe der Koketterie schien sie gänzlich unerfahren . suchen, so würde sie zu Ihnen gewiß Ver- Napoleon die Freiheit der pyrenäiſchen Wäre Dr. Hunold ein Mann hoch in den Halbinsel zu vernichten gedachte, war Herr faſſen. " Sechzigen oder ein Mädchen in dem Alter trauenDas ist sehr schmeichelhaft für mich, von Helling bei einem Gefechte unfern der niedlichen Beamtin gewesen , sie hätte Gerona in die Hände des Feindes geraten. Fränulein !" nicht mit mehr ungezwungenheit sprechen mein„Nei , im Ernste ! Sie machen kein so Seiner späteren Gattin verdankte er Leben können. In ihrem Wesen lag etwas unge- schrecklich gelehrtes Gesicht , daß man sich und Freiheit . Nach Beendigung des Krieges künstelt Kindliches , das Gerhard ganz merk beinahe fürchten muß. Mit Ihnen kann führte er die schöne Carmen de Veras y würdig angenehm berührte . Es wollte ihn man reden fast wie mit seinesgleichen . " Moreno heim. Klothilde hatte die Großbedünken , als habe er sich niemals einem „ Nun , ich werde nicht verfehlen , Ihrem mutter noch gekannt und sogar Spaniſc so reizenden Naturkinde wie diesem Fräu- Wunsche zu entsprechen , " sagte Gerhard , von ihr gelernt , welche Sprache sie auch lein Anna, wohlbestallter Telegraphistin in das Notizbuch hervorziehend . „Wenn ich später mit Vorliebe pflegte . Die schwarzen Ihre Mama gesehen habe, hoffe ich, Ihnen Haare und die dunklen Augen waren spaLenzenbrunn , gegenüber befunden . Wenn ein Schaffner einem Reisenden sagen zu können , wie es mit ihr steht . nisches Familienerbstück ; dagegen bekundespezielle Gunst erweisen will , so sorgt er ten der helle Teint und das duftige Not Darf ich um die Adreſſe bitten?" dafür, daß niemand zu demſelben ins Koupee Renteigasse Nr. 10 , dritter Stock, der Wangen germanisches Blut . ds kba atient hardan als Frau"/ verwitwete Registrator Wilken , " dik sich ohl bewties Erpres Gerers . ond stei . Obw Gemü ein gtbes Bei dem der milden Mailuft_wegen eten Fenster saß Frau von Helling , ffn en, ma er len geö daß sag Ma Ihr Sie „Wol n sich auf den verschiedene Stationen Rei- tierte Anna. des Herrn Doktors doch eine unnahbare ich morgen gegen zehn Uhr kommen werde . " ein Buch in der Hand. Mehr als die sende genug vorfanden , blieb das Koupee Sie sind sehr gütig , Herr Doktor ! " Lektüre schien indessen ihre Tochter sie zu Ich war beschäftigen , denn häufig schweiften ihre Tafel mit der sakramentalen Aufschrift : sagte Anna, sichtlich erleichtert . " ch e r g ätt ste er die ist hin Fen dem Unt . Fre nd pee rha ge ßer on kou nun Blicke über die Seiten hinweg und hafkli und , vle Sor in gro ne sch wir Fre ", und kei ,,Dienst _an wagte es, nach der dadurch gefeiten Klinke hat mir der Zufall mit einemmal aus der teten mit mütterlichem Wohlgefallen Verlegenheit geholfen . Es war also doch der Gestalt des jungen Mädchens . Der gut , daß ich mich in dem Walde aufgesprächtige, schneeweiße Pudel zu ihren Füßen ten und damit beinahe den Zug ver- hatte den Kopf auf das Fußbänkchen gehal . zu langen Fräulein Anna war eine mitteilsame legt und blinzelte im Halbschlafe bald nach Natur. Sie erzählte Gerhard von ihren säumt habe ," setzte sie mit der früheren der Dame des Hauses , bald nach der zwi kleinen Erlebnissen, im Dienste und schil- munteren Laune hinzu ; denn ohne diesen schen den Gewächsen auf und ab schreiten derte ihre Studien und die mit Auszeich Zufall wäre ich schwerlich zu Ihnen ins den Klothilde . nung bestandene " Prüfung mit so drolliger Diese war unterdessen näher gekommen . pee gekommen !" Kou Laune, daß er dabei mehr als einmal laut Bei dieser philosophischen Betrachtung Sie hatte die Gartenschere auf das Gested n hteche ullmebebesten. em eSchzu gab Fräulein Annas hielt der Zug im Zentral aus . Auc auflac e ihr Episod heihter man sie gelegt und sah jezt zufällig nach dem FenDarüber verging die Zeit wie im Fluge . bahnhofe . Während Gerhard seiner Reise ster. Ihre Blicke begegneten denen der Als der Zug bei der vorletzten Station gefährtin aus dem Wagen half, ging , von hielt, wunderte sich Gerhard , daß sie dem ihm unbemerkt , eine ältere Dame, gefolgt Mutter Nu. n , Mama , wie gefällt dir das "! Ziele ihrer Fahrt bereits so nahe waren . von einem ihr Gepäck tragenden Diener , ? " fragte sie. Hier entstand ein längerer Aufenthalt , an ihnen vorbei, warf einen überraschten , Buch"Hm ! Die Wahrheit zu sagen , habe ten r s ngt ck haf on und den Paa ehä das Bli erst auf fast bos wer ang weil einige Wagg ich kaum ein paar Seiten gelesen . " mußten. Troß des Zudrangs blieben die dann in das leere Koupee mit der davor „Wie ? Während der ganzen Zeit Reisenden auch diesmal im Alleinbesize hängenden Tafel , und trat dann zur Seite, Was" hast du, Mama ? Bist du nicht wohl?“ um die beiden vorangehen zu lassen. GerGanz wohl ! Aber zerstreut bin id! d begleitete Fräulein Anna zur nächsten Ich "1dachte über so mancherlei nach und har ihres Koupees . Fräulein Anna schien über etwas nach Droschke, hob sie hinein und verabschiedete gaß dabei aufs Leſen !" zudenken. Sie sah Gerhard einigemal sich mit dem Versprechen , am nächsten ver Wor über hat sie denn nachgedacht , ri an, als ob sie etwas auf dem Herzen hätte, Morgen ihrer Mutter die erste Visite zu qute" Mama ?" rief Klothilde , indem fi ohne daß sie es wagte , damit herauszu Hektors Kopf vom Schemel wegschob unt machen . sich zu Frau von Hellings Füßen jest .. rücken . 3. Wie lange haben wir noch bis zur Stimmt vielleicht die Wochenrechnung " , Herr Doktor ? " begann sie endlich . Klothilde . " ht ? Weshalb wendet man sich in dieser Stadt nic „Ich denke , etwa eine Viertelstunde . " Fräulein von Helling weilte im Kreise Falle nicht an seine Klothilde ?" Die Antwort schien bestimmend auf ihrer liebsten Freundinnen , der Blumen . Frau von Helling legte den Arm un asen . fragen , Herr Das Gewächshaus nahm dieganze Sommer- den Nacken der Tochter und küßte sie a irk luß Sie etw schich einzuw Entf ihren Dar Es betrifft seite des geräumigen Gartens hinter dem rn . Hause ein. Langsam schritt sie die Reihen die Sti Ich habe darüber nachgedacht , daß i Doktor ?" begann sie zögend. " nicht mich, sondern meine Mutter. " entlang, hier einen herabhängenden Zweig anfange recht alt zu werden ." enule ineit te nIhn ber "Ichtesag . " s , daß meine aufbindend , dort ein Blatt vom Staube Frä , mei „Bit
also Telegraphenelevin , bestand die Prü6vor drei Jahren meine fung und erhielt -91 erste Anstellung. Vorigen Herbst wurde ich nach Lenzenbrunn mit neunhundert Mark Gehalt versezt , und jest hoffe ich durch die Verwendung des Herrn Kommissars , eines alten Freundes meines seligen Vaters ,
917-daß ich Urlaub ge- | Mutter krank ist und nommen habe , um sie pflegen zu können . Wie sie mir schreibt , ist unser alter Arzt, der Dr. Neureuter , selbst erkrankt . Zu seinem Stellvertreter hat sie kein rechtes Vertrauen. Das Vertrauen in den Arzt ist aber doch wohl die Hauptsache bei einem
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„Alt, Mama ? Was dir einfällt ! Mit achtundvierzig Jahren ist man doch nicht alt ! Ueberdies zeigt dir auch der Spiegel, wie sehr du dir Unrecht thust. “ „ Es sind nicht die Jahre allein, welche das Alter bestimmen , mein Kind !" sagte die Mutter, nachdenklich den Kopf wiegend. Wie viel haben wir erlebt, seitdem dein Vater von uns geſchieden iſt! Das macht alt vor der Zeit, Klothilde." Der Blick des jungen Mädchens umflorte sich. „Ach ja. In dieser Beziehung hast du recht, Mama. Ich begreife. " „Wir sind zwei alleinstehende Frauen, " fuhr Frau von Helling fort. „ Es ist nicht gut, wenn dem Hauſe der Mann fehlt. " „Das hast du früher niemals gesagt, Mama. Ist etwas vorgefallen ?" „Ich denke an dich, mein Kind . Was soll aus dir werden, wenn ich plöglich abgerufen würde?" „Aber liebe, süße Mama , wie magst du dich mit solchen Gedanken quälen. Bist du nicht wohler als früher ? Kommt Dr. Hunold nicht seit einiger Zeit weit seltener als vorher?" " Das ist alles wahr. " !! Nun also. Welche Ursache hast du zu so trüben Gedanken ?" " Meine Sorge gilt nicht mir, sondern dir, Klothilde ," sagte Frau von Helling, die Tochter enger an sich ziehend. "! Laß mich offen sprechen. Ich wäre glücklich, wenn ich dich an der Seite eines geliebten, deiner würdigen Mannes sähe." Klothilde wechselte die Farbe. „Mama , du verhehlst mir etwas ," rief sie ängstlich. "/Was ist geschehen ?" Emil war gestern bei mir , während du den Besuch bei Rieders machtest. Er sagte mir, der Minister habe die Absicht, ihn mit einer forstwiſſenſchaftlichen Studienreise ins Ausland zu betrauen , die ihn vielleicht ein Jahr lang fern halten dürfte. Wir sprachen dabei auch von dir. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn Emil nicht ein lebhafteres Interesse für dich empfände als das eines Kousins zu seiner liebens würdigen Kousine. " „Hat er sich in diesem Sinne ausge sprochen, Mama?" fragte Klothilde mit atemloser Spannung. Du begreifft , daß Emil nicht der Mann ist, früher bei der Mutter als bei dem Mädchen seiner Wahl anzufragen, " erwiderte Frau von Helling lächelnd. " Er weiß seine Sache schon selbst am rechten Orte anzubringen. Seit er wieder hier ist , hat er viel mit dir verkehrt. Hast du niemals etwas bemerkt?" Klothilde atmete auf. " Er war stets freundlich, zuvorkommend und liebenswürdig, wie immer. " „Das versteht sich. Aber ich denke, zwischen der Artigkeit eines wohlerzogenen Mannes einer jungen Dame gegenüber und einem tieferen Interesse für dieselbe müsse sich doch wohl ein Unterschied wahrnehmen lassen." "Ich habe nichts derart bemerkt. Du hast dich sicherlich getäuscht, Mama."
" Und du selbst, Klothilde? Sei aufrichtig gegen deine Mutter, die, du weißt es, nur für dich lebt. Ist dir Emil gleich gültig ?" Klothilde errötete. " Emil war mein Spielgefährte, " sagte sie. „Wir waren jederzeit die besten Freunde und ich bin ihm von Herzen gut. Wie sollte er mir also gleichgültig sein?" Frau von Helling schüttelte den Kopf. Du begreifst, daß ich das nicht meine. Ein Mädchen in deinem Alter fennt zu wohl den Unterschied zwischen der Zuneigung zu einem Jugendfreunde und Verwandten und jenem tiefen, die ganze Seele erfaſſenden Gefühle , als daß ich nötig hätte , dir darüber Erklärungen zu geben. Du weißt, Klothilde - " Frau Geheimrätin Katte, " unterbrach, die Salonthüre öffnend , der alte Anton. „Wir sprechen weiter über die Sache. Muß auch gerade jezt diese langweilige Katte kommen , " sagte Frau von Helling verdrießlich. " Ich wette, daß sie uns vor zwei Stunden nicht losläßt. " Die Geheimrätin, die lebendige Stadt chronik, zählte keineswegs zu den Klothilde sympathischen Persönlichkeiten. Diesmal kam sie ihr jedoch hochwillkommen. Mutter und Tochter gingen der Dame entgegen, welche , Anton beiseite schiebend , in das Gewächshaus trat. „ Ei, da finde ich ja die Damen bei sammen, die Blumen unter den Blumen !" rief sie, einer jeden die Hand zum Gruße entgegenstreckend. „Wie sagt Schiller ? Wohl mir, ich sehe die Blume der Tochter, ehe die Blume der Mutter verblüht' . Schö nen guten Abend, meine Damen ! " Neben anderen Absonderlichkeiten besaß Frau Katte auch die bereits außer Mode gekommene Vorliebe für klaſſiſche Citate. Daß es ihr dabei gelegentlich passierte, falsch zu citieren , machte ihr keine Beschwerde. Sie meinte , die Hauptsache bleibe , daß überhaupt jemand den finnreichen Ausspruch gethan habe. Die Person komme ja nicht in Betracht. Geheimrätin ,,"" sagte „ Allzugütig , Frau von Helling, einen Stuhl herbei schiebend. „ Nehmen Sie Plag in unserem Hleinen Blumenreiche. Was bringen Sie Schönes und Gutes ?" Schönes braucht man Ihnen nicht zu bringen, Präsidentin, weil man es bei Ihnen in reicherem Maße findet als anderswo ," erwiderte die Dame mit verbind lichem Lächeln gegen Klothilde . „ Was je doch das Gute betrifft, so findet man es heutzutage so selten, daß man wahrhaftig nicht mehr weiß, wo man es ſuchen soll. " Die pessimistische Schlußbemerkung deutete darauf, daß die Dame irgend eine bedenkliche Neuigkeit aufgeschnappt hatte und eigens gekommen war, dieselbe an den Mann zu bringen. Da sie indessen stets nur auf weiten Umwegen dem Gegenstande näher zu kommen pflegte, so ließen Mutter und Tochter die Anspielung unbeachtet und lenkten das Gespräch auf gleichgültige Dinge.
921 Auffälligerweise machte die Geheimrätin diesmal eine Ausnahme von ihrer gewöhnlichen Taktik. Sie plauderte von allem möglichen, nur nicht von der Schlech tigkeit der Zeit , meinte sogar tout comprendre fei tout pardonner, und machte bereits wieder Anstalten zum Aufbruche, als sie plötzlich , zu Klothilde gewendet, mit der gleichgültigsten Miene von der Welt begann: Apropos , liebes Fräulein, hat Ihr Hausarzt, Herr Dr. Hunold, Ihnen bereits seine Schwester vorgestellt ?" Seine Schwester?" fragte Klothilde betroffen. Nun freilich. Ich denke doch, es ist seine Schwester." Die Frage kam Frau von Helling so überraschend, daß sie von Klothildes , den scharfen Augen der Geheimrätin keineswegs entgehenden Betroffenheit nichts bemerkte. ,,Dr. Hunolds Schwester?" fragte sie. „Meines Wissens hat er keine Schwester. " Was Sie sagen , Präsidentin. Das wäre doch merkwürdig." "Haben Sie die Bekanntschaft der Dame gemacht ?" " Ihre Bekanntschaft? Das gerade nicht. Jch weiß überhaupt auch nicht, ob es seine Schwester ist. Ich dachte mir nur, fie müsse es sein, und da Dr. Hunold zu den Freunden Ihres Hauses zählt, so seßte ich voraus, er würde sie in diesem Falle Ihnen vorgestellt haben." " Von wem sprechen Sie denn eigentlich?" fragte Klothilde. ,,Von einer jungen , ganz allerliebsten Dame, mit der Dr. Hunold vorgestern abend im Zentralbahnhof ankam , die er dann zu einer Droschke geleitete und mit recht brüderlicher Galanterie in den Wagen. hob. Ich kam mit demselben Zuge von Koffingen zurück, und obwohl ich dicht an ihm vorbeiging , bemerkte er mich doch nicht. Natürlich! Er hatte nur Augen für seine Begleiterin! Dabei war das Merkwürdige , daß troß des überfüllten Zuges die beiden ganz allein in einem Dienstkoupee saßen. Ich schloß daraus, Dr. Hunold müsse dem Schaffner ein gutes Trinkgeld gegeben haben , um während der Fahrt nicht von anderen belästigt zu werden." Die Geheimrätin machte während dieſes Berichtes das unschuldigste Gesicht von der Welt. „Herr Dr. Hunold ist Frauenarzt," bemerkte Klothilde nicht ohne Nachdruck. „ Als solcher wird er öfter zu auswärtigen Patienten gerufen . Wahrscheinlich war dies auch vorgestern der Fall , und die Dame, die Sie für seine Schwester hielten, gehört zu dem betreffenden Hause." „Wohl möglich, “ meinte die Geheimrätin, ihre Handschuhe langsam zuknöpfend. In diesem Falle liegt die Sache sehr einfach. Nur wundert mich , daß er gar so aufmerksam gegen die junge Dame war, die übrigens durchaus nicht wie eine Haushälterin oder etwas dergleichen aussah. Mir fällt es nicht im Traume ein , von Dr. Hunold etwas Schlimmes zu denken,
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Anna schien nicht besonders erbaut Der Puls der Kranken bekundete ziem- | obwohl , wie das Sprichwort sagt , stille | Waſſer am tiefsten sind , und der gute lich starkes Fieber. Wenn auch eine un- von dem Vorschlage , sagte jedoch nichts. Dr. Hunold mir ganz den Eindruck eines mittelbare Gefahr ausgeschlossen schien, Gerhard dachte sich, der Kostenpunkt dürfte kleinen, stillen Waſſers macht. Nun, mich mußte Frau Wilkens Zuſtand doch als bei ihr vielleicht etwas zu schwer ins Gegeht es ja nichts an. Möge jeder still keineswegs unbedenklich angesehen werden. wicht fallen und hätte sie deshalb gera beglückt seiner Freuden warten, sagt Goethe . Dr. Hunold verordnete einiges , beruhigte beruhigt, nur wußte er nicht, wie er dies Also , leben Sie wohl, meine Damen ! Auf die Patientin und versprach im Laufe des in schonender Weise thun sollte. Abends wieder zu kommen. Wiedersehen! " Unsere barmherigen Schwestern sind Damit umarmte sie Mutter und Tochter, ,,Nun?" fragte Anna , die Thür des derzeit zu stark in Anspruch genommen," nahm die Mantille zusammen, nickte beiden Krankenzimmers sorgfältig hinter sich schlie sagte er zögernd , " als daß wir so leicht freundlich zu und rauschte die Stufen zum | ßend. Wie steht es um meine Mutter, eine erhalten könnten. Wir müssen des Salon hinauf. Herr Doktor?"" halb doch wohl zu einer anderen Wärteria "1Was hältst du von der Sache?" fragte Sie sprach dies mit einer Miene, als greifen." Anna errötete tief. Sie hatte ohne erwarte sie den Ausspruch über Leben Frau von Helling, als jene fort war. Dr. Hunold ist ein Ehrenmann und und Tod. Zweifel die , wenn auch noch so schonend Ihre Mutterhat einen heftigen Lungen gehaltene Anspielung, verstanden. die Geheimrätin eine böse Zunge, der es auf eine Verleumdung mehr oder weniger katarrh , der leicht zu einem gefährlichen „Auf die Kosten kommt es nicht an. nicht ankommt, " erwiderte Klothilde ruhig. Lungenleiden ausarten könnte. Sie bedarf Herr Doktor, " erwiderte sie. „Ich habe „ Du hast recht. Das Geschwät ist deshalb der sorgsamsten Pflege. " mir so viel erspart , daß ich auch eine feiner Beachtung wert. Ich bedaure nur, Die soll ihr werden. Ich weiche größere Ausgabe zu bestreiten im ſtande daß die Klatsche uns vorhin unterbrochen nicht von ihrem Bette, müßten auch der bin. Aber ich kann die Pflege meiner hat . Nun , wir sprechen ein andres Mal weilen sämtliche Telegraphen des König Mutter um keinen Preis fremden Händen weiter über die Sache. Jezt bin ich nicht reichs stillstehen . Zum Glücke habe ich | überlassen. " mehr in der Stimmung dazu." einen vierwöchentlichen Urlaub. Bis er ab"1 Wir wollen versuchen, die Sache nach gelaufen ist, wird meine Mutter wohl wieder Ihrem Wunsche einzurichten , Fräulein. gesund sein , nicht wahr , Herr Doktor?" Haben Sie einen leichten Schlaf?" 4. „Ich hoffe es. Aber allein können „Wir Telegraphiſtinnen wurden in Frau Wilken. Sie die Pflege der Kranken nicht besorgen. Lenzenbrunn oft genug des Nachts wach „Deshalb Seinem Versprechen gemäß machte sich Fräulein Anna. Das würde Ihnen zu geklappert , " meinte Anna. schlafen wir auch wie die Haſen. Das Dr. Hunold am Tage nach seiner Begeg- viel werden ." nung mit der Telegraphistin auf den Weg Mir wird nichts zu viel . Seien Sie leiseste Geräusch genügt, mich zu weden." ,,Nun wohl , dann ist alles in Cre nach der Renteigasse Nr. 10, dritter Stock. überzeugt, daß Ihre Anordnungen ebenso Das in dem vorzugsweise gewerbtreibenden pünktlich besorgt werden wie der königliche | nung . Die Wärterin wird unter tags bei Ihrer Mutter sein , und Sie können fid Stadtteile gelegene Haus war bald gefun- Telegraphendienst." Gerhard betrachtete mit Wohlgefallen so von Ihren Nachtwachen ausruhen. Ic den. Auf sein Läuten öffnete ihm Fräulein Anna selbst. die energische kleine Persönlichkeit. In komme heute abend gegen acht Uhr wieder, Wie gut von Ihnen , Herr Doktor, ihrem einfachen Hauskleidchen erschien ihm um nachzusehen , wie es geht. Also auf daß Sie so pünktlich Wort halten, " sagte Anna fast noch reizender als gestern im Wiedersehen, Fräulein Anna ! Nicht ver zagen ! Ich hoffe, es soll alles gut wer sie, ihn mit der Vertraulichkeit eines alten Koupee. Die Pflege einer Kranken bedingt den." Bekannten grüßend. „ Meine Mutter ist Er reichte Anna die Hand und entauf Ihren Besuch vorbereitet. Leider hat eine Menge von Vorkehrungen , die eine sie eine schlechte Nacht gehabt. Erst seit Person allein auch bei dem besten Willen fernte sich , um im Spitale wegen der heute früh vier Uhr konnte sie ein wenig nicht besorgen kann. Auch würden die Wärterin nachzufragen. Die entsprechende schlafen. Ich habe die ganze Nacht kein fortgesetten Nachtwachen Ihre Kräfte bald Person war bald gefunden. Als er abends erschöpfen." seinen Besuch wiederholte, fand er sie bereits Auge geschlossen. " ,,, ich bin stärker als Sie glauben, bei Frau Wilken installiert. Das übernächtige Aussehen des jungen Herr Doktor. Für meine Mutter wird Mädchens bestätigte ihre Worte. Eine Woche verging , ehe sich in dem " Schläft Ihre Mama jetzt ?" fragte mir nichts zu viel. Welch ein Unglück, Zustande der Kranken eine merkliche Beſſe wenn ich sie verlöre!“ Gerhard. rung zeigte , und auch dann schritt die „ Das ist wohl nicht zu fürchten. Bei Genesung nur langsam vor. Gerhard be Sieist wach.Jst's gefällig, einzutreten ?" Die etwas dürftig eingerichtete aber sorgfältiger Pflege wird sich die Kranke suchte die Patientin anfangs zweimal des musterhaft rein gehaltene Wohnung be- schon wieder erholen. Aber Sie brauchen Tages und später jeden Abend. Anna fundete die beschränkten ökonomischen Ver- unbedingt eine Beihilfe. Wer war denn war unermüdlich in der Pflege der Mutter, hältnisse der Witwe. Beim Eintritte des um Ihre Mutter, während Sie sich draußen hatte mit ihren grillenhaften Einfällen eins durch nichts zu erschöpfende Geduld, fuchte Arztes richtete sich die Kranke mühsam im in Lenzenbrunn befanden?“ Bette auf. ,,Arme Leute , wie wir , müssen sich sie durch munteres Geplauder auf ander „Meine Anna erzählte mir , wie sie selbst bedienen , Herr Doktor. Für die Gedanken zu bringen , kurz , fie war ein gestern auf der Bahn Ihre Bekanntschaft gröbere Arbeit hat meine Mutter eine Krankenpflegerin, welche in gleichem Maßt gemacht hat , Herr Doktor ," begann sie | Aufwärterin, die alte Resi hier im Hause, die Bewunderung des Arztes und de mit matter Stimme. Ich danke Ihnen ein herzensgutes , aber ziemlich dummes Wärterin erregte. In dem Maße als Fran von Herzen dafür, daß Sie sich auf ihren Ding. Ihr kann ich die Kranke nicht an- Wilkens Genesung vorschritt, kehrte aud Annas heitere Laune, die sie eigentlich me Wunsch zu einer armen kranken Frau be- vertrauen. " mühen." Gerhard dachte einen Augenblick nach. mals ganz verlassen hatte, wieder. Obra Ich thue nur meine Pflicht , Frau „Während der ersten Woche," meinte Gerhard nunmehr seine ärztlichen Besu Wilfen ," erwiderte Gerhard zum Bette er , muß unbedingt jemand des Nachts hätte erheblich vermindern können, kam e tretend , während Anna mit ängstlich be- bei Ihrer Mutter wachen, denn eine Un- doch nach wie vor fast jeden Abend un sorgten Blicken seinen Bewegungen folgte. vorsichtigkeit könnte die schlimmsten Folgen verplauderte mit Mutter und Tochter Bitte, machen Sie sich's bequem. Seit haben. Sie , Fräulein Anna , sind nicht halbes Stündchen. Frau Wilken war wann sind Sie gezwungen , das Bett zu im stande alles allein zu besorgen . Es gutmütige, einfache Frau. In beſchränkt hüten?" ist deshalb wohl am klügsten , wenn ich Verhältnissen aufgewachsen , hatte sie f "!Seit acht Tagen. Ich schleppte mich Ihnen eine verläßliche Wärterin aus dem mit dem ihr von ihrem Gatten gebotene Lose leicht befriedigt. Daß dieses te Spitale besorge. " fort, bis es nicht mehr ging."
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glänzendes war, schien sie niemals empfun- | Nein, nein, es bleibt dabei ! Wir werden | pekuniäre Verbindlichkeiten . Ferner mußte den zu haben. Der einzige große Schmerz alte Jungfern ! Wer weiß , ob das nicht er Annas wegen auch auf die Hausbewohihres Lebens war der vorzeitige Tod ihres weit besser ist als heiraten ? Was sagst ner Rücksicht nehmen . Solange Frau Wilken krank war, hatten die Besuche eines Mannes gewesen. Durch eine kleine Pen- du dazu, Mama?“ „Du magst recht haben ! " erwiderte jungen Arztes , den man für den Stellsion und die Unterstüßungen seitens ihrer Töchter vor drückender Sorge geschüßt, | ſinnend die Witwe, " wenigstens bleibt euch vertreter des erkrankten Dr. Neureuter trübte nur ein quälender Gedanke zuweilen dann das Schicksal eurer Mutter erspart. hielt , nichts Auffälliges . Nun war sie den Frieden des Idylls im dritten Stocke Beſſer niemals ein Glück besigen , als es aber wieder hergestellt, und da die Leute in des Hauses Nr. 10 in der Renteigaſſe. später, gleich mir, verlieren zu müssen!" der Renteigasse sehr wohl wußten, daß sich Die Krankheit, von der sie sich allmählich Annas Urlaub war abgelaufen. Durch Frau Wilken nicht den Lurus eines Leiberholte , war nicht die erste dieser Art. Verwendung des Kommissars hatte sie arztes gestatten konnte, so mußten Dr. HuVor fünf Jahren hatte sie eine schwere die erhoffte Stelle im Haupttelegraphen- nolds fortgesette Visiten notwendig Stoff Lungenentzündung durchgemacht, und seit amte mit einer kleinen Gehaltserhöhung zu unliebsamen Redereien geben. dem genügte oft eine geringe Erkältung, bekommen , und "/ klapperte" nun wieder Zu solchen Betrachtungen, die Gerhard um sie aufs neue aufs Siechbett zu wer rüstig von morgens acht Uhr bis abends als vernünftiger Mann bei sich anstellte, fen. Was sollte aus ihren Töchtern wer- um sieben in ihrem Büreau. Da in der trat mit zwingender Folgerichtigkeit eine den, wenn ein stärkerer Anfall ihrem Leben Residenz der Nachtdienst von männlichen weitere. Was war ihm Anna und was plöglich ein Ziel sette? Die Mädchen Beamten besorgt wird , so war sie von wollte er von ihr ? Ein Liebesabenteuer standen dann allein in der Welt, denn da ab frei und konnte sich der Mutter mit ihr zu beginnen , selbst wenn ſie ſich nähere Verwandte besaß Frau Wilken widmen , die , obwohl genesen , doch noch dazu hergegeben hätte , kam ihm nicht in nicht. Der Gedanke plagte sie jest öfter immer großer Schonung bedurfte. den Sinn, denn er war eher alles andere als als vorher, und in den Unterhaltungen Im Laufe der Zeit waren Anna und eine Donjuannatur. Auch kannte er zur Gemit Dr. Hunold, der in der kurzen Zeit der junge Arzt einander näher gerückt, nüge den ehrenfesten Charakter von Mutter ihre ganze Zuneigung gewonnen hatte, ohne sich dessen bewußt zu werden. Die und Tochter. Konnte er aber daran denken, berührte sie manchmal den Gegenstand, Abendviſiten bei Frau Wilken bildeten ein ernstes Verhältnis mit Anna anzunamentlich mit Rücksicht auf ihre jüngere einen Teil von Gerhards Tagesprogramm, knüpfen? Und weshalb nicht ? Vermögen Tochter Bertha. dem er stets mit einem gewissen Behagen kam für ihn ja nicht in Betracht. Sein Aber, Mama, " sagte Anna, als ihre entgegensah. Er fühlte sich wohl in dem persönlicher Besis , verbunden mit seiner Mutter auch wieder einmal auf das Kapi einfachen, an sein Elternhaus gemahnenden, Praxis, war mehr als hinreichend zur Ertel zu sprechen kam , „ ich begreife wahr durch Annas muntere Laune belebten Heim. haltung einer Familie. Ferner stand er erſt haftig nicht , weshalb du dir unsertwegen Das junge Mädchen war so gänzlich ver- im Anfange seiner akademischen Karriere, so viel Sorgen machst. Es hängt ja doch schieden von allen jungen Damen seiner und ohne das eigene Wissen zu übernur von dir selbst ab , daß du nicht wie Bekanntschaft. Affektation oder Koket- schäßen , war er sich doch seiner wissender krank wirst, nicht wahr, Herr Doktor ?" terie lag ihr gänzlich fern. Sie schien schaftlichen Bedeutung wohl bewußt. Nach „Gewiß , das hängt ganz und gar von keine Ahnung davon zu haben , daß der dem natürlichen Laufe der Dinge konnte Shrer Mutter ab , " bestätigte Gerhard , Arzt ihrer Mutter zugleich ein junger sich seine Zukunft nur in aufsteigender 肆„ſie braucht nur hübsch auf sich aufzu- Mann war, und daß deshalb der unge Linie bewegen. Die Unterredung mit Emil paſſen.“ zwungene Verkehr mit ihm ihrer Ruhe im Rauchzimmer kam ihm jezt öfter in Da hörst du's ! Und wenn nun, was gefährlich werden könne. Gerhards per- den Sinn. War Anna nicht das MädGott verhüten wolle, wirklich das Unglück sönliche Verhältnisse blieben ihr so unbe- chen, wie er es damals dem Freunde gegeschähe, glaubst du denn, ich und Bertha fannt, wie am ersten Tage ihrer Bekannt schildert hatte ? Ihr konnte man Verbilseien nicht Manns genug, als anständige schaft. Falls sie sich überhaupt die Mühe dung sicherlich nicht vorwerfen. Sie besaß Mädchen unser Fortkommen zu finden. nahm, darüber nachzudenken, so mußte sie gesunden Verstand, lebhaften Sinn, friſche, Bin ich nicht königliche Beamtin mit einem nach gelegentlichen Erzählungen aus sei heitere Laune , solide Grundsäße , stand festen Gehalt? Ist Bertha nicht gelehrter ner früheren Zeit den Schluß ziehen , er gleich ihm auf eigenen Füßen und brauchte, als mancher Profeffor? Wie könnte es sei ausschließlich auf das Erträgnis seiner was Anmut der Erscheinung betraf, keinen uns da fehlen? Wir wohnen zusammen, Praris angewiesen . Umgang mit ihren Vergleich zu scheuen. Etwaiger Mangel ich telegraphiere , Bertha gibt Stunden , Kolleginnen oder anderen Mädchen ihres Al- an feinerer oder tieferer Bildung ließ sich für unsern Unterhalt verdienen wir mehr ters hatte sie nicht. Ihr Leben teilte sich ersehen. Was ihn oft so unangenehm als genug, und so werden wir nach und zwischen Amt und Haus. Ein Brief Ber- berührt hatte , die Spekulation auf seine nach ein paar prächtige alte Jungfern , thas aus Berlin, ein gelegentlicher Besuch persönlichen Verhältnisse , war bei Anna die mit Gott und der Welt zufrieden sind, des Kommissars bei der Witwe und Ger- unbedingt ausgeschlossen. Wenn sie ihn niemals miteinander zanken und schließlich hards ärztliche Viſite boten die einzige Ab- liebte, dann durfte er überzeugt sein, daß sie dies ohne Neben und Hinterruhig hinübermarschieren in das bessere wechselung. Mit Frau Wilkens Genesung nahm gedanken that . Aber durfte er annehmen, Jenseits, wo unterdeſſen Papa und Mama Quartier für uns gemacht haben. Wozu jedoch die Verlanlassung zu diesen Visiten er sei ihr wirklich nicht gleichgültig ? Sie brauchſt du dir alſo Sorge zu machen um ein Ende. Gerhard fühlte dies so gut schien sich zu freuen , wenn er kam, und uns ?" wie die Frauen. Dennoch konnte er sich verkehrte mit ihm wie mit einem alten „ Du bist und bleibst ein Kindskopf, nicht entschließen, die Besuche ganz einzu Freunde. Im Grunde besagte das jedoch Anna ! " sagte Frau Wilken unter Thränen stellen. Aber länger konnte das doch nicht nur sehr wenig, und es stand dahin, ob sie lächelnd. so fortgehen, denn zu dem allem kam auch mehr in ihm sah als den Arzt , dem ihre „ Das ist alles ganz hübsch, “ meinte ein Umstand sehr delikater Natur. Aerzt Mutter die Genesung verdankte. Gerhard , aber etwas haben Sie dabei liche Besuche müssen honoriert werden. Das einzige Ergebnis , zu dem Herr Bis jetzt war der Punkt von keiner Seite Dr. Hunold mit seinen Betrachtungen vordoch übersehen, Fräulein Anna. “ Und das wäre?" berührt worden, aber darum war er doch läufig gelangte , war die Ueberzeugung, „Was wird dann aus den prächtigen vorhanden , und wenn auch Dr. Hunold daß die kleine Telegraphiſtin einen mehr alten Jungfern, wenn Sie oder Fräulein nichts ferner lag , als der Gedanke , sich als vorübergehenden Eindruck auf ihn geBertha, oder beide heiraten? " von der Witwe bezahlen zu lassen , so macht habe. Liebte er sie ? Das wußte er "Heiraten? Das gibt's nicht für uns , konnte er ihr doch, ohne sie und Anna in selbst nicht. Wohl aber wußte er, daß Herr Doktor! Mein Heiratsgut ist der ihrer Armut zu kränken, unmöglich erklären, ihre drollige, neckische Mädchenlaune, ihre Apparat, Berthas Mitgift die Grammatik! er verzichte auf ein Honorar. Jeder wei Natürlichkeit, ihr unschuldig herzliches WeDarauf heiratet man heutzutage nicht mehr ! tere Besuch vermehrte aber Frau Wilkens sen ihn ungemein angenehm berührten. Un-
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willkürlich stellte er zwischen ihr und Klo- | schlechten Wetter wieder ein wenig er chen es nicht wie z. B. Fräulein Anne, thilde von Helling Vergleiche an. Welch tältet." die sich ihre Depeschen von allen glei ein Unterschied zwischen den beiden! Um " Das glaube ich auch, obwohl sie mir teuer bezahlen läßt. “ Frau Wilken lächelte schwach. wie viel war, ganz abgesehen von der ge es nicht gestehen will. " Gerhard überzeugte sich bald, daß keine sellschaftlichen Stellung, Klothilde der an"Ich verstehe, Herr Doktor und danke mutigen, königlichen Beamtin in jeder Hin- ernstliche Gefahr vorhanden war, doch mußte Ihnen von Herzen." Anna begleitete Gerhard wie gewöhn sicht überlegen ! Und troßdem senkte sich, Frau Wilken für einige Tage das Bett alles in allem genommen , die Wagschale hüten. Größere Besorgnis machte es ihm lich hinaus. "1 Es war mir lieb , Herr Doktor, daß zu Annas gunsten. Warum? Er wäre dagegen , daß ein so geringes Versehen in Verlegenheit gekommen , hätte er den genügte, um einen Rückfall herbeizuführen. Sie mir so freundlich zu Hilfe kamen, Grund dafür angeben sollen. Es ist eine Der Organismus der alten Frau war eben sagte sie. " Meine Mutter hat sich schon feineswegs seltene Erscheinung, daß Män- ungemein widerstandsschwach. Mit Bangen oft wegen unserer Verbindlichkeiten Sorge ner der Wissenschaft sich mehr zu einfachen dachte er daran, wie leicht da eine Kata gemacht. Ich versprach ihr die Sache als zu geistig höher stehenden, ihnen eben strophe eintreten konnte. heute, wo Sie zum letztenmal kommen bürtigeren Frauennaturen hingezogen fühVorläufig behielt er jedoch diese Be wollten, zu ordnen. Wollen Sie mir ge len. Liegt die Ursache davon in dem all- fürchtungen für sich und suchte die Frauen statten, Ihnen für Ihre bisherigen Besuche unsere Erkenntlichkeit nach Möglichkeit zu gemeinen Geseße der Anziehungskraft der zu beruhigen. Gegensäge, oder spielt dabei ein gewisser, "Ich kann mich des Gedankens nicht beweisen ?" Errötend zog sie ein kleines Kouvert vielleicht unbewußt selbstsüchtiger Zug der erwehren , daß meine Tage gezählt sind, Menschennatur mit , welcher, selbst beim Herr Doktor, " sagte Frau Wilken. "Wie aus der Tasche und hielt es Gerhard mit Gefühle der Liebe, nicht auf die Oberherr soll ich den harten Winter durchmachen, bittenden Blicken hin. „Wie, Fräulein Anna, Sie wollen mid schaft verzichten mag ? Gerhard war als wenn es schon jetzt, im Sommer, so wenig Arzt mehr Physiologe als Psychologe und braucht, mich wieder aufs Krankenbett zu bezahlen , ehe ich noch meine Arbeit fertig gab sich daher mit spekulativen Tüfteleien werfen ! " gemacht habe? Das geht nicht ! Das geh Machen Sie sich deshalb keine Sorge, " wahrhaftig nicht!" wenig ab. Ohne die iminerhin etwas deAber, Herr Doktor , wenn Sie war mütigende Ueberzeugung, sich von Klothilde tröstete Gerhard, „bei solchen Leiden gevon Helling unbeachtet zu wissen , wäre hören Rückfälle keineswegs zu den Selten- ten wollen , bis Jhre Patienten wiede es ihm wahrscheinlich niemals in den Sinn heiten. Mit einiger Vorsicht läßt sich gesund sind, wie wollen Sie dann Sie stockte und errötete noch tiefer al gekommen, zwischen ihr und Frau Wilkens ihnen aber vorbeugen. Dr. Neureuter muß, schönem Töchterchen Vergleiche anzustellen . wie ich heute hörte , zu seiner Erholung vorher. Sie meinen , wie ich dann in be So aber schuf die Aehnlichkeit zwischen ins Bad. Also bin ich von jest an Ihr seinem früheren Lebensgange und dem- Leibarzt , und ich werde schon aufpassen, Zwischenzeit leben will ?" erwiderte Ger jenigen Annas eine Art von Gemeinschaft- daß Sie mir keine Extravaganzen ma hard lachend. "} Seien Sie deshalb unbe lichkeit zwischen ihm und ihr und rücktechen. " sorgt. Wir Aerzte lassen uns gewöhnlie sie ihm näher. Er hatte die letzten Worte halb zuzu Neujahr bezahlen, und da uns nun di Obwohl Frau Wilken nach wie vor der Anna gewendet gesprochen. Es wollte gütige Vorsehung vorigen Winter ein Schonung und Pflege bedurfte , lag nun ihn bedünken , als ob dabei ein Strahlreiche Ernte von Magenkatarrhen , Gr durchaus kein Grund zu einer Fortsehung der Freude ihre Züge überflöge. Galt pen, Gelbsuchten, Scharlachfiebern, Bret der ärztlichen Besuche mehr vor. Dr. Hu dies nur seinen tröstenden Worten , oder chiten und ähnlichen Annehmlichkeiten de nold hatte ihr dies bei seinem lehten Be war es ihr lieb, daß er nun wieder kom menschlichen Erdenwallens beschert ha so können wir es schon wieder bis Re suche mit dem Bemerken gesagt, er werde men würde? Frau Wilken reichte dem Arzte die jahr aushalten. Also, bitte, laſſen wir d Samstag noch einmal kommen , um ihr Sache vorläufig auf sich beruhen!“ Weisungen für ihr weiteres Verhalten zu zitternde Hand. Nun, wie Sie wollen, Herr Dokte erteilen. „Ich weiß nicht , wie ich Ihnen für Seit einigen Tagen war die Witterung Ihre Güte danken soll , Herr Doktor," Also bis Neujahr !" umgeschlagen. An die Stelle des bisher so sagte sie. „Ich muß Ihr Anerbieten wohl Anna schob , sichtlich erfreut , daß d prächtigen Sommerwetters traten regne- annehmen, obwohl ich fürchte, daß ich nicht delikate Angelegenheit zum Austrage s rische, windige, naßkalte Tage. Als Ger- im stande sein werde, mich Ihnen für Ihre kommen, das Kouvert wieder in die Tasc hard Samstag abends die drei Treppen Bemühungen so erkenntlich zu zeigen, wie Gerhard reichte ihr die Hand, versprach a hinaufstieg, empfand er ein eigentümliches ich es gern thun möchte. Sie kennen nächsten Tage wieder zu kommen, und ve ließ das Haus als Frau Wilkens woh Mißbehagen. Es wollte ihm fast unmög- unsere Verhältnisse. Ich - " „ Bitte, Mama, kein Wort weiter ! " fiel bestallter Ordinarius. lich scheinen, daß er jeßt für längere Zeit diese Angelegenheit werden aus dem kleinen , ihn so anheimelnden Anna ein , wir miteinander ordnen, nicht wahr, Herr Kreise scheiden sollte. 5. Es dauerte länger als sonst, bis Anna Doktor ?" Unter den Birken. auf sein Läuten öffnete. Auf den ersten „ Freilich, freilich ! " rief Gerhard, froh, Frau von Helling kam im Verla Blick sah er, daß auch in ihren sonst so durch ihr Dazwischentreten einer unbehagheiteren Zügen ein Witterungswechsel ein- lichen Auseinandersetzung überhoben zu sein. der nächsten Tage auf die durch den getreten war. „ Sie, Frau Wilken, haben an nichts zu such der Geheimrätin unterbrochene Beir „ Wie steht es mit der Mama? " fragte denken als an Ihre Gesundheit. Alles chung mit ihrer Tochter nicht zurück. H er besorgt. andere geht Sie nichts an. Da wir jedoch sie aus Klothildes Antworten die le "! Wie froh bin ich , daß Sie da sind, schon einmal den Gegenstand berührt haben, zeugung gewonnen , daß eine Bewerb Herr Doktor !" antwortete Anna sichtlich so erlauben Sie mir die Bemerkung, daß Emils keine günstige Aufnahme f erleichtert, denken Sie sich, als ich heute der Arzt , wenn er seinen Beruf so auf würde , oder wollte sie dem Gange um ein Uhr aus dem Amte kam, fand ich faßt, wie er ihn auffassen soll, den schön Dinge nicht vorgreifen? Genug , fie sie wieder im Bette. Ich wollte sogleich sten Lohn in dem Erfolge seiner Thätig rührte den Gegenstand nicht weiter . zu Ihnen schicken. Da merkte ich erst, feit findet. Wir lassen unsere Patienten Klothilde fühlte sich noch weniger ver daß ich in meiner Unbesonnenheit bisher zahlen nach ihrem Vermögen , " sette er laßt, ihn wieder aufzugreifen. Es se nie daran gedacht hatte , Sie um Ihre munter hinzu . „Wenn der Reiche für uns in dieser Beziehung ein stillschwei Adresse zu bitten. " tief in den Sack greifen muß , so können des Uebereinkommen zwischen ihnen zu Hoffentlich ist die Sache nicht so arg. wir dafür dem minder Bemittelten unsere stehen . Was die Mitteilungen der Gel Vielleicht hat sich Ihre Mutter bei dem Dienste um so billiger widmen . Wir ma- rätin über Dr. Hunolds „ Beziehunger
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zu Hause treffen würde; somit konnte sein | fort. „Laß mich dir gestehen , Klothilde, Besuch nur ihr gelten. In Gedanken über was ich schon lange auf dem Herzen trage. flog sie sein bisheriges Benehmen ihr ge- Ich stehe im Begriffe, die Heimat für längenüber. Wie oft wollte es ihr scheinen, gere Zeit zu verlassen. Darf ich offen als erwartete er nur ein ermutigendes sprechen ?" Wort, einen Blick, um seine Gefühle ausSie zog die Hand nicht zurück , aber zusprechen. Erriet er, was sie sich selbst sie wurde blaß und eine Thräne perlte an nicht zu gestehen wagte ? Begnügte er ihren Wimpern . "1 Habe ich dich erschreckt, Klothilde ?" sich mit dieser stummen Erkenntnis , oder " Nein. Ich erwartete , was du im wollte er sie zu einer Erklärung zwingen ? Wenn solches in seiner Absicht lag , so Begriffe stehst mir zu sagen . Sprich, ich war jetzt der Augenblick der Entscheidung werde dir dann antworten. “ gekommen. Emil fühlte sich wie von einem kalten Klothilde gehörte nicht zu den furcht- Hauche angeweht. " Du gibst mir die Antwort , ehe ich samen und schwankenden Naturen. Klarheit und Bestimmtheit des Wollens war noch gesprochen habe, " sagte er mit schmerzeiner der Grundzüge ihres Wesens . Was lichem Zucken der Lippen. " Ich sehe besie bewegte, war daher auch nicht Angst wahrheitet, was ich fürchtete. Ich komme vor der Entscheidung , nicht mädchenhafte zu spät ! " Klothilde senkte schweigend das Haupt. Scheu und Unentschlossenheit, sondern nur Ein Gefühl tiefen Mitleids , das sogar die Besorgnis , dem Jugendfreunde, dem sie von Herzen gut war, durch eine Abweisung den eigenen Schmerz zurückdrängte, erfaßte Schmerz zu bereiten. Emils Herz. Klothilde ! Meine süße, teure Ich muß morgen wieder hinaus nach Schwester ! " rief er, sie umschlingend und Weidenhof ," sagte Emil , ihr die Hand sanft an sich ziehend. "! Sei ruhig ! Ich zum Gruße reichend , " und dürfte kaum verstehe dich und ehre dein Geheimnis ! vor vierzehn Tagen zurückkommen ; deshalb Nie wird ein Wort davon über meine wollte ich euch heute noch lebewohl sagen. " Lippen kommen ! Aber ich kenne dich ! " „Ich denke , Mama wird aus ihrer Du bist stark und wirst eine Empfindung Vereinssitung bald zurückkommen . Jeden- bemeistern , die sich deines unbewachten falls bleibst du den Abend bei uns ?" Herzens bemächtigt hat. Die Zeit bringt Heilung für jede Wunde!" „Das hängt von Umständen ab." „Von Umständen ? Hast du über dei Klothilde trocknete ihre Thränen und nen Abend bereits anderweitig verfügt?" reichte dem Forstmann die Hand. " Mein guter Emil ! " sagte sie auf„ Das nicht ! " Ich bin dir vor allem Aufrich" Nun also ! Weshalb willst du nicht stehend. tigkeit schuldig. Nicht deiner Worte bebei uns bleiben ?" Klothilde sah, daß Emil mit einem Ent durfte es, um mir deine Gefühle kund zu schlusse rang. Er blickte sie fortwährend geben. Sei überzeugt, ich wäre glücklich), an, als wollte er aus ihren Mienen lesen , wenn ich sie erwidern könnte. Aber du ob er wagen dürfe, seinen Gedanken Aus- hast Anspruch auf ein Herz, das nur für druck zu geben. Dann bot er ihr den dich schlägt und nur für dich geschlagen Arm und führte sie schweigend nach der hat. Das Schicksal wollte nicht, daß dies Birkengruppe am Ende des Gartens . Bei mein Herz sein sollte !" " Deine Worte sind hart , Klothilde," der Bank vor dem Boskett angelangt, sagte er: ,,Du weißt, Klothilde, ich bin gewohnt, rief Emil, traurig zu ihr aufblickend, aber aufrichtig zu sprechen. Wir sind allein. sie entmutigen mich nicht ! Sieh, ich beWillst du mir einen Augenblick Gehör greife , daß du höhere Ansprüche an den Mann deiner Wahl zu stellen das Recht schenken ?" Gewiß!" hast, daß du mehr verlangen kannst , als Das junge Mädchen sprach das Wort ein einfacher Waldmensch gleich mir dir mit einer Ruhe , die wenig Verheißendes zu bieten im stande ist. Was jedoch mein für ihn haben mochte. Seine Miene um Herz betrifft , so stehe ich gegen niemand in der Welt zurück. Ich bin bereit, meine wölkte sich. "/ Laß uns hier Platz nehmen, Klothilde, " Liebe deinem Glücke zu opfern, denn wahre fuhr er fort. Wie oft haben wir als Liebe muß jedes Opfers fähig sein. Es Kinder an dieser Stelle von unseren Spie können jedoch Umstände eintreten, wo ein len gerastet ! Manche glückliche Erinnerung solches Opfer nicht nötig ist. Gestatte knüpft sich für mich an diesen Ort ! Die mir, diesen Punkt nicht weiter zu berühren. Birken sind herangewachsen gleich uns ! Weshalb sollte ich aber in einem solchen. Jest sizen wir im Schatten ihrer Kronen !" Falle deinem Herzen nicht der nächste sein ? Du hast recht, Emil, " sagte Klothilde Weshalb sollte ich auf jede Hoffnung verweich. " Es waren glückliche Tage , die zichten ?" Klothilde schüttelte wehmütig den Kopf. Tage unserer Kindheit !" Laß uns abbrechen, Emil !" sagte sie. "! Und manchen glücklichen Kindertraum Unsere Freundschaft ist eine so alte, daß haben wir zusammen geträumt, Klothilde ! Wie schade , daß Träume so selten zur ich dir nicht zu sagen brauche , wie nahe du meinem Herzen stehst. Aber das SchickWirklichkeit werden !" sal schreibt einem jeden den Weg vor, den "„ Weil es eben Träume ſind.“ „Aber weshalb sollten unsere Träume wir wandeln müssen. Was hülfe es , sich nicht in Erfüllung gehen können ?" fuhr dagegen zu sträuben ?" "1 „Sollte man es für möglich halten der junge Mann , ihre Hand ergreifend,
f. Brunold. Jm Wiesengrund. 934: wollte Emil losbrechen. Doch er bezwang fich. Mit innigem Mitleid betrachtete er die schöne Gestalt an seiner Seite. Dann ergriff er Klothildes Hand und drückte einen Kuß darauf. Ich glaube, du hast recht ! " sagte er. "Ja, es gibt ein Schicksal und es ist blind wie das Glück! Doch gleichviel ! Auch mit dem Schicksal nehme ich den Kampf auf! Vielleicht kommt doch die Zeit, wo ich dir mehr sein darf als dein treuester Freund! Diese Hoffnung soll mich be gleiten in die Ferne ! Willst du mir versprechen, Klothilde, daß du, geschehe was da wolle, in mir jederzeit deinen besten, deinen treuesten Freund sehen willst ?" Ihre Hand zitterte in der seinigen ; ein wehmütiges Lächeln flog um ihre Lippen. "Ich verspreche es , Emil ," erwiderte sie mild, " und danke dir aus ganzem Herzen!" " Nun wohl, Klothilde, dein Wille geschehe !" sagte der junge Mann sich erhebend. Ich sehe, deine Mutter ist zurückgekehrt, sie spricht dort drüben mit Anton. Komm, laß uns gehen !" ,,Kein Wort zu ihr, nicht wahr, Emil ?" flüsterte Klothilde bittend. Er nickte und reichte ihr den Arm. Als Frau von Helling die jungen Leute Arm in Arm herankommen sah, machte fie eine Bewegung wie von freudiger Ueberraschung. Ein Blick auf Emils Gesicht belehrte sie jedoch , daß kein Grund zur Freude vorhanden sei. Ueber ihre Stirn flog ein dunkler Schatten und mit dem Ausdrucke schmerzlicher Ergebung richteten sich ihre Augen gen Himmel. (Schluß folgt.)
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Eine Sommerfrische in Kalifornien. 936-
Der erste Hirsch (S. 949).
Eine Sommerfrische in Kalifornien.
Von Karl Müller.
3 ist in Kalifornien ein beliebtes Fami | Führer und einen chinesischen Koch mit. lienvergnügen, als Sommerfrische auf Unser Ausgangspunkt und unsere Ver einige Wochen aufs Land hinaus zu ziehen pflegungsbasis war der kleine Weiler Nordund ein freisames Waldleben camping hoff , welcher in einem Gebirgsthale voll out, wie man es dort nennt zu führen. immergrünen Eichen und Blumen etwa Allein als unsere Gesellschaft sich zu einem 15 Meilen von der Küste und 40 Meilen Im Wiesengrund . derartigen Versuch entschloß, begegnete die von der Stadt Santa Barbara liegt. Kunde davon bei unseren Bekannten einiger Unser Reiseziel war ein Höhenzug , der Don Neugier und vielem Staunen. Wir hatten sogen. Pine- Mountain (Fichtenberg), welF. Brunold. uns für unsere Sommerfrische eine sehr cher in einer Entfernung von 25 bis 30 schwierige Gegend ausersehen , worin wir Meilen von Nordhoff unter den Ausläufern gleichwohl in ungewöhnlichem Behagen zu des Küstengebirges zu einer Höhe von fünfm Wiesengrund, am Waldessaum leben hofften, nämlich einen Teil des Gebir- bis sechstausend Fuß aufragt. Seh' ich ein blühend Röslein stehn; ges im südlichen Kalifornien , fern von LandDer Berg kann nur auf einem rauhen Ein Mägdlein schreitet wie im Traum, straßen und Niederlassungen , und unser und mühsamen Saumpfad erreicht werden, Wie 's Röslein jung und blühend schön. Plan ging dahin , in jene Wildnis alle welcher so wenig begangen ist, daß er sich Ausrüstungen eines bescheidenen Sommer an vielen Stellen im Wald und Chap Der finke fingt, die Droffel pfeift, aufenthalts mitzunehmen und dort einige paral (Buschdickicht) beinahe verliert, und Ein Gruß ist es von Baum zu Strauch; Monate lang mit einem Lurus zu leben, die ernste Vorfrage unserer Expedition war, welchen die Führer noch nie in einer der unser zahlreiches Gepäck , welches zujam Ein Jäger durch die Lichtung streift Und trifft sein jung-schön Röslein auch. artigen Region gesehen hatten. Unser Ver- men fünfzehn Zentner wiegen mochte, such ist auch in allen Teilen gelungen : wohlbehalten auf Saumpferden dorthin das Lager ward zehn Wochen lang im zu bringen und in zweiter Linie dafür zu O Röslein rot! o Sommertag! Wie hast du mir den Traum geweckt; - besten Stil erhalten und nur aufgegeben, forgen, daß wir auf demselben Wege uns weil es uns an Fourage für die Pferde in häufigen Zwischenräumen frische Lebens: Wo sie an meiner Brust mir lag, fehlte. In den nachstehenden Spalten mittel verschaffen konnten, denn wir waren Mit Deilchen ist der Platz besteckt. will ich zu schildern versuchen , wie wir von vornherein entschlossen, uns nicht von ohne Mühe in einem entlegenen Gebirge dem groben Speck und gesalzenen SchweineEin Sternlein klar vom Himmel fällt, lebten, jagten, fischten, wilde Naturszenen fleisch und den Fleischkonserven in Blech Am Wiesengrund die Röslein stehn; aufsuchten und im Schatten der Kiefern büchsen abhängig zu machen , welche bei Es gibt nichts Schönres auf der Welt den im Freien biwafierenden Sommer: und Fichten bummelten. Wir waren unser fünf gute Freunde, frischlern den Hauptbestandteil der täg Als solch zu zwei'n Mitsammengehn ! worunter eine Dame und ein Künstler, lichen Kost bilden. Wir schickten daher und nahmen zu unserer Bedienung einen unser Gepäck, welches aus Zelten, Betten,
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Kochgeräten, Tischzeug, Kleidung und ungefähr zehn Tagesrationen bestand, zu Wagen voraus, soweit nur der Weg fahrbar war, und brachen dann als prunkende Kavallerie von Nordhoff auf. Drei von uns hatten eigene Pferde , die anderen hatten sich die ihrigen nebst einigen Pack pferden und einem Pferde für unseren chinesischen Koch, Ah Sing, gemietet, und unser gutmütiger stämmiger Führer brachte sein eigenes Heit und noch zwei Saum pferde mit, für welche wir ihm die Miete bezahlten . Wir Herren ritten ohne Röcke in Flanellhemden , dauerhaften Beinkleidern und hohen Stiefeln oder Reitgamaschen; die Dame, in einer passenden Kleidung von gestreiftem Drell, saß rittlings zu Pferde , wie man es ihr angeraten hatte , und da jeder von uns noch die Satteltaschen stramm gefüllt und sich und sein Pferd mit allen möglichen nötigen Dingen behangen hatte , so gaben wir in unseren Aufzügen und mit unseren Gewehren ein eigentümliches Schauspiel ab . So zogen wir als eine imposante Kolonne die paar Meilen fahrbaren Weges dahin, welche noch über Nordhoff hinaus reichten ; dann aber begann der Vormarsch in Etappen. Da man nämlich zweihundert Pfund als eine genügende Last für ein Pferd auf einem schwierigen Gebirgspfad betrachtet , so hätten wir zur Fortschaffung unseres Gepäckes außer unseren fieben Reitpferden mindestens noch sieben Saumpferde bedurft; allein wir hätten. nicht gewußt , wie wir einen Zug von vierzehn Pferden hätten auftreiben, noch unterwegs ernähren und beaufsichtigen sollen. Wir zogen daher mit kurzen Tagemärschen in zwei Abteilungen : vorauf der Führer mit vier Packpferden und zwei Reitern ; sobald dann das Nachtlager aufgeschlagen war, kehrte der Führer zurück, um die anderen zu holen , und trieb alle Pferde in einer Koppel vor sich her. Den anderen Tag vereinigte sich dann der Vortrab mit dem Nachtrab. Auf diese Weise mußten sieben Pferde die ganze Arbeit besorgen. Allerdings mußten der Führer und die beiden Packpferde den ganzen Weg doppelt zurücklegen und wir kamen nur langsam vorwärts ; allein wir hatten auch keine Eile, und einige der angenehmsten Tage unseres Sommers waren diejenigen, welche wir auf gemächlichen Märschen oder an den Tagen verbrachten, wo wir unsere ermüdeten Tiere ruhen ließen. Noch habe ich vergessen , der Kuh zu erwähnen , welche wir mitnahmen. Als wir zuerst die Absicht äußerten, eine Kuh nit uns in die Sommerfrische zu führen, laubten die Leute , wir wollten spaßen der wir seien noch zu grün" für Kaliornien. Allein wir sahen keinen Grund in , warum eine Kuh nicht sollte dahin jehen können, wohin ein Pferd ging, und ils wir uns darüber bei Soper Rats er jolten , gab er unserem Vorhaben seine janze Zustimmung. Die hübsche , sanfte Jensen- Kuh , welche wir zu diesem Zweck ür die Expedition mieteten , erwies sich ls eines der wertvollsten Mitglieder der II. 89.
Gesellschaft und machte uns keine crnstliche Beschwerde. Zwar entlief sie uns zwei oder dreimal und machte sich mit un: gewöhnlicher Thatkraft auf den Heimweg ; allein gerade die Deutlichkeit ihres Vorhabens machte es leicht, sie wieder zu fin den, denn sie hielt sich innerhalb der Wegspur, und troßdem daß sie ziemlich schnell wanderte, holten wir sie immer nach einer mäßigen Verfolgung ein. Wenn sie aber bis nach Nordhoff gelangt wäre, so glaube ich kaum, daß wir es hätten uns angelegen sein lassen , sie um den Preis des Gespöttes der dortigen Bewohner zu reklamieren. Wir ritten quer über das höher ge-
939und grünen Fleckchen , welche in kurzen Zwischenräumen auf dem Rand erscheinen. Die Felsen nehmen fühne, imposante und phantastische Gestalten an und rücken beinahe hart an die Wegspur heran , welche verschiedene Male über das Flüßchen sett und abwechselnd von jedem steilen Ufer verdrängt wird. Sogar die rauhesten Stellen in der Matilija find wegen ihrer Blumen berühmt . Die Glorie der Wiesen und Gerstenfelder, von denen alle, die diesen gesegneten Staat bereisen, so viel zu rüh men wissen, war schon im Anfang unserer Reise verblichen ; allein in der Matilija verweilen die Blumen länger und erreichen eine reichere Färbung und eine bedeuten-
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Wie man fich das Bett verschafft (S. 940). legene Gelände hin, durch Getreidefelder, deren Aehren unseren Pferden bis an die Schultern reichten , durch Wälder von Lebenseichen , wo der ganze Boden unter den Bäumen mit prächtigen Blüten geschmückt war ; und als wir die Bergwand erreichten , welche das Thal nach Norden abschließt, befanden wir uns an der Mündung einer rauhen und glühend heißen Schlucht, des sogen. Matilija- Cañons, der, mit Findlingsblöcken bestreut, von nackten Felsen oder dünnbewaldeten Hügelhängen eingeschlossen war und von Hornfröten, Klapperschlangen und anderen interessanten Reptilien wimmelte. Dies war der abstoßende Eingang zu der malerischen Re: gion , welche wir uns zur Sommerfrische ausersehen hatten. Ein rasches Flüßchen kommt den Cañon herab und schrumpft in das öde Bett dessen ein, was einst ein breiter Strom gewesen sein muß und dessen Kiesgeschiebe sich noch weit über den nackten Thalboden ausbreiten. Allein sobald man tiefer in die Schlucht eingedrungen ist, erquickt sich das Auge an Waldstrecken
| dere Größe als im offenen Lande. Die Büsche waren in voller Blüte , als wir vorüber ritten ; eine Salbeiwildnis erfüllte die Luft mit kräftigem Würzhauch ; viele von den Abhängen waren ungeheure Massen von blauen und gelben Blumen, und Millionen von Bienen erfüllten das Thal so mit Geräusch und Leben, daß ich mir die Matilija nur als eine große Honigfabrik vorstellen konnte , wie denn auch hier viel Bienenzucht betrieben wird . Die Wagenspur war in der That nur hergestellt zur Bequemlichkeit einiger wenigen Bienenfarmen, welche hier mitten im Chapparal erbaut sind und deren eine unserem Führer gehörte , und an dem Thor der leßten von diesen rohen Umzäunungen hört auch die Wegspur vollkommen auf. Wir machten unseren ersten Halt nahe dem oberen Ende der Matilija , wo ein flaches Becken zwischen den Hügeln mit grafigem, blumenreichem Grunde und einzelnen Baumgruppen und leichten Hainen, sowie einem Saum von Sykomoren, Weiden und Erlen an beiden Ufern des Flüß40
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-940chens einen einladenden Fleck zum Aufschlagen unseres Lagers darbot . Wir pflöckten die Pferde zum Weiden aus , und während die Dame und der Koch unsere erste Mahlzeit bereiteten , luden wir anderen den Wagen ab und öffneten Ballen und Kisten. Wir richteten dem Chinesen eine bequeme Küche ein , bestehend aus einem hohlen Weidenbaum, einem Kochherd aus Eisenblech und einem offenen Feuer für den Kessel; und bald darauf saßen wir auf dem Boden und verzehrten vergnügt ein gemischtes Picknickfrühstück zu wel chem und Körperbewegung und Heiterkeit den Ap= petit geschärft hatten . Wir verbrachten einen fröhlichen und geschäftigen Nachmittag , schlugen unsere Zelte am Saum des Waldes auf, bauten uns einen Speisetisch (wozu wir die Platte in kurzen Brettern von leichtem halbzölligen Rotholz mitgebracht hatten) und spannten ein Schußdach darüber aus ; wir hieben Baumzweige für unsere Betten und führten sie nach dem Lager ( S. 938), nagelten rohe Borde um die Baumstämme herum und stellten unsere Vorräte auf. Eine späte Mahlzeit beschloß den Tag und müde und glücklich
Der Melter (S. 943). afen . gingen wir schl Wir verbrachten zwei Wochen in diesem angeund wie kurz und entzückend waren nehmen Lager, ion einer Höhe von etwa 1800 Fuß über der diesem trockenen kiesigen Boden nicht , u nicht zu sorgen , denn in dieser Reg brauchten wir uns diese Tage !en Um das Wetter fällt zwisch Mai und November niemals Meeresfläche all die frischen Brisen ge- wir mußten uns jedesmal einen Vorr Regen. Die Seenebel reichten zwar zu nossen , welche man drunten in den Niede davon aus Nordhoff mitbringen lasser Eine kühle Quelle wenn Soper oder der Chinese Lebens e er en en nig ön her oß sich ht ige undauf son Taglenwar erggen von unseren Zelmittel von dort holten. Rut . fühlte nicwen wei nachtsimm bis zusch , aber; die run uns Auch die Jagd gewährte uns einig Hize mäßig und die Luft frisch, da wir in ten in das Flüßchen . Mitten in diesem Unterhaltung , obschon in der Umgebu lag eine schattige Jn unseres ersten Lagers das Wild selten wa fel von glattem Kies , Rotwild gab es hier offenbar nicht , den auf welchem die Her obwohl der Führer und mehrere von um ren nachmittags ihre halbe Tage lang auf weite Entfernunge ten ,hin auf die Birsch gingen und halbe Nächtea kenenausun brediteRo Deccht rau mane lasen, und nah dem Anstand zubrachten , bekamen sie n dabei war ein reiner einen einzigen Hirsch zu Gesicht und diese tiefer Pfuhl, wo sie wurde gefehlt . Anderes Wild gab es ziem badeten. Die Haupt- lich viel, namentlich Wildtauben , eine unterhaltung bestand Schopfwachtel (jedoch nicht den Bobwhi im Fischen , denn die der Oststaaten), und wir erlegten ziemli Matilija wimmelt viele Vögel und verloren selten einen an von Forellen , die mit geschossenen , obwohl wir leider keinen Hun Leichtigkeit gefangen bei uns hatten . In der Jagd auf Vöge wurden , so daß wir und besonders auf Kaninchen hatte un faum eine einzige Chinese ebenfalls eine besondere Fertigke Mahlzeit ohne köst- und große Passion und nüßte jeden freie liche Forellen wäh- Augenblick dazu aus, was uns um so lieb rend unseres ganzen war, weil er sein Wildbret auch vorzügli Aufenthalts hielten, zuzubereiten verstand . Die Hirschjagd sol da unsere Gefährten erst später für uns ergiebig werden. Führer, Hirten und Jäger der Gege s abends mor el hatten uns auch von Bären erzählt , wel en Ang mit genihrund ruten auszogen und es in den benachbarten Bergen geben foll fern und nah mit allein wir lauschten auf diese Geschicht Erfolg fischten . Im nur mit einem gewissen Skeptizismus Angeln namentlich fürchteten uns nicht vor einem Besuch de that unser Chinese selben ; sogar die Dame schlief ganz rub Ah Sing es allen an- Es trieb sich jedoch an einem der obe deren zuvor , und Arme der Matilija eine Jagdgesellsc brachte es meist auf herum , in deren Camp einer unserer einige Dußend Fische scher einmal mit einem Frühstück bewin bei jedem Fang. Es worden war und die uns beim Marsch Kemble war übrigens ein die Berge hinein auf ihrem Rückwege Sie hatten Felle von chen geg Glü dieieb , daß Fisige . en bel warezen aufckjed schnet Bärin und von zwei jung Köder anbissen, denn Bären bei sich , allein unser Führer, Würmer gab es in cher kaum etwas anderes als einen Gri Harvey (S. 948).
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945 für einen Bären gelten ließ, rümpfte über | lich eine Hochebene erreichten , welche wir | Als wir den Lagerplay am Sespe erreichdiese Jagdbeute die Nase und versprach kreuzten . Die Wanderung war mühsam, ten , wo wir eine Menge von köstlichen uns andere und wirkliche Bärenjagden erst aber für den Naturfreund lohnend , denn Forellen und fettes Gras für unsere Pferde im Gebirge. Großartigkeit der Umrisse, Glanz der Fär- fanden, rasteten wir , schickten Soper mit An Spaß und Unterhaltung fehlte es bung , mannigfaltiger Charakter , kurzum einigen Pferden nach Nordhoff zurück, um uns übrigens nicht, und ich erinnere mich alle die unterscheidenden Reize des fali Lebensmittel zu holen , und verbrachten noch mancher kleinen komischen Züge. So fornischen Berglandes kamen in rascher einige Tage unter freiem Himmel und in war eines Morgens die Kuh verschwunden, Aufeinanderfolge auf dieser Wanderung der größten Genügsamkeit , um unser Geals man sie melken wollte; sie hatte sich zur Geltung . Jenseits der Hochebene ging's päck nicht mehr als nötig anzugreifen . über Nacht verlaufen. Augenblicklich rück wieder steil hinab , und wo sich nur ein Sogar nachdem wir unser Reiseziel erreicht der Künstler ausge- Aussichtspunkt bot, da entfalteten sich vor hatten, vergingen noch zehn Tage , bevor ten wir Männer nommen, welcher schon skizzieren gegangen uns in ungemeiner wechselnder Mannig wir uns die üppigen Bequemlichkeiten un nach allen Richtungen aus , um faltigkeit steile bewaldete Berge , tiefe feres Lagers an der Matilija erlaubten . Wir war die Kuh zu suchen. Ich fand endlich frische Cañons, liebliche Thäler und Thalbecken und lagerten uns zuerst in einem tiefen und Fährten von ihr, denen ich nachging ; aber drohende Felsenmassen, oft in den geheim- engen Waldthälchen an der Südseite des wer beschreibt mein Erstaunen, als Berges, wo ein schöner Quell reinich beim Heraustreten aus dem Walde sten Wassers aus einer Höhle trat; ben Künstler unweit seiner Staffelei da aber dieser Punkt gar keine andere auf seinem Feldstühlchen sizen sah, Empfehlung für einen Lagerplaß hatte im Begriffe , die Kuh zu melken ! als dieses Wasser, so vertauschten wir (S. 942.) Sie war aus dem Walde ihn mit einem anderen Punkt auf fommend ihm angelaufen , und er der Höhe , zu dem wir dann auf hatte sich gleich sein Frühstück von einem halsbrechenden Pfad von einer ihr entnehmen wollen! Meile Länge das Wasser hinaufAls die Fourage für unsere Pferde schaffen mußten — eine Unbequemlichkeit , welche uns bald zwang, ausging, brachen wir das Lager ab und traten den schwierigen Teil ununs nach einem dritten , passenden seres Marsches an; die Wegspur Lagerplatz umzusehen , wo wir uns dann erst häuslich einrichteten. Der war nun zu Ende und der Bergpfad, welcher vor uns lag , so rauh und gewählte Punkt war ein sanfter Abhang nach Süden , frei von Untersteil , so gewunden und verwachsen, so an steilen Abstürzen hinführend, holz , beschattet von einzelnstehenden daß wir uns schon beim Packen unriesigen weißen Kiefern , welche bis serer Pferde sehr in acht nehmen zum Rand des Berges nach oben mußten, daß ja kein Topf oder einen lieblichen Hain bildeten, wäh= Besenstiel hervorrage, der sich an rend uns von hinten , von Norden Busch und Fels verfangen und das her, eine Felswand schüßte und von dem Kamme des Berges schied. Von Pferd von dem unsicheren Pfad hindiesem aus , welcher von dichtem unterschleudern konnte. Nicht ohne ein gewisses Bedauern nahmen wir Waldwuchs umgeben war , konnten wir nach Nord und Süd schauen eines Morgens nach dem Frühstück und die nach Ost und West verlauvon dem lieblichen Plätzchen Ab= fenden Vorberge, sowie die parallelen schied, dessen idyllischer Friede einen fo tiefen Eindruck auf uns alle geGebirgszüge überblicken , welche auf macht hatte. Als wir zu Ende des ihrer Nordseite immer dicht bewaldet, Sommers auf dem Rückwege den auf ihren Südhängen meist kahl und Bunft wieder berührten , hatte ein steinig waren. Allein so weit der Blick Waldbrand den Holzanflug auf den in jeder Richtung reichte, war nirumgebenden Hügeln vernichtet, denn gends ein Haus , ein Zaun, ein Weg, ein Ackerfeld oder irgend welche andere die Art war an die Bäume gelegt Geschichten am Lagerfeuer (S. 948). worden und ein abenteuernder AnSpur von Menschenleben zu sehen. siedler klärte hier das Land , um es zu nisvollen bläulichen Duft der Ferne geMitten in unserem Hain schlugen wir Weiden umzuwandeln. kleidet. Ich will diesen Teil unserer Wan- einen geräumigen Tisch auf, welcher uns In geringer Entfernung über dem Lager derung nicht eingehend beschreiben, sondern nicht nur für unsere Mahlzeiten, sondern teilt sich die Matilija in drei enge Schluch begnüge mich hier zu sagen, daß wir noch auch zur geselligen Vereinigung diente. ten , deren jede von einem Bache durch zweimal über Wasserscheiden hinwegkletter- Wir . ebneten eine breite Plattform , errich flossen und von hohen Bergen eingeschlossen ten, namentlich über diejenige zwischen den teten ein starkes Gerüst für ein leinenes ist. Wir mußten diejenige zu unsererRech- Flüssen Sespe und Ventura, daß wir einige- Schußdach, verfertigten Bänke aus geſpalten einschlagen, und als wir zweimal über mal über die Berge hin den Stillen Ozean tenen Sägeklößen und bauten auf der dem den Bach gesezt hatten, bogen wir scharf wie einen blassen Nebel erblickten, daß wir Winde zugekehrten Nordseite eine dicke um den Fuß einer vorspringenden Anhöhe, durch Urwälder, durch frühere Waldbrände Schuhwand von verflochtenen Aesten von an deren Gehäng wir , immer dem Bach und an Windbrüchen mit riesigen Bäumen Schierlingstannen, welche wir mit verschieentlang, uns auf steiler Wegspur empor vorüberkamen , bis wir endlich aus einer denen Haushaltsgerätschaften behingen und arbeiten mußten. Wir mußten uns so oft Schlucht in ein breites , heißes , sandiges nach einiger Zeit mit Hirschhäuten und drehen und wenden , daß wir zulegt jede Thal mit hohem Graswuchs gelangten, anderen Jagdtrophäen verzierten. Auf der Orientierung verloren, oft in dem Bachbett jenseits dessen das Ziel unserer Reise, der einen Seite hing ein Trinkgefäß, auf der selbst aufwärts klimmen, durch Busch und Pine-Mountain, sichtbar wurde, zu welchem anderen war eine kleine bedeckte Feuerstelle Dorn dringen , daß wir Feßen unserer dann der Weg wieder durch Schluchten und mit einem Abzugsrohr , das sich so weit an der Hügelseite hinauf erstreckte , daß Kleidung daran hängen ließen , und um über Vorhügel hinweg emporführte. Wir verbrachten in der geschilderten uns der Rauch nicht belästigte. Hier bedie gefürchteten Hohlwege und Schluchten zu vermeiden , allen Ein- und Ausbuch- Reiseweise zu dem Ritt von unserem ersten reiteten wir den Kaffee und hielten die Getungen des Gehänges folgen, bis wir end- Lagerplay nach dem Berge eine volle Woche. schirre warm , während Ah Sing in un-
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gestörtem Besitz der Küche blieb , welche | Transport zu Pferde zusammenrollen gegen Wind und Staub , welche nament ungefähr zwei Ruten weit davon entfernt konnte ; legte man diese auf einen Haufen lich im Gebirge unvermeidlich sind. Cu unter einer Gruppe schöner Bäume stand Zweige von weißer Kiefer und eine dichte Zelt aber ist leicht aufzuschlagen und mi und mit einer Schuhwand von Schierlings- obere Schicht von Schierlingstannenzweigen, zuführen, denn die Zeltstangen kann ma tannenzweigen und altem Segeltuch um- deren abgeschnittene Enden sorgfältig nach sich überall im Walde hauen, und es bilde geben war. Wir hatten einen kleinen unten gerichtet wurden, so gaben sie weiche, mindestens ein reinliches Obdach. Kochherd und einen kleinen Backofen von elastische, und üppige Betten. Einige von Vom Jagdvergnügen machten wir nu Eisenblech, welche uns vortreffliche Dienste uns brachten Sackleinwand mit , um sich einen mäßigen Gebrauch. Zwei von uns leisteten und auf der Reise leicht zu trans- Köten zu errichten, allein der Versuch, welwaren ihrer Gesundheit wegen in die Wil portieren waren und dann mit unserer Feld- chen wir im ersten Nachtlager damit an der gegangen, und wir anderen, weld bibliothek und mancherlei Hausrat und Ge- stellten , hatte keinen Erfolg , entweder eher ein Gewehr führen konnten, betrad schirr gefüllt wurden. Wir hatten ferner brachen die Gerüststangen zusammen oder teten das Weidwerk mehr wie eine Cr einen aus Feldsteinen gebauten offenen die Leinwand hing zu tief herab, und die holung als wie eine tägliche Beschäf Feuerherd , auf welchem Hirschkeulen und Haufen von Fichtenzweigen waren ein- tigung ; wir lasen, zeichneten, streiften in -rücken geröstet wurden , welche zu groß facher und behaglicher. Ich hatte eine den Bergen herum nach malerischen Aus für unseren Bratofen waren. Wir erbauten Wolldecke und einen aus einer solchen versichtspunkten und hatten außerdem alle einen geräumigen Fleischschrank mit Seiten fertigten und mit Segeltuch gefütterten Hände voll zu thun, um unseren Lager von Moskitonetzwerk , ferner verschiedene Schlafsack. Bei trockenem Boden und einer plat möglichst behaglich einzurichten un Borde um die Bäume herum, worauf un- Unterlage von Teertuch oder Kautschuk Stühle, Tische, Waschständer und ander sere Vorräte aufgestellt wurden, und einen liegt man entschieden auf dem Boden wär kleine Bequemlichkeiten selbst zu verfertiger verschlossenen Schrank in dem Stamm einer mer und bequemer als in einem Feldbett und eine ordentlich regelmäßige Lebens hohlen Kiefer. Da es niemals regnete und braucht sich bloß mit einem Schleier weise einzuführen : um sieben Uhr morgen und die Insekten nicht lästig waren, so be das Gesicht vor Staub und dürrem Laub Frühstück, um zwölf Uhr Gabelfrühstud durften unsere Gewürze nur Schuß vor zu sichern. um sechs Uhr abends Hauptmahlzeit ; in Sonne und Staub. Ein Zelt ist in einem Klima wie der den Zwischenstunden konnte sich jeder nat Unsere Schlafeinrichtungen zeigten eine kalifornische Sommer zwar unnötig, aber feinem eigenen Belieben amüsieren . Nad große Mannigfaltigkeit. Die verschiedenen eine große Bequemlichkeit. Wir hatten der Hauptmahlzeit lagerten wir uns ge Mitglieder unserer Gesellschaft verlegten zwei solche mit geraden Wänden , je 10 wöhnlich um das Lagerfeuer , rauchte ihre Betten weit genug von einander und auf 12 Fuß, bei uns im Lager. F. be- unsere Pfeifen , plauderten oder lauschten von dem gemeinsamen Mittelpunkte , um diente sich des einen nur als Windschirm, den Geschichten unseres neuen Führers sich einen vernünftigen Grad von Zurück als wir das Gebirge erreicht hatten ; das eines äußerst gemeinnütigen und sym gezogenheit zu sichern, und suchten überdies andere diente dem Ehepaare als Ankleide pathischen Burschen Namens Harvey den Schuß von Felsmassen oder Baum- zimmer und die Betten desselben waren ( S. 940) . Als wir unser Reiseziel er gruppen. Wir alle schliefen unter freiem gerade vor der offenen Thür angebracht ; reicht hatten, wurde nämlich unser Führe Himmel, außer dem Chinesen, welcher selbst das Zelt hatte eine Bodendecke von ge- Soper durch Geschäfte an seinen Bienenauf dem Marsch sein A- Zelt haben wollte, streiftem Segeltuch , die mit Zeltpflöcken ständen zurückgehalten und schickte uns einen in der Ueberzeugung, daß es ihn vor Bären ausgespannt und mit einer dichten Schicht Ersagmann in der Person Harveys . Dieser und Schlangen schüße. Einige breiteten Kiefernnadeln unterlegt war. Dies gab war ein englischer Seemann, hatte viele Kiefernzweige auf dem Boden aus und dem Ehepaar den allergrößten Lurus , den Jahre als Schiffszimmermann auf der britis eine Wolldecke darüber, andere errichteten man sich bei solchem Waldleben verschaffen schenFlotte gedient, war dann durch irgend sich rohe Bettstellen. Die Dame und ihr kann - ein reinliches Plätzchen zur Toi welche Schicksale nachKalifornien gekommen Gatte hatten leichte Wollmatraßen , welche lette. Die größte Prüfung in einem solchen und hatte sich im Gebirge niedergelassen; so biegsam waren , daß man sie für den Dasein ist der Schmus , und die größte er war ein leidenschaftlicher Jäger , ein Wohlthat ein Wasch- vorzüglicher Schüße, ein erfahrener Hinter becken mit frischem wäldler, vorzüglicher Koch, unermüdlicher Wasser. Wo eine Dame Fußgänger und ein wahrer Tausendkünstler in der Gesellschaft ist, als Zimmermann , Tischler und Bauda ist, selbst bei gün meister, dabei ein unerschöpflicher Erzähler. stiger Witterung , ir Wenn er so beim Abendfeuer etwas ab gend ein Obdach uner seits von unserem Kreise am Boden sa läßlich. Hütten kann und seine Pfeife rauchte, da überquoll er man aus Baumzwei von Erinnerungen an Jagd- und See gen errichten, aber ihr mannsgeschichten und wußte uns föstlich Bau ist mühsam und zu unterhalten, bis uns der Schlaf über sie geben überdies nur mannte ( S. 944). Am besten gefielen einen armseligen Schuß mir seine naiven Erinnerungen aus seinem Seeleben wegen ihres ein fachen Tones und ihrer wirksamen Lokalfarbe. So ward er uns bald unent behrlich, zumal er die Ge gend vorzüglich kannte; und da er, wenn wir ihn um Lebensmittel nach Nordhoff schickten, immer sechs Tage hin und her brauchte und uns dann L.CVag überall fehlte , so trafen wir bald eine andere Einrichtung und veranlaßten Soper, uns jeden Sonn abend durch einen von Wo die Hirsche fich äsen (S. 949)
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fielen, sondern noch weiterzogen , oft meilenweit, und dann bald nicht mehr schweißten", weil der Talg sich vor die Wunde drängte und diese so fest verschloß , daß das Bluten aufhörte. Ich habe mehrmals ein solch angeschossenes Stück Wild stundenlang vergebens verfolgt und gesucht. Der Doktor war der passionierteste Jäger unter meinen Gefährten und brannte angesichts meines Jagdglücks vor Begierde, einen recht starken Hirsch zu schießen, um dessen Geweih als Trophäe mit nach Hause zu nehmen , und ich weihte ihn deshalb in mein Geheimnis ein und nahm ihn mit nach meinem Leibgehege. Es war uns manchmal weniger um Wildbret zu thun , denn Hirschfleisch ist kein sonderlicher Leckerbissen, sondern man wird desselben bald überdrüssig, und wir verschafften uns von den Schäfern (S. 951) , die einige Meilen von uns auf einem kahlen Berghang ihre Herde weideten, ein ganzes Schaf oder Lamm, welches wir um ein paar Dollar erstanden , und aus denen uns unser chinesischer Koch eine Menge delikater Gerichte zu bereiten wußte. Eines Morgens also war ich mit dem Doktor nach dem Leibgehege geritten und wir hatten eine weite Strecke seines Das Bratfeuer (S. 950). Saumes auf der Suche nach einem Hirsch mit feinen Leuten, einen gewissen Brown , die Rücken eines Spießers zu braten (S.949). | starkem Geweih umgangen , als der Doknötigen Lebensbedürfnisse auf seinen bei Ich machte nun jene Waldbrandstätte zu tor plöglich eines solchen ansichtig wurde. den Backpferden nach Pine-Mountain her meinem Leibgehege , bewahrte seine Lage Jm Nu war er vom Pferde herunter aufzuschicken. Browns Ankunft am späten einige Tage lang als ein Geheimnis und und schlich, den Zügel am Arm , die Abend ward dadurch ein aufregendes Er machte manchen guten Schuß darin. Nur schußfertige Büchse im Anschlag , am eignis, denn er brachte uns nicht nur neue schade, daß wir keinen Schweißhund bei Rande der Lichtung hin ; nach einer Weile Borräte an Zucker, Kaffee, Thee, Gewür uns hatten , denn mehrmals schoß ich blieb er stehen, zielte lange und bedächtig, jen , Tabak , Pulver und Schrot , Mehl Prachteremplare an , welche mir aber drückte und - fehlte den Hirsch (S. 952). und anderen Bedürfnissen , sondern auch verloren gingen, weil ich sie nicht mehr Ungeduldig wie er war, hatte er die EntBriefe , Zeitungen , frische Butter , Ge im Wundbette finden konnte. Die starken fernung unterschätzt und auf ein paar müse 2c. Brown blieb gewöhnlich über Hirsche und Hinden nämlich waren in dieser hundert Schritte nach dem Kopf gezielt, den Sonntag bei uns und reiste erst am Jahreszeit so gut bei Leibe, daß sie, wenn und mit dem Knall war der Hirsch auf Montag in aller Morgenfrühe wieder auch sicher getroffen, nur selten im Feuer Nimmerwiedersehen mit dem ganzen Rudel nach Nordhoff zurück, wohin er unsere Briefe und Bestellungen und manchmal ein Präsent an Wildbret für unsere Bekannten mitnahm. Wir hatten nämlich nun so viel Wildbret , daß wir beinahe ganz von frischem Fleisch lebten, und das ging folgendermaßen zu . Unsere Umgebung war zwar ziemlich reich an Rotwild , Wildtauben und einer Waldhuhnart , welche einigermaßen dem europäischen Haselhuhn glich, aber der Zufall hatte mich auf einem Spazierritte nach einem wahren Tierpark geführt. Wenn wir jagten , ritten wir gewöhnlich auf die Birsch , stiegen ab , wenn wir in Wild erblickten , banden das Pferd an einen Baum oder Busch und schlichen uns schußgerecht an inser Wild an. Bei einem dieser Ritte ging ich m lichten Walde ein Rudel Rotwild auf, das nach der Höhe zog (S. 946). Ich folgte demselben auf Der Fährte, gelangte über einen kleinen Hügel hiniber nach einer weiten Einsenkung , wo ein Waldbrand früher einige tausend Hektar Wald zerstört hatte und ein buschiger junger Anflug von kaum Meterhöhe sich zwischen den verkohlten Stümpfen gebildet hatte. Auf dieser weiten Lichtung standen ind zogen viele Dußende von starken Rudeln , und h hatte wenig Mühe, mich an eines derselben anubirschen und einen starken Hirsch mit prächtigem Beweih so sicher aufs Korn zu nehmen, daß er durch le inen guten Kugelschuß hinter das Blatt im Feuer mb Ke usammenbrach. Als ich mit meiner Beute ins Lager einritt, wurde ich mit Jubel von meinen Befährten empfangen (S. 936), und fortan verging elten ein Tag , wo nicht der eine oder der andere on meinen Gefährten einige Stunden vor dem Zwei kalifornische Schäfer (S. 951). reien Feuer kniete, um eine Hirschkeule oder den
S. Ulmann. Die Kaffeehäuser Wiens. 953-
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-954Die Kaffeehäuser Wiens. Von 5. Ulmann.
Ein weiter Schuß (S. 951 ).
davon, und der Doktor stand, als ich ihn einholte , wie ein begossener Pudel da, fragte sich hinter den Ohren und ver wünschte bald seine Büchse , bald seine eigene Ungeduld. So vergingen uns die Wochen, welche wir auf dem Pine- Mountain zubrachten, unerwartet schnell und fast unvermerkt, gewürzt von manchem Intermezzo. Eines derselben will ich hier nicht unerwähnt Unser Koch Ah Sing vermißte Lassen. schmerzlich hier in der Wildnis den chine sischen Barbier, von welchem er sich alle paar Wochen seinen runden Schädel bis
unsere Siebensachen in Eile zusammen und machten uns auf den Heimweg. Mit Bedauern stiegen wir von den Bergen herab ( S. 956), um in die Kulturweltzurückzukehren, hoch befriedigtvon unserer Sommerfrische und Reise auf gemein schaftliche Kosten, die so ungemein niedrig waren, daß wir darüber staunten. Wir waren 68 Tage draußen gewesen , und die Abrechnung ergab, daß jeden von uns bei der Generalabrechnung nur ein Beitrag von 138 Dollar 89 Cent traf, also für jeden Tag nur etwas über zwei Dollar, ein fabel= hafter Kontrast zu dem, was uns eine Som
des öffentlichen Wohl der größere Teil Lebens in Wien spielt sich in seinen Kaffeehäusern ab. Die Herren der Schöpfung zumal sind es, die sich zu gewissen Stunden mehrmals des Tags in ihrem Stammcafé zu Schon in den Morgenstun sammenfinden. den entwickelt sich ein lebhafter Verkehr ; nicht allein der Garçon , auch der Familienvater nimmt sein Frühstück in dem von ihm ständig besuchten Lokale. Lehterer selbst dann, wenn er, wie das in der Regel der Fall ist , seine ,,Neue Freie" oder sein ,,Tagblatt" fürs Haus abonniert hat. Nachdem er mit großer Auf: merksamkeit sein Lieblingsblatt gelesen, durd fliegt er, ehe er ſeinem Berufe nachgeht, nod sämtliche übrigen Morgenzeitungen, in der oft irrigen Meinung , in der einen oder andern etwas Apartes zu finden. - Nach dem Mit tagstische ist der „ Schwarze " jeglichem ein unabweisliches Bedürfnis , und es ist nicht etwa der Genuß des anregenden und wohl überall in vorzüglicher Güte kredenzten Trankes, als vielmehr die kurze Erholung nach voran gegangenen Strapazen, der angenehme Plausch mit guten Freunden oder auch nur Bekann ten , meist aber ein kleines Spielchen am Billard: oder Kartentische , dessen man ein für allemal nicht entraten kann, noch will. Die ,,Jause" lockt die meisten Besucher neuer dings ins Café, die hier mit dem duftenden Mokka und dem schmackhaften „ Wiener Ge bäd" zugleich die verschiedenen Abendblätter verschlingen. Aber auch zahlreiche Vertrete rinnen des schönen Geschlechts - wir sprechen nur von solchen, die sich eines tadellosen Ruſes erfreuen verschmähen es nicht, ihre Jause in einem der besseren Lokale zu nehmen und versenken sich dabei oft stundenlang in die Lel: türe der in mehreren Exemplaren aufliegenden
auf den nationalen Zopf rasieren ließ, merfrische in einem kalifornischen See- oder und auf sein Bedauern hierüber erbot sich Heilbade bei minder gesundem und kräftigen unser Künstler, ihm denselben zu rasieren, dem Ergebnis gekostet haben würde! und so überraschten der Doktor und ich eines Tages die beiden bei diesem Ge schäft, das sie etwas abseits von unserem Lager auf einer abgelegenen steinigen Blöße ein Anblick , der überaus vornahmen komisch war und uns vielen Spaß verursachte (S. 953) . Kurz, wir amüsierten uns immer föstlich und kräftigten und erholten uns in unserer Einsamkeit an Leib und Seele von den Mühsalen und Aufregungen des zivilisierten Lebens in der Stadt und der Jagd nach dem allmächtigen Dollar. Wir dachten kaum an die Heimkehr, obwohl die kühleren Morgen und ihre Nebel schon das Nahen des Herbstes verkündigten. Da bemerkten wir eines Morgens , daß an der Nordseite des Berges, worauf wir gelagert waren , dichte Rauchwolfen aufstiegen, und fanden, daß dort der Wald brenne, sei es durch absichtliches Anzünden von seiten der Schäfer, sei es durch einen Unfall. Das Feuer wütete auf einer Breite von mehreren Kilometern vom Fuß des Berges herauf und rückte uns näher ; der beizende Rauch mit seinem Harzgeruch machte sich immer bemerklicher und war nach zwei Tagen uns schon auf eine halbe Meile nahegekommen. Jest war unseres Bleibens nicht länger , und wir packten Rafier und Frifiersalon (S. 952).
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utschen, französischen, englischen und italieschen Jllustrierten Zeitungen". - Nach gethaner Berufsarbeit finden wir unseren Stammgast endlich auch noch bei seiner ständien Tarock oder Whistpartie, und hier er: gnet es sich nicht selten, daß eine ihm abrlangte Ehrentour" oder ein ,,dringend getener " Force-Robber es ihm nicht mehr möglicht, rechtzeitig zu seiner treuen Che: ifte, zu der seiner harrenden Familie, zum Eouper im häuslichen Kreise zu kommen. as eine solche Verspätung stets auch eine ngehende Gardinenpredigt nach sich zieht, it fich füglich vermuten ; die Spielgenossen er erfahren hievon niemals ein Sterbensörtchen. zur Nachtzeit, nachdem Theater b Konzertsaal bereits geschlossen, ist ein oh regeres Leben im Kaffeehause wahrzumen. Da treten oft ganze Gesellschaften bie hell erleuchteten Säle, alsbald an den armortischen Gruppen bildend , deren fröh the Stimmung und lebhafte Konversation, der sich die Damen in hervorragender Beije beteiligen, recht wohlthuend wirken. ter den Anwesenden ist auch mancher stän ge Gast entweder allein oder in Begleitung In Frau und Töchtern zu bemerken, und es eint fast, daß der Wiener sein Lager nicht fzusuchen vermag , ohne zuvor noch seinem hrvater, dem Stammcafé, die Abschiedsvisite macht zu haben. Im Karneval betreten beim anbrechenden Tag zahlreiche Gäste Kaffeehaus; auch diese vermögen eine rmisch durchlebte Ballnacht nicht abzuließen, ohne in ihrem Lieblingscafé noch e entsprechende Menge von Punsch oder ige ,Knickebeine" behufs Stimulierung ihres rvensystems zu sich genommen zu haben. Das hier entworfene Bild trifft bei den iften Wiener Kaffeehäusern, deren Gesamtnach dem Mitgliederverzeichnisse der Biener Kaffeefiebergenossenschaft" mehr als beträgt, im großen und ganzen zu. Verschiedenheiten , welche bei vielen der= en zu Tage treten, stehen mit der Verschie heit ihres Stammpublikums in engem Zu menhange. In dieser Richtung sind es zunächst die eschäftskaffeehäuser", diesichwegen des dort: t vorherrschenden ernsten, oft allzulebhaften tehes von allen andern scharf abheben. Besucher eines solchen Lokales steht die olung, der Zeitvertreib, die Restaurierung in zweiter Reihe; er besucht es mehrmals Lages , jedesmal mit längerem Aufent e, vornehmlich zu geschäftlichen Zwecken. allgemeines Intereffe erregenden Tages gnisse läßt er ganz unbeachtet , in den tungen sucht er stets nur jene Rubriken die das von ihm betriebene Geschäft be: ren hier erfährt er von Agenten oder ufsgenossen die letzten Abschlüsse in seinem titel", erwartet er einen oder den andern dhaftsfreund aus der Provinz, hier em gt er Briefe, Geldsendungen, Telegramme, renmuster sc. Das mehrmalige Eintreffen Et Briefträger nach jedem Posteinlaufe, Boten des Telegraphenamtes wie der post u. f . w. verleiht manchem dieser le fast das Aussehen eines Handlungs tors. Die einzelnen Geschäftszweige en ihre eigenen Kaffeehäuser, in welchen sich die mit der Branche nur irgendwie im alt stehen , regelmäßig zusammenfinden. rend sich in dem einen Café die Interten für Spiritus, im andern die für Gebe, in einem dritten jene für Schafwolle fonftige Produkte, in einem vierten die teinhändler versammeln, dient eine stattAnzahl ähnlicher Etablissements den Angern der Manufakturbranche zu ständigen
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L.C.Vogt 85 Unser Abschied vom Gebirge (S. 952). Zusammenkunftsorten. In den meisten der selben findet der Stammgast den gewünschten Komfort, werden die Erfrischungen in guter Qualität verabreicht, ist die Bedienung eine aufmerksame, zuvorkommende. Dem Billard wie dem Schachspiel wird hier nur wenig gehuldigt; dagegen sind zu gewiffen Stunden des Tages , namentlich aber des Abends , die meisten Kartentische von Spielern besett, die ihrerseits wieder von einer Schar der in Wien bestgehaßten Spezies , der Kiebite , arg umDen Jüngern Merkurs lagert werden. sagt eben die geistige Erholung am besten zu, welche die bunten Blättchen bieten. Einen angenehmen Kontrast zu dem eben geschilderten Getriebe bildet die tiefe Stille in den prächtigen , mit raffiniertem Lurus ausgestatteten Etablissements der innern Stadt und ihrer nächsten Umgebung, welche mit Recht als Kaffeehäuser ersten Ranges gelten. Das Stammpublikum derselben rekrutiert sich aus den besseren Gesellschaftskreisen. Hohe Militärs und Beamte , Büreauchefs von Eisenbahnen, Banken 2c., Vertreter der Wissenschaft, der Litteratur wie aller Kunstgebiete, Mitglie:
der des Adels und der Finanzaristokratie, die Jeunesse dorée , Rentiers u. f. w . bilden die ständigen Besucher dieser Lokale, in welchen sich die Intelligenz der Metropole gleichsam Rendezvous gibt. Bei den hier allein üblichen feinen Umgangsformen ist alles Turbulente, jeder leidenschaftliche Verkehr von vornherein ausgeschlossen ; dieser verbleibt stets ein ruhiger , selbst dann, wenn, wie das häufig ge= schieht, das Café mit Gästen überfüllt ist. Der Besucher erhält hier Getränke und sonstige Erfrischungen in exquisiten Qualitäten, die Bedienung ist eine geradezu musterhafte, und man ist oft versucht , in dem einen oder an= deren der gleichmäßig und elegant gekleideten Markeurs einen zweiten Cumberland zu vermuten ; wie wäre es sonst möglich, daß er die verborgenen Schwächen , die geheimen Wünsche des Gastes fennt , den er im Leben heute zum zweitenmal gesehen , respektive Eine Flut von in- und " bedient" hat? ausländischen Zeitungen jeder Färbung und Schattierung überschwemmt das in der Regel von den übrigen Sälen abgesonderte Lesezimmer. Nicht allein die deutschen, auch die
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englischen, französischen, amerikanischen, italie- | ,,Melange" und dem Lieblingsjournal zugleich | collegium am Tarocktiſche nachzuweisen. De nischen und ungarischen großen politischen auch die Pfeife und den etwa tags vorher Jünger Aeskulaps , Justinians und Plates Blätter liegen meist in doppelten Exemplaren zurückgelaffenen Tabaksbeutel serviert. Die vertiefen sich in das Seelenleben jedes der auf; aber auch der zugereiſte Ruſſe, Rumäne, altberühmte Wiener Gemütlichkeit hat sich in drei Tarockmatadoren mit einer Gründlichkeit, Serbe 2c. findet ein oder das andere bedeu den erbgesessenen Kaffeehäusern der Vorstädte die, auf das Berufsstudium verwendet, durc tendere Journal seiner Heimat hier vor. und Vororte niedergelassen . - An den Bil- schlagende Erfolge bei den Rigoroſen ſichera Nur ein geringer Prozentsatz der Gäste ver: lards etablieren sich während der Nachmittags: müßte. Scharfsinnige Disputationen, he± gnügt sich an den Spieltischen ; während auf ſtunden immer neue Preferencepartien , und ernste Konzilien, an welchen auch die befreun dem Billard die landläufigen Preference- und es ist sehr begreiflich, daß dieser angenehme deten gelehrten Kiebige teilnehmen , werden Carambolepartien kultiviert werden, stehen Zeitvertreib stets eine größere Zahl von Be an den vielen grünen Tischchen abgehalten, von den Kartenspielen nur die faſhionableren : ſuchern herbeilockt. Der inveterierte Billard- auf welchen der kleine Schäfer Pagat eine is Whist, Tarock mit Blocks, Pikett, Ekartee und spieler scheut auch die Glut des Hochſommers große Rolle spielt, die schönen Fälle den nes Béſigue in Uebung. ―― Für die Bequemlich= | nicht ; der Opfermut, mit dem er sich bucheintretenden Kommilitonen mit allen Einzelkeit der Besucher ist nach jeder Richtung hin stäblich im Schweiße seines Angesichtes ab heiten wahrheitsgetreu wiedererzählt . — Die in umfassender Weise gesorgt ; eine anerken müht, möglichst viel ,,Gute zu machen“, ist in " Spieße" 1 ), welche in einem Studienjakre nenswerte Neuerung, die ihnen häufig zu gute der That bewundernswert. Die pièce de dem Moloch „Pagat“ geopfert werden, re kommt, ist die Verbindung des Lokales mit dem resistance aller Vergnügungen im Vorstadt: präsentieren ein respektables Vermögen ; für Fernsprechapparate. café aber bilden die Tarockspiele , von denen die jungen Gemüter liegt ein um so höhere: Mannigfach sind die Unterschiede, welche wir dem ereignisreichen " Spriter-Dreier" Reiz darin, den Pagat zu ultimieren, je größer die Kaffeehäuser der Vorstädte und Vororte (Tapptarock) , dem amüsanten " Einsteiger" und zahlreicher die Hindernisse sind , welche Wiens aufweiſen. Für den Systematiker | (Zwölfertarock) und dem Zerſtreuungsmittel dieſer Operation im Wege stehen. wäre eine Klaſſifizierung derselben nach Art der Philister, dem „ Königrufen “ , am häufigAus naheliegenden Gründen müſſen wir und Zusammensehung ihres Stammpublikums ſten begegnen. Hier kommen denn auch die von einer Schilderung der Wiener Radtnur unschwer herzustellen. Viele dieser Lokale harmlosen Spässe des Wieners, ſein urwüch cafés" , der Tummelplähe der Achtelwelt, kommen den eben besprochenen ersten Ranges siger Humor so recht zur Geltung. Die Spie: absehen ; dagegen wollen wir uns nicht ver ziemlich nahe, andere hingegen stehen geradezu ler finden sich zu ihrer Tarockpartie_allabend- | ſagen, noch einiger Kaffeehäuſer zu erwähnen, unter dem Niveau des primitivsten Provinz lich mit großer Pünktlichkeit ein , sie dehnen welche in der Nachtzeit - von 3 bis 6 Uhr Kaffeehauses. Eines aber haben die Kaffee- dieselbe oft sogar bis zum Eintritt der Polizei- - zahlreiche Damen zu ihren Stammgästea häuser geringerer Kategorie miteinander ge- sperrſtunde aus , und wenngleich einer oder zählen. Es sind dies jene in der Nähe des mein, den ungebundenen Ton , den unge der andere derselben seinem ungeschickten , Hofes" und der Freiung“ gelegenen Lokale, zwungenen Verkehr ihrer Besucher , welcher Helfer mitunter einen "! Mordpater" an den welchen die Gemüſehändlerinnen en gros auš durchwegs ein intimer , herzlicher ist. Die Kopf wirft, so hat ein solcher allerdings auf der Umgebung Wiens ihren täglichen, richtiger Stammgäste bilden hier gleichsam eine Familie ; Reciprozität beruhender Vorgang nichts weiter | nächtlichen Beſuch machen und bei dieſem in namentlich diejenigen , welche bereits einen zu besagen ; die Teilnehmer unterlassen es drei kleinen Stunden ein Meer von Melangen eigenen Haushalt gegründet haben, stehen mit nach wie vor niemals , am Stammtische regel- konsumieren, ehe sie mit dem Morgengrauen einander in ſo nahen , freundſchaftlichen Be- mäßig zu erſcheinen. Dieſer verbleibt jahraus | daran gehen , unter Intervention der Zwi ziehungen , daß sich dieselben auch auf ihre jahrein die unentbehrliche Erholung für jedes schenhändler den Magen der Großstadt zu vere Familienglieder erstrecken. Ausflüge in die feiner Mitglieder. Mögen auch die vielen sorgen. So hat in der „ gemütlichsten deutſchen herrliche Umgebung Wiens werden von den Meinungsdifferenzen am Spieltiſche im Laufe Stammgästen mit allen ihren Angehörigen des Jahres manch unangenehmen Auftritt Stadt“ das Weib mit der Tragbutte wie der ebenso gemeinschaftlich unternommen, wie der nach sich gezogen haben, am Neujahrstage be: Flaneur der Ringstraße sein „ Stammcafé“ ! Besuch der vielen Wirtschaften, in denen beim grüßen die Spielgenossen einander stets herz„Heurigen" die gemütlichen „Weaner Tanz“ lichst mit der stereotypen Versicherung : „ Wir unter allgemeinem Jauchzen und „ Paschen" bleiben die Alten !" - Dem Dominospiele erekutiert werden. Im Fasching vereinigen werden nur wenig Sympathien entgegenge= Abfälle. die Hausbälle die Familien der einzelnen Be- bracht, und es mag den ruheliebenden Stammsucher des Stammcafés , von denen mancher gästen eine Genugthuung sein, daß die enraVon bei freudigen Ereigniſſen im Hauſe des Freun- giertesten „ Steineklopfer", die Handelsbefliffe: des wiederholt als Taufpate fungiert hat. nen der Spezerei und sonstigen DetailgeBakar Klauhmann. Wie oft er als „Herr Göd " den jubelnden schäfte, ihrer geräuschvollen Paſſion nur an Die AnFirmling mit der obligaten Uhr beschenkt, wie Sonn- und Feiertagen nachgehen. die nicht minder obligate Praterfahrt mit hänger des edlen Schach , die in Wien eine Gemeinde bilden, ſuchen, wie natürlich, Inverterentur gehtbe ametlichkeinAtom selbst zu sagen. --- Ift zu Stammlokalen die ruhigſten Etabliſſements wohl kaum er Wiener weiß die Vorstadt, „ der Grund", einer der Vorstädte auf. Hier findet sich neben nisch ist , ebenso wie ein großer Teil des doch kleinen Landstadt zu vergleichen , deren In : Gold's , Wiener Schachzeitung" und Leh Unorganischen in der Welt einer bestänsassen in Leid und Freud eng miteinander ner's ,,Dester. Lesehalle" oft auch die ,,Deutsche digen Veränderung unterworfen . Wenn Auch der Besiter des Schachzeitung“ vor. Es ist selbstverständlich, ein wertvolles Delgemälde verbrannt wire. verbunden sind. Stammlokales nimmt unter seinen Gästen daß die Freunde des Spiels der hundert Sor- so geht wohl ein großer idealer Wert z einen gleichberechtigten Plaß ein, er ist in der gen von diesen Fachblättern den ausgiebigsten Grunde , im realen Sinne aber geht kein Regel der Intimus der meisten derselben, ihr Gebrauch machen, nichtsdestoweniger wird Atom, aus dem das Bild bestand, verloren Duz- und Zurbruder. Der Cafétier ist auch ihnen für Ueberlassung der Schachrequisiten häufig Teilnehmer an einer der Preference fein Entgelt abgefordert. Aus diesen Schach: sie sind nur verändert, Farben und Leir partien am Billard und springt an den Kar- cafés" ist mancher Meister europäischen Rufes wand sind zu Asche geworden ; einzelne Teile tentischen stets da ein, wo ein Partner fehlt. hervorgegangen , und Zeitgenossen erinnern haben sich gasförmig verflüchtigt , aba Da wie dort kann ihm ein gewisser Grad von sich wohl noch, daß Steinik , der Champion of auch diese verflüchtigten Teile gehen nid: Meisterschaft nicht abgesprochen werden ; hat the world , vor mehr denn dreißig Jahren verloren , sie sehen sich irgendwo niede er doch schon von Jugend auf als Markeur regelmäßige Zuſammenkünfte mit seinen Freun- und werden in den Kreislauf neuer Ver reichlich Gelegenheit gehabt , sich im Billard den in einem simplen, am Wienflusse belege änderungen wieder aufgenommen, um i: hat. die gend welchen anderen Zwecken zu diene abgehaltentragen und , sich zu perfektionieren spiel Ein eigenartiges Gepräge fern- nen Vorſtadtkaffeehause als solche um eine entgehen , lassen auch niemals Die Natur gleicht also durchaus einz stehender Zuschauer bei den Kartenspielen in | Kaffeehäuser , die sich im Quartier Latin Früh Wiens , in der Nähe der Universität und sorgsamen Hausfrau , welche dafür sorat die Geheimnisse dieser einzudringen. des allgemeinen Krankenhauses befinden. Für daß nichts verloren geht , daß auch d übt sich , was ein Meister werden will." Wahrhaft kordial kommen die Stammgäste diese meist elegant eingerichteten Lokale liefert „ Abfälle" noch gewissermaßen verwertet dem Zahlmarkeur entgegen ; hierzu veran die Hochschule ein starkes Kontingent. Viele werden. Die Verwertbarkeit der Abfale last sie wohl schon das Dankgefühl für die akademische Bürger schwänzen die Kollegien, bildet ein großes , intereſſantes_Kapitel. Pünktlichkeit , mit welcher der alte Jean" um hier sowohl ihre Kenntnis der physi sowohl im Haushalt als im öffentliche stets dafür sorgt, daß einer der ihm unterge: kalischen Lehre vom Stoße auf dem Billard Leben , in der Industrie , und auch ri benen Zutrager" dem eintretenden Gaste praktisch zu bethätigen , als auch die Unmit dem Schwarzen“, „ Kapuziner" oder der widerleglichkeit des Sates : tres faciunt 1) Gulden.
Die Jungfr au D . on rer Schoye J.
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Leserin dürfte es interessieren , dasselbe Abfälle als Papierschnigel im Haushalt | lungsreisende bemerkte bei einem Rundwieder zu verwenden. einmal näher zu betrachten. gange durch die Fabrik die eigentümliche Die Verwendung der Abfälle gehört Ganz ungeheuerlich und kolossal ist die Art und Weise, wie die Tabaksblätter einzu den wichtigsten Dingen , welche eine Verwendung von Abfällen aber in der In- geweicht und gebeizt werden , bevor man qute Hausfrau kennen muß. Nicht allein duſtrie, ja es hat sich ein eigener Zweig der sie verarbeiten kann ; er sah, wie in einem Wert in pekuniärer Beziehung hat dieses Induſtrie gebildet, der sich lediglich mit der großen Saal die Tabaksblätter in einer Verwenden der Abfälle , obgleich dieser Verwendung von Abfällen beschäftigt, welche eigenen Lauge, deren Zusammensetzung das Wert kein geringer ist, sondern auch einen bei der Verarbeitung von Rohstoffen ent- Geheimnis der österreichischen Tabaksregie erzichlichen Wert für die Kinder. Das stehen. Es ist hier nicht der Ort , eine ist, eingeweicht und gebeizt wurden , und sorgfältige Verwenden selbst der unbe- vollständige Uebersicht über diese eigen erfuhr, daß man diese Lauge, welche natürdeutendsten Dinge führt zur Ordnung, artige Industrie zu geben , es sollen nur lich außerordentlich viel Nikotin und TaSauberkeit , Sparsamkeit und zu einer einzelne interessante Zweige hervorgehoben batssaft enthielt, in den Fluß laufen laſſe, Menge anderer Tugenden , wenn es nur werden, um zu zeigen, wie die Fortschritte da man keine Verwendung mehr für sie nicht übertrieben wird . Allerdings muß der Wissenschaft, wie des Menschen Klug- habe. Der Handlungsreisende betrachtete hier gesagt werden, daß eine Anzahl von heit , Berechnung und Betriebsamkeit es diese Lauge sehr genau und kam auf eine Hausmütterchen manchmal das Verwenden ermöglicht haben, die wertlosesten Abfälle Jdee . Er ließ sich bei dem Direktor melden von Abfällen übertreibt und sich auf Klei wieder aufs neue zu verwenden. und begann mit dieſem ein Gespräch über nigkeitskrämereien einläßt , die der Mühe Unzweifelhaft sind die Fortschritte der dieses Tabakswasser. Der Direktor gestand nicht lohnen, die man sich um ihretwillen Chemie bahnbrechend gewesen für die In- zu , daß dasselbe eine große Last für die gibt. Auf diese Virtuoſinnen der Spar- dustrie der Abfallverwendung , denn ohne k. k. Fabrik sei. Das Wasser könne man iamkeit paßt so recht das Beispiel von dem die neuen Entdeckungen der anorganischen auf keine andere Weise fortbringen , als Manne, der einen Pfennig ſucht und dabei | und organiſchen Chemie wäre man nie und daß man es in den Fluß laufen laſſe ; ein Groschenlicht verbrennt. nimmermehr dazu gekommen, aus vollstän- | dadurch werde aber das Wasser in dem Manche Frauen aber besigen eine im dig wertlosem Material neue Werte her selben verunreinigt, und seit Jahren führe die Direktion eine endlose Reihe von Promense Geschicklichkeit , Verwertungen für zustellen. Dinge zu entdecken , die man für absolut Kann man sich z . B. etwas Wertloseres zessen mit Leuten , die durch diese Verwertlos und unverwendbar halten dürfte. denken , als die kleinen Stückchen Kork- unreinigung des Wassers sich geschädigt Zigarrenasche ist doch gewiß eine Sache, abfälle von Korkpfropfen oder alte Pfro- glaubten. Der Handlungsreisende rückte cie man für gänzlich unverwendbar hält, pfen selbst ? - Die einzige Verwendung, jezt mit dem Vorschlage heraus , er wolle und doch hat sie Wert als Düngemittel für die man früher wohl dafür kannte , war die Fortschaffung des Tabakswaſſers über-Blumentöpfe. Zigarrenspißen sam die, alte Pfropfen zu zerschneiden und in nehmen , und zwar ohne daß es die Dimelt die Hausfrau, wenn ihr Mann Raucher Pappkästen zu kleben , wenn sich Knaben rektion auch nur einen Pfennig kosten solle. ist , und bekanntlich wird aus dem Erlöse Schmetterlings- oder Käfersammlungen Der Direktor hielt natürlich dieses Andieser kleinen Zigarrenspizen alljährlich ein anlegten. Heute macht unsere Industrie erbieten nicht für ernst, und als ihm der ganz bedeutendes Kapital zusammengeschla aus den wertlosesten Korkabschnigeln , die junge Handlungsreisende gar erklärte , er gen , welches zur Unterstügung und Be- bei der Fabrikation übrigbleiben , aus werde in den nächsten Tagen einige hundert kleidung von Waiſenkindern dient. — Eier- alten Korken u . s. w . das Linoleum , die Fässer schicken, in welche die Lauge für ihn schalen trocknet die Hausfrau und ver- Korkteppiche , welche bekanntlich ein vor- gefüllt werden sollte, und sobald die Fässer futtert sie an die Hühner, welche sie gern zügliches , ebenso haltbares als schönes gefüllt und abgeholt seien , stets für die freſſen, weil sie Bedürfnis nach dem Kalk Material zum Belegen von Korridoren, Zusendung von neuen Fässern sorgen , da Haben, der sich in den Schalen vorfindet. Treppen und Stuben abgeben , und die glaubte es der Direktor mit einem JrrAus Tuchschnißeln werden geschmack Eigenschaft haben , unzerreißbar zu sein sinnigen zu thun zu haben. Aber schon volle Teppiche oder Decken angefertigt ; und den Schritt vollständig zu dämpfen. in der nächsten Woche kamen einige hunman kann sie auch zum Beſaß für KinderSelbst die allerkleinsten Lederabfälle dert Fässer von Triest an, weil der junge wäiche, für Unterröcke u . s. w . verwenden . verwendet man , indem man sie zerkocht, Mann einen Kompagnon gefunden hatte, Kleine Abschnitte von Leinwand oder mit Chemikalien vermischt und so eine der das nötige Geld hergab , und in der Schirting werden zu Vierecken geschnitten , neue, lederartige Subſtanz herstellt, welche That wurden die Fässer, nachdem sie mit rechts und links zu Dreiecken umgeschlagen wieder bearbeitet und zur Fabrikation ver- Lauge gefüllt waren , fortgeschafft und durch leere erseßt. Der Direktor erfun und ergeben so eine Zacke, und eine Anwendet wird . tahl von solchen Zacken vereinigt man zu Gehen wir aber zu einer noch origi digte sich, wohin denn die gefüllten Fässer, inem Besah an Wäsche und zur Deko- nelleren Verwendung von Abfällen über. die nach Triest zurückgeschafft wurden, rierung der Fachbretter im Wäscheschrank In Laibach befindet sich eine große Tabaks- gingen, und erfuhr, daß sie per Schiff nach oder des Bords am Küchenherd . — Bind fabrik der österreichischen Regierung. Sie Hamburg und Bremen versendet wurden. Faden von Paketen, von Zuckerhüten u. s. w. fabriziert vor allem die Virginiazigarren , Dort wird diese Tabakslauge für schweres verden gesammelt, und immer gibt es für die sogenannten „ Rattenschwänze " , welche Geld von gewiſſen Zigarren- und Tabaksie im Haushalt eine Verwendung, sei es nicht nur in Desterreich allgemein bekannt fabrikanten angekauft , welche minderwer elbſt nur für die Kinder, welche bekannt und beliebt sind , sondern die man auch tigen Tabak mit dieser Lauge beizen und ich in gewissen Jahren sehr starke Konsu- in Nord- und Süddeutschland in jedem ihn dadurch beſſer ſchmeckend und aromanenten für Bindfaden sind , die sie zu Café findet. Nach Laibach kam vor einer tischer machen. Es soll sogar möglich ſein, hren Spielen gebrauchen. Daß Kno- Reihe von Jahren ein Handlungsreisender, mit dieser außerordentlich scharfen Lauge hen , zerbrochenes Glas und altes welcher wenig Geld , aber viel Klugheit gewöhnliche Kohlblätter in Tabak zu „ verEisen gesammelt werden , damit es das und Geschäftssinn besaß. Dieſer verlangte wandeln". Die Direktion der k. k. TabakzDienstmädchen oder die Waſchfrau verkauft, | in seinem Hotel Fische oder Krebse , und fabrik_in_Laibach kam ſchließlich so weit, it selbstverständlich. Sogar Papier es wurde ihm bedeutet , daß solche nicht eine Entschädigung für die Abgabe des chnißel bewahrt die Hausfrau sorgfältig zu haben seien. Die k. k. Tabaksfabrik Schmutzwassers zu fordern, und sie erhielt uf, weil sie ein vortreffliches Packmaterial leite ihr Schmutzwasser in den Flußlauf auch zuerst 300 Gulden und später mehr. bgeben, wenn man ein Paket wegzuschicken und habe dadurch alle Fische und Krebse Der junge Handlungsreisende mit dem tüchat , welches zerbrechlichen Inhalt hat. vernichtet. Der Handlungsreisende inter- tigen Geschäftsblick war unterdes ein reicher, Natürlich läßt sich hier keine Theorie eſſierte sich für die Fabrik und fragte, ob sogar ein sehr reicher Mann geworden, und er Verwendung von Abfällen aufstellen. es ihm wohl gestattet sein würde, dieselbe das lediglich durch den Tabaksjaft , den Die kluge Hausfrau weiß unmögliche Sa zu besichtigen. Solche Besichtigung steht er in Laibach entdeckt hatte. Er hatte inzwischen noch eine andere hen möglich zu machen und noch wertlosere jedermann frei, und auch der junge Hand41 89. II.
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Verwendung für denselben entdeckt, welche fen , daß es sich empfehlen würde , das | nach den Hütten gefahren, um dort rentabler war als die Abgabe der Tabaks Gold aus dem Teppich herauszuziehen, daraus zu gewinnen , und die Zinkfabr sauce an die Tabakfabrikanten. Die kolos- welches sich durch das jahrelange Zählen kation wurde aus dem Hochofenbruch se falen Schafherden Auſtraliens und Amerikas und Hin und Herſchieben von Goldstücken lange betrieben, bis man in Oberſchleſica haben viel zu leiden durch einen Käfer, gewissermaßen in ihn hineinverkrochen hatte. selbst die koloſſalen_Lager von Galme: welcher sich in die Haut der Schafe ein Durch das Reiben der Goldstücke an ein d. i. Zinkerz, entdeckte , welche es ermea bohrt, um dort seine Eier zu legen. Die ander, durch das Reiben der Goldstücke lichten, daß die oberſchleſiſche Zinkindusta Maden, welche aus diesen Eiern austrie an dem Tuch des Teppichs selbst mußten einen Aufschwung nahm, den sie heute ned chen , wühlen sich unter der Haut weiter nach der Annahme des Chemikers Partikel- besigt , und welcher so koloſſal iſt , daß fort, erzielen eiternde Wunden und ver chen abgerieben werden, welche allerdings Oberschlesien allein mehr Zink liefert, als ursachen schließlich den Tod der Tiere. unendlich klein waren , sich aber doch in die ganze übrige Welt zusammengenomme Kolossalen Verlusten waren die Schaf dem Teppich vorfinden mußten. Er verNoch eine andere eigentümliche Verzüchter durch diesen Parasiten ausgesezt, brannte den Teppich, behandelte die Asche wendung von Abfällen knüpft ſich an die bis es sich herausstellte , daß diese Käfer chemisch und holte für einige hundert Verwendung von Abfällen aus den Horund ihre Brut augenblicklich zu Grunde Mark, wenn ich nicht irre, waren es acht öfen. Während in dieſen koloſſalen Hec gingen, wenn sie nur von einem Tropfen hundert Mark , Gold aus der Asche des öfen mit Hilfe sehr starker Gebläse das Eisenerz schmilzt und flüssig wird wi des Schmutzwassers getroffen werden , in verbrannten Teppichs heraus . welchem die Blätter des Virginiatabaks Etwas sehr Originelles über die Verwen- Wasser , bildet sich natürlich auch eine gebeizt wurden. Man machte Versuche in dung von Abfällen erlebte meine engereHei- wertlose Schlacke , die aus den Hochöfz großem Maßstabe und entdeckte in der mat, das industriereiche Oberschlesien. Dort herausfließt und welche auch glasartion That in diesem Tabaksfaft ein vortreff entdeckte in den fünfziger Jahren ein Glas- eigentümlich grün- gelb-bläuliche Stücke m:: liches Mittel , um sich gegen die Verhüttenmeister durch einen Zufall die hütten- | müſchelartigem Bruch bildet , welche man wüstungen und Beschädigungen des Bohr männische Gewinnung des Zinks . Die un nach dem Hochofenbruch ebenfalls zur Be fäfers zu sichern. Man konstruierte eine geheuere Bedeutung des Zinks für unsere schotterung von Straßen und zum Ans große Douche , aus welcher der Tabaks- Volkswirtschaft und unser ganzes Wirt- füllen von Löchern und Unebenheiten der ſaft, mit Waſſer vermischt, ununterbrochen schaftsleben wird jedermann klar , wenn Wege verwendete. Noch nicht fünfzehr herabströmte , während unter der Douche er sich nur daran erinnert, wie viele und Jahre sind es her , ſeit man entdecke hindurch ein Schaf nach dem anderen durch unentbehrliche Gegenstände aus Zinkblech daß auch diese Schlacke, dieſer ſeit Jahr einen schmalen Gang getrieben wurde, so bereitet werden . Man kannte damals das hunderten für absolut wertlos gehalter. daß man seine ganze Wolle mit verdünntem Zink so , wie man ungefähr jetzt das Alu- Abfall , ein wertvolles Material liefert. Tabakssaft durchnäßte. Alle großen Schaf minium kennt , dessen Herstellung im großen Noch nicht fünfzehn Jahre sind es ber züchter Australiens, aber auch Südamerikas , | ebenfalls eine Art von Revolution in der daß man die Schlackenwolle entdeckte. haben jezt diese Präservativdouche mit Ta Fabrikation von Hausgeräten hervorrufen Dieses Produkt ist eines der originellite bakshaft bei ihren Schafherden eingeführt, wird , man war aber noch nicht in der in der ganzen Induſtrie , und wenn man und die Abnehmer des Laibacher Tabaks- Lage, das Zink billig auf dem Wege der zum erstenmal diese Schlackenwolle fict wassers senden jährlich Hunderte, ja Tau- Verhüttung darzustellen. Die Glashütte und erfährt , wie sie produziert wird , se sende von Faß per Schiff nach Auſtralien zu Weſſola in Oberſchleſien erhielt, wenn glaubt man , der Verstand müſſe ein. und Amerika und haben sich eine glänzende ich nicht irre , im Jahre 1852 den Auf- etwas ſtillſtehen. Der Leser hat geri Einnahme für diese früher ganz wertlose trag auf Lieferung von Flaſchen aus dunkel- schon die sogenannte Schlackenwolle az Tabakssauce gesichert. grünem, fast schwarzem Glaſe. Dem Glas- sehen , welche aus weichen , flaumartiger Ueberraschen wird es den Leser und meister lag es ob, der Maſſe, aus welcher Fasern besteht , die wie Baumwolle aus auch die Leserin , zu erfahren , daß selbst das Glas geschmolzen wurde , eine Bei jehen und von dieser sich nur dadure der Straßenkehricht nicht wertlos ist . mischung zu geben, durch welche der dunkle unterscheiden , daß sie dunkelgelbe , sank In Berlin z . B. ist das Fortſchaffen des Ton herauskam . Er machte einen Verſuch korngroße, harte Knötchen enthalten. Tic . Straßenkehrichts an Unternehmer ver mit Hochofenbruch , einer Art Schlacke. Schlackenwolle ist einer der schlechtesten pachtet , welche dadurch ein Nebengeschäft Wenn ein Hochofen, in welchem bekannt- Wärmeleiter , die man sich denken kann, machen, daß ſie dieſen Straßenkehricht auf lich das Eisen geschmolzen wird, lange in und bildet daher ein sehr schäßbares We Schiffe verladen und auf der Havel und Betrieb ist, so bildet sich an seinen Wänden terial zur Dichtung und Umpackung von Elbe bis weit hinein in das Land ver- ein Ansatz von ungeheuer schwerer und Röhren , welche nicht Wärme ausstrahle frachten , wo dieser Kehricht insbesondere harter , schwarzer Schlacke , welche einen sollen , zur Ausfüllung von Wänden auf naſſenWieſen als vortrefflicher Dünger eigentümlich glänzenden Bruch zeigt ; dieser Laboratorien, in Kellereien und allen O und zur Verbesserung des Grund und Bo- Ansatz verſtärkt ſich von Monat zu Monat , ten, wo eine gleichmäßige Temperatur dens verwendet wird. Die Einnahme, welche der innere lichte Raum des Hochofens wird halten werden soll. Die Entdeckung die Pächter aus dem Verkauf des Straßen- natürlich dadurch immer kleiner und von Schlackenwolle wurde durch einen Zufa fehrichts beziehen , beläuft sich auf einige Zeit zu Zeit muß , wenn der Hochofen kalt herbeigeführt, die Fabrikation geschicht het tausend Mark , gewiß ein glänzender Begeblasen ist , durch fachkundige Arbeiter in der Weise, daß ein feiner Strahl fa weis dafür, daß in den wertloſeſten Dingen diese Schlacke mit Meißel und Hammer Wassers mit der Kraft von einigen doch ein Wert steckt , und daß Wertloses herausgebrochen werden. Man kannte früher mosphären aus einer Metallspise her wertvoll werden kann, wenn es die richtige keine andere Verwendung für dieſe koloſſal auf den Strom glühender Schlacke , Verwendung findet. schwere und harte Schlacke , als sie zum aus dem Hochofen herausfließt , geris Es gehört eben der richtige Blick dazu, Beschottern und Ausbessern von Wegen wird und durch sein Zerſtieben auf um Abfälle zu verwerten , ja auch dazu , zu benußen. Als der Glashüttenmeister glühenden Schlackenſtrom Partikelchen um Abfälle zu sehen und zu finden. In nun diese Schlacke pulverisierte und in Schlacke losreißt, welche herumgeschleude der Berliner Münze war z . B. jahrelang den Glasofen warf , sah er plöglich flüs- und an einem senkrecht aufgestellten Di ein grüner Teppich als Tischbelag im Ge siges Zink herauströpfeln ; die Schlacke net aufgefangen werden, nachdem sich brauch, auf welchem die Goldstücke sortiert erwies sich als außerordentlich zinkhaltig, Schlacke unter der Einwirkung der cig und geprüft wurden , bevor man sie in sie bot Gelegenheit, nun erst auf hütten Glut und des kalten Waſſers in die ei Beutel packte. Der Teppich war einige männischem Wege in billiger Weise Zink tümliche Schlackenwolle verwandelt Jahrzehnte im Gebrauch und schließlich herzustellen . Jest geschah etwas sehr Merk- von da herabgenommen und in den Han so schlecht geworden , daß man ihn durch würdiges und Lächerliches . Das alte Be- gebracht werden kann. Die Kohlenbriketts sind nich: einen neuen ersehen wollte. Da kam einer schotterungsmaterial der Straßen wurde der Chemiker der Münze auf den Gedan- jezt sorgfältig aufgesammelt und wieder bei den Hausfrauen sehr beliebt, fon
Oskar Klaußmann .
Abfälle .
969 = bst aus den wert der überseeischen Weltteile , dort können , 8sel immer mehr Mühe=96 =967losesten Sachen neues Material für ver- die Eismaschinen aufgestellt und die Beauch bei den Hausherren ; bei ersterer , wendbare Stoffe und Produkte zu ziehen. völkerung für billiges Geld mit künſtweil sie ein so bequemes , leicht übersicht Verwendet man doch sogar den Schweiß, lichem Eis versehen werden , welches einen liches, einteilbares und verhältnismäßig der sich in der Wolle der Schafe vorfindet , unendlichen Segen in der unerträglichen rinlides Feuerungsmaterial sind , beim indem man ihn aus der Wolle aussondert, Sonnenglut und Hige bildet , ja jogar Hausherrn deshalb , weil sie billiger sind und das aus der Wolle auf chemischem günstig die Gesundheitsverhältnisse der als jedes andere Heizungsmaterial ; und Wege gezogene Fett bildet das Lanolin , Städte beeinflußt , und das alles , weil bod find die Kohlenbriketts auch nichts welches sogar offizinell iſt und jezt in der es gelang , aus einem Abfallſtoff ein ProSanderes, als die fluge Verwendung wert : Heilkunde eine nicht unbedeutende Rolle dukt zu ziehen, welches wiederum die Basis loser Abfälle . Sie bestehen aus dem so ung wurde . für eine neue Erfind Diese Kondensations- und Milchwässer genannten „Kohlenstaub", den kleinen Par e , der spi ffeMa upt, der verschiedenen Fabriken , die sogenannten ohlcht sto ched Abf en ver inkmis rhadet d erStever rden übewen unief wess derm Bra felchenLeh ßen rTie l un r Sch gro inall vieris hat sehelt. odeunErde, n n der h al k Abwässer ", spielen überhaupt in der Inre mit sic , son ist rein ba einm nicht lic er erb b en nd nz r d au ne Ueb r wu ga ein un ode St rei als meh nicht gut und Grustohle verläuflich ist. Man seht dieser über diese Abfallindustrie kann man sich "dustrie der Abfall verwendung eine sehr große verunreinigten Kohle Asphaltabfälle oder z. B. auf dem städtischen Viehhof von Rolle. So lohnt es sich z . B. sehr , die angereinigten Teer aus Gasfabriken hinzu , Berlin machen , einem Etablissement, wel- Seifenwässer der Tuchfabriken mit Säuren um ihre Heizkraft zu erhöhen, preßt sie in ches einzig in der Welt dasteht und welches zu versehen , um aus der Seife Fettsäuren en einer kleinen auszuscheiden , welche gesammelt und in heißem Zustande in mit Dampf getrie mit seinen Gebäudekomplex t es t hen nen er ich ad lig ste , getrennt von verschiedener Weise verwendet werden . . Hi gle St und stellt so ein bil benenMaschi den Stallungen und Schlachthäusern , eine Man mischt auch die Abwässer mit Kalk, Da nun einmal des Teeres hier Er- Anzahl von Fabriken , in welchen die Ab- sammelt die abgeschiedene unlösliche Kalk: ial hher. g auc hanesist,Hei auf diesen | fallſtoffe, die sich beim Schlachten der Tiere seife , verarbeitet diese auf Leuchtgas oder mater sozma getlich wäh vortgreff und nun Abfallstoff der Gasanstalten hingewiesen ergeben , verarbeitet werden . Die eine zieht scheidet daraus die fetteren Säuren ab. Immer mehr bemüht sich die industrielle ken Tie s nic zweecder ten fü , det welche gsut en , wer chesr in s Chemie , gerade die Abwässer und Rückwen weltlo werd hrmunBl daht n für n au wird, verre zu sNade der maZei , her galtfrü da en ziemlich Teer, felbst wenn er gereinigt war, teine Albumin , welches in der Industrie umstände der großen Fabriken neu zu vergenügende Verwendung hatte. Man konnte fassende Verwendung findet ; eine Leim werten und nutzbar zu machen . Neue m lediglich zum Bestreichen von Holz siederei bereitet aus den leimhaltigen Ab- Zauberkräfte ersinnt der Chemiker , um teilen, die der Witterung ausgesetzt was fällen der Schlachttiere die verschiedensten aus überflüssigem , wertlosem Wasser , ja ten, oder zum Bestreichen der mit Dach- Sorten Leim ; eine Knochenmühle bereitet selbst aus Gas , welches früher unbenutzt ige so not in die Luft ging , wertvolle Rohstoffe herauspappe belegten Dächer verwenden . Die das für zahlreiche Fabrikationszwe
glich aus der Erde wachsenden Gas- wendige Knochenmehl , aber auch Knochen zuzieh e . Soda , welche allen Hausfrauen Dien ukt onewe ati rod e bekannt ist , da sie im Haushalt eine so rik rden enp e Rüc serNeb ere enr , so ndeunvo dn wiker,t koh . Di Fab t duz hrten ltennich anddie stäle siel da Temi wo vie abe wußt meier pro daß antasie hin sollten , da der Konsum viel zu klein derum in einer anderen Fabrik , zusammen wichtige Rolle spielt, erfordert eine außer war, bis wiederum ein Mann der Wissen mitden unverwendbaren Teilen der Schlacht ordentlich umständliche Fabrikation . Bei fgas , welches Shaft im Jahre 1856 in dem Teer die tiere , zu Dünger verarbeitet . Da die Auf- dieser entsteht Chlorwasserstof wertvolle Anilinfarbe entdeckte. Am 26. Au sicht eine sehr strenge auf dem Berliner früher unbenußt in die Luft gelassen wurde , qust 1856 entdeckte W. H. Perkin in London Schlachthof ist, so werden zahlreiche Tiere jezt aber in den Fabriken verdichtet und Das Anilinviolett und das Anilinpurpur , oder Teile von Schlachttieren , welche nur zu Salzsäure gemacht wird. Diese Salzachdem schon seit dem Jahre 1826 der einigermaßen verdächtig aussehen , für unsäure verwendet aber die Sodafabrik wieder Besuch gemacht worden war, die Anilin verwendbar erklärt und sofort dem Besizer zur Fabrikation von Chlorkalt , dessen sie farbitoffe zuerst aus dem Indigo und seit weggenommen . Eine besondere Fabrik nun ist bei der Herstellung der Soda dringend bem Jahre 1833 aus dem Steinkohlenteer vorhanden , welche aus trichinösen Schweinen bedarf. Bei dieser Verwendung entsteht u ziehen. Im Jahre 1858 entdeckte der oder selbst aus lungenkrankem Rindvieh aber wieder ein neuer Abfall , die sogeDeutsche Hoffmann das Anilinrot , das das Talg auskocht , um es an Seifen- nannte Manganlauge , aus welcher man t uchin , im Jahre 1859 der Engländer fabriken abzugeben . Ebenso werden wie das Mangan so wiedergewinn , daß es ion benut Lighfoot das Anilinschwarz und im Jahre derum die Rückstände von der Talgkocherei nochmals bei der Sodafabrikat 1861 zwei Franzosen das Anilinblau . Im in der Düngerfabrik verarbeitet , so daß werden kann. Gerade diese Fabrikation Jahre 1863 entoedte man das Anilingelb wenigstens einigermaßen für die Besizer ist außerordentlich reich an Verwendungen and das Anilingrün, und von diesem Zeit von frankem Vieh oder von geschlachteten von Abfallstoffen , welche in der Fabrik punkt ab entstand eine vollständige Revo- verdächtigen Tieren eine Entschädigung in einem gewissen Kreislauf der Fabrikation herauskommen und immer wieder Welchen Nutzen die Verwertung von bei der Sodafabrikation mithelfen müſſen . mmnt . koffe chen rep ussto - he misrie biet m eGefol f de ionntl Farb der Ind cheust auich futtan all räosseale stiftet , kann man z. B. an Früher ging der Schwefel der in den Abfra ein n te i n te dem folgenden Beispiele sehen : Das Am- Sodafabriken benutten Schwefelsäure volldeche hund stfärbere hrr etin verw, enwel fe .t , Di Jade Ant sei Kuner stofier pegetabilischen und animalischen Farb- moniat ist außerordentlich billig , seitdem ständig verloren , und die sogenannten Sodafe wurden vollständig durch das Anilin es gelungen ist, es in großen Wassen aus rückstände bildeten eine große Last ; jezt sser der Gasanstalten wird aus letteren der Schwefel und selbst rdrängt , welches sich nicht nur billiger dem Kondensationswa der Kalf, mit welchem der Schwefel verherzustellen . Diese Erfindung ist zu einem bunden war , wiedergewonnen und kann sandere Farbstoffe stellte , sondern so wahren Segen für die Tropen geworden , von neuem benugt werden . s Wir haben mit dieser letteren Auslante Farbeneffekte hervorbrachte , wie denn auf der Verwendung des Ammoniak , rei g an fie früher nie gekannt, ja nicht ein- welches billig und in großen Mengen zu führun indes das Gebiet der Plaude Wenig bekannt dürfte es sein , daß beschaffen sein muß, beruht die Erfindung fast verlassen und müssen hier abbrechen, hnt ttne .Weintrebern , den Resten der künstlichen Eismaschinen , welche ins la 3. ea B. aushade da es sich nicht um eine technologische AbAbfällen beim Weinkeltern , ebenfalls besondere in Deutschland (Halle ist ein handlung , sondern um eine anregende Piaurt men Farbstoff fabriziert , und zwar das Hauptfabrikationso ) hergestellt und nach derei handeln soll . Einer eigentümlichen n aft ile sch tte en sen e , nach Australien , nach Verwendung von Abfallstoffen indes mag Wel all Di Wis ht a r ig eln nd rac s n n ga rt , nach Indien u . f. w. , nocherwähnt werden , welche eine spezifische -Ins Su de au , de geb es so fe hat r Schwarz . rankfurte eintrebern ein Leuchtgas zu erzielen, und versendet werden . Wo Gasanstalten vor Eigentümlichkeit von Berlin ist. Jahrzehnten gibt sich die Wissenschaft handen sind , wie in den größeren Städten
Robert Keil. =970 Zu Pfingsten wimmelt bekanntlich der bei Berlin gelegene Grunewald von Tausenden und Abertauſenden von Berlinern , welche dort Erholung und Erfrischung im Waldesgrün suchen und mit den mit gebrachten Vorräten hinausziehen, um erst spät am Abend wieder nach Berlin mit den Zügen der Grunewald- und der Stadtbahn zurückzukehren . Es bleibt gerade beim Pfingstfest so viel sogenanntes "! Stullen papier" , d . h. Papier, in welches Eßvor räte eingeschlagen waren , im Grunewald liegen, daß am sogenannten vierten Feiertag eine Pappenfabrik in Charlottenburg eine große Menge von Männern und Frauen, mit Säcken versehen, nach dem Grunewald schickt und dort das Stullenpapier zu sammenlesen läßt, von welchem manchmal vierzig bis fünfzig Zentner nach der Pappen fabrik gebracht werden, wo dieses Papier ein vortreffliches Material für die Herstel lung weißer und feiner Pappe abgibt.
Tie furt. Ein Frühlingsmorgen an klassischer Stätte. Von
Robert Keil.
on allen geschichtlich denkwürdigen Stätten, die in Weimars Umgebung erhalten sind, ist Tiefurt die erinnerungsreichste. Im Flmthale, einem reizenden Dornröschen gleich , liegt das Tiefurter Schlößchen inmitten seines traulichen Partes, dem Schauplatz des geistig bewegten Lebens und Treibens der Genieperiode. Welche klassische Stätte wäre eines Besuches würdiger als dieses erinnerungsreiche Idyll ? Und ist es heute nicht Pfingst fest ? Die Sonne strahlt vom wolkenlosen blauen Himmel und frische Morgenluft umweht uns . Wie an dem köstlichen Ostertage im „ Faust " dringt aus dem Thor ein buntes Gewimmel hervor“ . Jeder sonnt sich heute so gern. Sieh' nur, sich wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt. Ziehen auch wir hinaus in den frischen Festmorgen. Ueber die Regelbrücke gelangen wir zu dem Erholungsgarten , der durch die dort befindlichen Denkmäler seines ehemaligen Besizers , des Märchendichters Musäus , und der jugendlichen Schauspielerin Christiane Neumann-Becker (Goethes Euphrosyne) gleichsam die Eingangspforte zu un jerem litterarhistorischen Frühlingsausfluge bildet. Wenige Schritte weiter treten wir in eine prachtvolle Kastanienallee , die ihr hellgrünes Blätterdach voll weißer Blüten, den Kerzen mächtiger Christbäume gleich, über uns wölbt. Dann führt uns die breite, faubere Straße durch das lenz frische Grün des Wäldchens „ Webicht“ nach dem kaum eine Stunde von Weimar gelegenen Dorfe Tiefurt . Es ist dieselbe Straße, welche Goethe am 8. April 1779
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ritt, den kleinen Friß von Stein mit auf zungen zu dem reizenden Parke, der zwar dem Pferde . dieselbe , welche er am an Größe denen von Weimar und Belve30. März 1780 dahinwandelte, als er, der dere nachsteht, an Romantik und TraulichDichter an einem Herzogshofe , der dem teit aber sie beide übertrifft. So wurde kunstliebenden Hofe von Ferrara glich, laut Tiefurt der Lieblingsaufenthalt der kunſtseines Tagebuchs die ,, gute Erfindung Tasso " sinnigen und lebensfrohen verwitweten Her hatte und so die erste Idee zu dem Drama zogin Amalie. Auch in den folgenden Zahfaßte , das er am 10. November begann ; ren „ rastete ſie“ — wie ſie ſich ausdrückt dieselbe Straße , welche Schiller am " nicht, bis sie Tiefurt in einen beinahe ähn 27. Juli 1787 in einem Wagen mit Wielichen Zustand wie Wörlig gebracht habe : land fuhr , um in Tiefurt der Herzogin das Lohhölzchen wurde umgeschaffen und Amalie vorgestellt zu werden. Diese Er in einen solchen Zustand verseßt, daß Fau innerungen gehen uns durch den Sinn, nen und Nymphen sich nicht zu schämen während wir durch das junge Grün des brauchten , ihren Aufenthalt darin zu Waldes wandern und aus der Tiefe des nehmen. " legteren der Kuckuck seinen Frühlingsruf Bald fingen auch hier die Steine zu ertönen läßt . Beim Austritt aus dem reden an. Verfolgen wir den hochgelege "/ Webicht " erfreut uns die reizende Ansicht nen Parkweg, so finden wir auf der linken des Tiefurter Thales mit dem an der Jlm Seite desselben einen Steinwürfel , in den malerisch gelegenen Dorfe, Schlößchen und das sinnige Distichon eingegraben ist : Parke. Wir wandern hinab und stoßen "1 Steilere Höhen besucht die ernſte, forſchende auch hier auf eine neue, aber schmerzliche Weisheit, Erinnerung. Am 5. September 1811 hatte Sanft gebahnteren Pfad wandelt die Liebe im Thal." der „ Vater" Wieland seinen Geburtstag sehr vergnügt in Tiefurt gefeiert, wo Entzückend ist der Anblick der prädseine Freunde ihm ein Fest bereiteten. Am tigen Laub- und Nadelholzbäume, an denca 11. September wiederholte er in Damen Tiefurt so reich ist. Den Gipfel einer gesellschaft die Fahrt nach Tiefurt , als nahen Eiche konnte man einst auf einer hier, unweit vom Dorfe, das Geschirr der Wendeltreppe ersteigen, um die Uebersicht Pferde riß, der Wagen am Abhange um des Parkes zu genießen. Durch den hohen geworfen wurde und Wieland sowohl wie Aufwuchs der umstehenden Bäume wurde seine Tochter Luise schwere Verletzungen aber dieser Zweck allmählich vereitelt und crlitten . Wenn sich auch der Greis von daher die wohl baufällig gewordene Treppe diesem Leiden rasch wieder erholte, so mögen entfernt. sie doch immerhin dazu beigetragen haben , Von diesem hochgelegenen Wege hinab daß er schon nach 16 Monaten, am wandelnd , gelangen wir zu einem tief20. Januar 1813, aus dem Leben schied. ernsten , rührenden Denkmale. Am 27. Oberhalb des Felsenkellers gelangen April 1785 war der Prinz Leopold von wir zum oberen Eingang des Parkes , der Braunschweig , als er , der preußisch: ebenso wie seine Brüder in Weimar, Bel- Generalmajor , in Frankfurt a. d. C. eine vedere und Ettersburg in dankenswerter Familie beim Eisgang aus der Wasserflut Liberalität dem Publikum zu freiem Be retten wollte, in der Eder ertrunken. Wie einer werden und bei suche geöffnet ist , sehr Herzogin Amalie , seine Schwester, hohen, von einer Bank umgebenen Linde durch diesen Trauerfall erschüttert wurde, von der prächtigen Uebersicht des Dörf geht aus einem erst vor kurzem bekannt chens und des maifrischen Parkes wie von gewordenen Briefe ihrer Hofdame Luiſe von dem Blick auf den zu unseren Füßen bligen Göchhausen vom 5. Mai 1785 hervor: den und rauschenden Fluß gefesselt. Es „ Diesmal schreibe ich Ihnen auf Befehl ist der Standpunkt, von welchem v. Kne meiner gnädigsten Herzogin, die leider wegen bel gesagt: der Maler sollte Tiefurt von einer sehr traurigen Nachricht , die sie ge der Höhe nehmen, rechter Hand che man stern erhalten hat , heute nicht im Stande über die Brücke zum Dorf kommt , so ist, selbst zu schreiben . Es ist nehmlich is. daß man die Brücke , den Fluß, Garten jüngster H. Bruder, der Print Leopold is und Dorf zugleich sehe ; der Fluß sei hier Frankfurth an der Oder bey einer großen ein Hauptteil wie auch die ansteigende Wassersnoth , da er andere retten wollte. Höhe". Knebel war der eigentliche Schöp- selbst ums Leben gekommen ." Sie fer dieses fürstlichen Heims . Mit seinem ihm hier in ihrem Lieblingsheim am Ufet Zögling Prinz Konstantin , dem zwei der Zim ein von Deser geschaffenes Moten Sohne der Herzogin Amalie , wohnte nument errichten. Von einer Urne über er hier. Schon damals war hier ein gar ragt , ist das Porträtmedaillon Leopolds heiteres Leben. " Nach zwei Uhr “ -schrieb angebracht, unter demselben ein Helm, und Goethe im Mai 1776 an Gräfin Auguste eine Marmortafel hat die einfach)-würdig von Stolbergging alles nach Tiesurt, Inschrift : „ Dem verewigten Leopold Anna wo der Prinz sich hat ein Prachtgut artig Amalie." "Goethe dichtete im Mai 178 zurecht machen lassen. Die Bauern em auf das Andenken des edlen Fürsten di pfingen ihn mit Musik, Böllern, ländlichen schönen Verse: Ehrenpforten , Kränzlein , Kuchen , Tanz, Feuerwerkspuffern, Serenaden. Wir waren !! Dich ergriff mit Gewalt der alte Herrſcher des vergnügt." Mit Knebels Hilfe erhob die hält dich und teilet mitFlusses, dir ewig ſein firðmendes Reich. Herzogin Amalie diesen ländlichen Sih zu einem fürstlichen Luftschlößchen , den Ruhig schlummerst du nun beim ſtilleren Ras ausgedehnten Garten durch reiche Anpflan= | schen der Urne,
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Vis dich stürmende Flut wieder zu Thaten wieder am 18. September 1782 Goethes | Gestalt, Majeſtät in Anſtand , Wuchs und erweckt ; idyllisches Liederspiel ,, Die Fischerin ", sein Gebärden nebst so vielen anderen seltenen Hilfreich werde dem Volke , so wie du ein " Wald- und Wasserdrama “, auf dem „,,natür- Vorzügen der ernſteren Grozie, die sich in Sterblicher wolltest, Und vollend' als ein Gott, was dir als Men: lichen Schauplatz zu Tiefurt an der Ilm", ihr vereinigten , hatten sie vor vielen an teils am jenseitigen Ufer, teils auf dem Flusse deren zu einer Priesterin Dianens berufen schen mißlang." selbst in zauberischer Beleuchtung aufgeführt und geeignet. " Und als im Jahre 1781 Noch ein anderes Denkmal inniger wurde. Da drüben flackerte damals das wieder der Geburtstag des Dichters kam , Trauer der Herzogin birgt der Tiefurter Feuer auf Dortchens Herde, und die schöne wurde ihm auf dieser Stätte die größte Park, ein Denkmal der Mutterliebe. Ihr Korona Schröter , in welcher laut Huldigung dargebracht , die wohl jemals Sohn Konstantin , der einst mit Knebel Goethes Ausspruch " die Natur die Kunst einem deutschen Dichter zu teil geworden. hier in Tiefurt gewohnt und mit den ge- erschuf" , die Sängerin, die !! mit der Liebe An der Stelle der früheren kleinen Einnialen Schöngeistern der damaligen Wei Gewalt das Herz getroffen " , sang nach siedlerhütte im sogenannten Petit - Coliſee marischen Zeit so froh und frei gelebt hatte, ihrer eignen einfachen Komposition zum zu Tiefurt hatte die Herzogin Amalie ein daß das humoristische Gedicht v . Ein erstenmal Goethes Erlkönig. Mit reichem Tiefurter Hof- und Waldtheater oder, wie fedels vom 6. Januar 1776 über ihr Ver- Fange tamen auf der Zlm der alte Fischer Wieland im ,, Tiefurter Journal" es nannte, hältnis zu dem Bruder Karl Auguſts ſagen und Niklas , ein Fischerlied singend , im einen wie durch einen Feenstab hervorkonnte, daß sie Kahn herangerudert und landeten. Noch gebrachten Tempel der tragi- komiko -pantodes Bruders Respekt so ganz verkennen, jezt sind die Steinstufen, auf denen sie an mimisch - skiagraphischen Muse " herrichten Tout court ihn Bruder Herz thun nennen, das Land stiegen, am linken Üfer zu sehen. lassen. Am Abend des 28. August wurde ist von der Mutter selbst in einem origi- Und als die vom Vater zur Hilfe der Tochter das Theater unter großem Zudrange Schaunellen Briefe an Frau Rat Goethe in herbeigerufenen Nachbarn herbeieilten lustiger mit der Tragi-Komödie „ MinerFrankfurt vom 9. Juni 1781 kurz und an- als erst einzelne Fackeln aufleuchteten, dann vens Geburt, Leben und Thaten ", einem schaulich geschildert worden. Die Stelle mehr und mehr , bis lodernde Feuer den nach Art der chinesischen Schattenspiele lautet wörtlich: "!Mein Sohn Constantin, Fluß und seine Ufer phantaſtiſch und feen hinter einem großen durchsichtigen weißen der Ihnen diesen Brief bringen wird kan haft überstrahlten, war der wirkungsvollste Tuche pantomimisch gespielten sehr ergöt Ihnen alles mündlich sagen , wie es hier Hauptmoment des Dramas gegeben. Was lichen Stücke , eröffnet . Karl August mit uns steht. Sie werden, Liebe Mutter, Wunder , daß der Zudrang der Schau- selbst als Vulkan spaltete mit gewaltigem ein jungen Menschen an ihm finden , der lustigen namentlich nach der nahen Brücke Schlage den Riesenkopf Jupiters . Korona noch nicht ganz Flicke ist , sein Herz aber als dem günstigsten Standpunkte ein außer Schröter stieg als Minerva daraus herift gut, und ich hoffe , daß die Reise, die ordentlicher war und die zusammenbrechende vor und empfing Geschenke der Götter. Er jest antritt ihm zu einem guten und Brücke gar manchem ein - zum Glück Zum Schluß verkündigte sie aus Klothos brauchbahren Menschen machen wird. “ Dem unschädliches - · kaltes Bad bereitete ? Buche, daß sie den heutigen Tag im Schickgeliebten Sohne , der ihr durch den Tod Wir überschreiten die Brücke und stehen salsbuche als einen der glücklichsten beentrissen wurde, hat die trauernde Mutter bald auf der geschichtlich bedeutsamen Stelle zeichnet finde, an welchem vor 32 Jahren hier ein Denkmal gesezt , das in seiner des ehemaligen fürstlichen Liebhabertheaters einer der besten und weisesten Menschen Form antiken Monumenten in der Gräber- | von Tiefurt. der Welt geschenkt worden, und überreichte, straße von Pompeji gleicht. während ein Genius Goethes Namen in ,,Wie viel Altäre stiegen vor euch auf! die Wolken schrieb und „ Iphigenie“ und Doppelt rührenden Eindruck machen wie manches Rauchwerk brachte man euch drauf! "Faust" in feurigen Inschriften erschienen, diese Denkmäler wehmütiger Trauer durch | An wieviel Plähen lag, vor euch gebückt, die von den Göttern empfangenen Gaben : den Kontraſt der sie umgebenden wonnigen Ein schwer befriedigt Publikum entzückt ! Apollos Leier, den Blütenkranz der Muſe Natur. Ringsum Frühlingsblüte und In engen Hütten und im reichen Saal, Frühlingsduft. Auf den saftig grünen Auf Höhen Ettersburgs, in Tiefurts Thal, und den Gürtel der Venus dem gefeierten Wiesen und im Gebüsch leuchten die Anem leichten Zelt, auf Teppichen der Bracht, Dichter als Geburtstagsgeschenke . monen und die bunten Wiesenblumen des und unter dem Gewölb' der hohen Nacht“ 2c. ,,Und ruft so die Erinnerung Lenzes , die maigrünen Bäume und Sträu- ruft Goethe in seinem Gedicht auf MieDen Chor idylliſch heitrer Stunden ther tragen prächtigen Blütenschnee , der dings Tod den Musen dramatischer Kunst Aus Tiefurts Hain verklärt herauf" Flieder prangt mit seinen reichen duftigen zu. Die Tiefurter Stätte wird jezt von so feiern zwei Monumente inmitten dez Trauben, lustiger Vögelgesang erklingt von einem kleinen Tempel bezeichnet, in dessen Parkes das Andenken zweier hochverdienter den Zweigen , und neben uns blitt und Mitte sich die Statue einer Muse erhebt. deutscher Männer, die von der kunstbegeirauscht der Fluß das Ganze eine Szenerie Bis zum Sommer 1781 wurden hier in sterten Herzogin Amalie besonders geschäßt von unvergleichlichem Liebreiz . Nirgends der Mooshütte" und im Freien Schäfer wurden. Der eine (um mit den schönen anders hätte daher das kleine Bildwerk, spiele, Lustspiele und Possen , aber auch Versen des Kanzlers v . Müller zu reden) das unfern dem Konſtantin - Monumente größere ernste Dramen aufgeführt. Hier " reinſtem Prieſterdienst verbunden unsern Blick fesselt, so geeigneten Play fin- brachte im Jahre 1779 Korona Schrö- Ein Morgenstern glänzt er uns ewig auf, den können als hier. Ueber einer kleinen ter als erste Iphigenie mit dem geliebten Der hellen Blicks der Völker Nacht durchdrungen, Steingrotte sitt Amor, auf dem linken Knie Dichter als Orest dessen idealste dramatische Uns ihrer Stimmen Lust und Leid gesungen," eine Nachtigall in ihrem Neste haltend , die Dichtung zur Darstellung, während Prinz Jhm , unserm Herder , ist an einem er mit dem Pfeile füttert. Es ist eine Konstantin den Pylades , v . Knebel den von Fichten und Tannen stimmungsvoll liebliche Desersche Statuette mit den Versen Thoas spielte. "! Noch nie erblickte man beschatteten Plaße ein einfaches SteinGoethes vom Jahre 1782 : eine solche Vereinigung physischer und gei- | denkmal mit der Inschrift Herder" er= „Dich hat Amor gewiß, o Sängerin, fütternd stiger Vollkommenheit und Schönheit, als richtet. Den andern, der durch seine Meiſterdamals an Goethe," bemerkt darüber ein werke „ Figaro " ( 1785) und !! Don Juan" erzogen, Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile Augenzeuge, der berühmte Arzt Christoph ( 1787) der deutschen Musik neuen genialen die Kost, Wilhelm Hufeland. Und Korona Schröter Aufschwung gegeben, feiert ein Denkmal, Schlürfend ſaugteſt du Gift in die unschuldige spielte nicht nur Iphigenie , sie war das eine Lyra, sowie die tragische und koKehle, mische Maske trägt , mit der Zuschrift: Iphigenie. Und mit der Liebe Gewalt trifft Philomele "/ Mozart und den Musen“. Wie Zeitgenossen berichten , erinnerten das Herz." sich noch nach vielen Jahren die KunstNahe diesen Denkmälern, umgeben von Die Stelle dieses Bildwerks ist zugleich freunde in Weimar mit Wehmut des schön samtweichen grünen Wiesen, duftenden aus besonderem Grunde interessant. Vor gemäßigten Spiels einer Korona Schröter, Blumenbeeten, Jasmingesträuch und blüuns , ganz in der Nähe, ist der Ort , wo für die Goethe ursprünglich seine „ Jphi hendem Flieder, mit malerischem Blick auf am 22. Juli 1782 zum erstenmal und dann genie" geschrieben ; das Junonische ihrer die Ilmufer und die waldigen Höhen, steht
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ein einfaches, schlichtes Häuschen, das ein Rat Theodor Kräuter, angeregt wurde, einziges Zimmer enthält. Es war der die Herzogin Amalie und ihre Zeit in einer Lieblingsort der Herzogin Amalie, ihr Thee- | Schrift zu schildern, erwiderte er, das sei Salon, in welchem sie ihre geistvollen leichter gesagt als gethan ; ich wüßte Abendgesellschaften zu halten pflegte. Hier nicht, " fügte er hinzu, wie ich diese Zeit war es auch , wo sie am 27. Juli 1787 beschreiben sollte , ich müßte es denn in den vielgerühmten jungen Dichter der der Form eines Märchens thun , in dem „Räuber", den Dichter von „ Kabale und die Amalie als allmächtige Fee alles beLiebe" und des „ Don Karlos" zum ersten lebt und schafft. “ mal empfing. Schiller berichtete darDer Mittelpunkt dieses Schaffens war über an seinen Freund Körner: „Ich traf das Tiefurter Schlößchen, zu dem wir nun fie mit dem Kammerherrn v . Einsiedel und die Schritte lenken . In seiner Kleinheit einer Hofdame im Gartenſaal. In einer und Einfachheit gleicht es eher einem bür kleinen halben Viertelstunde war die ganze gerlichen Landhause, als einem fürstlichen Bekanntschaft in Ordnung. Wir waren Schloſſe. Und wie es jetzt erscheint , so zwei Stunden dort ; es wurde Thee ge- war es im wesentlichen auch in jener geben und von allem Möglichen viel scha- | weimarischen Glanzzeit . Zwar litt das les Zeug geschwagt. Gegen Abend Schlößchen nach der Schlacht bei Jena empfahlen wir uns und wurden mit Herr- gar sehr unter der gemeinen Roheit der schaftspferden nach Hause gefahren. Wie Franzosen. Sie plünderten und zerschlu land , der keine Gelegenheit vorbeiläßt, mir gen vieles , sie nahmen sogar die Zeich etwas Angenehmes anzukündigen, sagte mir, nungen aus den Rahmen , und in dem daß ich sie erobert hätte. Und wirklich neuen Salon drang eine Kanonenkugel über fand ich dieses in der Art , wie sie mich dem Kamin durch die Wand und den dort bebehandelt hatte. Sie selbst hat mich festigten großen Spiegel. Auchhaben die Neinicht erobert. Ihre Physiognomie will mir gungen von Amaliens Enkel Großherzog nicht gefallen. Ihr Geist ist äußerst bor- Karl Friedrich manche Aenderungen im Haus niert , nichts interessiert sie , als was mit und in den Seitengebäuden eintreten laſſen, Sinnlichkeit zusammenhängt ; diese gibt ihr und einzelne Erinnerungsgegenstände sind den Geschmack, den sie für Musik und Ma- vom jest regierenden Urenkel Großherzog lerei und dergleichen hat oder haben will. " Karl Alexander aus dem Tiefurter Schlöß Dem in jugendlichem Sturmund Drang chen nach Weimar übergeführt worden, um begriffenen genialen Dichter mag dies harte in dem Wittumspalais zur Vervollstänund schroffe Urteil verziehen sein ; viel digung des Heims der verehrten Ahnin leicht findet dasselbe in den späteren Säßen Herzogin Amalie die würdigste Stätte zu des Briefes die beste Erklärung : „Nun finden. Im allgemeinen sind aber die mehr freue ich mich auf die junge Her Räume des Schlößchens und ihre Einzogin (Luise), von der mir allerwärts viel richtung noch die alten , der kunstsinnige Vortreffliches geſagt wird . Bei der alten Geiſt Amaliens weht uns überall an . hatte ich zu überwinden , weil sie meine Hier, in dem traulichen Hause und im Schriften nicht liebt und ich ihr fremd war. engen , vertrauten Kreise von Wieland, Die junge ist meine eifrige Patronin undmei- v . Einsiedel und dem Hoffräulein v . Göch nen Arbeiten ganz vorzüglich gut." Jeden hausen (genannt Thusnelda) , gab sich die falls aber ist selten ein ungerechteres Urteil Herzogin ihrer Neigung für Kunst und ausgesprochen worden als dasjenige Schil- Litteratur mit ganzer Lebhaftigkeit hin. lers über Herzogin Amalie. Die Geschichte Hier entstand auch im Sommer 1781 das jener Tage hat das wahre Wesen der interessante handschriftliche " Tiefurter Fürstin längst in helles Licht gestellt, und Journal " , über welches die Herzogin am jede neue Veröffentlichung bestätigt nur 23. November 1781 an Frau Rat Goethe die Wahrheit dieses geschichtlichen Bildes . nach Frankfurt schrieb : " Der Herr GeJa, sie hatte, wie sie selbst in ihrem rüh vatter Wieland wird Ihnen ein ganz renden Selbstbekenntnis sagt, „ fast zu war paquet von Tiefurther Journals schicken, mes Blut, welches durch jede ihrer Adern es ist ein kleiner Spaß den ich mir diesen wühlte" ; lebhafte Sinnlichkeit, frische Le Sommer gemacht habe und der so gut benslust verbanden sich aber in ihr mit reussiret hat , daß es noch bis jetz conreichen Kenntnissen , großer geistiger Em tinuiret wird ; vielleicht wird es Ihnen pfänglichkeit, scharfem Verstande, Begeiste auch einige gute Stunden machen. Die rung für alles Große und Schöne und Verfasser sind Hätschelhanz ') , Wieland, menschenfreundlicher Leutseligkeit , welche Herder , Knebel , Kammerherr Seckendorff fie die Beglückung anderer Menschen als und Einsiedel. Der Frau Rätin welt das glücklichste Gefühl" empfinden ließ. berühmte Kennerschaft wird ihr leicht die Durch diese Vereinigung ward sie , wie Stücke von jeden Autor erraten laßen. " Goethe sie treffend nennt , eine vollkom- Von diesem Schlößzchen aus führte Amalie mene Fürstin mit vollkommen menschlichem | ihren Briefwechsel, zumal mit der ihr geistSinn und Neigung. Mit ihrem Eintritt verwandten und innig befreundeten Mutin die kleine Residenzſtadt an der Ilm und ter Goethes , worin sich Herz und Geist mit Wielands Berufung zum Erzieher der Herzogin am unmittelbarsten ausdes jungen Erbprinzen Karl August begann spricht. Von hier aus schrieb sie z . B. für Weimar und für das gesamte Deutsch- am 13. Juli 1781 an Frau Rat : „Was land die litterarische Glanzperiode. Als soll ich Ihnen schreiben Liebste Frau Aja ! in späterer Zeit Goethe cinmal von ſeinem ehemaligen Privatsekretär, dem wackern 1) Goethe.
978nachdem Sie mit Kayser , Erzherzogen, Fürsten und allen Teufelsich herum getrieben haben , was kan Ihnen wohl weiter interessiren ? wenn ich Ihnenschen sagen wolte daß ich hier in denen Harnen von Tiefurth recht vergnügt lebe, io würde das gar klein und gering in den Ohren der Frau Aja klingen; auch fönte ich erzählen , daß der viel Geliebte Herr Sohn Wolff, gesund und wohl ist , daß Er in Ilmenau auf eine Comiſſion acwesen und daneben noch allerley fleine Excursions gemacht und vergnügt und gesund wiedergekommen ist aber dies ist alles zu geringe für Ihnen man muß aus dem hohen FF mit Ihnen sprechen, aber leider bey uns paſirt gar nichts , sogar kein ausländisches Thier gehet durch Wimar geschweige den ein Kayser. Doc mein Herz sagt mir daß Frau Aja, ben allem Gaudium Frau Aja geblieben, daß sie doch seitwärts Blicke voll Liebe und Freundschaft auf die Entfernten geworffen hat , und ewig die Liebe gute Mutter ist und bleiben wird Amen ! " Die Herzogin fügte der ?? lieben Mut: ter" ein Paar Strumpfbänder , die fie ſelbſt fabricirt hatte " , mit den herzlichen Worten bei : „ ich hoffe Liebe Mutter daß Sie wenigstens daraus ersehen wie fleiſig wir an Sie denken. “ Der vertrauteſte ihrer vertrauten Freunde war aber der treue Wieland, der liebenswürdige und feinsinnige Ge lehrte und Dichter, der als ihr Gaſt hier oft und lange weilte. Mit ihm besprach sie die neuen Litteraturerscheinungen, mit ihm las sie den Aristophanes in der Ur sprache. Jhn lud sie nach dem schmerz lichen Verluste seiner Gattin hierher ein und suchte den verehrten treuen Freund durch Aufmerksamkeiten, wie sie“ — sagt Wieland — "! ein alter Vater von seinen leiblichen Kindern kaum erwarten dürfte,“ zu trösten und zu erheitern. Auf seinem Lieblingsplay im "! Lohhölzchen“ des Tiefurter Parkes hatte sie eine Büste ven ihm aufstellen lassen und zeigte sie den jungen Dichter Schiller bei deſſen erwähn tem ersten Besuche im Sommer 1787. Lenken wir jest, den Heimweg antretend, zum Abschied unsere Schritte diesem Lieblingsplaße Wielands zu . Noch einmal überschreiten wir die Brücke und gelangen auf dem Promenadenwege am rechten Ufer der Zlm zu dieſer traulichſten, poetiſchſten Stelle des ganzen Parkes. Einige Stujen führen hinauf zu einer alten hohen Steinbuche, deren Stamm vorsichtig geschü ist. Im Schatten des friſch- grünen Laubes steht ein steinerner Tisch nebst zwei ein fachen Steinbänken. Rings umgibt duftiger blühender Holunder den lauſchigen Ort, und nahe dabei rauſcht und plätſcher. die Jlm . Neben dem Tiſche aber iſt auf einem Piedestal die porträttreue Büjte Wielands errichtet mit den hierzu von Goethe gedichteten , dem aufrichtig va ehrten Freunde Wieland, dem Dichter der Grazien und Musen, gewidmeten Versen : „ Wenn zu den Reihen der Nymphen, Die eine Mondnacht versammelt,
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Sich die Grazien heimlich Von dem Olympe gesellen, Hier belauscht sie der Dichter Und hört die schönen Gespräche, Sieht dem heiligen Tanz Ihrer Bewegungen zu. Was der Himmel Herrliches hat, Was glücklich die Erde Reizendes hervorbringt, Erscheint dem wachenden Träumer : Dann erzählt er's den Musen, Und daß die Götter nicht zürnen, Lehren ihn die Musen Bescheiden Geheimniſſe ſprechen.“
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Nur Luft und Licht und Freundeslieb' ! Ermüde nicht, wenn dies nur blieb!""
Möge die alles zerstörende Zeit das erinnerungsreiche Tiefurt freundlich ver-
Sie vergaßen Tiefurt nicht , und die schonen und dankbare warme Sympathie Geschichte deutscher Dichtung wird diese ihm bis in die fernste Zukunft erhalten. ihre Wiege, ihr Kleinod, niemals vergessen . bleiben!
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Haus
Montague.
Erzählung in drei Bänden von Ein eigentümlicher Reiz liegt über dieBalduin Möllhausen. fem Orte ein doppelter heute am wonnigen Festmorgen. Wie die andern Partien (Fortsetzung.) des Parkes von Pfingſtgästen belebt sind, se hat eine muntere Gruppe die klassische Stätte eingenommen. Ein anmutiges Fräulein ordnet die leuchtend-blauen Verier wurden wir durch das Geräusch ge- ich über alle Hindernisse hinweg ihm meine das aigmeinnicht, die sie auf der nahen Wald- Hier Eine helle , freundliche Stimme störte wiese gepflückt, zu zierlichem Strauße; wer ner lebhaft plaudernd und scherzend einmag der Glückliche sein, dem so liebe traten, um einen Teil des Gewinns, wel mich in meinem Grübeln. Ich sah auf, Gabe beſtimmt ist ? Mit einem Pathos , chen sie aus der Anwesenheit des Dam- und vor mir ſtand Carlota in voller, jungwie er ihn gewiß auf seinem Gymnasium pfers gezogen hatten, mit echt merikanischer | fräulicher Schönheit, das Bild einer fröh lichen, sorglosen Waldelfe. Unhörbar war übt, liest der schlanke, blondlodige Bruder Leichtfertigkeit wieder zu verjubeln . die Goetheschen Verse. Daran anknüpfend Während nunmehr die Wirtin sich be- sie auf ihren unbekleideten Füßen heranthebt ein älterer Herr sein mit Rebenblut eilte, deren Wünsche zu befriedigen , ließ getreten. Ich erschrak förmlich , als ich gefülltes Glas „ auf die Manen Wielands , ich mich abseits vor einem Tisch nieder, plötzlich in ihre großen , lachenden , erotides Dichters vom Oberon"". Seine jugend- um das Vernommene ungestört noch ein schen Augen sah. frische, lebensheitere Gattin aber vervoll mal vor meinem Geiste vorüberziehen zu ,,Sennor ," redete sie mich zutraulich tändigt , die Gläser füllend , den Spruch lassen. Mochte die liebliche Erscheinung an , ohne der sich mehrenden Gäste zu des Gemahls : „ Auf Wieland und das des kaum dem Kindesalter entwachsenen achten , die mit unverkennbarem Wohlaanze alte liebe Tiefurt! " und hell und Mädchens zu gunsten dieses rätselhaften wollen zu ihr herüberschauten , " wenn es Freudig erklingt das festliche Hoch. John Blount sprechen , mochte die Wirtin Ihnen gefällt , dann kommen Sie jet. So lebt noch jezt die warme Sympathie in ihrem Urteil über ihn mit unverkenn- Ihr Schlafraum ist fertig und wartet auf für diese trauliche Stätte deutscher Poesie. barem Wohlwollen Milde und Nachsicht Sie. Hergerichtet habe ich alles , wie für Die gute Herzogin Amalie starb , es walten laſſen : ein ungetrübtes Bild hatte einen König. Santa Maria , da werden clate ihr der alte treue Wieland ; in ich von ihm , den ich vielleicht Bruder Sie ruhen , wie im Paradieſe. Ihren Tiefurt ward es still und stiller. Aber nennen sollte, nicht gewonnen. Bangigkeit Koffer schaffe ich etwas später zu Ihnen." die Erinnerungen an die einstigen Tiefurter erfüllte mich , indem ich des bevorstehenRührung beschlich mich, indem ich das Tage lebten fort. Als Eckermann nach den Zusammentreffens gedachte. Was hatte glückliche Kind betrachtete und mir deſſen Weimar gekommen , riet ihm Goethe ich von jemand zu erwarten , der unge mögliche Beziehungen zu mir vergegen29. Oktober 1823, Tiefurt als Stoffzügelt von einem störrischen Knaben zum wärtigte. Bereitwillig erhob ich mich mit zu einem Gedichtscyklus zu wählen . „ Sie Manne heranreifte ? Wo und wie sollte den Worten : „ Wir mögen ihn gleich zwifonnen " sagte er zu Eckermann ich in dem trozigen Gemüt nach einer schen uns nehmen ; er ist nicht so schwer, vielleicht noch drei bis viermal hingehen Handhabe suchen, um auch nur den leise- daß wir auf der kurzen Strecke unter d Tiefurt betrachten , ehe Sie ihm die sten Einfluß auf dasselbe zu erringen? seiner Last ermüdeten. " " Sie wollen selber mit Hand anlegen ?" daratteristische Seite abgewinnen und alle Und dabei zitterte es in meinen Ohren, Mictive beijammen haben; doch scheuen Sie hallte es in meinem Herzen nach : „Mein rief Carlota erstaunt aus , „solch feiner de Mühe nicht, ſtudieren Sie alles wohl eigener Zwillingsbruder, der Sohn meiner Herr mit so viel Geld in der Tasche?" Zu der mir beigelegten Eigenschaft vernd stellen Sie es dar , der Gegenstand armen , verfolgten, toten Mutter , meines verdient es. Ich selbst hätte es längst früh verstorbenen Vaters. Mein Bruder, mochte ich eines Lächelns mich nicht zu emacht, allein ich kann es nicht, ich habe gleich mir, das Opfer heilloser Ränke und erwehren. tene bedeutenden Zustände selbst mit durch feindseliger Nachstellungen. " Nie mehr, als "Ich möchte wissen, wer von uns der abt , ich bin zu sehr darin befangen , so in dieser Stunde, fehlte mir der väterliche Feinere," bemerkte ich mit herzlicher Teildaß die Einzelheiten sich mir in zu gro- Rat des Professors . Anderseits erwuchs | nahme, und abermals in die kindlich neuBülle ausdrängen. " Und als am mir aus dem Bewußtsein, in meinen Ent- gierigen Augen blickend , stellte ich mir September 1825 schon vor 6 Uhr mor- schlüssen nur auf mich allein angewiesen vor , wie viel heiße Liebe sie wohl ausas Goethe als der erste Gratulant im zu sein , erhöhte Zuversicht im Denken strahlten , wenn sie das Antlig des unHomischen Hause im weimarischen Park und Entscheiden. Angesichts der Aufgabe, gestümen Geliebten suchten. erichten , um seinen fürstlichen Freund für eines anderen Wohlfahrt mit allen ,,Nun ja," meinte sie geschmeichelt und Marl August zu deſſen goldenem Jubel- Kräften zu wirken und zu entscheiden, mit einem sie lieblich kleidenden Selbstente zu begrüßen , und in tiefster Be- sank mehr und mehr jenes träumerische bewußtsein , "/wenn ich Sonntags zur gung nur die Worte zu sagen vermochte : Schwanken dahin, welchem ich so vielfach Messe gehe und mich ordentlich angepust Bis zum letzten Hauche beisammen! " die Umdüsterung meines Gemütes ver- habe, mag ich wohl ein wenig fein ausda gedachte der Fürst der gemeinsamen dankte. Nicht mehr mit Scheu erwog ich sehen , allein das ist doch nicht die rechte irchen und glücklichen Jugendzeit und schloß die Wahrscheinlichkeit , meinen Bruder in Art. Auch flingele ich nicht mit Dollars mit den Worten: !!Gedenken wir aber auch nächster Zeit kennen zu lernen , sondern in der Tasche. " Sie blickte mich etwas Dinkbar daran, daß uns heute erfüllt ist, getragen von ernsten Hoffnungen. Was schärfer an. Während das bewegliche, 35 uns einst in Tiefurt vorgesungen auch aus ihm geworden sein mochte , er südliche Blut ihre Wangen tiefer färbte, wu rde: war mein Bruder, und als Bruder wollte erklärte sie unbefangen : „Der Herr ſicht
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in der That jemand ähnlich, "1den ich kenne, eine Art Brigantine, befand sich in meinem | ein Mann sich durch das Gebüsch drängte der ist aber weit schöner sie_lachte in Gesichtskreise. Vor matt gebauschten Se um , wie ich vermutete , den etwas hersich hinein , als hätte sie mehr sagen geln verfolgte er seinen Kurs südlich . vorragenden Aussichtspunkt , den ich zu können, jedoch für geraten hielt, nicht zu Eine Stunde und vielleicht noch darüber, Rast gewählt hatte, zu gewinnen. Geger offenherzig zu sein. Hastig bückte sie sich je nachdem die sanfte Abendbrise anhielt, dreißig Schritte mochte er noch entfern zu dem Koffer nieder ; zugleich schob sie mochte es dauern, bevor er vor der Hafen sein. Ich erhob mich, entdeckte aber nichts : die kleine Hand durch dessen einen Griff. einfahrt vorübertrieb. Sinnend betrachtete sogar das Geräusch war verſtummt. Statt Ich folgte ihrem Beispiel. Ein wenig ich das schlanke Fahrzeug. Als hätten dessen vernahm ich eigentümlich ſchnarrer.später betraten wir ein luftiges Gemach, irgend welche rätselhafte Beziehungen zwi des Zischen. Gedankenlos schrieb ich das in welchem sie mittels Matragen und schen ihm und mir bestanden, verseßte ich selbe einer großen Heuschreckenart zu , zuDecken auf der Erde ein bequemes Lager mich im Geiste an deſſen Bord. Ich ver- mal dasselbe weiter abwärts seine Fort für mich hergestellt hatte. Uebermäßig gegenwärtigte mir jene Zeiten, in welchen segung fand. Erst als dieſes gleichzeitia einladend nahm es sich freilich nicht aus ; ich als Dirk Gosse hinter dem Steuerrad mit dem Hufschlag sein Ende erreichte, doch schon der Gedanke allein , daß die stand oder die Segel bediente. Szene aufstieg der Verdacht in mir auf , daß wa fröhliche , zufriedene Hausgenossin ihr Szene, ferner Vergangenheit entnommen, auch immer dort heraufgekommen fein Aeußerstes aufgeboten hatte , mich sanft belebte sich in meiner Erinnerung, und so mochte, seine Bewegungen zu verheimlichen zu betten, ließ alles, woran sie die Hände vertieft war ich in schwermütige Betrach wünschte. Nicht vertraut mit Landesſitten gelegt hatte , im freundlichsten Lichte er tungen , daß ich der Sonne nicht achtete, und Leuten , gedachte ich der geheimnis scheinen. die in Gold und Purpur zur Rüste ging, vollen Gesellschaft auszuweichen. Kaum Buena noche , Señor, " sprach sie, nicht der Dämmerungsschatten, welche sich aber hatte ich den ersten Schritt gethan. nachdem sie mit großem Eifer auf alle ringsum auf die immergrünen Bergab als ein nicht zu unterscheidender Gegenbescheidenen Vorzüge der Umgebung mich hänge senkten. Ich sah nur den kleinen stand vor meinen Augen vorüberzuckte und aufmerksam gemacht hatte, und treuherzig Segler , und selbst dann noch , nachdem ich mittels eines Lassos , der sich eng um reichte sie mir die Hand. Abermals senkte der Mond die unumschränkte Herrschaft meinen Oberkörper legte , zu Boden ge sie einen seltsam prüfenden Blick in meine an sich gerissen hatte und in dem bläuissen wurde. Wähnend , in die Gewalt Augen, und mit der Anmut einer Gazelle lichen Licht Segel und Tauwerk zu einem merikanischer Räuber gefallen zu sein, bot schlüpfte sie aus dem Zimmer. zusammenhängenden Ganzen sich einten . ich mein Aeußerstes auf, mich zu befreien. Folgenden Tages gelang es mir leicht, Aufgefallen war mir nur , daß die Bri- allein vergeblich. Die geschmeidige Leine das Vertrauen der gutmütigen Wirtin gantine, begünstigt durch die westliche Luft- schnürte meine Arme immer fester mit dem in vollem Umfange zu erwerben . Es strömung , sich der Hafeneinfahrt immer Körper zusammen , und ich brauchte nar gipfelte darin, daß sie mich über Carlotas mehr näherte, jedoch mit der unverkenn- den Versuch zu machen , mich in eine beabsichtigten Ausflug unterrichtete , zu baren Absicht , vorbeizusegeln. Noch eine sigende Stellung aufzurichten, um alsbald welchem sie den nächſtfolgenden Nachmittag halbe Stunde trägen Einhergleitens , und wieder hingestreckt zu werden . Etwa eine bestimmt hatte. Zu Carlota selber verlor sie befand sich mir gegenüber und zwar Minute hatte ich ohnmächtig gerungen, ich kein Wort über meine Zwecke, aber so in einer Entfernung von kaum zweitausend als plöglich ein Mann sich über mich hin oft ich ihr begegnete, wechselten wir einige Schritten. Im Begriff, aufzubrechen , ent neigte und , ein im Mondlicht blißendes freundliche Bemerkungen miteinander. Es deckte ich , daß sie durch eine Wendung breitklingiges Messer mit der Spise auf war , als hätte die von ihr angedeutete ihre Segel der Einwirkung des Windes meine Kehle stellend, mir riet , keinen Laut Aehnlichkeit zu meinen gunsten bei ihr entzog. Diese Bewegung gewann erhöhte von mir zu geben, wenn mir mein Leben gewirkt, mich ihr gleichsam näher gebracht. Bedeutung für mich durch das Geräusch, lieb sei. Notdürftig hatte ich die in ſpaniſcher Im übrigen verrann die Zeit mir träge, mit welchem zwei oder drei Boote ins so daß ich in den Nachmittagsstunden zu Wasser hinabgelassen wurden, während Sprache an mich gerichtete Drohung ver einem größeren Ausfluge in die Nachbar- doch eins zu einem flüchtigen Besuch der standen, und ich sann noch auf eine Antschaft mich rüstete. Von dem Wunsche versteckt liegenden Stadt genügt hätte. wort , als ein zweiter Mann neben mið geleitet, einen Blick aufs Meer zu werfen, Auch unterschied ich Klirren von Ketten hintrat, einige Sekunden auf mich nieder wanderte ich am östlichen Rande des und das Rollen eines durch Flaschenzüge sah und kaltblütig bemerkte : „ Das ist da prachtvollen Hafenbeckens hin. Der Ein- laufenden Taus, ein sicheres Zeichen, daß Fremde , der gestern mit dem Dampfer fahrt in dasselbe gegenüber eingetroffen, irgend welche Ladung in die Böte ver- fam. " "‚Um so gefährlicher, " meinte sein Gegenügte die eng begrenzte Aussicht mir staut wurde. Mit verschärfter Aufmerk nicht. Ich sezte daher meinen Weg nach samkeit überwachte ich das rätselhafte Ver- nosse grimmig , und das Messer zurüdden Höhen hinauf fort , welche gewiſſer fahren . Mußte es doch befremden , daß ziehend , richtete er sich auf, „der Teufel maßen das Bollwerk gegen den Andrang die Brigantine, anstatt in den Hafen ein- traue jemand , namentlich einem Fremden des Ozeans bildeten. Langsam auf unge zulaufen , diesen zeitraubenden Weg des der hier Wache hält. Wer bürgt dafür. bahntem Boden mich emporarbeitend und Löschens wählte. Meine Spannung wuchs daß der Alkalde ihn nicht mit Spionen vielfach kämpfend mit immergrünem Ge- in einer Weise , daß ich für die nähere diensten beauftragte ?" sträuch, erreichte ich den Gipfel der Berg- Umgebung gewissermaßen die Sinne verAuf meinen Lippen schwebte bei dieser fette erst, als die Sonne nur noch kurzer lor. Plöglich aber ertönte auf dem hinter Erklärung der Name John Blount , um Zeit bedurfte , um ins Meer hinabzu mir liegenden Abhange das scharfe Klingen , dessen Vermittelung anzurufen ; denn i tauchen. Der volle Mond war bereits mit welchem ein beschlagner Huf festes bezweifelte kaum noch, daß ich einer ver aufgegangen; klar wölbte sich der Himmel, Gestein traf. Ich fuhr herum , und auf wegenen Schmugglerbande in die Hände eine helle Nacht verheißend. Die Heim merksam lauschend unterschied ich nunmehr gefallen war. Ueber John Blount aber fehr verursachte mir also keine Sorgen, dumpfes Dröhnen , erzeugt durch eine hatte ich genug gehört, um zu dem Ara und so ließ ich mich auf einer Stelle nie größere Anzahl von Pferden oder Maul wohn berechtigt zu sein, daß er ein Mit der, von welcher aus ich die endloſe, ſtill tieren , die von der Landseite her auf glied derselben. Ich besann mich indeſſez wogende Waſſerfläche von der weit geholperigem Boden sich durch das verwor erwog , daß meine Kenntnis seines Na schweiften Linie des Horizontes bis zu der rene Gestrüpp wanden. Sie in Beziehung mens allein schon genügen würde , mit tief unten dumpf seufzenden Brandung zu zu der Brigantine zu bringen , lag mir als einen gefährlichen Angeber und Ver überblicken vermochte. Träumerische Ruhe fern, und dennoch sah ich erwartungsvoll räter erscheinen zu laſſen und die tropiąc. lagerte auf dem schlummernden Meere. dem Erscheinen der Männer entgegen, Männer noch mehr gegen mich zu er Es atmete wie ein Leviathan, der sich im welche ohne Zweifel die Tiere begleiteten . bittern. Und so fragte ich nach kurzes letzten Abendsonnenschein behaglich dehnt Da drang das Rauschen zu mir her- Sinnen : „ Ist jemand in der Nähe , wel und reckt. Nur ein kleiner Küstenfahrer, über, mit welchem aus derselben Richtung cher der englischen Sprache mächtig?"
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Reden Sie," antwortete der zulett geführt wurde , kaum ein Wort verstand. | einen anderen Weg in das Innere des Hinzugekommene , so viel lernte ich dach gewann nur den Eindruck , daß man Landes gewählt habe , mir anheimgebend, von , daß wir uns miteinander verſtändi- sich um irgend eine Frage, die unstreitig elendiglich zu verschmachten. Denn daßz gen mögen. “ mich betraf, nicht gleich einigen konnte. der Zufall mir Rettung brachte, war bei Er stieß einen kurzen Pfiff aus , auf Endlich rief der Reiter den mich über der Abgeschiedenheit , in der ich mich bewelchen das Geräusch der Hufschläge sich wachenden Männern eine kurze Bemerkung fand, ebenso unwahrscheinlich , wie das alsbald erneuerte, dann kehrte er sich mir zu, und seinem Pferde die Sporen gebend Zernagen der meinen Zähnen unerreich;wieder zu. sprengte er, anstatt dem Pfade zu folgen, baren Lederleine unmöglich). Endlich, endlich, es mochte eine Stunde Wie ich notdürftig unterschied, waren in nächster Richtung mit einem Ungeſtüm beite ältere Männer , schwarzbärtig , nach den Abhang hinunter , daß es mich mit nach Mitternacht sein, unterschied ich das Art der mexikanischen Landbevölkerung Grauen erfüllte. Gleich darauf fühlte ich, erste Geräusch), unter welchem die Schmugggekleidet und mit Piſtolen und Messern wie der mich niederhaltende Lasso sich lerkarawane sich langsam wieder zu mir Unter bewaffnet, ein Beweis, daß sie entschlossen, lockerte. Ich wollte mich aufrichten, doch nach der Höhe heraufarbeitete . Sinne dem Angriff mit Gewalt zu begegnen. schnell packten die drei Schmuggler mich äußerster Anspannung Auf meine Beteuerung, daß ich ein harm- an Händen und Füßen, und bevor ich recht lauschte ich auf die Bewegungen, von wel loſer Reisender , der sich weder um sie begriff , was sie mit mir bezweckten , lag chen ich Erlösung hoffte. Doch bis zum noch ihr Treiben kümmere und am we ich in einer Weise gefeſſelt da , daß ich letzten Augenblick folterte mich die Besorgniziten an Verrat denke , zumal ich als kein Glied zu rühren , geschweige denn nis, dennoch meinem Schicksal überlaſſen Fremder überhaupt zu nichts berechtigt ohne fremde Hilfe mich zu befreien ver- zu werden , oder daß man der schwereder verpflichtet sei, antwortete der Wort- mochte. Dabei sprachen sie keine Silbe ; beladenen Tiere wegen anstatt den Weg führer mit einem spöttiſchen Lachen, wor- erst als ich erklärte, mein Wort sei ebenso wieder über die Höhen zu wählen, vorher au er finster hinzufügte : „ Das bietet haltbar wie der mich vielfach umschlingende abbiegen und sich vielleicht auf halber feine Sicherheit. Ein unbedachtes Wort Lasso , bemerkte der mit dem Englischen Höhe des Abhanges halten würde. Meine Befürchtung schwand , als ich kann uns den Alkalden und seine Leute Vertraute wie beiläufig : „ Wir kennen Sie auf den Hals bringen . Ich kenne indessen nicht, da ist es ratsamer, wir sichern uns das erste Maultier in meinen Gesichtstine zuverlässigere Bürgschaft , und die den Rücken. “ kreis treten sah. Hoch belastet schritt es beicht darin , daß wir Sie da drüben „Wie lange gedenken Sie , mich hier auf dem bekannten Pfade vorüber. Ein von dem Abhange hinabsenden. Unten in liegen zu lassen?" fragte ich , nunmehr Mann, es mit Worten und Schlägen ander Tiefe sieht niemand Jhren gebrochenen über mein Endlos einigermaßen beruhigt . treibend, folgte ihm. An diesen schlossen Glidern an, ob Sie durch einen Fehltritt „ So lange , bis Sie uns nicht mehr sich wieder Tiere an, die unter ihrer Bürde cher von fremder Hand zu Fall gebracht schaden können, " hieß es kurz zurück, und feuchten und durch heftiges Schnauben wurden. Flut und Brandung besorgen in der nächsten Minute befand ich mich Befriedigung darüber verrieten , den andas weitere. " allein. Eine Weile hörte ich noch das strengendsten Teil des Weges überwunden Obwohl ich diese Drohung nur als Geräusch, mit welchem die drei Genossen, zu haben. Wie zuvor , waren auch jetzt e beabsichtigte Einschüchterung ausfaßte, den Spuren des Pferdes folgend , ihren die Männer zwischen ihnen verteilt. Verfühlte ich doch das Blut in meinen Adern Weg abwärts suchten, dann herrschte Toten- geblich aber hoffte ich , daß einer dertinnen. Ich besaß indessen die Ueber stille ringsum. Nur das Stufzen und selben sich von dem Zuge trennen würde, Laung , ruhig zu erwidern : !! Was Sie dumpfe Stöhnen der Brandung drang zu um mich zu befreien. Meine Stimme er mich verhängen , muß ich freilich mir herauf. Vergeblich lauschte ich da dämpfend , rief ich hinüber , allein man nehmen. Ob die Erinnerung an einen gegen auf den Ruderschlag der Boote, achtete meiner nicht ; unberücksichtigt blieüberflüssigen Mord Ihnen viel Freude welche ihre Frachten einer Stelle in der ben meine dringenden Vorstellungen. Erst sitraat , möchte ich bezweifeln. Genügt Hafeneinfahrt zutrugen , wo sie ohne nachdem das letzte Packtier längst vorren Wort nicht als Bürgschaft, so han Schwierigkeit gelandet und auf die Pack über und ich sehnsüchtig auf das EinZeln Sie nach Belieben . “ tiere verteilt und verladen werden konnten. treffen des wilden Reiters harrte, erſchien Anstatt in Tiefe kaltblütige Antwort schien auf Um das weithinschallende Stoßen der noch ein einzelner Mann. den Schmuggler einen tieferen Eindruck | Riemen zwischen den Pflöcken zu vermei- deſſen meine Banden zu lösen , stellte er auben , als es durch die dringlichsten den , waren sie offenbar mit Zeugstreifen sich neben mir auf, argwöhnisch lauschend Berstellungen und Versprechungen möglich umwunden worden ; man ging überhaupt die Blicke dahin gerichtet , woher er ge4.techen wäre. Er sann einige Sekunden mit einer Vorsicht zu Werke — meine hilf- kommen war. Es war derselbe , welcher nach, und da eben die vordersten Tiere in lose Lage bot ja schon allein einen Be zuvor zu mir gesprochen hatte. Meine die eben nur durch die Aufforderung, mich aus meiner entseglichen rseren Gesichtskreis traten, kehrte er sich weis dafür reigend ab. Ich selbst lag noch immer Verwegenheit der räuberähnlichen Gesellen Lage zu befreien, beantwortete er mit einem acjonelt,jedoch so , daß ich den nunmehr übertroffen wurde. Zugleich rechnete man grimmigen " Karamba ! " Dann fügte er eiebten Pfad zu überblicken vermochte. wohl auf die träge Handhabung des gleichmütiger hinzu : „Haben Sie so lange in Maultier nach dem anderen, alle mit Steuerdienstes und darauf, daß unter der hier gerastet , bringt eine halbe Stunde eren Backfätteln versehen, tauchte daselbst Bevölkerung von Acapulco sich nur wenige mehr Ihnen keinen Verlust. Ich will's uf, um nach Zurüdlegung einer verhält befanden, die den Schmugglern ihren Er offen eingestehen : Auf dem Hafen kreuzen Zollwächter und denen möchten wir nicht maßig furzen Strecke auf dem nach der folg mißgönnt hätten. aeneinfahrt hinunterführenden Abhange Obwohl die Schlingen und Knoten, begegnen. Sie brauchen nur zu schreien verschwinden. Hin und wieder erkannte durch welche ich sogar an der kleinsten und man hört es unten ; so viel aber beauch Gestalten von Männern , deren Bewegung gehindert wurde, nicht unmensch schwöre ich bei allen Heiligen , daß Sie elne Karabiner oder kurze Büchsen auf lich straff angezogen worden waren, so be- den Mund nur zu einem Hilferuf zu öff Schulter trugen. Sie zu zählen fehlte gann ich doch allmählich unter dem Ein- nen brauchen und Sie verstummen auf de Ruhe ; aber es mochten gegen acht- fluß der gezwungenen Lage empfindlich zu ewig. Wir betreiben unser gefährliches oder zwanzig Tiere und halb so viel leiden. Und Stunden verrannen , ohne Gewerbe nicht, um durch den ersten beſten rer vorübergeschritten sein , als ein daß die mich umringende Stille anders Fremden in den Kerker gebracht zu wer ner Reiter den Zug beschloß. In als durch das dürftige nächtliche Tierleben den. Erkennen Sie das an , so mögen der Höhe mit uns eingetroffen hielt und das hohle Schnarchen des Meeres wir als gute Freunde voneinander ſcheiden . ein Pferd an und fragte gleichmütig unterbrochen worden wäre. Zu dem krampf- Sie haben nur nötig, Ihr Wort zu verich halte Sie nämlich für einen uber , wen man da habe. Ein kurzes ähnlichen Ziehen in den Gliedern aber ge- pfänden über alles zu schweigen. gelpräch folgte , von welchem ich bei fellte sich endlich die Befürchtung, daß die Gentleman großen Schnelligkeit , mit welcher es verwegene Bande mit den belasteten Tieren was Sie in dieser Nacht erführen, ferne: 89. II. 42
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ſich ohne Widerrede in meine Anordnungen darauf schritt ich durch die engen unan in den mir peinlich genau beschrieben. zu fügen, und vor Tagesanbruch befinden sehnlichen Straßen , in welchen das erste Pfad, der mich über den nächsten HöhenSie sich wohlbehalten in Acapulco . Wir Leben sich zu regen begann. Das Haus, zug hinüberführte. Dort dehnte eine immersind keine Räuber und Mörder , und zu in welches ich eingezogen war , lag noch grüne , vorzugsweise mit Buſchwerk gedem Vorteil der Steuer sind wir ebenso | still. Indem ich der offenen Thür mich schmückte Wildnis ſich vor mir aus. Ja eine Landstraße einbiegend , die sich durc berechtigt, wie die Regierung." näherte, trat Carlota in dieſelbe. Bereitwillig versprach ich alles , und „ Santa Maria! Fremder , wie habe eine gewundene Thalsenkung hinzog, folate ich war noch in der Erklärung begriffen, ich mich um Sie geängstigt ! " rief sie mit ich derselben bis dahin , wo ein schmaler daß ich durchaus keine Veranlaſſung habe, ungeheuchelter Freude aus , und kindlich Pfad ſich nördlich abzweigte. Derſelke in einem fremden Lande mich um das gefallsüchtig strich sie mit beiden Händen war im Lauf der Zeit von Fußgängern Treiben der Menschen zu kümmern , als ordnend über ihr aufgelöstes blauſchwarzes geſchaffen worden, die eine weit geschweifte auf dem Abhange das scharfe Klappern Haar, ich fürchtete, daß ein Panther Sie Biegung der Landstraße abzuschneiden laut wurde, mit welchem beschlagene Hufe | zerrissen habe. Die Sennora behauptete wünschten. Auf diesem erreichte ich nach das Gestein trafen und bald darauf der zwar , das wilde Getier wage sich nicht kurzer Wanderung einen sich von Weſten Reiter in dem Pfade auftauchte. Uns in die Nachbarschaft unserer gesegneten nach Osten erstreckenden wallähnlicher. gegenüber hielt er an ; ein kurzes Gespräch Stadt, allein das beruhigte mich wenig. " | Kamm, der, aus festem Gestein und Geführte er abermals mit dem Wächter, und Nur verirrt hatte ich mich ," er röll bestehend , wahrscheinlich von einer sein Pferd antreibend sprengte er davon. widerte ich bedachtsam, zwischen die Berge der in dortigen Regionen nicht seltenen Chne Säumen ging letterer nunmehr geriet ich, und nachdem die Sonne unter- Erderschütterungen durch vulkaniſche Kräfte ans Werk, die Feſſeln von meinen Gliedern gegangen war, verlor ich völlig jeden Be- herrührte. Beinahe am Fuße dieser nur zu lösen , aber längerer Zeit bedurfte es griff über die innezuhaltende Richtung. dürftig mit Vegetation geschmückten Ernoch, bevor ich wieder Herr meiner selbst Unter einem Strauch rastete ich bis zum hebung lief der Pfad hin, und rüſtig einherschreitend gelangte ich nach kurzer Frist wurde. Geduldig harrte der Mann unter | Anbruch des Tages ." dessen bei mir aus . Als ich endlich einiger„Es ist erstaunlich ," versette Carlota auf eine Wiesenfläche von mäßigem Um maßen fähig , mich einherzubewegen , er- und indem sie ihre Hand nachlässig in die fange. Leicht entdeckte ich den mir von lärte er , daß ich ihn begleiten müsse ; meinige legte , spähte sie mit unverkenn der Wirtin bezeichneten flachen Geröllblod, gleichzeitig traten wir unsere Wanderung barer Teilnahme in meinen Zügen, „ aber auf welchem die dort Wandernden zu raiten an. Im Laufe des Gespräches , welches vorsichtiger sollte der Herr sein, denn die pflegten . Dann trat ich in das den natur: wir miteinander führten , mochte er sich Nacht unter freiem Himmel zu verbringen lichen Wall von der Wiese abgrenzende überzeugen, daß er von mir keinen Verrat ruft bei Fremden das böse Fieber hervor. Gebüsch, mich so niederlegend, daß ich die zu befürchten habe, denn mehr und mehr Der Herr muß übrigens hungrig und Steinbank im Auge behielt, aber auch den gelangte bei ihm jene Höflichkeit zum Aus- müde sein ; ich werde Ihnen eine warme Pfad eine Strecke aufwärts und abwärts druck, durch welche sogar der elendeſte meri Mahlzeit anrichten. Nachher legen Sie zu überblicken vermochte. Nicht lange hatte kaniſche Maultiertreiber sich vor den Ameri- sich zum Schlaf nieder , das bringt Sie ich in meinem Versteck zugebracht, als von kanern vorteilhaft auszeichnet. Freimütig empor in drei , vier Stunden. Santa der Stadt her Männerstimmen und Schritte Sie sehen aus , als wäre ein sich näherten. Behutsam auslugend gebekannte er seine Anschauungen über das Maria! Gewerbe des Schmuggelns , und die laute Gespenst vor Ihnen über den Weg gewahrte ich vier Merikaner , die in ihrem ten eigentümlich genug. Wohl hütete ich laufen , und davonschlüpfte sie in ihrer seltsamen Aufzuge als ein Mittelding von mich, zu widersprechen ; troßdem erreichte unvergleichlichen natürlichen Anmut , um Soldaten und Wegelagerern erschienen. ich nicht , von ihm entlassen zu werden. zunächst ihre Gebieterin von meiner glück- In faltige Beinkleider von weißem Baumwollenstoff mit darüber gezogenen Hemden Gern hätte ich mich nach John Blount lichen Heimkehr in Kenntnis zu sehen. gekleidet, hingen von der rechten Schulter erkundigt, doch auch jezt noch scheute ich . nach der linken Hüfte an Bandelieren 32. Kapitel. seinen Namen auszusprechen. Waltete doch die Gefahr, daß meine Kenntnis des Nabreite, säbelartige Messer nieder. In joraJohn Blount. lose Gespräche vertieft, verfolgten sie ihren mens eines Mitgliedes der Bande neuen Argwohn erregte und dadurch mir neue Nach einigen Stunden der Ruhe er- Weg, der sie dicht vor mir vorüberführen hob ich mich vollständig erfrischt und ge- mußte. Mechanisch, jedoch ohne ein Wort Schwierigkeiten bereitet würden. Ein Orangestreifen kündigte den bal kräftigt, und verhältnismäßig schnell ver zu verstehen, lauschte ich ihren Stimmen. digen Anbruch des Tages an , als wir strich mir die Zeit bis zum Nachmittage. Ein Weilchen spähte ich ihnen nach ; soauf der Ostſeite des Höhenzuges , welcher Meine Erklärung , mich verirrt zu haben, bald sie erſt aus meinem Gesichtskreiſe geden Hafen von Acapulco vom Binnen klang zu natürlich , als daß noch irgend treten waren, hatte ich sie vergeſſen. Eine halbe Stunde verrann in tiefer lande trennt , eine breite Fahrstraße er welche Zweifel Raum gefunden hätten. reichten. Dort blieb mein Führer stehen, Ebensowenig erhielt Carlota eine Ahnung Stille , die nur durch das Zirpen zahl indem er mich anredete: „ Wenn Sie diesen davon , daß die Wirtin mich genau über loser Heimchen unterbrochen wurde, als id Weg festhalten , stoßen Sie nach einer die Bewegungen unterrichtete , welche sie plöglich bei einer zufälligen Wendung des halben Stunde auf einen anderen, welcher mit dem Geliebten zusammenführen soll- Kopfes Carlota in geringer Entfernung diesen kreuzt. Dem folgen Sie nach und ten. Es konnte sie daher nicht beunruhigen, vor mir sah. Da sie auch heute barfuß Sie befinden sich in der Stadt, bevor die als ich in der ersten Hälfte des Nach ging, hatte ich ihre Annäherung vollſtän: Sonne über die Verge lugt. Schweigen mittages mich abermals zu einem Aus- dig überhört. In der ersten Ueberraschung Sie also über die Erlebniſſe dieser Nacht. fluge rüstete. Nur Ratschläge erteilte sie hielt ich den Atem an , und mit inniger Vergessen Sie nicht : Es hätte alles weit mir eifrig und Warnungen, darauf berech Teilnahme beobachtete ich, wie sie sicheren ungünstiger für Sie verlaufen können. net, mich) vor dem Verirren zu bewahren . Schrittes einherwandelte , jedoch hin und Manner, die sich mutwilligerweise um Neugierig spähte sie mir nach, als ich die wieder argwöhnisch um sich spähte. Ta ihren Broterwerb, und einen recht ſauren Straße aufwärts wandelte. Ich entdeckte sie in der Ferne suchte, glitten ihre Blide obenein , gebracht sehen , lassen nicht mit es, als ich noch einmal zurückjah und ihr über mich hinweg , oder ich möchte ihren sich scherzen. " einen freundlichen Gruß zusandte. Hegte scharfen Augen schwerlich entgangen sein. Er reichte mir die Hand zum Abschied ſie heimliche Beſorgniſſe, ſo ſchwanden die- Ein runder Strohhut bedeckte ihr Haupt , und mit einem lehten A Dios trennten selben sicher, sobald sie mich eine Richtung auch hatte sie eine hellblau geblumte wir uns voneinander. einschlagen sah, die entgegengesezt von der, Kattunjacke übergezogen, die loſe um ihrer Die Sonne war in der That den öst in welcher sie später selbst zu gehen ge anmutigen Oberkörper flatterte. Im übriger bot sie dasselbe Bild, wie in der Stunde in lichen Höhen noch nicht entstiegen, als ich dachte. So gelangte ich auf einem Umwege | welcher sie mich von dem Dampfer abholte. die Stadt wieder vor mir liegen ſah. Bald
991Vor dem flachen Geröllblock eingetroffen , warf sie den von Kokosfasern geflochtenen Behälter , der zur Aufnahme der Hühner dienen sollte , neben sich hin, worauf sie zunächst die flatternde Jacke um ihren blühenden Körper zusammen schnurte. Eine Weile zupfte und ordnete fie an den Falten, dann sich niedersehend und die langen schweren Flechten über die Schultern nach vorn hebend , öffnete fie dieselben mit flinken Griffen. Bedächtig flocht fie dieselben wieder, jedoch mit jeder ein rotes Band vereinigend und dieses am unteren Ende zu einer Schleife verfalingend. Eine dreifache Schnur großer blauer Glasperlen , dem Kekossack ent: nommen, befestigte sie um ihren Hals , so daß ein filbernes Heiligenbildchen tief auf thren Busen niederhing. Zwei ähnliche Armbänder legte sie um ihre Handgelenke. Wenn ich aber je ein liebliches Bild mädchenhafter Eitelkeit bewunderte, so geschah es hier, als Carlota , so weit ihre Blide reichten, sich wohlgefällig betrachtete , bald hier , bald da an sich herumzupfte, offenbar um ihrer äußeren Erscheinung einen wirkungsvolleren oder vielmehr un widerstehlichen Ausdruck zu verleihen. Et was Rührendes lag in der kindlichen Unschuld , mit welcher sie sich immer wieder pruite und ihren einfachen Schmuck so peinlich ordnete, als wäre es das Schönste geweſen , was nur hätte erdacht werden Lønnen.
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Sie haben sich abermals verirrt , " redete sie mich dringlich an , noch bevor ich vor ihr eingetroffen war. Sie müssen umkehren und eine Viertelstunde zurückgehen. Folgen Sie diesem Pfade weiter, so geraten Sie zwischen Dornen und spißes Gestein, wo sie unfehlbar Schaden nehmen. Von den Schlangen rede ich nicht ; heilige Mutter Gottes ! lauter Giftschlangen. Die liegen da in dicken Klumpen , daß man nicht weiß, wohin man die Füße stellen soll. " Bei dieser fürchterlichen Schilderung mußte ich lachen. Es ergößte mich der rührende Eifer , mit welchem sie zu den tollsten Mitteln griff, nicht durch mich um die Zusammenkunft mit dem Geliebten gebracht zu werden. „ So hast du selber keine Furcht vor den gefährlichen Tieren ?" fragte ich mit einem Anfluge wohlwollenden Spottes . ,,Nein, ich nicht, " hieß es noch eifriger zurück, sie kennen mich nämlich, weil ich oft hier gehe. Auch weiß ich, wohin ich meine Füße zu stellen habe , um sie nicht zu reizen. Santa Maria ! Fremder, Sie glauben nicht , was das für ein Land hier herum ist . Auf Schritt und Tritt lauert der Tod. " „Recht so, Carlota," erwiderte ich und zu ihrem sichtbaren Verdruß seßte ich mich zu ihr auf den Stein , jeden anderen würdest du mit solchen Erzählungen verscheuchen und es geschähe ihm recht. Bei mir dagegen, der ich in herzlicher FreundEndlich war sie fertig und mit ihren schaft dir zugethan , erreichst du mit der flugen Augen lebhaft um sich spähend, artigen furchtbaren Vorspiegelungen nichts . wartete sie auf den , für welchen sie zu Denn höre nur, " und gewahrend, daß sie allen ihr möglichen Mitteln gegriffen hatte, mich ratlos anstarrte , legte ich eine geihr Aeußeres zu einem bezaubernden wisse Vertrauen erweckende Innigkeit in gestalten. Mit innigem Wohlgefallen den Ton meiner Stimme ich kam sah ich auf sie hin, und mehr noch fühlte hierher aus keinem anderen Grunde , als ch mich zu ihr hingezogen bei dem Geum John Blount kennen zu lernen. " danken , daß sie gewissermaßen das ver„ Der ist noch gefährlicher als die mittelnde und versöhnende Element zwischen Schlangen , " unterbrach Carlota mich er dem verwilderten John Blount und den schrocken, führt ihn sein Weg hierher Berzügen freundlicher Gesittung bildete. ich weiß es ja nicht so bringt er Sie Eine Weile schwankte ich in meinen ohne Barmherzigkeit ums Leben. " Entichlüssen. Hatte mir bisher vorge,,Nein, Carlota , das geschicht nicht, ichwebt, erst nach John Blounts Eintreffen und am wenigsten , wenn ich ihm sage , sot die beiden jungen Leute hinzutreten daß ich von weither zugereist bin , um nd deren erste Ueberraschung zu einer ihn aufzusuchen. Und dich selber wird es beruhigenden Erklärung auszunußen , so nicht minder erfreuen , zu erfahren , daß erichten es mir jest ratsamer, mich zuvor er aus einer reichen , vornehmen Familie naher mit Carlota zu befreunden und sie stammt.“ ürsprecherin bei ihrem rücksichtslos „ Wäre das Wahrheit — aber ich glaube aeftümen Geliebten zu wählen. Leise nicht daran, " fiel Carlota abermals angst thob ich mich, und den günstigen Augen voll ein , " so dürfte er es gar nicht er tlid eripähend, erreichte ich den Pfad, be- fahren. Santa Maria ! Wüßte er , daß vor sie mich entdeckte, sie also nur glauben er ein reicher, vornehmer Mann, wohl gar nte, ich sei bei meinem planlosen Um ein Herr wäre, so ginge er davon und in ritreifen eben erst gekommen. Es blieb sein Elend . Sie wollen Ihren Spott r dadurch die Beschämung des Bewußt mit mir treiben , Sennor , Sie planen eins eripart, während ihres Herauspuhens Arges aber ich sage es Ihnen : der un mir beobachtet worden zu sein. John Blount braucht nicht vornehmer zu Sichtlich erschrocken kehrte sie auf das werden, als er bereits ist, " und in ihren Berausch meiner festen Schritte sich mir prachtvollen Augen funkelte es , wie in ; sobald sie aber mich erkannte, blieb denen eines gereizten jungen Leoparden, ur der einzige Ausdruck der Verwirrung " der ist nämlich so vornehm, daß Sie mit af dem frischen bräunlichen Antlig zurück. 3hrem vielen Gelde nicht zu ihm heraufLana folgte das Gepräge der Hoffnung, reichen , mögen Sie immerhin aussehen, des stets gefälligen Fremden auf die eine als wären Sie ihm aus den Augen geer die andere Art entledigen zu können. schnitten."
993 „Beruhige dich doch, mein liebes Kind. Ich beabsichtige ja nichts weniger , als dein oder John Blounts Unglück. An= derseits darfst du ihn nicht hindern, wenn es sich darum handelt, ihm seinen wahren Namen und die damit verbundenen Rechte zurückzugewinnen. " „ Er heißt John Blount, " rief Carlota nunmehr trogig aus , „ einen schöneren Namen gibt es nicht. Er bedarf überhaupt gar keines Namens , dann mag ich ihn rufen, wie es mir gefällt, jeden Tag anders . Meiner Wirtin aber kraße ich die Augen aus , denn sie nur kann Sie hierhergewiesen haben. " ,,Deine Gebieterin liebt dich und John Blount. Als ich ihr meine Absicht an= vertraute, war sie sogleich bereit , mir zu einer Zuſammenkunft mit deinem Schatz. die Hand zu bieten." „ Also auch das verriet sie ? Nun ja ich brauche mich dessen nicht zu schämen , John Blount ist mein Schat , derselbe Schatz, von welchem ich Ihnen in dem Boot erzählte ," erklärte Carlota leidenschaftlich, und klagend rief ſie aus : „ Madre Santissima ! Hätte ich Sie lieber nicht gerudert! Die zwei Dollar gebe ich Ihnen mit Freuden zurück, aber jetzt beeilen Sie sich fortzukommen oder es gibt ein Unglück Sie brach ab. Auf der anderen Seite des Walls ließ sich das Klappern flinker Hufe vernehmen, die zwischen dem Gestein stolperten und nach einem festen Halt ſuchten. Eine dumpfe Ahnung stieg in mir auf. Vertraut erschien mir das Geräuſch. Vor meinem Geiste tauchte das nächtlich verschleierte Bild des tollen Reiters auf, welcher die Schmugglerbande begleitete. Heilige Mutter Gottes ! " rief Carlota zaghaft aus, „ der kommt wieder über's Gestein ! Er wird sich noch das Genick brechen mit seinem wilden Reiten! Ihnen aber rate ich : laufen Sie, was Sie können, solange es noch Zeit ist, oder in der nächsten Minute sind Sie ein toter Mann . John Blount ist furchtbar. In seiner Wut fragt er nicht , wen und wie viele er mit seinem Lasso erwürgt." Er wird mir die Hand reichen „ Nein, das ſoll er nicht . Sie möchten ihn verloden, daß er ein vornehmer Cabal" lero werde und mit Ihnen davongehe „Nicht doch , Carlota ," fiel ich be du bist doch sonst so schwichtigend ein , verständig. Betrachte mich und sage , ob ich wie jemand aussehe , der sich an dem Unglück anderer erfreut. Außerdem beſige ich nicht die Macht, Menschen zu etwas . zu zwingen , was zu thun ihnen widerstrebt. " ,,Nein, Herr, mit Gewalt richten Sie
freilich nichts aus ; aber Sie haben eine Art der Rede, die schmeichelt , als hätten Sie es von der Schlange im Paradieſe gelernt , und dem ist der ehrliche John nicht gewachsen. Vermag ich schwaches Mädchen doch, ihn durch ein einziges Schmeichelwort in einen Heiligen zu verwandeln. " " So wirst du auch zwischen ihm un
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mir vermitteln , daß wir gute Freunde hielt Hemd und Beinkleider zusammen. werden. Glaube mir , nimmermehr wirſt Anſtatt das Messer im Gurt zu tragen, du es bereuen. “ hatte er es in das rechte Gamaschenleder Der Hufschlag hatte sich auf der an- geschoben , wo es ihm am bequemsten er deren Seite des Kammes etwas entfernt, reichbar. Ein abgetragener grauer Filzhut indem der Reiter wohl gezwungen war, bedeckte sein Haupt. Tief über die Stirn gangbareren Boden für sein Tier zu suchen. gezogen und mittels einer dünnen Schnur Jeßt aber tauchte er oben auf dem Rücken unterhalb des Kinns befestigt , erhöhte er des Walls auf, wo er sofort nach Carlota durch seinen Sitz gemeinschaftlich mit dem spähte. Er hatte sie indessen kaum ent- wild wogenden, halblangen braunen Locken deckt und ihr zur Seite einen Fremden, haar den Ausdruck des Troßes , welcher als er sein Pferd rücksichtslos antrieb und, sich in jeder Linie des sonnverbrannten, unbekümmert um loses Geröll , den Ab- auffällig schönen Antliges ausprägte. Wie hang heruntersprengte. Gleichzeitig hatte bei mir, verhüllte ein rötlichbrauner Voller die Schlinge des Lassos, welchen er als bart die untere Hälfte seines Gesichtes . Peitsche benutte , durch Schwingen ober- Es ließ sich nur erkennen, daß die Zähne halb des Hauptes in Kreisform geöffnet, fest aufeinander ruhten und der Unterals hätte es dem Einfangen eines Rindes kiefer, wie in verhaltenem Grimm, sich ein gegolten. Teils infolge der rauhen Be- wenig über den oberen hinausgeschoben handlung , dann aber in dem Trachten, hatte. Sogar in den großen blauen Augen, nach dem Stolpern auf dem steilen Ab über welchen die starken schwarzen Brauen hange auf ebenem Boden wieder festen sich düster runzelten , funkelte es , daß es Fuß zu fassen, sette das Pferd in wilden jedem anderen , als eben mir , als eine Sprüngen über das Buschwerk hinweg, böse Drohung erschienen wäre. Hätten und unter der kundigen Hand des Reiters jezt aber noch Zweifel über die Persönauf der ebenen Wiese einen Kreis be- lichkeit des gewandten Reiters bei mir geschreibend , hielt es plöglich in der Ent- waltet, sie wären geschwunden beim ersten fernung von etwa fünfzehn Ellen vor Car- Blick auf die trozigen Züge , die in der lota und mir an. Ich selbst hatte unter: That eine wunderbare Aehnlichkeit mit den dessen Zeit gefunden, mit Blicken, welche meinigen trugen. Wohl war er kräftiger durch beinahe frankhafte Erwartung ver gebaut als ich, vielleicht auch etwas größer, schärft wurden, das Bild des tollen Reiters wohl zeigte der erhobene und den Lasso bis in die kleinsten Einzelheiten hinein in schwingende reich tätowierte Arm , indem mich aufzunehmen. Zunächst glaubte ich, der weite Aermel zurückgeglitten war, ein den Führer der Schmugglerbande wieder Gewebe beweglicher Sehnen und Muskeln, zu erkennen. Das Pferd, einen zottig be- die gewissermaßen im Einklange standen mähnten , kräftig gebauten braunen Mu- mit denen seines Mustangs : allein in stang mit tückisch funkelnden Augen , be- unseren Gesichtern offenbarte sich, trot des achtete ich kaum. Nur noch für den Mann verschiedenen Ausdruckes , für jeden , nur auf deſſen Rücken hatte ich Sinn. Und nicht für den leidenschaftlich erregten John eine Gestalt war es, welche man mit der Blount , daß wir von denselben Eltern eines jungen Centauren hätte vergleichen abstammten. Ungeachtet seiner feindseligen mögen. Wenn aber auf der einen Seite Haltung betrachtete ich ihn mit ernster deren zuversichtliche Haltung , in welcher Ruhe . Alle anderen Empfindungen überTroß und Verwegenheit sich spiegelten, wog in mir der einzige Gedanke, daß er meinen Augen schmeichelte, so erfüllte mich mein Bruder, der gleich mir unbarmherzig auf der anderen ängstliche Spannung an in die Welt hinausgeworfen worden, und gesichts der unverkennbaren Merkmale, daß an dem das Schicksal zu fühnen hatte, es am wenigsten friedliche Regungen, was die Menschen einst gewissenlos an welche ihn bewogen , seinen Mustang in ihm verbrachen . Carlota, die sicher sonst stets dem Gebeinahe grausamer Weise zu den äußersten. liebten mit offenen Armen entgegenflog, Anstrengungen zu ſpornen . Gekleidet war er nach Art jener Va- saß da , als hätte sie die Gewalt über queros oder Viehtreiber, welche ihren kärg- ihren jungfräulich blühenden Körper gänzlichen Erwerb lieber am Montetisch und lich verloren gehabt. Der ihr unverständin der Tanzhalle verthun , als ihn puhliche Ausdruck zügelloser Eifersucht in süchtig auf ihren Körper zu hängen. Ein John Blounts Antlig , wie sie einen solursprünglich weißes , jest aber graues chen nie zuvor an ihm beobachtete, machte Calicothemd flatterte faltig um Brust sie bis in ihr Herz hinein erbeben. Sie und Schultern. Aehnliche Beinkleider bil- ahnte nicht , daß dieser ihre Befangen deten dessen Fortsetzung bis unterhalb der heit und Regungslosigkeit in der ihm am Knie, wo sie durch brettartig harte Ga- nächsten liegenden ungünstigsten Weise maschenleder und Schnallriemen einge deutete. schnürt wurden. Seine Füße steckten in " Carlota !" rief er nach kurzem, uneinfachen Mokassins mit Sohlen von Roh- heildrohendem Sinnen zornbebend aus , leder , auf denen das Haar des Rindes und in regelmäßigem Kreise drehte die ge noch sichtbar, welches dieselben lieferte. fährliche Schlinge sich oberhalb seines Riesenhafte Schnallsporne , mit klirrenden Hauptes , was wirst du sagen, wenn ich Kettchen und Blechnesteln verziert, hingen dem feinen Herrn da neben dir den Lasso so lose auf den Füßen, als hätten sie nur um den Hals werfe und ihn über das auf die Gelegenheit gewartet , sich ganz Gestein schleppe, bis kein Fehen mehr von von ihnen zu trennen. Ein breiter Riemen ihm übriggeblieben ? Karamba ! um mir
996| solch Leid anzuthun, hättest du nicht heraus: zukommen brauchen ! " Da schnellte Carlota auf die Füße ewpor. Ohne einen Laut von sich zu geben, eilte sie zu ihm hinüber , und mit einer Bewegung, welche ich kaum mit den Blickez zu verfolgen vermochte, hatte sie, die aus dem breiten Holzsteigbügel hervorragenx Fußspiße des Geliebten als Stufe be nugend, sich zu ihm emporgeschwungen. Dann mit beiden Armen seinen Hals um: schlingend, daß der Lasso seiner Faust ent sank , küßte sie ihn , daß er beinahe erstickte. Erst die Bewegung des über die doppelte Belastung ungeduldigen Mustangs zwang ihn , seinen Arm um sie zu legen und sie dadurch vor einem Sturz zu be wahren. Auf ein Wort von ihm gab ſie sich einen Schwung, durch welchen sie hin ter ihn zu ſizen kam, und den einen Arm um ihn Legend , schmiegte sie ihr Haupt an seine Schulter , als ob sie nunmehr allen Fährnissen der Welt sich entrückt gefühlt habe. Ich war unterdeſſen zu ihm herangetreten. Angesichts der Szene, welche sich vor meinen Blicken entwickelte, hatte mich Rührung ergriffen , und so sprach ich mit einer Herzlichkeit , wie sie eben nur durch meine augenblickliche Lage erzeugt werden fonnte: John Blount , weit bin ich ge reist, um dich aufzusuchen ; nur durch Liſt gelang es mir, das Zuſammentreffen mit dir zu bewirken. " John Blount , nunmehr von seinen Regungen der Eifersucht vollständig be freit, lachte auf. „ Du trägst wohl einen besseren Rod als ich, " antwortete er trozig, „ wer aber von uns beiden der bessere Mann , fol erst ausfindig gemacht werden. Redeſt du mich an, als wäre ich dein Peon, ſo ſprech. ich zu dir, wie zu einem Kameraden. Karamba ! Gefällt dir das nicht, so hat der Weg hier zwei verschiedene Richtungen; die eine für dich , die andere für mich." „Recht so , John Blount, " verseßte ich freundlich, meine Worte seiner Stimmung bedachtsam anpassend, so höre ich es gern von dir , und bevor viel Zeit vergeht. wirst du noch viel herzlicher sprechen, als wäre ich nur dein Kamerad , “ und da er erstaunt auf mich niederſah_und_offenbar nach einer Lösung der rätselhaften Arkündigung suchte, fuhr ich fort : „ a John noch nenne ich dich so , obwohl von weit ber dein Name ein anderer kam ich , um dich zu finden ; nimmermehr hätte ich deine Spur entdeckt , wäre die Frau des Kapitän Blount nicht geweſen —* „Hat der Teufel die Here immer noc nicht geholt ?" warf John spöttiſch mu scharf hervorklingender Gehässigkeit ein. Laß die Alte," erwiderte ich bequiti gend, „ denn im Grunde bist du ihr not zu Dank verpflichtet . War sie es doc alten Freunde Bes die mich zu deinem “ Vanisch wies ,,Dem ich zwei Dollar schuldig ge blieben bin? Hätte sie ihm längst zurüc erstattet , wäre die Gelegenheit dazu da geweſen. "
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MEr gedachte deiner mit großer Freund gefällt mir beſſer, als alles andere. Ka- | einer tropischen Sonne gereiften notwenschaft, John ramba ! Ich paſſe mich zu 'nem vor- digsten Lebensbedürfniſſe. Als wir dann Nun ja , er war ein guter Kerl. nehmen Herrn gerade so gut , wie hier traulich beieinander saßen , hob ich ohne Karamba ! mich freut's , wenn ich Gutes mein Schatz in ein Kloster; da mag lieber Säumen an: "„Ja , John Blount , die von ihm höre." alles so bleiben , wie es ist. Und einen Hälfte des Vermächtnisses gehört dir. Um # So viel Gutes , wie nur möglich, anderen Namen meinst du? Wer mir den indessen deine Zweifel vollständig zu be wenn jemand sich als Krüppel durchs richtigen stahl, mag ihn behalten, solange seitigen, fordere ich dich auf, eine Summe Leben schlagen muß , den aber Sorgen Carlota nur irgend einen weiß, mit dem zu nennen, welche ich dir im voraus zahlen ſoll.“ ums tägliche Brot nicht drücken ; so steht sie mich anruft. " es mit ihm . Die besten Grüße schickt er Ein Gefühl der Trauer bemächtigte Auf diesen Vorschlag , darauf berech dir, und so viel zu erzählen habe ich, daß sich meiner bei dieſer ſchroffen Ablehnung. net, zunächst die Beſißluft anzuregen und es mit wenigen Worten nicht gesagt ist . Es entging mir nicht , daß nach seinem dadurch den ersten Einfluß auf ihn zu Komm herunter von deinem Pferde ; laß lezten Ausspruch Carlota , wie ihren gewinnen , sah John Blount mich durchuns mit Carlota niedersißen und baue Zauberbann fester schmiedend , sich enger dringend an. Darauf sprach er zweifelnd : darauf: ich bringe so gute Kunde , daß an ihn anschmiegte. Ihr linkes , hinter ,, Dir traue der Teufel ; denn nimmereure Herzen vor Freude lachen sollen." des Geliebten Schulter hervorlugendes mehr geht es mit rechten Dingen zu, John Blount zögerte. Da raunte Auge betrachtete mich mit einem Gemisch wenn jemand derartiges anbietet. Und Carlota , die uns so lange aufmerksam von Glückseligkeit und Schadenfreude. Ich wer bürgt dafür, daß du überhaupt mein überwacht hatte, ihm zu : " Betrachte ihn begriff, daß es nur ein Mittel gab , ihn Bruder bist , nicht irgend ein verdammter ordentlich. Er ist dein Ebenbild. Nur meinem Einfluß zugänglich zu machen : Gaunerstreich des Alkalden' dahinter steckt, schöner bist du Santa Maria ! viel Es bestand darin, daß ich den Besitz des der mich für sein Leben gern einfangen jchöner." schönen Mädchens in absehbare Ferne vor möchte?" John Blount sah mir schärfer ins ihn hinstellte . Da ergriff ich seine Hand , und ihm Gesicht und jezt erst fiel ihm die Aehn"Du übersiehst ," hob ich an , " daß ruhig in die großen , sorglosen Augen lichkeit auf. Sichtbar heimelte diese Ent dein freier Wille dein unbeschränktes Eigen blickend , erklärte ich feierlich : „ So höre dedung ihn an, allein sein troßiges Selbst- tum, aber auch , daß einem Bruder, der denn : Zwei Zwillinge lagen einst friedlich cewußtsein konnte dadurch nicht in ebenere es ehrlich meint, daran gelegen sein muß , beieinander in einem kleinen Bettchen. Bahnen gelenkt werden. den nächsten Blutsverwandten in einer Ueber ihnen schwebte das Verhängnis , Fy So sage mir , um was es sich han sorgenfreien Lage zu wiſſen - " getrennt und hilflos ausgeseht zu werden. "/ Mit anderen Worten, " fiel John ein, Da nahm eine alte Indianerin, um ihnen delt," sprach er zuversichtlich , " denn um mich aus dem Sattel zu bringen , bedarf „ du biſt_nicht abgeneigt , von der Erb- das Wiederfinden zu ermöglichen , beide, schaft unserer Eltern vorausgesetzt, du und mit geübter Hand tätowierte sie dem es schon einer großen Ursache. " Es handelt sich darum ," antwortete bist wirklich mein Bruder also von einen im Nacken dicht unterhalb des Haars ich nicht minder feſt , „ den dir gebühren- dem Vermächtnis mir eine Kleinigkeit her- einen blauen Pfeil ein, dem anderen_dagegen einen roten. Die verschiedenen Farden Namen dir zurückzugeben. Es handelt auszuzahlen." ich darum , dich vor die Gräber deiner Sicherlich. Brüderlich teilen will ich ben wählte sie , um die zum Verwechseln ähnlichen Brüder voneinander unterſcheiEltern zu führen , dir alle Rechte zuzu- mit dir. " erkennen , welche einst , als man dem „Karamba ! Geld kann man immer den zu können. Den blauen Pfeil trage Blount dich überantwortete , dir schamlos gebrauchen , " versette John Blount über ich. Bist du mein Bruder, so liefert bei keraubt wurden. Es handelt sich ferner die Schulter zu Carlota , „ da möchte es dir das rote Mal den Beweis . “ John Blount hatte mit gespannter darum , dich mit deinem Bruder zu versich lohnen , abzuſteigen. " nigen, deinem einzigen Bruder, mit welEr hatte kaum ausgesprochen, da stand Aufmerksamkeit gelauscht . Tiefes Ertem du in derselben Stunde geboren Carlota wieder auf seiner Fußspige, doch staunen prägte sich in seinen Zügen aus. wurdeit." nicht eher sprang sie zur Erde , als bis Und abermals bemächtigte Mißtrauen ſich John blickte ungläubig, fragte indessen sie ihn gefüßt hatte. Gleich darauf be- seiner. „ Das hast du ihm verraten!" rah kurzem Sinnen wie beiläufig : So fand der Geliebte sich an ihrer Seite. fehrte er sich mit einer heftigen Bewegung art du wohl gar selber der Bruder ?" Den Mustang hinter sich führend , schlug Carlota zu. Dein Zwillingsbruder," bestätigte ich er die Richtung nach dem Felsblock ein, Diese erschrak, antwortete aber feſt : Santa Maria! Wie würde ich derängstlich , denn in jeder neuen Minute welchen er schon so oft mit der Geliebten fürchtete ich , ihn hohnlachend mit seinem als Bank benutzt hatte. gleichen einem Fremden anvertrauen ? Nur eine kurze Strecke trennte von der Hielt ich das Mal doch für ein Abzeichen idchen davonsprengen zu sehen. „Ja, John , dein leiblicher Bruder , der bereit selben, und doch genügte sie, angesichts des des Bösen , daß du solch wilder Geselle in alle uns zufallende Gerechtſame sich wunderbaren Paares ein ganzes Heer von sein solltest. " John Blount runzelte die Brauen und edlich mit dir zu teilen , dir treu zur Gedanken auf mich einstürmen zu laſſen. Sette zu stehen mit Rat und That , in Lange Zeiträume wurden zu Atomen, zu jah vor sich nieder. Aengstlich überwachte aten wie in bösen Zeiten. “ nichts verkürzten sich die weitesten Entfer- ich ihn. Unbegreiflich erschien mir , daß „Glaube es nicht , " raunte Carlota, nungen. Ich verglich meinen eigenen Liebes- eine Kunde, von welcher ich wähnte, daß ie ich notdürftig verstand , in ihrer frühling mit dem der beiden vor mir Einher sie mit hellem Jubel begrüßt werden Muttersprache ihm zu , und Blize des schreitenden, mich ſelbſt mit ihm, der unter würde, so gänzlich jede Wirkung versagte. Mit dem Mal haft du's freilich ge= orns und der Besorgnis sprühten ver denselben Bedingungen , wie ich , und in tehlen aus ihren wunderbaren Augen auf derselben Stunde ins Leben geschickt wurde, troffen, " sprach er nach einer Pause und nh, es sind arge Schmeichelreden. Fort und dennoch , wie unendlich verschieden trosig richtete er sich auf; bevor ich aber eden will er dich , auf daß ich mich zu waren wir unter dem Einfluß äußerer darauf eingehe , muß ich das deinige geLode gräme. “ Und was sie sagte, fand Eindrücke geartet. In mir spiegelte sich sehen haben. " et dem wilden Gesellen empfänglichen ich mußte es mir eingestehen der Statt einer Antwort neigte ich den Hoden, denn er erwiderte zögernd : „ Wärest kalte starre Norden mit seiner träumerisch Kopf vor ihn hin, und das Haar zurückzehnmal mein Bruder , so traute ich ernsten Bevölkerung ; in John Blount da streichend gewährte ich ihm und Carlota it nicht. Möchtest du mich aber wirklich gegen wie in seinem Mädchen die sengende einen vollen Anblick der Tätowierung. u einem vornehmen Herrn machen , ein Glut des ewig grünen Südens, die ganze Beide betrachteten dieselbe mit unverkenn Cußend neue Namen mir anhängen, könnt' Leichtfertigkeit und Anspruchslosigkeit, er- barem Erstaunen. Endlich brach Carlota hdir nur antworten : Ich bin Vaquero ; zeugt durch den fast mühelosen Gewinn das eingetretene Schweigen mit den WorEnter Pferden und Rindern einherzureiten der von der Natur üppig gebotenen, unter ten : Jezt zeige das deinige, John. Ich
-1000will die Abzeichen miteinander vergleichen," und gehorsam leistete John Blount Folge. Ein eigentümliches Gefühl der Wehmut beschlich mich, als ich den mit ſo viel Sorge gesuchten Pfeil endlich vor mir sah. Den meinigen kannte ich nur aus der Beschreibung. Aus Carlotas Urteil ging indessen hervor, daß beide Male sich nur durch die Farbe voneinander unterschieden, und das John Blounts etwas mehr unter dem Haar verschwand . „ So wärest du in der That mein Bruder ," bemerkte dieser ernst , indem er sich wieder aufrichtete , „ glaubst du in dessen, daß ich Sie darauf anrede, so irren Sie sich. Ich will's nur eingestehen : bin zu lange vereinsamt gewesen, da gewöhne ich mich schwer an brüderliche Redensarten ; auch ist's eine wunderbare Zumutung , mit geschwisterlichem Vertrauen jemand zu begegnen , den man im Leben nie sah. In Ihnen steckt große Vornehmheit, ich selber bin nur Vaquero ; das paßt schlecht zu cinander. " Bei diesen letten Worten machte sich eine gewisse Verlegenheit in seinem Wesen bemerklich . Es war ersichtlich , sobald das nahe verwandtschaftliche Verhältnis nicht mehr angezweifelt werden konnte, drängte der Gedanke an die Verschiedenartigkeit unserer Lebensstellungen sich bei ihm in den VorEr suchte indessen über die dergrund. einer Beschämung ähnliche Empfindung hinwegzukommen , indem er nach kurzem Sinnen mit erzwungener Leichtfertigkeit fortfuhr: !! Von fremden Menschen nehme das lag schon in ich nichts geschenkt meiner Natur , als ich noch bei der Satanshere in New York zu Tische saß und mit einem Bruder , den ich nie kannte , ist's nicht viel anders. Meinen Sie dagegen, daß aus alten Zeiten noch dieses oder jenes auf mich entfalle , so läßt sich das eher hören. Ich selber werde zwar ohne das fertig ; allein um Carlotas willen sollte es mir lieb sein , erhielte ich so viel Geld in Händen, wie erforderlich, um sie, wenn auch nur ein einzig Mal, wie die Tochter eines Gobernadors ein kleiden zu können. Karamba ! Da wür den die Leute doppelt erstaunen über ihre Schönheit," und einen heißen Blick warf er auf das Mädchen , welches vernehmlich vor sich hin lachte. Ergreifend wirkte die beinahe schüchtern erteilte Erklärung auf mich ein. Was auch immer zu ungunsten des wilden John Blount gesprochen worden : in diesem Augenblick erschienen er und Carlota mir wie arglose Kinder. Von innigster Teil nahme erfüllt, wünschte ich mehr zu hören und fragte daher heiter aufmunternd : „Wieviel würde dazu erforderlich sein ? Sage es offen und fürchte nicht, zu hoch zu greifen." Ein kurzes, leises , in spanischer Sprache geführtes Gespräch folgte ; dann kehrte John Blount sich mir zu , und mich fest anschauend , meinte er zweifelnd : " Wie wäre es mit fünfundzwanzig Dollar? “ Carlotas Blicke hingen an meinen Blicken . Sobald sie aber in meinen Zü-
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gen herzliche Gewährung entdeckte, raunte | runden Schleife öffnete. Zu derselben Zeit waren sechs oder sieben Männer , unter sie dem Geliebten erwartungsvoll zu : welchen ich die zuvor beobachteten Polizei: „ Sage fünf mehr.“ "Ich meinte dreißig Dollar , " ver- soldaten wiedererkannte , in kurzen Zwiſchenräumen aus dem Gebüsch gebrochen und besserte dieser sich schnell. ,,Das reicht nicht weit , " wendete ich in den Pfad und auf die Wiese hinausein , dreißig Dollar sind so gut wie geeilt , wo sie ihm nach allen Richtungen nichts . Auch du bedarfst neuer Kleider ; hin den Weg verlegten. Ihre Absicht, sid außerdem könnte neues Sattelzeug, wohl auf John Blount zu werfen , während er gar ein zweites Pferd nicht schaden. " zwischen mir und Carlota saß, war mij „ Santa Maria! " rief Carlota aus, glückt , und so standen sie jetzt enttäuscht und in freudigem Erstaunen legte sie die da , in den Händen die Stricke , mittels beiden erhobenen Hände ineinander. !! Da denen sie ihren Gefangenen zu fesseln gemöchten zweihundert Dollar nicht aus- dachten. Beim ersten Erscheinen der Männer reichen. " "1 Bestimmen wir also vorläufig zwei hatte Carlota einen kurzen Angſtſchrei aushundert," verseßte ich ermutigend. gestoßen. EinigeSekundensaß sie wie gelähmt, John Blount sah mich wieder durch bevor ihr südliches Blut in Gärung gedringend an; zugleich erklärte er zögernd : riet. Den Geliebten bedroht zu sehen und „Ich traue Ihnen nicht zu, daß Sie Spott diese Drohung auf sich selbst übertragen · mit uns treiben möchten, und doch gehört zu wissen , genügte , ihren Zorn zu ent: gute Lust dazu , Ihren Vorspiegelungen flammen , zugleich ihr jene Besonnenheit Glauben beizumessen. " Carlota hatte ihre zurückzugeben , mit welcher allein es nur Lippen seinem Ohr genähert , und not möglich war , Mittel zur Rettung zu dürftig verstand ich: „ Trau' ihm nicht ; erdenken. Fremd dauerndem Kleinmut , wer so viel Geld um nichts fortwirft, sprang sie empor, und sich mir zukehrend, hält es mit den Bösen," und mit flinker stand sie da wie eine verjüngte RachheBewegung bekreuzigte sie sich. göttin. Ich konnte mich abermals eines Lä„" Mein Geheimnis haben Sie ausge chelns nicht enthalten und erwiderte über schrien ", sprach sie laut genug , um von vor allen verstanden zu werden, „zum Knecht zeugend : „ Zunächſt, John Blount läufig muß ich dich noch so nennen des hinterlistigen Alkalden haben Sie sich wirst du es bei dem brüderlichen du be erniedrigt wenden lassen. Findest du hingegen in " Carlota ! " fiel ich dringlich ein , „ bei meinen Offenbarungen Erstaunliches, wohl allem, was dir heilig, beschwöre ich, daß gar Unglaubliches , so tröste dich damit, ich jedem Verrat fern stehe - " daß es mir zu seiner Zeit nicht beſſer er!!Laß ihn," unterbrach John Blount ging. Und mehr noch wirst du erstaunen , mich, zu dem Mädchen gewendet, und unwenn ich abänderlich freiste die gefährliche Schlinge John Blount warf den Kopf herum oberhalb seines Hauptes , so schlecht kann und spähte argwöhnisch in das am Fuße kein Mensch sein, daß er den Brudernamen des Walles sich hinziehende Gesträuch benutzt, um andere ins Unglück zu ſtürhinein. zen "John Blount, ich verhafte dich im 33. Kapitel. Namen des Gesetzes und auf Befehl des Um die Freiheit. Alkalden !" schrie der Vormann der PoliWas John Blount zu dieser plöglichen zisten dazwischen , und ich rate dir, ins Bewegung veranlaßte, erriet ich nicht. Da Unvermeidliche dich zu fügen , wenn du gegen entdeckte ich, daß Carlota, welche in deine Lage nicht erschweren möchtest. Die dieselbe Richtung sah, jäh erbleichte. Nicht vier Wochen für das Auflehnen gegen des das leiſeſte Geräuſch hatte ich unterschieden. obersten Beamten find bald abgeſeſſen, Unverständlich blieb mir daher, daß John ebenso die sechs Wochen, welche das Schmua Blount sich mir langsam zukehrte, seine geln dieser legten Nacht dir einträgt ; nachbedrohlich funkelnden Augen auf die meini- | her bist du wieder ein freier Mann, der gen heftete und zwischen den zuſammen- | sich in der Stadt sehen laſſen darf. “ gebissenen Zähnen hindurch mit unheilJohn Blount warf einen Blick um sich. verkündender Ruhe anhob : „Hast du mit Da die zu seiner Verhaftung ausgeſendedeinem verruchten Geſchwätz mich in eine ten Männer keine Schußwaffen bei sich Falle gelockt, so gedenke ich es dir. Wäreſt führten , mochte seine Lage ihm weniger du zehnmal mein Zwillingsbruder, rettete bedenklich erscheinen , denn höhnisch lachte es dich nicht“ leises Rauschen in dem er auf , jedoch ohne das Schwingen des Gebüsch machte ihn verstummen. Dann Lassos zu mäßigen. „Nicht auf sechs Stunden geh' ich ins aber hätte ein gereizter Panther nicht flinker auf seine Beute einspringen können, als Fort ! " rief er auf dem Gipfel seiner Wut er emporschnellte , in zwei Sägen seinen „ nicht auf eine halbe Stunde, und müf:. Mustang erreichte und ohne Benutzung des deshalb der Teufel euch samt eurem i Steigbügels sich in den Sattel schwang. kalden holen! " !!„Du wirst schon freiwillig herangehen Sein nächster Griff war nach dem Lasso, der sich wie durch Zauber in seiner rechten an die Strafe , wenn du weißt , daß CarFaust in eine und eine halbe Windung lota und der eine Herr hier in der dunkelzusammenlegte und oberhalb seines Hauptes sten Kammer des Forts dich so lange ver vor den sicheren Drehungen zu einer weiten treten , bis du selber kommst, " hieß es zurück,
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und begreifend, daß der wilde Neiter sich schwerlich einfangen lassen würde , schritt der Mann auf mich zu, um sich meiner und des Mädchens zu bemächtigen. „Karamba ! “ stieß John Blount grim mig hervor, so magst du zuerst zur Hölle jahren, und ein Blitz hätte nicht schneller juden können, als die Wurfleine seiner Faust entglitt. Als sich schnell verengender Hing fant dieselbe um den Mann nie der, wurde dann aber mit unglaublicher Sicherheit und unterstüßt durch die Be wegung des Pferdes in demselben Augenbiid zugezogen, in welchem die Schleife in gleiche Höhe mit dessen Knieen gelangte. Wohl griff der Bedrohte nach dem Messer, um den Lasso zu zerschneiden, allein vergeblich. Die Füße wurden unter thm fortgerissen, daß er rücklings zu Boden flug, und bevor die Gefährten Hilfe zu leiſten vermochten, ritt John Blount, sein Epfer hinter sich herschleifend, mit gemäßig ter Schnelligkeit davon. Die ihm zuge Jendeten Drohungen lohnte er mit tollem elächter, gellend schallte seine Stimme uber die kleine Lichtung hin. „Nur noch zehn Schritte näher, " rief er den Männern zu, " und ich zeige euch, wie mein Gaul auszugreifen versteht. Ueber das Gestein schleppe ich den Hund von einem Spion, daß ihr Fleisch und Knochen udweise hintermirzusammensuchen mögt !" And als die Verfolger stehen blieben, hielt auch er sein Pferd an, worauf er wieder enhob: Will der Alkalde mich sprechen, ill er nach Miguels Rancheria kommen. Da ist sein Recht nicht größer als das reinige. Dort bin ich bereit, alles mit ihm caszumachen, was zwischen uns schwebt. hr dagegen, beschwört ihr nicht bei allen Feben Todsünden , Carlota unberührt zu ioen , auch den Herrn da , so ist euer Sorporal ein toter Mann, bevor einer bis undert zählt. Karamba ! " fuhr er geeffig auf, als sein Gefangener sich auf richtete und die Füße von der verderblichen Slinge zu befreien suchte, woran er in ren durcheine heftige Seitwärtsbewegung
wenn du die kurze Gefangenschaft übernehmen , das dulde ich nicht und müßte dich ergehen läßt -" ich zweimal zehn Wochen auf dem Fort „Diablo!" fluchte John Blount, nicht sißen. Selber werde ich zu dem Alkalden eine Minute der Haft dulde ich, und müßte reiten, um ihm Geld zu bieten. Geht er ich deshalb zehnmal zur Hölle fahren. Ab- darauf ein und du legst es für mich aus, arbeiten will ich die Strafe wohl dir zu so bleibe ich dein ehrlicher Schuldner, bis liebe, aber meine Freiheit gebe ich nicht der letzte Cent abgearbeitet ist. Nur eine auf. Karamba ! Der Alkalde mag sagen, Bedingung stelle ich : es soll nicht von mir wieviel die Schläge wert sind , die ich gefordert werden, am hellen Tage als Geihm aufzählte , und keinen Pesos handle fangener durch die Stadt zu ziehen. Zu ich davon ab. Ja, das melde ihm ; aber tief würde es mich kränken , wieſen die auch, daß er keine Stunde vor mir sicher, Leute mit Fingern auf mich. Sobald es ob Tag oder Nacht, wenn er sich auch nur dunkel , reite ich vor des Alkalden Haus , mit einem Blick an dir versündigt." um mit ihm zu reden. Das meldet ihm, “ Bis dahin hatte ich wie ein unbeteiligter wendete er sich an die herangetretenen Zuschauer dagestanden. Die Bestürzung, Männer, sagt ihm aber auch, ich erwarte als ich den Polizeisoldaten unter John von seiner Ehre , daß niemand Hand an Blounts tüdischer Waffe zu Boden stürzen mich lege. Einigen wir uns nicht ums sah , hatte mich sprachlos gemacht ; Ent Geld und muß ich aufs Fort, so stelle ich sehen ergriff mich bei dem Gedanken, daß mich daselbst morgen abend freiwillig. Ich es der eigene Bruder, der nur noch durch könnte meine Strafe gleich antreten, allein die größte Vorsicht davor bewahrt werden ich möchte zuvor mein Pferd in gute Ob konnte , eine nie zu fühnende Blutschuld hut bringen. " auf sich zu laden. Indem aber das Aechzen Wie ihren Sinnen nicht trauend sahen des um sein Leben flehenden Opfers zu die Häſcher auf den sonst so gefürchteten mir herüberdrang, dessen Ende die ratlosen trogigen Burschen. Sie hätten offenbar Genossen durch etwaige Einmischung un- eher an den Untergang der Welt geglaubt, fehlbar besiegelten, gewann ich meine Be- als daß er sich zu einem derartigen Entgegenkommen verstehen würde. Zweifelten sonnenheit zurück. John Blount," rief ich ihm zu, „ ersie aber noch an der Aufrichtigkeit seines löse den Mann aus seiner gefährlichen Lage ! | Versprechens, so wurden sie beschwichtigt Thue es um deiner selbst und um Car durch die ernste, beinahe düstere Ruhe, welche lotas willen, doch auch aus Freundlichkeit seiner äußeren Erscheinung sogar eine gefür mich. Euch dagegen sage ich, " kehrte wisse Würde verlich. ich mich den Häschern zu , " daß ich für John Blount ," nahm der BefehlsJohn Blount nach jeder Richtung hin bürge. " haber des Kommandos nunmehr das Wort, Einen ermutigenden Blick warf ich auf , was du gesprochen hast, ich betrachte es Carlota, die angstvoll meine Augen suchte, als Wahrheit. Den Streich, welchen du und weiter sprach ich : " Führt mich zu dem mir spieltest, rechne ich dir nicht an . An Alkalden, und ich versichere euch, nur Mi- deiner Stelle hätte ich vielleicht nicht annuten soll es dauern, bis er befiehlt, John ders gehandelt. Und nebenbei, John Blount, Blount nicht länger zu belästigen. Und mußt du ins Gefängnis , so bleibst du damit ihr's wißt : ich nehme die Strafe, trotzdem ein ehrlicher Mann. Hat schon die bis jetzt noch mit Geld auszugleichen, manch ein Kaballero um eine Tracht Schläge, freiwillig auf mich, und was der Alkalde die er austeilte , eine Freiheitsstrafe verfordern mag, es soll ihm unverkürzt aus- büßt, ohne daß ihm jemand einen Vorwurf darüber gemacht hätte." gezahlt werden. " Er wollte sich mit seinen Genossen verDie Polizeifoldaten, durch die ſich vieles Mustangs gehindert wurde, entweder fach wiederholende Begegnung mit den in abschieden , als ich zu ihm herantrat und 11 rührst dich nicht, oder ich verschaffe dir Acapulco ankehrenden Fremden zum Teil dem für solche Freundlichkeiten EmpfängHewegung , daß dir 's Hören und Sehen notdürftig mit der englischen Sprache ver- lichen einige Dollar in die Hand drückte. „Das ist für Ihren guten Willen, “ Sie traut , sahen sich verwundert an. 2117 ewig vergeht."
Gib mich frei, John Blount, " flehte Ser Gefangene in seiner Todesangst, ihr 1, bleibt zurück," herrschte er den Gefähr ju , „ich beschwör's : Gibst du mich joll hier wenigstens keiner seine and nach dir ausstrecken , auch nicht bei der John Blount *acy Carlota
schwankten offenbar in ihren Entschlüssen. Da wurde die Aufmerksamkeit aller auf John Blount hingelenkt. Derselbe war zu seinem Gefangenen herangeritten und lockerte die Schlinge an dessen Füßen. Des sich schwerfällig Aufrichtenden nicht weiter achtend , trieb er den Mustang auf
zedenedeieten Jungfrau und allen Heiligen mich zu, und zwar so dicht an den Häschern adobe ich's : zu deinem Vorteil will ich vorbei , daß diese nur die Hand auf den Zaum zu legen brauchten, um seiner habGib ihm die Freiheit , John , " bat haft zu werden. Doch keiner rührte sich. mehr auch Carlota dringlich, denn es Das blinde Vertrauen des jungen Een edite ihr vorschweben , daß jetzt nur noch tauren übte offenbar eine beschwichtigende Wort dazu gehörte , um den wilden Wirkung auf sie aus , während ich selbst ter mit der unheimlichen Last hinter der von ihm bewiesenen Großmut meine über den zackigen Wall davonsprengen Achtung nicht versagen konnte. sehen, höre auf mich, John, thue, was "Ich weiß nicht, wie du heißt," redete dir sage; mache es nicht ärger durch er mich an, indem er mir die Hand reichte , me Wildheit. Die paar Wochen gehen aber jegt glaube ich , daß du mein Bruder held dahin, und schlechter wirst du nicht, bist. Du willst meine Strafe auf dich
bemerkte ich dabei , "! und wenn Sie den Alkalden sehen , stellen Sie alles , was Sie hier erlebten , ins günstigste Licht . Bereiten Sie ihn darauf vor, daß ich selber käme , um die mißliche Angelegenheit mit ihm zu ordnen , so daß mein Bruder und mein Bruder ist er ja morgen aufrechten Hauptes durch die Straßen gehen könne." Unter den Ausdrücken des wärmsten Dankes entfernten sich die Häscher. John Blount blickte ihnen nach , bis sie hinter dem Lorbeergebüsch verschwanden. Dann stieg er vom Pferde, und Carlota, die ihm um den Hals fiel und abwechselnd lachte und weinte , sanft von sich abwehrend, reichte er mir abermals die Hand . (Fortsetzung folgt.)
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Eine Fadereise längs des englischen Kanals.
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welchem der unglückliche Bi latre de Rozier bei seinem kühnen Versuche, von Jena aus per Luftballon nach England zu gelangen, das Leben verlor. Weiter vor uns liegen die zwei, die Hafeneinfahrt von Boulogne bezeichnenden Leuchttürme (S. 1006) , und zur Rechten erheben sich aber mals weiße Felsenklippen, die vorzeiten mit jenen Englands vereinigt waren. Das weite Thal des Lianeflusses unterbricht die hohe Klippenfette, und in diesem Thale, an den beiderseitigen Berglehnen hin auf, liegt Boulogne mit sei nen vielen Türmen und Kup peln, und dem hohen Obelist mit der Bronzestatue Napoleons I. , ein Denkmal, wel: ches die große zur Invasion Englands bestimmte Armee 1804 ihrem kaiserlichen FeldZu Füßen der Klip: herrn widmete. Die Hafeneinfahrt von Boulogne (S. 1008). pen , auf der nördlichen Seite des Hafens , erblickt man lange Batterien von Badekarren, teils am Lande, teils im seich ten Strandwasser, von der Brandung be Eine Badereise längs des englischen Kanals. spült. Um sie herum und vor ihnen ergößen sich die Badenden, andere liegen auf Von dem trockenen , weichen Dünensand und Ernst v. Helle- Wartegg. lassen sich die Schwimmkleider vom warmen Sonnenstrahl am Leibe trocknen. Ber rostete runzelige Badeweiber in blauen, b sich denn unsere Damen, welche die atmen. Gewaltige, kahle, vom Wind zer wollenen Schürzen trippeln ab und zu, Weltausstellung von Paris mit ihrem zauste Dünenberge begleiten uns auf der Badediener lenken ihre kräftigen normanBesuch beglücken, mit diesem Beſuch allein Weiterfahrt durch die Gefilde von Artois. nischen Pferde, welche die Badekarren aus zufrieden geben werden? ob sie der fran- Jenseits der Dünen liegt das Meer, aber den Meeresfluten ziehen. Ein schwarzer zösischen Hauptstadt so ruhig wieder den wir können noch nichts davon erblicken. verwitterter Turm , etwa eine Seemeile Rücken kehren und trockenen Fußes über Erst nach vierstündiger Eisenbahnfahrt, in vom Lande entfernt und von der Branden Rhein zurückwandern werden ? In Boulogne , sehen wir es endlich vor uns dung umstäubt, hält hier Wache : der be Paris ist man doch den atlantischen See- daliegen, weit und groß und überwältigend, rühmte tour d'ordre, den niemand an füsten so nahe , und die Weltausstellung aber an dieser Stelle doch nicht unbe- derer als der brutale Caligula auf seinem hat die zarten Nerven so sehr in Anspruch grenzt , denn am äußersten Horizonte Verwüstungszuge durch Frankreich hier erDamals stand der Turm genommen, daß eine Seebadereise absolut scheinen doch bestimmte scharfe Formen bauen ließ. notwendig wird. Nicht wahr? Absolut durch die Atmosphäre zu schimmern, nichts noch auf dem Festlande, aber dieses konnte notwendig. Väterchen oder Gatte , man anderes als die kahlen weißen Klippen dem Andringen des Meeres nicht wider wird sich zu dem Opfer, welches das zarte von Folkestone , welche England zu dem stehen ; ein Streifen von der Breite einer Bou Seemeile wurde im Laufe der Jahrhun Geschlecht so stürmisch oder so schmeichelnd Namen Albion verholfen haben. fordert, doch entschließen logne wäre als Seebad wahrscheinlich kaum derte weggespült , und die Turmtrümmer - je nachdem müssen. Nun dann wohl ! Aber wohin? zu solcher Beliebtheit gelangt, läge es nicht ruhen heute auf einer Felseninsel , die allein Trouville , Vauville , Dieppe sind aller auf der großen Hauptverkehrsroute zwi dem Ozean Troß zu bieten verstanden. dings die nächsten , am schnellsten zu er schen England und Frankreich. Jährlich Boulogne ist wohl eine französische Stadt, reichen. Aber sie liegen in direkt entgegen verkehren zwischen Boulogne, dem französ aber ein englisches Seebad, das ist sofort gesezter Richtung von der Heimat : Wie, fischen, und Folkestone, dem englischen Hafen zu erkennen, wenn man die Konzerte oder wenn man von Paris aus mittels der dieser Route eine Viertelmillion Reisende, Theatervorstellungen in dem hübschen Chemin de fer du Nord direkt nördlich und da ist es nicht wunder zu nehmen, Strand-Kasino , oder die vielen Sehens nach Boulogne oder Ostende oder Blanken- daß davon einige Tausende hier für einige würdigkeiten der oberen Stadt besucht, berghe führe und von dort nach Deutsch- Wochen kleben bleiben , zumal Boulogne, oder längs des ungemein malerischen Stran land zurückkehrte? Wer kann den Argu vom Meere aus gesehen , sich ungemein des Ausflüge nach Le Crotois ( S. 1009) So malerisch ausnimmt. Man braucht hierzu und dem alten Fischerdörschen Le Portel menten der Damen widerstehen ? nur in einem der zahlreichen Vergnügungs- (S. 1010) unternimmt. Man wird überall nehmen und fahren wir denn nach Norden einen Sack voll Erinnerungen an den jachten , welche dem Fremden im Hafen nur Engländer treffen Aber das thut Eiffelturm und all die schönen ostasiati- auf Schritt und Tritt mit derselben Be- ja der Romantik dieses hübschen Seebadeschen und südamerikanischen Dinge , die harrlichkeit wie Gondeln in Venedig an- ortes durchaus keinen Eintrag. Boulogne wir auf der Ausstellung gesehen, auf die geboten werden, eine Seemeile hinaus ins ist besonders an warmen Sommerabenden Reise mit. Wir fliegen mit sechzig Kilo Meer zu segeln. Dann gewahrt man zurschön , wenn die untergehende Sonne die meter Geschwindigkeit pro Stunde durch äußersten Linken die senkrecht ins Meer bergige Stadt und den Hafen schräg be die romantische Picardie und bekommen hinabstürzenden weißen, kahlen Felswändeleuchtet , wenn die kleinen Wellen des schon bei Abbeville ein bißchen Seeluft zu des Kaps Giro nez (graue Nase) , auf Meeres goldig erglänzen und das Bild
Ernst v. Hesse-Wartegg. =1009 des in Feuer getauchten Himmels sich im Meere widerspiegelt. Die beiden massiven steinernen Festungstürme, diese Portierlogen der Hafeneinfahrt, heben sich mit ihren dräuenden schwar zen Mauern seltsam von dieser durch-glühten Umgebung ab. Jst die Sonne untergegangen, die Dämmerung herangebrochen und etwa auch Neumond , dann ist der Hafengier, die " Staccade" (S. 1012) der Lieblingsaufenthalt des jüngeren Teils der Badegäste. Der lange Damm ist in vollständige Finsternis gehüllt der dienstthuende Zollwächter schläft in seinem Wachthäuschen und jo vereinigen sich dann Natur und Menschheit, um Hymens Dienst nach Kräften beizustehen. Ein romantisch angehauchtes Pärchen nach dem anderen huscht an dem schlafenden Zollamtsapostel vorüber, um im Dunkel der Nacht zu verschwinden. Sie schlendern langsam den langen Einfahrtsdamm entlang ; sie stehen an die Brüstung gelehnt und blicken hinab auf den weißen , im Dunklen leuchtenden Meeresschaum, der sich an den mächtigen Pfeilern der Staccade bricht ; sie ruhen vielleicht in fanfter Umarmung auf den Ruhebänken, flüstern leise , betrachten die Sterne Wenn dann das Wacht boot der Douane seine Rundfahrt macht, und die hellen Strahlen der Blendlaterne den Hafendamm bestreichen , um nach Schmugglern zu fahnden, dann beleuchten fie nur Schmuggler der Liebe doch der französische Douanier ist stumm und versteht in so diskreten Fällen auch blind zu sein ... Die französische Nordbahn bringt uns binnen einer Stunde nach Calais (S. 1015), das den englischen Seeküsten noch um einige Seemeilen näher liegt als Boulogne und demzufolge noch größeren Passagier verkehr aufzuweisen hat , alles nur aus Furcht vor der Seekrankheit. Obschon die Strecke zwischen London und Paris über Folkestone und Boulogne die kürzeste und demgemäß auch die Reisekosten viel geringer sind als über Dover und Calais, zieht doch die große Mehrzahl der Reisen den den Umweg über Calais vor, einfach
89. II.
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Le Portel bei Boulogne (S. 1008).
nur darum, weil die Seereise auf dieser auf die Herstellung eines Tunnels unter dem Route um ein Viertelstündchen kürzer ist! Kanal in die Ferne gerückt, wenn auch nicht Dieser Bedeutung als Hauptverkehrshafen ganz beseitigt worden. Der Besucher von zwischen England und Frankreich entspre- Calais wird ein Viertelstündchen westlich chend, erhält Calais augenblicklich groß der Stadt am Meeresstrande das alte beartige Hafenanlagen mit weiten Docks scheidene Fischerdörfchen Saugate ( S. 1020 ) und Bassins , welche auch größeren See- finden. Dort ist es, wo der unterseeische schiffen zu jeder Flutzeit die Einfahrt ge- Tunnel seinen Anfang nehmen soll , und statten (S. 1017) . Frankreich verwendete es sind in der That schon bedeutende verviele Millionen zur Herstellung und Besuchsweise Vorarbeiten unternommen wor festigung dieses wichtigen Hafens, und die den, welche eines Besuches wohl wert sind. Bequemlichkeiten der achtstündigen Reise Als Seebad hat sich Calais bisher zwischen den zwei größten Städten des noch nicht entpuppt , wohl aber das eine Erdballs sind heute so groß, daß man aus Eisenbahnstunde weiter östlich, schon nahe dem Eisenbahnzuge direkt in den Dampfer der belgischen Grenze gelegene Dünkirchen steigen kann. Die große London- Chatham mit seinem hübschen Seebadestrande RoDover Eisenbahn hat in den letzten Jahren sendaal. an Stelle der alten kleinen Schiffe große Rosendaal in Frankreich! Der Name prachtvolle Dampfer in den Verkehr ge- allein verrät uns schon , daß wir uns in stellt , luxuriös eingerichtete Fahrzeuge, dem französischen Flandern befinden, deffen welche die Ueberfahrt nach Dover in kaum Bevölkerung troß der Herrschaft der Franmehr als einer Stunde bewerkstelligen zosen durch und durch vlämisch geblieben und, dort angekommen, ebenfalls direkt an ist. Dünkirchen mit seinem Rosendaal lag die Eisenbahnzüge anlegen. Mit dieser aber weit abseits von den großen Verkehrsrouten , es wurde so wenig großen Erleichtebesucht und kam , die starke rung im PassaFestungsgarnison ausgenomgierverkehr sind deshalb auch men, so wenig in Berührung mit den jetzigen Herren des die Aussichten Landes , daß uns sein durchaus vlämischer Charakter nicht wunder nehmen darf. Dazu war Dünkirchen seit jeher, aber wahrhaftig nicht aus Eitelkeit, in gar enges Festungsmieder eingeschnürt, aus welchem statt zweier gleich ein Dutzend Bastionen hervorstanden ; eine vlämische eiserne Jungfrau , welcher im Laufe der Zeit Könige und Herzöge zu Füßen lagen und mit Schwert und Kanonen um ihren Besitz buhlten. Noch r e b h e . ・ TW heute sind diese Fesseln nicht Le Grotois bei Boulogne (S. 1008). gesprengt, nur ist die eiserne 43
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Jungfrau etwas zugänglicher geworden. | um aus den elenden, ganz vergessenen, vom | Wald und Feld , idyllisches Bauern und Ihr Hafen wird von zahlreichen Schiffen Winde verblasenen, sandverwehten Fischer Fischerleben ! Dies war nun in früheren besucht, durch ihre Pforten brausen Lofo- dörfern ganz stattliche Städte mit großen Jahren in Ostende und Blankenberghe reichmotiven, und der Umgang mit internatio- Hotels , prachtvollen Strandpromenaden, lich zu finden, aber heute ist es dort an nalen Touristen hat sie modernisiert. Sie mit Gas , Elektrizität , Eisenbahnen und ders geworden ! Die simple Badewelt von warf eine elegante Pariser Toilette über Telegraphen zu schaffen! Immer neue damals hat einer aufgedonnerten , talmiden eisernen Panzer und gibt sich dem ele Namen tauchen im Bädeker und Murray goldenen Gesellschaft Plat gemacht , die ganten Leben mehr hin als früher. Dazu auf, und während beispielsweise vor eini einfach an den Meeresstrand kommt, weil gehört nun im Sommer offenbar auch gen Jahren erst Heyst und Wijk-aan es Mode geworden, und welcher als höch ein Seebad und dieses entwickelte sich, Zee entdeckt " wurden, sind heuer Middle- stes irdisches Glück Prunk und Paradier: dank der vielen günstigen Bedingungen, kerke , La Panne , Nieuport , Knocke und sucht, Klatsch und Schwaz erscheint. Ostende die hierfür vorhanden sind , erstaunlich Gott weiß welch andere Seebadeorte an ist heute kein idyllisches Seebad mehr, wie der Tagesordnung. Heyst und Knocke , La Panne und das Das größte , bedeutendste , be herrliche Dornburg bei Vlissingen . Es ist suchteste all dieser Seebäder ist aber ein Babel, ein Pariser Boulevard, ein Stüc Ostende geworden. Wie rasch hat Ringstraße, ein Hayemarket , an die Seesich diese vlämische Schöne, welcher füste verpflanzt. Ungeheure vier- und fünfdie Brabançonne als Wiegenlied ge stöckige Hotels mit aufgebauschten , andient, in eine Pariser Kokette ver- spruchsvollen Fronten, prächtige glanzvolle wandelt, und fast mit Wehmut Villen, große Cercles und Klubs drängen denke ich an die schönen Zeiten , da einander , den geräumigen Kursaal , diese sie noch ein einfaches Fischermädchen Riesen-Karawanserai in ihrer Mitte. Die war. Das Leben war hier einfach, Seebäder scheinen nebensächlich eine Art ruhig, idyllisch, die Gesellschaft vor Vorwand für luxuriöses Leben am Meeresnehm , nur dem Bade , den Pro- strande zu sein, und es ist nicht der Bademenaden und höchstens plaß mit seinen Salinen, seinen in tiefen, ein paar unschuldigen weichen Sand aufgepflanzten Zelten, sonUnterhaltungen geselli dern der Kai , der Ballsaal , das Kasino, ger Natur gewidmet . der Klub und — der Spieltisch, um wel Man streckte mit dem chen sich das Leben konzentriert. Selbst größten Behagen am in den Straßen der Stadt Ostende sieht Morgen seine bloße man diesen luxuriösen Charakter ausge Rückseite der anstürmen prägt, und nur im Hafen ist noch alles ur den Brandung des Mee- sprünglich, urwüchsig geblieben (S. 1018). res zum Kusse dar und Es soll damit dem schönen eleganten Seetrollte des Nachmittags bade kein Vorwurf gemacht werden , denn in dem von dem Winde was dem einen überflüssig erscheint, ist dem zusammengeblasenen anderen ein Bedürfnis. So werden sich Sandhausen längs der im Laufe jeder Saison immer einige FeSeeküste umher , als dern finden , welche Ostende als ein irdiwären es lauter Inter- sches Paradies darstellen, in der Schildelafen und Engadins , rung von Vergnügungen, von Wettrennen, jeder Grasfleck ein Tan von Klatsch und Damentoiletten schwelgen. nenwald , jeder Sand Sie schreiben wohl mit jenen leichten, hohlen hügel ein Rigi. Des Abends Kielfedern , den Flügeln einer Gans ent vereinigte sich die junge tanz- rissen. lustige Welt in dem bescheidenen. Wer in Ostende die reine, unverfälschte genießen will, wer sein Bad gerne Kasino zu Ostende oder in dem noch Natur M AM bescheideneren Kursaal des benach allein nehmen möchte, ohne vor und neben GR S barten Blankenberghe zu einem im sich halbweltliche Najaden in durchschim provisierten Ball, zu welchem man , wenn mernde Gewebe gekleidet paſſieren zu sehen, auch nicht in Schwimmhosen wie zum der muß Ostende im Hochsommer besuchen. Die Staccabe in Boulogne (S. 1009). Bade, so doch in gewöhnlicher Nachmittags- Das Gros der Badegäste hat dann dem toilette erscheinen konnte. Meeresstrande den Rücken gekehrt , um in Es war ein köstlicher Nirwanazustand, Baden-Baden oder Homburg die gleiche schnell. Von Rosendaal aufwärts ist die ganze belgische Seeküste bis an die Mün- und die aus dem graugeflecten Himmel, Lebensweise (selbstverständlich mit Aus dung der Schelde sozusagen ein ein dem grünen Meere und den gelben Dünennahme der Tableaux vivants im seichten man ist mit ein ziger Seebadeort. Nichts hat sich so rasch gebildete einfache Staffage genügte den Be- Seewasser) fortzusehen in unser modernes gesellschaftliches Leben suchern vollkommen . Jeder Mensch, dem paar gleichfühlenden, gleichdenkenden Men eingebürgert als der Aufenthalt an der die Sonne wahrer Lebensfreude, wenn auch schen allein. Wenn auch zuweilen der Wind See. Wo hätten unsere Väter je daran nur durch eine Dachluke ins Herz hinein ein wenig heftiger bläst und das Meer zu gedacht , ihr liebes Aachen , Spa , Wies- schaut , fühlt wohl einmal im Jahre das schaumgekrönten Wellen peitscht (S. 1022), baden oder Homburg zu gunsten eines Bedürfnis , Zepter und Kronen , Schwert wenn auch der Dünensand vor ihm auf Aufenthaltes an der kahlen, sandigen See- und Feder beiseite zu legen und sich ein der kahlen Promenade hergejagt, die Luft küste zu opfern ? Wo hätten sie geträumt, wenig ungekünsteltem Naturleben hinzu schärfer , die Abende kühler werden : die daß wir , ihre Kinder , auf unserer Reise geben. Den ganzen Winter über ist man Natur bleibt doch gleich groß. Delphinendorthin mit Wohlbehagen an diesen großen doch gezwungen , mit den Posamentier gleich heben sich die Strandwellen auf dem schönen Badeorten vorübereilen würden, waren gesellschaftlicher Distinktion, Gold Meere empor , um, im hohen Bogen auf ohne auch nur die Nasenspiße, diesen neu stickereien und Ordensbändchen , Achsel- den Strand fallend , sich dort zu brechen gierigsten Teil des menschlichen Körpers , klappen und Portepees umherzuspazieren, und schäumend wieder zurückzufließen. In aus dem Waggonfenster herauszustrecken ? und welchen Genuß gewähren dem solcher unaufhörlicher Folge eilen die weißen Eine einzige Generation hat hingereicht, maßen austapezierten Menschen einmal Schaumkämme gegen das Land, als wären
Ernst v. Hesse Wartegg. 1015
Eine Badereise längs des englischen Kanals. 1016-
er
Wev
Calais (S. 1009).
die weite Reise über den Ozean müde, | Gäste pflegen alljährlich nach diesem rei sehnten sie sich, am Bujen der Mutter zenden Sommeraufenthalte zu pilgern. beau sterben. Aber auch hier fängt der internationale Sft das große Ostende in den heißen Badekarneval bereits an , sich einzunisten. Commermonaten der Sammelpunkt einer So schlimm wie in Ostende, in Dieppe djt internationalen Gesellschaft, so kann und Trouville wird es voraussichtlich nahe Blankenberghe (S. 1024) als niemals werden können , dank der nach Sammelpunkt des koloniengründenden Hunderten zählenden belgischen Familien, Deutschlands angesehen werden. Die Ko welche sich hier auf der Digue eine 2 km nie, die es hier am belgischen Meeres- lange Reihe von Villen erbauten, und mit rande geschaffen , hat entschieden eine ihren Familien ein höchst ehrbares , ruhiges rößere Bedeutung erlangt als alle Ka Stammpublikum bilden. Indessen haben erung und Angra Pequenas . Es gibt das neue Kasino, die vielen Festlichkeiten, fein Palmöl, keine Kokosnüsse ; das und die Ueberfüllung Ostendes das früher auptprodukt besteht in Nerven und so bescheidene Blankenberghe doch schon mit beitestärkung. Mutter Natur hat den einem Fuße in den Strudel des fashioStrand zwischen Ostende und Blankenberghe nablen Badelebens hineingezogen, während Hauptsache nach freilich auch nur mit es mit dem anderen Fuße noch mitten im afelben Segnungen bedacht wie Angra vlämischen Dorfleben equena: Dünenfand und Meerwasser, zu stecken scheint. Die er für Badekolonisten gibt es hier doch Ortsverwaltungscheint ere Einrichtungen. Der Strand hat nicht einzusehen , daß ne faum merkliche Neigung gegen das von den zwanzigtaueer und ist so eben und flach wie ein send Kurgästen neund ; auf je 100 m Entfernung laufen zehntausend hierherden hohen grasüberwachsenen Dünen kommen , um sich zu afe gemauerte Sporne ins Meer, deren erholen , ihre Gesundfim Wasser steckende Köpfe eine Haube heit und ihre Nerven Weidengeflecht tragen Anker für zu pflegen; sie will Strand bildend , der sonst von den ihnen auch noch Verg wühlenden, ewig die Küste benagen- gnügungen roher NaFluten bald weggespült würde. Und tur aufdrängen und it es die Badenden hier recht bequem diese haben in der lezen, hat die Natur den Strand noch mit ten Zeit in unanger dicken Schichte des feinsten Sandes nehmer Weise übereut, wie Zucker auf einem Gugelhopf. hand genommen . Hat Badeverwaltung that das übrige. man aus Ostende einen e schöne Ankleidekabinen auf Rädern, Pariser Boulevard get man dem zur Ebbezeit weit von macht, so eilt BlankenPromenade zurückgehenden Meere berghe dank der Fürn kann und die Badenden in ihrem sorge des bäuerlichen g malerischen Kostüme auf dem trocken Vergnügungskomitees en Sand nicht Spießruten laufen rasch dem Niveau des n . Eine doppelte Reihe Bojen (Anker Wurstelpraters des bezeichnet die Linie im Meere, wo Pariser St. Cloudur Ebbe- und Flutzeit den Grund ver- Volksfestes oder analso die Grenze für Nichtschwimmer ; deren Vergnügungswischen jedem der Sporne schaukeln orten des großstädti berdies Rettungsboote mit geübten schen niederen Plebses Emmern, die auf die tolle Badegesell- entgegen. Trompeten ein wachjames Auge haben. blasen , Scheibenschiele diese Einrichtungen haben Blanken: Ben, Fackelzüge, Wettinnerhalb weniger Jahre zu dem be- rennen, lärmende Reten und beliebtesten Bade am Nord- träte und das Gede gemacht . An die zwanzigtausend brüll von Bauern-
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gesangvereinen sind hier im allwöchentlich Hochsommer mehrmals an der Tagesord nung, und Tausende strömen dann aus den umliegenden Ortschaften auf den sonst so ruhigen eleganten Badestrand. Am frühen Morgen schon, wenn die fremden Badegäste noch in den Federn liegen, werden sie dann durch Getrommel und Gebläse aus dem Schlaf geschreckt. Dorfmusikbanden -- man weiß, was das heißt marschieren die Promenade auf und ab, und blasen , um die Mauern | dieses vlämischen Jericho erbeben zu machen. Restaurants und Cafés , vor allem aber der Badestrand sind an solchen Tours de fetes " tagsüber mit diesen kuriosen Badegästen gefüllt, die Kurgäste aus ihrer gewohnten Tagesordnung verdrängend . An solchen Tagen , wenn Tausende fremder, mitunter der Seife recht bedürftiger Dorfgäste die Stadt erobert haben und das Tohuwabohu bis in die Nacht hinein kein Ende nimmt, thut man wohl , sich auf die Sanddünen gegen Heyst oder Knocke zu flüchten , oder einen Ausflug über die holländische Grenze nach der idyllischen Inselwelt in den Scheldemündungen zu unternehmen , nach Walkeren , dessen berühmter gouden dyke" von Nordorst her an hellen Tagen von Blankenberghe aus
Calais (S. 1010).
B. Poten. Die neuen Regimentsnamen im preußischen Heere. 1019
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Oftende (S. 1014)
gesehen werden kann, und deſſen alte Hafen stadt Vlissingen (S. 1027, 1028) dem Aussehen nach ganz in vergangenen Jahrhun derten steckt. Wie Vlissingen , so ist die ganze Insel Walkeren mit ihrer pittoresken Hauptstadt Middleburg, ihren großen park umgebenen Herrensißen und ihren rein lichen, blühenden Dörfern eines Besuches wert. Wer weiß, wie lange sie noch in ihrer köstlichen Urwüchsigkeit von heute verharren wird ? Wer weiß , ob nicht schon die nächsten Jahre auf jenen Dünen, die heute noch zahllosen Seehunden zum Spielplay dienen, große Hotels und Kurhäuser entstehen sehen werden ? Dann werden die ,,moje Meisies" von Oostkapelle und Dornburg ihre Holzpantoffeln , ihre langen schwarzen faltigen Kleider und Halskrausen à la van Dyck allmählich ablegen, und bald ebenso kokett in Stöckel schuhen und strammem Mieder einher stolzieren , wie jene der belgischen See füsten.
Die neuen Regimentsnamen im preußischen Heere.
Von B. Poten .
Gelegentlich erstenerFeier ſeines Geburtstages,der welche am 27. Januar 1889, dreißigjährig, als Deutscher Kaiser und König von Preußen beging , hat Wilhelm . II. einem althergebrachten Brauche, darin bestehend, daß einzelne Recimenter zu Ehren und zum Gedächtnis rvorragender Kriegsleute deren Namen
1020 führen, eine neue Form | Preußen. Erst nach dem Sieben und weitere Ausdeh- jährigen Kriege erhielten hier, um der wachsenden Verwirrung , welche aus dem nung gegeben. Der Brauch hängt fortwährenden Wechsel hervorging , ent mit dem Ursprunge der gegenzuarbeiten, die Regimenter neben den stehenden Heere zu Namen der Chefs Nummern; im münte ſammen. lichen Verkehr wurden sie jedoch ledigli Als nach dem Ver- nach den Chefs benannt. schwinden der LehensDieses Verhältnis wurde gelegentli verfassung die Kriege der Neuaufrichtung des preußischen Heere mit geworbenen Trup- nach dem Frieden von Tilsit grund pen geführt wurden, säßlich geändert. Die Veranlassung war benannte man die Re- eine äußere. Bei der gänzlichen Umge gimenter in der Regel staltung des Wirtschaftswesens verloren die nach den Namen der Chefs die von ihnen bisher dem Namen na geführten Kompanien, samt den aus ihne jenigen Offiziere, welche dieselben auf gezogenen Einnahmen , und damit eine gestellt hatten und sie großen Teil des Interesses , welches sie bie befehligten. Abwei dahin mit ihren Regimentern vereint hatte chungen von dieser Re- zugleich ward der Offizierersatz ein anderer gel sind selten , sie die Regimentschefs büßten den Hauptte kommen z . B. bei den des Einflusses ein , welcher ihnen in Be Schweden vor: ziehung auf diesen wichtigen Gegenstan eingeräumt gewesen war, und ihre Stellun „ Ihr nennt Euch ward lediglich zu einer Ehrenstellun Wrangel ?" " Gustav Wrangel vom Gleichzeitig erhielten die Regiments blauen Regimente welche jest, die Garde zu Fuß, die Ga Südermannland" du Corps , die Schillschen Husaren u läßt Schiller den schwe- dessen Grenadiere ausgenommen, sämtli Abgesandten sogenannte Kantons , d. h. Bezirke , a dischen auf die Frage Wallensteins erwidern . Auch denen sie ihre Rekruten bezogen. wo es sich um Garden, Trabanten, Leib- Folge davon war , daß die Regiment regimenter und dergleichen handelt, führen fortan durch Provinzialbezeichnungen u sie die Namen der Obersten nicht. Wurde Nummern unterschieden wurden ; nur e nach Beendigung des Krieges oder nach Ab- zelne Regimenter hatten überhaupt no lauf des Werbevertrages das Regiment auf- Chefs . Bei diesen wurde der Name de gelöst, so verschwand auch der Name, um viel- selben zunächst noch in Klammern ne leicht an einer ganz anderen Stelle wieder jenen Bezeichnungen geführt ; im Dezem aufzutauchen ; ward es im Dienst behalten, ber 1809 befahl König Friedrich Wilhel so erhielt er sich so lange, als der Träger daß er in Dienstschreiben und Listen ga desselben an der Spiße der Truppe stand ; wegbleiben und nur noch im mündliche mit dem Wechsel in seiner Person änderte Verkehr gebraucht werden solle. sich auch die Benennung des Regiments . Aehnlich ist es noch jest in Bayern, wo jedes Regiment seine Nummer und den Namen seines Inhabers führt. Wechselt dieser, so ändert sich, einige Ausnahmen abgerechnet, auch der Name des RegiSo ments. war es , aber ohne daßBees bleibende zeichnungen nach einem früheren Chef gegeben hätte, auchinBrandenburg-
Saugate bei Calais (S. 1011 ).
B. Poten. Die neuen Regimentsnamen im preußischen Heere. 1021 1022 1023So war es während des Be- aber kein 2. Schlesisches Dragonerregiment bis zu seinem eigenen Ableben gewesen reiungskrieges von 1813/14 ; jedoch gab. Das 2. Leibhusarenregiment hieß ist ; das 4. Brandenburgische Infanterieregiment Nr. 24 (Großherzog Friedrich erloren nach dem Waffenstillstande vom Kaiserinhusaren Nr. 2". Kaiser Wilhelm II . nahm in diesen Franz II. von Mecklenburg - Schwerin), Sommer 1813 das Garderegiment zu Fuß, he Garde du Corps und die Gardejäger Anordnungen von neuem einige Aende so benannt zu immerwährendem Gedächthre fortlaufenden Stammnummern , das rungen vor , und so finden wir in der nis seines im Kriege von 1870/71 als Harderegiment zu Fuß erhielt, abgesondert dem Herrscher an seinem Geburtstage über- Feldherr bewährten Chefs (1823-1883) ; avon, die Nummer 1 und ein 2. Garde- reichten ,,Rang- und Quartierliste" an Na- das Infanterieregiment Prinz Friedrich egiment zu Fuß trat ihm zur Seite. men, welche außer der landsmännischen und Karl von Preußen (3. Brandenburgisches ) Nach dem ersten Pariser Frieden der ziffermäßigen noch weitere Bezeichnun Nr. 64 , des großen Heerführers (1828 ber wurde befohlen , daß die Linienregi- gen enthalten, abgesehen von badischen und bis 1885) Namen für immer mit einem enter in den seiner märkieinzelnen schen RegiTruppengat menter ver ungen durch bindend , die be Biffern er geschult und die er zu eichnet wer so vielen Sie en sollten. Rach mangen geführt cherlei hat; das 5. Schwankun Thüringische en, von de Infanterieregiment Nr. en einzelne Baffen- oder 94 (Großruppengat herzog von beingen Sachsen), offen wur durch diesen en , war die Zusaß aufdie Bezeichnung heimatlichen diglich nach Verhältnisse r Nummer seines Erir alle Waffazes hinEn die fast Oftende (S. 1014). weisend; das Leibküraffier ausschließ
che Norm geworden , als König Wil elm I. gelegentlich der Neugestaltung des eußischen Heerwesens im Jahre 1860 die ezeichnung nach Nummer und gleichzeitig ach der heimatlichen Provinz wiederher ellte. Auf die Garden und die beiden eibhusarenregimenter ward die landsmänsche Bezeichnung nicht ausgedehnt. Nur zwei Regimenter führten Namen, e Gardegrenadierregimenter Kaiser Ales nder und Kaiser Franz. Nach und nach urde diese Auszeichnung ausgedehnt, ad so finden wir an jenem 27. Januar 889 bei einer ganzen Reihe von Regientern neben Nummer und Provinz noch nen Namen. Bevor wir dieselben aufführen, müssen hige Aenderungen erwähnt werden, welche ährend seiner kurzen Regierungszeit Kais r Friedrich III. angeordnet hatte. erselbe befahl : Das Grenadierregiment Kronprinz Ostpreußisches) Nr. 1 heißt „ Kaiserenadierregiment Nr. 1 " ; das Königs enadierregiment (2. Westpreußisches) r . 7 wird, unter Fortfall der Provinzial zeichnung, nach seinem hochseligen Chef önig Wilhelm I. benannt ; von des Kaisers genen Regimentern , deren Chef er als ronprinz gewesen war, ohne daß sie seinen amen geführt hatten, erhielt das Grenaerregiment Nr. 11 die Benennung „ GreDierregiment Kronprinz Friedrich WilIm", das 2. Schlesische Dragonerregiment t. 8 ward schlichtweg " Kaiserdragoner giment" genannt. Es waren hierdurch entümliche Verhältnisse entstanden , so B es beispielsweise ein 1. und ein 3.,
anderen nichtpreußischen Regimentern, die nachstehenden : Die schon erwähnten Gardegrenadier regimenter Kaiser Alexander und Kaiser Franz , das 3. Gardegrenadierregiment Königin Elisabeth , den Namen der Gemahlin König Friedrich Wilhelms IV. fort: führend; das 4. Gardegrenadierregiment Königin, als dessen Chef die Kaiserin und Königin Großmutter genannt ist ; das eben falls schon genannte 1. Grenadierregiment König Friedrich III. (1. Ostpreußisches) Nr. 1 , das Grenadierregiment König Friedrich Wilhelm IV, ( 1. Pommersches ) Nr. 2 ; das Grenadierregiment König Wilhelm I. (2. Westpreußisches) Nr. 7 ; das Leibgrenadierregiment (1. Brandenburgisches) Nr. 8, wegen des rühmlichen Verhaltens bei der Verteidigung Kolbergs " , bei wel cher seine Stammtruppenteile, ein pommer sches und ein neumärkisches Reservebataillon, das Grenadierbataillon des tapferen Waldenfels und das Schillsche Fußvolk , sich hervorgethan hatten, schon 1808 durch den Namen Leibinfanterieregiment" ausges zeichnet und seitdem im preußischen Heere allgemein nur ,,Leibregiment " genannt ; das Kolbergsche Grenadierregiment (2. Pommersches) Nr. 9; das obenerwähnte Grenadierregiment Kronprinz Friedrich Wilhelm (2. Schlesisches ) Nr. 11 ; das Infanterieregiment Prinz Friedrich der Niederlande ( 2. Westfälisches ) Nr. 15, dessen Chef dieser Prinz (1797-1881 ), preußischer General oberst der Infanterie, Jugendfreund Kaiser Wilhelms I. , und Gemahl seiner Schwester, nachdem es ihm nach dem Tode von Bülow von Dennewig 1816 verliehen worden war,
regiment (Schlesisches) Nr. 1 , von welchem weiter die Rede sein wird; das Kürassierregiment Königin (Pommersches ) Nr. 2, schon vor dem Jahre 1806 das Regiment der Königin, von dessen Thaten wir noch hören werden ; das Ostpreußische Kürasfierregiment Nr. 3 Graf Wrangel, in dessen Reihen , als ein Teil desselben Auerdragoner hieß , der alte Wrangel ( 1784-1877) feine Dienstlaufbahn begonnen hatte; das Brandenburgische Kürasfierregiment (Kaiser Nikolaus I. von Rußland) Nr. 6 ; das Dragonerregiment Prinz Albrecht von Preußen (Litauisches ) Nr. 1, bestimmt, das Andenken an Kaiser Wilhelms I. jüngsten Bruder (1809 bis 1872 ) fortzuführen, der, jüngeren Generalen freiwillig nachstehend , aber nicht gewillt, seinem militärischen Range zuliebe , der Teilnahme am Kampfe zu entsagen, in den Jahren 1866 und 1870/71 größere Reiterkörper befehligte ; das bereits genannte Dragonerregiment Nr. 8 ; die beiden Leibhusarenregimenter ; dann vier Husarenregimenter, deren Namen eine Erläuterung überflüssig erscheinen lassen : das Brandenburgische Husarenregiment (Zietensche Husaren) Nr. 3, das Pommersche Husarenregiment (Blüchersche Husaren) Nr. 5, das Husarenregiment König Wilhelm I. ( 1. Rhei nisches) Nr. 7 , das Husarenregiment Kaiser Franz Joseph von Desterreich, König von Ungarn (Schleswig-Holsteinisches ) Nr. 16 ; zwei Ulanenregimenter , welche russischen Kaisern zu Ehren ihre Namen führen, das Ulanenregiment Kaiser Alexander III . von Rußland (Westpreußisches) Nr. 1 und das 1. Brandenburgische Ulanenregiment (Kaiser
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Alexander II. von Rußland) Nr. 3 ; end- dragonern" bildete ; drei Jahre vorher hatte | stungen im Siebenjährigen Kriege, der später lich drei Artillerieregimenter, welche hinter er die letteren zum Zweck der Verwendung schmollend auf dem Schlosse zu Rheins ihrem Namen die Benennung (Generalfeld- als berittene Boten und Meldereiter und berg saß ; ein Feldartillerieregiment, de zeugmeister) haben, das 1. und 2. Branden als Bedeckung für den kurfürstlichen Troß Ostpreußische Nr. 1, erinnert an die Ver dienste des Prinzen August (1779 bi burgische Feldartillerieregiment Nr. 3 und errichtet. Nr. 18 und das Brandenburgische FußNur Grenadierregimentern sind die 1843) um die Waffe, auf dem Rüdu artillerieregiment Nr. 3; die gemeinsame Namen preußischer Könige verliehen. nach der unglücklichen Schlacht bei Zen Bezeichnung erinnert an den gemeinsamen Nach dem ersten derselben, Friedrich I., fiel er am 28. Oktober 1806 bei Prenzla Ursprung aus der 3. Artilleriebrigade. der, seit 1688 Kurfürst, am 18. Januar nach heldenhafter Gegenwehr in französische Die angeführten Benennungen sind 1701 zu Königsberg die Krone der ,,Könige Gefangenschaft, nach Friedensschluß stellte gegenwärtig nicht mehr ganz genau , da in Preußen " sich auf das Haupt seßte, sein königlicher Better Friedrich Wilhelm im Interesse der Gleichförmigkeit des ist das 4. Ostpreußische Grenadierregiment ; III. den Prinzen an die Spitze der Ar Ausdrucks einige kleine Aenderungen, nach Friedrich Wilhelm II. , seinem tillerie, die er, nachdem er 1813 14 eine meist nur Umstellungen der Wörter, an Nachfolger, dem Soldatenkönige, der die aus allen Truppengattungen zusammen geordnet sind. Grenadiere seiner Potsdamer Riesengarde, gesette Brigade befehligt hatte, 1815 bi Den bestehenden Auszeichnungen fügte die "! langen Kerle", wie seine Kinder liebte der Belagerung französischer Festungen in Kaiser Wilhelm II. eigentlich müssen und den preußischen Offizierſtand schuf, ist genialer Weise zu verwenden wußte. wir sagen: Kö Ihnen reibt nig WilhelmII., ein Prinz aus denn für sein einer Nebenlinie preußisches des Königlichen Heer ist der Hauses, Bran denburgKriegsherr Kö Schwedt ge nig , die Regimenter desselnannt , der ben sind königMarkgrai Karl (1705 liche, nicht fai serliche durch 1762) sich an ein Enkel des eine an das Großen Kur Kriegsministe rium gerichtete fürsten, einer Kabinettsder Paladine ordre vom Friedrichs IL der ihn un bien 27. Januar honnête 1889 eine Reihe weiterer hinzu. homme, bont patriote et Der Befehl laumon bon et tet: „Ich will E S MMU ancien ami das Andenken GRA an meine in nennt; mitRedt führt ein bran Gott ruhenden Blankenberghe bei Oftende (S. 1015). erhabenen Vordenburgisches fahren , sowie diejenigen hochverdienten | das 2. Ostpreußische Grenadierregiment | Regiment, das 7. Brandenburgische Nr. 60, Männer, welche im Kriege und im Frieden Nr. 3, den neuesten Forschungen zufolge seinen Namen. ihnen mit besonderer Auszeichnung zur das älteste Regiment im Heere, benannt ; Der Benennung des Hohenzollernjchen Seite gestanden und sich gerechte Ansprüche die Ehre, den Namen „ Grenadierregiment Füsilierregiments Nr. 40 ist zur Erinnerung auf die dankbare Erinnerung von König und König Friedrich II. " zu führen, ist dem an den früheren Chef des Regiments, den Vaterland erworben haben, dadurch ehren 3. Ostpreußischen Regiment Nr. 4 zu teil Fürsten Karl Anton von Hohenzol und für alle Zeiten lebendig erhalten, daß geworden ; das 1. Schlesische Grenadier- Lern ( 1811-1885), erfolgt, welcher 1849 ich Regimentern und Bataillonen meiner regiment Nr. 10 erinnert an König Fried- sein Fürstentum Hohenzollern- Sigmaringen ruhmreichen Armee ihre Namen verleihe. " rich Wilhelm II.; das Leibregiment hat an Preußen abtrat und später als das A tout seigneur tout honneur. Wir die Benennung " Leibgrenadierregiment Kö- Haupt des Ministerium der neuen Aera lassen bei der Aufzählung der 77 Regi- nig FriedrichWilhelm III. ( 1.Branden an der Spiße der Leitung der öffentlichen menter, welche " zur Erinnerung" an ein- burgisches ) Nr. 8 " erhalten ; dem Andenken Angelegenheiten in Preußen stand. Se zelne Persönlichkeiten und Familien Namen der nachfolgenden Könige waren die Denk Sohn, Fürst Leopold, ist ihm auch als erhielten , diejenigen vorangehen , welche mäler , wie wir gesehen haben , bereits Chef des jezigen Füsilierregiments Furk Karl Anton von Hohenzollern gefolgt. nach den Mitgliedern fürstlicher Geschlechter gesezt. Es folgen die preußischen Prinzen : Das Fürstenhaus der Askanier bat getauft wurden, und beginnen mit dem Hause der Hohenzollern : Louis Ferdinand (1772-1806), im Jahre von jeher eine große Zahl seiner Mitglieder Den Reigen eröffne der Große Kur: 1806 der Führer der Franzosenfeinde in in den Dienst des brandenburgisch-preußis fürst , der Begründer des brandenburgi- Berlin, der am 10. Oktober bei Saalfeld schen Heeres gestellt. Schon unter den schen Heerwesens , welches unter ihm schon fiel ein Husarenwachtmeister tötete ihn Feldmarschällen des Großen Kurfürsten bei Warschau und bei Fehrbellin ahnen im Handgemenge, elf Wunden bedeckten finden wir den Fürsten Johann Georg I ließ, was es dereinst sein werde. Ein seinen Leib durch seinen Namen ist von Anhalt- Dessau , die neueste Rang Kürassierregiment , das Schlesische Nr. 1, das 2. Magdeburgische Infanterieregiment und Quartierliste weist vier Fürsten und bisher Leibküraſſierregiment zubenannt, ist Nr. 27 geehrt ; den des Prinz Heinrich Prinzen Anhalt, vom General der Infa es, welches seinen Namen führt . Im (1726-1802) führt das Brandenburgische terie bis zum Sefondeleutnant, auf. Die Jahre 1874 durfte es die Feier desjenigen Füsilierregiment 35, dieselbe Nummer trug Namen von zwei Regimentern mahnen an Tages begehen, an welchem der Oberst in der alten Armee das Regiment des dieses Verhältnis : der des Infanterieregis leutnant Joachim Ernst von Grumbkow Prinzen, des Bruders Friedrichs des Gro- ments Fürst Leopold von Anhalt - Te es als „Leibdragonerregiment" aus den ßen und seines Nebenbuhlers um den Ruhm sau (1. Magdeburgisches) Nr. 26 und der furfürstlichen Hofstaats- und Küchen- als Feldherr, hochverdient durch seine Lei- des Infanterieregiments Prinz Moris
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von Anhalt - Dessau (5. Pommersches ) Nr. 42. Die Baten sind der alte Dessauer (1676-1747 ), der Waffenbruderund Gesinnungsgenosse König Friedrich Wilhelm I. , dem aber der große Nachfolger zeigen mußte, daß der König von Preußen sein Heer selbst befehligen wolle und daß alle, die in demselben dienten, ihm zu gehorchen hätten, und der durch den Sieg bei Kesselsdorf eine lange soldatische Laufbahn glänzend beendete, und der berühmteste unter seinen fünf Söhnen (1712-1760) , der auf dem Schlachtfelde von Leuthen , wo Friedrich ihm sagte : Sie haben mir in dieser Bataille geholfen, wie es noch nie von einem geGAMM schehen", zum GeneralfeldVlissingen (S. 1018). marschall ernannte Prinz Leopold , den tückische Krankheit dahinraffte, | Prinzen August ( 1813-1885 ) , welcher | innere Verhältnisse wie für die des ganzen bevor er den glorreichen Ausgang des 1866 und 1870,71 das preußische Garde Heeres die von ihm erlassenen " DienstKampfes sehen konnte, in dem er so ruhm korps befehligte. vorschriften" noch jetzt eine Richtschnur voll gestritten hatte. Die beiden Regimenter , welche nach bilden, hat durch die nach ihm geschehene Je zwei Regimenter sind nach würt braunschweigischen Fürsten heißen, Benennung des 6. Ostpreußischen Infantembergischen und braunschweigischen Für sind das Infanterieregiment Herzog Fer- terieregiments Nr. 43 eine Anerkensten benannt. dinand von Braunschweig (8. Westfäli- nung gefunden. Dem Andenken des Die der Württemberger sind Reiter sches ) Nr. 57 und das Infanterieregiment Landgrafen Friedrich II. von Hessenregimenter: das Kürassierregiment Herzog Herzog Friedrich Wilhelm von Braun- Homburg (1633-1708) , mit dem filFriedrich Eugen von Württemberg (West schweig (Ostfriesisches) Nr. 78. Herzog bernen Beine zubenannt, seitdem er das preußisches) Nr. 5 und das Ulanenregiment Ferdinand ( 1721-1792) , der Held des fleischene im schwedischen Dienst 1659 vor Prinz August von Württemberg (Posen Siebenjährigen Krieges, bot auf dem Kriegs- Kopenhagen gelassen hatte, der des Großen sches ) Nr. 10 ; der Name des ersteren er schauplage im Westen an der Spiße eines Kurfürsten Vorhut bei Fehrbellin führte, innert an jenen Friedrich Eugen (1732 verbündeten Heeres den an Zahl weit über später die Regierung seines Landes überbis 1797), der siebzehnjährig als Dra legenen Franzosen von 1757 an mehr als nahm, und den Heinrich von Kleist, allergoneroberst in den preußischen Dienst ge- fünf Jahre lang mit Erfolg die Spite; dings mit dichterischer Freiheit, auf die treten, in diesem den ganzen siebenjährigen Herzog Friedrich Wilhelm ( 1771 bis Bühne gebracht hat, ist durch die VerKrieg mitkämpfte, in Pommern selbständig 1815) ist jener Herzog von Braunschweig- leihung seines Namens an ein heimisches gegen Russen und Schweden befehligte und Dels , der an der Spiße seiner schwarzen Regiment,das 2. Hessische Husarenregiment als regierender Herzog im Schwabenlande Schar 1809 durch die von allen Seiten Nr. 14, Gerechtigkeit widerfahren ; wenn starb, den Stammvater des jezigen Königs- ihn umdrängenden Feinde sich den Weg seine Schwester nach der Schlacht bei Fehrhauses ; das Ulanenregiment heißt nach dem von Böhmen bis zur Nordsee bahnte und bellin mit Recht schrieb, „ dem redlichen. am 16. Juni 1815 bei Landgrafen ist nicht eins gedankt, vor dem, Quatrebras den Helden was er bei Fehrbellin gethan ; also geht tod starb. Seine Toten es in der Welt : die Pferde, die den Hafer köpfe sind braunschwei- verdienen , bekommen am wenigsten", so gische Regimenter ; ver ist die Schuld jezt gefühnt. Nach dem mutlich ist dies der Grund, General der Infanterie Fürst Wilhelm weshalb keines derselben Radziwill ( 1797-1870) , welcher bei der des Herzogs Namen er Neugestaltung des Heeres im Jahre 1860 halten hat. an die Spize des Ingenieurkorps gestellt Je ein Regiment wurde, ist das Ostpreußische Pionierbagehört einem mecklenbur taillon Nr. 1 genannt. gischen und einem heffi Mit den Chefs aus fürstlichen Häusern schen Fürsten, ein Batail sind wir zu Ende ; wir nehmen jest die lon einem Radziwill . Zeitfolge zur Richtschnur. Herzog Karl von Da sind zuerst drei GeneralfeldmarMecklenburg - Strelit schälle aus der brandenburgischen Zeit: (1785-1837) , ein Halb Sparr, Derfflinger und Barfuß. Der älteste bruder der Königin Luise, unter ihnen, Otto Christoph Freiherr welcher 1813 als Brigade von Sparr (1599-1668) , schon im kommandeur durch glän- Dreißigjährigen Kriege in des Kaisers Dienzende Tapferkeit demstren- sten ein namhafter Anführer, trat , nachdem gen York Achtung ab der Westfälische Friede geschlossen war, nötigte und der später in die des Großen Kurfürsten , seines Lehnslange Jahre hindurch an herrn ; er rechtfertigte den Ruf, der ihm der Spitze des Garde- voranging, durch seine Thaten bei Warschau Vlissingen (S. 1018 ). forps stand , für dessen und bei St. Gotthard und an manchem
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widerte : „Wir müssen hoffen, daß sie sich | Stadt gegen dieRussen verteidigen. Dann mehr vor uns als vor dem Galgen fürchten." ging er als Magister equitum zum Prinzen Als Daun troßdem in der Morgenfrühe Heinrich nach Sachsen und entschied hier des 14. Oktober 1758 angriff, fiel Keith, am 29. Oktober 1762 das letztere größere von einer Kugel in die Brust getroffen . Gefecht des Siebenjährigen Krieges zu gunBekannter als Sparr ist Derfflinger, Lautlos gab er seinen Heldengeist auf. sten der preußischen Waffen. Den Berum deſſen Jugendleben die Sage einen Bevor er 1747 in des Königs Dienste trat, diensten, welche er sich auf dem Schlachtfelde dichten Schleier gewoben hat ; beider Lauf war er russischer Feldmarschall gewesen. erwarb, ebenbürtig waren seine Leistungen Das Infanterieregiment Winterfeldt ist im Frieden : La cavalerie prussienne bahn hat Aehnlichkeit. Auch Derfflinger, an der schönen blauen Donau in geringem das 2. Oberſchleſiſche Nr. 23. Es war doit à ses soins la perfection qu'admirent Stande geboren , war schon im Dreißig am 7. September 1757 bei Moys, wo les étrangers, " ließ Prinz Heinrich auf jährigen Kriege ein angesehener Offizier, der Generalleutnant Hans Karl von ein Denkmal sehen, welches er im Bart im Felde wie als Unterhändler zu ge- Winterfeldt ( 1707--1757) die tödliche zu Rheinsberg errichtete. Des Generalfeldmarschalls Graf brauchen ; aus schwedischem Dienste trat Wunde erhielt, welcher er in der Frühe er, nachdem er , durch seine Verheiratung des nächsten Morgens zu Görlig erlag. Geßler ( 1688-1762) Andenken knüpft mit einer reichen Erbtochter, in der Mark „ Einen Winterfeldt finde ich nicht wieder, " sich vor allem an den Tag von Hohenansässig geworden war, in den des Großen | seufzte der König. „ Erhalte er sich mir ! " friedberg , wo er mit dem Regiment Kurfürsten, der ihm die Bildung und die das waren die Worte, mit denen er ihn Baireuthdragoner , durch die Lücken der Erziehung der Reiterwaffe anvertraute ; in entlassen hatte, als Winterfeldt sich ab eigenen Infanterie vorbrechend, 20 feind: manchem heißen Kampfe erntete er mit meldete ; es sei die einzige Instruktion, die liche Bataillone niederritt und 67 Jahseinen Zöglingen Sieg und Ehren ; daher er ihm geben könne. Winterfeldt fehlte nen erbeutete , aber auch bei Czaslan führt ein Dragonerregiment den Namen ihm fortan mit seiner treuen Hingebung, und bei Kesselsdorf und zuletzt noch bei " Freiherr von Derfflinger" , es ist das seinem verständigen Rat und seiner kühnen Lowosis bewährte er sich als Reiterführer. Neumärkische Nr. 3, in der Neumark lag That und schmerzlich empfand der König Jene Baireuthdragoner sind jezt das Rü rajsierregiment Königin, Graf Geßler heißt Gusow , des Feldmarschalls Besiz, wo er den Verlust. Das kavalleriſtiſche Dreigeſtirn seht sich ein jüngeres Küraſſierregiment, das Rhei gestorben ist. Graf von Barfuß ( 1631-1704) , aus den Namen Driesen, Seydlig, Geßler nische Nr. 8. Die beiden Namen, welche in der Arnach welchem das 4. Westfälische Infan- zusammen. terieregiment Nr. 17 heißt, empfing den Georg Wilhelm von Driesen (1700 tillerie an des Großen Königs Zeiten Marschallsstab aus der Hand des Kur- bis 1758) war einer der vielen gläubigen erinnern , sind die von zwei Generalen, die fürsten Friedrich III., der ihm als König Generale des freidenkenden Königs , gottes unter ihm an der Spiße der Waffe ſtanden: Friedrich I. bei seiner Krönung den neu- fürchtig und fromm. Sein höchster Ruh- Linger und Dieskau. General der Argestifteten Orden vom Schwarzen Adler mestag war der von Leuthen, wo er fünfzig tillerie Christian von Linger (166) verlieh. An der Spiße von 6000 Mann | Schwadronen befehligte. Er hatte sie bis bis 1755) , bis vor kurzem , wo Kaija brandenburgischer Kriegsvölker hatte er im zum entscheidenden Augenblick verdeckt ge- Wilhelm II. den Titel noch einmal ver: Türfenkriege von 1691 wacker mitgethan halten, dann warf er sich auf den Flügel lieh, der einzige, welcher denselben je ge und zu dem Siege von Szlankamen redlich und den Rücken des Feindes . Das war führt hat, da die aus der Waffe hervor beigetragen. ein Reiten , „ von dem wir nichts mehr gehenden Generale sonst Generale der An die Generale des Großen Kurfürsten kennen, als daß man's nicht mehr kann“, Infanterie hießen , hatte ſein Amt ſeit 1715 schließen sich die des Großen Königs . singt Scherenberg, dichteriſcher Freiheit sich inne ; während der beiden erſten Schleſiſchen Wir folgen bei der Aufzählung der Reihen bedienend, deren Berechtigung unsere Rei Kriege lag ihm die Sorge für die Ausfolge ihrer Regimenter : Es sind je drei tersleute vorläufig nicht zugestehen. Driesen rüstung des Heeres mit Geſchüßen und der Infanterie und der Kavallerie und starb ein Jahr darauf zu Dresden, wohin Geschossen ob, daneben war er auch im zwei der Artillerie. Prinz Heinrich, deſſen Kavallerie er be- Felde thätig ; ihm folgte, als er 1755 ſtarb, Zuerst die Infanterie. Die Generale, fehligte, ihn frank zurückgesandt hatte. Das Wilhelm von Dieskau ( 1701-1777), welche hier die Namen gaben, starben sämt- Westfälische Küraſſierregiment Nr. 4 trägt damals noch Major, den der König, oblich auf dem Bette der Ehre : Schwerin, Driesens Namen. gleich ältere Offiziere vorhanden waren Keith und Winterfeldt. Nach dem größten Reiterführer, welchen an die Spite stellte, weil er ein tüchtiger Das Regiment Graf Schwerin iſt ſelbſt das preußische Heer und wohl die Welt Mann war, daheim und draußen zu ge verständlich, wie die Familie des Paten, je gesehen hat , ist das Küraſſierregiment brauchen ; lange Zeit waren Geſchüße in ein pommeriches , das 3., mit der Num von Seydlig (Magdeburgisches ) Nr. 7 ge- Gebrauch, die er hatte gießen lassen, um mer 14. Der Pate ist Kurt Christoph nannt. Des Generals der Kavallerie Fried die Artillerie beweglicher zu machen, und Graf Schwerin (1686-1757) , der Ge- rich Wilhelm von Seydlig ( 1721 bis die nach ihm die Dieskauischen genann neralfeldmarschall, der mit der Fahne in der 1773) erstes bekanntes Auftreten im Felde wurden. Seines Nachfolgers Holzendorfi Hand, in Erz gegoſſen, auf dem Wilhelms- endete mit seiner Gefangennehmung, aber Namen, welcher im Publikum vielfach irr plate in Berlin steht. Er ergriff ſie, als die Art und Weise, wie sie erfolgte, war tümlich mit der Benennung eines Artilleriein der Schlacht bei Prag, am 6. Mai 1757 , so rühmlich, daß der König dem zweiund- regiments in Verbindung gebracht wird die Seinen eines leuchtenden Beispieles zwanzigjährigen Kornett bei seiner Rückkehr werden wir später begegnen. Die beiden bedurften ; gleich darauf fiel er, von fünf eine Schwadron gab. Für Hohenfriedberg erwähnten Regimenter sind das Fußer Kartätschkugeln zu Boden gestreckt. " Sein wurde er Major, für Kolin , wo er eine tillerieregiment von Linger (Ostpreußisches Tod machte die Lorbeeren des Sieges wel- Brigade unter sich hatte, ward er außer Nr. 1 und das Fußartillerieregiment von ken" , schrieb der König, mit seinem Blute der Reihe zum Generalmajor befördert, bei Dieskau (Schlesisches) Nr. 6 . waren sie zu teuer erkauft. " Roßbach befehligte er, sechsunddreißigjährig, Auch aus dem Unglücksjahre 1807 Der Schotte Jakob Keith (1696 bis die gesamte preußische Reiterei . Der Er glänzen hellleuchtende Sterne herüber, 1758) , nach dem das Infanterieregiment folg war sein Werk, und nach Zorndorf die in der Gegenwart sich widerspiegeln. Keith ( 1. Oberschleſiſches ) Nr. 22 heißt, umarmte ihn der König mit den Worten: „ Wenn es keinen König von Preußen der Bruder des Lord Mariſhal, fiet bei „ Auch dieſen Sieg habe ich Ihm zu danken. " mehr gibt, so bin ich König von Grau Hochkirch. Vergeblich hatte er ſeinen könig- Daß er bei Kunersdorf verwundet wurde, denz ," läßt die Sage den tapferen Komlichen Freund gewarnt, indem er ihm sagte : war einer von den nicht vorherzusehen- mandanten der Weichſelfeſte, General de " Wenn die Desterreicher uns in diesem den Unglücksfällen, die den König an dieſem l'Homme de Courbiere ( 1733-1811 ), Lager in Ruhe lassen, verdienen sie ge- Tage trafen. Zu Berlin zum Zweck seiner den franzöſiſchen Unterhändler erwidern. hängt zu werden, " worauf Friedrich er Herstellung sich aufhaltend , half er die die unter Hinweis auf die Lage des preuß anderen Orte ; der erste Schauplatz seines Wirkens in des Kurfürsten Heere war Westfalen, und „ Freiherr von Sparr" heißt das 3. Westfälische Infanterieregiment Nr. 16.
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schen Staates ihn zur Uebergabe auffor , dem Heldentode besiegelt hat, dadurch zu | saß zu seinem späteren Grafentitel eintrug, derten ; standhaft hielt er aus , und der ehren und für alle Zeiten in seiner Ar- und als York am anderen Tage das tapfere Erfolg lohnte die Treue des Heldengreises ; mee lebendig zu erhalten, " verlieh König Bataillon an sich vorbeimarschieren ließ, Infanterieregiment von Courbiere heißt Wilhelm III. dem 1. Schlesischen Husaren- | nahm er, einem Brauche aus der alten das 2. Posensche Nr. 19 . regiment Nr. 4 den Namen „ Husarenregi- Armee folgend, den Hut ab und behielt Schlesien schien den Siegern ohne Wider- ment von Schill ( 1. Schleſiſches ) Nr. 4″. denselben in der Hand, bis dasselbe vorüber ſtand in die Hände fallen zu sollen ; der Seit der Zeit, wo die Schill aus Ungarn war. " Der alte Herr" , wie Horn beim Kleinmut der dort in den höchsten Stel über Sachsen nach Preußen kamen, war Schlesischen Heere hieß, bei welchem er ſeiner lungen wirkenden Persönlichkeiten ließ das Schlesien ihre Heimat geworden ; das Par- unvergleichlichen Tapferkeit, seiner HerzensSchlimmste fürchten , da entsandte König teigängerwesen steckte ihnen im Blute. Fer- güte und seiner Derbheit wegen allbeliebt FriedrichWilhelm III. von Königsberg aus dinands Vater hatte es bereits im Sieben war, starb als kommandierender General feinen Flügeladjutanten , den Major Graf | jährigen Kriege unter dem Prinzen Xaver des westfälischen Armeekorps . Den Namen des GeneralfeldmarGoegen (1767-1820 ) , einen Sohn des von Sachsen getrieben, und trieb es noch Glagerlandes , mit Vollmacht ausgerüstet, im Greiſenalter, für seine Heimat Defter- schall von Boyen ( 1771-1848) , des um die nötigen Maßregeln zur Wehrhaft reich kämpfend ; Ferdinands Bruder Hein treuen Mitarbeiters Scharnhorsts bei der machung der Provinz zu treffen. Was dazu rich sette es in den Befreiungskriegen fort. Neugestaltung des Heeres nach dem Frieden geschah, war meist sein Verdienst , und Die Reihe der Regimenter, welche ferner von Tilsit und des eigentlichen Schöpfers ihm an erster Stelle ist zu danken , daß an die Helden der Befreiungskriege er des Gesetzes vom 3. September 1814, durch ein guter Teil des Landes in der Vertei innern , eröffnet das Westpreußische Gre- welches die allgemeine Wehrpflicht fest bediger Händen blieb. Zu den Truppen- nadierregiment Nr. 6 mit dem Namen gründet und zu einer bleibenden Einrichtung teilen, welche er errichtete, gehörten die Graf Kleist von Nollendorf ( 1763 gemacht wurde, trägt das 5. Ostpreußische grünen schlesischen Husaren, zu deren Chef bis 1823) . Den Titel samt dem ehrenden Infanterieregiment Nr. 41 , die Tochter er 1808 ernannt wurde. Sie konnten keinen Beiworte verlieh König Friedrich Wilhelm des Grenadierregiments König Friedrich III. würdigeren erhalten. Heute ist der Graf III. dem damaligen General von Kleist Des lettgenannten Regiments Chef ist insein Recht wieder eingesetzt und Husaren für die rettende That, welche am 30. Sep Boyen bei seinen Lebzeiten gewesen und regiment Graf Goehen " ist das 2. Schle- tember 1813 nach der verlorenen Dresdener dort hatte er, als es noch das Regiment Ansische Nr. 6 genannt . Schlacht die nach Böhmen zurückgehende halt hieß, seine soldatische Laufbahn beDas Kolbergsche Grenadierregiment verbündete Armee aus schwerbedrängter gonnen. Ein ähnliches Verhältnis besteht zwi(2. Pommersches ) Nr. 9 , dessen Chef Ge- Lage rettete. Das 6. Regiment gehörte neralfeldmarschall Graf Moltke ist , hat seiner Zeit der Niederschlesischen Brigade schen dem General Graf Bülow von seinem bisherigen Namen den des Grafen an, welche nach dem Frieden von Tilsit Dennewig (1755-1816 ) , dem Helden von Groß -Beeren und Dennewitz , dem Gneisenau (1760-1831 ) hinzugefügt, Kleists Befehlen unterstellt war. einen Namen, der zu den glänzendsten in Es folgt, wenn wir von den schon er Sieger troh Bernadotte, dem Eroberer von Preußens Heeresgeschichte zählt : „ Er war wähnten Gneisenaugrenadieren absehen, das Holland , und dem nach ihm benannten ein Mann! Sagt alles nur in allem Infanterieregiment von Grolman ( 1. Posen 6. Westfälischen Infanterieregiment Nr. 55. Wir werden nimmer seinesgleichen sehen. “ | ſches ) Nr. 18. Zu Posen starb als kom- Das letztere ist die Tochter des 15. RegiDer Name leitet über zu den Helden des mandierender General des 5. Armeekorps ments, welches bei Bülows Eingreifen in Befreiungskrieges , in deren erster Reihe General von Grolman ( 1777-1843) , die Schlacht von Belle Alliance eine herder besten einer in Blüchers Hauptquar vorragende Rolle spielte und zu deſſen sein Träger glänzte. In Kolberg wurzelt auch der Ruhm tier, ein Mann des Rats , ein Mann der Chef er damals ernannt wurde. Nach seinem des Namens Schill. Hier errichtete jener That, von seltenem Wissen und Können. Tode erhielt es der Prinz Friedrich der Ferdinand von Schill (1776-1809 ) , An die Erſtürmung des damals festen Niederlande, nach dem es noch heute heißt. Der Brigadekommandeur, unter deſſen damals Leutnant bei den Königindragonern , Wittenberg erinnert das Beiwort in dem ſein Freikorps, aus welchem die Schar er Namen des Generals Graf Tauenzien Befehlen das 15. Regiment damals stand, wuchs, mit der er am 28. April 1809 von Wittenberg (1760-1824), dessen war General Freiherr Hiller von von Berlin auszog, auf seine eigene Hand Ruhm daneben besonders die Schlachtfelder Gärtringen (1772-1856), nach welchem den Krieg gegen Napoleon zu führen. von Groß - Beeren und von Dennewit kün- das 4. Posensche Infanterieregiment Nr. 59 Magna voluisse magnum" (Großes ge- den. " Graf Tauentien von Wittenberg" genannt ist. Er führte, als schon der Abend wollt zu haben ist groß) , hebt mit Vergils heißt das Regiment, welches jetzt in Witten- jenes denkwürdigen 18. Juni 1815 hereinWorten die Inschrift des Denkmals an, berg steht, das 3. Brandenburgiſche Nr. 20. brach , in Napoleons Flanke und fast in welches dem volkstümlichen Helden, nachDen Namen Infanterieregiment von seinen Rücken, den vernichtenden Stoß auf dem die Leipziger Schlacht geschlagen war, Horn " führt zum Andenken an den Gene- Planchenoit, der eine weltgeschichtliche Entauf dem Kirchhofe zu Stralsund errichtet ralleutnant von Horn ( 1762-1829) scheidung besiegelte. Als er gelungen war, wurde. Im Straßenkampfe war er in das 3. Rheinische Infanterieregiment Nr. 29. lösten sich im französischen Heere alle Bandieser Stadt am 31. Mai des nämlichen Horn hatte sich schon 1807 bei der Belage den der Ordnung , und es begann unter Jahres den Streichen seiner übermächtigen rung von Danzig durch die Verteidigung Gneisenaus persönlicher Leitung die VerGegner, Holländer und Dänen, welche Na des Hagelsberges hervorgethan ; als Gene folgung, bei welcher der lette Hauch von poleons Befehle vollstreckten , erlegen. Die ral entschied er am 3. Oktober 1813 an Mann und Roß aufgeboten wurde “ . Ein rohen Sieger trennten das Haupt vom der Spite eines Bataillons der von ihm rascher Sprung aus dem Wagen rettete Humpfe und überwiesen es einem Museum. befehligten Brigade, durch den Sturm auf den Schlachtenkaiser vor der GefangenDarauf bezieht sich der Schluß der n einen von Dämmen festungsartig einge nahme durch die Westfalen. Hillers Vater schrift mit dem Worte des römischen Dich schlossenen Anger, das Treffen von Warten- hatte dort, wo jezt das 59. seine Garniers : ,,Tamen haud sine nomine corpus burg. Da ihm das Schießen zu lange sonen hat , ein Regiment befehligt , in der Leib entbehrt troßdem des Namens dauerte, sagte er, " dem Dinge muß ein welches jener eintrat ; sein Sohn war der nicht) . Und ein Name ist es, hochgeachtet und Ende gemacht werden . Ein Hundsfott, General Freiherr Hiller von Gärtringen, hochgeehrt, wie sein Inhaber uns ein Vor- wer noch einen Schuß thut. Zur Attacke, welcher an der Spiße der 1. Garden bild geworden ist und kommenden Geschlech Gewehr rechts !" Und einen Morast durch fanteriedivision beim Kampfe um Chlum tern ein leuchtendes Beiſpiel sein wird für watend, führte er das zweite Bataillon vom am Tage von Königgräß den Tod des Horn, gegen Helden starb. alle Zeiten. ??Um das Andenken an den Leibregiment zum Siege. Der Erinnerung an die BefreiungsOberstleutnant von Schill, welcher in ſchwe- Euch ist der Bayard doch nur ein Lump er Zeit die Hoffnung nicht sinken ließ und gewesen ! " sagte ihm nach dem Kampfe sein friege gelten auch die beiden Namen, welche Die Liebe zum Könige und Vaterlande mit Oberfeldherr York, dem der Tag den Zu der Jägertruppe zu teil geworden sind, der 44 89. II.
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des Ostpreußischen Jägerbataillons Nr. 1 | innert an des Helden Heimat. Von Han Kämpfe hatten dichterische Schwärmer und der des 1. Schlesischen Jägerbataillons nover , wo seine Wiege in dem einfachen und eine im Dienste politiſcher Parteien Nr. 5. Nach dem Generalfeldmar väterlichen Hause in jenem Leinedorfe ge- thätige, dem Dasein eines stehenden Heers schall Graf York von Wartenburg standen hatte, war Gerhard Scharnhorst feindliche Geschichtschreibung um die Krieg (1759-1830) , dem ersten und vorzüg (1754-1813) nach Berlin gekommen, be- führung der Jahre 1813 und 1814 einer lichsten Lehrmeister der Waffe im Dienst reits bewährt in Rat und That, in Wort Sagenkreis gewoben, welcher die Ereigniſſe der leichten Truppen, der den moraliſchen und Schrift, der Ruf von Menin und von so darstellte, als wenn die Erfolge, wenn Mut hatte , durch die That von Taurog der Geltung , die er als Kriegslehrer er nicht ausschließlich, doch zum größten Teil: gen den Bann zu brechen, in welchem Na worben hatte , gingen ihm voran. Mit den Freiwilligen und der Landwehr zu dan poleon Preußen hielt , und der wie nur Blücher mußte er die ehrenvolle Kapitu- ken wären. Neuere, unparteiiſche und vorwenige außer ihm dazu beigetragen hat, das lation von Natkau eingehen; dann war er urteilsfreie Forschung hat unwiderſprechlich von ihm begonnene Werk zu Ende zu führen, die Seele der Kriegführung in Ostpreußen das Frrige dieser Anschauung dargethan ist jenes , nach dem General von Neu und nach dem Frieden von Tilsit der große und die strengrichtende Klio hat jedem der mann ( 1786-1865) , der an der Spize Meister, der die Waffen schmiedete für die Mitstreiter den ihm gebührenden Anteil der Schlesischen Schüßen bei Etoges sich Befreiung vom Franzosenjoche. Der thäan Verdienst und Ehren zugewiesen. Da ein bleibendes Denkmal in der Kriegsge- tigen Mitwirkung am Kampfe ward er bei haben die schwarzen Gesellen “ ein schichte sette und 1817 der erste Jnspek schon durch die Todeswunde entzogen, die gutes Stück von dem ihnen so überreich teur der Jäger und Schüßen wurde , ist er am 2. Mai 1813 bei Groß-Görschen gespendet gewesenen Lobe eingebüßt und empfing. dieses Bataillon genannt worden. ihres Führers militärischer Ruhm ist eini Von Reiterregimentern bewahrt Clausewit (1780-1831 ) , welchen germaßen verdunkelt ; nicht von den Leist eins das Gedächtnis jener großen Zeit. Scharnhorst unter den Schülern der von stungen des Korps ist daher bei Vers Es ist das Ulanenregiment von Kayler ihm vor dem Kriege von 1806 geleiteten leihung der Auszeichnung die Rede; nur (Schlesisches) Nr. 2. Generalleutnant Berliner Lehranstalt in erster Stelle nennt ihre Hingebung und ihre Aufopferung find von Kagler (1765–1834) , führte bis und der sich nachmals als deren bedeutend- ehrend anerkannt. Die Helden und Heerführer aus den zum Waffenstillstande Blüchers , dann Yorks ster erwiesen , war ursprünglich Infanterist ; Vorhut und befehligte sie in manchem har- erst später kam er zur Artillerie. Als 1812 Kriegen der lezten fünfundzwanzia ten Strauß. Als Adjutant stand ihm jener Preußen auf seiten Frankreichs gegen Jahre , deren Namen in der Erinnerung Reyher zur Seite, der 1802 als gemeiner Rußland kämpfen sollte, erbat er den Ab- der Nachwelt fortleben sollen , sind der Soldat in das Infanterieregiment von schied und ging in russische Dienste , in Jestzeit in frischem Gedächtnis . DieBenennung des Infanterieregiments Winning eingetreten , 1858 als General diesen nahm er 1813-1814 am Kriege und Chef des Generalstabes der Armee teil, dann kehrte er in das preußische Heer Herwarth von Bittenfeld ( 1. Westfälisches) starb. Schon 1809 hatte York , als ihm zurück. Die in seinem Werke „ Vom Kriege“ Nr. 13 erinnert vor allem an des General eine Abteilung von Versprengten zu Ge- enthaltenen goldenen Lehren beseelten die feldmarschall Herwarth von Bittenſicht kam, die dem Gemeßel der Schillschen Führer, denen in den späteren Kriegen die feld (1796-1884) Uebergang nach Alies in Stralsund entgangen waren, zu seinem Siege der preußischen und der deutschen in der Nacht vom 28. 29. Juni 1864 und an die Elbarmee im böhmischen Kriege von Adjutanten gesagt: „ Der Wachtmeister | Waffen zu danken waren. Die Namensverleihung bedeutet Reyher ist mir lieber als das ganze DeAuch der Name des Pionierbatail- 1866. tachement." Vor dem Kriege war Kahler lons von Rauch (Brandenburgiſches ) Nr. 3 | die Wiederanknüpfung eines durch den Tod Kommandeur der Westpreußischen Ulanen wurzelt in jener Zeit. General von gerissenen Bandes ; sie gibt dem Regiment Nr. 1 gewesen , welche nach dem Kaiser | Rauch ( 1774-1841 ) nahm an den Käm- den Namen ſeines früheren Chefs für immer. Alexander III. von Rußland benannt sind ; pfen der Jahre 1813/14 in Blüchers HauptAuch General von Göben ( 1816) beide gingen aus den Lanzenreitern der quartiere teil, ward nach dem Kriege Chef bis 1880) , nach welchem das 2. Rheiniide alten Armee , den Towarczys , musel des Ingenieurkorps und Generalinspekteur Infanterieregiment Nr. 28 heißt, war b der Festungen, war in ſeinen lehten Lebens- seinen Lebzeiten Chef desselben. Au manischen Ursprungs, hervor. Drei Artillerieregimenter erinnern jahren Kriegsminister und hat sich nament Spaniens Schlachtfeldern in den Karliten an die Helden der Befreiungskriege : das lich um die Ingenieurwaffe und das Fe- kriegen früh geschult , hatte er an jener Feldartillerieregiment von Holzendorff stungswesen bleibendes Verdienst erworben . Uebergange nach Alsen hervorragenden An(1. Rheinisches ) Nr. 8, das FeldartillerieDas Andenken an „ Lühows wilde teil ; im Mainfeldzuge, in welchem er als regiment von Scharnhorst (1. Hannover- verwegene Jagd" ist in einer anderen Diviſionskommandeur focht , ließen sein sches ) Nr. 10 und das Feldartillerieregi- Weise gesichert, wie es in Beziehung auf Anordnungen und Leistungen von seines ment von Clausewit (Oberschlesisches ) die übrigen, durch die Beilegung von Namen militärischen Fähigkeiten das Höchste er Nr. 23. ausgezeichneten Regimenter und Bataillone warten, und glänzend gingen diese Hof Generalleutnant von Holzen geschehen ist. Das 1. Rheinische Infanterie- nungen in Erfüllung, als vier Jahre späte dorff ( 1764-1828) , der Sohn des früher regiment Nr. 25, welches aus der Infan- von neuem der Ruf „ Zu den Waffen:" erwähnten Generalinspekteurs der Artillerie, terie der Freischar hervorging, während aus erscholl. Der Tag von Spichern , dan war ein wesentlich fördernder Mitarbeiter der Kavallerie das jezige Thüringische der 18. August und die Kriegführung Scharnhorsts bei der Lösung seiner Auf- Ulanenregiment Nr. 6 gebildet wurde, hat Norden, deren Oberleitung im Janu 1871 in des Generals Hand überg gabe, das Heer nach dem Tilſiter Frieden nicht zur Erinnerung an den General auf ganz veränderten Grundlagen neu major von Lühow " , wie die sonst allge- und mit dem Siege von Saint-Quent aufzurichten ; in den darauffolgenden Krie- mein gebrauchte Redewendung lauten würde, endete, legen Zeugnis dafür ab. Wie Göben im Norden , so war Ec gen verstand er es , die Waffe, welcher er den ihm beigelegten Namen „ Infanterieangehörte, auf dem Schlachtfelde im Sinne regiment von Lütow (1. Rheinisches) neral Graf Werder (1808-1887) : der von Napoleon vorgezeichneten Weise Nr. 25 " erhalten , sondern es ist gesagt: Süden der Mann des Tages . Hier wird i zu verwenden. 1809 ward er Brigadier Ferner bestimme ich , um die Hingebung Name als der Name desjenigen gepriec der gesamten reitenden Artillerie. 1813 und die Aufopferung zu ehren, mit welcher der die deutschen Marken vor dem erwarte bis 1814 befchligte er die Artillerie Bülows, das Lützowsche Freikorps im Jahre 1813 ten Einbruch feindlicher Scharen bewahr 1815 stand er an der Spiße der gesamten gegen die Fremdherrschaft gefochten hat, Wie Göben aus Spanien, ſo brachte 98Artillerie Blüchers . Er starb als General- daß das 1. Rheinische Infanterieregiment der aus dem Kaukasus Kriegserfahrung inspekteur des Militärerziehungs- und Nr. 25 den Namen Infanterieregiment mit, als er 1866 eine Division Pommer Bildungswesens. von Lühow (1. Rheinisches) Nr. 25' führen nach Böhmen führte. 1870 war seine er Die landsmännische Benennung des soll." Waffenthat die Einnahme von Straßb Feldartillerieregiments von Scharnhorst er- | Nach der siegreichen Beendigung jener dann befehligte er die Badenser, die,
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Preußen vereint, den Kampf über die Vo- | Falckenstein war, wie Steinmez, ein alter des Atlantischen Ozeans und schließlich an gesen nach Frankreich hineintrugen und Soldat , als der Ausflug des preußischen die Seine; am 1. März 1871 durfte Gefiegreich durchkämpften. Zu den Ehren, Aars im Jahre 1864 ihn von neuem zum neral von Wittich in Paris einziehen. Eins durch welche sein König ihm dankte , ge- Kampfe berief. Er hatte die Befreiungs- der Regimenter seiner Division heißt nach hörte auch die Ernennung zum Chef des kämpfe und den Krieg von 1848 für ihm ; es ist das Infanterieregiment von jeßigen Infanterieregiments Graf Werder Schleswig-Holstein mitgemacht; als Chef Wittich (3. Hessisches) Nr. 83. Die viel(4. Rheinisches) Nr. 30 , welches 1870/71 des Generalstabes bei General von Wran fache selbständige Einwirkung auf den Gang unter ihm gefochten hatte und deſſen Chef gel zog er von neuem gegen Dänemark der Ereignisse, welche er als Kommandeur er war. zu Felde. Nach dem Kriege erhielt er das der 22. Division geäußert hat , wird die Das nämliche Verhältnis beſtand zwi Kommando des westfälischen Armeekorps , ihm zu teil gewordene Auszeichnung verz schen dem Ostpreußischen Füsilierregiment befehligte 1866 während des ersten Teiles anlaßt haben . Das Infanterieregiment von Manſtein Nr. 33 und dem Generalfeldmarschall des Krieges die Mainarmee , war dann Graf Roon ( 1809-1877) , König Wil- Generalgouverneur von Böhmen und ward (Schleswigsches) Nr . 84 ist durch die Verhelms treuestem Mitarbeiter an dessen nach Friedensschluß Chef des zu seinem leihung dieses Namens wieder in ein näheres Verhältnis zu seinem früheren eigenstem Werke , der Neuaufrichtung des Armeekorps gehörigen 56. Regiments . Das 3. Hannoversche Infanterieregiment Chef, dem General von Manstein (1805 preußischen Heerwesens ; dem Verteidiger dieses Werkes gegen die Angriffe einer Nr. 79 war unter dem General v . Voigts bis 1877) getreten , der 1864 als DiviKammer, welche die Bedeutung desselben Rhet (1809-1877) groß geworden. Aus sionskommandeur ſeine ersten Lorbeeren in nicht erkannte ; dem Meister , welcher die der Bundesmilitärkommission zu Frankfurt den Elbherzogtümern gepflückt und , nachErweiterung zu einem Alldeutschland um war dieser 1866 an die Spitze des General dem er seine Division 1866 nach Böhmen fassenden Bau leitete. stabes der Armee des Prinzen Friedrich in das Feld geführt hatte, 1867 mit der Ebenso zwischen dem Generalfeld- Karl getreten, hatte deſſen böhmische Schlach- Führung des in Schleswig-Holstein neumarschall von Steinmeß ( 1796 bis ten mitgeschlagen und dann das Kommando gebildeten 9. Armeekorps betraut worden 1877) und dem Füsilierregiment von Stein- des 10. Armeekorps übernommen. Seine war. Das letztere befehligte er 1870/71 in mez (Westfälisches ) Nr. 37. Trotz seiner Aufgabe war es, dasselbe zu bilden. Als Frankreich. wo es vor Met , an der Loire Benennung nach dem Lande der roten Erde, sie erfolgreich gelöst war , ward er zum und bei Le Mans focht. Sein Vorgänger im Kommando des ist das Regiment ein Posensches , dem Chef des 79. Regiments ernannt , und 5. Armeekorps angehörend, welches General 1870/71 , wo er es in Frankreich unter Armeekorps war Generalfeldmarschall von Steinmez von 1864-1870 befehligte ; seinen Befehlen hatte, machten seine Zög- Freiherr von Manteuffel (1809 bis in den Junitagen von 1866 eröffnete das linge ihm alle Ehre. Durch Verleihung 1885) gewesen , welchen das Dragonerselbe unter seiner Führung der kronprinz seines Namens an das Regiment ist das regiment Freiherr von Manteuffel (Rheilichen Armee den Weg nach Böhmen. frühere Band von neuem geknüpft worden. nisches) Nr. 5 schon bei dessen Lebzeiten Steinmez war damals schon ein alter SolGeneralleutnant von Gersdorff seinen Chef genannt hatte , jener allbedat , der in den Befreiungskriegen_unter | ( 1809--1870) , nach welchem das Füſilier- kannte Manteuffel , welcher , als König York und 1848 gegen Dänemark gefochten regiment von Gersdorff (Heſſiſches) Nr. 80 Wilhelm I. die Neugestaltung des preußihatte; 1870 stand er an der Spiße der heißt, hat bei seinem Leben nicht die Aus- schen Heerwesens unternahm , in seiner 1. Armee. zeichnung erfahren, zum Chef eines Regi- Eigenschaft als Chef des Militärkabinetts In dem Kommando des 5. Armeekorps ments ernannt zu werden. Nachdem er in die schwere Aufgabe der Verjüngung des war auf den General von Steinmez da den Kaukasuskämpfen die Feuertaufe er Offizierkorps mit Geschick und Thatkraft mals General Graf Kirchbach (1809 halten , als preußischer Offizier in den löste, der nach dem Kriege von 1864 gegen bis 1887 ) gefolgt , welcher im Feldzuge Reihen der Schleswig- Holsteiner 1848 und Dänemark das Oberkommando in Schlesvon 1866 unter ihm Diviſionskommandeur 1849 gegen Dänemark gekämpft und 1866 wig führte, von hier mit den ihm untergewesen war. Zn beiden Stellungen war als Kommandeur der 11. Infanteriebrigade, ſtellten Trupen gegen Desterreichs Bundesderselbe Vorgesehter , und später war er den Feldzug in Böhmen mitgemacht hatte , genossen zu Felde zog , die Kapitulation Chef des 1. Niederschlesischen Infanterie- ward er im Herbst des letzteren Jahres von Langensalza abschloß , den Mainfeldregiments Nr. 46 , welches zu bleibender mit dem Kommando der neuzubildenden zug siegreich zu Ende führte, 1870/71 zuerſt Erinnerung an dieses Verhältnis seinen 22. Division zu Kassel betraut. Mit dieser das 1. Armeekorps , dann die erste Armee Namen trägt. 30g er 1870 gegen Frankreich zu Felde. im Norden und zuletzt die Südarmee be= Infanterieregiment von Stülpnagel Als der kommandierende General des fehligte , welche lettere , als alle anderen heißt das 5. Brandenburgische Nr. 48. 11. Armeekorps , zu welchem die 22. Divi- sich schon der Waffenruhe erfreuten, durch Langjährige Beziehungen bestanden zwischen sion gehörte, am 6. Auguſt bei Wörth ver- ihren Sieg über Bourbaki und Clinchant dem Regiment und dem General der wundet war, trat er an dessen Stelle, aber den Krieg ruhmreich beendete und der als Infanterie von Stülpnagel ( 1809 bis schon am 1. September traf ihn bei Sedan Statthalter der wiedergewonnenen Reichs1885) , der, nachdem er 1866 dem Kron- die tödliche Kugel, der er am 13. in einem lande starb. Das Regiment war ihm verliehen worden, als er das Kommando des prinz Friedrich Wilhelm als Oberquartier Dorfe auf dem Schlachtfelde erlag. meister der 2. Armee zur Seite gestanden Im Kommando seiner Division folgte 9. mit dem des 1. Armeekorps vertauſchte, hatte, 1870/71 die 5. Diviſion befehligte, ihm der damalige Generalmajor von es gehörte damals dem ersteren an . zu welcher die Achtundvierziger gehörten. Wittich ( 1818-1884) , welcher bis dahin Das Ulanenregiment von Schmidt Bei Spichern begann die gemeinsame eine Brigade der hessen-darmstädtischen Di- ( 1. Pommersches) Nr. 4 ist nach dem Kriegsarbeit , dann folgten der Tag von vision befehligt und mit derselben an den Generalmajor von Schmidt (1817 Vionville- Mars la Tour, der schwerste des Kämpfen und an der Einschließung von bis 1875) benannt , der demselben von Feldzuges, die Einschließung von Meß, die Met teilgenommen hatte. Er traf die seiner Ernennung zum Sefondeleutnant bis Dezemberkämpfe bei Orleans und , auf Division vor Paris, und von hier betrat zum Stabsoffizier angehört hat und die Schnee und Eis, der Zug gegen Le Mans . er mit ihr bald darauf jenen Kriegspfad, ihm gewordene Auszeichnung sowohl seinem Bei seinem Scheiden aus dem Dienſt wurde nach welchem sie die Kilometerdivision ge- Verhalten während des Krieges von 1870 der General zum Chef des 48. Regiments nannt wurde. Ihr Weg führte mit den bis 1871 , in welchem er , an der Spise ernannt. Bayern unter Tann über das Schlacht- eines Husarenregiments ausgezogen , wieDie Benennung des 7. Westfälischen feld von Artenay nach Orleans und von derholt die Kavalleriedivision, zu welcher Infanterieregiments Nr. 56 nach dem da nach dem Tage von Coulmiers gegen jenes gehörte, befehligte, wie dem Verdienſte General Vogel von Falckenstein ( 1797 Paris zurück, dann unter dem Großherzoge dankt, welches er sich nach dem Kriege um bis 1885 ) beruht ebenfalls auf früheren von Mecklenburg von neuem an die Loire, die Friedensausbildung der Reiterwaffe erdienstlichen Verhältnissen . General von von hier über Le Mans an die Gestade | worben hat.
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B. Poten. Die neuen Regimentsnamen im preußischen Heere. 1043
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Einen anderen Reitersmann finden wir welche er geholfen hatte , den Boden zu sehen werden, daß anscheinend Geschlechter, bei der Artillerie . Es ist der General bearbeiten . Ein Bruder des berühmten welche an und für sich Hoffnung auf Be der Kavallerie von Podbielski Astronomen seines Namens , hatte er 1813 rücksichtigung gehabt haben möchten , aus (1814-1879 ) . Von Haus aus Kaval- im Dienste seiner Vaterstadt Hamburg der denen aber einzelne Persönlichkeiten solche lerist, 1864 Ober , 1866 und 1870/71 heiligen Barbara geschworen , war bald bereits erfahren hatten, ausgeschlossen sind. Generalquartiermeister und in letterer Stel- nach Preußen übergetreten und bekleidete So die Kleist, von denen unter Friedrich lung Moltkes nächster Gehilfe , ward er, hier unter anderen die wichtigen und ein- dem Großen 116 fochten, 22 fielen, 9 wohl in allen Sätteln gerecht , nach Friedens flußreichen Stellungen des Generalstabs- meist an Wunden starben, 1 verſcholl , so schluß als Generalinspekteur an die Spite chefs der Waffe unter dem Prinzen Adal- daß der vierte Mann verloren war , und der Artillerie gestellt. Es handelte sich bert und als Präſes der Artillerieprüfungs- von denen bis 1889 23 es zum General darum , die Einrichtungen der Waffe auf kommiſſion . Die Nr. 4 des Regiments brachten ; die Schwerin ; die Bülow. eine den Anforderungen der Zeit ent Encke war in der alten Armee die der Aus dem pommerschen Geschlecht der sprechende Höhe zu bringen. Eins der von dem General befehligten 1. Artillerie- Borde war in den Reihen des preußischen dem General zu teil gewordenen Zeichen | brigade. Heeres der erste namhafte der Generalder Anerkennung seines Wirkens war die Nachdem die Aufzählung der Regimen feldmarschall Adrian Bernhard Graf von Ernennung zum Chef des Feldartillerie ter beendet ist, deren Benennung zur Er Borde, welcher 1737 diese Würde erhielt regiments Nr. 5 , jest Feldartillerieregi innerung an einzelne Persönlichkeiten er- und 1741 starb ; unter Friedrich dem ment von Podbielski (Niederschlesisches ) folgte, heißt es in dem Erlaſſe des Kaiſers Großen dienten bis zum Ende des SiebenNr. 5 . und Königs weiter: jährigen Krieges fünf andere Borde als Die Verdienste des Generals von „Ferner will ich, in Anerkennung der Generale, darunter Graf Heinrich Adrian, Peucer (1791-1877) , an welche der besonderen Verdienste , welche sich ein der Gouverneur des nachmaligen Königs Name des Feldartillerieregiments von zelne Familien dadurch erworben, daß Friedrich Wilhelm III.; bis 1889 find Peucker (Schlesisches ) Nr. 6 erinnert, be ihre Glieder seit langen Jahren, in großer 20 Borcke Generale geworden. Die Rangruhen mehr auf Friedens- als auf Kriegs- | Zahl und in bedeutenden Stellungen der und Quartierliste für das lettere Jahr nennt 20 Borde, meist Sekondeleutnants, verdienst. Nicht als ob der General im Armee angehört haben, verleihen : Felde weniger brauchbar gewesen wäre als 1. Dem 4. Pommerschen Infanterie- der alte Stamm treibt neue Zweige. Das preußische Grafengeschlecht der bei der Arbeit derjenigen Zeit, in welcher regiment Nr. 21 den Namen : Jufanteriedie Waffen ruhten. Hatte doch schon der regiment von Borcke (4. Pommersches) Dönhoff war früher zahlreicher als jezt Lobfarge York im Jahre 1813 die Brauch Nr. 21 ; im Heere vertreten. Bis zum Regierungsbarkeit des jungen Adjutanten der Artil2. dem 7. Ostpreußischen Infanterie- antritt des Großen Königs hatte es demlerie bei dem von ihm befchligten Armee regiment Nr. 44 den Namen : Infanterie- selben bereits fünf Generale geliefert. An korps, seine Beobachtungsgabe und die Art regiment Graf Dönhoff (7. Ostpreußisches ) neuerer Zeit ist es durch besondere Leiund Weise anerkannt, wie er verstand, Be Nr. 44 ; stungen nicht hervorgetreten, und gegen fehle aufzufassen und wiederzugeben , und 3. dem 7. Pommerschen Infanterie- wärtig gehört dem aktiven Dienſtſtande im Jahre 1849 hatte General von Peucker regiment Nr. 54 den Namen : Infanterie- kein Graf Dönhoff als Offizier an. Aus der in Pommern und in Preußen mit dem ihm unterstellten , aus Reichs- regiment von der Golz (7. Pommersches ) truppen zusammengestellten Neckarkorps bei Nr. 54 ; angesessenen Familie der Grafen und FreiBekämpfung des badischen Aufstandes das 4. dem 8. Pommerschen Infanterie- herren von der Golh war bereits unter Mögliche geleistet . Aber seine bedeutsamste regiment Nr. 61 den Namen : Infanterie- dem Großen Kurfürsten, der ihn im Felde und verdienstvollste Thätigkeit liegt auf regiment von der Marwig (8. Pommer- und im Kabinett verwandte, Joachim Ru diger Freiherr von der Golz , General der dem Gebiete des Militärerziehungs- und sches) Nr. 61 ; Bildungswesens , an deſſen Spize er 1854 5. dem Holsteinschen Infanterieregi- Infanterie. Er war ein Soldat der Fortuna, trat. Hier hat er bahnbrechend gewirkt ; ment den Namen : Infanterieregiment Her- der unter seinem Vetter, dem Kaiſerlichen Generalfeldzeugmeister Maximilian von vor allem hat er die Kriegsschulen, wie sie zog von Holstein (Holsteinsches ) Nr. 85; jest bestehen , geschaffen. In der schlesi6. dem 1. Schlesischen Dragonerregi der Gols im Dreißigjährigen Kriege das schen Artilleriebrigade , aus welcher das ment Nr. 4 den Namen : Dragonerregiment Handwerk erlernt , dann unter Frankreichs Fahnen gegen die Spanier gefochten Artillerieregiment von Peucker hervorge von Bredow ( 1. Schlesisches ) Nr. 4. gangen ist , begann er 1809 ſeine mili7. dem Pommerschen Dragonerregi hatte und nach einundzwanzigjähriger tärische Laufbahn ; mit einem Truppenteile ment Nr. 11 den Namen : Dragonerregiment Dienstzeit in Brandenburg, 1675 in das dänische Heer trat. Auch hier litt es derselben nahm er 1812 am russischen Feld- von Wedell (Pommersches ) Nr. 11 ; zuge teil. 8. dem 2. Brandenburgischen Dra- ihn nicht lange. 1680 ward er kurfäch Den Schluß machen zwei Fußartillerie- gonerregiment Nr. 12 den Namen : Dra- sischer Feldmarschall , war 1683 mit ver regimenter : das Fußartillerieregiment von gonerregiment von Arnim (2. Branden- Wien und starb 1688 zu Dresden. Am Hindersin (Pommersches) Nr. 2 und das burgisches) Nr. 12. " Denkmal Friedrichs des Großen zu BerFußartillerieregiment Ende Nr. 4. GeWeit schwieriger noch als bei der erstlin prangen die Namen von zwei Gene neral von Hindersin (1804-1872) , genannten Art von Verleihungen, wo es ralen von der Golk. Der eine, George ein eifriger Vorkämpfer auf dem Wege des sich darum handelte, einzelne und zwar die Konrad Freiherr von der Golz, war_in Fortschrittes, welcher der Waffe durch die richtigen auszuwählen unter den Heer jener Märznacht 1741 einer der ersten Herstellung der Hinterladungsgeschüße und führern und den sonst um das Ganze wohl auf den Wällen von Glogau, entwaffnete eine Reihe von Erfindungen auf techniſchen verdienten Männern , muß das Suchen die Hauptwache und nahm den öfterGebieten eröffnet war, ward 1864, nach- und Sichten, das Prüfen und Abwägen ge- reichischen Gouverneur , General Grai dem die von ihm befürworteten Einrich- wesen sein, als es galt, die Ansprüche von Wallis, gefangen, wofür er den Verdiensttungen im Kampfe gegen Dänemark sich Familien auf die hohe Auszeichnung fest- orden erhielt. Während des zweiten Schle glänzend bewährt hatten , zum General zustellen. Wir wollen versuchen , diese sischen Krieges betraute ihn der König inspekteur der Artillerie ernannt. In den Ansprüche zu kennzeichnen. Die königliche mit der Leitung des gesamten Heerver beiden folgenden Kriegen durfte er sich der Willensmeinung, wie sie in der Kabinetts waltungswesens ; wenn es aber zum Drein stets vermehrten Bedeutung seiner Waffe ordre zum Ausdruck gekommen ist , gibt schlagen kam , griff Golz wieder zum Pallasch freuen ; in den dazwischenliegenden Frie den Anhalt , indem sie sagt , daß die und führte seine Kürassiere gegen den denszeiten arbeitete er eifrig an weiterer Zahl der Jahre, die Menge der Familien- Feind . Der andere, Karl Christoph FreiVervollkommnung derselben. Dem General mitglieder und die Bedeutung der von herr von der Golz, gehörte zu den GeneEnde ( 1794-1860) war es nicht ver letteren eingenommenen Stellungen maß- ralen, welchen der König die Ausführung gönnt , die Früchte reifen zu sehen , für gebend gewesen seien. Es darf nicht über- | selbständig zu erledigender Aufgaben über-
B. Poten. Die neuen Regimentsnamen im preußischen Heere. =1047: ch glänzende Tapfer | recht gethan hatte . Nach dem Kriege dur6trug; bei einer solchen5Veranlassung erhielt | gange der Schlacht 104 104 Golsden Schwarzen Adlerorden . Von 1640 feit beigetragen hatte. Dieser Umstand stellte dieser ihn an die Spiße der geg und verlieh bis 1889 find 22 Goltz Generale geworden ; und der Stern , der seinem Hause im samten Heeresverwaltun noch einen Offizier mehr nennt die Rang Osten durch die Thronbesteigung Zar ihm den Titel Kriegsminister ; es ist das liste als in dem letteren Jahre dem Heere Peters III. aufgegangen war, bewirkten , erste Mal , daß dieser in Preußen ge= „Golz- daß er seinen Abschied nahm und nach braucht ward . Unter den sieben Generalen nt tna leu mar rst ha Frei Rußland ging . Auch gegenwärtig gehören von Wedell , welche bis 1889 dem Heere Col Basc " ,gder Obeu Golz- daß kommt noch angehöri . Daz herr von der Golz, der befannte General vier Mitglieder des holsteinschen Fürsten angehört haben , mögen noch jener Leostäbler und Militärschriftsteller , der jest hauses dem Heere an , darunter Herzog pold Heinrich genannt werden , welcher, Ernst Günther , der Bruder der Kaiserin durch einen Zufall der Erschießung als Viel tüchtige Männer hat von jeher Augusta Viktoria , als Premierleutnant Schillscher Offizier entgangen , von Napoleon I. als Sträfling auf die Galeeren am Bosporus weilt . ow nregim rde en ent ed arewar biss . zum Re- geschickt , von seinem Könige zu dessen Br -Hus Leibga die märkisch -pommersche Sippe der Mar- des Der , ein Enkel gierungsantritt Friedrichs des Großen vier eigener Vertretung an den glänzenden HeinrichKarl von der Marwig wis in den Dienst des Heeres gestellt . Derfflingers , befehligte 1744 eine abge- Generale geworden ; bis zum Ende des Hof Kaiser Napoleons III. gesandt wurde, jonderte Heeresabteilung in Oberschlesien ; Siebenjährigen Krieges gelangten noch fünf und jener andere Wedell , dessen heldenutnant von zu diesem Grade ; die Namen von Karl mütiges Ringen an der Spitze der 38. ein Generalquartiermeisterle der Marwit weigerte sich bei Hochkirch , Ludwig , welcher schon den Spanischen Erb- Infanteriebrigade einen hervorragenden das Lager abzustecken , weil er es für zu folgekrieg und den Pommerschen Feldzug Platz in der Geschichte der Schlacht von gefährlich hielt ; er ist später gefallen . In vom Jahre 1715 mitgemacht hatte und, Vionville-Mars la Tour am 16. Auguſt der Franzojenzeit traten zwei Brüder obgleich er fast ein Siebziger war , in 1870 einnimmt . Zur Zeit dienen 37 Wedell Marwit durch Thatkraft und opfer den beiden ersten Schlesischen Kriegen focht, im preußischen Heere . Es ist mit ihnen, freudige Hingebung an die deutsche Sache und von Asmus Ehrenreich, der auch Mit wie mit den Borcke , ein Wechsel auf die
nsch t gez . rgi hervor ; davon stand der älteste, Ludwig , glied der Akademie der Wiſſenſchaften war, Zukunf nbuoge sind die Arnim und Brande al nkm sde ich t rps er edr d chte den iko 7 unt Friverzeichnet . In neuerer Zeit das Regiment , welches ihren Namen trägt . on3 180 aufindem Freder kurmärerri der esch kischen sin Berlin Linden Spiße an der ein , 181 hatt Landwehr , befehligte sie am Ehrentage ist besonders bekannt geworden der Gene: Ihre Reihe hebt im brandenburgisch -preudieser Truppe, in dem Gefecht bei Hagels ralleutnant Friedrich Wilhelm Adalbert ßischen Heere mit Georg Abraham von berg, und überrumpelte am 25. September von Bredow. Am 16. August 1870 führte Arnim ruhmvoll an, welcher 1734 als ll starb , nachdem er in kühnem Zuge die Stadt Braunschweig . er, an der Spiße seiner aus dem 7. Küras- Generalfeldmarscha Eein jüngerer Bruder Alexander fiel in sier- und dem 16. Ulanenregiment bestehen fünfundzwanzig Feldzügen beigewohnt und Frankreich. Auch der unlängst verstorbene den Brigade, den bekannten todesmutigen fünfzehn Belagerungen mitgemacht hatte . altehrwürdige Bischof von Culm war Offi- Reiterangriff bei Vionville-Mars la Tour, 1667 in den Dienst getreten , hatte er zer gewesen , bevor er die priesterlichen dessen Erfolg ein so schweres Gewicht in die schon bei Fehrbellin gefochten , war bei Weihen empfing , und elf des Namens schwankende Wagschale warf. General von der Landung auf Rügen und beim Sturm Bredow hatte früher die 4. Dragoner be auf Cfen gewesen , hatte Bonn erobern fehligt, daher wird es kommen , daß dem helfen und in den Kriegen gegen Franftiegen bis 1889 zu Generalen auf. schlesischen Regiment der Name einer branzosen und Schweden , in den Niederlanden Zu allen Zeiten fast haben Herzoge und in Pommern selbständige Kommandos von Holstein dem brandenburgisch-preu denburgischen Familie verliehen ist. geführt . Sieben Arnim sind bis 1889 Gefischen Heere angehört . Zur Zeit des Die pommerschen Wedell erscheinen nerale gewesen ; jezt dienen 41 ihres Nan mei er erst spät unter den Inhabern höherer ste enres eug für ßenera elf, warste ldz Kur us unt GroGen lfe ustdar Her Aug der s ee. h ich Arm lreder zu allen Zeiten die sind auc zog von Holstein Ploen , der unter den Stellungen im Heere. Vielleicht haben men Zahin k en ch abt lüc ich n rfae Gensoeraviel ken z -we enich wie Burggrafen zu Dohna, einſt in sächsischen geh, Johann dze iße Tür gegedr Felht l ihrUng schwar en foc es Namens - sie jenermeherst hwed Lud , und Fri Sc und wig Herzog von Holstein-Beck, welcher im von Wedell , der 1742 zu Ruttenberg in Landen die Nebenbuhler der Markgrafen Spanischen Erbfolgefriege sich auszeichnete Böhmen an seinen bei Chotusit erhaltenen von Meißen , jest in Preußen und in Schle und von König Friedrich Wilhelm I. bald Wunden starb, nachdem deren acht , die sien angesessen , gewesen , und verhältnis nach dessen Thronbesteigung zum Feld er von den Schlachtfeldern in Italien , mäßig viele des Geschlechts sind in hohe marschall ernannt wurde ; sein Sohn, nach den Niederlanden und in Pommern das und wichtige Stellungen gelangt , zwölf dem König Friedrich Wilhelm genannt , vongetragen, glücklich geheilt waren . Dann sind Generale geworden . Als der Große wurde ebenfalls Feldmarschall , und dessen aber führte das Geschlecht sich vollbür Kurfürsteine stehende Kriegsmacht errichtete, einziger Sohn fiel in der Schlacht von tig ein durch den Oberstleutnant Georg erscheint alsbald Graf Christian Albrecht ster in den berst und Kommandeur des von Wedell, der am 19. November 1744 Dohna als Generalfeldzeugmei Vrag als s ent Unter den Elbübergang bei Solonitz in Böhmen Reihen ; von seinen sechs Söhnen blieben von Pfuel . Infanterieregim Honig Friedrich II. diente außerdem Her gegen große Uebermacht so tapfer ver- fünf im Felde, der sechste im Zweikampf . zog Georg Ludwig von Holstein - Gottorp , teidigte, daß der König ihn den preußischen Unter Friedrich dem Großen finden sich aus sächsischen Diensten Leonidas nannte. Auch er fiel auf dem drei Dohna in der Generalität ; der gewelcher 1741 fam, ein tüchtiger und tapferer Offizier, Felde der Ehre , in der Schlacht bei Soor nannteste ist Christoph II., dem es aber len der mit vieler Auszeichnung in den beiden am 30. September 1745. Sein Bruder selten gelang, den König zufriedenzustel . rsten Schlesischen und im Siebenjährigen war Karl Heinrich von Wedell , dessen mili- An seiner Stelle sollte der Diktator Wedell Während des letteren war tärische Fähigkeiten und kriegerische Lei- die Russen schlagen, als er zur Schlacht Ariege focht . Bedeutend war die ußischen Kriegs- stungen dem Könige ein solches Vertrauen von Kay auszog. rste auf nn dem pre zuelag er aup auf dem pommerschen, eingeflößt hatten , daß er ihn, unter Ueber Rolle , welche die ostpreußischen Dohna , da sch e wo er sich 1758 den Schwarzen Adler gehung älterer Generale, mit einer Heeres- während der Befreiungskrieg spielten, und orden verdiente , und auf dem westlichen , macht von 27500 Mann den Russen mit der Laufbahn eines ihres Namens wo er unter Herzog Ferdinand von Braun entgegensandte. Er sollte bei denselben aus jener Zeit wird auch die Wahl des weig bei Crefeld , Bergen und Minden sein, was zu der Römer Zeiten ein Diktator Ostpreußischen Ulanenregiments Nr. 8 techt . Er war etwas phlegmatischen Tem war, und sollte die Russen angreifen , wo für die Verleihung ihres Namens zusammen1eraments ; daß er am Tage der Schlacht er sie fände. Wedell wurde damals bei hängen . Es ist Graf Friedrich, der Schwie" on Torgau mit seiner Kavallerie zu spät Ray geschlagen ; der König entzog ihm aber gersohn Scharnhorsts , welcher , wie Claus. traf , vergaß ihm der König nicht, ob- seine Huld und Gnade nicht, und Wedells wit , 1812 den Abschied nahm, u leich der Herzog zum glücklichen Aus- spätere Thaten bewiesen , daß Friedrich russische Dienste zu treten. Als
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Einen anderen Reitersmann finden wir welche er geholfen hatte , den Boden zu sehen werden, daß anscheinend Geschlechter. bei der Artillerie. Es ist der General bearbeiten. Ein Bruder des berühmten welche an und für sich Hoffnung auf Beder Kavallerie von Podbielski Astronomen seines Namens , hatte er 1813 rücksichtigung gehabt haben möchten , aus ( 1814-1879) . Von Haus aus Kaval- im Dienste seiner Vaterstadt Hamburg der denen aber einzelne Persönlichkeiten soldie Ierist , 1864 Ober , 1866 und 1870/71 heiligen Barbara geschworen , war bald bereits erfahren hatten, ausgeschlossen sind. Generalquartiermeister und in letterer Stel- nach Preußen übergetreten und bekleidete So die Kleist, von denen unter Friedrich lung Moltkes nächster Gehilfe , ward er, hier unter anderen die wichtigen und ein- dem Großen 116 fochten, 22 fielen, 9 wohl in allen Sätteln gerecht , nach Friedens flußreichen Stellungen des Generalstabs- meist an Wunden starben, 1 verscholl, is schluß als Generalinspekteur an die Spize chefs der Waffe unter dem Prinzen Adal- daß der vierte Mann verloren war , und der Artillerie gestellt. Es handelte sich bert und als Präſes der Artillerieprüfungs- von denen bis 1889 23 es zum General darum , die Einrichtungen der Waffe auf kommission. Die Nr. 4 des Regiments brachten ; die Schwerin; die Bülow. Aus dem pommerschen Geschlecht der eine den Anforderungen der Zeit ent Encke war in der alten Armee die der sprechende Höhe zu bringen. Eins der von dem General befehligten 1. Artillerie Borde war in den Reihen des preußischen Heeres der erste namhafte der Generaldem General zu teil gewordenen Zeichen brigade. der Anerkennung seines Wirkens war die Nachdem die Aufzählung der Regimen feldmarschall Adrian Bernhard Graf von Ernennung zum Chef des Feldartillerie ter beendet ist, deren Benennung zur Er- Borcke, welcher 1737 diese Würde erhielt regiments Nr. 5 , jest Feldartillerieregi innerung an einzelne Persönlichkeiten er- und 1741 starb ; unter Friedrich dem ment von Podbielski (Niederschlesisches ) folgte, heißt es in dem Erlaſſe des Kaiſers | Großen dienten bis zum Ende des SiebenNr. 5. jährigen Krieges fünf andere Borde als und Königs weiter : " Ferner will ich, in Anerkennung der Generale, darunter Graf Heinrich Adrian. Die Verdienste des Generals von Beucker (1791-1877) , an welche der besonderen Verdienste , welche sich ein der Gouverneur des nachmaligen Königs Name des Feldartillerieregiments von zelne Familien dadurch erworben, daß | Friedrich Wilhelm III.; bis 1889 find Beucker (Schlesisches) Nr. 6 erinnert, be- ihre Glieder seit langen Jahren , in großer 20 Borde Generale geworden. Die Ranaruhen mehr auf Friedens- als auf Kriegs- | Zahl und in bedeutenden Stellungen der und Quartierliste für das lettere Jahr verdienst. Nicht als ob der General im Armee angehört haben, verleihen : nennt 20 Borde, meist Sekondeleutnants, Felde weniger brauchbar gewesen wäre als 1. Dem 4. Pommerschen Infanterie- der alte Stamm treibt neue Zweige. Das preußische Grafengeschlecht der bei der Arbeit derjenigen Zeit, in welcher regiment Nr. 21 den Namen : Jnfanteriedie Waffen ruhten. Hatte doch schon der regiment von Borcke (4. Pommersches) Dönhoff war früher zahlreicher als jest loblarge York im Jahre 1813 die Brauch Nr. 21 ; im Heere vertreten. Bis zum Regierungsbarkeit des jungen Adjutanten der Artil2. dem 7. Ostpreußischen Infanterie- antritt des Großen Königs hatte es demlerie bei dem von ihm befehligten Armee regiment Nr. 44 den Namen : Infanterie- selben bereits fünf Generale geliefert. Zu korps , seine Beobachtungsgabe und die Art regiment Graf Dönhoff ( 7. Ostpreußisches) | neuerer Zeit ist es durch besondere Leiund Weise anerkannt, wie er verstand, Be- Nr. 44 ; stungen nicht hervorgetreten, und gegen fehle aufzufassen und wiederzugeben , und 3. dem 7. Pommerschen Infanterie- wärtig gehört dem aktiven Dienſtſtande im Jahre 1849 hatte General von Peucker regiment Nr. 54 den Namen : Infanterie- fein Graf Dönhoff als Offizier an. mit dem ihm unterstellten , aus Reichs regiment von der Golz (7. Pommersches) Aus der in Pommern und in Preußen truppen zusammengestellten Neckarkorps bei Nr. 54 ; angesessenen Familie der Grafen und Fre 4. dem 8. Pommerschen Infanterie- herren von der Golh war bereits unter Bekämpfung des badischen Aufstandes das Mögliche geleistet. Aber seine bedeutsamste regiment Nr. 61 den Namen : Infanterie- dem Großen Kurfürsten, der ihn im Felde und verdienstvollste Thätigkeit liegt auf regiment von der Marwig (8. Pommer und im Kabinett verwandte, Joachim Ru diger Freiherr von der Golz , General der dem Gebiete des Militärerziehungs- und sches ) Nr. 61 ; Bildungswesens , an dessen Spitze er 1854 5. dem Holsteinschen Infanterieregi- Infanterie. Er war ein Soldat der Fortuna, trat. Hier hat er bahnbrechend gewirkt ; ment den Namen : Infanterieregiment Her der unter seinem Vetter, dem Kaiserlichen Generalfeldzeugmeister Marimilian von vor allem hat er die Kriegsschulen, wie sie zog von Holſtein (Holſteinſches) Nr. 85 ; jetzt bestehen , geschaffen. In der schlesi6. dem 1. Schlesischen Dragonerregi der Golg im Dreißigjährigen Kriege das schen Artilleriebrigade , aus welcher das ment Nr. 4 den Namen : Dragonerregiment Handwerk erlernt , dann unter Frank Artillerieregiment von Peucker hervorge von Bredow (1. Schlesisches) Nr. 4. reichs Fahnen gegen die Spanier gefochten gangen ist , begann er 1809 seine mili7. dem Pommerschen Dragonerregi hatte und nach einundzwanzigjähriger tärische Laufbahn ; mit einem Truppenteile ment Nr. 11 den Namen : Dragonerregiment Dienstzeit in Brandenburg , 1675 in der dänische Heer trat. Auch hier litt es derselben nahm er 1812 am ruſſiſchen Feld- von Wedell (Pommerſches) Nr. 11 ; zuge teil. 8. dem 2. Brandenburgischen Dra- ihn nicht lange. 1680 ward er kursäch Den Schluß machen zwei Fußartillerie- gonerregiment Nr. 12 den Namen : Dra fischer Feldmarschall , war 1683 mit vor regimenter : das Fußartillerieregiment von gonerregiment von Arnim (2. Branden- Wien und starb 1688 zu Dresden. Ar Hindersin (Pommersches ) Nr. 2 und das burgisches ) Nr. 12. " Denkmal Friedrichs des Großen zu BerFußartillerieregiment Ende Nr. 4. GeWeit schwieriger noch als bei der erst lin prangen die Namen von zwei Gene neral von Hindersin ( 1804–1872) , genannten Art von Verleihungen, wo es ralen von der Golt. Der eine, George ein eifriger Vorkämpfer auf dem Wege des sich darum handelte, einzelne und zwar die Konrad Freiherr von der Golz, war in Fortschrittes, welcher der Waffe durch die richtigen auszuwählen unter den Heer- jener Märznacht 1741 einer der ersten Herstellung der Hinterladungsgeschüße und führern und den sonst um das Ganze wohl auf den Wällen von Glogau , entwafinal eine Reihe von Erfindungen auf techniſchen verdienten Männern , muß das Suchen die Hauptwache und nahm den öfter Gebieten eröffnet war , ward 1864, nach- und Sichten, das Prüfen und Abwägen ge- reichischen Gouverneur , General Gra dem die von ihm befürworteten Einrich- wesen sein, als es galt, die Ansprüche von Wallis, gefangen, wofür er den Verdient tungen im Kampfe gegen Dänemark sich Familien auf die hohe Auszeichnung fest- orden erhielt. Während des zweiten Schle glänzend bewährt hatten , zum General zustellen. Wir wollen versuchen , diese fischen Krieges betraute ihn der Köniz inspekteur der Artillerie ernannt. In den Ansprüche zu kennzeichnen . Die königliche mit der Leitung des gesamten Heerver beiden folgenden Kriegen durfte er sich der Willensmeinung, wie sie in der Kabinetts- waltungswesens ; wenn es aber zumDrein stets vermehrten Bedeutung seiner Waffe ordre zum Ausdruck gekommen ist , gibt schlagen kam, griff Golh wiederzum Pallai freuen; in den dazwischenliegenden Frie den Anhalt , indem sie sagt , daß die und führte seine Kürassiere gegen d denszeiten arbeitete er eifrig an weiterer Zahl der Jahre, die Menge der Familien- Feind. Der andere, Karl Christoph Fai Vervollkommnung derselben. Dem General mitglieder und die Bedeutung der von Herr von der Golz, gehörte zu den Ges Ende (1794-1860) war es nicht ver letteren eingenommenen Stellungen maß- ralen, welchen der König die Ausführung gönnt , die Früchte reifen zu sehen , für gebend gewesen seien. Es darf nicht über- selbständig zu erledigender Aufgaben ube
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trug ; bei einer solchen Veranlassung erhielt Golg den Schwarzen Adlerorden. Von 1640 bis 1889 find 22 Golt Generale geworden ; noch einen Offizier mehr nennt die Rangliste als in dem letteren Jahre dem Heere angehörig. Dazu kommt noch # GolzPascha", der Oberstleutnant Colmar Frei herr von der Golz, der bekannte General stäbler und Militärschriftsteller , der jegt am Bosporus weilt. Viel tüchtige Männer hat von jeher die märkisch-pommersche Sippe der Marwih in den Dienst des Heeres gestellt. Heinrich Karl von der Marwig, ein Enkel Derfflingers , befehligte 1744 eine abgesonderte Heeresabteilung in Oberschlesien ; ein Generalquartiermeisterleutnant von der Marwit weigerte sich bei Hochkirch, das Lager abzustecken , weil er es für zu gefährlich hielt; er ist später gefallen. In der Franzosenzeit traten zwei Brüder Marwig durch Thatkraft und opfer freudige Hingebung an die deutsche Sache hervor; davon stand der älteste, Ludwig, der schon 1807 ein Freikorps errichtet hatte, 1813 an der Spiße der kurmärkischen Landwehr , befehligte sie am Ehrentage dieser Truppe, in dem Gefecht bei Hagels berg, und überrumpelte am 25. September in kühnem Zuge die Stadt Braunschweig. Sein jüngerer Bruder Alexander fiel in Frankreich. Auch der unlängst verstorbene altehrwürdige Bischof von Culm war Offizier gewesen , bevor er die priesterlichen Weihen empfing, und elf des Namens stiegen bis 1889 zu Generalen auf. Zu allen Zeiten fast haben Herzoge von Holstein dem brandenburgisch-preu Eischen Heere angehört. Zur Zeit des Großen Kurfürsten waren es elf, darunter der Generalfeldzeugmeister Augustus Her zog von Holstein-Ploen , der unter den schwarz-weißen Feldzeichen gegen Türken und Schweden focht , und Friedrich Ludwig Herzog von Holstein-Beck, welcher im Spanischen Erbfolgetriege sich auszeichnete und von König Friedrich Wilhelm I. bald nach dessen Thronbesteigung zum Feld marschall ernannt wurde ; sein Sohn, nach dem König Friedrich Wilhelm genannt , wurde ebenfalls Feldmarschall, und dessen einziger Sohn fiel in der Schlacht von Prag als Oberst und Kommandeur des Infanterieregiments von Pfuel. Unter König Friedrich II. diente außerdem Her zog Georg Ludwig von Holstein - Gottorp, welcher 1741 aus sächsischen Diensten kam , ein tüchtiger und tapferer Offizier, der mit vieler Auszeichnung in den beiden ersten Schlesischen und im Siebenjährigen Kriege focht. Während des letzteren war er zuerst auf dem preußischen Kriegsschauplage , dann auf dem pommerschen, wo er sich 1758 den Schwarzen Adler orden verdiente , und auf dem westlichen , wo er unter Herzog Ferdinand von Braun schweig bei Crefeld , Bergen und Minden focht . Er war etwas phlegmatischen Tem peraments ; daß er am Tage der Schlacht von Torgau mit seiner Kavallerie zu spät eintraf , vergaß ihm der König nicht, obgleich der Herzog zum glücklichen Aus-
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| gange der Schlacht durch glänzende Tapfer recht gethan hatte. Nach dem Kriege feit beigetragen hatte. Dieser Umstand stellte dieser ihn an die Spiße der geund der Stern , der seinem Hause im samten Heeresverwaltung und verlich Osten durch die Thronbesteigung Zar ihm den Titel Kriegsminister ; es iſt das Peters III . aufgegangen war , bewirkten, erste Mal , daß dieser in Preußen gedaß er seinen Abschied nahm und nach braucht ward . Unter den sieben Generalen Rußland ging. Auch gegenwärtig gehören von Wedell, welche bis 1889 dem Heere vier Mitglieder des holsteinschen Fürsten angehört haben , mögen noch jener Leohauses dem Heere an , darunter Herzog pold Heinrich genannt werden , welcher, Ernst Günther , der Bruder der Kaiserin durch einen Zufall der Erschießung als Augusta Viktoria , als Premierleutnant Schillscher Offizier entgangen, von Napoleon I. als Sträfling auf die Galeeren des Leibgarde-Husarenregiments . Der Bredow waren bis zum Re- geschickt , von seinem Könige zu deſſen gierungsantritt Friedrichs des Großen vier eigener Vertretung an den glänzenden Generale geworden ; bis zum Ende des Hof Kaiser Napoleons III . gesandt wurde, Siebenjährigen Krieges gelangten nochfünf und jener andere Wedell , dessen heldenzu diesem Grade ; die Namen von Karl mütiges Ringen an der Spiße der 38. Ludwig, welcher schon den Spanischen Erb- Infanteriebrigade einen hervorragenden folgekrieg und den Pommerschen Feldzug Platz in der Geschichte der Schlacht von vom Jahre 1715 mitgemacht hatte und, Vionville-Mars la Tour am 16. August obgleich er fast ein Siebziger war , in 1870 einnimmt. Zur Zeit dienen 37 Wedell den beiden ersten Schlesischen Kriegen focht, im preußischen Heere. Es ist mit ihnen, und von Asmus Ehrenreich, der auch Mit- wie mit den Borcke , ein Wechsel auf die glied der Akademie der Wiſſenſchaften war, Zukunft gezogen. sind auf dem Friedrichsdenkmal unter den Brandenburgisch sind die Arnim und Linden in Berlin verzeichnet. In neuerer Zeit das Regiment, welches ihren Namen trägt. ist besonders bekannt geworden der Gene- Ihre Reihe hebt im brandenburgisch-preuralleutnant Friedrich Wilhelm Adalbert ßischen Heere mit Georg Abraham von von Bredow. Am 16. August 1870 führte Arnim ruhmvoll an, welcher 1734 als er, an der Spiße seiner aus dem 7. Küras- Generalfeldmarschall starb , nachdem er sier- und dem 16. Ulanenregiment bestehen fünfundzwanzig Feldzügen beigewohnt und den Brigade, den bekannten todesmutigen fünfzehn Belagerungen mitgemacht hatte. Reiterangriff bei Vionville-Mars la Tour, 1667 in den Dienst getreten , hatte er dessen Erfolg ein so schweres Gewicht in die schon bei Fehrbellin gefochten , war bei schwankende Wagschale warf. General von der Landung auf Rügen und beim Sturm Bredow hatte früher die 4. Dragoner be auf Ofen gewesen , hatte Bonn erobern. fehligt, daher wird es kommen , daß dem helfen und in den Kriegen gegen Franschlesischen Regiment der Name einer branzosen und Schweden, in den Niederlanden und in Pommern selbständige Kommandos denburgischen Familie verliehen ist. Die pommerschen Wedell erscheinen geführt. Sieben Arnim sind bis 1889 Geerst spät unter den Inhabern höherer nerale gewesen ; jezt dienen 41 ihres NaStellungen im Heere. Vielleicht haben mens in der Armee. sie mehrfach so viel Unglück gehabt wie Zahlreich sind auch zu allen Zeiten die jener erste General ihres Namens, Johann Burggrafen zu Dohna, einst in sächsischen von Wedell , der 1742 zu Kuttenberg in Landen die Nebenbuhler der Markgrafen Böhmen an seinen bei Chotusit erhaltenen von Meißen, jest in Preußen und in SchleWunden starb, nachdem deren acht , die sien angesessen, gewesen , und verhältnis er von den Schlachtfeldern in Italien, mäßig viele des Geschlechts sind in hohe den Niederlanden und in Pommern da und wichtige Stellungen gelangt , zwölf vongetragen, glücklich geheilt waren. Dann sind Generale geworden. Als der Große aber führte das Geschlecht sich vollbür Kurfürsteine stehende Kriegsmacht errichtete, tig ein durch den Oberstleutnant Georg erscheint alsbald Graf Christian Albrecht von Wedell, der am 19. November 1744 Dohna als Generalfeldzeugmeister in den den Elbübergang bei Soloniz in Böhmen Reihen ; von seinen sechs Söhnen blieben gegen große Uebermacht so tapfer ver- fünf im Felde, der sechste im Zweikampf. teidigte, daß der König ihn den preußischen Unter Friedrich dem Großen finden sich Leonidas nannte. Auch er fiel auf dem drei Dohna in der Generalität ; der geFelde der Ehre, in der Schlacht bei Soor nannteste ist Christoph II., dem es aber am 30. September 1745. Sein Bruder selten gelang, den König zufriedenzustellen. war Karl Heinrich von Wedell, deſſen mili- An seiner Stelle sollte der Diktator Wedell tärische Fähigkeiten und kriegerische Lei- die Russen schlagen, als er zur Schlacht stungen dem Könige ein solches Vertrauen von Kay auszog. Bedeutend war die eingeflößt hatten, daß er ihn, unter Ueber- Rolle , welche die ostpreußischen Dohna gehung älterer Generale, mit einer Heeres- während der Befreiungskriege spielten, und macht von 27500 Mann den Russen mit der Laufbahn eines ihres Namens entgegensandte. Er sollte bei denselben aus jener Zeit wird auch die Wahl des sein, was zu der Römer Zeiten ein Diktator Ostpreußischen Ulanenregiments Nr. 8 war, und sollte die Russen angreifen , wo für die Verleihungihres Namens zusammener sie fände. Wedell wurde damals bei hängen. Es ist Graf Friedrich, der SchwieKay geschlagen; der König entzog ihm aber gersohn Scharnhorsts , welcher, wie Clauſeseine Huld und Gnade nicht, und Wedells with, 1812 den Abschied nahm, um in spätere Thaten bewiesen , daß Friedrich russische Dienste zu treten. Als Kom-
Karl Prümer.
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Eine Bergfahrt in den steirischen Alpen . 1049-
mandeur eines Husarenregiments der rus | Wagen und an ſtandhaftes Ausharren , an | sisch- deutschen Legion kehrte er heim ; hervorragende Leistungen im Kriege und als die Legion nach Beendigung des Krieges im Frieden. Noch aber ist der Raum bei von 1814 in das preußische Heer über weitem nicht gefüllt ; eine große Zahl von ging, kam mit dem ersteren auch Dohna Truppenteilen harrt des Vorzugs, welcher in den vaterländischen Dienst zurück. Es zugleich die Beliehenen und diejenigen ehrt, ist eben jenes Ulanenregiment , welches nach denen jene benannt wurden . jezt den Namen seines Hauses erhalten. „ Ich behalte mir vor , ähnliche Aushat. Graf Friedrich Dohna blieb mit zeichnungen auch in Zukunft zu verleihen, " demselben im Laufe seines späteren mili- heißt es in des Kaisers Befehl . Gehet hin und verdienet sie ; der Wetttärischen Lebens in vielfachen Beziehungen ; zuletzt stand es unter seinen Befehlen, als er, bewerb ist eröffnet . Kühn ist das Mühen, zum Generalfeldmarschall aufgestiegen, das herrlich der Lohn. Einem jeden ist ge 1. Armeekorps in Königsberg befehligte. stattet , um den Preis zu ringen. Wer Wir sind zu Ende. Lang ist die Reihe es nicht selbständig, allein und aus eigener der Regimenter und Bataillone, deren Na- Kraft kann , versuche es als Teil eines men an die Verdienste ihrer Träger er Ganzen, als ein Glied ſeines Geſchlechtes, innern ; eine stolze Ruhmeshalle, voll der einer muß den Anfang machen, und Erinnerung anKampf und Sieg, an kühnes | „ Aus dem Soldaten kann alles werden!"
Eine Bergfahrt in den Peirischen Alpen.
Von Karl Prü me r.
Jas Dampfroß hatte mich der Heimat | in Bewegung. Die arme Hochlandblume! D entführt; vorüber flogen Dörfer, Um welchen geringen Preis setzt sie ihr Städte, Flüsse, Berg und Thal, und gar Leben ein, ein Fehltritt - ein Schrei flüchtig war ihr Grüßen ; viel inniger grüßen ein Fall ein dröhnendes Echo dann Du Edelweiß, ich mag fie den Wandersmann mit Knotenstock und Todesstille. Ränzlein, als jene Gäſte, welche in Windes- dich nicht leiden, fort mit dir in den Ab eile vorübereilen und nicht selten kaum grund! Ich schleuderte den Strauß hinab. einen Blick für die hehre Schönheit der Weiter ging's — glücklich erreichten wir Graz. Natur haben. Vom Schloßberg aus hat das Auge Fern von mir liegt die Heimat, ich bin in Graz und rufe aus vollem Herzen : des Wanderers eine liebliche Fernsicht. Grüß dich Gott, du grüne, schöne Steier Prächtige Gebirgszüge werden sichtbar, Das war eine prächtige Fahrt die Mur durchzieht wie ein Silberband mark! über den Semmering , vorbei an tiefen das grüne Thal , und zahlreiche WohnAbgründen, durch Berge, über Schluchten stätten umgeben weithin den Berg. Seid und Brücken nach Mürzzuschlag und von mir gegrüßt, ihr grünen Matten, eilender dort nach der Hauptstadt. Fluß, blaue Berge, seid gegrüßt ! Rings Fast kam es mir vor, als habe sich ward's still, aus den Kaminen stieg hier der Erbauer der Bahn einer Entweihung und dort blauer Dampf hervor und verder Natur schuldig gemacht , als er diese schwand im großen All für immer. Von gewaltigen Bergkolosse durchbrach , als er fern sandte eines Kirchleins Glocke ihre den Frieden dieser großartigen Gebirgs Töne zu mir, eine Schar munterer Tauwelt störte. Die wildromantiſche Gebirgs- ben badete die Brust im goldenen Sonnennatur hatte meine Seele eingenommen ; strahl. Wie bist du so schön , du Perle es wohnt in dem Anblick dieser Natur Steiermarks ! Im Morgensonnenstrahl durchwanein ernster, feierlicher Schöpfungsgedanke, eine großgeartete Ursprünglichkeit. derten wir die Hauptstadt , ließen die Geflemmt in den Bergen ziehen sich die Häuser hinter uns , hinter uns die Fußpfade, gar winzig anzuschauen, durch Schläfer und zogen durchs grüne Thal diese Bergkolosse, und in majestätischer Ruhe über Berge und Höhen . Hier und da grüßte uns ein Eichbaum, immer dunkler liegt der Hochwald. Auf der Station Mürzzuschlag trat wurden die Nadelhölzer , farbenprächtig eine liebliche , junge Hochwaldblume mit kontrastierten die frischen Landhäuser frischen, klaren Augen an mich. „Kaufen's gegen den dunkeln Wald. Da klangen Edelweiß, gnä' Herr, “ begann ſie und hielt helle Töne an unser Ohr, wir lauschten , mir einen Strauß dieser Sternlein der stei schritten weiter und erblickten unter einer rischen Berge entgegen. Ich nahm ein Tanne einen jugendlichen Wanderer. Er Sträußchen und drückte ihr einen Silber hielt ein Horn an den Mund und blies sechser in die Hand. Mit einem: Küss eine gar lustige Melodie. die Hand!" empfahl sich die Kleine und Da hielt's uns nicht mehr, wir fielen wanderte weiter mit ihren Alpenblumen. ein, und durch den taufrischen Wald klang Lange sah ich ihr nach — der Zug sette sich | unſer Sang:
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Da finget und jubelt das Herz zum Himmelszelt, Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt. Das Lied weckte ein Echo in den Bergen und verhallte in der Ferne. Der Wind spielte in den Baumkronen , wir zogen weiter, immer weiter. Fernab blauten prächtige Tannenwälder und friſches Weinlaub schmückte die nächsten Berge ; von einem Gebirgskamm grüßte uns ein weißgetünchtes Kirchlein . Es nahte eine Prozession. Gar müh sam trug ein Alter im Silberhaar ein mächtiges Kruzifir , und junge Bursche schritten hintendrein. Schwere Tropjen perlten auf des Alten Stirn und noch weit war's zum Mirakel. Muß denn das Alter allein alles Kreuz auf sich nehmen? Während ich rüstig voranſchritt , nahten sich ehrerbietig die Landleute, etliche küßten mir die Hand , etliche lüfteten den Hut und sprachen: „ Gelobet sei Jesus Christus ! " " In Ewigkeit! " entgegnete ich. Verwun dert blickten meine Gefährten auf mich und die Grüßenden, bis sich herausstellte, daß mich die Landleute für einen geistlichen Herrn gehalten hatten. War ich doch ein Weltkind und nicht ihres Glaubens. Wir erreichten Deutsch-Landsberg, das Paradies der grünen Steiermark. Golden glänzte die Sonne und über uns lachte ein tiefblauer Himmel. Wo ein Tannenreis die Hausthür schmückt, da kehrten wir ein; bald perlte der Wein im Glaſe , und die Gläser klangen, und die Herzen wurden so weit, ob aller Sommerpracht. Hinauf ging's zum alten, zerfallenen Schlosse. Wir durchwanderten einen Raum nach dem andern, auch die arme Sünderstube wurde uns gezeigt und gerade von dort aus bot sich die prächtigſte Aussicht. Das ist zweifacher Tod dort vom Leben Abschied nehmen zu müssen, wo einem die Welt in solcher Pracht und Schöne ent gegenlacht wie in der Armenſünderſtube von Deutsch-Landsberg ! Der Gedanke macht das Herz trübe, fort in die freie Natur' grausames Zeitalter, dein Abschied sei gesegnet ! Dicht an einem Gehänge , wo ein Wildbach schäumt , steht eine alte Eremitage. Der Eremit hat sie verlaſſen und ist längst eingegangen in jene, wo ewige Ruhe herrscht. Die Hand D26 Alten hat einst in einen Stein der Einsiedelei die Worte eingegraben : Beata solitudo , sola beatitudo “ . ( Glüdlich die Einsamkeit, sie ist das einzige Glück. ) Dies ist das Vermächtnis des Alten . Wer warst du, alter Einsiedler, was hat dich hergeführt, dich veranlaßt , der Menschheit den Rücken zu fehren , einsam dein Leben zu vertrauern ? so mußte ich fragen. Vielleicht, sagte ich mir, warst du , Alter, mit vollen Segeln in das Leben getrieben, hattest dein Herz an irdische Liebe gehängt und diese Liebe hat dich getäuscht ; ge brochen zogst du dich zurück, wähnend, die Welt sei nichts als Lug und Trug, nicht wert, daß man ihr eine Thräne weine.
Karl Prümer .
Eine Bergfahrt in den steirischen Alpen. 1053
1052 es : dies er ein erzigeht Steirder treuh er verst GrüßGrüß Gott en! , zu, und Steir ist | zufrieden mit dem, was die Natur ihm bietet, was der Himmel sendet : dem Alpensohne schlägt ein Kindesherz in der Mannes-
"Ich glaube, alter Freund , wir wer den uns den Weg zum Hochgebirge durch dichten Nebel suchen müſſen, guten Morgen ! " erscholl neben mir eine Stimme, und mein Reisegefährte , Doktor Rohrmann, einer aus dem Freundeskreise vom Jm Rautenfranze " da kehrten wir ,,Deutschen Tisch" , steckte das rote Gesicht andern in den Staub sinken und ſankst brust. ein, die Fiedel klang und mitten im Kreise aus der mächtigen Dämmerung und die kleinen Augen blickten gar lebendig ins Lauchdu? War's anders ? Hast du das Leben uner ware es fern von den Ufern Wetter hinein . " Soll uns nicht grämen , enn wir der Zige Gäste nahm Play. en mit vollen Zügen genoss , hast du den der Theis , von den weiten Pußten des Doktor," entgegnete ich, die Sonne wird " Kelch der Freude bis zur Hefe geleert, Ungarlandes , wunderliche Gesellen , ohne schon frühzeitig genug ihr Aufräumungsg lin e ter er um met aus jed Bl wie ein Sch Rast , ohne Ruh , die den Fiedelbogen werk vollenden , wenn sich dann der Vorschwangen und seltsame eigenartige Me- hang hebt, blicken wir auf goldene, lachende Honigseim gesogen ? Warst du gesättigt, schien das Leben lodien den Saiten entlockten . Eine feier Szenen voll Liederlust und Sonnenschein “. dir schal und flach, oder quälte dich die liche choralgleiche Weise tönte jest an , Würde mich freuen ," fiel mein Nachbar Eduld und glaubtest du Vergebung zu unser Ohr. Wenn der Zuhörer die Augen ein, wenn es wahr wäre, ich für meine " finden durch ein Leben der Entbehrung , geschlossen hätte, konnte er vermuten in Person werde die Augen weit genug aufder Armut, der Einsamkeit ? einer Kirche dem Gottesdienste beizuwoh- reißen , um zu sehen, was zu sehen ist, Und hatte sie dir das Glück gebracht , nen, so ernst, so feierlich erscholl die Musik . für einen guten Plas in dieser Opera ist ine te bst gru : in die Ste als du die Wor Da plöglich war es , als seien die bestens gesorgt . Niemand hat nötig, sich Beata solitudo , sola beatitudo "? Spielleute von einem Zauberschlage ge- auf die Zehen zu stellen , und kein langIch glaube es nicht ! Was immer der troffen , wild und unbändig strichen sie beiniger Vordermann wird uns die AusGrund gewesen sein mag , der dich hieß über die Saiten , ein Ton jagte den ansicht rauben . Die zweibeinigen Choristen der Menschheit entsagen , nichts rechtfertigt fümmern sich gottlob nicht um Dirigentenzug len en ben Rüd . Jm vol Leb kannst du Nirg in ends wilder fand Hast. ich ein getreueres stäbe, Regisseure und Partituren , NotenGlud und Frieden finden , hilfreich sei dern Spiegelbild eines Volkscharakters durch köpfe und Rezensenten . Tirili ! schallt's und diene der Menschheit , es folgt der durch den Morgen ; ein Juchzer soll fol schwersten Schuld die Sühne dann . Wärst gen, wie ihn urfräftiger das Hochgebirge die Musik dargestellt , denn hier. u ein Heiliger und voller Wiſſen , allein Das einförmige , wogende Getreide Wecken wir die mit dir, du gältest nichts , wärst wie ein meer, die öden Steppen und einförmigen noch nie gehört hat. tt bla Bergament fer , das voll Weisheit einst Weiden mit ihren hölzernen Ziehbrunnen SchläMe ." Nachbar durchschritt die Hausin geprangt , nunmehr vergilbt , ein wertlos und ausgehöhlten Baumstumpfen davor flur , klopfte an verschiedene Stubenthüren , als Tränke haben den Bewohnern ein legte die hohle Hand an den Mund und Etück, dessen Zeichen niemand deutet . Ich zog das Seil und heller Glocken ernstes , melancholisches Gepräge gegeben ; blies den militärischen Weckruf mit großer ton durchhallte den engen Raum ; eine der ernste Teil der Musik repräsentiert Meisterschaft , worauf es alsbald allerFledermaus verließ erschreckt ihren Schlupf es . Wie der Umschlag vom Ernsten und wärts lebendig wurde , denn niemand wintel, flatterte unruhig hin und her und Ruhigen zum Wilden , Unersättlichen ein te sein. wollte gern der lez fand endlich den Ausweg ins Freie . Im Gastzimmer wünschten wir uns unmittelbarer in der Natur des Magyaren Jahre wohl , alte Eremitage , lehre ist , so in der Musik der Wechsel der einen guten Morgen . Auch der behäbige ans flüger sein als jener , den du einst Choralmusik zur wilden Jagdmusik ohne Wirt fand sich ein und begrüßte uns , beherbergt hast, daß wir wirken zum Wohl Steigen's mit auffi ?" fragte seine Gäste . alle vermittelnden Akkorde . er Menschen , bis wir einrücken in die Glaubte man bei dieser wilden Musik ihn einer unſerer Reisegefährten . „Wanns sunkle Einsiedelei , daraus niemand wieder- nicht den Tschifos zu sehen , wie sich unter Wetterglas net lugt , werden wir holt sehr ihm das wilde Bußtenpferd gewaltig sträubt , anen scheanen Tag bekommen ," meinte der Sehrt! Wir lenkten die Schritte dem Städt und dann der kühne Reiter in rasender Wirt, aber sie könnten mir schon ganz hen zu, um dort zu übernachten und uns Schnelligkeit die weite Ebene durcheilt , bis Steiermark geben und ' s Kärntnerlanderl reu zu ſtärken für eine weite Wanderung . das Pferd erschöpft zusammenbricht ? dazu , i frarelte net mit auffi auf die Alp . Zin Forstmann schloß sich uns an, gefolgt Die braunen Söhne der Pußta schienen Hob eh meine liabe Last, daß i die Trepn bge enelie nde Aurf die Be-- in diesem Teile des Steierlandes zu den pen auffi kumm , aber wann i mit Ihna gemess . ste on sei läßt Hu ihm der För vernem eal vier , Seltenheiten zu gehören, denn gar ver ging auf die Alp, gehorsamster Diener! e tte n dre es den Jag , sei alt Stä per In es mit einem andern in Oberöster wundert blickten die Gäste auf die Spiel i glaub holt der Kranzlwirt könnt holt cch zu vertauschen . Am Fuße des Berges leute und stillschweigend lauschten sie der noch am selben Tage sogen : Behüt' di Jandte er sich noch einmal um, hob seinen fremden Weise, als aber das „ Gott er Gott, du scheane Welt! " „Na, na, “ fiel raunen Jagdhund in die Höhe und be- | halte " ertönte , brach sich lauter Jubel unser Doktor ein, so arg wird's nicht !! ann: „ Schau her, mach' holt ' n Servus Bahn . Wir suchten das Nachtlager auf ; werden , könnt gor net schaden , wann nn t en or den Berg , schaus sie zum letzten noch lange tönte die Fiedel und die Worte Jhne die Morgenso e a bisserl auf den breiten Rüden fiel. Wissen's Kranzlwirt , al ; aus ist's , gor ist's , mir zwa müssen drangen an unser Ohr : Dieses schöne Land ist mein Heimatland, alle Gastwirte , die in ihrem Leben geg , lag r. Schau wie der Berg uns grüßt, andde, unes erlEr IstDämei lieb teures . rings pantscht haben , kommen in die Hölle und mmner der aufVat a oft miteinand auffi krarelt, geschicht war es still. Plötzlich ließ der Haushahn die dicksten müssen zur Strafe für das t nimmermehr . Behüt' di Gott, liab's unseres Wirtes seinen Weckruf erschallen . Weintaufen bei 50 Grad Hite die feueranderl ! " Der Jäger schwenkte den Hut , Er durchtönte das Städtchen , und nicht speienden Höllenberge auffikrareln und da r Hund glitt zur Erde und schweigsam lange währte es, da wurde es allerorten dächte i, Sie thäten gut, ünsere Einladung Britt der Jägersmann neben uns daher, „mi holt für end diese lebendige , lebendig ; in allen Tonarten enund Va- anzunehment , um" gar rühr Sie m fol gjaist nd.r zur Natur! riationen erscholl der gefiedert Sänger die Zukunf so a loans bisserl vorzube Huire r r Ste wei ebegte dede Li oliche Die Erde ruhte noch unter dem reiten , eh mi der Knochenmann um die Erd e e nd en ge ch iß ti ne ra wä nächtigfeuchten Deckmantel der haut, " fiel der Wirt ein und lachte dazu. , we , ch Sp sei hat Ge mä Gießbach redet , es reden die Bäume, Ruf . Dös gibt's net , wann all die Fässer " ld , der en wa ig den r t uld en rte en d r che ch gol der ged har le nn un ahl Na r wel , Ad n str Ta de e n lte er be en es nen , Vöslauer , Luttenberger , Jerusalemer, sol , die ihn he durch- Son Aeth den blau len Flug ncidet , die flüchtige Gemse , Baum und damit Menschen und Tiere, Bäume, Blu Ofener, Erlauer , Szegszarder und Schomlauer dös hölzerne Schloß vor ihren runden n e e aue tes nn fer n . m en sch um e So Got d Grä , me de ch ruf all sie , Bl un au 1051 r Kühn heit duKopf volle en , | ins Oder Leben stürmt hinaus,est den voll Plän Nuhmsucht im Herzen , und glaubteſt wer weiß welche Rolle spielen zu können , sahst deine stolzen Luftschlösser eins nach dem
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Eine Bergfahrt in den steirischen Alpen. 1055-
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Mäulern wegthun und reden könnten, wür | liegt, ruhten auch Sie, vielleicht eine will dort unten ist eine glückliche Mutterden sie holt sogen : Laßt uns den Kranzl kommene Agung für junge Adler. Die sie weiß ihre Kinder gesättigt und gesund. wirt in Ruh mit euren spizigen Stadt Tanne mag immerhin mit ihrem Schicksal Wo solcher Lohn der Arbeit wird, da zungen, versucht unsern Inhalt, hernocher zufrieden sein; ein solches Grab ist der darf die Hand nicht ermatten. Fahrt fort , mußt den Tag und die werdet ihr sehen, daß der Kranzlwirt a wilden Tochter des Hochwaldes würdig. kreuzbraver Kerl iſt und koan Haderlump. " Was wäre sonst ihr Schicksal gewesen, Scholle, denn die kleinſte bietet Raum für ,,Laßt gut sein Alter, " verseßte der Doktor wenn sie den Wurm nicht in dem Herzen tausend Samenkörner , wie das fleinite und klopfte den Wirt auf die Schulter, trug und nicht in der Tiefe ihr Grab Herz für tausend Hoffnungen! „das Kompliment muß ich Ihna machen, fand ? Von einem rußigen Köhler zu Wir machten Halt und hielten Rundkoan bessern Tropfen gibt's als den beim Holzkohlen gebrannt zu werden, nachdem schau über die ganze Strecke , welche wir Kranzlwirt; seid's zufrieden ?" „Wull, sie vorher schon von einem Pechsieder ihres bereits zurückgelegt hatten, und wahrlich, wull, wußt i eh, daß der Doktor mein Harzes beraubt ist, wüßte nicht, daß dies allen Respekt vor unserer Fähigkeit i Getränk net schlecht machen wollt ; das ein beneidenswertes Ende für eine Tanne Bergſteigen ; wir müſſen uns diesmal ſelbſit Taufen überlaß i holt jedem Durstigen, wäre , auch das nicht , zu Brettern zer loben und sagen : für die zurückgelegte der die Boaner unter den Tisch vom schnitten zu werden , um einem müden Strecke und den beschwerlichen Aufinea Kranzlwirt stellt.“ Wanderer als lezte Ruhestätte zu dienen . haben wir recht tapfer einen Fuß vor den " Fertig zum Aufstieg! " kommandierte Zur Herstellung eines musikalischen Zn- andern gesetzt. Wir blickten weithin in das Land hinab drauf der Doktor , und alle machten sich strumentes , eines hübschen Hausmöbels bereit. verwandt zu werden , ist ebenfalls noch und machten den Versuch , uns auf der „ Na, Kranzlwirt “ , begann ich, „ wann ein erträgliches Tannenlos. Wäre ich großen Reliefkarte der Natur zu orien ich auf der Höhe bin, halte ich Umschau, eine Tanne und mein Schicksal in meine tieren. Es gelang uns nicht. it es und sehe zu , ob ich hier unten nicht ein Hand gelegt , so würde ich bestimmen : doch für jeden , der darin keine Uebuna winzig Hütterl find', das Ihnen zu eigen Laßt mich als Mastbaum eines Schiffes hat, ein schwierig Ding! ist ; ich werde es von oben herab grüßen, pfeilschnell über die Wellen treiben bis Der Bergkopf und die Bergkette ſehen den Vögeln sagen : fliegt zum Kranzlwirt die Windsbraut oder ein Wetterschlag von der einen Seite so aus, von der ans und singt ihm ein Liedchen aus froher meinem Dasein ein Ende macht und ich dern haben sie ein so ganz verändertes Brust; dem Sonnenstrahl: Gib auch in Ruhe finde im Schoße des Ozeans . In Aussehen , daß man sich sagen möchte: Zukunft den Trauben wahres Feuer, daß des unserer Tanne Los ist entschieden, Unmöglich kann dies derselbe alte Bea ihr Saft die Leidenden heile und fröhlich dort unten ist auch Ruhe. " Gottlob, daß sein , den du so häufig mit vieler Mute mache alle traurigen Herzen ; zum Kranzlich noch im goldenen Sonnenlichte atme!" unter Schweißtropfen erstiegen hast. Ge : sag nein, mein Berg, du bist es nicht, d. wirt aber : Behüt' di Gott , alte , treue stieß ich hervor. Seele, noch manches Jahr!" Ein zersplitterter Baumstumpf blickte, du so selbstbewußt, kraftvoll und bis zum Der Wirt schüttelte mir gerührt die gar traurig anzusehen, aus dem Boden, schön abgerundeten Kegel grün belau.s Rechte, und als wir Abschied vom Rauten- und die Tannen schauten ernst auf ihn unter meinen Füßen daſtandſt, als ob ca franz nahmen, stand der Kranzlwirt in der herab. Ein Vöglein hatte sich auf einem sagen wolltest : Hier hat mich eine er Thür, schwenkte die grüne Samtkappe und Tannenzweige niedergelassen und ließ sein habene Kraft hingestellt , hier bleibe i fröhliches Liedchen erschallen. blickte uns lange nach. und wehe dem, der mich verdrängen wil, Wir schritten rüstig voran über Hügel Du hast recht, du kleiner gefiederter an meiner steinernen Stirn soll mandes und Berge hinweg. Des Kranzlwirts Hochwaldsänger," fiel ich ein, singe dein zerschellen. Aber der Berg bleibt stum Wetterglas hatte nicht die Unwahrheit Liedchen": er ist derselbe, den ich ſo oft erſtican gesagt , denn in kurzer Zeit schon hob habe und jest kenne ich ihn nicht wieder. Tirili! Tirili ! Von dieser Seite schaut der Berg ins fich der Nebel und golden strahlte die Traure nie, traure nie, Sonne. Land wie der Hinterkopf eines Greites Freu dich am Sonnenstrahl Verschwunden ist das lebensfrische Grün Uns wurde die Brust weit und immer Der Blumen allzumal. Tirili! Tirili ! weiter ob dieser Hochwaldpracht , die Vögel nur hier und da, tief unten, wachſen arm Kurz ist dein Lebenslauf, felige Tannenbäume , während sich ebe fangen und ein kräftiger Juchzer erscholl Bald hört dein Daſein auf; in die Berge und weckte fernes Echo. halb nackte Felsen bis zum höchſten Berg Hör, was das Vöglein spricht Höher, immer höher führte uns der gipfel hinziehen: ein steingeworden Und traure nicht. Weg, an schwindelnden Abgründen vorGreisenhaupt, das der Erlösung harrt, Tirili! Tirili ! steht der Berg da. bei, die uns schwarz und unheimlich eutHöher, immer höher! - Ein StoppelAus dem Tannengrün ragt hier 7 gegenstarrten, an ſtarren Gehängen und wilden Gießbächen vorüber, deren mäch feld auf dem ersten Viertel des Hochge dort ein Kirchlein , gar einladend an tige Sturzwellen urkräftig auf die Felsen birges bereitete uns eine genußreiche Abschauen. Die Erbauer haben sich auf schossen, dann in weißen Gischt und viele wechselung, und kam uns der Anblick des Wahl der Plätze verstanden, das Zeug Tausende von Tropfen zerstoben. Feldes in dieser Höhe ganz unerwartet. muß man den Leuten geben. Wo In unmittelbarer Nähe eines Abgrun- Wieviel Mühe und Schweiß hat es ge- Erde ihr Feiertagskleid anzuhaben schem des stand eine mächtige alte Tanne, ein kostet, sagten wir uns, diesem kargen Bo- wo die Aussicht am prächtigſten iſt , ehrwürdiges Haupt; ich legte die Hände den goldene Früchte abzuringen ! Hier war braucht man nicht lange nach einem si Bon an an den Stamm , um den Versuch zu das scheinbar Unmögliche möglich gemacht, lein vergebens zu suchen. machen, den Baum zu rütteln, da — ein und das öde Feld predigte in ergreifender Hügel aus beherrscht es das Städte Krach, die mächtige Tanne , anscheinend Weise : „ Labor omnia vincit" . Wer möchte oder das Dorf und nicht gar selten gesund und doch den Wurm im Herzen, noch Mosis Worte : Jm Schweiße deines der müde , fromme Waller noch kuri stürzte mit gewaltigem Getöse und ver- Angesichts sollst du dein Brot essen! aus seinem Ziele Hunderte von Treppenst schwand in der Tiefe. Ein dumpfer Ton voller Ueberzeugung einen Fluch nennen . erklimmen, ehe ihn die Pforte des m leins aufnimmt. Man muß es den drang an unser Ohr, dann ward's still. In der Arbeit ist Frieden und Segen! i Dort unten in einem der Häuschen, schen nicht zu leicht machen Betroffen blickte ich der Tanne nach , " jeder von uns ging ernſten Gedanken nach, keiner wagte zu reden. Endlich ergriff der Doktor das Wort, mich freundlich auf die Schultern klopfend, begann er : „ Alterchen , Alterchen , wie wenig hätte gefehlt und wo jezt der Baum
die kaum dem Auge sichtbar sind , wird das Korn des Hochgebirges zu Broten gebacken, dort unten werden sie verzehrt, die Früchte des kargen Bodens, dort umringen junge Herzen die Mutter und sind froh, wenn ein Teil des Brotes für sie abfällt,
auch das Himmelreich schwer zu verdien Zu Füßen der Kirche ruhte das Sta chen; wie winzig sehen von hier oben Hausdächer aus ! Golden glänzt die za straße im Sonnenschein. Ein Haus fast aus wie das andere , die Einwo
Auf der Düne.
Don Mar Schmidt.
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Karl Prümer.
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Eine Bergfahrt in die ſteiriſchen Alpen. =1058
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fühlen und denken einer fast wie der an- | enk so sißen sieht, ſollt man schier denken, | der Anderl net mit der Sproch auſſi gedere, und doch könnte man mit den Blicken koaner hätt' seit a Wochen was z'essen ge- wollt, do hob i ihm den Kopf in die Höh' die Wände durchdringen, was alles würde habt. Gelt ist doch a scheanes Ding, " geruckt , hob ihm in die Augen geschaut man zu sehen bekommen , daß man sich wann's noch Küh gibt , ' ne Alp un und nochmol gefrogt : Sog, Anderl, bin i schier wundern sollte, wie die Häuser selbst So ane blitsaubere Sennerin wie da Schat net mehr ? Dann hob i's nimeine gar so teilnahmloſe Außenseite zur du , " fiel der Doktor ein und fuhr fort : mer aushalten gekonnt und hob wanen ge„ i's gar so ein Wunder , daß wir alle mußt , lange lange. Der Anderl hat Schau tragen. Die Sonne lachte auf alle herab und samt ' n gesunden Hunger haben, nachdem mi in ' n Arm nommen, hat auf mi herabschien auf der Welt nichts als eitel Friede wir seit fünf Uhr in der Fruh die Boaner geschaut und gesogt : Wann's dann wissen voreinand sehen , uns die Alpenluft um willst, wos mi so traurig mocht , so will und Freude zu ſein. Nachkurzer Rast ging's weiter. Immer die Nas geweht und der Magen nit viel i reden , ' n por Worte nur , bitterböse steiler zog sich der Fußweg über Gerölle mehr bekommen hat , als a bisserl Brot Worte: I muß di verlassen , Pepi , muß hinweg , langsamer wurden die Schritte, und a kloans Schluckerl Wein? Ces Alpen- nach Wean und Soldat werden . Da wor's da endlich hatten wir das erste Ziel menschen hier oben kennt nit mol , was aussi. Hob mir nie denkt , daß wir net erreicht: die Sennhütte. Hunger und Durst ist, macht's alle gleich immer z'sammen bleiben könnten, jest wor Ein sonderbarer Anblick bot sich uns und trinkt schon eh ihr durstig seid, habt ma ganze Freud hin. Noch lange haben wir da. Prächtige buntgefleckte Kühe weideten die Taschen voll zu kauen , seid halt nie den Morgen bosammen gesessen, wir zwa, unfern der Sennhütte; unter einem Tiere hungrig, nie satt." aber gesprochen haben wir wenig. Der lag ein Hirtenknecht und sog die Milch „ Jösas, die Kern ! “ fiel Pepi erschrocken Anderl hat mi z'lezt den Arm auf die aus der Kuh: das war sein Mittagsmahl ! ein, eilte darauf zu und begann zu buttern, Schulter gelegt , so hob ich ihm a gut Unsere Ankunft störte ihn keineswegs, er daß die Milchtropfen davonstoben. Stück Wegs das Geleit gegeben ; ' n trausog weiter und schien unersättlich. Als Kaum war Milch und Brot vertilgt, riger Abschied war's, so traurig, wie i ihn sich bei uns nachgerade Durst und Hun- so wurden die kurzen Pfeifen angezündet nimmer erlebt hob. " Die Sennerin schwieg und blickte ger geltend machten , traten wir in die und Umschau gehalten. Sennhütte und mit einem frischen , freuIn der That! Pepis Sennhütte war vor sich hin. - " Ist dein Schagerl noch digen Grüß Gott ! begrüßte uns die Sen- ein Muster von Reinlichkeit. ,, Schau, schau, " net zuruck und denkt er auch an di ?" nerin , wobei kein Zug im Gesicht und hub der Doktor an, „ die Pepi will a Stadt- fragte teilnahmsvoll der Doktor. !! Er hot kein Ton ihrer Stimme uns verriet, daß dame werden, hat gor a Spiegel ; so ein mi san Bild geschickt und anen scheanen unsere Ankunft die Sennerin überrascht habe, Möbel in der Sennhütte ist schon das Gruß, im Frühjahr kehrt der Anderl ham, vielmehr machte die Art ihrer Begrüßung Höchste, hab holt immer glaubt für a dann ist san Dienst um und i werd ma den Eindruck, als handle es sich um den Sennerin sei der schönste Spiegel das Schagerl wiedersehn . “ „ Do werd's Buſſerln Empfang alter, lieber Bekannten. Wäh- Alpenbächerl, dös Stadtding hätt' i nim geben! " fiel der Doktor lächelndein. „ Sprich rend die Sennerin mit uns sprach, blieb sie mer auffi hängt , daß i dir's nur sag, net so, i kann net davon reden hören und unverwandt bei der Butterkerne stehen und Pepi , i net , wahrhaftig net. " " 3wegen freu mi still vor mi hin, weil i oft denkt butterte lustig drauf los. Und die Ein- moaner braucht fa Spiegel dorten z'hän hob: freust du di z' viel, hernacher gibt's ladung folgte: „Macht's euch kommod in gen , aber ma Schah , der Anderl , hot'n noch a Leid. Und wann 's Herzerl mi so der Hütten und schaut holt um und um, mi zur Kirchwah kaft und i hob'n auffi druckt, knie i holt vor ma Gnodenbild und damit ihr erzählen könnt , wie es aus hängt und ' n Sträußerl auffi steckt, es ist sog : Heilige Jungfrau, du mußt mi helsicht bei der Pepi auf der Alm . “ „Hast holt gewaht van Herrn Pforrer, so lang's fen , daß ich ma Anderl wiedersich , ſonſt recht," entgegnete der Doktor , „ aber gut dort obi steckt , schlägt der Blig net in bin i gor so arm, und die Jungfrau schaut wär's, wenn wir bald a scheane Aussicht ma Hütterl. " „Wär gescheiter gewesen, " mi dann so freundlich an, daß i ba mi auf was z'essen hätten, Hunger und Durst entgegnete der Doktor , wann dir der denk: sie wird di schon helfen , Pepi , sie haben wir grad gnug. Hast ka Milch Anderl a Busserl geben hätt' , als das läßt di net im Stich." „ Recht hast du, net , Pepi?" "Ka Tröpferl ist in der sakrische Ding; g'schicht deinem Anderl Pepi ," ließ sich der Doktor vernehmen, Hütten, aber wann aner van euch so lang ganz recht, wenn er hernocher noch a stolze , wer zwa Gnodenbilder im Herzen trägt, buttern will, bis i zuruck bin, werd i mel Frau kriegt , die , wie die Stadtdame, a kann net z' Schanden werden. “ ten. " Diesem Vorschlage entsprach der noch a Stadtkleid haben will und seidene Die Sennerin schritt auf den zweiten Doktor aufs bereitwilligste , rasch schritt Tücherl und Bänder , goldene Ringerl, Raum der Hütte zu, trat ein und kam er zur Butterkerne und, während die Sen- und hernacher kommt a unzufriedenes Her nach kurzer Zeit mit einem Bilde zurück, das sie dem Doktor hinhielt. nerin die Hütte mit einem großen Holz- zerl gefäß verließ , butterte unser Doktor mit „Daß i net lach, " fiel die Sennerin ein, Wahrhaftig! da stand der Anderl, wie einem lobenswerten Eifer bis Pepi wieder die Pepi und a Stadtdam' dös gibt's er leibt und lebt , in der Uniform der erschien und vor uns auf den Tisch das net, und wann's der Pepi a seiden Kleid Hoch- und Deutschmeister , ein prächtiger Gefäß mit Milch sezte. Kaum stand es anzögen und seßten ihr a goldnes Krö- Bursch und schaute lebensfrisch und froh dort, so war es auch mit der ungewohn- nerl auf den Kopf, i würd ka Stadtdam' in die Welt. Und Pepi blickte so seelenten Arbeit des Doktors vorbei , er ließ net, i blieb, was i bin, die Pepi von der vergnügt bald auf das Bild , bald auf Herne Kerne sein und Pepi nahm wieder Alm , dem Anderl sein Schaberl. " " Ist uns , als wenn sie hätte sagen wollen : ihren alten Plag ein. Brotreste wurden dein Anderl denn ein braver Kerl?" Gelt ! für so anen kann man schon was aus der Tasche gesucht, der Doktor holte ,,Kreuzbrav , hot nie wos z'Leid gethan, thun, kann ' s Herzl a bisserl Sorg und aus der Schieblade hölzerne Löffel und nun bloß das an Mol , als er morgens in der Weh mit in den Kauf nehmen. „Host ging's über die Milch her , daß es schier | Fruh kam. In der Hand trug er a Sträu- ka schlechten Geschmack gehobt, Pepi, wahreine Lust gewesen sein muß, unserm Trei Berl für mi und den Kopf ließ er hangen, haftig net," meinte der Doktor , aber ben zuzusehen. Und der Pepi schien unser ka Zuchzer habe ich gehört und net ant nimm di in acht , Dirndl, daß di die sagesunder Appetit besondere Freude zu be worten gekonnt mit'n Juchzer. Do hob frischen Stadtmadeln net dran kummen, reiten, denn ihre Augen ruhten ohne Uni ba mi denkt , dem Anderl ist wos pas hernocher ist's gor mit der Liab." „ Jesas, terlaß auf uns , endlich hielt es sie nicht fiert und nimmer wos Guts , so wohr i red net so a dumm Zeug" , fiel Pepi ein, länger, die Butterkerne wurde ihrem Schick- die Pepi bin. Richtig ! als der Anderl „ ma Schatz hat mir gesogt , daß er mi sal überlassen, und Pepi schlug voller Er mir die Hand gegeben, schau i ihm in die nimmer vergißt, i glab's ihm und ka Teurel staunen die Hände über dem Kopf zu- Augen und sag : Anderl , sog's nur, wos soll mi sogen , daß der Anderl_mi_net ſammen und rief erstaunt : „ Moaner Seel ! di's Herzerl druckt, i wos eh , wos recht mehr liab hätt. " Rasch nahm die Senhätt nimmer glaubt , daß die Stadtherrn Schlimms ist's und jetzt fogst's gleich, bin nerin das Bild wieder an sich und eilte gar so grauslich eſſen können, wann man i da Schat net mehr? Noch immer hot damit von dannen ; die Schieblade wurde 45 89. II.
Karl Prümer. =1060= geöffnet und der Anderl war wieder geborgen. Wir verließen die Hütte , und der Doktor gab Pepi den Auftrag , für den Abendimbiß Sorge zu tragen. Tonerl, Pepis Bruder , war verschwunden ; tief unten weideten die Kühe. Die Luft war klar und durchsichtig , wir blickten weit hinein ins schöne Steirerland und dann wieder zum Himmelszelt, das azurblau auf uns herniedersah. Hart an der Sennhütte war ein steiler Felsen mit dem sogenannten Wetterloch, das schwarz und unheimlich uns entgegen gähnte. Einer unserer Reisegefährten warf einen Stein hinab ; geraume Zeit währte es , bis wir ihn aufschlagen hörten und aus der Tiefe ein dumpfes Echo an unser Ohr drang. Hüten Sie sich , " begann der Doktor, und werfen Sie keinen Stein im Beisein unserer Sennerin oder eines andern Bewohners der Alp hinab, wenn Sie nicht deren Freundschaft ein für allemal ver scherzen wollen." Wir blickten verwundert den Doktor an, er aber beteuerte : „ es iſt so wie ich sage, nehmen wir hier auf diesem schönen Rasen Plaß und ich teile Ihnen kurz die Geschichte vom Wetterloch mit . " Wir lagerten uns , und der Doktor erzählte : "In grauen Zeiten lebte auf dieser Alp ein Ritter, der war fromm und that Gutes an den Leuten ; er war sehr reich und seine Besitzungen erstreckten sich über einen großen Teil von Steiermark. Dieser Ritter, Wunibald genannt, hatte auch eine schöne und stolze Tochter namens Adelgunde, die ein Ritter aus dem Kärntner- | lande kennen gelernt und liebgewonnen hatte. Dieser Ritter, Maurus, war ein tapfe rer Mann , schön und gar stattlich anzuschauen , aber er konnte nichts sein eigen nennen, als eine Burg, an der der Zahn der Zeit gar sichtbarlich sein arges Zerstörungswerk verrichtet hatte. Sogar die mächtige Wappentafel oberhalb des Burg thores war zersprungen , und die Hälfte des Wappentieres , eines schwarzen Bären, lag in Trümmern unfern des Burgeinganges . „ Der Ritter Maurus hatte das Edelfräulein Adelgunde durch einen sonder baren Zufall kennen gelernt. Ihr Vater war nämlich ein kühner Jäger vor dem Herrn und hatte die Ritter und Herren der Nachbarschaft zur Jagd eingeladen . Die Eingeladenen erschienen mit ihrem Troß und in der Burg des Ritters Wunibald ging es hoch her. Am folgenden Tage nach Ankunft der Gäste begann die Jagd. Zm Eifer derselben war Adelgunde auf einem mutigen Rappen dem Wilde nachgeeilt, hatte des Weges nicht geachtet und mußte zu ihrem Schrecken gewahr werden , daß ſie ſich unerwartet in einer ihr völlig frem den Gegend befand. Adelgunde rief laut in den Wald hinein , aber Niemand gab ihr Antwort; die Nacht nahte, aber kein Ton eines lebenden Wesens drang an der Verirrten Ohr. Voller Angst im Herzen ergab sich Adelgunde mählich in ihr Schick Als der fal und schlief erschöpft ein.
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Tag graute , wurde sie wach ; ihr treues Gedanken, des Weges daher, seine Augen Pferd stand neben ihr und grafte die dürf- | ruhten mit Wohlgefallen auf dem Edeltigen Grasbüschel ab , die vereinzelt im fräulein, deren Bekanntschaft ihn ein solch Walde umherstanden . Entschlossen und voll sonderbarer Zufall hatte machen lassen. „ So viel Mühe sich indes der Ritter frischen Mutes bestieg Adelgunde von neuem das Tier , ritt unaufhaltsam den auch gab, seine Begleiterin zum Reden zu ganzen Tag hindurch und gönnte sich kaum veranlaſſen, gelang es ihm doch nur höchſt die Zeit , einige Beeren für den Hunger selten, daß sie ihr Stillschweigen brach und zu pflücken und einen Trunk aus dem fil- Maurus mußte sich leider gestehen, daß in bernen Waldbache zu thun. Rastlos ging des Edelfräuleins Brust ein stolzes Herz es weiter, schon begann die Sonne zu sinken, wohne, trozdem glaubte er, ihrer Liebe als fernes Hundegebell an des Edelfräu- gewiß zu sein , oder sich wenigstens dieleins Ohr drang. Sie ritt weiter und er selbe erringen zu können. ,,Lange waren die beiden so nebeneinblickte eine alte Burg. Adelgunde sprengte darauf zu und ein alter weißköpfiger Die ander einhergeritten , als Adelgunde die ner, auch eine halbe Ruine, wie die Burg Führung übernahm . Der Weg führte ſteil seines Herrn, führte das Edelfräulein zum bergan. Da , als beide um einen Felsen Gottlob ! Ritter, der ganz erstaunt dreinsah, als in bogen , zeigte sich die Burg. dort ist die seiner Burg, die seit einer Reihe von Jahren begann das Edelfräulein , kein weibliches Wesen betreten hatte , die Burg des Vaters , und deutete mit der Fremde erschien und in holdseliger Anmut | Hand auf ein stattliches Gebäude , seien Maurus fiel es um Obdach für die Nacht bat. Da war Sie jetzt unser Gaſt. nun guter Rat teuer , aber der Alte schwer aufs Herz , als er am Ziel der Reise war, das Gefühl baldiger Trennung schaffte Rat. Nach Verlauf einer Stunde war ein drückte ihn nieder, wie auch die Ungewiß Zimmer notdürftig hergerichtet und der heit über den Ausgang seiner Werbung. Die Ritterburg war nahezu erreicht , da Rappe im Stall untergebracht. " Mit der Kochkunst des Alten war es begann Maurus : Adelgunde , lassen Sie indes nicht weit her, und genug Mühe mich noch einige Worte reden, ehe wir in kostete es ihm , ein kärgliches Mahl her- die Burg des Vaters einziehen, ich werde zurichten. Allein so einfach es war, fand kurz und aufrichtig sein. Ich liebe Sie es doch des Edelfräuleins ganzen Beifall von ganzem Herzen , arm bin ich an und zufrieden und gesättigt erhob sich Adel- Schäßen dieser Welt , aber mein Herz ist gunde, nachdem sie dem Ritter noch erzählt, unaussprechlich reich an Liebe für Sie; daß sie eine Tochter Ritter Wunibalds in Adelgunde, sagen Sie mir, daß Sie mich Steiermark ſei und sich auf der Jagd ver- | lieben können !" irrt habe. „ Ritter Maurus , ' entgegnete dieſe und „ Voll Erstaunen lauschte Maurus den wandte den Kopf ſtolz dem Ritter zu, die Worten der Fremden und in seinem Herzen Tochter Wunibalds gibt ihre Liebe nicht erwachte die Liebe. hin, wie dem Bettler das Almosen. Sie „Längst hatte Adelgunde die Ruhestätte haben Anspruch auf meine Dankbarkeit, aufgesucht , da saß noch der Ritter , den aber meine Liebe gehört dem Kühnſten der Kopf gestützt, gedankenvoll am Tisch und Kühnen, der um dieſe in heißem Kampfe blickte träumerisch in die Flamme. Die den Siegerkranz erringt. Nacht kam , aber Maurus fand keinen Gebt mir Gelegenheit, meinen Mut Schlummer; immer wieder stand vor ihm zu zeigen, und ich werde Eure Farben zum Siege führen !' rief Maurus begeistert. der Fremden holdseliges Bild. „Die Sonne ſtand ſchon hoch am Him- , So hört , fuhr das Edelfräulein fort, mel, als Adelgunde erschien und den Ritter wenn der Herbst ins Land kommt, ist zu bat, ihr den Diener als Geleit nach ihres Wien ein großes Ritterturnier ; eilt dort Vaters Burg mitzugeben. Mit nichten, hin, tragt meine Farben und erringt Ihr entgegnete Maurus , fern von mir sei es, den Sieg , so seid Ihr meiner Liebe ge so viel Schönheit und Anmut dem schwachen wiß , unterliegt Ihr aber , so lenkt Euer Wächter anzuvertrauen , ich selbst werde die Rößlein getrost nach einem andern Wege, Tochter dem Vater zuführen. Sprach's denn in diesem Falle hat in meines Vaters und ließ sich sein Pferd satteln, während Burg Euer Herz nichts mehr zu hoffen.' des sich Adelgunde durch ein farges Früh , Euer Wort habe ich , entgegnete Maurus, Einnur tot oder als Sieger verlasse ich den stück für den weiten Ritt stärkte. stattliches Paar ritt zum Burgthor hinaus, Kampfplay.' Mittlerweile hatten die beiden die und der alte Graufopf schaute den beiden gedankenvoll nach. In ihm wurden längst Burg erreicht, der Wächter stieß ins Horn vergangene Zeiten wach , jene , als die und kaum hatte er Adelgunde erkannt, jo Mutter des jungen Ritters Maurus, die ließ er hastig die Kettenbrücke nieder und schöne Mathildis, unter Trompetentlängen, eilte zu seinem Herrn. „Dieser war hochbeglückt , als er der an der Seite ihres Mannes, ihren Einzug als Burgfrau hielt. Wer weiß es ? viel Vermißten ansichtig wurde, und hieß den leicht kehren fröhlichere Tage wieder bei Ritter herzlich willkommen. Drei Tage uns ein, murmelte der Alte, machte kehrt herrschte lauter Jubel in der Burg, ob der und schritt langsam und bedächtig dem Rückkehr der Vermißten , da nahte der Thore zu, die schmale Kettenbrücke raſſelte Abschied, und Maurus eilte, reich beſchenkt, in die Höhe , und still ward's ringsum. der Heimat zu. ,,Der Herbst nahte, unser Ritter machte " Maurus ritt , die Seele voll kühner |
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ich reisefertig und zog gen Wien zum Pferde die Sporen , hochauf bäumte sich Turnier. Vierzehn volle Tage dauerte das Tier und -- sprang in die Tiefe. as Kampfspiel, manche Lanze zersplitterte Verschollen ist Maurus und Adelgunde, und mancher Ritter, der voll kühner Hoff- zerfallen die Ritterburg. tungen nach Wien gezogen war, sank in „Die Sage sagt, daß der Fels hier, von cen Staub. Ritter Maurus hat als Geg- | wo Maurus in den Abgrund sprang, fürcher den gefürchteten Ritter Kunibert, der terlich gefracht habe und in der verhängchwarze Wolf genannt. Lange Zeit blieb nisvollen Nacht jenes schwarze Wetterloch zwiſchen dieſen beiden derKampf unentschie- entstanden sei, aus dem noch jetzt schwere zen, denn was dem einen an Kraft mangelte, Unwetter emporstiegen, sobald einer einen das mangelte dem andern an Gewandt- Stein hinabschleudere und freventlich die reit. Plöglich machte Maurus einen ge- Ruhe des Berggeistes störe. Das ist die mickten Ausfall und siehe da der schwarze | Historia vom Wetterloch. “ olf fank unter dem Zubel der Zuschauer Wir hatten alle voller Spannung der in den Sand. Im Sonnenstrahle glänzte Erzählung des Doktors gelauscht, und das des Siegers blauweißes Band. Wetterloch kam uns jetzt erst recht unEs nahte ein Edelfräulein, schmückte heimlich vor, nachdem wir jene Erzählung xn Ritter Maurus mit dem Siegerkranz, kannten , welche sich daran knüpfte. Ein ie Fanfaren schmetterten lustig drein, und Glück war's , daß uns die Sennerin auf as Volk brach in Jubel aus . Maurus andere Gedanken brachte ; sie erschien in ber sah und hörte nichts von dem, was der Thür, klatschte in die Hände und rief: im ihn vorging , bleich vor Aufregung " 3'wegen moaner könnt's holt übers Eſſen lidte er vor sich hin, was galt ihm aller losgehen!" ahm der Welt, aller Jubel des Volkes , Mit der Einladung hatte Pepi auch achdem er den schönsten Siegespreis , den Hunger bei uns wachgerufen , wir Idelgunde, errungen hatte. fühlten auf einmal, daß der Magen sein | Nicht lange mehr hielt es Maurus in Recht geltend machte. Als wir in die Hütte traten , ſaß siens Mauern, Spiel und Tanz konnten in nicht reizen, solange ihm seine Krone, der Knecht, Pepis Bruder, hinterm Ofen Idelgunde , fehlte. Er wandte das Roß und verzehrte mit Wohlbehagen sein Abend ad sprengte mutig der Burg Wunibalds brot , denn seit langer Zeit hatte es hier 1. niemals war ihm das Tier träger vor oben so vortreffliche Kost nicht gegeben. kommen als diesmal. Am liebsten hätte Knödel und Sterz , dieses echt steirische kaurus fliegen und alsbald aus vollem Leibgericht , war es, was auf dem Tisch rzen rufen mögen : Der Sieger bin ich, prangte , und Pepi , es läßt sich nicht eliebte, du bist mein! So mußte sich der leugnen , hatte eine Fertigkeit in der inter gedulden, und als die Sonne am Zubereitung , die alle Anerkennung verveiten Tage, nachdem Maurus aus Wiens dient. lauern geritten war, sich dem Untergange Auch unsererseits ist sie ihr reichlich zu eigte , erblickte der Ritter die Burg teil geworden die leeren Schüsseln sind unibalds von ferne. Freudiger schlug das beste Loh für die Köchin. Als abm Sieger die Brust , er gab seinem getragen und der Tisch gesäubert war, be ferde die Sporen und langte in kurzer reitete uns Pepi eine Ueberraschung, holte cit vor der Burg an. Die Fenster waren aus der Kammer eine Pappschachtel und ll erleuchtet , Trompetenschall drang an sette sie auf den Tisch. Als wir den s Hitters Ohr. Da nahte ein Diener Deckel lüfteten, was war der Inhalt? eine Sunibalds , und Maurus sprach: Heda, Zither. Ist dem Anderl fan Zither, ter Freund, was für ein freudiges Le drauf soll ma Bruder so lang spielen, bis n herrscht auf der Burg deines Herrn ? | ma Schagerl zuruck ist von den Soldaten, it sicher ein Fremdling , entgegnete hernocher muß der Tonerl selbst für a r Diener , sonst müßtest du wissen, G'spiel sorgen, " ließ sich Pepi vernehmen. ches Fest wir hier feiern , so höre : Und jener nahm, ohne sich lange nötigen telaunde, unſeres Ritters einzige Tochter, zu lassen , die Zither , legte sie auf die rermählt mit dem mächtigen Grafen Knie und spielte einen lustigen Steirischen, nolfus , dem Reichſten der Reichen, und wobei sich die Sennerin auf die Zehen ute ist Hochzeit. Ist Hochzeit! schrie stellte, mit Daumen und Zeigefinger das aurus und brach fast zusammen ; er- Kleid hielt und sich fröhlich hin und her roden enteilte flüchtigen Fußes der wiegte. ner. Der Steirische war verklungen und der Es schien, als wäre Pferd und Ritter Tonerl schlug noch vereinzelte Akkorde an. Stein geworden , nichts regte sich , da „Kannst a Liederl a ?" fiel der Doktor glich riß Maurus den Kopf in die ein. Tonerl nickte der Pepi zu, diese verhe und gab seinem Pferde die Sporen. stand ihn und ſang, während jener ſie berajender Eile jagte der Ritter über die gleitete : ude, durch den Hof in den Saal, und Grean fan die Hollerstau'n, Aunken stoben. Ein gellender Schrei Waß san die Blüh' ; Schean san die schwarzen Aug'n, ang sich Adelgundens Brust, rasch, che Treu san sie nie. s die Gäſte wußten, was hier vorging, faßte Maurus Adelgunde mit starker Ein Godler folgte und Pepi schwieg, o, zog sie aufs Pferd und jagte wie worauf Tonerl sich also vernehmen ließ: in die Nacht hinaus. Denn die Sterndln san Jungferln, Tort auf dem Felsen gab Maurus dem Die fallen bei der Nacht,
1065 Ma Dirndl, ma Sterndl, Geh nimm di in acht. D Schicksal, o Schicksal, Gewähr mir die Bitt' : Geh, laß mi ma Dirndl Und nimm es net mit !
Es war uns eigen ums Herz, als dieser treuinnige Sang ertönte, der so unmittelbar ohne jedes Beiwerk der Brust entquoll , silberklär und frisch wie der Waldbach. Ohne Falsch hat sich das Volkslied von einer Generation zur anderen fortgeerbt, ist aufbewahrt in einem feinen und guten Herzen und dringt wieder zum Herzen, weil alles an diesem Liede lebenstreue Wahrheit ist , die Einlaß verlangt und ihr Echo findet in jeder Menschenbrust. Ein deutscher Muſikſchriftsteller sagt mit Recht : Das Volkslied ist die Unsterblichkeit in der Musik. Es ist ewig dasselbe , wenngleich es nach seiner Ausprägung nach Zeit und Ort wechselt. Es gehört der grausten Vergangenheit an, wie der blühenden oder bestaubten Gegenwart und ist zugleich die eigentliche Zukunftsmusik. Es ist die unantastbare Muſik von Gottes Gnaden. Voller Andacht haben wir lange den Klängen der Zither und den Volksweisen gelauscht , ſchon ſtanden die Sterne am Himmel , als wir die Ruhestätte aufsuchten. Die Sennerin ging voran und legte die Leiter an. Wir kletterten auf den Boden und krochen ins Heu ; der leßte war Tonerl. Nur kurze Zeit habe ich mich der Ruhe erfreuen können , zuviel bewegte mein Juneres . Als endlich der Schlaf kam, brachte er mir die wunderlichsten Träume ; das Wetterloch gähnte vor mir , wurde größer und immer größer, Ritter Maurus jagte auf einem Rappen daher, aus deſſen Nüſtern Funken sprühten , und fuhr mit der ungetreuen Adelgunde in den Abgrund. Ich sah im Traume Ritter Wunibald die Hände ringen , hörte fernen Donner, dann zerteilten sich die Wolken, die Sonne schien golden und Tonerl griff in die Saiten und sang: Geh, laß mi ma Dirndl Un nimm es net mit! In aller Herrgottsfrühe weckte uns der Doktor. Einer schaute verdugt den andern an. Tonert hatte sich , wie ein Maulwurf in die Erde , ins Heu hineingewühlt, und der Bursch blickte ganz verstört ins Wetter , als ihn der Doktor an den Beinen hervorzog . Wir strichen das Heu aus Haar und Kleidern, und kletterten die Leiter hinab ; Tonerl mußte Waſſer und ein Handtuch holen. Noch war es dunkel ; im Osten zeigte sich ein langer, lichter Streifen, der Vorbote der Sonne. Das Thal hüllte eine weiße Nebeldecke ein und an den Grashalmen und Bäumen hingen Millionen von Tautropfen. Uns fröstelte. Als wir eine Zeitlang so gestanden, wurde es in der Sennhütte lebendig, Peri öffnete das Fenster und rief uns ein fröhliches : "/ Grüß Gott ! " zu. !! Grüß Gott !
Moriz Band.
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O, du himmelblauer See. 1067-
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Bepi ! " schallte es zurück , " nun aber aagen gen hingab, hatte der Doktor sein Fernglas | wandten, doch nicht ohne vorher auf den bisserl hurtig, daß wir was Warms frie hervorgeholt und blickte empor auf ein Gipfel ein Liedchen angestimmt zu haben gen , hier auf der Höhe ist eine sakrisch schwarzes Pünktchen, das am blauen Him- ein deutsches Lied, aus deutscher Bruſt. kalte Luft." „ Sollt net lang zwarten melszelt befestigt schien. Da plöglich wurde Es verklang in der Tiefe und wär hoben," entgegnete Pepi, schloß das Fen- es dem Zuschauer klar , was es mit der schwenkten zum Abschied die Hüte. — — ster und eilte zum Ofen. Wenige Minuten Erscheinung für eine Bewandtnis habe. Um die Mittagszeit trafen wir wieder und dem Schornsteine entstiegen blaue „ Ein Adler ! Ein Adler ! " rief der wohlbehalten in der Sennhütte ein un Rauchwolken; wie malerisch war der An- Doktor und deutete mit der Hand gen ließen uns das bescheidene Mahl aut blic! In der Hausthür erschien die Sen Himmel . Wir blickten nach der angegebenen schmecken. Nach der Mahlzeit zeichneten nerin mit dem wohlbekannten Holznapf, Richtung und entdeckten das Tier. Immer wir unsere Namen in Bepis „Fremders eilte zur ersten , braungefleckten Kuh und größer wurde der Punkt , nach einigen buch" ein , schrieben auch einige Worte molk. Unterdes machten wir es uns in Sekunden schoß der Adler , unfern von hinzu , drauf nahmen wir Abschied von der Sennhütte bequem und warteten , in uns , in die Tiefe, vielleicht war ihm ein dem Tonerl, aufs herzlichste von der Sens nächster Nähe des Ofens, der Dinge, die Rehkißchen oder ein Waldhuhn zur Beute nerin und zogen unseres Weges. " Grüßt mi die Leut dort unten ! “ hatte da kommen sollten. In der That ! Pepi geworden. Vergebens warteten wir auf uns Pepi noch nachgerufen und der Dokte ließ es sich recht angelegen sein , für das seine Rückkunft . Der Doktor nahm dann eine Karte rief zurück : „Und den Anderl a! " Freude Frühstück Sorge zu tragen, ein Holzscheit nach dem anderen flog ins Feuer, es kni- und schrieb darauf: „ Die, deren Karten sich strahlend nickte uns die Sennerin na sterte und knatterte im Ofen, daß es schier hier vorfinden, besuchten die Alp im Mo diesen Worten noch lange zu , zulezt ves eine Lust war zuzuhören . nat Septembris A. D. MDCCCLXIII ". schwand sie in der Sennhütte und wa doch trug sie de Die Milch wurde in einem eisernen Wir legten unsere Karten in die Flasche, wieder so ganz allein Topfe erwärmt, dann wieder in den Holz- der Doktor verkorkte sie, inzwiſchen wühl- | Anderl im Herzen. Der Abstieg wurde glücklich vollende napf gegossen ; wir brockten Brot hinein , ten wir mit unseren Stöcken eine kleine nahmen die Holzlöffel zur Hand und bald | Höhlung in die Erde , dorthinein wurde In Graz, am ,, Deutschen Tisch", jake war das Morgenbrot wie Schnee vor der die Flasche gelegt und mit Erdreich zugeSonne verschwunden. wir wieder im Kreise der Freunde , deckt. Wessen Hand wird sie heben? Wieder wurden die Pfeifen angezündet, Eine Stunde hatten wir uns der Fern- lauschten unsern Worten und gedachten, jeder griff zum Wanderstab , wir sagten sicht erfreut , als wir uns zum Abstieg auch wir, der Alp, der deutschen Alp. Pepi Lebewohl und gaben ihr den Auftrag, das Mittagessen frühzeitig bereit zu machen. Sie versprach es , und wir zogen unserer Wege. Immer steiler wurde der Fußpfað und ℗, du himmelblauer See. mühsamer der Aufstieg , das Gerölle erschwerte ungemein das Gehen. Nach und Von nach wurde der Baumwuchs färglicher, bis wir endlich nur noch armseliges Knieholz Mori Band. antrafen. Auf einer Felsplatte machten wir Rast und blickten ins Thal ; noch lag dort der | Rebel, Sonne war in schon in Norden des herrlich schönen ben, sich ganz in denund Frieden ihres eines trägen Hoch die hervor. Leben brachte unddie getretenaber Tirolerlandes , wo die blauweißen Ich zurückzuziehen in ſich ſelbſt of Nebelmassen. Der Kampf begann und als Grenzpfähle das einzige Trennungszeichen sunken die Reize der Natur auf ſich e wir den Gipfel des Berges erreicht hatten, zwischen den biederen Tirolern und den in wirken zu lassen, sind die Alpenseeng da konnten wir sehen , daß die Sonne Herz und Gemüt gleichen Bewohnern schaffen, jene treuherzigen Augen der Muti Siegerin geblieben war. Oberbayerns bilden, hat der Schöpfer ein Natur, aus deren Spiegel uns ihre gan Wie prächtig lag zu unseren Füßen kleines Paradies geschaffen , zu dem all geheimnisvolle Gewalt entgegenſtrahli . das Land ! Ueber Schluchten , finstere jährlich Tausende und Abertausende wan- Der Zauber der Alpenseen ist noch an Tannenwälder , Städte , Wiesen , Hügel dern, die sich erquicken wollen an dem un- ergründet worden, aber alle edleren Kun schweifte der Blick bis weithin , wo hohe endlichen Reize der Natur , der hier in der Menschheit wetteifern miteinand Die besten Mei Berge blauen. Wir fühlten uns gehoben majestätischer Schönheit auf Bergen und ihn zu erschöpfen. bei dem Gedanken , daß es uns vergönnt Thälern ruht. Die Berge ragen in un der Dichtkunst singen ihre ſchönsten Ba war , von dieser hohen Warte hinabzu vergänglicher Pracht gegen den Himmel zu ihrem Lobe , die trefflichsten schauen auf die Menschenkinder mit ihren empor, gleichsam als wollten sie in Dank siker fassen ihre seligsten Empfindungca Sorgen und Plagen um den kommenden barkeit hinanstreben und die wechselnde Zeit zauberisch süße Klänge und die er Tag, mit ihren Freuden und Leiden, ihren umkleidet sie ewig und unermüdlich immer Maler werden nicht müde , das Zaus Hoffnungen und Enttäuschungen , ihrem mit neuen Reizen. Die ersten Strahlen der bild eines Alpensees mit allen sein Fluchen und Gebet, ihrem Haß und ihrer Morgensonne küssen ihre Häupter mit den Schönheiten in tausend Abarten auf Liebe. Rosenlippen , der Mittag umgießt ihre Leinwand zu bannen. Musik und Ba Ich hatte den Kopf geſtüßt und blickte Felsenkuppen mit der vollen Glut seines haben sich an dem Gestade eines fold hinab in die Tiefe , vor mir stand ein warmen Lichtes und der traute Abend Sees zu einem Jdyll verbunden und mächtiger Felsblock und hob das Haupt senkt seine letzten Strahlen auf die Höhen , Geschichte geschaffen , die es wert ist gar trusiglich in die Höhe, er stand dort die in dem Rosendämmerscheine der schei- zählt zu werden ; ist doch mit ihr die E wie ein Prophet aus grauer Zeit und denden Sonne nimmer erblaſſen wollen ... stehung eines unserer ſchönſten deurid dünkte es mich, als öffnete er den Mund Bergeszauber ! Wer ihn kennt, fühlt noch Lieder und eine herzinnige Liebesgejsk und spräche zu mir : Du, der du zwischen in späten Tagen sein Herz übervoll und verknüpft , welche sich an dem Üir uns Bergriefen wandelst, höre was unser immerdar zicht es ihn mächtig hin zu den unvergleichlichschönen Achensees abspiels Man kennt die traulichen Reise Mund spricht, beherzige es , und lehre es Bergen, den wahren Königen unserer Erde. deine Brüder , das Mahnen der Berge : Doch nicht allein auf der Berge Höhen Achensees , der hart an der Grenze Bringe dein Leben unter einen ruht die Poesie, in den traulichen Thälern Tiroler und des bayrischen Landes großen Gedanken! lebt und webt dieselbe Empfindung rein- dahinzieht und mit seinen prächtigen Während ich mich solchen Betrachtun- 1 sten Genuſſes , und für Herzen, die es lie- länden ein so bezaubernd schönes
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Mirzl erwiderte den Gruß , um dann bietet. Ein herrlicher , edler Menschen , Theater! na, der wird uns doch wohl keine | schlag ist es, der seine Ufer bewohnt und Komödie vorſpielen. “ rasch auf ihren Hans zuzueilen, der ſie mit in idyllischer Ruhe leben die wackeren „ Ah, kein Komödiant, ein Musiker ist einem innigen Kuß umarmte. Leute dahin. Kein Lärm und Gewoge er beim Theater, der die schönen Liedeln „Ah , das ist Eure Braut, " ſagte des Alltagslebens entweiht die heilige Ruhe macht, die s' droben am Brett singen!" lächelnd der Fremde , fürwahr ein herrder Stätte und selbst der reiche Strom Mirzl hörte die Auslegung schweigend liches Schäßchen. Ersparen Sie sich die von Vergnügungszüglern, der im Sommer an , die ihr Großvater dem Titel ihres Erklärungen , Jungfer Mirzl , Hans hat den See berührt , naht mit jenem erho- Sommergastes gab. Dieser hatte brieflich mir auf dem Wege alles erzählt," wandte benen Herzen und Sinne , die jede lär das Zimmer gemietet, um den Sommer an er sich an das Mädchen , er ist ein so mende Kundgebung vermeiden. Es ist ein dem Gestade des Sees zuzubringen, teils braver Bursche , als Ihr ein hübsches wahrer Tempel der Ruhe hier auf dem um sich von den Strapazen des Winters Mädchen seid!" ewig glatten Spiegel des Sees , der an zu erholen , teils um Kraft und neue AnNoch wenige Worte wurden gewechselt. Glanz und Frieden mit dem tiefen Blau regung für ein neues größeres Werk zu Hans erklärte seiner Mirzl, warum er sich des Himmels wetteifert. Die schmucken finden, das der junge Theaterkapellmeister heute so sehr verspätet ; er hatte am BahnSchifferboote durchfürchen von kräftigen im Sinne hatte. hofe in Jenbach den Herrn aus Wien geRudern getrieben die blaue Fläche und be„ Du singst heute gar nicht , Mirzl, " troffen , war mit ihm den weiten Weg leben zu allen Zeiten das stille Gewässer. unterbrach der Alte das längere Still zum See gewandert und hatte ihn dann, Zierliche Hütten stehen am Ufer umher, schweigen , „fehlt dir was ?” als er ihm im Gespräch sein Ziel mitge= hier und da eine Villa , deren modische Mirzl seufzte. " Nichts , " sagte sie dar teilt, über den See herübergefahren. Zierlichkeit zu der bescheiden anmutigen auf. Doch ein suchender Blick , den sie Es ist ein recht lieber, freundlicher Umgebung einen seltsamen Kontrast zeigt; auf den See warf, strafte sie Lügen. Herr , ein Musikant , der , wie er sagt, um alle jedoch schließt sich ein herrlicher ,,Du schaust, ob der Hans nicht kommt, " Lieder macht, " schloß er seine Mitteilungen. Kranz von Bergen , über deren Felsen- sagte der Alte lachend, " hast recht, allein Er faßte das kleine Handgepäck und alle höhen die Firngipfel der Hochalpen herein ist es gar zu langweilig an einem so begaben sich in das Haus , um den Gast blinken und über welchen sich das herrliche schönen Abend und zu zweit singt's sich in sein Zimmer zu geleiten. Der junge Azur des Himmels spannt. besser ! " [ Mann schritt voraus und behagliches Es war an einem herrlichen SommerMirzl bejahte es mit einem Kopf Schmunzeln spielte um seinen Mund. abend. Die letten Strahlen der scheiden- | nicken. „ Wirklich reizend schön," sagte er, das "‚ Na, wart' nur noch eine Weil'. Wenn Zimmer muſternd, und trat dann an das den Sonne brachen sich auf der Fläche des goldig erschimmernden Sees , um höher der Sommer gar ist, kriegen wir von dem Fenster. „ Welch' bezaubernder Ausblick,“ und höher zu steigen und endlich zu er Zimmer ein schönes Stück Geld , dann rief er aus , als er den in dunkeln Dämlöschen , nur jenen traulichen Dämmer können wir an die Hochzeit denken. Jest merschein gehüllten See erblickte, an deſſen schein zurücklassend , in dessen Schatten geht's noch nicht , Hans muß auch noch Ufern hier und da ein Licht erblinkte. alles zur Ruhe neigt , um die Stille des viel über den Sommer verdienen. “ „Wenn der Herr nur zufrieden ist," Der Alte klopfte seine kurze Pfeife sagte der Alte. Abends in süßem Nichtsthun zu genießen. Vor einem schmucken kleinen Häuschen, aus , schlug die Füße übereinander und Mirzl hatte sich inzwischen in die Küche das nur wenige Schritte vom Uferrand versank in Nachdenken , während Mirzl, begeben , Hans band das Boot an einen entfernt stand, saß ein blühendes Mädchen teils auf ihre Arbeit , teils auf den See Pflock und bald versammelten sich alle vier und knüpfte emsig an einem Nehe. Das hinausblickend, mit Ungeduld etwas zu er wieder auf dem traulichen Plätzchen vor Köpfchen mit dem goldblonden Haar hatte warten schien, Hans , von dem ihr Groß dem Hause. Der Sommergast hatte, um sie auf die Brust gesenkt, daß man kaum vater soeben gesprochen. Sie ließ die das Landleben in allen seinen Reizen zu ihr Antlig sehen konnte. Sie knüpfte ge- Arme ermüdet sinken und fast unbewußt genießen, sich ausbedungen, an dem Tische dankenvoll darauf los und hob kaum den öffneten sich ihre Lippen zu einem Ge- des alten Schiffers seine Mahlzeiten zu Kopf , als schlürfende Schritte aus der sange, dessen sehnsuchtsvolle getragene Me- nehmen und so vereinigte denn gleich die Hausthür ertönten . lodie ganz ihrem bangen Erwarten des erste Stunde die neuen Bekannten . Sein „ Mirzl, “ rief eine alte, etwas zitternde Liebsten entsprach. Entzückend quollen die gutmütiges Gesicht und seine offenen ehrStimme. einfachen gemütsvollen Worte von ihren lichen Augen gewannen ihm sofort die " Was gibt's , Großvater?" fragte sie Lippen und im Takte bewegte sich das Herzen der drei braven Leute und nach zurück, indem sie rasch den Kopf hob. Haupt des halbschlummernden Alten . Sie einer Stunde standen sie wie alte BeSie war entzückend schön. Ein jugend hatte eine Weile so fortgesungen, als eine kannte vom Tische auf. Hans hatte zum frisches rundliches Gesicht, mit einem schalf- fräftige Mannesstimme mit einfiel und Schlusse einige muntere Lieder gesungen haften Zug um den Mund , ein wohlge in einem jubelnden Jauchzer das Lied und damit vollends das Herz des jungen formtes Kinn und ein Augenpaar von beschloß. Musikers gewonnen, der sich aus dem Zuherrlicher Bläue , dem tiefen See gleich, Mirzl sprang auf. Um eine Land- sammenleben mit den trefflichen Menſchen der sich in ihnen spiegelte. zunge , deren Geſträuch ein weites Stück so manchen Genuß versprach. " Was gibt's denn , " wiederholte sie, des Sees verdeckte , fuhr jest ein Boot Hans band nun eine Laterne an einen während der Alte sich mühsam näherte. herum , an dessen Spitze ein prächtiger Kahn und mit einigen lustigen Jodlern Hast du denn schon das große Zim junger Tiroler stand , der grüßend seinen schied er von dem gastlichen Hauſe ſeiner Braut. Das Licht entschwand immer weiter mer hergerichtet, in welches der Herr aus Hut schwenkte. und weiter und die drei kehrten nunmehr Wien einziehen soll ?" " Heiahoh!" „Gewiß , Großvater , er könnte gleich Mit einigen kräftigen Ruderschlägen in das Haus zurück. kommen, alles ist bereit, sogar das Klavier führte er das Boot ans Ufer. Mirzl eilte aus München, das auf seinen Wunsch ge- ihm entgegen. Fast zwei Monate waren in trautem chickt wurde ; ich habe es zum Fenster geBeisammensein verflossen. Der junge Kom,,Da bringe ich euch euern Gast !“ stellt, daß er beim Spielen den Ausblick Jezt erst sah Mirzl einen in städtiſches ponist , ein solcher war der Musiker aus auf den See hat. Habe ich nicht recht Gewand gekleideten Herrn aus dem Boote Wien , hatte , angeregt von der herrlichen jehabt?" steigen und ihr herzlich die Hand entgegen- Natur, eine reiche Fülle ſchöner muſikaliSicherlich, mein Kind , er wird dir strecken. scher Gedanken gesammelt , die in seiner dankbar sein. Er soll ein so viel guter „ Gott zum Gruß, “ sagte er mit freund- Mappe der Verwertung harrten. Manch Herr sein , der Musiker aus Wien. Ich licher Stimme und schritt auf Mirzl zu, hübsches Lied hatte er auch den stimmbeglaub' beim Theater ist er. " hinter welcher der bereits erwachte Alte gabten jungen Leuten einstudiert, die allabendlich ihren Gesang ertönen ließen, " So , so ," erwiderte Mirzl , beim herabtorfelte.
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wenn die Mußestunde fie bei ihrem Hause | der junge Soldat sich bei dem Kommando reitete. Endlich war es geschehen ! Mir versammelte , kurz es war ein reizvolles in Innsbruck melden, um mit der Armee Jammer kannte keine Grenzen und dah ungestörtes Leben, das der junge Künstler auf den Kriegsschauplatz zu ziehen. Man war die Lebensfreude des lieblichen Wesens. fern von der Welt Getriebe hier führte und vereinbarte , ihn nach Jenbach zur Bahn Der Geiſt des Glückes und der Liebe, da das diesen Sommer zu den schönsten seines zu geleiten und schied dann so ernst , als bis vor kurzem in dem trauten Heim ge Lebens zu machen schien. Auch Hans der ganze Abend gewesen , voneinander. herrscht hatte, war verſchwunden und stumme hatte Glück. Der starke Fremdenverkehr Mit einem schwermütigen Liede begleitete Blicke aus schmerzerfüllten Mienen begea in dem schönen Sommer brachte ihm reich- Hans , der seine Ruhe wiedergefunden, die neten sich. Noch Wochen danach konnt : lichen Verdienst und mit Freuden zählten Schläge seines Ruders , während Mirzl man den tiefen und schweren Kummer die beiden jungen Leute allabendlich ihr thränenerfüllten Auges ihm nachblickte ... aus ihren Zügen lesen , der ſie alle beVermögen , das ihnen in so kurzer Zeit Ein seltsames Leben erfüllte am Sonn- drückte. Mirzl hatte sich wieder ganz ihren ihren eigenen glücklichen Hausstand grün- tagmorgen den Bahnhof zu Jenbach. Junge häuslichen Arbeiten gewidmet und ihre alte den sollte ... Bursche , die alle dem Rufe des Kaisers Sangeslust_brach unwillkürlich durch die Während so am blauen Achensee die zu folgen hatten, waren da und alles nahm Stille der Trauer , nur daß all ihre Ge Zeit in feliger Ruhe und Weltvergessen herzzerreißenden Abschied von seinen Ver- sänge nur mehr jene schwärmerische Sehn heit dahinging , ballten sich am Himmel wandten und Freunden. Auch Hans er- sucht und Liebesklage zum Ausdruck brachte. der Politik dräuende Wolken zusammen schien, ziemlich ruhigen Gemütes , an der deren ihr Herz so übervoll war. Der Sec und bald hörte man in Wien die Kunde : Seite seiner Mirzl , begleitet von deren allein ward ihr einziger Freund und VerDer Kaiser müsse Krieg führen. Wie ein Großvater und seinem herzlichen Freunde. trauter , dem fie all ihr tiefes Weh und Lauffeuer ging es durch die Lande und Kurz aber schwer war der Abschied und Leid im Liede klagte. Der junge Meister, der auch sein Som bald drang die Kunde auch an die fried- wie ein Schwert fuhr es allen ins Herz, lichen Gestade des Alpensees , der selbst als der Zug die Station verließ, hinaus merglück ſo jäh unterbrochen sah, zog sic ein Bild des Friedens , ungläubig seine eilte nach dem Süden , auf die Walstatt, in seine Stube zurück und ſein Mitgefühl Wellen schüttelte, als der Sturm der Er von der so mancher nicht mehr zurückkehren regte ihn zu einer Schöpfung an, die seine tiefe Teilnahme an dem Unglück des junge regung über ihn hinwegbrauste. Eines sollte ... Abends kam Hans in seinem Kahne an Mädchens zum Ausdruck bringen folle gefahren, still und schweigsam, er, der sonst Trübe verflossen Tage und Wochen. An jenen stillen Abenden, an denen Mizal in lautem Jubel seine Ankunft verkündet . Der Achensee lag wieder in seiner Ruhe schwärmerisch ihres Liebsten gedenkend auf Bleichen Antlizes trat er zu der seiner und seinem Frieden da , doch aus den den See hinausblickte, saß er beim Fen harrenden Gruppe und zog einen Bogen Herzen waren dieselben geschwunden. Die ster und dachte an eine Melodie , die er Papier aus der Tasche. Zeitungen brachten wohl Siegesdepeschen , Mirzl widmen wollte, als Troſt in ihrem Da lest, mein Unglück!" über die sich das Herz jedes Patrioten Leid, als eine Erinnerung an ihren un freute , doch keine Kunde, ob nicht der glücklichen Hans . Er setzte sich an se „Einrückungsbefehl!" Mit lautem Aufschrei sank Mirzl in Sieg dieser Mutter den Sohn, dieser Braut Klavier und ließ die Finger über die Tante: den Liebsten geraubt hatte ... Es waren gleiten. Eine herrliche Melodie entran des Burschen Arme. „Der Kaiser ruft, ich muß gehorchen. " bange Tage ! Mirzl arbeitete rastlos und voll sich den Saiten. "‚ Das ſoll es ſein, “ murmelte der Kom Ernst hatte Hans diese Worte gesprochen. Unruhe vor sich hin, schon ein Monat war Das Gewicht derselben machte alles ver vergangen und hatte ihr keine Kunde von ponist und neue Töne quollen unter ſeinen ſtummen und keiner wagte, die Stille zu ihrem Hans gebracht. Ihr teilnehmender Händen hervor, zum Herzen gehend, rut unterbrechen. Ein schwerer Kampf durch | Gaſt tröstete sie, so gut er konnte , mit rend und doch so voll innig erhebende wogte des jungen Paares Brust und auch milden Worten, doch auch ihn litt es nicht Freude. Immer herrlicher flang es der Alte , wie der teilnehmende Freund in dem Hause, er wanderte ruhelos umher prächtiger und bei den wahrhaft entzücken und konnte das friedliche Glück nicht mehr den Klängen , die den Schluß des Liede: wußten ihren Schmerz zu würdigen. "/ Es geht gegen die Welschen, " begann finden, das ihm die erste Zeit seines Auf- bildeten, traten dem jungen Künstler Thre Hans nach einer Pause, verdammt , daß enthaltes verschönt hatte. nen der Freude in die Augen. Er hatte dieser Erbfeind unser Glück zerstören muß, Doch eine Kunde sollte kommen. Der es voll und ganz getroffen, wie er es ir gerade jezt , wo wir an seiner Schwelle Postbote hatte im Vorübergehen gesagt, tiefsten Herzen empfunden und stürzte standen ! Doch, es muß sein. Mirzl, ich am Gemeindehause zu Jenbach sei eine dem Tische hin, um das Lied zu Papic. werde kämpfen als ein kaisertreuer Tiroler , Verlustliste der Leute aus der Gegend zu bringen . Rasch war dies geſchehen und wir werden siegen, wie wir es immer ge- affichiert. Er hatte dabei einen so bedeu- der überglückliche Meister sette sich mit than, aber eines will ich nicht sterben ! tungsvollen Blick auf Mirzl geworfen, dem Manuskripte ans Klavier. Er spielte eine kleine Introdrufticn. Bete für mich, Mirzl, daß Gott mich be- daß der Musiker ahnungsvoll erbleichte. schützt! " Er griff nach seinem Hute und eilte hin- dann erklang das Lied in getragener, Das Mädchen schluchzte laut auf ; der aus , den See entlang in weitem Bogen. Herzen gehender Melodie. Er spielte nož . Gedanke, daß sie ihr Liebſtes auf der Welt Er lief und achtete nicht der Blicke , die das Auge auf sein Notenblatt gehefter verlieren könne , erregte sie mächtig und dem sonderbaren Läufer nachgesandt wur- | während draußen Mirzl unbemerkt an de: machte sie troſtlos . „Hans , mein Hans ! " den , bis er in Jenbach ankam . Zagend Fenster getreten war und des schönen Das war alles , was ſie ſagte. trat er vor den großen Bogen , der in Liedes Melodie erlauſchte. Unwillkürlic „ Gott wird Euch beschützen , “ sprach eciger Zierschrift die Namen und den Ge- summte sie mit und immer lebensvolit mit Rührung der junge Meister, „ er wird burtsort der bei Cuſtozza Gefallenen auf- leuchtete ihr Auge, während der verzücke ein so braves und wackeres Paar nicht zählte . Er las atemlos und starr blieb Künſtler drinnen spielte und mit dem Liede unglücklich machen. Gewiß, er wird Euch sein Blick an dem lehten Namen hängen. beider Herz tiesinnerst beglückte. Und dem Klange fand sie selbst auch die Wert. schüßen und bald, recht bald in die Arme | Da stand es : Eurer Braut zurückführen!" " Johann Gruber aus Maurach. “ und zu dem Spiele drinnen ſang ſie draußen „ Gott, geb's, “ fiel der Alte ein. Auch Wie vernichtet trat er von dem verhängmit seelenvoller Stimme : er hatte dereinst für seinen Kaiſer auf den nisvollen Blatte zurück. Also war es „O, du himmelblauer See ! Du stillst mein Herzleid nicht, lombardischen Feldern gekämpft und war wirklich wahr und eine Feindeskugel hatte Stillst nicht mein Weh!" gesund aus dem Kriege heimgekehrt, warum das Lebensglück zweier guter Menschen Der Komponist fuhr auf und erblidte sollte nicht auch Hans , den er liebte wie vernichtet ... Raſch war er wieder zu sein Kind, glücklich wieder heimkehren. Hause und eine ergreifende Szene war es , das Mädchen, das sich rasch zu verbergen In ernster Rede floß der Rest des als er in sorgsamer Erzählung Mirzl und suchte. Er eilte mit seinem Notenblatt Abends dahin. Am Sonntag bereits sollte den Alten auf die Todesnachricht vorbe- hinaus, ging auf sie zu und ſagte, ſie vi
Moriz Band. =1075der Hand faſſend : „ Das Lied foll dir gehören ! Für dich habe ich es geschaffen, nimm es als Geschenk eines wahren Freundes !" Mirzl wußte nicht gleich eine Antwort. „Ja , du sollst es singen , an diesem herrlichen See , denn für dich und diesen See habe ich das Lied gemacht !" „Tauſend Dank, Herr, für das schöne Lied, ich will es singen , solange ich meines Hans gedenke, ewig, ewig !" Die Erinnerung an Hans machte beide. schweigen. Sie blickten sich stumm in die Augen, dann wandte sich Mirzl zum Gehen. "Ich werde dir morgen das Lied vor spielen , bis du es fingen kannst. Dein Tert mag bleiben , du haft für das Lied den rechten Namen gefunden ! Auf Wiedersehen !" Mit einem warmen Händedruck ſchieden sie. Am anderen Tage lernte Mirzl das Lied . Es machte ihr herzliche Freude und sie wußte seinem Schöpfer nicht genug danken. Sie sang es nunmehr allabend lich in die dunkle Dämmerung hinaus und von den Bergeshöhen hallte es in hehren Tönen wider: „ , du himmelblauer See ! Du stillst mein Herzleid nicht, Stillſt nicht mein Weh !" Der Herbſt kam und der junge Meister mußte nach Wien zurück. Es galt nunmehr Abschied zu nehmen von dem ihm so lieb gewordenen Hauſe und seinen Bewohnern, au denen er sich in der Zeit ihres Unglückes noch mehr hingezogen fühlte. Er schied wie rin wahrer, echter Freund und versprach im nächsten Jahre wiederzukommen. Ein junger Bursche führte ihn im Kahne auf den See hinaus und als er in demselben auf rechtstehend zum Gruße sein weißes Tuch chiventte, tönte es ihm von der Hütte in jeelenvollen Tönen nach : ,, du himmelblauer See !
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Es war in Wien. Der junge Komponist , den wir am Achensee kennen gelernt, hatte eine besonders glückliche Saifon. Seine künstlerischen Arbeiten gefielen und es ging ihm so gut , als er es sich nur wünschen konnte. Gar oft dachte er an jenes Idyll zurück, das er im Sommer miterlebt und das vom Schicksal ſo grauam zerstört worden war ; doch die Erinerung an fein herrliches Lied versöhnte bu stets mit dem herben Geschicke. Was ie gute Mirzl jest wohl thun mochte? C5 sie noch immer sein Lied auf den See aussang troß Winterszeit und Schnee. And der arme Hans ! Er ruhte in Frieden uf dem Felde der Ehre und hatte als ues Tirolerherz für seines Kaiſers Sieg in Leben dahingegeben. An einem schönen Frühlingstage , so in und frisch, wie sie nur allein in Wien, r Weltstadt im Grünen , sind , spazierte nier Meister die Ringstraße entlang. Eine che Menge wogte dort auf und ab, plautte und lachte, während er still finnend inen Weg dahinschritt. Er mochte wohl Er neues Lied im Kopfe haben , denn er
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summte vor sich hin und schien nicht im vorgefallen, seitdem er weggezogen, wie sie geringsten darauf zu achten, was um ihn immerwährend seiner gedacht und daß er herum vorging. Vor ihm humpelte auf schließlich als ein Vermächtnis Mirzl das Krücken gestüt ein dem Anscheine nach schöne Lied hinterlassen, das sie zu ihrem junger Mann, dem der rechte Fuß fehlte. Lieblingsgefange gemacht habe. . . Er erschrak , der Mann kam ihm bekannt Wie, das habt Ihr gethan und Mirzl vor ; doch Hans war ja tot. Er beschleu- denkt meiner auch heute noch. Meint Jhr's ?“ nigte seine Schritte , bald hatte er den „ Gewiß und sie wird ihren Hans noch Mann erreicht. nehmen, wenn er auch einen Fuß weniger „Hans !! Jst's möglich ?" hat , wenn nur Herz und Kopf am alten Wie versteinert blieb er vor ihm stehen . richtigen Fleck geblieben sind !" „Herr, ja Herr, ich bin's, " stotterte der „ Das sind sie, bei Gott, das sind sie, " Krüppel, ebenso überrascht, ich bin's, we versicherte der Krüppel treuherzig , indem nigstens der größere Teil von mir, " seßte er seinen Gönner warm anblickte. er mit einem bitteren Lächeln hinzu . „ Nun, Ihr könnt mit Euren starken Ar"! Seid Jhr denn nicht —" begann der men noch ein ganz prächtiger Fährmann Musiker. werden und, gelt, Ihr laßt Euch von mir Ja, ich bin gestorben, das heißt, ich nach Hause bringen. " „ Nun, so sei's, vielleicht werde ich noch war gestorben ! Kann mir's denken , daß auch Ihr nichts anderes denken konntet , einmal so glücklich , als ich es vor dem . wußte ich doch ſelbſt die längſte Zeit nicht, | unseligen Kriege war ! . . ' Sie standen auf und verabschiedeten was mit mir wäre ! " Die beiden ließen sich auf eine Bank sich, nachdem der Invalide versprochen hatte, sich am anderen Tage bei seinem Freunde nieder und Hans begann zu erzählen. „Herr, ein böser Krieg war's, den wir einzufinden . führten, die Welschen schossen und hauten Er kam auch und kam alle Tage wiewie die Teufel und haben so manchen braven der und der junge Meister war glücklich, Tiroler zu seinem Herrgott geschickt . Auch den braven Menschen wiedergefunden zu michhaben sie erwischt. Bei Custozza war's ; haben. Er sang mit ihm, da Hans seine ich hatte gerade einem solchen Kazelmacher prächtige Stimme nicht verloren hatte und mit dem Gewehrkolben seinen Tschako fest freute sich mit einem Lieblingsgedanken , in den Hals hineingetrieben, da pfiff's um den er mit den beiden jungen Leuten ausmich herum ; ich hatte zwei Kugeln bekom führen wollte. men, eine da im rechten Fuß, " er wies auf „ Also in zwei Wochen fahren wir heim," feinen Stumpf hin, und eine in die Schul schloß einst der Abschied. " Uebe bis dahin ter. Ich fiel um und war tot. Wenig fleißig das Lied deiner Miral: ,, du himmelblauer See ! ... stens mußte man mich für tot halten. Ich wurde" so erzählte man mir später „ auf einen Wagen geladen, über und unter Es war wieder Sommer. Ein traumir tote Kameraden, und ins Hauptquar tier geführt. Dort fand man, daß ich am licher Dämmer ruhte auf dem spiegelglatten Leben sei. Ich wurde ins Feldspital ge- Achensee und goldige Sonnenstrahlen ſchieführt, lag dort auf dem harten Lager fast nen auf die flimmernden Scheiben unseres Vor der Thür saß einen ganzen Monat lang und als sie mich lieben Häuschens. entließen, hatte ich zwar die Schulter ge- wieder Mirzl. Sie war fast noch schöner fund, aber um einen Fuß weniger. Was geworden ; der schwekmütige Zug, der um sollte ich thun ? Nach Hauſe konnte ich ar- ihre Lippen lag, die schwärmeriſch auf den mer Krüppel nicht, um meine arme Mirzl See ausschauenden Augen, sie hatten das | nicht unglücklich zu machen ; dazu hörte ich, liebreizende Antlig verklärt. Ihre Lippen daß ich in der Verlustliste ohnehin schon sangen leise die schwermütige Melodie, als tot ausgegeben wurde , so wollte ich die ihr alles geworden, und emſig knüpfte es denn für sie bleiben. Ich ließ mich sie Nezmaschen. Der Alte saß wieder nach Wien als Rekonvalescent in das Gar- neben ihr. „Mirzl ! " nisonsspital ſchicken und da haben sie mich "1 Was denn, Großvater ?" so ziemlich auf die Beine gebracht ! -- Allerdings auf zwei hölzerne," seßte er mit bitLaß doch einmal schon das Liedel, sing was Lustiges !" terem Lachen hinzu. Ich kann nicht . Ein anderes Lied „Ich Der Komponist hatte ernſt die traurige Geschichte mitangehört. U Nun , und was kann ich nicht mehr singen. Laßt mir doch meine Freude !" gedenkt Ihr denn jezt zu thun?" „Ich werde mir in Wien eine Arbeit „ Immer und ewig nur der Hans ! Er ist tot, Gott schenk' ihm die ewige Ruh', suchen ! " „ Und an Euern Achensee nicht mehr und du solltest dich mehr um die Lebenden bekümmern. " zurückkehren ?" „Großvater, du thust mir weh! Laß Gott , nein , unser Land braucht mich nur mein schönes Lied weiter singen. ganze Leute, keine Krüppel, und dann so kann ich zu meiner Mirzl nimmer heim- Wenn ich es so vor mich hin summe, ist es mir immer , als ob ich meinen Hans kehren . . . „Ob Ihr es könnt, Jhr müßt sogar und vor mir sähe und neben ihm den guten ich selbst werde Euch wieder heimbringen ! " Herrn, der das Lied gemacht hat !“ ,,Dummheiten, " brummte der Alte verDamit begann er Hanz zu erzählen, was in dem stillen Häuschen am See alles drießlich, es wäre gescheiter, du nähmst
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Herman von Bequignolles. Der Triberger Wasserfall. 1079-
einen andern, ein jeder Bursch vom Achensee möcht' dich, aber du magst nicht . . ." "/ Niemals . . . . Meinetwegen , bleib ledig und sing dein Liedel fort in alle Ewigkeit." Damit ging der Alte fopfschüttelnd in die Hütte. Mirzl senkte ihr Haupt, faltete die Hände über ihrem Schoße und Thränen perlten aus ihren seelenvollen Augen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust und regungslos starrte sie auf das Wasser hinaus.... Stille war's , kein Lüftchen regte sich , nur das Zirpen einiger Vöglein ging durch die heilige Ruhe. Der See ruhte spiegelglatt, als wollte er die lehten Küsse der verschwindenden Sonne in sich auf saugen. Eine Schwalbe streifte jest im Fluge die flare Fläche. Mirzl blickte auf. Sollte dieses Sinnbild des Glückes und Friedens ihr gelten ? Nein, das konnte nicht sein ; was sollte sie noch vom Leben erwarten ? Sie versank wieder in stilles Schweigen . Da auf einmal spißte sie die Ohren ; war's ihr doch als hätte sie Gesang vernommen, den der Abendwind ihr über den See zugetragen. Es wird ein verspäteter Seefahrer sein , was weiter ! Und wieder hörte sie singen ! Sie wurde unruhig und konnte sich keine Rechenschaft geben, warum sie der Gesang so mächtig erregte. Noch hatte sie keine Melodie oder Stimme erkannt! Es war wieder ruhig. Jest rauschte es auf dem Wasser. Kräftige Rüderschläge, die noch in weiter Ferne sein mußten , erregten die flare Fläche. Mirzl stand auf und eilte, von einem unerklärlichen Drange getrieben, an den See, dessen Wellen ihre Füße netten. Wie ein Reh bog sie den Hals vor und lauſchte, die Ruderschläge kamen näher , doch die neidische Landzunge verbarg das Boot noch ihren Blicken. Sie zitterte und wußte nicht warum. Da , auf einmal erbleichte ihr banges Antlig, wurde wieder rot und ihre Augen blickten ſtarr auf den leeren See. Wie ward ihr doch ? Ein Sang, eine Stimme! Sie faßte sich mit beiden Händen am Kopfe und zitterte. Ihr Lied ! Sie täuschte sich nicht. Seine Stimme ! Es war nicht mög lich! Gedanken zuckten durch ihren Kopf ; nein ! nein ! es konnte nicht sein. Er war ja tot ! Und doch seine Stimme ! Ihr Lied! Ihre Lippen erbebten und sie blieb regungslos wie eine Statue stehen ! Hinter
| mit. Es klang durch die Lüfte wie Sphären | klang , wie Sang der Cherubim das Duo zweier Glücklichen, die sich im näch sten Augenblicke Herz an Herz lagen! „Hans !" " Mirzl !" Mehr sagten sie nicht, aber in den zwei Worten lag alle Lust des Augenblickes, alles Leid der Vergangenheit. Stumm lagen sie in ihren Armen. Der junge Meister stand thränenden Auges bei ihnen und der herrlichste Lohn, der ihm jemals von seiner Kunst gewor den, machte sein Herz übervoll. " Jesus , der Hans ," rief jeßt eine Stimme. Der Alte kam vom Hause her untergelaufen . . . . Alles schwamm in Wonne. Hans und Mirzl ließen sich nun von dem jungen Meister alles erzählen und tausend Küſſe bedeckten seine Hände, als er geendet hatte. Sein Einfall, Hans und Mirzl unter den Klängen seines Meisterliedes zu vereinen, war zu kostbar, als daß er sich die geschickte Inszenierung hätte versagen können. „ Man sieht eben die Theaterhand , " | sagte Hans . ‚Nun zum Finale ! " rief der überselige.
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Meister ; damit faßte er Hans und Mirz an der Hand , trat vor das Haus und von allen drei Kehlen scholl es hinaus in die stille Nacht : ,,, du himmelblauer See ! Du stillst mein Herzleid mir, Stillft mir mein Weh !"
Hans und Mirzl sind ein glüdliches Paar geworden. Auch ihr Lied hat Glud gehabt und als es der treffliche Meister in einem späteren Werke auf die Bühne brachte, begann es von hier seinen Siegeslauf in die Welt, in das Volk ; allüberall , wo ein blauer Seespiegel zum Himmel lacht, fingt und klingt des Liedes Melodie , das zu einem wahren Volksliede geworden, deſſen Schöpfer man immer mehr und mehr vergißt. Dieſe Schuld zu ſühnen , habe ich die anmutige Geschichte erzählt und der junge Meister , dem wir dieſes Lied verdanken , ist einer der besten Namen im Reiche der Musik geworden , es ist Karl Millöcker, der Schöpfer vieler tausender Melodien, als deren ſchönſte das unergründlich zaubervolle Liedchen gilt : ,,, du himmelblauer See !"
Der Triberger Wasserfall.
Von berman von Bequignolles.
Dei, du übermütiger Schwarzwaldsohn, Bläst mir lachend aus vollen Backen Kalten Staub ins Gesicht und springst dann Brausend über das schwarze Geſtein. Ja, je trosiger dieſes ſich aufbäumt, Desto kühner dein Sprung. Immer hinab, hinab, du kecker Geſelle ! Hei, wie dein silberner Gischt An der nackten Steinbrust emporspritzt, an den Tannen empor, die in erhabenem Schauen Ringsum sehn, die haarigen Häupter ſchütteln, und ich höre sie raunen : Uber Hundert von Jahren Treibt er's nun schon. arte Stämmchen waren wir Graubärte noch Doll Jugendfrische, dem Gesträuche erklang jezt in seelenvollen Unerfahren, in Stürmen zagend; Klängen, was sie vorausgehört, und eine Dort unten im Chale frische kräftige Männerstimme sang: Stand nicht Hütte noch Haus ; „ Aus der Hütten, Noch entweihte kein ekler Dampf die reineren Lüfte, Hint' beim See, Noch erklang nicht die freche Urt des Menschen, Dulie, dulie, dulie, dulie, haha, Der sich von unserem Blut nährt Guckt a Diandl Und uns knechtet. Weiß wia Schnee, Einsam war es und still noch, Dulie, dulie, dulie, haha, Unser Riesengeschlecht beherrschte Weiß wia Schnee Und rot wia Bluat, Nochin ungebrochener Kraft den herrlichen Schwarzwald, Wann das Diandl Und schon damals sprang der Gesell da Mir is guat! Ueberlustig einber und sang uns Jungen du himmelblauer See, Wilde Wanderlieder. Aus is das Herzload, Aus is das Weh !" Mirzls Lippen sangen unwillkürlich
Immer noch ist er das alte Kind, Dieweil wir älter wurden, Weise und sturmerprobt, Doch wenn die Regen rauschen, Wächst er zum Riesen, Zum Gebrüll ſein kindiſches Callen, Und wir Uralten selber erzittern Bis in die Wurzeln vor ihm. Uber wir lieben ihn alle, Denn eine Sage geht unter uns Schwarzwaldtannen Daß er uns rächen wird an den frechen Mördern Unfres Geschlechtes. Kommen wird eine finstre Sturmnacht, Hei, da schwillt seine tosende Flut, Wütend stürzt sich der Rasende dann Donnernd hinab in das Chal. Klopfet donnernd an die Thüren der Schläfer, Bis die Mauern, die Dächer krachend zerbersten ; Dann umsonst ertönt der bebende Angstruf, Was nicht die Trümmer begraben, verſchlingt die Woor Keiner entrinnt, es breitet ein Bergſee Ueber das Grab seine schwarze, schweigende flut. Dann wird es wieder stille werden im Wald, Reinere Lüfte wehen dann wieder, Verstummt ist der scharfe Ton der Holzart Und des Jägers Geschoß. Friedlich graset das Wild am filbernen Bergſee. Und wie in alten Zeiten herrscht wieder im Schwarzwa ? Neber Berg und Chal unser herrlich Geſchlecht. °
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Furcht umherspaziert und sich die Blutegel und Würmer holt, die sich dort angesaugt haben, und daß der mächtige Wächter vögel . Lurch sich dies ruhig gefallen läßt , denn sollte je das Krokodil seine gewaltigen KinnVon laden zusammenklappen , so riskiert der kleine Vogel nicht, darin eingeschlossen zu F. M. Hellborn. werden , da er sich mit einem leichten Sprung zu retten weiß. Die gewöhnliche Nahrung dieses Vogels sind Kerbtiere aller ine der eigentümlichsten Erscheinungen | jenes skeptischen französischen Philosophen Art , Sandkäfer , Fliegen , Wasserspinnen, im Tierleben sind die Freundschaften erinnert, welcher die Freundschaft nur für Würmer , Mollusken , kleine Fische und oder geselligen Beziehungen, welche man hier eine andere Form von Selbstsucht erklärt, auch Brocken vom Fleisch größerer Wirbelund da zwischen Tieren vom verschieden denn auch bei diesen Tieren ist es unver tiere. Er findet daher in dem Rachen des sten Habitus und Temperament wahrnimmt kennbar der gegenseitige Vorteil , welcher Krokodils , das von Ungeziefer aller Art und die sich dem aufmerksamen Beobach dieselben miteinander verknüpft. verfolgt wird, immer seinen Tisch gedeckt. ter als das Ergebnis eines gewissen AusSchon der alte Herodot erzählt von einem und befreit den Lurch von seinen Peinigern. nüßungstriebes oder Eigennußes darstellen. kleinen schnepfenartigen Vogel, dem Kroko- Da der Vogel überdies bei der Annäherung Wenn man bei derartigen Erscheinungen dilwächter oder Hyas aegyptiacus jedes ihm fremdartig oder gefährlich erder Sache näher auf den Grund geht und ( S.1081) der Naturforscher, daß derselbesich scheinenden Wesens sein durchdringendes 3. B. untersucht, warum der kleine Stelzimmer in der Nähe der Nilkrokodile herum Geschrei erhebt , so weckt er dadurch das vogel, den wir schon seit dem grauen Alter treibe , denselben ungeschreckt in dem ge- schlafende Krokodil , das dann tros seiner tum unter dem Namen „ Krokodilwächter" fährlichen Rachen herumspaziere und ihnen anscheinenden Stumpfheit es doch für kennen , eine solch vertraute Freundschaft die Blutegel und Maden aus dem Maule rätlich erachtet , in das tiefere Wasser zu mit dem stumpfen, brutalen und gefräßigen hole , welche sich dort angesaugt haben . flüchten. So versieht der Vogel WächterKrokodil pflegt , oder warum das scheue Lange war man geneigt , dies für ein dienste beim Krokodil und der gegenseitige und unduldsame Nashorn in Afrika den Märchen zu halten; allein aufmerksame Vorteil verknüpft beide. Madenhacker um sich duldet , so gelangt Beobachtung hat dargethan , daß dieser Eine ähnliche Rolle spielt in den man zu dem Schlusse, daß der gegenseitige naturhistorische Zug wahr ist und daß in Dschungeln des heißen Afrikas ein anderer Vorteil auch in der Tierwelt ein beinahe ganz Nordafrika und bis nach Zentral- Vogel aus der großen Familie der Stare ebenso mächtiges Band zwischen den In- afrika hinein dieser hübsche , lebhafte, ge- bei den größeren Säugetieren. Dies ist dividuen bildet , wie im Menschenleben. wandte und schreilustige Vogel an feinem der Madenhacker , Buphaga , der in Angesichts solcher Tierfreundschaften wird Waffer fehlt und nicht nur beim Krokodil, verschiedenen Arten von Südafrika bis man beinahe unwillkürlich an das Diktum sondern auch bei allen anderen Geschöpfen, herauf nach Habesch und zum Senegal vorwelche auf ihn achten wollen, Wächterdienste ver kommt. Der gemeine Madenhacker , Busieht . Man hat ihn an den Nilufern Oberägyptens, phaga africana (S. 1089) , etwa 9 Zoll wo es noch ziemlich viele Krokodile gibt , sowie an lang, hält sichzum zahmen Rindvieh und den den Strömen Westafrikas bemerkt. Der hübsche, wilden Büffeln und liest denselben die behende Vogel, zu den Stelzvögeln gehörig und nur Zecken und die Larven der Biesfliegen 8½ Zoll lang, ist ein ungemein flinker Läufer und und Bremsen ab. Aehnlich der etwas fliegt auch, obwohl nicht sehr weit. Er lebt gleich kleinere rotschnäbelige Madenhacker, B, erydem Krokodil auf den Sandbänken des Ufers , wo throrrhyncha (S. 1085), der ungefähr denseinem regen Geiste nichts entgeht, was um ihn her selben Verbreitungsbezirk hat. Beide sind vorgeht, und wo er jedes Schiff, jeden Menschen, lebhafte und bewegliche Vögel, welche sich vor jedes Tier und jeden größeren Vogel augenblicklich keinem Tiere scheuen, um so mehr aber dem . Crecedile Watchers bei seiner Annäherung bemerkt und durch sein war- Menschen mißtrauen ; beide sind Insektennenges , lebhaftes Geschrei ankündigt. Es ist er fresser und sehr gefräßig. Zecken und wiesene Thatsache, daß wenn das unheimliche , ge Schafläufe kommen nun beinahe in allen waltige Krokodil schlafend am Ufer in der Sonne Wäldern der Erde häufig vor, am häufigliegt und seinen Rachen aufsperrt , er darin ohne sten aber und in besonders lästigen Arten in den afrikanischen Wäldern , und sind eine große Plage nicht nur der zahmen Rinder und Kühe, sondern namentlich auch der wilden Büffel , der Flußpferde, Nashorne und Elefanten , denen ihr dides Fell feinen Schutz vor diesem peinlichen Ungeziefer gewährt. Ja vielleicht steigert dieses dicke Fell nur noch die Leiden dieser großen Vierfüßler , weil es die Möglichkeit erschwert, sie daraus zu vertreiben. Für den Madenhacker aber sind diese Zecken wahre Leckerbissen , und sein Schnabel ist so gebaut, daß er sie ohne sonderliche Mühe aus der dicken Haut jener Tiere herausbohren kann. Welche Erleichterung für diese Vierfüßler dies aber ist, das vermag nur der zu werten, der sich schon eine Zecke aus der eigenen Haut herauszuziehen versucht und den giftigen Kopf darin sicher eingebettet zu rückgelassen hat. Kein Wunder daher, daß die zahmen. Rinder und auch die wilden Büffel der afrikanischen Dschungeln sich mit dem Vogel befreunden, welcher sie von dieser Plage befreit. Dem wilden Büffel aber mag der Vogel noch willkommener sein , weil sein Bearfel mißtrauisches gellendes Geschrei ihn zugleich vor der Annäherung des Menschen verwarnt, und alle afrikaniKrokodilwächter ( 6. 1082). 46 89. II.
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schen Jäger , der weiße sowohl wie die dessen Hilfe zu sichern. Sobald er sieht, farbigen Wilden , wissen sehr gut , wie daß er von dem Menschen verstanden ist, schwer es um dieses Vogels willen ist, fliegt er unter mehrfachem Geschrei diesem sich an eine wilde Büffelherde schußrecht voraus, führt ihn in die Nähe des Nestes anzuschleichen. und schwingt sich nahe dabei auf einem Noch merkwürdiger ist die Freundschaft, Ast ein , um geduldig die Betäubung der die zwischen dem Nashorn und dem rot Bienen und die Beraubung des Nestes zu schnäbeligen Madenhacker besteht , welche erwarten , denn die Eingebornen lassen so auffallend ist , daß die Eingebornen ihm immer einen Teil des Honigs übrig, Afrikas ihn schlechtweg den " Rhinozeros um ihn für seine Führung zu belohnen. vogel" nennen. Der Madenhacker teilt mit Weiß er mehr als ein Bienennest , so dem Nashorn Freud und Leid, überwacht führt er den Menschen wohl auch noch zu dieses bei Tage , thut sich bei Nacht auf den anderen Nestern. Allein häufig suchen ihm nieder und hält bei ihm aus, solange es nur noch einen Zeden in der Haut stecken hat. Und das Nashorn, welches gegen alle anderen Tiere so scheu, mißtrauisch und mürrisch ist, duldet den Vogel gern um sich und läßt ihn so ruhig gewäh ren , wie es die mit ihm vertrauten Zugochsen und Büffel thun, an denen diese Vögel nach Ehrenbergs Beobachtungen herumklettern wie Spechte an einem Baum. In den tiefen Falten und Rissen der Haut des Nashorns siedeln sich Zecken am liebsten und leichtesten an und hier wird jede Wunde leicht zum Anziehungspunkt für Fliegen und Bremsen , welche das Tier selbst nicht durch Reiben Jc.Bear und Scheuern entfernen kann, die aber der Madenhacker sorgsam abliest und herausbohrt, wodurch er dem Tiere Ruhe und Linderung | verschafft, so daß das Nashorn den Vogel gern um sich duldet. Von des Madenhackers treuem Wächterdienste zeugt aber der rotschnäbelige Madenhacker (S. 1083). auch der bekannte Sportsmann Gordon
Cumming, dem der warnende Schrei dieser Vögel mehrfach ein Anpürschen oder Anschleichen auf das Nashorn verdorben hat. Der rotschnabelige Madenhacker, welchen Cumming des Nashorns besten Freund" nennt, bewohnt vorzugsweise das zentrale Afrika, während der gemeine Madenhacker mehr dem südlichen Afrika angehört , wo er an den großen Säugetieren dieselben Dienste verrichtet.
die Bienen auch seinen Verrat an ihm heim , indem sie über ihn herfallen und sich durch wütende Stichée an ihm rächen. Sie wissen aber wohl , daß sein dichtes Gefieder ihre giftigen Stiche ziemlich un| schädlich macht ; deshalb stechen sie ihn in die Augen und richten ihn so zu , daß er hilflos auf den Boden fällt und elendig lich umkommt. Der Honiganzeiger gehört, Bei dieser Gelegenheit will ich noch wie wir schon angedeutet haben, zur Familie zugleich eines anderen afrikanischen Vogels der Kuckucksvögel und hat mit unserem erwähnen, welcher zwar weniger Wächter deutschen Kuckuck auch das gemein, daß er als Späherdienste versieht und durch seine selbst zu faul ist , um ein Nest zu bauen Dienste mehr anderen nügt als sich selbst, oder seine Eier selbst auszubrüten ; daher nämlich des weißschnäbeligen Honig legt er seine Eier nur einzeln auf den kuckucks oder Honiganzeigers , In nackten Erdboden, trägt sie nach dem Nest dicator albirostris. Wenn nämlich der irgend eines fleißigeren Vogels , aus dessen weiße Jäger gerade die frische Fährte Gelege er ein Ei entfernt, welches er durch eines der großen Dickhäuter verfolgt, kann sein eigenes erseßt. Ja noch mehr : er läßt es ihm begegnen , daß er sich plöglich zu dann nicht einmal der Pflegemutter die seinem Merger von seinen schwarzen Be- Freude, das eingeschmuggelte Junge auf gleitern verlassen sieht , welche sich durch zuziehen , sondern er soll es abholen , so den Ruf dieses Vogels von ihm haben bald es leidlich flügge ist , um es alshinweglocken lassen. Sobald nämlich dieser dann zu seinem eigenen Vagabundenleben Vogel ein Nest von wilden Bienen ent zu erziehen. deckt hat und sich an deren Honig gütlich Dies bringt uns auf einen anderen thun möchte, so gibt er dem in der Nähe merkwürdigen Vogel aus der Kuckucks befindlichen Menschen gern dies Ereignis familie, welcher allerdings nicht in Afrika, durch sein Geschrei zu erkennen , um sich sondern im wärmeren Nordamerika von
1086Meriko bis Oberkalifornien hinauf heimisch ist und sich dem Menschen mehrfach nüş lich macht. Dies ist der Grund- oder Hahnku duck, Geococcyx californianus (S. 1087) von der Größe einer Elster und buntem aber düsterfarbigem Gefieder und einer ungemeinen Beweglichkeit und einer solchen Behendigkeit im Laufen, daß man ihn kaum auf einem galoppierenden Pferde ein holen kann. Der Paisano oder ?? Bauers mann ", wie er bei den Merikanern heißt, ist äußerst leicht zu zähmen und ans Haus zu gewöhnen und in Meriko sehr beliebt, weil er eine Menge Kerb- und Weichtiere und namentlich junge Schlangen vertilgt und es besonders auf die Vertilgung der ge fährlichen und gefürchteten Klapperschlangen abgesehen haben soll . Erwiesenermaßen greift der Grundkudkud Klapperschlangen in offenem Kampfe an und weiß durch seine behenden Bewegungen ihren Giftzähnen zu entgehen. Nach Kassin hat er aber noch ein praktischeres Verfahren, um bei Gelegenheit den Tod einer solchen Giftschlange herbeizuführen. Wenn er nämlich eine Klapperschlange in der Nähe von einigen jener Kaktus: oder Opuntienarten mit starken Dornen findet , welche im südlichen Kalifornien solch undurch dringliche Dickichte bilden , so soll er die Schlange eifrig aber in aller Stille mit einer Mauer von solchen frischgepflückten Opuntienblättern umgeben. Hat er nun die Schlange ganz mit den stacheligen Blät tern eingebaut, so soll er sie durch einen Hieb seines kräftigen Schnabels wecken. Die erste Regung der Schlange ist nun , sich zum Schla gen aufzurichten und dann sich zu flüchten ; aber vergebens wendet sie sich nach allen Seiten , um einen Ausweg zu suchen überall starren ihr die Sta cheln entgegen. Sie schlägt erst nach den Blättern , bekommt den Rachen voll Stacheln , erschöpft ihr Gift , schlägt sich selbst in der Wut Wunden mit dem schar fen Giftzahn und stößt sich die Stacheln in den Leib, bis sie endlich unter Schmerzen verendet und dem Grundkuckuck zum leckeren Mahle wird ! Um seiner Munterkeit, Behendigkeit, Intelligenz und seines Haffes gegen Schlangen und Eidechsen willen wird der Grundfuckuck in Zentralamerika, Meriko und Unterkalifornien häufig zahm gehalten und erweist sich als ein nüglicher Wächter und Schüßer des Hausgeflügels gegen Schlangen, und um dieses Nutzens willen verzeiht man ihm auch gern seine gelegentlichen kleinen Diebereien in Haus und Hof. Bei diesem Anlaß müssen wir noch eines anderen emsigen Schlangenvertilgers aus der Klasse der Vögel erwähnen, näm lich des afrikanischen Kranichgeiers oder Sekretärvogels , Serpentarins secretarius, welcher den letzteren Namen dem hübschen Federbüschel an seinem Hinterkopfe verdankt , der ihm das Aus sehen eines Schreibers gibt , welcher fich einige Federn hinter das Ohr gesteckt hat. Dieser kräftige hochbeinige Vogel welchen
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Eine vom Grundfudud eingebaute Klapperschlange S. 1086).
sein Körperbau vorwiegend auf den Erdboden anweist, nährt sich am liebsten von Schlangen und scheut selbst die giftigsten wie Brillenschlange , Sandviper u. f. w. nicht. Er greift fie offen an, erwehrt sich der Schläge ihrer Giftzähne mit seinen starken Schwingen, ermüdet sie durch anhaltende Angriffe und flinke Volten, verfest ihnen gelegentlich tiefe Bisse und schleudert sie in die Luft , bis sie betäubt oder matt find, tötet sie dann durch einen geschickten Biß in den Nacken , zerreißt und verzehrt sie. Sein natürlicher Verbreitungsbezirk umfaßt das ganze äquatoriale Afrika vom 15. ° nördl. bis etwa zum 15. füdl. Br., vom Roten Meer bis zum Senegal, und er soll auch auf den Philippinen vorkommen. Vor etwa fünfzig Jahren verpflanzten ihn die Franzosen auch nach den Antillen , besonders Martinique und Guadeloupe , um dort unter den zahlreichen Lanzen und Klapper: schlangen aufzuräumen ; der Vogel gewöhnte sich leicht an, erfüllte seinen Zweck und ließ sich leicht zähmen , so daß man ihn im Hofe unter dem zahmen Hausge flügel halten kann, welches er vor Raub vögeln und Schlangen beschützt und in Ordnung hält, so daß er z. B. den eifersüchtigen Kämpfen der Hähne energisch steuert , während er zugleich Ratten und anderes Ungeziefer energisch verfolgt. Aus diesem Grunde werden diese Vögel am Kap der guten Hoffnung und auf den franzö sischen Antillen als Hofvögel gehalten und man verzeiht es ihnen , wenn sie hier und da ein Küchlein , Hühnchen oder junges Entchen pour la bonne bouche verspeisen. In ähnlicher Weise macht sich dem Menschen ein in Brasilien und dem subtropischen Südamerika heimischer Stelz vogel nüglich , der zwar kein Schlangen fresser ist, aber im gezähmten Zustande das Hausgeflügel kühn und energisch gegen die größeren Raubvögel verteidigt. Dies ist der Tichaja , der Chauna chavaria ( 3. 1091 ) der Naturforscher , ein hochbeiniger , den Wehrvögeln oder Palamedeen nahe verwandter Vogel von der Größe einer Gans, ungemein beweglich und wachsam, harm
1089 Schlangen und größere Vögel vertei digt , weshalb sich der Mensch diese Eigenschaft gern zu nuge macht , um sein Hausgeflügel von ihm beschützen zu lassen. Er darf daher füglich ebenfalls unter die Wächtervögel gerechnet werden , unter denen wir aber auch den in Nordamerika so gemeinen Kuhvogel , Molothrus pecoris, eine Starenart, nicht vergessen dürfen. Wie auch unsere einheimischen Stare dem Vieh die Schmaroßer vom Rücken lesen, so findet man in ganz Nordamerika den Kuhvogel immer bei den Herden, zwischen den Pferden und Rindern auf der Weide , um diesen Tieren das Ungeziefer abzulesen, was sie sich gern gefallen lassen. Bei den großen halbwilden Viehherden in Teras 2c. hält sich der Kuhvogel im Sommer immer in ganzen Flügen auf und wählt sich dann seine Schlafplätze im Gebüsch oder Röhricht an den Flußufern . Hier verweilt er bis Ende September , thut sich dann in großen Flügen zusammen wie Wo unser Star und zieht südwärts . er den Winter verbringt , ist unbekannt . Im Norden der Verein. Staaten erscheint er dann zu Ende März oder zu Anfang April wieder in kleinen Flügen und gesellt sich sogleich zum weidenden Vieh. Auch er liebt es gleich dem Kuckuck nicht, selbst ein Nest zu bauen und seine Eier auszubrüten , sondern er legt dieselben einzeln in die Nester anderer sperlingsartiger Vögel und läßt sie von diesen ausbrüten . Einer unserer Freunde, welcher im fernen Westen mehrmals die noch sporadisch vorkommenden kleinen Rudel von Bijons beobachtet hat, versichert uns,
los und friedlich, aber sehr mutig , dessen Verbreitungsbezirk sich über das tropische Süd- und Zentralamerika erstreckt. Sein Gefieder ist grau und braun gemischt und hübsch gezeichnet,seine Nahrung vorwiegend vegetabilisch, aber auch Insekten, Schnecken, Mollusken und niedere Tiere, sein Vorkommen häufig , bald einzeln , bald paar weise, bald in großen Scharen, besonders an den Flußufern und Lagunen. Ihr gellender, lauter , scharfer und heller Ruf flingt beim Männchen wie Tschaja " (daher ihr Name), beim Weibchen wie Tschajali ". Man findet häufig ihre Gelege, läßt die Eier von Hühnern ausbrüten oder bemächtigt sich der Jungen aus den Nestern und hält die Tschajas als Haus vögel auf dem Hühnerhofe, wo sie so zahm werden wie Hühner und diese beschützen, ja selbst das Wächteramt bei Herden übernehmen. So an spruchslos und friedliebend nämlich der Tschaja ist , so beherzt undfühn ist er andrerseits und stets bereit, den Schwachen gegen die Tyrannei des Stärkeren zu vertei digen. Seine Waffensind sein ſtarfer Schna bel, das Horn auf seiner Stirn und die beiden scharfen hornenen Sporen an jedem seiner Flügel, mit de nen er seine Jungen und seine Pflegbefohlenen ener gisch gegen alle Ter Madenbader und das weiße Nachern ( G. 1083). Feinde , selbst
SeBeard De
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daß er in deren Gefolge immer einige nommen , haben dargethan, daß die Weib- Fluges unfähig sind, würden sie bei dem Kuhvögel gesehen habe , die bei denselben chen ganz abgemagert, entkräftet und ver- Versuche , über das Mittelländische Meer vollkommen Wächterdienste versahen und krampft und nicht mehr imstande waren zu fliegen , sicher im Wasser umkommen. die Bisons von der Annäherung jeder zu gehen und zu klettern , und daß die Selbst der Zug durch Kleinasien, Syrien Gefahr warnten , so daß es positiv un Jungen lange Zeit nackt blieben, wie denn und Palästina wäre zuviel für ihre schwache möglich gewesen sei, sich auf Flintenschuß ein Homrai auch langsam wachsen und Kraft , und so treibt ihr Instinkt sie an, weite an die Büffel anzuschleichen, da diese, bis zu seiner vollkommenen körperlichen sich auf den Rücken der Kraniche zu sehen vom Geschrei der Kuhvögel gewarnt, als Ausbildung volle drei Jahre gebrauchen und von diesen mitnehmen zu lassen, und foll. bald flüchtig geworden . die Kraniche geben sich in der That gern Eine besondere, mehr selbstsüchtige Art Ein Wächtervogel im Sinne des Hom dazu her. Der Kranich tritt bei der ersten von Wächterdienst bemerkt man bei dem rai ist auch unser Kranich (S. 1096), dieser Annäherung von herbstlicher Kälte seine Männchen des über ganz Indien verbreite- intelligente, scheue und vorsichtige Wander- Wanderung gen Süden an ; er streicht dann niedrig und stößt daten Homrai oder Doppelhornvogels , des Buceros bei einen seltsamen Schrei oder Dichoceros bicoraus ; daraufhin fliegen nis (S. 1094), cines die kleinen Zugvögel vier Fuß langen auf, schwingen Höhlenbrüters fich - so un glaublich dies aus der Sippe erscheinen mag der Hornvögel, auf den dessen Schnabel Rücken ihrer allein zehn Zoll lang ist. Dielangbeinigen Freunde und ser prächtig ge= reisen auf diese fiederte Vogel bewohnt die Weise gemäch lich und ohne Hochwaldungen Indiens bis zu und Gefahr , 5000 Fuß Meevergelten ihren Wohlthätern reshöhe und diese Hilfe durch kommt auch in ihr heiteres GeIndonesiennoch vor; er ist ein zwitscher und stiller , friedli ihren munteren cher Vogel, der Auf Gesang. dem Rückwege sich vorwiegend Der spornflügelige Tshaja, die Haushühner verteidigend (S. 1087). von Baumgeben die Krafrüchten nährt, niche sich keine ziemlich schwer fliegt , daher meist in den | vogel, der in seinem Sommerlager bei uns Mühe mehr , niedrig zu fliegen , sondern Baumkronen sich aufhält und gelegentlich gewöhnlich nur im tiefsten Sumpfe an ziehen in bedeutender Höhe , da sie wohl ein tiefes gedämpftes Krächzen hören läßt, trockener Stelle ein kunstloses Nest baut wissen, daß es für die kleinen Vögel keine aber im Affekt oder Schmerz ein gewaltiges und in dasselbe seine Eier legt , welche Mühe macht , sich auch aus bedeutender Geschrei ausstößt, welches an Klang und von beiden Geschlechtern umsichtig be- Höhe zur Erde herabzulaſſen . Stärke genau demjenigen eines Esels gleichen brütet werden . Während nun das MännMöglicherweise thut spätere Forschung soll . Eine besondere Eigentümlichkeit des chen oder das Weibchen auf dem Neste dar , daß dieses Gebaren des Kranichs Homrai ist sein Verfahren beim Brüten : hockt und brütet , hält der andere Vogel das Ergebnis eines minder edlen und unwenn nämlich das Weibchen seine fünf bis des Paares in der Nähe Wacht und ent eigennüßigen Impulses ist, als es auf den sechs Eier in die Höhlung eines Baumes faltet dabei alle Klugheit , Vorsicht und ersten Blick erscheint ; allein in Ermange gelegt hat , so trägt das Männchen in Bedachtsamkeit , welche bei diesem anmu lung des nötigen Beweises in dieser Richseinem Schnabel Schlamm herbei und tigen Vogel in solch augenfälligem Maße tung schadet es nichts, es als eine ſelbſt mauert das Weibchen vollständig ein , so hervortreten , wenn er gezähmt mit dem lose Freundlichkeit anzusehen. Die Natur daß nur noch der lange Schnabel aus Menschen zusammenlebt und seine hervorzeigt uns noch eine Menge ähnlicher, vordem Loche herausschaut oder herausgestreckt ragenden geistigen Fähigkeiten erst voll erst ungelöster Rätsel. Unter den Rabenarten sind mehrere, werden kann. Das Männchen muß daher kommen entwickelt. während des ganzen Brutgeschäfts das Der Kranich thut sich aber noch durch welche wir zu den Wächtervögeln zählen Weibchen ernähren und genügt dieser einen anderen Charakterzug von reiner könnten , wie z . B. die Häher und die Pflicht auch emsig und gewissenhaft. Nach Uneigennütigkeit und Herzensgüte hervor, Krähen. Jeder Weidmann hat erfahren, anderen Beobachtern soll sich das Weib welcher uns erst durch die Beobachtungen wie ihm auf dem Pürschgang und beim chen selbst einmauern. Jedenfalls ist dieses des Dr. van Lennep enthüllt worden ist Blatten die Häher das Anschleichen auf Einmauern während der Brütezeit eine er und in der Klasse der Vögel beinahe einzig einen Rehbock oder Hirsch verdarben, weil wiesene naturgeschichtliche Thatsache und dasteht. Unser Kranich ist bekanntlich ein sie auch seine noch so leise Annäherung um so erstaunlicher , als der Homrai ein Zugvogel und nimmt sein Winterlager durch ihr Geschrei dem beschlichenen Wilde außerordentlich gefräßiger und großer Vogel mit anderen Kranicharten südlicherer Länder verrieten und dies zum Eichern oder zu ist und seine Jungen , welche gleich nach im fernen Sudan und Nubien. Er fliegt rascher Flucht bewogen. Ganz ebenso ver dem Ausschlüpfen die Größe einer Taube ungemein leicht und schnell und legt auf halten sich die schlauen Elstern , wenn haben, ebenfalls viel Nahrung bedürfen. diesen Wanderungen ungeheure Strecken der Weidmann Wildenten anschleichen will. Das Weibchen kommt daher über die zurück. Nun haben wir eine Menge kleiner Die Elster , für den Menschen ein schäðBrütezeit durch die enge Haft auch sehr insektenfressender Vögel , wie Ortolane, licher Vogel, leistet häufig anderen Tieren herunter , und verschiedene Beispiele in Finken, kleinere Drosseln u. s. w., welche nügliche Dienste: in England und SchottIndien und auf den Sundainseln , wo Europa mit einem wärmeren Klima ver- land erweisen sie den Schafen auf der man solche Homraiweibchen nach dem tauschen müssen, sobald die kältere Witte: Weide eine große Wohlthat , indem sie Brutgeschäft aus ihren Bruthöhlen gerung eintritt. Da diese eines anhaltenden ihnen manche von den Scharopertieren
Otto Donner-Richter. -1093ablesen , welche diesen unter ihrer dicken Wolle beschwerlich fallen. In Asien, besonders aber in Indien und China, er weisen die Elstern denselben Dienst den Wasserbüffeln und dienen zugleich diesen ungeschlachten Vierfüßlern zu Warnern vor Gefahr. Aber auch in anderem Sinne können wir von Wächtervögeln sprechen. Es liegen mehrfache Zeugnisse vor, wie gewisse Vögel beim Ueberhandnehmen schädlicher Insekten in unglaublich kurzer Zeit Hunderte und Tausende ihrer Art herbeiriesen , um die schädlichen Insekten zu zerstören. Wir fennen einige derartige Beispiele von Störchen, die ganz plötzlich in großer Menge auf Rapsfeldern erschienen, die vom Rapskäfer befallen waren; in den ersten Tagen , wo sich das Ungeziefer zeigte, waren nur wenige Störche wie zufällig zur Stelle , aber nachher stellten sie sich scharenweise ein und räumten in Kürze mit dem Rapskäfer ganz auf, so daß die Ernte gerettet wurde. So bemerkten auch die Mormonen, als sie sich 1847 am großen Salzsee niederließen, eines Tages, daß ihre Ernten auf den Neubruchfeldern von uns geheuren Mengen von Wanderheuschrecken überfallen wurden, welche den ganzen Ertrag in Frage stellten. Da erschienen eines Tags einige Möwen , welche über die Heuschrecken herfielen, und in den nächsten Tagen kamen dann Tausende von Möwen von der Küste hereingezogen und richteten. unter den Heuschrecken eine solche Verheerung an, daß wenigstens noch ein bedeutender Teil der Ernte den Mormonen gerettet wurde. Es war ein Wächterdienst , der ebensogut dem Menschen als den Möwen zu gute kam. Das Buch der Natur ist für uns noch immer ein Buch der Wunder, das uns nicht so bald ganz erschlossen werden wird und das für den aufmerksamen Beobachter unbeschreiblich anziehend und lehrreich ist.
Die Porträtmalerei der Alten. Von
Dito Donner-Richter.
Unsere Kenntnis der Malerei der Alten be: ruhte bis zu der Wiederauffindung und Ausgrabung von Herculanum und Pompeji fast ein zig und allein auf den in Rom schon im Mittelalter aufgefundenen Wandmalereien in den Thermen des Titus und des Trajan, wie auch in einzelnen Gräbern und Villen , von welchen heute wenig mehr erhalten ist. Sie wurden jedoch von Raphael und seinen Zeitgenossen auf das eifrigste studiert und ohne die Kenntnis derselben, ohne die Einwirkung beobachtet zu haben , welche sie auf Raphael ausübten , ist dessen Entwickelung aus der peruginischen Zeit und Schule heraus kaum zu verstehen, kaum richtig zu würdigen. Ja, wir finden eine Fülle antiker Motive , direkt jenen erhaltenen Malereien entlehnt, durch Raphael in seinen Loggien verwertet , deren ganze Ornamentik überhaupt auf dem Studium jener anmutigen Verzierungsweisen beruht, wie
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| fie damals der überraschten Künstlerwelt in den ausgegrabenen Räumen der Thermen entgegentraten , und welche man wegen ihrer Auffindung in den unter Erde liegenden Räumen oder „ Grotten" , Grotesken nannte. Es ist bekannt, daß Raphael, wel: chem vom Papste die Sorge für die Erhaltung und Auffindung alter Kunstwerke übertragen war , alle jene neu aufgefundenen oder schon bekannten antiken Wandmalereien, Ornamente wie Figürliches , kopieren ließ. In hohem Grade jedoch trug zu der Umgestaltung der Kunst des Cinquecento auch die Fülle antifer Statuen bei, die gleichzeitig aus dem tausendjährigen Schutte ausgewühlt wurden und die Bewunderung und das Entzücken der
der Griechen , dem Kunst- und Altertumsforscher vorlag. Um so wertvoller waren diese Aufschlüsse, als über die Malerei der Griechen durch sie selbst nur sehr dürftige und ungenügende Nachrichten auf uns gekommen sind. Bei vielen Schriftstellern zerstreut müssen sie mühsam aus denselben herausgesucht und zusammengestellt werden und reizen in dieser Unvollständigkeit mehr die Einbildungskraft, als daß sie durch ein klares Bild befriedigen , ja, es fonnte nicht ausbleiben, daß sie gründ lich mißverstanden und daß irrige Anschauungen der verschiedensten Art aus denselben entwickelt wurden. Mit aller Sicherheit dürfen wir annehmen, daß jene Wandmalereien in Herculanum und Pompeji teilweise von griechischen Künstlern selbst, teilweise durch unter ihrem Einflusse gebildete Italiker ausgeführt worden sind , denn die Anzahl hervorragender Künstler römischer Herkunft , die Plinius uns nennt, ist verschwin dend klein. Der Einfluß Griechenlands , der Hellenis mus, hatte das ganze römische Leben nach allen Richtungen hin durchdrungen , und am durchgreifendsten auf den Gebieten der Skulptur und der Malerei. In jenen Wandmalereien dürfen wir daher auch einen Abglanz der griechischen Kunst in ihren verschiedensten Richtungen erkennen, wir können von denselben zurück auf die ihnen zu Grunde liegenden Vorbilder schließen. Hierfür spricht auf das deutlichste der Umstand, daß wir unter den Gemälden, welche als abgeschlossene Einzelbilder die Mitte einer ganzen Wand oder eines Feldes in derselben bilden, häufig dieselbe Kom= position in den verschiedensten Gütegraden der Ausführung , also von besseren oder von schlechteren Malern , dargestellt finden, und daß diese Kompositionen meist in ihrer Erfindung auf eine viel größere künstlerische Begabung schließen lassen , als sie bei den Ausführenden ersichtlich ist; es ist augenDoppelhornvogel, fein Weibchen fütternd (S. 1090). fällig , daß diesen verschiedenartigen Ausführungen ein und dasselbe Original eines berühmten Meisters zu Grunde gelegen haben damaligen Künstler und Kunstfreunde bil muß. Die Dekorationsmaler bedienten sich deten. der Kopien solcher berühmten Vorbilder zu Nicht minder groß aber war die Bewe- ihren Ausschmückungen der Wände und brach-
gung, nur welche der ganzen gebildeten Welt, nicht der sich Künstler und Altertumsforscher allein bemächtigte, als Herculanum und Pom peji entdeckt und die in ihnen verborgenen Schäße an Malerei und Skulptur ans Licht des Tages gefördert wurden ! Nicht nur war uns damit ein weiter Ueberblick eröffnet über das private und öffentliche Leben der alten Welt, und zwar einesteils in den aufgefundenen zahllosen Gerätschaften und Schmuck gegenständen jeder Art, andernteils in den dem Verkehr bestimmten Straßen , Plähen , Ge: richtshallen und Tempeln , sondern auch die Malerei der Alten entwickelte sich dem Auge des Kunstforschers auf zahllosen Wänden pri vater und öffentlicher Gebäude in solcher Fülle, Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit , daß ein fast unerschöpfliches Material zur Beleuchtung der alten Kunst, nicht nur jener der Römer, sondern mehr noch ihrer Lehrer und Meister,
ten dieselben, wie aufgehängte Einzelgemälde , je gleichſam nach Gelegenheit an. Gab es doch damals noch keine andere Art der Vervielfältigung als die Kopie vermittelst der Hand, und so war es Geschäftssache für jeden jener Zimmermaler, einen Vorrat solcher Kopieen nach vorzüglichen und beliebten Driginalgemälden zu besigen, unter welchen er seinem Auftraggeber je nach seinem Geschmacke die Wahl laffen konnte. Wir finden daher auch in jenen Wandmalereien die verschiedenartigsten Richtungen in der Figurenmalerei der alten Kunst, der Megalographia oder Historienmalerei, vertreten, sowohl die streng archaische, als die spätere, ganz frei entwickelte der griechischen Blütezeit und der Zeit nach Aleran der dem Großen. In dieser letteren Periode fand auch die selbständige Ausbildung und Entwickelung des Zweiges der Kunst statt, welchen wir Genre-Malerei nennen , ebenso
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Kraniche als Träger kleiner Zugvögel (S. 1091). die der Tiermalerei , der selbständigen Land- des Polygnot und seiner nächsten Nachfolger schafts- und Marinemalerei und des Still dürfen wir dagegen das Vorbild zu dem lebens Gattungen , welche alle in Pompeji pompejanischen Gemälde des Opfers der ausgiebig zum Schmuck der Wohnräume ver Iphigenia betrachten. Der Hintergrund wendet sind. des Bildes ist auf das einfachste als ein Was uns Moderne bei dieser unbeschreib- wenig variierter Himmel gehalten , keinerlei lichen Fülle der herrlichsten künstlerischen Mo- landschaftliche Zuthat ist vorhanden, und nur tive stets in Erstaunen sehen muß, das ist der der Altar und das Standbild der Göttin be: absolut ideale Standpunkt , auf welchem sich zeichnen die Dertlichkeit. Scharf heben sich diese Malereien zum größten Teile halten, von dem hellen Hintergrunde allenthalben die eine Eigenschaft, welche sie ihrem griechischen Umrisse der Figuren ab , von welchen keine Ursprunge verdanken. Denn wenn sich auch der andern in Bedeutung oder Farbe unter: die griechische Kunst, wie jede andere, selbst geordnet ist , sondern die unter sich gleich: verständlich in ihren Gebilden an das Leben wertig sind. Selbst in dieser geminderten anlehnen mußte und dies auch allenthalben Wiederholung ist aber dieses Bild durch die in der anmutigsten Weise und in reichster Strenge, Einfachheit und Würde der künstle: Abwechselung that, so sind doch die Darstel: rischen Anordnung bewundernswert und wirkt lungen in Pompeji und Herculanum , welche erschütternd durch die Energie der poeti sich an das alltägliche Leben der Straße, des schen Konzeption . Erinnert dieses Gemälde Volkes anschließen, verschwindend wenige und noch an die Anordnung alter Vasenbilder stets nur in Kneipen und den verrufensten oder Reliefdarstellungen , so erkennen Lokalitäten von den gewöhnlichsten Gesellen wir dagegen eine durchaus verschiedene, fort: ausgeführt worden. Wir freuen uns stets zu geschrittene malerische Auffassung in dem sehen, mit welcher Energie das Unschöne und schönen Bilde , welches Vulkan in seiner Gemeine von jener Kunst ausgestoßen wor: Werkstatt darstellt, wie er mit stolzem Be: den ist , mit welcher Phantasie und Formen: wußtsein seiner Leistung den für Achill be: schönheit sie die Gestalten ihrer Götter: und stimmten , glänzend polierten Schild durch Halbgötterwelt in die Malerei einzuführen einen seiner Gehilfen der bewundernd in ver verstand, wie sie in allegorischen Figuren der goldetem Sessel dasigenden Thetis zeigen läßt, sinnvollsten Erfindung die Vorbilder für alles deren ganze Figur der Schild wiederspiegelt. Spätere in dieser Richtung geschaffen hat. Ein anderer Gehilfe ist noch mit dem ZiseNur in einzelnen Beispielen möge hier lieren des Helms beschäftigt, Bruſtpanzer und an die erwähnten , verschiedenartigen Rich Beinschienen liegen vollendet auf dem Boden, tungen und Entwickelungsperioden der grie- Hämmer und Zangen lehnen an dem Ambos, chischen Kunst, welche sich in jenen Wand- die umgebende Werkstatt ist ein luftiges Säu malereien nachweisen lassen , erinnert sein. Lengemach mit Ausblick auf den blauen HimSo dürfte der Zeit vor Polygnot, etwa dem mel, zum Teil mit großen Draperien verhängt Beginn des 5. Jahrhunderts vor Christus, das und in Helldunkel gehüllt , doch mit einer einem Parisurteile zu Grunde liegende hellbeleuchteten Stelle der weißen Wand, auf Originalgemälde zugeschrieben werden, welches welcher sich der tiefdunkle Körper des Vulkan man selbst in jener späten Zeit bei ganz ver- wirkungsvoll abhebt , ein wahres Meisterstück änderter Geschmacksrichtung noch des Kopie vollendeter koloristischer Anordnung und Em rens für würdig hielt. Die Göttinnen sind pfindungsweise, wie sie die Künstler zur Zeit in demselben, der Darstellungsweise der archai- Aleranders erstrebten und zu erreichen wußten. schen Zeit entsprechend , alle bekleidet darge: In der Periode seiner Nachfolger , der Diastellt, die Behandlung der Gewänder zeigt die dochenzeit , wird unter den Künstlern Timoganze Strenge des archaischen Stiles und nur machos von Byzanz von den alten Schrift die reicher entwickelte Landschaft des Hinter: stellern ganz besonders hervorgehoben. Er grundes ist als eine Zuthat des pompejanischen lebte zur Zeit Cäsars und namentlich war Malers , als eine Konzession an die Zeitrich von ihm eine Medea hochberühmt, dargestellt tung zu betrachten . Als ein Beispiel des ent: in dem Seelenkampfe vor der Ermordung wickelteren, doch immer noch strengen Stiles | ihrer Kinder. Ohne Zweifel ist uns auch von
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diesem Bilde eine geringe Kopie in zwei pompejanischen Gemälden erhalten , dagegen von einer ganz vorzüglichen aus Herculanum leider nur die Figur der Medea allein. Abgesehen von ihrer Bedeutung als künstlerische Leistung ist mir dieselbe für die Bestimmung der Technik der pompejanischen Wandmalereien neben andern Beweismitteln das unum: stößlichste für die Thatsache geworden , daß diese Malereien weder a tempera, noch enkaustisch, sondern daß sie a fresco ausgeführt sind , eine bis dahin viel umstrittene Frage. Als Beispiele genreartiger, doch im merhin idealer Darstellungen führe ich nur die anmutigen, in verschiedenartigen Kompo sitionen vorkommenden Gemälde an, in wel: chen Liebesgötter zum Kauf angeboten werden, und das anmutige Bild, welches in einer Landschaft ein junges Paar und einige Be gleiter darstellt, welche alle ein aufgefundenes Nest mit zierlichen kleinen Eroten darin freu dig erstaunt betrachten. Auch die vielen Einzelfiguren, welche zum Opfer gehörige Ge rätschaften tragen oder musizieren, sind dahin zu rechnen. Einen Zweig der Kunst aber finden wir in Pompeji in auffallendster Weise kaum ver: treten, nämlich die Porträtmalerei , und nur ein einziges Beispiel derselben vermögen wir mit Sicherheit daselbst nachzuweisen. Es sind die Halbfiguren des Pompejaners Paquius Profulus und seiner Gattin ; der Ehemann stüßt das Kinn auf eine Schriftrolle , welche er in der Hand hält, die Frau ist dargestellt mit einem Schreibtäfelchen in der linken Hand, während sie mit dem Schreibstift (Stylus) nachdenklich die Lippe berührt , beides Darstellungsformen, welche genreartigen Gemälden in Medaillons entlehnt sind , wie wir sie in idealer Auffassung als Versinnlichung des Nachdenkens und Ueberlegens in Pompeji mehrfach verwendet finden. Wir sind seltsam überrascht , dieser idealen Form die nüchternen, nichts weniger als anziehenden Porträtköpfe aufgesezt zu sehen und seltsam und geschmack: los genug nimmt sich diese Vereinigung von Idealismus und Realismus aus. Dieses so vereinzelte Vorkommen des Porträts in Pompeji darf uns jedoch kaum in Erstaunen sehen , wenn wir in Betracht ziehen, daß es eine unbequeme Sache ist, ein Porträt a fresco auf eine nasse Wand zu malen , eine Arbeit , welche stets in Eile ge macht werden muß und bei welcher der Maler sich stets herumdrehen müßte , wenn er ſein Modell betrachten und konterfeien will. Den noch wissen wir, daß die Porträtmalerei, nicht minder wie das Porträt in der Skulptur, ein vielfach gepflegter Zweig der Kunst in der alexandrinischen Epoche war, und daß ge rade in ihr einzelne Künſtler das Hervorra: gendste leisteten. Daß Apelles zu wiederholtenmalen das Bildnis Alexanders des Großen, seines Gönners, malte, ist bekannt und bei der hinlänglich bezeugten Richtung dieses Künstlers auf das Ideale hin dürfen wir die selbe auch bei der Behandlung seiner Porträts voraussehen. Aber auch schon bei seinen Bor: gängern ist uns das Streben nach Darstellung der Porträtähnlichkeit, d. h. das Heraustreten aus dem Typischen hinüber in das scharf Individuelle bekannt. Wir wiſſen, daß Polygnot in der Poikile zu Athen auf dem Gemälde der Zerstörung Trojas die Schwester seines Gönners und Freundes Kimon, Elpinike, unter der Gestalt der Laodike porträtierte, und daß sein Zeitgenosse Panänus , welcher in der Poikile die Schlacht von Marathon malte, die Porträts des Miltiades, des Callimachus und Cynägyrus, sowie jene des Datis und Arta phernes anbrachte. Entsprechend der bei dieſen
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Die Porträtmalerei der Alten.
1101=1100 = gyptischen wie von gewesen , weil ein großer Teil derselben in altä | welche sowohl von den 1099 der oben beschriebenen griechischen abweichen, der bis dahin für uns unbekannten enkausti infilern noch weniger entwickelten koloristi indem an ihnen weder Körperteile plastisch schen Malerei der Alten ausgeführt ist . Nach den Richtung werden wir uns ihre Por gebildet sind , noch auch sind die Porträts meinen Untersuchungen *) erwies sichdiese enkauratdarstellungen mehr in charakteristisch -typi der Verstorbenen auf Holztafeln gemalt in der stische Malerei, wie es schon nach den dürftider Auffaffung, als in realiſtiſcher , alle Umhüllung befestigt . Lestere ist nämlich ganz gen Nachrichten der Alten zu schließen war, Zufälligkeiten der Erscheinung mit aufnehmen und durchaus aus Stoffschichten gebildet und als eine Technik , zu welcher man das soge mit Kreidegrund überzogen ; auf diese Grundie - nannte punische Wachs , d . H. das dreimal in der Weise vorstellen müſſen . In überraschendster Weise ist aber unsre rung sind sowohl die Gesichter als auch Arme Meerwasser mit Zusatz von etwas natürlicher gängliche Unkenntnis der Porträtmalerei im und Hände aufgemalt , gleichsam als wären mineralischer Soda gekochte gelbe Wachs , durch Altertum durch neuere und neueste Funde lettere nicht mit dem Stoff der Hülle um: Zusah von balsamischem Harze und etwas einem ganz unerwarteten klaren Einblick in wünden. Die männliche Dresdner Mumie hält Olivenöl in eine pflasterartige Masse verdieselbe gewichen , und zwar von einer Seite in der rechten Hand einen Libationskrug , die wandelte , welche nicht mit dem Pinsel , sontommend , von welcher man keinerlei Veran- weibliche einen Becher ; in der linken Hand dern mit einem spatelartigen Instrumente , laffung hatte, derartiges zu erwarten , von halten beide eine jener gekrausten Wollbinden, dem Cestrum oder Verriculum , aufgetragen dem alten Wunderland Aegypten . mit welchen bei heiligen Handlungen der Altar wurde ; eine feine Zahnung des Randes dieses Schon bevor Alexander der Große Aegyp : Dieser Umstand sowohl lanzettförmigen Instrumentes ermöglichte ein ten erobert hatte , hielten sich viele Griechen wie die griechische Inschrift bezeugen, daß auch bequemeres Verstreichen der Masse und die t chmück wurde . bauernd oder vorübergehend zu Handelszwecken ges diese beiden Mumien griechisch -ägyptischen Ur- leichtere Beseitigung zu großer Anhäufungen . in Aegypten auf, und unter seinen Nachfol: sprunges sind . Sie wurden schon 1615 bei Saq- Außer dieser Cestrummalerei wendeten die gern, unter den Ptolemäern , bevölkerte sich Alten aber auch flüssig geschmolzenes und geas Land immer mehr und mehr mit Grie: qara in dem Gau von Memphis gefunden . färbtes Wachs zu Anstrichen und dekorativen den, welche allmählich die alte ägyptische Kul Losgelöst von ihren zugehörigen Hüllen Malereien an ; das rasche Erstarren dieſes ur und deren Träger zurückdrängten , sich befanden sich in Paris im Museum des Louvre heißen Wachses gestattete aber keine weitere ber ihrerseits deren Einfluß und den Landes- schon seit längerer Zeit sechs Porträts auf Durchbildung einer solchen Malerei ; sie mußte gebräuchen auch nicht ganz zu entziehen ver- Holztäfelchen von oben erwähnter Gattung, in raschen kecken Zügen ausgeführt werden . ochten und manche ägyptischen Sitten und welche mit der Sammlung von Clot -Bey aus Während bei jenen Porträts die Köpfe ſelbſt Gebräuche annahmen , so auch das Einbalsa Aegypten dorthin gekommen waren, und ebenso in der mühsameren Technik der Cestrummalerei meren ihrer Verstorbenen , ein den Griechen in London im Britiſh Muſeum abgesehen behandelt sind , sehen wir die nur skizzierten wie den Römern durchaus fremder Brauch . von der schon erwähnten einen Hälfte der Gewänder mit wenigen Ausnahmen vermittte Eine solche griechisch -ägyptische Begräbnisstä hter des Dioskoros - noch zwei andere telst der Pinsel- Enkaustik gemalt . Nach Vollwurde im Herbst 1887 von Fellachen in der Toc Täfelchen , welche alle , als ich sie im Herbst endung des Gemäldes folgte das Einbrennen , Brovinz el Fajjum in Mittelägypten entdeckt . 1886 zuerst sah , mein lebhaftestes Interesse die Operation , welche dieser Technik den Namen Baren diese Felshöhlen in der Nähe von Ru: erregten , sowohl als antike Porträtdarstel der „enkaustischen oder der Einbrenn -Malerei " ajjat auch schon in einer nicht mehr zu be: lungen wie in bezug auf die Technik , in gab. Der Zweck dieses Einbrennens besteht timmenden Zeit geöffnet und ausgeraubt welcher sie gemalt waren , wenn sie auch als darin , der infolge der Behandlung durch) orden, so hatten doch die Finder gerade d as künstlerische Leistungen nicht hoch gestellt wer: das Cestrum und die dicke Paste sehr rauhen is unnüt weggeworfen und in dem Sande den können. Genauere Untersuchungen der und gefurchten Oberfläche wieder eine gleichegen lassen, was für uns von dem unſchäßbar- selben waren mir jedoch einesteils dadurch mäßigere Erscheinung zu geben . Die Ränder ten Werte ist , nämlich dünne Holztäfelchen , unmöglich gemacht , daß die meisten der Pa der Furchen werden durch die Hiße etwas ab elche in der Umhüllung der Mumien auf riser Tafeln mit einem dicken, modernen, ganz geschmolzen , die Tiefen etwas ausgefüllt , und Stelle des Gesichtes angebracht waren, braun gewordenen Firnis überzogen worden die ganze Oberfläche erhält dadurch einen nd auf welchen sich die Porträts der Ver: sind , andernteils durch deren Aufstellung in gleichmäßigen firnisartigen Glanz . Diese Wirorbenen meist in Lebensgröße , zuweilen auch verschlossenen Glasschräncken . kung ist wahrhaft überraschend . Ein Teil Ich war daher aufs freudigſte überrascht, dieser Porträts , namentlich die schlechteren, -fmas kleiner, gemalt befanden . gen rdi hen kwü sem reic , mer Bis zu die als mir im Frühjahr 1888 Herr Theodor find a tempera ausgeführt ; ein anderer Teil ande war uns nur eine einzige derartige, Graf, Großhändler in Wien, welcher in Kairo aber, und darunter einige der vorzüglichsten, Theben in Aegypten stammende Mumie eine Filiale seines Geschäftes unterhält , eine mit einem gemischten Verfahren , in welchem it wohlerhaltener Ümhüllung bekannt , welche Anzahl Fragmente und vier wohlerhaltene das Wachs nicht durch Zusah von balsamiſchem schon seit längerer Zeit in dem Münz Porträttafeln jenes großen Fundes von Ru Harze , sondern durch Zusammenreiben mit binett der Pariser Nationalbibliothek befand. bajjat zuschickte , welchen er schon im Herbst Eigelb , Eiweiß und etwas Olivenöl zu einer eje Umhüllung des einbalsamierten Körpers 1887 in Kairo erworben hatte , und zwar in weichen Paste umgewandelt wird, welche ebenaus mehreren Lagen von Leinwand ge: einer Anzahl von ca. 100 Exemplaren. Konnte falls mit dem Cestrum aufgetragen wurde, Eldet , über welche ein Ueberzug von Kreide ich an dieser Zusendung die Technik der Male- jedoch noch einige vollendende Striche mit no Leim, unserem modernen Vergoldergrund rei genau untersuchen , so war es mir sodann licher Eitemperafarbe zuließ . Snlich, gelegt wurde , den man glättete und im Herbst 1888 auch ermöglicht , die ganze wirk Die grö ßere oder geringere Güte der at ornamentalen und figürlichen Verzierungen Sammlung in München zu studieren , wo Herr einzelnen Porträts kann uns in Beziehung malte und vergoldete ; auch die Hände wur- Graf dieselbe zum erstenmale öffentlich ausstellte . auf die frühere oder spätere Zeit ihrer Entn auf denselben gemalt. An dem Kopfende Diese erste Ausstellung kann als ein stehung nur geringe Fingerzeige geben ; denn findet sich noch , mit einem erhöht ornamen : wahres kunstgeschichtliches Ereignis bezeichnet zu jeder Zeit gab es gute und schlechte Maler, ten bemalten Gipsrand umgeben , die eine werden, und Künstler wie Archäologen ström wohlhabende und unbemittelte, die nach ihrem ngshälfte des Porträtes der Einbalsamier- ten in den Ausstellungsraum und gaben bald Vermögen bessere oder geringere Künstler auf eine dünne Holztafel gemalt , einge mündlich und in zahlreichen Zeitungsartikeln beschäftigen konnten . Indessen ist es für die die andere Hälfte des Porträts be- ihrem Intereſſe Ausdruck . Die erste ausführ- Beurteilung der Auffassungsweise und der det sich seltsamerweise in dem British liche, und wir dürfen sagen grundlegende Ar- Kunstfertigkeit jener Künstler des Altertums feum in London - und unter demselben beit über diesen Fund verdanken wir jedoch von Wichtigkeit , die Frage nach der Zeit zu auf griechisch die Worte geschrieben : unserem berühmten Aegyptologen und Schrift stellen , in welcher die Bilder entstanden sein Cochter des Diostoros . Frischen Mut !" stellerDer ts zeigt mögen . Doch laſſen wir beſſer andere Unterträ. *) aufGeo Blic dieſ Porrs rge Ebe rn ePro fefkfor Hererst syopo abpóy :). Durch dieſe Inschrift und ch schon , daß sie von sehr verschiedenartig besuchungen vorangehen . n rder en ist s hie ß Na piel chisge tetder unme ein Beis griedar 1an, da den Bestat Es muß in erster Linie hervorgehoben e,vor rke en en werden , daß weitaus die meisten der dargeis ren schben ſch uchisch htgt re Mei r wah stlern taten fin rührwe rrasel gswe den bei en Bragypt Deraltä abe pti der. rein niclie Kün gabdten Besalt undige übeder herste . Ein grotern war nämlich ein anderer ; sie uns durch die ungemein lebensvolle Auffas : stellten Personen rein griechischer oder römiegten die Porträts der Verstorbenen in sung und durch die frappante Charakteristik scher Nationalität sind ; die Typen laſſen dargehaltenen , bemalten oder vergoldeten der Dargestellten , verbunden mit einer wahren über nicht den geringsten Zweifel . Die Beefs in der Mumienhülle an der Stelle des Meisterschaft in der technischen Behandlung. gräbnisstätte von Rubajjat charakterisiert sich tes anzubringen ; auch die Hände be- Gerade aber für die Technik der alten Kunst also als eine wesentlich griechische oder griebelten sie plastisch , wie wir dies aus so sind diese Malereien wahrhaft epochemachend chisch -römische , und nach dem Charakter der 1888 Nr. 180 , München Beilage zur Allg . Ztg . 1888 Nr. 135, 136, 137. Dr. Rich . Donner der Miten vonn Lito enfauftige 30. Junt. . Gemann,ans. Deydmann, Ueber die gemalten Bilbniffe von en Mumien in unsern Museen kennen . erDie uch in den l . AbbrMalerei technische desg Richt : Witteil für mälde bei 1888 Leipzia 2c., Porträtge antiten Tie , raul e sch n ng agypti Sammlu in Dresde besigt n der tgl. fächf. Gesellsch . der Malerei von A. Keim in München , 15. Sept. u. 15. Oktober 1858. chte um Beri in 2c. Fajj aus dem n g n are nebe Erempl dieser Gattun auch feit längerer Zeit zwei Mumienhüllen, Wissensch. 1888.
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Malerei, die von ägyptischem Wesen gar keine rundumlaufende Nut soll nach Herrn Flinders den auf jene dünnen Täfelchen kopieren lic Spur an sich trägt, können nur griechische Petries Versicherung ein Glas enthalten ha: um das Original zu behalten, die Mumie aber Künstler diese Porträts gemalt haben. ben, von dem er Stücke gefunden haben will, doch erkennbar zu machen. Als solche Wit Welche hohe Bedeutung Alexandria für die eine Angabe , für welche ich ihm die Verant derholungen der Originalporträts griechische Kunst unter den Ptolemäern hatte, wortung überlassen muß. In derRegel schüß- möchte ich daher diese Mumienbilder ist bekannt. Ebenso bekannt ist es, daß auch ten die Alten nämlich ihre Gemälde, wenn sie betrachten , eine Anschauung , die deren die Handelsvöller der Phönizier und Juden es für notwendig hielten, dadurch, daß sie sie hohen Wert in keiner Weise beeinträchtigen in großer Anzahl in Alexandrien ansässig entweder, ähnlich den Wachsschreibtafeln, mit kann . Wir dürfen hierbei nicht außer A± : waren und begreiflicherweise sich auch in einem Scharnier-Klappdeckel verſahen, in wel lassen , daß das Altertum keine mechaniſcen andern Städten Aegyptens ihres Handels chem Falle eine solche Bild- oder Schreibtafel Vervielfältigungsweisen kannte, und daß de wegen gerne niederließen. Daß auch sie sich Diptychon genannt wurde, oder daß sie zwei her die Künstler in der Kunst des Kopierena von den bestehenden Gebräuchen nicht ganz halbe Klappdeckel rechts und links anbrach: sehr große Gewandtheit und Fertigkeit be ausschlossen, zeigen uns verschiedene der Män | ten, wodurch die Form des Triptychons ent kommen mußten. Auch ist der Fall nicht aus nerporträts, von welchen Nr. 5, 31 , 44, 49 stand, welche man bis in das tiefe Mittelalter geschlossen, daß derselbe Künstler, welcher das ganz entschieden der semitischen Raffe ange- hinein für Kirchengemälde a tempera , und Originalgemälde gefertigt hatte, vielleicht biez hören. Ebenso mochten einzelne Verbindungen | sogar noch einige Zeit für Delgemälde zum und da auch noch in der Lage war, die Wie mit ägyptischen Frauen von Griechen oder Schuße vor Staub und Feuchtigkeit beibe: derholung seines Originalgemäldes nach einem Römern eingegangen worden sein, wenigstens | halten hat. Die erwähnten Nuten hätten auch unerwartet früh eingetretenen Todesfall tragen die Frauenbilder Nr. 12 , 34 und 39 zur Aufnahme eines Holz- oder Metallſchieb: | machen, und kann es nicht beſtimmt genus ganz ägyptischen Typus ; so auch das Knaben: deckels dienen können, den man herausnahm , ausgesprochen werden, daß der Eindruck, den bild Nr. 67. Der Männerkopf Nr. 64 er da bei der Mumie der Zweck ja war, daß das die Güte der Porträts hervorbringi, durchau innert dagegen an Negerabkunft, wie Miſchung | Porträt geſehen werden sollte. In den pom- dem eines nach dem Leben gemalten Porträts von Raſſen in einem Lande, welches unter den | pejaniſchen Wandmalereien finden wir häufig | gleichkommt. Ja , innerhalb der Graficer Ptolemäern zu einem Hauptverkehrspunkt für Tafelgemälde abgebildet und zwar stets in der Sammlung ist die Hand eines und desſelben die Angehörigen dreier Weltteile geworden beschriebenen Rahmenart mit den an den Ecken Meisters für verschiedene Porträts mehrjas war, leicht stattfinden mußte. sich überstehend kreuzenden Seitenteilen und zu erkennen, und die Verschiedenartigkeit to Wenige Monate nach Auffindung der mit den Schußflügeln. Der von Flinders | riſtiſcher Auffaſſung weiſt zugleich mit alles Grafschen Bilder fand der Engländer Flinders Petrie gefundene Rahmen ist der erste, welchen Bestimmtheit auf ganz ausgesprochene Künſtler Petrie gleichfalls in dem Fajjum unweit Ho wir im Original besitzen , wie wir auch bis persönlichkeiten hin. vara, in der Nähe des alten Crocodilo her noch keine Gemäldetafel besaßen ; sie hat Als Beleg hierfür nenne ich z . B. Nt. ~ polis, später unter den Ptolemäern Arsinoe die beträchtliche Stärke von ¼ engliſchen Zoll. | das herrliche ſtreng en face gehaltene Por genannt, an deſſen Stelle jezt die Hauptstadt | Dagegen sind alle die in den Mumienhüllen | trät einer Schönheit ersten Ranges , eine der Provinz , Medinet-el -Fajjum steht , ein befestigten Porträts auf ganz dünne Täfelchen jungen Frau mit feingewelltem, didem Harr ausgedehntes, noch unberührtes Begräbnisfeld, von Zedern- oder Sykomorenholz gemalt, teil: fein blaßbrünetter Gesichtsfarbe , kostbaren welchem er Hunderte von Mumien entnahm , weise so dünn wie moderne Möbelfurniere, nur Halsschmuck aus vierfachen Goldkettchen : die teilweise noch nach alter ägyptischer Sitte | 1-1½ Millimeter ſtark, ſo daß sie durch diese vierfachen Perlenreifen bestehend. Diciem mit Reliefgesichtern versehen waren ; andern Beſchaffenheit dem Werfen und Verziehen sehr | Bilde genau entsprechend in der Farbenze teils fand er aber daſelbſt auch eine Anzahl | ausgesezt sind -- sich auch alle gebogen und handlung, genau gleich in der Größe –-- bein -- gerade wegen dieſer Eigen- | Köpfe haben 0,18 cm Höhe genau den griechisch-ägyptischer Mumien, deren Hülle mit | geworfen haben — der ganz identischen Gattung gemalter Por: schaft sich aber vortrefflich eigneten auf die selben Halsschmuck tragend von gleicher ſub träts geschmückt war, wie sie losgelöst in den Mumienhülle mit einer pech oder asphaltar- tilſter Ausführung , gleichfalls in voller e Besiz des Herrn Graf gelangt waren. Manchetigen Maſſe beſeſtigt und mit ihr verbunden | face-Anſicht genommen , ja so auffallend u der Mumien waren mit ihrer Hülle direkt in zu werden Daß sie in der That nur für der Aehnlichkeit, daß diese beiden Schönheiter das Schachtgrab gelegt worden ; andere aber diesen Zwed gemacht und bemalt wohl als Schwestern zu betrachten sind , fanden sich in langen , viereckigen Kasten geworden sind , beweist der Umstand , daß Nr. 81. Leider ist dies leştere Bildnis der bettet, deren Deckel in der Hälfte ihrer Länge | die Täfelchen nach unten nie ganz bemalt sind, anhaftenden feinen Sand teilweiſe etwas en Scharniere haben, so daß die obere Hälfte der daß die Kleidung sogar nur ganz dekorativ, schleiert, doch nicht so , daß man nicht selben in die Höhe gehoben werden kann und nach unten hin nachlässig aufhörend, behandelt höchste Feinheit der Zeichnung und des Hol das gemalte Bildnis des Verstorbenen dem ist und zwar aus dem Grunde, weil die Ma rits , welche es mit Nr. 8 gemein hat , vel Beschauer entgegensieht . Einige dieser Bild: l'er wußten , daß diese Teile durch kommen würdigen könnte. Merkwürdige nisse waren umgeben von einem in Gips die Binden und durch die Gipsum weise wurde auch eines der Goldohrgehäng modellierten und vergoldeten Kranz von Wein: rahmung der Hülle ganz verdeckt wie sie an Nr. 8 gemalt sind , welches trauben und blättern , der mit der Hülle werden würden. Deshalb sind auch nur die ersten Berauber der Gräber verloren hatte verbunden war. Köpfe wirklich sorgfältig und in der schwierigeren in dem Sande gefunden und ist nun Unter diesen Flinders Petrieſchen Funden Cestrum-Technik ausgeführt. Solche unfertige Bilde angeheftet. Gleicht die Behandlung des Kolori befindet sich jedoch ein enkauſtiſch gemaltes, Bilder , auf Täfelchen von so unsolider Beleider sehr zerstörtes, d . h . abgeblättertes Por- schaffenheit , konnten nicht wohl in Rahmen dieser beiden Frauenporträts jener der äkten trät , welches nicht in der Mumienhülle be- gefaßt , konnten nicht wohl in den elegant Venezianer, des Giovanni Bellini z. B., festigt war, sondern, in seinen ursprüng mit Freskomalereien geschmückten Räumen tritt uns in einigen anderen Gemälden lichen Holzrahmen eingefügt, und eines griechischen oder römischen Hauſes auf- | Künstler entgegen , der nicht das ſtrenge noch mit einem Teil der Schnur zum gehängt werden. face , sondern die ¾ -Anſicht wählt , Aufhängen desselben an einer Wand Bei der ungemeinen Lebendigkeit und bei Köpfen eine anmutige Bewegung gibt , des Wohnhauses versehen , nur auf der ganz hervorragenden Beobachtung aller ihnen ein feines , leuchtend graues , von die Mumienhülle gelegt worden Besonderheiten der dargestellten Personen muß fleren belebtes , klares Kolorit zu verle war, ein Umstand, welchen ich für die Ent- der Gedanke als ganz ausgeschlossen betrachtet weiß, wie wir es von Paul Veronese kenn stehungsgeschichte dieser Totenbildnisse für ent- werden , daß man derartige Porträts erst Zwei Köpfe junger Damen von ganz gleid scheidend halte. Diese Holztafel ist handwerks: nach eingetretenem Tode aus der Behandlung, die Nummern 30 u. 62, find gerecht angefertigt aus einem Mittelteil , der Erinnerung hätte herstellen können . ihm vorhanden , welche auch genau die eingelassen ist in vier ihn umfassende , im Da aber unter den Bildnissen alle Lebens- chen Maße , bedeutend unter Lebensg halben rechten Winkel zusammengefügte Sei- alter vertreten sind , namentlich auch Kinder zeigen. Einem dritten Künstler lassen sic tenteile , so daß die Gemäldetafel sich nicht und viele junge Frauen , so ist nicht anzuverziehen und werfen konnte, worauf man bei nehmen, daß Eltern ihre Kinder oder Männer Sicherheit der Mädchenkopf von ägvv :i allen Tafelgemälden , welche eingerahmt auf ihre Frauen auf die so beschaffenen Täfelchen Charakter , Nr. 34 , und der schöne Kn gehängt werden sollen, stets alle Sorgfalt ver: schon mit der Absicht hätten früh bei Lebzeiten | kopf Nr . 27 zuſchreiben; auch diese wenden muß. Diese Gemäldetafel findet malen laſſen, um ſie nach deren Tod für die haben genau das gleiche Maß und sich eingeschoben in Nuten in den vier ziem- Mumie zu verwenden. Wohl aber ist es scheiden sich merklich von allen andern lich starken Rahmenteilen , welche sich an den denkbar und sehr naheliegend, daß man vor das tiefwarme Kolorit, welches demjen Ecken etwas überstehend kreuzen, wodurch der handene Porträts , welche in der Wohnung des Giorgione und Tizian zu veral Rahmen die in neuerer Zeit unter dem Namen als liebe Erinnerung an eine bestimmte Le ist. Zu dieser Gattung gehört auch der Oxford-frame bekannte Form erhält. Eine bensperiode des Dargeſtellten eingerahmt auf- eines_kahlhäuptigen Alten von zweite, in dem Rahmen vor der Bildfläche | gehängt waren, nach dem Tode der Betreffen- ner Gesichtsfarbe, das einzige Greifenve
Stall im Schafe H. .Von Zügel
£. Schleiffarth. 1105
Aus dem Gebiete der Luftschiffahrt. =1106 =
1107er ganzen Sammlung, bei welchem die enkau gegeben worden war , wie im Abendlande ; | wickelt werden konnten, da ihr die fügsamere, tische Cestrummalerei in dickſtem Farbenauf die größere Anzahl der vorliegenden Männer- feinerer Nüancierungen fähige Delfarbe weit rage auf das virtuoſeſte behandelt ist und porträte werden wir daher nach diesem Merk reichere Hilfsmittel an die Hand gibt. arin den Malereien Rembrandts aus seiner mal mit Sicherheit in das zweite Jahrhundert Ich habe schon der Porträtdarstellungen väteren Periode sehr nahe kommt. Der ei unserer Zeitrechnung sehen können. Jedenfalls in den Gemälden des Polygnot und des Micon enartige Charakter der leßtgenannten Por: müssen wir uns die Benußung jener Begräb- im fünften Jahrhundert v. Chr. gedacht und rate muß besonders betont werden , weil nisstätte von Rubajjat als eine mehrere Jahr- hervorgehoben , daß wir uns dieselben , dem ei der Mehrzahl der Bildnisse der Grafschen hunderte hindurch dauernde denken und finden ganzen Charakter jener Kunst entsprechend, Sammlung die eigentlich koloristische Richtung hierfür, abgesehen von den bereits entwickelten in einer strengeren typischen Behandlung urücktritt gegen das Bestreben , in einfachen, und hierfür sprechenden Gründen, noch einen denken müſſen, ähnlich wie wir sie bei einem ellen Lokaltönen die charakteriſtiſche Zeichnung | Beweis in dem Umstande, daß sich unter den der Grafschen Porträte auf welches ich wegen nöglichst unmittelbar zur Geltung kommen zu Grafschen Porträten eine Tafel befindet, welche dieser strengeren Kunstrichtung besonders aufasen, ähnlich wie unsere altdeutschen Meister, das vorzüglich gemachte, enkauſtiſch behandelte | merksam gemacht habe, dem Frauenkopf Nr. 11, iamentlich Holbein, es thaten. Bildnis eines jungen, ganz bartlosen Mannes gefunden haben. Von der reichen WeiterSehr auffällig tritt unter den Porträten trägt , auf ihrer Rückseite aber zum zweiten entwickelung der Kunst in bezug auf Ver= er Sammlung der jugendliche Frauenkopf mal mit einem Porträt a tempera von sehr vollkommnung aller technischen Mittel und Rr. 11 hervor , welcher a tempera aus geringer Beschaffenheit bemalt worden ist, malerischer Anordnungen bis zur Zeit Alexantehmend sorgfältig ausgeführt , stark model- und zwar diesmal mit einem bärtigen Mann, ders des Großen und von der nachfolgenden tert und von besonders strenger , ja archai welcher dem Zeitalter Hadrians angehören langen Blütezeit derselben vermögen uns die cher Zeichnung und Formengebung ist , wie mag. Um diese zweite Bemalung zu ermög- erhaltenen Wandmalereien von Rom , von vir sie von plastischen Werken her kennen. lichen mußte also die Gruft geöffnet und die Herculanum und Pompeji im Verein mit den Diese Erscheinung ist beachtenswert, weil sie Tafel aus ihrer Verbindung mit der Mumien Porträten der Grafschen Sammlung nunmehr erschiedenartige Geschmacksrichtungen erkennen hülle gelöst werden, es mußte also diese Mumie ein klares Bild zu geben. ast, welche der Zeit nach vielleicht gar nicht selbst wahrscheinlich auch beseitigt worden sein. Die letteren gestatten uns aber auch den ehr weit auseinander liegen , ja möglicher Bei der bekannten Heilighaltung der Grab : Vergleich mit der Gegenwart, und da dürfen veise nebeneinander hergingen, aber auch für stätten im Altertum konnte eine solche Ver- wir es unbedenklich aussprechen, daß der besten ene Zeit das Vorhandensein der in der Kunst lehung nur nach einem so langen Zeitraum unter diesen griechisch-ägyptischen Porträten tets hervortretenden Gegensäge zwischen typisch geschehen, daß keine Erinnerung an die frühe- die besten unserer lebenden Künster sich nicht dealiſtiſcher und realistischer Richtung bezeu ren Besißer der Grabſtätte mehr vorhanden zu schämen brauchten ! Aber unsere modernen ten. Auch in den pompejaniſchen Wandmale- war und die späteren Benußer keinerlei Scheu Kunstleistungen schließen sich doch wiederum eien macht sich, wie schon erwähnt, die Lieb- mehr vor einer solchen Mißachtung ihrer Vor- enge an die großen Meister der Renaiſſance an dem Archaischen oder Archaisieren: gänger empfanden. und ihre Nachfolger an ; und was jene, entschieden aber behauptet In welche Zeit indessen die spätesten der Raphael vor allem, der Kunst errungen haben, orträten dierealiſtiſche Auffaſſung Porträte gesezt werden müſſen , ist schwer verdankten sie zum großen Teile der Wiederryand und befindet sich somit in Ein zu bestimmen. Einige derselben zeigen, abge: belebung und dem Studium der Kunstwerke it der Skulptur, welche schon von der sehen von der Talentlosigkeit des Künſtlers, der Alten, worauf ich bei Beginn dieser Auguftus an in gleiche Bahnen ein auch entschieden den Rückgang in der Technik Mitteilungen hingewiesen habe. batte. el überhaupt an. Aber die geringsten der enhne Zweifel gehören die Grafschen | kauſtiſch gemalten sind immer noch weit beſſere Bortsate verschiedenen Jahrhunderten an. Arbeiten als die schlechtesten in TemperaNach hour , und Varttracht , auch nach dem malerei , welche lettere , als die leichter auskoſtimat die Mehrzahl derselben wohl in zuübende Technik, selbst in der schlimmsten Aus dem Gebiete der Luftas 1 up . Jahrhundert unſerer Zeitrech Verfallszeit ihr Dasein gefristet hat, während Schiffahrt. tung . Was das Kostümelle anbe die enkaustische Malerei wegen ihrer sehr viel rifft , und die von beiden Schultern an schwierigeren Ausübungsweise in der VerfallsVon den Tuntien der Männer und den Stolen der zeit der Kunst aufgegeben wurde, gänzlich abT. Schleiffarth. Frauen hinablaufenden aufgefeßten oder ein- starb und endlich durchaus verloren ging. ewirkten Streifen von verſchiedenen Farben Aber selbst die roheſten Temperagemälde der ür die Zeit bezeichnend . Wir finden dieselben | Grafschen Sammlung stellen noch Nichtchriſten in Pompeji an den Figuren idealen Charakters dar , wie Nr. 9 , das Porträt einer jugend' uftschiffahrt ist ein neuer, allgemein internirgends verwendet , dagegen fast ausnahms: lichen Frau oder eines Mädchens , denn wir essierender Gegenstand , man erkennt die cs bei solchen , die dem gewöhnlichen Leben sehen dieselbe mit einer wollenen Opferbinde ungeheure Tragweite ihrer Zukunftsziele, und der damaligen Zeit entnommen sind , z . B. und einem Becher in den Händen dargestellt, die Schar derjenigen, welche die Erreichbarkeit in den Tuniken aller der in den Weinkneipen welche lettere hier ausnahmsweise auch noch jener Ziele leugnen, ist heute eine winzig Berkehrenden, wie uns dies die Wandmalereien auf der Gemäldetafel angebracht sind. Das kleine geworden ; aber bei alledem ist man doch n der Kneipe an der Ecke an via und vicolo | Christentum ſuchte bekanntlich mit aller Energie nur wenig unterrichtet über die Thätigkeit, die li Mercurio auf das deutlichſte zeigen. War den heidnischen Gebräuchen ein Ende zu ma auf diesem Gebiete herrscht und über die Fortneſe Mode ſchon bei den niederen Volksklassen chen , in Alerandria war es in dem dritten schritte, welche leßtere im Gefolge hat. Zwar im jene Zeit üblich -- Pompeji wurde im Jahrhundert, der Zeit des Clemens und Ori- bringen unsere Tagesblätter häufiger Berichte Nahr 79 n. Chr. verschüttet so war sie genes , schon weit entwickelt , und wenn auch über aeronautische Vorfälle, aber leider nur zu hne Zweifel schon sehr viel früher in den Kaiſer Theodosius der Große gegen das Ende oft sind jene nicht treffend in ihrer Darſtelornehmeren Ständen aufgekommen, denn es des vierten Jahrhunderts durch scharfe Edikte lung , sie geben zudem dem gebildeten Leser ſt eine in der Geschichte der Moden und der Kirche seine Hilfe gegen heidnische Ge- nicht die genügende kritische Aufklärung, woTrachten feststehende Erfahrung, daß die Ver: bräuche lieh, so mag doch dieselbe in Aegyp: durch er nach und nach in die Geheimnisse inderungen in denſelben meiſt in den oberen ten in bezug auf die Einbalſamierung und der Luftschiffahrt eingeweiht würde, und wo Ständen beginnen und erſt allmählich auch von | auf die mit ihr in Verbindung gebrachte Por- | durch er seine Vorstellungen von der Sache >em Volke angenommen werden . Wir wer- trätmalerei kaum mehr anwendbar gewesen berichtigen könnte. Häufig tragen dieſe Zeien daher den Anfang dieser Mode wohl sein , denn diese Kunst muß zu jener Zeit tungsnotizen sogar dazu bei, uns den Geschmack n den Beginn unſerer Zeitrechnung oder auch | ſchon als faſt ganz erloſchen betrachtet werden . | am Luftschiffen_gänzlich zu verderben, weil ſie och jenseits derselben zurückverlegen können ; Die Vergleiche mit verschiedenen unserer eben , wenn sich ein Unglücksfall ereignet, as Temperabild eines Jünglings , Nr. 7, be- bekannten und hervorragenden Künstler des niemals sich mit deſſen Ursachen näher befaſſen ist sie übrigens nicht. Auch sprechen die Mittelalters , zu welchen uns diese griechisch- und dabei die Frage aufwerfen , ob er hätte ief in die Stirne hinabgekämunten Haare bei ägyptischen Porträte Veranlassung gaben, kön vermieden werden können. Jeder Einsichtsen Männerköpfen Nr. 47, 48, 66, und deren nen zur Genüge darthun, daß wir uns in der volle aber wird zugeben , daß bei allen ErBartlosigkeit, bei Nr. 66 iſt nur ein leich: Periode ihrer Entstehung einer Kunſtauffaſſung | oberungen für unsere Kultur auch Opfer ge= er Anflug vorhanden dafür , daß sie der gegenüber befinden, welche im großen Ganzen fallen sind. Die Natur gibt ſich nicht widermugufteischen Zeit angehören . Zur Zeit Kaiser wenig oder nicht von unserer modernen An- standslos, nicht ohne Vergeltung zu üben hin, padrians begann , begünstigt durch das Bei- | schauung abweicht. Jedoch darf dabei nicht und wir trösten uns daher mit dem bekann= piel des Kaisers , die Sitte, einen stärkeren außer acht gelassen werden, daß alle die ver ten Sprichwort : "1Wo gehobelt wird , fallen Bart zu tragen, allgemeiner zu werden, obgleich schiedenen angeführten Richtungen in weit Späne !" Die freundliche Leserin möchte erschrecken, m Orient das Barttragen nie so ganz auf: höherem Grade von der neueren Kunſt ent47 89. II.
L. Schleiffarth.
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Aus dem Gebiete der Luftschiffahrt.
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wenn ich sie gleich mit meiner Einleitung fahrt, hättest du mit einem Mörder und einem von dem, sondern lediglich eine Konstruktion. zum Hades führe, wo die Phantasie des Pfar: Diebe angefangen , und ihre Bilder wären Es lassen sich dabei eine große Anzahl kleiner rers aus Kaltenleutgeben, die dahingeschiedenen dir als deine Ahnherrn angehängt worden. Erfindungen machen , der Grundgedanke de und verunglückten Luftschiffer hinverseßt hat. Man sagt, daß auch vornehmlich aus Ver: Ganzen iſt aber ein einfacher : die Bewegungs Diese vermessenen Menschen, predigte er geltung für diesen Frauendienst allen Luft- organismen, das Prinzip bleibt, soweit wenig von der Kanzel , wollten nun gar schon den schiffern eine besondere Verehrung und Hochstens ein Ballon mit in Frage kommt , das Himmel stürmen ! Dafür büßen ſie in der schäßung der edlen Weiblichkeit eigen ſei. selbe , welches bei Unterseebooten und Fisch Hölle! Gewiß eine nicht sehr einladende Den gewöhnlichen Sterblichen erhebt erst torpedos Anwendung findet. Die Schwierig Aussicht ; indes ich ziehe es vor, zunächst einen das Weib über die Welt des Jrdischen , den keiten liegen in der Architektur , der Wahl recht garstigen Hintergrund für die luftschiffer- Luftschiffer dagegen bringen der Ballon und die und Verarbeitung der Baustoffe im Hinblic liche Zunft zu malen und auf diesen eine Ideale hoch, welche er bezüglich des letteren in auf die Festigkeit und Leichtigkeit, der geſchid: schöne duftige Rose aufzusehen ; ich will erst seinem Innern birgt. Der Ballon aber hat ten Kombination zwischen Schiff und Maſchine, die Nerven meiner zarten Leserinnen etwas erst, wie wir gesehen, durch das Weib empor: der Lastverteilung zur Erhaltung des Gleic gestärkt wiſſen , bevor ich eine Luftfahrt mit gehoben werden müssen, bevor er ohne Makel gewichts u. f. f. In allen diesen Punkten ihnen unternehme. Allerdings wird das nur zu den himmlischen Regionen auffliegen konnte. trifft man Frage auf Frage, die ſich nicht dura eine Luftfahrt der Gedanken durch das Gebiet Recht ungerechtfertigt ist der Vorwurf, Rechnung auf dem Papier, sondern nur durc der Luftschiffahrt werden, welche außer einem welchen man alle Augenblicke wieder hören ein wissenschaftliches Versuchen lösen lasser. etwaigen Gruseln vor schrecklichen Ereignissen und lesen muß, es seien seit 100 Jahren keine und dabei Aufwand kosten an Arbeit , Zeit keine weitere Unbequemlichkeiten bietet, die aber Fortschritte in dem Ballonwesen zu erkennen. und Geld. Wer nicht gründlich hierbei vor: auch dafür von dem erhabenen Gefühl einer Das bedeutendste, was geleistet worden ist, das geht, betrügt sich und andere und schadet der wirklichen Luftfahrt kaum eine Ahnung zu lenkbare Luftschiff der Hauptleute Renard und | Luftschiffahrt. verschaffen vermag. Krebs aus dem Jahre 1884/85, wird leider Wenn ich hierbei von einem „,wer" ſpreche, Vor wenigen Jahren noch war man ge- so vielfach nicht richtig aufgefaßt. Es ist ge- so verstehe ich doch darunter zunächst ein: a wohnt, in einem Luftschiffer einen Wagehals radezu seit jener Zeit eine neue Epoche ein: Gemeinschaft mehrerer Personen. Die Auf ! zu erblicken, und diejenigen, welche bei öffent: getreten , eine Epoche , welche uns gewähr gabe ist zu umfassend , um von einer einzel } lichen Gelegenheiten sich mit Luftfahren ihr leistet, daß sich nunmehr in allen Kulturstaaten nen mit Sicherheit fertig gebracht werden zu Brot zu verdienen suchten, galten nicht selten berufene Personen mit der Sache ernstlich können . Es gehört dazu zunächst ein in der für verlorene Existenzen, bei denen ein Reißen beschäftigen, ja wir können noch weiter gehen : praktiſchen Luftschiffahrt wohlerfahrener Mann, des Lebensfadens nicht mehr viel Thränen her- | es hat sich doch eigentlich erſt ſeit jenem Ver- | dem die Erfahrungen früherer Versuche ziem such eine neue militärische Waffe gebildet, de- | lich eingehend bekannt sind , weiterhin dürfvorzubringen vermochte. Ja, wenngleich eine Abnahme solcher An- ren Thun und Treiben ausschließlich dem Luft: ten ein Schiffsingenieur und ein Maschinensichten heute bereits sehr um sich gegriffen schifferdienste gewidmet ist. Aber man darf ingenieur die hauptsächlich Beschäftirte hat , dürfte sie doch in den breiteren Volks: nicht unbillige Forderungen an die Technik welche beide , um nicht auf maſſen immer noch fruchtbaren Boden finden. | der Luftſchiffahrt ſtellen. Und doch verlangen | raten , ebenfalls eine Luftfahrt fülit Ich erinnere mich dabei einer kleinen Ge- die meisten Menschen immer sofort, ein Ana: tisch kennen lernen müßten. Alle dieje ak ſchichte, welche mir jüngst ein Luftschifferoffi- logon unserer überseeischen Dampfer in der müssen mit einer frischen freudigen Begriffe zier erzählte. Derselbe war bei einer größe: Luft , ohne sich zu überlegen , wie jetzt schon rung und Aufopferung an die Arbeten ren Uebung in einem Wirtshaus einquartiert drei Generationen daran gearbeitet haben, bis und derselben auch in jeder Weise entart: worden , welches mit einem Vorgarten ver- wir die Geschwindigkeit von 23 Knoten er sen sein. sehen war, in dem Leute aus dem Volke bei reichen konnten und wie viele Hunderte GeneEinen Sammelpunkt für alle die Suft einer Pfeife Tabak gemütlich ihren Schoppen | rationen hatten bereits in der Schiffstechnik | ſchiffahrt betreffenden Angelegenheiten bildet zu trinken pflegten. Was dort unten be vorgearbeitet ? Wer aber zeigt mir diejenigen, der in Berlin befindliche " Deutsche Berefn zur sprochen wurde, konnte er in seinem Quartier welche mit den wohldurchdachten und aus Förderung der Luftschiffahrt" , "u " der ta deutlich vernehmen und infolgedeſſen wurde probierten Kenntniſſen und Erfahrungen für den Wien ansässige Desterreichische technische er der unbeobachtete Zuhörer eines Zwiege: Bau von Luftschiffen von einem Polytechni: Verein. Beide Vereine geben gemeinschaftlic sprächs über die Luftschiffertruppe. Nachdem kum ausgerüstet in die Welt getreten sind ? die Zeitschrift für Luftſchiffahrt™™™ heraus, die Technik des Ballonwesens in einer eigenen Wen sollen wir als Baumeister bestellen ? Ich welche hochst lehrreiche und interessante AufArt besprochen war , kam man auf die Per könnte ſo fortfahren, meinen freundlichen Leser säße enthält. Der Deutsche Verein, mit den: sonenfrage. " Ja weißt d', dozu paßt nit a je mit Fragen in Verlegenheit zu sehen , indes wir uns zunächſt beſchäftigen wollen , beſteht der ," begann der eine , worauf der andere ich befürchte, er könnte mir den Mut verlieren bereits seit dem Jahre 1881 und hat seit erwiderte : „ Noja, dozu wird ſich halt nit jeder und, in Skeptizismus zurückverſinkend, mir zu- | jener Zeit in ſtiller ununterbrochener Arbe : hergebe, die Offiziere, die se dozu nehme, müsse rufen : „ Ja , wenn die Gelehrten darüber für die allmähliche Aufklärung der luftſchiffer: aach schon alle was ausgefreſſe habe ! " ‚ Nu | nichts lehren können , wird wohl nichts Be- lichen Begriffe gesorgt . Bei der hundertſten freilich," bestätigte der erste , die habe alle sonderes dahinter stecken !" Nun darüber dürfen Sizung, welche der Verein im Juni v. J. schon ihren Hacks weg , man sieht's jo , wos wir uns beruhigen . Es haben sich eine Reihe abhielt, trug Professor Dr. v. Bezold in ſe for verschiedene Uniforme trage , die habe hervorragender Gelehrter und Ingenieure mit | ſpannender Weise über „ die Bedeutung der alle niy mehr zu verliere !" unserem Fache beschäftigt und ſehr geistreiche Luftschiffahrt für die Meteorologie" vor. was Wenn die Luftschiffahrt eine sich empor Nun, wir erkennen daraus, daß nicht nur Arbeiten darüber veröffentlicht. Aber unsere Zivilluftschiffer , sondern auch unsere nußt es ? Eine Technik ist keine reine Wissen ringende neue Technik ist, so ist die Meteore Militärluftschiffer als verwegene, nichtsnußige schaft, welche sich mit Geist, Feder und Papier logie eine ebensolche Wissenschaft. Sonder Gesellen im Geiste der Volksmeinung einge bearbeiten läßt, sie muß auf etwas Thatsäch barerweise sind auch beide aufeinander in schrieben sind. Hoffen wir , daß dieser Geiſt | lichem , auf Versuchen und daraus gezogener vielen Beziehungen angewieſen. Eines ohne das sich mehr und mehr aufkläre ! Erfahrung beruhen und auf solchen stetig neue andere hinkt. Wenn Luftschiffer sich dem ver Uebrigens erscheint mir das eine unserer Stüßen suchen , um vorwärts zu kommen. schließen , stellen sie sich selbst damit er Erziehung entstammende natürliche Denk Solche Männer aber müssen uns erst heran: schlechtes Zeugnis aus, und wenn umgekehrt die weise für jeden Laien in der Luftschiffahrt zu | wachsen. Dan gebe Geld und beschäftige ge- Meteorologen glauben, den alten Schlendriasein. Als im Jahre 1783 der erste Ballon eignete Personen mit Versuchen zum Bau von auf statistischen Pfahlbrückenbauten weiter mit Menschen in Paris auffahren sollte, wollte Luftschiffen und man wird nach Jahren Lehrer wandeln zu können, werden sie bald in einen der König von Frankreich, Ludwig XVI., dem erhalten, welche uns die Grundlage in Gestalt Sumpf geraten. Freilich bleibt es für beide um die Luftschiffahrt wohlverdienten Edel- | eines geordneten, wahren Syſtems zum Luft- | Teile gleich bequem , beim alten zu bleiben. mann Pilatre de Rosier und seinem Gefährten | schiffbau auf den Akademien zum Vortrag der Luftschiffer müßte ſonſt viel Neues hinu Marquis d'Arlandes ein solches Unternehmen bringen können ; genau so, wie man es heut lernen und der Meteorologe schließlich we nicht gestatten , weil es zu halsbrecherisch er: zutage über den Schiffsbau hören kann . Aber jeder andere Forscher der Natur durch eigene schien. Der König bestimmte vielmehr , daß wer gibt Geld , und wenn es geschieht , wem Beobachtung ihre Geheimniſſe ablauſchen unt zwei schwere Verbrecher zu diesem Versuch Ver wird es leider nur zu oft gegeben ? Man kann in den Ballon steigen . Es sind auf beiden wendung finden sollten. Es hat großer An in dieser Beziehung nicht genugsam warnen, Seiten zunächst, selbständige vorurteilsfreie strengungen von seiten der Edelleute bedurft um die Interessen der Luftschiffahrt zu Charaktere nötig gewesen , welche sich met scheuten, mit den althergebrachten Gewohn und ist nicht zum wenigsten den Intrigen wahren. der schönen Frauenwelt am Hofe zu verdan: Die meisten Menschen sind heute immer heiten zu brechen. Eine nicht zu unterschäßende ken gewesen, daß der König in letter Stunde noch befangen in der Idee , das Luftschiff wichtige Rolle hat Profeſſor v . Bezold dlo seinen Befehl zurückzog , sonst , o Luftschiff- | ſei eine Erfindung. In der That ist es nichts Vorsteher de Königlichen Meteorologije
1111
Wilhelm Kunze. Am Waldesteich. 1112-
1113:
Instituts hierbei gespielt. Ueber die Zunahme | Borstenvieh hineinzugeraten. Natürlich sind | Ballon aus gemacht, und wie verlautet, sind der Windgeschwindigkeiten mit der Höhe, über die Dickhäuter ihm nicht aus dem Wege ge: verschiedene derselben gut gelungen. Die die Naturgeschichte der Wolken kann uns gangen, sondern haben sich ohne weiteres tot: Ballonphotographie könnte gewiß einmal gute feiner bessere Kunde verschaffen als der Luft- schlagen lassen. Unser Luftschiffer hat infolge: Dienste leisten, wenn man von Luftſchiffen aus schiffer. Leider aber entbehren dieſe Beob- deſſen zwei fleischige Symbole des Glückes | beſtimmte Punkte aufzunehmen vermag. Vorattungen der Aufeinanderfolge und Regel mit heimgebracht ; er soll indes nicht sehr läufig erscheint sie aber noch mehr oder wenimäßigkeit , welche aus der Statiſtik auf der | glücklich darüber geweſen ſein. Weniger vom ger eine Art Spielerei , von der anfänglich die heutige Meteorologie beruht, eine Geſeß- Glück begünſtigt war der Berliner Luftſchiffer | ſehr viel Geſchrei gemacht worden ist, die man lichkeit der Erscheinungen häufig feststellen Syring. Derselbe hatte die Absicht , auf als große Kunst auspoſaunt hat, während sie läßt. Profeſſor v. Bezold sagt daher : „Keine dem Tempelhofer Felde zu landen und geriet, in der That das Einfachſte iſt, was man sich Methode der Beobachtung kann die andere da unten einiger Wind herrschte , gegen die denken kann. Der Erfolg hängt wesentlich entbehren , wenn die aus den Beobachtungen Telegraphendrähte der Ringbahn. Der Korb von der Beleuchtung ab , da die Dauer der gezogenen Schlüſſe bindende sein sollen." fand an den Drähten einen Widerhalt und | Expoſition durch den Momentverſchluß, welchen Die Anregungen von dieser Seite haben der zum Segel gebauschte Ballon riß ihn die man benüßen muß , gegeben ist. Es handelt ſchon längst einen fruchtbaren Boden bei un- | Leitung entlang. Hierbei wurden die Korb- | ſich alſo lediglich um eine ganz einfache, sorgſeren Militärluftschiffern gefunden, welche sich stricke in kurzer Zeit von den Drähten zer- sam auszuführende Hantierung des Apparates, bemühen , alles , was ihnen im Luftmeer be- | ſchnitten und Syring fiel mit dem Korbe aus | die auch jeder Nichtphotograph sehr bald be gegnet, in Tabellen einzutragen, welche heute jener Höhe herab und zog sich schwerere kör- greift. Auch die Kunst hat sich dieses Jahr in Berlin mit der Luftschiffahrt befaßt. Aus bereits ein umfangreiches Studienmaterial perliche Verlegungen zu. bieten. Aber nicht hier allein, auch im DeutEin anderer Luftschiffer , der sich_bisher | den Ateliers der bekannten Gießerei von Glaschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt | durch seine beſtändigen Mißerfolge einen Namen denbeck ist von der geübten Hand des Bildhat sich ein der Sache mit Begeisterung er: gemacht hat , Marimilian Wolff , Vor- hauers Friß Görling eine Statuette her: gebener junger Ingenieur v. Siegsfeld be: ſizender des Ballonsport-Klubs, ist auch dieses vorgegangen, welche in Allegorien im Rokokoreit gefunden , dieses Gebiet der himmlischen Jahr wieder mit einem „ Kajütte-Ballon" auf stil uns den Kampf eines Ballons mit den Meteorologie , wo noch so mancherlei zu ent- | der Bildfläche erschienen , indes ist ihm die als Giganten auftretenden feindlichen Elehüllen ist, zum Gegenstande seiner Forschungen polizeiliche Genehmigung zur Auffahrt ver- menten darstellt. Die obere Ballonkalotte läßt sich abheben und das Innere des Ballons sich zu machen und mit Aufopferung dem allge- weigert worden. meinen Wohle zu dienen. Herr v . Siegsfeld Aus leicht begreiflichen Gründen wird alsdann als Zigarrenſtänder oder als Bowle 2c. hat bereits eine ganze Reihe von Luftfahrten | über unsere Militärluftschiffer möglichst wenig benußen. Die Anregung hierzu ist von dem gemacht. Im vorigen Jahre aber hatte er am geplaudert , augenscheinlich hat man das von | Offizierkorps der Luftschifferabteilung gegeben 23. Juni eine ganz besonders gut ausgerüstete Frankreich gelernt, wo die Geheimthuerei be worden, welches damit ihrem ehemaligen Chef, Expedition unternommen , welche, wie ich erreits den Grad des Ungemütlichen erreicht hat . Major Buchholz , ein würdiges Andenken ahren habe , wertvolle wissenschaftliche Be: Nichtsdestoweniger eignet sich vieles nicht gut überreichen wollte. obachtungen ergeben hat. Zu der Fahrt hierzu , besonders ein Ballon am Himmel ist mit seinem Ballon Herder" waren als Teil: recht weit und von vielen zu sehen . Aber nehmer eingeladen : Dr. Kremser , erster was macht das ? Ein Ballon ist kein GeheimAſiſtent am Königlichen Meteorologischen In- nis, und solche Ballons, welche aus dem großen stitut und der Luftschiffer Opiß. In der Ballonstall der Luftschifferabteilung empor Am Waldesteich. Frühe nach 8 Uhr fuhr der Ballon von der flogen, hatte ich häufiger Gelegenheit zu beob Basanstalt in Schöneberg auf. Der Korb achten und ihren Kurs mit meinem Fernglaſe Von glich einer Ausstellung physikalischer Instru- zu verfolgen. mente , darunter befand sich eine Anzahl sol: Jede Ballonfahrt ist ein Roman , ein Wilhelm kunze. cher, welche auch dem Kundigen fremd waren, Abeuteuer, erzählte mir einer unserer LuftInstrumente , welche von Herrn v. Siegsfeld ſchifferoffiziere. Herrliche Aussicht, pittoreske für bestimmte Beobachtungen erfunden und Wolkenbildungen, farbenprächtige optische Er Sie liegst du sanft und schön gebettet konstruiert worden waren. Eine fonderbare scheinungen wechseln ab mit Dunst , Nebel, Stangenkonstruktion war am Ballon ange: Regen , Schnee und Gewitter während der Im stillen Walde, dunkler Teich! bracht, allein zum Zweck , um unbeeinflußte Fahrt. Ja es kommt auch häufiger vor, daß Wer aus des Lebens Kampf ſich rettet Temperaturbeobachtungen zu erhalten. Das der Ballon von Landleuten beschossen wird. hierbei benußte Aßmannsche Thermometer, ein Die Landung bald sanft und gefahrlos , wie zu dir, wird wieder mild und weich. Instrument, bei welchem fortdauernd mittels wenn man auf Daunenbetten herabspringt, eines Blaſebalges Luft an den Quecksilber- bald pikant , wenn man ins Waſſer oder in Dein blaues Auge lächelt frieden, Zugeln vorbeigeblasen wird , hing so 9 Meter einen Wald fällt , bald gefährlich , wenn ein vom Ballonkorbe entfernt und wurde von die starker Wind die riesige Stoffmaſſe des Ballons Von Hoffnung spricht der Tannen Grün ; sem aus durch ein auf der Stange befestigtes über den Erdboden forttreibt, den Korb über Hier ruh' ich, von der Welt geſchieden, Fernrohr abgelesen. Ein Thermometer eige Stock und Stein durch Busch und Moor nach Und werfe von mir Sorg' und Mühn. ner Art befand sich im Ballon , um dessen sich schleifend, weil der Anker nicht faßt, wo Gastemperatur zu meſſen, welche die erschreck möglich noch in hohen Säßen nachhüpft. Und liche Höhe von ungefähr 50 ° Celsius ergeben den Schluß bildet der Empfang am Landungs- Doch wie? Jch hör' aus tiefem Grunde haben soll. Der Ballon war außerdem mit ort , der an Vielseitigkeit den übrigen Erleb einem besonderen Anker nebst Ankerbremse, nissen nichts nachgibt. Einmal hoch gefeiert Den Ruf erklingen : „Komm, Genoß! einem Ballaſtmesser zum genauen Abwiegen auf dem Schloß eines vornehmen Gutsherrn, Wir heilen jede Herzenswunde, der ausgeworfenen Sandmassen und verschie mit ungeduldigen Fragen beſtürmt und feu denen anderen sinnreichen Apparaten ausge- rigen Blicken beworfen von lieblichen schönen Wir Niren im kristallnen Schloß." rüstet. Die Landung erfolgte nachmittags Töchtern, das andere Mal in einer elenden gegen 42 Uhr in der Gegend von Celle, Bauernschenke mit scheelen, mißtrauischen Au- Ja, singt nur, ihr bethört mich nimmer, unter leider nicht sehr günstigen Umständen. gen von den Bauern betrachtet , deren Feld Der Wind hatte erheblich zugenommen und der Anker durchfurcht hat. Die Fahrten sind Hier will ich stärken Seel' und Geist, ſchleifte den Ballon einige hundert Meter im allgemeinen ein unerschöpflicher Born nicht Damit des Lebens falscher Schimmer durch eine Kiefernschonung, bevor derselbe zum nur von luftschifferlichen , nein , auch von Mich nicht vom rechten Pfade weiſt. Stillstand gebracht werden konnte. Indes, es Lebenserfahrungen. Bei Gelegenheit der Herbſtparade am ist alles gut abgelaufen und die Beobachtungen bergen Resultate von Wert. Es wäre zu 1. September hatte Berlin bei Anwesenheit Noch hab' ich Kraft, wenn's gilt zu streiten wünschen, daß derartige Fahrten öfter unter: Sr. Majestät des Königs von Schweden das Mit allem, was mir Gott verlieh. nommen würden und besonders auch anderswo Schauspiel einen militärischen Feſſelballon zu sehen, welcher mit seiner Dampfwinde, seinem Nacheiferer fänden. Ein Schwesternpaar soll mich begleiten: Die vorjährige Berliner Saiſon hat im Gaserzeuger und Materialwagen gegenüber ibrigen wenig Aëronautiſches geboten. Der Seiner Majeſtät dem Kaiser, hinter dem zwei- Die Wahrheit und die Poesie. Luftschiffer Damm hat häufiger Auffahrten ten Treffen aufgestellt war. Das Wetter war unternominen und bei einer Landung das selt ruhig aber nicht ganz klar , troßdem wurden same Glück gehabt , mitten in eine Herde photographische Aufnahmen der Parade vom
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Franske.
Franske. Von
Emil Pesch ka u.
Uls Franske ja gesagt hatte, war es ihr, als müßte ihr das Herz zerspringen. Wie Blei lag es ihr auf der Brust, und mitten in der Arbeit, die ihr ſonſt ſo flink von Händen ging, ließ sie jest müde die Arme sinken , um dann stundenlang mit dem Ausdrucke trostloser Ergebung ins Leere zu starren. Aber es war geschehen, und wenn sie sich noch länger geweigert hätte, wäre sie ja nur doppelt elend geworden. Sie sah Pieter tot auf dem Sande liegen , bleich, mit gläsernen Augen, das gute Gesicht in wildem Schmerz verzerrt, und ein eisiger Schauer überlief fie. Nein sie konnte nicht anders und warum auch ? Das war ja doch zu Ende für alle Ewigkeit es mußte zu Ende sein. Und Pieter, der arme Junge, den sie glücklich machen konnte, er war immer so gut zu ihr gewesen , er liebte sie so sehr. Und seinem Vater war sie wie das eigene Kind, sie schuldete ihm so viel Dank und hätte ihm so gern eine Freude gemacht. Was sollte sie thun ? Ihr armer Kopf war ganz wirr geworden und oft sagte sie sich , daß nur eins sie von ihrer Seelenqual erlösen könnte : der Tod. Aber endlich gab sie Pieter ihr Jawort und vier Wochen später war sie seine Frau. Franske war das Kind eines Steuermanns der holländiſch-amerikaniſchen Dampfergesellschaft und einer Französin aus New Orleans . Als die Mutter gestorben war, hatte der Vater sie mit nach Europa genommen und sie seinem Vetter Jan in Pflege gegeben, wo sie bleiben sollte, bis er sich ansässig gemacht hatte. Aber es fam anders , als er plante. Der „ Prins · Hendrik" stieß im Herbstnebel unweit der englischen Küste mit einem deutschen Paket boot zusammen, und statt ihren Vater wiederzusehen , erhielt Franské die Nachricht, daß sie eine Waiſe war. Sie zählte damals vierzehn Jahre und empfand schon den Schmerz des Verlustes . Aber sie hatte eine Heimat gefunden, der alte Jan war ihr wie ein zweiter Vater und Pieter liebte sie wie einen Bruder. Die Wolke , die ihre kindliche Seele verdüstert hatte , war bald geschwunden und ſie war wieder das lebensfrohe , muntere Mädchen geworden , das nach der Meinung des alten Jan mehr franzöſiſch als niederländisch Blut in den Adern hatte. Zwei Jahre später ging Pieter nach Batavia, und Jan blieb allein mit Franske in dem einſamen Dünenhaus . Sie war nun sechzehn Jahre, und ſie wurde siebzehn — aus dem hageren, eckigen Ding mit dem schmalen, dunklen Geſichte und der gar zu kräftigen Naſe wurde ein
blühendes Geschöpf von einer seltsamen , bestrickenden Schönheit. Zugleich aber regte sich in ihrer Seele eine dunkle Sehnsucht, die kein rechtes Ziel hatte. Sie wurde schwermütig , sie wünschte sich bisweilen Jan herbei und bisweilen wieder träumte sie sich fort aus dieser Einöde. Schattenhafte Bilder von volfreichen Städten, die sie als Kind gesehen, zogen durch ihre Seele, und wenn sich einmal ein Wanderer aus dem Seebade Zandvoort bis in die Nähe ihres Hauses verirrte, dann verfolgte sie ihn so lange mit ihren Blicken, bis er nicht mehr zu sehen war. Das Haus des Cheims lag einsam in einem Thälchen zwischen den östlichen Dünenreihen. Da bauten schon Großvater und Urgroßvater die ,, Sandkartoffeln ", die von den Amſterdamer Gourmands so sehr geschäßt werden , und überdies hatte man einen kleinen Torfstich angelegt , deſſen Erträgnisse in Haarlem verwertet wurden. Die Familie hatte immer ihr Auskommen gefunden, und da Pieter der einzige Sohn war, hätte er es nicht nötig gehabt, nach Batavia zu gehen. Aber das war eben eines Tages so über ihn gekommen und der alte Jan meinte , das sei holländisch Blut , er möge nur gehen . Er war als Junge nicht weiter als bis Enkhuizen gekommen, aber es war doch eine schöne Zeit, und wäre nicht das mit der Jenneke gewesen, dann hätte er's wohl auch bis Batavia gebracht . So ging Pieter eben, und Franske blieb allein bei dem Oheim in dem einsamen Hauſe. Als Pieter noch dagewesen , hatte sie diese Einsamkeit nie empfunden. Jest kam sie ihr mit einemmal zum Bewußtsein, und es war , als ob dieses neue Gefühl die Verwandlung ihres Wesens beschleunigte. Manchmal, wenn sie in der tiefen Stille des Sommernachmittags auf der Bank vor dem Hause saß , wurde es ihr so schwer ums Herz , daß sie weinen mußte. So weit ihr Blick reichte , sah sie nichts als graue Sandberge, auf denen nur hier und da das spärliche Dünengras wucherte. Kein Laut als bisweilen das Picken der Muschelkrähe, das Rascheln des Dorns, durch den ein scheues Kaninchen schlüpfte , oder der unheimlicheRuf der Dünenmöwe, die pfeilschnell die Luft durchschnitt. Ging sie ein paar Schritte weiter , so hatte sie wenig ſtens den Anblick des Häuschens , über das ein alter Ahorn schüßend seine Zweige legte, und des dürftigen Gärtchens mit seinen von einem grauen Hauch überzogenen Blumen . Aber hier von der Bank aus sah sie nichts als die grauen Hügelreihen, die sich bis in die Unendlichkeit zu dehnen schienen, ein Meer mit seinen Thälern und Bergen,
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aber alles tot und starr und grau. Blei sank es ihr dann aufs Herz, die Thranen drangen ihr in die Augen und ein. namenlose Sehnsucht erfüllte ihre Seele. Da geschah es eines Tages - sie wa eben in der Stube beschäftigt , daß ein Fremder in das Haus trat und sie um ein Glas Wasser bat. Er kam von Zandvoort, wollte durch die Dünen nach Bloemendael gehen, hatte sich aber verirrt und war nun dem Verſchmachten nahe. Franske erfüllte seinen Wunsch und zeigte ihm dann auch den Weg. Als er sic entfernt hatte, sah sie ihm durch das Fen ster nach, bis er hinter der Höhe verschwun den war. Und dann wollte er ihr nicht mehr aus dem Sinn und auch in der Naci erschien er ihr im Traume. Beständig sas sie die elegante, geschmeidige Gestalt , die blizenden Augen, das feine, mit einem blon den Schnurrbärtchen geschmückte Gesicht. Es war ihr, als ob sie fieberte, und mand mal schoß ihr das Blut so heftig zu Kopi daß vor ihren Augen alles zu taumeln begann. Die Stube war mit einem Duit erfüllt, der sie betäubte und sie beständia erröten machte , und als der alte Jan er diesem Abend nach Hause kam , war | nicht im stande, ihm ins Gesicht zu sehen. Am anderen Tage war sie eben im 5. griffe, aus dem Hause zu treten, als plöt lich der Fremde wieder vor ihr ſtand. Er war es ihr, als wäre alles Leben aus gewichen , und dann schoß ihr das El : siedendheiß nach den Schläfen. Sie v stand nicht, was er sagte, ſie hörte nur ei : beständiges Brauſen und ſah seine Geita wie durch einen leuchtenden Nebel. Un so kam es , daß er ſie plößlich umfaßt hatte. und erst als seine Lippen die ihren berühr ten, kam sie wieder ganz zum Bewußtien, und floh. Aber er folgte ihr und es gelang ihr ihren Widerstand zu brechen. Vor Shar erglühend und zugleich von einem nie ge ahnten Wonnegefühl berauscht , horchte seinen Schmeichelworten. Und als er ging ließ sie es geduldig geschehen , daß er f küßte. Er kam nun jeden Tag, und sie fab seinem Kommen mit Sehnsucht und zuglei mit Bangen entgegen. Sie liebte ihn aus der Tiefe ihrer leidenschaftlichen Seele unh doch war eine dunkle Empfindung in it die ihr , ohne daß sie viel von der W wußte , doch sofort die Kluft zeigte , ru zwischen ihnen gähnte. Er hieß Cornelius van Banvig und s hörte einer Amsterdamer Patrizierfamil an. Und sie war ein armes , unwissendes Mädchen, das in einem bunten Rode un einem schwarzen Wollspenser ging, ſo gath anders als die Frauen, die nach Zandreet oder Bloemendael kamen. Sie hatte do viel zu viel niederländisch Blut in den Adern , um nicht auch daran zu denken. So verging eine Woche und am Sam tag fuhr der alte Jan nach Rotterdam. nächsten Morgen sollte, wenn alles gut gi der Dampfer eintreffen , auf dem Bitten aus Batavia zurückkehrte. An diesem Tage hing eine dum
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in dem fahlen Wetterleuchten , wie er in den grauen Sandwolken versank . Immer dumpfer wurde das Geräusch in ihren Ohren und immer wirrer und schattenhafter drängten sich die Bilder vor ihren Augen . Nur wenn ein heftiger Donnerschlag die Erde erbeben machte , wenn der Sturm heulend , als wollte er das Haus hinweg fegen , vorüberfuhr , schrak ſie aus ihrer Erstarrung empor und faltete die Hände zum Gebet . Erst gegen Morgen verfiel sie in einen Schlummer, der sie aber wunderbar stärkte. Als sie erwachte und die Sonne durch die Spalten der Thür dringen sah , sank es wie ein schwüler Traum von ihr. Sie öffnete , trat ins Freie und atmete mit vollen Zügen die frische Morgenluft. Zu gleich aber sah sie die vom Sturm gebrochenen Aeste der Bäume, und ein Blick nach den Dünen machte sie erbleichen. Die grauen Sandhügel , die nun in der Morgensonne glißerten, hatten ihre Gestalt verändert. Jeden Tag hatte sie dort Cornelius hervorkommen sehen, so daß eine Täuschung nicht möglich war. Der Sturm hatte wieder Berge abgetragen und Thäler ausgefüllt und wie mußte er erst tiefer in den Dünen gewütet haben , wo der Sand noch flüchtiger war ! Eine furchtbare Laſt fiel ihr aufs Herz und sie mußte sich an die Thür klammern, um nicht zu Boden zu sinken . Jene grauen Sandberge waren vielleicht zur Grabstätte geworden und sie , sie war die Mörderin. Dort unter diesen grauen Hügeln lag vielleicht Cornelius , und sie war es gewesen , die ihm die Zuflucht verweigerte. Sie hatte ihn von der Thür gestoßen, ihn grausam in das nächtliche Unwetter hinausgejagt, dem Verderben entgegen. Und nun war er tot, begraben unter den Dünen. * * *
Schwüle über den Dünen. Die Luft war ſo drückend, daß man kaum zu atmen vermochte, und gegen Abend zogen schwere , schwarze Wolken hinter den Sandbergen herauf, so daß es schon um sieben ihr Nacht war. Franske hatte ihrem Geliebten gesagt, daß ihr Vater verreise, und ihn gebeten , an diesem Tage nicht zu kommen. Die Heimlichkeit ihres Verkehrs mit dem Frem den war ihr plöglich drückend aufs Herz gefallen. Von Pieter sagte sie kein Wort, fie errötete nur , wenn sie an ihn dachte. Als aber die Stunde kam, zu welcher Cornelius gewöhnlich erschien, erwartete sie ihn doch, und als er dann ausblieb, flossen ihr plöglich zwei schwere Thränen über die Wangen herab. Hatte er sie verlassen ? Liebte er sie nicht so , wie sie ihn liebte ? War es nur ein Scherz , den er mit ihr treiben wollte ? Nie hatte sie noch so bittere Schmerzen empfunden, wie sie ihr jest die Brust zerwühlten. Plötzlich hörte sie Schritte ein Schauer lief über ihren Körper das war er. Er kam doch, er hatte sie nicht verlassen . Eine Minute später lag sie an seiner Brust , und dann wieder fie hatten erst wenige Worte gewechselt —ſtand sie zitternd in der Hausflur , hinter der verſchloſſenen Thür und wehrte ihm den | Eingang. Cornelius biß sich die Lippen blutig vor Aerger , aber nur sanfte Schmeichel worte kamen aus seinem Munde. Franske gab ihm keine Antwort. Er ging zu Vorwürfen und Drohungen über, flehte dann aufs neue, aber alles war vergebens . Schon flammten die Blize durch die Luft und der Sturm schlug die Aeste des alten Ahorns an das Dach, daß das ganze Haus erbebte , aber Franske schwieg. Nur ihr aufgeregtes Atmen hörte er zwischen den Windstößen durch die Thür. Franske ! " rief er wütend, du jagſt Am anderen Tage kamen Jan und mich jest sort, wo man keinen Hund von Pieter , aber Cornelius van Banvig kam der Thür jagen würde. “ nicht mehr. Franske ging umher, als litte Aber sie antwortete nicht . Nur der sie an einer schweren Krankheit, und Pieter Donner rollte vorüber und der Wind heulte fragte verwundert seinen Vater, was denn um das Haus. mit dem Mädchen vorgefallen sei . Der " Franste!" alte Jan aber schob schmunzelnd sein kurzes Er versuchte es mit den zärtlichsten Pfeifchen in den Mundwinkel und meinte, Worten , er drohte von neuem - sie ernster sei sie wohl geworden , aber häßichwieg . licher doch kaum. Und da hatte er recht Er rüttelte an der Thür , aber sie Pieter konnte widerſtand ſeiner Gewalt, und Franske gab sich nicht satt sehen an ihr. Oft genug teinen Laut von sich. hatte er an die Gespielin gedacht , unter Endlich stieß er einen Fluch aus und dem heißen javanischen Himmel und in ging. den langen Nächten auf dem Meere ; Franske lehnte noch immer, einer Ohnnie aber war es ihm dabei so sonderbar macht nahe, in der Flur des Hauses . Sie geworden wie jezt, wenn er sie nur in der hatte die Thüren verschlossen und wagte Ferne vorübergehen ſah. ſich nicht in die Stube. Als ihre Kräfte Groß und schlank, mit dunklen Augen, ermatteten , ließ sie sich auf die Dielen schwarzem Haar und bleichen sanft genieder und fauerte in der Ecke zusammen. bräunten Wangen, hatte sie etwas FremdIn ihrem Kopfe brauste es so , daß sie artiges an sich, das den Reiz ihrer SchönBeines klaren Gedankens mehr fähig war. heit noch erhöhen mußte. Pieter fühlte Manchmal glaubte sie Cornelius draußen sich berauscht, so oft er in ihre Nähe kam, zu hören , dann sah sie ihn wie einen und war er allein , dann schwebten beSchatten im Sturm durch die nächtlicher ständig ihre vollen roten Lippen und ihre Dünen wandern. Bald hörte sie sein von einem seltsamen , düsteren Feuer erFlehen und seine Drohungen, bald sah sie füllten Augen vor ihm. Franske ! War
1119denn das noch das junge Ding , für das er keine anderen als brüderliche Empfindungen gehabt ? Die Vogelscheuche mit dem braunen , reizlosen Gesicht , die man neben einer drallen , blühenden Holländerin nur mit einem Lächeln sehen konnte ? Und nun war dieses junge Mädchen schön, berauschend schön wie eine Blume des Urwalds , und das Blut wallte siedend durch seine Adern , wenn er an sie dachte . Sie mußte sein werden , sein Weib, und er sah sich schon im Paradies mit diesem herrlichen Geschöpf , das noch hundertmal schöner war als die schönen javaniſchen Damen mit all ihrem erotischen Zauber . Daß es ihn nur ein Wort kosten würde, um Franskes Einwilligung zu er halten, daran zweifelte er nicht. Er wußte, daß er ein hübscher Bursche war , breit, mit einem Stiernacken, in dem der Südwester wie festgenagelt saß, hellen , blauen Augen und dem schönsten roten Matrosenbarte, der noch je einen holländischen Jungen geschmückt hatte. Und dann besaß er Haus und Hof und hatte aus Batavia ein schönes Stück Geld mitgebracht Franske mußte ja vor Freude ganz närrisch werden, wenn er sie zu seiner Frau machte. Trogdem fiel es ihm schwer, das eine Wort zu sagen, und Tag um Tag verging, ohne daß er sich damit hervorwagte. Franske war so seltsam, er fand sich gar nicht mehr zurecht mit ihr. Und er, nun er war eben etwas schwer , das Wort wollte ihm nie leicht von den Lippen. Vielleicht wären noch Monate vergangen, ehe er gesprochen, hätte es ihn nicht eines Tages ganz toll gemacht , so daß er sie plöslich in seine Arme nahm und sie küßte. Das war in den Dünen , auf dem Heimwege von Zandvoort, als sie im Schatten eines der grauen Hügel ein wenig rasteten. Es war ihm nicht schwer gefallen, sie zu dem Ausflug zu bewegen. Wenn sie nach Zandvoort kam , würde sie gewiß etwas von Cornelius erfahren. War er verunglückt, dann mußte man ihn ja vermissen und gewiß konnte ihr der nächſte beste Rede stehen, wenn sie danach fragte. Zandvoort war damals noch ein im Entstehen begriffenes Seebad. Das kleine alte Kurhaus oberhalb des Fischerdorfes beherbergte fast sämtliche Gäste und da erhielt Franske sicher Auskunft . Während Pieter mit ein paar Freun den plauderte, schritt sie rasch die Treppe hinan, die vom Strande aufwärts zu dem auf der Düne stehenden Hause führte. Pieter folgte bald, aber sie hatte doch so viel Zeit gefunden, den Portier nach dem Fremden zu fragen. Herr van Banvig war abgereist. Ein Stein fiel ihr vom Herzen es war der erste frohe Augenblick, den sie seit langem hatte. Er lag nicht begraben unter den Dünen, er lebte und sie war frei von der entsetzlichen Schuld. Als Pieter zu ihr trat , standen ihr die Thränen in den Augen, aber er glaubte
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ihr , als sie ihm sagte , das sei vom laufen waren und daß etwas Schreckliches Sande. Sah er sie doch zum erstenmal in ihm sein mußte. " Was willst du ?" fragte sie zitternd. lächeln, seitdem er von Batavia zurückgekehrt war. " Ich habe getrunken, um mir Mut zu Dann verging eine Woche um die an- machen," erwiderte er. „ Ich kann nicht dere unter neuen Qualen. Das Geständ- ohne dich leben, es geht nicht. Ich muß nis Pieters war wie ein Blitzschlag über dich haben, oder ich mache ein Ende. Du sie gekommen , und in ihrer Betäubung kennst mich , Franske , daß ich nicht viel wußte sie gar nicht, was sie ihm zur Ant Worte machen kann. Ich frage dich also : wort geben sollte. Aber sie fühlte, daß Ja oder nein?" „Pieter sie nie die Seine werden konnte, und sagte um Gotteswillen ! " fuhr es ihm endlich. Und dann , als sie sah, sie ihm erschreckt ins Wort , " was hast wie schwer ihn das traf , wallte wieder du vor?" das Mitleid heiß in ihr auf und sie bat „ Ja oder nein , zum leßtenmal. Du ihn um Verzeihung. Er nahm das als haft mir's angethan und das brennt jest eine Wendung zum Bessern und begann wie Feuer in mir, ich kann ohne dich nicht seine Werbung von neuem , bis sie ihm leben." zum zweitenmal erklärte , es könne nicht " Pieter, sei gescheit ! " Sie hatte die Hände flehend gefaltet sein. So vergingen ihnen die Tage in beständigen Aufregungen. Pieter war so und die Thränen flossen ihr aus den gereizt , daß man den gutmütigen Bur- Augen. Wie furchtbar er aussah , wie schen kaum wieder erkannte, und Franske seine Hände zitterten ! Er wollte ein Ende sterben o , sie kannte ihn, quälte sich ab mit Vorwürfen über ihre machen Undankbarkeit. Warum nahm sie ihn nicht, sie wußte , daß jedes Wort bei ihm zur ihn, den sie immer lieb gehabt hatte, der That wurde, daß er nicht eher sprach, ehe ihr Bruder war und deſſen Glück in ihren nicht alles fest, unbeugsam in ihm war. Händen lag ? Was wollte sie denn eigentPlötzlich brach sie leidenschaftlich schluchlich? Hatte sie Cornelius nicht leichten zend zusammen und umfaßte seine Kniee. Nein , nein , keinen Menschen in den Herzens verlassen ? War sie für ihn mehr als ein Spielzeug ? War es nicht Wahn Tod jagen , lieber alles Elend ertragen ! finn , immer noch an diesen Menschen zu Nie mehr diese entseßliche Last auf das denken? Ja, es war Wahnsinn, und doch Herz nehmen, nie mehr! " Nimm mich , Pieter , " stammelte sie flammerte sich ihre Seele immer zärtlicher an ihn und ein Schauer überlief sie, wenn sinnlos, nimm mich, Pieter!" sie ihn im Geiste neben Pieter stellte. Und dann verdunkelte eine Ohnmacht Es gab kein Glück mehr für sie -- keine ihre Augen und sie sank kraftlos zusammen . Erlösung außer dem Tod! Pieter nahm sie in seine Arme und trug Eines Abends saß sie in der Stube sie auf das Bett , das mit seiner unge neben dem Fenster und sah dem Fallen heuren Breite den ganzen Alkoven aus der welken Blätter zu. Es war Herbst füllte. Und als sie wieder die Augen aufgeworden und der Himmel war grau wie schlug , kniete er neben ihr hin, küßte ihre die Dünen. Hände und stammelte , während ihm die In dem Zimmer war es nicht unge- Thränen aus den Augen rollten , allerlei mütlich. Ein dicker, rot und schwarz ge- seltsame Dinge , von denen sie nur eines musterter Teppich bedeckte den Fußboden, verstand. „Franske, ich könnte dein Hund ein Pantherfell , das Pieter aus Batavia ſein , " hatte er gesagt , und ein Schauer mitgebracht , lag vor dem Nähtischchen . überlief sie. Sie atmete tief auf und dann Die massiven, gelbbraun polierten Möbel, schloß sie von neuem die Augen. altertümlich, schwerfällig, aber bequem, deu* * teten auf Wohlstand , und die seltsamen Gerätschaften und Schmuckgegenstände, die Zwei Jahre waren vergangen, der alte auf den Schränken standen und an den Jan war gestorben. „ Mein Pfeifchen gebt Wänden hingen, erzählten von den Reisen mir mit, aber gestopft ! " Mit diesen Worten der Familienmitglieder nach den Kolonien. hatte er Abschied genommen von der Welt, Der lustig im Kamine praſſelnde Torf und Pieter hatte seinen Wunsch erfüllt und erhöhte die Behaglichkeit des Stübchens . ihm die kleine Holzpfeife in den Sarg geAber Franske hatte keinen Sinn dafür. legt und auch noch ein ganzes Paket von Sie saß da wie erstarrt und sah nur be- dem Tabak, den er zu rauchen pflegte. ständig den gelben Blättern zu, die langPieter war nicht glücklich. Es war sam aus den Aesten des Ahorns hernieder etwas zwischen ihm und Franske , das er sanken. nicht begriff und das keine rechte HerzlichPlöglich öffnete sich die Thür und keit aufkommen ließ. Wäre Franske gePieter trat ein. wesen wie einst, dann hätte er es jetzt manchEs war so dunkel im Zimmer , daß mal recht toll getrieben mit ihr. Seine Franske die furchtbare Aufregung nicht dee mit dem Torf hatte sich vortrefflich bemerkte, die sich in seinen derben Zügen bewährt , er war auf dem Wege, ein reicher spiegelte. Sie erwiderte seinen Gruß und Mann zu werden. Und wenn er so des stand dann auf, um nach dem Feuer zu Abends nach Hause kam , vergnügt über sehen. Aber Pieter trat ihr in den Weg den stetig wachsenden Erfolg , dann hätte und faßte sie derb am Arme. er Franske am liebsten in die Arme ge„ Franske !“ stammelte er und jetzt erst nommen und wäre mit ihr durchs Zimmer sah sie, daß seine Augen mit Blut untergehopst wie die Matrosen auf Deck, wenn
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sie ihrem Uebermut die Zügel schießen lassen: durften. Aber sie war so ernst und kalt. daß er schon den Mut verlor, wenn er ins Haus trat , und an solch gewagte Unternehmungen nicht mehr dachte, sowie er die Thürschwelle hinter sich hatte. Still zoa er seine Schuhe in der Hausflur aus und dann ging er seufzend in die Stube, in der die Wiege des kleinen Jan ſtand. Auch mit dem Kinde wollte es nicht glücken . Der kleine Jan schwebte beſtändig zwischen Leben und Tod, und niemand hoffte, daß sich das schwächliche Wesen noch fräftigen würde. Pieter sagte gar nichts dazu. Er sprach überhaupt von Tag zu Tag weniger und neben der Wiege faß er ganz still, mit halbgeschlossenen Augen, als ob er nur dasäße, um einzuschlummern. Er saß aber immer so, daß er den kleinen Jan sehen konnte, und seine Lippen bewegten sich manchmal, als ob er leise zu sich selber spräche. Vielleicht fiel dem kleinen Jan das Leben so schwer, weil seine Mutter wenig Freud an ihm hatte. Die Zärtlichkeiten , mit denen andere Mütter ihre Kinder über| häufen, fehlten in seinem jungen Leben faſt ganz. Und trotzdem war ihr der Knate nicht gleichgültig, und das geheime Bard, das die Eltern mit ihren Kindern verknüpft, empfand sie in ſeiner ganzen Stärke. Aber sowie es sie drängte , das Kleine in dan Arm zu nehmen und sein bleiches, frantes Gesicht zu küssen, stieg ein Widerwillen in ihr auf, den sie nicht zu überwinden vermochte. Ihre Stirn , ihre Wangen , ihr Nacken färbten sich blutrot und der Atem schien ihr versagen zu wollen. Sie pfleate das Kind , sie durchwachte Nächte an iei nem Lager , fie that alles , was in ihra Kräften stand, um sein Leben zu erhalten aber sie konnte es nicht küſſen. Sein Anblick bereitete ihr Schmerz statt Freude, und ihre düsteren Züge erheiterten ſichſelbſt dann nicht, wenn einmal ein leiſes Lächeln wie ein flüchtiger Sonnenblick über das kleine Gesicht huschte. Als Franske Pieters Braut geworden. da sagte sie sich, daß sie recht gethan hatte, wie schwer ihr auch ums Herz war. Er sah sein Glück in dieser Heirat und aud der Vater Jan wollte es so . Sie hatte ihn immer wie einen Bruder geliebt urd | seinem Vater schuldete sie so viel Dant Und das andere war ja doch zu Ende fur alle Ewigkeit es mußte zu Ende sen Warum sollte sie nicht Pieters Frau werden? Und hätte sie nein gesagt , den” hätte man ihn tot ins Haus getragen, f kannte ihn, sie wußte, daß er Wort hist Und nur das nicht, nur das nicht ! Liet das bitterste Elend , als noch einmal er pfinden, was ihr das Herz zerfleischte, als fie Cornelius van Banvig im Sande 27 Dünen begraben sah. Als aber die Hochzeit vorüber, als to Pieters Weib geworden , da wurde ro alles ganz anders. Nein , sie hatte mi recht gethan, unsinnig hatte sie gehand Schmach und Schande hatte ſie auf i geladen. Wie sie sich auch zu überredes suchte, wie sie sich auch zwang, Pieter 10
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dem besten Lichte zu sehen, es wallte doch sich mächtig_und leiſe ſprach_ſie ſeinen Na- | während Herr van Banvig nach dem Herbeständig in ihrem Herzen empor und Haß men aus. „ Cornelius ! " Welcher Glanz seine zen des Kindes fühlte. und Groll erfüllte sie gegen den Mann, Gestalt umfloß, wie weich und schmeichelnd ,,Es ist nichts mehr zu machen, Franske," fagte er, das Kind ist tot. Trösten Sie der sie auf Händen trug. Sie liebte ihn seine Stimme klang. " Franske !" hatte er geantwortet. sich, es war der Ratschluß Gottes ." nicht mehr wie einen Bruder , sie zitterte vor ihm, sie konnte ihm nicht in die Augen Tiefaufatmend hob sie die Augen und Dann, nach einer Weile , als sie noch da immer weinte , begann er von neuem : sehen, und ein Schauer überlief sie , wenn da er sie umarmte . Er hatte sie betrogen, sie Sie stieß einen heftigen Schrei aus und Franske , Sie müssen jegt den Schmerz überwinden. Kann ich Ihnen mit etwas beraubt , er hatte sie gezwungen , daß sprang auf. Aber er war es wirklich. Er hatte die dienen ?" sie ihn nahm . Nie wäre sie die Seine geSie schüttelte den Kopf. worden, hätte er ihr nicht gedroht mit Gartenthür aufgestoßen mit zwei Schrit seinem Tode! ten stand er neben ihr und dann hielt er ,,Neingehen Sie lassen Sie meinem mich allein mit Kinde. " Und in den Schmerzen, die sie sich so die Sinkende in seinen Armen auf. bereitete, tauchte immer wieder das schöne „Franske - du liebst mich noch immer ! " Herr van Banvig nickte, ging aber noch nicht , sondern drehte nachdenklich seinen Bild des Fremden vor ihr auf. Ihre flüsterte er zärtlich. Phantasie gab ihm beständig neue Farben Nun ermannte sie sich und stieß ihn blonden Schnurrbart zwischen den Fingern. und neuen Glanz und mit schwärmerischer zurück. "Ich sehe ein, daß ich in diesem Augenwas thun Sie ! blicke hier nicht am Plage bin, " sagte er " Um Gotteswillen Zärtlichkeit hing ſie ſich an diesen Traum. Sie sah Cornelius , wenn sie einsam in der ich bin nicht mehr frei , ich bin das Weib endlich. Sie kennen meine Gesinnungen für Sie, Franske Sie lieben mich dunklen Stube saß ; ſie ſah ihn, wenn sie eines andern. “ an der Seite ihres Mannes durch die ſtillen „ Aber du liebst mich, Franske , und und Ihr Kind ist nun tot. Ich bin in grauen Dünen schritt ; sie sah ihn , wenn kein Mensch soll dich mir zum zweitenmal | Zandvoort ; wenn Sie mir Nachricht geben wollen , bin ich im Kurhaus zu finden. sie an dem Lager des kranken Kindes wachte. rauben. “ hre Einbildungskraft, einmal aufgereizt, Er umschlang sie aufs neue, und be- Erhalte ich keine Nachricht , dann komme führte sie immer weiter, und die Einsam täubt ließ sie es geschehen, daß er sie küßte. ich selber. Darf ich kommen , Franske ?" keit, in der sie lebte, gab ihren Träumen. In diesem Augenblick begann der kleine Sie schwieg und schluchzte weiter. Trauen Sie mir nicht , Franske ? beständig neue Nahrung. Hätte sie weniger Jan in seiner Wiege zu wimmern. Franske Zeit gehabt, zu träumen und zu grübeln, riß sich_los und eilte zu dem Kinde , als Glauben Sie nicht , daß ich es gut mit so hätte sie sich sicher auch weniger un wollte sie dort Schuß suchen. Ihnen meine ? Dann lassen Sie mich Ihnen glücklich gefühlt. Aber ihrem lebhaften „ Gehen Sie , gehen Sie , Herr van Beweise geben Sie reichte ihm die Hand, die er rasch Geist fehlten die Menschen und zu Büchern Banvig ! " rief sie erregt. Ich bin Frau an die Lippen führte. war sie nie gelangt. Und so war es be- und das ist mein Kind." ständig das eigene Schicksal , was sie beAber er folgte ihrer Aufforderung nicht „Ich glaube Ihnen, Herr van Banvig ," ſchäftigte, ihr Unglück vergrößerte sich ihr und trat näher an die Wiege heran. sagte sie, „ aber laſſen Sie mich jetzt allein. " ins Riesenhafte und täglich brach sie in ,,Arme Franske , wie ich mit Ihnen Ihr Kind, Franske ? “ ſagte er ruhiger. ihren Träumen die Treue. „Und dieses Kind fesselt Sie an den un- fühle ! Aber denken Sie, daß es der Ratschluß Gottes war. Leben Sie wohl, auf Manchmal dachte sie daran, alles hinter geliebten Mann , nicht wahr ?“ „Es ist mein Kind o gehen Sie ! " Wiedersehen !" fich zu lassen und fort in die Welt zu gehen Dann fuhr er sich mit seinem parfüoder zu sterben. Aber nie machte sie auch stammelte sie, die kleinen Händchen an ihre mierten Sacktuch über die Augen, seufzte, nur den ersten Schritt dazu und dann sagte Brust drückend. sie sich , daß Jan doch ihr Kind sei , daß " Das Kind ist nicht gesund, Franske . zog den Hut und ging. fie ihn nicht verlassen dürfe und ihn nicht Es sieht aus, als ob es jeden Augenblick * * verlaſſen könne. sterben müßte. " Mitternacht war längst vorüber , als , nein, nein, es wird nicht sterben . Eines Tages es war im Juli und der heiterste Himmel blaute über den Dünen Jan, mein kleiner Jan, du wirst nicht ster sich Franske von ihrem Lager erhob, um -saß sie in ihrem Gärtchen , im Schatten ben, du wirst leben, nicht wahr ? Jannach ihrem Mann zu sehen. Als Pieter mach deine Augen das tote Kind erblickte , sprach er kein Wort. des alten Ahorns . Sie hatte die Wiege sieh mich doch an o nein, Er fühlte nach den Händen, dem Herzen, mein süßer Jan Jans ins Freie geholt , und da lag er nun und auf - Jan schlummerte , umkost von der lauen Som Herr van Banvig , Jan stirbt nicht , Jan den Schläfen , dann schloß er die Augen - mein Herze Jan nsjan und Lippen des Toten, betrachtete ihn noch merluft . Eine Weile betrachtete sie sein wird gesund mach doch die Augen auf eine Weile und trug endlich mit seinen kräffrankes Gesicht und dann seufzte sie auf. Plöglich stieß sie einen wilden Schrei tigen Armen die Wiege in die Stube, in Er wurde täglich schwächer und wenn das welcher die Leiche stehen sollte. Dann ging so weiter ging, konnte es jede Stunde sein, aus und warf sich über die Wiege . leichen er nochmals nach dem Torfſtich , entließ Und dann sprang sie auf daß er einschlummerte ohne wieder zu er und starrte mit den Augen einer die Arbeiter und beauftragte sie, das Nöwachen . Ihre Augen wurden feucht, und bla müde sette sie sich auf den Stuhl neben Wahnsinnigen in das Gesicht des Kindes . tige für die Beerdigung des Kindes zu ver"Jan !" der Wiege und versank in Träumereien . anlaſſen. Wieder nach Hauſe zurückgekehrt, Wenn Jan starb, was sollte sie dann . Es lag ein so furchtbarer Schmerz in jagte er Franske , daß alles geordnet sei, hier noch thun ? Sie dachte mit Grausen diesem Rufe , daß selbst Cornelius van und sie möge sich nun trösten , es sei ja nicht zu ändern. an ein Leben ohne diese Pflichten und Banvig eine leise Rührung empfand. Sorgen . Sie allein ließen sie dieses Le"! Fassen Sie sich , Franske," sagte er, Als es dann Abend wurde, sah Franske ben ertragen. Vor Pieter zitterte sie,, es war der Ratschluß Gottes . “ nochmals nach dem Kinde und ging endwenn er in die Stube trat , und so oft „Jan -- du lebst nicht wahr, du lich zu Bette. Sie fieberte und war so mein Herzensjan mach müde , daß sie sich nur halb entkleidete. er sich ihr näherte, brauſte es auf in ihr: lebſt ? Jan " lich !" nicht solche Augen Janum Gottes Jhr Kopf schmerzte, ihre Augen brannten, und statt Schlaf zu finden, sank sie in eine " Wenn Jan starb, dann würde sie das willen Haus verlassen und in die Welt gehen. Aber Jan lag da starr und tot. Seine Art Betäubung , aus der sie bisweilen Wohin ? Lippen standen weit offen , seine Augen ängstlich emporschreckte, ohne doch die Kraft Da stand Cornelius, lächelnd, mit sei waren wie Glas . Die kleinen Händchen zu finden, diesen Halbschlummer ganz abnen blizenden Augen und streckte ihr die waren noch zusammengeballt und bläuliche zuschütteln. In ihren Träumen ſah ſie bald das tote Kind und bald Cornelius Hände entgegen. Wie ein süßer Zauber Flecken zeigten sich über den Knöcheln. Franske lag weinend neben der Wiege, und bald ihren Mann, wie er Jan ohne floß es über ihren Körper, ihre Brust hob |
frida Schanz.
-1126ein Zeichen der Bewegung die Augen zu- | drückte. Dann hörte sie die Stimme Cornelius ', wie er ihr zärtlich zuflüsterte : „ Du bist nun frei, Franske, komm mit mir und sei glücklich ! " und endlich sah sie den alten Jan mit dem Pfeifchen im Mundwinkel und drohend erhobener Hand. In diesem Augenblick erwachte sie und bald darauf hörte sie die alte Wanduhr Mitternacht schlagen. Wo war denn Pieter ? Er mußte noch immer bei dem Kinde sein ein Schauer überlief sie bei dem Gedanken an dieses einsame Wachen bei einer Leiche. Er mußte das Kind_doch lieb gehabt haben, troßdem es immer krank war und er wenig Freude an ihm hatte. Bei dem Gedanken an das Kind kamen ihr wieder die Thränen in die Augen und nun machte sie sich tausend Vorwürfe, daß sie ihm keine gute Mutter gewesen war. Noch vor wenig Stunden hatte sie daran gedacht , daß sie frei sein würde, wenn Jan stürbe. Ohne einen Schmerz zu empfinden , hatte sie sich gesagt, daß sein Tod ihre Erlösung wäre , daß sie dann das Haus verlassen, in die Welt gehen könnte. Und am Sterbelager ihres Kindes hatte sie das schöne, lächelnde Gesicht gesehen , hatte sie von Cornelius geträumt ! Sie preßte die Nägel in die Brust, als könnte sie so die bittere Qual über winden. Wie das brennt und schmerzt , wenn man sich das alles so sagt und es ist zu spät, zu spät! Aber trug nicht Pieter allein die Schuld, Die Uhr schlug war nicht er es . . halb eins . Was er nur machte? Es war ſo ſtill im Hauſe, daß ſie ſein Atmen hätte hören müssen. Und kein Laut -- fein Schritt -- nichts , nichts ! Plöglich fuhr sie auf. War das nicht. seine Stimme ? Gewiß. Er sprach mit jemand leise aber sie hörte ihn deutlich. Mit wem konnte er sprechen? Eiskalt floß es ihr über den Rücken und dann brannte ihr das Gesicht wie Feuer. wenn Wenn Jan nicht tot war er lebte? Jan! Wie das durch ihre Adern strömte, wie ein neues Leben ! " Pieter!" stammelte sie, "1 wie gern ,, will ich dein Weib sein , wenn er lebt. " Zugleich war sie aufgesprungen und über die Flur nach der Stube geeilt , in der die Wiege mit der Leiche stand. Das Licht schimmerte durch den Spalt der Thür, die nur angelehnt war, Pieter sprach wirklich. Aber Jan war tot. Er lag da auf seinem weißen Kissen , wie sie ihn hingebettet hatte. Sein kleines schmales Ge sicht sah aus wie Wachs, tiefe blaue Ringe lagen unter den geschlossenen Augen, seine Händchen waren über der Decke gekreuzt . Pieter saß neben der Wiege , seinen
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großen Kopf in die breiten Hände geſtüßt, | Pieter ſeinen Arm um ihren Nacken legte und sprach leise mit zitternder Stimme und ihre Hand an seine. Lippen zog. vor sich hin. * "Für dich hab' ich gearbeitet ," sagte Als Herr von Banvig ein paar Taa er, an dich hab' ich Tag und Nacht gedacht. Nichts war mir lieb auf der Welt später wieder nach dem Dünenhaus kam, als du und Franske. Nach Haarlem wären trat ihm Franske mit einer Ruhe entgegen wir gezogen, dort wärſt du in die Schule die ihn nicht wenig verwunderte. Sie war gegangen , wärst was anderes geworden sehr bleich und ihre Augen zeigten di als dein Vater. Jan , mein Kind , was Spuren der Thränen, aber ein rätselhaftes hätt' ich aus dir gemacht , was wär' es Etwas verlieh ihren Zügen den Ausdruck für ein Stolz gewesen! " einer stillen Freude. Das war weder die Er beugte sich über die Leiche und Mutter mit ihren „ überspannten“ Schmerküßte sie, und nun sah Franske schaudernd, zen, noch die Liebende , die sich dem Gedaß sein derbes , rotes Gesicht ganz naß liebten an die Bruſt wirft, und Herr var vom Weinen war. Ein schneidendes Weh Banvig , der sich ein wenig auf Frauen zog durch ihr Herz und sie hätte ihre verstand , hatte sofort das unangenehri: Hand auf seinen armen Kopf legen mögen. Gefühl , daß hier etwas vorgefallen war "Jan," begann er dann wieder, " und was ihm möglicherweise einen Strich durc wenn ich mich blutig hätte ſchinden müſſen, die Rechnung machte. Er zog ehrerbietig den Hut , aber fie du wärst was Rechtes geworden. Jan, mein Kind, mein Sohn! Nun bist du fort und erwiderte kaum seinen Gruß und stellt ich habe niemand mehr , nun ist alles sich mitten in die Thüröffnung, als woll verloren, auch deine Mutter, Jan. Mein sie ihm den Weg vertreten . " Teure Franske ," sagte er zärtlich. Herzblut hätt' ich gegeben für ſie — für dich .. Jan, es ist närrisch , wie „ wie geht es Ihnen?" Ich habe meinem Manne alles er gern man etwas haben kann in der Welt. Aber nun bist du tot, ich habe kein Kind zählt, " erwiderte sie kühl, „ und Sie werden begreifen , wenn ich Sie bitte , nun nicht mehr, und alles ist verloren , alles . " "/ Nicht alles , Pieter ! " mehr zu kommen ." Verwundert sah er auf -- Franske Er sah sie betroffen an und - lächelte. „Das ist Ihr Ernst, Franske?" stand vor ihm. Sie war nur halb an„Mein Mann kann es Ihnen be gekleidet und ihre schwarzen Haare flossen - er ist nicht weit von hier." wirr über ihre Schultern. Die Augen stätigen , „ danke ich will ihn nicht b hatte sie voll Thränen und ihre ganze "/ Gestalt bebte wie vom Fieber geschüttelt. mühen. Also ausgesöhnt ? Und ich bin Sie faltete die zitternden Hände und Ihnen gar nichts mehr, Franske ?" " Dort kommt mein Mann. “ sah ihn mit einem Blick voll tiefſten Mitleids an. Er zog abermals seinen Hut, zuckte die „ Pieter! " stammelte sie . „ vergib Achseln , verbeugte sich und wandte sit mir ! Ich war ein schlechtes Weib . . . dann zum Gehen. Franske aber faltete die Hände und sah nach dem Himmel. Jan, mein armer Jan !" Dann sank sie neben der Wiege in ihre während ihr zwei schwere Thränen di Knice und küßte das tote Kind, während | Wangen herabrollten.
Der Mond spielt in den Blattgeflechten.
Tagebuchblatt von Frida Sch a n 3.
Der Mond spielt in den Blattgeflechten, Duftschwere, schwüle Winde zichn. Wie liegt in diesen Blütennächten Mein ganzes Wesen auf den Knien !
Noch liegt verhalten, ungeboren, Mein tiefstes und mein bestes Sein ; In Wahn und Weh bin ich verloren ! Du Licht der Wahrheit, brich herein!
jetzt die Schwingen auszubreiten And aufzugehn in deiner Pracht, In deinen Sternen-Ewigkeiten , Du wunderbare Frühlingsnacht!
Da wird der Sehnsucht heißer Wille Bum grenzenlosen Schmerzensschrei! bräch ein Sturm jeht durch die Stille Und machte mir die Seele frei,
Auf schwillt der Duft der Blütenbäume Gleich goldnem Strom zum Rethermeer. Wo bist du, Land, von dem ich träume? Wo geh' ich hin? - To kam ich her?
Und ließ sie gleich den Düften gleiten Und aufgehn in der Schöpfung Fract In deinen Sternen-Ewigkeiten, Du wunderbare Frühlingsnacht !
Der Sammler
rung sank wie ein leichter Schleier herab ; kein Laut terdes Lebens ringsum . Endlich erreichte ich einen Gedanken und dem Gefühl freier Muße von der Werktags . zaun , eilte demselben entlang und stand plötzlicBret um arbeit hingegeben, bald ein Liedchen trällernd oder pfeifend , eine Ede biegend , voll freudiger Ueberraschunhg, vor bald eine Blume pflückend , dem Vogelsang lauschend und d ert icht en erle ab er tue mm sta . So r Sandstein em tament auf mit vollen Zügen die köstliche Waldluft einatmend . Die eine ete uteein ich auf und scha noch Pos um , denn dies war ein Ein Sommertag im Freien , eine Wanderung über Berg Schneisen und Waldwege leiteten ch zur Hoch atm ähli h mic allm ähe enn hen sch n r nte Zeic von h Men , abe der Zau tren mic t Thal ju jetziger Jahreszei , gehört zu den reinsten fläche hinan , wo würzig duftender Nadelwald mich auftue und wehrte mir den Eintritt . Ich wanderte Brenden und edelsten Genüssen , welche der empfängliche , nahm, und heilige Stille und geheimnisvolle Dämmerung von der Sta g d lan , zur einen Seite den Zaun, zur andern mitvolle Mensch sich bereiten fann, namentlich in unse- mich umfingen , nur hier und da unterbrochen von dem den Pfaes ent dthal , in dem schon die dunklen Abenddeutschen Hügellande , welchem selbst die dichte Be- Schrei eines Hähers , der über mir von seinem Site in ein tief Wal . Der Pfad stieg an , führte über einen belung noch nicht alle seine lauschigen, heimeligen Plät den hohen Kiefern abstrich . Die Sonne sank allmählich schatten lagenpor n en els en über vom Zaun hinweg und machte kurz Hüg cht hin en, feine fleinen Thäler und Waldschlu genommen und warf nur noch zauberische Streiflichter r Wipfel , mich zweifelhaft , ob ich ihm folgen solle . Aber ich wagte , in denen die freie Natur sich noch unverfümmert die Waldpfade kreuzten sich , ich mußte denübeWedie oren g verl h noc n es den , den der Weg war sichtlich begangen . Nach alien fann. Mit innigem Bergnügen und Dankbarkeit haben , der mir bezeichnet war, aber ich schlug denjenigen nere ich mich so vieler Wanderungen nach solchen Pfad ein, welcher mich in der gewünschten Richtung führen einer Weile senkte er sich zu einer geneigten Evene ; ich dem Walde heraus auf einen breiteren Weg Buntien,welche mir in früheren Jahren vergönnt waren, mußte. Ich erreichte endlich den Saum des Tannichts , trat aus Obstgärten und Baumgüter mit uralten Birn- und Apfelnamentlich einer kleinen Wanderung, welche ich ein eine kleine Lichtung bot mir einigen Ausblick , r men ts und links ; noch einige hundert Schritte, bäu rech al an einem Sommerabend antrat , um den Sonntag bei sah überall nur Wald und Höhen , nirgends einabeDorich f , breiten MuldenemFreunde zu verbringen, der vor kurzem eine Land ein Haus oder auch nur den Rauch eines Herdes . Aber dann bog der Weg links ab und in einemumm arre am Fuß der Berge übernommen hatte . Es war es war schön hier oben, ein unaussprechl ich süßer Frieden , thal lag vor mir ein Dorf im Abendschl er , der kaum Samstag gegen Abend, daß ich die Eisenbahn verließ, eine Waldlandschaft in ihrem reichsten Frühlingsschmude . noch die ersten größeren Häuser rerkennen ließ. Drüben am Horizont, und dort de mich in die Gegend meines Freundes gebracht hatte. Gleichwohl beunruhigte mich diese Erkenntnis daß ich mich im Westen der letzte Lichtschimmetend Osten die ersten aufleuch en Sterne ! Freudig eine Spezialfarte und eine Nachfrage bei Einheimischen verirrt habe. Noch einmal holte ich Landkarte, und paß im Kom e ts rmt wär d stü n ich vor und fan am Saum des Dorfs glen mir die Richtung , welche ich einzuschlage hatte, hervor , um mich zu orientieren Ich war zu weit nach einen Wegweiser , welcher mir verkündigte, daß ich mein bein näherer Weg über die bewaldeten Berge loďte Oft gekommen und vor mir lag. noc ene Ziel k h heb ein Stüc Hoc ich icht endl erre hatte . Wenige Minuten später stand von der etwas weiteren Landstraße ab. Rüftig stieg mit dichtem Laubwald ; also dort hinaus , mehr füdwärts ! Freunde unter seinem gastlichen Dach . burd jungen Laubwald in die Berge hinein , seelen Ueber Wurzeln und Schmielen drang ich in dieser ich vor emeinem Ich hatt einen Umweg von zwei Stunden gemacht, aber guligt im Anblick der herrlichen Natur, meinen stillen Richtung vorwärts , den Berghang in jener Rich- dies es kleine Opfer wog den Genuß dieses schönen Sommer. tung suchend. Endlich senkte sich der Boden und k lic lle in diesem Augenb klang durch die Abendsti nds reichlich auf! ein fernes Geläute von einer Kirchenglode und be abe stimate mich , dem Schalle nachzugehen durch Busch und Unterholz über Neue Beetblumen . Stock und Stein , denn die Sonne senkte sich schon am Von Horizont . Bald fam ich an eine Quelle , die sich durch tig . D. Hüt eine Schlucht Bahn gebrochen Es ist an dieser Stelle schon oft darauf hingewiesen hatte . Ich folgte ihrem ge= worden st des Gärtners verstanden hat, Kun die sehr wie , en den f r wun Lau , übe Stein durch Zuchtwahl , sorgsame Samenund Fels fletternd , denn zucht und ganz besonders durch fünstliche Befruchtung der schönsten Spielarten unter sich die beliebte . sten Blumen zu verbessern , sei es durch Darstellung ' größerer , auch) Kleinerer Blüten , als die betreffende Art bisher entwidelt hat , sei es durch Festhalten gefüllter Blüten , wenn der Zufall nur einzelne solcher ergeben hatte , oder durch Entwidelung reiner Farben von hellem oder auch feurigem Glanz ; in eine zelnen Fällen hat man Blumen insonst einfachen Farben auch durch Beachtung solcher mit Zeichnungen mehr oder weniger regelmäßig aufgetragener Punkte , Striche , Ein fassungen od . dergl . in hohem Grade verbessert . Unter den wenigen deut schen Firmen , welche sich mit fol. cher Vervollkommnung der belieb Conmerabend . testen Blumen abgeben , steht die des Königl . Hoflieferanten Herrn F. 6. Heinemann in Erfurt in erster Reihe , und wir freuen uns , der freunddie Dämmerung mußte lich Leserin in Wort und Bild einige der schönen Blubald herabsinken und dann menen ror führen nen , die durch dessen sorgfältige ward mein Wandern ziel- Zuchtwahl nach zukünskön tlicher Befruchtung entstanden sind. er Bedeutung sind Heinemanns los. Je länger desto mehr zwang ich end rag vor Von her mich zur Eile , stürmte vorwärts und Riesenbegonien , Knollenpflanzen mit aufrechtstehenden erreichte endlich einen Pfad . Die Sonne Cla 48 war untergegangen , uno die Dämme
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Nene Beetblumen. - Hessen Kassel und der Soldatenverkauf. -11341133 u. a. Blumen mit unterhalb gelber Röhre, welche de ganzen Sommer hindurch erscheinen. Eine verbet Form ist die Verdichtete" (Compacta Fig. 5) in einig maßen geschlossenem, abgerundetem Bau, welcher nomm lich der Zimmerpflanze sehr gut steht. Die Pflanze mis aus dem sehr feinen Samen gezogen, der nur ei Erdbededung verträgt und der im Februar bis warm auszufäen ist ; die kleinen Sämlinge find bold einander zu pflanzen und später einzeln in Töpfe mit Laub- und Mistbeeterde zu setzen. Etwaige lange Tride find zu entspitzen. Durch Stedlingszucht wird man a der Pflanze einen hübschen ausdauernden Strauch für das Fensterbrett im Zimmer erziehen können. Eine schöne Blattipflanze ist der Risinus vonRa bodscha (Land ud Fluß in Asten), Ricinus cambod gensis, eine 11½- 2 m hohe Pflanze mit schwarzbraun Blättern und schwarzen Blattstielen und Stengel. Ee als Einzelpflanze auf dem Rajen wie auch in fog Blattpflanzengruppen, am besten auf warmem fuf zu verwenden, besonders wenn er vorher einzeln fleinen Topf und im halbwarmen Mistbeet erzogen ward Eine der beliebten Kaiser Wilhelm I. entstammen Lobelien ist die gedrängt gebaute, weiß geäugelte (Lobe lia Erinus compacta alba oculata) von germ 3.4 Heinemann. Die Blume ist sehr groß und pract dunkelblau mit scharf abgegrenztem, weißem Auge. B tanntlich werden die Spielarten und Sorten dieser lien gern und viel zu Teppichbeeten benützt und dür diese neue Sorte hierzu ganz besonders gerignet sein.
1132Blumen von regelmäßigem Bau und ganz außergewöhnlicher Größe in den Farben feurig Rot , lebhaft Rosa , Chamois, Lachsrot und Reingelb. Die An zucht und Behandlung solcher Begonien ist in diesen Blättern schon öfters besprochen worden, auleht in Nr. 3 dieses Jahr ganges , ausführlich im April. Heft 1884. Die Anzucht geschieht durch Samen im Januar bis März für den Sommer, im Juni, um die Pflanzen noch im Oftober bis Dezember blühend zu haben. Die Knollen find nach dem Absterben der oberen Teile in trockenem Sand einge schlagen frostfrei zu überwintern und desto später anzutreiben, je später man sie blühend haben will, und durch einige Aufmerf samfeit bei der Behandlung ist es leicht , alle Knollenbegonien in echte Winterblüher zu ver Eine besondere wandeln. Gruppe dieser Knollenbegonien wird mit dem Namen der Kul gelförmigen (Begonia hybrida globosa, ig. 1) bezeichnet, weil die ganze Pflanze einen weniger schlanken als runden Bant ent widelt mit fißenden Blättern (ähnlich denen von B. Rer), zwischen denen sich die mit roten Fig. 2. Gloxinia hybrida grandi. oder rosenroten Blüten vollflora tricolor. ständig bedeckten Blütenstengel grazios erheben. Eine schöne und längst bekannte Pflanzengattung mit fnolligem Wurzelstock ist die Gloginie (Gloxinia Pflanzen ein", d. h. der obere Teil stirbt ab, und die L'Hérit.), die man wie die vorige aus Samen erzieht Knolle wird in trodenem Sande aufbewahrt , bis sie be oder aus Blattstedlingen, aus Blättern oder Blattstücken, ginnt, von neuem zu treiben ; sie ist dann in frische Erde defto die man an den Rand der mit fandiger Heide , Laub zu pflanzen und im warmen Raume anzutreiben und Mistbeeterde gefüllten Samen oder Stecklingsschaleipäter, je später man die Pflanze blühend haben will. stedt, in deren Mitte noch ein kleiner umgestülpter Blu. Auch die Glorinien wird man in dieser Weise allmählich mentopf it , an deffen Rand man ebenfalls Stedlinge in schöne Herbstblüher verwandeln. Heinemanns neueste sehen kann, weil sie sich am porösen Topfrand lange frisch Formen sind die Großblumigen roten, nach Art der Leo , erhalten und leicht Wurzeln schlagen, auch junge Pflänz parden gezeichneten, die Großblumigen dreifarbigen (Fig . 2), chen ansetzen, die genau wie die Samlinge zu behandeln eine farbenprächtige Form von hervorragender Schönheit, find, d. h. man setzt sie zuerst weitläufig in Samenschalen und die Großblumige geaderte mit zahlreichen Strichen in und dann einzeln in zuerst tleine, später größere Töpfchen allen Farbenabstufungen zwischen Blau und Rot. Die mit einer Mischung von Heide , Laub- und Mistbeeterde Größe der Blumen ist bisher wohl noch nicht übertroffen mit / Sand oder grober Stofsasche. Die Schale mit worden. Nahe Verwandte der Glorinien sind die Achimenes den Samen oder Stecklingen sollte mit einer Glasglode bedeckt sein. Während des träftigsten Wachstums sollte und Gesneren. Von ersterer hat H. eine scharlachrote, man nicht versäumen, dem Gießwasser Dult' geruchlosen von letzterer eine außerordentlich große und starke (GesBlumendung (zu beziehen durch Herrn Apotheker E. Dult, nera robusta perfecta) Epielart gezogen und zwar in Berlin N. Invalidenstraße 153 am Pappelplak), 3 g in den Farben Goldgelb , Scharlach, Karminviolett, Lachs11 Wasser, beizugeben. Nach dem Verblühen ziehen die rot, Weiß, Roja u. a. Eine nahe Verwandte der Glorinien und Gesneren ist die Tydäa, deren eine Art, die Liebenswürdige" (Tydaea amabilis Pl. et Lind.), in den Kordilleren von NeuGranada 2500-3000 m über dem Meere wild wächst. Durch Kreuzung (fünstliche Befruchtung) dieser Art mit einigen anderen, wie Pieta Dlsn. (die Gemalte), Lindeniana Rgl. u. a. sind verschiedene Hybri den entstanden, auch solche mit großen Blu men (Fig. 3) und von feurigscharlach- und dunkelpurpurroter Farbe , wie Herr F. C. Heinemann sie in vorzüglicher Auswahl zur Verfügung stellt. Die Anzucht geschieht wie bei den Gesneren durch Blattstedlinge oder durch Teilung der Knollen, die zu kleinen Stückchen zerbrödelt und wie Samen auß gestreut werden können ; selbstverständlich lassen sie sich auch leicht aus Samen auf. ziehen, besonders unter Glasglocken oder Glasscheiben, die nur immer trocken zu halten und rechtzeitig abzunehmen sind , damit die Pflänzchen nicht spillern. Die Anzucht ge schicht im warmen Raume; die ausgebildete Pflanze kann über Sommer im Freien halb schattig stehen; die Knollen find frostfrei in Papierbeuteln oder in Sand zu überwintern. Wir schließen hieran eine weitere Knollen pflanze: die einfachblühende Dahlie (Dahlia gracilis Hort.), welche sich von den formvollendeten gefüllten Sorten durch glänzende, selbst glühende Farben und hübsche Haltung der Blumen auszeichnet , die für den deutschen Blumenstrauß auch mehr geeignet find als jene, die allerdings in neuester Zeit in einer Kleinheit und Niedlichkeit auftauchen, welche sie für alle Zwede brauchbar erschei nen lassen. Herr F. C. Heinemann hat sehr hübsche Sorten mit gestreiften Blüten (Fig. 4) in verschiedenen Farben erzogen, die dem Lieb haber warm zu empfehlen sind. Die Pflanzen werden durch spätes Antreiben zu sicheren Herbst- und Winterblühern. Nach dem Ab blühen ziehen sie ein, und die Knollen werden dann im fühlen Keller aufbewahrt. Eine hübsche Sommerblume ist Four niers Torenia (Torenia Fournieri Linden) Fig. 1. Begonia hybrida globosa (Beinemann). von Kochinchina. Sie hat große hellblaue
Hellen-Kallel und der Soldatenverkauf. Zur Eteuer der Wahrheit , sowie zu Nut Frommen unserer vaterländischen Geschichte mödie b Unterzeichnete an dieser so vielen zugänglichen Stelle en tiefgewurzelte, einst aus Leidenschaft der Parteiesp borene Fälschung klarstellen. Heffen-Kaffels gesamte staatemännische und friegerile Geschichte vermag nur im Zusammenhange des Umpen und im Streben beurteilt und verstanden werden, das durch Landgraf Philipp , und trot bedrohlichßer läufte, vollzogene Teilung des Lands in ihren gefährli sten Folgen doch minder fich geltend machen solle. Staffels Staatsfunft ist seit dem Ausgange des Dre jährigen Krieges so redlich deutsch geweien als
Fig. 4. Dahlien. die irgend welchen Reichsstandes. (Siche Deutschel jeum , Leipzig 1786, Bd. II. 6. 276.) Diese denti Treue glaubte man durch innige Bündnisse mit de manischen Großmacht England , bei des Reiches mender Schwäche, noch besonders flüten zu müsjen. D zwei Jahrhunderte fechten hessische und englische T schier auf allen Schlachtfeldern Schulter an Schulter immer ist es der nämliche Feind: Franzosen und zosengenossen ! Welcher deutsche Sinn fände das midt dienstlich ? Um solche Rolle aberspielen zu können, äußerste Entwidelung der Wehrbarkeit des Landes lägliche Vorbedingnis. Ja-manchen Kriegen hat das Sechsfache und mehr einmal, im Jahre 1704 gar das zwölffache seiner pflichtigen Reichsanstellung geboten. Bei den wirtschaftlich geringen Mitteln Landes waren diese Leistungen aber nur möglich. man das Heer an den reicheren Bundesgenossen, nach der Zeit , versoldete. Kein Hoheitsredit ward preisgegeben, nicht einmal geringe Strafen Dur fremder Oberbefehlshaber in die geschlossenen Ber beffischer Truppen hinein verhängen. Die gezahlten . sidiengelder sind in Hessen, wie landständische en
Ein Sonntag-Nachmittag in London . 11361137Restaurant, sondern sogar ein deutsches deren Klassen hierzulande , der thatsächlich darauf hin Haus mit deutschen Vier und mancher ausläuft , daß für den Armen und den Angehörigen des lei von Engländern mit Abscheu be- Mittelstandes, die vielleicht nur am Sonntag Zeit hätten, trachteten vaterländischen Delikatessen. einen Spaziergang nach dem Regents Park zu machen und Wahrhaftig, da befand ich mich ihre zoologischen Kenntnisse zu bereichern , dieses für ein bereits an der Thür dieses Restaurant. sündhaftes Unterfangen gelten würde , für sie daher die Und indem mir es war , als ob die Thore dieses Vergnügungsinstituts " geschlossen sind , für lang entbehrten heimatlichen Leckerbissen die oberen Klassen aber weit offen stehen. Das ist der durch die Achtserklärung, die ihnen hier nadte Thatbestand , der indessen so geschidt bemäntelt ist. zu teil geworden , mich nur noch mehr daß man die Blöße nicht sogleich gewahr wird. anheimelten , indem mir ein Menü te Das Gesetz schreibt vor , daß ein derartiges Unterreits durch den Kopf ging , ein Menü, nehmen am Sonntag geschlossen sein soll, d. h . daß gegen in dem geräucherter Schinken , Sauer Zahlung niemand Eintritt erhält. Der 300" ist aber traut, dide Milch, Salzgurken, rote ein Aftienunternehmen und die Aktionäre nehmen sich das Grüße, Häringsalat gar wesentliche Recht, ihr Eigentum auch am Sonntag zu betreten. In wenn auch im ersten Augenblick nicht dem man nun aber die Aktien zu verhältnismäßig geringgleich folgerichtig geordnete Bestand fügigen Beträgen ausgegeben hat, find alle einigermaßen teile ausmachten, indem über sie alle bemittelten Familien in Stand gesett, Mitinhaber des samt ein dunkler Etrom echten Mün Gartens zu werden. Zugleich aber haben sie den Beschlußz cheners zu gehen schien, wollte ich eben gefaßt, daß ein jeder von ihnen auch seinen Freunden am durch die Thür schlüpfen , als mir der Sonntag den Eintritt durch Zustellung einer Karte ge Portiermit den Worten in den Weg trat : währen taun. Die unteren Klassen also allein sind aus' t is close upon three, Sir." geschlossen, augenscheinlich weil die Zahlung eines EintrittsIch sah ihn betroffen an. Was geldes am Sonntag eine Sünde wäre; die oberen aber fümmerte mich's in diesem Augenblicke, haben allesamt Gelegenheit genug zum Besuch des Gartens daß es dicht vor Drei war. Erst und lange Zeit galt derselbe zum auserlesenen Sammel als ich nun bemerkte , daß die Fenster punkt der vornehmen Welt , der aber einem launigen läden neben zugemacht wurden, fam Modedekret zufolge für den Sonntag längst in den jeder mir es in Erinnerung, es war Sonntag manu zugängigen Hyde Park verlegt worden ist. Mit der von einem befreundeten Aktionär mir zuge und an diesem Tage sind nicht nur alle Läden in England den ganzen Tag stellten Einlaßkarte versehen , betrat ich den Garten . Es geschlossen, sondern auch alle Restaura- war eben die Zeit der Löwenfütterung. Ich achtete es tionen, nur in den Mittagsstunden von nicht ; ich dachte an die eigene, die mir bevorstand, und eins bis drei und Abends von sechs bis schritt direkt auf die Restauration zu. Profit die elf Uhr offen. Mahlzeit! Da stand ich ratlos! Effen An der Hausthür empfing mich ein Jüngling mit genug! Hunger genug! und selbst der impertinenten Frage, woher ich fäme. Also auch hier Geld genug! Aber den Hungrigen fand das vorhin erwähnte Gesetz seine Anwendung, verspeisen , ist in diesem christlichen Lande mutlich der Fremden wegen, die von den Mitgliedern so zu Zeiten fündlich , ja es wird selbst zahlreich hier eingeführt waren. RT Mir schwebte eine Antwort auf der Zunge, die den mit irdischen Strafen dann streng ge ET ahndet jungen Mann wegen meiner Marschfähigkeiten hätte in NE Erstaunen sehen sollen , aber sie wollte nicht über meine " lang es Gesegnete Mahlzeit! R mir vor dem Ohre wieder, aber welche Lippen. Das Examen war mir so zuwider, .daß mir plöt beißende Ironie lag darin für den, der lich der Appetit vergangen war. Freilich schien die Renichts zu beißen hatte. „ Gesegnete ftauration auch nur von der dürftigsten Art zu sein, in welcher wenig mehr als trodene Semmel, Nüsse u. dergl. Mahlzeit!" Wäre ich noch auf dem Lande ge- zur Verabreichung an die Bewohner des Gartens zu er wesen, da wäre mir ein Labjal nicht langen schien. Ich blieb daher dem Jüngling die Ant Fig. 3. Tydaea hybrida, Heinemanns neue Varietäten. versagt worden , was die Hauptstadt wort schuldig , drehte mich kurz um und sah dann einige nicht zu bieten vermag. Auf dem Lande Zeit nicht ohne Neid den Löwen zu. Nachdem ich darauf darf ein Gasthaus jedem bona fide- auch den Orang- Utang noch besucht, verließ ich den „300 " fundlich nachweisen, nur dem Lande zu gute gekommen. Reisenden , jedem müden Wanderer am Sonntag Er- wieder und schlenderte langsam durch den Regents Part Seiner unserer Fürsten vom Landgrafen Karl ( 1670 bis frischung verabreichen , der bereits mindestens drei eng- Es war halb sechs , und von sechs Uhr an galt es ja 1730) an - hat sich mit Schacher der Unterthanen befledt. lische Meilen zurückgelegt. Gewöhnlich genügt seine eigene nicht mehr für so sündhaft, den Hungrigen zu speisen. Geistige oder wenigstens religiöse Nahrung wurde Bosheit der Lüge erfand den Ausdruck Verkauf , wo Aussage dafür. Es steht daher wohl zu befürchten, noch dazu die Volfsvertretung mehr denn der Fürst die daß diese verführerische Gesetzesfalle bereits manchen zum auch jetzt schon überall in Hüle und Fülle dargeboten. Bundespilfe gegen Franzosen und Yankee für England Lügner gemacht hat. Außerhalb der Stadt hätte ich also hier hielt ein selbsterforener Prediger eine Ansprache an gewünscht hatte. Nicht diese staatsmännischen Erwägungen von dieser mir offenstehenden Hinterthür Gebrauch machen die harmlosen Spaziergänger und mahnte mit den ein. brauchen uns hier des Genaueren zu beschäftigen ; doch ein können, ohne nur von der Wahrheit abzuweichen. Denn dringlichsten Worten an die Reise ins Jenseits ". Nicht Himveis ist geboten. Wäre Großbritannien in den Jahren ich war ja viel weiter als nur drei Meilen von dieser weit von ihm stand ein anderer, von einem häuflein Gläubiger umgeben, die in den heiteren Nachmittag hinein 1776 bis 1783, durch den weiteren Verlust Kanadas, der Stätte zu Hause leider! 3d fonnte doch unmöglich nach Hause reisen 1 acht eine Hymne zu fingen fich beslissen. Ein älterer Herr verIndiens, ja Irlands wie Frankreich und Spanien es geplant hatten auf solch ohnmächtigen Rang etwa herab. Kilometer weit! nur um zu speisen , vollends da ich teilte religiöse Traftätchen an die Vorübergehenden und gebrüdt, nimmer fönnte es in den bald folgenden Kriegen noch im Laufe des Nachmittags nach dem in ganz anderer draußen den Park entlang zog eben eine Kompanie der wider französische Staatsumwälzung und Korsentum dem Richtung gelegenen zoologischen Garten zu gehen feufzenden Europa ein Hort der Freiheit und Erlösung die Absicht hatte. In der Gegend vom „ Strand" geworden sein. So batten jene 23000 Hessen-Kasseler und aber, wo zwar die größten Londoner Restauration . Heffen Hanauer auf elf amerikanischen Gefechtsfeldernwahr räume, fast fämtliche Theater und andere Ver gnügungslofalitäten sich befinden , wohnen wenige lich ihre siegreichen Fahnen nicht umsonst entfaltet. Wer sich eingehend mit der hessisch - amerikanischen einigermaßen gut fituierte Privatfamilien. Ich Angelegenheit vertraut machen will , dem sei die kleine, fannte niemand weit und breit , bei dem ich mir 1879 zu Kaffel bei E. Huhn erschienene Flugschrift Land ein Stüdchen Brot hätte erbetteln können - ja graf FriedrichII. und die neuere Geschichtschreibung" hier erbetteln , warum nicht? Fiel doch unter solchen och empfohlen. Umständen feinerlei Schmach auf den Bettelnden, v. Pfister. sondern höchstens auf den Angebettelten , der doch auf solche Zustände in seinem Vaterlande gewig nicht mit Stolj blicken fonnte. So wanderte ich unentschlossen über den Tra Ein Sonntag-Nachmittag in falgar Square in der Richtung nach Pall Mall und London. St. James, jenes Quartier, in welchem die großen Londoner Klubs gelegen sind . Aber die Klubs, fiel Von mir plötzlich ein, waren ja offen , Sonntag und Alltag, Tag und Nacht. Wer wohlhabend genug Wilh. J. Brand. iit , einem von ihnen zuzugehören , dem macht sich Mahlzeit, " ertönte es plötzlich dicht an das Uebel der geschlossenen Restaurationen nicht .Gesegnete meiner Seite. so leicht fühlbar - einer der zahlreichen Beweise, daß es in England ein Gesetz für die Reichen und Mahlzeit, tlang es zurück. Ein flüchtiger Händedruck und die beiden gegenseitigen ein anderes für die Armen gibt". Ich hatte mich Verdauungsbeförderer waren nachverschiedenen Richtungen nun zwar niemals für reich genug crachtet, an Ein hin im Gedräng verschwunden. trittsgeld allein 800 Mart auszugeben , um MitDas ist eine Szene , die vielleicht schon vor mir ein benützer ja Mitinhaber einer dieser prächtigen mal jemand zu beobachten Gelegenheit hatte ; ja eine Paläste zu werden, aber ich hatte verschiedene Sjene, wie sie alltäglicher taum gedacht werden kann. Freunde, die mehreren Klubs jugehörten und in Und doch hängt das von Umständen ab. Wenn der der Hoffnung, den einen oder anderen darin anji:lei heimatlich gewohnte Laute im Gewirr und Getümmel treffen , pochte ich bei drei verschiedenen Klubs an, Don London, mitten im Weichbild der Riesenmetropole, aber vergeblich; es war noch zu früh , feiner ujer Ohr treffen, so klingt das leicht wie ein Gruß aus meiner Freunde war im Klub. ber Heimat. Und nicht nur war dieses hier der Fall, So war es vier Uhr geworden und um diese ondern die Worte heimelten mich noch aus einem anderen, Zeit dachte ich längst im zoologischen Garten zu aus einem mehr prosaischen Grunde an: Ich hatte Hunger ! sein , einem neu angekommenen prächtigen OrangGiwa acht Kilometer von meiner in einer ländlichen Vor- utang meinen Besuch zu machen. Aber gab es Stadt gelegenen Wohnung entfernt, hatte ich den ganzen nicht im " 300 eine Restauration? Freilich, eine Bormittag hier in der Gegend vom Strand zu thun Restauration, die auch am Sonntag geöffnet war. gehabt. Es war nahezu drei Uhr und ich hatte noch nicht Der eigentümliche, tlubartige Charakter dieses Mittag gegessen. Eben war ich auf der Suche nach Aktienunternehmens gestattet das und liefert zu einem Restaurant, da tam mir diese zweifach gesegnete gleich einen anderen laut zum Himmel aufichreien. Fig. 5. Toren a Fournieri ,,compacta". Mahlzeit wie ein Fingerzeig : Hier gab es nicht nur ein den Beweis von den Prärogativen der wohlhaben Wilh. J. Brand.
1135
Der gestirnte Himmel im Juli. Schloß Nauders . -1138-
6. Kongres des Deutschen Schachbundes zu Breslau 1889 . 11401139-
ARTNER Schloß Nauders. 6. Kongreß des Deutschen Schachbundes zu Unterengadin nimmt , der berührt das große Tirolerdorf Breslau mmun 1889gen (14. bis 25. Juli). hen ers gs r er risc Naud rdin , das auße sein male Lage rmee alle hera esti Seligmac mit Trommeln und Trompeten und für sämtliche Turniere g Sehenswertes hat . Der volkreiche Ort ist im März Spezialb fliegender Fahne , im Sturmschritt, als gälte es den Himmel weni Vorbemerkung . Für sämtliche Wettkämpfe ist die 1880 durch eine große Feuersbrunst zum größten Teil zer. nier ertur ung Meist Ordn (Modifikation der §§ 1 und 7 lich aus seinen Trüm. uti. g bog ich den grimmen Kriegern aus und stört worden , aber reinlich und statt Unmmen zu stür r Kongresses) maßgebend. des Frankfurte wieder erstanden . Bedeutung hat es für den Touristen nach Beschluß tert er gelangte an ein verhältnismäßig einsames Plätzchen , wo mernfern urni Meis . Jeder Teilnehmer hat mit , als es die Wegscheid bildet zwischen den Straßen jedemA.ander eine fleine Bank stand . Ich setzte mich darauf und ge inso n e eine Parti zu spielen . Einjat 25 ., fo k eidec die Reschensch nach Mals und Glurns einer wahrte alsbald eine ältere Dame , die zweimal an mir über e nad über Martinsbruck und Remüs anderseits nac Tarasp wie Erlegung einer Spielfaution von 25 M., welch vorüberging und wieder nach mir zurückschielte. Wiederum und ng zurückgezahlt wird. 1. Breis und dem übrigen Unterengadin . Aber uninteressant ist Beendigu aller Partien chen tehrte sie um und kam dann bedächtig auf mich zu. ndes chbu 1000 M. (Preis des Deuts Scha ), Brei: 2. ers um en , dort 700 M., 3. Preis 500 M., 4. Preis 300 M., 5. Preis 150M. Haben Sie schon Ihr Billet , guter Freund ?" hub dar Naudten nicht , denn wem nes beschied istung zu übernach oder einige Stunde auf Beförder in Die ng n ieru rer e halte t Norm weite Preis bleib vorbe Leiter . tung zu warten, der thut wohl sie zöge an.tand sie nicht gleich . Sollte ich ein Billet der einen oder anderen Rich Ichrndvers Zwanzig . genen Kirchhof aufzusteigen , von des Meisterturniers : Herr Generalsekretär Löfen für den Platz , auf dem ich saß? Nein, diese Bank daran , zu dem hochgelehend Die Teilnehmer werden in nier schönen Blick auf den Ortler GrupB. ttur Haup .halb deren jeder mit jedem eine war frei und eine Person , die Zahlung für Stühle im wo man einen überrasc pen lost ausge , inner n eßt , oder zum nah: gelegene Schloß Nauders (oder Partie Park erhebt , konnte mich doch unmöglich mit guter geni zu spielen hat. Die Sieger in den Gruppen h erg ) gehen , welches der Eitz des Bezirksgerichts Freund anreden . Die Dame war einfach , fast dürftig, Naudersbdess er Weise um die Preise zu stechen . Ginjay en malerische Lage , schon von Hunderten von ben in gleich doch durchaus anständig gekleidet . Ein freundliches Lächeln ist und 150 M., 3. Pri schaftsmalern als Motiv benützt, in seiner Art kaum 125 M., 1.4. Preis 300 M., 2. Preis spielte um ihren Mund und in ihrem Auge lag etwas so Landesgl Preis 100 M. Weitere Preise vorbehalten . 10 M. en Wohlwollendes , ja Fürsorgliches , daß ich ihr wegen der sein eich im westlichen Tirol hat und auch eine nicht es Nebenturnier . Spielweise in Gängen C. Erst freundschaftlichen Anrede nicht gram sein mt konnte. oder Gruppen . Einsatz 3 M. 1. Preis 50 M., 2. Br teressante Geschichte besikt . Wenn jemand eine Reise unternim , " fuhr meine unin 30M., 3. Preis 20 M. , 4. Preis Schachwerke oderUtensilia Freundin " fort, so versieht er sich mit allem was nötig, D. 3weites Rebenturnier. Spielweise wir nte el i r mm tir im Jul . De Hi gef iant ere s 30 M., 2., 3. mit Prov ihn enicht Ich dachte, daß tz an mein Reisehung , die ich heute gemacht und ad C. 2rkeM.oder 1.UtenPrei chwestu Um die Mitte dieses Monats glänzt Wega in der 4. Preis Einsa silien . Schaung er gab ihr im stillen recht. Aber mit Schreden durchführ rni E. Lös . Es kommen hierbei wa te und in klarer dunkler Nacht mich der Gedanke : Blidte mir der Hunger denn bereits Leier nahe dem Scheitelpunkhstr veröffentlichte Probleme , ein Bier- und ein man, wie die Milc aße sich gleich einem unge- noch nicht so sprechend aus dem Antlitz ! Wollte die Alte mir zu erkennt r züge age . Den Preisbewerbern ist nur du Ihr Billet - fie sprach so heuren , mild leuchtenden Bogen etwas östlich vom Scheitel Dreil eine, szurderVorl beiden Probleme zur Lösung gestatt n ! Ende gar ein Billet für eine punkte von Norden gegen Süden über den ganzen Himmel Wah r Spei eineorgl verhelfe ichsungwar fürs es am dige die vollstän und torrefte Lösung der vierzügigen eritredt . Im Often fomint das Sternbild des Wasser- Für abe Aufg , welche innerhalb 22 Stunden erfolgt ist und h ! ch üche besonder Garkmt et , spra Ere nim sich! einUnmö Billglic die Alte jekt im mannes allmählich über den Horizont herauf, cbenso im h n wird, ist ein Preis von 20 t ftlic gebe zuers schri abge et n der Pegasus und Andromeda . Man find ausgesetzt .Für Predigerton weiter , damit ihn der Schaffner nicht zurüids Nordosteere dieLösung des Dreizügers binnen 1 Stunder t auf, wenn man eine Linie vom Nordpol weise. Sind Sie, guter christlicher Freund, sind Sie vor die letzt melleich ten hen litä bei gleic Moda ein Preis von 10 M. Kein Einses . ia s über die Kassiope gezogen denkt und diese bereitet haben Sie Ihr Billet für die große Reise, die des Him F. Problemturnier . Das Programm fürdas Fro unkt des Horizonts hin verlängert . hung gelangt . DiePreiseund früher oder Linie gegeenn den Nordostpnbil ier tlic turn ffen blem Verö zur ist Sie vorhaben Sie müssen Sie machen 3m West ist das Ster d der Jungfrau im Untergehen wie folgt festgesetzt : für die 1. Abteilung (Bierzüger) 100,0 späterDamitdiedrüd Reistee sie ins mir Jenseits !" tätchen in die Hand , und der große Bär neigt sich immer tiefer. ein Trak g (Dreizüger) 80 60 and ilun und M.; 60 für 2. die Abte Am 6. erstes Viertel , am 10. Mond in Erdnähe, auf dem die Ueberschrift lautete , wie ihre Anrede es gedie beste Gesamtleistung mit einem am 12. Vollmond , am 19. lettes Viertel, am 24. Mond 40 M. Außerd.em wird er von Hrn. Prof Berg in Graz gestifteten Ehrenpreise von r ticket ?"" than: Have yougkei youte t woll In aller Arti got ich meine Freundin eben in Erdf ambt28.in Neu . ate unsichtbar. Venus 100 M. prämiiert . Weitere Preise sind vorbehalten. kur, blei em dMon Mererne diesmon auf ihre ungewünschte Zudringlichkeit aufmerksam machen . ist Morg G. Freie Turniere . Für die Teilnehmer an dem enstern und glänzt zwei Stunden nach MitterAber lohnte es sich denn mit solcherart Fanatikern sich immel . Mars ist unsichtbar. Jupiter fann Hauptturnier und den beiden Rebenturnieren , weld überhaupt in eine Unterredung einzulassen ? In diesem nacht am Osth e tein Preise errungen haben , bleiben solche vorbehalten. t e en urch hen fast ganz die Nach hind gese werd , doch steht Augenblic wollte ich jedenfalls nicht die Zeit verlieren. H. Beratungspartien . Für diese Partien bleibt sehr tief am Südhimmel . Saturn nähert sich immer Ohne ein Wort zu erwidern rannte ich eilends davon. er isbestimmung ebenfalls vorbehalten . Spielet : Pre die ar ne chtb mehr der Son und wird unsi . Am 12. tritt eine teilweise Mondfinsternis ein, die in Europa, Süd-Asien, 15 Züge in luß Denn eben schlug es seche. erk. ung . Die Sieger im Weiße . Stunde 1. Sch der bem Afrika und Australien gesehen werden kann. Der Mond wird etwa bis zur Hälfte seiner Scheibe von oben her in den Haupt- und Problemturnier erhalten außer den bestimmt Schloß Nauders . Wer von Landed aus, welches jetzt mit der Arlberg- Erdschatten eintauchen . In Berlin beginnt die Finsternis ten Preisen noch Ehrendiplome. bahn so leicht zu erreichen ist, den Weg durch das Oberinn um 8 Uhr 57 Min. und endigt 10 Uhr 58 Min. abends . that ing Vintschgau und zum Etilfser -Joch oder in das
Wortkettenrätsel.
3
3
2
Schachhaufgabe Nr. 61. Von Adolf Steif in München. Schwarz. a b c d e f g h. 8
8
17
7 6
5
5
4
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10
6
DODO
Pavaitp
Dechiffrieraufgabe. nnsetsisua. nehcamhcilreselnuehcepedeidhcru dreihdnunetlaheb iebnegnutuedebnehcilgniurpsrue rhirebanessalrevztalpnehcilriutannerhinebatsherbe eppurgne tiewzrednetfirhcsmiehegneduztreo idow, hegmmargotpyrkseseid. Vorbereitung. n =18 mal ; a=9mal ; r = 16mal ; p =5mal ; f= 1mal. S = 10 m =3 d = 9 " V = 1 19 y = 1 h =14 , t =9 e=37 z=3 B k= 1 O i = 16 " c = 8 b = 6 " 0 =3 22 u = 12 " 1= 7 W=2 g=6 Die Striche ober den Zahlen bezeichnen die Verdoppelungen . Die hier ausgewiesene Frequenz der Chiffres zeigt dem Dechiffreur, mit welcher Art von Geheimschrift er sich zu beschäftigen hat.
DODO
Das Diererschach . Weiß.
Kopf - Berbrechen.
DODO
3um
1
1
a
17
(18
30
5
16 19
15 10 (11)
08
7
14
13
In jedes Feld der obigen Figur ist an die Stelle der eingetragenen Zahl eine Silbe zu setzen. Dadurch entstehen zwölf dreisilbige Wörter , bei denen immer die Endsilbe des vorangehenden Wortes dieselbe ist wie die Anfangssilbe des nachfolgenden. Die Endsilbe des letzten Wortes ist zugleich die Anfangssilbe des ersten , so daß eine geschlossene Wortlette entsteht. Die einzelnen Wörter sind : 1) 1, 2, 3 ein Wohlgeruch, 2) 3, 4, 1 ein Frauen name, 3) 1, 5, 6 eine als Arzneimittel gebrauchte Pflanze, 4) 6, 7, 8 cine Person aus Schillers Don Carlos, 5) 8, 9, 6 eine Gartenblume, 6) 6, 10, 11 eine Waldblume, 7) 11, 12, 13 eine aus dem Kriege Hannibals bekannte Stadt in Unteritalien , 8) 13, 14, 11 ein Erdteil , 9) 11, 15, 16 ein beliebtes Getränke, 10) 16, 17, 18 eine Stadt in Portugal, 11 ) 18, 19, 16 eine Stadt in Japan, 12) 16, 20, 1 eine altrömische Stadt in Italien. Rebus.
Charade. Ich bin nichts Ganzes; Bereint jedoch mit dem, Was zwei stets eint, Erzähl ich von Getrenntem . Quadraträtsel. 1 : 5
Auflösungen zu Heft 10, S. 853-855 . Rebus: Schneeflocken. Diamant-Rätsel : Rätsel: Verliebt,verlebt, M verlobt. LEO HAYDN Homonym: Trauen. ren ren be EUTERPE ge ſe Rätsel: Aussichtsturm. Silbenrätsel : 1. Helles. MEYER BEER SERBIEN pont, 2. Spiegelteleskop, 3. Tokio. 4. Epirus, 5. PrunBREST ichwo lo (lu nun teit LEU trut, 6. Hostalfov , 7. AliR cante, 8. Nedar, 9. Wittenberge, 10. Egeri(-Sec) . 11. Lissabon. H. Stephan war du a Die na) Weltpoftverein. Zweisilbige Charade : Freundschaft . Geographische Kombinations-Aufgabe: " cauptmann Wigmann". Potsdam Havel , Bayonne Adour, Lie Lig ist 11e Prenzlau It fer, Königsberg Pregel , Lissabon ihm Baireuth Main, Florenz Tajo, - Arno, Marienburg - Nogat, Kreuznach Nahe, Astrachan Wolga, Die Silben in den Feldern des obigen Quadrats cr= München- Jhar, Rouen Seine, Amiens - Somme, geben, richtig Troubado geordnet, ur eine bekannte Stelle aus dem Text Trier Mosel, Verden Aller, Görlitz - Neiße, bon Berdis ". Petersburg Newa. Rätsel: Steinbach.
er
ver
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hast
c
9
6
12
b
d e f bo h Weiß. (7 + 5 =12. ) Weiß zieht an und setzt in drei Zügen matt..
2
Weiß. Dieses erweiterte Schachspiel (der Erfinder ist dem Einsender unbekannt) ist sehr wenig verbreitet und doch für vier Schachspieler sehr unterhaltend. Wenn auch vielleicht manche Feinheiten des Zweierschaches verloren gehen, so ergeben sich anderseits durch das Gegeneinanderspiel dop pelter Parteien Kombinationen , die das Viererschach höchst interesant machen. Das Viererschach benötigt ein erweitertes Schachbrett, da mit zwei vollständigen Spielen gespielt wird. Zu diesem Zwede wird an jeder Seite des gewöhnlichen Schachbrettes eine doppelte Reihe von je 8 Feldern angeseht, auf welche die Figuren zu stehen kommen, und zwar die beiden weißen Barteien einander gegenüber, und ebenso die beiden schwarzen, so daß also der eigentliche Raum des gewöhnlichen Zweier schachbrettes freibleibt. Es werden nun die vier Plätze ausgelost ; Weiß spielt mit Weiß gegen die beiden Gegner mit Schwarz. Die Züge find genau ebenso zu machen , wie beim einfachen Schach; die Hauptsache ist , auch die Züge des Partners zu beobachten, bezw. zu unterstützen. Doch ist unbedingtes Stillschweigen zwischen den Spielern, insbesondere zwischen den Partnern notwendig, wodurch der Reiz des Spieles bedeutend erhöht wird. Jede Partei Weiß kann jede Partei Schwarz angreifen und umgekehrt. Ist eine Partei mattgescht , so dürfen derselben keine Figuren mehr genommen werden. Die mattgesette Partei ist nur insofern noch passiv thätig, als ihre Figuren noch die Figuren ihres Partners schützen. Der Feind jedoch kann, ohne geschlagen zu werden, seine Figuren an einen Plah sehen, der von einer der mattge fetten Partei gehörigen Figur bestrichen ist. Der erste Zug wird ausgelost. Die weiteren erfolgen unter den Spielern von rechts nach links gehend, abwech jelnd Schwarz und Weiß. Auch Schachbieten ändert nichts in dieser Reihenfolge. Gin Hauptreiz des Spieles ist, den mattgefekten Partner wieder frei zu machen, indem man die ihn mattsetzenden Figuren anzugreifen sucht. Das Wiedererobern von Figuren durch Bauern auf der gegenüberliegenden letzten Reihe ist beim Viererschach nicht thunlich. Das Spiel ist zu Ende, wenn die beiden weißen oder die beiden schwarzen Parteien mattgesetzt sind. Unbedingt notwendig ist, daß sich die beiden vollständigen Spiele entweder durch Form oder Farbe voneinander unter scheiden.
2
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Schachaufgabe in Typen LIII. Von Professor B. Kästner in Coburg. Weiß: Ke7. La5. Se5, g3. Bc4, e2. Schwarz: Kc5. Be3, g4, g5, g6. Weiß zicht an und jetzt in vier Zügen matt. Lösung von Nr. 60. Ke5 -d6 1. Kg1 - g5 Ke5 - di 1. 2. Lds - c7 Kd4 - c5, 2. Tb2 - bi Kd6 - c3, e5 c3, e4 3. Sf - e6, Lc7 - e5 3. Ld8e7 oder c7 #. oder b6 #. Lösung von Nr. LII. Ld8 - c7: 1. Dc1c7 2. Tel - hi beliebig 3. Thi– h8 . Eingelaufene Lösungen. Nr. 57 wurde gelöst von Dr. Friedrich in Berlin, Paul Renner in Leipzig. Nr. 58 von Dr. Walk in Heidelberg, Paul Renner in Leipzig. Schachlitteratur. „Aufstellung von n Königinnen auf einem Schachbrett von n2 Feldern derart, daß keine von einer andern geschlagen werden kann; von n 4 bis n = 10." Von Dr. August Pein, Oberlehrer. Eo betitelt sich eine sorgfältig ausgearbeitete Broschüre in Quartjormat , welche als Beilage zu dem Jahresbericht über das Schuljahr 1888/89 der städtischen Realschule zu Bochum erschienen ist und das in den Schachkreisen und auch sonst wohlbekannte Thema von Schachköniginnen behandelt, die auf dem Schachbrett auf. gestellt werden sollen, ohne daß irgend eine derselben eine andere schlagen kann. Die mit vielen Tabellen und Beweis und Veispielsdiagrammen ausgestattete, fünf Bogen starte Schrift ist in der Weise des berühmten italienischen Rösselsprungwerkes von Volpicelli abgefaßt und beschäftigt sich in 26 Paragrapten, 7 Figurentafeln und 15 Tabellen eingehend mit der Ausführung des gedachten Problems auf Schachbrettern von 16 bis 100 Feldern, indem es gleichzeitig die bereits früher veröffentlichten hier in Be tracht kommenden Arbeiten von Dr. Naud, von C. F. Gauß, H. C. Schumacher, Natanis , Dr. Siegmund Günther, J. W. L. Glaisher in Cambridge, Lucas und de la Noë würdigender Berüdsichtigung unterzicht. Schach spieler interessiert vorzugsweise das Schachbrett von 64Feldern, während fleinere und größere von 25 bis 100 Feldern für den Mathematiker vielleicht auch in Berücksichti gung zu ziehen sind. Der Fleiß und die Genauigkeit. welche Dr. Pein auf seine Arbeit verwendet hat, verdienen alle Anerkennung und haben im Verein mit Umsicht und Uebersichtlichkeit der Anordnung das Werkchen zu einem schäßenswerten Beitrag zum mathematischen Teil der Schachlitteratur gestaltet. Daß Dr. Bein nicht die Weije der Notation unseres 64feldrigen Schachbrettes (von a bis h und 1 bis 8) in Anwendung gebracht hat, sondern von 8 bis 1 (also a bis h und nun von Schwarz, von oben aus nach Weiß zu , 1 bis 8) , beziehentlich von a bis k und 10 bis 1 (anstatt 1 bis 10) aufzeichnet , finden wir zwar verwunderlich, aber unwesentlich hinsichtlich des son stigen Wertes der Schrift. Auflösung der Skataufgabe Nr. 38. B hat einen der beiden ersten Buben, z . B. den PiqueBuben , außerdem Garreau-Bube , Treff-7 , Carreau-Aß, Garreau- 10, Carreau-König, Carreau-9, Carreau- 7, Coeur AB, Cocur-10. Chat Treff-Bube, Pique- Aß, Pique- 10, Pique-König , Pique-Dame , Pique-9 , Pique-8 , Coeur Dame Coeur-7. 3m Stat liegen Coeur-9, König, CoeurCoeur 8. - Erster Stich: Treff 8, Treff-7, Treff-Bube 3weiter Stich : Pique-8, Pique- 7, Pique-Bube. Dritter Stich : Garreau-Bube, Pique Aß, Coeur-Bube. - A has nun Rest und erhält im ganzen 116 Points.
Der Zauberschlüssel . - Aus Küche und Haus. 1 für unsere Hausfrauen . -1144-11461145Buthaten zu viel, denn das Fleisch muß gut vorherrschen. | tennen zu lernen, das den Zweck hat, zur Aufnahme der Der Bauberschlüffel. Der Topf wird jekt gut zugededt und das sehr trästige Mailräuter zu dienen ; es fällt durch die Benuhung diese und wohlschmeckend: Gericht auf mäßigem Feuer, damit Bowleneis die Unbehaglichkeit , Maiträuter mit in des Don es, bei gänzlichem Mangel an Flüssigkeit, nicht anbrenne, Glas zu füllen, gänzlich fort, man thut diese eben in da gargekocht und in dem Topfe, den man mit einer Serviette Ei, läßt das letztere je nach Geschmat Alexander. längere oder fürzere Zeit in der Bowle umsteden kann, aufgetragen. liegen und hebt es dann an der daran Blumenkohl. Man nehme 12 kg Es bringt jemand einen Schlüssel von gewöhnlicher rohesGefüllter befindlichen Kette wieder heraus. Das Kalbfleisch. 60 g Nierenfett oder Rindsmart, einen Größe zum Vorschein, auf dem, zwischen Bart und Griff, neue Bowlenei ist von vernideltem Me sich mehrere kleine Ringe befinden (Fig. 1), und stellt die Theelöffel Petersilie, einen Eglöffel Zwiebel , beides fein tall gefertigt, also durchaus appetitlich, geschnitten, und ein in Milch geweichtes und wieder aus. Aufgabe, dieselben von dem Schlüssel herunterzubringen. gedrücktes, abgerindetes Weißbrötchen , stoße dies alles im und wird in zwei Größen geliefert , in Nachdem dies von mehreren Eeiten vergeblich versucht einem Durchmesser von 712 und 10 cm, wurde, bringt der Eigentümer den Schlüssel mit den Ringen Mörser fein und rühre es mit Salz, Mustatnuß und drei und fostet 1,50 resp. 3 D. unter den Tisch oder einen Hut und macht die Ringe in Giern an. Habe nun schöne in gesalzenem Wasser abge Einen ähnlichen Zwed hat ein tochte und erfaltete Blumenkohlrosen, belege eine Auflaufeinem Augenblicke frei. neuer Bowlenlöffel von vernideltem form mit einem stark gebutterten Bogen Papier und gebe Metall ; derselbe ist mit einem Klapp querfingerhoch von der Farce hinein, stelle den Blumen. Fig.1 dedel , der oben durchlöchert ist , ver fohl, die Stiele nach oben, dicht zusammen darauf, verteile sehen und hindert beim Ausschöpfen aut die übrige Farce dazwischen , lege wieder ein gebuttertes dem Gefäß die Maifräuter, mit in den Pavier darüber und lasse eine halbe Stunde im Ofen Löffel und demgemäß ins Glas zu (Röhre) baden , entferne dann das Papier , stürze den kommen ; man braucht also nur ohne Blumenkohl und unigebe ihn mit einem Kranze von 1 cm 2. Fig. 0 Bowlenei. aufzupassen die Bowle auszuschöpfen, die 53 did geschnittener, ziemlich ausgezadter Pökelzunge. Hohlpastete mit Eierfritaffee. Man schneide Kräuter bleiben von selbst zurüd. Preis aus kleinfingerdick ausgerolltem Blätterteig eine runde des neuen Bowlenlöffels 6,50 M. Platte und lege sie über mehrere gut mit Butter Neue Nadieschen und Rettichschale (Fig. 3). beitrichene Papierbögen auf ein Backblech und in eine geschmackvolle Menage , in welcher die Radieschen und Fig. 2 b Fig.3 die Mitte ein ausgehöhltes Milchbrötchen, wel jungen Rettiche zur Tafel kommen; Fuß und Oberteil, ſoches man in Spelscheiben und Papier einhüllt, wie der Bügelsind fein vernidelt, die mittlere Schale, welche den Rand der Platte mit verklopftem Ei bestreicht zur Aufnahme der Radieschen dient, und der im Oberteil und über das Ganze eine zweite , etwas dünner befindliche runde Becher, in welchen Salz oder Buiter ge ausgerollte Platte breitet, rund herumandrückt und than wird, sind von Glas oder Porzellan, letzteres in blauer das Ueberstehende abschneidet, die Bastete mit kleinen Zier Zwiebelmuster- oder buntfarbiger Dekoration. Die ganze raten aus Teig belegt, mit Ei überpinselt und zu schöner Menage ist zierlich gearbeitet und bildet auf der feinsten Farbe ausbadt. Run schneidet man vorsichtig oben einen Tafel einen Schmud. Preis mit Glasteilen 3,50 M., mit Dedel ab, nimmt Brötchen, Speck und Papier heraus, hebt Porzellanteilen 4 M. Fig. 4 die Pastete auf eine Schüssel und füllt sie mit dem Fritasice, Butterdose mit Eisfüllung (Fig. 4). In der legt den Dedel darüber und serviert womöglich gleich. heißen Sommersaison ist es unbedingterforderlich, dieButter doch kann die ungefüüte Pastete auch aufgewärmt werden, aufEis zu stellen, um frisch aus demassee Das Geheimnis beruht auf einer besonderen Einrich. ist jedoch am besten. Zu dem Eierfrit Ofen toche man ein Dutzend Eier fe fest zu erhalten, in tung des Schlüssels. Derselbe besteht aus zwei Teilen, heißen Tagen dem Griff mit einem Ansatze (Fig. 2a) und dem unteren hart und schneide fie in nicht zu dünne Scheiben , bereite gana bei erläuft sie Ende mit Bart b. Lekterer Teil ist gleichmäßig hohl und dann eine Beschamelle (1. Mai), jedoch nur mit Rahm, Tische, selbstnochwenn hat an der Deffnung e eine feste , 2 mm starke Scheibe füge noch zwei Eklöffel blanschierte und fein gehackte Peters fie vorher auf Eis (Fig. 3) eingelötet. In dieser Scheibe. befindet sich eine filie hinzu und mische die Eierscheiben vorsichtig , daß sie gestanden hat ; auch vieredige, fleine Oeffnung , wie Figura zeigt , in welche möglichst ganz bleiben, darunter. Natürlich kann man die Hohlpastete auch mit jedem diesem Lebelstande ist eine Doppelseder, die sich (Fig. 2) an dem Griffe a bei d durch Anschaffung efindet, genau paßt, und zwar in der Weise, daß, wenn anderen feinen Ragout füllen oder, wenn man sie falt nebenstehend abgebil der Griff mit der Feder vollständig eingedrüdt ist , die geben wollte, mit Creme, Rahmschnee, Kompott und der deter Butterdose ab. mehr.hn auf amerikanische Art. Man reibe geholfen, weil die da Seitenteile der Feder hinter den Vorsprung springen und gleichen Trutha zugehörige vernidelte den Griff festhalten , so daß der Schlüssel wie aus einem Stüde bestehend erscheint. Um nun denselben zu öffnen, das Innere gut mit Pfeffer und Salz ein und fülle ihn lode, wie aus der der mit nachstehen Farce, brate ihn mit reichlich Butter oder 4), Röhrchens (Fig. eisernen fleinen bedarf man eines Durchschnittszeich. eines Stäbchens, welches als Röhrchen endet und die Länge und bei fleißigem Begießen im Backofen (Röhre) und nung ersichtlich, dop. des hohlen Schlüsselteiles hat. Schiebt man denselben un serviere mit eingemachten Preißelbeeren . Fig. 3. Radieschenschale. pelwandig ist, um Zur Farce nehme man einen Suppenteller voll ab. fie mit kleinen Eisbemerkt in den Schlüssel feft hinein, so erfaßt es die Feder, tridt diese etwas zusammen und macht den Grifffrei, gerindetes , in Wasser geweichtes und fest ausgedrüctes ftüdchen oder Eiswasser füllen zu können. Der Ring oben so daß die Ringe mit Leichtigkeit entweder abgenommen Weißbrot , eine große Tasse voll Austern, frisch oder ein wird abgeschraubt und dann das Eis in die Doppelwan gelegt , ohne Wasser oder Brühe . Bieffer , Salz und drei dung gefüllt, wodurch die Butter ganz fest bleibt. DerTeller, oder darauf geschoben werden fönnen. Will man einen besonderen Effekt erzielen , so hat Eier, oder sollte man über Austern nicht verfügen, so sebe in welchen die Butter gethan wird, ist von Glas oder von man sich noch mit einem zweiten , ganz ähnlichen , aus man, wie auch in Amerika häufig geschieht , an deren Borzellan in blauer Zwiebelmusterdekoration und kostet die einem Etüde bestehenden Schlüssel zu versehen , den man Stelle Schweinefleisch und Herz und Leber des Truthahns , komplette Butterdose mit Glocke 5 M. fein gehadt. den Zuschauern vorher zu genauer Untersuchung übergibt alles Johannisbeerto PatentierteReise Kaffeemaschine mit Glas rte. Man rolle einen mürben und den man mit dem anderen zu verwechseln hat, was 125 g Butter , 60 g Butter , ein Ei) (Fig. 5). Sobald wir nur anfangen, an die Sommerreifen besonders dann leicht ist, wenn man sich zur Ausführung Teig ( 180 g Mehl, oder erst beginnen , Reisepläne zu schmieden, denken, zu des Kunststückes einige Ringe von den Zuschauern borgt, nicht zu dünn aus und schneide ihn zu einer runden ist unsere nie tu Platte, die man mit etwas gestoßenem Zwieback bestreut bende Industr um diese auf den Schlüssel zu bringen. und mit 5 kg roten Johannisbeeren so belegt, daß ein Vermag man dies in geschickter Weise mit offener zwei stets bereit , nad reichlich Querfinger breiter. Leerer Rand bleibt, streue Hand, ohne dieselbe zu verdeden , fertigzubringen , wozu feingestoßenen neuen Bequemlic Zuder über die Beeren und schlage den natürlich einige Uebung gehört , so gewinnt dadurch das teiten für unsere Nand herauf, bestreiche ihn mit Ei und bade bei mittler Kunststück erheblich. Ausflügezu suchen, Hike. um uns die Ent fernung vom haus. lichen Herde na Aus Küche und Haus. Neues für unsere Hausfrauen. Möglichkeit zu er leichtern. Ein alte Von Vernidelte Spargelplatte (Fig. 1) . Ein neues, aber sehr wahrei nach Christoflemodell gearbeitetes Gestell, auf welchem der Sprichwort fagt. L. v. Pröpper. Spargel serviert wird und das infolge seiner eigenartigen zu Hauseschmedt's Form die sonst übliche, aber wenig geschmackvolle Serviette Fig. 4. Botterdose. Juli. am besten ; wit entbehrlich macht ; das neue Spargelgestell ist von vernickelChampignonsschnitten. Man dämpfe etwa tem Metall hergestellt, hat an den Längsseiten 4 nach oben wissen sehr wohl , daß die auf Reisen in Hotels aufges zwanzig Stüd fleine Champignons mit etwas 3Zitronen gehende Stüßen, um den Spargel, wenn er auf dem Ap- tischten Speisen seien sie auch noch so schmachaft zu haft, wiege sie ganz fein und verrühre sie mit 150 g sehr parat liegt, vor dem Herabrollen zu schützen; ferner ist die bereitet hinter der guten berühmten Hausmannskost rischer Butter, streiche sie durch ein Sieb und dann auf Platte, die zur Aufnahme des Spargels dient, der Breite weit zurückbleiben; es betrifft das eben Gesagte alles, heiß geröstete Weißbrotschnitten , welche man auf einer nach durchlöchert, um das abtropfende, dem Spargel noch was wir am Tage genießen , von dem ersten Frühstü mit Petersilie bekränzten Schale, als Hors-d'oeuvre anhaftende Wasser durchlaufen zu lassen. Das Gestell - dem Kaffee - an gerechnet ; ja gerade dieser ist es jerviert. wird auf eine beliebige vorhandene Schüssel gesetzt und der uns daran erinnert, daß wir von Hause entfernt find In allen Fällen wird es demnach ratsam sein, sich unters Fadensuppe. Man lege in die Terrine 60 g in mit Spargel gefüllt serviert. Preis 7,50 M. per Stüd. gesalzenem Wasser abgekochte und in Würfel geschnittene Bowlenei mit Kettchen (Fig. 2). Die Zeit der wegs den Kaffee selbst zu bereiten , und dürfte zu diesem Makkaroni, bestreue sie mit Parmesankäse , schlage ein Ei verschiedensten Bowlen , unter denen in der Zektzeit die Zwecke die nachstehend abgebildete neue patentierte Reife darauf und gieße schnell heiße Bouillon, in der man etwas Maibowle eine Hauptrolle spielt , ist wieder herangerüdt, taffeemaschine ein recht willkommener Rei egefährte jan. Tapiola verkocht hat, darüber, und Ei und Käse werden und so dürfte es von Interesse sein , ein neues Bowlenei Dieselbe bat einen Gehalt von cirka 1 1 (zwei Tassen dann Fäden bilden. Statt Mattaroni kann man und eignet sich deshalb vor allen Dingen für einzelne auch Suppenspargel nehmen. Personen, sowohl auf der Reise, als auch in Jung Gulasch à la Jardinière. Man schneide gesellenwirtschaften zc. Der Apparat ist von vernidel saftiges Rindfleisch , am besten vom Filet , Hammeltem Metall elegant gearbeitet und kostet komplett fleisch und junges , nicht fettes Schweinefleisch , von 5 M.; die sämtlichen dazu gehörigen Teile werden jedem 14 kg, in Stücke und zerschneide auch Sellerie, miteinander gepadt, um auf Reisen Raum zu ersparen. Petersilienwurzel, Breitlauch (Porree), Zwiebel und und liegen in einer dazu gehörenden Pappschachtel. Möhre, gebe in einen Topf eine Lage Rindermark Die Handhabung ist einfach, genau diejenige der und darüber eine Lage von dem Rindfleisch , dann schon lange bekannten und bewährten Untur Salz, etwas Paprika und von den obengenannten maschine; der im Innern befindliche Griff A with Ingredienzien und eine Lage von zu Würfeln geschnit an den Behälter E geschraubt, der letztere mit Waffer tenen Kartoffeln; nun tommt eine Lage von Hammel. çejült , dann das Sieb B eingesetzt, auf dieses bas fleisch, wie die von Rindfleisch belegt, und hierauf eine Kaffeepulver geschüttet und das Sieb D darüber ron Schweinefleisch , ebenfalls mit Belag , wieder gest dt; man fündet nun den in dem Rechaud E be Rindfleisch und so weiter und oben darauf stets Karfindlichen Epiritus an , lägt das Wasser tochen, bie toffeln , jedoch weder davon noch von den anderen Fig. 1. Spargelplatte.. sich starte Dämpfe entwideln, stülpt dann das Glas F
Dame Mode in der Pariser Weltausstellung .
Zu Murets englischem Lerikon . - Unsere Kunstbeilagen.
11498- ch der englischen bringen, die von echtem Fortschritt Kunde geben. Wollt -114erbu Encyklopädische Wört esse ste ihr aber das Schön des Schönen in Augenschein neh - 3m Inter ndem sche che . flüstert sie uns zu , so begleitet mich nach dem en deut und Spra zu " druck . r r n hause lung Auto hand oder (Berli Schön , N., der Sadje wäre es erwünscht , wenn gedachter Verlags- Dom men,e central ! Da haben meine lieben Pariser ihre Allee 184) noch vor Thoresschluß von Freunden und Kunstschätze ausgestellt , da staunt und sehet , was und Sennern des Englischen alle jene Notizen zugängig gemacht wie man bei uns schafft! Gern folgen wir diesem Loc . würden , welche gelegentlich des Gebrauches irgend eines ruf ; übt doch alles , was Pariser Mode" heißt , einen - Wie ist die echte von der bisher verfügbar gewesenen englisch-deutschen Wörter eigenartigen Reiz auf uns aus. grundbücher etwa entstanden sind. Um ein lerikalisches Wert feinem Geschmack durchgeistigte Pariser Mode wie Muret der Vollkommenheit und Lüdenlosigkeit verschieden von all dem, was man bei uns als solche an e thunlichst nahe zu bringen , sind die Erzeugniss des Ge zupreisen pflegt . Sie weiß nichts von auffallenden For. brauches , d . h. jene Wünsche bezw . Beiträge unentbehrlichen und schreienden Farben , nichts von bunten Besätzen und unvermittelt auftretenden Uebergängen ; ihre Wirkung en nden rbuch und Rüben Gefahr die See fürs als verbu mit beson Leben Wörtedige tehr von der Sprac des leben im Ebenmaß , in der Harmonie ; all das dem undedie au te deremheWert en der ist kein Neben dem , zuBenut welchzung Veres beruhtischen e . mit solchen und Serbe zurGewe Ern DieBergb ästhet Gefühl Fremde widerstrebt ihr ; ihr Ideal ist die Kunst, ihr Streben zur Verschönerung des äußeren fijerei . Bon kleineren Unglüden ganz abgesehen, kommt Beranlassung gaben. Menschen ,seines Home, seiner Lebensgestaltung beizutragen. Können wir einer so liebenswürdigen Helferin , selbst nicht selten vor , daß ganze Flotten von Fischerbooten wenn sie da und dort ob gewisser Launen verlästert wird, in einem Sturm mit Mann und Maus untergehen . Denn gram sein? Wohl kaum . Vertrauen wir uns getrost ihrer n bie Fischerboote können nicht die See halten wie größere age eil stb ere . Kun Uns Führung ! Und wohin leitet sie uns jetzt , da wir den Shife . Hilfe von einer Rettungsstation aus fann ihnen t dende nzeit nte nahes Du erjeh ,Ferie beglü heiß ,holde, , ! Prachtbau betreten, in dem die Stadt Paris ihren Juduand nurootegebracht werden , wenn siesich näher der Küste an st ll erlu ! übera Somm en t re rnung el em scheſ größe Bicherb auf daß sindso sie Entfe flein, Himm , du umrau ſtriellen ein Rendezvous gegeben ? zu jenem von Menschen r der befinden, ere und dies ist nicht imme Fall,rdenn die er r. Du lachst unshtan aus blau m ische m es st erten Pavillon links ? Unmöglich da durchzudringen . abriond bei trübe Wette , stürm , schwe sehr im uns Didic des Wald du , sprich mur in zu belag uns ei n giebigite Fischer ist auf hoher See zu suche dier melnden Bichen , wogenden Seen , brandenden Wellen zu erfennen sind. Dazu ist die Ernte auch nichtund imme . Nichts ist unmöglich ! " sagt sie weise lächelnd. Und die giebig. Die Fischer find daher auch meist arme Leute. Du machst uns das Herz frei und leicht, du lägt uns die Menge zerteilt sich. Unser Blick streift einen Glaspavillon , in dem die Typen des Jahres 1889, von Redferns Meister n liebt renja al Kamp cht,Leben e über Troh allen Gefah f mitdiedem und Mühe vergessen, der Wint smus gebrades das sBöse, ren hand geschaffen , ausgestellt sind. Redfern ist jetzt für alles, fein Gewerb man tann sagen,aber daßderesFisch geradere Trübs wir im Egoier erfahwas Diese Mühen und Gefahren sind , welche das Herz des mußten , und stärkit uns zu neuem Kampf. Sei gegrüßt ! Paris und damit für die Welt der Mode tonangebend. Fischers an sein Gewerbe fesseln . Würde man einen See Auch bei der Wahl der Bilder , die dieses im Zeichen des eine Schöpfungen wandern nach aller Herren Länder eine kostbare hen oder ein rsonstiges Binn ee en Sommers stehence lt , hast wogen . Da tickt enobe iber an Heftußenthä hand ge und mit aufge Gold r , einenLands t nicht en in sehr bald er würde sichverse gewäffe wiede zum Meere zu- führt gemacduht .dieFühr und deinen Einfl geltend weißewerd Tuchr , mit Palm Gold durchs , dort ein dehnen und ohne Zweifel auch wieder dorthin zurück . Mag Schmidts Gemälde Auf der Düne fernhin an blaues Tuchtleid mit prachtvoll in Silber gestickter Bor den Strand der blauen Sce , wo die Luft würzig über düre, eine grüne Samttoilette mit Devant von reseda das funk.Inde Wasser streicht ? Und die dort oben auf der Seide , das reich mit Smaragdperlen gestickt ist, ein Düne steht , eine Gattin vielleicht oder eine Braut , harrt Costume Louis seize aus taubengrauem Tuch mit Revers tehren, jobald es die Verhältnisse erlaubten . von creme Samt , die mit hellblauen Kunststidercien geKahn inRuh", bedeutet unser Bild (5.1151). Auch ist des rer honeen iz , zuziert sind, et den 3.ScTeur Schwesoll. in dieteilen , geleit Jacketts mit dreifachem Kutschertragen von der mit ihrBesch die auer Freuden len ken her ich efal an, sich schic die und Fisc ausg reichl derFang - Faltenmäntel mit langen n der frau em Samt, tätis e rotem diegt zum in majes oder Größ Das Ergebnis auf fleinen Booten ans Land zu bringen . Füße elnblau eigerJung e ,aufra en ,cherselbst gots aus Monopol mit breiten närm und schne Weiß Ewig ein Pole Redin , Auf mancherlei Art wird die Seefischerei betrieben . 3m en und was der Neuheiten mehr , die chläg ht schen eaufs in die einzie aber Wer bayri Moire grogen erfällt sie in Strand- und Hochseefischerei. oder tiroler Alpen , dem wünschen wir , daß ihm so ein bei den den Pavillon Umstehenden ungeteilte BewundeBei der Strandfischerei ist die bequemste Art die mit Bild des Ewigen . Das sind gar oft Zusammenstel n . wir Hilfe von Ebbe und Flut. Zur Ebbezeit werden an ho- gar herziges Rojert das Bfüat Gott zuruft , wie An ce fung rungenhervo - uns daheim nichts träumen liegen ; , vonrrufe denen n ene riede chied che ern rie nan r ben, hafeifenförmig angeordneten Stangen Schleppneke be Landf abges und erinn Nebe Szene ein Pavillon , in dem Toiletten dörfli weite ! doch r egge er en ll Mein Defr als Mode gesess hat. feftigt und auf dem Dieeresboden ausgebreitet . Mit der schließlich auch Zügels Schaie im Stall ", die der ausgestellt sind, die man heute auf dem Ball der Madame Flat tommen stets eine Menge Fische und sonstiger See Städter faft nur noch auf dem Lande anzutreffen ge- Carnot tragen wird; eine Robe aus rosa Crêpe de terre, wie Krebje, Hummern , Krabben nach den Ufern zu. Chine mit weißem Devant, auf dem Rosen und Epheu hat die Flut eine gewisse Höhe erreicht , so werden die eine grie guirlanden von Künstlerhand gemalt sind, che vorn am Eingang der Umzäunung emporgezogen , wohnt ist. chische Robe von purpurblauem Faille , mit Goldähren so daß die Fische u. s. w . nicht entrinnen fönnen . Dann durchstickt , fesseln in erster Linie unsere Aufmerksamkeit, wird der Eintritt der Ebbe abgewartet und der Fang ein die Taillen sind rund, fraus, froisiert, die Aermel gepufft, gebracht. Eine andere Art Strandfischerei wird mittels die Schleppen drei und vierteilig mit Spitzenrüschen e Denus von Milo. Di es eine hat Net Dies oder Federfransen begrenzt . Verführerisch schön erscheint s iebeenn .Deffnung auf einen vierdsch destojeGrun ge nete örmilepp , dess Gestaltbetr sadf tnisse der alten griechischen Bildbauer von uns in der Vitrine gegenüber eine Robe von weißem, mit Die Kenn igen eisernen Rahmen gespannt ist. Die untere Seite des Chineeblumen durchwirktem Moirce ; sie ist en princesse chen Verhältnissen des menschlichen Körpers gearb eitet, seitwärts Einsatz von matter Silberstiderei , die Rahmens ist scharf oder gezahnt und schleppt sich wie ein den anatomisos de fell sen uten de en find zwei ganz bede gewe gera so wie , die bod ck n res em Reche überden Mee hin. Andies Bodenstü ist, mit blumigem Tüll verschleiert ist, Taille von Chineestoff en Meister Michelangolo , Lionardo da i Vinc und sie an einem Rechen, eine Gabel befestigt , welche die groß mit Tüll drapiert, statt des Gurts eine Tüllwolte, die von dsten Studien gere em Haltbarkeit der Vorrichtung erhöht . Bon dem Bunft, wo ande auf dies Gebiete die eingehen Hr. Professor großen , aus Silberfiligran gefertigten Kelchen aufge= e beiden Schenkel des Rechens zusammentreffen , geht macht haben. eIn jüngster Zeit hat nun Karl Haff , Direktor des anatomischen Institutes der fangen wird. s gerdem noch eine eiserne Stange aus , die mit einem Dr. laue In Pari , wo jetzt noch die Saison der Bälle ist, r Universität eine äußerst interessante Arbeit zur ing am obern Leisten des Rahmens befestigt ist. Ge Bres omie der Venus, von Mil o veröffentlicht . Er fand interessiert man sich ungemein für diese Beautees , unserem Anat lebt wird das Netz durch das Schiff. Diese Art n und Photographien , daß bei diesem be Bedürfnis würden mehr die aus Wolle , Changeant. iderei ift oft ganz ergiebig , denn die Fische sehen von aus Messungetwer k des Altertums die rechte und die linke Battist , Bast, Foulard gefertigten , sogenannten petits em Apparat nichts , da er den Meeresboden aufwühlt und rühmten Kuns tumes " entsprechen , in denen die Pariser Konfettionäre te hälf Gesichts nicht die gleichen Maßehnit zeigen . Der unter cos Großes leisten. Solch ein petit costume" toftet wohl er tota übt erei as Die WaffHoch getr ist.meist auf Heringe, Schellfische , halb der Nase gelegene Gesichtsabsc t des Bi'dwerkes , man seeflisch , die al 6-800 chm nt,"indes das geniert eine echte Rebeljau , Dorsch zc.) ausgeübt wird, erfolgt mittels un- Mund , Lippen und Kinn , ist zwar streng regelmäßig, der Pariserin , die, wieFra es bei den deutschen Bauern heißt, heurer Schleppnete, an denen zum Teil Angeln befestigt ganze oberhalb dieser Grenze gelegene Kopfteil aber ist un ts n wat Avar " habe will, keineswegs . Die Neuheiten in lmäßig ; das r als dase rechte ; rdem Ohr erhöhe d. Daß diese Fischerei große Geschicklichkeit erfordert rege älftelinke linke Schädelh ist breit als die recht ; auße die diesem Genre sind ohne jede Raffung, trauje Röde, trauſe ad, abgesehen von den Gefahren , mit vieler Mühe ver- mit der aber erscheint eine bemerkenswerte Unregelmäßigkeit der Taillen , lange , weite Bolenärm ng el und dazu ises n ist, andeBon Bewe . en etwa zehn Millio. für den seelischen Ausdruck so wichtigen Augengegend ; die einheitlichen Geschmacksrichtu nimmt man es in diesem ereieslebe n im ischfein derbeda Serfrf ganz Fichus Marie Antoinette gena Menschen und es beläuft sich der jährliche Reinertrag linke Seite steht höher als die rechte ; außerdem istjene Genre nich n ,u die an der Taille gekreuzt und ent sehr nde uf etwa 800 Millionen Mart. Davon kommt der Löwen der Medianebene mehr genährt als diese. Profeffor Haffe , mit lana Shawle s gebunden werden zeugt , daß die Venus von Milo streng nach einem nachFür rückwärtim leil mit 260 Millionen auf England . In zweiter Linie überende Lenz des Lebens. und der Liebe stehenden ten Modelle anatig et sei, gingn taufrischendieSchö omisch richtig ig gearldet beiten then bie Bereinigten Staaten von Nordamerika mit voll nheiten sind hochrote Foulardkleider, mit n lmäß ner bei rege , dara und nun kräft gebi Män Millionen. Auf Kanada und Frankreich kommen je fen ltöp durchstickt, empfohlen, für ältere Damen be Millionen. Norwegen erntet für 50 Millionen . In und Frauen die beiden Gesichtshälften genau auszumeffen Enge eingesetzten Epißenstreifen , die sich ndenen Maße miteinander zu vergleichen . druckte Foulmards mit nd eutschland übersteigt die Einfuhr vom Auslande den und idie gefu b sich, daß beim Menschen in Wirklichkeit beide von lichtere Untergru effektvoll abheben . Viel Meinung genen Ertrag. Es tönnte also hier weit mehr geleistet Dabechtserga eizer . Gesi hälften gemeinhin nicht regelmäßig sind, sondern scheint sichchfür das von G.Henneberg eingeführte Schw Sch. lichen Faltengerade in dem Sinne unregelmäßig , wie es an der Venus Seidentu zu bekunden . Es gibt einen herr crben. wurf, ist weich und doch nicht ohne Appretur und eignet von Milo dargestellt ist. Es erwedt - sagt Haffe besonders zu jenen duftigen , mit creme Spigen geErstaunen , wenn man sicht, mit welcher Genauigkeit, ihm sich einten Sommertoiletten Genre Directoire , die in Duten3u Murets englischem Texikon. selber unbewußt , ein vollendeter Meister der Natur nach den von Exemplaren ausgestellt sind , bald mit blauen, ung (Professor G. heidtsche andl Die heidt Lang)ensc bald mit roten oder grünen Echarpes aus duftigem Krepp, t nun mehr endl ich im Bearbeitet." gensc in Berlin Berl stehagsh ene te Dame Mode in der Pariser Welt - zu denen dann auch Hut und Schirm ung e onn t endeen Matt beg und jetz en denengroß im Manu . en ete iffe , das lang erwart , bereits vorskri zwanptzigvoll Jahr Sehr reich und gut ist die Ausstell paſſvonmüſſ Brofeſſor Dr. Muret nach dem Vorbilde von Sachs . Spitzenmanufakturen beschidt . Man sieht Kennerinnen dieser Kunstschäße wie traumverloren vor den einzelnen ausstellung . stehen . George Martin (Compagnie des Indes Zum großen Weltturnier , das Industrie und Kunst Vitrinen s ) hat einen Brautschleier in Points d'aiguilles aus. jetzt auf dem Marsfelde ausfechten , hat sich auch eine Parillt, ein Magnet der Ausstellung geworden . Zeich der itt geste e schr tühn , dem Fort huldigende Streiterin eingefun- nung wie Ausführung sind von seltener Schönheit . Die it he finden wir auf Stuart- und Medicis Kragen , Arbe gleic e e igen den, Dam Mod ; kund Blicks überfliegt sie all das, auf Fichus und Plastrons wieder, wie sie jetzt als unent uck jedes guten Seidenkleides gelten. was ihr ihre Getreuen aus behrlicher Schmische Moden liebt , dürfte an den in Fulle Wer prakt Ost und West , aus Nord n llte , aus undurchdringlichem Kautichud gefertigten und Süd , aus den afrika. ausgeste n en, die, vollständig geruchlos , eine llen tel find Gefa Män nien hen nisc Kolo und aus ithon u. Gie. find. Amerikas fernen Kultur. Spezialität des Pariser Hauses Gorreide m er ten gesendet . Alles zeugt Wed in For noch Farbe untersch en sie sich von den staa E Façons der großen Konfektionär , obgleich sie zu von Geschmack und Kunst beiten D gen Preisen in den Handel gebracht werden und scheint des Interesses erstaunlich billi B Pariser Hutindustriellen verstehen sich auf Die io Mill wiirdig , das die t cher nen Ausstellungsbesu all hüten , aber auch aufs Preise machen . Solch t i den Erzeugnissen entgegen. hine Fig. 5. Reiselaffeemasc .
Die Ernte zur See . — 1147auf dieMaschine und dreht dieselbe um, so daß das Glas badurch nach unten und der Maschinenkörper nach oben tomint; es läuft nun das Wasser durch das Kaffeepulver in das Glas hinein und der Kaffee ist fertig. ten Bezugsquelle fürsämtliche fünf Saisonneuhei : Karl er hirsch & Comp., Berlin W., Leipziger Str. 114 (früh ipiger Str. 2), Etablissement für Kücheneinrichtung .
Dame Mode in der Pariser Weltausstellung. 115111501152 großes, aus Streublümchen zusammengesettes Hütchen | Louis quinze , Louis seize, dann wieder eins im sehr stolzen Dame Mode nicht sagen; sie leitet uns nes wird nicht selten mit 100 und mehr Frant bezahit und Phantasiestil , dann Möbel für Villen und Landhäuser nach dem Pavillon des beaux arts, jeigt uns da bie lächelnd gibt es die Pariserin, denn, wenn der Hut fleidet, aus weißem Holz, mit Gold bronziert, geschnitte Eben Porträts schöner Frauen, deren reiche Toiletten in Sam so ist kein Preis zu hoch. Und sie tleiden vortrefflich, holz. und Rußbaummöbel nach Abbildungen aus den Seide und kostbaren Moireestoffen einen Modezeichner in Diese kleinen , ovalen, mit Blumen umrandeten Pariser verschiedenen Museen, hygieinische Möbel,solche im Renais Entzücken verjeten tönnen , dann noch ein Blick in die Toques wie die handgroßen Capotes , die Jules Ferry sancestil , vergoldete und ladierte neben fostbaren Boule Wäscheabteilung, in der die Schäßeder berühmten maisons bezeichnend ein Gedicht aus Tüll und Spitzen nannte. möbeln, die als chefs d'oeuvre der Tapeziere gelten. de blanc ausgestellt sind, ein Besuchbei den Juwelieren, Der eigentliche Modehut der Saison ist der aus Stroh hohe Baldachine, Ertergarnituren, Portieren aus persischen den wir, geblendet von all dem Glanz, turz abthunwollen spiken gefertigte Rundhut, den alt und jung trägt. und lyoner Stoffen fesseln im folgenden Saale unsere doch nein, da feffelt ein Rohinoor, der ein wahres Streb Alt? Wer will auch in Paris alt sein? Ist die Figur Aufmerksamkeit; ganz eigenartig schön ist die Möbel lenfeuer von sich gibt, unsere Aufmerksamkeit. Ge. Habet nicht mehr elastisch genug, so trägt man faltenreiche Ge- ausstellung der Bon marché; die foftbarsten Stüde, die heißt , wie man uns erzählt, Impérial" , wiegt 200 wandungen, ist der Teint nicht mehr frisch, so nimmt in dem den ganzen II. Stod dieses Welthauses füllenden Karat , mißt 40 Millimeter im Durchmesser und ift er heute von Kap hier man seine Zu angelangt flucht zurMalerei. alsbald ,in die Runzeln werHände des ameri den überdeckt, ge tanischen Gifenfaltete Stirnen gebahnfönigs übe glättet, die Haare zugehen, der ihn gefärbt, die Au tou seiner Braut als genbrauen ums chiert Hochzeits n geschent verehren Himmelswille will. Der Stein alt nur nicht ift auf 12 Mil fein ! und ju lionen Frant gr gendfrisch und an. mutig wie die schätzt worden. Ob wohl folde Pariserin selbst ist Steine dereinst auch ihre Klei Mode werden?" dung. Sie trägt fragte ich meine furze Kleider, um eine elegante Führerin, Wahr fcheinlich! fapte Chauffure, fie überlegen lö schleierlose Hüte, chelnd und mids um einen frischen nach dem gegen Teint, ungar überliegenden nierte Kleider, um Pavillon derDis ihren elastischen Gang zur Gelmantschleifer Iri tend, wiee fieauf tung zu bringen. einen großen, Unser Blid streift gleich glänzenden die Unzahl der Stein hin, der be Frauen und Mädchen, die da stimmt ist, als Schließe an einem in den Fahrstüh Mantel der Groß Ien, auf den fürstin Blabimiz Maultieren die Säle durchwanverwendetju mer ben. Imite dern oder längs meinte fie, aber der Sikreihen wer es nicht weig Platz genommen, abut es nicht. alle sind einfach gekleidet, aber jede DieKunstschöng anders; nirgends fein und zu ge fallen besteht dar eine Spur jener Dukendtoiletten, rin. mit cinjadet die bei uns gar Mitteln große oft wie eine Art Wirkungen zu Uniform erschei zielen! nen. Doch wir Ru war fie ve haben den Dome schwunden. Bo de Paris burchbin nun den wandert. Rechts Schritt richten ! von der Galerie Man erzählt un wird das Auge daß auch die jetzt durch eine außereuropäischen Reihe von PaStaaten Gecede villons gefesselt, Stickereien,Bij die uns zeigten, terien, Kleidung welche Fortschritte ftüde zc., bie von die moderne Goldder Mode ihre schmiedekunst ge Landes Zeugni macht. Inmitten geben, aufgeft daß namentli dieser Anhäufung tünstlerisch schön die Frauen Hin doftans , Chines stilisierter Gegen Japans Rabels stände zeichnet sich die Ausstellung malereien vonjele tener Schönb des Hauses Chri stofle durch be gesendet, daß sondere Pracht österreichische aus.DieServices, Hausindustriegut Büreau- und Toi vertreten, ein ganzer Baville lette Gegenstände sind aus massivem von funtvolen Silber gefertigt, nach alten m.t Edelsteinen stern gefertigten ausgelegt, intruStickereiensich an stiert, die Statuetentgegengesetin und Tafel ten Ende derSu aufsätze auf Tung befinte Sockel aus cijelier doch, Die Glode Die Ernte zur See (6. 1147). tem Silberstehend tönt und sei auch dem Glid - aus Elfenbein und geschliffenem Kristall gefertigt ; dem Schmuck des Hauses | Raum angesammelt waren, sind hier zu Schau gestellt, | lichen keine Stunde um 6 Uhr müssen die Galeri dienen gleichfalls die zu Büffettaufsätzen bestimmten Schalen Möbel in antifem, modernem Geschmack, solche mit versi geräumt werden , deshalb von all den Schönheiten, di und Schüsseln, die in altdeutschem Stil gehaltenen silbernen schen und altfranzösischen Bezügen , altdeutsche Erker wir heute nicht gebührend gewürdigt , ein anderes a Wanddekorationen , die aus reinem , wie nachgeahmtem stübchen und englische parlours , alles anmutend , neu und heute hinauf auf des Eiffelturms Höhen , am Silber gefertigten Jardinieren, die jetzt in jeder stilvollen und derart interessant , daß wir uns die Frage vorlegen: da aus den Blick über alles, was da freucht und frust Hauseinrichtung ein Modeartikel geworden sind. Wird es uns denn , nachdem wir all das geschaut, in schweifen zu laffen, der Tagestönigin letten Gruj Wie wir unser Heim nach allen Regeln der Kunst unserem eigenen Heim, in dem wir vielleicht seit einem empfangen, die keusche Luna zu begrüßen und dann, zu schmüden haben und wer wüßte nicht, welch großes Jahrzehnt nichts Neues geschafft , noch gefallen?" Doch der Sterne goldenes Heer amFirmamente aufgezogenundbie Wort die Mode heute in der Wohnungseinrichtung mit wohl die Poesie des Hauses ist ja glüdlicherweise weder Strahlenfeuer von des Trocaderos Höhen sich im Gla spricht ! zeigt uns der Saal der Architektur und der von Prachttoiletten noch von modernen Dekorationen ab der springenden Fontänen spiegeln, die Prachtbauten un Dekorationen. Welch eine Auswahl von geschnitten goti hängig ; nicht selten wird sie sogar durch das , was all Marmorgruppen im magischen Licht der Feuertünke schen, altdeutschen , altslandrischen , englischen Möbeln ! zu modern ist, getrübt. Doch das dürfen wir unserer glänzen, aus vollster Ueberzeugung ausrufenJdzua Berb founer Da ein Speisezimmer im Barodstil, ein anderes Genre freundlichen Führerin , der auf ihre Ausstellungserfolge Königin, das Leben ist dochschön !"
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Verantwortlicher Herausgeber: W. Spemann in Stuttgart. Redakteur: Joseph Kürschner ebenda. Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Nachdruck, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgt. Uebersetzungsrecht vorbehalten.
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R. S. i. B. Sie sind der guten Vorboll,wenn es Ihnen Ernst ist um das, Sie uns schreiben: Von dem Wunsche t, mir eine derartige Lebensstelle zu n, durch der (jolche Verwechselungen der die tragen nicht besonders zur Befesti der Lebensstellung bei !) ich mich und Meinigen erhalte, und nebstbei Nahmen haben doch nichts dagegen, daß wir en in der Regel ohne h schreiben ?) und erringe, habe ich schon einiges auf Gebiete der Dichtkunst gemacht (sehen mal an), und wie mir Bekannte und Sachverständige bezeugten, mit gutem Ige (wenn Sie's selbst sagen, muß es ahr sein). Anfangs befaßte ich mich mit fleineren rischen Novellen, die mir ganz gut von en gingen (Bene denswerter !), schrieb er größere Erzählungen, Beschreibun Stigen, und machte schließlich den ch, mir auch die Lyrit und Epif an nen (Vielseitigkeit also offenbar 3hr Mein erster Versuch ist mir ziemlich gen (Selbstbewußtsein ziert den Meister). oll mir durch Fleiß , durch Studium ebens in allen feinen Schichten , durch studieren der Natur sehr bald gemeine Kenntnisse zu erweitern , die fedenen Gedanken in ihrer Wahrheit Erhabenheit aufzufassen , um damit Schöne und Vortreffliche zu ver bigen . Belen wir uns diese Verjinnbildigun einmal etwas näher an. Da läutet ten Gedicht Glöcklein tief und sinnig Ju der Messe Silberhell. eute gehn zufrieden heute In die Kirche voll Moral (!) Ind die Orgel ganz erhaben Lonet leise im Choral. Blödlein läutet feelig, freudig, dem schönsten Tag im Leben, u der Trauung, vollen Tones. Hiele Menschen folgen feelig. inter her das Mütterlein, das Intlik froh, die Haare schneeig. (Selig und schneeig ... o web!) ödlein läutet schmerzvoll, schaurig, Mutet zu dem letzten Gange. Stumm und traurig folgt die Menge. Boll Ergebnis, voll Bertrauen, Senft die Blide auf die Erde, dheut jogar die Welt zu schauen. Boststempel Mies . Ueber das Wert tau vermögen wir uns an dieser Stelle ju augern. Wir raten Ihnen auch, Eie glauben in der Lage zu sein, ärata hilfe brauchen zu müssen, sich nicht mit tire folcher Bücher aufzuhalten, son jofort einem tüchtigen Arzt sich anzu me n.
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Weltpoft. N. M. Wir geben Ihrem Wunsche gern Folge und bruden nachstehend Jhren lesens werten Brief ab, wozu uns der Verfasser des fraglichen Artikels , dem wir Ihre Zuschrift vorlegten , jogar ermuntert! Geehrter Herr Redakteur! Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur, zu dem Auffate . Ein Wint zugunsten der Ornithologie im April hefte Ihrer geschätzten Zeitschrift einige furje Bemerkungen. Was zuerst die Empfehlung des Gräß. nerschen Werkes betrifft, so wird dieser wohl jeder Ornithologe mit Fug und Recht beistimmen können. Das Werk nimmt unter den vielen guten ornithologischen Büchern und Sammelwerken, die wir in Deutschland haben, eine hervorragende Stelle ein. Auch die Aufforderung in jenem Auffake an alle, infon derheit an die reifere, männliche Jugend Deutschlands, die Ornithologie fortan mehr zu pflegen, als es bisher geschehen, muß jeden Liebhaber der einheimischen Vogelwelt erfreuen. Es tann hier noch sehr viel ge schehen, besonders auf Gymnaften. Darauf hingewiesen zu haben, dafür gebührt dem Verfasser dieses Aufsatzes herzlichster Dank. keineswegs aber sind zu billigen die Mittel und Wege, die hier zur Förderung in jenem Fache angegeben werden. Wenn es in dem Auffage heißt : Um Eier zu sam meln, Vögel zu fangen für das Ausstopfenzc., muß der Knabe hinaus!" so ist wohl zu bedenken, daß unser jeziges Vogelschutzgeset mit Fug und Recht strenger ist als die früheren. Vom Fangen der Vögel, Sam meln der Eier derselben durch Unbefugte fann heute teine Rede mehr sein. Und ab gesehen davon, gibt's noch andre Gründe, die gerade das hier so angepriesene Eiersammeln verwerflich machen. Einer unfrer tüchtigsten Ornithologen und bewährter Mitarbeiter diefer Zeitschrift, Dr. Karl Ruß. spricht selbst in seinem Buche In der freien Natur" seine Mißbilligung über Sammlungen von Vogeleiern durch Laien aus. Nicht nur, daß so durch bloge , thörichte Sammelwut un nötig viel Vogelleben vernichtet werden, haben gerade mehrere unserer einheimischen Vogelarten die Gewohnheit, ihr Nest, sobald es je mand angerührt, für immer zu verlassen: durchRauben eines Eis gehen also auch die übrigen verloren ein ganz bedeutender Schaden für den Haushalt der Natur. Laffe also jeder, der unsre einheimische Vogelwelt fennen lernen will, von den hier angegebenen Mitteln. Gehört ja zum Stu dium derselben vielmehr nur ein offen Auge und Ohr, ein wenig musikalisch Gehör, Luft und Liebe zum Wandern und Belesenheit in einem der ornithologischen Voltsbücher, besonders Kenntnis des Flügeltleides der ein heimischen Vogelarten. Verfasser dieses weiß aus eigener Erfahrung zu bestätigen, daß es auf diese Weise ohne jede andre Leitung und ohne einem Bogel irgend welches Leid zuzufügen, jedem deutschen knaben, wenn er nur Luft hat, möglich ist , die deutsche Vogelfauna tennen zu lernen. Das Sammeln etc. bleibe denen, die wissenschaftlich die Orni thologie betreiben. Für die Jugend und den Laien genüge es, in Feld und Wald umher. zuschweifen, den verschiedenen Stimmen der Vögel zu lauschen und sie sich einzuprägen.. So werden sie Lust und Liebe für die Vogelwelt empfangen, damit auch Anregung, das Wohlleben der Vögel soweit wie möglich zu fördern, im Sommer durch Aufhängen von Nistkästchen für die nüklichen Meisenarten, imWinter durch geeignetes Futterstreuen 2c.; und jedem, der so die Ornithologie treiben will, dem ruft Schreiber dieses seine besten Wünsche zu. N. M. Mitglied eines großen deutschen ornithologischen Vereins, Abonnent dieser Zeitung ze. " B. M. in K. Eine Akademie für das Bauwesen besteht in Berlin , Bergwerks schulen und ähnliche Institute finden sich in Berlin, Breslau , Chemnitz, Magdeburg, Stuttgart 2c. Wie Sie sehen, haben Sie die Auswahl. A. B. Ihre Handschrift haben wir an die betreffende Stelle zur Beurteilung über sendet. Den Verfasser der Romane „ Die Ritter der Industrie 1858 ", „ Die Leute der Amtsstube 1889 , Die Herren vom Kleeblatt 1860", Das Geschlecht der Zukunft 1861 " und Die Männer vom Leder 1862" fönnen wir Ihnen leider nicht verraten, da er uns selbst unbekannt ist. Kennt ihn feiner unsrer Leser? Der Roman von Schnabel : Die Insel Felsenburg", dürfte sich für Sie am besten in der Bearbeitung von Lady Tied empfehlen, die Ihnen jeder Antiquar besorgt. Einen Teil des Originals finden Eie brigens als Anhang zu Bd. 37 von Er wu 39 Deutscher National-Litteratur " . unsrajnu Dioje mulcajun GL 11 23
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nd so mag denn die Zeit jener versunkenen Lust und begraben H gewähnten Leides noch einmal aus der Asche emporsteigen, die ch darüber zu breiten versucht und über mich dahinbrausen. Es gibt ja Erinne ungen, an denen die Menschenseele, gleichjam mit geschlossenen Augen , lange vor ubereilt , bis sich plötzlich einmal der Schatten jener Ereignisse erhebt und keine Ruhe gibt , bis man ihm entschlossen in das Auge blickt . Sei es so!
Ich war zur Abreise gerüstet und sagte meinem Stiefvater lebewohl, doch wie gewöhnlich versuchte er, mich noch im leßten Augenblick zurückzuhalten. „ Bleibe doch wenigstens hier, bis diese thörichte Geschichte mit Richard vorüber it ! Ich weiß, daß es nur seine letzte Kinderkrankheit ist, aber niemand hat es so gut verstanden, ihn darin zu behandeln wie du. “ Sie wird auch, wie alle übrigen, gut vorübergehen," tröstete ich. !! Und wenn nicht?" „Dann lasse ihn heiraten ! " "!Heiraten? In seinem Alter!"
„ Jung gefreit, hat niemand gereut ! Er wäre dann ein für allemal gut unter gebracht!" Der sonst immer so sanfte und freundliche kleine Mann sprang heftig von seinem Stuhle auf, stellte sich vor mich hin und rief zornig : Gut ? Das nennst du gut , wenn einer seine Flamme in Hamburg kennen lernt? Hätte deine Mutter nicht darauf bestanden, ihn mitzunehmen, wäre uns die Geschichte erspart geblieben. Das ist doch teine passende Schwägerin für die Mädchen ! Bleibe doch da, um mir gegen die andern beizustehen!" Mit dem Versprechen, bald wieder zu kommen, riß ich mich endlich los . Ich schrieb nie von unterwegs , ein Maler kann sich nicht an eine bestimmte Reiseroute binden, und die Meinigen waren schon gewöhnt, daß ich eines Tages unerwartet wieder eintrat. Ich reiste zuerst nach Brügge. Die stille Stadt mit den dunklen Kanälen, den verlassenen Straßen , den großen, tillen Plägen , von mächtigen Bäumen beschattet, unter denen ernsthafte, kleine Kinder spielten, hielt mich fest. Die melan89. II.
cholischen Erinnerungen vergangener Größe | Sprunge rettete ich mich vor der heranließen mich nicht los. Träumerisch schlen- brausenden Woge und zurückblickend, sah derte ich unter den schattigen Kastanien ich aus der kleinen, viereckigen Luke einer umher und blieb dann auf einer der vielen Badekabine sanfte braune Augen auf mir Brücken stehen, welche über die dunklen ruhen , die feinen hellroten Lippen waren Kanäle führen. noch geöffnet, und das ſchwarze, glänzende Meine Arme auf die Steinbrüstung Haar siel aufgelöst auf die Schultern legend, blickte ich auf das Wasser hinab, sie war es. Das Bild, welches sich mir in dem sich die tief herabhängenden Zweige in Brügge aufgedrängt, beschäftigte mich eines prachtvollen Baumes spiegelten, der wieder - wenn ich doch ihre Züge firieren aus einem schmalen Garten zwischen hohen könnte! Es ward mir nicht schwer, ihre WohGiebelhäusern hervorsah. Die alten, spigen Häuser blickten ernst auf mich herab , als nung zu erfahren -— in der Rue des bons dächten auch sie der lang entschwundenen enfants, bei Madame Floquet. Ich machte Zeit ihrer Jugend und Pracht. Mir Madame Floquets Bekanntschaft. Während ich noch mit dieser würdigen schien, die Kanäle belebten sich mit reich beladenen Schiffen, die stolz und langsam und gesprächigen Frau redete , kam ihre näher famen ihre Eigentümer standen Hausbewohnerin die Treppe herab. Jch mit ihren hochmütigen , schönen Frauen trat auf sie zu , um ihr zuerst für jene und lieblichen , heranwachsenden Kindern Warnung am Strande zu danken , ihr auf den schmalen Terrassen und Balkonen dann zu sagen, daß ich sie schon einmal das Volk rief und jubelte — der vorgesehen, aber als ich vor ihr ſtand, übernehme, schlanke, fremde Kaufherr winkte raschte mich ihre Schönheit so , daß ich der schönen Jungfrau zu , welche sich sie nur betroffen anblickte und zur Seite aus dem Erker holdselig lächelnd zu ihm trat. Selbst das Bild, welches ich später niederneigte das schwarze , glänzende malte, freilich nicht mehr für jenen Zweck, Haar war mit einem schwarzen Spigen gibt nur unvollkommen den wunderliebtuche bedeckt, anstatt mit Perlen umwun- lichen Ausdruck und die reizende Holdden oder mit dem gestickten Häubchen ge- seligkeit ihres schönes Antliges wieder. krönt zu sein ihre sanften braunen Mit einem freundlichen Neigen ihres Augen blißten ihn aber plöglich unwillig schönen Kopfes ging sie lächelnd an mir und zürnend an zwischen den feinen vorüber und draußen auf der Straße auf einen stattlichen Herrn zu , mit dem sie Brauen zeigte sich eine kleine Falte Wie ein körperlicher Schreck durchzuckte langsam dem Strande zuſchlenderte. War er ihr Gatte? es mich, sie öffnete plötzlich die blaßroten In der Rue des bons enfants waren Lippen und sagte etwas. Mein Traum verstog und damit das die schönsten Delfter Schüsseln zu sehen, Bild, welches sich in mir aufbaute. Vor natürlich ging ich gegen Abend hindurch mir stand eine Dame, der ich unverwandt und blieb vor jedem Hauſe ſtehen. Plötzin das Antlig ſtarrte, ihr den schmalen lich ertönte Gesang. Aus den offenen | Weg vollständig versperrend. Als ich zur Fenstern der ersten Etage von Madame | Seite trat, rauschte sie an mir vorüber und Floquets Haus erklang eine herrliche Altverschwand zwischen den hohen , schmalen stimme, die mit wundervollem Ausdrucke Häusern. Als es mir einfiel, ihr nachzu eines jener leidenschaftlichen polnischen Liegehen, war es zu spät, und obgleich ich der sang, die gerade damals ziemlich_benoch mehrere Tage in Brügge blieb, sah kannt waren. Ich blieb stehen und lauſchte, da brach die Sängerin mit einem schrillen ich sie nicht wieder. Es war eine Woche später, und ich Akkorde in der Begleitung ab, eine Männersaß am Strande von Blankenberghe, da stimme rief einige barsche, heftige Worte, und mals anfangs der sechziger Jahre noch das Fenster wurde zugeschlagen . Vielleicht ein unbedeutendes, kleines Seebad. Ich war mein Stehenbleiben und Hinaufblicken malte Wellenstudien und war so versunken die Ursache — vielleicht war Eifersucht der in meine Beschäftigung, daß ich gar nicht | Grund - - nun, man konnte ebensogut bemerkte, wie die Flut näher und näher zuhören, ohne stehen zu bleiben. Der Gekam. Plöhlich wankte mein Stuhl unter fang ertönte regelmäßig jeden Abend, und mir, und zugleich erscholl ein Warnungs- ich ging regelmäßig jeden Abend in der ruf in meiner Nähe. Mit einem kühnen Rue des bons enfants spazieren. 49
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Aus den Papieren meines Oheims. -1157-
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Ich malte viel am Strande, und faſt | klein, " versetzte sie, mich besorgt und ge- | schämte mich vor ihrem bekümmert Blick und fühlte, ich sei ein erbärmlic täglich ging die schöne Unbekannte mehrere spannt ansehend. mal an mir vorüber , ja , ich bildete mir „Also Brustbild! Gerade so würde sich Stümper. Mit Thränen in den Augen fahi zulegt ein, sie suche nach mir, wie meine Ihr Kopf sehr gut machen. “ Ich hob rasch die Lampe auf und ließ einen Augenblick zu Boden, dann leuchte Augen immer wieder umher schweiften, bis sie die schlanke, in tiefe Trauer ge- den Schein voll auf sie fallen . Sie hatte ihr Gesicht plöglich auf, und mit eind fleidete Gestalt endlich entdeckt hatten. den schwarzen Schleier zurückgeschlagen, strahlenden Lächeln rief sie, zugleich i Einigemal näherte sie sich mir so ent der nun seitwärts herabhing , indes ein Hände zusammenschlagend: Ich weiß, wie wir es machen könne · schieden, daß ich glaubte, sie würde mich Ende mit seiner Spize gerade über der anreden ; sie sah sich nach allen Seiten um, Stirn lag . Mein Blick hing entzückt an Wir essen im Hotel d'Hondt , gehen Si kam schnell auf mich zu, ein freundliches, den schönen Linien des Antliges, auf dem bitte, auch hin, seßen Sie sich uns gear:: beinahe etwas verlegenes Lächeln umspielte eine leise Wehmut wie ein Schatten aus über , studieren Sie Papas Gesicht aber dann blickte gebreitet lag. ihre hellroten Lippen dann malen Sie ihn hernach zu Haus, , nein , nicht von mir ! " rief sie lange die Erinnerung noch frisch ist." sie plöglich gleichgültig über mich hinweg Sie sah mich an, wurde plötzlich dunk.l und ging vorüber, dem Herrn zu, mit dem haſtig und abwehrend. „ Es soll nur für rot und stammelte haſtig : ich sie zuerst in der Rue des bons enfants mich sein. “ ,,Nein, nein! Verzeihen und vergeten Ich stellte die Lampe mit einer gegesehen. War das wirklich nur Einbildung? murmelten Entschuldigung wieder hin und Sie meine thörichten Worte, ich rede wie ein unbedachtes Kind. Ich sehe, es gab Die Frage beschäftigte mich , die schöne wendete mich sehr enttäuscht ab. Fremde fing an, mich zu interessieren. " Ich besige kein einziges Bild von nicht ; Sie haben recht , wir müſſen es auf Es war eines Abends , die Fenster meinem Vater, " sagte sie schnell. „Wenn geben. Es thut mir aber so leid, so jur: meines Stübchens standen weit offen, um er mir entriſſen würde --- o, wie würde | leid!" Sie führte ein schwarz gerändertes der weichen, wohlthuenden Luft den Ein- | ich mich danach sehnen ! Sie haben meian ihre Augen. Taschentuch “ sehen. gehen mir mit oft ja Vater nen des Rauſchen Das . gang zu erleichtern Trauerte fie um ihre Mutter? V Meeres tönte aus der Ferne herüber, sonst Ihre Stimme zitterte bei der Vorſtellung, leicht war dieselbe erst kürzlich gestorbr war alles still. Da pochte es an meine ihn verlieren zu können. Ihren Vater ! Nun , das war das und die lebhafte Erinnerung dieses VerThür, und auf meinen Ruf traten schnell lustes trieb sie dazu , sich unter jeder Bzwei Frauen ein , die Thür hinter sich Nächstbeste ! schließend. Lassen Sie, bitte, das Geschäftliche, " dingung ein Bild ihres Vaters zu r Ich bedurfte nur eines Blickes , um verschte ich. „ Eine so ausdrucksvolle Phy- schaffen. Die stete Angst vor einem d zu wissen, wen ich vor mir hatte, trop fiognomie zu malen, wie die Ihres Herrn lichen Unglück hatte auch wohl ihrer Liehe dem das Antlitz der Vordern mit einem Vaters, dessen schöner, intereſſanter Kopf zu ihrem Vater diese leidenschaftliche B. dichten schwarzen Schleier verhüllt war . mir gleich aufgefallen , macht so viel ehrung beigemischt, mit der sie an ihm Meine erste Empfindung war grenzenloses weniger Mühe , als die zarten , natur- hängen schien. Ich deutete ähnliches mit einigen : Erstaunen , dann hätte ich mich freuen gemäß noch halb unentwickelten Züge - ten an, in dem Wunsche ihr zu zeigen, i mögen , aber ein Mißtrauen , dessen ich eines jugendlichen Frauenantliges, daß " werde von mir verſtanden. mich im Entstehen schämte, verwehrte es daß „Ja, ich traure mit meiner Kleidung " mir. Ich bot den Damen Stühle an und Ich stockte, mit meiner Logik in Konantwortete sie langsam, mit der Hand ük fragte nach ihren Befehlen , indem ich so flikt geratend. auszusehen versuchte , als ob es das Na„ Wirklich? O, das freut mich ! " ant- den schwarzen Stoff ſtreichend, indes ich ma türlichste auf der Welt sei, wenn Damen wortete sie, und ihr Ausdruck wurde plöt- Erstaunen und Intereſſe einen neuen, be um diese Tageszeit Besuche bei mir ab lich so kindlich froh und glücklich, daß sie ben, fast strengen Zug auf ihrem Antl statten. mir um vieles näher zu rücken schien. erscheinen sah. Doch mein Herz ist w Aber sie verschmähten jede Entschuldi „Wenn wird Ihr Herr Vater mir ſigen trauriger , als mein Kleid es verrate kann, aber ich kann nicht darüber sprede gung ihres Erscheinens in meinem Zim können?" fragte ich. - bitte , vermeiden Sie auch jet mer zu dieser ungewöhnlichen Stunde. Sie schüttelte den Kopf und ſagte mit und Andeutung darüber gegen meinen Bater, „Ich habe eine Bitte an Sie, mein einer Art Erſtaunen : Herr, " begann die Jüngere mit vornehmer ,,, nein! Sie müssen ihn aus dem sagen Sie nichts , was darauf hinsic Ruhe, " und ließ mich deshalb von meiner Kopf malen. Er würde sich nie dazu ent- könnte. " Mit einer anmutigen Bewegung ke Jungfer, die Ihre Wohnung erkundet, her schließen , es muß gemacht werden , ohne sie die Hände bittend zusammen. begleiten. Sie sind Maler, wenn ich nicht daß er es merkt. " irre?" Ich mag sie wohl ſehr überrascht an" Verzeihen Sie mir ," entgegnete Ich bejahte , gespannt in ihr Antlig gestarrt haben , denn sie fügte nach einer schnell, mit dem Gefühle, sehr indistra blickend. kurzen Pause mit unbeschreiblich betrübtem gewesen zu sein, aber in dem Falle „ Ich wünsche ein Bild von Ihnen zu Tone hinzu : „ Das geht wohl nicht? Und sollten Sie nicht lieber die Trauerkleidu haben, ein Porträt -- " ich hatte mich schon so sehr darauf gefreut ; | mit einer andern vertauschen ? Ich t „ Ich stehe Ihnen ganz zu Befehl, " o , bitte, versuchen Sie es doch !" mir zwar denken , daß man für entgegnete ich möglichst geschäftsmäßig. Mit einer rührenden Zutraulichkeit bot Mutter — “ "Ja, ja, für eine Mutter, eine b Das war ja die Erfüllung meines Wun- sie mir bittend ihre Hand. sches ! „Wann würden Sie wünſchen, daß „ Wenn Sie wüßten , wie lange ich geliebte Mutter! " fiel sie mir in das Wet ich damit anfinge?" diesen Wunsch schon mit mir herumtrage, indem sie aufstand und in leidenschaftlic Sie sah mich etwas verlegen an, er mich nach seiner Erfüllung sehne! O, denken Schmerze die Hände zusammenschlug . Sie nur, wenn ich mich von ihm trennen des große Thränen von ihren Wim rötete und sagte leise und stockend : „ Ich - ich möchte den Preis müßte und hätte kein Bild! Thun Sie fielen und wie Kristalltropfen auf mir den Gefallen , versuchen Sie es! " tiefen Schwarz ihres Kleides lag vorher wissen." Solange sie mich so flehend anblickte , !! Für eine Mutter , die wir selbst Sie war mit der Frage ganz in ihrem Rechte, aber ich fühlte mich dadurch sehr dachte ich, es müſſe gehen , wenn sie es unserm Herzblute nicht retten font peinlich berührt, als sei es etwas unge- wünschte, konnte es nicht unmöglich sein,, Mutter! Das Blut deiner ele aber als sie schwieg, kam mir die ruhige schreit höriges, und entgegnete unmutig : " icher , heftiger Druck von de Ein—plögl Ueberlegung wieder, mußte und ichWuns ihr „Das hängt ganz von der Größe des die der bisher unbeweglich geblieben Hand, zu ihre che , Unmög m lichk eit Bildes ab." „ Nur der Kopf, aber den nicht zu | willfahren , auseinander sehen. Aber ich älteren Jungfer , welche sie herbegleit
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licß sie verstummen. Mit einer plöglichen den Stuhl niedersank, den ihm der Kellner Selbstbeherrschung , die mich nach ihrer diensteifrig hinschob. Seine Tochter sah Aufwallung fast unheimlich berührte, bat mich mit freudig aufleuchtendem Blicke an, Sie sofort um Entschuldigung, daß sie sich sie glaubte offenbar , in meinem Hierſein babe hinreißen lassen, Dinge zu berühren, das Versprechen zu erhalten , ihre Bitte für die ich kein Interesse haben könne, doch noch zu erfüllen . Bei einer passenden Gelegenheit rich wünschte mir sehr kurz gute Nacht , bat wegen der späten Störung um Verzeihung tete ich einige höfliche Worte an ihn, die und ging fort. Ich half ihr noch die dunkle er frostig und ablehnend aufnahm ; ſie ſah Stiege hinunter und sah sie in der Rich mich ängstlich und bittend an - wie hätte tung nach der Rue des bons enfants ver- ich ihr darob zürnen können ? ichwinden. Gegen Ende der langen Mahlzeit , wähSo war mein Wunsch, die schöne Un rend welcher er schweigend und finster da bekannte aus Brügge kennen zu lernen, er gesessen, geriet ich mit einem andern Herrn fullt, aber wie viel Rätselhaftes umgab sie ! in ein Gespräch, und der Zufall fügte es, Noch nie hatte ich bei einem jungen Mäd- daß die Rede auf meine Heimat kam . Als ben eine solche Mischung von Sicherheit, ich mich wieder umwendete, begegnete ich Ruhe und zugleich heftiger Leidenschaft seinem Blicke , der mit einem eigentüm lichkeit und überraschender Kindlichkeit ge- lichen Ausdrucke, fragend, forschend und funden. Ein fortwährender Wechsel in doch unsicher auf mir lag. Er blickte nicht ihrem Wesen wie in ihrem Gesichtsaus wieder weg, sondern redete mich an und drucke. Ich konnte an nichts anderes die wußte eine lebhafte Unterhaltung anzuaanze Nacht durch denken. Bald sah ich spinnen, an deren Schluß er sich mir als das reizende Gesichtchen vor mir, mit dem Graf L .... vorstellte. Nach Tisch forfindlich frohen Lächeln , dann wie sie die derte er mich sogar auf, mit ihm und großen Augen so traurig emporſchlug , | seiner Tochter eine kleine Strandpromenade dann wieder in dem leidenschaftlichen zu machen. Schmerze alles um sich her vergessend, Deutlich, als sei es gestern geschehen, und immer schien mir jeder Ausdruck der steht mir jener Nachmittag noch vor Augen. schönste und der einzige, den ich für mein Kleine und große Kinder spielten in dem Bild gebrauchen könne. Denn malen mußte lockern Sande ; ich höre noch das Jauchzen ich sie, das stand bei mir fest ; es würde der Kleinen, wenn eine Welle sie bei ihrer mein bestes Bild werden, ich würde es Arbeit überraschte, sehe noch den Schreck ausstellen. Wolkenragende Luftschlösser über die heranbrausende Wassermenge, der bauten sich vor mir auf. sich in ungemessenen Jubel verwandelte, Vergebens hoffte ich , sie am nächsten sobald die anscheinende Gefahr überstanden Morgen zu sehen. Weder sie noch ihr war. Dazwischen liefen die Badefrauen Vater erschienen am Strande. Langsam herum, hingen die Tücher zum Trocknen ging ich durch die kleinen Nebengassen nach auf und unterhielten sich in ihrem vlämider Rue des bons enfants - vielleicht schen Dialekt, mit ihren lauten Stimmen fonnte ich ihr doch noch begegnen. das Brausen der Wogen überschreiend . Schon glaubte ich, das Glück sei mir Mir ist , als fühlte ich noch jetzt den günstig ihr Vater trat aus einer der lauen , weichen Wind , der uns das salzige engen Straßen, doch nicht in ihrer Be Meerwasser entgegenspritzte , während ich gleitung. Ein jüngerer Mann, mit einem der Unterhaltung des Grafen lauschte. Er Bollbarte und in sehr wenig gewählter sprach von allem möglichen und sprach gut Aleidung sprach eifrig mit ihm, und dicht und intereſſant, mein Blick hing an seinem vor mir bogen sie in eine jener gewöhn- Antlige, und ich sagte mir , daß es eine lichen kleinen Weinstuben ein, in denen Freude sein müsse , solche regelmäßige, hauptsächlich Matrosen und Fischer ver- schöne Züge zu malen. Mit dem Ent tehrten. Als ich an dem Fenster vorüber- | zücken eines Künſtlers weilten meine Augen qing und hineinblickte , hatte sich der bald auf ihm , bald auf seiner Tochter, und altere Herr so gesetzt, daß man ihn von einigemal verlor ich den Faden des Geder Straße aus nicht sehen konnte , wie sprächs über der Frage, ob es nicht möger sich auch vor dem Eintreten in das lich sei , den Grafen so zu malen , wie Haus scheu und vorsichtig umgesehen. seine Tochter es wünschte. Der andere hatte seinen Hut dicht über Aus solcher Zerstreutheit weckte mich die Augen gedrückt, aber sein Gesicht war auf einmal des Grafen Ton , mit dem mir aufgefallen, und ich hätte ihn überall er etwas lauter und schärfer als bisher wieder erkannt. Was konnte jener vor sagte, daß er sehr bedaure, meine Bekannt nehme stattliche Mann mit diesem zweifel- schaft erst heute gemacht zu haben, da er haft aussehenden Menschen zu thun haben ? sich viel Vergnügen von unserem Verkehre Shre Unterredung nahm sie beide sehr ein versprochen haben würde. Wäre sein Aufundschien, nach den heftigen Geſtikulationen enthalt nicht leider beendet, so würde unser beider zu schließen, ungemein aufregend. Zusammensein gewiß sehr genußreich für Dank einer vertraulichen Besprechung ihn gewesen sein. mit Madame d'Hondt saß ich mittags schon Ein spöttischer Bli zuckte bei diesen an der langen Tafel, als Vater und Tochter Worten aus seinen Augen , ich achtete eintraten. Gleichgültig blickte der schöne, aber nicht darauf, denn ein hastiger, fraſtattliche Mann über die ganze Gesellschaft gender Blick und ein unzweifelhaftes Erhin, seine düstern Augen streiften nur alle, schrecken seiner Tochter zeigten mir, daß the er mit äußerst hochmütiger Miene auf ihr diese Nachricht überraschend war.
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Ich sprach mein Bedauern aus und fragte, ob seine Kur schon beendet, seine Tochter dabei beobachtend, die ihn noch immer, wie um Antwort bittend, ansah. "Ich habe gar nicht gebadet ," ent= gegnete er mir sehr kurz und wendete sich dann zögernd , wie es mir schien, zu seiner Tochter. Eine plötzliche Nachricht, Vera, ist der Grund zu einer Abreise, die ich jezt selber gern verschöbe, " sagte er, mit einem Seitenblicke auf mich und fügte schnell einige polnische Worte hinzu, bei denen sie sich errötend abwendete . Als ich mich von ihnen verabschiedete, legte sie ihre Hände flüchtig mit einer bittenden Gebärde zusammen , ich schüttelte unmerklich den Kopf. Wie hätte ich ihre Bitte jetzt noch erfüllen können ! Aber es that mir sehr leid, der Kopf des Grafen wäre eine interessante Studie für mich gewesen, ich hätte ihn sehr gern gemalt. Ich hatte sie also nur kennen gelernt, um sie sofort wieder zu verlieren . Hing seine plögliche Abreise mit jenem widerwärtigen Menschen zusammen, den ich in der Weinstube mit ihm gesehen hatte? Wohin würden sie gehen ? ... Fragen und Vermutungen weitgehendster Art tauchten. in mir auf, ich erinnerte mich alles deſſen, was ich von Madame Floquet , Madame d'Hondt und aus der Kurliste über den Grafen erfahren es war so gut wie nichts . Man erfährt in Badeorten nur das, was die Menschen über sich selber sagen wollen, und der Graf hatte wenig oder nichts gesagt.... Aber ich konnte auf den Bahnhof gehen und unter dem Vorwande, ihnen lebewohl zu sagen, erfahren, wohin sie reisten... Die Eisenbahn war für jeden frei. . . Es dunkelte schon , als es an meine Thür pochte. Sollte sie noch einmal kommen ? Ich öffnete diesmal mit klopfendem Herzen vor mir stand der Graf. Mit einer verbindlichen Handbewegung fragte er, ob es erlaubt, mich noch so spät zu stören, und indem er mich genau musterte und auch die einfache Zimmereinrichtung seiner Beachtung unterzog, fuhr er ohne weitere Einleitung fort : " Meine Tochter Vera hat mir erst vorhin erzählt, welcher thörichte Wunſch ihren kleinen Kopf erfüllt . Sehen Sie, ich habe nur diese Tochter, und obgleich ich eine besondere Abneigung gegen mein eigenes Bild habe , so würde ich ihr doch jezt diesen Wunsch erfüllen , wenn ich nicht fort müßte. Sie sind natürlich zur Kur hier ? " „Nicht doch !" entgegnete ich rasch. „ Ich mache nur Studien , war auf der Reise. " Ich stockte , der Grund meines Hierbleibens war wohl für ihn einerlei. Mit zerstreutem Lächeln nickte er, als wisse er genug. Sie haben also noch keine festen Pläne?" „Nein, ich überlasse mich auf Reisen
immer dem Zufalle." Das ist für einen Künstler das Richtige. Kennen Sie Belgien schon?"
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„Ich war noch nie hier , meine Reisen | Tag meiner Ankunft vorher bekannt zu des Grafen kennen zu lernen , und ih: führten mich bisher -" geben, damit er mich in Lüttich abholen wie seine Tochter wiederzusehen. " Wie weit haben wir noch zu fahren?" Lassen Sie mich lieber gleich offen lassen könne. Ich besah die Karte mit sagen, weshalb ich komme, " unterbrach er, der großen Grafenkrone lange und wun- fragte ich und freute mich der Aussicht ohne auf meine Worte weiter zu achten. derte mich, wie das Schloß Les Ormonds auf die Fahrt in einem offenen Waach „Wollen Sie Veras Laune erfüllen , die sein würde, ob Vera dort auch jeden Abend durch das grüne Land. Es war eine Er aus ihrer übergroßen Zärtlichkeit für mich singen würde , ob ich mit ihr im Parke quickung nach der heißen, staubigen Eisenentspringt , und mein Bild malen , so spazieren gehen würde , vielleicht auf der bahnfahrt. machen Sie uns die Freude, uns zu be- Maas mit ihr in einem Boote umherHm ! Es kann spät werden, che wu suchen. Wir wohnen in der Nähe von fahren, ob ihre braunen Augen mich wie- ankommen, " entgegnete der Diener, ?? wenn Lüttich," er hielt inne und sah mich der so anblicken würden wie jenen Mittag es auch stromabwärts geht. " scharf und prüfend an, fuhr aber nach - ich schüttelte mich zurecht . Ich Thor ! Ich „Zu Schiff? " fragte ich erstaunt. Er nichte nur, mein Gepäck zählend. einer kurzen Pause ruhig fort : in einer ging hin, um den Grafen zu malen, nicht Ein breites ungeschicktes Boot nahı Umgebung , die Ihnen vielleicht noch um in Veras schöne Augen zu sehen. Ich manches künstlerische Motiv bieten dürfte. versuchte mir klar zu machen, daß wenig uns auf , von zwei Schiffern__geruder . Natürlich, daß ich das Opfer Ihrer Zeit stens acht Tage verstreichen müßten, ehe | Allerlei kleine Kisten und Körbe , weld . zu schäßen wissen werde und Sie er ich ihnen nachreisen dürfe ; aber als ich mir Vorräte zu enthalten schienen, wu suchen würde , mir danach Ihre Bedin mittags im Hotel d'Hondt einer dicken den meinem Gepäck beigeſellt, und dan:: gungen zu machen. " Troß seines hoch- Vlamländerin gegenüber saß, die Veras ging es fort. Niemals werde ich diese Fahrt ver mütigen Gesichtes konnte ich bei seinen Plaß eingenommen und mich ununterletzten Worten eine gewisse Spannung brochen in einem Kauderwelsch von Deutsch gessen, die mich nach Les Ormonds bracht. darin entdecken. und Französisch unterhielt , schienen mir dem Ziele meiner Sehnsucht. Es war Ich erwiderte zurückhaltend, daß ich sechs, ja fünf Tage genügend. ein sonniger, köstlicher Tag, und langia überall arbeiten müſſe, und wenn ich mich Als ich an Madame d'Hondt vorüber zog das Boot auf dem dunklen Waſſer als seinen Gast betrachten solle, dies für ging, sagte sie mit teilnehmendem Aus- dahin , in nichts von den Marktſchiff.n unterschieden, die in der Nähe der Start drucke leise zu mir : die ganze Zeit — " Gut , gut ! " sagte er rasch, augen,,Wie traurig , daß die schöne junge den Fluß belebten. Oft streckten gref scheinlich sehr erleichtert. „Wir werden Dame so rasch fort mußte! Ob man sie Bäume ihre breiten Zweige weit über das uns schon verständigen; ich denke, es wird nur je wieder sehen wird?" Wasser, und wir glitten in ihrem Schatten sich alles einrichten. Die Sache ist also Ich nichte nur, ihre Frage machte mir dahin, der blaue Himmel ganz von ihra abgemacht, nicht wahr? Wir werden ganz erst klar, mit welcher Ungeduld mich schon Blätterfülle verdeckt. Dann kam ich mir wie verzaubert vor, und meine ganze Fahr gewiß verschiedene Berührungspunkte fin- danach verlangte. den, und Vera wird sehr glücklich sein. Auch Madame Floquet versicherte mich, märchenhaft und phantastisch. Einigeme Es wird sich wohl alles arrangieren, wie daß Vera die liebenswürdigste , schönste packte mich der Gedanke , daß ich w wir wünschen. Wir reisen morgen mit Dame gewesen, die je bei ihr gewohnt. ein irrender Ritter auf Abenteuer aus tag, doch vielleicht sehen wir uns noch. Daß der Graf ihr nicht sehr sympathisch führe, und daß ich spurlos verschwinden Leben Sie wohl , bis wir Sie bei uns gewesen, und sie allerlei Bemerkungen über könne, ohne daß die Meinigen je davon ihn machte, nahm ich ihr nicht übel. begrüßen können! Adieu !" hören würden. Ein Blick auf die breiten, [ Mit diesen hervorgestoßenen , kurzen Wie langweilig schien mir der Strand! gutmütigen Gesichter der beiden Schiſſet , Worten berührte er flüchtig meine Hand Und wie laut und ungezogen die reizenden beruhigte mich aber immer wieder. Dem und war fort , ehe ich Zeit gefunden , Kinder, wie unerträglich die Badefrauen mit Diener traute ich nicht ganz, er näherte . etwas zu antworten. ihrem Geschrei. Ich mied den Strand und sich mir mehrmals in auffallender Weiſe War das Wirklichkeit, kein Erzeugnis suchte mir in den Dünen ein einsames und wollte eine Unterhaltung anfangen, meiner Phantasie? Ich hätte nicht so mit Fleckchen, um ungestört meinen Gedanken offenbar um mich auszuforschen. Mid Leib und Seele Maler sein müssen, wenn nachzuhängen. bei ihm nach seiner Herrschaft zu erkun mich die Aussicht, die mir winkte, nicht Verschiedentlich fiel mir jest jener digen fiel mir gar nicht ein; wie hat . unbeschreiblich gereizt und beglückt. Der zweifelhaft aussehende Mensch auf, den ich auch der Gräfin Namen gegen ihr Graf war ein selten schöner Mann, ihn ich mit dem Grafen in der Weinstube ge- über die Lippen bringen können ! Zuley zu malen, würde ein hoher Genuß für sehen, und wäre ich nicht so sehr in die wiegte mich die sanft schaukelnde Ber: mich sein. Und dann seine Tochter Skizzen vertieft gewesen, die ich noch von gung ein, ich träumte von Les Ormonds, zu sehen, zu sprechen , natürlich auch zu hier mitnehmen wollte, es hätte mir auf wo Vera als Hausfrau schaltete und malen ich würde sie in der Zwangs- fällig sein müssen , daß er mir überall waltete. losigkeit des häuslichen Lebens sehen begegnete, wohin ich auch meine Schritte Es dunkelte schon, als das Schiff ens mein Herz pochte aufgeregter, als eigent lenken mochte. Sein bärtiges Gesicht, mit lich anlegte, und ich konnte nur sehen, da durch diese Einladung gerechtfertigt schien. den scharfen, stechenden Augen war auch ein großes Gebäude am Ende einer Al Aber auch meine Neugier war gereizt, und das letzte, was ich von Blankenberghe sah, stand. Die Schiffer hoben das Gepäck w ich dachte mit Genugthuung daran, daß als ich endlich mit der Eiſenbahn fortfuhr der heraus, und der Diener forderte m ich nun alles erfahren würde, was man und mich noch einmal aus dem Fenster des auf, ihm zu folgen. Durch die verſchränkte gern von seinen Freunden weiß, und was Koupees legte. Zweige der hohen Bäume fiel nicht d Von der Fahrt weiß ich nur, daß es schwächste Lichtſtrahl mehr, und mir was mir bei dem Grafen noch völlig rätselhaft war. mir vorkam , als wäre ich gar nicht fern ganz unheimlich zu Mute. So hatte Daß ich den Grafen aber noch einmal vom Himmel ich sollte ja die schöne mir den Empfang als Gaſt auf ein schen mußte, verstand sich von selbst, ich Vera wiedersehen. In dem Gasthofe, den Grafenschlosse nicht gedacht ! Plötzlich stand ich allein, es wurd wußte ja nicht einmal, wohin ich einge ich dem Grafen bezeichnet, fand ich einen laden war. Aber wohin es auch sei, ich ältlichen Diener , der seinen Herrn ent- vor mir hell, ich blickte in ein erleuchtet würde hingehen, darüber war ich keinen schuldigte, nicht selber gekommen zu sein, Portal und auf einer Treppe, die in d Augenblick im Zweifel. und mich fragte , ob ich hier zu bleiben oberes Stockwerk führte , erschien Als ich am andern Morgen in das wünsche oder gleich weiterreisen wolle. Graf mit einem Lichte in der Hand. E Haus von Madame Floquet ging , kam Ich zog das letztere vor. Es hätten Samtrock mit Schnüren umschloß mir die Jungfer schon mit einer Karte Lüttichs Erinnerungen und Kunstschätze seine schlanke , schöne Figur , seine des Grafen entgegen , auf welcher seine jezt doch kein Intereſſe für mich gehabt? steckten in hohen Stiefeln und auf da genaue Adreſſe ſtand und die Bitte, den Ich brannte vor Ungeduld , das Schloß Kopfe trug er eine seltsame eckige Muz
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die er leicht zum Gruße lüftete. Er war | Lebhaftigkeit rasch über das Peinliche und zuckte er die Achseln und wünschte mir weder besonders zuvorkommend in seiner Eigentümliche dieses Empfanges hinweg, kurz gute Nacht. Begrüßung, noch hatte ich den Eindruck, nur eines blieb mir das unbestimmte Ich sah mich um. Die Decke des daß er sich über mein Kommen freue, ich Gefühl, als sei ihre Heiterkeit gekünſtelt, großen Zimmers war reich mit Stuck fühlte mich sofort wieder auf den frem und als ob sie ohne diesen Zwang sofort verziert , die Wände mit lebensgroßen desten Fuß durch seine kühle Höflichkeit wieder in die gedrückte Trauer zurück- Porträten geschmückt , sonst aber enthielt gestellt, den ich in meinen Gedanken und ſinken würde, aus der meine Ankunft sie die Stube nur das Allernotwendigste . UnTräumen allerdings weit überschritten . gerissen. willkürlich betastete ich die Wände, ob auch Mit kurzen Worten forderte er mich auf, Endlich erschien der Graf wieder, von keine verborgene Thür darin , und übernäher zu treten, stieß, vorausgehend, eine dem Diener begleitet , der Lampen trug zeugte mich, daß ich die Stubenthür von breite Doppelthür auf und bedeutete mich, und einen Tisch deckte, mit Speisen be innen zuriegeln fonnte. Ich fragte mich jetzt allen Ernstes , ob in das Zimmer zu gehen. sette und sodann feierlich meldete, es ſei Es war Hochsommer und tagsüber serviert. Auf ein Zeichen des Grafen bot ich nicht eine unverzeihliche Thorheit be sehr warm gewesen , troßdem brannte ich Vera den Arm, führte sie die wenigen gangen, mich mit diesen fremden Leuten hier ein helles Kaminfeuer, welches einen Schritte an den Tisch und fand dann so einzulassen. Was bedeutete der Mangel großen und ziemlich kahlen Raum sehr meinen Plaz neben ihr. Der Graf war an Dienstboten , diese mehr als einfache da tauchte Veras behaglich erscheinen ließ. Ich sah auf artig, aufmerksam und liebenswürdig ; kurz, Einrichtung? Was den ersten Blick die Erklärung für die der vollendetste Wirt, und Veras Unter- Antlig vor meinem innern Auge auf, ich Dunkelheit um das Schloß herum , denn haltung stockte keinen Augenblick. Ich bil- verbannte alle Fragen und Zweifel ; sie nicht nur waren alle Fenster mit festen dete mir sogar ein, sie wünsche ihren Vater war hier, ich würde sie malen, und das Läden verwahrt , es waren sogar noch zu verhindern , mit mir ein Gespräch an- allein war ja, was ich wollte, was gingen schwere Vorhänge darüber gezogen. Nicht zuknüpfen , und er seßte sich in seinen Stuhl mich ihre Einrichtungen an! Ich wollte auspacken, fand aber mein der geringste Lichtstrahl, nicht das leiseste zurück, lächelnd – wie man über die ThorGeräusch konnte verraten, daß das Schloß heit eines Kindes und deſſen vergebliche Ver- Gepäck nicht, es war vermutlich vergessen bewohnt sei. Die roten Flammen im suche , seinen Willen durchzusehen , lächeln und lag noch unten in der Halle . Mit Kamin züngelten über mächtigen Kohlen würde. Zuleht schien er es aufzugeben, der Kerze in der Hand stieg ich die Treppe blöcken hin und warfen unruhige Lichter seine Miene wurde düster, er kreuzte die hinab, um mich danach umzusehen, blies durch das Zimmer. Arme über der Brust und starrte unver aber durch eine ungeschickte Bewegung das „Vera, unser Gaſt! " rief der Graf in wandt über meinen Kopf hinweg in das Licht aus . Ehe ich meinen Weg in der den großen Raum hinein und ging selbst Leere. Nun sprach Vera ruhiger, und un- Finsternis wieder zurückfinden konnte, ſofort wieder zurück, um mit dem Diener merklich kam ich in das Erzählen , wozu ward unten eine Thür geöffnet, ein schmaler draußen zu sprechen. Blankenberghe und Brügge Stoff gaben Lichtstreifen fiel heraus, und ich erkannte Am äußersten Ende des Zimmers er und einen natürlichen Uebergang bildeten den Grafen, der davor stand . Er wendete hob sich eine Geſtalt aus einem Seſſel und zur Erwähnung meiner Reise. Ich sing sich eben um und sagte auf franzöſiſch kam aus dem Dunkel auf mich zu, im damit an , daß ich sie von meinem Gein das Zimmer hinein : Ich werde mich erst morgen beſtim= Näherkommen in den Bereich des Kamin- burtsorte D .... aus angetreten habe. Der Graf änderte weder seine Stellung, men, wenn ich von Sergei gehört habe. lichtes gelangend. Derselbe Schreck, den ich in Brügge noch bewegte sich eine Muskel seines Ge- Ist nichts zu befürchten, so will ich mich und dann in Blankenberghe empfunden, ſichts , und doch hätte ich schwören mögen, deiner Marotte fügen, doch nur, weil ich als ich sie so unvermutet vor mir gesehen, daß er plöglich gespannt zuhöre. meine eigenen Pläne dabei habe, die mir durchzuckte mich wieder, als sie nun auf Da stand Vera rasch auf und schob wichtig genug sind , um die Unbequemlichmich zutrat. Ein einfaches schwarzes Kleid | ihren Stuhl zurück, indem sie in einem keit einer solchen Gene zu übersehen. In mit weißen Streifen umschloß ihre graziöse, Tone , der keinen Widerspruch zuließ, wenig Wochen muß sich alles entschieden haben, und du kennst meinen Wunsch." schöne Figur, ihr dunkles Haar war in sagte : einen Knoten ziemlich hoch am Hinterkopfe " Sie müſſen müde sein. Wenn man „ O, ich kann dich nicht in Gefahr wissen beseitigt, so daß sich der reizende Hals frei den ganzen Tag unterwegs gewesen, be- und fern von dir bleiben, " hörte ich Vera und leicht aus der schmalen weißen Krause darf man der Ruhe. Schlafen Sie gut ! sagen. „ Lieber mit dir sterben, mein Vater ! " " Du weißt, ich lasse mir meine Pläne erhob. An der Seite im Gürtel hatte sie Morgen können wir besprechen, wann Sie ine dunkelrote Rose stecken, wie ein großer mit Papas Bild anfangen werden. Gute nicht stören , " entgegnete er rauh, ſette Blutstropfen. Ich erschraf bei dem Ge- Nacht ! " aber gleich darauf mit wunderbar weichem , anken und blickte rasch wieder in ihr liebSie legte ihren Arm in den ihres zärtlichem Tone hinzu : „ Trete mir nicht iches Antlig, deſſen Schönheit mir immer Vaters, der sich ebenfalls erhoben . Auf entgegen, Vera ! Du weißt ja, was davon vieder neu und überraschend war. Die ein Glockenzeichen erschien der Diener auf abhängt. Ich bitte dich darum, als einen Augen schienen mir größer, um den Mund der Schwelle, der Graf bot mir flüchtig Beweis deiner Liebe. " Während ich eilig die Treppe zurückitterte ein Zug des Schmerzes , der sich , seine Hand und wünschte, wohl zu schlafen. vährend ich sie ansah, verlor, um einem Ich war ganz einfach und ohne die ging, hörte ich noch einen schluchzenden eizenden Lächeln Platz zu machen. Mein geringsten Umstände entlassen . Die Art Laut Veras , dann warf ich meine ZimmerHerz klopfte , und es bemächtigte sich und Weise verdroß mich um so mehr, als thür heftig in das Schloß, stolperte, räusneiner eine Art Aufregung, als sie mir schon meine erste Bekanntschaft mit Vera perte mich, bis ich die Genugthuung hatte, eide Hände entgegenstreckte und leise mich auf einen ganz andern Fuß zu ihr den Grafen, den Diener und die mir von lüsterte : gestellt hat. Die Zornröte darüber stieg Blankenberghe her bekannte Zofe erscheinen. Enfin! " Gleich darauf setzte sie auf in meine Wangen , zugleich aber regte zu sehen. Nach einer geraumen Zeit erhielt eutſch hinzu : „ Ich erwartete Sie täg sich ein noch unklarer Verdacht in mir, ich endlich mein Gepäck, wobei mir die ch !" ob mir nicht eine Rolle hier zugeteilt 3ofe, der ich ein sehr unerwünschter EinIhr Blick ruhte einen Augenblick in sei , die nichts mit dem Porträt des dringling schien, mitteilte, die Herrschaften blieben bis Mittag für sich, ich möge es em meinen, dann zog sie einen Seſſel Grafen zu thun hatte. Unter diesen Gedanken stieg ich hinter ebenso machen. eran, machte mir ein Zeichen, mich zu Hätte mir nicht Veras Lächeln vorhr zu sehen und überhäufte mich mit dem Diener eine breite Treppe hinauf, Fragen nach Blankenberghe, Madame Flo- dann zündete er in einem Zimmer Kerzen geschwebt, mit dem sie mich empfangen, uet, den Bädern, den Wellen und tausend an und blieb einen Augenblick stehen, als ich wäre am liebsten gleich wieder abgereist. nderen Dingen. Lachend und sprechend ob er eine Frage von mir erwarte. Als Mir fiel alles ein, was ich in Blankenrachte sie mich durch ihre bezaubernde ich mich gleichgültig zur Seite wendete, berghe nachträglich über den Grafen gehört,
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was Madame Floquet angedeutet, und Schlößchen , vor welchem auf einem freien | viel besser werden, wenn das Modell ſpritl andere laut ausgesprochen aber konnte Plaze die Statue eines melancholisch auf antwortete sie, mit dem zierlichen, schmal. ich sein dortiges Auftreten geltend machen, | seiner Keule lehnenden Herkules stand. Die Fuße im Sande spielend. um meine plögliche Abreise von hier zu Wege waren mit Gras bewachsen, die Zeiten, mitkommen und dich unterhalten , lib begründen ? Und gab mir der kühle Em- wo Pferde und Equipagen sie belebten, Papa ! " pfanghinreichenden Grund, die eingegangene waren wohl längst vergangen, nur ihre „ Es dürfte doch kaum dem Zwecke er: Verpflichtung zu lösen ? Es war vielleicht Geister zeigten sich vielleicht noch in mond- sprechen, wenn du redetest, " entgegnete mit eigentümlich spöttischem Lächeln. eine Thorheit gewesen, herzukommen , es hellen Nächten. würde eine noch größere sein, fortzugehen, Langsam schlenderte ich einen der langen werde selber sprechen, ich gebe dir u ohne den Zweck meines Kommens erreicht Heckengänge entlang, da trat mir aus einem Wort darauf, und wir werden wohl at : zu haben, denn solche Studienköpfe würde Seitengange Vera entgegen. Ein kleines , gemeinschaftliche Interessen finden, um ich wohl nie wieder finden. Wie selten weißes Tuch um den Kopf geschlungen, Unterhaltung zu einer lebhaften zu mada wird es einem Maler zu teil , wirklich das Kleid aufgeschürzt gegen den Morgen sei deshalb unbesorgt. Ich weiß, du ti schöne Menschen zu malen, meiſt muß er tau, der noch in dicken Tropfen an den Briefe zu schreiben, deren Beförderung bea.. ein schönes Antlig aus verschiedenen andern Gräsern hing und auf den Blättern lag, notwendig ist, ich bitte dich dringend, li zusammenstellen ; hier brauchte ich nur zu so kam sie frisch und blühend zwischen den dich durch nichts davon abhalten." kopieren. Wieder beruhigte ich mich wie grünen Wänden daher. Sie bot mir die sah ihn mit einem flehenden Blide a schon vorher mit dem Gedanken, daß, was Hand, an der auch jezt der seine Hand- dem er erst auswich , dann führte er reiich hier wollte, durch des Grafen Manieren schuh nicht fehlte und fragte nach meiner ihre Hand an seine Lippen und sagte lei nicht berührt worden. Nachtruhe , indem sie mit einem tiefen ,, Sei mein tapferes Kind ! Gehorche wi bisher, es muß sein, und du erleider Der Schlaf blieb mir aber lange fern. Aufatmen hinzufügte : Ich bin so gern rechtzeitig draußen, mir meine Aufgabe jetzt und später. Die lebensgroßen Wandbilder schwankten Ohne zu antworten eilte sie dem Schlof, unheimlich in dem schwachen Kerzenschimmer wo es noch frisch und kühl iſt. Man holt hin und her; Mäuse raschelten spukhaft an sich Stärkung für den ganzen Tag ich zu , doch glaubte ich zu sehen, daß ſie ſi± den Wänden, und von Zeit zu Zeit knackte freue mich, daß Sie auch ſo denken. Finden die Augen trocknete. Wieder überfiel mit das Gefühl, daß ich einem mir unbekanntza das Holzwerk der Möbel laut und er Sie es hier denn hübſch ?" schreckend. Die Nacht schien endlos , ich Ich bejahte bereitwillig, dabei meine Zwecke hier dienen mußte, daß ich hatte vergessen, meine Uhr aufzuziehen und Vorliebe aussprechend für alles , was einem Werkzeug in der Hand des Grafen war ging endlich an das Fenster — auch hier Stillleben in der Natur wie bei den welches er gegen seine Tochter gebrauc Läden. Mit vieler Mühe öffnete ich sie Menschen ähnele. Er gab ihrer Bitte nach, dafür verlar:: und sah hinaus. Wogender Nebel, immer Sie sah mich überrascht an. er andere Opfer. Der Verdacht war ab „ Nur als Gegensatz, " sagte sie eifrig. zu unbestimmt, um nicht unter der pl aufs neue vom Fluſſe her aufsteigend, lag im ersten Morgengrauen vor mir und zog Immer ? Nein, das wäre lähmend, tötend ; lichen Liebenswürdigkeit, welche der Gr sich schwankend gegen das Schloß, jede auch Sie würden das nicht für immer jest zeigte, rasch zu verschwinden. Ter Aussicht versperrend. aushalten. Und erst bei den Menschen ! entbehrte seine Zuvorkommenheit der inne Die fühle Morgenluft durchschauerte Eine stets gleiche Ruhe, die durch nichts Wahrheit, ich fühlte das Erfünftelte bi mich, meine Eindrücke und Befürchtungen aus ihrer Fassung zu bringen ist, wirkt wieder durch . Es war ihm nicht möcht vom Abend erschienen mir auf einmal erschlaffend und entseßlich langweilig. Man die Maske lange festzuhalten, er zeigte || ebenso thöricht wie unhaltbar. Der Fluß- | will doch den Beweis, “ ſie blieb stehen und bald, daß er den unliebſamen Gaſt ſo rad nebel hatte mir wahrscheinlich etwas Fieber sah mich mit blizenden Augen an, daß als möglich los sein möchte und drängt angeblasen, in dem ich die einfachsten, | der Mensch nicht nur eine atmende Maſchine, auf eine peinliche Weise zum Anfange Ich vergaß sehr bald, daß ein gut natürlichsten Dinge durch die Brille einer sondern durch Empfindungen bewegt wird, aufgeregten Phantasie sah. War doch in die auf ein lebendiges Herz, eine fühlende Maler sein Modell unterhalten muß, ieinem Landhause eine gewisse Einfachheit | Seele schließen lassen. Sonst wäre es ja vertiefte mich vollſtändig in die schöne un ebenso erklärlich wie die Abwesenheit aller unerklärlich , daß Menschen für ihre Ideale fesselnde Aufgabe vor mir, da sagte de großstädtischen Einrichtungen , und wäre mit den Waffen in der Hand kämpfen, " Graf : „ Sie haben vielleicht schon gemert ich nicht durch den Reichtum meines Stief- der herbe Zug erschien wieder auf ihrem daß ich ein besonderes Intereſſe an vaters so sehr verwöhnt gewesen, ich hätte Antlige, " sonst hätte ja die Tyrannei leichtes Vaterstadt nehme , nicht wahr?" Ich blickte gespannt auf und bejahte hr. mir das gleich sagen müſſen. Reich war Spiel, und es gälte nur Sklaven zu Ein schneller Blig aus seinen Aus.. der Graf nicht, das hatte ich bei Veras Sie ſtockte, als ſie meinem Blicke begegnete, erstem Besuche gemerkt, und über seine verwirrte sich, wurde rot, und es kam mir belehrte mich, daß ihm meine Antwent Zuvorkommenheit hätte ich mir auch keine so vor, als ob sie sich plößlich bewußt nicht gefiel. würde, daß die oft gehörten und einge!! Sie sehen, ich kann mich nicht sa Illusionen zu machen brauchen . Ich legte mich wieder nieder. Als ich lernten Phrasen mir gegenüber so wenig stellen, " fuhr er mit gezwungenem Lad erwachte, schien die Sonne hell durch das am Playe seien wie überhaupt in unserer fort. " Es ist ein Unglück, wenn man d:.4 hohe Fenster. Ein Blick hinaus zeigte mir Konversation. „ Da kommt Papa, " sagte Herz immer auf der Zunge hat. den glitzernden Fluß mit ſeinen Windungen, fie mit einem erleichterten Aufatmen und Heimathängt auch für mich mit den tewri einen grünen Garten, dahinter Wiesen und deutete auf den Grafen, der sich vom Schlosse Kindheitserinnerungen , mit meiner Mutt. zusammen. Dieselbe hatte das Unglüd, w Felder, ein freundliches , anmutiges Bild, her näherte. "1 Sehr angenehm ! " begrüßte der Graf auf einer Reise, gerade dort, den Fuß von einer fernen Hügelfette duftig abgemich flüchtig. " Wir können wohl jetzt die verstauchen, was sie zwang, dort lica ſchloſſen. Rajch zog ich mich an , stieg leise die Zeit festjeßen für unsere gemeinschaftliche zu bleiben. Aber sie verdankte diesem Treppe hinab und schlüpfte durch eine kleine Arbeit wenn Sie ganz ausgeruht freiwilligen Aufenthalte einige sehr ang nehme Bekanntschaften und konnte nie genus ſind -?" Seitenpforte hinaus. Ich hatte nie viel Sinn für das Wilde Ich hielt es nicht der Mühe wert, auf die Güte und Zuoorkommenheit jener und Großartige in der Natur und blickte diese Redensart etwas zu erwidern, sondern milien rühmen, welche habe die Fremde gaſt men die Na entzückt auf die freundliche Landſchaft. Das bat, mir die Stunde zu bestimmen, ich sei aufnahmen. Ich t t e ei uf er e it rz d ch rd ra d ti ch mi , un es wü no . da bere un freu mi Schlößchen, im reinsten Rokokojtile erbaut, jede Ichh beurlaube dich bis Mittag, " sagte Ihnen zu erfahren, ob jene Fasilien neb lag hart am Ufer der Maas , von einem „Ic T schönen, leider sehr vernachlässigten Parke der Graf, nachdem alles festgesetzt , zu seiner dort leben. Die damaligen Titer n nd dabei gestande . Namen werden wie meine Mutte aber umgeben. Französische Heckengänge durch Tochter , die schweige n „ Der Ausdruck eines Bildes soll so schon hinübergegange sein , soll * schnitten ihn und vereinigten sich an dem
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1171 och einige von ihnen leben, so würde ich nen gern durch Sie einen Gruß zukommen hen. “ „ Sie selbst waren nie dort ?" fragte b. mit dem Gefühle, daß er mir eine nwahrheit erzähle, deren Zweck ich aber icht durchschauen konnte. !! Nein, noch nicht, aber es zieht mich lets hin. Einer oder der andere , den teine Mutter gekannt, lebt doch vielleicht och und doch Sie sind zu jung, um
hon zu wiſſen, was eine solche Erinnerung ur jemand inmeinem Alter zu bedeuten hat. " Mit einem sinnenden , weichen Ausrucke, der ihn wunderbar verschönte, blickte rempor. Das war also der einzige weiche wahre Punkt in seinem Charakter, enn dies Gefühl war Wahrheit, das fühlte ch. Diese Erinnerung mußte ich wecken, m den durch sie hervorgerufenen Ausdruck eines Gesichtes festzuhalten. Wollen Sie mir einige jener Namen ennen?" fragte ich emsig arbeitend. " Wenn ch auch nur die Kinder jener Generation enne, so weiß ich doch sicher durch Traition und Hörenſagen auch von den Eltern Bescheid." Ich hatte ihm schon allerlei erzählt , als Bera eintrat.
Ihr Vater runzelte die Stirn und fah ie finster an, ich hörte auf zu arbeiten, ie störte uns. „Es ist schon sehr spät, " sagte sie und ah aufmerksam von einem zum andern. Dann flüsterte sie ihm einige Worte in das Chr, von denen ich deutlich den Namen Sergei hörte. Sofort stand er auf, entchuldigte sich flüchtig und ging fort ; ich var allein mit Vera. Sie wollte das Bild sehen, ließ sich tber von mir bedeuten, daß das noch nicht nginge. Machen Sie es recht gut, wenn es uch lange dauert , " sagte sie leise und Dabei errötend. Eine heiße Blutwelle schoß in mein Heicht , ich antwortete einige verwirrte Worte, dann fiel mir ein, ich könne jest ie Bitte anbringen, die ich seit langem cheat. „Wollen Sie mir nicht auch einige Sigungen gönnen, um Ihr Bild' „ Nein, o nein ! " unterbrach sie mich aftig. Vergessen Sie, wie ich aussehe, ch bin ſicher, das würde Unglück nach sich iehen. Versprechen Sie mir , nichts davon egen meinen Vater zu erwähnen. " Sie og das schwarze Spitzentuch , welches ihre Schultern verhüllte, fester um sich, als ob te fröre, trohdem die Sonne heiß auf der andschaft lag, ihr Antlig wurde trübe nd ihre blaßroten Lippen zuckten . Ich sagte nicht, daß ich sie nie vereſſen könne, aber meine Augen hafteten eit auf ihr, und ich erwiderte nach einer Beile leise , daß ich sie auch ohne ihr Sissen malen könne, was sie nicht vertehen zu wollen schien. Es ist gleich unsere Essenszeit, " bendete sie eine lange Pause, deren Pein e wohl nicht empfand, die mir aber endos deuchte. nHaben Sie sich denn gut
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mit Papa unterhalten ?" Sie sah mich zuletzt wieder an das Ufer des Flusses nicht an, sondern spielte mit ihren Arm brachte. Wir setzten uns an den grünen bändern. Rain nieder, und unter dem leiſen Rauſchen "Ihr Herr Vater sprach lebhaft, und des sanft dahingleitenden Waſſers horchte es ist mir geglückt , einen sehr schönen ich Veras schöner Stimme, die halblaut Moment festzuhalten, " antwortete ich aus alte französische Balladen sang. Dann weichend. " Das ist für einen Maler sprachen wir von Politik, Religion, Vergangenheit und Zukunft, und Vera ging sehr wichtig." Sie nichte zufrieden. auf alles ein. Sie fühlte und sprach "! Werden Sie direkt von hier in Jhre leidenschaftlicher, als ich es von einem so jungen Weibe je gehört, aber ihre Aeuße Heimat zurückkehren ?“ Wir waren zusammen an das Fenster rungen voll glühender Begeisterung und getreten und sahen auf den glitzernden hinreißender Lebhaftigkeit übten einen unFluß hinab. beschreiblichen Zauber auf mich aus. Ich Ich weiß es noch nicht, " entgegnete hatte ihr von meinen Studien erzählt, von ich, durch diese Gefliſſentlichkeit, mir meine dem Bilde , welches sich mir im Geiſte Abreise wieder in das Gedächtnis zurück- dargestellt, als ich sie in Brügge gesehen „ Und da gehörte ich für Sie mit in zurufen, da ich doch kaum angekommen, verstimmt. " Mich zieht nichts nach Haus , das Bild ?" fragte sie, und ihre Augen ich bin auf der Suche nach Motiven und blisten mich an, als zürne sie mir darüber. kann ebenso gut nach Italien wie nach Ich bejahte und fügte hinzu, wie groß England oder Rußland gehen. Aegypten meine Freude gewesen, sie in Blankenberghe ist ja jest Mode, vielleicht reise ich dorthin. wieder zu finden. "/ Weil ich für Ihr Bild notwendig war," Vielleicht kehre ich auch jahrelang nicht zurück, es kommt ganz darauf an, ob mich unterbrach sie mich. „Denken Sie immer irgend etwas unterwegs fesselt, oder ob nur an Ihre Bilder, und wie Sie Menschen mich ein besonderer Anlaß in die Heimat und Dinge dazu verwenden können ?" hr Ton klang gereizt , sie stand auf und ging zurückruft. " „So frei zu sein, ist schön und beneidens rasch einige Schritte vorwärts . Ich bin Künstler, muß sich da nicht wert. Aber stehen Sie so allein ? " fragte sie. Ich bejahte ; ich verband mit ihrer alles auf meine Kunst beziehen ? Glauben Frage nur die Meinung, ob ich noch nicht Sie mir, es gibt manches , was der Kunst für mein Leben an ein Weib gebunden. wegen ertragen wird, aber auch dadurch Auch an ihren weißen Händen, die sie über leichter — “ Dann sind Sie glücklich, dann kann der schwarzen Spitze gekreuzt hatte, glänzte das Leben Ihnen nichts anhaben, " sagte noch kein Ring. Und die Welt ist so groß, wie viel sie schnell, wie um mich nicht weitersprechen Ich fürchte, Sie waren sehr können Sie noch sehen! Sind Sie schon zu lassen. böse auf mich , als ich heute früh hereinviel gereist ?" Ich wollte eben antworten, da sah ich kam und Papa abrief ; es war aber notein kleines Boot wie einen Pfeil auf wendig, ich konnte es nicht ändern .“ Ihr dem Fluß stromabwärts dahinſchießen und Ton war wieder weicher, und zugleich sah glaubte meinen Wirt darin zu erkennen, sie mich wie ein bittendes , reuevolles Kind der mit einem andern Herrn eifrig sprach. an, stieß aber plöglich gegen einen Stein, Vera folgte meinem Blicke, als ich keine schwankte und wäre gefallen, hätte ich ſie nicht aufgefangen. Sie ruhte an meinem Antwort gab und erbleichte. „Eine plögliche Nachricht muß ihn fort: Herzen, ich fühlte das ihre klopfen, mein gerufen haben, " sagte sie mit zitternden Blut wallte heiß empor. Ich drückte die Lippen. Sie werden bei Tische mit mir schlanke Geſtalt unwillkürlich fester an mich, vorlieb nehmen müssen." Damit ging mir schien, auch sie schmiege sich inniger an mich, doch plöglich machte sie sich frei sie fort. Sollte ich lachen oder sollte ich mich und ging rasch mit einem gepreßten Seufärgern ? Eine solche Rücksichtslosigkeit war zer weiter. Der Nebel stieg schon wieder wie eine mir noch nicht begegnet , meine Gastgeber glaubten offenbar, gegen einen reisenden weiße Wand empor, schweigend gingen wir Maler, wenn er auch zufällig ihr Gast, dem Schlosse zu. Im Parke ließ Vera dürften sie sich alles erlauben. Mein Ent ihre Handschuhe fallen, ich hob sie auf und schluß, meine Aufgabe möglichst zu be reichte sie ihr unsere Hände berührten schleunigen, wurde aber dadurch ganz fest. sich , ich umschloß ihre Finger und sie Unser Mittagessen war bald beendet. wehrte mir nicht. Erst nach einigen SeDer alte Diener ſchien seiner jungen Herrin kunden entzog sie mir sanft ihre Hand sehr zugethan, er nichte zufrieden, wenn und sagte leise : „Wir müssen hineingehen, ich ein Lächeln auf ihr Antlig gerufen es wird zu kühl. Nun ist der schöne, ruhige und billigte augenscheinlich unsern freund Tag zu Ende, aber er wird eine köstliche schaftlicheren Verkehr mehr, als die Zofe Erinnerung bleiben. Und morgen - morgen es gethan. Uebrigens waren keine andern wird Papa wieder zurück sein ! " Sie schwieg Dienstboten sichtbar, was mich, der an den einen Augenblick und fragte dann haſtig: großen Hausstand meines Stiefvaters ge- „ Wie viele Sizungen werden Sie für das Bild bedürfen?" wöhnt war, sehr erstaunte. Wollte sie mir zu verstehen geben, daß Gegen Abend ging ich in den Park hinunter, wo ich Vera traf, die mir einen ich vergessen, daß ich nur deshalb hier sei? „ Ich kann es noch nicht beſtimmen, doch sehr hübschen Wiesenweg zeigte, der uns
H. v. Schreibershofen. -1174werde ich so fleißig wie möglich malen," entgegnete ich kurz. Mit einem unterdrückten Seufzer und einem betrübten Blick ging ſie ſchweigend in das Schloß. "Ich werde Ihnen vorsingen, " sagte sie, als wir in das Zimmer traten, und setzte sich rasch an das Instrument, welches an der einen Wand stand. Es war alt und ausgespielt, aberunterihren Fingern quollen die Melodien voll und schön hervor, und ihre prachtvolle Stimme schallte in dem leeren, hohen Raume wie in einer Kirche. Ich wurde ruhiger, mein Aerger verflog, ich glaubte ihren betrübten Blick zu verstehen und kam mir thöricht, ja kindisch vor. Wie goldene Zauberfäden umwanden die herrlichen Töne meine Seele, ich hätte ewig so lauschen, ſo in ihr schönes Antlig schauen mögen, ohne Gedanken an die Zeit, an ein Ende dieses wundersamen , eigen tümlichen Zuſammenſeins, deſſen Reiz mich immer fester umspann und fesselte. Sie hatte eine altfranzösische Ballade gesungen, traurig und sehnsuchtsvoll, ihr Antlig hatte einen schwermütigen Ausdruck, und ich glaubte, sie noch nicht so schön gesehen zu haben . Meine Gedanken eilten zurück zu unserem Spaziergange, ich glaubte sie wieder an meinem Herzen, in meinen Armen zu fühlen, sie schmiegte sich wieder an mich, und mein Herz pochte wieder laut und ungeſtüm da ging sie plöglich mit wenigen raschen Akkorden in eine andere Melodie über und sang , mich voll anblickend, ein polnisches Lied. Ich verstand das Polnische nicht, aber ich war in einer Stimmung, die mich die Sprache der Töne lehrte, ich war keinen Augenblick im Zweifel über den Tert. Es war eine Klage um vergebliche Liebe, ein Flehen um Erhörung, um ein Ende solcher Pein. Eine plögliche Eifersucht packte mich. Wem konnten solche Klagen aus ihrem Munde gelten? Chne mich zu bedenken, rief ich aus : „Wem kann eine solche Klage, ein solcher Vorwurf von Ihren Lippen " !! Sie kennen und verstehen polnisch?" rief ſie in meine unbedachte Aeußerung hinein, rasch ihr erglühendes Antlig ab wendend. „ Das ahnte ich nicht ! " „ Ich verstehe kein Wort, aber Ihre Tönesind gute Dolmetscher, Gräfin ! Wissen Sie denn nicht, daß ich in Blankenberghe jeden Abend Ihrem Gesange lauschte ? Ich glaube , ich verstand den Inhalt Ihrer Lieder stets." Was könnte ich anderes singen, als die Klage um unser verlorenes Vaterland ?" versezte sie leise. „ , mein Polen ! " Ihr Blick streifte mich scheu und ängstlich. Sind Sie schon lange von Ihrem Vaterlande getrennt ? Ist Ihnen Belgien schon lange Heimat gewesen ?" fragte ich teilnehmend. Sie sah mich unruhig und mißtrauisch an und trat einen Schritt zurück. „Es ist unser schweres , beklagenswertes Los, unsere wahre Heimat nur aus der Ferne lieben zu dürfen, " antwortete sie kühl und zurückhaltend.
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" Verzeihen Sie meiner Teilnahme, wenn ich indiskret scheine , " versezte ich rasch. „Ich kann es Ihnen ja nachfühlen, wie sehr Sie unter dieſen Verhältniſſen leiden müſſen. " Sie reichte mir in plößlich aufwallender Bewegung beide Hände , indes Thränen in ihre Augen traten . "/ Ja, ich leide darunter ! O, wenn ich Ihnen sagen könnte, Sie fragen dürfte, Sie würden mich ob ich recht thue gewiß verstehen, mir raten und helfen " Vertrauen Sie mir ! Was kann ich für Sie thun ? Sagen Sie mir alles Vera!" Sie gab dem leisen Drucke meiner Hände nach und lehnte sich an meine Schulter; ein Blick, der mein Herz wild pochen ließ, senkte sich in den meinen. „Ich könnte ein grenzenloses Vertrauen zu Ihnen haben, " flüsterte sie mit innigem Tone. „ Sie sind gut, würden mich nicht falsch beurteilen " Sie wich rasch zurück, die Thür öffnete sich und der Diener trat mit einer Meldung herein, welche Vera hinausrief. Sie kam nicht zurück, ich mußte den Abend allein verbringen. Ich haßte den Mann, der uns gestört, denn ich war überzeugt, Vera war im Begriff gewesen, sich mir anzuvertrauen. Ich dachte die ganze Nacht über ihre Worte nach und suchte vergebens nach einer genügenden Erklärung. Dazwischen tauchte auch unser Gespräch am Flußufer wieder in mir auf, und ich vergegenwärtigte mir den Augenblick, wo ich Vera in meinen Armen gehalten. Ja, sie hatte Vertrauen zu mir, ich fühlte es, und sie stand mir seit den letten Stunden anders gegenüber. Warum, das machte ich mir nicht klar, ich wußte nur, daß wir uns plöglich um vieles näher getreten waren , und konnte kaum den Morgen erwarten, um sie wieder zu sehen. Vielleicht fand sich eine Stunde ungestörten Beiſammenseins, und sie sagte mir, woran der Diener sie gehindert. Aber andern Tages war der Graf wieder da und hatte einen Herrn mitgebracht, der zweifellos fein Genosse aus jener kleinen Weinstube war, trohdem er keinen Bart trug und sehr elegant gekleidet war. Ser gei Brcz ... widmete sich den ganzen Tag über ausschließlich Vera und schnitt mir jede Möglichkeit ab, sie allein zu sprechen. Sie sah mich einigemal wie um Entschuldigung bittend an, machte aber keinen Versuch, Sergei Brez zu vermeiden. Ich wurde das fatale Gefühl nicht los , daß er mich seiner besondern Beachtung würdigte, und so oft ich es versuchte, ein Gespräch mit Vera anzuknüpfen, ruhte sein ſtechender Blick unverwandt auf mir. Als ich gegen Abend über die Wieſen ging, sah ich ihn von weitem auf demselben Pfade herankommen, bis ich wieder dem Schlosse zuschritt. Von nun an erſchienen täglich andere Landsleute des Grafen, die häufig über Nacht blieben und Vera so in Anspruch nahmen, daß wir uns nur bei den gemein schaftlichen Mahlzeiten sahen. Das Schloß war der Tummelplaß einer Menge seltsamer
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Erscheinungen, die mich zu einer ande Zeit gewiß lebhaft intereſſiert hätten, jeż aber nur störten und beunruhigten. MA Vera konnte ich gar nicht mehr sprechen . die Sizungen, die der Graf mir nur acr als eine besondere Gunſt gewährte, wurde immer kürzer, und allen meinen Bemühung.. zum Troh blieb sein Gesicht finster und unfreundlich. Ich mußte ihm zuleßt den Ausdruck lassen, der ihm am natürlichsten zu sein schien . Die Gäste huldigten der jungen Schloßherrin auf eine übertriebene, mich oft tief verlegende Art, doch bedurfte es nur eines Blickes oder einiger Worte des Grafen. um die hochgehenden Wogen zu dämpica und jede ungebührliche Aeußerung zurüc zuweisen. Die Unterhaltung wurde abɛr nach und nach immer seltener für mich ver ständlich, man sprach faſt nur noch polnijć . nur Vera versuchte noch franzöſiſch zu ſprechen, was ihr vom Grafen, wie von der übrigen Bemerkungen zuzog, die ich wol mit Recht als durch mich veranlaßt en pfand. Von da an mied ich die Gesellschaft thunlichst und malte auf meinem Zimmer sehr eifrig, und versuchte darüber zu vergessen, in welch eigentümlicher Umgebura und unter welch sonderbaren Verhältniſer ich mich hier befand . Wenn ich dann aber Veras fragendem, vorwurfsvollem Blide begegnete, kam es mir wie ein Unrecht ver sie allein zu laſſen — denn, ſtand ſie mi nicht näher als jenen ? Die schroffen Gegensäge, welche sich in ihrem Wesen berührten traten immer schärfer hervor. Ihre mich beinahe unheimlich berührende Leidenschaft lichkeit rief bei ihren Gästen häufig einen begeisterten Beifallssturm hervor, bei dem sie mich plöglich scheu und errötend an blicken konnte, um dann entweder wie ein ängstliches , verlegenes Kind dazusies, oder mir mit zutraulichſter Offenheit eine Bemerkung zuzurufen, die allen beweisen mußte, daß uns ein geheimes Band ver knüpfte, welches sie nicht zu lösen wünſchte. Immer weniger konnte ich mich bei meiner Arbeit von den auf mich einſtür menden Gedanken frei machen. Das schine Antlig Veras drängte sich immer wieder dazwischen, und klarer und klarer ward mit daß sich ihr Bild unauslöſchlich in mein Herz eingeprägt, ja, daß sie mir teurer geworden als die ganze übrige Welt ... Ich erschrak , als sich zum erstenmal dieſe Gewißheit mir aufdrängte. Wie paste diese Leidenschaft in mein Leben , dies Ge fühl, das meine Thatkraft lähmte und mir nur Schmerz und Enttäuschung bringen konnte ! Wie hatte ich mich so weit treiben lassen können ? ... Ich starrte hinaus auf die sonnige Landschaft und versuchte mich zu fragen, seit wann dies alles beherr schende Gefühl in mir erwacht ſei ... Seit wann? Seit ich sie in Brügge ge sehen. Blind und thöricht war ich der Gefahr mit offenen Augen entgegengegangen, hatte mich selbst betrogen mit der Vorspiegelung, das Interesse des Malers zöge mich her, der Wunsch, eine mir fremde Häuslichkeit kennen zu lernen ! Nein, der Wahnsinn , der mich hergetrieben , hies
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∙1177 Liebe ... Nicht des Künstlers Wunsch, nicht die einfache Neugier, den Grafen auf seinem Schlosse zu besuchen, ich hatte Vera geliebt vom ersten Tage an, und ihretwegen war ich hergekommen, hatte mir gefallen lassen, was man mir geboten, mich in alles gefügt, alles hingenommen ... Und was wollte ich denn noch hier, wenn ich das Bild vollendet ? ... War mir jede Kraft zu einem Entschlusse schon verloren gegangen, daß ich den Gedanken, abzureisen, mich einer ebenso peinlichen, wie unwürdigen Lage zu entziehen, gar nicht zu fassen. vermochte ? Ein Geräusch hinter mir schreckte mich auf. Der Graf war eingetreten und er flärte sich zu einer Sigung bereit. Mechanisch bereitete ich so rasch wie möglich alles vor und fing an zu malen. Nach und nach übte die Gewohnheit ihre Macht aus, ich konnte meine Gedanken so weit sammeln, um mich der Aufgabe vor mir mit hinreichender Aufmerksamkeit hinzugeben. Der Graf richtete einige gleichgültige Worte an mich, plötzlich aber sagte er, zwar in demselben ruhigen Tone, aber mit einem Blicke, der mich stußig machte: Sie haben doch wohl keinen Verkehr mit dem Hause H.... in D .... ?" Das war der Name meines Stiefvaters , und überrascht gab ich eine verwirrte, verlegene Antwort. Er firierte mich einen Augenblick mit unbeschreiblich hochmütiger Miene, gab mir dann aber zu verstehen, daß er es hätte annehmen können, daß ein reisender Maler feine Beziehungen zu solch vornehmem, reichem Patrizierhause haben würde. Hätte ich vorher einfach erwidert, daß der Kaufmann R .... mein Stiefvater, jest hätte ich es um nichts in der Welt ein gestanden. Jeder freundliche Blick , jedes verbindliche Wort wäre mir als eine Beleidigung erschienen. Ich entgegnete mit möglichster Ruhe und Unbefangenheit , daß ich ihm doch vielleicht Auskunft geben könne, da D .... nicht groß genug sei , um vornehm und gering so schroff zu trennen , wie er anzunehmen scheine. Er richtete daraufhin eine Menge Fragen anmich, vermutlich, um mich in Verlegenheit zu sehen, ich gab ihm aber eine so genaue Schilderung des Hauses wie der Familie, daß er einigemal wirklich überrascht schien. Chne sein, mich tiefer als ich es eingestehen mochte, kränkendes Mißtrauen, hätte ich eine Menge Einzelheiten nicht erwähnt, aber es lag mir daran, ihm zu zeigen, wie vollständig ich in die Verhältnisse eingeweiht sei. Ist die Familie weit verzweigt ?" fragte der Graf, der mir mit der größten Aufmerksamkeit zugehört hatte. Hat der jeßige Inhaber der Firma viele Geschwister und viele Kinder ?" „ Er hat gar keine Geschwister und ſelbſt nur einen Sohn und zwei Töchter, " antwortete ich sehr kurz , des Examens müde. „ Geht das Vermögen nur auf den Sohn über, oder sind die Töchter auch gut be 89. II.
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dacht ? In leyterem Falle müßten es für manchen armen Schlucker gute Partien Ich bemerkte ihm trocken, daß die Töchter noch sehr jung, man außerdem in unsern aristokratisch gesinnten Kaufmannsfamilien sehr vorsichtig in der Wahl eines Tochtermannes sci. " Mit Recht ! " antwortete er mit einem spöttischen Blick. " Muß der Sohn das Handelsgeschäft übernehmen ? Hat er nicht die Möglichkeit, sich anderen, höheren Interessen zuzuwenden?" " Er wird Zeit und Geld genug haben, ganz seinen Neigungen leben zu können ; er braucht seinem Geschäfte" nicht wie ein gewöhnlicher Kaufmann -" Er bleibt immer Kaufmann, " fiel er mir hochmütig in das Wort. Die ältesten Adelsfamilien haben Verbindungen mit solchen Kaufhäusern nicht verschmäht . Die Großmutter war aus adligem Geschlecht ! " sagte ich higig. Er drehte seinen Schnurrbart und sah mich mit blitzenden Augen an. Plöhlich nahm er sich zusammen, lächelte eigentüm lich und sagte kühl : „ Da ist also im ganzen doch Gutes von dem Hause zu sagen. Nun, Mutter ihren Verkehr da hat meine gut gewählt. Ist der Sohn , den Sie er wähnten, von seinen Eltern geliebt ? " Ich bejahte kurz, in der Hoffnung, daß er endlich von dem Thema aufhören würde. Ist der Vater strenge mit ihm, nach Art deutscher Väter?" fragte er ungeduldig, über meine kurze Antwort unzufrieden. Unwillkürlich drängte sich mir ein Lächeln auf. „ Der junge Mann kann ziemlich thun, was er will. Um ihn glücklich zu sehen, würde namentlich seine Mutter alles thun, was er wünscht, seine Wünsche sind ihre Gesetze. " " Das ist recht, das freut mich zu hören ! " rief der Graf, wurde aber etwas verlegen, als er meinem überraschten Blicke begeg nete. Also bei anderen fand er das er freulich ! "„ Und der Vater , der einstige kleine Freund meiner Mutter, ist er strenger gegen ihn ? " fragte er mich, wieder seinen Bart drehend und mich aufmerksam ansehend. ,, nein, wenigstens nur höchst selten!" Ich malte weiter, an meine legte Unter redung mit meinem Stiefvater denkend. „Ich glaube, es ist spät, " sagte der Graf plöglich, aus seinem Sinnen auf fahrend und stand auf. „Wie weit ſind Sie mit dem Bilde ? Sie bedürfen meiner hoffentlich nicht mehr ; außerdem sollte ich denken, ein tüchtiger Maler müsse ein Porträt malen können, ohne so sklavisch zu kopieren. Ich denke, wir hören mit der Sache auf." Er neigte flüchtig den Kopf und ging fort. Ich schleuderte Pinsel und Palette fort. Dahin also war es mit mir gekommen, daß ich mir das bieten laſſen mußte ! Mußte ? Was hinderte mich denn, abzureisen und den Staub von meinen Füßen zu schütteln? Sollte ich mir das ruhig gefallen lassen? War ich nicht sein Gaſt, auf seine Einladung hier, und er behandelte mich wie
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einen Eindringling , wie einen Unverschämten, dem man die Thür weiſt und ich überlegte mir noch, ob ich gehen. wolle ? Nein , keinen Augenblick länger wollte ich ihn in Ungewißheit laſſen, daß ich seine Gastfreundschaft zurückweisen und meiner Wege gehen würde. Ich eilte auf den Korridor, um ihn aufzusuchen. Trog der vielen Gäste hatte ich keine anderen Dienstboten gesehen; die Gäste schienen sich selbst zu bedienen, und auch jest war es mir nicht möglich, den Diener zu finden, um mir des Grafen Zimmer zeigen zu lassen. Ich ging nach der Gegend des Schlosses hin, wo ich es vermutete, geriet aber in einen mir ganz fremden Teil des Gebäudes und war froh, als ich endlich an eine kleine Wendeltreppe kam, die hinabführte. Aber ich gelangte nicht in das Freie , sondern in einen kleinen Erker, dessen rundes, mit Schlingpflanzen bewachsenes Fensterchen in einen verwilderten Blumengarten sah. Ein kleiner Steinsiz, in dessen Rücklehne eine kleine Höhlung für den Kopf angebracht war , bezeich nete den Play als ein früheres Schmollwinkelchen . Meine erste Aufwallung hatte sich etwas gelegt, ich sank auf den Steinsig nieder, stüßte meine Hände auf die Kniee und verbarg mein Gesicht darin. Jezt, wo ich anfing, wieder etwas ruhiger zu werden, fühlte ich erst, wie schwer, wie unsäglich schwer mir die Trennung von Vera werden würde. O, könnte ich sie auf meinen Händen durch das Leben tragen, ihr jedes Opfer Thor, der ich war ! Was gab bringen. mir ein Recht zu solchen Gedanken ? Nie Und würde sie mein werden können ! doch! Das Recht, sie zu lieben, konnte mir niemand nehmen, das Recht gab mir ihre Schönheit, ihr Geist, ihr Herz, ja, alles, was sie liebenswert machte. Und ich wollte ja nur sie lieben, mich an ihr erfreuen, ihr Bild ewig in meinem Herzen tragen. Ich legte mich zurück an die kühle Steinwand , in die kleine Ausbuchtung . Erschreckt blickte ich mich um, legte den deutlich Kopf wieder an die Mauer tönten Worte an mein Ohr. Es war Veras Stimme, wie hätte ich sie verkennen können ! Mein Vater! Es ist grausam, dies von mir zu verlangen. Mein Herz fühlt nichts für ihn, o gib diesen Plan auf, der nur Kummer und Schmerz für mich im Gefolge hat. " „ Die Entscheidung naht, Sergei hat heute wichtige neue Berichte gebracht. Du weißt, was unsere Freunde sagen , was alle von dir erwarten. Das , was ich soeben gehört, beſtimmt mich, diese Sache zum sofortigen Abschluß zu bringen, damit ich dich in Sicherheit weiß . Machst du dir denn gar nicht klar, welches Hemmnis du außerdem für mich sein würdeſt ?" Des Grafen Stimme flang grollend und unzufrieden, mir ſchien, ich sähe ſeinen finstern Blick auf Vera ruhen. „Aber muß es denn gerade dies sein?" fragte Vera mit bebender Stimme. " Wie soll ich deinen plötzlichen Widerstand deuten ? Weißt du nicht mehr, wes50
H. v. Schreibershofen. =1180halb es sein sollte, warum wir gerade diesen ausgesucht haben, und was du für unsere Sache thun könntest ? Du scheinst zu vergessen, daß ich dadurch einen sichern Hafen finden sollte. Ha ! Daß das Geschick mir, gerade mir eine Tochter geben mußte ! Eine Tochter, die nicht besser ist als die Gewöhnlichsten ihres Geschlechts !" Mir war, als jähe ich Vera unter diesen, mit grenzenloser Verachtung gesprochenen Worten zusammenzucken. Ihre leise Ant wort entging mir, ich hörte nur undeut liches Murmeln . "Ja , es ist thöricht, Worte über etwas zu verlieren, was nicht zu ändern ist. Du fannst mir das nicht sein, was mir gerade jezt ein Sohn sein würde, " entgegnete er hart und bitter. „ Dir bleibt nichts , als meine Pläne wenigstens nicht zu kreuzen, aber das verlange ich. Du weißt, worauf es ankommt, und hast Verstand genug, die Verhältnisse unsern Wünschen gemäß späterhin zu lenken !" Sie murmelte wieder etwas, ein Geräusch wie von einem heftig zurückgestoßenen Stuhle wurde hörbar. „Ich verstehe dich vielleicht besser, als du denkst, Vera ! Deine Grille war mir gerade jest sehr störend, dennoch gab ich ihr nach, du weißt, warum. Seine Frech heit ward mir bald klar, ich hatte aber meine Gründe, darüber hinweg zu sehen könnte ich aber denken - Bera! daß auch du ! Dann wehe dir und ihm ! “ Der Schall einer zufallenden Thür ließ mich zusammenschrecken. Ob die Bewohner eine Ahnung von diesem Lauscherposten hatten? Ich wußte nicht einmal, in welchem Teile des Gebäudes die Sprechenden sich befunden und erreichte erst nach längerem Umherirren mein Zimmer wieder. Daß ich fort mußte, war zweifellos aber nicht bevor ich Vera noch einmal gesehen und gesprochen. In diesem Zustande der Ungewißheit konnte ich nicht scheiden. Eine geheime unsägliche Freude hatte sich meiner bemächtigt, eine Hoffnung, die ich mir kaum einzugestehen wagte, die mich aber ruhelos hin und her trieb und meine Bulse fieberhaft schlagen ließ, seit ich des Grafen Worte in jenem Versteckt gehört. Hatte ich recht verstanden, dann o konnte ich dann wirklich fort, ohne ihr gesagt zu haben, was ich für sie empfand? Sollte ich sie verlassen in dem Augenblicke, wo sich eine Entscheidung vorbereitete sollte ich gehen, konnte ich bleiben ? Ich wappnete mich mit Ruhe und Geduld, als ich abends in das allgemeine Zimmer eintrat. Ich glaubte, der Graf würde mich zu reizen suchen, mich belei digen ich irrte mich , weder er noch seine Landsleute nahmen Notiz von mir. Vera hielt den Blick ununterbrochen auf ihren Teller gesenkt, und ich konnte trog aller Mühe keinen Blick von ihr erhaschen. Ich ging ſo bald als möglich auf mein Zimmer zurück und legte mich zum Fenster hinaus , um meine heiße Stirn von der Nachtlust kühlen zu laſſen. Da schlug ein schluchzender Laut an mein Ohr, ich hörte
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| deutlich weinen, und dazwischen eine jezt scheltende, dann tröstende Stimme. Alles war dunkel, aber das konnte nur Vera sein. Meine Ungewißheit war plöglich vorbei, ich mußte bleiben. Das einzige, was ich für Vera thun konnte, war, in ihrer Nähe zu sein. Sie mußte wissen, daß ihr wunderholdes Antlig meinem Her zen auf ewig eingeprägt war ; war es ein Wahnsinn, so wollte ich lieber mein Leben in diesem Wahnsinne verbringen, als sie vergessen, und das mußte ich ihr noch sagen. Der Graf verschmähte es , mir am andern Tage eine Freundlichkeit zu zeigen, die er nicht empfand. Ich malte in fieberhafter Hast an einem kleinen Bilde von Vera, welches, wie ich mir sagte, später mein Trost sein sollte ; aber so sehr ich auch vertieft war, entging mir doch nicht, daß sich eine gewisse Unruhe im Schlosse bemerkbar machte. Vielleicht wurde Veras fünftiger Gemahl erwartet. Damit erklärte ich mir auch Veras Verstörung und ihr bleiches Antlig, aus dem mich mittags die großen Augen unbeschreiblich wehmütig anjahen. Wie froh war ich, daß ich es längst aufgegeben, von meinen Reisen zu Haus zu schreiben ! Wer hätte mich begriffen, wenn ich erzählt, wozu mich ein paar braune Mädchenaugen gebracht ? Nein ! Les Ormonds sollte mein Geheimnis bleiben, mich glücklich oder elend zu machen. Sobald ich Vera nicht ſah, fühlte ich mich stark genug, fortzugehen, doch wenn ich ihre füße Stimme wieder hörte, em pfand ich, daß ich nicht gegen diese Leidenschaft ankämpfen konnte und machtlos gegen sie war, auch bei der Arbeit fand ich keine Ruhe mehr. Abends mußte sie polnische | Lieder ſingen, welche den Grafen und seine Freunde zu aufgeregten Reden begeisterten , bei denen sich die letteren zu solchen Huldigungen gegen Vera hinreißen ließen, daß ich diese Qual nicht länger ertragen fonnte. Ich lief hinaus in den Park, mich mit Plänen zermarternd , diese Pein zu lindern. Was konnte ich thun, was ersinnen, um mir wenigstens einmal ein ungestörtes Beiſammensein mit Vera zu ermöglichen ? Die Hoffnung aufgeben, sie wieder zu sehen, war einfach unmöglich, hieß mir freiwillig den Lebensnerv abschneiden. Meine Leidenschaft war ein Teil meines Jchs geworden, wie ein verzehrendes Feuer war sie über mich gekommen , wie eine Krankheit, die sich unserer bemächtigt, ehe wir ihr Da sein geahnt. Wie lange ich in den Heckengängen auf und ab lief, weiß ich nicht ; als ich mich dem Schloſſe wieder zuwendete, stand Vera plöglich vor mir allein! Bera !" stieß ich hervor. „Vera, o Vera ! Ich muß Sie sprechen, Ihnen sagen, was mich elend und doch glücklich macht ! " Sie sah mich mit einem Blicke voll Verzweiflung an und reichte mir ihre Hände. Aber als ich dieselben faßte, änderte sich ihr Ausdruck, in ihren Augen lag etwas anderes — Süßes , Berauſchendes . Wie kam es ? Weiß irgend ein Mensch hernach in der Erinnerung, wie es zugegangen, daß
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die Seelen ineinander flossen und Livve an Lippe, Bruſt an Brust lag ? Ohne Be rechnung, ohne Bewußtsein des Geschehenen sinken die Schranken, welche Herkommen und Sitte errichtet, plößlich nieder ; zwi Herzen verlangen ihr Recht, alles andere schweigt. So braust ein Sturm über des Land, alle kleinen, von Menschenhänder errichteten Hemmnisse zu Boden werfend. Sie lag in meinen Armen, sie preßte mis an sich, erwiderte meine Küsse , glühen. leidenschaftlich. Ich stammelte verwinne liebestrunkene Worte, sie schluchzte und drängte sich inniger an mich. „Vergiß mich , vergiß mich! " " Du bist mein, ich laſſe dich nicht ! Es kann, es darf nicht sein!" „Der ganzen Welt will ich dich av trogen ! Wer darf uns trennen ?" Ur wieder umschlang ich sie, sie folgte der Drucke, wir vergaßen, daß es noch ein Welt außer uns gab, wir vergaßen alles wußten nur, daß wir uns liebten - fur einen kurzen, rasch entschwindenden Augenblick, dann riß sie sich von mir los. Horch! Man rief nach mir!" Noch einmal fühlte ich ihre Lippen auf den meinen, vergebens suchte ich sie zu sie war fort, und ich stand allir halten unter dem dunklen Himmel. Wie hätte ich an Ruhen und Schlafer denken können ! Ich saß an dem offera Fenster in meinem Zimmer und ſah z den steigenden Nebel hinaus . Nach und nach sank die weiße Decke herab, am he rizonte erschien ein heller Schein, und gar: plötzlich löste sich die glänzende Mord scheibe und schwebte frei an dem blauer Himmel , den Nebel weiter und weiter zurückdrängend , bis die Erde glück- und liebestrunken unter seinem Kuſſe dalay, Ich barg mein Gesicht in den Händen und ließ das Ereignis des Abends noch einmal an mir vorüberziehen, vertiefte mich not einmal in den Glückstaumel. Ich fühle die glühenden Küſſe Veras , empfand d Wonne ihrer Nähe — o , ſo zu lieben, ſc geliebt zu werden ! Kein Schlaf kam in meine Augen. sehnte den Tag herbei, um Vera wiede zu sehen, sie in meine Arme zu schließen. Doch als die ersten Sonnenstrahlen das schlummernde Leben in der Natur weckten. überfiel mich eine große Müdigkeit ; angz kleidet warf ich mich auf das Bett, und traumloser Schlummer hielt mich nun bið weit in den Tag hinein gefangen. Erwachend blickte ich mich erst erstaunend um. Ein mir selbst noch unklares Gefühl unendlichen Glückes erfüllte mich dann wußte ich mit enemmal, was mir geschehen ; wußte, wofür ich von nun an zu ringen, zu arbeiten hatte. Ich holte Veras Bild hervor, erst jezt nußte ich ja, wa es sein mußte. In küreſter Zeit hatte ich ihm einen ganz andem Ausdruck ge geben, der Mund lächelte mich an, wie ich es heute noch zu ſehen offte, die Augen versprachen mir das Glük, nach dem mein Herz sich sehnte. An des Bild des Grafen dachte ich nicht. Nach und nach fiel mir eine eigentüm
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je Stille im Schloſſe auf. Wahrscheinwaren die Gäſte wieder abgereist, ich rde Vera wieder für mich haben. Ich te sie ja sprechen, mußte ja, was ßte nicht alles nach dem gestrigen wonne len Abend nun zwischen uns besprochen den ? Mir ſchwindelte der Kopf, das pochte mir, wenn ich mir vorstellte, ganz anders ich dem Grafen, ja, der zen Welt nun gegenüber stand sie te mich ! Alles andere kam mir unentlich, unbedeutend vor. Im Garten unter meinen Fenstern sah den gewiſſen Sergei herumgehen ; also der Unangenehmste von allen, war doch h dageblieben. Als ich um die Mittagshinunterging, war sein fatales Gesicht crite, was mich begrüßte. Mit höhhem Grinſen und einem lauernden Blick te er mir mit, daß er es als eine bedere Gunst betrachten würde, wenn ich erlaubte, meinem einsamen Diner bei ohnen, aber leider würden " auch ihm" e Geſchäfte dazu keine Zeit laſſen. Des5 wolle er diesen günstigen Moment uzen, um mir glückliche — baldige Reise wünschen. Mit spöttiſchem Auflachen fernte er sich. Mein Blut kochte. Sollte ich mir das on laſſen? Auf dem Tiſche ſtand ein ivert. Ich sah den Diener an, der daen getreten war er zuckte die Achseln. PX Sind die Herrschaften verreist ?" te ich. Nein," entgegnete er lafonisch, den l zurückziehend. Der Bissen wäre mir im Munde gellen, ich fonnte nichts essen. -jt jemand frank?" Er schüttelte mit dem Kopfe und e die erste Speise vor. Ich stieß die unel fort. Sind der junge Herr wirklich nur hermmen, um denHerrn Grafen zu malen ?“ te er flüsternd. a !" sagte ich, mich schnell nach ihm Dendend. Dann wären Sie besser nicht hergenen ! Machen Sie jetzt nur, daß Sie nell wie möglich noch fortkommen," eer leise, indem er mit den Tellern perte, " ich versuchte ja immer, Sie zu en, aber was meinen Sie ? Warnen, Was was?" Es wäre" nicht gut, wenn man Sie fande Die ganze Welt kann wissen, daß ich em Grafen L .... auf seinem Schloſſe Besuche bin, " brauſte ich auf. Der Diener sah mich mit unverkennn Mitleid über meine Dummheit an. it ja gar nicht das Schloß vom Herrn en," sagte er halblaut. „Morgen ist it der Komteſſe fort, wenn sie ihn weglassen, das Treiben war ja die Zeit zu arg. Haben Sie denn das gewußt ?" Das Schloß- ?" li "atte er auf ein paar Wochen ge-
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| Grafen, gehören nicht zu ihm ? " fragte ich, unfähig, mir klar zu machen , was ich eigent lich gehört . Er schüttelte sehr energisch den Kopf, hielt es aber nicht der Mühe wert, mir weitere Aufklärungen zu geben. Ich war kaum auf meinem Zimmer angelangt und starrte noch rat- und fassungslos in den Garten hinab, da hörte ich ein leises Geräusch an der Thür, als ob sich jemand an dem Schloſſe zu thun mache. Sollte das vielleicht Sergei sein ? Mit zwei Sprüngen war ich an der Thür und riß sie auf - vor mir stand Vera .... Aber nicht die Vera, die ich gestern in meinen Armen gehalten , die meine Küsse so heiß erwidert diese Vera war bleich, mit dunkel geränderten Augen, und um den reizenden Mund ein Zucken, wie von heftigem , unterdrücktem Schmerze. Als sie mich sah, ward ihr Antlig ruhig und starr, die Augen blickten mich leer und geistesabwesend an. Hinter ihr stand die Zofe, die sie anstieß, da sie keine Miene machte, vorwärts zu gehen . Ein Zittern durchlief ihre Gestalt, und sie trat ein. Die Jungfer schloß die Thür und sagte mit einem haßerfüllten Blicke : „Die Gräfin hat Ihnen etwas zu sagen , " dann ging ſie an das Fenſter und stellte sich mit dem Rücken gegen uns . Ich faßte Veras Hand, sie lag passiv und eiskalt in der meinen. Aber sie selbst zuckte bei der Berührung zusammen und das Licht kehrte in ihre Augen zurück. „Vera ! " sagte ich leise. „Was iſt dir geschehen, mein süßer Liebling ?" Ich zog sie näher, doch der Bann, der auf ihr lag, wollte nicht weichen. Sie holte eine Börse hervor und legte sie auf den Tisch. Die Jungfer blickte sich flüchtig um , wie um zu sehen, wie weit wir wären. Jch komme, um Ihnen lebewohl zu sagen „Wohin gehst du ? Ich folge dir, ich laſſe nicht von dir , " flüsterte ich , meine ganze Kraft zusammennehmend, um vor dem Mädchen ruhig zu erscheinen . Vera schüttelte langsam das Haupt. " Mein Vater bedauert, Ihnen nicht selbst glückliche Reiſe wünschen zu können, " fuhr sie tonlos fort. „ Er hofft, daß die Schuld für Ihre Mühe hiermit, " fie deu tete auf die Börse, „ ausgeglichen sein wird . Bewahren Sie uns ein freundliches Andenken, möge es Ihnen gut gehen - immer! " Sie sagte das alles wie eine auswendig Leben Sie wohl ! " gelernte Aufgabe her. sagte sie noch einmal und wendete sich ab. "1 Vera ! Soll das unſer Abschied ſein ? So wolltest du dich von mir trennen ? " rief ich, unfähig, länger eine Fassung zu heucheln, die ich nicht besaß. Was bedeutete das ? Sie wurde noch bleicher, lehnte sich mit geschlossenen Augen einen Moment an den Tisch, und es ging wie ein Krampf über ihr Gesicht. Mein Abschied von Ihnen auf immer!" flüsterte ſie, aber in demselben Augenblicke lag sie an meiner Brust, und ſie fest an mich preſſend und mit den innig nd sind Sie fein alter Diener des sten Liebfosungen überhäufend, sagte ich
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mit einem Scherze, bei dem mir das Herz weh that : „Böses Mädchen ! Mich so zu erschrecken, so zu quälen!" Sie richtete sich auf, noch einmal suchten ihre Lippen die meinen, noch einmal vereinigte uns ein langer, langer Kuß, dann machte sie sich los ; aber sie schwankte und wäre zusammengebrochen, hätte nicht die Jungfer rasch den Arm um sie gelegt. ,,Sage ihm alles . " hörte ich Vera flüstern. ,,Die Gräfin bittet Sie, abzureisen und ihr das Versprechen zu geben , nie mit irgend jemand über Ihren Aufenthalt hier zu reden, ja, sie selbst, wenn Sie ihr je unter andern Verhältnissen wieder begegnen, nicht mehr zu kennen," sagte das Mädchen ruhig und geschäftsmäßig in leidlichem Franzöſiſch. " Unmöglich! Das kann nicht dein Wunsch sein, Vera!" rief ich, über das Ungeheuerliche in diesem Verlangen bestürzt und fassungslos . „ Das könnte ich nicht er füllen ! " „ Es muß sein, ich muß es verlangen, “ stammelte sie. " Ich bin schuld, daß Sie hergekommen, ich muß sorgen, daß alles - ein Geheimnis - " Sie ſenkte den Kopf. " Ihrer selbst wegen müſſen Sie fort, bald gleich! Um Gotteswillen, bleiben Sie nicht hier!" fügte sie dringend hinzu, mich angstvoll flehend anblickend. "! Ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen soll ich von dir scheiden ? Jezt, wo ich erst weiß - " „ Gott gebe , daß wir uns nie , nie wiedersehen, " rief sie aufschluchzend . " Wo ist der Graf ? Ich will zu ihm, " ich will „ Der Herr Graf find abgereist, " sagte die Zofe schnell. !! Sie können ihn nicht mehr sehen." Vera verbarg ihr Gesicht an der Schulter ihrer Begleiterin und weinte bitterlich. Die Jungfer redete ihr leise zu, mir von Zeit zu Zeit einen zornigen Blick zuschleudernd. Ich hätte auflachen, schreien , rasen mö gen. Der Gedanke, so wegzugehen, ohne eine Aussicht , sie wiederzufinden , war geradezu wahnsinnig, ich mußte sie ja erringen, sie war ja mein . "! Die Gräfin muß Ruhe haben, thun Sie, was sie verlangt, " sagte die 3ofe, „ dann vielleicht ,,Nein, belüge ihn nicht, " fiel Vera ihr in das Wort. Hegen Sie keine falſche Hoffnungen ! Wir trennen uns, um uns nie wieder zu sehen, Gott wolle es ! Mein Leben wäre sonst nicht zu ertragen „ Aber ich muß von dir hören. Du kannst, du darfst mir nicht so spurlos verschwinden ! " Ich wendete mich in meiner verzweifelnden Aufregung an das Mädchen. Ich muß wissen, wo ich die Gräfin wiederfinden kann, es ist ganz unmöglich, daß wir uns so trennen können." "/ Sie sollen noch einmal von mir hören, “ sagte Vera leise. „ Nach · in einiger Zeit, in Monaten sollen Sie hier in Les Ormonds Nachricht von mir finden. “ Noch einmal ruhte ihr Blick auf mir, sie hob die Arme, ich wollte sie an mich ziehen, doch das Mädchen drängte sie zur
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1186Thür hinaus, die hinter ihnen zufiel mein Liebestraum war zu Ende . . „Vera, Vera ! Jst es denn möglich ! “ rief ich laut , mich verstört umblickend. Ich konnte es nicht faſſen, von der höch: ſten Stufe des Glücks ſo herabgestürzt zu werden in einen Abgrund von Verzweiflung . Da steckte der Diener den Kopf in die Thür. In einer Viertelstunde muß der Herr fertig sein, dann werde ich Sie zu Schiff bringen. " Wie ?" fragte ich, meinen Ohren nicht trauend. Ja, in einer Viertelstunde. Es wäre beſſer gewesen, der Herr wäre eher von selbst gegangen." Er kam herein, fragte, ob er mir helfen könne , legte , als er meinen Zustand sah, ruhig meine Kleider zusammen und bereitete alles zu meiner Hätte nicht gesofortigen Abreise vor. dacht, daß ein Mensch so blind sein könnte, " ſagte er dabei halblaut vor sich hin. „ Und freiwillig herzukommen, wenn einen nicht die Not treibt ! Habe nichts gesagt , so lange ich sein Brot aß , sparsam genug war es, und der Lohn auch nur erbärm lich , hätte gern mal gewarnt , war nur die konnte der Komtesse Tochter wegen dachte immer einen zu sehr dauern Sein Blick traf wären deshalb hier mich forschend, doch ich konnte nicht spre chen, nicht denken, ich fühlte mich_namenlos elend und wußte nur, daß dagegen nichts zu thun war ... O, wäre ich nie hergekommen ! . . . Endlich raffte ich mich auf und legte meine Malutensilien zusammen. Das Bild von Vera deckte ich hastig zu, ich konnte das glückstrahlende Antlih mit dem verheißungsvollen Lächeln nicht ansehen. Dann wendete ich mich zu dem Bilde des Grafen . Meine zornige Erbitterung, meine tiefe Empörung riefen mir zu , das Bild zu vernichten aber es war für Vera gemalt, sie würde kommen und es ansehen... Da fiel mein Blick auf die Börse. Ich öffnete sie , und die verschiedensten Geld forten fielen heraus . Französische, russische und deutsche Münzen, englische Banknoten und alte Henkeldukaten , um eine runde Summe voll zu machen. Hastig packte ich es wieder ein und legte es neben das Bild des Grafen. Geld nehmen von ihr ! ... Welche Summen konnten mir aufwiegen, was ich hier verloren, hier durchgemacht ! Wie im Traume machte ich mich fertig ! Der Diener stand schon wartend draußen, ich wollte ihm mechanisch folgen, als ich mich aber auf der Schwelle noch einmal umwandte , und mein Blick zum lettenmal auf die Stelle fiel , wo ich so viel erlebt , übermannte mich das Leid. Ich schloß die Thür, kniete auf dem Flecke nieder, wo noch vor so kurzem Veras Fuß gestanden, wo meine Arme ſie umfangen, und heiße Thränen stiegen in meine Augen empor ... Ich mußte sie wiedersehen, mein Leben daran setzen , sie zu erringen, freiwillig wollte ich sie nicht aufgeben . Dann stand ich auf was konnte mir
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das Hierbleiben nüßen, wenn auch sie fort Richtung, mit dem saubern Herrn Sergi ging? Aber ich würde sie wiederfinden. Sie haben nur darauf gewartet, daß w Das Boot lag bereit. Vergebens suchte fort sein sollten, und Herr Sergei muf . ich nach einem Zeichen, daß Vera in der den ganzen Morgen gut aufpassen , daß Nähe, mir ihre Augen folgten, das Schloß Sie nichts von den Vorbereitungen merker war wie ausgestorben. Der Diener und sollten. Ich glaube, man wollte sie eigert: die zwei Schiffer, welche mich auch her- lich allein im Schloſſe ſizen laſſen , und gebracht, wechselten einige Worte dann kam dann die Polizei , so — doch da: fuhren wir ab . . . wollte die junge Gräfin nicht und beſtand Als wir das Schloß aus den Augen darauf, Ihnen Adieu zu sagen und Sie verloren , war mir zu Mute , als ginge erst in Sicherheit zu wissen. Ja , man ein Riß durch mein ganzes Leben. hatte die leßte Zeit ein scharfes Auge auf Troß der Nähe der Leute beugte ich den Les Ormonds . Steigen Sie lieber ver Kopf nieder und wehrte dem Wehe, der der Stadt aus, ich will Ihr Gepäck wohl Verzweiflung nicht , die nun über mich auf den Bahnhof ſchaffen . dahinbrausten. Ich fühlte, die Trennung Mit Anstrengung behielt ich äußerlice war unwiderruflich, und meine Hoffnung, Faſſung genug, um mich einverstanden ja meine Versuche , Vera wiederzusehen, erklären, und fragte ihn dann , ob er aud würden vergeblich sein. Eine innere nicht wisse , wohin sich der Graf wenden Stimme rief mir zu, daß alles vorbei ... werde. !! Gott sei Dank, nein ! " entgegnete er. Wohl litt sie wie ich , aber ich litt unter Verhältnissen , die für mich um vieles Man hört ja manches und reimt sic qualvoller, weil ich sie nicht verstand, sie vieles zusammen , auch wenn man die mir völlig fremd und unbekannt waren. Sprache nicht versteht. Für ihn wäre es Ein leises Zupfen am Rocke ließ mich nicht schade, wenn er sich einmal die Finger aufsehen. Der Diener hielt mir ein Stück tüchtig verbrennte, aber wegen der KomPapier hin. „ Ich durfte es nicht eher tesse, ja, die ist ein Engel und wird sicher geben," murmelte er, „ich habe nichts mehr alles thun, was er verlangt, wenn es auch mit Ihnen zu thun, aber ich konnte es der ihr Leben gälte. Er verdiente solch eine Gräfin doch nicht abschlagen" . Er wen- Tochter wahrhaftig nicht, und wenn sie dete sich so, daß er mich gegen die Schiffer Er ergänzte seinen Sah durch einen Wunſch. deckte und sah aufmerksam ihrem Rudern zu . der dem Grafen keine sehr glückliche Z „Reisen Sie glücklich und vergessen | kunft prophezeite. Sie mich! Wollen Sie mir eine WohlDas Boot setzte mich an einem ver that erweisen, so reisen Sie so lange, steckten Plätzchen ab, vor der Stadt, wie bis Sie die Erinnerung überwunden verabredet. haben - sonst kommen Sie in sechs Ich wußte einen stillen Ort, im Sü Wochen wieder nach Les Ormonds , wo den von England , wohin es mich zo sie Nachricht finden werden von Dort wollte ich in größter Einsamkeit die Vera. " nächsten sechs Wochen zubringen, denn EinEin Lichtstrahl! Ich preßte die Schrift- samkeit war mir Bedürfnis, ich sehnte mich züge an meine Lippen. Die Zukunft er- danach, um alles, was ich erlebt, in mit schien mir lichter, es war nur eine Probe, zu verarbeiten . Nach einigen Tagen war ich dort, aber auf die sie mich stellte und zugleich gab sie mir das Mittel an die Hand, um über nun ging mein Leid erst recht an. Is diese entsetzliche Zwischenzeit hinwegzu hätte mich lieber in das Treiben der Welt kommen. Ich durfte meinen Gefühlen stürzen sollen, versuchen, meine Gedanken nicht nachhängen, mußte mich abziehen, ich zu betäuben , mich gar nicht zum Nac würde ja nach sechs Wochen erfahren, wo denken kommen lassen. Jeder Tag brack Vera lebte, wo ich sie wiederfinden könne. mir neue Qual. Die alte Wahrheit, daß Dann wollte ich auch meine nahe Verbin die Entfernung erst alles klarstellt , dem dung mit jener Familie, nach der sich der Blicke enthüllt, was die Erregung des Graf erkundigt , benutzen , ihn günstiger Augenblicks verschleierte, bestätigte sich auch für mich zu stimmen. Neuer Mut be- bei mir. Unbeachtet gebliebene Kleinig seelte mich, ich wollte nur das Beste glau- keiten reihten sich aneinander, um mir nach und nach ein Bild von Les Ormonds und ben, es mußte alles gut werden . Der Diener fragte mich leise, wo ich seinen Bewohnern aufzudrängen, dem id erschreckt gegenüber stand. Nur eines abgesetzt werden wolle. " schwebte Veras Liebe u klar darüber "Ich will gleich weiterreifen nach Ich mir, die sie ihrem Vater zum Opfer brachte. Pichich!" unterbrach er mich. brauche das nicht zu wiſſen, ich gehe gern Daran konnte ich nicht zweifeln ! Und war es denn nicht denkbar , uns bei solcher sicher. " „Sagen Sie der Gräfin, — “ begann ich. Liebe das Glück zu erkämpfen ? Doch wenn " Ich sehe sie nicht wieder, ich gehe mir eine solche Hoffnung einmal vorſchwebte, nicht wieder hin. Ich war nur auf ein tauchten schon im nächsten Augenblick ihre paar Wochen durch die Gräfin gemietet, Abschiedsworte vor mir auf , über deren hätte ich den Grafen gekannt , wäre ich Bedeutung ich nicht fort konnte, sie wünsche vorsichtiger gewesen. Es war ja eine Hei- mich nie wieder zu sehen ! " Und doch konnte denwirtschaft, und ich will froh sein, wenn es nicht zu Ende sein! Ich klammerte ich nichts mehr mit der Polizei oder andern mich an ihr Versprechen, nach sechs Wochen Behörden zu thun friege. Jetzt werden zu schreiben bis dahin mußte ich sie auch wohl weg sein, nach der andern warten .
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Da ich mich nicht auf eine so lange Ab wesenheit eingerichtet , bedurfte ich neuer Geldmittel und schrieb deshalb nach Haus . Ich gab nur meine jezige Adreſſe an und sagte, daß ich nicht so bald zurückzukehren gedächte. Der Briefverkehr nach diesem entlegenen Ort war kein so sehr reger , es dauerte fast vierzehn Tage , ehe ich Antwort erhielt. Das bisher so gute Wetter war umgeschlagen und stürmische Winde trieben schwere Regenwolken über die See daher. Stundenlang konnte ich hinter den Helsen sigen und mich in den Anblick des brausenden, brandenden Meeres vertiefen, welches seine grünen , schaumgekrönten Wogen brüllend und heulend gegen das Land schleuderte, und seine Macht immer wieder versuchte. Ich hatte früher, wie ich zu Vera gesagt, die Stille, die Anmut in der Natur gesucht , jezt that mir dieser Anblick wohl , er paßte zu meiner Stimmung. Und ebenso fühlte ich mich zu den Fischerleuten hingezogen , welche ihr Leben im Kampfe gegen das tobende Elementhinbrachten, es nichts achtend, wenn es galt, ihre Pflicht zu thun, das, was sie als notwendig erkannt. Keine Mutter, keine Gattin versuchte ihre Lieben der Pflicht abwendig zu machen , die Liebe vielte nicht die größte Rolle in ihrem arbeitsvollen Leben. Ja, hier lernte ich, daß das Leben Höheres bietet als die Liebe, daß wir einer anderen Stimme folgen müssen, um den höchsten Inhalt des Dafeins zu erkennen. Ich fing an einzusehen , daß Vera mit ihren Abschiedsworten recht haben konnte sie hatte den Kampf zwischen Liebe und dem, was sie als Pflicht erkannt, aufgenommen und war darin Sie gerin geblieben. Ich ehrte sie dafür, ohne michzugleicherHöhe aufschwingen zu können, ich wollte den Kampf gegen ihren Vater aufnehmen. Die Entfernung kühlte meine Leidenschaft nicht ab , sie vertiefte und läuterte sie. Der qualvolle , peinliche Schmerz, der mich anfangs wie einen Wahnsinnigen umhergetrieben, wurde durch den festen Vorsatz , Vera gegen ihren eigenen Willen zu erringen , milder und erträglicher. Der Weg dazu war mir freilich noch nicht klar , aber der Brief , den ich in Les Ormonds vorzufinden hoffte, würde mir einen Anhalt geben , einen Funft , von dem aus ich weiterarbeiten tonnte. In dieser Stimmung trafen mich Briefe von denMeinigen, welche mich beschworen, fofort zurückzukehren, um einem Familienfeste beizuwohnen Richards Verlobung . "Wie hätte ich allein etwas gegen deine Mutter und Schwestern ausrichten können! " schrieb mein Stiefvater. !!Deine Mutter sprach von früh geknickten Herzen , von Verbindungen, im Himmel geschlossen, und Deine Schwestern betrachteten mich als einen Tyrannen, einen Wüterich, der seine besondere Freude darin fände , Verliebt : unglücklich zu machen. Du hättest nicht weggehen dürfen , was konnte ich allein gegen drei Frauenzimmer thun? Der Gedanke, ein Kind wie Richard verheiratet
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zu sehen , ist ganz unglaublich , ich bin auch fest überzeugt, seine Liebe würde vor dem geringsten Hindernis wie Spreu vor dem Winde zerstieben. Seine Liebesge schichte ist seinen Schwestern weit inter essanter als ihm selber ich erwarte Dich bestimmt zu dem Freudenseste , das bist Du mir wenigstens schuldig." Der Brief zeigte mir meinen Stief vater so deutlich in seiner Herzensgüte, Liebenswürdigkeit und Schwäche , daß ich gleich beschloß , seinem Wunsche nachzu kommen. Die Verlobungsfeier sollte auf einer Besitzung meines Stiefvaters am Rhein , Margaretenhaus " , stattfinden, und ich konnte von dort aus zur bestimmten Zeit nach Les Ormonds gehen. Hatte ich erst den versprochenen Brief gefunden, so wollte ich mich meinem Stiefvater an vertrauen und ihn um seinen Rat , seine Hilfe angehen. Ja , sogar seine Unterstüßung würde ich mir erbitten , um mir den Weg zu meinem Ziele zu ebnen. Meine Reise verzögerte sich über Gebühr durch Stürme und schlechtes Wetter. Auch auf dem Kontinent hatte das Wetter arg gehaust, Dammbrüche und Unterwaschungen hatten ganze Eisenbahnlinien unfahrbar gemacht , Flüsse waren ausgetreten und als ich endlich den Rhein er reichte , war der Tag der festlichen Feier schon angebrochen und ich konnte besten Falls erst gegen Abend in Margaretenhaus eintreffen. Ich mußte die Eisenbahn an einer kleinen Station verlassen , um zu Wagen weiter zu fahren, was bei dem entseglichen Zuſtand aller Wege nur langsam und mühevoll von statten ging. Es dunkelte schon und noch immer waren wir nicht am Rhein, an dessen jenseitigem Ufer Margaretenhaus lag . Plöglich hielt der Kutscher und deutete mit entsegtem Gesichte hinab in die Niederung, welcher wir uns näherten die graugrünen Wogen des Rheins wälzten sich über den Weg, dem wir zustrebten . Es war unmöglich, noch heute an Ort und Stelle zu gelangen, ich mußte mich auf die Nachfeier vertrösten. Doch der andere Morgen brach trübe und regnerisch an, und die Leute redeten mir ab, die Ueberfahrt zu wagen. Weithin waren die Niederungen durch den reißend dahinschießenden Strom überflutet und neue Regengüſſe, mittags ſogar ein heftiges Gewitter verliehen den Warnungen mehr Nachdruck. Eine mir selbst unerklärliche Unruhe trieb mich vorwärts , mir ſchien , als hinge mein Glück davon ab, sobald als möglich Margaretenhaus zu erreichen . Immer größer wurde meine Ungeduld , ich sagte mir, daß ich schon jetzt meinem Stiefvater alles anvertrauen wolle und schon jet seine Hilfe, seinen Rat erbitten. Und je mehr ich an die Möglichkeit dachte, mich gegen ihn offen auszusprechen, um so mehr empfand ich , welche Wohlthat es für mich . sein würde , aber auch , wie sehr er ein Recht auf mein Vertrauen hatte. Ja, ich fühlte mich gegen ihn schuldig , es ihm so lange vorenthalten zu haben .
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Meine Sehnsucht nach den lieben bekannten Gesichtern wuchs von Stunde zu Stunde, und am Morgen des zweiten Tages erklärte ich, unter allen Umständen die Ueberfahrt wagen zu wollen . Von zwei tüchtigen Schiffern geleitet, wurde es unternommen, und da der Rhein schon etwas gefallen , seine Wellen nicht nicht mehr so reißend , gelang die Ueberfahrt besser , als ich selbst gedacht ; nur wurden wir den Strom ziemlich weit hinabgetrieben . Ich hatte noch eine tüchtige Strecke Weges zu gehen , ehe ich endlich das lange graue Gebäude , ein früheres Kloster mit seinen zwei Türmen, sah. Die Ungeduld trieb mich immerschneller vorwärts - ich hörte schon im Geiste unseres Vaters herzliches , kindlich frohes Lachen und Rufen, Richards und unserer Schwestern Jubel und , ja ich war auch sehr neugierig auf die Braut , die den Knaben Richard so plöglich zum leidenschaftlichen Manne gemacht. Natürlich würde ich das Brautpaar malen meinem Stiefvater eine recht hohe Rechnung darüber einreichen Jch bog in die Allee ein , jest kam der Obstgarten , nun der Weinberg , der was war das ? Die Rasenplat Fenster geschlossen und verhangen , die Läden zu. - Ich lief an den Seitenflügel, wo die Dienstboten wohnten. „Ach Gott ! Der junge Herr! Und wie haben alle gewartet ! Nun sind sie heute früh fort " " Sind sie denn nicht , wie sonst, zur Weinlese hier? " fragte ich bestürzt und enttäuscht. Die alte Wirtschafterin ſchüttelte den Kopf. „Nur auf ein paar Tage, um die Verlobung von Richardchen wollte sagen, Herrn Richard, zu feiern. “ „ Aber warum sind sie denn so rasch wieder abgereiſt ?" Weil noch so viel wegen der Heirat zu thun ist , " verseßte sie mit wichtigem, geheimnisvollem Gesichte . Die Braut soll, weil der Herr Vater verreisen muß, vorher in gute Obhut gegeben werden , und da soll die Hochzeit sehr bald sein. Ich mußte bei der Antwort lachen. Richard , der Junge ! Ein guter Junge, aber doch immer noch ein halbes Kind. „Ja, sie sind so rasch wieder abgereist, um das Haus in der Stadt zum Empfang herzurichten , Fräulein Braut wohnen solange oben im Dorfe ; übermorgen reisen sie erst nach. “ " Da will ich wenigstens bei ihr einen. Besuch machen und sie kennen lernen, um doch nicht ganz umsonst hergekommen zu sein, " sagte ich, meine Enttäuschung überwindend. Wäre wenigstens mein Stiefvater hier gewesen ! Mir war , als bedürfe ich seiner, als sei ich nur hergereiſt, um ihn zu sehen und nun war er fort! Ich ging langsam in das Dorf hinauf, da fiel mir ein , daß ich nicht nach dem Namen gefragt hatte. Nun, der Gastwirt würde es schon wiſſen, ein solches Ereignis war für die Leute hier , die uns alle
H. v. Schreibershofen . 1192
Aus den Papieren meines Oheims . 1193
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ſeit unsern Kinderjahren kannten, fast eben- | will_wahr sein, ganz wahr, zum legtenmal, | angehöre, bräche auch mein Herz darüber," so wichtig und bedeutsam wie für uns ehe ich für mein ganzes Leben die Maske Ihr Antlig wurde wieder starr, wie de selbst. vornehme, die nie wieder fallen darf. Es mals , als sie mir in Les Ormonds lebo Der Regen hatte aufgehört, die Wolken darf ja niemand wissen , niemand je er wohl sagte. " Und wem werde ich geopfert?" fragt waren lichter geworden, hier und da brach fahren , was ich hingebe , was ich leide ! schon der blaue Himmel hindurch. Ich D, machen Sie sich keine Hoffnung, weil ich, die Zähne zusammenbeißend, während jeste mich in den Garten des Wirtshauses das Unglück gewollt hat , daß wir uns sich meine Hand fest wie eine Klamme unter eine Linde , um mich auszuruhen, doch noch einmal sehen , ich kann nie die um ihren Arm legte, und ich atemlos in ehe ich meinen Besuch machte. Man hatte Ihre werden , weder jezt noch später, das wunderbar schöne Antlig blickte, welches von dort einen prachtvollen Umblick über denn, “ sie stand auf und sah mit un totenbleich wurde , indes sie am ganze:: Körper zitterte. den Rhein und seine grünen Ufer, und beschreiblicher Trauer auf mich herab der breite Fluß gab mit seiner gewal ich gehöre schon einem andern. " Wie eine Mit einer Gewalt über ſich ſelbſt, die tigen Wassermenge jetzt ein großartiges , eiskalte Hand legte es sich auf mein Herz. mich sogar in diesem Augenblick in Er imposantes Bild. Die breiten Zweige !!Es wäre am besten " , fuhr sie mit un staunen sezte , antwortete ſie leise , aber der Linde spannten sich wie eine Laube säglicher Bitterfeit fort, ich ließe Sie bei ganz deutlich: „ Nicht du wirst geopfert, über die Bank ; ich hatte früher oft hier dem Gedanken, ich wäre die schlechte herz- du wirst noch glücklich sein, mich vergener gesessen , aber immer wieder überraschte lose Kokette, für die Sie mich jezt halten, und ein anderes Weib wird an deinen mich die Schönheit der Aussicht. hätte mit Ihnen gespielt , Sie als Zeit- Herzen ruhen , das fühle und weiß it. Ein tiefer Seufzer in meiner Nähe vertreib für eine müßige Stunde betrachtet, Nur ich opfere mich einer großen Sace ließ mich umblicken. An den Baumstamm Sie würden dann einen Strich in Ihrer wegen, doch ein Eid bindet meine Lippen. gelehnt, eine Hand auf den Busen gepreßt, Erinnerung durch die letzten Monate machen Aber glaube mir, o glaube mir doch, wenn sich mit der andern festhaltend, stand und hätten mit mir abgeschlossen. Aber, ich dir zuschwöre, ich kann nicht anders! Vera ! Auf ihrem Antlige prägte sich o Geliebter ! " Sie streckte mir plöslich Möchte Gott mich bald erlösen !" grenzenloser Schrecken aus, aber ganz un die Hände hin, und der Bann der Zurück erst war ihre Fassung dahin. Die Hänt. verändert war sie , als sie so unter dem haltung, die ängstliche Scheu wichen auf vor das Antlig schlagend , brach sie in durchsichtigen Schatten des Baumes stand, einmal. Ich kann es nicht ertragen, von lautloses , aber ihren ganzen Körper er und derselbe Liebreiz, der mich vom ersten dir verkannt , verachtet zu werden. Hat schütterndes Schluchzen aus. „Es muß einen Ausweg geben , id Augenblicke an bei ihr entzückt, war über uns das Geschick noch einmal zusammensie ausgegossen. geführt, so sollst du auch wissen , daß ich lasse dich nicht ! Wenn du mich lieb Ich fragte nicht , wie sie hierherge- für meine Freiheit bis aufs Aeußerste ge so sage mir alles , Vera ! Wir haben ein kommen, ich sah sie, und wußte, ich dürfe kämpft habe , nur um für dich , für die Recht auf Glück. " Ich kann nicht mehr, “ ſagte sie leise, út sie nicht wieder fortlassen , müsse sie mir Erinnerung an dich leben zu dürfen - in bleiches, todestrauriges Antlig emporhebend jezt hier erringen , auf immer festhalten. der ärmsten Hütte. Denn mit Freuden Aufspringend, wollte ichsie umarmen, voller hätte ich Reichtum, ja alles , was die Welt !! Meine Kraft ist zu Ende, und ich mut. Seligkeit an mein Herz drücken, doch sie an Freuden bietet , hergegeben , wenn ich inuß ja Kraft haben, um nicht auch jen strecte mir abwehrend die Hände entgegen nur frei hätte bleiben können ! Für dich unglücklich zu machen, der es wahrlich nit: um mich verdient hat. Lebe wohl !" mit so augenscheinlichem Entsetzen , daß zu leben , mit dir vereint zu sein o „Ich lasse nicht von dir ! Der ganze" ich stehen blieb und sie regungslos an- das wäre eine Seligkeit gewesen, auf die will ich dich abringen . Wer rautt Welt starrte. Sie kam etwas näher, legte ihre ich nicht hoffen durfte ! Sich , die Liebe Hände zusammen , drückte sie flach gegen zu dir kam über mich wie eine Macht, dich mir ? Das Recht habe ich zum weni den Busen und sagte mit unsäglicher Weh eine Gewalt , der ich nicht widerstehen sten, zu erfahren , wer mir mein Glut es ? sprich ! Ren mut: So müssen wir uns doch noch konnte. Ehe ich ahnte, wie unsagbar teuer streitig macht. Wer ist und wenn er noch Namen, seinen mir du mir seist , war der Kampf dagegen wiedersehen ! O , wäre es nicht, wäre es schon unmöglich. Und da fühlte ich mit hoch stände , noch so bedeutend wäre , nicht! " Wie in großem Schmerze wiegte sie Wonne, daß auch ich dir nicht gleichgültig, will mit ihm kämpfen und dich ihm e den Oberkörper etwas hin und her , ihr da riß uns das eine gewaltige Gefühl reißen . " „Er steht weder hoch , noch ist er be einmal, nur einmal habe ich Blick ruhte auf mir , als wolle sie sich zusammen mein Bild noch einmal tief, tief einprägen. es empfunden , was es heißt , eins zu deutend, " versezte sie mit bebendem Te .. , Es ist genug , daß ich unglücklich jin Plößlich fragte sie hastig : !! Sie waren sein in heißer, großer, inniger Liebe. doch nicht schon in Les Ormonds ? Es ist wie habe ich gerungen , um die Bande werde, er wenigstens soll glücklich few. noch nicht so !! Du liebst ihn also ?" rief ich außer zu sprengen, die mich hielten ! Jedes Opfer "Ihn lieben !" entgegnete sie mit un Nein ! Die grausame , entseßliche wollte ich bringen , zu allem erklärte ich Probezeit ist noch nicht vorüber," sagte mich bereit, nur meine Freiheit wollte ich aussprechlicher Bitterkeit. !! Diesen Knaben ! y ich, die Hoffnung dort endlich einen Brief wieder haben. O , hätte nur ich allein Wäre nicht Richard - " „Richard ?" schrie ich. „ Richard R....:" zu finden, der mir deinen Wohnort nennen darunter gelitten, wäre nur mein Lebens"1 So heißt er und einen Anhalt zu weiterm —" glück in Frage gekommen, nichts hätte mich Zu seiner Verlobung kam ich bet „ Still, o still ! " fiel sie mir hastig in zurückgehalten ! Aber ich hatte andere mit
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das Wort , die Finger auf die Lippen legend. Bitte , es darf uns niemand hören, wenn ich noch einmal, zum letzten mal ganz wahr sein werde. " Bera! Gib mir eine Erklärung , jest hier, " sagte ich, sie leise an mich ziehend, bis sie sich fast mechanisch neben mich sehte, aber ohne zu dulden, daß ich sie berührte. „Vera erkläre mir diese geheimnisvollen Reden. Was kann zwischen uns stehen, daß ich nie die Hoffnung hegen dürfe, dich zu erringen? Du liebst mich, dann mußt du auch mein werden, dann will ich „ Nein, nein !" sagte sie mit ängstlicher Scheu umherblickend. !!Doch - ja , ich
in das Elend gezogen, ich hatte mich anderno, mein unglücklicher Bruder ! “ du !" - Sie is ? Du ,,Bruder verpflichtet , ehe ich ahnte , was es mich mich an , wie von namenloser Furcht & kosten könne ..." - ihre Stimme ſank füllt , stieß dann einen Schrei aus unt ich diene größeren Interessen " Welchen größeren Interessen könnte war wie ein Vogel davongehuscht. Ich sank auf die Bank zurück. W mit Lug und Trug gedient sein ! Wie mit einem Zauberschlage ordnete sich als könnte Es ist geschehen , es ist nichts mehr vor meinem Geiste und eine tiefe, leider daran zu ändern. Als noch mein Herz schaftliche Erbitterung bemächtigte ganz jenem Ideale lebte , habe ich ge- meiner. Nun wußte ich, warian mich der Grafnach Les Ormonds eingeladen, warur schworen , mich ihm allein zu weihen und ich muß dies Versprechen halten, er mich los jein wollte, sobald er sich na.. wenn ich auch hart dafür büße. Ich habe den Verhältniſſen des reichen Kaufmanns e es gethan, wir sehen uns jest zum legten kundigt hatte, dem er seine Tochter geben mal, bevor ich ganz meinen neuen Pflichten wollte. Ich sah auch , warum er Serge
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den Auftrag gegeben, mich zu beobachten, er mußte ja wissen , ob ich auch keine Verbindungen hatte , die ihm unbequem icin fonnten - dann wieder mußte Sergei o, ich verVera und mich beobachten itand alles nur zu gut! Eine leise Berührung rief mich in die Außenwelt zurück. Die Zofe Veras stand vor mir und zischte mir mit zornsprühenden Augen einige polnische Worte entgegen, in denen sie jedenfalls ihrem Haſſe Luft machte. Sie hielt mir einen Brief hin, deſſen Aufschrift an Richard R.... lautete . „Auch noch ihre Korrespondenz ver mitteln ?" rief ich, empört ihre Hand zurückstoßend. Sie waren ihr Unglück , " sagte das Mädchen in gebrochenem Deutsch. "/ Ohne Sie wäre Gräfin zufrieden , und Graf Herr Vater hätten Zuflucht bei reicher Frau Tochter finden können , wenn es nötig. Nun alles fort, Reichtum, Heirat, schönes Haus Ich hätte ihrem Vater die Thür nicht gewiesen , er hätte bei mir ebenso gut Kann Gräfin armen Maler heiraten, wenn feierlich gelobt , für Grafen Herrn Bater zu sorgen und Geld zu schaffen für armes Polen? Sie haben Gräfin unglücklich gemacht, der Himmel sollte Sie dafür strafen ! Thun sie nur, was Gräfin will, das Einzige hier." Mir den Brief aufdrängend , rief sie mir noch einige zornige polnische Worte zu und ging. Ich steckte den Brief ein. aber er brannte mich wie Feuer. Doch wie hätte ich jetzt zu den Meinigen gehen können, wie Richard entgegentreten. Planlos irrte ich in den Bergen umher , von meinen Gedanken verfolgt und geheht. Endlich entschloß ich mich , mit meinem Stiefvater darüber zu sprechen und ihm Beras Brief an Richard zu geben, mochte er dann than, was ihm gut dünkte. Ich richtete es so ein , daß ich ihn allein auf seinem Zimmer fand. Sein erster Blick zeigte ihm, daß mich etwas Außergewöhnliches befallen , und meine ersten Worte machten ihn zum aufmerksamiten Zuhörer. Ich verschwieg nichts , ich war es ihm schuldig, die Verhältniſſe flar vor ihn hinzustellen , nur von Vera selbst konnte ich nicht viel sprechen. Das Herz wollte mir bei dem Gedanken an ſie brechen, und ich konnte nicht ohne die heißeste Liebe von ihr reden, indem ich den traurigen , entseglichen Frrtum erwähnte , dem sie sich in falsch verstandenem Pflichtgefühle geopfert. Was wir alles durch sprachen, gehört nicht hierher, mein Stiefvater redete mir zuletzt zu, wieder abzureisen, ohne irgend jemand gesehen zu haben. Richard ist viel zu jung , um diese Enttäuschung nicht bald zu überwinden," ſagte er, und ich -- ja , ich glaube, es ist besser so für ihn. Nur du , lieber Sohn, thust mir in der Seele leid . “ Nach einer Stunde war ich wieder unterwegs , um wenigstens einige Monate fortzubleiben. Es wurden Jahre daraus. Ich hatte meinem Stiefvater versprochen,
Ein Schlachtenbild. 1196-
ihn nicht wieder ganz ohne Nachricht zu lassen , und auch mir lag daran , zu erfahren, wie sich Richard in das jähe Ende seines Glückstraumes gefunden . „ Es wird Dich freuen, zu hören, daß Richard seine Heiterkeit ganz wiedergefunden, " schrieb mir unser Vater nach einiger Zeit. „Ich glaube, erst diese Er fahrung hat ihn zum Manne gereift und ich sehe seiner Zukunft jezt viel ruhiger entgegen. Vera hat ihm noch einmal freundlich geschrieben und wiederholt , sie könne sich nicht entschließen , ihren Vater in dieser Krisis zu verlaſſen . Daß diese Krisis ausgebrochen, weißt du natürlich . Der Graf war mir nie sympathisch ; natürlich ist er einer der Hauptanführer der Insurgenten. " Nun wußte ich, wo ich Vera mit meinen Gedanken zu suchen hatte. Sie würde ihren Vater nicht verlassen und alles aufbieten , ihn mit dem Unglück, feinen Sohn zu haben, auszuföhnen. * * Es war in Palermo, und ich saß im Café Dredo in der Piazza Maria. Sinnend blickte ich auf das dunkelblaue Meer, deſſen lange Wellen leise rauschend auf den Strand aufschlugen und gedachte, wie so oft , jenes Strandes , wo die brausenden Wogen der Nordsee ihr Lied gesungen, als sich Veras süßes Bild in mein Herz geschlichen. Da legte der aufmerksame Giuseppe die neueste . eben angekommene Nummer der Illustrierten Zeitung neben mich auf den Tisch, mit einer einladenden Handbewegung darauf aufmerksammachend. Mein Blick fiel auf das erste Blatt , auf dem mit großen Buchstaben stand : „ Der tapfere Polenführer Graf 2 .... und sein Adjutant, die ersten Opfer des Polen aufstandes von ein und derselben Kugel getroffen. " Mein Herzschlag stockte Das schöne, düstere Antlig des Grafen sah mich an mit dem finstern hochmütigen Blicke, den ich so gut kannte, und daneben das süße, traurige Gesichtchen Veras .
Ein Schlachtenbild. Von
Leo Berg.
Unvergeßlich sind die großen Tage vor Meß, gewaltig war das Ringen zweier Armeen das verzweifelnde Mühen Bazaines , sich der ehernen Umarmung der deutschen Heere zu entwinden , die Ueberlegenheit Moltkescher Strategie, seine Schachzüge : das hindrängen, zurückwerfen und Einschließen der französischen Korps, die Tage vom 6., 14., 16., 18. August all diese Meiſterſtücke moderner Kriegskunst, sie wurden angestaunt von allen Nationen, welche die Erde trägt. Und wenn ich jest nach so langen Jahren mein Tagebuch durchblättere, dann treten diese, wenn auch nur flüchtig stizzierten erlebten Momente, alle diese schönen und schaurigen Bilder mit einer
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solchen Frische und Lebenswahrheit vor meine Augen, als sei es erst gestern gewesen. Mein Beruf als Kriegsberichterstatter hat mich oft inmitten des heftigsten Kampfes geführt, denn damals drängte noch jugendlicher uebermut und heißes Blut mich stets nach ,,Vorwärts ", ich sah Tod und Verderben in grausigster Gestalt, den Ansturm unserer Bataillone in das mörderische Feuer, sah Mut und Tapferkeit , ja Heroismus , gepaart mit Angst und erbärmlichster Feigheit. Allerdings sieht es nachher mit dem „ Berichterstatten" böse aus , von den hauptsächlichsten Bewegungen der Truppenkörper , der Entfaltung der Schlacht, der Entscheidung und Bedeutung des Kampfes weiß man gar nichts ; aber die einzelnen Szenen und Bilder unserer nächsten Umgebung auf dem Schlachtfelde prägen sich desto schärfer in unser Bewußtsein, sie nehmen Leben und Gestalt an und der aufmerksame Beobachter kann die schönen und traurigen Bilder in den lebendigsten Farben schildern, weil er sie nur einfach und unter den momentanen Eindrücken in Wahrheit erzählt , wie er sie erlebt. So konnte auch ich an dem großen Tage von Mars la Tour nur dasjenige schildern, was in meinem Gesichtskreise und stets wechselvoller Umgebung sich darbot, und doch ruft uns die Erinnerung an jene großen Momente diese unvergeßlichen Bilder ins geistige Bewußtsein. Es ist merkwürdig , wie bald sich Auge und Herz an die Schreckensbilder des Schlachtfeldes gewöhnt ; mächtig ergreift der Anblick der ersten Toten und Verwundeten , der Tapferste erbebt , bald aber schwindet das Fieber ; die rasch aufeinander folgenden aufregenden Szenen ; die farbenreichen wechselvollen Bilder, die bunten blizende Kommandoruse Waffen, die Signale und Uniformen, , der berauschende Pulverdampf, der Geschüßdonner, das Zischen und Sausen der Geschosse, laſſen bald die eigene Gefahr vergessen, der Soldat möchte immer nach vorwärts , seinen hinstürzenden Kameraden helfen , die Gefallenen rächen ; erst jezt wird ihm bewußt , daß der ihm gegenüberstehende persönlich unbekannte Gegner sein bitterster Feind ist, der auch feineswegs sein Leben schonen wird , Zorn und Kampfesmut schwellt ihm die Brust, alle Sehnen spannen sich, die entseßlichen Todes : bilder und die ganze Szenerie machen nur mehr den erhebend schaurig schönen Eindruck eines Schlachtenpanoramas . Die Infanterie zum Angriff auseinander schwärmend hat ſich ſchnell aufgelöst und jeder Dann ist auf sich selbst angewiesen. Das Pfeifen der Chassepotkugel wird kaum mehr beachtet , auch ist sie dann nicht mehr gefährlich, denn sobald man sie zischen hört, ist sie ja schon vorbei ; aber der Effelt der heransausenden Granate iſt ein ganz bedeutender, und es gehört eine gute Portion falten Blutes dazu, bei ihrem Herannahen den Nacken steif zu halten , denn wo sie mit unheilverkündendem Ziſchen niedergeht, da duckt man sich oder wirft sich zur Erde ; ja ich habe gesehen, wie ganze Kompanien und Schwadronen zum größten Teile ihre Reverenz " machten, gerade wie ein Aehrenfeld im Gewittersturme. Häßlich war das Knarren der Mitrailleuse, deren moralischer Effekt allerdings zehnmal größer wie die Gefahrselbst ist. Das Schnellfeuer der sich lang hinziehenden Schüßenketten klingt wie das ununterbrochene Geraſſel der Kaffeemühle und der Geschüßdonner gibt die Akkorde zu der düstern Trauersymphonie. Immer dichter lagert sich der Pulverdampf, oft die ganze Szenerie verschleiernd, die Signale der Flügelhörner ertönen : „ Sam meln ! " ,,Indie rechte Verlängerung schwärmen !“
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Zu Vallendar am Rheine. 1199-
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,,Avancieren !" 2c., man hört die Kommando- | zu verhalten sind die ſchnaubenden Rosse, als | Tag erlebt, ein Stück unvergeßlicher deutſcher ufe , wie Gespenster fliegen Adjudanten und jetzt die Schwadronen geschlossen im Galopp Geschichte und deutschen Ruhmes. Nun aber Ordonnanzen , neue Bataillone kommen ins links aufmarschieren ; noch zügeln die Kom- breitet der Abend , die Nacht ihren graun Feuer, noch hört man ermunternde Zurufe, mandorufe die blauen Reiterscharen, fest den Schleier über das Schlachtfeld, der Geschüt Scherzworte der Mannschaften , aber nur zu Zügel in der Faust , die Augen weit aufge: donner verstummt , man hört die entfernten bald verstummen sie , denn das Gestöhn der rissen, als wollten sie durch den Pulverdampf Signale, die Biwakfeuer werfen ihren maci Verwundeten macht sich bemerkbarer , die den Feind erspähen, denn schon überschlagen schen Schein auf ihre nächste Umgebung, wi Reihen lichten sich, ſtumm ſinkt der Kamerad ſich Roß und Reiter, jezt geht's links an den Gespenster huschen die langen Schatten un zur Rechten, krampſhaft greiſt die Hand nach donnernden Batterien vorbei durch die Thal- die einzelnen Feuer, jeder, dem es vergērm der todeswunden Bruſt, ihm bleibt nicht Zeit | ſenkung, immer noch im scharfen Trabe, aber ist, sucht die Ruhe, und mancher iſt ſchon zu zu einem leßten stummen Scheidegruß ; mit immer noch zu langsam ; da endlich , welcher sammengesunken im tiefen Schlummer, et einem halben Sprung nach vorwärts stürzt Jubel für den Reitersmann , „Fanfaro !!!" schöpft von den Anstrengungen und A der Vordermann auf das Gesicht, nicht ein das schöne Signal zur Attacke, und herein regungen des Tages. Es wird kühl und en Glied zuckt mehr, Schuß in den Kopf (eigen wie Gottes Zorn geht es in Tod und Ver- erfrischender Tau küßt mitleidig die bleiden tümlich ist, daß der tödlich Getroffene immer derben, unaufhaltſam Vorwärts durch Freund Wangen der Gefallenen , wer kennt all twe nach derjenigen Seite hinfällt , woher der und Feind , wie eine blaue Flut wälzte sich | Schrecken einer ſolchen Nacht ; auch die Hyōnz, Schuß kam), doch unaufhaltſam weiter,,,vor die Reiterschar dem Feinde entgegen , zum der Leichenräuber, treibt jezt ſein fluchwürdiges wärts " heißt es ; das Granat- und Chassepot: Sieg oder zum schönen Reitertod. Das war Geschäft, denn „die Nacht ist keines Menschen feuer ist stärker geworden, zahlreicher werden der Todesritt unserer beiden Gardedragoner: Freund " und There are more things in haeven an die Opfer, und vom Feinde sieht man nur regimenter am Tage von Mars la Tour. earth, Horatio , in noch weiter Ferne den Pulverdampf der Unvergeßlich bleibt mir dieses großartige maskierten Batterien und der feuernden In- traurig-schöne Bild ; es dauerte kaum eine Than are dreamt of in your philosophy." fanterie in den langgezogenen Schüßengräben . Viertelstunde , bis die Regimenter aus dem Mit banger Sorge schauen die Truppenführer Feuer zurückkamen und sich wieder sammelnach ihren so bewährten Kampfgenossen, der ten von der kühnen , verwegenen Attacke ; es Artillerie, sie wollen mit Ungeſtüm weiter, war aus dem erhaben schönen Bilde ein „ Zu Vallendar am Rheine.“ heran an den Feind aber ohne Deckung durch | trauriges geworden , und herzzerreißend war 99 die weittragenden Geſchüße würde die In- es für den Zuschauer, in ohnmächtiger Wut (Tied im Volfstone.) fanterie dezimiert , ja aufgerieben werden. zuzusehen , wie das mörderische Feuer die Don Wieder schlagen einige Granaten in die Reihen, Braven dahinmähte , kaum die Hälfte der trichterförmig überwirft das sprengende Ge- Mannſchaften fand sich nach der Attacke wieder C. Schulte s. schoß die Zunächſtſtehenden mit Erde und zuſammen und doch hatte dieser Reiterchoc Laub, fünf oder sechs Mann liegen am Boden seine Wirkung nicht verfehlt, auf allen Punkten tot und verwundet , doch einige der Mann weicht der Feind. Infanteriekolonnen wälzen Hu Vallendar am Rheine, schaften, welche von dem gewaltigen Luftdruck | ſich an uns vorüber , neue Batterien fliegen Da steht ein kleines Haus, zur Erde geschleudert wurden , erheben sich vorbei , Ulanen- und Küraſſierregimenter unversehrt, ſie ſchütteln die Erde ab und das folgen ; immer weiter verhallt der Donner Dort schaut im Morgenscheine von Schrecken und Todesahnung gebleichte der Geschüße, und das Knattern des GewehrMein Schaß zum Fenster ' raus. Gesicht versucht ein Lächeln, doch „ vorwärts “| feuers ist in unserer Umgebung ganz verSie hörte wohl mein Horn : Trara! heißt es, er hat kaum Zeit , den leßten Gruß stummt, immer ferner verhallt das Tosen des Vom andern Ufer her, des todeswunden Kameraden entgegenzu Kampfes ; aber das Schlachtfeld mit all ſeinem nehmen ; ,,meine arme Mutter" beben die Schrecken, mit den entseßlichen Todesbildern Und als sie mich im Kahne ſah, blassen Lippen ; ein anderer Leichtverwundeter in so mannigfacher Gestalt, mit dem endlosen Hielt hie's im Haus nicht mehr. bleibt bei ihm zurück , und weiter geht der Jammer und Elend tritt nun in den VorderTrara! Todestanz ; doch jezt zittert der Erdboden, grund. Die Ambulanzwagen mit dem roten Gretula, einige Batterien raſſeln heran ; mit „Hurra“ | Kreuz und die Krankenträgerkompanien bewerden sie empfangen ; sie hielten bereits ginnen ihre Thätigkeit. Unendliches Weh erDein treues Lieb ist da! drüben seitwärts auf der Anhöhe im heißen greift das Herz, wenn das Klagen und Rufen Geschützkampf, die Mannschaften und Pferde der Verwundeten um Beistand und Hilfe erGar jung sind wir zwei beide mit Staub und Schweiß bedeckt, viele mit tönt ; wie mancher Tapfere liegt nun da, Und frisch von Herz und Sinn; zerriſſenen Uniformen und einige Leichtver : schöne jugendkräftige Menſchen ; gewiß ist es wundete mit blutbefleckten Bandagen, an der ein schönes Ende, wo die Parze ſo jäh und Ich steck' im Sägerkleide Tete ein riesiger Batteriechef, mir unvergeß- rasch den Lebensfaden durchſchneidet, sie starben Und hie ist Winzerin. lich durch seine wirklich imponierende Figur, den Heldentod fürs teure Vaterland ; aber Das Leben ist nur Luft : Trara ! das Gesicht mit langem Schnurrbart von das unſagbare Weh, welches die Trauerkunde kein' Sorge macht uns Qual, Staub bedeckt , aber allen voran , hochaufge- den geliebten Herzen daheim verursacht , wie richtet im Sattel, mit dem Säbel den Mann manches Glück , so manche Hoffnung und Im ew'gen Lenz liegt vor uns da schaften die Richtung zeigend ; die erſten Lebensfreude hat hier geendet ! So Rhein als Berg und Thal Batterien haben die leichte Anhöhe im Galopp Noch immer wechseln die Bilder auf der Trara! erreicht, von den feindlichen Positionen aus Walstatt, der Abend naht heran, ganze Bahat man das Avancieren unſerer Artillerie | taillone und zerstreute Abteilungen kommen bemerkt, die Granaten kommen immer zahl- | zurück , auf dem Schlachtfelde wird biwakiert ; reicher mit ihrem unheilverkündenden Gezische, einzelne in der Nähe liegende Dörfer und Pferde überschlagen sich, schon bleiben einige Gehöfte stehen noch in Flammen ; da , noch der Mannschaften tot oder verwundet zurück, einmal belebt sich das Schlachtfeld , jubelnde noch immer dauert der rasende Ansturm Zurufe und Hurras ertönen , ja ein Hurra unserer Batterien ; aber fast wie Erlösung aus der heißen trockenen Kehle der von Blut schallt auch jezt das Kommando der einzelnen und Schweiß starrenden Verwundeten , als Führer : ,,Batterie rechtsumkehrtschwenkt ! halt ! Moltke mit der Siegesbotschaft kommt, und prozt ab ! Feuer!" und Bliz und Krach, Schuß gleich darauf Kaiser Wilhelm mit seinem auf Schuß entsenden die Geſchüße ihre Todes: Stabe herannaht. boten, noch halten sie im vollen Feuer ; aber Und wer es geſehen , wie unser lieber unaufhaltsam sausen die Granaten Tod und alter Kaiser Wilhelm, tiefernst, ergriffen vor Verderben in die feindlichen Maſſen, das Feuer Rührung über das Todesfeld reitet , wie die der französischen Artillerie wird schwächer, ſchon in halbem Todesſchauer erſtarrten Schwerman sieht die Tirailleure maſſenhaft ihre bis: verwundeten sich stüßen, aufrichten und ein her gedeckten Positionen verlassen. Wieder Strahl der Freude ihre bleichen blutenden dröhnt die Erde: im scharfen Trabe naht Gesichter erleuchtet, wie seine Krieger auf ihn Kavallerie, zwei Dragonerregimenter, schmucke, zustürzen und immer wieder Hurras über gewandte Reiter , viel hübsches, junges Blut ; das Leichenfeld erschallen ; wer dies gesehen, wie blihen die Säbel , wie das raſſelt , kaum der hat einen großen Moment, einen großen
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Gretula, Dein Arm mich fest umfah'! Im kleinen Lebenskahne Geht luftig unsre Fahrt ; Denn Treu' steht auf der Fahne Mit festem Mut gepaart. Wo findet sich ein Glück : Trara! Das schöner könnte sein, Als das mir gibt lieb Gretula Aus Vallendar am Rhein! Trara! Gretula, Wir sind dem Himmel nah!
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H. Brugsch-Pascha.
1201
Im Lande der Pharaonen. 1202
1203-
Faffade bes nubischen Tempels von Abu Simbel (S. 1220).
Im
Lande
der
Pharaonen.
Von H. Brugsch-Pascha.
Jie Denkmäler des heidnischen Aegypten, von den Pharaonenzeiten an bis zur derrschaft der Griechen und Römer hin, paren für die Ewigkeit " gebaut. Sie ollten dazu dienen, den Namen der Lanesgötter und der Könige in der Erinnerung er spätesten Nachkommen der Aegypter vach zu erhalten und in ihren königlichen Irhebern ein mächtiges weltbeherrschendes Beschlecht erkennen zu lassen. Jahrtauende sind seit den monumentalen Grünungen über die Denkmäler dahingeflossen nd nur weniges von dem unerschöpflichen Reichtum der Vergangenheit ist vom reißenen Strome der Zeit verschont geblieben. Berfunken und vergessen hat das Schönste nd Beste davon dem Fluche der Zeit
Rechnung tragen müssen und die letzten leberreste des Erhaltenen erscheinen im ichte unserer jungen Welt wie zerkrachte Serippe vorweltlicher Riesenleiber. Alt and morsch starren sie uns entgegen und edes neue Jahr meldet neuen Einsturz 89. II
und neue Vernichtungen der ältesten Zeugen der Vorzeit. Mit einem Worte, alles scheint sich bereits vereinigt zu haben , an dem drohenden Ruin bis zum letzten beschrie benen Steinblock hin zu arbeiten : der Zahn der Zeit, die Hand des Menschen, der unterminierende Strom. Denn auch Vater Nilus in seinem von Jahrtausenden her erhöhten Bett ist übermütig oder zornig geworden; die steigenden Wasser der Ueber schwemmung sickern durch den Erdboden, unterwaschen die stärksten Fundamente und erzeugen ein salpeterhaltiges Salz, das mit unwiderstehlicher Kraft die festesten Mauern und die mächtigsten Säulenfüße der Tempel zerfrist. Alles ist eitel! Das Salomonische Wort bestätigen die Denkmäler der ältesten Vorzeit der Menschheit . Schon ertönt der Hilferuf nach Rettung vor dem Unvermeidlichen, um die notwendigen Mittel zu ergreifen, das drohende Unheil wenigstens in der nächsten Zukunft abzuwenden. Einfran-
zösischer Architekt in ägyptischen Diensten, Grand Bey, hat soeben dem Minister der öffentlichen Bauten einen gedruckten Bericht vorgelegt, um ihn zu veranlassen, die erfor derlichen Geldmittel zur Erhaltung der Denkmäler zu gewähren , sei es auch nur darum, die Nilfahrt von zwölf bis fünfzehntausend Reisenden , welche alljährlich berägypten zu besuchen pflegen und den Bewohnern reiche Einnahmen verschaffen, fürder nicht zu einem leeren Wahn zu gestalten . Das obere Land ohne seine Wunder aus der Pharaonenherrschaft würde niemand betreten, wenn auch sein winterliches Klima unvergleichlich und seine Lichteffekte von wunderbarer Schönheit sind. Ein Betrag von 170 000 Mark, auf acht Jahre verteilt , würde nach Grand Beys Veranschlagung vollständig ausreichen, um die noch vorhandenen Ruinen zu stützen, zu restaurieren , zu umhegen und durch unterirdische Abzugskanäle von dem Ueberschwemmungswasser zu erlösen. Hoffen 51
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die Riesen dem längst Vergangenen, auf deffen arbeit zu mern sich die Gegenwart aufgebaut erleichtern, nichts erhebender als die gewonnene und den zeugung, daß wir vor jenen legten noch reicht der sogenannten geschichtlichen An auch sie wie vor stummen Rätseln stehen, de nicht aus, Größe und Ausführung dem St um die be- die Bewunderung folgen läßt. Auch gonnenen kleinste Denkmal, die bescheidenste Te Angriffe anlage verrät den denkenden Urheba, siegreich ohne die Hilfsmittel der modernen Te durchzu den Zweck seiner Aufgabe in vollkommen führen. Weise gelöst hat. Und wer Die alten Künstler ruhen längt wollte es geffen in ihren Gräbern, aber ihre dazu un sprechen und loben noch heute den Wa Manche Erinnerung an sie haben in ternehmen, in liche Zeugnisse bewahrt und es fling einem un Schwanengesang , wenn sie in der terirdi glyphe von ihren Schöpfungen zu den schen fin teren Geschlechtern reden. steren Die klassischen Griechen haben eine Raume, mutige Sage von den Memnonsto Tempel von Dandur in Rubien (S. 1219). wie ihn die (S. 1213) erfunden, welche einsam wie mit Dar senwächter auf ihren steinernen Sign u und wünschen wir zur Ehre der gegen stellungen und Bildern bedeckte Katakombe die breite thebanische Ebene zu ihren wärtigen Menschheit, daß trotz der Koupon des Petamenophis im Thale des Assasif niederschauen. Wir wissen heute, d zahlungen so viel im Jahresbudget des auf der Westseite Thebens zeigt, auf einer Standbilder eines berühmten Königs modernen englisch-ägyptischenReiches übrig Grundfläche von etwa 24000 Fuß im not hes III., ca. 1500 v. Chr., gem bleibt, um die Denkmäler vom Fluche des Geviert , photographische Aufnahmen von lich Amenophis nach griechischer Anfang bis zu Ende auszuführen, nicht zu sprache des altägyptischen Namens An Sängers zu retten. Was die Alten bauten , damit es die vergessen im steten Kampfe in stickiger Luft hotp genannt, gewesen sind, welde Jungen schauten , hat für das gesamte mit Tausenden von Fledermäusen, welche seinem vom Erdboden verschwundenen heutige Menschentum eine geschichtliche Be- unsern Kopf umflattern und die brennende pel aufgestellt waren. Ihren geistiger deutung. Es wäre eine Schmach für die Kerze zum Verlöschen bringen ? heber nennt uns eine Inschrift auf Zeit modernster Aufklärung , wollte man Dem Leser bieten wir eine Reihe von Seiten seines eigenen Sizbildes im bei dem eingetretenen Vernichtungswerke Abbildungen, um von neuem die Stimmung seum von Bulak. Es war ein Nam in lauer Stimmung die Hände in den für die arg bedrohte Denkmälerwelt wach vetter des Königs , der Sohn eines Schoß legen. Als Salomon , der weise zurufen und durch das Bild den Eindruck der wissen Hapu , der am Hofe seines König, lebte, wirkte und schrieb, war für altersgrauen Vorzeit aufzufrischen. Nichts die höchsten Aemter bekleidete, in der Aegypten die Zeit der neuen Geschichte kann würdiger sein als die Achtung vor stergelehrsamkeit hervorragte und mit bereits angebrochen. Als Abraham in Aegypten einzog, lag das Altertum bereits im Rücken Aegyptens, und als die ersten Pharaonen sich Gräber in Pyramidengestalt aufführen ließen , da war schon eine nach Tausenden von Jahren zählende Kulturepoche dahingeschwunden. Das zahllose Sternenheer am Himmel kann nicht stärfer die Einbildungskraft verwirren und den Geist in Aufregung versehen, als der Rückblick auf die gewaltigen Zeiträume, welche von unserer Epoche aus bis zur Höhe der Pyramidenchronologie hinaufreichen. Es ist seit etwa 70 Jahren massenhaft veröffentlicht und geschrieben worden, um dem wißbegierigen und staunenden Europäer den Reichtum und die Größe der noch erhaltenen altägyptischen Denkmäler in Bild und Wort vor Augen zu führen , aber nur ein Tropfen wird aus dem Meere geschöpft, denn die Hand des Forschers erlahmt bei dem Anblick der beschriebenen Tempelwände und Säulen. Schon muß die PhotoWestlicher Säulengang vor dem Jis-Tempel von Philä (S. 1219). graphie zur Mithilfe eintreten, um
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usführung des Tempelbaues betraut war, eichzeitig aber auch mit der Herstellung er sogenannten Memnonskolosse , deren öhe gegenwärtig etwas über achtzehn und nen halben Meter beträgt. Der ägyptische Tempel, soweit die er altenen uns heutzutage gestatten darüber 1 urteilen , beruhte auf einem allen geeinsamen Grundplan. Nachdem die Förmlichkeit der Grundsteingung durchden önig oder im Camen desselvollzogen 211 ar, begann der jau mit dem intersten und entlegensten eile desselben, i welchem sich Allerhei aš befand ; gite aran reihtesich 1 der Achsennie Saal an Saal mit Neenbaulichkeiten 1 Gestalt von Zimmern,Kamern und Treppenaufgängen ach dem Dache u, dessen Decke (gewaltige Steinlagen) on hinten nach orn zu terrasenförmig anteigen, etwa in ieser Gestalt (siehe untentehende Figur). Vor dem leh en Saale oder em „ Vorder= befand aale " ich meistens ein offener Hof, mit Doppeltürmen Javor , deren Höhe bis zu 60 and 70 m hin= zufreicht. Inder Mitte des einer Festung glei chenden Vorbaues lag der Haupteingang des Tempels , zunächst nach dem Hofe, und rechts und links von demselben wurde je ein
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| kopf aus Stein eingefaßt , lag wie eine Straße vor dem Tempel. Mauern aus dicken ungebrannten Nilziegeln oder aus zu behauenen, von außen und innen mit Dar stellungen und Inschriften bedeckten Werk stücken aus Sand- und Kalksteinen schlossen das Ganze ein, so daß die Gesamtanlage eher einer wohlverwahrten Festung als einem Heiligtume glich. In der Nähe,
Erster Saal im Tempel von Abu Simbel (S. 1220).
auf dem Tempelgebiet , wurde ein künst licher See angelegt, der sogenannte heilige See, der bei gewissen religiösen Zeremo nien zur Aufnahme der heiligen Barke des Tempelgottes diente. Zu den fast vollständig erhaltenen Tempeln gehören die Bauten auf den Ruinenstätten von Edfu und Denderah Π (S. 1222), deren Inschriften sogar bis zu Obelisk und Statuen des königlichen Grün- den Längenmaßen hin eine genaue Beders aufgerichtet. Ein gepflasterter Weg (von schreibung der einzelnen Teile der beiden den Griechen „ Dromos " genannt), häufig Heiligtümer enthalten. Die altägyptische von liegenden Sphinggestalten mit Widder Bauelle betrug 0,53 Meter. Für den
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großen Tempel von Denderah finden sich u . a. folgende Maße verzeichnet. Die Breite des Vorsaales betrug danach 812 , die Länge 482 , die Höhe 32 124 Ellen. Für denselben Saal in Edfu finden sich der Reihe nach die entsprechenden Dimensionen von 75, 35 und 30 Ellen angegeben. Der ganze dahinter liegende Teil in Denderah besaß eine Länge von 112 Ellen bei einer Breite von 23 % Elle. Von der Ecke des einen Turmes bis zur Ecke des andern betrug in Edfu die Länge 120 Ellen und die Höhe eines je den Turmes 60 Ellen. Die Tiefe des großen Eingangsthores zwischen beiden maß 26 2/3 , die Höhe des Tho res 40 Ellen. Fügt man hinzu, daß die steinerne Umfassungsmauer (S. 1218 ) desselben Heilig tumes eine Dicke von 5 Ellen, eine Breite von 90 und eine Länge von 240 Ellen besaß, wie es die Inschrif ten und Mesfungen bezeu gen, so hat man eine richtige Vorstellung von dem gewaltigen Flächenraum , welchen für sich allein dieses Heiligtum in Anspruch nahm. Die Abbildung zeigt am besten die Breite des Mauerwalls und gewährt zu gleich einen Einblick in die linksseitige Anlage des ganzen Tempels . Bemerkenswert sind die steinernen Ausgußröhren für angeſammeltes Regenwasser , welche eine Gestalt von Löwenleibern haben. Von den Sälen, Gemächern, Gängen. und Krypten innerhalb der Tempelmauern und unterhalb des mit breiten Quadern gepflasterten Bodens trug jeder einzelne Raum je nach dem besonderen Zwecke einen ihm eigentümlichen Namen , selbst mehrere, wenn es not that. Ich verweise auf den Grundplan des Denderahtempels, um mit Benugung der darauf eingetragenen
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Buchstaben auf die einzelnen Benennungen | welche sie auf den Wänden älteren Datums | südlichen Seite des Tempels , führen einmeißeln ließen. Soweit es die Jn Zeit die anwohnenden Fellachen die Büd aufmerksam zu machen. A. " Der Vordersaal, der große Saal, schriften nachweisen, umfaßte die Gesamt zur Tränke ( S. 1240 ) . Der Sturm der Zeit hat arg der große Himmelsjaal. " B. " Der Pro- anlage einen Zeitraum von über 2000 ] zessionssaal oder Festsaal. " C. ,, Der Karnak gewütet und selbst wiederholte Der Erdbeben haben dazu beigetragen, die Saal des Opfertisches ." Mittelsaal." E. Die große Stätte stolzen Denkmäler zu Falle zu bringen. Ein Blick in die Sphingstraße vor (Allerheiligstes). " F. " Die Salbendem Tempel des Mondgottes Chons küche. " G. ,,Die Lagerkammer. " H. ,, Die (S. 1222) genügt, um das Vergängliche Kammer für die vorbereiteten Opfer." aller menschlichen Werke deutlich vor I. ,,Die Kammer für das Kühlwasser." Augen zu führen. Von den knieenden J. " Die Schazkammer." K. „ Die Widdern aus Stein zu beiden Seiten Garderobe. " L. „ Der Saal für die der Straße hat kaum einer seinen Feier des Neujahrsfestes ." M. „ Der Widderkopf behalten und schwer erfenn Saal der Weihe. " N. " Die Schatfammer." O. " Das Treppenhaus zum bare Torso zeigen sich heutzutage an der Stelle, wo einst die heiligen Tiere Aufsteigen nach dem Dache" (S. 1216). des Gottes Ammon den Wanderer an P. ,, Das Läuterungsgemach." Q. ,,Das den Kult des thebanischen Hauptaottes Treppenhaus. " R. "/ Der Umgang um das Allerheiligste. " S. " ?" T. " Das oder der Frühlingssonne erinnerten Wie Babylon im Lande der Chal Wiegenzimmer." U. Das Zimmer däer , so besaß Theben am Nilstrom des Horus (Apollon ) . " V. „ Das vom 18. Jahrhundert v . Chr. an unter Zimmer des Gottes Samt o. " X. ,,Das den Völkern des Altertums einen Welte Sistrumzimmer." Y. " Das Wohnruf. Homer singt bereits von der hum zimmer. " Z. „Die Kapelle. " A. " Die Feuerkammer. " B. Der Sonnendertthorigen Stadt, um die Menge ihrer C. " Das Ammenzimmer ." ſtuhl. " Eingänge dichterisch zu ihrer Groe s D. Da Kinderzimmer . " zu verwerten und die ägyptischen n schriften erschöpfen sich in einer Auss Zur Erklärung diene, daß die GötKönig Seti I. opfert der Isis Bildwerk im Seti Lempel wahl von schmückenden Beiwörtern, tin Hathor (Aphrodite) vom Denderah von Abydus (S. 1215). um die Königin unter den Städten“ als die Gemahlin des Gottes HorusApollon, der Sonne in ihrem Oberlaufe, | Jahren. Den gegenwärtigen Zustand der und die Siegerin" oder die Mächtige und als die Mutter des jungen Sonnen gewaltigen Ruinen zeigt die Abbildung. zu verherrlichen . Selbst als Strabon, der sohnes Samto oder der Frühlingssonne Das Turmthor linker Hand besit noch Geograph , der alten Residenz der thebanis verehrt wurde , wobei ihr Tempel mit gegenwärtig eine Länge von 110 und eine schen Dynaſten im ersten Jahrhundertse nen Besuch ab seiner Zimmerstattete, trat ihm anordnung wie der vergangene der Palast einer Glanz noch regierenden Ködeutlich genug nigin angesehen vor die Augen, wurde. wenn er and Der Bau nicht umhin einer Tempel: fann , derWahr anlage im gro heit die Ehre Ben Stil erforderte geben, indem a eine bedauernd hi Zeit von Jahr zufügt, daß fo hunderten und nerzeit die traten neue Anrühmte Stat bauten ganzer fich ineineReihe Tempelgruppen von Dörfern dazu, so waren elöst habe aufg sogar JahrtauEs waren die sende zur Vollselben, and de endung des nen die heut Ganzen erfor gen Ortschaften derlich. Ein Karnal, uro sprechendes Beispiel dafür lie: (S.1214), dinet Ab fert der soge= Schech Abd d nannte ReichsCurna und tempel des Got dere kleinere tes Ammon auf siedelungen der rechten Nilmodernsten seite der alten Eäulengänge vor dem Jfis.Tempel von Philä (S. 1219). baner hervor hochberühmten Königsstadt gegangen Die malerische Tempelgruppe Theben, an welchen zu bauen die Pha- | Höhe von 43 m. Die freistehenden Säulen raonen der thebanischen Dynastien und ihre im Vorhofe hatten eine Höhe von 21 m, der Luxor (S. 1288 ), richtiger nach der arth Nachfolger bis zu den Römern hin um nochaufrecht stehende Obelisk (S. 1228) aus schen Bezeichnung el Lufür , d. h. die Wette stritten , und sollten es auch rosenrotem Granit steigt fast 30 m empor. Schlösser ", an deren altem Kai die Nilschaft nur ihre Bilder und Namen gewesen sein, Im ehemaligen heiligen See , auf der der Reisenden anzulegen pflegen , ist in de
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1213mlesten Jahren einer gründlichen Reimigung unterworfen worden . Die eingenisteten Schwalbennester der arabischen Bewohner sind größtenteils beseitigt und die Schuttberge über dem Tempelpflaster und zwidhen den Säulengängen verschwunEden. Man wandelt wie im Altertume auf platten Wegen in den Das heutige Dorf Buxor (Ostseite der altägyptischen Königsstadt Theben (S. 1212). wundervollen Räumen des Tempels Seinher , der viele Schäße der Vorgegeben ichte wie leitung nach dem gegenüberliegenden als das unfe, dem esl tolof n der t,wie Sei z. B.Tag die steinerne Ramses- hat. | beg heimliche en its hes war bere Ranc in früher Zeiten Ufer des heiligen Stromes zu tragen. verschwunden ; so träumt einsam der be- In Prozession bewegte sich der stattliche Reich, in welrühmte Obelist von Luror vor dem öst- Zug auf dem Gebiete der westlichen Seite chem der unterP lichen Turmthore um den verlorenen Thebens , um die oft beschriebene feierliche irdische König Bruder, den die Franzosen in den dreißiger Wallfahrt nach den Memnonien oder den der Toten Ofi ris feinen eln wel n . die rhunde is Tot hmPar hrt dies ten nac utrrete endemp Jahr habesen ,Jah entfüen um ihmrts anzche aufnac DerSon Wesne de Ein , dieh Herrschersiß aufgeschlagen hatte. Im Westen Gegent , in sich ihrem vollendeten Tageslaufe zur Ruhe pflegten daher die Nekropolen angelegt zu Hier in Luror war es , wo einst die begibt , um am nächsten Morgen das werden, sobald es die örtlichen Bedingungen n . ichen Freudenfest der neuen Auferstehung und gestatteten, und die Könige hielten es für iseigl ten uwekön lleück rach h ges anz seine Stechm undage reic hön tspl Schiffe ihres Großherrn warteten , um an Wiedergeburt zu feiern , war nach alt eine heilige Pflicht , inmitten ausgedehnter den Tagen der Feste zu Ehren des theba- ägyptischen Vorstellungen mit dem Toten Totenstädte den Gottheiten des Landes mischen Ammon Pharao und seine Hof- kultus auf das engste verbunden und galt besondere Heiligtümer aufzuführen , um ihre Gnade und Huld für den eigenen. dereinstigen Eingang durch das Thor des Westens zu einem glückseligen zweiten Dasein durch Opfer und Ge-
bete zu erflehen . War auch von alters her Abydus (S. 1211 ), eine der vielen vermeintlichen Begräbnisstellen des Gottes Osiris , mit seiner ausgebreiteten am Rande der Wüste gelegenen Nefropole der beliebteste Play , auf welchem fromme Aegypter nach dem Ableben bestattet zu werden sich sehnten , hatten auchdie Totentempel von Abndus in den Zeiten des großen (Ra) Ramses und seines Vaters Seti eine erhöhte Bedeutung für den Totenkultus gewonnen , so blieb nichtsdestoweniger die Nekropolis von Theben mit ihren Felsengräbern und Katakomben für die vornehme Welt der Ammonsstadt die bevorzugte Stelle für die Anlage des Hauses der Ewigkeit ". Selbst den Königen der thebanischen Dynastien ward während eines halben Jahrtausends in dem thebanischen Totenthale der Königsgräber die leste Ruhestätte in dem Felsen des Gebirges zubereitet . lichen Am süd Ende der Weststadt , deren heutige arabische Bezeichnung Medinet Abu (S. 1226 ) , d. h. „die Hauptstadt von Abu ", an die altägyptische Benennung die Stadt von Apu oder Api " unwillkürlich erinnert , hatte Ramses III., vielleicht ein Zeitgenosse der trojanischen Begebenheiten und der glückliche Sieger zu Lande und zu Wasser über einen feindlichen Bund von Norden und Westen her eindringender Völker vorderasiatischer und libyscher Herkunft , seine ältere Tempelanlage im großen Stile erweitert und schließlich einen Bau geschaffen , Die sogenannten Memnonsfäulen auf der westlichen Seite der Stadtruinen von Theben S. 1206)
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Buchstaben auf die einzelnen Benennungen |welche sie auf den Wänden älteren Datums | südlichen Seite des Tempels , führen aufmerksam zu machen. einmeißeln ließen. Soweit es die Jn Zeit die anwohnenden Fellachen die Bud A. Der Vordersaal, der große Saal, schriften nachweisen, umfaßte die Gesamt zur Tränke (S. 1240) . Der Sturm der Zeit hat arg in der große Himmelssaal . " B. „Der Pro- anlage einen Zeitraum von über 2000 Karnak gewütet und selbst wiederholte zessionssaal oder Festsaal. " C. „ Der Erdbeben haben dazu beigetragen, die Saal des Opfertisches . " D. „ Der Mittelsaal. " E. "! Die große Stätte stolzen Denkmäler zu Falle zu bringen. Ein Blick in die Sphinrstraße vor (Allerheiligstes). " F. " Die Salbendem Tempel des Mondgottes Chons küche . " G. ,, Die Lagerkammer. " H. ,, Die (S. 1222) genügt, um das Vergängliche Kammer für die vorbereiteten Opfer." I. !! Die Kammer für das Kühlwasser." aller menschlichen Werke deutlich vor Augen zu führen. Von den knieenden J. " Die Schazkammer. " K. „ Die Widdern aus Stein zu beiden Seiten Garderobe." L. „ Der Saal für die Feier des Neujahrsfestes ." M. „ Der der Straße hat kaum einer seinen Saal der Weihe. " N. " Die SchahWidderkopf behalten und schwer erkenn fammer." O. " Das Treppenhaus zum bare Torso zeigen sich heutzutage an der Stelle, wo einst die heiligen Tiere Aufsteigen nach dem Dache" (S. 1216 ) . des Gottes Ammon den Wanderer an P. ,,Das Läuterungsgemach. " Q. ,,Das den Kult des thebanischen Hauptgottes Treppenhaus." R. ,,Der Umgang um das Allerheiligste. " S. ?" T. " Das oder der Frühlingssonne erinnerten. Wie Babylon im Lande der Chal Wiegenzimmer." U. " Das Zimmer däer , so besaß Theben am Nilstrom des Horus (Apollon). " V. „ Das vom 18. Jahrhundert v . Chr. an unter Zimmer des Gottes Samto . " X. ,, Das den Völkern des Altertums einen Welt Sistrumzimmer. " Y. „ Das Wohnruf. Homer singt bereits von der hun zimmer." Z. ,,Die Kapelle. " A. „ Die Feuerfammer. " B. Der Sonnendertthorigen Stadt, um die Menge ihrer ſtuhl. " C. " Das Ammenzimmer . " Eingänge dichterisch zu ihrer Grope D. " Das Kinderzimmer. " zu verwerten und die ägyptischen z Zur Erklärung diene, daß die Götschriften erschöpfen sich in einer Aus König Seti I. opfert der Ifis Bildwerk im Geti-Tempel wahl von schmückenden Beiwörtern. von Abydus (S. 1215). tin Hathor (Aphrodite) vom Denderah als die Gemahlin des Gottes Horusum die Königin unter den Städten“ Apollon, der Sonne in ihrem Oberlaufe, | Jahren. Den gegenwärtigen Zustand der und die Siegerin" oder „ die Mächtige und als die Mutter des jungen Sonnen gewaltigen Ruinen zeigt die Abbildung. zu verherrlichen. Selbst als Strabon , der sohnes Samto oder der Frühlingssonne Das Turmthor linker Hand besitzt noch Geograph , der alten Residenz der thebani verehrt wurde , wobei ihr Tempel mit gegenwärtig eine Länge von 110 und eine schen Dynasten im ersten Jahrhundert se nen Besuch seiner Zimmerstattete, tratihm anordnung wie der vergangene der Palast einer regierenden KöGlanz noch deutlich genug nigin angesehen wurde. vor die Augen wenn er aud Der Bau nicht umbin einer Tempel: kann, derWahr anlage im groheit die Chre Ben Stil erforderte eine geben, indem a bedauernd hi Zeit von Jahrhunderten und zufügt, daß je nerzeit die he traten neue An= bauten ganzer rühmte Stat Tempelgruppen sich in eineNei von Dörfern dazu, so waren aufgelöst hab sogar JahrtauEs waren bi sende zur Vollselben, aus d endung des nen die heun Ganzen erfor derlich. Ein gen Ortschafte Karnal, Sara sprechendes Beispiel dafür lie: (S.1214), dinet Aba fert der sogeSchech Abd nannte ReichsCurna und tempel des Gotdere kleinere tes Ammon auf der rechten Nilsiedelungen moderniten seite der alten baner here Cäulengänge vor dem Isis-Tempel von Philä (S. 1219). hochberühmten gegangen Königsstadt Die malerische Tempelgruppe Theben, an welchen zu bauen die Pha- |Höhe von 43 m. Die freistehenden Säulen¦ raonen der thebanischen Dynastien und ihre im Vorhofe hatten eine Höhe von 21 m, der Luror (S. 1238 ) , richtiger nach der arab Nachfolger bis zu den Römern hin um nochaufrecht stehende Obelisk (S. 1228 ) aus schen Bezeichnung el Cufür, d. 4. die Wette stritten , und sollten es auch rosenrotem Granit steigt fast 30 m empor. Schlösser", an deren altem Kai die Nilsd nur ihre Bilder und Namen gewesen sein, Im ehemaligen heiligen See , auf der der Reisenden anzulegen pflegen, ist in d
H. Brugsch-Pascha. 1213ezten Jahren einer gründlichen Reiigung unterworfen worden. Die ingenisteten Schwalbennester der rabischen Bewohner sind größtenteils beseitigt und die Schuttberge über dem Tempelpflaster und zwi chen den Säulengängen verschwun pen. Man wandelt wie im Alterume auf platten Wegen in den vundervollen Räumen des Tempels inher , der viele Schäße der Vorjeit, wie z. B. die steinernen Ramsestolosse, dem Tageslichte wiedergegeben hat . Manches war bereits in früheren Zeiten verschwunden ; so träumt einsam der berühmte Obelisk von Luxor vor dem östlichen Turmthore um den verlorenen Bruder, den die Franzosen in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts nach Paris entführt haben, um ihm auf dem Eintrachtsplaße seine Stelle anzuweisen . Hier in Luxor war es , wo einst die schön und reich geschmückten königlichen Schiffe ihres Großherrn warteten, um an den Tagen der Feste zu Ehren des theba nischen Ammon Pharao und seine Hof-
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Das heutige Dorf Luxor (Ostfeite der altägyptischen Königsstadt Theben ( S. 1212) .
| begleitung nach dem gegenüberliegenden Ufer des heiligen Stromes zu tragen. n Prozession bewegte sich der stattliche Zug auf dem Gebiete der westlichen Seite Thebens , um die oft beschriebene feierliche Wallfahrt nach den Memnonien oder den Totentempeln anzutreten. Der Westen, die Gegend , in welcher sich die Sonne nach ihrem vollendeten Tageslaufe zur Ruhe begibt , um am nächsten Morgen das Freudenfest der neuen Auferstehung und Wiedergeburt zu feiern , war nach alt ägyptischen Vorstellungen mit dem Toten kultus auf das engste verbunden und galt
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Die sogenannten Memnonsfäulen auf der westlichen Seite der Stadtruinen von Theben
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als das unheimliche Reich, in welchem der unterirdische König der Toten Osiris seinen
Herrscherfit aufgeschlagen hatte. Im Westen pflegten daher die Nekropolen angelegt zu werden, sobald es die örtlichen Bedingungen gestatteten, und die Könige hielten es für eine heilige Pflicht, inmitten ausgedehnter Totenstädte den Gottheiten des Landes besondere Heiligtümer aufzuführen , um ihre Gnade und Huld für den eigenen dereinstigen Eingang durch das Thor des Westens zu einem glückseligen zweiten Dasein durch Opfer und Gebete zu erflehen. War auch von alters her Abydus (S. 1211 ) , eine der vielen vermeintlichen Begräbnisstellen des Gottes Osiris , mit seiner ausgebreiteten am Rande der Wüste gelegenen Nekropole der beliebteste Plaß, auf welchem fromme Aegypter nach dem Ableben bestattet zu werden sich sehnten, hatten auchdie Totentempel von Abydus in den Zeiten des großen (Ra) Ramses und seines Vaters Seti eine erhöhte Bedeutung für den To= tenkultus gewonnen , so blieb nichtsdestoweniger die Nekropolis von Theben mit ihren Felsengräbern und Katakomben für die vornehme Welt der Ammonsstadt die bevorzugte Stelle für die Anlage " des Hauses der Ewigkeit". Selbst den Königen der thebanischen Dynastien ward während eines halben Jahrtausends in dem thebanischen Totenthale der Königsgräber die letzte Ruhestätte in dem Felsen des Gebirges zu bereitet. Am südlichen Ende der Weststadt, deren heutige arabische Bezeichnung Medinet Abu (S. 1226 ), d. h. „ die Hauptstadt von Abu " , an die alt ägyptische Benennung die Stadt von Apu oder Api" unwillkürlich erinnert , hatte Ramses III. , vielleicht ein Zeitgenosse der trojanischen Begebenheiten und der glückliche Sieger zu Lande und zu Wasser über einen feindlichen Bund von Norden und Westen her eindringender Völker vorderasiatischer und li byscher Herkunft, seine ältere Tempelanlage im großen Stile erweitert und schließlich einen Bau geschaffen,
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dessen Größe und Umfang noch in unseren | thebanischen Kopten , verstand es gut , die eine Begräbnisstätte auf der gegenüber Tagen zur vollen Bewunderung auf befestigte Lage zur Anlage ihrer Häuser liegenden Felseninsel des Abaton (heut fordert. Sogar eine ganze Kirche zutage Bigeh genannt) zubereitet und an Die Doppeltürme mit ihren auszunuzen. 1220 ihren geräumigen Plaß den Tagen der Totenfeier zu Ehren ihres ) fand Höfen dahinter , die Säulengänge und (S. in einem der verstorbenen Gatten sette die Göttin über Tempelhöfe, den Strom, um an dem Grabe des Ver nach welchem storbenen zu klagen und zu weinen. Wenn man rohe Gra- auch der Kult der Göttin auf der Insel nitsäulen römi erst in verhältnismäßig später Zeit (im) 0 schenUrsprungs 4. Jahrhundert v. Chr. ) eine größere Aus dehnung unter den anwohnenden Aegyptern verschleppt hatte , um als und Nubiern gefunden hatte, so lieg e Stüßen des nach dem Zeugnis der Schriftsteller und Daches zu die der Inschriften an Wärme und Heiligkeit nen. Die Zeu- nichts zu wünschen übrig und vor allem gen des christ- war es " die Fahrt der Göttin " nach dem lichen Gottes- Grabe , an welcher sich wie an einem ruhen großen Feste das ganze umliegende Land hauses heute zerstreut beteiligte. An dem Bau des großen Jsistempels auf dem Boden des Hofes, wäh- mit seinen luftigen Säulengängen und rend die mo- Kapellen haben sich Ptolemäer und Römer (S. 1231 ) beteiligt und, ohne es hammedanischen Anwohner wissen noch zu wollen, bei aller durch die von Medinet Gestaltung des felsigen Bodens bedingten Abu in den Unregelmäßigkeit und Unsymmetrie der ge schattigen fühsamten Anlage , ein Werk geschaffen, das len Gängen der in der Umrahmung grüner Hecken, Sträu Säulenhallen cher und Palmengruppen , deren saftiges der Ruhe pfle Grün von den dunklen Felsengruppen im gen und die Hintergrunde der nubischen Landschaft fid blauen Wolken wundervoll abhebt, auf Gottes schöner Erde ihres Tschibuts seinesgleichen suchen soll. Selbst die Schutt- und Trümmer in die Luft bla= sen. Es sind die haufen , welche die Wanderung auf dem Epigonen der Eilande unterbrechen, tragen dazu bei, den alten Gründer Eindruck des Malerischen zu erhöhen und des Tempels, die Seele mit Bildern aus den Träumen Deftlicher Treppenaufgang im Tempel von Edfu (S. 1210). die Nachkom von einer anderen Welt zu erwecken. Und men der christ wer die Geschichte der Insel von den Thore, die zahlreichen Gemächer an den | lichen Nachfolger und sie selber ein Ge- Zeiten des fiskultus an kennt , dem gebeiden Längsseiten und im Hintergrunde, schlecht, dem der Adel ihres Stammbaums staltet sich das lebendige Voraugensein zu die seltsame Königswohnung in Gestalt längst aus dem Gedächtnis entschwunden ist. einer historischen Vergangenheit , wie sie Unter allen ägyptischen Tempeln mit auf einem so kleinen Punkte der Erde eines Etagenturmes an der Südostecke und die überreichen historisch wichtigen Dar- ihren großartigen, aber düsteren Eindrücken, nicht großartiger gedacht werden kann. stellungen und Inschriften , deren einstige mit ihren Erinnerungen an die entschwun Hier stritten Rubier und Blemmyer , die buntfarbige Ausfüllung die noch erhaltenen dene Pracht und Herrlichkeit in einer elen letzten Epigonen des hinsterbenden Aethio Spuren zeigen, alles das spricht von der den bettelhaften Gegenwart ist es nur penreiches, gegen Aegypten, Griechen und Macht eines Königs , dessen Reichtum und einer, welcher dem europäischen Reisenden Römer um den Besit der Insel und des Herrlichkeit die bei Herodot erhaltene Sage wie ein liebliches und anmutiges 3dyll Isisheiligtums , hier fand der hartnädigste von der Schazkammer des Rampsinit, erscheint , denn ein Zauberblick in ein Kampf vor den Bildern der Göttin um Ramses der Feenland eröffnet d. h. Ramses pnuti Göttliche ", wie er thatsächlich in den ägyp- sich seinem enttischen Inschriften genannt wird, mehr als zückten Auge und das Bild haftet alle Beschreibungen verkündet. Auch indiesem gewaltigen Bau (S. 1233) unauslöschlich in find bis zur Stunde von außen und von seiner Seele. Es innen die Schutthaufen zu Bergen an- ist das oft be= gewachsen und wenn auch mit starkem Auf- schriebene , verwand von Geld, Zeit und Menschenkraft ein herrlichte, besunzelne Teile des Tempels davon befreit sind, gene und reizende wie beispielshalber der große leßte Saal mit Eiland der „ heiseinen traurigen Säulenstümpfen (S. 1235), ligen Insel" von so bleibt dennoch der bei weitem umfang- Philä, an der reichere Teil zu reinigen übrig , um der ägyptisch- nubiwissenschaftlichen Forschung neue Seiten schen Grenze, jender Geschichte und der Zeitkultur zu ent- seits des ersten hüllen. Unter den Ptolemäern und Rö- Wasserfalls bei mern hatte sich eine ganze Stadt in dem der Stadt Aſſuan. durch seine starken Mauerwälle wohlge: Der Sage nach schüßten alten Bau angesiedelt und auch ihre hatte Isis ihrem Osiris Nachkommenschaft christlichen Glaubens , die Bruder Die Außenmauern des Tempels von Edfu. Blick von Norden aus (S. 1209).
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eidentum und Christentum statt und ein ägyptischen Bauten nimmt schon seines | findet sich eine nischenartige Vertiefung mit Diokletian befestigte die Insel zum Schuße Alters und Urhebers wegen der Felsen- den bemalten Sigbildern des Gottes Re egen die Einfälle der Aethiopen in Aegyp tempel von Abu Simbel ein . Er bietet von Heliopolis , des Königs Ramses II. als n, hier zahlten die stets siegreichen Rö- zugleich den Beweis , in welcher fast des Gottes der neugegründeten Ramsester einen demütigen Tribut, um sich vor übermenschlichen Weise die Aegypter des stadt , des Gottes Ammon von Theben en wilden Horden der Blemmyer zu sichern 14. Jahrhunderts v. Chr. es verstanden und des uralten Gottes Ptah, des ägyp nd hier, wo sich mitten unter den Tempel hatten, einen Berg in einen Tempel zu tischen Hephaistos von Memphis . Die auten der Isis eine der ältesten christ verwandeln. Die Dimensionen sind so ge- Bilder stellen die vier Hauptlandesgöt chen Kirchen im Süden erhob, stand der waltig, daß jede Beschreibung weit hinter ter zur Zeit der Herrschaft des Königs ultus der Göttin noch hundert Jahre der Wirklichkeit zurückbleibt und die stärkste dar. Zwischen den zahlreichen bunten Darach dem christlichen Religionsedikt des Phantasie nicht im stande ist, sich das Ge- stellungen und Inschriften, welche dieWandseiten und Säuroßen Kaisers len der sämt Theodosius I. n voller Blüte. lichen Räume im Innern des zahlDie osen Inschrif Felsentempels bedecken und en und Prosfynemata in meistens Gegenstände des Kulägyptischer, tus betreffen, äthiopischer, nehmen eine riechischer und Reihe histori römischer scher Bilder eine Sprache und Schrift, welche hervorragende FUEL Stelle ein. Sie die Tempel: zeigen den Kövände bedecken, ühren von Reinig im Kampfe senden her, gegen die Hevelche in den thiter während Jahrhunderten seines Feldzugs im fünften inmittelbar vor JahreseinerReind nach dem gierung. Der Anfang der herkömmlich hristlichen Aera steife ägyptische pas reizende EiStil, in wel and der Isis chem der unbe: besuchten und fannte Künstler oft mit poeti= chem Schwung seine Zeichnung hren Gefühlen auf die Fels: wand in Meider Begeiste Belarbeit gerung und des Entzückens bracht hat, läßt Stätte der ältesten christlichen Kirche im Tempel von Medinet Abu auf der Westseite Thebens (S. 1217). Ausdruck vereine gewisse liehen. DiezahlLebenswahrheit losen , von den Gelehrten sorgsam gesam samtbild in seiner Großartigkeit auszu- und Lebenswärme nicht verkennen. Der Felsentempel von Abu Simbel melten Inschriften bilden ein wahres Frem malen. Man denke sich fern von aller denbuch auf Stein, dessen historischer Wert menschlichen Kulturbewegung hart am gehört zu den großartigsten Werken , die von allen anerkannt worden ist, die sich mit Rande des Niles , nördlich vom zweiten jemals von Menschenhänden ausgeführt dem Gegenstande näher beschäftigt haben. Katarakt bei Wadi Halfa , eine steil ab- worden sind, ganz abgesehen von der NutPhilä (S. 1205 u. 1211 ) bezeichnet fallende Felswand von graubraunem Sand- barkeit desselben in einem einsamen von den südlichsten Endpunkt der echt ägyp- stein. König Ramses II. , der bekannte Sandhügeln und Sandlagern erfüllten Teile tischen Tempelbauten, denn von da an tritt Sosoftris der klassischen Schriffteller, ließ der nubischen Landschaft . Und dennoch die nubische Landschaft ein, wenn auch die aus denselben zunächst eine Tempelfassade läßt es sich erraten, in welcher Weise die dort gefundenen Heiligtümer ägyptischen ( S. 1202) abglätten , welche mit leichter dee zur Ausführung einer so ungewöhn Ursprung verraten, doch ohne die Größe Neigung eine Höhe von 40 und eine Breite lichen Leistung in dem Kopfe eines „ königund Schönheit der Götterwohnungen im von 30 m nachweisen läßt. Vier kolossale lichen Oberbaurates " entstanden sein mag. unteren Nilthale zu erreichen. Vom poli Sigbilder, von der Größe der Memnons- Der Berg von Abu Simbel enthielt einen tischen Standpunkte aus waren die Aegyp: kolosse, treten aus der Wand heraus. Die vortrefflichen Sandstein für bauliche Zwecke ter flug genug selbst den nubisch- äthiopischen Gesichtsbreite der steinernen Riesen , über und nach dem Beispiel der alten Pyrami Gottheiten ihre Huldigungen nicht zu ver 4 m von einem Ohre zum andern , und die denkönige, welche in der Nähe von Kairo sagen und nach der antiken Anschauung Handlänge von 21 m mag als Maßstab die dort im Mokattamgebirge gelegenen in dem Fremden das Eigene wieder für die übrigen Teile des Körpers gelten. Kalksteinbrüche in saalartige Räume verzuerkennen. Dem Altertum war religiöser Durch einen mittleren Thüreingang be- wandelten , verwertete man die gebotene Fanatismus ein unbekanntes Ding. Der tritt der Besucher die inneren Räume, die gute Gelegenheit zur Schöpfung eines Bylon und Tempel von Dandur (S. 1204), aus vier dahinterliegenden Sälen in der Tempels , wie er gewaltiger und impoin der Nähe des Wendekreises, kann als selben Achsenrichtung bestehen, während sich santer nicht gedacht werden konnte. Der Beispiel einer nubischen Tempelanlage gel- rechts und links davon acht Nebenräume ab- Umstand, daß weder in der Nähe des Temten, obgleich die Trümmer eines großen zweigen. In dem ersten Saal ( 18 m lang, pels noch am Fluß auch nur eine einzige Teiles des gegenwärtig den Erd- 16,7 m breit) stüßen acht Pfeiler in Ofi Spur der ausgebrochenen Steinmaſſen zu boden bed eckBaues en. risgestalt mit dem Namen des Königs die entdecken ist, führt unwillkürlich zu meiner Eine Ehrenstelle unter den nubisch Decke (S. 1208) . Jm hinterstenRaume be- Ansicht über die Entstehung des Felsen-
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Widder Sphing-Straße vor dem Ghons-Tewpel in Karnal (S. 1212). tempels . Der Sand, welcher den unteren Teil der Kolosse zur rechten Hand verdeckt und überschüttet hat, istrollender Flugfand, wie er sich häufig an den nubischen Gebirgszügen vorfindet, und hat nichts mit dem eigentlichen Werke selber zu thun. Den europäischen Reisenden wird wohl auf lange Zeit die Gelegenheit nicht mehr geboten werden , den Tempel von Abu Simbel zu bewundern. Der moderne Aethiope, der sudanesische Anhänger des Mahdi in Derwischgestalt, lauert im Hinterhalt und gefährdet jeden fremden Besuch dieser merk würdigsten aller Stätten der vergangenen Größe Aegyptens . Trotz aller scheinbaren Ruhe gärt es in diesen Gegenden der nubischen Landschaft fort und fort und wißbegierige mutige Reisende wie Virchow und Schliemann haben es erleben müssen , daß selbst eine englisch-ägyptische Bedeckung nicht ausreichte, um den eigenen Gebrauch von Feuerwaffen entbehrlich zu machen.
Grundriß be? Tempels von Abu Simbel (S. 1220).
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werden, um dann sofort auch in der Gar derobe zu verschwinden, den schofeln Kon Von torrock auszuziehen , sich in Wichs zu werfen, den hohen Cylinder aufzusehen und Ph. Kniest. dann den Weg zur Börse" via einer feinen Restauration oder des fashionablen Klub inen wichtigen. vielleicht den wich lokales , welches die Chefs mit ihrer Ge E Abschnitt im Tageslaufe genwart zu beehren pflegen , anzutreten. tigsten der kaufmännischen Geschäfte in den beiden Nun geht's im Kontor drunter und drüber: deutschen Welthandelsplätzen , Hamburg die Herren Lehrlinge schlagen über die und Bremen, bildet die Börsenzeit, welche Stränge ; von arbeiten ist nicht mehr die die Nachmittagsstunden von 1-3 , bezw. Rede, die Herren Commis eifern und schelten ganz vergeblich. Das beste, was 2 Uhr, ausfüllt. Schon gegen 12 Uhr mittags bereitet die letteren thun können, ist , auch den gehen. Sie sich in den vielfach gegliederten Kontor: Hut zu nehmen und zu und Lagerhausarbeiten eine Pause vor. können sicher sein, daß nach Verlauf einer Die Quartiers- und Arbeitsleute, die Viertelstunde das Kontor nur noch unter Küper und Zollbeamten machen Mittag, der Obhut des Jüngsten " sich befindet, die legten Makler und Agenten verschwin- der sich dann dort sehr gemütlich" fühlt den, wenn nicht etwas besonderes vorliegt, und überall hinein seine neugierige Naje aus den Geschäftslokalen und von den steckt. Es ist ja Mittagszeit , die Firma Straßen, das Bedürfnis empfindend , sich steht in guter Ruhe und in sicherer Entvon den Strapazen des Vormittags in fernung an der Börse und im übrigen ihren Stammrestaurationen zu erholen. Gott befohlen! Punkt ein Uhr werden in den der Die Kontoristen arbeiten nicht mehr mit dem gleichen Eifer wie bisher. Der eine Börse nahegelegenen , von Geschäftsleuten und der andere blickt von seinem großen besuchten Restaurations- und Klublokalen Foliobuche auf und nach den Pulten der Glockensignale gegeben , und dann eilen Chefs und des Prokuristen hinüber , der die anwesenden Jünger und Verehrer Mer angenehmen Erwartung hingegeben , daß furs in Gruppen vereint ihrem Tempel zu. In früherer Zeit wurde der Gang die Herren ihre Federn aussprizen , von den Böcken aufspringen , verschiedene Pazur Börse" (so sagt man nämlich in den piere ordnen und in ihre Notizbücher legen Hansestädten) feierlicher ins Werk geseht
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Auf dem Wege zur Börse " sollte und worden war , an seinem Orte verblieb. und gewissermaßen als Haupt- und Staatsaktion betrieben. Im vorigen Jahrhundert soll man niemanden beirren und aufhalten. Ein nach Sehenswürdigkeiten angelnder schritten die Herren Kaufleute im besten Folgendes wird als verbürgt erzählt : Fremder sah auf der Straße einen wür Staat, mit Dreimaster , Perücke und In Hamburg war ein auf der Durchreise digen alten Herrn bedächtigen Schrittes galonniertem gehen. Er Rocke ange: fragteihn höflich, wo sich than, gravitäjenes Denk tisch über die mal befinde? Straße. Ja, ich erinnere Da soll der mich, daß so ehrenwerte gar bis zur Hamburger entrüstet ge= Mitte dieses antwortet ha= Jahrhunderts ben : ,,Wat die älteren Herren an der frag ik na den Papst , it ga Börsenichtanna de -ders als im s!" Bör schwarzen Ob der entrack und wei Ber Halsbinde rüstete Börcrschienen. Es senbesucher damals unter ist noch nicht DachundFach lange her, daß sich befunden junge Herren, hat , ist einidie sonst niegermaßen drige Hüte fraglich, denn trugen, in fast noch bis ihrem Kontor in die Mitte eine Angströhre ,den sog. dieses Jahrhunderts hin Börsen oder Kredithut ein mußte ein großer Teil hängen hatdes Börsenten. ,,Nie ohne verkehrs, weil solchen," war die 1578 erdie Losung baute erste beim Gang an Börse bald die Börse. In Bremen verviel zu klein sammeltensich wurde , auf den durch die Kaufleute inihrem KlubBürgergardisten abgelokale, dem sperrten be: Museum, und nachbarten die Makler, Straßen abAgenten und Kommissio gehalten wer den. Erst im näre in der Jahr 1841 jog. Börsenwurde das halle , und, jetzige Bör wenn die Glocke Eins sengebäude dem,, ehrbaren von dem Domturm Kaufmann" brummte, übergeben. In Bremen ent= dann ging's in feierlichem stand das erste BörsenZuge , paarweise geord: gebäude gar erst um 1695. net , in die heiDie Kaufligen Räume der Börse, die mannschaft, welche die geschlossen Notwendig wurde, sobald Offener Säulengang im Tempel von Medinet Abu S. 1215). feit einsah, zu der lehte einpassiert war. gegenseitigem Und nur gegen Erlegung eines Straf- | dort gestorbener Papst ') vor alters proviso- | Austausch der Gedanken und in persönlic her geldes konnten Verspätete noch Einlaß er risch beigesetzt gewesen. Man hatte ihm ein Begegnung zusammenzukomm , hat also en halten. Man hält diese Sitte auch heute entsprechendes Denkmal gewidmet , welches sehr lange warten müssen , che man sie noch in Hamburg und Bremen der Erd auch, nachdem die Leiche später abgeholt eines Schutes von „ oben" bedürftig fand. In Bremen aber hielt sie sich in nung wegen aufrecht. 1) Benedikt V. 52 89. II.
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INTE NEENAGED Obelist hinter dem ersten Tempelsaal von Karnat (S. 1211). untern Regionen dafür schadlos . Sie tagte nämlich über dem Gewölbe des Ratswein fellers. Die „ ehrbaren" Kaufleute werden ihre Plagen und Verluste , ihre gegensei tigen Chikanen wohl manchmal beim Klange der grünen , mit Rheinwein angefüllten Römer drunten vergessen haben. Wie schon erwähnt , fennt der Kaufmann auf dem Wege zur Börse keine Hindernisse. Manche Herren rennen ohne Besinnen den besten Freund nieder, wenn er ihnen in die Quere kommt ; ja sie haben sogar für die Reize schöner , ihnen begegnender Frauen durchaus kein Auge. Der Besuch der Börse gilt dem Kaufmann nicht nur als notwendig , er betrachtet ihn auch als eine Ehre. Der
tut
| Kommis , welcher mit an die Börse genommen wird, bekleidet im Geschäft einen Ehrenposten, nimmt eine Vertrauensstellung ein. Kaufleute , welche ihre Zahlungen eingestellt haben , bleiben von der Börse fort, bis cin Vergleich mit ihren Gläubigern abgeschlossen und gültig geworden ist. In Zeiten von Handelskrisen erscheinen selbst in ihrem Bestande gefährdete Kaufleute , solange sie sich aufrechtzuerhalten vermögen, an ihrem Plate. Wenn es heißt : Der oder jener ist heute nicht an die Börse gekommen", so heißt das so viel als : die Firma ist gefallen. Unehrenhafte Leute werden zwar selten von der Börse geradezu weggewiesen oder hinausgeworfen, aber man versteht es, sie hinauszudrängen.
1230In Bremen ist das mehrfach vor gekommen. Ob heutzutage, im Zeitalter der Telegraphen , Telephone , Eisenbahnen und Schnelldampfer , die Börsenzusammenkünfte noch nötig find? Man könnte es mit dem Scheine einigen Rechtes bezweifeln. Aber die Erfahrung lehrte anderes. Der Besuch der Börsen hat im allgemeinen eher zu- als abgenom men. In Hamburg wenigstens sind die geradezu gigantischen und neuerdings oft vergrößerten Räume den steigenden Ansprüchen gegenüber noch immer zu klein. - Bermag man auch zu jeder Zeit jetzt sich mit seinen Geschäftsfreunden, mit Maklern, Bank , Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsdirektionen ver mittelst des Fernsprechers zu ver ständigen, der persönliche Ver fehr kann doch nie dadurch ersest werden. Jeder, welcher mit Han del und Wandel im Zusammen hang ist, erscheint an der Börje Auge in Auge läßt sich so manches verwickelte Geschäft rasch erledi gen; mit einem guten Wiße ist manchmal eine böse Differenz auszugleichen und durch eine passend angebrachte Höflichkeit oder Grob heit wird ein hartnäckiger oder un angenehmer Gegner oft in die Schranken gewiesen. Der hanseatische Kaufmann fann die Börse gar nicht entbeh ren. Verhindern ihn Umstände, sie zu besuchen, so fehlt ihm etwas. Selbst derjenige Kaufmann, wel cher sich vom Geschäfte zurüdge zogen hat, stellt sich dort ein, wenn er am Blake wohnen bleibt. Die Luft, welche ihn an der Börje umweht, belebt und stärkt. An geregt und heiter kommt er nach Hause; die Frau Gemahlin ist schon voller Erwartung, bei Tisd zu hören, was es an der Börse neues gab. Bei Handelstrijen aber wird der alte Herr hübsch Dann regt ihn daheim bleiben. die Geschichte doch zu sehr auf. Das Fallen der Kurse und etwaige Hiobsposten erfährt er früh genug | aus der Zeitung. Nicht an die Börse gehen zu können, ist eine Entbehrung deren Größe nur derjenige versteht , wel cher selbst Kaufmann gewesen ist. Der stolze Bau der Hamburger Börje ist vielen durch eigene Anschauung bekannt. Ich will ihn daher hier nicht beschreiben und nur erwähnen, daß das ursprüngliche Ge bände durch zwei angefügte Seitenflügel zu verschiedenen Zeiten vergrößert worden ist. Der innere Raum zerfällt in dre Säle, welche in einfachem Stile ohne viel Schmuck ausgeführt sind. Diese drei mitt leren Hallen sind durch niedrige gewölbte Seitenschiffe flankiert und verbunden. In Bremen hatte man sich bis 1864 mit der alten , sehr kleinen und niedrigen
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Börse beholfen. Die ehrbare Kaufmann- Ich bin so frei , mich haft befand sich in derselben eingepökelt als Führer anzubieten pie eine Partie Heringe und begrüßte daher und bitte, mir folgen enen Tag als hohen Festtag, an welchem zu wollen . Wir sind in Hamin das neue palastartige Gebäude am Markt einziehen konnte. In gotischem burg! Es ist gleich ein tile gehalten , zeigt es im Innern eine ohe, architektonisch schöne Halle mit je Uhr. Von allen Seiei niedrigen gewölbten Schiffen an jeder ten rücken die Herren Beite. Das ganze gleicht einer Basilika. an , welche sich an die Andrei Seiten ist der Mittelbau von Börse begeben wollen. alerien umgeben , die zu einem großen Schon drängt man sich onferenzsale und zu Probezimmern führen. an den Eingängen. Die esten von Arthur Fitger, die Segnun kleinen jüdischen Schaund Fährlichkeiten der Schiffahrt, die cherer auf der breiten Bezeichen, Sternbilder, wie das Kreuz des Freitreppe, welche allerdens und den Großen Bär , in alle lei Kleinigkeiten , die prischer Auffassung darstellend, zieren das Zeitungshändler,welche reppenhaus. Eine Marmorstatue der ihre Blätter anbieten, rema schaut in die Halle hinab , deren finden wenig Beachinterwand ein großes Gemälde, die Ko- tung. Folgen wir den misation der Ostseeprovinzen durch die anja abbildend , zeigt. An das Börsen Herren , die die große bäude schließt sich, durch eine offene steinerne , im Innern affage getrennt , ein Halbkreisbau , wel nach der Galerie und zu er Kontore enthält. Im Gegensatz zur | den Assekuranz- und den . amburger Börse , welche stets überfüllt Sälen der sogenannten scheint, könnte man über die Bremer die Börsenhalle führende blischen Worte schreiben: „ Es ist noch Treppe hinaufpilgern ! aum vorhanden ". Die geringere mer Oben auf dem KorriBlick von den Schutthügeln aus in den Tempel von Medinet Abu (S. 1216). ntilische Bedeutung Bremens , der klei dor ist's schon recht voll. re Play, welcher nur in einigen Bran- An den Pfeilern sind en es zur Welthandelsstellung gebracht politische Telegramme angeschlagen , vor Schmuckfedern, Blumen , Maschinen, Telet , macht sich geltend. Auch hält der welchen Neu- und Wißbegierige sich phone, Velocipeden, Glasmalereien, Stahl mstand, daß ein hohes Standgeld zur stoßen. Die Depeschen enthalten nichts von und Eisen in Stangen , Turmuhren und mortisation der Bauschulden erhoben wer- Wichtigkeit. Darum weiter ! Zunächst Orgeln, Trompeten und Trommeln, kurz : n muß, den größeren Besuch der Börse lenken wir unsere Schritte nach einigen was man nur denken kann ! Hier verhl etwas zurück. Hoffentlich ist die Ent- großen Räumen , welche Musterlager für mag man innerhalb weniger Stunden eine delung Bremens , welches bekanntlich den Erport enthalten. Was ist hier nicht Ladung der verschiedensten Artikel , für außerordentliche Anstrengungen macht alles ausgestellt , zum Teil in eleganten jeglichen Weltteil passend , zusammenzueine große Seserkorrektion , Hafenbauten), um seinen Glasschränken : Nähnadeln , Drahtstifte, stellen und zu bestellen , ndel zu heben, eine derartige, daß auch Nägel , Schrauben , Wagenfedern , künst Erleichterung für jeden Exporteur. Börsenverkehr bald ein Fortschritt er liche Blumen, Heiligenbilder, Kruzifire und Lange aufhalten dürfen wir uns nicht. tlich wird. Madonnenfiguren , Parfümerien , Seife, Jndes können wir alles in Ruhe besichWünscht der gütige Leser das Leben Bier in Flaschen , Wein und Liföre, tigen, denn wir befinden uns ganz allein der Börse näher kennen zu lernen ? Tinte, Papier, Stoffe, Wäsche , künstliche hier. Begehr scheint heute nicht vorhanden zu sein. Hinaus nun wieder auf die Galerie! In den Ecken neben den Säulen ſizen alte Herren mit orientalischen Gesichtern, die in ihre Notizbücher blicken und dann und wann von jungen Leuten angeredet wer= den. Sie nicken entweder zustim= mend oder schütteln abweisend die Häupter. Viel Meinung scheint nicht zu herrschen. Wir folgen einem lauten Geräusch von Stimmen und kommen in einen großen Saal. Hier wird eine Art Vorbörse gehalten. Man hört viel von Kreditaktien und sieht die Leute nach den Tafeln hinrennen, an welchen eben die neuesten Kurse von den Hauptbörsenplägen angeschlagen werden. Wie manche lange Gesichter und wie manche freudig erregte Miene - je nachdem die Wünsche durchfreuzt oder erfüllt wurden. Gegenüber hängen die neuesten Telegramme über Schiffs = Der sogenannte Rios!, ein Römerbau auf der Insel Philä (S. 1218) abgänge und Ankünfte auf der Elbe,
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ihretwegen hier und da an: Wo steht dieser oder jener?" „" Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Dort rechts werden sie ihn finden ! " Da stehen nämlich diejenigen Firmen, welche mit Afrika arbeiten. Andere Branchen haben auch ihre bestimmten Stand pläge, wo der Eingeweihte sie leicht findet. Den Plaß der Börsenfürsten, der könig lichen Kaufleute" , die mit ihren Geschäften und ihrer gewaltigen Kapitalkraft die Welt beherrschen, kennt jedermann . „ Sie wollen Herrn N. sprechen? Ach
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" Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal, sowie die " Soeben , " antwortet er , " kam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt Nachricht , daß die Estella ' von einem mit Vergnügen , daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde . . ." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über dieses und jenes Schiff, welches über die ་,„ Das wäre!" „ Ja , und - gesunken ist. Sie gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer als total verloren zu betrachten. " jegliche Nachricht fehlt. Der Chef hört ihn ruhig an und sagt Plöglich schlägt draußen eine Glocke an. Die Menge drängt nach den Thüren dann: „Wir haben doch fünfzehn Prozen zu. Wir werden mit hinausgeschoben und imaginären Gewinn versichert?" " a ," entgegnet der Prokurist. sind wieder auf der Galerie, dicht an der " Die Mannschaft wird hoffentlich ge Brüstung derselben. Unten in der großen Halle wogt es auf und ab , scheinbar rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber war alles durchmir freilich di Ladung als de einander, ohne Ordnung und Nußen gewesen dann brauff Regel . Das Gedie Mühle nich summe vieler tausend Stimstillzustehen ... Dort geht de men schlägt, Agent .! dem Geräusch fen Sie ihn a der Brandung auf dem Mee fälligst her." DerHerrer resstrande ähn= lich, andas Ohr. scheint und wir Es ist , als ob gefragt , ob d eine schwim man unter sich mende Ladun das Gewimmel Reis anzubiete riesigerAmeisen fähe. Die Glode hat? Er ve 12494 neint , erhalt schlägt noch einaber, als er i mal an. Jezt eben anschickt g ist's Zeit, sich hinunterzubege gehen, ein Tele gramm, welche ben. Um halb er unserem zwei beginnt die Börse. Freunde zeit Dort in der „Ich accer tiere," sagt les großen Halle terer und erzäh hat sich doch dann das Schid schon eine ge= wisse Ordnung sal der Estella welches der hergestellt. Die meisten Herren Agent noch nid Halbzerstörter Säulenhaal im Tempel von Mebinet Abu (S. 1216). stehen still ; nur erfahren hatt verhältnismäßig wenige drängen sich durch | ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. "Ich gratuliere zum Kauf! Die La die dichtgefäeten Gruppen . Diese Wan- Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig ." " Ganz Jhrer Meinung ," entgegna delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen !" büchern , mit Probebeuteln und -Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich eini in den Händen: Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schätzt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Minuta zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blick in da eifrig mit einzelnen Herren, welche sich ent- er sich ab, weil einer der vielen umher Getriebe geworfen und sind Zeugen g weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De wesen, wie rasch die Geschäfte eingeleit aber höchst gleichgültig und vornehm, ver- pesche behändigt. Er überfliegt sie rasch und erledigt werden. Drüben im Anbau stehen die Va halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten: " Die Estella' ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden , oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Sie sich aufbauen, liegen die ver verweigern. Alte, hungrig und kummer daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klassifikationsbücher , in wel voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt nach Be mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. So, lieber K., art, Güte, Alter und Vertrauenswürdi sauersüß, wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit, " sagt er , den Blick keit verzeichnet ist. Des Nachschlagens mit einem Hause geringeren Ranges ge auf mich gerichtet , womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Assekuran anträge vor. Einige der Herren Assekura lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen ?" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter Laun tage rauchen ! Die dienstthuenden Kommis schäftsinteressen , sondern wollen nur einige denn sie haben eben in die Verlusti der großen Firmen holen Schiffsmakler von gemeinschaftlichen Bekannten aufgetra einen bösen Posten eintragen müssen und Verladungsagenten herbei, mit denen gene Grüße ausrichten. Glücklicherweise Casco (Schiff) und Ladung der „ Estella die Chefs konserieren ; der Assekuranzmakler stört uns in den nächsten Minuten nie- ist an der Hamburger Börse versichert erhält seine Aufträge. mand in der Unterhaltung. Dann aber auch die wahrscheinlich beschädigte Ladus Wir hegen den Wunsch, einige uns kehrt der Prokurist zurück, bleich und vers des Dampfers , welcher sie in Grund ge bohrthat. Der Schaden beläuft sich vielleic bekannte Herren zu sprechen und fragen stört.
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1239 f einige Millionen Mark . Die Schiffs | fünfzigtausend Kred123 it !8" oder : „Ich gebe | solche Spieler , die nicht im stande sind, 1237 So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, ifler, deren Börsenkontore die Seite der zehntausend Hanseaten ! " u. dergl . um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in ille begrenzen , fommen , um näheres zu viel Brief ! So viel Geld ! Ultimo ! fragen. Glücklicherweise sind die Mann- Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen . Hier im betäubenden Lärm ist's nicht itrelb r Schi e von aften ammffe ten in Sich n men . e börs en sehr gemütlich , dazu ist die Lust dumpf ten gera ! ?Ma iff die beide Telegr redetSie uns Damp an : fsch sea „Hab der erhe Unte SieeHan Neh agen, daß dieselbe endlich ganz eisfrei fahrtsaktien ?" Wir schütteln erstaunt den und schwül . Eine angenehmere Tempe und daß die zahlreichen Segelschiffe , Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, Iche in Kughafen lagen , auffegeln , so So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Inhaber großer und weltbekannter richt viel Bewegung in den kleinen der „ Estella " auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import- und Exportfirmen in mtoren : Die Empfänger der Ladungen kungen erstreckt hat. Dampfschiffahrts- stiller und erhabener Würde thronen . Man ffen ihre Verfügungen und zeigen die aktien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille halten , da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an, welche sie dem wüsten das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegensetzen. An den weise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Konnte ſeme mnoſ vor. An der Getreidebörse und im Petro- macht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen imhandel ist's heute " flau ", alle aus ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und irtigen Notierungen kommen niedriger . Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten , die Qualitäten von Reis , Kaffee , anche Verkäufer , welche im morgigen nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl . genau und rmin zu liefern haben , sind freudig er sehr fühlbar sein würde . Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der t , da sie zu niedrigen Preisen sich decken sgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. men , während andere durch den Rück- Versicherung Allmählich beginnen die Gruppen in e n sie ng der Werte bei teurer Uebernahm lant ern in icht nde , welc noch gest n , auf Auss idehe hlte hoheenDiv hoch beza er den drei großen Räumen , welche wohl leiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich | 6-7000 Menschen in sich geschlossen haben oße Verluste erleiden . Ich muß Ihnen eine kleine Ausein dersehung geben , welche Sie mir verhen wollen ! Der Terminhandel, lcher mit imaginären Werten ope rt, fordert manchmal leider viele id große Opfer , da derselbe sich r auf Gewinn und Verlust grünt und die Ware (oder das Wertpier) selbst selten in Frage kommt. 3 wird oft mit ungeheuren Quanaten, resp. Summen , gearbeitet . ler fauft , spekuliert auf Höherhen der Preise zum bestimmten ermin, wer verkauft , hat das Beeben, sich billig für denselben zu den. Einer muß gemeiniglich die eche zahlen . Gewinn und Verlust id in bewegten Zeiten oft tolossal . Sie viele Eristenzen gehen dann zu runde ! Verzweiflung , ja Selbstord folgt. Der Terminhandel ist n gefährliches Spiel . Die neuerngs auf dem Termingeschäft beündete Hamburger Kaffeebörse hat ider schon zahlreiche Opfer gefor rt , hier und sogar im Julande . Der Reiz des bösen Spieles ist zu COB. Doch nun genug davon! affen Sie uns weitergehen !" Wir verlassen diese Abteilung, euzen die Mittelhalle und begeben ns in den neuen Anbau , an deſſen nem Ende ein furchtbares Gewühl errscht . Viele aufgeregte und übereschäftige Menschen , denen man an er Nase absieht, daß ihre Vorväter nst bei dem Zuge durch das Rote leer beteiligt waren , rennen hin nd her, ihre Notizbücher in den änden haltend, in welche sie Hern blicken lassen , die in vornehmer altung auf den Bänken in der Ritte des Raumes sißen. Auf den Reffingtafeln lesen wir die Firmen kannter Bankiers ; daß es Israe ten sind , zeigen nicht nur ihre NaDie gewandten Makler, en hean. elc kurze Weisungen empfingen , Die Vorderseite des Tempels von Luror (S. 1212). ürzen wieder fort. Hier und da 5rt man Rufe , wie: Ich nehme
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" Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal, sowie die ihretwegen hier und da an: "1 Wo steht " Soeben , " antwortet er, „ kam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt dieser oder jener?" „Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Nachricht , daß die Estella von ein mit Vergnügen , daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde ..." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über Dort rechts werden sie ihn finden ! " dieses und jenes Schiff, welches über die " Das wäre!" Da stehen nämlich diejenigen Firmen, gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer welche mit Afrika arbeiten. Andere Bran " Ja , und gesunken ist. Sie jegliche Nachricht fehlt. chen haben auch ihre bestimmten Stand- als total verloren zu betrachten. " Der Chef hört ihn ruhig an und s Plötzlich schlägt draußen eine Glocke pläße, wo der Eingeweihte sie leicht findet. an. Die Menge drängt nach den Thüren Den Plaß der Börsenfürsten, der könig dann : „Wir haben doch fünfzehn Brea zu. Wir werden mit hinausgeschoben und lichen Kaufleute " , die mit ihren Geschäften imaginären Gewinn versichert?" "Ja," entgegnet der Prokurist. sind wieder auf der Galerie, dicht an der und ihrer gewaltigen Kapitalfraft die Welt „Die Mannschaft wird hoffentlich g Brüstung derselben. Unten in der großen beherrschen, kennt jedermann. ,,Sie wollen Herrn N. sprechen? Ach rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber wi Halle wogt es auf und ab, scheinbar mir freilich alles durchLadung als einander, ohne Ordnung und Nußengewest dann brand Regel. Das Gedie Mühle n summe vieler tausend Stimstillzustehen . Dort geht men schlägt, Agent dem Geräusch fen Sie ihn der Brandung fälligst bet. auf dem MeeDerHom resstrande ähn lich, an das Ohr. scheint und Es ist , als ob gefragt , ob eine schri man unter sich mende Lad das Gewimmel Reis anzubia riesigerAmeisen hat? Er a fähe. Die Glocke neint , ch schlägt noch einaber, als er mal an. Jezt eben anididt ist's Zeit , sich en, einTe geh hinunterzubege gramm, weld ben. Um halb er unserem zwei beginnt die Freunde Börse. Dort in der „Ich are tiere," sagt großen Halle terer unders hat sich doch dann das S schon eine ge= fal der Eftel wisse Ordnung welches de hergestellt. Die Agent nochm meisten Herren Halbzerstörter Eäulenfaat im Tempel von Medinet Abu (S. 1216). erfahren ba stehen still ; nur verhältnismäßig wenige drängen sich durch ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. "Ich gratuliere zum Kauf! Die die dichtgefäeten Gruppen. Diese Wan Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig." " Ganz Jhrer Meinung , " entgeg delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen ! " büchern , mit Probebeuteln und -Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich ein in den Händen: Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schäßt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Min zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blick in eifrig mit einzelnen Herren, welche sich ent er sich ab, weil einer der vielen umber- Getriebe geworfen und sind Zeugen weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De wesen, wie rasch die Geschäfte eingel aber höchst gleichgültig und vornehm , ver- pesche behändigt. Er überfliegt sie rasch und erledigt werden. Drüben im Anbau stehen die halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten: " Die Estella ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden, oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Site sich aufbauen , liegen die verweigern. Alte, hungrig und kummer daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klassifikationsbücher , in voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt nach mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. - So , lieber K. , art, Güte, Alter und Vertrauenswür sauersüß, wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit, " sagt er , den Blick feit verzeichnet ist. Des Nachschlagen mit einem Hause geringeren Ranges ge- auf mich gerichtet , womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Aictur anträge vor. Einige der Herren Ahel lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen ?"" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter a tage rauchen ! Die dienstthuenden Kommis schäftsinteressen, sondern wollen nur einige denn sie haben eben in die Verlust der großen Firmen holen Schiffsmakler von gemeinschaftlichen Bekannten aufgetra- einen bösen Posten eintragen mi und Verladungsagenten herbei , mit denen gene Grüße ausrichten. Glücklicherweise Casco (Schiff) und Ladung der Est die Chefs konferieren ; der Assekuranzmakler stört uns in den nächsten Minuten nie- ist an der Hamburger Börse versio erhält seine Aufträge. mand in der Unterhaltung. Dann aber auch die wahrscheinlich beschädigte Lad Wir hegen den Wunsch, einige uns kehrt der Prokurist zurück, bleich und ver- des Dampfers , welcher fie in Grund bekannte Herren zu sprechen und fragen stört. bohrthat. Der Schaden beläuft sich vill
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feinige Millionen Mark. Die Schiffs | fünfzigtausend Kredit! " oder : „Ich gebe |solche Spieler , die nicht im stande sind, fler, deren Börsenkontore die Seite der zehntausend Hanseaten ! " u . dergl. So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, lle begrenzen, fommen, um näheres zu viel Brief! So viel Geld ! Ultimo! - um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in ragen. Glücklicherweise sind die Mann- Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen. aften beider Schiffe in Sicherheit. börse geraten ! Man redet uns an : „Haben Hier im betäubenden Lärm ist's nicht à die Telegramme von der Unterelbe Sie Hanseaten ? Nehmen Sie Dampfschiff sehr gemütlich , dazu ist die Luft dumpf agen , daß dieselbe endlich ganz eisfrei fahrtsaktien ?" Wir schütteln erstaunt den und schwül. Eine angenehmere Tempe und daß die zahlreichen Segelschiffe, Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, Iche in Kurhafen lagen, auffegeln , so So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Inhaber großer und weltbekannter rscht viel Bewegung in den kleinen der „ Estella " auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import- und Exportfirmen in ntoren : Die Empfänger der Ladungen fungen erstreckt hat. Dampfschiffahrts- stiller und erhabener Würde thronen. Man fen ihre Verfügungen und zeigen die aktien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille nosjemente vor. halten, da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an , welche sie dem wüsten An der Getreidebörse und im Petro- das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegenseßen. An den mhandel ist's heute " flau", alle aus weise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Kontigen Notierungen kommen niedriger. macht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen anche Verkäufer , welche im morgigen ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und rmin zu liefern haben, sind freudig er Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten, die Qualitäten von Reis , Kaffee, t, da sie zu niedrigen Preisen sich decken nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl. genau und nen , während andere durch den Rück- sehr fühlbar sein würde. Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der 1g der Werte bei teurer Uebernahme Versicherungsgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. ße Verluste erleiden. lanten, welche noch gestern in Aussicht auf Allmählich beginnen die Gruppen in Ich muß Ihnen eine kleine Ausein hohe Dividenden sie hoch bezahlten , er den drei großen Räumen , welche wohl bersehung geben , welche Sie mir verleiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich | 6—7000 Menschen in sich geschlossen haben hen wollen! Der Terminhandel, Icher mit imaginären Werten ope= t, fordert manchmal leider viele d große Opfer , da derselbe sich rauf Gewinn und Verlust grünund die Ware (oder das Wertpier) selbst selten in Frage kommt . wird oft mit ungeheuren Quanten, resp . Summen, gearbeitet. er kauft , spekuliert auf Höher hen der Preise zum bestimmten rmin, wer verkauft, hat das Beeben, sich billig für denselben zu fen. Einer muß gemeiniglich die che zahlen. Gewinn und Verlust d in bewegten Zeiten oft kolossal. ie viele Eristenzen gehen dann zu unde! Verzweiflung, ja Selbstrd folgt. Der Terminhandel ist gefährliches Spiel . Die neuergs auf dem Termingeschäft beindete Hamburger Kaffeebörse hat der schon zahlreiche Opfer gefort , hier und sogar im Inlande. r Reiz des bösen Spieles ist zu B. Doch nun genug davon ! fen Sie uns weitergehen !" Wir verlassen diese Abteilung , azen die Mittelhalle und begeben in den neuen Anbau, an dessen em Ende ein furchtbares Gewühl richt. Viele aufgeregte und überhäftige Menschen, denen man an Nase absieht, daß ihre Vorväter it bei dem Zuge durch das Rote er beteiligt waren , rennen hin her , ihre Notizbücher in den aden haltend, in welche sie Herblicken lassen, die in vornehmer tung auf den Bänken in der te des Raumes sihen. Auf den fingtafeln lesen wir die Firmen mnter Banfiers; daß es Israe find, zeigen nicht nur ihre Naan. Die gewandten Makler, the kurze Weisungen empfingen, zen wieder fort. Hier und da Die Vorderseite des Tempels von Luxor (S. 1212) man Rufe , wie : „Ich nehme
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" Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal , sowie die ihretwegen hier und da an: "1 Wo steht: # " Soeben ," antwortet er, ,,fam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt dieser oder jener?" „ Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Nachricht , daß die Estella von eine mit Vergnügen, daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde ..." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über Dort rechts werden sie ihn finden ! " „Das wäre! " dieses und jenes Schiff, welches über die Da stehen nämlich diejenigen Firmen, „ Ja , und gesunken ist. gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer welche mit Afrika arbeiten. Andere Bran jegliche Nachricht fehlt. chen haben auch ihre bestimmten Stand- als total verloren zu betrachten." Der Chef hört ihn ruhig an undi Plöglich schlägt draußen eine Glocke pläge, wo der Eingeweihte sie leicht findet. an. Die Menge drängt nach den Thüren Den Plaß der Börsenfürsten, der „ tönig dann: „ Wir haben doch fünfzehn Pre zu. Wir werden mit hinausgeschoben und lichen Kaufleute" , die mit ihren Geschäften imaginären Gewinn versichert?" "Ja," entgegnet der Prokurist. find wieder auf der Galerie, dicht an der und ihrer gewaltigen Kapitalkraft die Welt " Die Mannschaft wird hoffentlich g Brüstung derselben. Unten in der großen beherrschen, kennt jedermann. Halle wogt es auf und ab, scheinbar ,,Sie wollen Herrn N. sprechen ? Ach rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber wi mir freilich alles durchLadung als einander , ohne Nußengewe Ordnung und dann brand Regel. Das Gedie Mühle n vieler summe tausend Stimstillzustehen Dort geht men schlägt, dem Geräusch Agent ! fen Sie ihn der Brandung fälligst her. auf dem MeeDerHerr resstrande ähnscheint und lich, an das Ohr. gefragt, ob Es ist , als ob eine schim man unter sich mende Lad das Gewimmel Reis anzubia riesigerAmeisen hat? Er fähe. Die Gloce neint , et schlägt noch einaber, als er mal an. Jest eben anſchicht ist's Zeit, sich gehen, ein hinunterzubege gramm, wel ben. Um halb er unjerem zwei beginnt die nde eu Fr Börse. Dort in der wFdy act tiere," sagt großen Halle terer unders hat sich doch dann das S schon eine ge= ſal der Eftel wisse Ordnung welches de hergestellt. Die ent nod Ag meisten Herren Halbzerstörter Eäulenfaat im Tempel von Medinet Abu (S. 1216). hren ha erfa stehen still; nur "Ich gratuliere zum Kauf! Die verhältnismäßig wenige drängen sich durch ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. die dichtgefäeten Gruppen. Diese Wan- Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig." " Ganz Jhrer Meinung , " entgeg delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen ! " büchern , mit Probebeuteln und -Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich ei in den Händen : Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schäßt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Mim zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blick in eifrig mit einzelnen Herren, welche sich enter sich ab, weil einer der vielen umher- Getriebe geworfen und sind Zeugen weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De wesen, wie rasch die Geschäfte eingel aber höchst gleichgültig und vornehm, ver- pesche behändigt . Er überfliegt sie rasch und erledigt werden . Drüben im Anbau stehen die halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten: " Die Estella ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden, oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Siße sich aufbauen, liegen die verweigern . Alte , hungrig und kummer daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klassifikationsbücher , in voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt nach mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. So , lieber K., art, Güte, Alter und Vertrauenswür sauersüß, wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit," sagt er , den Blid keit verzeichnet ist. Des Nachschlagen mit einem Hause geringeren Ranges ge- auf mich gerichtet , womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Aſſetur anträge vor. Einige der Herren Aſſel lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen ?" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter La tage rauchen ! Die dienstthuenden Kommis schäftsinteressen, sondern wollen nur einige denn sie haben eben in die Verlus der großen Firmen holen Schiffsmakler von gemeinschaftlichen Bekannten aufgetra- einen bösen Posten eintragen mi und Verladungsagenten herbei , mit denen gene Grüße ausrichten. Glücklicherweise Casco (Schiff) und Ladung der „ Est die Chefs konferieren ; der Assekuranzmakler stört uns in den nächsten Minuten nie ist an der Hamburger Börse versi erhält seine Aufträge. mand in der Unterhaltung. Dann aber auch die wahrscheinlich beschädigte La Wir hegen den Wunsch , einige uns kehrt der Prokurist zurück, bleich und ver- des Dampfers , welcher fie in Grund bekannte Herren zu sprechen und fragen stört. bohrthat. Der Schaden beläuft sich viel
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f einige Millionen Mark. Die Schiffs- | tler, deren Börsenkontore die Seite der alle begrenzen, kommen, um näheres zu fragen. Glücklicherweise sind die Mannaften beider Schiffe in Sicherheit. die Telegramme von der Unterelbe agen , daß dieselbe endlich ganz eisfrei und daß die zahlreichen Segelschiffe, Iche in Kurhafen lagen , auffegeln , so richt viel Bewegung in den kleinen ntoren : Die Empfänger der Ladungen ffen ihre Verfügungen und zeigen die nnoſſemente vor. An der Getreidebörse und im Petromhandel ist's heute " flau", alle aus rtigen Notierungen kommen niedriger. anche Verkäufer , welche im morgigen rmin zu liefern haben, sind freudig er t, da sie zu niedrigen Preisen sich decken men , während andere durch den Rückg der Werte bei teurer Uebernahme ße Verluste erleiden. Ich muß Ihnen eine kleine Ausein bersehung geben , welche Sie mir verhen wollen! Der Terminhandel, Icher mit imaginären Werten ope= rt, fordert manchmal leider viele große Opfer , da derselbe sich auf Gewinn und Verlust grünund die Ware (oder das Wertpier) selbst selten in Frage kommt . wird oft mit ungeheuren Quanten , resp . Summen, gearbeitet. er kauft , spekuliert auf Höheren der Preise zum bestimmten min, wer verkauft, hat das Beben, sich billig für denselben zu fen. Einer muß gemeiniglich die he zahlen. Gewinn und Verlust in bewegten Zeiten oft kolossal. e viele Eristenzen gehen dann zu unde ! Verzweiflung, ja Selbstrd folgt. Der Terminhandel ist gefährliches Spiel . Die neuergs auf dem Termingeschäft bendete Hamburger Kaffeebörse hat er schon zahlreiche Opfer gefor: t, hier und sogar im Inlande. r Reiz des bösen Spieles ist zu B. Doch nun genug davon ! fen Sie uns weitergehen!" Wir verlassen diese Abteilung, zen die Mittelhalle und begeben in den neuen Anbau, an deſſen em Ende ein furchtbares Gewühl richt. Viele aufgeregte und überhäftige Menschen , denen man an Naje absieht, daß ihre Vorväter t bei dem Zuge durch das Rote er beteiligt waren , rennen hin her , ihre Notizbücher in den iden haltend, in welche sie Herblicken lassen, die in vornehmer tung auf den Bänken in der tte des Raumes sizen . Auf den ffingtafeln lesen wir die Firmen mnter Bankiers ; daß es Israe n sind, zeigen nicht nur ihre Na1 an. Die gewandten Makler, che kurze Weisungen empfingen, ren wieder fort. Hier und da t man Rufe , wie : „Ich nehme
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fünfzigtausend Kredit! " oder : „Ich gebe | solche Spieler , die nicht im stande sind, zehntausend Hanseaten! " u. dergl. So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, viel Brief! So viel Geld ! Ultimo! um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen. börse geraten ! Man redet uns an : „Haben Hier im betäubenden Lärm ist's nicht Sie Hanseaten ? Nehmen Sie Dampfschiff sehr gemütlich , dazu ist die Lust dumpf fahrtsaktien?" Wir schütteln erstaunt den und schwül. Eine angenehmere Tempe Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Inhaber großer und weltbekannter der „ Estella " auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import- und Exportfirmen in kungen erstreckt hat. Dampfschiffahrtsstiller und erhabener Würde thronen . Man aftien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille halten, da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an, welche sie dem wüsten das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegenseßen. An den weise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Konmacht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen. ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten, die Qualitäten von Reis , Kaffee, nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl. genau und sehr fühlbar sein würde. Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der Versicherungsgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. Allmählich beginnen die Gruppen in lanten, welche noch gestern in Aussicht auf hohe Dividenden sie hoch bezahlten , er den drei großen Räumen , welche wohl leiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich 6-7000 Menschen in sich geschlossen haben
Die Vorderseite des Tempels von Luxor (S. 1212)
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Börse und Börsenleben. 1235
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" Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal, sowie die ihretwegen hier und da an: „ Wo steht „ Soeben ," antwortet er , „ fam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt dieser oder jener?" „Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Nachricht , daß die Estella' von eine mit Vergnügen , daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde . .." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über Dort rechts werden sie ihn finden ! " „Das wäre!" dieses und jenes Schiff, welches über die Da stehen nämlich diejenigen Firmen, gesunken ist. „Ja , und gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer welche mit Afrika arbeiten. Andere Bran chen haben auch ihre bestimmten Stand als total verloren zu betrachten." jegliche Nachricht fehlt. Der Chef hört ihn ruhig an undi Plöglich schlägt draußen eine Glocke pläge, wo der Eingeweihte sie leicht findet. an. Die Menge drängt nach den Thüren Den Platz der Börsenfürsten, der „ tönig dann: „Wir haben doch fünfzehn Brea zu. Wir werden mit hinausgeschoben und lichen Kaufleute" , die mit ihren Geschäften imaginären Gewinn versichert?" "Sa ," entgegnet der Prokurist . find wieder auf der Galerie, dicht an der und ihrer gewaltigen Kapitalkraft die Welt ,,Die Mannschaft wird hoffentlich g Brüstung derselben. Unten in der großen beherrschen, kennt jedermann. ,,Sie wollen Herrn N. sprechen? Ach rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber w Halle wogt es auf und ab , — scheinbar mir freili alles durchLadung als einander , ohne Nußengewe Ordnung und dann brand Regel. Das Ge die Mühle mi vieler summe tausend Stimstillzustehen Dort geht men schlägt, Agent 2. dem Geräusch fen Sie in der Brandung fälligst ber." auf dem Mee DerHer resstrande ähn lich, an das Chr. scheint und gefragt, cb Es ist , als ob eine schim man unter sich mende ed das Gewimmel Reis anzuba riesigerAmeisen hat? Er a fähe. Die Glocke 1749 neint , er schlägt noch ein aber, als t mal an. Jezt eben ansd ist's Zeit , sich gehen, einTe hinunterzubege gramm, weld ben. Um halb er unferem zwei beginnt die nde d eu Fr Börse. Ich ca Dort in der tiere," fagt Halle großen terer under hat sich doch dann das S schon eine ge= sal der Eitel wisse Ordnung welches de hergestellt. Die ent nochm Ag meisten Herren Halbzerstörter Eäulenhaal im Tempel von Medinet Abu (S. 1216). erfahren ba stehen still ; nur "Ich gratuliere zum Kauf! Die verhältnismäßig wenige drängen sich durch ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. die dichtgefäeten Gruppen. Diese Wan- Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig. " " Ganz Jhrer Meinung," entgeg delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen! " büchern , mit Probebeuteln und -Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich ein in den Händen : Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schäßt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Min zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blick in eifrig mit einzelnen Herren, welche sich ent- er sich ab, weil einer der vielen umher- Getriebe geworfen und sind Zeugen weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De wesen, wie rasch die Geschäfte eingel aber höchst gleichgültig und vornehm, ver- pesche behändigt . Er überfliegt sie rasch und erledigt werden. Drüben im Anbau stehen die halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten: " Die Estella ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden , oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Site sich aufbauen, liegen die verweigern. Alte , hungrig und kummer daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klassifikationsbücher , in voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt nach mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. - So , lieber K. , art, Güte, Alter und Vertrauenswür sauersüß, wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit," sagt er, den Blick keit verzeichnet ist. Des Nachschlagens mit einem Hause geringeren Ranges ge auf mich gerichtet , womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Aftur anträge vor. Einige der Herren Ac lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen ?" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter a tage rauchen ! 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f einige Millionen Mark. Die Schiffs | fünfzigtausend Kredit! " oder : Ich gebe | solche Spieler , die nicht im stande sind, fler, deren Börsenkontore die Seite der zehntausend Hanseaten ! " u. dergl . So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, lle begrenzen, kommen, um näheres zu viel Brief! So viel Geld ! Ultimo ! - um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in ragen . Glücklicherweise sind die Mann Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen . aften beider Schiffe in Sicherheit. - börse geraten ! Man redet uns an: „Haben Hier im betäubenden Lärm ist's nicht à die Telegramme von der Unterelbe Sie Hanseaten ? Nehmen Sie Dampfschiff sehr gemütlich , dazu ist die Luft dumpf agen , daß dieselbe endlich ganz eisfrei fahrtsaktien ?" Wir schütteln erstaunt den und schwül. Eine angenehmere Tempe und daß die zahlreichen Segelschiffe, Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, lche in Kurhafen lagen , auffegeln , so So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Inhaber großer und weltbekannter richt viel Bewegung in den kleinen der „ Estella " auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import und Exportfirmen in ntoren : Die Empfänger der Ladungen kungen erstreckt hat. Dampfschiffahrts- stiller und erhabener Würde thronen. Man fen ihre Verfügungen und zeigen die aktien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille nosjemente vor. halten, da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an , welche sie dem wüsten An der Getreidebörse und im Petro- das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegenseßen. An den mhandel ist's heute " flau", alle aus weise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Konrtigen Notierungen kommen niedriger. macht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen anche Verkäufer , welche im morgigen ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und rmin zu liefern haben, sind freudig er Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten, die Qualitäten von Reis , Kaffee, t, da sie zu niedrigen Preisen sich decken nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl . genau und nen , während andere durch den Rück- sehr fühlbar sein würde. Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der g der Werte bei teurer Uebernahme Versicherungsgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. ße Verluste erleiden. lanten, welche noch gestern in Aussicht auf Allmählich beginnen die Gruppen in Ich muß Ihnen eine kleine Ausein hohe Dividenden sie hoch bezahlten , er den drei großen Räumen , welche wohl persegung geben , welche Sie mir verleiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich | 6-7000 Menschen in sich geschlossen haben en wollen! Der Terminhandel, cher mit imaginären Werten ope t, fordert manchmal leider viele O große Opfer , da derselbe sich auf Gewinn und Verlust grünund die Ware (oder das Wertpier) selbst jelten in Frage kommt. wird oft mit ungeheuren Quaniten, resp . Summen , gearbeitet. er kauft , spekuliert auf Höheren der Preise zum bestimmten min, wer verkauft, hat das Beben, sich billig für denselben zu en. Einer muß gemeiniglich die he zahlen. Gewinn und Verlust › in bewegten Zeiten oft kolossal. e viele Eristenzen gehen dann zu unde ! Verzweiflung, ja Selbsttd folgt. Der Terminhandel ist gefährliches Spiel. Die neuergs auf dem Termingeschäft bendete Hamburger Kaffeebörse hat er schon zahlreiche Opfer gefor: 1, hier und sogar im Zulande. Reiz des bösen Spieles ist zu B. Doch nun genug davon ! en Sie uns weitergehen!" Wir verlassen diese Abteilung, zen die Mittelhalle und begeben in den neuen Anbau, an deſſen m Ende ein furchtbares Gewühl scht. Viele aufgeregte und überhäftige Menschen , denen man an Nase absieht, daß ihre Vorväter t bei dem Zuge durch das Rote er beteiligt waren , rennen hin her, ihre Notizbücher in den iden haltend, in welche sie Her blicken lassen, die in vornehmer tung auf den Bänken in der tte des Raumes ſizen. Auf den ffingtafeln lesen wir die Firmen inter Banfiers ; daß es Jsraen find, zeigen nicht nur ihre Na1 an. Die gewandten Makler, dhe kurze Weisungen empfingen, zen wieder fort. Hier und da Die Vorderseite des Tempels von Luxor (S. 1212). i man Rufe , wie : „Ich nehme
Ph. Kniest. 1234
Börse und Börsenleben. 1235
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,,Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal, sowie die ihretwegen hier und da an: „ Wo steht " Soeben ," antwortet er , fam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt dieser oder jener?" „Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Nachricht , daß die Estella' von ein mit Vergnügen, daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde ..." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über Dort rechts werden sie ihn finden !" „ Das wäre ! " dieses und jenes Schiff, welches über die Da stehen nämlich diejenigen Firmen, „" Ja , und gesunken ist. Sie gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer welche mit Afrika arbeiten. Andere Branchen haben auch ihre bestimmten Stand- als total verloren zu betrachten. " jegliche Nachricht fehlt. Der Chef hört ihn ruhig an unds Plöglich schlägt draußen eine Glocke pläge, wo der Eingeweihte sie leicht findet. an. Die Menge drängt nach den Thüren Den Plaß der Börsenfürsten, der könig dann : „ Wir haben doch fünfzehn Proze zu. Wir werden mit hinausgeschoben und lichen Kaufleute" , die mit ihren Geschäften imaginären Gewinn versichert?" Ja," entgegnet der Profurist. find wieder auf der Galerie, dicht an der und ihrer gewaltigen Kapitalkraft die Welt „Die Mannschaft wird hoffentlich Brüstung derselben. Unten in der großen beherrschen, kennt jedermann. Halle wogt es auf und ab, - scheinbar ,,Sie wollen Herrn N. sprechen ? Ach rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber w mir freilich 1 alles durchLadung als einander , ohne Nußengewet Ordnung und dann braud Regel . Das Gedie Mühle n summe vieler stillzustehen tausend StimDort geht men schlägt, Agent dem Geräusch fen Sie ihn der Brandung fälligst her." auf dem MeeDerHer resstrande ähn= scheint und lich, andas Chr. gefragt , ob Es ist , als ob eine schwin man unter sich mende ad das Gewimmel Reis anzubi riesigerAmeisen hat ? Er fähe. Die Glocke neint, e schlägt noch einaber, als er mal an. Jest eben anidrid ist's Zeit , sich gehen, ein Te hinunterzubege amm, wel gr halb Um ben. er unserem zwei beginnt die Freunde Börse. „Ich acc Dort in der tiere," jagt großen Halle terer under hat sich doch dann das Sa schon eine ge= fal der Eitel wisse Ordnung welches de hergestellt. Die meisten Herren Agent noch Halbzerstörter Säulensaal im Tempel von Medinet Abu (S. 1216). erfahren b stehen still ; nur "Ich gratuliere zum Kauf! Die verhältnismäßig wenige drängen sich durch ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. die dichtgefäeten Gruppen. Diese Wan- Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig. " " Ganz Ihrer Meinung," entge delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen !" büchern , mit Probebeuteln und Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich ein in den Händen: Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schäßt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Minu zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blid in eifrig mit einzelnen Herren, welche sich ent- er sich ab, weil einer der vielen umher- Getriebe geworfen und sind Zeugen weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De- wesen, wie rasch die Geschäfte eingeld aber höchst gleichgültig und vornehm, ver- pesche behändigt. Er überfliegt sie rasch und erledigt werden. Drüben im Anbau stehen die halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten: "Die Estella ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden, 9 oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Site sich aufbauen, liegen die in verweigern. Alte , hungrig und kummer- daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klaſſifikationsbücher , I nach voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. - So, lieber K., art, Güte, Alter und Vertrauenswür sauersüß, wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit," sagt er , den Blick keit verzeichnet ist. Des Nachschlageni mit einem Hause geringeren Ranges ge- auf mich gerichtet , " womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Assekur anträge vor. Einige der Herren Aſſe lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen?" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter a tage rauchen ! Die dienstthuenden Kommis schäftsinteressen, sondern wollen nur einige denn sie haben eben in die Verlu der großen Firmen holen Schiffsmakler von gemeinschaftlichen Bekannten aufgetra einen bösen Posten eintragen mu und Verladungsagenten herbei , mit denen gene Grüße ausrichten . Glücklicherweise Casco (Schiff) und Ladung der „ Eft die Chefs konserieren ; der Assekuranzmakler stört uns in den nächsten Minuten nie ist an der Hamburger Börse verjid erhält seine Aufträge. mand in der Unterhaltung. Dann aber auch die wahrscheinlich beschädigte Lar Wir hegen den Wunsch, einige uns kehrt der Prokurist zurück, bleich und vers des Dampfers , welcher sie in Grund bohrt hat. Der Schaden beläuft sich viell bekannte Herren zu sprechen und fragen stört.
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Ph. Kniest. Börse und Börsenleben. =1238:
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f einige Millionen Mark. Die Schiffs | fünfzigtausend Kredit! " oder : „Ich gebe solche Spieler , die nicht im stande sind, tler, deren Börsenkontore die Seite der zehntausend Hanseaten! " u . dergl. So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, alle begrenzen, kommen, um näheres zu viel Brief! So viel Geld ! Ultimo! um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in Fragen. Glücklicherweise sind die Mann Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen. aften beider Schiffe in Sicherheit. — börse geraten ! Man redet uns an : „Haben Hier im betäubenden Lärm ist's nicht à die Telegramme von der Unterelbe Sie Hanseaten ? Nehmen Sie Dampfschiff sehr gemütlich , dazu ist die Lust dumpf agen , daß dieselbe endlich ganz eisfrei fahrtsaktien?" Wir schütteln erstaunt den und schwül. Eine angenehmere Tempe und daß die zahlreichen Segelschiffe, Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, lche in Kurhafen lagen, aufsegeln , so So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Inhaber großer und weltbekannter rscht viel Bewegung in den kleinen der „ Estella " auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import- und Exportfirmen in ntoren : Die Empfänger der Ladungen fungen erstreckt hat. Dampfschiffahrts- stiller und erhabener Würde thronen. Man ffen ihre Verfügungen und zeigen die aktien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille inoſſemente vor. halten, da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an, welche sie dem wüsten An der Getreidebörse und im Petro- das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegenseßen. An den mhandel ist's heute " flau" , alle ausweise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Kontigen Notierungen kommen niedriger. macht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen nche Verkäufer , welche im morgigen ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und rmin zu liefern haben, sind freudig er Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten, die Qualitäten von Reis , Kaffee, t, da sie zu niedrigen Preisen sich decken nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl. genau und nen , während andere durch den Rück- sehr fühlbar sein würde. Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der g der Werte bei teurer Uebernahme Versicherungsgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. ße Verluste erleiden . Allmählich beginnen die Gruppen in lanten, welche noch gestern in Aussicht auf Ich muß Ihnen eine kleine Ausein hohe Dividenden sie hoch bezahlten , er den drei großen Räumen , welche wohl persegung geben , welche Sie mir verleiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich 6-7000 Menschen in sich geschlossen haben. en wollen ! Der Terminhandel, cher mit imaginären Werten ope= t, fordert manchmal leider viele große Opfer, da derselbe sich auf Gewinn und Verlust grünund die Ware (oder das Wertpier) selbst selten in Frage kommt. wird oft mit ungeheuren Quaniten , resp. Summen, gearbeitet. er kauft , spekuliert auf Höheren der Preise zum bestimmten min, wer verkauft, hat das Beben, sich billig für denselben zu en. Einer muß gemeiniglich die he zahlen. Gewinn und Verlust in bewegten Zeiten oft kolossal. e viele Eristenzen gehen dann zu unde ! Verzweiflung, ja Selbstcd folgt. Der Terminhandel ist gefährliches Spiel . Die neuer35 auf dem Termingeschäft be ndete Hamburger Kaffeebörse hat er schon zahlreiche Opfer gefor , hier und sogar im Inlande. Reiz des bösen Spieles ist zu B. Doch nun genug davon ! jen Sie uns weitergehen !" Wir verlassen diese Abteilung, zen die Mittelhalle und begeben in den neuen Anbau, an deſſen m Ende ein furchtbares Gewühl scht. Viele aufgeregte und überhäftige Menschen, denen man an Nase absieht, daß ihre Vorväter t bei dem Zuge durch das Rote er beteiligt waren , rennen hin her , ihre Notizbücher in den iden haltend, in welche sie Herblicken lassen, die in vornehmer tung auf den Bänken in der te des Raumes ſizen. Auf den ffingtafeln lesen wir die Firmen inter Bankiers ; daß es Jsrae1 find, zeigen nicht nur ihre Naan. Die gewandten Makler, he kurze Weisungen empfingen, zen wieder fort. Hier und da Die Vorderseite des Tempels von Luror (S. 1212) tman Rufe , wie : „Ich nehme
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"„Was ist?" fragt der Chef. Weser, Themse und im Kanal, sowie die ihretwegen hier und da an: Wo steht " Soeben , " antwortet er , „ fam Lloydsliste. Mancher Assekurateur bemerkt dieser oder jener?" „Ah! Der gehört zu den Afrikanern ! Nachricht , daß die Estella von eine mit Vergnügen , daß Risikos abgelaufen Dampfer angerannt wurde ..." sind, ein anderer ist enttäuscht, weil über Dort rechts werden sie ihn finden !" „Das wäre !" dieses und jenes Schiff, welches über die Da stehen nämlich diejenigen Firmen, "Ja , und gesunken ist. Sie gewöhnliche Zeit unterwegs ist, noch immer welche mit Afrika arbeiten. Andere Bran chen haben auch ihre bestimmten Stand als total verloren zu betrachten." jegliche Nachricht fehlt. Der Chef hört ihn ruhig an und Plöglich schlägt draußen eine Glocke pläße, wo der Eingeweihte sie leicht findet. an. Die Menge drängt nach den Thüren Den Plaß der Börsenfürsten, der "! könig dann: „Wir haben doch fünfzehn Prozen zu. Wir werden mit hinausgeschoben und lichen Kaufleute" , die mit ihren Geschäften imaginären Gewinn versichert?" "Ja ," entgegnet der Prokurist. sind wieder auf der Galerie, dicht an der und ihrer gewaltigen Kapitalkraft die Welt ,,Die Mannschaft wird hoffentlich Brüstung derselben . Unten in der großen beherrschen, kennt jedermann. Halle wogt es auf und ab, - scheinbar „ Sie wollen Herrn N. sprechen ? Ach rettet sein. Dann ist's gut ! Lieber w mir freilich alles durchLadung als einander, ohne Nußen gewe Ordnung und dann brau Regel. Das Gedie Mühle ni summe vieler tausend Stim stillzustehen . Dort geht men schlägt, Agent dem Geräusch fen Sie ihng der Brandung fälligit her." auf dem Mee DerHerre resstrande ähn= scheint und lich, andas Ohr. gefragt , b Es ist, als ob eine schwim man unter sich mende Ladu das Gewimmel Reis anzubie riesiger Ameisen hat? Er fähe. Die Glocke neint , er schlägt noch einaber, als et mal an. Jest eben anfdi ist's Zeit, sich gehen, einTe hinunterzubege gramm , w ben. Um halb er unserem zwei beginnt die Freunde Börse. „Ich acce Dort in der tiere," fast großen Halle terer under hat sich doch dann das Sci schon eine ge= sal der Estell wisse Ordnung welches de hergestellt. Die Agent noch meisten Herren Halbzerstörter Säulenfaal im Tempel von Medinet Abu (S. 1216). erfahren ba stehen still; nur "Ich gratuliere zum Kauf! Diel verhältnismäßig wenige drängen sich durch ja , der ist ja Teilhaber der Reisfirma. die dichtgefäeten Gruppen. Diese Wan- Dort bei Nr. 20 in der Nähe des Pfeilers dung ist billig." " Ganz Jhrer Meinung , " entgeg delsterne sind Leute mit geöffneten Notiz ist er zu treffen ! " büchern , mit Probebeuteln und Düten Wir folgen der Weisung und erblicken unser Freund. Wir empfehlen uns , da sich ein in den Händen : Makler und Agenten, die sogleich den uns befreundeten Herrn, welsich bemühen , Geschäfte einzuleiten und cher sich glücklich schäßt, uns zu begrüßen. Makler nahen. Binnen wenigen Min zum Abschluß zu bringen. Sie sprechen Aber schon im nächsten Augenblicke wendet haben wir einen interessanten Blid ind eifrig mit einzelnen Herren, welche sich ent- er sich ab, weil einer der vielen umher- Getriebe geworfen und sind Zeugen weder zustimmend oder abweisend, immer streifenden Telegraphenboten ihm eine De- wesen, wie rasch die Geschäfte eingelei aber höchst gleichgültig und vornehm, ver- pesche behändigt. Er überfliegt sie rasch und erledigt werden. Drüben im Anbau stehen die halten und schließlich auf vieles Reden und wendet sich an seinen Prokuristen mit hin entweder einen Abschluß genehmigen den Worten : Die Estella ist auf der sicherer. Auf den runden Estraden , oder die Annahme des Gebotes entschieden Elbe. Bitte, sagen Sie dem Ewerführer, welche Site sich aufbauen, liegen die verweigern. Alte , hungrig und kummer- daß er Lichter nach Brunshausen schickt. schiedensten Klassifikationsbücher , in voll aussehende Agenten, die sichtlich nicht Das Schiff kann ohne zu lichten nicht chen jedes Seeschiff der Welt nach mehr auf der Höhe der Zeit stehen, lächeln an die Stadt gelangen. So, lieber K. , art, Güte, Alter und Vertrauenswürd sauersüß , wenn ihnen ein kleiner Abschluß nun bin ich bereit," sagt er , den Blick keit verzeichnet ist. Des Nachschlagens mit einem Hause geringeren Hanges ge- auf mich gerichtet , womit kann ich kein Ende, denn es liegen viele Afjetura anträge vor. Einige der Herren Asjeckas lungen ist. Kann doch wenigstens heute dienen ?" der Schornstein von der verdienten KourWir haben selbstverständlich keine Ge- teurs sind sichtlich sehr schlechter a tage rauchen ! Die dienstthuenden Kommis schäftsinteressen, sondern wollen nur einige denn sie haben eben in die Verlust der großen Firmen holen Schiffsmakler von gemeinschaftlichen Bekannten aufgetra einen bösen Posten eintragen mü und Verladungsagenten herbei, mit denen gene Grüße ausrichten. Glücklicherweise Casco (Schiff) und Ladung der Et die Chefs konserieren; der Assekuranzmakler stört uns in den nächsten Minuten nie- ist an der Hamburger Börse versie erhält seine Aufträge. mand in der Unterhaltung. Dann aber auch die wahrscheinlich beschädigte Lab Wir hegen den Wunsch , einige uns kehrt der Prokurist zurück, bleich und ver- des Dampfers , welcher sie in Grund bohrthat. Der Schaden beläuftsichviellei bekannte Herren zu sprechen und fragen stört.
Ph. Kniest.
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af einige Millionen Mark. Die Schiffs | afler, deren Börsenkontore die Seite der alle begrenzen, kommen, um näheres zu efragen. Glücklicherweise sind die Mannhaften beider Schiffe in Sicherheit. — Da die Telegramme von der Unterelbe esagen , daß dieselbe endlich ganz eisfrei t und daß die zahlreichen Segelschiffe, elche in Kurhafen lagen , auffegeln , so errscht viel Bewegung in den kleinen Contoren: Die Empfänger der Ladungen effen ihre Verfügungen und zeigen die Connosſemente vor. An der Getreidebörse und im Petroumhandel ist's heute " flau", alle aus ärtigen Notierungen kommen niedriger. Ranche Verkäufer , welche im morgigen Termin zu liefern haben, sind freudig er egt, da sie zu niedrigen Preisen sich decken önnen , während andere durch den Rückang der Werte bei teurer Uebernahme roße Verluste erleiden. Ich muß Ihnen eine kleine Ausein ndersehung geben , welche Sie mir vereihen wollen! Der Terminhandel, welcher mit imaginären Werten ope iert, fordert manchmal leider viele and große Opfer, da derselbe sich nur auf Gewinn und Verlust grünet und die Ware (oder das Wertapier) selbst selten in Frage kommt. Es wird oft mit ungeheuren Quanitäten , resp. Summen, gearbeitet. Wer kauft , spekuliert auf Höher zehen der Preise zum bestimmten Termin, wer verkauft, hat das Betreben, sich billig für denselben zu eden. Einer muß gemeiniglich die Zeche zahlen. Gewinn und Verlust ind in bewegten Zeiten oft kolossal . Wie viele Eristenzen gehen dann zu Grunde ! Verzweiflung, ja Selbstnord folgt. Der Terminhandel ist in gefährliches Spiel. Die neuersings auf dem Termingeschäft begründete Hamburger Kaffeebörse hat eider schon zahlreiche Opfer gefor: hert , hier und sogar im Inlande. Der Reiz des bösen Spieles ist zu groß. Doch nun genug davon! Lassen Sie uns weitergehen !" Wir verlassen diese Abteilung, freuzen die Mittelhalle und begeben uns in den neuen Anbau, an dessen einem Ende ein furchtbares Gewühl herrscht. Viele aufgeregte und übergeschäftige Menschen, denen man an der Nase absieht, daß ihre Vorväter einst bei dem Zuge durch das Rote Meer beteiligt waren , rennen hin und her , ihre Notizbücher in den Händen haltend, in welche sie Herren blicken lassen, die in vornehmer Haltung auf den Bänken in der Mitte des Raumes sitzen. Auf den Messingtafeln lesen wir die Firmen bekannter Bankiers ; daß es Israe liten sind, zeigen nicht nur ihre Namen an. Die gewandten Makler, welche kurze Weisungen empfingen, stürzen wieder fort. Hier und da hört man Rufe , wie: Ich nehme
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fünfzigtausend Kredit !" oder : „Ich gebe solche Spieler , die nicht im stande sind, zehntausend Hanseaten ! " u. dergl. So die Aktien im Termin an sich zu nehmen, viel Brief ! So viel Geld ! Ultimo! um sie bis auf bessere Zeiten ruhig in Gütiger Himmel ! Wir sind in die Effekten den Schrank zu legen. börse geraten ! Man redet uns an: „Haben Hier im betäubenden Lärm ist's nicht Sie Hanseaten ? Nehmen Sie Dampfschiff sehr gemütlich , dazu ist die Lust dumpf fahrtsaktien ?" Wir schütteln erstaunt den und schwül . Eine angenehmere Tempe Kopf und werden nicht weiter beachtet. ratur weht am andern Ende der Halle, So viel aber merken wir, daß der Verlust wo die Juhaber großer und weltbekannter der " Estella" auch bis hierher seine Wir- Fabrik , Import- und Exportfirmen in kungen erstreckt hat. Dampfschiffahrts- stiller und erhabener Würde thronen. Man aktien werden stark angeboten , aber ge- sieht ihnen ihre Solidität und die stille halten, da der unglückliche Dampfer, welcher Verachtung an , welche sie dem wüsten das Unheil verschuldet hat und möglicher Treiben drüben entgegenseßen. An den weise für den Schaden verantwortlich ge- Seitenwänden reiht sich Kontor an Konmacht werden kann , zwar nicht versichert tor , in denen die Makler unter Haufen ist, der große vorhandene Reservefonds der von Warenmustern allerlei Art walten und Gesellschaft jedoch eine etwaige Inanspruch schalten, die Qualitäten von Reis, Kaffee, nahme dem Vermögensstande derselben nicht Baumwolle , Zucker u. dergl. genau und sehr fühlbar sein würde. Die Aktien der sachverständig am hellen Tageslicht der Versicherungsgesellschaften sinken. Speku Fenster prüfend. lanten, welche noch gestern in Aussicht auf Allmählich beginnen die Gruppen in hohe Dividenden sie hoch bezahlten , er den drei großen Räumen , welche wohl leiden gewaltige Einbuße , hauptsächlich | 6—7000 Menschen in sich geſchloſſen haben
Die Vorderseite des Tempels von Luxor (S. 1212)
Ph. Kniest.
Börse und Börsenleben. -1241-
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MA
1240-
Ruinen von Karnal mit dem heiligen See im Vordergrunde (S. 1212).
Erwartend, daß etwas recht Wichtiges | Waffe die Büchse tragen , in welcher mögen , sich zu lichten und aufzulösen. den Obolus für die Zuspätkommend Quartiersleute in ihren schwarzen Wäm kommt, horche ich hoch auf. " Sagen Sie, kann man in Lübeck nach auffangen , öffnen die Gitterpforten u sern erscheinen, um Aufträge zur Empfangschlittschuhlaufen?" ziehen sich zurück. Die offizielle Borie nahme oder Ablieferung von Waren zu Herzenslust holen ; Kontorboten kommen, um die Liste Ich lachte laut und entgegnete : An zeit ist abgelaufen. Das Börsenpubliku nötiger Besorgungen, und Advokaten und der Frage erkenne ich den lieben Lands zieht scharenweise ab. Mein Freund fordert auf, ihn na Notare besuchen ihre Kunden, um Bevollmann. Wenn's Eis gibt, sind die Bremer mächtigungen zur Einleitung von Pro- so toll dabei wie die Holländer. Aller- einer Restauration zu begleiten , damit zessen und Protesten entgegenzunehmen ... dings haben wir in Lübeck die beste und uns erfrischen und den eingeschludi .. Ah, da ist ja ein lieber Freund ! weiteste Eisbahn bis an die Küste hin. Staub in einem Glase Bayrisch hina Und gerade im Begriff fortzugehen ! Aber Wenn nur die löbliche Polizei nicht so lange spülen können. Ich muß Sie aber bitten , vot er widmet uns noch einige Minuten. Auch mit dem Freigeben warten wollte! . . . ein geborner Bremer wie ich , freut er Ja, ja, wie manche hübsche Partie haben mich noch auf einige Minuten zu e sich, einige Worte über die alte Vaterstadt wir früher an der Börse in Bremen ver- schuldigen , denn ich habe noch eine an der Weser plaudern zu können. abredet ! Wie hübsch war's , wenn die pesche nach Hongkong loszulassen . D Sie haben unser Bremen wohl so Herren Senatoren und Richter dort er wollen Sie mich auf das Telegraph wenig vergessen wie ich ! Es ist Ihnen schienen , um ihre Schlittschuhkumpane zu bureau begleiten?" Wir ziehen das lettere vor. D doch gewiß schwer geworden , sich in dem den oft zehn deutsche Meilen langen Fahrten . kleinen schönen Städtchen an der Trave zu bereden ! Spricht man hier an der kleine Büreau in einem Nebenraum (er meinte das ehrwürdige Lübeck ! ) zu Börse auch von dergleichen ?" sehr umlagert, alle Schalter sind stark akklimatisieren ?" "Ich glaube kaum ! Von Soireen, seht. Es gilt, die Hamburger Notierung Ich antworte ihm, daß ich Bremen in Diners und Soupers aber desto mehr. für Waren und Werte in alle allen Treuen zugethan bleibe, so wohl ich Sehen Sie dorthin ! Die lachenden Herren hinauszusenden. Sind sie doch maßgebe mich auch in Lübeck fühle. erzählen sich gewiß das Neueste und etwas an vielen Handelspläßen. Die nach Ber "Ich sehne mich manchmal aus dem Pifantes von dem gestrigen Ball beim und anderen Orten führenden Fernspred unruhigen Hamburg hinaus , " fährt er Senator X. und schmieden Pläne für künf- sind sehr begehrt. Mein Freund te ganz genau die Stelle , an welche er fort. "! Wie hier an der Börse , so geht's tige Amüsements . " Ein Glück, daß die Börse doch nicht zu wenden hat und wird fast augenbl in der ganzen Stadt. Zur Gemütlichkeit kommt man selten , ja nur , wenn man vollständig in Geschäften untergeht ..." lich bedient. ,,So, nun auch hinaus ! " ruft er fr Laute Glockensignale unterbrechen die fernab bei Frau und Kindern in einer entlegenen Vorstadt sitt. Ja , was ich Unterhaltung. Die etwas spießbürgerlich gemut. Durch das Gewühl der flanieren uniformierten Börsendiener, die statt einer | Sie noch fragen wollte!"
Bernh . Poten . Die Lanze als Reiterwaffe.
1245aber, wie ein Zeitgenosse schreibt , "1 ungeschickte Kerls ", nicht Meister ihres schwer zu gebrau chenden Handwerkszeuges , und da sie , als sie zum erstenmal etwas leisten sollten , den Erwartungen nicht entsprachen, erklärte er: „ fie seien das Brot nicht wert , das sie eſſen “, machte sie zu Husaren und wollte zunächst wieder in den Sattel .enheit en Auf die Verschied der Forderung , nichts weiter von ihnen wiffen . Als "1 Bos : vergessen . Denn es ist wahrlich keine welche das 17. Jahrhundert an die Truppen niaken " nahm er jedoch bald nachher eine discher Lanzenreiter , zum Teil Kleinigkeit , zwei Stunden lang in der stellte, im Vergleich zu denen , welche dieselben Anzahl ausläner an ed en mm en en de üll ha geg n das En 19. hab des zu erf , Mo , von neuem in sein Heer auf ; uft nde lei drücke Stickl unter den vieler en gingen später, als man die Maſſe Eindrücken und im betäubenden Lärm der welche aber das Urteil über Wert oder Un: aus ihn wert der Lanze wesentlich beeinfluſſen , braucht bäuerlicher Edelleute verwerten wollte, welche Stimmen , oft in drangvoll fürchterlicher durch die dritte Teilung Polens preußische hier nicht weiter hingewiesen zu werden . r Lanze ſoll aber , durch die Berufung Unterthanen geworden waren, die Towarczys De en alt e zuh Eng , aus . auf Montecuccolis Urteil und die Erwähnung (zu deutsch Kameraden , Genossen) hervor , die * * der geringen Stichhaltigkeit des ihm in den Vorgänger der heutigen Ulanen , deren Name Den geneigten Leser entlasse ich nun Mund gelegten geflügelten Wortes, ihr Wert bei der Neugestaltung des Heeres nach dem mit dem herzlichsten Dank für die Be für die Reiterei der Gegenwart und ihre Be Frieden von Tilsit ihnen beigelegt wurde . leitung. Möge er im schönen reichen deutung für die heutige Kriegführung nicht Weite Verbreitung erhielt die Lanze in Preußen g ihre allgemeine Einführung bei der Hamburg Belohnung für seine Mühe fin- abgesprochen werden . Durch eine Verordnun durch hrk ms II ., mittels deren ihre Landwe avallerie im Jahre 1813. Man el er lh is Ka Wi ch n tli ine en fen , kle ein er hat Hof hsweise Einführung bei den bisher nicht ve . ganz uninteressanten Einblick in das versuc hatte damals daran gedacht , die lettere als nicnht mit ihr versehenen Reitergattungen befohlen eine Art von regulären Kosaken zu verwenden ; t tad er lss ge- wurde, ist bewiesen, daß an maßgebend Stelle es geschah dies jedoch von vornherein nicht , Börsenleben einer Welthande wonnen ; freilich nur bei dem gewöhnlichen ein hoher Wert auf sie gelegt wird ; sie hat die Landwehrreiterei ward vielmehr vollständig e Berlauf der Dinge. Bei ausbrechenden hierdurch von neuem das Augenmerk weiterer Linienkavalleri , die mit der Lanze bewaffnet t n len er enk ise üt r h ise n gel . sic wol Wi Kre dah auf sch ffe skr von welter , Eintre war ; die Mobilmachungen der Jahre 1848 Handel ternden Hiobsposten verändert sich das unternehmen , einen Rückblick auf ihre Ver bis 1850' bewiesen aber , wie fehlerhaft es ſei, it heit als Waffe der Reiterei zu werfen dem früheren Küraſſier , Dragoner oder Huſaren Bild : Niedergeschlagenhe , allgemeine Pa- gandgen un Rolle zu kennzeichnen , welche ihr in als Wehrreiter dieselbe in die Hand zu geben ; die n ete d en eld hr bei gem nik treten ein , wä es wurden daher seit 1852 den Landwehren kriegen der Zukunft zu spielen vergönnt Ulanenregimentern nur solche Mannschaften freudigen Ereigniſſen , z . B. nach Siegen ng n fte ru ng . sei dür Nach der Einfüh der Börse der Feuer zugeteilt , welche im stehenden Heere Ulanen deutscher Heere, die Stimmu . waffen verschwindet die Lanze , bis dahin gewesen waren, während die übrigen den mit sich zu heller Begeisterung erheben kann fe den Kern der Lanze nicht versehenen Regimentern überund sich in donnernden Hurras Luft macht . die Haupt- und Lieblingswaf der der Heere bildenden ſchwerbepanzerten Ritter, wiesen wurden , und dieser Grundsaß dient aus den Reihen der Reiterei mehr und mehr . noch jezt für die Zöglinge der 25 Ulanen : Sie machte eben jenen Feuergewehren Play, regimenter des deutschen Reichsheeres zur ng Die Tanze als Reiterwaffe . denen wir als Poitrinals , Pistolen , Faust Richtschnur . Die Anerkennu , welche ihr rohren, Karabinern , Arkebusen 2c. begegnen . Im Name während des Krieges von 1870/71 durd) 30jährigen Kriege führte keine der einander den von ihnen verbreiteten Schrecken gefunden Von bekämpfenden Reitertruppen die Lanze , aber hat , gebührt vielmehr den Dragonern und s mit der blanken Waſſe war auch der Reiter | Husaren , den Chevaurleger und Reitern , als Bernh. Poten . geist abhanden gekommen , erst Führer wie den Trägern desselben, denn dieser Schrecken Gustav Adolf , Pappenheim und Cromwell beruht auf den Leiſtungen derjenigen Kavallerieen der Aufklärungs- und uem ein. Sie ver- regimenter , den n e Lanz ist die Königi der hauchten denselben von ne sdienst oblag , und das waren zumeist ung t en her sch ich Sic sti gew eri ten wer all leg das Sch der kav e en ff - lautet ein geflügeltes Wort, Di Wa jene . Der Ulan , damals noch einer kriegswelches Graf Raimund Montecuccoli, Thätigkeit wieder dahin, wo dasselbe zu suchen brauchbaren Feuerwaffe entbehrend , wurde zu dem großen Türkenſieger , in den Mund ge- ist , in den Angriff mit der blanken Waffe , also dahin , wo die Lanze besonders wirksam solcher Verwendung nicht vorzugsweise heranm legt wi . damit , wie mit manchen anderen sein kann . Troßdem dauerte es lange , bis sich gezogen . Dem als Kaehler - Pascha in türkische Esrdist nst verstorbenen damaligen Generalſtabs Die ter rei der zen ren den en wie Lan den in Hee fin . ig en rt art bera Redens . Sie sind gebraucht, major dieses Namens erwiderte ein Maire, aber nicht als mathematische Lehrfäße hinge Sie kamen envon Osten, von den slagwischen aft welcher ihn über Ulanen befragte und dem dun sch h ker bin rc r e Völ . Du Ver die Ku ng n ha ſtellt , sonder sie sind im Zusammen er solche zeigte : Pardon , monsieur , ce sont ns hse en den n er gen m sac mit Pol fan sie unt re de mit ande Behauptun geäußert , durch des lanciers . " Der Ruf, der ihnen voranging, Bedingungen eingeschränkt und auf bestimmte Namen Ulaesnen den Rückweg in die Heere des wurzelte in der Erinnerung an die halbwilden and . „ Ulan “ hieß der Anführer eines Berhältnisse angewendet . Umstände aber ver: Abendl mit Lanzen bewaffneten Reitertrupps . An die Lanzenträger des russischen Heeres vom Jahre ech hla indern Sac . gends hat Montecuccoli frühesten sächsischen Ulanen erinnert noch 1814 ; die pariser Tagespresse von 1870 machte r. geNir Sodi au hie ig die lichtblaue Ulanka und die aus den deutschen Ulanen Leute wie Kalmücken t r o em 15 W zu ein Glaubenssaße erhoben . gegenwärt ße ße wei Mü rt der sächsischen Regimenter ; die und Baschkireenn ; sie schilderte dieſelben als hr ße lme h er äu sic vie , wo er sich über die pka t überall deren große Kopfbe- hervorgegang aus barbariſchen Völkerschaften , ht Cza ist fas e ic g Zanz ausspr , ſehr vorsichti , indem er die irgendwo dem Zepter des Königs von agt , daß von allen Waffen, welche zu Pferde g egew deckunDi ici. anischen Kriege machten auch Preußen unterthan wären , geführt von ab deren Friord en rd ze ebraucht te wü , die Lan die bes sei um ; h daß n ankten Offizieren schlimmster Art , auf rlic terkön de reizu zenen rfor n Kop er vonen ße deranLan wend te ab mit, Nu seif in den Heeren Desterreichs und Preußens ged en und Plündern angewiesen , da is zur Zehe gepanzert und vorzüglich beritten Ulanen entstehen . Dort geschah es unter der Beutemach ei und daß ihm ein festes , ebenes und offenes Benennung als Valaſſen (Walachen) oder sie weder Sold noch Verpflegung empfingen. Thiers , den die Franzosen für Selände zur Verfügung stehe . Wenn alle diese Freireuter ; erst 1784 , als anderen Reiter Erwiderte dochsfr n eil eien Geschichtsforscher halten , Bedingunge erfüllt würden und Kürassiere regimentern mit Lanzen bewaffnete Abteilungen einen vorurter 1870 zu Versailles dem Grafen n Bereitschaft ständen , um den Erfolg aus beigegeben wurden , kommt der Name Ulanen im Novemb ubeuten , so könnte großes erreicht werden . vor ; 1791 wurden zuerst ganze Regimenter Bismarck, als dieser sich über die Verwendung Wenn aber Mann, Roß oder Bodenbeschaffen- davon aufgestellt und seit dieser Zeit haben der Turkos beklagte : Mais vous vous servez eit jenen Anforderungen nicht entsprächen, die Uhlanen “ (so schreibt man dort ) sich in tout In me de Fr mêan deschula krei be!n" die Lanzenreiter hans der wenn die Unterstützung durch Kürassiere der "1K. K. Armee behauptet . Sie ergänzen en können , obgleich n n nn hte ht de wi rec Bo nic ge en lg icht erfo könne, ſo hält er die Lanze für sich aus den Landesteilen polniſcher Natioschon der Marschall Moritz von Sachsen sie ng t . Preußen hat zuerst König Friedrich empfahl und mit der Einführu it den Anfang uglos und sogar für schädlich. Dazu kommt , nalitäIn menter errichtet . Es ge- machte . Die geringe Reitfertigke der Mann gi re li e en an oß co r Ul Gr de uc ec aß Mont , tros seiner hohen militärirung im Wege . schah während des ersten ſchleſiſchen Krieges . schaften stand der Einbürge Ben Begabung, keineswegs ein großer Reiter on ht le ic f rst po ew er I. Na er rie fie zue , aus polniſchen rg i cht ner gn s be Re an lei sei Ge rer war ; seine Kriegführung war vorsichtig Da Ue fung . Seine Ulanen waren | af nl ei r ra ch die wa Ve ter is od d un meth und mehr darauf berechnet Durch kunstvolle Manöver zum Zweck zu geg 44Herren und Damen am Jungfernstieg | langen, als den Sie -12 im Fluge zu erringen ; arbeiten wir uns 124 nac3h dem Alsterpavillon die wuchtigen Schläge , welche im 30jährigen durch , wo wir auf den breiten , stillen Kriege von der kaiserlichen Kavallerie geführt Wasserspiegel blickend, beim kühlen Trunke waren , kommen unter ihm nicht mehr vor. die an der Börse erlittenen Beschwerden Erst Prinz Eugen half den kaiserlichen Reitern
Julius Sturm .
Einem jungen Mädchen .
-1248ht aber nicht hin , daß | der auch die Obhut ihrer Lanzen . Jm Birat 1247Bestandteilen, von neuem ins Leben und 1870 | zugekehrt ist. Es reic -1246werden die letteren vor den Köpfen der Pferde bestanden neun Regimenter , die nach dem der Ulan seine Waffe mit Kraft und Sicher in die Erde gesteckt und schnurgeradeaus ge heit zu schwingen weiß ; er muß auch ein ge richtet . Am schlechtesten haben sie es auf der wandtes, williges , gehorsames Pferd unter sich Eisenbahn , da kommen sie wie ein WarenKriege abgeschafft wurden . In Rußland, wo der größte Teil der haben und es zu tummeln verstehen . äckwagen . bündel in den Gep zahlreichen irregulären Reiterei die Lanze Wie die Verwendung der Lanzenreiter in Der Kavallerie des Feindes ist die Lanze ren ulä ere erst besonders im Angriff furchtbar , der Ulan kann den Kriegen der Zukunft sich gestalten wird ? bei der reg führte, fand die lett im Anfange unseres Jahrhunderts durch die seinen Gegner erreichen lange bevor dieser wer will es sagen . Sie hängt von dem rn nte Aufnahme, ihm beizukommen vermag ; im Handgemenge -Gebrauch der Kavallerie im allgemeinen ab Errichtung von Ulanenregime doch führte nur das erſte Glied die Lanze ; ist sie weniger überlegen , zumal wenn es ge: und von den Wirkungen der zu immer größerer eine Art der Bewaffnung , welche Zar Niko lingt dem Lanzenreiter die rechte Seite abzu- Leistungsfähigkeit entwickelten Feuerwaffen . laus auch für die Küraſſiere anordnete und gewinnen, Fechtkunststücke mit ſtumpfen Waffen Voraussichtlich wird der Feldzug durch große Zar Alexander II. auf die Husaren ausdehnte ; lassen freilich den Ulanen aus dem Strauß Reiterkämpfe eingeleitet werden, in denen die die Dragoner, bei denen das Feuergefecht von mit mehreren Säbel- oder Degenführern sieg Kavallerie von diesseits und von jenseits sich jeher eine große Rolle spielte , blieben aus reich hervorgehen ; höchst wirksam ist die Lanze messen wird, und welche dazu führen werden , genommen . Gegenwärtig ist die Lanze für bei der Verfolgung , sei es um weichenden daß das Gebiet des Aufklärungs- und Berdie gesamte reguläre Kavallerie abgeschafft ; Reitern den Rücken zu kiheln oder Infanteristen , schleierungsdienstes mehr oder weniger der bei den Armeekosaken hat das erste Glied welche sich zu Boden geworfen haben, zu er als Sieger hervorgehenden Partei zufällt . reichen ; auch dem Artilleristen , der innerhalb Bei diesen Reiterkämpfen, wie bei dem Gefecht sie behalten . ere Einrichtung hat in einigen der genommenen Geschüße mit Wischkolben gegen Infanterie , welches troß aller HinterDie lett fleineren Heeren Nachahmung gefunden ; in und Faschinenmesser sich zur Wehre zu sehen lader nicht ausbleiben kann , wird die Lanze Italien besteht die Hälfte der Kavallerie suchte, ist sie schon oft verhängnisvoll gewor: ohne Zweifel gute Dienste leisten . Bei Lösung den ; dazu sind die Wunden , welche sie schlägt, der anderen Hauptaufgabe aber , welche der aus Lancieri . Das in der Neuzeit mehrfach zu be: viel gefährlicher als die durch Pallasch und Kavallerie zufällt , beim Aufklärungs- und den der Lanze ist erfolgt, Säbel hervorgebrachten und weit eher seht Sicherungsdienste , bei welchem das Gefecht merkende Verschwin weil die Notwendigkeit gefühlt wurde , einem ein Lanzenstoß außer Gefecht als der anderen zu Fuß eine Rolle zu spielen berufen ſein jeden Kavalleristen eine brauchbare Feuerwaffe blanken Waffen Hieb und Stich. Vor allem ist ße sie ein üge Hindernis . in die Hand zu geben und ihn für das Ge- aber ist es der durch die Lanze hervorgebrachte wird,Gro Vorz sind der Lanze nicht abfecht zu Fuß verwendbar zu machen. Es ist moraliſche Eindruck, welcher ihr Wert verleiht . zusprechen und bedeutende Vorteile erwachſen dasselbe Bestreben , welches die Abſchaffung des Ihre Herstellung ist schwierig ; diese Auf- dem Ulanen aus ihrem Besize , aber schwerKüraß veranlaßt hat. Wird die Bewaffnung gabe in vollkommen zufriedenstellender Weise wiegend sind auch die Bedenken gegen ihre mit einer kriegsbrauchbaren Schußwaffe auf zu lösen ist noch nicht gelungen . Es genügt Verwendung , sei es für einen Teil , sei es den Ulanen ausgedehnt , so muß dieser drei keineswegs eine Bohnenstange zu nehmen und für die Gesamtheit der berittenen Truppen . Truzwaffen führen : die Lanze, den Karabiner, mit einer eisernen Spite zu versehen . Schon Nur versuchsweiſe hat daher Kaiſer Wilden Säbel. Das hielt man für zu viel . Man lange hat man darauf verzichtet , sie aus einem helm II . ihre Einführung bei den früher nicht fürchtete ihn zu sehr zu belasten und zu be: Stücke zu machen ; man schneidet deren mehrere mit ihr ausgerüstet geweſenen Reitergattungen lästigen und war außerdem der Ansicht , daß und leimt sie der Länge nach zusammen und verfügt . Zuerst waren es sämtliche Küraſſiere , die Anforderungen an die Ausbildung zu groß daneben sucht man nach einem Ersat , versucht für welche die Ablegung des Harnisch außer ſein würden , als daß diesen Genüge geleistet es mit Bambusrohr , mit Stahldraht und zur Parade und die Ausrüstung mit dem werden könnte, wenn man dem Reitersmann ſonſtiger Aushilfe und kommt vielleicht noch Karabiner bereits befohlen war, und wenn auf Kautschuk und Papier . Schwierig ist wir recht berichtet sind, zwei Husarenregimenter . noch die Lanze gäbe. Es sind das alles Bedenken , denen eine auch die Befestigung der eisernen Spike an Neuerdings sind auch die Dragoner in den Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. gt ammen Kreis gezogen und bereits hat Frankreich den hölzernen Schaft . Sie hän zus Das Pferd ist durch das Gewicht des Reiters dem mit der zweckmäßigen Lösung einer anderen Versuch bei seinen Dragonern nachgeahmt . und durch alles dasjenige , was derselbe für wichtigen Frage, der Bestimmung des Schwer : Aber wir sind im vaterländischen Heere sich und seines Rosses Lebens- und Leibes punktes . Je mehr Vordergewicht die Lanze nicht gewohnt, daß Anordnungen und noch notdurft auf des letteren Rücken fortschaffen hat , desto wuchtiger ist ihr Stoß , um so dazu von ſo bedeutender Tragweite , ohne die muß, in so hohem Grade beschwert, daß man schwieriger aber ist auch und umſomehr Kraft reiflichste Ueberlegung und ohne gründliche seine Laſt auf alle Weise zu erleichtern be: erfordert ihre Handhabung ; bei zu großem Abwägung von für und wider getroffen werden ; strebt ist, damit es im stande ist, bei unge Hintergewicht ist es umgekehrt . Die preußische Deutschlands oberster Kriegsherr wird sicher nügender Pflege und vielleicht bei mangeln Lanze ist 3,3 m, die bayrische 3,14 m , die nicht ohne vollste Ueberzeugung von der Zwec dem Futter , viele Meilen in jedem Wetter österreichische 8 % Fuß lang ; das Gewicht be- mäßigkeit die versuchsweise erfolgte Einführung zu einer bleibenden gestalten . Den Lobrednern und auf allen Wegen zurückzulegen und trot gt etwa 2 rne dem auf das Marsch ! Marsch ! in rascher trä Die eise kg. Spite ist meist dreikantig wie den Gegnern können wir daher das Wort hen ckenn;, und mit Hohlkehlen versehen, um das Gewicht zurufen , welchem lieb Vaterland " vertraut : s lic henWafzufenbre stüche nde ehr Rei Fei desune ntb in den Gangar dent bei zu dem Säbel und dem Feuergewehr , von denen, zu verringern ; auch das untere Ende ist mit „Kannst ruhig ſein". je nach Wahl, das eine am Pferde, das andere Eisen beschlagen , um das Einstecken in den Mit oder ohne Lanze steht treu und fest die ern am Leibe des Mannes geführt wird , kommt Boden zu erleicht ; am Schaft ist eine Wacht am Rhein , wie an der Weichsel und die Lanze, welche die eine Hand fast voll- lederne Schlinge angebracht , durch welche der men. ſtändig in Anspruch nimmt ; beim Absißen Arm gesteckt wird ; an den Steigbügeln be- am Nie zum Gefecht zu Fuß hat der aufgesessen zurück: finden sich lederne Lanzenschuhe , welche das Einem jungen Mädchen. ge für die untere Ende des Schaftes aufnehmen , wen-n bleibende Mann neben der Sor e n cht ein eut d nde t rau ze Gem in wir ; nich geb die Lan Nebenl Pferde seiner beiden abſiße Noch ruht auf dir ein tiefer Frieden , auch noch die für die Lanzen der letzteren zu schaft mit dem Armriemen enthebt der Lanzenn Wie auf der Rose Morgentau , übernehme und in der kurzen Zeit , welche schuh den Reiter der Verpflichtung die Lanze Noch hat der Kummer dich gemieden , für die Ausbildung des rohen Rekruten zu mit der Hand zu halten, wenn er nicht nötig einem kriegsbrauchbaren Reitersmanne zu Ge- hat sie zu gebrauchen . Lustig weht von dem Noch ist dein Himmel klar und blan. bote steht, soll derselbe , abgesehen von seiner oberen Teile des Schaftes die Lanzenflagge allgemeinen militärischen Erziehung und Schu: in den Landesfarben herab ; sie soll nicht , wie Du gehst auf dornenlosen Wegen, lung, reiten, schießen , den Gebrauch des Säbels, vielfach angenommen wird , dazu dienen des Der eignen Schönheit unbewußt, n s der t hen u ist rd son en ner , enſ mac zu h n Pfe sche und dan noc die Füh- Geg ererzier , Felddi träumend noch; bald wird sich regen Wie l er alt ibse tel rble sie wo , Mit dem aus ein Uebe Der Kampf in deiner jungen Bruſt. s bezeichnete . g ter rung der Lanze erlernen . Rit des Ran den Und nur in der Hand des gewandten Wenn es zum Angriff geht, werden die re erni htba Mannes ist ckte diesen ist einesiefurc Waffse.. Für ungeschi den ein Hind Ihr Lanzen gefällt ; mit eingelegter Waffe geht es Dann wirst du zagen , hoffen, beben ; Gebrauch seht sich zusammen aus Stichen, dann in vollem Roffeslaufe auf den Feind Denn ehe du es noch gedacht, welche nach allen Richtungen geführt werden, los. Wird zum Gefecht zu Fuß abgesessen , so Bist haltlos du dahingegeben aus umgängen, d. h. Uebergängen aus einer bleiben die Lanzen bei den Pferden, der lan Stichlage in die andere , und aus Deckungen, nimmt den Karabiner zur Hand und dem Der Liebe unsichtbaren Macht . welche durch kreisende Bewegungen erfolgen, zurückbleibenden Kameraden bleibt mit der Julius Sturm . bei denen die Spitze der Lanze dem Gegner Sorge für die Pferde zweier zu Fuß Fechten :
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MOTT
Balduin Möllhausen. Das Haus Montague. -1250-
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Das
Haus
Montague.
Erzählung in drei Bänden von
Balduin Möllhausen. (Fortsetzung.)
Wie du, kann nur ein Bruder handeln, " begann er, " und was du mir bietest, ch nehme es mit Dank an. Bin ich kein einer Gentleman wie du selber , so weiß ch doch, was recht ist. Soll ich für dich n den Tod gehen , brauchst du mir nur inen Wink zu geben. Ich fordere dich nicht auf, dem Mädchen hier freundlich zu egegnen ; in deinen Augen steht's geschrieen , daß du in ihr die Braut deines BruEr fah nach der niedrig ers ehrst. " tehenden Sonne hinüber und bemerkte tachdenklich : Eine Stunde mögen wir och warten , begeben wir uns dann auf en Weg zur Stadt, so treffen wir gerade ur rechten Zeit ein. Könntest mir jest ber eine Freude bereiten, indem du Carota als deine fünftige Schwägerin berüßtest ; denn das schwöre ich dir zu : Bötest du mir alles Gold Kaliforniens , o ließe ich nicht von ihr. Ihr Herz ist o flar wie ihre Augen. " Mein Blick trübte sich bei dieser Bitte. Zwei Gestalten waren vor meiner Seele ufgetaucht, die eine im Schmuck üppiger Jugendkraft und lichtblonden Haars , um ingt von gletschergekrönten, wild zerklüfeten Felsmassen, die andere bis zur Hin älligkeit zart, umwallt von braunen Locken and in ihren Augen widerspiegelnd tiefes , uf Gold und ungezählten Schäßen ins Eeben getretenes Leid. Wie kontraſtierten eide so eigentümlich zu der gespannt zu ir aufschauenden bräunlichen Waldelfe ! Carlota," redete ich sie herzlich an, ndem ich ihre beiden Hände ergriff, " wie John Blount gehörst auch du zu mir " as weitere füßten zwei Kirschenlippen nbefangen von meinem Munde fort, und vieder zurücktretend, flehte Carlota in kindich süßem Schmeichelton : „ Aber du nimmst hn nicht fort von mir, oder ich muß steren. Santa Maria ! Barfuß will ich lieber n seiner Seite mein Leben lang gehen, Is ohne ihn goldene Schuhe tragen und eidene Schleppen hinter mir herziehen. " Der soll dir nicht geraubt werden," eteuerte ich gerührt, dagegen hoffe ich och zu erleben, daß du an seiner Seite n Samt und Seide einherwandelst. " Carlota sah mich mit ihren großen unklen Augen ungläubig an. Sie schien nich nicht verstanden zu haben. Wir ließen ns auf den Stein nieder, Carlota zwischen ins beiden Brüdern, und wenn je Herzen ich schnell erwärmten und öffneten, so gechah es hier, indem ich zunächst mit für en Worten meine eignen Erfahrungen childerte, dann aber zu unserer gemein amen Lage , der fernsten Vergangenheit 89. IL
und nächsten Zukunft überging. Die einfache ungeschminkte Weise der Mitteilungen bahnte meinen Worten einen breiten Weg zu den beiden ungeschulten Gemütern, daß sie kaum zu atmen wagten, zu träumen meinten. Ich dagegen begriff, daß es auf gewöhnlichem Wege mir kaum gelingen würde , Carlotas Einwilligung zu einer längeren Trennung von dem Geliebten zu erlangen. Bedachtsam vermied ich daher, schon jest an eine solche Notwendigkeit zu rühren. Um so inniger ergößte ich mich dafür an den Plänen , welche bald von Carlotas Lippen flossen, bald von John Blount offenbart wurden. Es waren Pläne, welche ihnen beiden als der Inbegriff des höchsten irdischen Glückes und Reichtums erschienen und sich doch nur auf den Besig eines eigenen Gehöftes , eines Dußends eigener Pferde und doppelt so vieler Rinder beschränkten. Die Sonne war längst hinter die Küsten berge hinabgesunken , als John Blount endlich an die vorgerückte Zeit erinnerte und wir gemeinsam den Weg zur Stadt einschlugen . Eine halbe Stunde später erreichten wir das Fort. Dort bestieg John Blount seinen Mustang, und wäh rend Carlota sich nach ihrem Heim begab, schlugen wir Brüder die nächste Richtung nach dem Hause des Alkalden ein. Die Nacht war nunmehr vollständig hereingebrochen, eine jener lieblichen Nächte, wie man sie als einen Schmuck der vom Meer begrenzten Tropen bezeichnen möchte . Die engen Straßen waren noch belebt. Vor den Häusern rasteten deren Bewohner, um die erquickende Kühle im vollsten Maße zu genießen. Andere hatten die von würfelförmigen Bauwerken umschlossenen Höfe zum Aufenthalt gewählt, wo Palmen und Bananenstauden sich über ihnen wölb ten und das Wasser eines vom Gebirge niederrieselnden Baches zur Herstellung plätschernder Springbrunnen herbeigeleitet worden war. Auf einem solchen Hofe weilte auch der Alkalde von Acapulco , ein Mann in den Vierzigern und behaftet mit allen Feh lern und Vorzügen eines echten Merikaners . Bei ihm und seiner Familie befanden sich einige Nachbarn, gleich ihm mit dem Rauchen von Zigarretten und einem kräftigen Trunk sich vergnügend. In heiteren Bahnen bewegten sich ihre Gespräche , als ich den Alkalden um eine Unterredung bitten ließ . Vorbereitet , wie er bereits durch seine Leute war , begab er sich ohne Zeitverlust in sein Geschäftszimmer, wo ich alsbald bei ihm eingeführt
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wurde. Unsere Verhandlung dauerte nicht lange. Von seiten des Alkalden anfäng lich mit einer gewissen vornehm kalten Zurückhaltung geführt , wurde er in dessen bald redseliger. Als wir endlich zu einem bestimmten Abschluß gelangten, drückte er mir mehrfach die Hand , mit merikanischer Verbindlichkeit sich beglückwünschend, daß ihm die Ehre näherer Beziehungen zu dem wohl berufenen Hause Montague zu teil geworden. Gleich darauf wurde John Blount hereingerufen . Mit unnachahmlicher Grandezza trat der Alfalde ihm entgegen . "John Blount, " redete er den sich höflich Verneigenden wohlwollend an, "! du hast in diesem Herrn einen warmen Fürsprecher gefunden. Gegen die höchste obrigkeitliche Behörde fehltest du , auch sollst du am Schmuggeln dich abermals beteiligt haben , was indessen erst bewiesen werden müßte, und dergleichen darf nicht ungeahndet bleiben. Von der Gefängnisstrafe sehe ich ab ; dagegen kann dir nicht erspart bleiben, daß dein Bürge fünfzig Dollar für dich erlegt , wofür du ihm verpflichtest bist. Jezt gehe , John, und überbringe Carlota meinen Gruß. Sage ihr , ich hoffe , binnen absehbarer Frist bei Gelegenheit ihrer Hochzeit den Fandango mit ihr zu eröffnen. " Ich danke dem Alkalden für seine Nachsicht, " antwortete John Blount eigentümlich weich, als hätte die Begegnung mit mir , wie meine Vermittelung den zügellosen Burschen plöglich umgewandelt gehabt ; zum erstenmal in meinem Leben bereue ich etwas , und zwar gegen den Alkalden selber mich freventlich aufgelehnt zu haben. Aber der Teufel der Eifersucht hatte mich gepackt - " „ Schon gut, Blount, schon gut, " unterbrach ihn der Alkalde, dem eine Fortsetzung des Gesprächs peinlich sein mochte , und er drückte ihm herablassend die Hand, „ wärest du von Anbeginn weniger störriſch gewesen , so möchtest du jest Haus und Hof dein eigen nennen. " John Blount blickte mich fragend an. Ich gab ihm einen Wink und mit schnellem Verständnis und der Folgsamkeit eines gut gearteten Kindes entfernte er sich. Ich hatte eben ein neues Gespräch mit dem Alkalden eröffnet, als draußen das flinke Klappern der Hufe ertönte , mit welchem der Mustang seinen Herrn in wildem Galopp davontrug. Zu demselben gesellte sich nach kurzer Pause durchdringendes indianisches Gellen und Jauchzen. Der Teufel steckt in dem Blount, " meinte der Alkalde lachend , " Caramba ! solche Töne kann ihm nur helle Freude über die Zähne jagen. Die ganze Stadt macht er aufrührerisch. Rechtes Erstaunen wird's erregen , daß der wilde Schlingel wieder da ist ; und im Grunde ist er troß seiner tollen Streiche wohl gelitten. Bei Gott, Herr Montague , Sie werden Ihre liebe Not haben, einen friedlichen Geſchäftsmann aus ihm heraus zu bilden." „Es soll wenigstens versucht werden, “ erklärte ich mit heimlicher Besorgnis , „nach den unberechneten Erfolgen der lezten 53
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Stunden ist meine Hoffnung gewachsen. | der plötzlich allen Nachstellungen entrückt | volles , schwarzes Haar auf dem Rücke Ueber das Mädchen und dessen nächste war, sich frei zeigen durfte, wo nur immer bis tief über die Hüften niederfiel. Ein Zukunft muß ich noch mit mir zu Rate es ihm beliebte. Doch mehr noch als die um die Schläfen geschlungenes rotes Band gehen. Ich habe nämlich den Eindruck Getränke trieb die Musik das bewegliche schüßte dasselbe gegen allzu wildes Flat gewonnen , daß ohne sichere Bürgschaft, südliche Blut in schnellerem Takt durch tern. Die Jacke hatte sie abgeworfen, di wieder zusammengeführt zu werden , die die Adern . Die Wangen glühten, es bliz ihre runden Arme fast bis zu den Edul beiden schwerlich in eine , wenn auch nur ten die dunklen Augen, indem die Paare tern hinauf sichtbar waren. John Blount vorläufige Trennung willigen. " abwechselnd durcheinanderwirbelten und hatte dagegen die Gamaschenleder zur Wenn sie sich überhaupt dazu be- dann wieder zu einer Art Quadrille sich Seite geworfen und die weiten, staubiac quemen, einander aus den Augen zu ver- ordneten . Zu der Musik gesellte sich Beinkleider bis über die Kniee emporgelieren ," wendete der Alkalde nachdenklich pausenweise allgemeiner Gesang, zum Preise rollt, ebenso die Hemdärmel , wodurch die ein. "! Die sind nämlich wie die jungen der Liebe und des Weins , während die barocken Tättowierungen und Muskeln zum Panther unserer Wälder. Weich wie Zuschauer und rastenden Paare durch Zu- Vorschein kamen , deren ein angehender Samt schauen die Tahen dieser Tiere sammenschlagen der Hände dem Takt fort- Herkules sich hätte nicht zu schämen braus sich an ; aber man braucht nur die Hand gesetzt verschärften Ausdruck verliehen. chen. Seine Füße waren mit einfachen nach dem einen auszustrecken , um ebenso Von der Thür forttretend , war ich schmucklosen Mokaſſins bekleidet, wie ſolde schnell die Krallen des - anderen im warmen nach dem Giebel des Hauses herumge- unter der ärmeren Landbevölkerung üblich, Fleisch zu fühlen. Caramba , Sennor, schritten, wo ich sicher war, nicht bemerkt während Carlota auch hier barfuß gina. ich habe meine Erfahrung hinter mir ; wer zu werden. Dort erstieg ich eine unter Beide führten in den Händen Kastagnetten, aber möchte es einem verargen , wenn er halb des Fensters liegende Kiste, wodurch und an den unregelmäßigen Probewirbelr, einem Kinde wie die Carlota in die ich eine freie Aussicht auf das lebhafte welche sie schlugen , erkannte man lett Treiben gewann. Nach John Blount daß sie in dem Gebrauch dieser zauberhaft frischen Wangen kneift ? " So munter plaudernd, geleitete der Al- brauchte ich nicht lange zu suchen. Allen wirkenden unscheinbaren Instrumente eine falde mich auf die Straße hinaus, wo wir voraus war er bald mit Carlota , bald große Fertigkeit erlangt hatten. mit einem freundschaftlichen "1Auf Wieder mit dieser oder jener bräunlichen Schönen. hingegen in ihrem Inneren lebte , die er sehen" voneinander schieden. Der Alkalde Erfüllte kurz zuvor der Gedanke an den wachende wilde Lebenslust , der unwider kehrte zu den Seinigen zurück ; schwer ungeahnten Wechsel seiner Lage ihn vollstehliche Drang, nach dem Takt der Ma mütigen Betrachtungen hingegeben , ver- ständig, so kannte er jetzt nur das einzige im Tanz sich zu wiegen , das leuchtet folgte ich langsam meinen Weg nach dem Trachten , einem zügellojen Freudenrausch aus ihren Augen , indem sie nach aller Gasthause, meiner zeitigen Heimstätte. Wie sich hinzugeben. Dabei entging mir nicht, Seiten spähten, gleichsam Aufmunterun follte es mir gelingen, entscheidenden Ein- daß er hin und wieder einen scheuen Blick suchten in den begeisterten Blicken, weld fluß auf meinen verwilderten Bruder zu nach der Thür hinübersandte , wie von an dem schönen Paar hingen , und de gewinnen ? Inwieweit war das trozige dorther irgend eine Störung befürchtend. Stimmen, die ihnen schon im voraus ze Gemüt empfänglich für Ratschläge, welche Leicht deutete ich diese Bewegung ; ich be- spendeten. feinen eigentümlichen Anschauungen nicht griff, daß das Bewußtsein, während seines Ein Schlag auf das Tamburin en entsprachen ? Dunkel wie die engen übermütigen Einherstürmens von mir überzeugte Stille. John Blount strich die bu Straßen dehnte die Zukunft sich verwacht zu werden , ein Gefühl der Be- schigen Locken zurück. Verstohlen jabe meinen geistigen Blicken aus. schämung in ihm wachgerufen hätte, und wieder nach der Thür hinüber, dann wed sorgfältiger noch achtete ich darauf, einer selte er einen Blick des Einverständnis. 34. Kapitel. mit Carlota. Beide hoben die Hände er Entdeckung auszuweichen. Kurze Zeit hatte ich durch die trüben por , die Kastagnetten ertönten wirbelni Fanda ngo. Der Scheiben das lustige Treiben beobachtet, um in einen langsamen Marschtakt übe Als ich auf Umwegen dem Gaſthause als eine Pause eintrat und die vollen zugehen . Klingend, klirrend und rasiels mich näherte , tönte mir schon aus der Gläser unter wildem Jubel kreiſten. Plöß- fielen Guitarre , Tamburin und Triang Ferne das Klingen von Guitarren, Tam- lich aber wurden Rufe nach Carlota und ein , zugleich belebten sich die beiden g burin , Triangel und Kastagnetten ent- John Blount laut ; zugleich schaffte man schmeidigen Gestalten , die bisher wie g gegen. Vor demselben eingetroffen , fiel freien Raum , indem die Gäste ringsum bannt gestanden hatten. Anfänglich i mein erster Blick auf John Blounts Mu- an den Wänden und in den Zimmerecken | Tanzschritt sich gegenseitig medend un einander wieder zukehrend , legten sie de stang. Neben der Thür stand er ange sich zusammendrängten. bunden, sich angelegentlich mit einigen ihm "John Blount ! " hieß es da , „jezt Hauptgewicht in die Bewegungen des Ke vorgeworfenen Maiskolben beschäftigend. beweise, daß du auf der anderen Seite der pers , Carlota auf ihren nackten Fuß Soviel ich von außen erkannte, war die Berge das Tanzen nicht verlerntest ! Car- mit unnachahmlicher natürlicher Anm geräumige Halle dicht gefüllt mit Menschen. Lota! Auf den Plaß mit deinen kleinen gleichsam einherschwebend , John Blew Die wilden Jubelrufe, welche John Blount Füßen! Zeige, was es heißt, die flinkſte eine gewisse, von Kraft und Gewandthe während seines tollen Einherreitens aus Tänzerin von Acapulco zu sein ! Heraus zeugende Ruhe und Sicherheit zur Se stieß, hatte das junge Volk der Stadt dort mit euern Kastagnetten ! Mille Caramba ! tragend. Dabei regten ſie die Arme ciac zusammengelockt, und dann bedurfte es nur Platz für den tollen Vaquero und seinen tümlich ausdrucksvoll ; Zauberformeln hat man das Klappern der Kaſtagnetten nena weniger aufmunternder Worte , mit wel Scha ! " chen man den Willkommtrunk begleitete, So schallte es aus allen Richtungen, mögen. Allmählich aber , indem sie it einen Fandango zu eröffnen. Was nur und nicht lange, da traten Hand in Hand Bewegungen beschleunigten, einte sich h immer beweglich, hatte man aus der Halle John Blount und Carlota , begrüßt von und da eine Stimme mit der Mui geschafft, vor allem der schwingenden Wiege ohrenbetäubendem Beifall und den unge- bis endlich alle Anwesenden sich an de mit ihrem schlummernden Inhalt eine ge- heuchelten Beweisen der Bewunderung, Gesange beteiligten und diesen mit rb:1 eignetere Stelle angewiesen. Die gut mitten in den Kreis . Und ein Bild zum mischem Händeklatschen begleiteten . L mütige Wirtin, die unvermeidliche Zigarre Bewundern boten sie , der kraftvoll ge schneller regten sich die Füße der beid zwischen den Lippen , und ihre Mägde baute Vaquero und das bräunliche Mäd- Tänzer, schneller ihre Arme, indem sie i hatten alle Hände voll zu thun , um die chen; ein Bild , in welchem Anmut und gegenseitig haschten , flohen und im zahlreichen Gäste zu befriedigen . Wein Jugendschönheit mit stolzem, mannhaftem wieder suchten. Leidenschaftlicher ergli und Aqua ordinate flossen in Strömen. Selbstbewußtsein und heiterer Gefallsucht ten ihre Gesichter , heißer leuchteten i Galt es doch, die Rückkehr John Blounts, sich einten. Carlota hatte die Zöpfe, Augen, wilder wogte das gescheitelte pro des tollsten Burschen der Stadt, zu feiern, nachdem sie der fesselnden Schleife ent- tige Haar um Carlotas Schultern, wil des verwegenen Reiters und Schmugglers , | schlüpften, ganz aufgelöſt, daß ihr pracht- | die braunen Locken um John Blous
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Haupt. Kein Flitterstaat schmückte das Baar , und doch bot es ein Bild , durch welches auch das verwöhnteste Auge hätte entzückt werden müssen. Von meinem er höhten Standpunkte aus vermochte ich es über die Köpfe der Zuschauer hinweg bis zu den Füßen hinunter zu überwachen. Durch den Anblick wurde ich in einer Weise gefesselt, daß ich die Beziehung vergaß , in welcher John Blount zu mir ſtand. Es schmeichelten meinen Augen die beiden jugendschönen Menschen , die in dem Bestreben, ihr Bestes zu leisten, für ihre Um gebung keine Sinne mehr besaßen , an sich selbst nichts vermißten , was ihrer äußeren Erscheinung erhöhte Reize hätte verleihen können, kein heiteres Farbenspiel, feinen schillernden Zierat. Was die Natur ihnen verliehen hatte, das genügte ihnen, genügte allen , die begeistert auf sie hinfahen. Ungestümer noch wurden ihre Bewegungen und leidenschaftlicher. Sie schienen unermüdlich zu sein. Sie tanzten, als hätten sie sich auf Gottes großer Welt allein befunden. Wehmut ergriff mich bei dem Gedanken , daß ich störend zwischen die beiden treten sollte. Zagend vergegenwärtigte ich mir die Stunde , in welcher John Blount als gleichberechtigt mit mir vor die Entscheidung über die Wahl seiner Zukunft gestellt werden würde; zagend den Bersuch, ihn aus den bescheidensten untergeordneten Verhältnissen in andere des Reichtums und des Glanzes hinüberzu führen. Wo lag für ihn das Glück? Wo vor allem das Carlotas ? Ich gedachte der Tage, in welchen ich selbst nach den Klängen der Langeleike mich fröhlich im Tanze drehte, ernste Nordlandsmelodien fich gleichsam an mein Herz anschmiegten und einen geheimnisvollen dauernden Nach hall in demselben erweckten. Das gletschergekrönte Felsenheim unter dem kalten nor dischen Himmel und das palmenbeschattete immergrüne Tropenreich unter der senk recht niederbrennenden Sonne : wie waren sie doch so verschieden voneinander ! Verschieden wie die beiden Zwillingsbrüder, die, im zartesten Jugendalter ein und das selbe Bild , jezt im Aeußeren wie im Wesen, sogar im Sinnen und Denken, im Lieben und Zürnen die Einwirkung der Natur der weit voneinander getrennten Zonen gewissermaßen widerspiegelten. Geräuschvoller Jubel trat an Stelle des rhythmischen Klingens und Rasselns , Singens und Klatschens und ermunterte mich aus meinen traumhaften Betrachtun gen. Vor meinen Augen flirrte es. Der Tanz war beendigt. Um das erhigte, tief atmende Paar drängte sich alles zusammen, es zu seiner Gewandtheit beglückwün schend. Wie durch einen Schleier hindurch sah ich Carlotas freudestrahlendes , glut bedecktes Antlig, wie durch einen Schleier hindurch John Blounts selbstbewußt getragenes Haupt. Neben dem Triumph auf seinen sonnverbrannten Zügen machte sich wieder jene seltsame Scheu bemerklich, indem er verstohlen nach der Thür hinüberspähte Wen er dort suchte und wessen Blick er zu begegnen fürchtete , es konnte
kein Zweifel darüber walten. Ich begrüßte es als die erste Spur meines auf ihn gewonnenen Einflusses, welcher indessen durch den unscheinbarſten Zufall, alsbald wieder verwischt werden konnte. Leise glitt ich von der Kiste, die mir so lange als Warte gedient hatte. Auf einem Umwege gelangte ich durch die Hinterthür des Hauses in meine Kammer, wo ich mich aufs Lager warf. Eine Stunde lauschte ich noch auf den Lärm in der Halle , wo die Ausgelassenheit sich bis zum Gipfel steigerte. Dann verstummte die Musik. Zu gedämpftem Summen einigten sich die Stim men, die so lange in Tanzliedern ertönten. Auf die Straße hinaus drängte es sich, wo lustige Grüß und tolle Scherzreden sich noch eine Weile kreuzten. Es erscholl das mir bereits bekannte durchdringende Jauchzen und Gellen . Das Klappern flin ker Hufe drang zu mir herein , und im Geiste sah ich einen verwegenen Reiter im wilden Galopp seinen Weg über Stock und Stein nach der weit abwärts gelegenen Rancheria verfolgen , welche er zu seinem zeitigen Wohnsiz gewählt hatte. Als John Blount, ich nenne ihn noch immer so , zwei Tage später wieder in Acapulco eintraf, jest aber ein vollkommen freier Mann, um sich von mir beraten zu lassen, harrte seiner eine freundliche Ueberraschung. Durch die Straßen reitend, schallten ihm von allen Seiten fröhliche Grüße entgegen ; sogar den Hut zog dieser und jener vor ihm , daß er sich förmlich schämte. Denn wie ein Lauffeuer hatte es sich in der Bevölkerung verbreitet, daß John Blount, über deſſen rätselhaftes Her kommen sich schon mancher den Kopf zer brochen hatte, plöglich ein reicher Mann geworden und seinen unerwartet aufgetauchten. Bruder nach dem Osten begleiten werde. Die erſten dumpfen Gerüchte waren dadurch zu vollendeten Thatsachen angeschwollen, daß ich selbst nicht nur mit dem Alkalden, sondern auch mit dem Vereinigten- Staaten-Konsul lebhaft und unverkennbar freundschaftlich verkehrte. Wie eingeschüchtert durch die ihm zu geschrienen verworrenen Aufschlüsse , hielt John Blount vor dem Gaſthauſe, in wel chem ich wohnte, sein Pferd an. Die gut mütige Wirtin stand in der Thür und hieß ihn mit großer Herzlichkeit willkommen. „ Ja, der Herr Montague , dein eigener leiblicher Zwillingsbruder , weilt noch hier," beantwortete sie John Blounts Frage , sogar zu Hause ist er; mehrfach schon lugte er nach dir aus Was sie hinzufügen wollte , wurde durch Carlota abgeschnitten , die , aus dem Innern des Hauses kommend , durch die Halle gleich sam flog und an ihr vorbei sich ins Freie hinaus drängte. Ich stand neben dem Schenktisch am Fenster und betrachtete mit herzlichem Wohlgefallen und warmer Teilnahme den verwegenen Reiter, der in den kurzen Bügeln wie mit dem Pferde verwachsen im Sattel faß. Sobald Carlota aber in meinen Gesichtskreis trat, galt meine Aufmerksamkeit nur ihr allein. Anscheinend
-1257mit Gewalt zog sie den willig Folgenden von dem durch ihr Ungestüm erschreckten Mustang zu sich nieder, um ihn, abwechselnd lachend und weinend , in die Arme zu schließen, ihn zu herzen und zu küſſen, daß er kein Wort hervorzubringen vermochte. Gerührt überwachte ich beide. Eins in dem anderen aufgehend , hatten sie plötzlich die ganze übrige Welt vergessen , die überstandenen Sorgen wie die verheißend lächelnde Zukunft. Nur in dem einzigen Gedanken schwelgten sie sich gegenseitig anzugehören , keinen Verrat, keines Sterblichen Blicke mehr fürchten zu müssen. Wer wußte , was die kommenden Tage ihnen brachten. Wie ein Verbrechen erschien es mir, mit störender Hand in das Geschick der beiden anspruchslosen Menschen einzugreifen, deren Leidenschaften, ähnlich den sie umringenden sonnendurchglühten erotischen Pflanzenformen , sich mächtig entwickelten und im üppigen Blühen kein Maß, keine Grenze kannten. Wo lag ihr dauerndes Glück? Fernab in der Umschlingung des streng geregelten falten Geschäftsverkehrs oder in der immergrünen Zone der heißen Liebe und sorgloſen fröhlichen Genießens ? Endlich ließ Carlota von dem berauschten Geliebten ab, und jezt erst fand dieser Gelegenheit , ihrer äußeren Erscheinung seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Sprache versagte ihm vor Erstaunen, als er sie so gänzlich verändert vor sich sah. Denn nicht mehr barfuß ging ſie, nicht mehr in schlichtem Röckchen und in Hemdärmeln , sondern stattlich gekleidet, wenn auch nicht prahlerisch reich , wie die Tochter eines wohlhabenden Landbesizers . und schöner noch erſchien sie ihm mit der lieblichen Befangenheit auf dem frischen bräunlichen Antlig und dem Stolz , der aus ihren großen dunklen Augen hervorleuchtete ; schöner noch , daß er sich kaum getraute , ihre erneuerten Liebkosungen zu erwidern. Erst als ich den beiden mich zugesellte , einige die Zukunft betreffende Andeutungen fallen ließ und John Blount auf die Pflichten hinwies , die nunmehr auf ihm ruhten , wich die Verlegenheit, welche bei meinem ersten Anblick ſich ſeiner bemächtigt hatte, von ihm. Wie ein Wunder berührte es mich, daß er, der so lange keinen anderen Herren über sich anerkannte als denjenigen, welchen er ſich ſelbſt auf Zeit auswählte , mir gegenüber_gewissermaßen zum Kinde wurde , welches bei den ersten Gehversuchen ängstlich die Arme nach der stüßenden Hand ausstreckt . Mit heimlichem Triumph begrüßte ich diesen ersten auf ihn gewonnenen wirklichen Einfluß. Es wurde mir dadurch erleichtert, ihn meinen ferneren ernst überlegten Plänen zugänglich zu machen und allmählich für eine zeitweilige Trennung von Carlota zu gewinnen. Bedenklich erschien mir dagegen, daß er, nachdem er das Aeußere eines Vaquero mit dem eines vornehmen Amerikaners vertauschte, mit überraschender Schnelligkeit und wunderbarem Verständnis in Haltung und Wesen sich auch den Ernst eines solchen aneignete,
1258 ausschließlich Bilder einer überschweng | lichen märchenhaften Pracht seinen Kopf erfüllten. Er wurde sogar unempfindlich gegen Carlotas Thränen, und eindringlich redete er auf sie ein , ihr beiderseitiges Glück nicht dadurch zu verscherzen, daß sie darauf bestehe, ihn um keinen Preis von sich zu lassen. Instinktartig fühlte das arme Kind heraus , daß die plöglich veränderte Lebenslage des Geliebten für sie selbst Gefahr in sich berge. In demselben Maße aber, in welchem ihr Vertrauen in die augenscheinlich kaltblütig erteilten Beteuerungen ewiger Treue des Geliebten sich lockerte, suchte sie in mir einen sicheren Halt zu gewinnen. Mochte sie mich immer hin als den Urheber ihres Unglücks betrachten und als solchen gewiß oft genug heimlich verwünschen , so fand sie doch Trost und Beruhigung in meinem Versprechen des Wiedersehens mit ihrem Auserforenen . Volle drei Wochen dauerte es, bevor ich mich entschloß , auf dem nächsten fälligen Kaliforniadampfer zur Reise nach Panama hinunter gemeinschaftlich mit John Blount mich einzuschiffen. Bis dahin hatte ich alles bedachtsam so geordnet, daß die beiden jungen Leute der Zukunft vertrauensvoll entgegensehen durften. Weinend er flärte Carlota sich einverstanden damit, daß John Blount den bevorstehenden Winter fern von ihr verlebte. Zuckenden Her zens bekämpfte fie die Besorgnis , gänzlich von ihm gerissen zu werden. Aehnlich sprach John Blount ſich aus , jedoch mit einer Ruhe, welche mich befremdete, sogar beängstigte. Zur beiderseitigen Befriedigung siedelte Carlota auf meine Veranlassung zu einer amerikanischen Familie über, in der sie die liebevollste Aufnahme fand, zugleich die Gelegenheit , sich gewissermaßen auf eine neue Lebenslage vor zubereiten . Was nur immer in meinen Kräften stand, ihr eine solche Aufgabe zu erleichtern, hatte ich, ihre Neigungen sorg fältig berücksichtigend , aufgeboten. Um das etwaige Urteil Reginalds kümmerte ich mich dabei nicht. Seinen kalten maschinenhaften Berechnungen stellte ich mit einem gewissen Troß die Entscheidungen des Herzens gegenüber. So hinterließ ich auch reiche Mittel, welche es Carlota er möglichten, jederzeit, wann immer der Ruf an sie ergehen würde , sich auf die Reise nach New York zu begeben. So war der Tag des Scheidens herangekommen , die Stunde , deren ich längst mit heimlicher Besorgnis gedachte. Ich fürchtete , daß das mit so viel warmer Teilnahme eingeleitete Werk im letzten Augenblick noch an Carlotas wilder Leiden schaftlichkeit scheitern, John Blounts Zuneigung zu ihr trotz seines gänzlich veränderten Wesens sich stärker erweisen könne als alle ihm vorgespiegelten glänzenden Hoffnungen. Erst als ich gewahrte , daß Letterer das klagende Mädchen mit beinahe herrischer Entschiedenheit tröstete, Carlota Dagegen zitternd und zagend , sogar von sichtbarer Scheu vor dem Geliebten befangen, sich nach dem leßten Scheidegruß
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aus seinen Armen wand, beruhigte ich mich und dieselben auszufüllen. Der ernite einigermaßen wieder ; es trug mich die Wille des Mannes wird bei ihnen mehr Ueberzeugung , daß Tage folgen würden, als ersetzt durch reine unverfälschte Liebe. " in welchen sie die jeßige Stunde segneten. John Blount zuckte die Achseln. Einen Mit innerer Genugthuung beobachtete ich finsteren Blick sandte er nach der dem darauf, wie John Blount vom Stern des eisernen Schlot massig entquellenden schwarscheidenden Dampfers aus die ihm von zen Rauchwolke hinauf und versetzte ausden zahlreichen Boten und dem palmen druckslos : „Wir werden ja sehen. Cabeschatteten Strande aus nachgesendeten ramba ! hält die Frau nicht gleichen Schritt Grüße beantwortete. Reihenweise standen mit dem Manne, so muß sie zurückbleiben. und saßen dort die alten Bekannten und Der Mann darf sein Streben nicht nach Freunde, jung und alt, durch Gellen und den Launen des Weibes einschränken. J Jauchzen ihre aufrichtige Teilnahme für hätte es dem Kinde gern selber geſagt, ihn offenbarend, der nach den jüngsten aber ich fürchtete nicht verstanden zu wer Ereignissen ihnen plöglich wie ein Welt- den. Mitleid mit dem Dinge beschlich wunder der Größe und Erhabenheit er mich, daß ich es nicht übers Herz brachte. " schien. Er sehte eine Zigarrette in Brand. NachAuf dem flachen Dache eines günstig dem er einige Rauchwölkchen von sich gegelegenen Hauses entdeckte ich zwei einblasen hatte, fügte er mit unverkennbarer zelne Frauengestalten. Carlota war es in innerer Befriedigung hinzu : „Ich werde Begleitung ihrer früheren Gebieterin. Hoch von jezt ab Cyrus Montague heißen?" Cyrus Montague, " bestätigte ich nachwehten ihre geschwungenen Tücher. Deutlich gewahrte ich, daß Carlota ihre Arme denklich , denn es schwebte mir vor , daß immer wieder nach dem scheidenden Ge- dieselben Anschauungen , welche unseren liebten ausstreckte. Ich ahnte die heißen Vater einst von seinem Bruder trennten, Thränen , welche die großen glanzvollen nunmehr aus vieljährigem Schlummer jäh Augen trübten." wachgerüttelt , auch zwischen uns beiden Jch hielt mich etwas abseits, um John feindselig zur Geltung gelangen würden. Blount, der ebenfalls seinen Hut schwang, Ja , Cyrus Montague , " wiederholte id nicht zu stören. Einen Schritt näher tre fester , als solchen ließ ich dich in die tend , wodurch ich einen Blick auf sein Schiffsliste eintragen. " Antlig gewann, überraschte mich peinlich „Gott sei Dank, ich hörte das häßliche die auf demselben lagernde finstere Ruhe. John Blount zum lestenmal , " versezte Dieselbe verlieh seinen Bewegungen einen Cyrus tief aufatmend, „ habe den Namen gewissen Charakter des Mechanischen oder längst gehaßt. Er erinnerte mich stets vielmehr des Erzwungenen. Nach einigen an die alte Here in New York. “ Minuten bog der Dampfer in die Hafen„ Die Witwe Blount mag ihre Fehler einfahrt ein, und noch zwei Minuten später, haben, " suchte ich zu beschwichtigen, „ da da glitt eine grün überwucherte Felsen gegen darf ihr nicht abgesprochen werden, höhe zwischen uns und die Stadt. So daß sie deine früheste Kindheit überwachte bald das letzte Haus seinem Gesichtskreise und den ersten Grund zu deiner kernigen entrückt war , bedeckte John Blount sein Gesundheit legte." Haupt nachlässig ; ebenso gleichmütig kehrte Cyrus fann einige Sekunden nach und er sich um . Sein Blick begegnete dem erwiderte sorglos : „ Das will ich gelten meinigen. Das Bewußtsein, von mir überlassen. Vielleicht besuche ich sie darauf wacht worden zu sein, trieb ihm das Blut hin ; auch den alten Vanisch. Die werden in das männlich schöne wettergebräunte recht erstaunen. " Antlig. „ Gewiß , Cyrus , das thue, " billigte „Weiber bleiben Weiber, " bemerkte er, ich. " Beide werden sich sehr freuen, ein wie seine Beſchämung entſchuldigend, daß es gutes Wort von dir zu hören. Ihre mich unfreundlich anwehte. „ Das Schönste Schuld war es ja nicht, daß du frühzeitig und Beste verheißt man ihnen , trotzdem in mißliche Lagen gerietst." „ Du meinst die unseres Onkels Regisind sie nicht zufrieden. Sich in Unabänderliches zu fügen, lernen sie nie . Car- nald ?" "Ich rate dir , auch ihm gegenüber lota wird es viel Mühe kosten , sich zu einer vornehmen Dame heranzubilden . Habe Milde in deinem Urteil walten zu lassen. ich selbst doch meine Not , obwohl ich in Das Geschick strafte ihn bereits härter, jungen Jahren mir etwas Schulbildung als es durch Menschen hätte geschehen aneignete , mich in die neuen Verhältnisse können. “ Ich werde mich auf den besten Fuß hineinzudenken. “ Es wurde mir schwer , den Eindruck mit ihm stellen , " erklärte Cyrus zuverzu verheimlichen , welchen dieser herzlose sichtlich, „ich weiß," was ich will , und was Ausspruch in mir hervorrief. Ich konnte ich will, kann ich." nicht fassen, daß der unwiderstehliche ZauHier brach ich das Gespräch ab. Cyrus ber , welchen Carlota bisher auf ihn aus schien es willkommen zu heißen und beübte, ebenso schnell erbleichte, wie er von gann alsbald lebhaft auf und ab zu ſchreiihr fortgetreten war. Ich bezwang mich ten. Besorgt sah ich ihm nach. Es ent indessen und erwiderte belehrend : Frauen ging mir nicht, daß er in der reichen Zahl sind im allgemeinen empfänglicher für der Mitreisenden bald diesen, bald jenen plötzliche Wandlungen als wir Männer. der sich äußerlich vorteilhaft auszeichnete, Ihnen gelingt es leichter als uns, irgend aufmerksam betrachtete, wie um aus deſſes welche Lücken an sich selbst zu entdecken Haltung und Wesen zu lernen . Er hatte
-1261offenbar ein bestimmtes Ziel ins Auge gefaßt , um demselben mit eisernem Willen und unter Hintansehung aller anderen Rücksichten zuzustreben. Abermals gedachte ich unseres Vaters und Reginalds . Mir war, als sei ich in die Rolle eines bösen Verhängnisses eingetreten , indem ich , wenn auch mit den redlichsten Absichten , zwi schen zwei Herzen mich eindrängte, die bis dahin noch keine anderen Wünsche kannten, als die einer baldigen Vereinigung.
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| schränkte Besizer der in seinem Gesichts- | Familienähnlichkeit mit unserem Onkel Reginald zu entdecken, und zagte. kreise befindlichen Stadtteile gewesen. Leicht durchschaute ihn der Professor ; Am zweiten Tage nach unserem Eindoch wenn ich für ihn zagte , so bot der treffen begab der Professor sich mit Cyrus, alte Herr, auf den Lippen ein bezeichnen der meine Wohnung mit mir teilte, des gutmütiges Lächeln , seinen erklärlichen auf den Weg zu Reginald. Getreu seinem überschwenglichen Zukunftsträumen be- vor diesem abgelegten Versprechen , hatte dachtsam immer neue Nahrung. Es er sorgfältig vermieden , Cyrus in irgend trug ihn dabei die Hoffnung, ihm gerade einer Weise auf die Zusammenkunft vordadurch den Weg zu dem Vertrauen Re- zubereiten oder ihm Ratschläge über sein ginalds anzubahnen , zumal er nicht be- Benehmen zu erteilen. Er begriff , daß zweifelte , daß ich mit meinem überlegen Reginald nur dann ein unverfälschtes Bild Fünftes Buch. deren anspruchslosen Auftreten, zumal nach von dem Charakter meines Bruders zu Die Handelsherrn. den ihm einst zugeschleuderten schweren gewinnen glaubte , wenn er ihn für unAnklagen , nicht den günstigsten Eindruck beeinflußt halten durfte. Kalt erwägend 35. Kapitel. auf den kalt urteilenden herzlosen Handels- und berechnend, nur seinem eigenen Urteil Onkel und Neffe. herrn ausgeübt habe. Und doch war vertrauend, wollte er entscheiden , wer von Das Meer wogte still im hellen Nach- auch in mir im Laufe der lezten Monate den beiden Brüdern als der ältere und mittagssonnenschein. Möwen umkreisten eine Wandlung vor sich gegangen. Das damit als der einstige Chef des Hauses das Schiff und spähten, oberhalb des wir Schwinden der marternden Zweifel rück- Montague zu erklären sei. Doch auch belnden Kielwassers schwebend, nach Küchen- sichtlich der Persönlichkeit des Bruders Cyrus verriet nicht die leiseste Neigung, abfällen . Etwas seitwärts furchten die hatte mir die größte Beruhigung gebracht. sich von mir oder dem Professor beraten Rückenflossen zweier Haifische die glatte Das Bewußtsein dagegen , ohne fremde zu lassen. Weder an diesen noch an mich Oberfläche der schweren Dünungen. Ich Ratschläge die mir zuerkannte schwierige richtete er die kleinste Frage. In der zuvergegenwärtigte mir Carlota , wie sie an Aufgabe mit dem denkbar besten Erfolg versichtlichen Voraussetzung des ihm zujenem ersten Abend von Scheu befangen gelöst zu haben, gereichte mir nicht nur zur fallenden Reichtums , hatte sein Selbstim Hafen von Acapulco auf das räube- inneren Befriedigung, sondern zeitigte auch vertrauen sich bis ins Krankhafte gesteigert. rische Ungeheuer wies. bis zu einem gewissen Grade jenes Selbst Der eigene Scharfsinn galt ihm höher Durch mich brieflich über alle Vor- vertrauen , welches der Professor , wie er als unsere wohlgemeinten Unterweisungen. gänge in Acapulco ausgiebig unterrichtet, offen erklärte, so lange schmerzlich an mir Argwohn möchte ich es heute nennen, was hatte der Professor nicht gesäumt , Regi vermißte. So hinterließ auch das erste ihn bewog , jeder Gelegenheit zu ernſten nald auf unser Eintreffen vorzubereiten. Wiedersehen mit Agathe bei mir die freund Gesprächen über die Zukunft mit uns Irgend welche Ratschläge empfing er von lichsten Eindrücke. Ein entzückendes Bild ängstlich auszuweichen. Er besaß eben demselben nicht ; nur die Aufforderung er holdselig erschlossener Weiblichkeit, blendete den eisernen Willen , die von ihm etwa ging an ihn, Cyrus bald nach unserer An- sie mich fast durch ihre Schönheit. Ein gehegten Erwartungen zu übertreffen, sich kunft ihm vorzustellen und zwar allein in gewisser Hauch der Schwermut charakteri gewissermaßen selbst zu bändigen, wie einst seiner Begleitung. Meiner hatte er nur fierte zwar noch immer ihr auffällig zartes die wildesten Rosse, die ihm zum Zähmen beiläufig erwähnt. Antlig , dagegen hatte der Aufenthalt im übergeben wurden. In den ihm bisher Mit derselben Herzlichkeit wie ich selber Hause des Professors sichtbar einen be fremden Kreisen sich nicht immer ein richwurde Cyrus im Hause des Professors lebenden Einfluß auf sie ausgeübt. Auf tiges Urteil zutrauend , wie in der Bevillkommen geheißen. Bei der ersten Be- den Aschenfeldern des Grames und schweren sorgnis , durch falschgewählte Worte sich zrüßung entging mir nicht , daß es sich Siechtums schien , nach dem Vorbilde der in den Augen anderer herabzusehen und uf dem guten Antlig des alten Herrn unerschöpflich reichen Natur , neues Er zu schädigen, war er schweigsam geworden . wie Erstaunen , sogar Unglauben aus- blühen sich vorbereitet zu haben. Dies Andrerseits wirkte an ihm bestechend die prägte. Durch meine Briefe belehrt , konnte alles erfaßte ich mit einem einzigen Blick. mexikanische höfliche Weise, welche er sich r nur erwarten, in meinem Bruder einen Aber holdſeliger noch erschien sie mir, als angeeignet hatte , wobei ihm die ungerozigen Vaquero vorgeführt zu erhalten, sie mir beide Hände zum Gruß reichte, in wöhnliche Geschmeidigkeit seines Körpers er sich widerwillig und unbeholfen in den der alten lieben Weise mich küßte und in höherem Grade zu statten kam. Zwang höherer Gesittung fügte. Statt ihre getreue Kohlmeise nannte. Ihre So schritt er auch in ruhiger, zuverdessen sah er einen ernsten , sogar ver Augen blickten dabei mit süßer Befangen sichtlicher Haltung an des Professors Seite chlossenen Mann vor sich , der mit der heit, während ihre Wangen tiefer erglühter einher. Bebte wirklich in ihm ein Gefühl sollen Würde eines merikanischen Groß- und ein Lächeln dem meinigen begegnete, der Befangenheit , so verstand er es , sich zrundbesizers sich einherbewegte und da welches mir bis in die Seele hineinreichte. zu beherrschen. Gewann es doch den Anburch seine kraftvolle und doch geschmei- Die Sorgen, welche ich bei meinem Schei- schein, als ob beim Betreten des vornehmen sige Gestalt , wie das männlich schöne den an ihre Hinfälligkeit knüpfte , jetzt Bankhauses deſſen reiche Ausstattung nicht Antlig in noch günstigeres Licht stellte. waren sie geschwunden; Agathe selbst aber den leiſeſten Eindruck auf ihn ausübe. Die ungeahnte Wandlung seiner Lage war wäre die lehte gewesen , mich zu ermah Kalt glitten seine Blicke über die nach oben ben zu jäh auf das in gänzlicher Zügel- nen, nicht vermeſſen dem tückischen Schick- führenden spiegelglatten Marmorſtufen hinosigkeit gereifte Gemüt hereingebrochen, sal zu trauen , welches oft gerade dann weg; kalt über die vergoldeten Gitter zu im diesem das Ziehen einer verständig am feindseligsten , wenn es zu den blen beiden Seiten , die aus poliertem Granit berechneten Grenze zu ermöglichen. Starrer dendsten Farben greift, um dem Auge zu bestehenden Wände und die kostbaren StuckHochmut hatte Besig von ihm ergriffen. schmeicheln , freundlichen Hoffnungen den verzierungen ; kalt , sogar geringschäßig Er gipfelte darin , daß er während der weitesten Spielraum zu gewähren. über den Diener, der ihnen vorausschritt, angen Reise in seinen Gesprächen mit mir Zutraulich reichte sie auch Cyrus die um sie anzumelden. Neben dem Professor endlich in das tie Carlotas erwähnte. Erfolgte die An- Hand, ihn in herzigster Weise den Bruder egung dazu von meiner Seite , so ging ihres besten Freundes nennend. Als Blö- Empfangszimmer eintretend , verneigte er r mit sichtbarem Widerstreben , wie bei digkeit deuteten sie, der Professor und Frau sich gleich diesem höflich . Mit seltsamer äufig, darauf ein. Im Hause des Pro Painelow , dessen seltsam zurückhaltenden Schärfe betrachtete er darauf Reginald, essors vermied er sogar ängstlich jede Ge- Ernst , als den Ausdruck eines Gefühls der in vornehmer Haltung neben dem egenheit , über seine Vergangenheit ein der Unsicherheit in den neuen Verhält Schreibtisch stand und mit der einen Hand Wort zu verlieren. Dafür sah er mit nissen. Ich dagegen glaubte , in seinem sich nachlässig auf denselben stüßte. Im Blicken um sich , als wäre er der unum Wesen in erhöhtem Grade eine gewisse übrigen hätte eine Bildſäule nicht aus-
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1266Wort dazu gesprochen und es verbrieft | Ihre Teilnahme für ihn voraus daß e haben." in meinem Hauſe nur Kontorarbeiter wa Bei dieser unumwundenen Erklärung jeder andere , der sich den Befehlen des hatten Reginalds Augen , wie im Er betreffenden Vorgesetzten blindlings unter staunen, sich etwas vergrößert. Das Ge- zuordnen hat. Seinen Hochmut mag präge innerer Befriedigung gelangte auf auf spätere Zeiten verlegen, wenn erit 11: seinem Antlig verständlicher zum Aus sache vorhanden , demselben zu frenc druck. Es stand in schroffem Gegensatz zu Ueber die Berechtigung zur Führung de dem Hauch schmerzlicher Empfindungen, Namens Montague bestehen keine Zweid welcher über des Profeſſors Züge glitt. Betreffs des Vornamens werde ich ſpäter be Auch er säumte nunmehr ein Weilchen, stimmen . Turvil' gebührt dem Aelterer bevor er in frostigem Kontortone anhob : Wer der Aeltere , soll sich erst ausweiser „ Vor allen Dingen sollen Sie sich mit Bis dahin bleibt es, wie der Zufall es füat. dem Geschäftsgange in einem der hervor- Wie steht es mit seinem Bruder? be ragendsten Handelshäuſer vertraut machen. findet derselbe ſich ebenfalls in der Lage Damit geht Hand in Hand , daß Sie in sofort eintreten zu können?" „ Er wartet auf den Befehl, ſich Jhna Ihrem Wiſſen die Lücken ausfüllen , welche notwendigerweise nach dem verfrühten Ab zu Diensten zu stellen , " antwortete de bruch des Schulbesuches entstanden sein Professor. "Ich befehle den beiden Brüdern übe müssen." " Was ich einmal lernte , vergesse ich haupt nichts , " erklärte Reginald einteria nie ," hieß es ruhig zurück , die Lücken nur Gelegenheit biete ich ihnen , sich baldigst auszufüllen , bereitet mir keine Geschäftsmännern auszubilden, das übrig ist ihre eigene Sache." Sorge. " " Turvil wird nicht weniger Eifer un „Si sollen mit gesundem Menschenverstande ausgerüstet sein, wurde mir mit guten Willen beweisen als sein Brud geteilt. Der Erfolg wird es lehren. Wann Cyrus , " erwiderte der Profeſſor , in können Sie eintreten ? " Besorgnis , mich, dessen Anschauungen + " Morgen, jest gleich zu dieser Stunde, " denen Reginalds so weit auseinanderlic antwortete Cyrus lebhaft , jedoch ohne und der ich um keinen Preis ein Geberz Reginald neigte das Haupt kaum merk- | Ueberstürzung. " Sagen Sie , wann ich nis daraus gemacht hätte, zurückgeses: lich, ein Zeichen seiner Billigung. kommen und wohin ich gehen soll , und sehen ; „ außerdem bringt er die Erfahrun !! Ein guter Grundsay, " sprach er ein- Sie werden mich nicht müßig finden. ". mit, welche er sich in einem kaufmännic tönig, "er ist indessen leichter ausgespro,,Gut. So stellen Sie sich morgen Geſchäft erwarb. “ chen, als in ernſten Dingen bewiesen. “ früh um neun Uhr hier ein , “ entschied " Das will hier nichts sagen, Herr B „ Ich rede aus Erfahrung , " versette Reginald . " Bis dahin werde ich jemand fessor , höchstens , daß Sie ſelbſt ihn a Cyrus zuversichtlich, " was mir im kleinen beauftragen, zu Ihrer Belehrung sich Ihrer Grund einer längeren Bekanntschaft bez gelang , wird mir im großen nicht allzu | anzunehmen. Doch eine beiläufige Frage : " zugen möchten. Die jungen Leute i schwer werden. " und durchdringend sah er in Cyrus ' für mich gleich gut, gleich schlecht. Frem Wiederum neigte Reginald das Haupt Augen was wissen Sie über Ihre Empfehlungen haben auf dieser Stelle m beipflichtend. Mit der Verschlossenheit Vergangenheit ?" die Bedeutung leerer Worte. Sind einer Sphing prüfte er Cyrus abermals „ Nicht mehr, als ich wissen soll, " er Brüder überhaupt brauchbar, so hängt vom Scheitel bis zu den Sohlen hinunter. klärte Cyrus entschloſſen. Wahl des einstigen Chefs des Hauses Ma Ob das Bild schöner , üppiger MannesUm Reginalds Lippen spielte der An- taque allein von meinen Beobachtungen kraft sein Wohlgefallen erregte , ob die flug eines bezeichnenden Lächelns. Ich muß am besten wiſſen, wer die sicher Aehnlichkeit mit mir oder die von uns Mit solchen Grundsäßen ist mancher Bürgschaft nicht nur für den Fortbeta beiden mit einem längst Verstorbenen ein großer Mann geworden," bemerkte er meiner Firma bietet, sondern auch für irgend welche Erinnerungen in ihm wach darauf ausdruckslos . „ Es kommt nur dar- Wachsen von deren Bedeutung. Die jung rief, wußte nur er allein. Wohl aber auf an , daß sie nicht auf lockeren Sand Leute wohnen bei Ihnen? " und als zeugte sein Blick dafür, daß meines Bru- gebaut sind. Treten Sie jezt in das Vor- Profeſſor sich zustimmend verneigte . ders kurze ungeschminkte Redeweiſe ſeinen zimmer und schließen Sie die Thür hinter er mit der Ausdruckslosigkeit eines Au Beifall fand. sich. Ich habe noch einige Worte mit dem maten fort : „Das muß jezt sein Ende reichen. Einesteils würde es ihnen „ Ich hörte davon, " hob er nach einer Herrn Professor zu sprechen. “ Pause wieder an , unbekümmert um den Sich höflich verneigend, leistete Cyrus schwert sein , aus so großer Entfern Professor, der beide mit gleicher Spannung der Aufforderung Folge, und ohne Säu- die Geschäftsstunden mit streng gebete dann überwachte, „ja, ich hörte davon , daß in men kehrte Reginald sich dem Professor zu. Pünktlichkeit innezuhalten , " Viel gesunder Menschenverstand in hat der tägliche Verkehr mit ideal dem Ort, in deſſen Nachbarschaft Sie den letten Teil Ihres Lebens verbrachten, Sie dem jungen Menschen, " begann er frostig, anlagten Menschen für junge Leute. mit einem Mädchen ein Verhältnis ange- seine Antworten verraten großen Scharf im Geschäftsleben aufgehen sollen , knüpft hätten , welches als bindend be- sinn. Er besigt die seltene Gabe , den ernsten Bedenken. Beide werden daher trachtet werden muß. " Menschen das zu sagen, was sie am lieb der Stadt übersiedeln. Ihnen Wohnm Aengstlich sah der Professor auf Cyrus . sten hören. Sogar das Zeug zu einem einrichten zu lassen , wie sie einem Dessen gebräunte Wangen hatten sich bei tüchtigen Kaufmanne wohnt ihm inne, tague gebühren, ist meine Sorge; dieser Frage tiefer gerötet. Einige Sekun allein er wird nicht aushalten. Er kann, die Wahl des Stadtteils für jeden. den sann er nach, dann antwortete er mit was er will , aber er will nicht länger, beſtehe nämlich darauf , daß sie gette leichtem Achselzucken: „ Weiber spielen in als es ihm bequem ist. Ich werde es in voneinander leben , der vertrauliche ernsten Dingen überhaupt keine Rolle. dejjen mit ihm versuchen. Unmöglich wäre fehr sich auf gelegentliche Zusamment Ich möchte den Mann sehen, der in seinen ja nicht , daß die Hoffnung auf reichen beschränkt. Unter demselben Dach wer Jugendjahren nicht zu leeren Liebestände: Besitz die in ihm angebahnte Wandlung Zwist und Hader ausgebrütet , zumal leien sich verleiten ließ. Meines Dafür vervollständigt und befestigt , nebenbei ist schen Brüdern, deren Charakter so him haltens sind derartige Verhältnisse erst er ein Montague. Verständigen Sie das weit verschieden voneinander ; ein ja bindend, nachdem Priester und Notar ihr her auch ihn dahin ich sehe nämlich Schauspiel darf der Welt nicht geb 1264-
drucksloser verharren können , als der im unermüdlichen Trachten nach Vergrößerung seines Reichtums gealterte Handelsherr. Die Schicksalsschläge der neueren Zeit schienen fast spurlos an ihm vorüberge zogen zu sein; es sei denn, man hätte die Furchen zu beiden Seiten des Mundes, welche seit einem halben Jahr sich so viel tiefer in die fahle Haut senkten , als ein Merkmal heimlich nagenden Grames und heilloser Verbitterung gedeutet. Nur in seinen Augen lebte es , einem scharfen Beobachter bemerklich , indem er sie prüfend auf Cyrus richtete. Dessen furchtlose Haltung übte offenbar eine günstige Wirkung auf ihn aus, mehr wohl noch der ruhige Blick, in welchem er keinen anderen Ausdruck entdeckte, als den einer ehrerbietigen Erwartung. Anstatt ein Gespräch mit dem Professor anzuknüpfen oder Cyrus an das zwischen ihnen bestehende verwandtschaft: liche Verhältnis zu erinnern , redete er diesen mit den Worten an : " Sie werden Mühe haben , sich in einen neuen Beruf einzuarbeiten." „Ich glaube nicht, " antwortete Cyrus höflich, aber entschieden , „ ich gehe davon aus , daß ein Mann das kann , was er ernstlich will. "
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werden. Bleibt jeder für ſich und sie wissen, Ende. Einige leere Höflichkeitsphrasen | den. Und abermals gedachte ich unseres daß bei der Wahl des zukünftigen Chefs wechselten die beiden Herren noch mitein Vaters und Reginalds und des zwischen der Befähigtste bevorzugt wird, so läßt sich ander, dann schloß die Thür sich zwischen den beiden Brüdern einst schwebenden unheilbaren Zerwürfnisses . Wie gern gönnte voraussehen, daß einer es dem andern zu ihnen. vorzuthun trachtet. Dadurch gewinnt zuAls der Professor und Cyrus auf die ich Cyrus jeden Vorzug und der erste nächst das Haus Montague, außerdem sie Straße hinaustraten und heimwärts wan Schritt, in der Gunst Reginalds sich festselbst, indem sie zu brauchbaren Geschäfts- delten, verhielten sich beide schweigsam, der zusehen , war ja bereits mit Erfolg geleuten sich ausbilden, allmählich verlernen, Professor noch vollständig beherrscht durch than wie gern begnügte ich mich mit poetischen Anwandlungen und störenden die Geistesgegenwart und den Scharfsinn, den geschmälerten, aber immerhin noch glän empfindsamen Regungen sich hinzugeben. mit welchen Cyrus in seinen Antworten zenden Aussichten , wenn nur nicht jene Das den Brüdern mitzuteilen, Herr Pro- den Wünschen Reginalds gewissermaßen Empfindungen zur entscheidenden Geltung feſſor, ſtelle ich Ihnen anheim. Vergessen begegnete , Cyrus dagegen wohl mehr in gelangten, wie solche schon einmal in unSie nicht, ausdrücklich hervorzuheben, daß dem Bewußtsein , durch sein klug berech serer Familie den Bruder feindselig vom nur ein Chef das Haus Montague regieren netes Verfahren, namentlich das Verleug- Bruder trennten . es fernerhin blühen soll . nen Carlotas , die gute Meinung unseres Spät kehrte Cyrus von seinem AusZwei Brüder nebeneinander ist ein Un- gemeinsamen väterlichenFreundes rücksichts- fluge heim. Er hatte in der That die ring und mir darf darin wohl ein maß los aufs Spiel gesetzt zu haben. Weder Witwe Blount und den alten Vanisch begebendes Urteil zugetraut werden. Ebenso Neugierde verriet er, noch Spannung, die sucht . Wie er sich gleichmütig äußerte, gefährlich ist es, folk der eine dem andern, Ursachen kennen zu lernen , welche Regis waren beide ziemlich unverändert geblieben. wenn er wirklich die Neigung dazu befäße, nald bewogen, ein besonderes Zwiegespräch Weiteren Bemerkungen über sie enthielt er ſich unterordnen und in die Stellung eines mit dem Professor zu suchen. Frei , an sich in seiner vorsichtigen Weise . Wie ich ersten Beamten treten. Nur ein Wille darf scheinend sorglos sah er bald hierhin , bald später erfuhr , hatte er ihnen ansehnliche herrschen — ich wiederhole es abermals dorthin, wo nur immer ein ungewohnter Geldgeschenke eingehändigt, bei deren Mahfoll eine fest begründete Firma nicht ins Anblick seine Aufmerksamkeit feſſelte. Nur nung an vergangene Zeiten aber vorgeSchwanken geraten , und das ist unaus ein scharfsichtiger Beobachter hätte vielleicht geben, alles , was hinter seinem fünfzehnten bleiblich, wenn verschiedene Ansichten, um auf seinem verschlossenen Antlig die Merk Jahre liege, vollständig vergessen zu haben. Auf des Professors Mitteilungen rückeinem offenen Zerwürfniſſe vorzubeugen, male der Erregung entdeckt , welche die in wichtigen Fragen ein Kompromiß von Zusammenkunft mit dem Onkel bei ihm sichtlich der von Reginald getroffenen Bebeiden Seiten bedingen. Der Zurück- hinterlassen hatte. Erſt allmählich gestal- | ſtimmungen bemerkte er , nichts anderes stehende bleibt freilich ein Montague, der teten die hingeworfenen kurzen Bemerkungen erwartet zu haben. Aus vollem Herzen in angemessener Weise entschädigt wird ; über gleichgültige Gegenstände sich zu einer erklärte er sich einverstanden mit der bevorbis dahin beziehen beide ein gleiches Ein- zusammenhängenden Unterhaltung. Beide stehenden Uebersiedelung nach der Stadt. kommen, und zwar in einer Höhe, welche vermieden indeſſen vorsichtig, ihres Besuches Anscheinend sorglos, jedoch mit versteckter es ihnen ermöglicht, als Montagues auf bei Reginald zu gedenken . Es war , als Absichtlichkeit fügte er hinzu, daß Reginald zutreten. Sie müssen lernen, mit großen hätten sie ihn vergessen gehabt . schon allein seiner großen Umsicht wegen Summen haushalten, jedoch nicht in einer Sie erreichten den Fluß und die Fähre . die Achtung aller Menschen verdiene und Weise , daß es den Schein hervorrufen Dort trennte Cyrus sich von dem Pro- man sich den Händen eines solchen Mannez könnte, als wären sie aufs Knaufern und feſſor, um, wie er vorgab, die Witwe Blount blindlings anvertrauen dürfe. Ich rief Feilschen angewiesen. Was im Geschäfts- und den alten Vanisch zu begrüßen. Der mir den an uns gerichteten herzzerreißenverkehr unerläßlich, ich meine scharfes Rech Professor erriet , daß er in seiner Gesell- den Brief unserer armen verfolgten Mutter nen und Erwägen, darf sich nicht auf das schaft sich beengt fühlte, mit seinen Gedanken ins Gedächtnis zurück und neigte das Haupt. Privatleben übertragen, oder es leidet der allein zu sein wünsche. Er, dem geräusch Zu einer Erwiderung fehlte mir der Mut. Nimbus der Firma. Damit glaube ich voller geselliger Verkehr so lange Bedürf- Ich wußte, daß ein einziges unbedachtes alles hervorgehoben zu haben, was dazu nis gewesen , dem Gefahren, Kampfeslust Wort hinreichen könne , wenn auch nicht dienen kann, Sie, Herr Professor, wie die und Spielen ums Leben das wilde Blut seinen gewaltsam im Zaume gehaltenen jungen Leute vor Mißverständnissen und in lustigeren Kreisen trieben : jest suchte Widerspruchsgeist zu entfesseln , dagegen falschen Vorstellungen zu bewahren . Außer er die Einsamkeit ; die äußerste Vorsicht den ersten Keim zu einer gänzlichen Enthalb brauchen sie sich keinen Zwang auf leitete ihn bei allem, was er unternahm, fremdung zwischen uns in seine Brust zu zuerlegen, dagegen dürfen sie nie vergessen, was er sprach. Der in seiner Phantasie legen. daß, sobald sie die Schwelle dieses Hauses sich aufbauende Glanz hatte ihn verblenGemäß der uns erteilten Vorschrift be " überschritten haben, sie nur - hier sann det, aber auch seine ohnchin ungewöhnliche gaben wir uns folgenden Tages in der Reginald offenbar auf eine geeignete Be- Beurteilungsgabe verschärft. Ohne ein Frühe nach dem Hauſe Reginalds . Dort zeichnung, und diese Pause benutzte der bestimmtes Ziel aus den Augen zu ver- waren bereits alle Vorkehrungen zu unseProfessor , gleichsam fröstelnd unter dem lieren, suchte er aus sich selbst heraus die rem Empfange getroffen worden . Höflich Eindruck der kalt erteilten Erklärungen, Lücken in seinem Wiſſen auszufüllen. Von wurden wir in die Geschäftsräume eingeherbe hinzuzufügen : „ Daß sie nur Sachen anderen unterrichtet zu werden , hatte et führt und jeder einem älteren Buchhalter ſind.“ was Beſchämendes für ihn . Keinem wollte zur Beihilfe überwiesen. In verschiedenen „Recht so , Herr Professor , " versette er zu Dank verpflichtet sein ; als ein böses Zimmern befanden wir uns , so daß wir Reginald gelassen , Sachen. Ich suchte Verhängnis erschien es ihm, sich vor jemand den Tag über einander nicht sahen. Diese nach einem Sie mehr anheimelnden Wort, eine Bloße zu geben. Einen solchen Ein- Trennung wurde, offenbar mit Ueberlegung, allein ich fand kein passenderes . Ich selbst druck hatte ich schon auf der Reise von bis dahin ausgedehnt, daß wir nachmittags bin eine Sache wie jeder der mir unter ihm gewonnen. Nicht anders urteilte der zu verschiedenen Stunden das Kontor verſtehendenBeamten, oder vielmehr das Haupt- Professor , als er , ohne meinen Bruder ließen. Reginald selber erhielten wir nicht triebrad in einer großen Maschine , deren heimkehrend, deſſen Zuſammenkunft mit dem zu Gesicht ; dagegen ließ sogar in den unpünktliches Arbeiten durch das Versagen Onkel ausführlich schilderte. Wir staunten scheinbarsten uns erteilten Anweisungen des unscheinbarſten Nebenrädchens nur zu über die von ihm verratene eiserne Willens- sein genau berechnetes stilles Wirken sich leicht gestört werden kann. Ich freue mich, | kraft und die hinter einer undurchdring- nicht verkennen. Denselben Eindruck hatte bei Ihnen volles Verständnis gefunden zu lichenVerſchloſſenheit sich bergende scharfe offenbar auch Cyrus gewonnen, und wiehaben; es wird Ihnen daher leicht sein, Berechnung. Um so schmerzlicher berührte derum bewies er, in wie hohem Grade ihm die jungen Männer auf deren Zukunft ent- uns dafür die Voraussicht, daß in seinem daran gelegen , Reginalds Wünschen ge= sprechend vorzubereiten. " unentwegten Streben Rücksichten für an wissermaßen zuvorzukommen . Denn nicht Damit erreichte die Zuſammenkunft ihr dere nie ein Hindernis für ihn bilden wür zugleich mit mir brach er folgenden Mor-
1270gen auf, sondern eine halbe Stunde früher, und dabei blieb es, bis wir endlich die für uns eingerichteten Wohnungen bezogen. Es geschah dies am sechsten Tage , nach dem wir als Kontoristen eingereiht worden waren. Kurz bevor wir uns von dem Professor, Frau Painelow und Agathe, die alle eine gewisse Scheu vor Cyrus hegten, verabschiedeten, trafen Briefe aus Acapulco für mich ein. Unter denselben befand sich ein an Cyrus gerichteter. Dessen wie mit Kinderhand, augenscheinlich unter fremder Anleitung ausgeführte Aufschrift ließ keinen Zweifel über dessen Absenderin. Der Pro fessor und Agathe waren zugegen, als ich Cyrus den Brief überreichte. „Nachricht von Carlota," bemerkte ich dabei mit un geheuchelter Freude. Ich konnte nur glauben, daß das Andenken des holden Kindes einen wohlthätigen Einfluß auf das ungeschulte , unter dem Druck der Verhältnisse in eine gewisse Erſtarrung versinkende Gemüt ausüben würde , und überwachte ihn daher teilnahmvoll . Cyrus fenkte die Blicke auf die Adresse ; dann flogen sie blizſchnell auf Agathe und den Professor, um sich gewissermaßen wieder zu dem Brief zu flüchten. Tiefe Röte hatte sich über sein Antlig ausgebreitet, ein Zeichen der in ihm lebenden heftigen Er regung. Doch auch jest verließ ihn seine Geistesgegenwart nicht . Geringschäßig zuckte er die Achseln , und den Brief nachlässig in die Tasche schiebend , richtete er eine gleichgültige , unseren Umzug betreffende Frage an mich. Eintönig beantwortete ich dieselbe. Feindselig wehten die Merkmale feiner ungerechtfertigten Beschämung mich an. Ich wußte , daß er das Haus des Professors fortan nicht mehr betreten würde. Er hatte mit seiner Vergangenheit gebrochen ; jeder Blick aus des väterlichen Freundes Augen wie aus denen Agathes wäre ein Geißelhieb des Vorwurfs für ihn gewesen. Wir schieden , begleitet von den herzlichsten Glückwünschen der drei lieben Hausgenossen und der dringenden Einladung, mit unseren Besuchen nicht zu kärglich zu verfahren. Gleich nach dem Kreuzen des Stromes trennten wir uns von einander, um unseren in verschiedenen Richtungen lie genden Heimstätten zuzueilen . Einen Hände druck und ein kurzes „ Auf Wiedersehen" wechselten wir, bevor die Wagen mit uns serem Gepäck uns davontrugen. Ich hielt mein Wort. Regelmäßig in den wenigen Stunden der Muße besuchte ich Cyrus , doch nur so lange, bis ich mich überzeugt hatte, daß meine Anwesenheit ihn störte. Er selbst betrat meine Wohnung nie. Es war, als hätten die Räume, bei deren vornehmer Einrichtung nichts gespart worden war - ein zuverlässiger Diener wurde ihm wie mir außerdem beigegeben , seinen Hochmut bis zu einem schwindelnden Gipfel emporgetrieben. Und doch entwickelte er in seiner stillen Zurückgezogenheit einen so unermüdlichen Fleiß, eine so ausgeprägte Entsagung , daß eine Deutung dafür nur in dem krankhaften Bestreben, sich für die
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Stellung des Chefs des Hauses Montague gründlich vorzubereiten , gesucht werden fonnte. Mit weit hinausreichender Berech nung wollte er im öffentlichen Leben die Aufmerksamkeit erst dann auf sich lenken, wenn er glaubte, wegen mangelnder äußerer Formen und beschränkter Unterhaltungsgabe keine spöttischen Blicke mehr fürchten zu müssen. 36. Kapitel.
| Wortkargheit trat er indeſſen nie heraus. Was ihm an höherem Wiſſen abging, des erseßte er durch eine gewisse würdevolle kleidsame Zurüahaltung, welche ein flats unbefangenes Urteil über ihn sogar scharfen Beobachter erschwerte. So hatt auch sein Antlig eine eigentümliche Wans lung erfahren. Der Sonnenbrand war geschwunden , hagerer war es geworde und zwar wohl mehr infolge des ewigen heimlichen Kämpfens mit sich selbst , als Das Versprechen. auf Grund der neuen Berufsthätigkeit Wie die ersten Tage bei angestrengter welche eine fortgesette Anspannung seiner Thätigkeit in den Kontorräumen , ver- ungeteilten geistigen Kräfte erheischte. De strichen auch die folgenden , verstrichen Schnitt seiner Wäsche, namentlich an den Wochen und Monate. Schritt für Schritt | Händen , verriet , wie ängstlich er daravi wurden wir weiter gefördert auf den Bah- bedacht war, seine Tättowierungen vor frem nen kaufmännischen Wiſſens und Berech den Blicken zu verheimlichen. nens. Ueberall und zu jeder Stunde Wie Agathe einst in den Tagen holder machte sich der scharfsinnig bemessene Ein- Kindheit, war ich selber jest regelmäßige fluß Reginalds bemerklich, ohne daß wir Sonntagsgast im Hauſe des Profeſſers. ihn oft anders gesehen hätten als an dem Nach den fauren Wochen fand ich Erholuna Sonntage jeder dritten Woche, der uns an und reiche geistige Genüsse im ungebur seinen Mittagstisch führte. Dies waren denen Verkehr mit den drei lieben freunde auch die Gelegenheiten , bei welchen mein lichen Gestalten. Turvil Montague in Verkehr mit Cyrus über einige flüchtig der Stadt , war und blieb ich hier noch gewechselte Worte hinausging. Inwieweit wie vor die Kohlmeise. Der Profetic Reginald uns an solchen Tagen einer hatte seine frühere Heiterfeit zurude. Prüfung unterwarf, wäre aus seiner star- wonnen, neu aufgelebt war Agathe, możn ren Haltung und dem frostigen Wesen es immerhin wie eine Mahnung an h schwer zu erraten gewesen . Fand eine standenes Leid sich hauchartig auf de Aus von solche wirklich statt, so erstreckte sie sich vor- zarten Antlig ausprägen. zugsweise auf den äußeren Menschen. Ich glaubte, dies daraus entnehmen zu dürfen, daß zwischen dem Wiedersehen jedesmal die drei Wochen lagen, ein Zeitraum, lang genug, etwaige Veränderungen und Fort schritte zu entdecken , die im täglichen Verkehr mehr oder minder übersehen worden wären. Von mir selbst wußte ich, daß ich unbeirrt meine alten Bahnen weiterwandelte , mir am wenigsten irgend welchen Zwang auferlegte oder um die gute Meis nung Reginalds buhlte. Was er mir von Anbeginn gewesen , blieb er fernerhin . Nicht um die Welt hätte ich , um die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken , zu irgend welchen, meiner ganzen Natur widerstrebenden Mitteln gegriffen. Ueberall erblickte ich in ihm den einstigen erbitterten Feind meiner Eltern, meinen und Cyrus' grausamen Verfolger und oft , sehr oft fostete es mich die größte Ueberwindung, der förmlich gewaltsamen Vergegenwärti gung der letzten Worte der zur Versöhnlichkeit ratenden sterbenden Mutter , um die aus den Zeiten meines Duldens und Leidens mit herübergenommenen Empfindungen nicht verständlich zum Ausdruck zu bringen . Wie Sklavenketten erschien mir die Verpflichtung , durch blinde Unterwerfung unter den Willen des Chefs der Firma dem Andenken meines Vaters Rechnung zu tragen. Anders Eyrus. Wer früher mit ihm vertraut gewesen und ihn jest nach Ablauf von kaum fünf Monaten ſah, würde schwer lich den jeden Zwang verabscheuenden toll kühnen Vaquero wiedererkannt haben. Stets peinlich sauber gekleidet , hatte er sich mehr und mehr ein gewisses vornehm verbindliches Wesen zu eigen gemacht. Aus seiner
Seele erfreute ich mich der seltsam b weglichen Rosen auf ihren Wangen, ind treuherzigen Blickes , des süßen Lachens welches im Verkehr mit uns ihre Lipre umspielte. Ich leugne nicht , die raubt Wintertage, für deren nachteiligen Einfa sie nur zu empfänglich, flößten mir erni Besorgniſſe ein ; allein sie schwanden , ta dem der Frühling näher rückte und end lich das erste Grün ſich ſchüchtern Baum und Strauch, auf Raſen und Vs menbeeten hervorwagte. Sie schwanda indem Agathes Blick sich klärte , sie fru die milden Lüfte einatmete , in wenn Ferne zurück traten jene Ereignisse, weld so verheerend auf sie eingewirkt hatten. So war er endlich da, der Frühsomri mit seinen tauigen Morgen, den sonics Tagen , den lieblichen Abenden und N milden , mit ihrem kostbarsten Sternera schmeide sich schmückenden Nächten. S die heitersten Festgewänder hatte er t Natur gekleidet , den befiederten Sanga ihre schönsten Liebeslieder ins Gedädta zurückgerufen, schillernde Falter aus ca den Larven hervorgelockt und den railei Bienen ein unerschöpfliches Feld für is Thätigkeit bereitet. Der Tag neigte sich, ein stiller fris licher Sonntag. Frau Painelow , i Agathes Anwesenheit im Hauſe durch ers Dienstboten unterstüßt , wirkte geiden in der Küche. Der Professor hatte et kurzen Ausflug in die Nachbarschaft u ternommen , und so waren Agathe ich auf uns allein angewiesen. W oft , so sehr oft , lustwandelten wir a heute in dem mit peinlicher Sorgfalt pflegten Garten. Arm in Arm air wir nach alter Weise. Im ernſten
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spräch gedachten wir eines fernen Gletscher sein , wie du um deine Kindheit betrogen | grausamen Prüfungen schließlich hätte zureiches und im Gegensatz zu demselben wurdest, so ist mir der Teil meines Lebens sammenbrechen müssen. Ja , du meine der palmenbeschatteten Tropen, wo ein hol- vergällto , freventlich geraubt worden, geliebte Kohlmeise--" und schwermütig des bräunliches Kind sich in Sehnsucht der eigentlich der glücklichste hätte sein lächelnd schaltete sie ein : „sogar im ernsteverzehrte. Wir gedachten meines Bruders , sollen. Wie du in der Ferne der bitter sten Gedankenaustausch muß ich dich so dessen Wesen sich immer mehr verfinsterte sten aller Täuschungen unterworfen ge- nennen , oder mir ist , als seist du mir und der in seiner wachsenden Unzugäng wesen , in deinen heiligsten Regungen fremd geworden - ja , Kohlmeise , was lichkeit dem Onkel von Tag zu Tag ähn- vernichtet wurdeſt, ſo hat man hier mein ich erduldete, körperlich sowohl wie geistig, licher wurde. Doch auch die alten Zeiten Herz erbarmungslos zermalmt und zer hat den Todeskeim in meine Brust gelegt, verflochten wir wehmütig in unsere Unter- treten. Was wäre da wohl natürlicher, kein Arzt kann mich darüber täuschen. haltung wie die neueren samt den herben du mein Liebster , als daß wir in der Du aber bist der einzige , dem ich meine Erfahrungen, die hinter uns lagen. That unsere Hände ineinanderlegten, wenn heimlichen Sorgen anvertraue, damit du Und doch ist nicht ausgeschlossen, daß eben ein feindseliges Geschick es nicht nicht wähnst, ich hätte es nicht mit Entzücken begrüßt, deine Frau zu werden ein volles ungetrübtes Glück uns wieder anders beschlossen hätte Agathe , es ist nicht wahr , " fiel ich lächelt , " spann ich aus überströmendem ,,Nein , Agathe , nein " unterbrach Herzen das Gespräch weiter, „ ein höheres ich sie bange, „ mißdeute nicht die geheim in meinem Entseßen heftig ein, schon einGlück als dasjenige, welches wir jest im nisvollen Fügungen , welche uns dennoch mal sprachst du zu mir in solcher Weise. ungestörten freundschaftlichen Verkehr ge- wieder zusammenführten. Glaube mir, das Es geschah kurz bevor ich die Reise nach nießen. Wir kennen uns so lange, teuerste Geschick ist versöhnt , es hat uns für ein Acapulco antrat , und heimkehrend , fand Agathe , und wohin unsere Gedanken sich ander bestimmt . Denn das , was hinter ich dich neu erblüht, wie ich es nicht an wenden mögen: weder in unseren Kinder- uns liegt, was allein durch unsere Tren- ders erwartete.“ "Ja , gute Kohlmeise, " nahm Agathe jahren noch in den Tagen nach meiner nung ohne die leiseste Hoffnung auf ein neu erblüht, Heimkehr hat je der leiseste Schatten sich Wiedersehen bedingt wurde, es kann nicht wieder traurig das Wort , in das zwischen uns bestehende Vertrauen Ursache sein , daß das zwischen uns be aber nur scheinbar. Werden andere daeingeschlichen, so wird es auch ferner stehende Verhältnis nur auf die Grenzen durch irre geleitet, so ist das bei mir unhin sein. Aber inniger noch würde sich einer treuen Freundschaft angewiesen blei möglich. Was ich empfinde , die Todesdieses Vertrauen gestalten und beglücken ben soll. " ahnungen , die mich unablässig verfolgen, der , wenn wir über unsere beiderseitigen „ Du glaubst wirklich, daß dein grau- sie entziehen sich fremder Aufmerksamkeit, Erfahrungen hinweg uns die Hände reich- sam zerstörter Liebestraum bei mir gegen zumal ich mein Aeußerstes aufbiete , sie ten, um uns gegenseitig anzugehören bis dich hätte zeugen können?" fragte Agathe zu verheimlichen - " ,,Agathe," warf ich wieder vollkommen über das Grab hinaus. Du siehst , ich bewegt, und fester drückte sie meine Hand. spreche so offenherzig zu dir , wie nur je , Es kann dein Ernst nicht sein. Du hättest ratlos ein, die Todesgedanken , mit welzuvor in meinem Leben. Meine Worte es auch schwerlich angedeutet, wäre ich von chen du dich trägſt , ſind ungerechtfertigt, werden getragen von der innigſten treue- dir nicht mißverstanden worden. Im Ge- sind eine Versündigung. Die in deiner ften Liebe zu dir , von der unerschütter- genteil , gute Kohlmeise, als du mir deine Leidenszeit entstandenen Schreckbilder, du lichen Zuversicht , an deiner Seite mein letzte Zusammenkunft mit Jsberga schil mußt sie bekämpfen , mit Gewalt von dir einzig denkbares Glück zu finden , sofern dertest , da war mir , als hätte ich dein ausscheiden. So wie du in dem leyten du dich entschließen kannst, deine ganze Zu Haupt an meine Brust ziehen, es an mich halben Jahr erblüht nicht jemand , der kunft meinen Händen anzuvertrauen . “ drücken und tröstlich zu dir reden müssen, Agathe, ich kann es nicht aussprechen Da sah Agathe ernst zu mir auf. und anders empfinde ich heute noch nicht. glaube mir , du wirst dich in demselben Ihre großen guten Augen schwammen in Nein, du mein Liebster , wenn ich darauf Maße erholen und kräftigen , in welchem Thränen. hinwies , daß ein Glück , wie du es in deine Seele sich beruhigt." „Kohlmeiſe, liebe Kohlmeise, " hob sie Worten vor mich hinzaubertest , zur UnSanft liebkosend strich Agathe das sanft an, und in dem Tone , in welchem möglichkeit geworden, so ist die berechtigte Haar von meiner Stirn, indem sie unbeſie den trauten Namen aussprach , offen- Ursache dafür auf einer ganz anderen schreiblich innig erwiderte: „ Du behaupteſt barte sich ihre ganze Zärtlichkeit ; was Stelle zu suchen. Doch auch das will ich das, was du heiß ersehnst . Ich wünsche, du mir eben sagtest , es überrascht mich dir anvertrauen , obwohl ich schon früher es erginge mir ähnlich. Ich kenne meinen nicht . Eine Ahnung trug mir längst zu, einmal darüber zu dir sprach. Ja , ich Zustand , mußte ihn kennen lernen , weil daß du eine derartige Frage an mich rich fühle, es muß geschehen, wie auch immer es mir stets so nahe lag , mein früheres ten würdest, und ebenso lange bin ich auf es dein armes Herz zerreißen mag- doch Befinden mit dem jezigen zu vergleichen. die zu erteilende Antwort vorbereitet. Und hier ist die Bank, auf welcher wir in un- Doch streiten wir nicht darum, gute Kohlwas könnte uns hindern , unsere Herzen seren glücklichsten Tagen so oft beisammen meise. Auch würde ich gern meine Anfrei vor einander zu offenbaren, mit ruhi saßen. Mir ist, als lüde sie uns einsichten den deinigen unterordnen, allein es gem Blick die Zukunft ins Auge zu fassen komm, gute Kohlmeise , seße dich zu mir, ruht die unsäglich schwere Pflicht auf mir, und , wenn nicht mehr , uns gegenseitig nimm meine beiden Hände zwischen die alle die schönen Träume, welche dir vielwenigstens tröstlich zu beeinflussen?" Sie deinigen , damit ich Kraft gewinne , so leicht vorschweben und in die ich so gern nicht doch, ergriff meine Hand, und den Schatten ge- recht aus aufrichtigem Herzen zu dir zu mit dir mich geteilt hätte wahrend, welcher bei ihren lesten Worten sprechen. " arme Kohlmeise," schaltete sie mit ergreimeinen Blick umdüsterte , fuhr sie noch Bon bangen Ahnungen beschlichen sah fender Innigkeit ein , als sie gewahrte, inniger fort: „Ob ich dir zugethan bin, ich vor mich nieder. Ich fürchtete förm daß Thränen in meine sie angstvoll übergute Kohlmeise ? Hast du denn alle die lich den wehevollen Blick, mit welchem sie wachenden Augen drangen , " weine nicht, Beweise meiner herzlichsten Liebe vergessen, meine Augen suchte. Eine kurze Pause oder auch ich verliere die leyte Fassung. welche ich schon als Kind vor dir ablegte? des Schweigens folgte. Sie schien nach Noch bin ich ja bei dir, und heut und mor Oder meinst du , seltsam , wie es klingen Fassung zu ringen ; dann hob sie sanft gen tritt das Unabwendbare ja nicht ein. mag , jene Liebe hätte durch die vielen klagend an: Was ich gelitten habe , ich Es mag sogar Jahre dauern Jahre der Trennung beeinträchtigt wer- brauche es nicht zu schildern . Du erfuhrst Da stürzte ich ihr zu Füßen ; mein den können? Nein, Kohlmeise , es ist bereits alles, und was ich nicht in Worte Gesicht auf ihren Schoß bergend und heute noch wie damals : heute hänge ich kleidete , errietst du leicht genug. Du meine Arme um sie schlingend , gab ich an dir wie an feinem anderen Menschen wirst daher einräumen müssen , daß auch mich, vollkommen überwältigt, der wilden der Welt , und als mein höchstes Glück ein kräftigerer Körper als der meinige Verzweiflung hin , welche ein mir vorhätte ich es gepriesen , mit dir vor den unter den schnell aufeinanderfolgenden schwebendes Bild des Todes in mir erAltar hinzutreten ; allein das ſollte ja nicht | Schicksalsſchlägen und den unabläſſigenzeugte. Auch Agathe weinte heiße Thrä54 89. II.
1276nen. Ihre schlanken Hände hatte sie auf mein Haupt gelegt. Erst nach Minuten richtete ich mich wieder auf, und schmerzerfüllt in die auf mich gesenkten milden Augen schauend, sprach ich in beschwören dem Tone: „Agathe , ich kann es nicht glauben. Es ist nicht wahr — ich glaube es nicht. Nein , Agathe , eines solchen Verbrechens ist der Himmel nicht fähig . Und wäre dein Todesurteil gesprochen, zählte dein Leben nur nach Monaten oder Wochen , so würde ich es als mein höchstes Glück preisen, mit dir vereint zu sein, dich hegen und pflegen zu dürfen Tag und Nacht , über dich zu wachen mit nimmer ermüdenden Augen , mit nimmer rasten dem Herzen Agathe, glaube mir, hätte der Tod bereits seine Hand nach dir aus gestreckt , so würde es mir gelingen , dich ihm zu entreißen. Agathe, höre auf mich," und fester schlang ich meine Arme um die zarte Gestalt, hier kniee ich vor dir und zu dir flehe ich , wie zu meinem Gott. Suche nicht vermeſſen den Schleier der Zukunft zu lüften, sondern klammere dich fest an die Gegenwart an. Wir gehören zu einander , seitdem der elende WaiſenInabe zum erstenmal die Augen beschämt vor dir niederschlug , und wenn du mir überhaupt noch Tage eines überschweng lichen Glückes gönnst , dann erwehre dich jener übertriebenen ungerechtfertigten Befürchtungen und vertraue dich mir an. Und bist du erst ganz mein eigen , fühlst du dich selbst befriedigt in der Beobach tung meines Glückes , so wird das Leben Dein Wille dir um so teurer werden. wird dein bester Arzt sein ; es kommen die Tage , in welchen du lächelnd und ohne Reue auf die jeßige Stunde zurückblickst. " Da neigte Agathe weinend ihr Antlig mir zu , und mich auf die Stirn küſſend, sprach sie mit vor Bewegung zitternder Stimme: Kohlmeise, geliebte Kohlmeise, wer hätte geglaubt, daß mein ernster Ent schluß je wankend gemacht werden könne. Und dennoch , wenn ich dich so sprechen höre, möchte das Herz mir vor Jammer brechen. Du nennst es immer noch ein Glück , an mich gefesselt zu sein? Aber ich verstehe dich , weil ich dich nach mir selber beurteile. Verfündige ich mich an dir, so mag ein gütiger Gott mir verzeihen, denn jest kann ich nicht anders . Ich versprech' mich dir aus vollem überströmendem Herzen; nur eine einzige Bedingung stelle ich, muß ich stellen, und ich weiß, daß du sie mir gern gewährst. Laß ein Jahr darüber hingehen vielleicht auch etwas weniger Zeit, bevor du mich ganz für dich forderst. Laß uns prüfen , inwieweit mein gemar terter und zerschlagener Körper ſeine Wider standsfähigkeit zurückgewinnt , und bliebe dann noch ein Fünkchen von Hoffnung, ja, dann will ich deine Frau werden jauch zenden Herzens. Dauerte es auch nur ein Jährchen, bis deine liebe Hand mir die Augen zudrückt, so wollte ich schon so sehr, sehr dankbar sein Hier versagte ihr die Stimme vor tiefer Bewegung. Ich saß wieder neben ihr, und die sich mir Zuneigende an meine Brust
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| ziehend , küßte ich die Thränen des Glücks | begann die Stunde einer etwas zwang und der Wehmut von ihren Wangen, von loseren Unterhaltung. Einen forschender ihren Lippen. Heilige Minuten verrannen. Blick warf ich auf Reginalds gleichſan Was auch immer an Besorgnissen in ihrem versteinertes Antlit , einen zweiten au Herzen leben mochte : vorsichtig umging sie Cyrus , der, seinem Onkel geflissentlich nach fortan jede Gelegenheit, welche mich an ihre ahmend , auch äußerlich allmählich ein trüben Ahnungen hätte erinnern können. unverkennbare Aehnlichkeit mit ihm angeWir hatten uns erhoben und Arm in nommen hatte ; dann erklärte ich mit ein Arm wandelten wir die alten vertrauten fachen Worten meinen Entschluß, Agathe Wege. Stiller Friede war in unsere Her als Gattin heimzuführen. Eine Erwiderung folgte nicht sogleich. zen eingekehrt. Innig sprachen wir zu ein nander. Der westliche Himmel hatte sich Reginald ſah vor sich nieder. Wie er meine purpurn gefärbt. Ueber die sonntäglich Erklärung aufgenommen hatte , ging aus rastende Stadt hinweg fandte die Sonne der Art hervor, in welcher er seine Lipper uns ihre letten goldigen Grüße zu . Lieb ein wenig fester aufeinanderlegte. Gleis lich , wie vor Jahren, sang die Drossel ihr mir betrachtete Cyrus ihn aufmerksam, jogar melancholisches Abendlied. Sie einte ge ängstlich gespannt . Die Röte, welche plo wissermaßen das Heute mit jenen Tagen, lich in sein Antlitz aufgestiegen war, zeugte in welchen wir, im Flügelkleide unermüd von heftiger Erregung. Wie ich sie deuten lich einherstürmend, auf ihren Gesang kei sollte, wußte ich in jenen Minuten nicht , es nen höheren Wert legten als auf das sei denn als einen versteckten Triumph. „ Das kommt mir überraschend ," be Knirschen des Sandes unter unseren flüchtigen Füßen. Was auf den dazwischen merkte Reginald endlich scheinbar gleichliegenden Zeitraum entfiel , glich beäng- mütig, jedoch ohne seine Blicke zu erheben, stigenden wüsten Träumen, die nach dem " noch kein Jahr Witwe und schon denit sie an eine neue Heirat. “ Erwachen in das Nichts zurückſinken. Eine meiner tiefen Entrüstung ent Es war ein unvergeßlicher Abend ; unvergeßlich durch die Empfindungen , mit sprechende Antwort schwebte mir auf den welchen wir einen neuen Lebensabschnitt Lippen . Ich bezwang mich indessen und gleichsam besiegelten , unvergeßlich durch erwiderte ruhig : "1 Unsere Bekanntscha die in rührender Weise sich offenbarende | reicht bis in die Tage unserer Kindheit zuFreude des Professors und der guten Pai- rück. Nicht Berechnung führte uns zu nelow , als wir sie beim Eſſen mit unserem sammen, noch reifte sie den Entschluß de Uebereinkommen vertraut machten. Jedes Vereinigung , sondern gegenseitige ern von ihren Lippen fließende Wort , jeder Anhänglichkeit und die zuversichtliche, jeder Blick aus ihren treuen Augen gestaltete sich phantastischen Träumerei bare Hoffnung auf ein dauerndes Glück. “ zu einem Segensspruch . Berechnung möchte sich in diesem Falle Wenn Cyrus, in seiner von unglaub licher Willenskraft zeugenden Selbstverleug- als nicht zutreffend erwiesen haben, " vet nung und Selbstbeherrschung unentwegt setzte Reginald in demselben Tone , un einem ihm vorſchwebenden hohen Ziele zu ein Stückchen Brotkrume ergreifend, be strebend , in Reginalds Atmosphäre mehr gann er , dasselbe lebhaft zwischen den und mehr zu einem stummen Werkzeug oder Fingerspißen zu kneten ; " was Sie ſont vielmehr zu einer „ Sache “ herabsank, so ge- noch hinzufügen , ist mir unverständlic langte bei mir in demselben Grade ein Doch gleichviel ; jeder Mensch ist seines gewisses Unabhängigkeitsgefühl zum Durch eigenen Glückes Schmied. Sie sind alt bruch , eine Selbständigkeit , welche bei und erfahren genug , um über Ihre Z nahe an Troy streifte. Ich offenbarte es kunft selbst entscheiden zu dürfen.“ Durch einen flüchtigen Blick überzeugt frei, als der Profeſſor auf Reginalds mögliche Mißbilligung unseres Entschlusses hin- ich mich , daß Cyrus ' Augen noch imme wies . Meine Entschlossenheit gipfelte darin , an Reginalds Lippen hingen. Das unge daß ich zu seiner sichtbaren Befriedigung stüm wallende Blut schien sich einen We erklärte, lieber das Haus des Onkels zum durch seine Schläfen bahnen zu wollen. leztenmal betreten zu haben , als meine "Ich erlaube mir, darauf aufmerkſam neuen Beziehungen zu Agathe vor ihm zu machen, " entgegnete ich, meinen Unmut zu verheimlichen. Meine Absicht, ihn über schwer zügelnd , „ daß meine Mitteilung das zwischen Agathe und mir bestehende keine Frage um Genehmigung in sich birgt. Verhältnis zu unterrichten , gelangte in Dagegen hielt ich mich als Mitglied des dessen erst folgenden Sonntags zur Aus- Hauses Montague für verpflichtet , se führung , als Cyrus und ich bei ihm zu den Schein eines Geheimnisses vor meiner Tische saßen. Bis dahin hatte ich dazu Chef zu vermeiden ." „Ich danke für so viel Aufmerkſamkeit keine Gelegenheit gefunden, und eine solche zu suchen widerstrebte mir. So ahnte auch hieß es frostig zurück, und der Brotte Cyrus nicht die Wahrheit. Entfremdet, zwischen den Fingern nahm allmählich „ Nebenbei maches wie er sich mir hatte, und ſein kaltes, mich Form einer Kugel an. . Auf alle ale Geschäft schlechtes kein Sie Urteil unausbleiblich peinlich berührendes scheuend, wäre er der Leyte gewesen, dem wünsche ich Ihnen den besten Erfolg. ich gerade in dieser Angelegenheit mein weiteren Verhandlungen ist jetzt wohl m die Zeit. Ich sehe wenigstens voraus, D5 Vertrauen geschenkt hätte. Das nur mit frostigen Gesprächen ge- die Hochzeit noch nicht vor der Thür." (Schluß folgt.) würzte Mahl war verlaufen, die aufwartenden Diener hatten sich entfernt, und es
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hatte. Im Jahre 1089 übertrug Kaiser Konrad II. die Mark Meißen Heinrich I. von Eulenburg ; durch seinen Vetter Konrad den Großen sezte sich das Geschlecht fort, und seit jener Zeit sind die Schickfale des Wettiner und des sächsischen Fürstenstammes mit denen der Stadt Meißen untrennbar verbunden. Fast seit einem Jahrtausend ist Meißen also ein hervorragendes Bollwerk der deutschen Kultur und trägt in seinen Bauwerken den Stempel deutscher Geisteskraft. Eine solche Stadt verlohnt sich wohl , daß man sic näher kennen lerne, und so gut als dies eine flüchtige Rundschau gestatten kann, will ich es versuchen , denjenigen , welche Meißen noch nicht kennen, diese Bekanntschaft zu vermitteln. Dabei werde ich mich jedoch wohl hüten , meinen Lesern einen langweiligen historischen Erkurs vorzusehen. Denn, offen gestanden, die Geschichte von Meißen ER T ist nicht so interessant, als man eigentlich IN glauben sollte ; sie ist etwas verwirrt und verwickelt. Sie handelt von blutigen Kämpfen , von Fehden zwischen MarkMeißen von Süden aus gesehen. grafen , Kaisern und Bischöfen ; aber das eigentliche dramatische und romantische Leben muß man in diese Daten und trockenen Ereignisse erst hineindichten. Ja, Eine alte Fürstenstadt. die älteste Geschichte ruht noch ganz im Dunkeln , denn etwa bis ins 10. JahrVon hundert war die Gegend von Meißen von den Glomaziern, einem slawischen VolksGustav Karpeles. stamme, bewohnt, welche sich mit den Magyaren zu Kriegszügen gegen die Deutschen vereinigten. Mit wechselndem KriegsKennst du den Berg, auf dem drei Burgen stehn, | fruchtreichsten Gefilde ergößen uns , so glück kämpfte man gegen diese RaubUnd nebenher drei Wäffer gehn ?" weit das Auge blickt, in buntem Wechsel, völker an, aber erst König Heinrich I. ge So möchten wir mit einem alten Chronisten die geneigten Leser fragen, und sicher wird die Mehrzahl derselben antworten , daß ihnen der Name und der Ruhm der Stadt wohlbekannt , daß sie sie selbst aber noch nicht zu sehen Gelegen heit hatten. Und doch ist das alte Meißen, denn von dem soll hier die Rede sein, eine der bedeutendsten und in teressantesten Städte Deutschlands, merk würdig durch seine geschichtliche Vergangen heit , durch seine Bauwerke, durch seine Reichtümer an Kunst und Wissenschaft. Ein eigentümlicher geographischer Frrtum hat auch mich lange zurückgehalten , die alte Fürstenstadt an der Elbe aufzusuchen . Ich las nämlich, daß Meißen 5 Stunden von Dresden entfernt sei und glaubte, dies seien fünf Eisenbahnstunden ; erst als in diesem Sommer ein Freund meinen Jrrtum aufklärte und mir mitteilte, daß kaum eine Stunde Eisenbahnwegs von Dresden nach Meißen führte, beeilte ich mich, diese Stadt kennen zu lernen. Gern gestehe ich , daß die wenigen Tage, die ich da zugebracht, zu den schönsten Erinnerungen meines Wanderlebens gehören. Es waren einige der wenigen Sonnentage, die dieser karge Sommer uns gebracht, und Natur und Kunst wett eiferten, diese Tage noch schöner und an genehmer zu machen. Die lieblichsten Höhen und reich bevölkerten Thäler , die
und weithin trägt der Blick von jenen Bergen bis zu den blauen Fernen der Sächsischen Schweiz . Ein reiches und reges Leben entfaltet sich in der kleinen altertümlichen Fürstenstadt, und auf dem schloßgekrönten Hügel erhebt sich der ehrwürdige Dom , die wunderbare Albrechtsburg, unstreitig das prachtvollste Schloß des 15. Jahrhunderts in Deutschland. Nicht weit davon die altbewährte Fürstenschule von St. Afra und etwa eine Viertelstunde entfernt die Nährmutter sämt licher europäischer Porzellanfabriken, die berühmte Meißensche PorzellanEisenbahnen manufaktur. und Dampfschiffe vermitteln den Verfehr nach allen Richtungen und führen dem alten Meißen in der Sommerszeit Fremde aus allen Weltteilen zu. So vereinigt sich alles, um der alten Markgrafen- und Bischofsstadt , die schon durch ihre Lage an dem herrlichen Elbstrom ausgezeichnet ist , ein mächtiges 3nteresse zuzuwenden. In diesen Tagen ist dies Interesse noch erhöht worden , beging doch die alte Fürstenstadt im Monat Juni eine Jubelseier , wie die deutsche Vergangenheit eine solche wohl kaum noch, ja vielleicht überhaupt noch nicht zu verzeichnen.
lang es auf wiederholten Kriegszügen bis an die Elbe vorzudringen und die Gegend um Meißen zu erobern. Auf einem dicht an der Elbe stehenden bewaldeten Berge erbaute er nun eine feste Burg und dort
Portal des Domes zu Meißen (S. 1293).
Gustav Karpeles.
=1282sezte er einen Burggrafen ein, dessen Name Rigdag lautete (984). Unter Burggrafen und Markgrafen standen nun die Burg und die an ihrem Fuße sich entwickelnde Stadt jahrhundertelang. Aus der Mark grafenwürde entwickelte sich später die Landesherrliche Macht. Diese Würde selbst war aber nicht erblich , sondern wurde von dem Kaiser gemeinhin einem seiner Getreuen als Geschenk oder aus politischen Gründen übertragen. Schon unter dem ersten Markgrafen kamen auch Kolonisten aus Sachsen und Franken in dieses Land . Die Germanisierung und das Christentum machten erfreuliche Fortschritte; schon im
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| baut, welches jetzt den Namen Albrechts- | Johannes der Evangelist und die heilige burg führt . Den meisten Schaden erlitt Jungfrau) , " Werke von edler Haltung, Meißen im Hussitenkriege; auch der Drei- schönen innerlichen Lebens , die sich würdig ßigjährige Krieg brachte dort Unruhe und an die größten Arbeiten der romaniſchen Verwüstung hin , ja , noch in unserem Periode anreihen." Etwas von dem Glanz Jahrhundert war die Stadt zweimal von und der Schönheit jener Zeit des Minnefeindlichen Heeren besetzt und von Ueber gesanges , in der Heinrich der Erlauchte schwemmungen verheert. Gleichwohl ist über die Mark Meißen herrschte , deſſen fie inzwischen zu neuem Wohlstande ge- Bild in der Manasseschen Minnelieder langt und zu einem Site des Kunst sammlung als Schirmherr der Dichter und gewerbes und der Industrie geworden . Minnesänger enthalten, ist auch in diesen Das ist so ziemlich alles oder doch Werken deutlich zu erkennen, die sich zu einer wenigstens das wichtigste , was man aus Formvollendung aufschwingen , welche in der Geschichte Meißens wissen muß , ehe jener Zeit nur selten noch erreicht worden man den mäßig hohen felsigen Hügel er ist . Die Kirche selbst ist in der Form eines lateinischen Kreuzes gebaut ; fie be fist gegenwärtig nur noch einen einzigen Turm, welcher der höckerige Turm" ge nannt wird und bis zu seiner Galerie zu ersteigen ist. Von dort bietet sich eine reizende Aussicht über Stadt und Um gebung. Durch ein mächtiges Portal mit einem breiten Spizbogen betreten wir das Schiff der Kirche, deren Gewölbe 64 Fug hoch ist und von 14 Pfeilern getragen wird. Durch eine Galerie ist von der Kirche selbst das Domchor getrennt, wo noch jetzt die Stühle der ehemaligen Chor சா herren sich erheben , deren jeder von dem anderen durch eine schlanke Säule getrennt ist. Das Kapitäl dieser Säule ist mi zierlichem Laubwerk im besten gotischen Geschmack und in den wundervollsten Ba riationen geschmückt. DenHochaltarschmüdt das Gemälde eines unbekannten Meisters, die Anbetung der heiligen drei Könige Meißen von Westen aus Es ist nicht unmöglich, daß dasselbe noch gesehen. aus der ersten Kirche, welche ja auf dem selben Grunde gestanden, herstammt . Hier AIB RIHTERO hat einst Konrad der Große, der Stamm 11MEISSEN vater des Wettiner Hauses , 1156 not einer Versammlung von Fürsten, Bischöfen und Großen sein Schwert samt allen Jahre 965 wurde hier ein Bistum ge- steigt, welcher von der Stadt aus auf den Zeichen seiner kurfürstlichen Macht nieder: gründet , dessen Sprengel sich nicht nur Schloßberg führt. Bei dem Eintritt in den gelegt , um als Mönch in das von ihm über Sachsen, sondern auch über Schlesien von altertümlichen Gebäuden umgebenen erbaute Kloster zu Halle einzutreten . Zahl und andere Teile Deutschlands erstreckte. Schloßhof tritt uns zuerst der in der Mitte reiche Grabsteine , Bildnisse und Statuen Ueber 600 Jahre bestand dieſes Bistum desselben gelegene Dom in der ganzen schmücken Kirche und Chor, Erinnerungen unter 44 Bischöfen , welche einen bedeuten Fülle seiner ornamentalen Pracht entgegen aus der sächsischen und deutschen Geschicht den Einfluß auf das religiöse Leben in (S. 1281 ). Die Entstehungsgeschichte des erweckend, und Wunderbares erzählen of Deutschland ausübten und deren letter, selben ist eigentlich nur durch eine ge- die alten Chronisten von der Pracht der Johann von Haugwit, im Jahre 1581 schickte Kombination verschiedener Nach- Kirche , bevor die Reformation all dem sein Amt niederlegte, zum Protestantismus richten nachzuweisen. Aber diese Geschichte Glanze ein Ende machte. Da heißt es übertrat und sich verheiratete. hat für uns geringen Wert ; wir freuen denn, daß man an 56 Altären Meſſe ge Zu einem Bistum gehörte auch ein uns dessen, was wir sehen, sowohl in der lesen und daß mehr als 200 Geistliche anDom und Otto I. erbaute auch diesen, Gesamtwirkung, wie in der reichen Fülle gestellt gewesen seien. Das ist nun alles welcher drei Jahrhunderte stand , bis im des Details. Hier hat der Geist der anders geworden in dieser neuen Zeit. 13. Jahrhundert ein Neubau nötig wurde. Frühgotik seine schönsten Blüten getrieben. Still und feierlich liegt der Dom da, und Ein funstsinniger Bischof, Wittigo I., Das Beste , was wir im Dome sehen, nur einmal, am Karfreitag , füllt ihn unternahm diesen Neubau und überwachte stammt aus der Glanzzeit der Architektur allerlei Volk, um ein geistliches Konzert die Ausführung desselben in den reinen in Meißen , wo die gotischen Formen zu anzuhören. " Wenn dann die herrlichen Formen der Gotif , die wir noch jest an voller Schönheit erblühten. Das Be Klänge unserer alten Meister durch den diesem Dome troß der vielen Verwüstungen fangene , Knospende der ersten Zeit ist mächtigen Raum brausen, wenn wir bald und Veränderungen , welche derselbe im überwunden ; reich und lebendig legt sich Stimmen der Engel , bald die Posaune Laufe der Jahrhunderte erlitten, aufrichtig das mit erstaunlicher Sicherheit modellierte des Weltgerichts zu vernehmen glauben, bewundern. Blattwerk um die Kapitäle, wuchtig steigen dann kann sich auch der realistischste Zu Natürlich war die Stadt oft Gegen die Säulen auf, um das kühne, streng hörer andächtiger Schauer nicht erwehren stand blutiger Kriege. An Stelle der alten raumschließende Gewölbe zu tragen." und sich dem Zauber nicht entziehen, ma markgräflichen Burg wurde unter Herzog Dasselbe gilt von den Statuen, welche im dem Vergangenheit und Gegenwart ihn Albrecht dem Beherzten 1471 durch den Chore des Domes sich befinden (König umspinnen , in diesen Räumen , die nu Meister Arnold von Westfalen ein neues Otto , seine Gemahlin Adelheid , die Hei bald tausend Jahre der Verehrung des Schloß im edelsten spätgotischen Stile er ligen Donatus , Johannes der Täufer, Höchsten geweiht sind."
Gustav Karpeles.
=1285Auf demselben Wege, auf dem wir gekommen , verlassen wir wieder den Dom , um draußen noch einmal das Portal desselben zu betrachten. Auf der Spiße dieses Portals steht die Figur des segnenden Christus mit Maria und Johannes, dann zu beiden Seiten absteigend die zwölf Apostel, alle aufKonsolen und mit Baldachin. Ueber jedem Baldachin und unter den Konsolen find betende Engel angebracht. Das Por tal macht in den Einzelheiten wie in der Gesamtgruppierung der architektonischen Formen einen mächtigen Eindruck. Indem wir uns in die Betrachtung dieser Schönheit versenken, erwacht vor unserem geistigen Auge das bunte, vielgestaltige Leben der alten Minnesängerzeit, das sich einst um die Baugerüste dieses Domes bewegte. In Heinrich dem Erlauchten, den die Dichter seiner Treue zum Reiche wegen priesen, vertörpert sich die Geschichte dieses Domhaues, und als sein Nachfolger kann Albrecht der Beherzte gelten, in dessen Namen sich wieder die Geschichte der nebenan sich erhebenden mächtigen Albrechtsburg verkörpert. Kurfürst Ernst und Herzog ALbrecht, zwei Brüder, herrschten gemeinsam über die sächsischen Lande. Sie waren reiche Fürsten , und es stand ihnen wohl an, der Mark Meißen ein ihrer Bedeutung entsprechendes Schloß auf dem Burgberge zu errichten . Es war eine günstige Zeit , in der der Bau begonnen wurde ; die Schneeberger Silbergruben waren in jenem Jahre , 1471 , entdeckt worden und boten reiche Ausbeute; Feldfrüchte und Wein waren besonders gut geraten, so daß die Kanne Meißenschen Weines für vier Pfennige zu haben war. Dazu fand sich in Arnold von Westfalen ein Baumeister, der wie fein zweiter jeeignet war, diesen herrlichen Bau ufzurichten, den Herzog Albrecht, der Deutsche Roland , während der Zeit, sie dem Helden zwischen seinen Kriegsjügen übrig blieb , sorgsam übervachte. Das, was Jakob Burchardt ils die ideale Aufgabe der Architektur bejeichnet, daß der Bau die Einheit des Wilens und des Zweckes an der Stirn trägt, das eigt sich am klarsten an dieser prächtigen Albrechtsburg (S. 1286 u . 1288) . Sie trägt inverkennbar den Stempel eines Willens, ines Zweckes und ist in diesem Sinne der rüheste und edelste deutsche Palastbau. Die Burg selbst besteht aus zwei Teilen, deren Hauptteil sich der nördlichen Seite des Domes anschließt und das Schloß selbst teigt vier Stockwerk in die Höhe und hat toch zwei Stockwerk unter dem Grunde in iner gewaltigen Kelleranlage , in der für 1200 Faß Wein Raum sich finden soll. Zu sem oberen Stockwerke führt eine Treppe on 113 Stufen, ein Meisterwerk der Kunst, ind mit ihren, in jedem Stockwerk offenen Salerien eine der größten Zierden des Schlosses , welches im ganzen 7 große Säle, 20 3immer , 14 fleine Gemächer, ine Menge Kammern, Gewölbe, Küchen,
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| Stuben und natürlich auch einige Gefängnisse enthält. Nichts gleicht der Pracht, die zu Zeiten hier entfaltet wurde; die Turniere, welche unter Albrecht dem Beherzten in der später nach ihm benannten Burg abgehalten wurden, entfalteten allen fürstlichen Glanz , dessen Deutschland damals sich rühmen konnte. Geht doch aus jener Zeit die Sage, daß Herzog Albrecht hier ein Gastmahl einst abgehalten habe, bei welchem die Gäste auf Silber faßen und an silbernen Tafeln speisten. In späteren Jahren verschwand aller
BUR SHE CHTSN ME
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Hof der Albrechtsburg (S. 1285).
dings dieſe Pracht und es war namentlich das Jahr 1645, welches für die Geschichte der Albrechtsburg verhängnisvoll wurde. Am 18. August jenes Jahres zogen nämlich die Schweden hier ein, belagerten und beschossen Stadt und Burg. 183 Kanonenschüsse wurden während der kurzen Belagerung auf dieselbe gefeuert und viele Bomben und Steinkugeln hineingeworfen. Erst 30 Jahre später ließ Kurfürst Georg II . das vielfach beschädigte Schloß wieder her stellen und damals war es auch, daß dem selben der Name Albrechtsburg beigelegt wurde. Zu seinem früheren Glanz ist es nicht wieder gelangt und Anfangs des 18. Jahrhunderts wurde die Albrechtsburg der neubegründeten Porzellanmanufaktur eingeräumt, welche hier mit geringen Unterbrechungen bis zum Jahre 1863 verblieb, bis eines Tages der verstorbene König Johann von Sachsen mit einem Gefolge von Künstlern und Altertumsforschern das
=1287Schloß besuchte. Von jenem Tage an datiert der Gedanke einer Wiederherstellung der Burg. Dieselbe begann im Jahre 1864. Die Porzellanmanufaktur erhielt einen Neubau und die Burg selbst wurde im Geiste ihrer alten Bauherren restauriert. Die Originalität und die volle Be deutung dieses Baues ist nur vom architektonischen Standpunkte zu erfassen. Wir müssen uns auf Autoritäten stüßen, wenn wir auch selbst mit unseren Laienaugen aus allen Einzelheiten , wie aus der Gesamtheit des Baues erkennen, daß derselbe das Ideal eines mittelalterlichen Palastes ist und daß in Arnold von Westfalen ein Baumeister von außerordentlicher, nur mit den größten Meistern zu vergleichender Begabung entstan= den , der seine eigenen künstlerischen Wege ging und alles Hergebrachte verjchmähte. Ein leidenschaftliches Suchen nach idealem Ausdruck des in den Architekten wohnenden Palastideals foll es sein, welches die Burg " von First bis zur Kellersohle" durchweht. So schreibt ein hervorragender moderner Architekt, Cornelius Gurlitt, in seiner Studie über das Schloß zu Meißen. Durchwandern wir dasselbe nun und suchen wir, ob wir etwas von diesem idealen Ausdruck in der Gesamtanlage und im Detail der Komposition auch mit unsern Laienaugen entdecken können. Zwei Wendeltreppen , eine kleinere und eine große, führen zunächst in den gewaltigen Kirchensaal im ersten Stock, den großen Versammlungsort des fürstlichen Gefolges. Schon hier haben wir Gelegenheit , die reichen Wandmalereien, mit Bildern aus der ältesten Periode der Stadt Meißen , zu sehen, welche seit der Restauration der Albrechtsburg hier von Dresdener und Münchener Malern angebracht worden sind. Der Reigen derselben beginnt natürlich mit der Gründung Meißens durch Heinrich I.; hieran schließt sich die Züchtigung der slawischen Räuberhorden durch die Deut| schen und die Verteidigung der ältesten Burg gegen die Polen ; der Einzug Kaiser Lothars, welcher die Markgrafschaft Meißen auf das Haus Wettin überträgt , schließt die Reihe ab. Gegen Westen schließt den Kirchensaal der Trompetersaal ab, ein Drchester, welches dicht unter den Wölbungen des Saales sich öffnet. Nach einer kleinen Kapelle folgt der große Bankettsaal, in dem alle Festlichkeiten und Huldigungen. ausgeführt wurden und der durch seine glanzvolle Ausschmückung vor allen anderen Räumen des Schlosses sich auszeich= net. An den Wandpfeilern sind in farbigen Figuren die Denkmäler von Heinrich I., Konrad dem Großen, Heinrich dem Erlauchten , Friedrich dem Streitbaren , Herzog Albrecht , Georg und Johann Georg II. angebracht. Die Wandmalereien enthalten die drei interessantesten Szenen aus der bekannten Geschichte des sächsischen Prinzenraubes. Den Schluß dieser Loka-
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Albrechtsburg (5. 1285).
westlich davon gelegenen sogenannten Afraberge, wo uns zunächst die merkwürdige Kirche und das frühere CLB PUTER Münster zu St. Afra , sowie die nicht minder berühmte Fürstens Alles was schule entgegenblickt. wir über die Geschichte dieser Schule litäten bildet der kleine Bankettsaal, wel erzählen können, tritt in den Hintergrund cher als Vereinigungspunkt für die fürstliche vor der mächtig emporragenden Gestalt Familie diente. Er enthält architektonische des einen ihrer Schüler, dem diese Anstalt und landschaftliche Bilder , die auf das unvergänglichen Ruhm zu verdanken hat ; Leben des Erbauers der Burg , des Her sein Name ist Gotthold Ephraim 30gs Albrecht , Bezug haben. Mehrere Lessing! Seit mehr als drei Jahrhun kleinere Räume liegen im annähernd sym- derten wahrt die Anstalt unter den höhe: metrisch angeordneten Ostflügel , so die ren Schulen Deutschlands ihren glänzen kurfürstlichen Wohn- und Garderobe den Ruhm und wirkt segensreich fort in zimmer , gleichfalls reich mit Bildern ihrer bedeutsamen erziehlichen Aufgabe. Berühmte Männer wie Gellert , Rabener geschmückt. Nicht minder interessant ist das zweite u . a. danken dieser Schule ihre Vorbildung, Stockwerk, dessen Mittelbau meist Geschäfts- vor allen aber kann sie stolz sein auf den räume füllen, in denen ehemals die Por- Einen ! Schon früh hat der Pastor Primarius zellanmanufaktur untergebracht wurde. Hier ist die sogenannte große und kleine Ap- von Kamenz den Plan gefaßt, seinen erst pellationsstube , der Wappensaal , das geborenen Sohn auf diese berühmte Schule Böttgerzimmer, mit Bildern des berühm zu bringen und am 21. Juli 1741 unter ten Johann Friedrich Böttger , des Erzieht sich der Alumnus der Aufnahme Seine ersten Zensuren sind finders des Porzellans ; ein Künstlerzimmer prüfung. und die Wohnräume des Herzogs Albrecht, nicht sehr günstig ; er wird davor gewarnt, welche sich im Westflügel des Schlosses die Vorzüge seines angenehmen Aeußern befinden . Alles trägt unverkennbar ein " durch Ueppigkeit und Frechheit zu begewisses Streben nach künstlicher Grup: flecken ". Aber es wird auch hinzugefügt, pierung und bequemer innerer Verbindung, daß er auf diese Warnung gehört zu haben ja, bis zu einem gewissen Grade auch nach scheine. Gleichwohl wird in dem Erlaß, Die Restauration hat der mit dem im Namen des Kurfürsten Symmetrie. Burg nicht geschadet, im Gegenteil, fie er das Oberkonsistorium die Strasberichte höht nur den Reiz des Anblicks und führt des Rektors zu beantworten pflegt, dieser uns die große Bedeutung vor, welche die aufgefordert , den jungen Lessing zu ses Schloß für die Geschichte Deutschlands erinnern , daß er sich der angenommenen im Mittelalter gehabt hat. Von dieser Leichtsinnigkeit und Frechheit enthalten soll. Burg aus verbreitete sich das Christentum Die Osterzensur des nächsten Jahres er und mit ihm die Kultur über einen großen klärt sein Talent nicht für unbedeutend, Teil unseres Vaterlandes , von hier aus er bedürfe aber steter Läuterungen , um haben Albrecht und seine Nachfolger ihre richtig und eifrig seine Pflicht zu thun. Kriegszüge ausgeführt und gegen die In den höheren Klassen sind die Zensuren Widersacher des Reichs glücklich angekämpft. etwas besser, nur einmal , Michaelis 1743, Eine Schloßbrücke mit fünf Bogen wird ihm eine gewisse " Verstellung" schuld verbindet den Schloßberg mit dem süd gegeben ; sonst bekommt er nur unein
=1290geschränktes Lob seines Talentes , seines Gedächtnisses und seiner Sitten ; nament lich wird sein Eifer für die Mathematik gelobt. Einmal wird sein Schreibebuch wegen Unordentlichkeit getadelt , ein an deres Mal hat er sich an einem Tumult der Schule beteiligt, ein drittes Mal war er vorlaut. Auf die Frage des Rektors: warum die Schüler in dieser Woche so spät ins Gebet gekommen , hat alles ge schwiegen, nur er hatte heimlich einem Kameraden ins Ohr geflüstert : „Das weiß ich!" Der Rektor hatte aber doch gehört und ihm befohlen, es laut zu sagen. Nach einigem Sträuben sei Lessing mit den Wortenherausgeplast : ,,DerHerrKonrektor komme nicht gleich mit dem Schlage, daher denke jeder, das Gebet gehe nicht so worauf der Rektor: „ad gleich an" mirabler Lessing ! " ausgerufen haben soll, ein Beiname, der ihm für den Rest seiner Schulzeit auch geblieben ist. Das äußere Leben der Schule war in der Zeit, als Lessing dort verweilte, das unruhigste, das: sie je gesehen hat. Auch sonst fühlte sich Lessing dort nicht allzuwohl. Wiederholt bat er seinen Vater um die Erlaubnis. abgehen zu dürfen ; aber erst als einer seiner Lehrer erklärte : „Wir können ihn fast nicht mehr gebrauchen, es ist ein Pferd, das doppeltes Futter haben muß," erst. dann entschloß sich der alte Pastor, seinem Sohn die Erlaubnis zum Abgange zu geben und im Juni 1746 ging Lessing von St. Afra ab. Der Einfluß, den die berühmte Fürstenschule auf den Dichter gehabt hat, läßt sich im einzelnen nicht genau nachweisen, nur ein einziges seiner dramatischen Erstlingsversuche : „ Der junge Gelehrte". geht in seinen Anfängen auf Meißen zu rück. Nichtsdestoweniger wird jeder , der einen Einblick in sein Jugendwesen ge wonnen, dem jezigen Rektor zu St. Afra, Dr. Hermann Peter , vollkommene Zu stimmung geben, der behauptet : „ Es lasse sich klar erkennen, daß die eigene Art von Lessings Wesen gerade durch die Einrich tung an jener Schule gefördert und aus gebildet worden ist. Mag Lessing später immerhin zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß er auf der Schule viel unnötiges gelernt habe und mag er später leichten Herzens vieles über Bord geworfen haben, was er sich einst mit großer Mühe an geeignet hatte , dem gegenüber steht sein eigener Ausspruch, daß er einzig in Meißen in der Beschäftigung mit den Klassike glücklich gelebt habe und den Grund zu seiner tiefen Kenntnis des Altertums, auf der sein ganzes späteres Wirken steht, eben falls dort gelegt habe. " Nur der zweite Hof steht noch vor dem Gebäude , in welchem Lessing mit den übrigen Alumnen sich herumgetummelt . J übrigen ist ein prächtiger Neubau an der selben Stelle entstanden, der in seiner ausgezeichneten inneren Einrichtung allen Zweck:n der modernen Pädagogik voll kommen entspricht. Als wir die Fürstenschule durch den engen Gang verließen. welcher zwischen Gartenzäunen zur Stadt zurück oder auch hinaus zur Porzellan-
J. Murr. Die heimischen Laubmooſe. 1292-
1293alles gesagt, was zum wohl Damit ist | " oder Geschirr Jaspis wegen Jaspis mit manufaktur führt , trafen wir einen wür digen alten Paſtor, der, seinen Sohn an "/ braunes Zeug" genannt wurde , zu er- Ruhme der alten Fürstenstadt zu künden ist, und gern wird jeder in dies wortreiche der Hand, der Schule zuging. Wohl finden , beruhigte sich der Kurfürst. auch selbst der , der Es läßt sich denken, welches Aufsehen Lob einstimmen mochte da die Erinnerung an den ehrwürdigen Paſtor Primarius von Kamenz diese Entdeckung allerorten erregte. Schon den Meißener Landwein nicht gar so hoch und dem guten Meißen für alle in uns lebendig werden , wie er vor an zu Ostern 1710 brachte Böttger einen an- stellt derthalb Jahrhunderten den künftigen ſchnlichen Vorrat Meißener Porzellans auf Zukunft eine glückliche und gedzihliche Alumnen von St. Afra der Heimstätte die Leipziger Meſſe; er ſelbſt veranschlagte Fortentwickelung von Herzen wünschen. Nur eine ein dessen Wert auf 3557 Thaler. August feiner Bildung zuführte . zige Büste erinnert in der Anstalt selbst der Starie war von dieser Erfindung so an Lessing, aber sein Andenken ist doch entzückt , daß er Böttger sogar in den in ihr lebendig und die Erinnerung an Reichsfreiherrenstand erhob. Um jedoch das ihn geleitet uns aus der Fürstenschule fort kostbare Geheimnis so viel wie möglich zu Die heimischen Taubmoose. auf unserer weitern Wanderung durch die hüten, wurde der gefährliche Böttger in der Von Stadt, die, zwischen Bergen an der Elbe Albrechtsburg zu Meißen sozusagen ineingeengt , sich gleichwohl ansehnlich hier terniert. Später suchte er zu verschiedenen J. Murr. ausgebreitet hat. Malensein Geheimnis den Höfen vonBerlin, Schon ein alter Reisebeschreiber Je Wien und Petersburg zu verraten; die chon dem kleinen Kinde ist das freundcander sagt von dem " wegen seines alter: Korrespondenz wurde jedoch rechtzeitig ent- Schon lich grüne Moos, welches die Mutter tümlichen Ruhmes und lustigen angeneh deckt, und er mußte, wie so oft schon, ins men Gegend in ganz Europa bekannten Gefängnis auf den Königstein wandern . zu Beginn des Winters zwischen den Fen Die Porzellanmanufaktur erlitt durch stern aufgehäuft und mit einer Reihe rotköniglichen Meißen ", daß dort auch die vornehmsten Gaſſen nicht alle gerade an seinen Tod (am 13. März 1719) keinen wangiger Aepfel sorgsam belegt hat , ein gelegt , sondern etwas frumm , damit die Schaden. Im Gegenteil , sie konnte jest wohlbekannter und erfreulicher Anblick. Allerdings besteht nun das FensterHauser von Wind und Wetter nicht all ruhig und mit größerer Sicherheit fortzuviel Schad und Anstoß erdulden doerffen, geführt werden. Ihre gedeihliche Ent moos " vielfach nur aus einer einzigen bedenn wie Vitruvius will, so ist es denen wickelung ist am besten aus den Zahlen stimmten Art , nämlich dem an seinem Häusern zuträglich, wenn sich die Winde des Verkaufs zu erkennen : Schon in den dichten, sparrigen Blattwerk, womit Stengel an ihren Ecken teilen ! " Manch inter- siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und Seitenäste bekleidet sind, leicht erkenneſſante Bauten fallen uns in den engen wurde troß der Unglücksperiode des Sieben- baren dreieckig beblätterten Schlafmoos Straßen auf und viele Erinnerungen von jährigen Krieges ein Ueberschuß von (Hypnum triquetrum L.) (S. 1294), historischem Wert knüpfen sich an dieselben. 70000 Thalern erzielt. In diesem Jahr das eben in unsern Wäldern massenhaft Ueberall sehen wir verschnörkelte Giebel, hundert steigerte sich noch der Erfolg an auftritt und sich zum genannten Zwecke am Heine Erker oder alte Rundbogen und sehnlich , und obwohl die veränderte Ge- besten eignet ; ein paar andere häufige, Säulen mit steinernen Sißen zu beiden ſchmacksrichtung neue Formen entdeckte, waldbewohnende Arten von Schlafmoos, Seiten, die sicherlich Ueberreste aus der obwohl die Konkurrenz anderer Porzellan wie das einfach siederästige Schrebersche Architektur des 15. und 16. Jahrhunderts manufakturen den Gang des Werkes einiger (H. Schreberi Willd. ) und das sehr ähnfind. Kirchen, Klöster und Kapellen , ein maßen beeinträchtigt haben , erhält sich liche helle (H. purum L.), das runzelige Rathaus des 15. Jahrhunderts , ein gleich- | Neu-Meißen doch immer in erster Reihe, ( H. rugosum L. ) mit dickem, weich befalls merkwürdiges Gewandhaus nehmen während Alt- Meißen zu den gesuchtesten blättertem Stengel und vorzüglich das unser Interesse gleichfalls in Anspruch, Porzellanerzeugniſſen zählt, die der Kenner glänzende Schlafmoos (H. splendens Hedw.), ausgezeichnet durch sehr feine vor allen aber die ihres ehrwürdigen Al- vor allen anderen bevorzugt. Ein Gang durch die Porzellanmanu- baumartige Verästelung , laufen hier und ters und ihres Weltrufes wegen berühmte Königlich Sächsische Porzellanmanufaktur. faktur ist überaus lohnend. Mit großer da mit unter. Gleichwohl ist der Artenreichtum dieser Seit 178 Jahren bewährt dieses In- Zuvorkommenheit wird die Fabrik wie das und nur großen Gruppe der Pflanzenwelt ein sehr stitut seinen Ruf und der Name Meißens Lager den Fremden gezeigt hat durch ihn einen weithin hallenden das Eine wirkt hierbei störend , daß die bedeutender, wenn auch die Zahl der verKlang über die ganze Erde erhalten. meisten Besucher nicht in der Lage sind, schiedenen Moose an diejenige der BlütenEs war im Jahre 1701 , als aus Berlin, alles oder doch das Schönste zu kaufen, wie pflanzen bei uns und in den wärmeren Gegenden bei weitem nicht heranreicht. von wo er entfliehen mußte , ein junger sie es gern möchten. Mann , namens Joh. Friedr. Boettger, Von der Porzellanmanufaktur geht es Die Flora von Deutschland zählt über nach Sachsen kam. Er war ein alchi- nun ins Freie, in die hübsche Umgebung dreihundert Spezies von Laubmooſen , in mistischer Träumer und wollte den Stein Meißens , die durch ihre bunte Abwechse- den Alpenländern finden sich deren noch der Weisen finden, er wollte Gold zu Tage lung von felsigen Hügeln und anmutigen erheblich mehr. Die genannten Arten von Schlafmoos fördern und experimentierte jahrelang, Thälern einen sehr liebenswürdigen Einbis einer seiner Gönner mit Scharfblick druck macht. Wer es jedoch vorzieht, von gehören nun freilich schon zu den ansehnherausfand, daß in ihm weniger ein Gold- all den Wanderungen müde , zur Stadt lichsten Vertretern ihres Geschlechts ; damacher , als ein Töpfergenie stecke. Er zurückzukehren, der wird zunächst über den gegen gibt es nicht wenige besonders auf erhielt daher im Jahre 1704 verschiedene Hahnemannplag gehen und dort dem Be- entblöstem Erdboden gedeihende Gattun Thonerden mit dem Auftrage zugewiesen, gründer der Homöopathie seine Reverenz gen (wie die verschiedenen Arten von Ephedaraus in allerlei Mischungen Gefäße bezeigen. Sodann mag er unter den merum , Acaulon , Phascum , Hymeno brennen zu lassen. Als er einst eine Masse schattigen Arkaden des alten Rathauskellers stomum , Pleuridium u. s. m. ) , welche nicht mehr als 1-3 mm in der Höhe erim Schmelztiegel zusammensetzte, erfand er sein leiblich Teil gebührend aßen. plöglich eine braune Masse , welche dem Ein altes Sprichwort sagt treffend : reichen und somit manchmal nur schwer alten chinesischen Thon an Härte nichts Meißen hat zahlreichen Kirchgang , lehr mit freiem Auge sichtbar sind ; eine Höhe nachgab. Wiederholt flüchtete Böttger aus reichen Schulrang , weitreichenden Gerichts von 1 em wird von einem sehr bedeutenden Sachsen, wiederholt ließ ihn der Kurfürst zwang, luftreichen Spaziergang, hellreinen Teile unserer Moose nicht überschritten. In dieser vielfachen Kleinheit der Laubzurückbringen und einmal drohte er sogar, Glockenklang , liebreichen Vogelsang, lustihn henken zu lassen , wenn er sein Ver- reichen Fischfang , wasserreichen Schiff , moose, die sich auch bei den ansehnlichsten sprechen, Gold zu machen, nicht halte. Erst Floß- und Mühlgang , fruchtreichen An- Arten in den einzelnen Teilen geltend als ihm sein Versuch gelang , jene rot hang, kornreichen Scheuerklang, und -un macht, liegt die Hauptschwierigkeit des Bestimmens derselben, wozu ein, wenn auch braune Masse , welche ihrer Aehnlichkeit | gemeinen Weinſchank! -1291-
J. Murr. Die heimischen Laubmoose. 1295-
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mung des getrockneten Materials sehr zu statten, indem noch nach vielen Jahren die eingeschrumpften Blätter zu diesem Behufe durch Befeuchtung in einen dem frischen ähnlichen Zustand gebracht werden können. Da die Laubmoose, dem Drucke einer Bresse der, um die feineren Teile un terscheidbar zu erhalten, nicht zu start sein darf - ausgesetzt, ihre Feuchtigkeit rasch abgeben , so ist ihre Präparierung in den meisten Fällen schon nach wenigen Tagen vollendet; dazu kommt noch, daß die getrockneten Moose ihr frisches Grün
Hypnum triquetrum L. (S. 1293).
nur ganz einfaches Taschenmikroskop in manchen Fällen kaum zu entbehren sein dürfte ). Gerade diese Schwierigkeit jedoch, welche übrigens bei den Moosen immer noch in viel geringerem Maße sich darbietet wie bei den niedrigen Krypto: gamen, ist im Verein mit dem in dem reichsten Wechsel anmutiger Formen gelegenen Reize dazu angethan, die Beobachtung der Moose zu einer höchst angenehmen und anregenden Beschäftigung auf Spaziergängen und in den Erholungsstunden zu Hause zu gestalten. Das Sammeln und die Aufbewahrung der Moose bieten mehrfache Vorteile selbst gegenüber demjenigen der Blütenpflanzen. Bei zufälligem Mangel einer Büchse oder Mappe können kleinere Polster und Rajen von Laubmooſen, nachdem sie von der anhaftenden Erde gereinigt sind, ganz wohl in der Rocktasche nach Hause befördert werden, da sie selbst nach längerer Zeit bei reichlicher Befeuchtung ihre ursprüngliche Gestalt und Frische wieder erlangen. Dieser in dem einfachen Zellenbau der Blätter der Laubmooje begründete Umstand kommt auch bei einer späteren Nachbestim 1) Wer übrigens mit gutem Sinn für die Beobachtung von Naturobjekten ausgestattet ist , wird im stande sein, die weitaus größere Zahl der heimischen Laubmoose, wenn er sie einmal richtig erkannt , auch späterhin bei furjer vielfach schon des ganzen Habitus trok des Umstandes, auf denBeirachtung ersten Blick wiederzuerkennen, daß gerade bei den Moosen die Bodenunterlage , der Grad der obwaltenden Feuchtigkeit und andere 11mstände einen stark veränderten Einfluß auf das Gesamtaussehen ausüben.
Hypnum triquetrum (S. 1293).
1296Mit dem Sammeln von Phanerogamen läßt sich dasjenige der Laubmoose sehr wohl in Verbindung bringen , ohne daß die einem jeden einzelnen Gebiete zuge wandte Aufmerksamkeit allzusehr geteilt werden müßte , da die Fruchtzeit der Mehrzahl der Laubmoose in den Spätherbs und Vorfrühling, jene Zeit, wo die Blu menwelt schon erstorben oder noch nicht erwacht ist, fällt, und die Waldregion, das Hauptfundgebiet der Moose, auch im Som mer eines reicheren Wechsels von Blütenpflanzen entbehrt. Betrachten wir vorerst eine einzelne Moosart und zwar gerade das schon eingangs erwähnte Fenstermoos " genauer, um uns über die Be schaffenheit der einzelnen Teile bei dieser ganzen Gruppe der Kryptogamen zu orien tieren. Von einem etwa einen Dezimeter langen Hauptstamme gehen in unregelmäßig fiedri ger Anordnung die wie der Stamm mit lanzettlichen und scharf zugespißten , nad allen Seiten sparrig abstehenden Blättchen dicht bedeckten Seitenäste aus . Aus deren Grunde entspringt da und dort ein fadendünner, hellrötlicher , etwa 3 cm langer Stiel ), an dessen Ende die ungleichhälftig eiförmige (d. h. beiläufig halbmondförmige), braunrote, glatte Kapsel wagerecht ab steht [ Fig. 10] . Eine in der Entwickelung weniger fortgeschrittene Kapsel hat noch ein häutiges , kapuzenförmiges Häubchen, die sogenannte Müße ) , schräg auffisen, überhaupt manche Vorteile bietet, wenn man es eine gewisse leichte Ueberschbarkeit der Sammlung feinen besonderen Wert legen will. 1) Allerdings find fruchttragende Exemplare dicie Art Schlafmoos im Verhältnis zur ungemein gros Verbreitung derselben, wie auch sonst gerade bei man chen oft weite Streden in dichten Beständen und Polkera überziehenden Laubmookarten jelten. So gehören fruchtenbe Individuen des baumförmigen Leitermooses (Climacium dendroides W. et M., S. 1315), das manchmal fast aus schließlich den Untergrund feuchter Wiesen darstellt, ju den Seltenheiten; vom runzeligen Schlafmoos (Hypnum re gosum L.), einer auf Wald. und Heideboden gemeiner Art, wurden in ganz Europa nur wenige Fruchtegemplan beobachtet. Auch ist die Erscheinung öfters zu beobachten dag neben prächtigen und ausgedehnten, aber unfrud baren Rasen eines Moojes gerade ein einzelnes fümme liches Individuum derselben Art sich mit zahlreichen Kapjen versehen darstellt. Umgekehrt gibt es viele besonders rafen und polsterförmig wachsende Moose, welche jo gut wie nie steril gefunden werden, ja gewöhnlich mit Kapfela über und über bedeckt sind, so daß ein solcher Rasen m seinen fruchttragenden Kapselstielen den Anblid eines Achrenfeldes im kleinen darbietet (besonders ausgezeichnet
oder ihre sonstige ursprüngliche Färbung meist lange beibehalten und daß sie ein Punkt, den Besizer von Phanerogamen am den so überaus besten zu würdigen wissen verderblichen Käferlarven nicht ausgesetzt sind. Dem Auge gewährt eine sorgfältig getrocknete und sauber gehaltene Sammlung von Laubmoosen , die vielleicht am besten mit entsprechenden Oblatenpartikeln auf Quart- und Oktavblättern befestigt Drehmoos (Funarica hygrometrica , G. 1303) werden, bei dem außerordentlichen Formenund Farbenwechsel einen recht wohlthuenden sind in dieser Richtung die Gattungen Distichum, Cers todon, Funaria, Splachnum, Pylaisia, viele der w Anblick ') . zigen Gattungen , Arten von Bryum, die Barbuls muralis u. f. w.). 1) Bei ganz kleinen Arten , und wenn eine Befesti= 2) Die Mike ist der Ueberrest der die noch unen gung aus irgend einem Grunde nicht wohl möglich ist, wickelte stiellose Stapfel ursprünglich umgebenden häl ist die Anwendung von Konvoluten zu empfehlen, welche Durch das Emporwachsen des Kapselstieles (der Bersa)
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ben gereifteren Kapseln ist dieselbe schon neben und durcheinander gedeihender schwunden. Die Kapsel ist vorn durch Laubmoosgattungen gebildet erscheint. inen zierlichen kegelförmigen Deckel abDie erste Stelle unter den den Wald, chlossen. An den vollständig gereisten besonders den Hochwald , bewohnenden Hapfeln, welche sich mittlerweile stärker ge- Moosen kommt , was Ausdehnung und immt haben [Fig. 11 ] , ist auch dieser Ueppigkeit der Bestände betrifft, unstreitig edel schon abgefallen ; dafür zeigt sich der artenreichen Gattung des Torfmooses Rand der so entstandenen Kapselöff- (Sphagnum sp. , S. 1299) zu ; alle ihre Arnung mit einem ten haben in dem schlaffen, dicht mit kurzen , doppelten Beam Gipfel rosettig- kopfig gehäuften Aestchen saße von zahl versehenen Stengel und in der bleich reichen zahnför grünen oder bald heller, bald dunkler rojen migen Läpp roten Färbung gemeinsame, sehr beständige chen, dem soge Merkmale. Die Torfmoose sind es auch, nannten Peri denen die im Haushalte der Natur so wich stom , ge= tige, allen Moosen mehr oder minder zu schmückt. Deff kommende Wirksamkeit, die als Regen oder nen wir mit Tau zu Boden gelangte Feuchtigkeit zu einer Pinzette sammeln und in sich zusammen zu halten, die Kapsel, so in ganz ausgezeichnetem Maße eigen ist. maria hygrometrica Hedw . (S. 1803). erblicken wir in Selbst bei schon lange währender Trocken heit ist es noch möglich. erhebliche Mengen Wassers aus einem Torfmoospolster aus zupressen¹) . An die Torfmoose schließt sich der Verbreitung nach die gleichfalls an Arten sehr reiche Gattung der Schlafmoose (Hypnum sp. ) , ausgezeichnet durch mannigfache und oft höchst zierliche Verästelung des Stengels , an. Neben den schon eingangs genannten Arten müssen hier noch Maria hygrometrica Hedw. (Die kapseln in verschiedenen das zart: Stabien der Entwidelung, S. 1303). verästeltste aller r Mitte derselben ein Säulchen , das Schlafgsum dicht mit Sporen beseßt ist ') . moose, Wenn wir nach dieser zum Verständ nämlich e des Ganzen notwendigen Betrachtung das tamaerst auf die Verbreitung der Moose riskenarder Natur zu sprechen kommen, so kön tige ( Hyp wir sagen , daß von der Thalebene num tazur Grenze des ewigen Schnees nicht mariscit eine Gestaltung des Bodens und der num L., erlage das Gedeihen verschiedener Arten S. 1313), Moosen ausschließt. So recht eigent das präch die Heimat dieser schönen Gewächse tige kammDer Wald , besonders der Nadelwald förmige vor allem die weiten Reviere des dich ( H. crista Sochwaldes , dessen Grund überall von castr. L., wahrhaft schwellenden Fülle gesellig ) . 1300),
jene Hülle und fcheidet sich in einen größeren Teil, die Mütze, und einen kleineren unteren, der gige Scheide am Grunde des Kapselfieles noch eine g sichtbar bleibt. Nur beim Torfmoos (Sphag p., . 1298) zerreißt jener Mantel in der Mitte rjo , daß dessen untere Hälfte den Grund der Kapsel noch längere Zeit hindurch becherartig ein-
Alle Laubmooje find zweigeschlechtig und war = ein oder zweihäufig, je nachdem die Behälter nlichen Organe (Die Antheridien)sich mit denen blichen (den Kapseln) an einem und demselben um befinden oder nicht. Die sehr unscheinbaren feulenförmigen Antheridien sind auf dem Gipfel
gels oderMoosen in den befinden Winkelnsie dersich Blätterzu fuden; äufigen immer auf dem erbreiterten Gipfel des Stengels , zwischen eigen gestalteten Hülblättern eingebettet , wie dies am en bei den träftigsten unserer heimlichen Mooie, mühenmoojen (Polytrichum sp .) zu beobachten ist. Das gesellige Wachstum ist eine hervorstechende lichfeit im Leben der Moose. Verschiedene Arten gen fich vielfach gegenseitig so innig, daß man Intersuchung wohl achthaben muß, nicht Früchte und Blattsproffen einer anderen Art als zu hörig anzusehen. 89. II.
1299leicht kenntlich an den büscheligen , käßchenartig beblätterten Aesten , kann hier wegen seiner Häufigkeit noch Erwähnung finden. Weite Flächen, besonders des trockeneren Waldgrundes , werden von den dichten Herden mehrerer Arten des Haarmüßenmooses (Polytrichum sp., besonders P. commune L., juniperinum Willd. , [S. 1304 u . Fig. 18, 19, S. 1325] und urnigerumL.), der kräftigsten unter den heimischen Laubmoosgattungen, die in dem einfachen , mit derben , nadelähnlichen Blättern dicht bedeckten Stengel ein sehr beständiges Merkmal besit, überkleidet. Fast ebenso häufig sind die im Baue ziemlich ähnlichen , durch lange , einerseitswendige, fichelförmig gebogene Blätter gekennzeichneten Gabelzahnmoose (Dicranum sp., besonders D. scoparium
Sphagnum acutifolium Ehrh. (Mit reifen Früchten.)
sowie das cypressenblätterige SchlafTorimoos (Sphagnum squarrosum Pers., moos (H. 6. 1208 u. 1307.) cupressiforme L.) mit seinen dichten, meist flach niederliegenden Rasen nament | Hedw., S. 1318, und undulatum Turn.), lich aufgeführt werden. Auch das mit den zu denen sich noch das schöne Schildmoos . et M ) mit Schlafmoosen nahe verwandte Mäuse (Catharinea undulata schwanzmoos (Isothecium myurumBrid.), feinen bäumchenartigen Büscheln schmaler, dunkelgrüner , welliger Blätter und die lieblichen Arten des Sternmooses ( Mnium 1) Durchdiese Eigenschaft ist angefeuchtetes Sphagnum ein unübertreffliches Mittel zur Verpadung und Bersen. sp. , besonders Mn. undulatum Neck. dung frischer Blumen und ganzer Pflanzenrajen; lettere [ S. 1303 u . Fig. 9] und punctatum Hede., mehrere Wochen währende S. 1304) mit breiteren, öfters fast eiförmiUmhüllungüberdauern. solcher können inohne zu verderben, Fahrten, 55
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Schlafmoos (Hypnum crista ca. strensis L. Mit reifen Früchten.) (S. 1298.)
gen und ebenfalls gern wellig gebogenen Blättern hinzukommen. Auch der trockene Grund niedriger gelegener Nadelholz-, besonders Föhrenwälder beherbergt seine eigenen Arten; unzählige dichtgedrängte Kapselstiele des Hornzahnmooses (Ceratodon purpureus Brid.), sowie von Bartmooſen (Barbula sp.) und Birnmoosen (Bryum sp.) verleihen dem Boden öfters auf weite Strecken eine röt liche Färbung , die an anderen Stellen wieder durch das Gelbgrün des runzeligen Astmooses und das Graugrün der Hedwigia ( Hedwigia ciliata Hedw .) abgelöst wird. Das zweite große Hauptgebiet des Mooswachstums sind feuchte Wiesen ( Mooswiesen"), Sümpfe und Moore. Insbesondere diese letteren sehen sich zum großen Teile aus den erstorbenen Resten von Laubmooſen , besonders vom Torfmoos , zusammen , wodurch sich dieselben als Material der Torfbildung unmittelbar zum menschlichen Nusprodukte umgestalten. Außer den Torfmoosen sind es neben vielen anderen besonders bestimmte Arten des Schlafmooses (das farnartige , Hypnum filicinum L.; das gekrümmte , H. aduncum Schimper ; das spießästige , H. cuspidatum L.; das sternblätterige , H. stellatum Schreb. u. s. m.), sowie des Sternmooses (Mnium sp.) und des Birnmooses (Bryum pseudotriquetrum Schegr. [Fig. 81), das Sumpf- Gabelzahnmoos (Dicranum palustre Br. et Sch. ), das Kopfmoos (Aulacomnium palustre Schwgr. [Fig. 12]) und das Quellmoos (Philonotis fontana Brid. [ S. 1318 u. Fig. 6]), aus denen sich der Hauptsache nach die üppig wuchernde Vegetation solcher Stellen zusammensetzt. Eine reiche Auswahl der mannigfaltigsten Moosformen pflegt ihren Standort
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an Felsen und auf Steinblöcken auf Samt aufs täuschendste nachahmt) und de Durch Zersehung des Ge- Schlitzhaubenmooses (Racomitrium sp. zuschlagen. Auch die steines bereiten die Moose hier den Blüten- besonders canescens Brid.). pflanzen die Möglichkeit des Gedeihens zierlichen, oft sehr kleinen Arten des ar vor , nachdem ihnen in derselben Wirk- mooses ( Fissidens sp., 3. B. adiantoides samkeit die Flechten schon vorausge- Hedw. [S. 1308 , 1309] und bryoides gangen sind. Vor allem sind es in dichten, Hedw. ) mit genau fiedrig angeordneten oft Samtpolstern ähnlichen Rasen von Blättchen dürfen hier nicht vergessen werden Eine andere , durch flach beblätterte heller oder dunkler, öfter grau- und schwärz lichgrüner Färglänzende , freudiggrüne Fiederäste ausge bung wachsende zeichnete Gruppe von Moosen , wie die Moosaiten, Ringmoose (Neckera sp. , besonders das welche die Risse krause, N. crispa Hedw ., das federartige und Absätze der N. pennata Hedw. , und das flachgebrüdie Felspartien oft N. complanata Hübn . ) , die Flachmoose in weiter Aus (Plagiothecium, besonders silvaticum Br dehnung aus et Sch.) und das Spatelmoos (Homalia füllen und über- trichomanoides Br . et Sch.) drücken si fleiden. Dielieb eng an den Rand der Felsen an, wä lichen Apfel rend das goldiggrüne , seidenglänzende moose (Bartra Glattkapselmoos (Homalothecium seri mia sp . , besonders pomiformis Hedw . ceum Br. et Sch.) mit seinen langen [S. 1322 u . Fig. 3]) mit ihrer Fülle kuge: baumförmigen Sprossen weithin an der liger Früchtchen, die ebenso fruchtreichen Felswand hinauskriecht. Das weiche Schla Nacktmundmoose (Gymnostomum sp. , be moos ( Hypnum molluscum Hedw.) m sonders curvirostrum Hedw. [Fig. 5]) seinen zierlichen fammartigen Fiedern über und Hundszahnmooje (Cynodontium po- kleidet oftmals als dichter Teppich mac lycarpum Schmpr.), sowie das von einer tige Felstrümmer und Steinblöde. Einige bestimmte an überronnenenFel dichten Saat hellrötlicher Fruchtstiele bedeckte zarte Haarmoos (Distichium capil- sen des Ralfgebirges wachsende Moosartan laceum Br. et Sch. S. 1306) find Haupt- (wie das veränderliche Schlafmoos , Hye vertreter der dicht polsterförmigen Wachs num commutatum Hedw.; zwei Artan des Haarmundmooses, Trichostomumrigi tumsweise. In mehr lockeren, vielfach schwärzlich dulum Sm. und tophaceum Brid.; Art grünen oder grauzottigen Räschen gedeihen des Nacktmundmooses , ein Birnmoos die Arten des Steinmooses (Andrea Bryum pseudotriquetrum Schwgr. u . a sp., besonders rupestris Schmpr. [Fig. 1 ]), geben den Untergrund für die Entwide des Zwergmooses (Grimmia sp., vorzüglich lung der bekannten zierlichen Tuffgebilde ab. Eine ähnliche Artenfülle wie an und Gr. apocarpa Hedw. , ovata W. et M. und pulvinata Sm. , welche lettere Art auf den Felsen entwickelt sich auch auf (S. 1306 ) kleine Kissen von feinem, grauem entblöstem Erdreich , besonders wen dasselbe länger andauernder Befeuchtung ausgesezt ist, wie dies in schattigen Hobl wegen und unter Gebüsch der Fall sein pflegt. Hier sehen wir sowohl rajen artig gedeihende Moose mit einfachen Stengel, wie auch die verschiedensten Ga tungen von Astmoosen in buntem Wechsel üppigster Entwickelung und reichster, fa überschwenglicher Fruchtfülle neben und durcheinander wuchern. Tausende von Kapselchen der winzigen Dicranellen (Dicranella sp. , besonders va ria Schmpr. und heteromalla Schmor) und Perlmoose (Weissia sp. , besonders viridula Brid.), der Glockenmoose (En calypta sp. , besonders vulgaris Heda [ S. 1309]) , Birumoose (Bryum caespiti cium L. S. 1308] und argenteum [ S. 1322 ]) , Bartmoose (Barbula sp [S. 1310 und Fig. 17 ]) und kleiner Arten von Haarmützenmoosen (Pol trichum nanum Dill. und aloides
Hypnum crista castrensis L. (S. 1298).
Hedw.) drängen sich aneinander; dazwi schen erblicken wir die Blätterschöpfe de Schildmooses (Catharinea undulata " et M.) und die ansehnlichen Rosetten des TO rosafrüchtigen Birnmooses (Bryum ro seum Schreb., vielleicht das schönste de heimischen Laubmoose, das aber nur selten fruchtet), vermischt mit dem frisch sprej senden Laubwerk verschiedener Sternmec
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(Mnium sp.). Fruchtbeladene Rasen gröBerer Astmoose (Arten von Hypnum und Brachythecium) vervollständigen den fast finnverwirrenden Eindruck dieses gestaltenreichen Pflanzenlebens. Der entblöste Boden des Acker- und Gartenlandes , trockene Raine , Lehmmauern und selbst die weniger gepflegten Stellen von Chausseen und Fußwegen sind der Aufenthalt verschiedener, besonders herdenweise wachsender , vielfach winziger und reichfruchtender Arten, wie des Drehmooses (Funaria hygrometrica Hedw. , S. 1297) , des Rundmüßenmooses (Physcomitrium pyriforme Brid. [ S. 1311 u. Fig. 4] ) , des Glanzmooses (Phascum sp., bes. cuspidatum Schreb.) , der Bottia (Pottia sp., besonders cavifolia Ehrh.) und verschiedener anderer. Sogar besserer Wiesengrund seht sich manchmal zu einem Teile aus Astmoosen, vorzüglich dem spießäſtigen Schlafmoos und dem Leitermoos (Climacium dendroides W. et M. [S. 1315 u . 1316]) zusammen; auf Triften und Heideflächen bilden die Moose schon wieder einen Hauptteil der Pflanzendecke. Hier sind es einige Arten mit ichmuzig gelbgrünem Blattwerke, vor allem das runzelige und das Lärchen- Schlafmoos (Hypnum abietinum L.) mit seinen regelmäßigen, einfachen Fiederästen, welche neben entsprechenden Arten von Bart- und Birnmoos in hervorragender Weise den fahlen, traurigen Eindruck derHeide bedingen helfen . Den felsenbewohnenden Arten stellen sich diejenigen zur Seite , welche ihren Wohnsit an Mauern , alten Bildstöden, Zäunen und auf Schindel dächern aufschlagen. Es sind meistens in kleineren, dichten Rasen oder Polstern wachsende , reich fruchtende Gattungen. Das Mauer- Bartmoos (Barbula muralis Hedw. [vgl . Fig. 17] ) mit seinen grauen Rasen und zahlreichen orangefarbenen Kap: selstielen, das ähnliche, in schmußig oder braungrünen Polstern gedeihende Haarmundmoos (Trichostomum rigidulum Sm.), das niedliche Siebzahnmoos (Coseinodon pulvinatus Sprengl.) mit seinen runden kleinen Pölsterchen , die Räschen von Zwergmoosen (Grimmia sp.), Gold
Ster latus Nec m k, (Maium undunmoo 6. 1299.)
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Haarmützenmoos (Polytrichum juniperinum Willd.) a mit jungen, von der Haube bededten, b mit reifen Früchten (S. 1299). [Fig. 10 ]) , das cypressenblätterige Schlafmoos und manche andere zierliche Gattung a an; die glanzblätterigen Arten des Ringmoofen (Orthotrichum sp.) und Birn mooses (Neckera sp.) und die goldiggrümoojen (Bryum sp. ) find die charakteristi- nen Aeste des Glattkapselmooses stechen ganz schesten Erscheinungen dieser Vegetations- besonders aus dem hellen und dunklen form. Auch Astmoose mengen sich unter Grün der übrigen Baummoose hervor. Bis jene dichtrasig wachsenden Gattungen, und an die Wipfel der Bäume steigen diese merkwürdigerweise wurden von diesen ge- Pseudoparasiten ' ) aus dem Reiche der Mooswelt hinan, die der rade auf alten , feuchten Schindeldächern einige fast nie fruchtende Arfleißige Obstbaumzüchter trog des angenehmen ten mit reichlichen Kapseln Farbenwechsels , welchen beobachtet. An diese Gruppe ſie an dem grauen schließen sich noch die zahlreichen, am Grunde, Stamme Stamme hervorrufen , bei seinen Pflegund an den Aesten der lingen nur ungern sieht und eifrig zu ent fernen bedacht ist. Laub und Nadelbäume Selbst auf den zartesten Astsprossen gedeihenden Arten an. Für der Wald- und Feldbäume sehen wir noch die hervorstehenden Wurzeldie zierlichen Räschen des Kräuselmooses teile alter , großer Bäume (Ulota crispa Bruch u . a. A. [S. 1314 liefert besonders eine zartund dichtrasige Art des u . Fig. 13] ) und der Goldmoose (OrthoStumpfdeckelmooses (Amblytrichum sp . [S. 1311 ] ) aufsitzen. stegium serpens Br. et Sch.) Zum Schlusse unserer Uebersicht muß den fast nie fehlenden Uebernur noch der an die sumpfbewohnenden zug. Die etwas schiefen Moose sich anschließenden Gattungen ErStämme alter Eichen , Buwähnung gethan werden, welche das feuchte, chen , Eschen , Weiden und schlammige oder sandige Erdreich Pappeln bekleiden sich mit an Flüssen , Gräben und den dicht fäßchenförmig beTeichen, zeitweilig überflublätterten des Stengeln tete Steinblöcke , das be= feuchtete Holzwerk von schweisartigen Weißzahnmoojes (Leucodon sciuroides Wasserleitungsröhren, UferverkleiSchwgr.) und Trugzahnmoo- Sternmoos (Mnium punctatum, dungen , Wasserwehren u. dergl. 6. 1299). fes (Anomodon viticulosus bewohnen , ferner derer , welche Br. et Sch.). Zwischen diein fließendem oder doch frischem sen siedelt sich die fruchtreiche Pylaisia | Wasser der Bäche , Brunnentrögeu. s. w. (Pylaisia polyantha Schmpr.) und das fluten , mit ihren Wurzeln aber an dem von kurz eiförmigen , tiefpurpurnen Kap- Erdreich oder Holzwerk der Umgebung anseln stroßende Pappel Kurzkapselmoos 1) In den zwei letzten Fällen erscheint der beblätterte (Brachythecium populeum Br. et Sch. Etengel im Umriß dreis oder mehrkantig.
-1306haften. Sandige , feuchte Steintrümmer am Ufer der Bäche überziehen sich auf weite Strecken mit dunkel und schwärz lichgrünen Teppichen des Ufer-Cinclidotus
3. Murr. Die heimischen Laubmoose. 1307mischen Arten wie das kammförmige und das zarte tamariskenartige Schlaf moos. Die zierlich bäumchenartige An ordnung der Aeste läßt sich regelmäßig beim Leitermoose beobachten. Bei manchen Arten des Gabelmoo-
ses, Schlafmooses und einiger an derer Arten erscheint der Stengel mit dichtem rotem oder braunem Filz bekleidet. Auch die Beblät terung des Stengels ist eine ungemein mannigfaltige. Bald verteilen sich die Blätter scheinbar un regelmäßig um den Stengel , bald erscheinen sie in zwei (wie bei der Gattung Distichium) , drei oder mehreren Längsreihen ¹ ) angeordnet. Häufig sehen wir die Blätter nach allen Seiten , öfters selbst sparrig, abstehen (so beim sparrigen und sternblätterigen Schlafmoos Hypnum squarrosum L.[S.1298 ] und stellatum Schreb. und mehreren anderen), Saarmoes (Distichium capillaceum Br. et Sch., . 1301). während sie sich ein anderes Mal wie bei den Arten der Farn-, Ring- , (Cinclidotus riparius Host.) und des | Flach- und Spatelmoose in einer Fläche Fluß- Stumpfdeckelmooses (Amblystegium ausbreiten und die Pflanze gleichsam gefluviatile Schmp.) ; über die Holzverklei- preßt erscheinen lassen ; eine schön federdungen hin wuchern die flachen , gold- oder farnartige Anordnung der Blättchen grünen Sprossen eines häufigen Kurz steht mit dieser verflachten Blätterung fapfelmooses (Brachythecium Rutabulum gern in Verbindung. Ganz im Gegen Br. et Sch.), in den Bächen besonders der faze dazu zeigen die Aeste einiger sehr dicht Gebirge fluten die langen, dunkelbeblätter- und zugleich abstehend beblätterter Arten ten Aeste des Fieberbrunnenmooses ( Fonti- eine schweif- oder käßchenartige nalis antipyretica L.) , während wir in alten Brunnentrögen meistens das ähn- Form , wie wir liche Astwerk des mäusedornblätterigen dies schon beim Spitschnabelmooses (Eurhynchium rusci- Mäuseschwanzforme Br. et Sch.) beobachten. moose und WeißDie Bemerkung, daß ein paar Moos- zahnmoose hergattungen, vor allem die Arten des frucht vorgehoben hareichen Schirmmooses (Splachnum sp. ben. Auch die ro[S. 1312 u. Fig. 20] ) mit Vorliebe oder ausschließlich die verwitternden Exkremente settenartige Anvon Kindern und Schafen überwuchern und ordnung der Blätzu prächtigen Samtpolstern umgestalten, ter läßt sich mehr: mag den etwas humoristischen Abschluß fach , am schönunserer großen Revue bilden. Wenn wir nun sten beim rosanoch die einzelnen Teile des Laubmooses früchtigen BirnCatascopium nigritum How. nach ihrer so mannigfachen Gestaltung be- moose beobachten. trachten wollen, so können wir uns hier- Nicht selten tref= bei kurz fassen, da schon vieles davon im fen wir eine schopfartige Anhäufung der Vorhergehenden beigebracht werden mußte. Blätter, wie dies besonders beim welligen Der StenSternmoos und Schildmoos und beim gel der aloeartigen Haarmüßenmoos (Polytrichum Laub aloides Hedw.) auffällig zutage tritt . Bei moose ist zahlreichen kleinen Moosarten erscheinen. entweder die Blätter des kurzen Stengels knospeneinfach, artig zusammengeballt. Schließlich darf wie bei den noch die vielfach vorkommende , gern mit meisten der sichelförmigen Blattform verbundene einerseitswendige Anordnung der Blätter dichtrasig oder polnicht vergessen werden , wofür wir in sterig dem hackigen Astmoos (Hypnum unciPolfterförmiges Zwergmoos wachsennatum Hedw.) , zahlreichen Arten des (Grimmia pulvinata Sm., 6. 1301). den Arten, 1) Pseudoparasiten sind jene auf einem größeren Geoder verästelt. Die Verästelung kann eine wächse vegetierenden Pflanzen, welche ihre Nahrung nicht gabelige odermehr weniger regelmäßig fiede- wie die echten Parasiten , z . B. die Mistel , aus jenem rige sein, wobei die Fiederäste sich meist Gewächse selbst , sondern nur aus den verfaulten Stoffen und der Erde ziehen , welche zufällig an jenen hastet. genau in einer Fläche ausbreiten. Unter Dem bitbaume werden die Moose in der Weise schädden einfach oder doppelt siederästigen Moo- lich, daß sie die Rinde allmählich zerstören und so auch dei Baste schaden, außerdem den Sammelplatz für versen finden sich einige der schönsten hei - schiedenes ungeziefer abgeben.
1308Gabelzahnmooses und im Quellmoos (Philonotis sp.) ausgesprochene Beispiele vor uns haben. Die Grundform des Laubmoosblat tes ist die lanzettliche ; dieselbe verschmälet sich in allen Abstufungen bis zur pfriemen , borsten- und haarförmigen und erweiter: sich in ebenso vielen Zwischenstufen bis zur rundlich eiförmigen Gestalt. Zerteilte, aus geschnittene und zerspaltene Blätter , wie wir sie bei den Blütenpflanzen so vielfach finden, fehlen unseren Laubmooſen gänz lich. Sehr oft je doch zeigen die Laubmoosblätter in ihrer oberen Hälfte , seltener im ganzen Umfange, eine mehr oder minder scharfe und regelmäßige Zähnung. Eine Mittelrippe Farnmoos (Fissidens fehlt manchmal aliantoides Hedic.. 6. 1302), dem Laubmoos blatte, wie dies beim Torfmoose der Fall ist; meist ist sie und zwar oft in tra tiger Ausbildung vorhanden, wobei dann manchmal die Eigentümlichkeit auftritt, daß sie vor der Blattspiße verschwindet oder im Gegenteile sich über dieselbe hinaus als weißliches Glashaar (dessen Vorhandensein bei der Menge nahe aneinander gerückter Blättchen der ganzen Pflanze eine grauliche Färbung verleiht) oder als Stachelspiße fortjeßt. Eine wel lige oder krause und gewundene Gestal tung der Blättchen ist bei vielen Laubmoosen , lettere besonders bei trockener Witterung, zu beobachten, für manche Ar ten des Kräusel-, Apfel- und Bartmooses sind die gekräuselten Blättchen geradezu charakteristisch. Die Blätter der Laubmoose sind ferne: entweder glanzlos oder glänzend; in les terem Falle erhalten die Moose vielfa ein glas oder seidenartiges Ansehen. Wenn wir in ganz natürlichem Anschlusse auch noch auf die Färbung des Blattwerkes za sprechen lommen , so läßt sich behaupten, daß die Laubmoose, wenngleich das frische,
Bryum caespiticum L. (S. 1302).
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der dann gern im obersten Teile mehr oder weniger bogig gekrümmt ist, so daß die Kapsel bald aufrecht [z. B. Fig. 16] , bald horizontal [ Fig. 9, 10, 11 ], bald nach abwärts geneigt oder hängend [Fig. 7 u. 8] zu stehen kommt . Außerdem ist der Stiel entweder glatt oder rauh und warzig , öfters in seiner ganzen Länge gedreht [Fig. 5 u. 13] ; seine Färbung ist sehr verschieden , häufig gelblich oder schön purpurrot . Die mannigfachsten und anmutigsten Verschiedenheiten hat die Kapsel selbst aufzuweisen. Ihre Form zeigt alle erdenklichen Abstufungen zwischen der schmal walzenförmigen bis zur fugelrunden Gestalt. Die stab: [Fig. 17] und walzenförmige [ Fig. 12, 14, 15, 16], die urnen- [Fig. 18] und eiförmige [Fig. 5, 9, 10, 13] und schließlich die kugelförmige Gestaltung Pissidens adiantoides [Fig. 2, 3, 4] sind ebenso viele MerkHedw. (5. 1302). punkte dieser langen und fast lücken losen Formenreihe. Die für zahl Arten die silbergraue, bläulich weißgrüne, | reiche Gattungen der Astmoose charakteri meer und olivengrüne, goldgelbe , gelb- stische ungleichhälftige Eiform [Fig. 10] und goldgrüne, bronzerötliche, goldbräun verdient wegen ihres häufigen Auftretens, liche , die braun und schwärzlichgrüne, in welchem sie nur von der cylinderförmi ferner die rosa , wein- und rostrote Färgen Kapfelform noch übertroffen wird, aus bung und zwar jede derselben in ver- drücklich hervorgehoben zu werden. schiedenen Nüancen vertreten , was insAn den eiförmigen und rundlichen besondere bei den dicht polsterförmig wach Kapseln bemerken wir öfters über dem senden Arten Grunde eine auffallende Verschmälerung, durchdas Zuden sogenannten Hals [Fig. 1 , 4, 7, 8, 12], fammenkomwelcher bei im ganzen eiförmiger Kapsel men der manform die birnförmige Gestaltung [ Fig. 4, nigfachsten 6 , 8] zur Folge hat ; ist der Hals auch Farbentöne seinerseits wieder bauchig [ Fig. 7, 8] , so einen reizengeht die Birnform in eine mehr oder weniger den Anblick genau entsprechende Flaschenform über. zu gewähren Die Kapsel kann ihrer Form nach außer vermag. Die dem gerade [z. B. Fig. 16, 18 ] oder mehr. größte Manweniger gekrümmt [ Fig. 11, 17 ]fein; öfters nigfaltigkeit entwickelt sich die gekrümmte Form erst mit der Gestal der zunehmenden Reife der Kapfel , ganz tung und des vorzüglich aus ursprünglicher ungleichhälfAussehens tiger Eiform [val . Fig. 10 u . 11 ], oder verbietet unter stärkt sich wenigstens im Verlaufe der Zeit. den Teilen des Endlich teilen sich die Kapseln in glatte Laubmooses (die öfters selbst wie durch Politur glänzen), die Kapsel Hedw .. gestreifte [Fig. 14 a] und tiefer oder seich Glodenmoos mit ihrem Zu den 03 ( calypta, vulgaris Hedio ter gefurchte [Fig. 3, 12, 13]. bedeckten Früchten ) gehör. Der Die Färbung der Kapsel weist die verKapselstiel schiedensten Töne von Braun und Rot auf; entspringt entweder aus dem Gipfel des das lichte Gelbbraun und das schwärzeste Stengels oder an dessen Seite, gern aus Kastanienbraun, das helle Gelbrot und das einem Astwinkel und zwar meist aus dem tiefste Purpurrot erscheinen hier durch sehr felben Punkte nur einer ; in selteneren Fäl zahlreiche Zwischenstufen miteinander verlen, wie beim Leitermoos und beim welli bunden. gen Sternmoos ) , stehen mehrere derselben Besonders häufig ist die satt braun büschelförmig beisammen. Derselbe erscheint rote Färbung ; auch die rosa und blut manchmal nur angedeutet ; bei einigen Arten, wie bei der Hedwigia, fehlt er ganz, so daß die den Hüllblättern eingesenkte Kapsel bei weniger genauer Betrachtung zu fehlen scheint. Im Gegensate dazu be ihen viele Gattungen und Arten einen verhältnismäßig sehr langen Kapselstiel, freudige, sowie das dunkle Grün bei mei tem vorherrscht , an Mannigfaltigkeit der Blattfärbung, insbesondere durch die verschiedensten Abstufungen von Grün und Rot, die Blütenpflanzen weit übertreffen. Wir finden da nach den verschiedenen
1) Nach dem Abfallen der Kapiel oder bei Nichtentwidelung derselben bleiben die Kapselstiele oft noch lange tehen, wie dies beim welligen Sternmooje besonders schön ju beobachten ist (siehe die Abbildung des Leitermooses).
Langfrüchtiges Vartmoos (Barbula subulata Brid., S. 1802).
-1311 rote finden sich öfters ; ja selbst Olivengrün und Grüngelb , Orangerot und Dunkelviolett lassen sich beobachten . Die Kapsel bleibt bei ihrer Reife entweder nach allen Seiten hin verschlossen , wie bei den Glanzmoosen (Phascaceen ), so daß die Sporen erst durch das Verwesen der Kapsel frei werden, oder die-
Goldmoos (Orthotrichum anomalum Hedw., S. 1305). selben entleeren sich (was aber nur bei den Steinmoojen ( Andrea sp. [Fig. 1] der Fall ist ) durch Aufspringen der Kapsel in vier oben und unten verbunden bleibenden Klappen , oder, und dies ist die weitaus gewöhnlichste Art der Sporenentleerung, die Kapsel öffnet sich durch das Abwerfen eines kleinen Deckels , der durch die Ausdehnung des sogenannten Ringes , einer später selbst abfallenden Verdichtung der Kapselmündung, abgehoben wird. Die gewöhnlichste Form des Deckels ist die kegelförmige und zwar in allen Graden der Erhöhung von der pfriemenförmigen [ Fig. 17] bis zur beinahe flachgedrückten Gestaltung [Fig. 3]. Auch die gewölbte Form des Deckels findet sich nicht selten [Fig. 2, 18 ]. Aus der Spise des Regels oder der Wölbung ent= springt vielfach ein Physcomitrium pyriforme längerer oder fürzerer, Brid. (S. 1303). gerader oder seitwärts gekrümmter Schnabel [Fig. 10, 4, 13 , 18 , 5]. An seiner Junenseite trägt die verdickte Kapselmündung meist einen Kranz häutiger , länglicher, gewöhnlich zahnförmiger Läppchen (der Mundbesaß oder das Peristom [ Fig. 7, 11 , 16, 20] ), deren Breite und besondere Gestaltung vielfach ein Charakteristikum für die verschiedenen Gattungen abgibt. Die Anzahl der Läppchen ist immer durch vier theilbar ; gewöhnlich besteht die Reihe aus 16 Zähnen , wogegen diese Zahl beim Vierzahnmoos [Fig. 15b] auf vier herabsinkt und beim Haarmüßenmoos auf 32 und 64 anwächst. Bei mehreren Gattungen, wie bei den Drehmoosen , der Hedwigia, den (nach dieser Eigenschaft benannten) Nacktmundmoosen und Torfmoosenfehlt der Mundbesaß gänzlich. Statt 32 Zähnen finden sich bei mehreren Gattungen , wie beim Farn- oder Spalt= zahnmoos und Gabelmoos ' ) nur 16 derselben , die aber mehr oder weniger tief, 1) Das Gabelzahnmoos, Siebzabimoos und viele andere ähnlich benannte Gattungen erhielten diese Namen von der für sie charakteristischen Form der Peristomzähn
1312öfters bis nahe an den Grund gespalten sind. Auch dreigespaltene und selbst sieb artig durchlöcherte Peristomzähne können beobachtet werden. Bei den Bartmoosen stehen die fadenförmigen Peristomteile in die Höhe und sind überdies zu einem seilartigen Bündelchen (das auch mit einem Barte verglichen werden kann) spiralig ineinander gedreht [ Fig. 16]. In manchen Fällen, wie bei vielen Schlafmooſen , besteht das Peristom aus einer doppelten Zahnreihe, wobei aver die Zähne des unteren Kranzes von denen des oberen verschieden (gern gegliedert oder geknötelt) und mit schmalen Wimpern untermischt sind. Die untere (innere) Zahnreihe wird bei einigen Gat tungen durch ein gefälteltes Häutchen oder ähnliche verschiedenartig durchbrochene Gebilde ersetzt . Die Fär bung des Peristoms ist zumeist lebhaft orangegelb oder purpurrot und hebt sich, wie dies an der noch nicht gereiften Frucht bezüglich des Deckels der Fall ist , von der meist dunkler gefärbten Kapsel (so das orangegelbe Peristom von der sattroten, das purpurfarbene von der schwarzbraunen. oder schwarzvioletten) in anmutiger Weise ab. Endlich muß nur noch über die der unreifen Kapsel zur Bedeckung dienende Haube das wichtigste angeführt werden . Dieselbe verhüllt manchmal die Kapsel nur zum kleinen Teil , indem sie an derselben
Splachnum ampullaceum L. (S. 1306).
nach Art eines Müßchens aufsigt [ Fig. 5 ] , wogegen in anderen Fällen die Kapsel zur Hälfte [ Fig. 15 a ] oder nach ihrer ganzen
A. M. Blankenstein. Zwei Tage in Algier. -1313Länge [Fig. 19] von der Haube umschlossen wird. Defters, wie bei den Glockenmoosen (Encalypta sp .) , reicht die Haube sogar ein gutes Stück über die Kapsel hinaus
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und Muße hat und von lebhaftem Jute esse erfüllt ist , die wunderbare Schenke der Natur auch in den kleinsten und zigsten Formen zu betrachten , der m es sich nicht entgehen lefe sich das weite und liebli Reich der Laubmoose Gegenstande seiner Beoba tung auszuersehen. Zur Einführung in M Studium der Laubme möge das Büchlein von D Otto Wünsche , "Die kr togamen Deutschlands " t höheren Kryptogamen) , a zig bei Teubner 1875 ( 1 60 Pf.), bestens empfehl fein.
Zwei
Tage i
Algier. Bon H. M. Blankenflein
3 war Freitag, der Som Es tag der Muselmann und Zu Wagen und strömten die Menschen e arabischen Kirchhofe zu. wöhnlich sind es nur liche Wesen , welche an Tage hinauswallen , die hammedanerinnen, um aal Tamaristenartiges Schlafmoos (Hypnum tamariscinum L; G. 1298). Gräbern ihrer Lieben z ten und zu trauern, die Ch stinnen, um das eigentümli Bild anzustaunen. Est [Fig. 14 b]. Die Gestalt der Haube ist meist | sich aber, daß an dem Nachmittage eir müßen- oder kappenförmig, seltener fegelig, gräbnis stattfinden sollte und die Mam walzen und glockenförmig. Am Grunde sonst so streng abgewiesen , durften e erscheint sie vielfach unregelmäßig zerrissen treten. Dicht mit Ledervorhängen a und aufgeschlißt [Fig. 19] , hier und da auch schlossene Equipagen brachten die arabij regelmäßig zerteilt [Fig. 15 a] oder gewim Damen der höheren Gesellschaftsklassen Sie ist ferner meist durchsichtig oder bei. Der Haif war bis tief auf die durchscheinend , von gelblichweißer , horn herabgezogen und verhüllte die ganze gelber , öfters goldgelber Färbung. Bei stalt, so daß nur die bauschigen Pumpho den Haarmüßen (Polytrichum sp.) und und die in Pantoffeln geborgenen Zwergmoosen (Grimmia sp.) sehen wir sichtbar blieben , denn das Geficht be fie allseitig mit längeren oder fürzeren der Schleier, welcher aber hier nidit Haaren bekleidet. Zum Schlusse mag nur noch der Apophyse, einer bei manchen Gattungen vorkommenden Verdickung des Stengels am Grunde der Kapsel , Erwähnung gethan werden. Bei den Haarmüßenmoosen erscheint fie in der Form eines kleinen Ringes [Fig. 19] , bei den Schirmmoosen und den zunächst verwandten Gattungen nimmt sie eine scheiben , schirm- oder urnenförmige Gestalt an und übertrifft an Größe die aufsigende Kapsel um ein bedeutendes [Fig. 20 u. 23 ] . Wenn wir in unserer Darstellung durchKräufelmoos (Ulota crispa Bruch.. E. 138 . weg nur die Hauptpunkte streifen konnten, so wird aus derselben jedenfalls ersichtlich, welch reiches und anmutiges Feld der Be- dicht ist wie in Bona , in Constant obachtung uns diese große Gruppe der Sogar die Tramwagen enthielten viele blütenlosen Pflanzen darbietet ; wer Zeit vermummte Gestalten , manche mit
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Rännern, ihren Kindern. Reizende Gesichtchen gab unter den Mädchen : erst wenn diese dreizehn ahre zählen, beginnt man bei ihnen ein Mästungsstem, weil in den Augen der Araber das weibliche eschlecht nur als schön gilt , wenn es recht dick ; oß ist der Kummer aller Eltern , wenn deren ochter, troß der angewandten Mittel, schlank bleibt. Unterwegs trafen wir den Leichenzug: der Tote egt , ohne Sarg, auf einer Bahre, über welche man men kostbaren Teppich legt. Er wird von sechs. rabern , natürlich in ihrem Kostüm gekleidet , ge= agen. Nicht geordnet, wie bei uns, zeigte sich der ug, sondern wild durcheinander wogend. Alle ießen sie klagende Töne aus. Ueber uns wölbte sich der Himmel vom tiefsten, rahlendsten Blau , die Sonne schien im Dezember he in der Heimat im Juli , so daß man ohne Sonnenschirm die Hiße nicht ertragen konnte. Es ist ein sehr schöner Weg, welcher dem Kirch pfe zuführt, unfern dem Meere. Gar eigentümlich letet sich Algier dar ; der neue, französische Teil, e breiten Kais und Straßen mit den hohen_imofanten Gebäuden , strecken sich am Ufer entlang us und am unteren Hange des Berges , das araLeitermoos Climacium dendroides W. et. M., 6. 1308). ische Viertel zieht sich an dem Ausläufer der Saheltte amphitheatralisch weiter hinauf, von der Kasbah er türkischen Festung) gekrönt. Die blendend eiß angetünchten, viereckigen, mit flachen | hin, an welchem, seit den Römern, so viele | grünes Gestrüpp bedeckte die Hänge , wo Dächern versehenen Häuser gleichen , in Nationen arbeiteten , eine das Werk der es für den Europäer lebensgefährlich war, rer Gesamtheit , auffallend einem Mar anderen gewöhnlich teilweise zerstörend. hindurchzuschreiten, denn er stand in forttorsteinbruche , wie es schon öfters be: Dort wurden in den umliegenden Gebäu- währender Gefahr , von den Arabern anhrieben worden ist; sie stechen von der den , während der Türkenherrschaft , die gegriffen und umgebracht zu werden. Gar ppigen Vegetation und dem tiefblauen vielen, durch die Seeräuber herbeigeschlepp mancher hat dort auf diese Weise sein Reere seltsam ab. ten Christensklaven untergebracht und muß Leben verloren. Ueberall schauen jezt aus Sehr interessant ist es , jenes Viertel ten schwere Arbeit verrichten . Wie oft den reichsten herrlichsten Gärten an den durchstreifen, wo manche Gäßchen so mag ihr Blick mit wehmutsvoller Sehn- Hängen Hotels , Pensionen und Landhäuser ig sind , daß zwei Menschen kaum an- sucht über das Meer der teuern Heimat hervor. Wie schwer wird es da dem Mennander vorbeikommen ; überdies sind die entgegengeschaut haben, wo ihre Lieben um schen , im Dezember und Januar an den äuſer am oberen Stockwerke zu beiden sie trauerten, nicht wußten, was aus ihnen Winter zu glauben , so grünt und blüht es allerwärts in üppigster Pracht. An seiten vorgebaut , durch hölzerne , in die geworden sei. Lauern eingelassene Pfähle gestüßt, so daß Der Richtung zu , wohin wir fuhren, den Terrassen, den Mauern, den Sommere Wohnungen sich oben oft berühren und breiten sich die Häuser von Agha, Musta häuschen ranken sich mit unzähligen füß an wie durch Galerien hindurchgeht, wo pha Inferieur und Mustapha Superieur duftenden Blumen besetzte Theerosen-, im Sommer stets kühl bleibt. aus. Vor vierzig Jahren stand hier noch Jasmin- und Heliotropzweige hinauf. BeEifrig schweift der Blick über den Hafen | kein Gebäude, nur wildwucherndes, immer- | täubend ist oft der Wohlgeruch der hellgelben, kugelrunden Blüten , der Acacia Farnesiana . Reizend nimmt die Bougainvillea mit ihren teils grünen, teils pracht voll roten Blättern und den kleinen gelben Blüten sich aus. Ueppig wuchert die Winde nach allen Richtungen. Bei der wildwachsenden Vegetation fällt die Menge Schlinggewächse auf, besonders die verschiedenen Clematisarten ; hauptsächlich schön ist unter diesen die mit glockenförmigen, durchsichtig weißen Blüten versehene, welche in der Sonne wie hochpoliertes Silber erglänzen und nur hier, in Bona und Constantine vorkommen soll. Am Kirchhofe angelangt , sahen wir dort ein buntes Durcheinanderwogen. Die weißen Gestalten der Frauen saßen dicht verhüllt an den Gräbern ; sonst dürfen sie an ihrem Sonntage hier den Schleier ablegen, aber die Gegenwart von Männern verhinderte das heute. Sie hatten zwis schen den Ruhestätten ihrer Lieben die mitgebrachten Teppiche und Matten ausge breitet und lagerten oder hockten mit gekreuzten Beinen darauf. Die Mütter hielten Climacium dendroides Hon. ihre Kinder krampfhaft fest an der Hand, Bei B unfruchtbar gebliebene Kapfelstiele (S. 1303) . als befürchtetensie eine Gefahr für dieselben.
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er sendet seine Gattin ihren Schwer wurde es einem, sich vorstel Eltern zurück. Die für jene er daß die Gelegenheit eine so betrübende haltene Geldsumme muß dann Die Europäer , hauptsächlich die Dam herausbezahlt werden, denn drängten sich herzu ; wir waren in ei die Väter verkaufen ihre Töch- Entfernung stehen geblieben, uns nid ter dem Meistbietenden. Die trauend, näher zu treten. Man fest Bewerber der höheren Gesell- Bahre neben dem Grabe ab. Wir schaftsklassen geben Geld , die wie sie an dem einen Ende hoch a der unteren so viel Stück Vieh, richtet wurde und hörten später, daß. wie ihre Mittel es erlauben. dem Kopfe zuerst, die in ein Bettud Der Leichenzug nahte; über genähte Leiche in ihre leste Ruhe die Gräber hinweg ging es ei hinabglitt. Daneben stellte man einen ligst die Treppe zu der mit voll Wasser und Feigen hin, dami flachen Steinen gepflasterten ihrem Gange nach dem Paradiese die Terrasse hinauf vor der eine Stärkung habe. Darauf überb Koubba ¹). Um den viereckigen man die Gruft mit Steinen. Im Hintergrunde , in unserer Raum , in dessen Mitte die Bahre aufgestellt wurde , ließ schleppten Männer nach einiger Zeit die Trauergesellschaft sich mit große Säcke herbei und von allen gekreuzten Beinen nieder und strömten die Armen auf sie zu, ein jeder alle murmelten sie Gebete. Die suchend, das meiste zu erhaschen, schrei durch eine Kuppel gefrönte tobend , miteinander ringend, und Koubba enthält eine kleine, während man eben, von der Trauerge ium Heds ., 6. 1299). (Dicranum scoparGabelzahnmoo8 mit Fahnen behängte Bethalle, schaft umringt , Erde auf die voll wo auch die Frauen, denen der Gruft schaufelte. Der eine Sad ent Ein Künstler, diese seltene Gelegenheit Eintritt in die Moscheen bis zu ihrem Brot, der andere Feigen. Es fam eifrig benußend, nahm die verschiedenen, zurückgelegten sechzigsten Jahre versagt ist , eine hohe, in kurze Jacke und Bum so eigenartigen, höchst malerischen Gruppen zugelassen werden. Von dieser Halle durch gekleidete Gestalt herbei und versuchte auf, zwischen welchen die unregelmäßig ein Holzgitter getrennt, zeigt sich das Grab- scheltend , Ordnung zu schaffen, indem aufgestellten Gräber sich befinden, wo auf mal des Marabout. denen Einhalt gebot, welche mehr a Nachdem die Trauerceremonie vorüber, ihnen zukommende zu erlangen treba den niedrigen Hügeln ein schmaler , an Ein plögliches Geräusch ver beiden Enden zugespißter Auffah errichtet wurde die Bahre wieder aufgenommen, ist, aus Holz oder Marmor verfertigt, und man schritt hastig der Stelle zu, wo uns , zurückzuschauen : soeben wurde manche von diesen mit arabischen Schrift das Grab bereit stand , ringsum ausge junger Stier vorübergeführt, einem zeichen verziert. In der Mitte dieser Auf- mauert. Die in bunte Gandouras (ein legenen Teile des Kirchhofes zu , fäße sind in dem flachen Boden mit Wasser hemdartiges Gewand) oder kurze Jacken an einen Olivenbaum angebunden angefüllte Aushöhlungen , worin die stets und weite Pumphosen gekleideten Gestalten,,, Dort bleibt er bis morgen abend," mitgebrachten Blumen gestellt werden. Zwi deren Haupt ein Turban bedeckte, drängten wortete man auf unsere Frage, und schen den Gräbern erheben sich Palmen , sich heran: man sprach, man gestikulierte. opfert man ihn. Uebermorgen früb, neun Uhr an, beginnt das Totenfelt be Cypressen , Eucalyptus-, Oliven und an 1) Grabkapelle eines Marabout (Geistlichen). dere immergrüne , hochaufgeschossene Bäume; sie vermehren den orientalischen Anstrich des Bildes . Schon öfters hat man versucht , bei solchen Gelegenheiten den Kirchhof zu photographieren , aber es gelang äußerst selten, denn merken die Araberinnen eine solche Absicht, dann ergreifen sie eiligst die Flucht. Die ehrbaren Frauen scheinen es offenbar für eine Schande zu halten , ihr Bildnis nehmen zu lassen; jedenfalls stehen sie auch in gewaltiger Furcht vor ihren strengen Herren und Gebietern. Erregen sie deren Zorn oder Eifersucht, dann sind sie vor Stockschlägen nicht gesichert, welches Erziehungsmittel der Koran den Ehemännern gestattet, wenn nicht zu streng da mit verfahren wird. Zeigt eine Frau sich nach meh reren solchen Strafen störrisch, dann wird es ihrem Manne sehr leicht , eine Cuellmoos (Philonotis calcarea Br. et Sch. S. 1300). Scheidung zu erlangen, und
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af dem Kirchhofe, wo alle Armen gespeist erden, denn der, welchen man soeben berub und der heute früh starb , war ein icher Mann. Keiner der Fleisch und ouscous 1) verlangt, wird abgewiesen, so eit der Vorrat reicht." Nachdem das Grab vollendet war, ußten alle Männer sich entfernen ; an den trat man heran und forderte ihn auf, n Kirchhof zu verlassen. Nur jener blieb rüd, welcher bei Austeilung des Brotes d der Feigen streng mahnend eingeschritten ar. Wirwunderten uns darüber, besonders wir sahen, daß troß seiner Gegenwart e Frauen ihre Schleier abzulegen beinnen. Wir traten an ihn heran mit m Wunsche , die Sitten und Gebräuche Landes näher kennen zu lernen und aren unsicher, wie man unsere Fragen aufhmen werde. Auf das liebenswürdigste igte er sich aber bereit, unseren Wunsch erfüllen. Ich bin der Marabout des irchhofes," erklärte er, " vor mir können : getrost ihr Gesicht enthüllen , da ich r Vater von ihnen allen bin: ich sehe sie ad sehe sie doch nicht , es macht feinen. indruck auf mich ... Sie find gewiß ein Heiliger ? " erindigten wir uns. So Gott will , ja," entgegnete er, enBlick
nhim el er ebend, nichts schieht ohne einen Sillen!" Fr er zählte 15, er i ver iratet. Hierzulande, beuptete er , hätten alle chtschaffenen Männer nur ne Frau , wie bei uns hristen. " Das Gesetz erubt vier," gab er zu, aber wer weise ist, macht won feinen Gebrauch, nn es ist nicht eines jeden lannes Sache, mehrere rauen zu haben, es geirt ein ganz eigentümlicher Charakter dazu, m alsdann Frieden im Hause zu wahren. " Als wir uns, herzlich bedankend, von m abgewandt und wenige Schritte zurücklegt hatten, trat eine ältere Frau auf 15 zu . Ihre Wangen waren bleich, ihre warzen Augen schossen Blize , drohend illte sie die Fäuste gegen uns. Wir hen sie staunend, fragend an. Marabut makash! " ) war alles, was wir von m, ihren Lippen entsprudelnden , im ichsten Zorne ausgesprochenen Worten rstanden. Wir konnten uns damals die ache nur dadurch erklären , daß sie die attin des Geistlichen sei und in ihrer
A. M. Blankenstein. Zwei Tage in Algier. 1322| Eifersucht es nicht ertragen könne , daß andere weibliche Wesen ihren Mann an geredet hatten, erfuhren aber später , daß sie eine Wahnsinnige ist. Vor Jahren wurde ihr plöslich der einzige Sohn entrissen und nun bringt sie die meiste Zeit auf dem Kirchhofe zu, glaubt ihr Kind dort wie derfinden zu können. Man läßt sie ruhig gewähren, da sie vollkommen harmlos ist.
Bartramia pomiformis Hedw. (S. 1301).
Bryum argenteum L. ( .1302).
Bei unserem Gange durch den Kirch hof waren wir viel angebettelt worden ; man hatte uns eifrig davor gewarnt, bei solchen Gelegenheiten etwas zu geben, da manche Leute sich dadurch den unangenehmsten Vorkommnissen ausgesetzt , von den Bettlern angefallen worden seien. Wir befolgten den gutgemeinten Rat , konnten uns aber dadurch nicht vor Unfällen tigt.1) Lieblingsgericht der Araber, aus Weizenmehl ver- schützen , wie wir später erfahren sollten. 2) Gar nicht, feineswegs. Der Marabout blieb noch längere Zeit, 89. II.
1323sich fortwährend umschauend. „Ich be fürchte immer, es könnte ein Mann zurückgeblieben sein und sich versteckt haben, " fagte er. Den Frauen schien es auch nicht geheuer , sie entschleierten sich zwar , aber sie blieben scheu und schüchtern. Man hat oft behauptet , daß bei den Araberinnen der Glaube herrsche , am Freitage um schwebten die Geister der Abgeschiedenen die Ruhestätte des zurückgelassenen Körpers . Deswegen sei es den Verwandten so sehr darum zu thun , diese Stätte zu betreten, um stundenlang in der Nähe jener so schmerzlich Vermißten zu weilen, ihnen alles haarflein zu beichten, was während der Woche vorgefallen sei, ihrHerz vollständig ausschüt tend, in der vollen Ueberzeugung, daß die Geister sie verständen, obgleich es denselben nicht vergönnt , ein Zeichen ihrer Gegenwart, ihres Mitgefühls zu geben. Aber indem wir die Frauen anredeten, sie darüber befragten, überzeugten wir uns bald, daß diese Behauptungen in das Reich der Fabel gehören. Sonst sollen die Araberinnen an ihrem Sonntage hier recht lustig sein und die seltene Freiheit in Gottes Natur genießen. Was der Europäerin Bälle , Gesellschaften und Theatervorstellungen sind, ist der Mohammedanerin der Kirchhof. Dort treffen sich die Bekannten und tauschen ihre Gedanken gegenseitig aus. Indem wir in den verschiedenen Teilen des Kirchhofs herumgingen, wo an manchen Gräbern Narzissen und andere Blumen üppig blühten , begegneten wir mehreren Hunden, welche wild und herrenlos sich hier wie auch anderwärts herumtreiben. Der eine sprengte , drohend die Zähne fletschend , auf uns zu , griff uns aber damals nicht an, doch als wir den Kirchhof soeben verlassen wollten , stieß meine Schwester einen Schrei aus , denn ohne einen Laut von sich zu geben , war jene Bestie auf sie zugestürmt und biß sich mit den Zähnen immer wieder in ihr Kleid ein, den Stoff zerreißend. Als das Tier sich bemerkt sah , jagte es von dannen. Man versicherte uns nachher, die Bettler müßten den Hund auf uns gehetzt haben, um sich dafür zu rächen , weil wir ihnen nichts gegeben hatten. Meine Schwester war mit dem Schrecken und einem zerrissenen Kleide davongekommen. Es hätte ihr schlimmer ergehen können , denn entseßlich sind die arabischen Hunde , wütend, heimtückisch , und gar mancher kann die 56
=1324tiefen Narben der von ihnen verursachten Wunden vorweiſen . Kaum mehr als hundert Metervom Kirch hofe entfernt, auf derselben Straße, erreicht man den Jardin d'Eſſai oder du Hamma, welcher im Jahre 1844 angelegt, auf der Stelle, welche früher von Gemüsegärtnern bepflanzt wurde. Er bedeckt im Augenblicke vierundvierzig Hektar Bodenfläche, wird aber fortwährend vergrößert. Wir
A. M. Blankenstein . Zwei Tage in Algier. 1325-1326| haben auf unseren mannigfachen Reisen |steht und seinen Augen kaum traut. im Süden , was Gärten anbetrifft , viel welcher Menge sind die tropischen Bäum . Herrliches gesehen, aber der Jardin d'Essai und Pflanzen aufgeschossen! Viele Allee von Algier bildet doch den Glanzpunkt von durchziehen der Länge und Breite nach der allem. Die Villas von Palermo sind Garten , alle immergrün, mit einer Aue besser gepflegt , dort sieht man kein Unnahme , deren Platanen so hoch sind wi fraut wie hier , aber was auf Sizilien mehrfach hundertjährige Eichen bei uns en miniature sich darbietet, entwickelt sich und doch starb der Gärtner erst kürzlic in dem Jardin d'Ejjai zu so gewaltigen welcher sie, als schlanke Seglinge, pflan Dimensionen , daß man staunend davor Eine dieser Alleen besteht aus Cha-
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12 1. Andrea rupestris Schmpr. (a junge , b reife aufgesprungene Frucht.) 2. Sphagnum acuti3 folium Ehrh. 3, Bartramia pomiformis Bruch. - 4. Physcomitrium pyriforme Brid. 5. Gym16 19 nostomum curvi rotre Hedw. (a reifere, b junge Frucht mit Mütchen.) 6. Philonotis calcarea Br. et Sch. 7. Leptobryum pyriforme Schmpr. 17 (Reife Kapiel.) - 8. Bryum pseudotriquetrum Schugr. 9. Mnium undulatum Neck. (Junge Stapfel.) 10, Brachythecium populeum Br. et Sch. (Junge Kapfel.) 11. Hypnum euspidatum L. (Reife Frucht mit abgeworfenem Deckel.) - 12. Aulacomnium palustre Schwgr. - 13. Ulota crispa Bruch. - 14. Encalypta streptocarpa Hedw. (a junge Kapfel mit Mühe , breife sapiel.) 15. Tetraphis pellucida Hedw . (a junge Kapsel mit Haube, b- reife Kapfel.) - 16, Barbula tortuosa W. et M. (Reife Kapfel obne Dedel.) 17. Barbula inermis Bruch. (Mit Dedel.) 18. Polytrichum urnigerum L 19. Polytrichum juniperinum Willd. (Junge Kapfel mit Mütze.) -20. Tetraplodon urceolatus Br. 1 Verschiedene Formen der Laubmooskapsel. Nach der Natur gezeichnet von J. Murr (in verschiedener Vergrößerung). moerops excelsa ; in Guirlanden schlingen | Hauptstammes erreichen. Sehr schön sich von Stamm zu Stamm, bis zu den ist eine Allee von einer Ficusart , von Blätterkronen emporkletternd, die schönsten deren Aesten Wurzeln sich in die Erde Theerosenzweige, sogar im Winter mit herabsenken und neue Stämme abgeben, Blumenbüscheln beseßt. Am prächtigsten so daß sie schließlich den Hauptstamm nehmen sie sich aber im April und im Mai vollständig verbergen und einen Miniaturaus , wo die grünen Blätter faſt unter den wald bilden. Wäre der Sommer hier nicht fast vollkommen regenlos , würden Rosen verschwinden. Mit dieser kreuzt sich eine andere Allee, sie sich viel mehr ausbreiten, aber während mit großen Eremplaren der Dracoena der trockenen Monate hört das WachsDraco , abwechselnd mit Latania Bor- tum jener Wurzeln beinahe vollständig bonica von drei und einem halben Meter auf. Sigt man im Dezember, im Januar Höhe. Jene waren damals mit großen in der Mitte dieser Allee, wo ein Rondell Fruchtbüscheln orangegelber, durchsichtiger sich öffnet , auch von Ficus umgeben, Beeren besetzt. Dazwischen ragen weit über wo eine lustig plätschernde Fontäne ihr sie hinaus Dattelpalmen (Phoenix dacty- kristallhelles Wasser in ein großes Becken lifera) . Die Latanias und Dracoenas sind ergießt , und schaut zu den gewaltigen sehr kräftig ; der Stamm teilt sich drei Bäumen empor, durch deren dichte Zweige Fuß von der Erde in fünf, sechs , ja sogar der strahlende Himmel kaum sichtbar, deren sieben Stämme, welche fast die Dicke des Schatten , nach der großen Sonnenhige
anderwärts , so wohlthuend wirkt, währen man die köstliche, von dem Dufte unzählige Blüten gewürzte Luft einatmet, dann kann man kaum glauben , daß, allen Berichten nach, es in der Heimat friere und schneie. Jene großen Bäume sind nur einund zwanzig bis dreiundzwanzig Jahre alt. Unter allem Schönen ist vielleicht das Schönste die Bambusallee, welche fast i ihrer ganzen Breite den Garten durc schneidet. Wie die hohe gotische Bogenhalle eines Domes bietet sie sich dar, des Anblick des Himmels verwehrend. Wenn die Sonne durch die Blätter leuchte nehmen dieselben wie die reinſten , durd sichtigſten Rieſenſmaragde ſich aus ; bewegt der Wind die Bambus , dann rauſcht es magiſch, geheimnisvoll, wie Geiſtergeflüſter man glaubt sich in eine andere Welt verſeßt.
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A. M. Blankenstein. Zwei Tage in Algier. =1328=
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Indem man den Garten durchschreitet , | Das Unkraut hat auch dazu beigetragen, | Hamma (Fieberland) andeutet. Wer nur rifft man immer auf neue Wunder der indem es den Boden in fast allen Beeten bei schönem Wetter hingeht und einige Zeit Natur und auf fortwährenden Genuß. mit einem dichten, mit den buntesten Farben vor Sonnenuntergang sich entfernt , hat Buddleia madagascariensis , mit ihren durchwirkten Teppich bekleidete. Man wohl nichts zu befürchten, und niemandem inzähligen gelben, traubenförmigen Blüten müßte die Arbeitskräfte verdoppeln , um möchte man den köstlichen Genuß rauben, bedeckt , hat eine große natürliche Laube darüber Herr zu werden und würde als den der Anblick des Gartens gewährt. Wir gebildet, indem sie sich von einer Paulownia dann die Einkünfte ſehr vermindern, welche mußten jedesmal, wann wir ihn besuchten, ur anderen schlang, die Bäume allmählich man durch den Verkauf der Pflanzen, mit dem Gärtner übereinstimmen, der an erstickend, ſo daß nur die toten Stämme als Blumen , Früchte und Samen jegt er jenem Dezembertage begeistert ausrief : Stüße übriggeblieben sind . Große Wal- übrigt. Der Export findet nach vielen Ich möchte in fünfzig Jahren hierher dungen der verschiedenen Yukka - Arten Ländern statt , besonders nach Frankreich. zurückkehren können, wie wird dieser Garten bieten sich dem Blicke dar , bis zu sieben Alles wuchert geradezu auf unglaubliche herrlich sein, das ist gewiß , er muß Meter hoch. Viele von ihnen ſtanden da- Weise und schlägt seine Wurzeln tief in alsdann das achte Wunder der Welt bilden! " mals in voller Blüte ; besonders prächtig den Boden hinein, die der Oxalis, welche Für jenen Abend hatte die Regierung nahm die der Yucca treculeana ſich aus. mit gelben Blüten stroßt, dringen bis zu Einladungen zu einem für die Fremden Es zeigen sich die mannigfachsten anderthalb Meter hinab. Gegen die Schling veranstalteten arabischen Feste erlassen. Palmenarten, ein dichtes Gewoge von ge- gewächse haben sich die Gärtner nur zu Ein maurisches Haus war gemietet worfächerten und gefiederten Riesenblättern, wehren , denn überall klammern sie sich den, in dessen unbedecktem Hofe die Vorin den verschiedensten Schattierungen von an und breiten sich aus , winden sich von stellung stattfinden sollte. Da an jenem grün bis ins bräunliche hinein. Fast alle Stamm zu Stamm, ehe man es sich ver- Tage das Wetter aber unbeständig war, Tropenländer haben ihren Beitrag dazu sieht, verbinden endlich, in unentwirrbarem spannte man ein Segeltuch darüber. Im geliefert. Bewundernd schweift der Blick Geflecht, einen wahren kleinen Wald. Herr- Hotel de ville versammelten sich alle und um in die Runde und kann sich nicht satt lich nimmt unter denselben hauptsächlich acht Uhr zog man, von den Commiſſaires sehen. Auch die Kokospalme befindet sich die , mit großen , purpurnen , tulpenähn- geführt, durch mehrere, mit bunten Lampen darunter, aber nicht die mit großen, son lichen Blüten besetzte Phedranthus fich behängte Gäßchen des arabischen Viertels , dern kleinen Früchten. Indem man sich aus , welche an vielen Bäumen empor- welche einen magischen Eindruck machten. umschaut, kann man sich vorstellen , wie wächst . Die dort sich befindlichen einheimischen herrlich die Fürsten der Pflanzenwelt" in Als wir in Algier weilten, fesselte uns Musikanten verursachten einen_wahren den Tropen sich ausnehmen müssen. Die eine Aloeart, deren Blüte einem enormen Heidenlärm, so daß einem der Kopf schwinWorte eines Botanikers fielen uns ein , Elefantenrüssel gleicht und aus unzähligen delte. An jedem Seitengäßchen drängten welcher lange Zeit jene Gegenden bereist gelben Blumen zusammengesett ist. sich die mit Turban oder Fes bekleideten An und in den Teichen zeigen sich die Köpfe einer über dem anderen , und die hatte und uns die wunderbare Ueppigkeit der dortigen Vegetation beschrieb. Be- mannigfachſten Waſſerpflanzen, unter ihnen schwarzen Augen funkelten unheimlich. sonders begeistert sprach er von einer Voll- der graziöse Papyrus . Sahen wir ihn an, Einen großen Trost bildete es für uns, mondnacht, als er, ins Freie tretend, seinen dann wurden die von dieser Pflanze dicht die vielen Soldaten und Polizeidiener zu Augen kaum traute und sich von einem befeßten Juseln des Anapoflusses auf Si- sehen, welche von der Regierung aufgestellt Traume befangen hielt. Der Wind be zilien in unser Gedächtnis zurückgerufen. worden waren , denn bei Nacht muß es in wegte leise die Riesenblätter der Palmen Wir wollten Syrakus nicht verlassen, ohne jenem Viertel jeder Dame beklommen zu und magisch leuchteten dieselben auf. Er sie gesehen zu haben. An jenem lehten Mute sein ; hört man doch so viel von konnte den Effekt mit nichts anderem ver Tage unseres Aufenthaltes erhob sich aber Ueberfall dort. Uns sagte ein Polizeigleichen, als seien es unzählige elektrische ein furchtbarer Sturm ; die Schiffer er diener: Wir wagen uns bei der DunkelFlämmchen, welche an einigen Stellen ver klärten , es sei unmöglich, den Hafen mit heit nur stark bewaffnet und zu mehreren schwanden, um an anderen desto heller einem Nachen zu durchkreuzen. Wir ließen hinein , und Offiziere klagten , daß tro aufzublihen. Das wurde alles durch das uns folglich bis an die Mündung des aller Vorsichtsmaßregeln ihre Soldaten Mondlicht verursacht, welches sich in den Flusses fahren und dann diesen hinauf immer wieder im arabischen Viertel nachts glänzenden Kanten der Blätter wieder rudern. Es war nicht angenehm , Wind angegriffen würden. Sogar bei Tag ist ipiegelte. und Wetter Troß zu bieten , in dem be- es keineswegs sicher, denn es werden dort Um uns zu beweisen, wie wunderbar denklich schwankenden Kahne auf dem häufig auch alsdann Morde begangen. Achthundert Menschen hatte man einin Algier die Pflanzenwelt gedeiht, zeigte durch den laut brausenden Sturm hoch der uns begleitende Gärtner auf eine gepeitschten Wasser stromaufwärts zu geladen, wo der Raum, hochgegriffen, dreiPhoenix teneris. Vor zwanzig Jahren nur dringen, aber uns wurde später für alles hundert faßte. Wer da einen Plah erfingerdick , hat jeht der Stamm nahe der ein reicher Ersak, indem wir das unver- rang, von welchem er die Vorstellung mit Erde vier Meter Umfang und eine Höhe | gleichlich malerische Bild anstaunten , welches ansehen konnte, durfte sich glücklich schäßen. von fünf Meter erreicht, die Blätterkrone die vom Winde rastlos hin und her be- Unten , hinter den Säulen , oben in den Galerien und auf den Terraſſen der flachen eingerechnet acht Meter. Manche Palmen wegten Papyrus darboten. von zehn Jahren ragen jetzt dreiundJedem gestattet man freien Eintritt in Dächer war im Nu alles angefüllt . Auch zwanzig bis vierundzwanzig Fuß empor. den Botanischen Garten von Algier , ob- hier hatte man unzählige bunte Lampen Die Familie der Musa ist zahlreich gleich, besonders durch Kinder, viel Schaden in Gruppen an den Säulen angebracht ; vertreten ; am intereſſanteſten darunter war angerichtet wird. In der dem Haupt- sie beleuchteten die gespannt harrenden , sich uns die Banane, woran man die großen, eingange entferntesten Abteilung bietet sich über die Brüstungen weit vorbeugenden raubvogelähnlichen, dunkellilafarbenen Blü eine gar liebliche Aussicht auf Algier. Gestalten. Zuerst traten im Hofe unten die Neger ten und die Früchte in den verschiedensten Nach jener Richtung, nur durch die FahrStadien der Reife , von grün bis zum straße von dem Jardin d'Eſſai getrennt, auf. Tam-tams , hölzerne Flöten und eine schönsten Gelb , in langen Büscheln , in stehen in einem dichten Dattel -Palmenhaine arabische Guitarre brachten wahrhaft ohrenzwei Cafés, wo für den Europäer es einen zerreißende Mißtöne hervor , während die unglaublicher Menge hängen sah. Unbeschreiblich üppig ist die Bege- ganz eigentümlichen Reiz hat, im Schatten Tänzer mit ihren ebenholzfarbigen, nackten tation und alles ist gethan worden , um der tropischen Bäume zu weilen und auf Armen , Füßen und Beinen die wunderdiesen Eindruck zu erhöhen; sogar die das tief blau schillernde Meer und die lichsten Bewegungen und Sprünge machten, sich manchmal auf den Boden warfen, dann Stämme der Bäume hat man zu ver- schöne Stadt hinauszuschauen. bergen versucht, indem man Philodendron Man behauptet , daß die Gegend, wo wie Gummibälle hoch in die Luft fuhren, zu Füßen derselben anpflanzte und die der Botanische Garten sich befindet , sehr so daß ihre bunten Gandouras nach allen Blätter sich nun an ihnen emporranken ungesund sei , was auch die Benennung Richtungen flatterten.
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Ihnen folgten kabilische Frauen in der den immer lauter geschlagen ; ermunternde | soll es immer schlimmer werden. 2: einheimischen Tracht , deren Kunst darin Zurufe der Kameraden erschollen, sie fach- Begründer der Sefte behauptete, ohne da besteht , in steifen , langsamen, ungelenken ten den Vorstellenden immer zu größerem durch zu leiden , Gift und was sonst d Bewegungen sich gegenseitig zu umkreisen, Eifer an. In seinem Fanatismus wie Gesundheit, dem Leben gefährlich, essen erst Degen, dann Escharpen auf und nieder berauscht, taumelte er hin und her, dann können , und seine Jünger folgen t hebend und sich meistens vor die Augen stieß er sich lange Nadeln in Ohren, Backen, Beispiele nach. haltend. Kinn und Naſe, ſo daß sein Kopf einem Vor kurzem wurde ein Aissaoua ir Den Glanzpunkt des Abends bildeten Stachelschweine glich. Aber so sehr sie Spital gebracht , wo er bald darauf ve die acht arabischen Tänzerinnen, die meisten sich auch verwundeten , man sah keinen schied : bei der Sektion fand man vierea Nägel in seinem Magen. Coucous von ihnen hübsch ; zwei waren von einer Tropfen Blut fließen. wahrhaft blendenden Schönheit. Die bauMehrere sprangen in die Höhe , einer mit Glassplittern mit dem größten S schigen Pumphosen bestanden aus schwerer hämmerte sich ein Messer in den Magen hagen von ihnen verzehrt ; sowie Brokatseide oder aus Atlas von ver- hinein , wo es stecken blieb ; der andere lebende Kröten und giftige Schlange schiedenen Farben ; die kurzen, malerischen aß Kaktusblätter mit großen Stacheln und Sie belecken am Feuer erhiste Zange Jacken meistens aus Samt, aufs reichste die Speise schien ihm trefflich zu munden. stellen ihre Füße auf die glühenden K mit Silber oder Gold gestickt ; die kleinen Es wurden in einem Tamburin Stor- len der Pfanne , halten sich angezünde Pantoffeln von gleichem Material. Um pione den Zuschauern vorgezeigt : die, Fackeln unter Arme , Hände und Bein, den Kopf hatten sie ein seidenes Tuch, winzigen Hummern ähnlichen Tiere be- ohne mit einer Wimper zu zucken , wiz dessen Zipfel nach hinten geschlungen, und wegten sich lustig , eines entsprang sogar rend die Luft mit dem Geruche von ve darüber waren mehrere Ketten der pracht und mußte mühsam gesucht werden. Die branntem Fleische angefüllt wird. Bis jezt hat die französische Regierur: vollsten Brillanten gelegt worden, an denen Aissaoua ergriffen welche und verschluckten. Pendants von enormen Perlen oder Soli- sie wie Nüsse, indem ein Schrei des Ent- dieſem haarsträubenden Gebaren nicht Eina taires auf der Stirn herabhingen. Außer setzens den Zuschauerraum durchfuhr. halt zu gebieten vermocht ; sie muß a dem funkelten überall Brillantſterne in Immer betäubender wurde die Musik, Fanatiker gewähren laſſen, aber mir ſt dem rabenschwarzen Haare. An Armen das Geschrei der Fanatiker. Jeder Vores seltsam, daß man die, jedes Gefühl s und Knöcheln zeigten sich wunderschöne stellende, nachdem seine Aufgabe vollendet tief verlegenden Uebungen als ein Stan: Spangen. war, schritt auf die Aelteſten zu und drückte spiel betrachten darf, zu welchen öffent Sie wurden mit schallendem Beifalls seine Lippen auf deren Stirn ; manche | liche Aufforderungen ergehen und ein Ein klatschen von der Männerwelt empfangen gerieten aber durch ihre Raserei in einen trittsgeld erhoben wird. Wie viele der und ließen sich mit gekreuzten Beinen auf solchen Zuſtand, daß sie den anderen ent- Fremden ahnen nicht, was ihnen gebotes seidenen Kissen nieder. Eine nach der kräftet in die Arme fielen . Doch an jenem werden soll, und könnten den größten Ste anderen erhob sich und führte den gleichen Abend wurde von den Festgebern stets den davontragen, besonders nervenſchwate Tanz aus. Etwas ungraziöseres , das Einhalt geboten, wenn die Aissaoua aus Leute. Es vergeht fast keine Vorstellen: weibliche Gefühl unangenehmer Berühren zuarten drohten. Bei den anderen Vor- im arabischen Viertel , ohne daß mehrer nicht allein weiblit: des kann man sich nicht denken. stellungen , wozu Fremde , durch Lösung der Zuschauer von Ohnmacht oder Konvul Zulest trat die berühmte Fatma auf, eines Billets , zugelassen werden , soll es Wesen welche einer der höchsten maurischen Fa- geradezu schaurig hergehen und wir schlu- sionen befallen , hinausgetragen werden milien entſproſſen ist und dieselbe heimlich gen es ab eine Gesellschaft zu begleiten, müſſen. Die Vorstellungen im arabischen Vier verließ , um Tänzerin zu werden . Alles als dieselbe abends zu dem Zwecke unſer tel werden , wie man uns versicherte. wurde versucht , um sie unter das elter Hotel verließ. Sehr kleinlaut kehrten die Damen zu immer damit beendet , daß ein lebends liche Dach und zur Tugend zurückzulocken, aber sie widersteht aufs energischste sich in rück und gaben uns gewiß im stillen recht, Schaf in den Raum hereingebracht wit die Gefangenschaft eines arabischen Hauses daß wir zu Hause geblieben waren. Sie Die bis dahin zur Tobsucht aufgestaci zurückzubegeben , nachdem sie die zügel- hatten bis beinahe an die Kasbah empor- ten Fanatiker fallen über das arme G loseste Freiheit genossen hat. steigen müssen, waren in Gefahr gewesen schöpf her, erwürgen es mit eigener Hand Den Schluß der Vorstellung bildeten in jenem lebensgefährlichen Viertel ihren zerreißen es in Stücke und verzehren des die gräulichen Ceremonien der Arſſaoua , Weg zu verlieren , ja , fie gerieten sogar Fleisch roh. Selten wartet ein Europia einer Art Derwische, aus Marokko stam in eine Sackgasse und wußten nicht wo diesen Zeitpunkt ab. Uns sagte ein ene lischer Geistlicher , ein robuster , thatfrei mend, deren Begründer Sidi Mohammed ein und wo aus. Geradezu wahnsinnig waren die Ars tiger, mutiger Mann: „Ich mußte, ele ben Aissa war. In einem Halbkreise ließen sich die Fanatiker auf den Boden nie- faoua geworden, fielen, von Schweiß be- der Abend sehr weit vorgeschritten wa der, mit ihren Tamburins , vor sich in deckt , Schaum vor den Lippen , in Konjene Versammlung verlassen, so schwer es Körben die mitgebrachten Sachen , sowie vulsionen zu Füßen der Damen nieder, mir auch wurde, mich durch das Gedränge eine mit glühenden Kohlen angefüllte sich auf der Erde wie ein Wurm windend. hindurchzuwinden , denn ich fühlte , di Aber das Geschrei der Vorgesetzten , der ich sonst das Bewußtsein verlieren werde. Pfanne. Einer erhob sich und beugte sich über donnernde Lärm der vielen Tamburins Eines steht fest, keine Macht der Erde jel diese , in welche berauschende Kräuter ge- belebten sie immer wieder : sie schnellten mich je dazu bewegen, einer solchen Ver schüttet worden waren ; er brachte den in die Höhe und begannen von neuem ihr stellung der Aïſſaoua zum zweiten male oberen Teil des Körpers in eine stark entsetzliches Spiel. Sie drohten sich die beizuwohnen. " Der Blick dessen , der von Marseill. . schwingende Bewegung. Jmmer rascher Augen aus den Höhlen zu reißen, thaten beugte er sich vor und schnellte dann in es scheinbar, denn dieselben hingen heraus, oder Spanien kommend, sich Algier nähert die Höhe. Seine Aufregung wuchs , das warfen nach allen Richtungen die Stor wird unwillkürlich durch die, auf eine Gesicht prallte jedesmal dröhnend gegen pione , die Schlangen umher , so daß die Vorberge des Bouzarea so reizend gelegene die Brust an, so daß man den Schlag nahe Sitzenden sich kaum zu wahren wuß im romanischen Stile erbaute Ri weithin hörte. Er zog ein Instrument ten. Sie seßten sich Vipern und Stor- Notre Dame d'Afrique angezogen. U hervor und es in die eine Backe hineinstoßend, pione an verschiedene Teile des Körpers , beschreiblich malcriſch heben ſich Glockerr sahen wir die Spite an der entgegenge wo dieselben , mit eingedrücktem Stachel, turm und Kuppeln von dem tiefblauc Himmel ab ; etwas Uebereinstimmenderes festen erscheinen, che wir uns schaudernd hängen blieben . abwenden konnten. Die Gesellschaft aus unserem Hotel mit der afrikanischen Gegend kann mas Erschöpft hielt er endlich inne und ein entfernte sich um halb zehn Uhr , aber sich kaum denken. Das Gebäude verdank anderer trat vor. Die gleichen Gestiku später die Vorstellungen dauern manch seinen Ursprung folgender Begebenheit. Ein neuer Erzbischof war gewählt lationen begannen. Die Tamburins wur- │mal bis zwei Stunden nach Mitternacht -
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worden und verließ Frankreich, um sich schwangen die Weihrauchgefäße und ringsum Ende des Frais Vallon kann man fahren, nach Algier zu begeben. Unterwegs erhob stand regungslos die tief ergriffene Ge- wo dem engen Thale plötzlich Berge vorsich ein furchtbarer Sturm , die Wellen meinde. Die Natur aber , wie mit flüs geschoben sind und außer einem arabischen gingen haushoch, der laut heulende Wind | sigem Golde überflutet und eine träu- Café eine Mühle und ein kleines Repeitschte sie immer höher. Aengstlich schlugen merische Ruhe aushauchend , schien den staurant stehen , den beschränkten Raum alle Herzen, sogar der Kapitän hegte we Gottesdienst mitzufeiern ; Berg und Thal vollkommen ausfüllend in dieser weltent= nig Hoffnung für ihr Leben. Ruhig, ge- war mit der reichsten Vegetation geschmückt, rückten und doch so lauschig anmutigen faßt schritt der Erzbischof von einer Gruppe ein Bild des tiefsten Sonntagsfriedens Einsamkeit. Die Räder der Mühle beſeiner Schicksalsgenossen zur anderen, ihnen einer über die Welt sich erhebenden An- wegten sich nicht und die Stille ward nur Mut zusprechend und sie für eine andere dacht; es bot sich uns der schönste, hehrste durch das kosende Geplätscher des kristallWelt vorbereitend , in welche sie , allem Gottestempel , den man sich nur denken hellen Baches unterbrochen. Von hier aus gilt es auf einem schmaAnscheine nach , so bald versezt werden kann , von des Schöpfers eigener Hand sollten. Sich selbst vergessend , verſuchte erschaffen. len, sehr steilen , vielfach mit losen Steier nur die anderen zu trösten. Sogar die Unten fuhr jest ein Dampfer zu Fünen bestreuten Pfade emporzuklimmen. Zu Klagen der Frauen und Kinder verstumm ßen des Felsens vorbei ; deutlich konnten gleicher Zeit mit uns begannen mehrere ten allmählich, denn, von seiner Begeiste- wir die Gestalten auf dem Verdeck erken die Pilgerschaft , unter ihnen zwei junge rung mit fortgerissen , schien ihnen der nen : es war uns zu Mute als müsse es Männer. Unser Blick blieb teilnahmsvoll Himmel offen zu stehen und sie glaubten ihnen , indem sie emporschauten , wohl ums auf der fast bis zum Skelett abgemagerten deſſen ſtrahlenden Glanz schon aufleuchten Herz werden. Von diesen Gebeten um Gestalt des einen haften , deſſen hohle zu sehen. " Gott kann uns sogar in die schwebt , traten sie ihre Reise an , gleich Wangen totenbleich waren . Sein Freund jer großen Not noch helfen ! " rief der Erz- anderen Meerfahrern dem Schuße des schien unsere Gedanken zu lesen : „Die bischof warm , "/ denn ihm ist nichts un- Allmächtigen empfohlen, Seinem Schuße, eine Lunge ist schon fort , " flüsterte er möglich! Wenn wir wirklich gerettet der den Stürmen Einhalt gebieten und uns zu, " und an der linken fehlt auch ein werden sollten , dann gelobe ich feierlich, den Schiffer sicher in den gewünschten beträchtliches Stück." "! Wie wird er dann hinaufsteigen könder Jungfrau Maria in der Nähe Algiers Hafen bringen kann. eine Kirche zu erbauen , wo hinfort für Mit dieser Fahrt verbanden wir eine nen ?" entgegneten wir erstaunt. „ Es fällt ihm schwer," gab der junge alle , welche das Meer befahren , gebetet andere in das liebliche Frais Vallon. Wie werden soll. “ sein Name bezeichnet, wird das Thal durch | Mann zu , „ aber oben angelangt , erhält Gott hörte das Flehen jener Armen die schirmenden Berge vor der Sonnen er von dem Arzte eine Mixtur : er braucht und sie erreichten sicher ihr Ziel. Der glut geschüßt und bietet den Bewohnern nur einen Löffel voll davon zu nehmen Erzbischof erfüllte sein Gelübde, bald darauf von Algier die so sehr nötige Sommer- und er fühlt sich so gestärkt , daß er mit wurde das schöne Gebäude angefangen, frische. Außerordentlich grün ist auch im der größten Leichtigkeit nach Hause zurückwelches nun das Auge der in Algier Winter diese friedliche Zuflucht, die steilen kehrt er ist dann ein ganz anderer Wohnenden entzückt. Kein Fremder wird Hänge sind dicht bekleidet ; wie wohlthuend Mensch geworden. " Schritt für Schritt ging es mühsam es versäumen , dort am Sonntagnach muß es aber in der heißen Jahreszeit mittag dem Gottesdienste beizuwohnen. sein , wenn hier dem Auge noch der An- aufwärts ; die Luft wurde immer kühler Von allen Seiten strömen dann die Men- blick der üppigsten Vegetation geboten in diesem Tuskulum der Bewohner Algiers , chen hinauf. Zu Füßen des Hochaltars, wird, wo anderwärts die Glut alles ver- wo die Hänge reichlich mit Villen besett velchen die schwarze Bildsäule Unserer sengt hat. sind , von Olivenhainen , Obstgärten und Frau von Afrika schmückt, sind die ZögAußer dem Wunsche, das vielgepriesene hohen Kaktusstauden umgeben. Wenn in inge des jener Kirche unfern gelegenen Thal zu sehen, trieb uns ein anderer Zweck. der Stadt die unerträglichste Hiße herrscht, Brieſterſeminars versammelt und geben Jedem, der Algier besucht, wird von dem bleibt es hier immer kühl. Im Winter chöne musikalische Aufführungen . Das berühmten arabischen Doktor erzählt, wel ist der Unterschied in der Temperatur gleich Erhebendste ist aber, wenn die Geistlichen, cher so wunderbare Kuren ausgeführt groß, oft recht empfindlich und doch ziehen. on der Gemeinde gefolgt, vor die Kirche haben soll: " Was auch Ihr Leiden ist, die Schwerkranken hier herauf, sezen sich in das Monument treten , welches zum gehen Sie zu ihm , " mahnt man eifrig, getrost aller Gefahr aus in ihrem vollen Sedächtnis an alle, die auf der See um- " und wenn auch alle Aerzte Ihnen jede | Vertrauen auf den Wunderdoktor. ekommen sind, errichtet worden ist. Es Hoffnung abgesprochen haben sollten, Sidi In seinem Hauſe ſelbſt empfängt Sidi teht am Rande der Terrasse, von welcher Abd-er Rahman wird Ihnen noch helfen. " Abd-er Rahman die Patienten nicht, soner Fels jäh ins Meer abfällt, kaum Raum Früher wohnte der Wunderdoktor in Algier dern in einem elenden , eine beträchtliche und alles strömte zu ihm hin. Da brach Strecke von demselben entfernten einstöckigen ür die Fahrstraße unten laſſend. Es war ein Bild, welches sich unausten die Aerzte bei der Regierung Klage Gebäude. In dem niedrigen Gelasse ohne öschlich dem Gedächtnisse einprägt und gegen ihn ein , weil er ohne medizinische Fenster , welches man Wartezimmer beas Herz mächtig bewegt . Vor uns brei Studien , ohne Diplom praktiziere, und titelt und wo ringsum an den Wänden ete sich, am Horizonte mit dem wolfen sie erreichten ihren Zweck. Er zog unweit hölzerne Bänke angebracht sind , ist es so osen, saphirblauen Himmel ſich verſchmel- der Stadt in das schöne Frais Vallon. Er dumpfig, daß man es vorzieht unter dem end, das Meer aus, jenes Meer, welches war von Algier vertrieben worden , aber vor dem Häuschen angebrachten Strohun so wunderbar im blendendsten Far- deswegen verlor er seine Kundſchaft nicht, dache sich der kalten Zugluft auszusehen. enſchimmer leuchtete, so spiegelglatt war, denn die Patienten zogen in Scharen, zu Dort saßen die armen Kranken, die meiſten as aber so verräterisch ist. Chne Vor- Pferd , in Wagen und Omnibus zu ihm Schatten gleich , allem Anscheine nach dem eichen oft , jäh kann es sich verändern hinaus. Doch auch dort sollte er keine Tode nahe ; indem man sie betrachtete, nd den Schiffen sowie deren Mannschaf bleibende Stätte finden , denn aufs neue traute man seinen Augen kaum und frug en Not, Gefahr und Vernichtung bringen. gebot die Regierung , von den Aerzten dazu sich , wie es ihnen möglich geworden sei, lber über alle Wechsel erhaben , durch aufgefordert , der Sache Einhalt. Jetzt diese Höhe zu erreichen? Währlich, wenn Sturm und Wetter unbeirrt , steigt hier bewohnt er, hoch auf dem Berge, nur zu irgendwo, zeigte sich dort, was der Glaube iglich das Gebet zu Gottes Thron em Fuß zu erreichen , sein im maurischen zu bewirken vermag ! Auch mehrere Araber or. Von rechts grüßen die Häuser der Stile errichtetes , großes Landhaus und waren unter der Versammlung ; sie hatten orstadt Algiers, sich hell von dem blauen außer an den Freitagen besteht täglich von sich , mit gekreuzten Beinen , auf den Jerge abhebend, auf welchem sie zerstreut morgens bis abends eine wahre Pilger- feuchten Boden niedergelassen. Eineherrliche Aussicht bot sich von jener egen ; links zieht sich die Küste hin. schaft dahin. In ihre reichen Kirchengewänder geAuch wir waren begierig, den wunder Stätte auf das reizende Thal , aus welüllt , sprachen die Geistlichen ihr Gebet, baren Mann zu schauen. Nur bis an das chem das Sonnenlicht schon verschwunden
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war und geheimnisvolle Schatten sich zu lagern begannen, während das farbenschil lernde Meer, an deſſen Rand die Häuser von Babel Oned so friedlich lagern, noch warm beschienen war. Wir sahen uns die Gebäulichkeiten an ; neben dem Wartezimmer befindet sich die kleine Konsultationsstube. Sie war fest verſchloſſen, aber durch eine mit Eisengittern versehene Deffnung konnte man in das Innere schauen. Im Hintergrunde des sehr beschränkten Raumes be fand sich an der Wand eine mit alten arabischen Decken belegte hölzerne Bank, daneben ein Lehnstuhl , welcher aus einer Gerümpelkammer herstammen mußte, denn der Stoff, welcher ihn einst bedeckt hatte, hing jest in Feßen herab. Links , auf an die Mauer genagelten Brettern , waren Medikamente aufgestellt , Mixturen und Kräuter der verschiedensten Arten. Nun erschien der Sohn des Doktors , selbst ein Greis , denn der Vater zählt vierundachtzig Jahre. Mit eigener Hand kehrte er den Boden der Konsultationsstube und schritt dann auf ein kleines Gelaß zu , um im offenen Kamine daſelbſt ein Feuer anzuzünden : dort werden die aus Platinadraht geformten , mit Haken versehenen Instrumente erhigt, mit denen der Wunderdoktor viele seiner Patienten brennt. Rheumatismus hauptsächlich heilt er dadurch , aber auch bei der Schwindsucht und anderen Leiden gebraucht er häufig dieses Mittel. Sidi Abd-er Rahman langt nachmittags niemals vor halb vier Uhr an, oft wird es auch später und die armen Patienten müſſen, nachdem sie beim Besteigen des Berges so warm geworden sind , in der kühlen Atmosphäre auf ihn harren, denn beſonders die Schwindsüchtigen erklärten , sie könnten in dem Wartezimmer nicht Atem schöpfen. Endlich nahte die hohe ehrwürdige Gestalt : wer würde dem Wunderdoktor seine Jahre ansehen, so aufrecht, ſo rüſtig schreitet er einher, glaubt man doch den Abraham des Alten Bundes vor sich erscheinen zu sehen, in den langen wallenden Gewändern und dem weißen Burnus. Die Araber eilten ihm eifrig entgegen, füßten ehrfurchtsvoll seinen Turban , über der Stirn , und die eine Schulter. Er ging in sein Konsultationszimmer und der Vorhang ward zugezogen. Einer nach dem andern , der Reihe nach wie sie oben erschienen waren, traten die Patienten ein . Manchmal wurde der Vorhang zurückgeschoben und wir konnten Sidi Abd- er Rahman sehen, wie er mit unnachahmlicher Würde den Worten seines Patienten lauschte oder dem selben sein Urteil fagte. Manchmal gibt er den Kranken gleich Medizin ein , doch die meisten kommen mit Flaschen oder mit Päckchen , Kräuter enthaltend , heraus. Diese werden, als Thee bereitet, zu Hause eingenommen. Bei einem Araber sahen wir das Brennſyſtem anwenden: offenbar mußte er an Gesichtsschmerzen leiden, denn lustig fuhr der glühende Platinahafen über die eine Backe hin , immer wieder die Haut versengend. Unberührt durch das was
geschah , keinen Laut von sich gebend, ja, mit heiterem Gesichtsausdruck, als wider fahre ihm etwas äußerst Angenehmes , saß der Araber da. Eine neben uns stehende Frau mochte unser Erstaunen wohl merken , denn sie streifte den Aermel ihres Kleides empor und zeigte uns eine große, tiefe Narbe am Arme. " Sehen Sie da, wie der Doktor mich gebrannt hat," sagte sie. „ Das hat mich von meinem Leiden befreit ," sehte sie triumphierend hinzu ; " nach jener Operation verschwanden die Schmerzen und sind nie zurückgekehrt !" Es wurde auf der Höhe so empfindlich falt, daß wir hinuntereilten. Unterwegs trafen wir zwei Damen. " Ich bin des Doktors Patientin nicht mehr," sagte uns die eine , "/ ich gehe jest nur hinauf, um ihn und seine Frau zu besuchen. Nie mals werde ich das vergessen, was er an mir gethan , er hat mich dem Leben zu rückgeschenkt . Drei berühmte Aerzte gaben
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mich auf , erklärten mir offen , für mi sei nichts mehr zu thun. Da wandte it mich in meiner Verzweiflung an den arzbischen Doktor und er rettete mich. Nur treibt mich die Dankbarkeit immer wiedz den Berg hinauf und den steilen Pizz kann ich jezt mit Leichtigkeit erklimmen. Die Aerzte da unten , " sie deutete var ächtlich der Richtung von Algier zu , m gen sagen was sie wollen, keiner von ihne kommt Sidi Abd-er Rahman gleich !“ Als wir die Stadt erreichten, war eber die Sonne hinter den Bergen verschwur den, in rotgelbem Lichte prangte die Kpel des Priesterseminars Koubba, wie ver flärt leuchteten auch die anderen Bergspigen, während der westliche Himmel und das Meer mit Purpur und Gold angehauet waren. Tief aufatmend empfanden wir den vollen Zauber des Südens , der se gar im Winter dem Menſchen eine ſold: Wunderwelt darbieten kann.
Schlagschatten.
Von C. M. Sauer.
(Schluß.)
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von außerordentlichem Gesundheitsrate zu machen und hatte ihn so oft mit ihrer Symptomen" gelangweilt, bis er endlic rau Geheimrätin Katte betrieb den die Geduld verlor und ihr rund heraus Frhöheren o Klatsch als eine Art von Sport. erklärte, sie sei geſund wie ein Fiſch im Hatte sie etwas Besonderes gefunden, dann Waſſer, ihre Leiden beſtünden nur in ihrer verfolgte sie gleich einem leidenschaftlichen | Einbildung und ſie thäte am besten dara: Jäger die Spur mit Aufgebot aller Mittel. ihre ganze populär mediziniſche Bibliothe Dies war auch bei Dr. Hunolds " myste zum Käsehändler zu schicken. Dies ſei de riösen“ Beziehungen zu der Telegraphistin einzige Rat , den er ihr erteilen könne. der Fall. Die wackere Dame konnte es Frau Katte betrachtete die Antwor nicht verschmerzen, daß ſie bei ihren ersten als eine ihr persönlich zugefügte BeleidtAndeutungen ein Dementi erfahren hatte. gung. Zwar ließ sie von da ab den „ Gre Die Scharte mußte ausgewegt werden ! bian" in Ruhe; ihre Gefühle für ihn abe Ihrer innersten Ueberzeugung nach war standen seitdem in ziemlich scharfem Gegen mehr an der Geschichte, als Dr. Hunold, sage zu den Geboten der christlichen Nach das „stille Waſſer " , zugeben wollte. Sie stenliebe. beschloß also , der Sache auf den Grund Ein unglücklicher Zufall gleich jenem zu gehen. der sie mit Gerhard auf der Eisenbahn Zu solchen Beweggründen allgemeiner zusammengeführt hatte, fügte es , daß di Art trat in diesem Falle noch ein beson Schneiderin der Geheimrätin Frau Willens derer. Schon seit längerer Zeit hegte sie Hause gegenüber wohnte. Ohne diela einen dumpfen Groll gegen Gerhard. Umstand würde es ihr vielleicht niemals In ewiger Besorgnis um ihre Gesundheit gelungen sein , trog aller Bemühunge hatte sie sich nach und nach eine ganze Genaueres über die Beziehungen zwiſcher Sammlung populär medizinischer Schriften | Gerhard und Anna zu erfahren. Eine beigelegt. Las sie über diese oder jene Morgens, nicht lange nach jenem Bejua Krankheit , dann konnte sie überzeugt sein, bei Frau von Helling , hatte sie sich auc daß sich binnen kürzester Frist auch bei ihr wieder einmal zu einer Konferenz mit ihr allerlei beunruhigende Symptome einstell- Bekleidungskünstlerin begeben. Als i ten. Ihrem eigenen Arzte durfte ſie damit mitten in einer höchſt intereſſanten Benicht kommen , denn dieser nahm , wie sie handlung über einen neuen Schnitt , z klagend bemerkte, die Sache stets auf die fällig einen Blick durchs Fenster war leichte Achsel. Sie hatte deshalb versucht, bemerkte sie Dr. Hunold, wie er ins Haus Dr. Hunold, mit dem sie öfter bei Frau gegenüber trat. von Helling zusammentraf, zu einer Art Sollte ein günstiges Geſchick ſie ploz
Eine Mine.
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lich auf die Spur des Wildes geleitet hatte Zeit und bekanntlich bringt die Zeit haben ? Sie beschloß , das Terrain ein nicht nur Rosen, sondern auch noch mancher wenig zu rekognoszieren. lei andere schöne Dinge , von denen man „Wenn ich nicht irre, habe ich soeben sich oft nichts träumen läßt. einen bekannten Arzt dort drüben beim Einige Tage nach Emils AbschiedsThore gesehen," sagte sie, Madame Char besuch bei Frau von Helling begab sich lottes technische Auseinandersehungen unter die Geheimrätin wieder einmal zu Madame brechend. "1Wer ist denn frank in diesem Charlotte , um mit ihr in einer wichtigen Hauſe?" Angelegenheit zu konferieren . Im Augen„ Eine gewisse Frau Wilken , deren blicke , wo sie eintrat , verabschiedete sich Tochter Anna das Kleidermachen bei mir ein junges Mädchen von der Modistin, gelernt hat und jetzt als Telegraphistin grüßte die Geheimrätin artig und verließ angestellt ist ," versezte die Schneiderin. das Atelier. „Wie ich höre , soll es der armen Frau „War das nicht Fräulein Wilken ?" gar nicht besonders gut gehen. “ fragte Frau Katte , indem sie ihre ManFrau Katte hatte Mühe, ihre freudige tille ablegte. Ueberraschung über die unverhoffte Ent„ Zu dienen ! Sie kam, um wegen einer deckung zu verbergen. Dort drüben also kleinen Ueberraschung für ihre Mutter zu wohnte die Gesuchte ! Und Madame Char- deren Geburtstag meinen Rat einzuholen. " " Wie geht es denn jezt der armen lotte kannte die Familie ! Fürs erste war das mehr als genug ! Es müßte mit Frau ?" sonderbaren Dingen zugehen , dachte sie, ,,, ganz gut, Fräulein Anna ist des wenn es mir nicht gelingen sollte , durch Lobes voll über ihren Arzt. “ die Plaudertasche weiteres zu erfahren. Die Geheimrätin lächelte bedeutungsRache ist ein Gericht, das kalt genossen voll. werden muß, sagt das französische Sprich,,Sagen Sie mir einmal aufrichtig," wort. Die Geheimrätin bekannte sich zu bemerkte sie nach einer Pause, ist Ihnen dem gleichen Grundsaße. Da sie häufig nicht auch schon der Gedanke gekommen, mit Madame Charlotte verkehrte und sich daß es mit diesem Herrn Dr. Hunold, dabei ab und zu teilnamsvoll nach dem von dem Fräulein Anna des Lobes voll Befinden der armen Frau Wilken erkun ist , am Ende doch seine eigene Bewandtdigte, erfuhr sie bald , daß Gerhard seine nis haben dürfte ?" Besuche gewöhnlich des Abends machte Madame Charlotte machte ein ver und sich bei denselben oft ziemlich lange wundertes Gesicht. aufhielt. Das war verdächtig ! Welche „Fräulein Wilken ist ein reizendes Ursache hatte Dr. Hunold , ſich mit der Mädchen, und Dr. Hunold gilt allgemein Behandlung einer armen alten Frau solche als ein flotter Lebemann. Da er es bei Mühe zu geben ? Weshalb kam er immer seinem Vermögen nicht nötig hat, bei armen des Abends und wozu hielt er sich so lange Leuten gleich dieser Frau Wilken seine auf, wenn es sich bei der Sache nicht um Praris auszuüben, ſo iſt es zum mindeſten ein galantes Abenteuer handelte ? Frau sonderbar, daß er sich gar so viele Mühe Katte war fest überzeugt, daß die Krank mit ihr gibt und selbst jezt , wo es ihr, heit der Mutter für den Bösewicht nur wie Fräulein Anna sagt, wieder ganz gut "1 ein Vorwand war, um die Tochter zu um geht, noch immer seine Besuche fortsett." garnen . Und dabei spekulierte der Mensch Frau Geheimrätin meinen also ...?" zugleich auf Klothildens Hand ! Welche Ich meine gar nichts ! Aber leid wäre Verruchtheit ! Die Geheimrätin hatte wohl es mir um das arme junge Ding , wenn bemerkt , daß Fräulein von Helling sich es in seiner Unschuld ... Sie begreifen ! für Gerhard interessierte, ein sicherer Be Die Männer sind heutzutage so schlecht ! " weis, daß er sich um sie bemühte. Sollte "! Gewiß ! " bestätigte Madame Charfie Frau von Helling von seinen Schleich- lotte mit einem Eifer, der auf eigene trau wegen Mitteilung machen? Aber bis jest rige Erfahrungen in dieser Beziehung wußte sie doch noch zu wenig, um darauf- | schließen ließ. Ist es mir doch auch aufhin eine Anklage gegen Gerhard auszu gefallen , als Anna mir lezzthin erzählte, sprechen. Auch stand zu befürchten , daß Dr. Hunold bleibe zuweilen des Abends man ihr nicht glauben , oder daß der ärzt- | bei ihnen zum Thee. “ liche Don Juan eine unter allen UmZum Thee!" rief Frau Katte mit ständen höchst delikate Anschuldigung ohne Entrüstung. " Nun, da haben wir's ! Das Mühe entkräften würde. Um den richti- arme, nichts ahnende Mädchen ! Man sollte gen Effekt zur richtigen Zeit zu erzielen, sie wirklich bei Zeiten auf die Gefahr für mußte etwas dramatisch Wirksames in ihren guten Ruf aufmerksam machen !" Szene gesetzt werden. Gelang es, Dr. Hu„Ich werde es thun ! " sagte Madame nold als den Geliebten der Telegraphistin Charlotte mit Wärme. Es ist Pflicht zu entlarven, dann war er Klothilden gegen einer jeden Frau , in einem solchen Falle über unrettbar kompromittiert, der "/ Gro- ein unbescholtenes Mädchen zu warnen. bian“ , der nichts von Symptomen hören Ich wundere mich, daß es mir nicht selbst wollte , empfing den gebührenden Lohn, eingefallen ist." und Frau Geheimrätin Katte war gerächt. Nur bitte ich , mich dabei nicht zu Leider fehlte zur Ausführung dieses nennen, denn mich geht das alles ja nichts schönen Planes dermalen nur noch jenes an . Auch kenne ich Dr. Hunold nur per dramatisch Wirksame“. Aber Frau Katte Renommee. Ich spreche überhaupt nur ließ sich das Warten nicht verdrießen. Sie im Interesse des jungen Mädchens."
-1341„ Gnädige Frau können unbeſorgt ſein!“ versicherte Madame Charlotte. Anna mit aller Freundschaft und Schonung meine Meinung sagen. Sie kann mir da für nur dankbar sein.“ Die Geheimrätin hatte ihren Zweck erreicht. Sie lenkte nunmehr das Gespräch auf das minder aufregende Toilettenkapitel und entfernte sich, überzeugt, daß Madame Charlotte nicht unterlassen würde, ihr Vorhaben bei erster Gelegenheit auszuführen. Bisher war ihr Bestreben dahin gegangen , Material zu sammeln , um Gerhard durch eine geschickte Gruppierung von an sich vielleicht wenig verfänglichen Umständen seiner Zeit Fräulein von Helling gegenüber in eine schiefe Stellung zu bringen. Durch die Mine , die sie heute gelegt , hoffte sie den Plan um ein bedeutendes Stück zu fördern. Ließen Anna und ihre Mutter die ihr durch Madame Charlotte zugehende Warnung unbeachtet, dann stand es außer Zweifel , daß die Telegraphistin Gerhards Geliebte und die Alte mit dem Handel einverstanden war. Daraus ließ sich viel machen. Wurde dagegen Gerhard von ihnen abgedankt, so war ein solcher Strich durch die Rechnung des „Verführers " allein schon eine hochbefriedigende Revanche , abgesehen davon, daß sich die ihm bereitete Niederlage auch noch anderweitig verwerten ließ. Auf alle Fälle hatte die Urheberin der Intrigue alle Ursache , mit dem gethanen Schritte zufrieden zu sein und konnte in Ruhe die Weiterentwickelung der Dinge abwarten. Als Gerhard am folgenden Abend zu Frau Wilken kam , fand er sowohl bei Anna als bei ihrer Mutter eine seltsame, bisher nie bemerkte Befangenheit. An die Stelle der treuherzigen Munterkeit des jungen Mädchens war eine fast ängstliche zurückhaltung getreten. Auch kam es ihm vor , als sehe sie ihn zuweilen mit heimlich forschendem Mißtrauen an. Begeg neten seine Blicke den ihrigen, dann schlug sie verlegen die Augen nieder. Frau Wilfens ' Benehmen war gleichfalls ein ganz merkwürdiges . Manchmal schien es , als stehe sie im Begriffe eine Frage an ihn zu richten, zu der es ihr indessen im entscheidenden Augenblicke an Mut fehlte. Gerhard wußte nicht , was er von dem allem denken sollte. Daß etwas vorge fallen war , stand außer Frage. Sollte vielleicht eine unangenehme Nachricht aus Berlin von Bertha eingetroffen sein ? Aber bei dem vertraulichen Verkehr , der sich allmählich zwiſchen ihm und den Frauen entwickelt hatte, ließ sich annehmen , daß man ihn in einem solchen Falle um ſeinen Rat bitten würde. Gerhard fühlte sich nicht berechtigt, ein Vertrauen zu fordern, das man ihm nicht freiwillig entgegens brachte. Er kürzte deshalb diesmal den Besuch ab und verließ das Haus in ziemlich unbehaglicher Stimmung. Den ganzen Abend dachte er über das wunderliche Benehmen Annas und ihrer Mutter nach, ohne einen auch nur halbwegs annehmbaren Grund dafür auffinden zu können. Das einzige Ergebnis , zu dem
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Skrupeln und Zweifeln zu plagen ! " Geehrter Herr Doktor! er gelangte, war die Wahrnehmung , daß sich seine unbehagliche Stimmung in dem Es ist vielleicht recht unbesonnen , wenn rief er , Brief und Geld beiseite schieMaße steigerte, als er weiter über die ich ohne Wiſſen meiner Mutter diese Zeilen bend ,,weshalb frage ich nicht gleich Sache nachsann. Deutlicher und lebhafter an Sie schreibe. Aber Sie waren immer Anna selbst ? Sie wird mir unumwunden als bisher wurde er sich bewußt, wie nahe so gut und freundlich gegen uns, daß ich sagen, wie es steht, denn sie ist keine von ihm Anna im Laufe der Zeit gerückt war . es für meine Schuldigkeit halte , Ihnen jenen , die aus Spekulation einem ungePlöglich blizte ein neuer Gedanke in ihm zu sagen, weshalb meine Mutter , so leid liebten Manne die Hand reichen!" Sollte er sofort zu Frau Wilken gehen, auf. Bisher war ihm niemals in den es uns beiden thut , auf Ihren Beistand Sinn gekommen, daß das Herz des jungen verzichten muß. Ein armes Mädchen wie wo er um die Mittagsstunde Anna ficher Mädchens bereits gesprochen haben könne. ich muß mehr als jedes andere auf seinen treffen würde? Aber er mußte jedenfalls Vielleicht liebte sie einen ihrer Berufs- guten Ruf bedacht sein. Obgleich man vorher doch mit ihr allein sprechen , denn genossen ! Und weshalb sollte sie nicht ! gewiß in Ihren Besuchen als Arzt meiner in Gegenwart der Mutter ließen sich der Hatte der Mann ihrer Wahl vielleicht in Mutter nichts Unrechtes sehen kann, haben lei Dinge nicht verhandeln. Sie schrift: dem Arzte ihrer Mutter einen Neben böse Zungen sie doch so gedeutet , daß lich um eine Zuſammenkunft zu ersuchen, buhler vermutet und sich in diesem Sinne wir erschrocken sind und meine Mutter den ging nicht wohl an. Ebensowenig eignete gegen sie ausgesprochen ? Entschluß gefaßt hat , den Leuten den sich das Telegraphenamt zu einer BespreGerhard wunderte sich , daß ihm der Vorwand zu boshaftem Gerede zu beneh chung. Da fiel ihm ein, daß Anna, wenn so nahe liegende Gedanke bisher niemals men. Seien Sie überzeugt , lieber Herr sie des Abends vom Büreau heimkehrte, gekommen war ; dabei bemächtigte sich seiner Doktor, daß das mir und meiner Mutter den Weg durch den botanischen Garten zu ein Gefühl der Eifersucht gegen den un furchtbar leid thut! Aber was ist da zu nehmen pflegte. Der Ort, auch unter tags bekannten Nebenbuhler. Er rief sich seine machen ? Ich werde stets mit Freude an nur spärlich besucht , war dann ziemlich Beziehungen zu Anna von der ersten Be- die Zeit zurückdenken , wo Sie zu uns öde. Vielleicht gelang es ihm , sie dort gegnung mit ihr bis zum heutigen Tage kamen, und ich und meine Mutter werden zu treffen. Kurz vor sieben Uhr stellte er sich in ins Gedächtnis . Im Grunde sprach nichts Ihnen immer für Ihre große Güte dankdafür , daß sie wärmere Gefühle als die bar sein. Also leben Sie recht wohl, dem Garten ein. In der großen Allee einer auf Dankbarkeit beruhenden Zunei- lieber Herr Doktor, seien Sie recht glück- trieben sich bei dem milden Sommerabend verschiedene Kindermädchen mit ihren Pfleg gung für ihn empfinde. Wie durfte er lich und vergessen Sie nicht ganz Ihre dankbare A. W. lingen unter obligater militärischer Beüberhaupt erwarten, daß sie solche für ihn hege , wenn er selbst ihr niemals näherWas Annas Briefchen etwa an stilisti deckung herum. Die Seitengänge waren getreten war? War er in der That ernſt- | scher Vollendung mangelte, wurde für Ger- menschenleer. Es dauerte nicht lange, so lich gesonnen, Anna zur Seinigen zu machen? hard durch den Inhalt reichlich ersetzt. gewahrte er Anna , wie sie langsamen Wohl hatte ihn ein solcher Gedanke manch- Also kein Nebenbuhler , sondern nur ein Schritts , den Kopf gesenkt, herankam. Hier mal angelächelt , aber bis zu einem Ent nichtswürdiger Hausklatsch war Ursache und da blieb sie bei einem Strauche stehen schlusse blieb darum noch ein weiter Weg. jenes seltsamen Benehmens gewesen ! Daß und betrachtete die Blüten. Er kannte Durfte er sich wundern, wenn ein anderer Anna sich bewogen fand, ihm die Ursache ihre Vorliebe für Blumen. Ihnen zu ihm zavorkam? der Entschließung ihrer Mutter kund zu liebe machte sie gern den kleinen UmNie dünkt uns ein wirklicher oder er- thun, zeugte von persönlichem Interesse für weg durch den Garten. Bis jezt hatte hoffter Besitz begehrenswerter , als wenn ihn. In ihrer ungezwungenen Weise pflegte sie ihn nicht bemerkt. Wie reizend sah wir fürchten, ihn zu verlieren. Dies be sie zuweilen „ Lieber Herr Doktor" zu ihm sie in dem einfachen Ezikoshütchen und wahrheitete sich auch bei Gerhard. Annas zu sagen , aber geschrieben machte das in dem lichtbraunen Kleidchen aus. Durch Vorzüge erschienen ihm jezt in doppelt dem Briefe zweimal gebrauchte Wort doch eine der breitstämmigen Ulmen verdeckt, günstigem Lichte. Nach und nach arbeitete einen ganz andern , durch die Bitte , sie ließ Gerhard sie bis auf etwa zwanzig er sich in einen wahren Haß gegen den nicht zu vergessen , noch wesentlich ver- Schritte herankommen. Dann trat er vor unbekannten Rivalen - ohne Zweifel stärkten Eindruck. Gerhard fühlte sich mit und begrüßte sie. Anna fuhr bei seinem hinein, einem Male eines quälenden Verdachtes Anblick tief errötend zusammen. einer der Telegraphenbeamten Gerhard fühlte sich seltsam bewegt. der ihm die Geliebte streitig machen wollte. ledig. Der ganze Ton des Briefes bewies, Zum erstenmal seit vielen Jahren ver- daß ihm Anna gut war. Er ließ den Dieses Erschrecken , dieses Erröten , brachte Herr Dr. Hunold eine schlaflose Blick durch seine Junggesellenhäuslichkeit durfte er es zu seinen Gunsten deuten? " Fräulein Anna , " begann er mit Nacht , und als er sich am Morgen von schweifen. Wie kalt und öde erſchien ſie seinem Lager erhob , stand zweierlei für ihm heute , und wie ganz anders müßte etwas unsicherer Stimme , ich habe Sie ihn fest : erstlich, daß er Anna liebe, und das werden, wenn hier eine muntere kleine erwartet, um einige Worte mit Ihnen zu Frau schaltete und waltete ! Und weshalb sprechen. Wollen Sie mir einen Augendann, daß sie für ihn verloren sei. Seine Hörer machten heute die Be- sollte nicht Anna dieſe muntere kleine Frau blick Gehör schenken?" „Bitte , Herr Doktor ! " erwiderte sie merkung, daß der Herr Dozent beim Vor- sein? Daß sie arm war ? Bah ! Was trage auffallend zerstreut war, und die lag ihm daran? Ihre Familie ? Zählte verlegen . Wenn es gefällig ist , schlagen wir Patienten wunderten sich über seine un vielleicht der selige Herr Glasermeister gewöhnlich summarische Behandlungsweise. Hunold zur Aristokratie? Was ging ihn jenen Seitenwegein, wo wir ungestörtsind." Als Gerhard gegen Mittag nach Hause überhaupt die Aristokratie an? War er Anna ſchien unschlüssig . Ihre feuchten kam , fand er außer den Zeitungen zwei nicht unabhängig nach jeder Seite hin? Augen richteten sich ängstlich fragend auf Briefe mit von gleicher Hand geschriebenen Gewiß würde der eine oder die andere Gerhard. Dann folgte sie ihm schweigend. "Ich habe Ihren Brief erhalten und Adressen vor. Der dickere enthielt einen über seine Wahl die Nase rümpfen ; aber Betrag in Papiergeld nebst einem Schreiben was lag ihm an solchem Naserümpfen? danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte, " Frau Wilkens' , worin sie ihm für seine Man heiratet doch nicht andern Leuten begann er. „ Niemals hätte ich gedacht, daß wir so scheiden würden !" Bemühungen dankte und ihn bat , den zu Gefallen! So weit war er mit seinen Betrach"Ich auch nicht ! Ich kann Ihnen kleinen Betrag als ein Zeichen ihrer Erkenntlichkeit beischließen zu dürfen. Es tungen gekommen, als sein Blick aufs neue nicht sagen , wie leid es mir und meiner stand also fest , Frau Wilken war ent- auf Annas Brief fiel. Er las ihn noch Mutter thut. Aber was iſt da zu machen?“ ,,Sagen Sie mir aufrichtig, Fräulein schlossen, den Verkehr mit ihm abzubrechen ! einmal aufmerksam durch. Diesmal wollte Aber weshalb? Vielleicht gab der zweite | ihn bedünken , als habe er vielleicht doch Anna , haben Sie keinen andern Grund Brief darüber Aufschluß. Mit Ungeduld mehr herausgelesen, als thatsächlich darin zu Ihrem Entschlusse , als die Rücksicht auf das Gerede der Leute?" riß er den Umschlag weg. Das Schreiben | stand. „Welche andere Gründe könnte ich lautete wie folgt : "/ Was bin ich für ein Thor, mich mit
Kronberg Taunus im .Von Chelius A.
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aben?" erwiderte sie verwundert , inAnnas Hand zitterte wie im Fieber, | einmal das Köpfchen und ſauſte dann die em sie Gerhard so unschuldsvoll anblickte, ihr Busen wogte , Thränen füllten ihre Treppe hinauf. Madame Charlotte aber ihm jede weitere Frage in dieser Be- | halbgeſchloſſenen Augen. schlug in moralischer Entrüstung die Hände ehung erspart blieb. Sprich , Anna! Bist du mir gut ! über dem Kopfe zusammen. Ich hatte mich bereits gewöhnt , so Willst du die Meine sein?" anche gemütliche Stunde bei Ihnen zu Ein schmerzlich glückliches Lächeln flog 7. rbringen , daß ich mir gar nicht denken um ihre Lippen . Die Mine springt. n , es solle damit für immer vorbei ,,, wie gerne! " stammelte sie leise flüsternd, „ aber ," sagte er. Es wäre überflüssig, zu bemerken, daß " Was für ein Aber? “ Frau Geheimrätin Katte binnen kürzester Und doch muß es sein ! Herr Doktor ! as soll daraus werden? Madame Char„Aber ich fürchte, ich paſſe nicht für Sie. Frist von der durch Madame Charlotte te sagt , Sie feien ein reicher junger Sie brauchen eine andere Frau als mich ! " beobachteten Szene benachrichtigt wurde . ann, der es nicht nötig habe , sich mit Keine andere Frau als dich , Anna ! Sie erfuhr ferner, daß Dr. Hunold jeden tem Patienten, gleich meiner Mutter, ab: Du bist die rechte !" Abend gegen acht Uhr zu Frau Wilken Ganz vergessend, daß sie sich an einem kam und selten vor zehn Uhr wieder weggeben. Wenn Sie es doch thäten, ſo Sie vollendete nicht, sondern senkte er öffentlichen Orte befanden, schlang Gerhard ging. Das Verhältnis zu der Telegra end den Blick. den Arm um sie und drückte den ersten phistin war somit sonnenklar bewiesen. Ich bin dieser Madame Charlotte, Kuß auf ihre bebenden Lippen . Anna Gleich Madame Charlotte fühlte sie sich über eine derartige „ Unmoralität“ höchich nicht die Ehre habe , zu kennen, ſank_schluchzend an seine Bruſt. Zum Glücke befanden sie sich an einer lichst entrüstet. Eigentlich hätte sie dem lich verbunden ! " rief Gerhard ärger„ Und Sie , Fräulein Anna , haben abgelegenen Stelle des Gartens , so daß „stillen Waſſer“ einen solchen Streich kaum das alles geglaubt ?" Nun stellte es sich heraus, die Szene wenigstens keine Zeugen hatte. zugetraut. Nichts habe ich ihr geglaubt ! Aber Die in diesem Augenblicke den bevorstehen- daß die Wirklichkeit ihre schlimmsten Verdachte daran, wie seltsam ich Ihre Be- | den Thorſchluß meldende Glocke des Wäch- mutungen noch um ein gutes Stück überntichaft gemacht habe, wie unbesonnen ters erinnerte Gerhard, daß die Dertlich traf. Frau Katte fühlte sich merkwürdig n ganzes Benehmen dabei war. Was keit sich zu einem längeren Verweilen nicht gehoben in diesem Bewußtsein. Jest haneignete. ßten Sie von mir denken?" delte es sich nicht mehr darum , an dem *2 Was war dabei zu denken ? Sie er„Komm, Anna ," sagte er aufstehend. groben Verächter der Symptome Vergeltung ren zufällig , ich sei Arzt , und baten " Laß uns gehen ! Hier können wir nicht zu üben, sondern ihre Pflicht als Freun 1. Zhre Mutter einmal zu besuchen. bleiben! Morgen früh besuche ich deine din des Hellingschen Hauses gebot ihr, durch eine Entlarvung des Bösewichts die das nicht das natürlichste Ding von Mutter und bitte sie um deine Hand. “ Welt. " arme Klothilde vor seinen Nachstellungen Anna erhob sich wie im Traume. So schien es mir auch ! Aber Sie „ Ist es denn wahr ? Ist es wirklich zu bewahren. Unterdessen lebte der nichts ahnende. n, daß die Leute die Sache ganz anders wahr ? " stammelte sie. „Ich soll Ihre Frau werden ?" teilen. " Gegenstand ihres Wohlwollens ganz und „ Also , wenn ich ein armer Teufel Meine liebe, herzige, kleine Frau ! Und voll seiner jungen Liebe. Auf Frau Wil, der vom Ertrage seiner Praris leben das sobald als möglich ! Jeht wird hoffent- kens Wunsch hatte Gerhard bisher niewürde man nichts darin finden ?" lich Madame Charlotte nichts mehr da mand von seiner Verlobung Mitteilung Darüber kann ich nicht urteilen, Herr gegen einzuwenden haben , wenn ich des gemacht . Die kränkliche Frau fürchtete die Aufregungen der unvermeidlichen Gratu or! Ich weiß nur, daß ich als armes Abends zu euch komme !" Er zog ihren Arm durch den seinigen lationsbesuche, und was ihn selbst betraf, chen der Welt gegenüber auch den und wandte sich zum Gehen. in meiden muß. " so war ihm eine Verzögerung der VerUnd wenn ich Ihnen nun gestände, ,,Was wird meine Mutter dazu sagen ?" öffentlichung aus dem Grunde nicht unlieb, nicht nur meine Pflicht als Arzt, son meinte Anna noch ganz verwirrt. „ Ich weil er dadurch der Notwendigkeit überauch der Wunsch, unsere so uner muß sie langſam darauf vorbereiten. Sie hoben wurde, Emil, als seinem beſten und t gemachte Bekanntschaft nicht fallen ist so schwach. Die Aufregung könnte ihr ältesten Freunde , sofort von der Sache Kenntnis zu geben . Jenes ominöſe never Fien, mich bewog, Ihr Hausarzt zu schaden. " n ?“ „Das ist wahr ! Sei vorsichtig, Anna ! marry beneath you fam ihm mehr als nna erblaßte . Ich komme morgen abend zur gewöhnlichen einmal in den Sinn. Er wußte nur zu Doktor!" rief sie mit zit Stunde. Bis dahin kannst du ihr alles wohl , daß Herr von Reiffenbühl trot Derr Lippen , ich bin ehrlicher Leute erzählt haben. " seiner keineswegs erklusiv aristokratischen Auf dem Wege nach Hause entwickelte Anschauungen kaum verfehlen würde, ihm Im Gotteswillen , Anna, mißverstehen Gerhard in der Freude seines Herzens gewisse freundschaftliche Vorstellungen zu ich nicht !" sagte Gerhard erschreckend. seine Pläne für die Zukunft. Mit efsta machen. Da nun Emils Abreise nach dente , Sie kennen mich zur Ge- tischer Bewunderung hörte ihm Anna zu. Frankreich nahe bevorstand , ſo ließ ſich um mich nicht falsch zu beurteilen ! Sie sprach nur wenig. Manchmal schüt- durch eine Hinausschiebung der VeröffentSie uns einen Augenblick auf der telte sie den Kopf, als könne ſie noch immer lichung der Vorteil erreichen, daß Gerhard hier Plaz nehmen , wo wir unge- nicht an die Wirklichkeit ihres Glückes ihm später nur die vollendete Thatsache rechen können.“ glauben. mitzuteilen brauchte und damit alles Wei#fliegendem Atem und am ganzen Madame Charlotte saß beim Fenster. teren überhoben war. Von Schwester Bertha in Berlin, itterno , gehorchte das junge Mäd- Zu ihrer unaussprechlichen Verwunderung erhards Aufforderung. sah sie Anna und den Verführer Arm welche natürlich sofort von dem großen ren Sie mich an , Anna ! " fuhr in Arm die Straße herabkommen. Das Ereignisse unterrichtet worden war , fam Hand ergreifend , fort. Vom also war die Wirkung ihrer so wohlge- umgehend ein Brief voll der herzlichsten Teilnahme. Anna beeilte sich , denselben ugenblide an, als ich Sie jah, meinten Warnung! Eie mir gefallen . Später hatte ich Beim Thore angekommen , verabschie- Gerhard bei seinem nächsten Besuche zu heit, Sie näher kennen zu lernen. dete sich Dr. Hunold mit einem langen, zeigen. „ Nicht wahr , unsere Bertha schreibt es Wesen ist mir ſympathisch. Ich warmen Händedruck von seiner Braut. unabhängiger Mann , der seine „Alſo auf morgen !" sagte er. „ Grüße wie ein Gelehrter ?" ſagte sie mit ſchweſterlichem Stolze. efährtin frei wählen kann. Ich die Mama von mir! " Noch einen Blick voll unausſprechlicher | Der Stil des Briefs bekundete in der e, Anna! Wollen Sie meine Frau Liebe warf ihm Anna zu, schüttelte noch . That eine gediegene Bildung der Schreiberin. 57 89 . II.
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„Ohne Zweifel eine Patientin, die a "! Wie schade, daß meine arme Bertha von der Natur so stiefmütterlich behandelt gen das ärztliche Verbot im botanijde wurde!" meinte Frau Wilken mit einem Garten ſpazierte und zur Strafe dafür ver dem gestrengen Herrn Doktor nach Ha Seufzer. eskortiert wurde. Habe ich's erraten, Eer „ Dafür hat sie ihr um so mehr Ta lent gegeben," bemerkte Anna. „ Obgleich hard ?" sagte er lachend. Bertha zwei Jahre jünger ist als ich, war „ Nein, " erwiderte dieſer ernst, sie mir in der Schule doch immer weit Dame war keine meiner Patientinnen. Also eine in den Irrgängen des Gr voraus . Alle Leute sagen, wenn man mit ihr spreche, vergesse man ganz ihre körper- wöhnlich aufgeräumt, plauderte nach ihrer tens verirrte Schöne, welcher Herr Dol liche Mißgestalt !" Weise von allem möglichen und überhäufte | Hunold Ritterdienſte leiſtete ?“ bemerkte ei "Ihre Mißgestalt ?" fragte Gerhard dabei alle mit Liebenswürdigkeiten , ganz Geheimrätin noch maliziöser als zuvor. Nun hatte Gerhard die Sache j überrascht. „ Davon habt ihr mir niemals besonders Gerhard, dem es dabei, er wußte gesprochen." nicht warum, ganz eigentümlich zu Mute Mit einem verächtlichen Blicke auf fær Feindin antwortete er : „ Die Dame : " Sie hat leider einen kurzen Fuß und ward. eine hohe Schulter. Nun, du wirſt ſie ja Frau Katte hatte, nachdem sie einige Fräulein Anna Wilken, meine Braut ! I sehen, wenn sie zu unserer Trauung hier Erlebnisse aus ihrer lezten Pariser Reise die Frau Geheimrätin schon die Güte b herkommt. Vielleicht fannst du ihr auch zum besten gegeben , gerade angefangen, sich so lebhaft für mein Thun und La diese Mängel wegkurieren ," seßte Anna Emil vor den Prellereien der französischen zu interessieren, so beehre ich mich ih; a scherzend hinzu . !! Einem so geschickten Kutscher und Gastwirte zu warnen, als sie erst diese Mitteilung zu machen! " Arzte gleich dir ist ja alles zuzutrauen ! " bei einem scheinbar zufälligen Blicke auf Die Wirkung war eine unbeschrei Während Gerhard sich ahnungslos dem die Uhr gegenüber sich plötzlich unterbrach : liche. Wie zur Bildſäule erstarrt stat Genusse seines Liebesfrühlings hingab, „ Wahrhaftig ! Schon fast zehn Uhr ! Es Frau Katte da , Emil sah Gerhard = überlegte seine liebenswürdige Freundin, ist unglaublich, wie rasch die Zeit bei Ihnen als fürchtete er für dessen Verstand , Frau Katte, wie sie das endlich gefundene vergeht, liebe Helling ! Da size ich, plau Frau von Helling warf einen beſorg: Positive" auf die dramatisch wirksamste dere und plaudere, und unterdessen wartet Blick auf ihre Tochter. " Welche überraschende Nachricht! ( Weise gegen ihn in Szene sehen sollte. mein Mann zu Hause auf mich! Er wird Von Herrn von Reiffenbühl hatte sie bei am Ende gar glauben, mir sei etwas zu da kann man ja gratulieren ! " unterbra die boshafte Klatsche endlich die peinl seinem Abschiedsbesuche erfahren , welcher gestoßen ! " Tag zu seiner Abreise bestimmt war. Es Was sollte Ihnen denn zugestoßen Stille. " Fräulein Wilken heißt l ließ sich mit Bestimmtheit annehmen, daß sein?" sagte Emil. Ihr Herr Gemahl Braut, Herr Doktor ? Seltjam ! der Na Frau von Helling ihn am Abend vorher weiß ja , daß wir nicht in den Abruzzen ist ganz unbekannt in der Gesellschaft. "Ich hoffe, er soll bald bekannter noch bei sich sehen würde. Ohne Zweifel | leben." fam auch Dr. Hunold. Welche vortreff"„ Als ob einem nicht auch bei uns aller- den. Meine Braut ist zurzeit könig, liche Gelegenheit, dem Heuchler vor aller lei zustoßen könnte, wie neulich der jungen Telegraphiſtin , die Anzeige unserer V lobung erfolgt in den nächsten Tager! Welt die Maske abzureißen! Um jeden Dame im botanischen Garten!" Preis mußte eine solche Gelegenheit be„Einer jungen Dame ?" fragte Frau „Nehmen Sie meinen herzlichſten Eli wunsch, Herr Doktor ! " sagte Kloth nugt werden. Da sie leider keine Aus- von Helling. sicht hatte , der Abschiedsfeier beigezogen Bei dem Worte „ botanischer Garten " Gerhard die Hand reichend, „ möchten. zu werden, so mußte sie auf ein Mittel sah Gerhard die Geheimrätin scharf an. so glücklich werden , als Sie es zu finnen, ihr unerwartetes Erscheinen dabei Er fühlte instinktartig, daß sie im Begriffe verdienen ! " Ihre Stimme war ruhig. Sani zu rechtfertigen. Ihr erfinderischer Geist stand, einen Ausfall gegen ihn zu machen. gab ihr bald ein solches an die Hand. Herr Dr. Hunold kann Ihnen wohl wich die Blässe von ihren Wangen , a Während der Woche machte sie keinen die beste Auskunft über die Sache geben. ihre Hand war eiskalt. Mit Bewer Besuch bei Frau von Helling und vermied Er hat der Dame ja, denke ich, ärztlichen rung ruhten Emils Blicke auf dem jur Mädchen, Frau von Helling atmete tift es auch, mit den Damen an einem dritten Beistand geleistet. " „Und das alles erfahre ich, dein Aller Augen richteten sich auf GerOrte zusammenzutreffen. Dafür fuhr sie ster Freund , erst heute!" rief Herr an dem betreffenden Abend kurz nach acht hard, der leicht errötete. "! Mir ist nichts bekannt davon , " er- Reiffenbühl , dem sich plöglich eine un Uhr zur Präsidentin. Wie sie erwartet, ahnte, hoffnungsreiche Perspektive eröff fand sie Emil und Gerhard mit den Da widerte er ruhig. men beim Thee. „Nicht? Aber meine Schneiderin be- " da sehe mir einer den Duckmäujer „Bitte tausendmal um Verzeihung, hauptet doch, sie habe von ihrem Fenster Nun , alter Junge , ich vereinige m wenn ich, gleich dem Grafen Isolan, un aus gesehen , wie Sie mit einer jungen herzlichsten Glückwünsche mit denen ! geladen zum Feste komme ! " rief sie mit Dame , die sich schwer auf Ihren Arm thildens ! " " Und den meinigen ! " ſeßte Fran gut gespielter Verlegenheit. Keine Ah- stüßte, ohne Zweifel, weil ſie ſich unwohl nung hatte ich davon, liebſte Präsidentin, fühlte, in der Richtung von dem botani Helling, Gerhard gleichfalls die Hand daß ich die Damen nicht allein treffen schen Garten gekommen seien, um sie nach chend hinzu , " ich hoffe , Sie werden würde. Die ganze Woche war ich lei- Hause zu geleiten. “ recht bald Jhre Braut vorſtellen. * dend , und muß nun auf Befehl meines Konzentrierte Bosheit bliste aus den Der Geheimrätin wurde es unbeho: Es ist wahrhaftig die höchste Tyrannen von Arzt für einige Wochen Augen der würdigen Dame, während ein nach Marienbrunn ! Morgen , längstens ironisches Lächeln um ihre Lippen spielte. daß ich gehe ! " sagte sie. „Herr De übermorgen früh gedenke ich abzureiſen und Ihre Blicke flogen von Gerhard zu Klo- auch ich zähle darauf , die Bekann habe deshalb alle Hände voll zu thun. Ich thilde , auf deren Züge eherne Rühe lag, Ihrer Braut zu machen. Also aller komme auch nur auf einen Sprung, um obwohl ihre Wangen sich kaum merklich recht guten Abend und glückliche lebewohl zu sagen !" bläser färbten. Herr von Reiffenbühl! " „ Sie wissen , Sie sind jederzeit willEmil hatte Gerhards Erröten bemerkt. Nach allen Seiten grüßend rauiz: Die Geheimrätin fühlte sehr wohl , daß troß der durch gesellschaftliche Rücksichten bedingten Versicherung der Hausfrau ihr Erscheinen dem kleinen Kreise keineswegs erwünscht kam, aber sie that als merkte sie es nicht und nahm beim Theetische Play. Obschon sie , wie sie sagte , nur auf einen Sprung kam, blieb sie doch bis gegen zehn Uhr. Sie war heute ganz unge=
kommen," erwiderte Frau von Helling, "1‚Bitte, nehmen Sie eine Tasse Thee mit uns. Da mein Neffe, wie Ihnen bekannt ist, morgen abreist, so wollte er mit Herrn Dr. Hunold den letzten Abend mit uns zu bringen. Das ist unsere ganze Feſtlichkeit. "
Weit entfernt davon, den wirklichen Stand der Dinge zu ahnen , dachte er , Gerhard sei vielleicht so unvorsichtig gewesen , sich bei irgend einer galanten Begegnung ohne Belang ertappen zu lassen, und suchte des | halb dem Freunde zu Hilfe zu kommen.
davon. Diesen Ausgang hatte sic erwartet. Mit dem Gefühle eire: littenen schweren Schlappe stica r ihre Kutsche. „Hat man je ſo etwas erlebt!” br.: fie. !! Eine Telegraphistin! Der Y.
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muß rein verrückt sein! Na , wohl be armte und küßte , und es mir ans Herz | du wirst sehen, daß deine Besorgniſſe unTomm's !" legte , dich recht glücklich zu machen , da begründet waren. Ich kenne meine Anna ! " Auch Gerhard blieb nicht mehr lange. fam mir, ich weiß nicht wie, der Gedanke, Von den Segenswünschen aller be In die unausweichliche Notwendigkeit vernicht ich, sondern ein Mädchen wie dieses gleitet, traten die Neuvermählten die Reise est, den Freunden einen flüchtigen Abriß Fräulein von Helling wäre eigentlich die ins Leben an. Annas Abschiedsthränen waren bald getrocknet. Bisher nur selten einer Beziehungen zu Anna zu geben, rechte Frau für dich gewesen." velcher, wie er wohl wußte, nur eine zu Gerhard gab's einen Stich ins Herz. über das Weichbild der Vaterstadt hinaus!! Aber Anna, welche Idee! " rief er. üdhaltende Aufnahme finden konnte, entgekommen , fand sie überall Neues , Nie„ Nun, ich versprach ihr alles mögliche gesehenes , Bewundernswertes . Die Fahrt ernte er sich, sobald dies anging, indem r alle boshaften Weiber , Frau Katte zu thun und werde auch Wort halten ! nach Kufstein , wo das junge Paar den benan , im stillen in den Abgrund der Aber ein wenig Geduld mußt du mit mir erſten Rasttag machen wollte, versetzte sie Hölle verwünschte. haben , Gerhard , nicht wahr ? Ich will in einen Taumel von Entzücken. Ihre Emil aber war glücklich. Nie hätte er mich bemühen, Fräulein von Helling ähn- kindliche , aus tiefstem Herzen kommende edacht, daß die Dinge eine solche Wen- lich zu werden. Hat sie einen Geliebten ?" Freude, die sich zuweilen in den naivsten ung nehmen könnten. Während Frau von "Ich denke , mein alter Freund von Ausrufungen und Fragen Luft machte, that Gerhard ungemein wohl , denn sie Selling sich erhob , um Anton zu läuten, Reiffenbühl interessiert sich für sie!" " Das ist mir lieb ! Sehr lieb !" zeugte von einem lebhaften Sinn für Naturamit er Gerhard das Hausthor öffne, er" Warum?" riff er Klothildes Hand und flüsterte : schönheit. Die Zeit verging wie im Fluge. Erinnerst du dich an unser Gespräch "Das sage ich dir nicht ! " rief sie , in In Kufstein angelangt , mußte er Anna nter den Birken ? Du versprachst mir, den ihr so gut stehenden , nedischen Ton sogleich auf den nächsten Berg führen . Sie as auch geschehen möge , mich jederzeit verfallend. !! Aber, wie gesagt , lieb ist fühlte weder Hunger noch Durst oder Ermüdung. Wie ein junges Reh eilte sie s deinen besten Freund betrachten zu mir's, sehr lieb! “ ollen!" Der Wagen hielt. Gerhard beeilte sich, die wenig betretenen Pfade hinan, bis sie Ich habe es nicht vergessen, " erwiderte seine junge Frau herauszuheben . Mit Rück- oberhalb der Klause zu einer Stelle gee mit trübem Lächeln. sicht auf Frau Wilken fand die Hochzeits- langten, wo sich ihnen eine weite Aussicht Emil drückte einen raschen, heimlichen feier nur im engsten Kreise statt. Außer über das Thal , auf den Inn und die uß auf ihre Hand. dem alten Kommiſſar und einigen von mächtige Bergwand gegenüber eröffnete. Jest scheide ich zufrieden ! " sagte er . Annas bisherigen Berufsgenossen wohnten Während des Steigens hatte sie den Hut Heute über ein Jahr, Klothilde, sißen wir, nur die Mutter und Schwester Bertha, abgenommen. Das durch den Windhauch Gott will , wieder unter den Birken ! " deren körperliche Mißbildung leider ebenso halbgelöste Haar umspielte die leicht ge* * wie ihre ungewöhnliche Intelligenz der röteten Wangen ; ihre Augen strahlten vor seiner Zeit von Anna gegebenen Schilderung Freude. Gerhard mußte sich gestehen, daß Ist es mir doch noch immer , als entsprach, dem einfachen Feste bei. Ger sie ihm niemals so schön erschienen war äumte ich und müßte in jähem Schrecken hard hatte beschlossen, seine Frau auf sechs als jest. Umrahmt von dem üppigen wachen ! " sagte Anna, als sie mit Ger- Wochen nach Italien zu führen. Während Laubwerk des Dickichts glich sie einer rd von der Trauung nach Hause fuhr. ihrer Abwesenheit wollte Bertha bei der Waldfee. „ Nun, wie gefällt's dir im Gebirge ?" ſt es denn möglich ? Ich bin deine Frau Mutter bleiben. Nach ihrer Rückkehr sollte rtlich und wahrhaftig ?" Frau Wilken bei ihnen wohnen , um der fragte er, den Plaid über einen bemoösten „Wirklich und wahrhaftig ! " erwiderte jungen Hausfrau mit Rat und That an Baumstrunk breitend und sie zum Sigen r junge Ehemann mit einem Blicke voll die Hand zu gehen, wogegen Bertha vor einladend. Anna erwiderte nichts . Im Schauen onne auf das reizende junge Wesen, läufig ihren bisherigen Beruf wieder aufverloren, blickte sie hinaus in die in Abend8 , überströmend von Glück, an seiner zunehmen gedachte. Als Anna mit der Mutter ins Neben gold getauchte Natur, während ihre Hand eite ſaß, „ du bist mein, Anna, und keine acht der Welt vermag uns zu trennen ! " zimmer ging, um den Brautſtaat gegen das die des Gatten suchte. Plötzlich wandte In ihrem rosa Hochzeitskleide glich Anna Reisekleid zu vertauschen, gab Bertha Ger- sie sich um, warf sich an Gerhards Brust er frisch erblühten Rose, und damit auch hard einen Wink, mit ihr in die Fenster- und stammelte feuchten Auges : „ Ach, ich Tautropfen nicht fehlten , perlten ein nische zu treten , während die Hochzeits- bin glücklich ! Namenlos glücklich ! Und r Glücksthränen auf ihren Wangen. gäste den etwas hausbackenen Anekdoten das alles verdanke ich dir allein ! Womit 8 sie in die stille Straße einbogen , wo des Herrn Kommissars andächtig zuhörten. habe ich das verdient ? Wie soll ich dir - Hunold seine neue Wohnung genom Lieber Schwager," begann sie, " ge- dafür danken ?" Gerhard setzte sich auf den Baumstamm , n hatte , vermochte er dem Verlangen statte mir, euch einige Worte mit auf den t zu widerstehen. Einen raschen Blick Weg zu geben. Meine Anna ist, wie du zog sie auf seine Kniee und schloß sie fest Ich habe dir zu danken, dhs Wagenfenster werfend, zog er Anna selbst weißt , ein seelengutes Geschöpf; aber in die Arme. seine Brust und küßte ihr die Thränen sie bedarf einer ruhigen und dabei festen meine süße Anna ! " sagte er, die schwellenLeitung , wenn ihr miteinander glücklich den Lippen küssend ; „ du machst mich glückden blühenden Wangen. " Gerhard, was thust du ! " rief die werden sollt. Ihr ist ein Los gefallen, lich ! Erst jezt verstehe ich, was dem Leben ge Frau in holder Verschämtheit. „ Wenn wie sie es sich niemals träumen konnte. wahren Wert gibt ! Wie schön bist du, 5 jemand sähe!" Du mußt sie dir erst für das Leben, wel- Anna ! " Gefalle ich dir denn wirklich ?" rief So würde man ein paar glückliche ches sie heute mit dir beginnt , erziehen . nſchenkinder sehen, die das Recht haben, Lasse sie stets die milde, aber feste Hand die junge Frau mit hold verschämtem Lächeln. des Lenkers fühlen.“ dlich zu sein !" " Sei unbesorgt , Bertha , " erwiderte Bist du wirklich glücklich? Glaubst Ob du mir gefällst ? Wie schade, daß ich immer im stande sein werde, Gerhard, wir lieben uns ! Da geht alles daß du dich in diesem Augenblicke nicht von selbst! " glücklich zu machen ?" selbst sehen kannst , du hättest dir sonst Meine süße Anna! Kennst du so we ,,Das gebe Gott ! Du wirst auf eurer die Frage erspart !" „Aber ich will nicht nur schön, sondern deinen eigenen Wert ? " Hochzeitsreise Gelegenheit finden , zu sehen, „Willst du auch immer Geduld haben wo es fehlt. Laß dich nicht durch deine auch gut sein und dich immer lieben, Germir, Gerhard? Sieh, ich bin ein so Liebe verleiten, ein Auge zuzudrücken ! Be- hard ! Und wenn deine kindiſche , kleine erſtändiges , kleines Ding , das nichts denke , es handelt sich um euer Lebens- Frau vielleicht manchmal auch nicht ganz so ist , wie du es wünschest , dann wirſt er kann als dich lieben ! Als uns heute | glück!? Gerhard drückte ihr die Hand. Fräulein von Helling mit ihrer Mutdu ein wenig Geduld mit ihr haben, " Ich danke dir , Bertha , " sagte er, nicht wahr ? “ das reizende Geſchenk brachte, mich um-
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"! Bleibe wie du bist , das ist alles , was ich verlange ! " sagte Gerhard , das reizende, halb ängstlich, halb neckisch zu ihm aufblickende Gesichtchen an seiner Brust bergend. In seligem Vergessen saßen sie da, schweigend , enge aneinander geschlossen, beleuchtet von der sinkenden Sonne. Leise rauschten die Wipfel der riesigen Föhren im Abendwinde , aus dem Waldesinnern erscholl ferner Vogelruf , und von dem Aste über ihnen blickte ein neugieriges
Auch diese greuliche Arena hier hätte man , machte ihr nicht geringen Spaß. Gerhard längst dem Erdboden gleichmachen sollen ! fonnte nicht umhin , ihren scharfen Blick Komm, Gerhard, mir wird ganz unheimlich für einzelne der originellen Voltstypen in dem Parterre und auf der Galerie zu an diesem Ort." Damit setzte sie das Hütchen auf und bewundern. Er sah, hier war seine Anna faßte den Arm ihres Mannes . Gerhard in ihrem Elemente. erkannte , daß es vergebliches Bemühen Weit weniger war sie es dagegen in wäre, seine Anna für die Größe Altroms Florenz . Nicht als ob ihr die „ Sonntagszu begeistern. Er führte sie vorsichtig über stadt" nicht gefallen hätte. Sie war im die Stufen hinab , ohne sie weiter mit Gegenteile entzückt über ihre reizende Lage. historischen Erkursen zu behelligen. Aber diese endlosen Kirchen, Galerien und Der Mailänder Dom gefiel Frau Dr. mit ihrem Heere von Kunſtwerken!
Eichhörnchen mit klugen Augen verwundert hinab auf die fremden Gäste im grünen , duftigen Hag. Die Fahrt von Mori nach dem Gardafee, der den ganzen milden Zauber seiner herbstlichen Schönheit entfaltete, und tags darauf von Riva zu Schiffe nach Desenzano erschien dem jungen Paare wie ein berauschender Traum. Zum erstenmal in seinem Leben empfand Gerhard das Gefühl tiefen , durch keinen Schatten getrübten Glückes. Er vermochte es kaum zu fassen, daß dieses reizende junge Wesen mit seiner einem ewigen Frühlingsmorgen gleichenden kindlichen Heiterkeit , das sich ihm ohne allen Rückhalt hingab und nur in ihm und für ihn zu leben schien, ihm wirklich ganz und für immer gehören sollte. Ja, das war die Frau, wie er sie sich manchmal in seiner einsamen Junggesellenwirtschaft geträumt hatte ! Da war nichts Erkünfteltes , nichts Verbildetes . Anna gab sich ganz so, wie sie war. Hier hatte er jenen jungfräulichen Boden gefunden, auf dem das Glück eines ganzen Lebens fußen konnte. In Verona besuchten sie gleich nach der Ankunft die Arena. Was für ein seltsamer alter Stein haufen ! " sagte Anna , als sie von der obersten Stufenreihe den gewaltigen Bau überblickte ; weshalb verwenden die Leute nicht das unbenußte Material zum Bau von neuen Häusern ?" Du siehst hier eines der beſterhaltenen Denkmäler der römischen Zeit, " erwiderte Gerhard lächelnd ; die Stürme von zwei Jahrtausenden sind über diesen Bau hinweggebraust, ohne ihn vernichten zu können. Mit solchem Material baut man keine modernen Zinshäuser, meine Anna. “ Er erzählte von den Gladiatorenkämpfen und Naumachien, welche einſt in der Arena stattfanden. Anna hörte ihm aufmerksam zu, während sie sich bemühte, eine von dem Gemäuer gepflückte Dolde in die Blumen ihres Reischütchens zu flechten. „Aber diese Römer waren ja gräßliche Menschen !" rief ſie ſchaudernd, als Gerhard seinen historisch-ethnographischen Ab riß beendet hatte. " War nicht Pontius Pilatus, der Christum den Herrn kreuzigen ließ, auch so ein alter Römer ?“ „ Allerdings. Er war Landpfleger in Judäa ! " „Richtig ! So steht's im Katechismus . Eine abscheuliche, blutdürftige Gesellschaft, diese alten Römer! Ganz recht ist ihnen geschehen, daß die Germanen, wie du sagst, ihrer Herrschaft den Garaus gemacht haben.
Gerhard ," sagte sie , als sie am Hunold weit beſſer als die Arena in Verona. Gleich dem wackeren Renzo in Mittage des dritten Tags wieder die lange Manzonis Verlobten" starrte sie den Treppe der Uffizien hinabstiegen , wenn gotischen Wunderbau in sprachlosem Er- es dir recht ist, bleibe ich morgen im Hotel, staunen an. Gerhard erzählte ihr von während du deine Galerie Rarotti , oder Galeazzo Visconti , dem Begründer des wie sie heißt, besuchst." " Interessieren dich die herrlichen KunstDoms , von den Kämpfen der Guelfen und Ghibellinen und anderes aus der an werke nicht, die einzig sind in der Welt?" „Ich verstehe nichts davon , und das düsteren und glänzenden Erscheinungen so reichen Geschichte Mailands . ewige Schauen und Aufmerken macht mich „ Ach, Gerhard! " sagte sie, das Köpfchen todmüde. Mir ist der Kopf so dick und traurig senkend ; „ ich merke immer mehr, so schwer , als ob ich zwei Nächte nachwie wenig ich weiß. Du bist so gelehrt einander telegraphiert hätte ! " "„ Es ist nicht recht von mir , daß ich und ich bin so unwissend ! " „Was du nicht weißt , meine Anna, dich so übermäßig anstrenge, " ſagte Gerkannst du lernen. Während der langen hard mit stiller Resignation. " Nun, morgen. Winterabende haben wir Zeit die Menge , lasse ich dich ausruhen , oder beſſer noch, wir machen einen Ausflug nach Livorno || um miteinander zu studieren.“ Gewiß ?" und nehmen zur Erfrischung ein Seebad." ,,Ganz gewiß." „Ach ja , Gerhard ! Thun wir das ! " Und wirst du auch Nachsicht mit mir Ich habe ja das Meer noch nicht gesehen." " Und unterwegs betrachten wir uns haben? Sichst du, Gerhard, ich war immer so ein kleiner Sauſewind, dem das Lernen in Pisa den schiefen Turm. " „ Ein schiefer Turm ? Ach , das muß schrecklich lästig fiel. Aber jetzt sehe ich ein , daß es ohne Lernen nicht abgeht. drollig sein ! " rief Anna , seelenvergnügt, Ich darf ja doch meinem gelehrten Manne des weiteren Besuchs der Galerien überhoben zu sein, indem sie schelmiſch lächelnd keine Schande machen." In der Scala hörten ſie Verdis „ Tro- zu ihm aufblickte. „ Und nicht wahr, vatore". Die beiden ersten Akte lauschte Gerhard , du bist mir nicht böse , daß ich Anna mit Behagen den einschmeichelnden mich für die nackten marmornen Männer Melodien. Im dritten begann sie gelegent- und Frauenzimmer in den Galerien nicht lich zu gähnen . begeistern kann ? Was verſteht die Kuh von „Bist du müde ?" fragte Gerhard ; der Muskatnuß ?“ Gerhard lachte, und das erste Wölkchen ,,wir sind in der That heute fleißig in der Stadt umhergewandert . " an dem sonnigen Ehehimmel des jungen „ Nicht gerade müde . Aber ich verstehe Paares verschwand. „ Du wirst die Kunit nicht , was die Leute singen. Und dann schon noch verstehen lernen, meine Anna ! “ ist so eine Oper schrecklich lang ! Müssen sagte er ; sei deshalb unbesorgt. Uebrigens wir bis zu Ende bleiben ?" ist es mir tausendmal lieber , du ſprichſt „ Durchaus nicht. Sobald du genug deine Meinung offen aus , anstatt , "gleich hast , können wir gehen." so vielen andern , eine Begeisterung für Anna atmete erleichtert auf. Nach Kunst zu heucheln , von der das Herz Schluß des Akts verließen sie das Theater. nichts weiß. " In Livorno kamen sie tags darauf Auf dem Heimwege kamen sie bei den Buratum Mitternacht an und stiegen im Hotel tini , d . h. dem Puppentheater vorüber. „Willst du die Marionetten sehen ?“ | Giappone auf dem Korſo Vittorio Emanuele fragte Gerhard , „ es ist noch etwas früh , ab. Als sie am nächsten Morgen , gleich nach dem Frühstück durch die Porta a Mare um nach Hause zu gehen. “ „Ach ja , das muß lustig sein ! Sehen nach den Strandbädern gingen, wehte ihnen wir uns den Spaß an. " ein frischer Mistral entgegen. Neugierig Gerhard bekam zwei Plätze in der zu sehen, welchen Eindruck der erste Anblick Proszeniumsloge des winkeligen und gründ- des Meeres auf seine Anna machen würde, lich schmutzigen Miniaturmujentempels . Sie suchte er ihre Aufmerksamkeit auf anderes konnten von hier aus das urwüchsige zu lenken , bis sie in den nach Ardenza Publikum aus nächſter Nähe beobachten. führenden Anlagen zwischen Pancaldi und Obwohl Anna kein Wort von der Sprache Squarci zu einer Stelle gelangten , wo verſtand, unterhielt sie sich doch weit besser sich ihnen plötzlich die freie Aussicht auf als in der Scala. Sie lachte von Herzen die See eröffnete. über die Kapriolen der hölzernen Akteurs . Beim Anblicke der mit mächtigem Auch das Benehmen des Auditoriums Wogenſchwalle gegen die Düne brausenden
C. M. Sauer. 1357Flut blieb Anna wie angewurzelt stehen. Der Scherz , womit sie eine galante Bemerkung ihres Gatten beantworten wollte, erstarb ihr auf den Lippen . Keines Wortes mächtig stand sie da, auf seinen Arm gelehnt, und ließ den Blick hinausschweifen. über die unermeßliche, tiefblaue See mit ihren weißgiſchtenden Wogenkämmen , als wollte sie sich das Bild mit unauslöschbaren Farben tief in die Seele graben. Wie in Verklärung strahlten ihre Züge, ihre Lippen bebten und ihre Hände um ſchloſſen krampfhaft den stüßenden Arm. „ Nun, meine Anna, was ſagſt du zum Meere?"
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hard! Liegt dir viel daran , nach Rom | schmückten Salon traten. "1 Da sind wir also in deinem kleinen Reiche ! Bist du und Neapel zu gehen ?" Ich beabsichtige, dich dahin zu führen, zufrieden mit unserer Hochzeitsreise ?" Anna sah ihn zärtlich an. um dir ein Vergnügen zu machen," sagte Gerhard überrascht durch die Frage.. Ob ich zufrieden bin, fragst du ? Ich „ Wenn du mir wirklich ein Vergnügen, denke, weit mehr Ursache hätte ich, dich zu ein großes Vergnügen machen willst, dann fragen, ob du zufrieden bist mit deiner Reisebleiben wir hier in Livorno , mieten uns genossin, die so wenig im stande war, auf für ein paar Wochen in einer der reizen deine Ideen einzugehen. Doch das foll den Villen dort droben ein und gehen nicht anders werden , der Winter rückt heran, eher fort, als wir unbedingt müssen ! Offen die Zeit zum Studieren ! Was ich bisher gesagt, Gerhard, fürchte ich mich vor Rom, versäumt habe, werde ich unter deiner Leiwo es gewiß auch wieder Kunstwerke die tung nachholen. Du sollst nicht zu klagen schwere Menge gibt und man von einer haben über deine kleine Frau , Gerhard." Galerie und von einer Kirche zur andern " Mache dir deshalb keine Sorgen, meine Anna ! " sagte Gerhard sie umarmend. Und der Geist Gottes schwebte über laufen muß !" „ Aber bedenke Anna, das wundervolle „ Wir lieben uns und sind glücklich ! Alles dem Wasser!" stammelte die junge Frau. „Erst jest verstehe ich das Wort in der Neapel, die schönste Stadt der Welt, was andere wird sich finden!" Bibel, das man uns als Kinder nachspre- die Lage betrifft, willst du beiſeite laſſen!“ dhen ließ. Was ist Menschenwerk gegen „ Ist das Meer dort schöner als hier?" 8. die Werke Gottes ?“ ,,Das nicht , aber wer wird Italien Pädagogik in der Ehe. Du hast recht ! " erwiderte Gerhard, bereisen , ohne Rom und Neapel zu beergriffen von der Naturgewalt , der aus suchen?" Es war eine Freude, Anna als junge diesen schlichten Worten sprechenden EmAus Annas Zügen sprach etwas wie Hausfrau wirtschaften zu sehen. Verstand pfindung. Die unbegreiflich hohen Werke ein Gefühl der Enttäuschung. Es war sie auch nicht viel von der Küche, so besaß die erste Bitte , die sie an ihn richtete. dafür Frau Wilfen gediegene Kenntnisse find herrlich wie am ersten Tag!" ‚Nicht wahr, Gerhard, wenn einst die Konnte er sie ihr abschlagen ? Wohl fiel in der bürgerlichen Kochkunst , und Anna Stunde kommt , wo ich von dir scheiden ihm Berthas Mahnung ein. Aber wer bemühte sich redlich , von der Mutter zu muß , dann erinnerst du mich an diesen widersteht der ersten Bitte einer reizenden lernen. Bald konnte sie Gerhard den erAugenblick ?“ jungen Frau , wenn solche von zwei rosi- sten von ihr allein zubereiteten Braten vorGerhard erschrak. gen Lippen gestellt und von zwei wunder sehen. Mit strahlenden Blicken sah sie, „Aber Anna ! Welch ein Gedanke ! " rief vollen Augen , die sich zum erstenmal zu wie er sich's schmecken ließ , und als er er. „Nach dem gewöhnlichen Laufe der umschleiern drohen , unterstützt wird ? Und erklärte , er habe nie eine bessere KalbsDinge bin ich, der ältere, bestimmt , zuerst dann , war nicht in der That ein Liebes- keule gegessen als diese, wurde sie hochrot zu scheiden ! " idyll von einigen Wochen hier in Ardenza im Gesichte und klatschte vor Freude in Schweige ! Schweige ! Der Gedanke ist weit verlockender, als eine bei dem heißen die Hände wie ein Kind beim Anblicke zu schrecklich! Nein, mein Gerhard, ich weiß, Wetter doppelt anstrengende und ermüdende des Christbaums . Weniger glatt als mit der Küche ging daß ich zuerst gehen werde ! Ich bin zu Fahrt nach Rom und Neapel? glücklich! Ich bin zu glücklich! Nun, sei Anna merkte ihm an , daß er wankte. es dagegen mit den Studien. Gerhard hatte sich darauf gefreut, ihr es drum! Ich will nicht klagen ! Da, sich Ihre Augen wurden wieder hell, und jenes dir die prächtige Blume dort bei dem Pa- | ſchelmiſche Lächeln, dem er nicht zu wider den ersten Unterricht im Franzöſiſchen zu villon an! Wie lange wird es dauern, stehen vermochte , zuckte um ihren Mund. geben. Eines Abends , als der Novemberso ist sie verwelkt. Aber genießt sie darum „Ich finde, im Grunde hast du recht, wind recht grämlich draußen an den Fenweniger froh ihr kurzes Sommerleben ? Anna !" sagte er lachend . „Hole der Geier stern rüttelte, während behagliche Wärme Auch ich will mein Glück genießen , Ger- Sankt Peter und den Vesuv ! Wir blei den kleinen Salon erfüllte, begann er ſeine erste Lektion. Es war ihm nicht entgangen, hard , ohne es mir durch trübe Gedanken ben in Ardenza ! “ vergällen zu lassen ! " fuhr sie , das KöpfIm nächsten Augenblicke fiel das Ta- daß Anna einen etwas scheuen Blick auf chen energisch schüttelnd , fort. „Komm, schentuch mit den Muscheln praſſelnd zur die ehrwürdig aussehende Grammatik warf. gehen wir hinunter an den Strand. Dort Erde, zwei weiche Arme schlangen sich um Um sie nicht zu entmutigen , schob er das muß es Muſcheln die Menge geben . Wir seinen Hals und ein Kuß brannte auf dicke Buch zurück und langte nach dem ersten Kursus von Ahn. wollen uns die schönsten zum Andenken | ſeinen Lippen. Mit Le père est bon ging es ganz „Danke, Gerhard, danke! O, ich wußte, an dieſe Stunde mitnehmen !" Im nächsten Augenblicke war sie drum- daß du mir die Erfüllung meines Wun gut. Aber schon bei La mère est bonne ten und wühlte mit der Spitze des Sonnensches nicht versagen würdest!" rief sie ju- stutte Anna. Weshalb sagte man nicht schirmes in den vertrockneten Algen. Hier belnd, „ du wirst sehen, wie glücklich wir auch La mère est bon ? Gerhard erklärte ihr die von dem Deutschen abweichende entlockte ihr eine bunte Muschel einen hier sein werden!" Freudenruf, dort eine mächtige, den Schaum Und sie waren glücklich während der Geschlechtsbezeichnung des franzöſiſchen Adbis zu ihren Füßen sprißende Welle einen vier Wochen, die sie in der reizenden klei- jektivs , eine Wahrnehmung , worüber sie leinen Angstschrei. Die trüben Gedanken | nen Villa Miranda in Ardenza verbrachten . große Augen machte. Sie nahm ſich jevon vorhin waren verflogen und vergessen. Stundenlang trieben ſie ſich des Morgens doch zuſammen, und nachdem sie noch einige Sie scherzte und lachte wie ein fröhliches am Gestade herum, wo es am einsamsten Male über die fatalen Artikel gestolpert Hind. war , und des Abends mischten sie sich war und sich mit der Aussprache der „häß„Was willst du mit all den Muſcheln unter die lustige Badegesellschaft , die sich lichen“ Nasenlaute abgequält hatte, brachte in diesem Jahre besonders zahlreich_in sie die ersten fünf oder sechs Uebungen so anfangen?" fragte Gerhard. „Ich verstehe mich ein wenig auf Kar Livorno zusammengefunden hatte. So ziemlich zu stande. tonagearbeiten und werde dir eine präch lange es überhaupt anging , blieben sie, „ Also das ist deine Aufgabe für mortige Schatulle mit Muscheldeckel machen, und als es endlich die höchste Zeit zur gen , Anna , “ sagte Gerhard , das Buch in welcher du zu Neujahr deine Honorare Heimkehr war, fuhren sie, ohne sich unter schließend. Wenn wir die ersten hundert verschließen kannst. O , du sollst deine wegs länger als unbedingt nötig aufzu- Nummern miteinander durchgearbeitet haleine Frau noch bewundern lernen, wenn halten, Anfang Oktober nach Hauſe. ben, gehen wir zur eigentlichen Grammatik fie auch nichts von alten Bildern und „ Nun ! meine Anna ! “ ſagte Gerhard, | über.“ Anna machte ein bedenkliches Gesicht. nadten Statuen versteht ! Apropos , Ger als sie in den zu ihrem Empfange ge-
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„Gewiß nicht ! " Von der Hochzeitsreise zurückgekehrt, " Sage mir, Gerhard, " begann sie nach einer Weile , lernen die Franzosen auch "! und morgen lesen wir wieder , nicht hatte das junge Paar bei den bekannten Deutsch ?" wahr ?" sezte sie schmeichelnd hinzu . " Du Familien die unerläßlichen Besuche ge= „Nicht besonders. Was fremde Spra sollst sehen , ich werde aufpassen wie ein macht. Selbstverständlich begegnete man chen betrifft, sind die Herrschaften ziemlich Hechelmacher!" Anna überall mit gesellschaftlicher Artigbequem. " Gerhard versprach die Lektüre am fol- keit, doch wollte es Gerhard bedünken, als „Weshalb müſſen denn wir Französisch genden Abend fortzusehen, und Anna ging streifte dieselbe zuweilen an eine gewiſſe lernen ?" beruhigt zu Bette. herablassende Nachsicht. Das wurmte ihn. „ Die Sprache ist eine verhältnismäßig Als er am nächsten Tage aus der Vor- Dabei mußte er sich gestehen, daß eine bei leichte, wird überall verstanden und bildet lesung nach Hause kam , fand er sie mit Anna sonst ganz ungewohnte Befangenheit so das bequemste Verſtändigungsmittel mit ihrer französischen Aufgabe eifrig beschäftigt. ihre wirklichen Vorzüge den Leuten gegen anderen Nationen. Ueberdies besigt Frank„Ich weiß nicht," sagte sie, ihm das über nicht zur Geltung kommen lich. Sie reich eine schöne und reiche Litteratur. Auch vielfach durchgestrichene und wieder über fühlte sich unbehaglich in diesen Kreisen, betrachtet man, vielleicht mit Unrecht, die schriebene Elaborat zur Ansicht reichend, obwohl sie sich bemühte , nichts davon Kenntnis des Französischen als unerläßlich "wenn ich glaube , ich habe etwas richtig merken zu lassen. Nur bei Frau von für eine feinere Bildung. " gemacht, dann kommen mir sogleich wieder Helling befand sie sich wohl. Klothilde „ Dann werde ich doch wohl Französisch allerlei Bedenklichkeiten ! Gewiß habe ich war ihr mit voller Herzlichkeit entgegenlernen müssen ! " meinte sie mit einem leich einen rechten Unsinn zusammengeschrieben." gekommen und hatte sich bald ihre ganze ten Seufzer. Sie hatte in der That die Beugefälle Zuneigung gewonnen . Anna nahm KloJezt erschien Fanny mit der Thee- und Endungen arg durcheinander geworfen. thildens geistige Ueberlegenheit als etwas fanne, und damit hatte die Lektion ein Gerhard war es unfaßbar , wie sie die Selbstverständliches hin. Sie schien glückEnde. Anna sprang auf, machte Thee und Unterschiede nicht zu erkennen vermochte. lich, sich ihr in allem, was über den engen war lustig wie ein Schuljunge am ersten Er bemühte sich, ihr die Sache nochmals Kreis der Häuslichkeit hinausging, unterTage seiner Ferien. flar zu machen. Sie verſtand ohne Schwie ordnen zu können. Klothilde fand ihrerGerhard hatte bereits früher die Ent- rigkeit seine Auseinandersetzungen. So seits an der frischen, jeder Affektation baren deckung gemacht, daß seine Frau von der bald sie jedoch das Vernommene praktisch Natürlichkeit Annas unverkennbaren Geklassischen Litteratur Deutschlands auch nur anwenden sollte , wurde sie ängstlich und fallen. So entwickelte sich troß des großen herzlich wenig wußte. Er gedachte daher, machte die seltsamsten Fehler. Gerhard geistigen Abstandes zwischen beiden allsie nach und nach) damit bekannt zu ma konnte sich der Befürchtung nicht ent- mählich ein Freundschaftsverhältnis , bei chen. Als sie nach dem Thee noch ein schlagen, daß für seine Frau der einfachste dem Klothilde die Gebende, Anna die Emhalbes Stündchen gemütlich verplaudert grammatische Mechanismus ein Buch mit pfangende blieb. Gerhard erkannte unschwer, daß Klothilde in ihrer zartschonenhatten, langte er nach seinem Schiller und sieben Siegeln bleiben würde . fragte, ob er ihr ein wenig vorlesen solle. „Ich begreife nicht , wie ein Mensch den Weise die zuweilen etwas burſchikos " Ach ja, Gerhard ! Das ist allerliebst ! so dumm sein kann ! " rief sie, fast weinend angehauchten Manieren seiner Frau zu milIch höre dich so gern sprechen ! Dabei vor Aerger. „ Siebenjährige Kinder kom dern , sie an den gedämpfteren Ton der kann ich wohl auch ein wenig häkeln, men mit der Sache zurecht und ich plage guten Gesellschaft zu gewöhnen suchte, daß wenn es dich nicht stört ?" mich damit ab stundenlang , ohne das sie sich zugleich bestrebte , den geistigen Durchaus nicht!" Horizont derselben zu erweitern, ihre EmRichtige zu treffen !" Anna machte sich's in ihrem Lehnstuhle „ Es gibt Dinge , die man eben als pfindungen zu verfeinern, mit einem Worte. bequem und begann eifrig zu häkeln. Ger- Kind lernen muß , liebe Anna ! " tröstete daß sie stillschweigend das Amt seiner Mithard hatte die Maria Stuart gewählt. Gerhard. Später fallen sie doppelt schwer, arbeiterin übernahm . Obwohl er ihr da Er schickte eine gedrängte Darlegung der weil sie rein mechanischer Natur sind. Es für eigentlich nur dankbar sein konnte, lag historischen Verhältnisse voraus, wobei ihm geht dabei wie mit dem Klavierspielen. in dieser Wahrnehmung doch zugleich etwas Anna mit großer Aufmerksamkeit zuhörte, Der größte Philosoph würde am Finger- eigentümlich Demütigendes für ihn. Mehr gab eine kurze Charakteriſtik der handeln saze scheitern , wenn er ihn in vorgerückten als einmal dachte er zurück an jene Be den Personen und begann. Jahren erlernen sollte , während ihn ein sprechung mit Emil. Wollte ihm Klothilde Seit seiner Schulzeit hatte er das sechsjähriges Mädchen in ein paar Stunden Unterschied zwischen ihr und Anna Drama nicht wieder gelesen. Die Dichtung den weg hat. Zu derlei Dingen bedarf recht fühlbar machen ? Doch nein ! Ein solcher Gedanke lag ihrer Gesinnung un wirkte deshalb fast mit dem vollen Reize es der Geduld. " "Und Geduld war leider niemals meine bedingt fern ! Aber weshalb bemühte sie der Neuheit auf ihn . Er las den erſten Aft in einem Zuge. Als er damit zu starke Seite ! " erwiderte Anna unter Thrä- sich, Annas Wesen umzugestalten ? That Ende war , wandte er sich zu seiner Zu- nen lächelnd. „ Sage, Gerhard, ist es denn sie es nur aus persönlichem Intereſſe für und bei die hörerin , welche ihn mit feinem Worte wirklich ganz unbedingt notwendig , daß die junge Frau? Oder sem Gedanken erschrak er in tiefster Seele unterbrochen hatte. Anna hatte die Arbeit ich das gräßliche Französisch lerne?" in den Schoß sinken laſſen und war, durch "I Ganz unbedingt nötig ist es nicht. hatte Emil vielleicht doch recht gesehen. den Rhythmus der melodischen Verse in Auch verstehe ich mich wohl nicht beson und wollte sie mit der Selbstverleugnung Schlummer gewiegt, sanft eingeschlafen. ders aufs Unterrichten . Wenn es dir zu einer edlen weiblichen Seele dem Manne, Die plögliche Stille wedte sie. Sie schwer fällt, so laß es liegen, bis Bertha der es nicht verstanden, ihre Gefühle für fuhr auf, rieb sich die Augen und sah kommt. Vielleicht lernst du mit ihr leichter." ihn zu erraten, das Interesse, welches sie Gerhard erschrocken an. „Ach ja ! “ rief ſie, ihre Schreibereien noch immer für ihn hegte, damit werf Ach Gott ! " rief ſie. „Ich bin wahr vergnügt zusammenpackend . „ Warten wir, thätig bekunden, daß sie, soweit ſie ſolches haftig ein wenig eingenickt ! Bist du mir bis Bertha fommt. Ich kann ja doch eine vermochte, seine Lebensgefährtin geistig zu böse, Gerhard ? Ich war so müde ! Bitte, brave Hausfrau sein, auch ohne franzöſiſch |heben suchte ? Gerhard errötete bei dem lies weiter! Ich werde nicht wieder ein zu parlieren. Gedanken, dessen, wie er sich ärgerlich ſagte, schlafen! " Sie schob Buch und Heft in den Bü- | nur ein Geck fähig sein konnte. Ihn ganz Gerhard schloß das Buch. cherkasten , gab ihrem Manne einen herz von sich zu weisen vermochte er aber doch "1 Nein , meine Anna , " sagte er , „ ich haften Kuß und ſauſte hinaus in die Küche. nicht , und wenn Anna für Klothilde be hätte wiſſen können , daß du müde bist, Gerhard sezte sich an den Schreibtisch und geistert schwärmte, wurde es ihm dabei oft denn du warst den ganzen Tag auf den stützte sinnend den Kopf in die Hand. Es ganz seltsam zu Mute. Fran Wilfen hatte trotz der sorgsamen Beinen. Auch ist es schon spät. Ich that kamen ihm nach und nach doch allerlei unrecht daran, dich noch mehr zu ermüden. " merkwürdige Gedanken über seine ehelich Pflege während des Winters immer ge t du mir wirklich nicht böse ?" fränkelt. Gerhard erkannte, daß seine Kunst pädagogischen Bestrebungen.
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nicht im stande war , die unvermeidliche | vor, daß Anna, troß ihrer Liebe zur Schwe- | daß es mit seinen pädagogischen BestreKatastrophe aufzuhalten. Er mußte sich ster, gewissen eifersüchtigen Regungen nicht bungen in der Ehe gar manchen bedenkdarauf beschränken , sie möglichst hinauszu- unzugänglich blieb. Ohne Zweifel fühlte lichen Hafen hatte. Mit dem Tage, wo Anna einem prächschieben. In schonender Weise hatte er sie die eigene Unzulänglichkeit in dem beAnna auf das Unvermeidliche vorbereitet. ständigen Verkehre mit der Schwester des tigen Knaben das Leben schenkte, war es Troß ihres unbegrenzten Vertrauens in die halb um so lebhafter, weil sie sich zugleich mit der ehelichen Pädagogik für immer zu Wissenschaft ihres Mannes konnte und den Vorwurf machen mußte, daß sie die Ende. Die junge Mutter schwebte lange wollte sie doch nicht glauben , daß das ihr von Bertha so gerne gebotene Beihilfe, in Gefahr und erholte sich nur sehr langSchicksal ihrer Mutter entschieden sei. Es sich weiter zu bilden , aus Mangel an sam. Ihre mütterlichen Pflichten nahmen fie jest so völlig in Anspruch, daß sie für war rührend zu sehen, mit welcher Sorg Willenskraft unbenugt ließ. falt und Liebe sie die Leidende pflegte. Gerhard liebte es nicht, seine Erholung anderes als ihr Hauswesen weder Zeit Natürlich konnte unter solchen Umständen allein und außerhalb des Hauses zu suchen. noch Sinn mehr hatte. Gerhard mußte von anderem nicht die Rede sein. Hierzu Er verbrachte deshalb die Abende fast im sich mit der Thatsache beruhigen, in seiner tam noch, daß Annas eigener Zustand der mer in der Familie. Während des Win- Lebensgefährtin eine wackere Hausfrau und Schonung bedurfte. Gerhard machte da ters hatte er Anna öfter ins Theater ge- eine gewissenhafte, unermüdlich sorgsame Nun, vielleicht ist es her Bertha den Vorschlag, ganz bei ihnen führt. Eingedenk der in Italien mit der Mutter zu besigen. zu bleiben. Sie nahm das Anerbieten an Oper gemachten Erfahrungen wählte er beſſer ſo ! “ sagte er sich mit einem unterund traf gegen Ende des Februar im Hause | vorzugsweise Lustspiele und gute Volks- drückten Seufzer. „ Alles läßt sich nun stücke, an denen sie großen Gefallen fand. einmal nicht vereinigen in dieser Welt ! ihres Schwagers ein. Anfang April schlummerte die alte Auch einige Bälle hatten sie besucht . Anna Meine Frau bietet, was sie zu bieten verFrau, in ihr Schicksal ergeben, sanft hin- tanzte leidenschaftlich gern. Da es der mag ! Was will ich denn eigentlich noch über. Sie wußte das Los ihrer Kinder schönen jungen Frau niemals an Tänzern mehr ? Begnügen wir uns mit dem, was gesichert ; weiteres hatte sie vom Leben fehlte, unterhielt sie sich vortrefflich. Ger wir haben!" nicht mehr gefordert. Annas Schmerz hard schmeichelte es, seine heitere, lebensEin wissenschaftliches Werk, die Frucht außerte sich in so heftiger Weise, daß Ger- lustige Gattin von allen Seiten umworben langjähriger Studien und Forschungen, hard und Bertha um sie selbst besorgt zu zu sehen . Er mußte sich gestehen, daß sie, verschaffte ihm ein Jahr darauf den Ruf werden anfingen. Es bedurfte ihrer ganzen was Anmut der Erscheinung betraf, gegen als Professor nach Bonn. Er nahm das Ueberredungskunst, um ihr begreiflich zu keine der Damen zurückzustehen brauchte. Anerbieten sofort an , denn es war ihm machen, daß die Rücksicht für das zu erDurch den Trauerfall waren sie nun nicht unlieb, aus dem bisherigen Kreise zu wartende junge Leben ihr die Beherrschung mehr ganz auf den häuslichen Kreis an- | scheiden , obwohl er sich über die Gründe ihres Schmerzes zur gebieterischen Pflicht gewiesen. Wenn sie des Abends beisam dafür nicht gern Rechenschaft geben mochte. machte. men saßen, suchte Gerhard, an irgend ein Da er die neue Stellung bereits mit BeDie Hoffnungen, welche Gerhard auf Vorkommnis des Tages anknüpfend, das ginn des Wintersemesters anzutreten geBerthas Mithilfe zur geistigen Weiterbil- Gespräch unvermerkt derart zu wenden, dachte , übersiedelte er noch im Laufe des dung Annas gesezt hatte, erfüllten sich nur daß Anna, ohne mit „Lernerei " behelligt Sommers nach der schönen Rheinstadt. Auch Anna war mit dem Wechsel zuin sehr bescheidenem Maße. Mit dem zu werden, daraus so manches Intereſſante Französischlernen ging es bei ihr ebenso- und Wissenswerte erfahren konnte. Auf frieden. In den ihr durch ihre Heirat erwenig als bei ihm. Stets fand Anna ir seine Absicht eingehend , unterstüßte ihn öffneten gesellschaftlichen Verhältnissen hatte gend eine dringende Beschäftigung in ihrem Bertha dabei nach Möglichkeit. Diese in sie sich niemals recht behaglich gefühlt. Hauswesen, die es ihr unmöglich machte, direkt pädagogische Methode bot übrigens Nur der Abschied von Klothilden , die sie sich mit der langweiligen Lernerei " ab auch nicht unbedeutende Schwierigkeiten. sich zur Patin ihres Sohnes gewählt hatte, zugeben. Noch ehe sie über die Geheim Sollte der Gegenstand Annas Aufmerk- fiel ihr schwer. Ich weiß nicht ," sagte nisse des Teilungsartikels hinausgekommen samkeit fesseln, so durfte er das Maß ihres fie, als sie mit Gerhard und Bertha vom war, wurde deshalb der Ahn" in still- Wissens nicht zu sehr überschreiten , denn Abschiedsbesuche bei Frau von Helling ichweigender Uebereinkunft beiseite gelegt. sonst blieb er ihrem Verständnisse entrückt zurückkehrte, ob ich mich täusche, aber bei m Grunde genommen hat sie recht, " und langweilte sie. Wo Gerhard und den meisten unserer Bekannten konnte ich dachte Gerhard, um sich selbst zu beruhi Bertha sofort Berührungspunkte fanden, niemals ein Gefühl los werden, als könnten gen ; „wirkliche Bildung besteht ja nicht im gähnte für Anna oft genug eine schwer mir es die Leute nicht verzeihen , daß ich Plappern einer fremden Sprache. Ver- zu überbrückende Kluft. Zu fragen und mirfrüher mein Brot durch meiner Hände juchen wir es also mit anderem und auf damit ihre Unwiſſenheit zu bekunden , wider Arbeit verdient habe . Nur Fräulein Kloanderem Wege ! " strebte ihrem Stolze. Ihr unaufgefordert | thilde und ihre Mutter ließen es mich nieWie in der äußeren Erscheinung bildete etwas vorzudozieren war keineswegs rätmals fühlen . Sie waren stets gleich lieb Bertha auch in geistiger Beziehung einen lich , denn sie wurde leicht empfindlich. und gut gegen mich." merkwürdigen Gegensatz zur Schwester. Daher gebrauchte Bertha zuweilen den Da thust du den Leuten doch wohl Mit Erstaunen erkannte Gerhard, welchen Kunstgriff, sich von Gerhard etwas er Unrecht , Anna ! " meinte Gerhard , einen reichen Schatz von Wissen sich das junge klären zu lassen, was sie recht gut wußte, raschen Blick mit Bertha wechselnd , die Mädchen durch unablässiges Streben an- um Anna auf diese Weise Gelegenheit zu bei der Bemerkung der Schwester leicht geeignet hatte. Dabei besaß sie einen leb- bieten, etwas zu lernen . Aber auch hier errötete. haften Sinn für die schönen Künste. Ihre bei mußte sie sehr vorsichtig zu Werke „Ich glaube kaum , daß ich mich täusche. stets mit zurückhaltender Bescheidenheit ab- gehen, denn bei ihrem natürlichen Scharf Von der abscheulichen Geheimrätin Katte gegebenen Urteile überraschten oft durch sinne merkte die junge Frau leicht die Ab- z . B. weiß ich es ganz gewiß ! Ich habe Richtigkeit und Schärfe. Dabei vermied sicht und wurde verstimmt. Defter ge- sie deshalb auch niemals ausstehen können. sie es mit erstaunlichem Takte, ihre geistige schah es , daß Gerhard und Bertha über Nun, in Bonn wird das wohl auch anders Ueberlegenheit irgendwie der Schwester dem Gegenstande selbst ihre pädagogisch- werden. Aber um Klothilde thut es mir fühlbar zu machen. Troßdem merkte Ger- didaktischen Bestrebungen für den Augen- leid. Ich werde sie sehr vermissen ! Wenn hard bald, daß Anna, die sich Klothilden blick vergaßen und sich so darein vertieften, ich nur wüßte, weshalb sie sich überhaupt bereitwilligst und als ob solches sich von daß ihnen Anna auch bei dem besten Willen mit einem so kleinen dummen Dinge wie ſelbſt verſtünde, unterordnete, doch keines- nicht folgen konnte. Dann pflegte sie leise ich so viel befaßte. Mir scheint immer, wegs geneigt schien , dies Bertha gegen aufzustehen und sich , um das gelehrte Gerhard , mein Hauptverdienſt ihr gegenüber zu thun. Wenn es auch nie zu einem Gespräch nicht zu stören“ , draußen etwas über bestand darin , daß ich deine Frau Konflikte zwischen ihnen kam, so ging doch zu schaffen zu machen. Herr Dr. Hu- | bin !" aus hundert unfaßbaren Einzelheiten her- | nold erkannte von Tag zu Tag deutlicher, „Aber Anna, welch ein Gedanke !"
1366„ Nun , nun , wir wollen davon nicht weiter sprechen !" sagte sie mit schelmischem Seitenblicke . " Denkst du nicht auch, Bertha, daß ich recht habe ?" " Natürlich verdankt eine Frau der Stellung ihres Mannes die Aufnahme, die sie in der Gesellschaft findet, " erwiderte diese. So meine ich es nicht ! Aber wie gesagt, es thut mir sehr leid um Klothilde ! Sie wird mir sehr abgehen!" Bei dem sonnengoldigsten rheinischen Herbstwetter hielt Herr Professor Hunold samt Familie seinen Einzug in Bonn, wo sie überall die freundlichste Aufnahme fanden. Anna war glücklich . Sie hatte monate lang mit der Einrichtung ihres neuen Haus wesens zu thun und konnte daher alle "1 Gelehrsamkeit" Bertha und dem Herrn Pro fessor überlassen. Als Gerhard eines Morgens kurz vor Weihnachten aus dem Kolleg kam , eilte ihm Anna, einen Brief in der Hand, entgegen. „Eine große, fröhliche Nachricht ! Klo thilde hat sich mit deinem Freunde Emil verlobt ! Hier die Anzeige nebst Briefen. " Gerhard wurde es doch eigentümlich zu Mute. In voller Unmittelbarkeit trat ihm jene Szene im Rauchzimmer wieder vor die Seele. „ Ist mir doch, als ob du mir erst jetzt ganz gehörtest, Gerhard ! " sagte Anna, ihn zärtlich anblickend. „Was soll das heißen ? Ich verstehe dich nicht!" Sage was du willst , ich weiß doch, daß du Klothilden nicht gleichgültig warst! Ich fürchtete immer , du könntest eines Tages bereuen , nicht sie statt meiner gewählt zu haben !" Anna , du kleines , närrisches Ding! Wirst du wohl aufhören mit solchen Späßen? Noch ein Wort und ich hole die französische Grammatif!"
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Hast du deine Aufgabe fertig?" Damen , mit denen die Stellung ihres Mannes sie in Berührung brachte. Die "! Noch nicht, Papa ! " " Dann sich zu, daß du damit zu Ende Frauen deutscher Hochschullehrer bilden kommst und zerstreue dich nicht mit über eine eigentümliche , das Bewußtsein geistiger Ueberlegenheit des deutschen Gelehr flüssigen Fragen!" Baul schwieg. Gerhard nahm seine tentums oft gar merkwürdig reflektierende Lektüre wieder auf , wobei er ab und zu Spezies . Man fand die schöne junge Frau einen Blick auf den beim Fenster des Biblio- | Profeſſorin „ köſtlich naiv " . Es dauerte nicht lange, so machten einige ihrer „ Naivitä thefzimmers arbeitenden Knaben warf. Seit wir ihn zulegt gesehen, war Pro ten", in keineswegs wohlwollender Weise fessor Hunold merklich gealtert. Obwohl kommentiert , die Runde durch den Kreis er erst im Anfange der Vierziger stand, und gelangten durch Zwischenträgereien zu zeigte sich das Haar an den Schläfen doch den Ohren ihrer Urheberin. Anna wurde bereits stark gelichtet und von manchem verlegen, ängstlich und kopfscheu, ſah überall. Silberfaden durchzogen. Der kleine Paul, auch wo solches nicht der Fall war , mit sein einziges Kind, war ein stämmiger leidige Geringschätzung und zog sich schließ Junge. Er glich auffällig der Mutter. lich ganz auf ihre Häuslichkeit zurück. Seit vorigem Jahre besuchte er das Gym Gerhard suchte sie zu beruhigen und zu nasium, wo er in seiner Klaſſe den Platz trösten. „Was liegt am Gerede einiger des Primus einnahm und ihn ehrenvoll boshafter Weiber ?" sagte er. „ Wir be dürfen ihrer nicht! Also schlage dir das zu behaupten wußte. Bis zum Eintritte ins Gymnaſium war nichtswürdige Geschwätz aus dem Sinne! er unter Berthas leitender Obhut geblieben. Du bleibst deswegen doch meine liebe, gute Nun lernte sie selbst noch Latein, um mit kleine Frau! ihm arbeiten zu können. Obwohl sie ihn Anna nahm sich die Sache jedoch ernstdurchaus nicht verhätschelte , sondern , wo lich zu Herzen. Immer tiefer schlug der es nötig war, ihn sogar mit unnachsichtlicher Gedanke, daß sie für ihren Mann nicht Strenge behandelte , hing der Knabe doch paſſe, Wurzel in ihrer Seele, wenn sie ihn mit großer Liebe an ihr. Anfangs war es in auch Gerhard gegenüber nicht aussprach , betreff der Erziehungsgrundsäße zwischen und diese sich allmählich bis zu krankhafter den Schwestern zu mancherlei Differenzen Beharrlichkeit steigernde Idee machte sie gekommen , die Gerhard stets zu Berthas sogar ungerecht gegen ihre wirklichen VorGunsten entscheiden mußte. Schließlich züge. So viel nur möglich , vermied ſie hatte sich die Frau Profefforin jedoch dar es , irgendwie in die Deffentlichkeit zu ein ergeben, die geistige Ausbildung ihres treten. Wo dies dennoch unvermeidlich Sohnes den !! Gelehrten" zu überlassen . war , erschien sie befangen , fast linkisch. Sich selbst behielt sie die körperliche vor; Gerhard und Bertha fühlten das alles daß sie in dieser Beziehung nichts verab: sehr wohl. Sie gaben sich redlich Mühe, fäumte, bewies das blühende Aussehen Anna in ihrem Selbstbewußtsein zu heben. des Kindes. Berthas erfinderischer Geist war unerschöpfGerhard hatte, wie man zu sagen pflegt, lich von zarten Aufmerkſamkeiten gegen Karriere gemacht. Sein Hörsaal war dicht die Schwester, aber es schien , als ob dieſe gefüllt und seine ärztliche Thätigkeit ver- die eigene Inferiorität dadurch nur um schaffte ihm ein glänzendes Einkommen. so tiefer empfände. Wäre Anna eine gePrr! " rief sie , energisch den Kopf Auch an äußeren Auszeichnungen, auf die meine Natur gewesen, so würde ſich dieſes schüttelnd. "/ Von der Grammatik wollen er jedoch wenig Wert legte, fehlte es ihm Gefühl ohne Zweifel in Abneigung, wenn wir wieder sprechen, wenn unser Paul sich nicht. Er hatte somit alle Ursache , mit nicht in Haß gegen Bertha Luft gemacht damit wird abquälen müſſen ! Komm laß den Erfolgen seines Strebens zufrieden zu haben. Aber sie war keine gemeine Natur uns sofort den Verlobten unsere Glück- sein, und doch zeigte ein Blick auf die vor- und deshalb_richtete sich ihre Unzufriedenwünsche senden! Du weißt nicht, Gerhard, zeitig alternde Geſtalt, daß er nicht zu den heit gegen sie selbst. Ehe das Schicksal Glücklichen zählte. wie glücklich ich bin ! " fie Gerhard zuführte , hatte sie ruhig in Sie eilte voran nach dem StudierWas war die Ursache? Herrschte Un ihrem bescheidenen Wirkungskreise gelebt : zimmer. Gerard folgte, den Blick finnend friede in seiner Häuslichkeit? Nein! Ob sie wußte, daß sie denselben vollkommen auf die Papiere in seiner Hand geheftet. wohl, dem Sprichwort zufolge, zwei Frauen auszufüllen im stande war. Plöglich in in einem Hause niemals Freunde sein kön- eine Sphäre gerückt , in welche sie , ihrer 9. nen, bestand doch zwiſchen Anna und Bertha Ueberzeugung nach, nicht gehörte, empfand ein gutes, nur selten und auch dann nur sie den Mangel an Willenskraft , sich zu Zehn Jahre später. vorübergehend getrübtes Einvernehmen. derselben auch geistig zu erheben , doppelt "Papa , " sagte Paul , den blonden Beide bemühten sich nach Kräften , jede schmerzlich, übertrieb das quälende Bewußt Lockenkopf von seiner Arbeit erhebend. Störung derselben zu vermeiden. Aber sein der eigenen Unzulänglichkeit , blickte „ Weshalb muß ich denn immer mit Tante Gerhard fühlte nur zu wohl, daß seine mit mutlos entsagender Bewunderung zu Bertha lernen? Hat Mama gar keine Zeit Frau nicht glücklich war , und dieses Be- Gatte und Schwester empor und fühlte für mich?" wußtsein warf einen tiefen Schatten in sich doppelt unglücklich in dem Gedanken, Professor Hunold legte die Zeitung bei- sein Leben . ſie ſei nicht im stande, Gerhard glücklich zu seite und wandte sich zu dem kleinen InterAnnas gewinnende Erscheinung , ihre machen. Immer und immer wieder kam Gemütlichkeit und Heiterkeit hatten in ihr jenes Wort, das sie am Trauungstage pellanten. Mama ist mit dem Hauswesen be- Bonn anfangs eine geradezu bestechende zu ihm gesprochen: „ Klothilde wäre eigent schäftigt. Sie ſorgt dafür , daß alles in Wirkung auf die neue Umgebung geübt. lich die rechte Frau für dich gewesen," in Ordnung ist. Wie willst du, daß sie dir Man war ihr überall in der liebenswür den Sinn. Wohl sprach sie es nicht wieauch noch bei deinen Aufgaben helfen soll?" digsten Weise entgegengekommen . Bald der aus, aber in ihren trüben Blicken ſtand „ Aber Tante Bertha hilft auch im Hause | zeigte sich jedoch auch hier der Unterschied es nur allzu oft deutlich zu leſen. Gerhard mit und hat doch immer Zeit für mich ! “ | zwiſchen ihrem Bildungsſtande und dem der | las es, und das that ihm namenlos wehe.
C. M. Sauer .
Schlagschatten .
=1371: 1370 = anfalle unter Berthas und der Wärterin ziges Glück ! " rief Anna, den Knaben auf- Obhut verlassen , um ein wenig zu ruhen. hebend und ihn leidenschaftlich küssend , Als er jetzt zu ihrem Bette trat , sah er „ du darfst mir nicht krank werden ! Fürchte auf den ersten Blick, daß der verhängnisdich nicht , ich bleibe bei dir ! Was kann volle Augenblick gekommen war. dir geschehen, wenn ich bei dir bin ?" „Mein Gerhard ," sagte sie, indem sie Sie trug ihn weg, gefolgt von Bertha versuchte , ihm die Hand entgegenzustrecken, eboten schienen und die trotzdem nicht und Gerhard , die sie beschworen , sich und sie aber vor Ermattung sinken ließ, ich u dem Genusse ihres Glückes gelangen das Kind nicht unnötig aufzuregen . fühle , daß ich von euch scheiden muß. Leider bewahrheiteten sich Berthas onnten . Wie geht es unserem Paul ?" a , emir t er , Pap der e so nich ne Befürchtungen . Paul erkrankte heftig am Ropf Ich heutweiß schw ," sagt deristklei „ Er schläft ruhig ." Baul, sich die Locken aus der Stirn strei- Scharlachfieber. Lange schwebte er zwi Ein glückliches Lächeln flog über die end und das Köpfchen in die Hand schen Tod und Leben. Erst nach der vierLippen der Sterbenden. ützend . Ich kann gar nicht behalten , ten Woche konnte Medizinalrat Hirschberg, Laß ihn nicht wecken , Gerhard !" den Gerhard zugezogen hatte , das Kind flüsterte sie, ich habe mit Bertha gespro chen. Sie hat mir zugeschworen , daß sie as ich lese." außer Gefahr erklären. Gerhard stand auf, betrachtete aufmerk„Mit dem Kleinen wären wir jest im meine Stelle bei ihm vertreten will . Nicht lte msei das und te erden ken füh nemKin ahrihm u Schdrec gew ein Pul ziesm -. reinen , " sagte er, " dafür will mir aber , Bertha ?" h starkes Fieber. Auch waren die sonst Ihre Gemahlin ganz und gar nicht gefallen , wahr Bertha konnte nicht sprechen . Sie Herr Kollege ! Ich fürchte , sie hat sich beugte sich über Anna und küßte sie auf en has lent Aug fweth. , Paul ?" am Krankenbette, von dem sie trot unserer die glühende Stirn . Gerhard faßte ihre t bdu hel ,, Sei wann trü und Kopmat " Weh thut mir der Kopf nicht , Papa , Vorstellungen und Bitten nicht wegzu Hand mit beiden Händen. er er ist so schwer , und dabei ist mir bringen war , selbst eine Krankheit zuge „Wie fühlst du dich, meine Anna ?" hfalt. Heute früh beim Aufstehen zogen . Gebe Gott , daß es nicht die gleiche fragte er, seinen Schmerz mit aller Macht ist. Sie wissen , um wieviel gefährlicher niederkämpfend . das tückische Leiden bei Erwachsenen als chte sich alles um mich herum . " „Wohl , sehr wohl , wie seit langem Gerhard läutete . af enzupfl harnd auf chrret m egt bei Kin Gerder erszut !"e. Wohl nicht ! Wie kindisch , sich vor dem Sterben Tod „ Ist Fräulein Bertha zu Hause ?" war auch ihm die Veränderung in Annas zu fürchten ! Aber ich war immer kindisch, gte er das Dienstmädchen . Wesen nicht entgangen, aber er redete sich Gerhard , und habe dich damit unglücklich Fräulein Wilken ist in ihrem Zimmer. " t !"h Ich lasse sie bitten , einen Augenblick ein, die Aufregung raube seinem ärztlichen gemach „Mic unglücklich gemacht ?" rief Gerng htu ck bac ige n Bli he die zur Beo nöt Ru en . nge mst htu n ne lim Nu sah er sei sch Befürc hard , du warst stets meine liebe , gute , mir zu kommen . " Nicht ohne Unruhe wegen der unge- bestätigt , denn er kannte aus Erfahrung brave Frau ! Wie hättest du mich unglückhnten Aufforderung erschien Bertha sodie sichere Diagnose des alten Arztes . Als lich machen können ?" „Und ich habe dich immer geliebt , Ger. ebe Bertha , " sagte Gerhard , „" ich Anna ihr Kind gerettet wußte , wich ichLi die hard , mehr als ich es sagen kann ," er chte , unser Paul ist nicht wohl ." fast übermenschliche Kraft , mit der sie sich widerte sie mit einem Blicke voll namenBertha warf einen erschrockenen Blick bisher aufrecht erhalten hatte, und wider loser Liebe. „ Nicht wahr , du wirst mich nicht vergessen ? Und wenn unser Paul im standslos brach sie in sich zusammen . - den Kuaben . stande sein wird , es zu verstehen , wirst Du denkst doch nicht ! . . . " stam" * du ihm sagen , daß ich dich immer geliebt * te sie. d n Gerhar zuckte die Achsel . . " m Schmerze übermannt , vermochte Die Glocke des nahen Kirchturms hatte habeVo Bis jest läßt sich nichts bestimmen , chtsstunde verkündet . Gerhard nicht zu antworten . Er schloß en erna soeb die Mitt bei dem unter den Kindern zur Zeit Roch vibrierte der leßte Ton durch die sie in die Arme, strich ihr das wirre Haar fierenden Scharlachfieber muß man auf milde Sommerluft der stillen Mondnacht , aus der Stirn und legte ihr Haupt an 3 gefaßt sein." als sich in dem anstoßenden Zimmer leise hochklopfende Bruſt . Nicht wahr , Papa , ich werde nicht Tritte vernehmen ließen. Den Kopf in seine,, mir ist wohl !" stammelte Anna. Und wenn 12" fagte Paul ängstlich . beide Hände gestüßt , saß Gerhard an seinem Horch , Gerhard ! Hörst du es rauschen ?" och Frank werden muß , so machst du Schreibtische . Mit dem gedämpften Lichte ,Was , meine Anna?" wieder gesund? Mama jagt ja immer , der Lampe mischte sich der Schein des " Das Meer , das schöne , blaue , undurchs Fenster blickenden Vollmonds und endliche Meer ! Bis zu unseren Füßen ciest so geschickt ! " Sei ruhig , Paul ; es wird alles gut beleuchtete die Gestalt des einsamen Manspritzen die Wellen ! Aber ich fürchte mich en!" tröstete ihn Bertha . „Komm, ich nes , der übermüdet in einen unruhigen nicht ! Du bist ja bei mir , Gerhard ! e dich zu Bette ! Papa wird dir mer versunken war. Geräuschlos Weshalb sollte ich mich fürchten ?" lum Sch ibenm!. " Gerhard öffnete sich die Thür . dessen erho etwbas sich verschre folgsa Bertha erschien Gerhard überrieselte es kalt bis ins itte daß die Schr des Knaben auf der Schwelle . Sie blieb stehen und Mark . Hatte sie nicht damals am Strande Saul betrachtete, mitleidig den Schlummernden . bei Livorno gejagt , er solle sie an jenes rite , Dann trat sie näher und legte sanft die Bild erinnern , wenn die Stunde des Schein te uf . Was wird Anna dazu sagen ?“ flüsterte dens gekommen sein würde ? Und nun d auf seine Schulter. Han Sie ist gleich so ängstlich ! Feh Gerhard zuckte zusammen und erwachte . führte die Phantasie es der Sterbenden ne ei e t ern Luij lieg auch seit gest jatl . „Wie geht es mit Anna ?“ fragte er vor die Seele . „Wie der Mond sich in den Wellen r be ie ! " men lom . bek ür g na t Th flo auf und An tra Sie wünscht dich zu sprechen." spiegelt !" fuhr sie mit erlöschender Stimme e rein. Sie war blaß . Ihr erster i he Das ist die Brücke , Gerhard , die "Sft sie ruhiger ?" Ganz ruhig . Ihr Geist ist jetzt klar. fort. fiel auf das Kind. Brücke höre, Paul ist nicht wohl !" rief Ach Ein! " konvulsivisches Zucken durchflog Aber ich fürchte , Gerhard ... n en it bebender Stimme, ihr wollt mir me äne ickt Thr erst ihre Stim . den Körper , die Augen verglasten , ein ichen !" ml Mut , Bertha ! Komm ! " sagte er, sich tiefer Seufzer entrang sich der Brust und ei rhi ar ve e g h te u dich , Anna , “ tröste Ger- erhebend . „ Vielleicht ist doch noch Hoff- das Haupt fiel schwer gegen seine Schulter . Ber „ Noch ist kein Grund zu BesorgIn stummem Gebete fnicten Bertha ! "r einer halben Stunde hatte er die und die Wärterin zur Seite des SterbeVo rhanden. Du weißt ja, bei Kindern nung er !" Lieber 58 Paul ! Mein ein- | Kranke nach einem heftigen Parorysmus t leicht etw,assüßvor
-136 r 9um das andere, und | So verging ein Jah mmer dunkler legten sich die Schatten über die einander in aufrichtiger Liebe zu ethanen Menschen , denen alle äußeren Bedingungen zu einem glücklichen Leben
Vicin 11. K9 .
Ferdinand Avenarius. 1373-
1372 bettes . Gerhard schloß die erstarrten Augen , drückte einen Kuß auf die wie zu einem glücklichen Lächeln halbgeöffneten Lippen und sank , das Gesicht mit den Händen bedeckend, laut schluchzend in den Lehnstuhl zu häupten des Lagers .
Kornspuk.
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hoffe ich in einigen Wochen bei Dir am Rheine zu sein, um Dir in Deinem Schmerze die treue Freundeshand zu reichen. Du weißt, Klothilde hat die Heimgegangene sehr geliebt. Daß Klothilde sie liebte, ist wohl der beste Beweis für ihren Wert. Du verstehst mich, Gerhard ! Erinnerst Du Dich noch an jenen Abend, wo wir auf dem Balle unsere Ansichten tauschten? Wie viel hat sich seitdem geändert! Aber Eines ist sich gleich geblieben, und sie wird sich gleich bleiben, was auch die Zeit uns bringen möge, und Klothilde ist eins mit mir in diesem Gefühle.
Als Gerhard einige Tage nach der Trauerfeier von Annas Grabe zurückkehrte, fand er folgenden Brief vor : „Mein alter, treuer Freund! Mit tiefstem Schmerze haben wir die Nachricht von dem Tode Deiner lieben, guten Anna vernommen ! Wie bedauern wir es jest, daß wir troh Eurer wiederholten Einladung niemals zu Euch getommen sind. Aber Du weißt ja, wie es geht. Mit einer größeren Familie hält es schwer, von Hause fortzukommen. Stets mußten wir unsern Sommeraufenthalt nach Anordnung unseres gestrengen Hausarztes wählen. Nament lich war es Dein Pate, unser Gerhard, der uns mancherlei Sorge machte. Doch jezt ist alles wieder gut und , falls nicht aufs neue etwas dazwischen kommt,
Wie mußt Du gelitten haben und noch leiden ! Ich versuche nicht, Dir ein Wort des Trostes zu sagen , denn was vermögen Worte bei solchem Schmerze ! Dein einziger Trost ist jezt Dein Kind! Möge Dir in ihm ein neues Glück er blühen! Wenn es geht , bringe ich Gerhard mit. Er freut sich sehr , Deinen Paul kennen zu lernen. Möge sich in unseren Kindern die Freundschaft erneuern , in der sich vor langen Jahren die Väter gefunden haben!
Und nun, lieber Gerhard, auf baldiges Wiedersehen ! In alter, treuer Liebe Dein Emil." Gerhard hatte den Brief auf den Schoß sinken lassen. In eine Welt von Gedanken versunken , starrte er lange vor sich hin. Da nahten hinter ihm gedämpfte Schritte. Zwei kleine Arme schlangen sich um seinen Hals , und leise schluchzend legte Paul den Kopf an seine Schulter , während Bertha mit nassen Blicken auf Kind und Vater niedersah. !! Er ließ sich nicht zurückhalten ! “ ſagte fie. " Er wollte zu dir ! Wie ähnlich er ihr sieht, Gerhard! " Der Witwer wandte den Blick von der im schwarzen Trauergewande doppelt unscheinbaren Gestalt Berthas auf das Antlig des weinenden Kindes . Ja, Paul war das Ebenbild seiner schönen Mutter! „Möge er geistig dir ebenso ähnlich werden , arme Bertha , " sagte er, ihr die Hand reichend, " wie er körperlich ihr ähn lich ist , die mit ihrem Leben das ſeinige erkauft hat !" Und den Knaben an sein Herz ziehend, drückte er einen heißen Kuß auf seine Stirn, während eine schwere Thräne auf die blon den Locken niedertropfte.
Kornfpuk.
Don Ferdinand
Der Wind brummt schrullenhaft verworren,. Der Mond schielt schräg herab aufs Korn
Avenarius.
Jeht brummt's wie heimliches Gelach, Jest summt's wie eine fremde Sprach ―
Wie sich's da hebt und dreht und duckt
Formeln und Beremonienwust
And aufwärts schnellt und um sich guckt!
Was, Geistervolk, iff's, was du thuft ?
Von Köpfen wimmelt's überall,
Zum Lachen halb und halb zum Graun,
Hier einzeln, dort als ganzer Wall:
Gefellen, seid ihr anzuſchaun
Ihr erdig grauen Gesichter ihr,
Argeister seid ihr : Tags entthront,
Was wollt ihr nur, Gelichter, hier ?
Betet ihr nachts hinauf zum Mond !
Ein Fremdling schreiť ich dazwischen hin, Weiß nicht, was das soll, weiß nicht, wo ich bin, Unheimlich wird's mir ſchier zu Wut Fürwißiges Seelchen, lei auf der Huf!
Oskar Wilsdorf.
Schloß Stolpen und die Gräfin Cosel. 1376-
1377
ORYLL FUSSU Schloß Stolpen (1376).
7Water
Schloß Stolpen und die Gräfin Colel.
Von Oskar Wilsdorf.
Jer weitaus größte Teil der Vergnügungsreisenden, welcher alljährdie malerischen Felsbildungen und rlichen Schluchten und Gründe des Ssandsteingebirges von Dresden aus ucht , wandert gewöhnlich die große uristenstraße und erblickt wohl von hohen sfichtstürmen aus Berge, Burgen und hlösser, aber der Stadt und dem Berufsen nur auf kurze Zeit entflohen, sucht er eigentlichen Wandern sein Ziel und beigt sich mit dem, was die Natur ihm dar tet, ohne etwa nach den Schicksalen der enschen zu fragen, die in früheren Zeiten jene Felsenwände da oben oder in jene hloßverließe da drüben gebannt ihr ben einsam und fern von den Menschen rauerten und denen jene entzückende Ausit auf Berge, Felsen und Fluren eine m zu ertragende Verschärfung ihrer rkerhaft bedeutete. Wenn aber doch einI die breite Heerstraße die Gelegenheit u bietet , so mag der Vergnügungsjende nur flüchtig jener düsteren Sagen 6 Geschichten vom Menschenherzen gefen und gibt sich gern zufrieden mit eintönigen und einfarbigen Erzählung Schloßkastellans , ohne dabei zu em den, welches Stück Weltgeschichte darin borgen liegt, wichtig und lehrreich genug h für die gegenwärtige Zeit, selbst wenn Gewinn in nichts anderem bestünde, uns zur Zufriedenheit mit den gegen rtigen politischen und sozialen Verhält Fen zu führen und so den Glauben an Fortschritt der Menschheit uns zu alten. Lange genug sind jene Schattenseiten Geschichte unserem Volke in ihrer wahren
Ruine Stolpen (S. 1390). Gestalt geflissentlich vorenthalten und zu sagen und romanhaften Gebilden umgewandelt worden, die nur zu oft jene Per sonen, die am Rade der Zeit saßen , im günstigsten Lichte erscheinen ließen . Erst unsere jezige Zeit sucht mehr und mehr durch Oeffnen der Staatsarchive solche geschichtliche Legenden in das rechte Licht zu stellen, weil sie sich wohl bewußt ist, daß die großen nationalen Erfolge der Gegen wart durch Schattenseiten der Vergangen heit nicht getrübt werden können , sich viel mehr im rechten Lichte dadurch zeigen. Eine solche düstere Geschichte eigentüm licher Art erzählt uns das Schloß Stolpen (S.1377 ) . Es liegt ostwärts von den Hauptpartien der sächsischen Schweiz , auf den hügeligen Ausläufern des Elbsandsteinge birges und ist von Dresden aus über Pirna und Dürr Röhrsdorf in zwei Stunden mit der Bahn zu erreichen ; seine Burgruine aber, auf hohem Basaltkegel stehend, ist weithin sichtbar und ist wohl die größte und schönste Ruine im ganzen Sachsenlande. Die Burg gehörte mehrere Jahr hunderte lang den Bischöfen von Meißen, die sie bedeutend vergrößerten , und erst 1559, als der lezte Bischof evangelisch geworden, nahm Kurfürst August die Burg in Besit . Im Dreißig- und Siebenjährigen Kriege hatte sie viel von feindlichen Heeren zu leiden und blieb nach dem lettern Kriege eine Ruine, bis 1813 Napoleon die Feste
von neuem instandsehen, bald darauf aber, als die Russen sich näherten, auch wieder zerstören ließ. Den Bischöfen von Meißen diente Stolpen als Gefängnis hauptsächlich für solche Prediger und Geistliche, welche der Refor mation zugethan waren, und seine unterirdischen Kerker im Schösserturm , das Schloßverließ im Johannisturm (S. 1386) , die Folterkammer u. s. w. bieten heute noch dem Besucher Schauder und Entseßen. Das Hauptinteresse aber auf Schloß Stolpen erweckt eine deutsche Frau , die hier ein halbes Jahrhundert lang gefangen saß und hier über den Wechsel menschlicher Schicksale , wie er ergreifender wohl selten ein Menschenherz berührt, nachzudenken hatte. Es ist dies die viel geschmähte und viel be= rüchtigte Gräfin von Cosel (S. 1379) , ſo bekannt durch Romane und Sagen, daß ihr Nameschon die Begriffe von Herrschsucht und Verschwendung , von Leichtsinn und Mätressenwirtschaft bei jedem, der ihn hört, unwillkürlich hervorruft. Um eine beinahe fünfzigjährige Gefangenschaft zu rechtfer tigen, dazu bedarf es vieler, vieler böser Thaten. Doch lassen wir die Geschichte selbst reden . Am 24. Dezember 1716 erging mit der Ankunft der Gräfin von Cosel in Schloß Stolpen an den Festungskommandanten von Wehlen vom sächsischen Kurfürsten August dem Starken eine eigenhändig vom Kurfürsten aufgesette Instruktion , welche besagte : Der Kommandant soll für die arretierte Person Tag und Nacht Sorge tragen, die Wachen ordentlich bestellen und visitieren. Niemand soll ohne Vorwissen des Kommandanten und des Kapitän Heinecke ins Schloß gelassen werden , daß sie durch dieselben mit niemand eine Unterhaltung pflegen kann ; sonderlich ist zu hindern, daß sie mit den Schildwachen reden kann. Weder der Major noch der Kapitän Heinecke sollen allein mit der Gräfin sprechen, sondern beide nur zusammen, sie sollen nicht mit ihr essen. Man kann ihr auf Verlangen einen eigenen Kirchenstand aptieren, woselbst sie jedoch mit niemand konversieren kann. Spaziergänge im Tiergarten sind ihr in Begleitung des Majors " und des Kapitäns zu gestatten, doch sind Schildwachen um den Tiergarten, der vorher zu visitieren ist , zu stellen. Es soll
Oskar Wilsdorf.
1378fein Posten vor die Thür der Gräfin gestellt werden, sondern vor die Treppe, um ihr die Gelegenheit zu benehmen, mit dem Wachtposten zu reden. Die Leute ihrer Bedienung sind eidlich zu verpflichten . Was die Gräfin nötig hat oder verlangen möchte, soll ihr alles verabsolgt und zugesendet werden, doch müssen alle Bücher, Kleidung, Wäsche u. s. w. vorher auf das genaueste untersucht werden. Personen, die in Geschäften mit ihr zu sprechen haben, sind in Gegenwart des Majors und Kapitäns zu ihr zu lassen. In der unter der Gräfin Fenster nach dem Tiergarten zu liegenden Wachtstube muß Tag und Nacht ein Unteroffizier mit der nötigen Mannschaft verbleiben , damit von den Fenstern nichts heruntergelassen oder hinaufgezogen werden könne. Während der Nacht muß der Leutnant auf der Wache bleiben. "Alle zwei Stunden muß ein Offizier visitieren u. s. w."
Schloß Stolpen und die Gräfin Cosel. 1379
die Romane einstimmig versichern, daß sie nach dem Tode August des Starken 1733 hätte freikommen können , aber die Liebe zum alten Schloßturm hätte sie bewogen, dort zu bleiben . Erst der 31. März 1765, an welchem Tage sie in einem Alter von 85 Jahren zum ewigen Frieden einging, brachte ihr die Befreiung ihrer Haft , die sie so sehr ersehnt hatte, daß sie sogar testamentarisch bestimmte, auf dem Schafberge zu Langenwolmsdorf bei Stolpen begraben zu werden. Aber auch nicht tot sollte sie die Feste Stolpen verlassen ; sie wurde in der Schloßkapelle beigesetzt , wo man im Jahre 1881 erst ihr Grab wieder entdeckte. Also auch nicht ihrem Leichnam wurde die Festungshaft erlassen. Mit ihrem 36. Jahre wurde sie ausgestrichen aus dem Buche der
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liebten Gräfin von Cosel fünftig erzeugenden Kinder männlich und weiblichen Ge schlechts vor Unsere rechte, natürliche Kinder kraft dieses erkennen, leben auch der gewissen Hoffnung, daß auf den Fall, der in Gottes des Allmächtigen Händen stehet und Unš nach seinem allerheiligsten Rat und Willen begegnen kann, da Wir dieses Zeitliche mit dem Ewigen verwechseln , Unseres Churprinzens und übrige Nachfolger in der Chur, diese Unsere geliebte Gräfin von Cosel und die von uns mit derselben erzeugten Kinder hiervor erkennen , selbige bei dem gräflichen Stande und demjenigen, was sie von uns oder sonst an Lehn und Erbe, beweg und unbeweglichem Gut erhalten, geruhig lassen, die Succession unsern natürlichen Kindern in solchen gestatten, auch selbige auf begebende Fälle bei Unferm Lehnhof der widrigen Observanz ungeachtet, damit belehnen, in mehrerer Betrachtung, daß dieses alles im Romischen Reich nicht ungewöhnlich auch Zur strengen Handhabung dieser Instruktion wurde die Besatzung von bei des Gottseligen Churfürsten zu SachStolpen bei Ankunft der Gräfin um sen Friedrich III. und nach dessen Tode also beachtet worden. Zu dessen Ur40 Mann und vier Unteroffiziere unter Führung des Hauptmanns Lauterbach kunde haben wir diese mit gutem Beverstärkt, und der Hauptmann Heinecke dacht aufgefeßte Deklaration und Ver: ordnung Unserm Geheimten Rats Colwurde außerdem zur besonderen Aufsicht der Gräfin nach Stolpen geschickt. legio versiegelt überreichet, auch selbige Unserer geliebten Gräfin von Cosel zu. Welches waren denn die Verbrechen dieser Gräfin von Cosel, daß sie ohne gestellet und ist Unser Wille und MeiUntersuchung, Verteidigung und Urteil nung. daß hierbei in fünftigen Zeiten zu lebenslänglicher Haft gezwungen festgehalten werde. " wurde? In einem Vortrage des geDieses Dokument hatte die Cojel im geheimen dem ihr durch ihre Großheimen Konzils zu Dresden vom Jahre 1723 , nachdem die Cosel also schon mutter , eine geborene von Rangan, verwandten Grafen Detlev von Ranzau 7 Jahre gefangen saß , heißt es : „ es seien dem treu gehorsamsten Ministerio durch den Hofrat Strik zur verwahr lichen Beilegung in dem Familienardjiv die eigentlichen Ursachen , warum die Gräfin mit Arrest belegt, so genau und zu Drage übergeben. Außerdem hatte zuverlässig nicht bekannt , aber auch aber der König ihr versprochen, ob aud nicht wissend, daß sie etwas Krimischriftlich, darüber findet sich im Staatsnelles oder so etwas Enormes beganarchiv jest nichts mehr , sie nach dem Gräfin Gofel (S. 1377). Tode der Königin als Königin anzu gen, weshalb sie mit ewigem Gefäng nis bestraft zu werden verdiene. Wenn erkennen und ihre Kinder als legitime sie etwa darum gefangen säße , daß man Lebendigen durch Menschenhand und sollte Prinzen und Prinzessinnen zu behandeln. derselben wegen ihres gegen verschiedene nie wieder Aufnahme darin finden. Und Es geht daraus hervor, daß Gräfin Coſe! Leute unternommenen ungebührlichen Be- zehn Jahre vorher hatte ihr derjenige Fürst, ein Weib von Charakter und Willenskraft zeigens und andere dergleichen Dinge dem sie dieses Lebendigbegrabensein ver war, die nicht leichtsinnig die Rolle einer willen gleichsam einen Zaum anlegen dankte, folgendes Dokument überreicht : Gräfin von Teschen oder von Königsmart wollte , so könnte diese Bestimmung auch Wir , Friedrich August , von Gottes übernahm , sondern auch ihrer Ehre und bei Kräften bleiben bei ihrer Befreiung, Gnaden König in Polen u . s. w . urkunden ihrem eignen Gewissen gegenüber eine: wenn man sie genüglich einschränke." Und hiermit demnach vor Unserm chursächsischen Halt und eine Rechtfertigung verlangte. nach siebzehnjähriger Gefangenschaft , im Oberkonsistorio zu Dresden Frau Konstan- Daß hierbei ihr eigener Vorteil ins Epic! Jahre 1733, nach dem Tode August des tia Gräfin von Cosel geb. von Brockdorf kam, kann uns nicht abhalten, sie nicht ::: Starken, bittet sie, die Gräfin, den Kabi- von ihrem vormaligen Ehemann, Unserem jenen leichtsinnigen Mätressen zu zählen nettsminister Grafen von Wackerbart , er wirklichen Geheimen Rat und lieben ge- welche größere Summen verschlangen möge ihr fund thun , was sie begangen treuen Herrn Adolf Magnus Freiherrn von ohne sich ein Gewissen habe, was das Mißfallen des Königs er Hoym vermöge Reichs und Land üblicher machen. Auch ihre Ehescheidung ist nicht regt , sie sei sich feiner Schuld bewußt. Gesetze und Rechte der Ehe halber gänzlich so plöglich erfolgt , wie die Romane a Sie erhielt keine Antwort. Das Verfahren geschieden worden, Wir aus genugsam erzählen. Zur Zeit des Karnevals 1705 gegen sie ward so geheim gehalten , daß heblichen und sonderbaren Ursachen Uns lernte August der Starke sie in Dresden selbst der Baron von Pöllwitz, dessen erste dieselbe nach Art der Könige in Frankreich auf einem Hofball kennen, nachdem sie ih Ausgabe des La Saxe galante 1734 er- und Dänemark, auch anderen Souveränen Gemahl , der Minister von Hoym , fünf schien, keine Kenntnis davon hatte, obwohl in Europa als Unsere legitime épouse bei Jahre lang auf seinem Gute in Oberer in Hofkreisen lebte; er erzählt, die Gräfin legen lassen, derogestalt, daß wir in Kraft lichtenau bei Pulsnitz in der Einsamkei: von Cosel lebe auf den Gütern ihres eines ehelichen Eides versprechen und halten erhalten, um sie nicht dem verführerischen Schwiegersohnes , des Grafen von Friesen. , wollen, dieselbe herzlich zu lieben und be: Treiben am Hofe auszusehen ; nur durc Bis nach ihrem achtzigsten Jahre finden ständig treu zu verbleiben. Dahero wollen eine List, man erzählt, durch eine ihm auf sich im Staatsarchiv zu Dresden Gesuche Wir solches hiermit vor Unserm Geheimen gedrungene Wette von 10000 Dukaten. von ihrer Hand um Freilassung, während Rat deklarieren und die mit Unserer ge- war ihm der Befehl zur Abreise seine:
Oskar Wilsdorf.
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Schloß Stolpen und die Gräfin Cosel. 1382-
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mahlin nach Dresden abgedrungen wor- finden sich Protokolle von Flemming über | halb tadeln und ihren politischen Ansichten 1; aber erst am 8. Januar 1706 erfogte Unterredungen, die er mit ihr hatte ; das nicht beipflichten ? Eine andere Niederschrift Flemmings Chefcheidung, in welche die Gräfin nur erste Protokoll datiert vom 29. November h vielen Kämpfen und Bestürmen seitens 1710. Bei dieser Unterredung handelte über eine Unterredung mit der Gräfin Königs willigte, nachdem schon auf der es sich um nichts Geringeres als um den Cosel aus dem Jahre 1712 füllt 33 Foliochaelismesse in Leipzig 1705 der König Religionswechsel des Kronprinzen. Die seiten. Die Gräfin macht dem Minister Minister von Hoym erklärt hatte, es Gräfin beklagt sich bei dem Minister dar- Vorwürfe , daß er den König zu Dingen endiere dero Leib und Leben von dieser über, daß man letteren zum Opfer aus verleite, sie möchten recht oder unrecht atur Besiz und sei es ihm, als wenn ersehen habe ; sie sagt in diesem Protokoll : sein. Sie sagt: Herr Graf, hat Er kein bezaubert wäre. " Ichweiß nicht, was die Absicht des Königs Papier bei sich ? Ich will ihm weisen, Sie muß allerdings bei ihren geistigen ist. Er hat nichts von Polen und kann wenn dies Papier gebrochen und man zügen und ihrer gesellschaftlichen Bil nicht hoffen , daß sein Sohn ihm nach schreibt den Vortrag weitläufig darauf g- sie war in Depenau 1680 geboren folgen werde nach einer so unglücklichen und der König resolviert , so kann man mit dem 15. Jahre mit Sofie Amalie, Regierung wie die des Königs. Die Polen ja zwischen den Vortrag so viel hineinhter des Herzogs Christian Albert von müssen einen Polen zum König haben, schreiben , als man will , und kann solche stein- Gottorp , welche den Erbprinzen ebenso wie die Engländer einen König für des Königs Resolution ausgeben, just Wilhelm von Braunschweig- Wol- aus ihrem Volke. Sie haben einen großen maßen der König doch nicht alles schreibt, üttel heiratete, an den Hof zu Braun Fehler begangen , als sie einen Fremden sondern nur unten seinen Namen seßt. " eig gekommen auch eine außer wählten. Nichtsdestoweniger will der König Auch über die auswärtige Politik klagt ntliche Schönheit gewesen sein. Baron seinen Sohn zum Opfer bringen und ihn sie und schildert in rechtem Lichte die rusBöllwit gibt von ihrem Aeußeren auf eine ganz eitle, unbegründete Hoffnung sischen Bestrebungen. Flemming und seine Kreaturen mußten freilich durch Ende Beschreibung : Sie hatte ein längliches folches Auftreten befürchten, cht, eine wohlgestaltete Nase, ihren Einfluß auf den König fleinen Mund, vollkommen und ihre Stellung zu verlieren. und beschlossen deshalb , die e Zähne , große, schwarze, nde und spisfindige Augen, Gräfin zu stürzen. Durch die jahrelange Gewohnheit ihres ihre Züge waren zärtlich, Lächeln reizend und ver Umganges, durch ihre Schönheit, end, die Liebe in dem Innerihre Unterhaltungsgabe und ihren Witz hatte die Cosel allerer Herzen zu erwecken. Ihre e waren schwarz , Hände dings den König so gefesselt, Arme trefflich gebildet, die daß man unbedingt annehmen e ungemein natürlich, weiß konnte , daß dieses Verhältnis rot. Ihre Leibesbildung ein bleibendes sein werde, und e als ein Meisterstück anden Feinden der Gräfin ist es en werden. Ihre Mienen nicht leicht geworden , sie aus dem Herzen des Königs zu vermajestätisch, und sie tanzte ORELL FUSSL CE größten Vollkommenheit . " drängen. Vielleicht, daß die Bas war nun die Ursache, Gräfin etwas zu sehr auf ihre Bimmer der Gräfin Cofel auf Schloß Stolpen. Die Gräfin Cosel, ausge Macht über den König vertraute ; mit allen nur denkbaren sprach sie es doch selbst ihren igen, doch nur eigentlich sieben Jahre hin zur katholischen Kirche übertreten lassen. " | Feinden gegenüber aus, 24 Stunden ihrer ihre Stellung behaupten konnte und Sie fordert bei dieser Unterredung den Gegenwart würden genügen , um alles, ein Ende fand , wie es härter und Minister auf, dem energisch entgegenzu was diese in einem Jahre gegen sie gebaut, cer nicht gedacht werden konnte ? treten ; sie hält ihm vor , sein Gewissen über den Haufen zu werfen. Wohl hatte Geistesanlagen führten sie in ihren müßte ihn dazu veranlassen, sie wisse wohl, sie recht, aber ihre Feinde wußten es zu auungen und ihrem Denken nur zu bald er werde ihr erwidern , er sei nicht Mi- fügen, daß diese vierundzwanzig Stunden, 3 über die Geistesöde und Geistes - nister des Gewissens , sondern des Staates, so heiß von ihr ersehnt, nicht kamen. , die an dem Hofe des Königs aber es sei dies auch eine ernste StaatsIm Winter 1712/13 reiste der König te. Jene Minister und Hofleute angelegenheit , denn wenn der König den nach Polen , wohin sie ihn diesmal nicht en keinen andern Zweck, als ihre Kronprinzen nach Polen mitnähme , wie begleiten konnte. Sofort eröffneten ihre tkassen zu bereichern und den König es seine Absicht sei, würden sich die Eng- Feinde im Bunde mit den Polen ein lebdie nötigen Zerstreuungen und Ver- länder, Holländer und alle protestantischen haftes Intriguenspiel gegen sie, indem sie ngen von den Regierungsgeschäften Fürsten Deutschlands von ihm abwenden ; zunächst versuchten, das Herz des Königs nken. Der Minister von Flemming, die katholischen deutschen Fürsten spiegelten der Gräfin von Dönhoff zuzuwenden . Der r 1728 starb, hinterließ 16 Millionen zwar dem Könige vor, daß sie ihm, wenn König durchschaute ihren Plan, ging darauf , davon seine Witwe 8 Millionen fein Sohn katholisch würde , große Hoff ein, in der festen Gewißheit , daß niemand niglichen Kammer, als unrechtmäßig nungen im Deutschen Reiche eröffneten, die Gräfin Cosel ersehen und verdrängen en, zurückgeben mußte. Die Gräfin allein dies sei eine Schimäre und ihnen könne. Und dochsollte dies sehrbald geschehen. Im Juli 1713 schreibt der Graf von Visthum Cofel erkannte das Treiben dieser sei hierin nicht zu trauen. sehr bald , und ihre Liebe zu dem So weit entfernt war damals noch an den Minister Flemming in Dresden : und ihr Gerechtigkeitsgefühl trieb die Politik von gewissenhafter Ehrlichkeit "1 Mit der Frau Gräfin von Cosel scheint es u, sich in die Regierungsgeschäfte zu und Redlichkeit , daß der Minister Graf wohl aus zu sein . Der Herr Oberhof1, wodurch sie allerdings das ganze Flemming selbst in jenem Protokoll schreibt, marschall bezahlt sie am allerbesten , er on Hofbeamten und Ministern gegen er habe der Gräfin erwidert, daß er nicht ist derjenige, der sie am meisten verfolgt. kam und endlich ihren Intriguen Minister des Gewissens , sondern des Staates Es ist keine Extremität , wozu er dem egen mußte. sei. Daß aber die Gräfin gegen solche König nicht ratet ; man weiß noch nicht nite Kämpfe hat die Gräfin Cosel Staatsmänner ankämpft , obwohl sie sich eigentlich das Ende von ihrem Sort. Bis em Minister Grafen Flemming wegen bewußt ist, sich dadurch Feinde zu schaffen, dato heißt es, daß sie ihr gehabtes TrafFinmischung in die Staatsgeschäfte die mit mächtigen Mitteln ihre Stellung tement behalten soll und kann leben, wie Im Dresdener Staatsarchiv be- untergraben, wer von heute wollte sie des wird wollen, allein kein Commercium will
Oskar Wilsdorf. 1384man nicht mehr mit ihr haben. Ich habe schon dieserhalben meine Gedanken aus Leipzig Ew . Exzellenz entdeckt, traue aber der Feder nicht zu , solches weitläufig zu thun , unterdessen bin ich sehr impatient, dero Meinung hierbei zu wissen." Jener Oberhofmarschall war der Graf v. Löwen thal ; er hatte gehofft , die reiche Gräfin Cosel nach ihrem Sturze zu heiraten ; diese hatte aber seine Liebesanträge, man sagt, mit einer Ohrfeige beantwortet. Die Cosel hatte unterdessen durch ihre Boten erfahren, wie es in Warschau stand , und sie hielt es für das beste , Dresden zu verlassen und zum König selbst zu reisen. Ihre Feinde aber brachten die Nachricht nach Warschau und sie wußten mit Hilfe der Gräfin von Dönhoff den König zu bewegen, die Gräfin, noch ehe sie Warschau erreichte, zur Rückkehr nach Dresden zu zwingen. Nikolaus von Montargon und der Oberst de la Hay wurden mit einigen Gardisten im Eiltritt ihr entgegengeschickt, umsie in Güte oder mit Gewalt nach Dresden zurückzuführen. In dem kleinen polnischen Städtchen Widowa traf sie mit dem Kommando zusammen. Sie drohte Montargon mit einem Pistol den Kopfzu zerschmettern, und noch später schrieb sie, daß sie besser gethan haben würde , ihn zu töten und nach Warschau zu gehen, als gehorcht zu haben. Aber durch gütige Vorstellungen ließ sie sich bewegen umzukehren . Von nun an war ihr Schicksal entschieden, sie follte den König nicht wieder sehen. Dieser beabsichtigte, im Dezember 1713 nach Dresden zurückzukehren. Es lag nicht in seinem Plane, die Gräfin Dönhoff mit da hin zu nehmen, aber die Feinde der Cosel wußten lettere zu bestimmen, beim König dies Verlangen zu stellen und weitere Verfolgungen der Gräfin Cosel vom Könige zu erzwingen. Dieser beauftragte nun bald den Grafen Flemming, der Cosel zu eröffnen, daß sie Dresden zu verlassen und sich nach Pillnig zurückzuziehen habe. Am 30. November 1713 schreibt die Gräfin an ihre Mutter: „ Der König ist sehr zu beklagen, er ist in üblen Händen , von Leuten, die nur ihreFortuna machen wollen, umgeben. Ich bin vielleicht die Einzige,
Schloß Stolpen und die Gräfin Coſel. 1385
die es recht zu Herzen nimmt, weil ich ihn mehr geliebt habe als meine Seele und ihn auch in Ewigkeit nicht vergessen werde. " Noch bleibt sie aber in ihrem Palais am Taschenberge wohnen; da kommt am13. De zember von Warschau der Befehl, es soll der Gang, welcher vom Schlosse über das Ballhaus zum Palais der Gräfin führte, schleunigst abgebrochen und die Wachen vor dem Palais weggenommen werden. Endlich nach heftigem Drängen ihrer Feinde verläßt sie in letter Stunde vor Ankunft des Königs und der Gräfin von Dönhoff Dresden am 23. Dezember 1713 und geht nach Pillnit. Ihre Feinde am Hofe, vor allem Flemming , ließen ihr aber auch hier keine Ruhe und drangen weiter in den König, die Cosel zu verfolgen ; sie stellten ihren Aufenthalt in Pillnit dem Könige für gefähr lich hin und bestimmten letteren vor seiner Abreise im Juli 1714 , sie zu weiteren Verhandlungen und Verfolgungen der Gräfin zu bevollmächtigen, die namentlich darin gipfelten, die Cosel zur Herausgabe des Chedokumentes zu veranlassen. Dies verweigert aber die Gräfin entschieden und droht sogar , wenn man sie zwingen werde , Dinge zu erzählen, von denen es für König und Staat besser sei, wenn sie nicht besprochen würden. Nur langsam rücken die Verhandlungen vorwärts . Es scheint endlich , daß sie sich fügen will , denn ein Dekret vom 1. Dezember 1715 besagt, daß sie das Dokument herausgeben wolle , da verläßt sie plötzlich am 12. Dezember 1715 Pillnitz und flieht nach Berlin. Ungefährdet kommt sie dort an und schreibt am 14. Dezember an den Grafen von Waßdorf, sie wolle die Herausgabe des Ehedokumentes bewirken. Ihre Flucht nach Berlin beunruhigte die sächfischen Minister aufs höchste, da sie fürch teten , sie werde dort , eingeweiht wie sie früher in die politischen Verhältnisse gewesen, plaudern und manches verraten. Im August 1716 erhält deshalb auch der kursächsische Gesandte in Berlin, Graf von Manteuffel , den Befehl , die Auslieferung der Cosel an Sachsen beim Berliner Hofe zu beantragen und die Sache leb-
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haft zu betreiben , wenn man auch einige tausend Thaler an die Günſtlinge des Königs daranwenden müsse. Endlich im Oktober desselben Jahres war dies auch dem Gesandten gelungen. Die Gräfin Cofel, welche während der Michaelismesse in Leip zig nach Halle gereist war, um ihrem Leip ziger Geschäftsführer näher zu sein, wurde am 13. Oktober durch den preußischen Oberst von Winterfeld gefangen genommen. Am 27. Oktober eröffnete ihr August der Starke durch den Grafen von Wahdorf, sie würde ihre Freiheit wieder erlangen unter der Bedingung, sich nicht von Pillnih zu entfernen , wenn sie das Ehedokument ausliefere. Die Cosel blieb aber auch jetzt noch standhaft und verweigerte die Auslieferung , vielleicht , daß sie auch überzeugt war, daß der König von Preußen sie nicht an Sachsen übergeben werde. Wie sehr die Gräfin Cosel noch jest durch ihre Schönheit entzückte , geht aus folgendem Briefe hervor, den ein Augen zeuge, von Löen, von Halle aus schreibt: " Die Gräfin von Cosel sah ich von un gefähr in Halle, wo sie als eine vom Hofe verwiesene Liebhaberin des Königs sich hingeflüchtet ; sie hielt sich daselbst ganz ver borgen in einer abgelegenen Straße bet einem Bürger unweit dem Ballhause auf Ich sah sie etlichemal mit gen Himmel aufgeschlagenen Augen in tiefen Gedanken
ORELLFUSSLLC Johannisturm (S. 1877).
Blick auf Stolpen.
hinter dem Fenster stehen , sobald aber gewahr wurde, daß man sie b trachtete , so trat sie erschrocken zurüd Man kann keine schönere und e habenere Bildung sehen. Der Kummer der sie nagte , hatte ihr Angesicht bla und ihren Blick sehnend gemacht . S gehört unter die bräunlichen Schönen sie hat große, schwarze, lebhafte Auger ein weißes Fell , einen schönen Mun und eine fein geschnitte Nase . Sh
Oskar Wilsdorf. =1387 :
Schloß Stolpen und die Gräfin Coſel. 1388:
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ganze Gestalt ist einnehmend und zeigt | Adolf von Rangau , und dieser gestand | Testaments, welcher spricht : Segnet, die etwas Großes und Erhabenes . Es muß endlich ein, daß sich im Familienarchiv zu euch fluchen und thut wohl denen, die euch dem König nicht leicht gewesen sein , sich Drage ein mit fünf Siegeln verschlossenes, haffen. Wir wollen ihr das nicht ver an die Baronin von Hoym adressiertes argen ; wer 50 Jahre lang gefangen sigt, von ihren Fesseln loszumachen.“ Nachdem am 21. November 1716 noch Packet finde, welches sein Bruder, Detlev dem mag es wohl ein Trost sein, wenn einmal ihre Sachen untersucht, erfolgte am von Rangau , der jest in Spandau ge- sein reger Geist in irgend etwas Frieden 22. abends ihre Uebergabe an der säch fangen saß , dahin überbracht habe. Da und Beschäftigung findet. Daß sie förmlich sischen Grenze. Das erste Nachtquartier nun im Dresdener Archiv das Dokument zum Judentum übergetreten, bestätigt sich wurde in Merseburg, das zweite in Leipzig nicht wieder erwähnt wird , so ist wohl nicht. Interessant ist aber folgende Gegenommen. Hier bot die Cosel der Wirtin anzunehmen , daß es August der Starke schichte, welche Vehse im fünften Band in Neidhold 500 Thaler, wenn sie ihr gemeine erhalten und sofort vernichtet hat. Die seiner Geschichte der Höfe des Hauses SachKleider verschaffen und ihr forthelfen wolle. Cosel schreibt auch am 17. Juni 1717 , sen erzählt: Die Wirtin teilte dies aber dem Oberst sie habe erfahren, daß ihr Kontrakt ausDer Pfarrer und spätere Superinten mit, und zwei Offiziere blieben deshalb in geliefert worden sei , wie denn überhaupt dent Bodenschat in Uttenreuth im Baiihrem Schlafzimmer. Am andern Tage ihr Schicksal jezt in Händen von Leuten reuthischen erhielt einst einen Brief mit ging die Reise fort nach Nossen. Hier sei, welche Gott danken, daß sie kein Ge- 20 Reichsthaler, worin ihm ein angeblicher Borromäus Lobgesang aus Bischofswerde erkrankte sie sehr bedenklich, so daß der wissen haben. Leibarzt des Königs zu ihr gesandt wurde. Die Gräfin hatte vor ihrer Flucht von bei Stolpen Auftrag erteilt, ihm die Pirke Am 29. November schreibt eine Frau von Pillnig nach Berlin eine Anzahl Kisten Aboth aus dem Rabbiniſchen zu übersehen. Meggenburg anFlemming : ,, Die arme Cosel mit Pretiofen und anderen Kostbarkeiten Er besorgt das in wenig Tagen und er ist miserabel , so miserabel , daß es einen in Sicherheit gebracht ; es waren Koffer hält darauf sechs Dukaten Honorar nebſt Stein möchte erbarmen, sie hat die schwere in Teplit, Dresden, Hamburg und Berlin vielem Dank. Darauf werden ihm noch Not fort und fort. " Erst am 24. Dezember, und bei ihren Eltern in Depenau deponiert. mehrere hebräische Traktate zur Uebersezam Weihnachtsheiligabend, wurde von Nos- Da die Cosel jede Auskunft darüber ver- ung zugesendet, und er erhält jeden Bogen sen die Reiſe fortgesetzt. Ohne Dresden weigerte, gelang es nur nach vieler Mühe, mit einem Louisdor honoriert. Bodenschat zuberühren, ging es über Wilsdruff, Plauen diese Sachen wieder zu erlangen, und die war angewiesen, seine Briefe nach Dresden und Blaſewiß nach dem Schloſſe Stolpen. Kosten zur Ausfindigmachung und Herbei- zu adressieren und erfuhr auf Erkundigung, Aber kaum angekommen, erkrankte sie auch ziehung derselben betrugen allein 66558 daß ein Bote aus Schmiedefeld bei Bischofs-hier infolge ihrer inneren Aufregung wie Thaler 1 Groschen 3 Kreuzer. Die kost werde die Briefe sowohl bringe als abhole, vorher in Nossen , so daß der Leibarzt, barsten Juwelen übernahm der König für nach weiterem zu forschen, sei nicht rätlich. Hofrat Tropmeier aus Dresden , zu ihr 200000 Thaler. Das Gesamtvermögen, Endlich kam einmal eine Einladung von gerufen wurde. Der Hauptmann Heinecke welches durch einen Kurator verwaltet und dem unbekannten Briefschreiber zur perschreibt am 4. Januar 1717 nach Dresden : ihren drei Kindern erhalten wurde, betrug | sönlichen Bekanntmachung , das Reisegeld „ Ich habe von der Frau Gräfin bis 624934 Thaler 5 Groschen 10 Kreuzer. werde, wie auch geschah, erstattet werden. heriger Aufführung nicht anderes als miseAm 23. Juli 1727 kommt auch der Bodenschat kam nach Dresden und fuhr tabeles zu referieren, wie denn dero Zustand König von Pillnig nach Stolpen , um von hier nach Stolpen, wo ihm die Gräfin noch legthin , als der Hofrat Tropmeier Schießproben gegen die Basaltfelsen bei im vollen Ornate eines jüdischen Hohenhier war, mit der größten Compassion anzuwohnen; beinahe 20 Jahre vorher, 1708, priesters des alten Testamentes entgegenzusehen gewesen ist. Es scheint auch, als hatte er mit der Gräfin Cosel Stolpen trat. Die Cosel erwies ihm alle mögliche wenn ihr das Gedächtnis ziemlichermaßen besucht und mit ihr, die damals auf dem Auszeichnung und begehrte genaue Aufablegte und der Kopf bei diesen schweren Höhepunkte ihrer Macht und ihres Glanzes schlüsse über Stellen im Talmud, jüdiſche Zufällen ziemlich zerrissen würde , in Bestand, herrliche Feste gefeiert. Wie anders Gebetbücher und andere rabbinische Dinge. trachtung als sie nach vielen Stunden und heute, wo die Gräfin schon zehn Jahre in Er sollte die Stadtpfarrerſtelle in Stolpen geendigten Phantasien etwas wieder zu sich strenger Gefangenschaft saß. Sie erblickt erhalten, und die Gräfin hatte deshalb bei selbst kam, bitterlich an zu weinen fing vom Fenster aus den König und wagt dem Vater ihrer Schwiegertochter , dem und wie wir sie zu trösten um ferneren ihn anzureden. Wohl mögen eigentümliche Oberkonsistorialpräsident von Holzendorf, Elend vorzubeugen bemüht waren, sagte: Gedanken und Erinnerungen in seinem Her Schritte gethan. Die Sache kam aber nicht Wie hat Gott mich so verlassen , daß ich zen auftauchen , er grüßte mit dem Hute zur Ausführung, weil Bodenschaß von seiso gewaltthätiger Weise in meiner Feinde die Gräfin , gibt aber sofort dem Pferde nem eigenen Landesherrn, dem Markgrafen Hände fallen muß, denn gewiß durch meine die Sporen und jagt davon, ohne bei dem von Baireuth, befördert wurde und seine Missethat mir dieses nicht zugezogen habe. Kommandanten gespeist zu haben, wie es Frau, der er das Mysterium von der ob gleich 60jährigen , aber immer noch sehr Das Dokument, worüber man mich so sehr vorher geplant war. Am 1. Februar 1733 stirbt August der schönen Oberpriesterin mitgeteilt hatte, unquält , iſt nicht in meiner Macht zu verschaffen und hat der König zu der Zeit Starke in Warschau. Die Cosel erfuhr ruhig geworden ; sie fürchtete, ihr gelehrter mir selbst geheißen , es wohl aufzuheben. es durch das Läuten der Glocken im Lande; Eheherr könne in sie verliebt werden. Er Wer sollte denn glauben, daß eine Sache, sie legte schwarze Witwenkleider an. Im zog sich dann später von der Gräfin zurück, die mir von freiem und gutem Herzen übrigen aber trat keine Veränderung ihres da sie Dinge vorbrachte , die gegen die anvertraut worden, jest ein Vorwand sein Lebens ein, obwohl sie an August II. , an Lehre Christi und seine heilige Person gemuß, mich um Ehre, Gesundheit, Verſtand die Kurfürstin , an ihre Töchter , an den richtet waren. " Auch nach Aussage des Amtmanns Gülund Freiheit zu bringen?" Grafen von Wackerbart Gesuche um BeVier Wochen später , am 3. Februar freiung richtet . Ein Reskript von 1740 den in Stolpen hat die Gräfin in ihren 1717 , wurde dieser Hauptmann Heinecke besagt , daß der König aus bewegenden letzten Jahren sich einer strengen jüdischen von Stolpen abberufen, vielleicht weil er, Gründen zur Zeit Bedenken gefunden, sie Observanz unterzogen. wie dies auch aus jenem Briefe hervor in völlige Freiheit zu sehen. Endlich am 31. März 1765 erschien geht, Mitleid mit ihrem schweren Schicksal In den lezten Jahren ihrer Gefangen auch ihrer müden Seele der Engel der empfand. Er wurde durch den Hauptmann schaft ſtudierte sie eifrig das Alte Testament. Erlösung ; sie starb in einem Alter von Holm abgelöst, der eine sehr strenge Kon- Der Gott des Alten Testamentes , der die 85 Jahren , seit 1716 hatte sie Schloß trolle eintreten ließ. Sünde der Väter heimsucht an den Kindern Stolpen nicht verlassen ; so hat sie schwer, Von Dresden aus wurde nun alles bis ins dritte und vierte Glied, die Moral unsäglich schwer gebüßt nach sieben Jahren Mögliche gethan, um das betreffende Do- Auge um Auge , Zahn um Zahn schien des höchsten Glanzes und Glückes, Mittelfument zu erlangen. Es wurde ein ge- ihrem Charakter und ihrem Schicksale näher punkt des damals glänzendsten Hofes in wisser Götsche abgesandt an den Grafen zu stehen als der Gott der Liebe des Neuen deutschen Landen - ein halbes Jahrhundert
D. f. 2. Schmidt.
1390eingeschlossen in die engen Räume eines Festungstürmes. Wer empfände nicht Mit leid mit dem Schicksale dieses Frauen herzens ? Ihr Name aber verlockt noch heute jährlich Hunderte von Reiſenden zum Besuche der herrlichen Schloßruine Stolpen (S. 1375) und umrankt in Sagen und Romanen die düsteren , verfallenden Mauern und Türme.
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| natürlich und künstlich genährten , weniger Frauenmilch. Beide enthalten als m ins Gewicht fallen , ist für die Flaschentinder Nahrungsstoffe einen Eiweißkörper, dass die Möglichkeit an Verdauungsstörung und (Käsestoff), ferner Fett, Zucker und Sele dadurch hervorgerufenen Leiden zu Grunde mit dem Unterschied, daß in der Klub : zu gehen dreimal , ja oft fünf bis sechsmal | Gehalt an Eiweiß etwas höher , der an so groß als für Brustkinder ! und Zucker geringer, der an Salzen So recht treten diese Gefahren für das mehrfach höherer ist. Dazu kommt, findliche Dasein in die Erscheinung, wo, wie Rasein der Kuhmilch nicht so feinflee B. in bestimmten Bezirken Oberbayerns und Magen gerinnt wie das Kasein der Schwabens, beſondere veraltete Anschauungen milch , und weniger leicht verdaulich und Gewohnheiten in der Säuglingsernährung das leßtere. Wir begegnen dieſen Unter": herrschen. Erliegt doch dort, wo das Auffüttern | dadurch, daß wir die Kuhmilch mit des Säuglings mit dem Mehlbrei noch eine verdünnen , und den für die Ernähr Die gäng und gäbe Gewohnheit iſt , jedes dritte auch für den Geschmack ins Gewicht Kind im ersten Lebensjahr den Verdauungs- den Mindergehalt an Zucker durch Zucca künftliche Kinderernährung . erkrankungen, und wird faum mehr als die auszugleichen und dem entsprechenden Se Hälfte aller Säuglinge überhaupt ein Jahr hältnis bei der Frauenmilch wieder anu Von alt. Wenn man auf einer Karte unseres Erd : | ſuchen. Dieſe Verdünnung iſt zudem un Schmidt. Dr. F. A. teils in von hell bis zu dunkel abgestuften die Verdaulichkeit des Kuhkaseins von ... Schattierungen die geringere oder größere Die Erfahrung hat nun seit langem ge Kindersterblichkeit in den einzelnen Gegenden daß für die ersten Lebenswochen aus Gr. f mehreren seiner zahlreichen Darſtellungen aufträgt , dann ist dort in Schwaben und der Verdaulichkeit der Milch dieſe Berdi Au der Madonna mit dem Kinde hat unser Südbayern der schwärzeste Fleck von ganz eine größere sein muß , als sie dem re großer Albrecht Dürer den Vorgang wieder: Europa ! Grundsay : möglichſt gleichartige Wijd gegeben , wie Maria mit beglücktem Antlitz Das dunkelste Bild aber bieten die bei bei der Frauenmilch" entspricht , während das Christuskind häugt. Es ist damit jenem Fremden in Pflege gegebenen und dort mit erstarktem Verdauungsvermögen nach schönen Verhältnis die künstlerische Weihe ge- der Flasche aufgezogenen sogen. Ziehkinder ersten Lebenshalbjahr die Kuhmilch teur geben, daß die Mutter ihrem Kinde, welches dar. Starben doch im Landkreise Köln in den gar nicht mehr verdünnt zu werden k jie unter dem Herzen getragen , auch noch in Jahren 1875–82 von den dort untergebrachten Man gibt demgemäß in den ersten dreic den ersten zarten Lebensmonaten die Nahrung Ziehkindern 70–75 % im ersten Lebensjahre ! wochen die Kuhmilch mit drei Teilen , des eigenen Buſens reicht. Wird das Kind Während die Mutter in der Stadt womöglich waſſer verdünnt, in der 4. - 8. Lebenswoche mit 2 Teilen doch dadurch doppelt zu dem ihren! als Amme das Kind des Reichen zur GeſundLeider ist diese von der Natur beſtimmte | heit und Kraft herannährt , ſiecht daheim ihr im 3. - 4. Monat . . . mit 1 Teil Ernährung des Säuglings an der Mutter eigenes Kind unter der oft so lieblosen ja Im fünften und sechsten Monat breut:14 brust heute längst nicht mehr die Regel. Wohl mitunter ſtrafbar leichtsinnigen Pflege fremder ein drittel Waſſer zugesezt zu werden.19 weit über die Hälfte der jungen Mütter, ja Hände im Elend dahin. Nur deshalb werfen | ſiebenten Monat ab wird die Kuhmilch in den Großstädten noch viel weniger , ver- wir hier ein Streiflicht auf dieses Nachtbild, ichon unverdünnt vertragen. Man hat an Stelle des Zuder mögen bei uns in Deutſchland jener süßen um auch an dieser Stelle auf die BeaufſichMutterpflicht gar nicht oder nur unvollkommen tigung des Ziehkinderwesens , wie sie zum einen Zusah von dünner, fein durd zu genügen : die Mehrzahl der Säuglinge muß Teil für so manches junge Leben von edel: Gerstenabkochung empfohlen, in der Ser daher ganz oder teilweise mit der Flasche, denkenden Frauen in Verbindung mit den sepung , die Gerinnung des Käſet oder wie man sagt, künstlich ernährt werden. betreffenden Behörden schon mancherorts aus: Ruhmilch im Säuglingsmagen dadurź Die Ursachen dieses Mißverhältnisses, geübt wird und allerorts eingeführt werden flockiger- und die Milch selbst so verde... zu machen. Ob dies in so hohem Grck welches übrigens durchaus nicht in allen sollte, hinzuweisen. Fassen wir alles Vorhergeſagte zuſammen, reicht wird, ſteht noch dahin ; that Ländern in gleichem Maße vorhanden ist, hat man mit Recht zum großen Teil in fehler: so steht uns also fest : daß eine Unzahl steht kein wesentlicher Unterſchied dania. hafter Art der Erziehung unserer weiblichen von Kindern , welche an der Mutter die Milch mit Zuckerwasser oder di Jugend suchen wollen. Man denke nur an brust gut gediehen wären , infolge | Gerstenschleim verdünnt wird. Wenn nur daran festgehalten wird , die übermäßige Ausdehnung aller Beschäf der künstlichen Ernährung an Vertigungen im Siten , sowohl in der Schule dauungsstörungen zu Grunde gehen. die Kuhmilch unbedingt der beste Eriş Cb es je möglich sein wird , durch Ver- die Muttermilch im ersten Lebensjać wie im Hauſe , ohne das Gegengewicht reichlicher und regelmäßiger Bewegung in frischer vollkommnung der künstlichen Ernährung der und daß ſomit alle anderen mehr oder we Luft ; ferner an die Unzweckmäßigkeiten in der Säuglinge die natürliche ganz und voll zu künstlichen Gemische , alle die vericht Kleidung, an die meist ungenügende Haut- ersetzen , das dürfen wir billig bezweifeln . Kindermehle, Kindersuppen u. s. w. ver pflege und so fort . Alle solche Verkehrtheiten Wohl aber können wir heute schon sagen, daß herein zu verwerfen sind. Es gibt gene können nicht anders als die volle körperliche die Ausbreitung richtigerer Grundsäge in der sondere Fälle, wo ihre Anwendung zeit Entwickelung der heranwachsenden Jungfrau Säuglingsernährung schon weithin schöne von Nußen sein kann – doch sollte dies und späteren Frau beeinträchtigen Daher Früchte gezeitigt und die Schädigungen in nur auf besondere ärztliche Anordnas auch auf dem Lande, wo jene Schädigungen folge der künstlichen Ernährung schon vielfach geschehen. Solche mit Mehl aufge nicht in dem Maße einwirken , die Zahl der herabgemindert hat. Es gibt in der That kein Kinder werden zwar hier und da ihre Kinder selbst stillenden Mütter verhält dankbareres Gebiet der allgemeinen Gesund- an Körpergewicht aufweisen , und dit nismäßig sehr viel größer ist wie in der heitspflege, keines, auf welchem so unmittelbar fett , aber fast durchgängig bleiben ſie ** Stadt. zahlenmäßiger Erfolg zu erzielen, so manches blaß und blutarm , und zeigen in i Wie aber die Mutter , welche ihr Kind schwache Leben zu erhalten und einem gefunden Lebensjahren eine hinfällige Gesundheit. * nicht selbst stillen kann , eine der schönsten Dasein zuzuführen ist, als die Säuglingser ist verkehrter als auf dies oder jens hinzuweisen, welches doch mit Kinders und reinsten Lebensfreuden entbehren muß, nährung. so wird ihr noch dazu doppelte Sorge und Nichts einfacher als hier von dem grund gut aufgekommten sei ! Wer zählt dent Kümmernis um das Gedeihen ihres Lieblings legenden Gedanken auszugehen : daß die welche dabei nicht gut aufgekommen zu teil, denn ganz ungleich mehr als Brust- Muttermilch , als der von der Natur be: Nun ist es aber nicht allein die fio finder sind die mit der Flasche aufgezogenen stimmte Nahrungsstoff für den Säugling, das Zusammensetzung, welche in dieser Frage Kinder dem Krankwerden im zarten Alter | Zdeal der Kindernahrung darstellt , und daß redet. Ja es sind wohl nur zum gett ausgesetzt. Die Thatsache steht nach allen daher unter den Ersagmitteln der Teil die oben erwähnten stofflichen Berita zahlenmäßigen genauen Erhebungen fest, daß Muttermilch dasjenige unbedingt das heiten zwischen der Kuh- und der Frauen die Sterblichkeit der künstlich ernähr beste ist, welches den Eigenschaften welche die trosdem und auch bei aller ? ten Kinder eine meist doppelt so große der Muttermilch am nächsten kommt. falt noch so große Gefährdung des fizi ist, als die der Brustkinder, und zwar Es ist die Tiermilch und für unsere Daseins infolge der künstlichen Ern sind es Störungen der Verdauung, Verhältnisse insbesondere die Ruhmilch, welche bedingen. Ein anderer, der unbefanzer welche die leste Ursache dieser größeren Sterb: als von der Natur gegebenes Gemisch den trachtung schon sofort in die Augen før lichkeit der Flaschenkinder bilden. Während besten und überall leicht zu schaffenden Ersay der Unterschied liegt noch vor. für andere Erkrankungen die Unterschiede darbietet. Zwar ist die stoffliche Zusammen ! Nämlich die Frauenmilch wird zwischen Bruſt- und Fläschenkindern, zwischen sehung der Kuhmilch nicht ganz gleich der der bar vom Busen der Mutter in den fire-
Von Normann Bodoe .A. Norwegen in Der von Hafen
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Körper aufgenommen ; die Kuhmilch dagegen | und führen dadurch Veränderungen der Milch, direkt krankheiterregend auf das Kind ein: hat eine ganze Reihe von Vornahmen durch Gärungs- und Fäulnisvorgänge herbei. Die wirken , eine der vornehmsten Ursachen der zumachen , ehe ſie vom Säugling endlich ge- bekannteſte und alltäglichste dieser Verände- großen Hinfälligkeit und Sterblichkeit bei den trunken werden kann. Sie wird aus dem rungen ist das Sauerwerden der Milch, eine künstlich ernährten Kindern erblicken. Mag Enter der Kuh in den Milcheimer gemolken, Gärung , welche einen Teil des Milchzuckers man nicht überall derselben Meinung sein dann in die Milchkannen umgegossen , muß zerseßt und in Milchſäure überführt oder schließ über den mehr oder minder großen Umfang weiterhin einen mehr oder weniger langen lich auch das Kasein der Milch zur Gerinnung gerade der hier besprochenen Schädigungen : Weg bis ins Haus transportiert werden, wird bringt. Man kennt heute eine ganze Reihe daß lettere in der That vorhanden sind und hier im Maßgefäß abgemeſſen , dann in das von Spaltpilzarten , und es gehören dazu dieselben sicher beseitigen, einen weittragenden Milchgefäß eingegossen und aufgekocht. Dann mehrere der allerverbreitetsten , welche das Fortschritt in der künstlichen Ernährung des erſt werden wiederholt am Tage kleine Por: Sauerwerden der Milch veranlaſſen können. Säuglings herbeizuführen bedeutet , darüber tionen entnommen, mit Zuckerwaſſer gemischt, Aber auch noch andere Veränderungen, wenn sind sich alle Urteilsberechtigten denn doch auſgewärmt und ſchließlich im Saugfläschchen auch seltener, kommen unter dem Einfluß_be- einig. dem Kinde dargereicht. stimmter Pilzarten vor : so das Blauwerden Es lautet daher unsere Forderung : dem Sagen wir kurz : die Muttermilch gelangt der Milch , das Fadenziehen der Milch, die Säugling nur pilzfreie Milch ! Nicht neu ist dieser Ruf : schon vor mehr ganz unvermittelt rein in den kindlichen Gerinnung der Milch ohne Säurebildung, Körper, die Kuhmilch iſt vorher allen mög endlich das Faulwerden der Milch ; lezteres ist als 20 Jahren versuchte Falger in Münster, lichen Arten von Verunreinigungen ein Vorgang , der sich, abgesehen von etwas demselben dadurch gerecht zu werden , daß er ausgefeßt. bitterlichem Geschmack , oft kaum bemerkbar die Milch aus dem Euter der Kuh unmittel Man braucht hierbei nicht vor allem an macht. Und doch schreibt man letterer Ver- bar in luftdicht verſchließbare Gefäße einmelken grobe Verunreinigungen zu denken. Aller änderung ein gutes Teil der so verderblichen ließ . Die Mängel dieses Verfahrens lagen dings kommen auch diese leicht vor. Man Sommerdurchfälle der Kinder zu ! Jedenfalls darin, daß Keime, welche schon dem Euter der denke nur an die ſchmußige Stallſtreu , auf iſt ſolche verdorbene oder sagen wir auch Kuh entſtammten , ſich ſo doch ungehemmt welchem die Kuh im Stalle lagert ; an die nur veränderte Milch für die kindlichen Ver- entwickeln konnten, und daß die spätere VerSchmußkruſten, welche sich oft genug an Unter- dauungswerkzeuge schwer zu bewältigen und dünnung , Aufwärmung und Umfüllung der leib und Euter der Kuh befinden. Frage man führt meist mehr oder weniger heftige Ver- Milch immer noch genug Gelegenheit zum ſich, ob immer und tagtäglich die volle Ge: dauungsstörungen , welche sich oft genug bis hineingelangen von Pilzkeimen bot. Der währ vorhanden , daß dieſer Schmuß ſäuber- | zur Gefährdung des zarten Daſeins des Kindes | richtige Grundgedanke dieser Versuche führte aber damals zu keiner Vervollkommnung ihrer lich entfernt wird, daß die Hände der melken: steigern, mit sich. Dann aber kann auch die Milch bloß praktischen Ausführung. Erst die weittragenden Person tadellos rein sind , daß sich die Melkeimer und Milchgefäße unter allen Um Ueberträgerin von Pilzarten sein, die, den Forschungen und Entdeckungen , welche ständen peinlich ſauber befinden . Wie leicht ohne die Milch ſelbſt zu zerſehen oder in ihr | bezüglich der krankheiterregenden Pilze in den und wie oft selbst größere Schmußteilchen in sich weiter zu entwickeln , mit der Milch in legten 12-15 Jahren gemacht wurden, ließen der Milch sich befinden, und bei dem undurch den Darmkanal des Säuglings gelangt, un den Gedanken der künstlichen Ernährung mit Richtigen Zustand der Milch ganz übersehen mittelbar Krankheit erregend auf das Kind keimfreier Milch wieder neu aufleben . Zwar werden, das kann man in einer Dampfmolkerei einwirken . Nun können solche Pilzarten ent: erneute man nicht mehr den Versuch, die gut gewahren. In großen Zentrifugen , wo weder von der Kuh ſelbſt herſtammen oder Milch, bevor sie an die Außenluft gelangt ſei, in kurzer Zeit 3–5001 Milch in Rahm und zufällig bei oder nach dem Melken von außen unmittelbar aus dem Euter der Kuh aufzuMagermilch gesondert werden , bleiben oft in die Milch gelangt sein. Was erstere Mög | fangen. Hat man doch ein einfaches für die gan; beträchtliche Mengen von Schmuß als lichkeit betrifft, so hat man bei Perlsucht der Milch unschädliches Verfahren , um die PilzRudstand zurück. Kuh und der Perlsucht liegt dieselbe keime, mögen sie nun schon dem Euter der Allein diese gröberen und für den Krankheitŝursache zu Grunde wie der so weit- Kuh entstammen oder bei oder nach dem Melken in die Milch gelangt sein, in ihrer findlichen Magen gewiß nichts weniger als verbreiteten Tuberkulose beim Menschen gleichgültigen Verunreinigungen fallen den Pilz dieſer Krankheit, den Tuberkelbacillus Entwickelung zu hemmen und abzutöten : das nicht allzusehr ins Gewicht , weil sie sich bei in der Milch nachweisen können . Es liegt ist das nicht allzukurz dauernde Kochen der einem so geregelten Betrieb , wie er in den also unbestreitbar die Möglichkeit vor , daß Milch. Ehe man auch nur eine Ahnung hatte, immer mehr entstehenden und oft muſterhaft | bei ungeeigneter Behandlung solcher Milch geführten Milchanstalten unserer Städte vor und die Perlſucht des Rindviehs ist weder so welche Rolle organisierte Gärungserreger, die selten noch stets bald erkannt Tuberkel Spaltpilze , bei der Zersehung der Milch herrscht, doch vermeiden laſſen. Weit verderblicher für die Gesundheit pilze lebensfähig in den Darmkanal des Säug: spielen, war es seit langem bekannt, daß das der Kinder ſind jene Verunreinigungen und lings gelangen und tuberkulöſe Erkrankungen, Kochen der Milch dieselbe eine Zeitlang wenig Beimengungen der Milch, welche sich auch die ja so häufig beim Kinde ſind, verursachen. stens vor Sauerwerden schüßt. Man wußte durch die ſorgſamſte Reinlichkeit , sei es beim Ebenso kann bei Maul- und Klauenſeuche der ferner, daß das Verderben der Milch am eheMelfgeſchäft, ſei es beim Transport oder be- Kuh sich der betreffende Pilz mit der Milch sten sich bei einer mittleren Wärme bis hinaus sonders bei der späteren Zubereitung der auf das Kind übertragen und dasselbe er über die Körpertemperatur , zwischen 15 bis Milch im Hauſe, wie sie bisher üblich war, kranken machen. Seit langem ist auch bekannt, 30 ° R., einstelle , dagegen bei kühlerer Tem nicht vermeiden lassen : das sind kurz gesagt daß die Milch einer Kuh, welche an Durch peratur hinangehalten werde. Es entsprang die Spaltpilze. fall leidet, auch bei den mit dieser Milch er- daraus der sachgemäße Rat , die zur KinderWir wissen : an der Oberfläche unseres nährten Kindern oft Durchfall hervorruft. ernährung bestimmte Milch erſt gründlich aufKörpers, unserer Kleider, unserer Geräte, all Daß es auch hier sich um die Uebertragung kochen zu lassen und dann kühl zu stellen. uberall haften Pilzkeime ; die Luft um uns einer und derselben krankheiterregenden Ur: Letteres iſt aber in den meiſten Haushaltungen ist stets crfüllt mit solchen. Wo nur tote sache und zwar eines Pilzes handelt , ist ein nur schlecht durchführbar, zudem würden aber alle die vielen Gelegenheiten, welche die Herpflanzliche oder tierische Stoffe oder Flüssig naheliegender Schluß. feiten , die solche enthalten , vorhanden sind : Nun können aber auch krankheiterregende | richtung der Milch für den Gebrauch des da siedeln sie sich an , vermehren sich und Pilze gelegentlich von außen in die Milch Säuglings , das Verdünnen, Umgießen ins leiten Umwandlungs- und Auflösungsvorgänge gelangen. So sind Fälle beobachtet worden, Milchfläschchen u . s. w., dem Hineingelangen ein, wie Gärung, Verwesung, Fäulnis u.s w., daß durch die Milch Typhus , Scharlach und schädlicher Keime bieten, nach wie vor bestehen. deren Bedeutung im Haushalt der Natur eine Diphtherie verbreitet wurden. In einigen Viel wirksamer erscheint der Vorschlag , der unermeßlich wichtige ist. Die vielgeſtaltigen dieſer Fälle waren angeblich die betreffenden | übrigens auch mit Erfolg schon ausgeführt Einwirkungen der verschiedenen Arten der Krankheitskeime in dem Wasser enthalten, mit worden ist , jedesmal , wenn das Kind Spaltpilze auf das menschliche Dasein im dem die Milchgefäße gereinigt worden waren, trinken soll , die dazu nötige Portion Milch juten und bösen hier auch nur anzudeuten und konnten auf diese Weise in die Milch noch einmal aufzukochen. Das Verfahren ist st nicht der Ort, wir haben es hier nur im gelangen . Solcher Möglichkeiten gibt es gewiß jedoch etwas umständlich und durch die jedesbefonderen mit ihrem Verhältnis zur Milch mancherlei, wenn auch nur in Ausnahmefällen malige Bildung einer auf Koſten des Kaseins ju thun. ſich einmal unzweifelhaft die Herkunft der der Milch entstehenden Kochhaut auch für den Dieses ist nun ein zweifaches . Einmal krankheiterregenden Ursache wird nachweisen Nährwert der Milch nicht unbedenklich. Die verschiedensten Versuche sind ferner ſt die Milch für eine große Reihe von Spalt lassen. ilzarten ein äußerst fruchtbarer Nährboden. Jedenfalls müssen wir in den Spaltpilzen, gemacht worden , die durch Kochen keimfrei Sie entwickeln sich in ihr, namentlich bei welche die zur Kindernahrung dienende Milch gemachte Milch auch keimfrei bis zum Gebrauch öherer Wärme ( wie z . B. an heißen Sommer: zersehen und verderben oder, ohne die Milch, zu erhalten und zwar durch geeigneten Veragen), oft unglaublich schnell´und maſſenhaft in der sie enthalten ſind, ſelbſt zu verändern, schluß. Aber bei all diesen Vorrichtungen, wie 59 89. II.
Dr. f. 2. Schmidt.
1396der Bertlingsche Milchkochtopf (beschrieben in Jahrgang 1883 II dieser Zeitschrift S. 625), der Milchkochapparat von D'Hesse in Schwarzen berg u. a. blieb immer die Notwendigkeit der jedesmaligen Entnahme kleiner Portionen dieser Milch, Mischung und Aufwärmung derselben vor dem Genusse, und damit noch immer die Möglichkeit der Verunreinigung mit Pilzkeimen. Was uns fehlte war ein Verfahren, das alle jene Möglichkeiten sicher ausschloß und ohne kostspielig und zeitraubend zu sein, dem Säugling die Kuhmilch fertig verdünnt und gewärmt genau so rein und pilzfrei liefert, wie dies bei der Muttermilch der Fall ist. Ein solches Verfahren haben wir heute, welches ebenso sicher als einfach ist. Es war Professor Soxhlet in München, der den glück: lichen Gedanken hatte, die Milch je nach dem Alter des Säuglings verdünnt und mit ent sprechendem Zuckerzusah versehen in den zum jedesmaligen unmittelbaren Genuß des Säuglings bestimmten Mengen in kleinen Flaschen keim- oder pilzfrei zu machen und keimsicher verschlossen zu halten. Angenommen, daß das Kind alle 21/2-3 Stunden etwa zu trinken gewöhnt ist, und zwar jedesmal 100-150 g (oder in späteren Lebensmonaten etwas mehr, bis zu 200 g), so würden für den täglichen Bedarf zehn Flaschen, jede mit 100-200 g Milch, je nach dem Alter des Säuglings in entsprechender Verdünnung gefüllt , in einem Kochtopf durch einfaches längeres Erhigen keimfrei gemacht, und durch einen sichern festen Verschluß auch vor Eindringen neuer zersehen der oder krankmachender Keime geschütt , ge: nügen. Damit wäre die Milch für den ganzen Tag fertiggestellt und brauchte nur die ver schlossene Flasche kurz vor dem jedesmaligen Gebrauch durch Einstellen in lauwarmes Wasser (40 ° R.) angewärmt und nun erst im Augenblick des Schenkens der Verschluß entfernt und durch ein peinlich genau gereinigtes Saughütchen ersetzt zu werden. In höchst einfacher Weise wird der von Sorhlet angegebene Apparat diesen Gesichtspunkten gerecht. Die Milch wird , wie sie frisch aus dem Stalle kommt, mit Zuckerwasser (oder Gerstenschleim) je dem Alter des Kindes entsprechend verdünnt und auf 10-12 kleine Glasflaschen verteilt. Diese Fläschchen werden dann noch mit einem durchbohrten Gummi pfropfen versehen und in einem Blech oder Drahtgestell in einen gewöhnlichen Kochtopf eingestellt (f . Fig. 1), der so weit mit Wasser gefüllt ist , daß dasselbe etwa bis zur Mitte der Fläschchen heranreicht. Das Ganze wird nunmehr aufs Feuer gesezt und so lange gekocht , bis das Wasser im Kochtopf etwa 20 Minuten lang am Sieden gewesen ist . Es ist dann die in der Milch enthalten gewesene Luft meist entwichen und es können nun die Fläschchen schnell keimsicher geschlossen werden, um dann nochmals 20 Minuten unter Ver schluß im siedenden Wasser zu bleiben . Dieser Verschluß wird , auf sehr einfache Weise be: wirkt, indem in die Durchbohrung der Gummistopfen auf den Fläschchen ein solider Glaszapfen fest eingestoßen wird (s. Fig. 2). Damit ist dann aber auch die Milch für den ganzen Tag fertig zubereitet. So oft das Kind trinken will, braucht man nur eins der Fläschchen erst in lauwarmem Wasser etwas anzuwärmen und an Stelle des Gummipfropfens, der nun erst im lezten Augenblick gelüftet wird, das Saug hütchen aufzusehen. Lettere müssen natürlich sorgfältigst innen und außen gereinigt sein und empfehlen sich ungleich mehr als die Saugapparate mit langem Gummischlauch, wie sie jest so viel gebraucht und auch von ein: zelnen Fabrikanten den Soxhletschen Appara : ten zugegeben werden.
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Auf zwei Punkte, welche in den bisherigen Gebrauchsanweisungen für den Sorhletschen Milchkochapparat gar nicht oder nicht genügend hervorgehoben sind ' ), möchte ich hier noch be: sonders hinweisen. Was zunächst die Mischung der Milch be:
Fig. 2. Kochtopf mit Flascheneinfah. trifft , so wurde nach dem früheren gewöhn lichen Verfahren die rohe Milch erst gründ: lich abgekocht und dann verdünnt. Durch dieses Abkochen verliert aber die Rohmilch eine gewisse Menge von Wasser , welches in Dampfform entweicht , und die Milch selbst wird in bezug auf ihren Gehalt an Nähr
b a Fig. 2. Keimsicherer Verschluß der Milchflaschen. stoffen weit konzentrierter. Beim Soxhlet schen Verfahren dagegen wird die Rohmilch selbst vor dem Kochen verdünnt. Es macht also einen Unterschied in bezug auf den Nähr gehalt der Milch, ob ich beispielsweise bei einem Kinde von 3-4 Monaten die konzen trierte abgekochte Milch mit der gleichen Menge Wasser verdünne oder die rohe Milch. In letterem Falle wird das Gemisch dünner und daher etwas ärmer an Nährstoffen sein. Dar aus folgt, daß man gut thut, bei Anwendung des Sorhletschen Kochverfahrens die Verdün nung der Milch etwas knapper zu nehmen, als es der üblichen und oben angeführten Regel entspricht und statt der Verhältnisse 1 Teil Milch zu 3 Teilen Wasser 1 " " " "I 2 1 " " " 1 Teil u. s. w. zu nehmen : 1 Teil Milch zu 22 Teilen Wasser 1 " " " " 11/2 " 34 1 " " " "1 " Sodann wird zuweilen geklagt, daß nach Verschluß der Fläschchen mit den Glaszapfen und Weiterkochen der Milch oft der Gummipfropfen nebst dem Glaszapfen von der Flasche abspringt, und beim nachherigen Deffnen des Kochtopfes die Flaschen so offen stehen. Dem 1) Eine ausführliche Darlegung des ganzen Verfahrens habe ich in demmitSchriftchen : „ Die fünſtliche des Säuglings teimfrei gemachter KuhmilchErnährung nach dem Sorhletichen Verfahren , Berlin und Neuwied 1888, L. Heusers Verlag, gegeben.
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kann man leicht dadurch begegnen , daß man nach vollständigem Verschluß der Flaschen etwas gelinder kocht und entweder die Thür zur Herdfeuerung öffnet, oder den Koch: topf ein wenig auf der Herdplatte zurückset. Wenn die Milch auch nicht die Temperatur von 100 ° C ., sondern nur eine solche von 95-100 erreicht , so wird der Zweck des Kochens : die Abtötung der in ihr enthaltenen Reime, doch in genügender Weise erfüllt. Im übrigen ist die Handhabung des ganzen Verfahrens durchaus nicht schwierig zu erlernen und nichts weniger als zeitraubend und umständlich. Der Sorgfalt, welche dazu notwendig ist, unterzieht sich aber eine Mutter gern zum Wohle ihres Lieblings. Daß das Verfahren aber in der That der oben auf gestellten Forderung entspricht : dem Säug: ling nur pilzfreie Milch ! davon kann man sich leicht überzeugen. Wochenlang hat sich Milch, verdünnt wie unverdünnt, in den Fläschchen des Sorhletschen Apparates vollständig unzerseht und süß erhalten und erwies sich auch bei genauester Untersuchung als durchaus keimfrei. Steigt bei längerem Stehen der leichtere Rahm empor , so ist durch einfaches Schütteln dies sogleich wieder ausge glichen. Mir ist ein Fall bekannt , wo eine Dame , die eine fünftägige Reise nach ihrem Wohnort am Kaukasus zu machen hatte, sich mit dem gesamten auf der Reise notwendigen Milchvorrat für ihr mehrmonatliches Kind in einer großen Zahl von Sorhletschen Fläschchen versah und ihren Kleinen so wohlbehalten, ohne jede Sorge um die bei einer solchen Reise so schwierige Beschaffung guter Kinder nahrung, nach Hause brachte. In der Schweiz hat man sogar schon begonnen , keimfrei ge machte Schweizermilch weithin zu versenden. In einzelnen großen Städten, so in der An: stalt von Stößler in Wien, D. Thomashoff in Düsseldorf u. a. wird jezt auch Kindermild in Fläschchen sterilisiert im großen abgegeben. Für die ärmere Bevölkerung , wo man die nötige Sorgfalt nicht erwarten kann , sowie in Haushaltungen, wo die Mutter fehlt oder sonstwie, sei es geschäftlich, sei es durch Krank sein an der nötigen Kinderpflege selbst be= hindert ist, ist diese erleichternde Art des Bezugs fertiger keimfreier Milch gewiß von großer Bedeutung . Im übrigen wird jede sorgsame Mutter es vorziehen, die Milchbereitung für ihr Kind selbst zu besorgen. Schon beginnt das Sorhletsche Milchkoch verfahren in immer weiteren Kreisen gewürdigt und eingeführt zu werden. Nach übereinstim menden Berichten von allen Seiten sind denn auch seine Erfolge ganz außerordentliche. In der That ist hier einer der Hauptvorzüge der Muttermilch, die Zuführung reiner keimfreier Milch nun auch für die künstliche Ernährung mit der Flasche gesichert , gesichert durch ein leicht zu handhabendes, einfaches und durch aus vorwurfsfreies Verfahren. Einer ganzen Reihe von Gefahren für die Gesundheit der Säuglinge ist hierdurch aufs wirkſamſte be gegnet und zwar mit einer Sicherheit unt einem Erfolg , der sich in segenbringende: Wirksamkeit neben die Errungenschaften stellen kann, wie sie auf einem andern Gebiete, der antiseptischen Wundbehandlung der Neuzeit, ebenfalls im Kampfe gegen schadenbringende Pilzkeime gewonnen worden sind.. Möchten auch diese Zeilen dazu beitragen, dem wichtigen Fortschritt in der künstlichen Kinderernährung wie er mit der Herstellung keimfreier Mild durch das Sorhletsche Milchlochverfahren ge geben ist, weiteren Boden zu gewinnen , zum Segen unserer Kinderwelt !
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Dr. Heinrich Obersteiner. Geisteskrankheiten . =1400-
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Wut und Zerstörungssucht aus, wobei er die Gesichts- und Gehörshalluzinationen - und zwecklos durch die Orte stürmt, den gleichen Charakter wie in Europa. Bemerkenswert erscheint es , daß in und jeder Vorübergehende seinem mör Bon derischen Anfalle ausgesetzt ist. Eine Ana- Amerika der dritte Teil der angemeldeten logie mit gewissen Wutanfällen bei Tieren Geisteskranken auf die Einwanderer kommt, Dr. Heinr. Dberfeiner. muß sich hier unwillkürlich aufdrängen. die doch nur den achten Teil der BevölUebrigens soll Alkoholismus die Haupt- kerung ausmachen. Man schreibt diesen. s ist eine vielfach ausgesprochene Mei- ursache dieser Krankheit bilden. Dagegen Umstand teils der bereits mitgebrachten mung, daß Geisteskrankheiten bei primi leiden die Rothäute Nordamerikas sehr an Disposition, teils dem Heimweh und den tiven Völkern nicht vorkommen, und nur einer Form der Melancholie , welche nach getäuschten Hoffnungen auf eine zusagende eine traurige Prärogative der Kultur bilden, deren gewaltsamer Transportierung in Cristenz zu . In Britisch- Guyana, also gerade unter ja mit dieser selbst beinahe in geradem entlegene Gegenden (zu KolonisationsVerhältnisse zunehmen. Nachdem man aber zwecken) beinahe immer eintritt, und durch dem Aequator , liefern die im Innern in den Geistesstörungen nun eine ana ihren Refler auf die Ernährungssphäre wohnenden Indianer gar keine Geistestomisch nachweisbare oder auch noch alsbald die Abmagerung zum Skelett und kranken in die Anstalt zu Berbice, und nicht nachweisbare Erkrankung des Ge- frühen Tod zur Folge hat. Es handelt die dortigen Aerzte behaupten, daß sie durch hirns erkannt hat, und zwar jenes Teiles sich hier um schwere Fälle von Nostalgie den so häufig vorkommenden Sonnenstich desselben, der den intelle'tuellen Funktionen oder Heimweh, wie sie bekanntlich auch in nie Geisteskrankheit entstehen sahen. Das vorsteht , so müssen solche Erkrankungen Europa bei Gebirgsländlern vorkommen, größte Kontingent bilden die eingewanüberall dort vorkommen können, wo dies wenn auch nicht so häufig und mit so derten Neger und die Kulis . Sehr häufige Ursache ist Trunksucht; das Opium aber Organ vorhanden ist , also auch bei den schlimmem Verlaufe. wilden Rassen- ja in gewissem Sinne Bei den auf einer höheren Stufe der ist viel weniger im Gebrauche als im selbst bei den höher organisierten Tieren. Gehirnentwickelung stehenden Negern findet Orient. Selbstverständlich bleibt es übrigens, daß sich, wie bei den Rothäuten, ein ähnlicher In Aegypten findet man häufig moradie Veranlassungen zur Entstehung einer dem Heimweh verwandter Zustand , den lische Ursachen des Irrsinnes , wenn auch Geisteskrankheit, sowie die Formen, unter man in Südamerika Banzo nennt , und der Genuß des Haschisch die meisten Fälle welchen sich diese äußert, je nach Organi- der sich schon viel mehr durch Hervortreten verschuldet. Bei Weibern handelt es sich sations und Kulturverhältnissen auch in psychischer Symptome äußert , während hier beinahe immer um unglückliche Ehe, hohem Grade verschieden sein werden. Die physischen Erscheinungen des Abmagerns Verstoßung von dem Manne und KinderBei dem färglichen Vorrate vorhandener und der konsekutive Tod viel später ein- losigkeit , bei Männern um religiöse AufVorstellungen und Gedanken-Aſſociationen treten. Auch kommt bei ihnen eine ganz regung und Kummer. (Einem hatte man in dem Gehirne der primitiven Völker eigentümliche Form der Manie vor, wobei seine Kuh genommen , weil er nicht acht ind kompliziertere Ursachen und Formen sie sich auf alle mögliche Art vor den Pfund statt zwei als Steuer zahlen konnte. der Erkrankungen , wie sie bei ausge Menschen verbergen. Sie laufen in die Ein Offizier hatte ein älteres Weib gebildeter geistiger Individualität ſich ent- Wälder, verkriechen sich unter Büsche und heiratet, dasselbe aber so sehr unter seiner wickeln können, überhaupt gar nicht mög verhungern lieber, als sich zu zeigen. Merk Erwartung gefunden, daß er darüber geisteslich. Die schädliche Veranlassung wird würdig war der Einfluß der Sklaven krank wurde.) Religiöse Exaltation entihre Wirkung dann mehr auf jenen Teil emanzipation. Wenn auch früher vielleicht steht oft durch angestrengte Studien des des Zentralnervensystems konzentrieren, mehr Neger geistes krank waren , als man Koran , und durch das Bestreben , „ ein welcher die Grenzscheide des Animalischen glaubte , indem ihre Herren sie aus Er Heiliger" zu werden. Eine eigentümliche und Humanistischen vermittelt , d. h. es sparungsrücksichten so lange zu Hause be Form ist auch die durch die Monotonie werden sich die Störungen mehr durch hielten , als sie zur Bewältigung ihrer der Eindrücke erzeugte Wüſtenhalluzination zerrüttende Krampfanfälle und Ernährungs mechanischen Arbeiten überhaupt verwendbar (Ragle) . anomalien zeigen, wobei es allerdings auch waren, so bleibt die Zunahme der JrrsinnsIn der Türkei ist es schwer, sich über an psychischen Effekten nicht fehlen wird, fälle nach der Emanzipation doch immer die Zahl der geiſtigen Erkrankungen einigerdie aber unter solchen Verhältnissen weniger eine sehr bedeutende. Die Ursache liegt maßen klar zu werden. Eine gewisse Verin die Augen springen . Hieraus erklärt wohl darin , daß die Leute nun für sich ehrung , welche die Bevölkerung und insich wohl auch die oben erwähnte, von selbst zu sorgen hatten , oft in Not und ſonderheit die betreffende Familie nach vielen gebildeten Reisenden behauptete An Elend gerieten , und leicht in Debauchen Landessitte dem Frren entgegenbringt, sicht des gänzlichen Fehlens von Geistes- verfielen , die ihnen früher nicht geduldet macht , daß die Männer nur dann der frankheiten bei den Wilden. Wir müssen wurden . Die ungewohnte Gehirnanstren ärztlichen Behandlung übergeben werden , es den eifrig betriebenen aber höchſt mühe- gung in obiger Beziehung, sowie bei der wenn ſie gefährlich zu werden beginnen vollen Untersuchungen der Fachgelehrten Ausübung ihrer Rechte als freie Männer, Frauen aber überhaupt sehr selten. Unter überlassen, ob es ihnen gelingen werde, scheint diese üble Folge für sie gehabt den Ursachen scheint der Genuß des Rafi und des Opiums , sowie mancher sonstiger die Unterschiede der Gehirnorganisation zu haben. verschiedener Rassen näher zu bestimmen, Die Frrenanstalt in Rio Janeiro liefert Erzeß vorzuwalten . Moralische Ursachen und wollen uns hier nur mit den Ur auch einen Beweis für die verschiedene verleugnen aber auch bei den Türken , wie sachen und Formen der Geisteskrankheiten Disposition der Raſſen zu Geistesfrank- bei den Aegyptern ihre schlimme Wirkung bei tiefer stehenden Nationen befassen , heiten . Ungeachtet dort alle unter den nicht und so ist religiöse Exaltation und wobei uns die Berichte der Reiſenden und selben Kulturverhältniſſen leben, so kommt Delirium - besonders bei den tanzenden und der in fernen Ländern domizilierenden doch nur ein Neger- und diese machen heulenden Derwischen — nichts weniger doch die Hälfte der Bevölkerung aus als selten. Einen Geisteskranken_fand_ich Aerzte als Führer dienen müssen. Wenn wir bei einer der primitivsten auf acht Jrre , während sich kein einziger in der Anstalt Soleimanich in Stambul, Rassen , den Rothäuten Brasiliens , be- Indianer unter ihnen befindet. Die große bei dem eine besondere echt türkische Urginnen , so finden wir bei ihnen , abge- Mehrzahl der Kranken bilden eben die sache eingewirkt. Derselbe war ein höherer sehen von der Wut des Haſſes, der Eifer- sogenannten Mamelucos - Enfants du Beamter , dessen Aufgabe darin bestand, sucht und der Rache , die troß ihres tob- pays und Europäer. Die Kreolen im türkischen Kalender die Unglückstage süchtigen Charakters doch nicht als eigentliche zeigen auch im Zrrsinne die Uebertriebenheit im vorhinein anzugeben. Diese allerdings Geisteskrankheit angesehen werden kann , ihres Charakters . Sie schwägen beständig schwierige Aufgabe war ihm durch ein den sogenannten Tupi Pya. Der davon von Duellen, Kämpfen und Reichtümern. paar Jahre vollständig mißglückt. Gerade Betroffene bricht nach furzem deprimierten Bei den Mulatten gibt es auch politische an den von ihm bezeichneten UnglücksVorläuferſtadium plöglich in die tollste | Redner unter den Frren. Sonst tragen tagen ereigneten sich Dinge , die für den Geißeskrankheiten.
Kronberg im Tannus. =1402-
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=1404-
Sultan und den Staat sehr angenehm | jenen Glücklichen, die im Innern des Landes , ist Kronberg durch die seit nahezu einem und vorteilhaft waren. Die Folge davon von den Fremden nichts wissen. Auch halben Jahrhundert anſäſſige Künſtlerkolonie, war eine Nase von seinen Vorgesetzten, die früher erwähnte häufige Erkrankung meist Frankfurter Maler , die ungestört von und seinerseits das immer eifrigere Be in den Goldgräberdiſtrikten ist ein Beweis , dem Geräusch der Großstadt in der friedvollen streben , in seinen prophetischen Angaben daß das Gehirn der Chinesen nichts we Ruhe jener Berge ihrer Thätigkeit nachgehen . der Wahrheit gerecht zu werden, welches niger als Immunität gegen Geisteskrankfruchtlose Bemühen ihn endlich geisteskrankheiten besige. Sie brauchen nur in die dier ,,bildet manch Talent sich in der Stille". Der Senior dieses Künstlerheims war der machte. Bezeichnend für die mohammeda Wirrnisse des Lebens hineingeriſſen zu nischen Frauen ist es, daß sie das Gefühl werden, und die geistigen Störungen treten Genremaler J. F. Dielmann, als Menſch ein Denker und ein Künſtler unter den Künſtlern . des Anstandes und der guten Sitte , fo- alsbald und in großer Anzahl auf. In den australischen Kolonien ist die An ihn reihen sich Namen , deren Klang in weit es das Verschleiern des Gesichtes betrifft , auch im vorgeschrittenen Stadium Ursache der nicht seltenen Geisteskrank der Kunst weit über die Grenzen Kronbergs des Irrsinnes nicht verlieren . Wenn der heiten oft schwer zu eruieren, teils wegen hinausgedrungen : wie der Prof. A. Schreyer, Arzt in der Jrrenanſtalt seine Viſite macht, der enormen Entfernungen, aus denen die Jakob Maurer, Ph. Rumpf, P. Burniß ; auch gibt er durch ein eigentümliches Klopfen Kranken in die Anstalten gebracht werden, Hugo Kauffmann verbrachte hier zehn Jahre. sein Erscheinen in der Frauenabteilung teils wegen der äußerst gemischten Be- Einer der Begründer der Kolonie , einer der fund. Auf dieses Zeichen hüllen alle Pa- völkerung, die aus Chinesen, Westindiern, bedeutendsten unter allen, ist der Meiſter tientinnen ihr Gesicht in den sogenannten Südsee- Insulanern und den australischen Schleierfreilich ganz ohne Rücksicht Eingeborenen zusammengesezt ist. Die in Anton Burger , ein geborener Frankfurter, auf die übrige Toilette, die oft im äußer- Europa so häufige Subsistenzlosigkeit und dessen Talent und deſſen anregender Verkehr ften Grad sorglos gehalten ist. Armut fällt wohl hier weg, dagegen gibt zahlreiche jüngere Elemente anzog. Burger In Persien hat Dr. Pollak während es andere Ursachen, die mit dem Kolonial- | hat vielfach Schüler ausgebildet , die teils eines zehnjährigen Aufenthaltes nur acht leben innig zusammenhängen. Ein beson direkt als solche Anschluß an ihn hatten oder bis zehn Geisteskranke gesehen , und bei derer australischer Krankheitserreger ist die unter seinem Einfluß sich bildeten ; zu dieſen diesen waren körperliche Ursachen nach Vereinsamung , und dies gilt nicht allein wären zu zählen : der Prof. W. Friedenberg, weisbar. Die angeborene Gleichgültigkeit vom Schäfer , sondern von sehr vielen die Maler Winter, Maas, Ph. Franck und der der Perser bewahrt sie vor moralischen Emigranten , welche mit wechselnder BeAufregungen aller Art. Ja sie nennen schäftigung herumwandeln , ohne sich an Tier- und Landschaftsmaler Adolf Chelins, sogar den Europäer wegen seiner Thätig- jemand anschließen zu können , und dann der seit 1882 den Aufenthalt in Kronberg keit und seines rastlosen Strebens Di- leicht von Verfolgungswahn befallen wer- mit dem in der großen Kunſtſtadt München wanch , was so viel als „ etwas verrückt" den. Die Goldminen liefern selbstver- | vertauſcht hat. bedeutet. ständlich genug Kranke, und man betrachtet Dieser Künstlerkreis in erster Linie, dann Bei den Chinesen herrscht in Beziehung dort überhaupt schon die Goldgräber als aber auch die interessante Lage des alten auf Geisteskrankheiten ein sehr großer Unterhalbe Narren " . Im ganzen ist das Zahlen Städtchens und sein gesundes mildes Klima schied zwischen jenen, die zu Hause, und verhältnis der Frren zu den Gefunden sind seit langem der Anziehungspunkt zahl: jenen, die in der Fremde leben. In Neu- nahezu wie in England. Süd-Australien, reicher Fremden und manche angesehene FrankSüdwales befanden sich 1879 in den Asylen das eine glücklichere Verteilung und bessere 47 irre Chinesen, d. h . einer auf 140 der Lebensweise der Einwohner besißt , macht furter Familie hat hier ihre Villa , um die chinesischen Bevölkerung . Diese erschreckende eine sehr vorteilhafte und günstige Aus- Sommermonate, statt sich den Strapazen einer Anzahl erklärt Dr. Manning daraus, daß nahme von dem Reste des Landes. Schweizer- oder Tirolerreiſe auszuſeßen , auf die Glücklichen, die in den Goldgräbereien In den arktischen Regionensind Geistes- eigenem Grund und Boden in Kronberg zu ihren Vorteil gefunden, nach China zurück- krankheiten sehr zahlreich. Die Grönlän zubringen. So reiht sich Beſigung an Beſißung, kehren und nur die erfolg und hoffnungs- der, Isländer und Lappländer sind wenig ein Kranz von Villen umgibt den traulichen lose Klasse der Chinesen zurückbleibt , die stens während der Wintermonate in einem Ort und es ist eine erhebende Empfindung, niemand haben will und die man dann, Zustand hochgradiger geistiger Depression, bei Sonnenuntergang von der Höhe des wenn sie erkranken , sogleich der Anstalt die sich leicht zur eigentlichen Melancholie Schloßturmes aus hineinzuſchauen in den übergibt. In China selbst find Geistes mit größtenteils religiösen Wahnideen. krankheiten sehr selten. Die ruhige fried steigert , wie das auch auf den Faröer Zauber der Landschaft mit ihrem reichen liche Lebensweise der Chinesen, der Mangel Inseln häufig beobachtet wird. Das lange Wechsel und Fluten von Luft und Licht, von heftiger Erregungen , ihre gemäßigte und Entbehren des Sonnenlichtes, die Mono Berg und Thal. Der schönste und zugleich enthaltsame Art sich zu nähren, bei welcher tonie der ganzen Szenerie, die Einsamkeit der umfangreichste Landſig in unmittelbarer Trunksucht kaum vorkommt, die Ständig und die lange , durch die Unbilden der Nähe Kronbergs ist jene Villa , welche dem feit ihrer sozialen Einrichtungen benimmt Witterung aufgezwungene Unthätigkeit sind verstorbenen Herrn Kommerzienrat Reis ge die Ursachen zu geistiger Störung. Anlaß schuld an dieser Disposition und den hier- hörte ; dieselbe ging vor kurzem in den Beſiş geben manchmal Begebenheiten , die uns durch bedingten häufigen Erkrankungen , 3. M. der Kaiserin Friedrich über und heißt lächerlich erſcheinen würden, z . B. Schrecken die manchmal ein Prozent der Bevölkerung seitdem Villa Friedrichshof , zum ewigen Anüber das Erscheinen kaiserlicher Soldaten ausmachen! denken an den erhabenen Monarchen. Die . oder Piraten, über eine Feuersbrunſt u . dgl. Villa war anfänglich für eine Heilanſtalt beGeldverluste und Liebesgram kommen selstimmt , konnte aus verschiedenen Gründen tener als Krankheitserreger bei ihnen vor, dagegen manchmal das anhaltende Beihrem Zwecke aber nicht zugeführt werden Kronberg im Taunus. auswendig zu mühen, ihre Klassiker und gelangte in den Besit des Herrn Kom:, lernen ! Es fragt sich nach all dem, ob in kleiner Ort von etwa 3000 Einwoh- | merzienrates Reis, der dieselbe erweiterte und nicht der Einfluß des Kontaktes mit den Eirnern, liegt Kronberg am Südabhange des in einen Herrschaftsſiß umwandeln ließ. Als Europäern und besonders den Missionären Taunusgebirges und wird mit der Eisenbahn das Jahr 1870 kam und die ersten Züge mit die Geisteskrankheiten doch häufiger mache, als sie sonst unter den ungestörten heimi- von Frankfurt a. M. aus in 40 Minuten er Verwundeten den Rhein paſſiert hatten, ſtellte schen Verhältnissen der Bezopften vor- reicht. Die arbeitſame Bevölkerung lebt haupt- der Besizer in hochherziger Weiſe ſein ganzēš famen. Gewiß werden durch religiöse sächlich vom Feldbau ; das Obſt und beſonders Schloß zur Verfügung der Leidenden und die Strupel und durch die Nähe europäischer die zahme Kastanie gedeiht, in ganzen Wal- weiten Räume verwandelten sich in ein großes Konkurrenten auch andere Gemütsbewe- dungen vereinigt, in ungeahnter Fülle. Her- Lazarett. Dadurch veranlaßt kam die damalige gungen bei ihnen erregt im Gegensaße zu | vorragend aber und von beſonderem Intereſſe | Kronprinzeſſin Viktoria nach Kronberg und
Albert Roderich. -1405
Fritze Kulasch auf der hamburgischen Gewerbe- und Induſtrie-Ausstellung. =1406= =1407--lächerlich ! Atteste , Plakate, brachte den auf den Tod verwundeten Tapferen | übergegangen und dürfen wir annehmen, daß | nehmen , ihre hohe Teilnahme entgegen , nach allen die neue Sommerresidenz Friedrichshof bei Bilder abgeschmackt ! Man ſchreibe, Seiten hin Gutes wirkend , allerseits verehrt Kronberg im Taunus einer der Lieblingspläte telegraphiere , telephoniere an Abimelech und geliebt. Die Säle , in welchen damals der trauernden Witwe unseres großen Kaisers Dunst, Rappelshausen ; Prokuristen telegraphieren sofort eingegangene Orders nach, ihre Fürsorge waltete, ſind jeßt in ihren Beſiß | Friedrich ſein wird . Eigenen Draht wenn auf Reisen bin. in allen größern Städten. Komme auch selbst , wenn gewünscht wird. Voriges Jahr 169 000 Mark für Ekstrazüge ausgegeben . Besize fänohmenahle Erfindungskraft. Habe Proben bei mir." „ Da möchte ich woll mal 'n Paar von Frike Kulasch sehn," sagte ich. auf der „ Gern. War in London. Mein Haus in Rappelshausen telegrafiert mir : Doctor hamburgischen Gewerbe- und Indußtrie-Ausstellung. Knorbor, Lomburdstried 751. Präsentiehre mich. Junger Arzt, soll ihm Kundschaft Mitgeteilt von besorgen. Gut. Während dessen wartet im Hotel Inhaber von Fairblad & Smok, Albert Roderich. -- Buch- und Steindruckerei . Schlechtes Geschäft, will meine Reklame. Auch gut. Beginne zu kommbiniehren. Kommbinichre 3 ist mir theilweise eine Ehre und ein | ' n Ehre sein. Bin Techniker, Jngeniöhr eine famose Idee für beide. Folgenden Vergnügen, als Berichterschstatter zu alles. Habe hier selber auch ausgestellt . " Tag steht in Teimes ' Inseraht : viehquriehren über die Ausschstellung in Das konnte mir passen. Ich laß aber Wir können für die nächsten Tage meiner lieben VaterschstadtHamburg. Wenn meine innerliche Genugthuung gar nicht keine neuen Arbeiten übernehmen , da Sie , Herr Redaktöhr , meinen , ich wär' merken und sag' so ganz oberflächlich : wir alle unsere Maschiehnen zur Her vielleicht nicht der richtige Mensch dazu, „ Darüber läßt sich fielleicht reden . Was stellung von Totenschein Formularen für weil ich nicht die reschpektiven technischen verlangen Sie denn dafür ?" „ Nichts , Herrn Doctor Knorbor gebrauchen. Wissenschaftlichkeiten für Induschstrie und gar nichts. Genügt mir , wenn mein Fairblad & Smok.' Gewerbe besigen thät', denn antworte ich Name in , Vom Fels zum Meer' erwähnt KnorborMister kommtSmok gestürzt. todtboren. bnen dadrauf mit einem fettgedruckten, wird. Müssen mich sehr oft erwähnen. mich„ Dr. kommtWill geweitschallenden: Cho ! Was der richtige Wollen Sie?" " Das will ich schon künstliche Krichtiker und Berichterſchſtatter thun. Aber mit wenn hab' ich denn rannt, will mich ohrfeigen. Lächle verächtlich , aber ruhig. Sage: bis morgen ist, der schreibt über alles , das ist ja eigentlich die Ehre ?" warten. Ganz London spricht von Dr. Nu hatte sich der fremde Herr bei grade die Kunst! Grad so wie der Maler, der Jenich und gute Pinsel hat , ebenso mir niedergeseßt , legte mir die Hand, Knorbor, dem Massenmörder. Folgenden aut ' n Engelstopf malen kann wie eine wo 'n großer Brilljantring drauf schsteckte, Tag steht in den Teimes ' : In unserer gestrigen BekanntmaSchafsnase. --- Uebrigens , Herr Redaktöhr, auf der Schulter und redete mit so'n chung ist ein bedauerlicher Irrthum können Sie sich in diese Hinsicht noch trockenen , ruhigen Tonfall : „Heiße Abienthalten. Der Arzt, für den wir die mehr beruhigen, denn Sie werden gleich melech Dunst. Bin 33 Jahre alt. Totenschein Formulare herzustellen haelf verschie sehen, daß meine Brawuhr und Menschen Spreche elf Sprachen , ben, ist nicht Dr. Knorbor. tenntniß mir eine Persöhnlichkeit unter dene Sprachen sogar. Bin Reklamiſt. Fairblad & Smok.' den Fingern gebracht hat , welche erstens Mache Reklamen. Wofür? Für alles . Bei Fairblad & Smok sind den Ele: dreßiehrte und Schuhzwekken " nicht von Pappe ist, und welche zweitens Für was Induschstrie und Gewerbe anbelangt, fanten , für Wurstfabrieken und Fliegen Tag 5221 Leute gewesen. Wollten nameine Berichterschstattung ganz famoſt papier, für Dichter und Leichdornoperatöhre, tührlich alle wissen , wer denn der Arzt auf den Beinen helfen wird. für alles. Hab's Geschäft von meinem wär'. Natührlich jeder was gekauft oder Das verhält sich nämlich in folgender Vater übernommen. Als geboren wurde, bestellt. Dr. Knorbor vorige Woche pomWeise. Ich size also in der großen Re- annoncirte mein Vater, wär der dreizehnte pöhse Villa gekauft. Kostet 21500 Pfund Müßte deßhalb wahrscheinlich Sterling. Auslagen : 10 Pfund Honorar stauratiohn, um mich für meinem Berufe Sohn . erst mal durch'n Glas Bier zu schstärken . sterben , da er sehr arm wär'. Reg an Abimelech Dunst. " Wie ich beim vierten Glas bin , nehme nete milde Gaben. Als 20 Jahr alt, „Herr Dunst, " ruf' ich nu,,, Sie sind ich mein Notizbuch ' raus und meinen übernahm ' s Geſchäft . Machte erste Re- ' n geniahler Onkel , und wenn Sie mit Bleischstift und fange an , ihn ordentlich Hame damit, womit sehr viele Menschen meine Wenigkeit die Ausschstellung besuchen anzuschpitzen, denn was für'n gewöhnlichen lette machen . Mit ' m Leichenstein. Ver- wollen, denn ist die Angelegenheit in den Dichter seine Leier ist , das ist für'n kaufte einer Steinmetzfirma das Recht, auf richtigen Geleihſe.“ ,,Gut. Aber alles müssen Sie wietüchtigen Berichterschstatter sein Bleischstift. meinen Familienleichenſtein Inschrift zu Nu hör' ich ein Husten und Räuschpern, sehen: dererzählen in Vom Fels zum Meer'. “ und wie ich aufsehe, erblicke ich einen lan- „Hier ruhn wir aus von allen ird'ſchen Plagen, " Von wegen der Reklame , Sie kleiner Schäfer, häh ?" - „ Natührlich ! Nu aber gen, mageren Herrn in einen großkarrierten, Hier ruhen wir mit Wonne und Behagen ; hellen Anzug vor mir. Er blinzelt mir Ach, so entzückend ruht man unter keinen los ! Zigarre rauchen , Kulasch? Was feines ! Importirte Klohrkali ominosa , mit seinen kleinen , grünlichen Augen zu Als unter Morit Meyers Leichenſteinen.“ und sagt : „Hm , Berichterstatter, wie ?" MoritzMeyer hat in ½ Monat 3791 Lei- kostet 975 Mark mit Seebeſchädigung. " "Oh ja," sag' ich schmunzelnd, ich rauche Jawoll, mein Herr ! " sag' ich und spite chensteine abgesetzt. " ,,Donnerwetter!" warf ich ein. „Und gern was Gutes. " Er giebt mir also ' n meinen Bleiſchſtift weiter. " Für welche Zei tung, wenn fragen darf?" , Vom Fels Sie wohnen hier in Hamburg , Herr Zigarre von ganz kollossahle Dimanjiohnen und ganz sonderbare Kulöhr , und ich zum Meer ; mein Name ist Friße Ku- Dunst ?" lasch!" Ah, so ! Münchener KunstGanz famost," sag' ich, „Nein. Reise auf Reklamen. Stamm schstecke sie an. ausstellung, wie ?" „ Zu dienen, mein haus in Rappelshausen. Wer meine Re- und lege meinen Arm gefälligſt in dem Herr , jawoll." Hm , famose Berichte ! klamen benutt , ist ' n gemachter Mann. seinigen. " Nu aber vorwärts ! “ Und dadermit schſtürzen wir uns in Hann Ihnen hier vielleicht dienen . Wird mir Bin's ſelbſt dadurch geworden. Patent
Albert Roderich. -1408-
Fritze Kulasch auf der hamburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung. =1409=1410-
der kollossahlen Menschenschströmung von sagt ganz erschtaunt weiter nichts als : allein 50 000 Abonnenten und außerdemige Non o kommpresso ! " Angtrééézahler. Dadrauf fängt mein Freund mit der Nu will ich aber als gewissenhafter Schwedin an zu reden, woran ich sogahr, Berichterschstatter hier erst ' mal , ehe ich obgleich ich's ja gar nicht nöthig habe, überhaupt was Einzelnes gesehn habe, auch ein Paar Worte verschstanden habe: mein fommpetentes Urtheil über dem " Utam swefel und fossfer. " Dunst hat Ganzen und Zusammengehörigen abgeben, ihr wahrscheinlich was Schpaßiges gesagt, und da müßt ich sagen , wenn ich bloß denn das Mädel lachte und sagte : Jag mein poetisches Gefühl und mein dichte kan ikke ferstohdem . " risches Herz zu Worte kommen lassen Bedeutenden Reschpeckt hab' ich aber wollte: es ist grandiohs , pompös , ent vor meinen neuen Freund bekommen, wie zückend! Da mer aber doch bei ' ner In- er nu auch wahrhaftig mit der Englän duschstrie- und Gewerbeausschstellung mehr derin zu parliehren anfängt . ' 5 war aber auf practische Kopfarbeit sehn soll , so ' ne schnippsche Persohn. Sie hat ihn sag' ich blos : es ist famost ! immer los reden lassen und bloß gesagt : Es ist ganz merkwürdig, wie mer auf „ Ei dohnt önderstand. " so'n kleinen Play so viel große und schöne Inzwischen hatten wir nu jeder ein Sachen hinkriegen, und wie mer wiederum Paar Liföhre getrunken und mein Freund auf so'n großen Play so viel kleine und Dunst will, wie ich mit Vergnügen benüdliche Dinge zusammenbringen kann. merke, bezahlen. Er langt in der Tasche und sagt zu Ja , wenn Hamburg auf meine Wenigkeit nur ' ne zehnte Schstelle von ' n Dezimahl der Engländerin : „ Können Sie mir eine Ach so, bruch so schstolz wär' wie ich als Ham Hundertpfund-Note wechseln? burger in diesem wundervollen Augenblicke die versteht ja kein Deutsch ," verbessert auf Hamburg , denn würd' ich mit'n ge er sich und frägt auf englisch : „ Känn wöhnlichen Menschen die nächsten drei juh wechseln mi a noht off hünderd Zeitepochen kein Wort mehr reden. Nee, Paunds ? " - - " Ei dohnt önderständ , " das würd' ich nicht! sagt wieder die Engländerin. Nein, „Herr Dunst,“ ſag' ich nu, „ ich denke, sie kann nicht wechseln , " ferdollmetscht nu machen mer erst mal ' n Rundgang Herr Dunst mir die Antwort und ich hier durch der umgebenden Parklandschaft, sage: „Lassen Sie nur, ich werde die Klei eh' mer in den eigentlichen Ausschstellungs- nigkeit schon auslegen! " hallen rein gehn . " Herr Dunst war daNu gehn wir weiter und kommen bald mit einverſchſtanden. Die umgebende Park an einer Bude , die sehr künstlich aus landschaft mit den zugehörigen Anlagen Holz , Leinwand , Papier und Löcher zu von Gebüschen, Bäumen, Bierbuden, Wein- sammengesett ist. Darin produziehrt sich hallen, Schampanjerkiehosken und Liföhr ein lebendiger Taucher für ein Ekstrapavillongs ist wirklich was mer so in der Angtrééé von 40 bis 20 Pfennigen. Es gewöhnlichen Umgangsschprache „ einfach ist also sozusagen eine kleine Ekstra- Geentzückend schön“ nennt. Und mitten werbeausschstellung. Grade wie wir herein durch die Anhöhen, Hügel, Thäler, Wal- | kommen wird der Taucher von zwei Män dungen , Bierhallen , Weinbuden u. s. w. nern in Mariehnekleidung an zwei Schleuist ' n kleiner, allerliebster Graben gegraben, chen in ein Wasserbasseng herabgelassen dadrauf fährt , rudert und gondelt die und einer von den herablassenden Männern Menschheit , daß es 'ne Lust ist. Wenn erklärt daderbei das Kostühm und die mer ganz einfach den Graben Laguhne Arbeit des Tauchers . Weil dies doch nennt und die Böte Gondeljähren, und aber so ziemlich bekannt ist und auch der denkt sich ' n paar Dogen und so der Langweiligkeit halber beschreibe ich das gleichen dazu , denn hat mer das reine | hier nicht weiter und erzähl nur noch, Venedig. wie einer der ekspliziehrenden Männer Weit waren wir noch nicht gegangen, dem Herrn Taucher eine Tafel ins Wasser da ſchſtanden wir vor einer der bereits reichte und zum geehrten Publikum sagte : oben erwähnten Liköhrpavillongs , wodrin ,,Der Taucher wird unter Wasser etwas vier ältere junge Damen in den verschie auf diese Schiefertafel schreiben ! " densten Nationahlkoschstühmen die Liköhre Drei Minuten athemlose Pause zu 25 Fennige das Ausschstellungsglas dann noch'n kleinere Pause , und richtig, ausschenkten. Herr Dunst , " sagte ich, der Taucher langt die Tafel wieder aus'm „hier können Sie nun gefälligst Ihre Wasser raus, und der Herr liest vor, was verschiedenen Schprachkenntnisse im rechten drauf geschrieben ſchſtand : „ Es ist des Lichte sehen. Da haben Sie eine unver- Tauchers liebste Beschäftigung , kleinere fälschte Italienerin, die Dame hier ist Werthgegenstände aus dem Wasser her eine direkt importiehrte olle Schwedin und aufzuholen.“ die Mammfell linkerhand ist eine holde „Das schreibt er jedes Mal auf! " Tochter von John Bull. Nu reden Sie schrie nu eine laute Schstimme aus'm mal mit den Damens ." " Will schon Publikum. „ Thut er auch ! " rief laut und etwas machen," sagt Abimelech Dunst und redet so pichkichrt der Ekspliekator nach den Schreier auch richtig auf die Italienerin los recht italienisch, lauter Wörter mit i- i hin. Jawohl, es ist wirklich des Tauchers und o - o. Die Stalienerin ist natührlich liebste Beschäftigung , kleinere Werthgegen ganz verdutst, daß sie hier so plöglich in stände aus dem Wasser heraufzuholen. ihrer Mutterschprache angeredet wird und Er besit darin eine außerordentliche Fer
tigkeit, wovon sich das ferehrte Publikum ja selbst überzeugen kann !" Nu griffen denn auch verschiedene der anwesenden Herren in der Weſtentaſche und schmissen kleine Geldschstücker ins Wasser, und mein Freund Dunst warf 'a Schtück rein, das war woll so groß wie'n Thalerschstück. Der Taucher ging wieder unter Wasser und nach'n paar Minuten kam er an der Oberfläche retuhr und hatte in der naßkalten Hand drei Nickelschstücke à 10 und 5 Pfennig und ein Schstück Blech. Von wegen diesen Schstud Blechs ballte er die feuchte Faust gegen dem Publikum. „ Das hat der ' reinge schmissen !" rief eine dicke Dame und zeigte auf meinen Freund Dunst. Hab' grad keinen Barren Gold bei mir, " sagte dieser. Nu schwamm der Tauchkünstler nach unsern Play hin und tauchte grade vor Herrn Dunst so heftig unter, daß eine kollosjahle Welle aus den gefüllten Basseng grad auf meinen Begleiter losfuhr . Abimelech Dunst aber schprang mit einer mindeſtens johnglöhrartigen Behendigkeit beiseite, und die kollossahle Welle goß sich über mich von oben bis unten , daß ich gefälligſi daschtand wie eine ganze Heerde von be gossenen Pudeln. Daderzu brach auch noch das ferehrte Publikum in ein ſchallendes Gelächter aus , und ich brauch' mich wol gar nicht zu entschuldigen , daß ich in einer ferhältnißmäßigen Wuth gerieth. ,, Donnerwetter und mit Reschpekt zu sa gen , “ schrie ich , „ daß ist eine Rohhei: Ich verklag' den Taucher und sein gan zes Basseng! " Nu kam ein nicht sehr großer und nicht sehr eleganter Herr, der Besitzer de Taucherbude, zu mir ' ran und sagte , it sollt ruhig sein. „Was ?!" rief ich mi keiner schlechten Brawuhrbetonung, r Taucher begießt mich mit 'ner Sündfluth. und denn soll ich auch noch ruhig sein?! „Ja, “ sagte der Mann, " was foppen Sie meinen Taucher mit ' n Stück Blech: "Ich?! Ich hab' das Blech nich: reingeworfen ins Basseng !" 17 Nich gan : die auch na , denn geht Ihnen ja Was ?!" Geschichte nir an!" "Nein Herr Kulasch, “ miſchte sich nun Abimelet Dunst im Geschpräche , !! nein , Geſchicht. geht Sie gar nichts an. Hab Blech r Basseng geworfen. Ja, ich. Wenn Taucht beleidigt , gut , iſt Ehrensache_zwiſchen Taucher und mir. Geht Sie nichts an „Nein, geht Sie nichts an ! " rief Tauchsalonbesizer und „ nein , geht nichts an ! " schrie ein schnell gemischte Chor aus dem Puplikum mit 'nem b Mir ward nahe teuflischem Gelächter. ordentlich ein bißchen angst und bange. Herr Dunst," sagte ich also , w dieses eine Ehrensache zwischen dem hede geschätzten Herrn Taucher und Ihnen 1 . denn bitte ich wegen meiner unmotiwirter Durchnässung gehorſamſt um Entſchuld gung!" Und dadermit zeige ich du meinen hocherhobenen Abgang, daß mein Wenigkeit ein Mann ist, der seine Wun und Grandezza auch im durchnäßteter Zuschstand behauptet. Jawoll !
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Albert Roderich. Fritze Kulasch auf der hamburgischen Gewerbe- und Industrie Ausstellung. -14111412=1413„Herr Kulasch, " sagte nu Herr Dunst doch woll mal Zeit , daß wir uns die mich aber noch keine zehn Schritte durchzu mir, als wir wieder im Freien waren, Ausschstellungsgebäude auch mal von drin- gedrängelt, da ſchſtand wieder ein anderer „ hätten mich da beinah in große Verle nen ansehn thäten , und so traten wir Konnschstabler, der schrie mich an : „Rechts genheit gebracht. " "Ich Sie, Herr denn in die nächste der großen Hallen. gehen ! " Ich wollte mich schnell weiter hinDunst?!" "!„Na ja - schon gut Da sagt ein Aufpasser zu mir : „Mit aus drängeln. " Zum Donnerwetter ! Hören rede nicht weiter davon . Wollen nicht brennende Zigarre ist der Eintritt nicht Sie denn nicht rechts gehen ! " Dabei Kleider umziehn, Herr Kulaſch?“ .— " Wozu gestattet! " Ich hatte nämlich noch ' n packt er mich an und schleudert mich förmdenn? Die andere Seite ist ja auch kleinen Schſtummel von der feinen Zigarre lich nach der andern Seite ' rüber. Da ach so, Sie meinen naß, ja - im Mund, die mir Herr Dunst geschenkt seh ich, wie mein Freund Abimelech Dunſt ja wissen Sie mein anderer Anzug hatte. „Die Zigarre brennt auch nicht," in der Halle ſchſteht und mich 'ran winkt. ist grad beim Schneider. Und denn sag ich. „ Jawoll, die Zigarre brennt, " Nu bekomme ich wieder Kuhraje und will bei 30 Grad im Schatten , das trocknet fagt wieder der Thürschsteher. ,,Nein, zu im . Ich schiebe mich also wieder in gefälligst die Sonne in ' ner halben die Zigarre brennt nicht ," sag ich nu der Halle zurück, da ſchnauzt mich wahrwieder. „Erlauben Sie, " sagt nu der haftig schon wieder ' n Konnschstabler an : Schstunde." Nu gingen wir also weiter und kamen Mann, denn muß ich mich überzeugen, " "Rechts gehn ! Rechts gehn ! " Na, wiſſen über die große Brücke, die über die wene und daderbei nimmt er mir die Zigarre Sie , wenn mer auch 'n Geduld von zianischen Laguhnen geschlagen ist, nach aus der Hand , und drückt seinen dick Gummi hat, mal reißt sie doch ab. „Herr der andern Seite des Ausschstellungs- häutigen Daumen dagegen, daß das edle Konnſchſtabler , “ ruf' ich ihm zu , „ knobeln Sie nur erst 'mal mit Ihren Kollegen parkes. Hierschteht vor der Maſchiehnenhalle Kraut ganz aus'nander bricht. ein Kolosss von Eiſen, wie es der verwöhn„ Ne, sie brennt nicht , " sagt nu der aus, was rechts und links iſt! “ - " Machen teste Geschmack grade nur in einer Hafen- ungeschickte Mensch und will mir die zer: Sie hier keine Redensarten ! " brüllt der ſchſtadt wie mein liebes Hamburg produ- rüttete Hawannah wiedergeben. Nu war Konnschstabler mich an und verseht mir einen ziehren kann. Es ist ein tollossahler der Schstummel aber so klein, daß mer'n Schstoß, daß ich nur so nach der andern Hebekrahn , wie er zum Entlöschen der nicht ordentlich mehr anfassen konnte, und Seite hinüberfliege. Na, es ist gut, ich will mich weiter Schiffe benutzt wird , und mit welchem richtig fällt er an der Erde. „ Verflirt man , wenn es sich grade so macht , auch noch mal, " ruf ich, „ das war ' ne impor- nicht bei dieser ungerechten und unferein ganzes Schiff innklusiewe Ladung in tirte Klohrkali ominosa und der Rest hältnißmäßigen Angelegenheit aufhalten. der Höhe heben kann. noch für mindestens zwanzig Fennig !" Genug, ich gelangte endlich glücklich wieHier nun werde ich mir erlauben, das und daderbei halt ich das andrängelnde der in der Halle herein, wo mein Freund ferehrte Puplikum auf ein neues Talent Puplikum zurück , um meinen feinen Dunst auf mich wartete, und wir wurden meiner Wenigkeit gütigst aufmerksam zu Schstummel aufzuheben. Ich konnt ihn denn nun so von den Menschenmassen machen und dem geschäßten Herrn Re- aber nicht sehn. Nu halt ich das hinein zwischen all den Ausschstellungsgegen daktöhr beweisen, daß Friße Kulasch auch wollende Puplicum natührlich erst recht schständen hindurch geschoben. für eine Gewerbe- und Induschstrieaus zurück, damit sie mir ihn nicht noch mehr Viel hab' ich an diesen ersten Tag schstellung das nöthige plehn air besit. zertreten . „Hat was verloren!" belehrte nicht zu sehen und zu betrachten bekommen, Ich habe mir nämlich in einer Wissen- Abimelech Dunst die mich etwas böse und deßhalb kann ich auch erst über 'n schaft diverse Privatschstunden gegeben, in ansehenden Leute. Nu kukkten die Nächst paar einzelne , mir besonders aufgefallene einer Wissenschaft, welche grade für Ge- schstehenden alle auf der Erde runter. „ Was Gegenſchſtände berichten . Eines , was den werbe und Induschstrie von einer Bedeu- haben Sie denn verloren ?" fragte mich tiefsten Eindruck auf mein Gemüth ge= tung und Eminent ist, daß einem Hören Einer. „ Oh , ' n echte Klohrkali omi- macht hat und was meinen Schſtolz als und Sehen dabei vergeht. Diese Wiſſen- nosa , " sagte ich , und nu bildete sich or echter Hamburger auf der Siedeſchpite ſchaft ist die Schſtatiſtick, und mer werden dentlich ein Kreis um mich rum und alle getrieben hat, das muß ich aber hier gleich schon im Laufe meiner gehorsamen Besuchten mit , so daß der Eingang bald zuerst niederschreiben. Es ist die Ausrichterſchſtattung gütigst zu sehn kriegen, verschstopft war und die Folgenden nicht schstellung von Getränken ! Da kann man was ich dadrin für Leistungen auf den mehr herein fonnten. Da drängte sich wahrhaftig mit Schſtaunen und BewunBeinen zu schstellen meinerseits hochach- ein Konnschſtabler durch und fragte , was derung sehn, was der menschliche Schpitungsvoll im schstande bin. Grade hier da los wäre. „Der Mann hat was ver- ritus hervorbringen kann ! So viele versuerit präter propfter zum Beischpiel bei loren, " sagte einer. „Was haben Sie schiedene Sorten haben meine entzückten dem Hebekrahn! Ich hab' schstatistisch denn verloren ?" fragte mich der Konn fünf Sinne noch niemals , niemals beiausgerechnet, daß, wenn mer neben dieſen | ſchſtabler. ,,Oh, ' n echte Klohrkali omi- jammen gesehn! Aber ich will hier, " Hebefrahn, der 100 Zentner heben kann, nosa, " sagte ich , und in diesen Augen- obgleich der Pegasuß mir förmlich entnoch einen hinschstellt , der 200 Zentner blick sah ich , wie grad ein dicker , vier gegenwiehert , keine poetische Ader loshebt , und daneben wieder einen von schrötiger Herr mit seinem umfangreichen lassen , nein! Der Induſchſtrie und Ge400 Zentner und gefälligst ſo fort immer Fuß auf meine Zigarre treten will. ch werbe-Berichterschstatter muß andere Hülfswelche, die ' s Doppelte von ihren Nach- schtoß ihn noch grad zurück und heb' mit mittel erkiehsen. Wozu habe ich mir barn in der Höhe bringen , dann kann Geschicklichkeit und Brawuhr den Schstum Privatschstunden in der Schstatistic gegeben? Das sollen Sie gefälligst gleich mer, wenn 21 solche Maſchiehnen neben- mel auf. 'ander schstehn, Amerika, Auschstralien und ,,Da ist er schon! " ruf ich. „ Was ?" sehen. Wenn mer also alle Gefäße mit Gedie ganze sächsische Schweiz innklusiwe sagt der Konnschstabler, wegen den lumpi Ruhschſtall und 'n kleinen Winterberg in gen Zigarrenstummel machen Sie hier so'n tränken in der Ausschstellung nimmt, der Höhe heben. Und wenn mer noch Radau?!" — „ Und dadrum stoßen Sie also alle 7lichen , Buhtelljen , Kruhfen , mal zu den 21 Hebekrähnen wiederum mir vor'n Magen ?! " schreit der vier- Tonnen, Gläser erceterah und so weiter, 27½ in derselbigten schsteigenden Proh- schrötige Herr . — „ Ja , es ist eine echte und schſtellt sie alle und einzeln auf'nander greßjohn hinſchſtellt , denn kann mer den Klohrkali ominosa ! " fag ich. — „ Ach und schießt denn zur ebnen Erde bei der untersten Tonne eine Kanonenkugel ab, Mond , die Schsterne Wenuß, Behr und was , selbst Klohrkali onimosa ! " die immer mit der gleichen Geschwindigkeit den 0,87654sten Theil von der Junoh auf "! Dummer Kerl ! " - Raus mit ihm !" von 95 Mehter die Sekunde in der Höhe unsere Erde flappen und die ganze Ge- „ Arretichren Sie den Menschen !" Auf dieser Weise schrien verschiedene fliegt, da trifft sie die oberste Flasche in schichte 'n gutes Schſtündchen in der Luft schweben lassen. Dieses ist Schſtatiſtick, Menschen um mir rum und ich kriegte es 3 Tagen, 17 Schstunden und 15 MiBei dieſer ſchſtatiſtiſchen Berechvon welcher der ferehrte Leser noch weis gewissermaßen mit der Angst. Ich wollte nuten! teres genießen wird . wieder hinaus aus der Halle und drängte nung ist nu freilich vorausgesetzt, was ich Nu aber meinte Herr Dunst , es wär mich nach'm Ausgange zu. Ich hatte ertra für dem geehrten unſchſtatiſtiſchen Leser
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Eduard Paulus . Genesung. =1415
bemerke, daß mer die Kanonenkugel nicht mitten in den aufgethürmten Flaschen erceterah 'reinschießen darf, weil sie ſonſten alle zu früh herunterfallen. "1 Sehn Sie ' mal, Kulasch, " sagte nun plöglich Herr Abimelech Dunst zu mir, „ das Ding da hab' ich ausgeschſtellt, " und daderbei zeigt er auf so'n Art von Klawiehr , wo so'n Art Futterahl von Leinewand drübergemacht war. „Das ist ja ein Klawiehr," sage ich. --,,Nein, sieht nur so aus , ist ein Unimuſemeter, von mir erfunden. “ „ Unimuſemeter? Was ist denn das ?" " Will Ihnen erklären. Passen Sie auf! Dingerichs hat 36 Tasten wie 'n Klawiehr. Wenn Tasten 1-10, die mit innerlichen Alphabeth in Verbindung schstehn , angeschlagen werden , entschstehn hübsche Lieder à 4 Schſtrophen . Druck auf die 11. Taste, Lieder rollen in 2. Abtheilung. Schpiel auf Taſten 12-16 seht die Lieder in Noten. Bearbeitung von Taste 17-24 giebt Klawiehr begleitung. Taste 25-36 - kollossahle Leistung! Passen Sie auf ! An rechter Seite des Inschstrumentes drei Schallöffnungen wie ' n Trichter. Schsteht drangeschrieben Tenor ' , Alt' , Sopran ' . Bei Schpiel auf Taste 25-36 ertönt je nach gedrehtem Kurbel in einer dieſer drei Tonarten das in Unimuſemeter gedichtete und komponirte Lied. Wenn eine Schstimme mal heiser, genügt halbe Flasche Hoffschen Malzertract in Schallloch, Schstimme wieder rein, klar, hell." „Das ist kollossahl ! Aber wer kann so'n Inschstrument schpielen?" „Keiner. Ist auch nicht nöthig. Hab' einen selbstthätigen Automahten fonschstruihrt. Kann in jeder menschlichen Geschstalt geliefert werden. Sißt auf Klawiehrbock mit Räderwerk drinnen . Unter rechten Arm drei Federn. Druck auf eine Feder: je nach Wunsch Frühlingslied, Trinklied , Liebeslied , gedichtet , kom ponirt , begleitet , gesungen , Tenor, Alt, Sopran ! " „Herr Dunst , ich mach' Ihnen mein Kompliment. Dies ist eine ganz eminente Erfindung. Wenn das erst in Gang ist, denn brauchen die geehrten Herrschaften auch keine Künstler mehr einzuladen zur Verschönerung ihrer Gesellschaften und Festiwitähten. Aber, Herr Dunst, warum nehmen Sie denn nicht die Umhüllung ab von den Unimuſemeter?" " Hm , weil noch nicht ganz fertig. Dort in Ecke schsteht Klawiehrbock können sehn ?" ,,Da " Jawoll. " fehlt noch der Automaht drauf." „Ach so , deßhalb. Aber wissen Sie , Herr Dunst , wenn ich das Inschstrument er funden hätt' , ein Schallloch hätt' ich noch mehr drangemacht. " - Wozu denn ?"
ganz besonders frappiehrt hat . „ Neue Heraldik " nennt es der Ausschsteller, welche darin beſchſteht, daß mer'n Wappen führt, das mit'n Namen so circa und präter propfter nach Möglichkeit übereinſchſtimmt. In dem Schaukasten dieses Herrn Aus schstellers liegt eine ganze Sammlung von deßfallsigen Siegeln. Herr Bela führt ' n Bären im Wappen, Herr Herz ein Herz, Herr Dünnebeil ein kleines , schwächliches Beil u . s. w. Jammerschade , daß mer das nicht schon früher gekannt hat ! Da hätt' z . B. der berühmte Meyerbeer sein Wappen gehabt : M. zwei oder mehrere Eier, ein Bär, der Dichter Klopstock hätt ' ne wunderschöne kleine Haselgerte im Schilde geführt, und der große Bildhauer Rauch einen Schornstein mit dito. So viel weiß ich, wenn ich zufällig den Namen Frankfurter führen thät , ich ließ mir'n hübsches Wappen machen mit'n Paar Würstel. Inzwischen war's nu aber immer voller geworden, und die einzelnen Gegenſchſtände konnt mer nicht mehr ordentlich besehn. Mer wurde nur immer so hin und her gedrängelt und geschoben. So kamen wir denn auch in der Gegend von der Seifenausschſtellung. Da schsteht eine riesige Piehramiede aus Seife , die beinah bis an der Decke reicht. Ganz wunderschön und lauter verschiedene Formen und Farben von Seife. Davor war nu ein ganz besonderes Gedränge, und ich ward ein paarmal von den geehrten Mitdrängern an der Seifen-Piehramiede gedrückt. Mit einem Mal schreit ein junges Mädchen, die dicht neben mir schsteht : „ Mutter, min'n swat_neh Kleed is ganz full Seep! " Mein Rock ist auch voll Seife ! " ruft ein Herr daneben und „ Mein Fräulein, Ihre Bluhse ist auf dem Rücken voll Seife , " sagt ein anderer Herr zu einer Dame. " Der Mann ist ja ganz voll Seife, " ruft nu eine Frau und zeigt nach meine Wenigkeit. Nun war mir mit eins die ganze Geschichte klar. Ich hatte mit meinen nassen Taucher-Rock an der Seifenpiehramiede geſcheuert, die Seife war an zu schäumen gefangen, war auf den nassen Rock ſizen geblieben, und ich hatte meine Nebenmenschen damit angeschsteckt. Nu kam auch schon der Aufpasser bei der Seifenausschstellung heran , und wie er sah, daß seine Piehramiede schäumte und die verschiedenen Seifenfarben durch'nander liefen, da muckte er nicht schlecht auf. "! De Mann sie'n Rock is ganz natt, " rief nun das junge Mädchen mit dem eingeseiften schwarzen neuen Kleide und faßte mich beim Aermel . Nun ging's los . Sie haben uns hier alle das Zeug "! Was thun Sie hier verdorben ! " mit'm nassen Rod?" ---- „Waschen Sie sich doch zu Hause!" „Ach , kommen
Vor's Braworufen und Händeklatschen ! " So großartige Sachen wie diese sind nu nicht viele mehr auf der Ausschstellung, aber von den vielen andern, die auch nicht von schlechten Eltern sind , will ich hier nur erst mal eine Idee beschreiben , die mir durch ihre Neuheit und Originallitäht
Sie mir nicht zu nahe ! " So schrien fie durch'nander, und der Seifenausschsteller schrie noch doller, er wollte Schadenersat haben. Da schob sich ein mir wohlbekannter Konnschstabler durch den Haufen, und wie er mich sah , rief er : " Was ?! Macht der Kerl hier schon wieder Ra-
= 1416| dau ?! " Nu schimpften sie alle über mich auf den Mann des Gesetzes ein und zeigten auf ihre eingeſeiften Kleider und die schäumende Seifenpiehramiede. "Ja," sagte endlich der Konnichſtabler, dieser Mensch ist würklich ein Spektakel macher , er hat vorhin da draußen auch schon zweimal Skandahl gehabt. Kom men Sie mal mit nach der Polizeiwache. Wir woll'n mal Jhre Personahlien feststellen ! " „Herr Konnschstabler," sag ich im Ber wußtsein meiner Unschuld und Della miehrtüchtigkeit mit sanfter aber nachdrüdlicher Betohnung , Herr Konnschstabler, wenn Sie mir sagen, ich soll mit Ihnen auf der Polizeiwache kommen, denn folge ich Ihnen als gesehmäßiger Bürger, wenn Sie mir hier aber mit Personahlien drohn, denn sage ich Ihnen : Die Sache ist da dermit noch lange nicht zu Ende nee: Schluß folgt ! "
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Genesung. Don
Eduard Paulus.
Zu Die Die Im
meinem Fenster blühen Rosen still herein, Berge seh' ich glühen goldnen Maienſchein.
Nach langen Leidenswochen, Sturmtagen, ernst und kalt, Ist grünend aufgebrochen Der hohe Buchenwald. Die Schmetterlinge fliegen Um seinen Blätterſaum, Und leichte Wolken wiegen Sich hell im Himmelsraum.
Nicht hofft' ich zu erleben Den Frühling noch einmal, Nun liegt im Duft der Reben Mein frohes Heimatthal, Wo Gottesahnung füllte Die dunkle Seele mir, Und köstlich ihr verhüllte Der Erde grause Gier, Wo Frauenliebe taute Mir in die tiefste Bruſt, Wenn auch der Himmel grante, Ich hab' es nicht gewußt, Wo ich in Dichterträumen Aus Schmerzen Honig sog, Und fromm bei Quell und Bäumen Das Leben mir verflog.
ler
Der Samm
daß einst sie, deren Bildnis Winterhalter so meisterhaft auf ste Weis jekt noch von ihrer einstigen Bedeutung und für Kunst . die Leinwand gebannt , Eugenie , für das schön historiker ist dieser Fled Erde eine reiche Fundgrube Europas rgalt. Wir befinden uns in einer großen Gesellschaftm Ein Sommerbild vom Bodensee. wichtiger Denkmale der Architektur und des kirchlichen berühmte Menschen , die zu ihrer Zeit die Welt mit ihre der Landung an der Schweizer Ruhm oder Schreden erfüllten . Doch auch reiche Schätze des Goldener Sonnenschein liegt auf den Dächern der s . onBei erbetati Räume und das Auge staunt tgewiffs Ermatingen steigen wir aus und vergan Kunsthandwertes bergen dieseheit Dampfsch Stadt und bis in die geheimsten Winkel dringt er mit Kuns g sber s en ". Hier sehen wir den Untersee ob all der Pracht , Gediegenen und feinen Ausführung Wolf rdig geht' zum hrwü en hlen n alte . Aus dem Haf der eine Stra hlig el großen und kleinen Lurus itet unzä der und Möb der en , drüb die uns ausgebre Rünsterstadt Konstans trägt uns das Schiff unter den in seineru ganzen Länge vor nstände . Auf einer Wendeltreppe steigen wir hinauf ewaltigen Bogen der Rheinbrücke hindurch, stromabwärts , Mettna und das Städtchen Radolfzell mit seinen Mauern , gege oß esch in den ersten Stock , wo sich der der Dichter des aus dem Erdg orbei an alten Resten einstiger großer Zeit , an dem den grauen " ; es ist ein altes Nest , wieorie eine getreue Ertaiserin Eugenie Privatzimmer befinden , die niemand sagt, und der uns in jener Hist Rheinthor- und Pulverturm . Je weiter uns das Schiff Ekkehard ung ns teilweise zum zugänglich sind. Nur einen kleinen Raum , das Arbeite agt , desto höher scheint sich über die Häuser der Stadt Schilder der Geschichte des Städtche gin gibt . Nachdem wir ausgeruht, ziehen wir weiter zimmer mit dem Sterbebett der unglücklichen Köni er Münsterturm zu erheben , durch dessen durchbrochenen bestenärts iche der h in die Tobel , Wald Hortense, dürfen wir noch schauen . Eine Harfe lehnt Wäl herrl durc wenw chen ein otischen Helm der blaue Himmel lacht. Zwis en Wand ; ihre Saiten sind jedoch gesprung . rammten Pfählen, die dem Steuermann den Weg zeigen, schluchten mit stürzenden Bächen , hinab und auf die Höhen an der Auf dem Tische stehen eingetrocknet die Farben und uf, bis wir auf Arenaberg anlangen . hina indet sich der Dampfer hindurch und näher tommen wiederEchö n liegt es da oben, das kleine Schloß, eine herr- liegen noch die Pinsel , die die Hand der fürstlichen Frau ir den zwei Türmen , die auf Schweizer Ufer hinter sie hier in der Einsamkeit ihre Tage beschlog. ichten Bäumen sich erheben. Es sind die Türme des liche Aussicht gewährend über die rauschenden Wipfel des geführt, als das über dem Bett hängt , das Innere en Hegau , dessen Haupt- Ein altes Bild, Schloffes Gottlieben , in deren einem einst Huß traurige alten Parkesenhinüber zu dem fern lbes darstellend , übt mit seiner Lichtwirkung gewö Grab eines der hohentwiel und der Hohenfrähen , age verlebte ; kurz vor seinem Tode wurde ir nächtlicher repräsentantrfta, ntig en ruck n n auf den Beschauer aus. ssen Eind en tiefe eine mel in sich scha imri vom blau Him ab. Jeile hierher geführt. Derselbe Rhein , der uns jetzt im Nun steigen wir hinab und treten in die dem Wohn . Das einfache Landhaus läßt den Beschauer nicht llen Sonnenlicht dahinträgt, spiegelte damals den Fackel . hebenuten e kleine Kapelle . Einfach ist der gend rlie nübe s gege hau e urch gin ne , daß hier einst Jahr hind die schö Köni hein der Schergen und vernahm des Dulders Klagen verm ge Raum ; cine Orgel , unscheinbar , steht links vom nd heilige Gebete. Wechselvolle Schidsale hat dieses Hortense verweilte , daß hier Napoleon III. feine Jugend heili d r . Nur eines ist's, das den Blick der Wan Alta an der verlebte und nun nach seinem Tode dies Haus , Lofter , jest zu einem Schlößchen umgebaut, durchgemacht , teilweiseeden t , öfters der Zufluchtsort feiner Eintretenden sofort auf sich lenkt . Es ist die Statue eineenr es in neuerer Zeit , nachdem 1837 Napoleon III. es abgeschiin von der Welin em mor voll ausgeführten , knieenden weiblich Mar gekauft hatte , in Privatbesitz überging, und jetzt ist Gemahl , der Erkaiser Eugenie war , in deren Besit in wert T einstige Beherrscher eines Reiches im Begriff, es an es sich jetzt noch befindet . Doch , sowie wir durch seine Gestalt, die die Züge der Königin Hortenje trägt . An , ist es uns , als wehe uns ein Hauch dem Sockel lesen wir die Inschrift : zu bringen . An den gotischen Bau reihen sich die Pforte cintreten ngen Erinneru entgegen , eine seltsame Scheu um A la aujer des Dorfes Gottlieben, schmuck und reinlich ge großer fängt uns, wenn wir die Bildnisse all der berühmten Reine Hortense en , die schweigend und doch son fils alten. Der See hat uns nun wieder aufgenommen . Vor Männer und der schönen Frauchen , betrachten . Vor allem s fteigt aus den Fluten die Insel Reichenau , langae so beredt zu uns herniederbli rdenleon ist's gewoNapo , auchIII.der beredte Mund des redt zieht sie sich in den Sce hinaus , durch einen schmalen erregt unser lebhaftes Interesse , von der Meisterhand FührersStill te Gedanken der Erinnerung voll ieg . schw Erns lt , jene schlanke , schöne Gestalt mit den amm mit dem deutschen Ufer verbunden . Im 8. Jahr Lefebres gema e gründete der hl . Pirmin auf der Insel eine feingeschnittenen , blassen Gesichtszügen , des Sohnes des inniger Teilnahm an die unglückliche Fürstin , an das undert weitberühmte Abtei . Drei alte Kirchen zeugen legten Kaisers von Frankreich , der Prinz Napoleon , wel Ende ihres Sohnes und ihres Sohnes Sohn steigen in äter cher im heißen Afrika , fern der Heimat , uns Die auf.freie Natur umfängt uns wieder ; ein Jodelruf feinen frühen Tod finden mußte . Auf dringt aus dem Dorfe Mannenbach herauf zu uns und einem andern Bild schaut in stolzer hallt wieder in den Bäumen , und über den See tragen ihn Haltung sein Vater zu uns hernieder, die Lüfte hinüber zum Hohentwiel als Gegengruß für die wie er in eisiger Winterszeit, sein weißes seinen , die er aus der Ferne uns zugewinkt . Wir steigen Rog am Zügel führend , hinaufsteigt hinab zur Schifflände und das nächste Dampfboot bringt zum Arenaberg, und im nächsten Saal uns vorbei an den Schweizer Uferorten Berlingen , Stederblicken wir ein Frauenbildnis von born und Mammern nach Stein am Rhein, das sich den hinreißender Schöne , von einer bejau Charakter eines alten Städtchens , wie selten eines, bewahrt bernden Gewalt , die uns begreifen läßt, hat. Im ehemaligen Kloster St. Georgen , im Rathaus und an den alten Giebelhäusern finden wir Wandmale. reien, mitunter von nicht geringem Werte, finnreich an geordnete Allegorien und Ornamente mit derbkräftigen und anheimelnden Sprüchen . Hoch über dem Städtchen erhebt sich die Burg Hohentlingen , die mit ihren Mauern und Turmresten herab in die Straßen blidt und der sich auf dem holperigen Pflaster tummelnden Jugend erzählt von alten Zeiten, vom Waffengeklirr und Kriegsgeschrei . Wir aberfreuen uns der goldenen Gegenwart , sonnen " uns auf der Veranda des Gasthauses in dessen Wahrzeichen , da die Leuchte des Tages schon längst zur Rüste gegangen ist, und wie zu unsern Füßen der Rhein seine grünen Wogen rollt , hier wo er den Untersee verläßt , in unjern Gläsern der goldene Wein funtelt, da stoßen wir an in der Erinnerung an die letzten Stunden unserer Seefahrt und es klingt hinaus in den lauen Abend 爽 nsee tig ndest dem mung ein fräf VorsteheViva Etim Bodesbild." ist ein teilweiser Abdruck aus dem soeben erschienenen Führer Am Bodensee von E. Adermann (Verlag v. W. Med, Konstanz ). Kleine Fischer. Von Elleder. 60 89. II.
Was Frau Mode neues bringt. - Wein aus Johannis- und Stachelbeeren. =142114221420find jetzt die in Maison J. A. Heese ausgestellten Neu- | dazu passend geſtickte Kniehoſen, ſeidene Strümpfe , Tanz, Was Frau Mode neues heiten. Man empfiehlt uns da als dernière mode Fou.schuhe. Ein ganz eigenes Gepräge hatte das Feit, das lardroben, gestreift und geblümt, mit à jour-Einsätzen von die Herzogin Fernand Nunoz in Madrid unlängst ver. bringt. Valenciennes , reizende Gazes , Batist , Grenadinelleider anstaltete. Die Alba, Vailen, Tetua, Medina , Sidonia, mit krausen Faltenblusen , Puffärmeln , meterlangen Medinaceli, Marliner, Compos waren erschienen, alle in Bon Crêpe de Chine- Shawls , die als Schärpe um den Leib roten Frads , lichtseidenen , kurzen Beinkleidern , weißen geschlungen und unten mit breiten Seidefransen abge seidenen Strümpfen. Wer weiß, welche Wandlung aus Ida Barber. grenzt werden, Toiletten , ganz aus Zrijch- Guipure herge uns für die kommende Gesellschafts-Saiſon bevorſteht? Mit bewunderungswürdiger Toleranz übersieht man stellt auf farbigem Seidefond , dann hochelegante Mille Einstweilen tritt der Gedanke daran noch zurück , im im Modeleben alle jene Ausschreitungen , deren sich die Fleurs Roben von echtem Crêpe de Chine mit breiten Vordergrund des Modeinteresses steht jekt die Frage : Was tonangebend.n Modedamen schuldig machen. Erlaubt sich aus Spiken gefertigten Marquis-tragen oder Stuart wird uns der Sommer bringen? Sie ist leicht zu beant. ein Herr in auffallender Kleidung zu erscheinen , gleich fraisen. In der Mäntelkonfektion fallen uns die aus worten: Man wird dem gestreiften Genre treu bleiben, wird er mit dem Ehrennamen Bigerl belegt. Der farbigem Samt und Guipure- Posamenterien gefertig lichte Stoffe bevorzugen , mehr nach französischen als für die Damenmode ist Gigertwird gehänjelt, belächelt, angeſtaunt, die „ Gigerlina", ien Taillentragen , die vorn auf gefaltetem Tül-Jabot englischen Modellen arbeiten; die ihre Vorliebe für das Sensationelle oft in weit bemerk- arrangiert sind und in Shawlenden auslaufen, durch be die frausgearbeitete Taille mit weitem Puff- oder Polen. barer Weije bethätigt, ließ man bisher anstandslos paſſieren. sondere Kleidsamkeit auf. Viel Meinung befundet sich ärmel obligat , für die Herrenmode der offene Rock mit Und doch wäre es an der Zeit, auch einmal der Dame für die ganz aus Spitzenstoff gefertigten längen, bis zum lichter Weste. Gigerlina ein wenig auf die Finger zu schauen , ihr be Saume des Alcides reichenden Tüllmäntel, die in der Art Unsere Hutindustriellen machen uns die Wahl in merklich zu machen , daß ihre Art ſich zu kleiden jedem der im Winter gültigen Radmäntel gefertigt find , aber anbetracht der vielen Modelle ziemlich schwer. Modern Schönheitsidcal widerspreche, daß Anstand und der jedem längs der Taillennähte durch Schleifen und Posamenterien, ist sowohl der feste Reisstrohhut, wie der aus Strob gebildeten Weibe angeborene Taft sie abhalten sollten, Jetgehänge und Grelot anliegend erscheinen. Auf farbi spitzen oder Streublümchen zusammengesette, man garniert einem wandernden Modejournal gleich einherzustolzieren. gen Seidelleidern sind dieje Spitzenmäntel von besonderer mit Federn und mit Blumen, mit gesticten Bändern und Der Zeichner, der beauftragt ist, irgend eine neue Mode Eleganz -Eine Spezialität Heejes , die von den pratti tostbaren Points je nach Geschmack und Laune. idee zu entwerfen , kann seiner Phantasie die Zügelschen B.rlinerinnen eingehend gewürdigt wird, sind die auf Eine interessante und sehr praktische Modeneuheit schießen lassen; auf dem Papier nimmt sich der turmhodh Façon gearbeiteten , mit allem erdenklichen Lurus ausgesind die aus gezogenem, weißem Mull gefertigten Regligeemit Blumen geschmückte Hut, die eingeengte Wespentaille, statteten Trikottaillen, die, obfchon spottbillig, oft eleganter hüte , deren Kopf aus silberschillernden Strohtüchern ge das Mantelet mit den flügelartigen Aermeln , der kaum erscheinen und besser , jedenfalls bequemer sitzen, als die formt und mit Feldblumen umrandet ist. Sie kleiden ein freics Ausschreiten erlaubende Rock, der auf ein Minis von den teuersten Schneidern gefertigten Fischbeintaillen, trefflich und dürften ein echter Saisonartikel werden. Schirme sicht man aus plissiertem Tüll, aus gefaltetem mum eingezwängte Fuß ſehr gut aus, in Wirklichkeit aber die die Figur über Gebühr einengen und zumeist ein freies ist das alles wie der Wiener jagt „ eitel Pflanz " . Unsere Aufatmen unmöglich machen. Der große Vorzug dieser Grenadine gefertigt, mit Atlasbändern durchzogen , auch Modedamen wollen anders auftreten , als die rationell Trikottaillen vor allen anderen Façons ist der , daß sie aus glattem oder gestreiftem Seidenstoff mit breitem und einfach sich kleidenden Frauen des Bürgerstandes, daher jeder Körperform nachgebend und , wenn aus Seide gez Spitzenvolant abgegrenzt. Das Gestell ist oft ein Kunits all jene Ausschreitungen, die nicht selten der guten Sitte fertigt, modern mit Moiree-Auflagen oder farbigen Sticke gegenstand ; die Stöde sind mit Edelsteinen und goldenen hohniprechen. reien geziert , mit Moiree- Gurt abschließend , zu jeder Ringen geziert , mit Gemmen geschmüdt oder mit Peri mutter infruſtiert. Man nennt die Frauen „ das schwache Geschlecht" ; eleganten Toilette getragen werden können . Der praktische Sinn der Berliner Damen bekundet sie sind aber, wo es gilt ihren Körper zu fasteien, durch 3m Bijouteriefach bekundet man viel Meinung für aus nicht schwach. Würden unter hundert Männern sich nicht nur in der Wahl der Garderobe , sondern auch Broschen , Ohrringe , Armbänder , Gürtel aus mattem wohl nur zehn die Tortur aushalten, der sich die Damen bei der Anschaffung von Wäschegegenständen. Während Gold; sie werden mit farbigen Steinen, Türkisen, Rubinen, aussehen, indem sie sich dem Miederzwang widerstandslos man in Wien viel Baumwollwäsche oder in den besseren Smaragden geziert, im Renaissancestil geformt. Perlen fügen, schwere , mit Falbeln bejezte lange Röde , die Kreisen solche aus Foulard und buntem Batist trägt, hat und Diamanten sind während der Sommersaison in den beim Gehen oft wie Ballast jeden Schritt hemmen , mit sich in Berlin die Vorliebe für gutes Leinen erhalten. Die Ruhestand versekt. sich herumführen , der im Sommer geradezu unleidlichen der blauen Blume innewohnende Poesie wird allerseits ge Erfreulicherweise ist die jedesmal zur Sommerzeit Tournüre nicht zu gedenken, der schwerwiegenden Perlen würdigt ; jede Hausfrau ist stolz auf ihr blütenweißes auftretende Mode , das Gesicht mit Puder einzustäuben. hiite und Perlenmantelets , die oft von den schwächsten Leinen ; sie selbst ist Kennerin, bezieht zumeist bei größerem im Abnehmen. Wer die Haut vor den Sonnenstrahlen i Köpfen und den schwächsten Schultern mit wahrem Herois. Bedarf direkt von den Fabriken und will nichts von den schützen will , gebraucht stait des Puders Schirm und mus getragen werden ? Die liebe Eitelkeit hilft über alles halbwertigen seidenen und baumwollenen Lingerien wissen, Schleier, wer Unschönheiten entfernen will, Alpenblumen. leicht hinweg ; selbst die häßlichste Frau will schön und die oft schon nach etlichen Wäschen Spuren der Vergäng pasta. Letztere gilt jetzt als echter Konjumartikel. Das modern gekleidet erscheinen, die schöne all ihre Kolleginnen lichkeit alles Frdischen zeigen. Bestreben sich zu verſchönen scheint unserer Damenwelt übertreffen. Daher das Hajchen und Jagen nach Neu Besonderer Wertschätzung erfreuen sich die aus den zur zweiten Natur geworden zu sein , zu wünschen wäre heiten , das bis zur Unnatur gesteigerte Bedürfnis nach F. V. Grünfeldschen Fabriken (Landshut i . Schl.) ein- nur, daß auch stets die äußere Schönheit der inneren sensationellen Moden, die in dem Gigerltum ihre Ver- geführten Hausleinen , die altdeutschen Tischgedede , die Unterpfand sei. förperung finden. gwiruten Damastgewebe mit eingearbeitetem MonoIn Wien hat sich ein Verein von Ghemännern ge- gramm 2c. - Grünfelds Hausteinen (Creat) ist eine aus bildet, dessen Zweck es ist , der weiblichen Puhsucht zu bestem weißem Flachsgarn gewebte Ware, die so, wie sie steuern ; die Mitglieder vermutlich alle Männer, denen vom Webstuhl kommt, ohne Bleiche und Apprctur in den Wein aus Johannis- und ihre Frauen zu teuer sind übernehmen die Verpflichtung, Handel gebracht wird, aber schon nach einigen Wäschen volldie Namen der durch ihre Kleidung auffallenden Damen ständige Weiße erlangt. Selbst zur Ausstattung der Stachelbeeren. zu erkunden; letzteren wird dann eine Enladung zuges Prinzessin Sophie ist derartiges Hausleinen in Verwendung sdict des Inhalts : „ Dame N. N., Gigerlina von Wien, genommen worden ; die eleganteren Stüde des Trousseau Von werde ersucht an einer an dem und dem Tage über Mode. sind aus Grasleinen und Leinenbatist gefertigt, die Bettnärrinnen stattfindenden Bespred ung teilzunehmen. " wäsche zumeist aus leinenen Gebildwebereien, die mit Hand D. Hüttig. Obgleich man in unserer naturaliſtiſch angehauchten Zeitstidereien und Hohlsäumen geeint, ganz reizende Ensembles Im Jahre 1887 sind in Frankreich von den durch die nicht mehr an Wunder glaubt, sollen dicse Karten geben. Ueberaus kostbar sind die -Negligees, Kamisols, Wander wirken. Der Anti-Gigerlina-Verein wirdwahre als Zaden und Matinees dieses in seiner Art großartigen Reblaus zerstörten Weingärten 66 000 ha mit SchwefelWäscheschatzes ausgestattet , alles ist heimisches Fabrikat. einer der zeitgemäßesten bezeichnet ; was keinem Verſtand | fohlenstoff, 8800 ha mit Sulfokarbonat behandelt und der Verständigen, keinem Mahnruf der Aerzte gelang, wird Bei Anfertigung der Kleider ist sogar auf Wunsch des 26000 ha unter Waſſer gesetzt worden , wie Verf. bereits ihm Kinderspiel. Kaisers davon Abstand genommen worden , daß man vor einem Jahre durch die Voſſiſche Zeitung in Berlin Die Modeindustriellen sind selbstverständlich heftige französische Modelle kopiere. veröffentlichte ; 166000 ha sind mit amerikanischen Reben Wahre Wunderwerke an Pracht und Schönheit sind bepflanzt und diese mit einheimischen (franzöſiſchen) Reb- B Gegner dieses im stillen wirkenden Freimaurerbundes. Kourroben; aus sorten veredelt worden, ein Verfahren, über deſſen Zwed Warum aber auch leiſten ſie jeder tollen Laune Vorschub ! die zwölf zum Trousseau bestimmten Bei den letzten Rennen und Praterfahrten jah man in den schwersten Seide und Samtbrokaten , den kost mäßigkeit zu urteilen heute noch zu früh ſein dürfte ; erst Wien Toiletten, die schon an das Unglaubliche grenzten.barsten Velours und goldstrotzenden Damastgeweben ge- nach Jahren wird es sich zeigen , ob die stark wachsende Sie nennen sich auch Incroyable" und wurden seither, fertigt , mit echtem Pelz , Spitzen , Kunststickereien und Unterlage das Edelreis nicht so verändert hat , daß es so unglaublich dies klingen mag, in Dutzenden von Grem Straußfedertüſchen umrandet, zählen sie zu dem Schönsten, Früchte zu tragen kaum noch geeignet ist , oder ob die er. plaren fopiert. Denken Sie sich, werte Lejerin , einen Rock das man in diesem Genre gesehen. Der Trousseau ist zeugten Früchte den Wein liefern werden, an den unsere von großfarrierter Bruſſajeide , schräg gestellt , unten mit eigens nach Angabe Kaiser Wilhelms mit dem Aufgebote Zunge gewöhnt ist. In verschiedenen Teilen Deutschlands goldgenlidter Borte begrenzt. Dazu Faltenhemd von aller Kunst gefertigt worden. Wie verlautet , verbindet hat man die Bekämpfung der Reblaus wegen der damit Crepe de Chine mit Goldstickerei, über demselben hoch. Kaiser Wilhelm mit dieser ostentativ angeordneten Pracht. verbundenen Kosten aufgegeben; man hat die Rebitöde rotes, mit Goldknöpfen geschlossenes Gilet , zum Rode entfaltung und mit der unlängst für die Hoffeste ange herausgerissen , weggeworfen und das Land mit Obstpassendes Tuchjadett, vorn offen, mit breitem goldgestickten ordneten Galatracht den Wunsch , der Berliner Mode- gehölzen bepflanzt, um durch deren Früchte Ersatz für den Revers, rückwärts Fradenden , die bis zum Saume des industrie geeignete Förderung angedeihen zu lassen. mehr und mehr selten werdenden reinen Traubenwein zu Rodes herniederreichten ; statt des Hutes eine zum Frac Tha sächlich war diese Anregung für Berlin notwendig. erhalten, d. h. Wein von den Trauben des Weinstocks Selbst die Mehrzahl der Befferfituierten leben in (Vitis vinifera L. ) zum Unterſchied von dem aus den passende Jockeimüke , Handschuhe in gleicher Farbe , mit Goldfäden durchnäht. hochroten Schirm . Noch auffallen. weiser Beschränkung ; die Herrenmode insonderheit zeichnete auch in Trauben wachsenden Früchten des Johannisbeer. dir sind die Kostüme aus rejedafarbigem Kaschmir , die sich durch klassische Einfachheit aus. Man erzählt, strauchs (Ribes rubrum L.) erzeugten Traubenwein. vorn offen ein mit türkischen Stickereien gedectes Devant daß ein bekannter Kunsthändler seiner Frau auf ihre Bei der im vorigen Jahre in Norddeutschland mißglückten zur Geltung kommen lassen . Die Taille ist eine Art Frage , warum er gar so wenig auf sein Erterieur Obsternte hatten wir nicht Veranlaſſung, über ſogen. ObstMojaifarbeit, bestehend aus Lah , Weste , auf Goldgaze gebe, geantwortet: „ Ja , meine Liebe, du kleidest dich nach oder Apfelwein oder Zider zu sprechen und denken solchen gest dten , mit grünem Tüll verschleierten Achselbändern, deinem Journal, ich aber nach meinem Hauptbuch ! “ auch heute nur flüchtig zu berühren, denn er verdient ſein svit zulaufendem Moiree Gurt, langen offenen Polen Gewiß sehr löblich , aber wo das Hauptbuch eine Mehr- eigenes, ausführliches Kapitel, wohl aber war und ist der armeln , die wie Flügel im Winde flattern. -- Gewisse ausgabe gestattet, da sollten die Berliner Bonvivants sich Wein von Beerensträuchern , mit Ausnahme des WeinIn stocks , die Losung des Tages und einzelne Besitzer von zweifelhafte Schönheiten, die, wiewohl ihr Platz nicht da auch ein wenig das Journal zu Hilfe nehmen. it , wo die elegante Welt sich ein Rende vous gibt, Wien haben die tonangebenden Modeherren kurze, aus solchen Sträuchern haben begonnen , ihren Haustrunt", die aber bei keinem großstädtischen Renngesellschaftsbilde dunklem Kammgarnstoff gefertigte, mit seidenen Auf ihren Tischwein “, sogar ihren „Likörwein“ selbst zu be fehlen, trugen Toiletten aus großgeblumten Pompadour schlägen abgesteppte Jacketts , lichtes Beinkleid , die offene reiten, gewöhnlich auch mit gutem Erfolg , weshalb anstoffen, solche mit Goldkugeln durchſtict , hochrote , durch aus Seide oder Pilee gefertigte Weste als neueste genommen werden darf, daß die Sache , vielle.cht nach weg pliserte Foulardröcke und darüber breitgestreifte Sommertracht proklamiert; Anzüge mit hohen Westen, einigen mißglückten Versuchen , sich ganz leicht ausführen Redingotes von schwerem Faille mit Moireeſchärpen und wie man sie in Berlin noch en masse sicht , sind in läßt. Die Kenntnis der Bereitung dieses sogen. Beer Wien ganz unmöglich. Große Sorgfalt wird den lange weins verdient die weiteste Verbreitung um so mehr , als gleichartigen Aufschlägen. Bei weitem einfacher und gediegener geht es in vernachlässigten Lingerien gejolt ; die Hemdbrüste sind man sich den „Tiſchwein “, das Kilo Johannisbeeren mit Kreisen der Berliner Modedamen zu. Sie bevorzugen ge mit hübschen Stidereien geziert , in schmale Längs- und 40 Pf. berechnet , für 20 Pf. das Liter herstellen fann Querfalten gelegt, auch wohl aus geitidtem Schnürls Die Liebhaber allerdings, deren Tischwein Verf. zu proben diegene Stoffe, gute Vejätze , wertvolle Stickereien , find Pikee und statt der drei Knöpfe mit einem and deren Beerensträucher wir zu untersuchen Gelegenheit aber bezüglich der Farben- und Formenwahl allem Auf. großengefertigt Brillant geschlossen , der oben am Kragen be hatten , werden das Liter nicht mit 20 Pf. berechnen fallenden abhold. Dieser Geschmacksrichtung entsprechend festigt wird. können , denn deren Beeren , im eigenen Garten gepflüdt, sind die großen Berliner Modehäuser ganz anders assortiert als die Wiener ; sie verkaufen auch billiger , weil ihre In den hocharistokratischen Salons in Paris und sind viel zu teuer. Man dente sich wie es scheint, aus Nouveautces nicht stets der Gefahr, nach Wochen schon un Madrid wurden in letzter Zeit wiederum Versuche ge dem vorigen Jahrhundert stammende , mit Moos und modern zu sein, ausgesetzt sind. Tonangebend für Berlin | macht, statt des schwarzen Fracs den roten einzuführen, Flechten überzogene , von mächtigen Ahorn- und Kaſta,
Das Geburtshaus Dantes. -1423=1425-1424nienbäumen beschattete Sträucher, an welche noch niemals geben werken ; letzterer bestimmt den geistigen Gehalt des von der Luft vollständig abgesperrt ist . Wenn diese Bläs ein Meffer oder eine Schere gerührt hat, mit von Raupen werdenden Getränks. Man gibt z. B. zu 1 k Johannis chen nicht mehr sichtbar sind, dann ist die erste. die „stürzerfreffenen Blättern , im Boden , der noch keinen Dung, beeren 212 1 Wasser und zum Haustrunt 400 g zum mische" Gärung beendet und man soll die nun Wein" feinen Spaten gesehen, wohl aber mit Gras und Unkraut Tischwein 600 g und zum Liförwein 800-900 g Raffi- genannte Flüssigkeit von der am Boden des Fasses ange= bewachsen ist, das die Nachbarfrau für ihre Kuh schon nadezucker ; zu 1 k Stachelbeeren 12 1 Wasser und 250 sammelten Hefe in ein anderes sorgfältig , wenn nötig längst hätte absicheln sollen, wie der Besitzer sich ent- bezw . 400 und 600 g Zuder; zu 1k Heidelbeeren 2 1 durch Abbrennen einiger weniger Schwefelsäden gereinigtes schuldigte, -man denke ich solche Sträucher , an denen Wasser und 300 bezw. 500 und 750 g Zucker. Zur Be Faß abziehen" und einer zweiten schwachen Gärung unter hier und da ein Träublein mit je drei Beeren hängt - reitung von 1001 Beerwein braucht man 28 k Johannis denselben Umständen wie die erste überlassen, nur in einer ist es nicht teure Arbeit , sich aus solchen Trauben Wein beeren, 40 k Stachelbeeren und 32 k Heidelbeeren und bei um wenige Grade geringeren Wärme , und nach deren ju bereiten , selbst wenn man noch so viel Wasser zur jeder Sorte für den Haustrunt 10-12 k 3uder, für den Beendigung noch einmal abziehen , 4-6 Monate liegen Berteilung der außergewöhnlich starken Säure zugiegt? Tischwein 15 und für den Liförwein 20-25 k 3uder. lassen und dann auf Flaschen füllen , die möglichst luftWill man sich einen billigen und guten Tischwein Je nachdem wir einen stärkeren oder schwächeren Wein dicht zu verschließen sind. Das Abziehen auch auf Flaund Haustrunk herstellen, so sorge man vor allen Dingen herstellen wollen , setzen wir mehr bezw . weniger Zucker schen muß so vorsichtig geschehen, daß die auf dem Boden fürden unentbehrlichen aber billigen Grundstoff, d. h. saft bei - immer aber im Verhältnis zur Menge des ver des Fasses abgelagerte Hefe nicht aufgerührt wird , also reiche, also gute und deshalb billige Beeren von auf son wendeten Wassers, die durch den Säuregehalt der Früchte nicht in die Flaschen kommt, und der Keller muß, wir wiederholen dies , gut gelüftet sein , denn die aus dem nigem Blake gut gepflegten Sträuchern , wie wir sie im bestimmt werden muß. Oktoberhest v. 3. beschrieben und die in gut gedüngtem, Zur Herstellung des Weins werden die gut gärenden Most entweichende Kohlensäure wirkt bis zum Will man , ohne öfter aufgelocertem Erdboden stehen müssen, der den reifen, aber nicht überreifen Früchte gepflüdt und , die Tode betäubend auf den Menschen. Sonnenstrahlen zugänglich sein muß , damit sie ihn er roten und weißen Johannisbeeren zur Gewinnung einer die Säure noch mehr zu schwächen, den Wein mehr süß wärmen und zur rechtzeitigen Reise von Früchten und herrlichen Blume" mit Beimischung von 5 , höchstens haben , als dem an träftigen Stoff gewöhnten Gaumen Holz bezw. Triebe und Blütentnospen beitragen. Von der 10 % schwarzen Johannisbeeren (von Ribes nigrum L.), des Mannes lieb ist , will man einen richtigen Damenwein bereiten , so Pflege der Beerensträucher , die wir in eben genanntem zerstampft oder , bei wird man vor der Heft dieser Zeitschrift ausführlich besprochen , können wir geringem Wasser, zweiten Gärung der heute absehen , müssen aber an die Vertilgung des Unge- durch die Hände zerFlüssigkeit zu 2001 ziefers erinnern , der Raupen , von denen einzelne Arten drückt, mit ein wenig noch 2,5-3 k 3uder noch jetzt frei herumlaufen, während andere unter und in Wasser angegossen zusehen, aber ohne zusammengerollten oder zusammengehefteten Blättern sich und zwei Tage in berbergen, auch sich verpuppen und die durch Zerdrüden nur mit einem lojen mehr als zur AufLösung nötiges Wasmit den behandschuhten Fingern leicht getötet werden Dedel abgeschlosse ser; er vergärt nun fönnen. Noch andere Arten haben sich bereits vollkommen nem Gefäß stehen ge nicht mehr, schadet entwidelt, fie fliegen und müssen gefangen und getötet lassen. Für große aber auch der Halt oder durch Bestreichen der Sträucher mit einer Mischung Massen hat man barkeit des Weines von 1 k Alaun und 2 k Soda in 151 Leimwasser (5 g zumPressen derBeenicht. Seim in 1 Wasser aufgelöst) ferngehalten werden. ren geeignete Ma. Der Hefepilz Echließlich gibt es auch solche Arten , welche bereits ihre schinen. Nach jenen lebt nichtvomZuder Fier abgelegt haben, aus denen im nächsten Jahre die zwei Tagen prest und dieser kann die Larven (die Raupen u. a. ) entstehen, welche Blätter, Blü man den Saft ab, Gärung nicht her ten und Früchte zerstören und auch das Fruchttragen im d. h. bei geringer vorrufen: der Pilz folgenden Jahre unmöglich machen; die Eier muß man Masse windet man lebt vom Saft der abfragen oder die damit dicht besetzten Zweige abschneiden ihn durch ein sau Beeren ; ist dieser und verbrennen. Freilich muß man Raupen, Schmetter- beres Handtuch oder allzusehr verdünnt linge, Eier, zusammengerollte Blätter u . f. w. sehen lernen, dergl. und filtriert und hat man ihm ihn durch ebenio sonst helfen auch die feinsten Handschuhe nicht , die Inmehr Zuder beigejetten in ihrem vielfach verschiedenen Zustande zu ver- sauberesLöschpapier, mischt dann die geben, als der Pilz tilgen. zu zersetzen imstande Unterhalten wir uns noch einige Minuten von der Trester", d. h. die ist, so fehlt es ihm Bereitung des Weines, die auch Dr. Barth-Rufach zurückgebliebenen an Nahrung und er in einem Vortrage ausführlich besprochen , welcher letztere Beerhäute , Stiele versagt seine doch uns in einem Sonderabzuge behufs weiterer Verbreitung u. s. w ., wiederholt Mit. unentbehrliche Jugegangen ist ; wir entnehmen ihm einige beachtenswerte mit dem zum Verwirkung bei derUm Gesichtspuntie, folgen aber im folgenden hauptsächlich eige- dünnen bestimmten Safdes wandlung ner Erfahrung. Die von Herrn Dr. Barth ebenfalls be- Zuckerwasser , preßt tes in Wein. In sprochenen Himbeeren , Brom- und Erdbeeren sind zur sie von neuem und solchem Falle führt Herstellung von Wein weniger geeignet als Johannis , mischt diesen East man dem Pilz Nah, Stachel. und Heidelbeeren ; wir lassen deshalb erstere heute mit dem zuerst gerung zu durch gewonnenen; er wird unbeachtet. Weintrau troduete Als Wein bezeichnen wir sowohl das aus den Trau- dann farblos und ben , von Korinten ben des Weinstocks wie auch das aus den Beeren der sogen. ohne merklichen Geoder Zibeben, geBeerensträucher und der Heidelbeergewächse hergestellte Geschmack von Fruchttrockneten Heidel tränt mit einem gewissen Gehalt von Alkohol u . a.; es säure sein, und wird beeren ( Blaubee ist dies ein Kunstprodu't , weil ohne das Eingreifen des nur in das forg ren", von dem bei Menschen die Beeren abfallen und verfaulen - Wein aber fältig gereinigteGär uns wildwachsenden geben sie nicht. Dies durch die künstlich geleitete Gärung faß und mit diesem Strauche Vaccierzeugte Getränk muß einen angenehmen Fruchtduft ent in den 12-180 6. myrtillus nium wideln und rein in der Farte sein ; es muß neben größe (10-150 R. ) war Das Geburtshaus Dantes. L.). die gewöhnlich ren oder geringeren Mengen Zuder noch 112-20% nicht men, gut gelüfteten im Handel zu haben verfliegende und nicht vergärende sogen. Ertraktivstoffe be- Gärteller gebracht. figen, es soll nicht unter 12 % und nicht über 30% reine Der weitere Verlauf der Entwickelung ist genau wie bei |find ; 1-2 k im Heltoliter Saft werden- stets die Gärung Ein solcher dem Traubenwein , den wir in unserem Weinbau im in gutem Fortgang erhalten können. in Fruchtsäure enthalten, sein Weingeistgehalt soll mindestens 6 , höchstens 15 und ausnahmsweise 17 Raum (Volume) Garten", Leipzig 1887, ungefähr folgendermaßen be- Weise bereiteter Beerwein" gibt dem besten Trauben Prozente betragen und es soll bei einigermaßen aufmert schrieben haben: Der bis dahin klare Saft wird nun wein" nichts nach und wird, bis zu einer gewissen samer Behandlung der Verderbnis lange widerstehen trübe , weil sich eine Menge fleiner Zellchen entwickelt, Grenze, von Jahr zu Jahr stärker, feuriger, mehr wohltönnen. Diese Anforderungen erfüllt der Traubensaft der 0,006 mm lange Wein-Hefepilz (Saccharomyces schmedend, kurz : besser, viel besser! vom Weinstock in guten aber seltenen Jahrgängen von ellipsoides Rees) , der an der rauhen und etwas selbst, weil der natürliche Säuregehalt niedrig, der Zucker- tlebrigen Haut der reifen Beeren sich befindet , mit dieser gehalt hoch genug ist, um nach der Vergärung und Lage in die Flüssigkeit kommt und sofort seine Thätigkeit beDas Geburtshaus Dantes. rung ein Getränk von dem angegebenen Gehalt zu liefern . ginnt, wenn nicht zur schnelleren Auflösung des RaffinadeErnst , fast wie ein Gefängnis , schauen uns die Der Traubensaft der gewöhnlichen schlechten Jahrgänge zuckers tochendes Wasser benutzt und solches nach mehr wie andere Obstfäfte enthalten aber mehr Säure und we als 50 ° C. (400 R.) warm dem Safte beigegeben wurde, Mauern an , hinter denen der größte Dichter Italiens, niger Zuder und liefern deshalb ein ungenießbares Ge- wodurch es den Hefepilz getötet hätte ; das Zuderwasser Dante Alighieri , das Licht der Welt erblickte. Und als tranf , mit Ausnahme vielleicht desjenigen von Aepfeln muß abgefühlt verwendet werden. Kann der Saft wegen wenn das Geburtshaus den Charakter bestimmt hätte, so und Birnen, dem aber eine Verbesserung auch allzu starter Verdünnung nicht gären, dann soll man ihm war auch Dantes Genius ernst, fast zu ernst für die hei niemals schaden kann. Der Saft von gut ausge für 100 1 50 g reiner Preßhese zusehen , nachdem man tere Farben und Melodien, sowie fröhlichen Genuß lie reisten Aepfeln z. B. enthält 1-3 % Säure und 100% diese durch etwas Saft zu einem gleichmäßigen Brei ge- benden Italiener. Damals freilich mögen die Italiener Zucker, gibt also ein Getränk von 6 % Weingeistgehalt ; rührt hat. Die Hefezellen , von kleinen Gasbläschen ge- etwas ernster gewesen sein wie heute , denn das Leben der Saft von Birnen enthält ungefähr 12 % Säure und tragen, steigen geschäftig in die Höhe, setzen an der Ober- Dantes fällt in eine Zeit unheilvoller politischer Zerrissen 9 % Zucker; einige Sorten haben weniger Säure und fläche das Gas ab und sinken dann unter , um mit einer heit und wilder Parteikämpfe. Der Dichter 303 selbst geben deshalb ein fades Getränk. Dahingegen enthält neuen Ladung Gas emporzusteigen ; die ganze Flüssigkeit mehrmals mit zu Felde, zweimal gegen die Nebenbuhlerin der Saft selbst gut ausgereifter Johannis , Stachel- und gerät in lebhafte Bewegung , sie scheint zu kochen , sie Pisa, und kehrtejedesmal mit Ruhm bededt zurück. Auch Heidelbeeren etwa 11-20 Säure und 5-8 % 3uder, schäumt und zischt : sie gärt. Diese Gärung , welche an den inneren Parteifämpfen von Florenz nahm er teil, wird also nach der Bergärung ein Getränk von 1-2 % durch vom Fruchtsaft lebende Zellen hervorgerufen und und hier ist es charakteristisch, daß er, als die Adelspartei Säure und 3-5 % Weingeist liefern , das ungenießbar, unterhalten wird, bewirkt eine chemische Zersehung des im auf den Sturz der Republik hinarbeitete , er (es war im der Gesundheit schädlich ist. Aber der Fruchtgeschmad Safte enthaltenen und des ihm künstlich zugeführten Zuders Jahre 1296) offen zur Volkspartei überging . Leider aber dieser Säfte ist so ausgiebig, daß er sich auch nach starter in zwei Stoffe : Kohlensäure und Altohol. Die spaltete sich die Volkspartei ihrerseits wieder in zwei Par. Berdünnung noch genügend bemerkbar macht. Die über Kohlensäure entweicht in den Gasbläschen durch das teien, die in die Kämpfe der Guelfen und Ghibellinen ver mäßig vorhandene Säure muß durch Zusatz von Wasser Spundloch , das aber der äußeren Luft Zutritt gewährt, widelt wurden. Dante stand mit auf ghibellinischer Seite. auf eine größere Masse verteilt, also vermindert und der und sie mit ihrem Sauerstoff wirkt doch schädlich auf den aber seine Partei unterlag 1302 , indem auf des Papstes hiernach nur dürftige Zudergehalt durch Zusak von bestem Wein. Man muß also den Zutritt der Luft hindern. Veranlassung Karl von Valois der guelfischen Partei zu Raffinadezuder so weit erhöht werden, daß nach der Ver. Dies geschieht durch Einhüllen des Spundes in Charpie Hilfe tam. Dante wurde verbannt, sein Vermögen fon gärung ein Getränk von 8-10 % und mehr Weingeist baumwolle (Watte) oder Wollfäden , beides unter dem fisiert und seitdem irrte er in traurigen Verhältnissen entstanden ist. Johannis , Stachel- und Heidelbeerfäfte Spunde in das Faß reichend, wodurch sie die Kohlensäure umber und starb am 14. September 1321 in Ravenna, (gewöhnlich auch die von Weintrauben) bedürfen zur Ver in das Freie leiten, aber den Zutritt der Luft zum Wein nachdem er noch alle Hoffnungen, wieder in das undank minderung ihres Säuregehalts auf 0,5-0,7 % eines zu und dessen Sauerwerden verhindern. Besser ist ein aus bare Vaterland zurückzukehren, hatte scheitern sehen. Aber jatzes der zwei- und dreifachen Menge von Waffer , auf dem Innern des Fasses durch den Spund in das Wasser auch das Privatleben des Dichters war nicht ohne schwere 11 Beeren also wenigstens 21 Waffer, und braucht man eines unten stehenden Gefässes geleiteter Gummischlauch Schicksalsschläge. Im Jahre 1290 wurde ihm , dem dabei der Verdünnung sich nicht allzu genau an etwa vor oder eine Glasröhre in Beinform, welche die Kohlensäure mats Fünfundzwanzigjährigen, seine schon seit dem Knabengeschriebene Zahlen zu halten; die Hauptsache bleibt in das Wasser leitet, aus dem sie in der Form von Gas alter schwärmerisch angebetete Geliebte Beatrice durch den immer: je mehr Wasser, desto mehr Zucker muß beige- bläschen in die Höhe steigt, während der gärende Most Tod entrissen. Freilich ging er im darauffolgenden Jahre
Göta Kanal.
Aus Küche und Haus.
Unsere Kunstbeilagen. 1427-1428| sponnen ist, hat denn auch der Götakanal seine Bedeutung einer tiefen mit Butter ausgestrichenen Schale mit einer als Verkehrsstraße — die übrigens nie sehr groß war Schicht von fein geschnittenem Weißbrot und dieses mit verloren. e ner Vage in sehr dünne Scheiben geschnittenem Schweizer. käse und wechsele mit den Lagen, bis die Schale gefüllt und die letzte Lage von Brot ist ; gieße nun so viel jette Der gefirnte Himmel im Auguft. Bouillon daran , daß das Brot bededt jei, lasse im Ofen Auch in diesem Monat erblickt man die Milchstraße (Röhre) hellbraune Farbe nehmen und serviere zu kräftiger in großer Pracht, ja sie ist jetzt noch besser sichtbar als im Bouillon. Hammelrüden à la Bretonne. Man lege auf Juli , weil die Dämmerung weniger stört. Rahe dem Scheitelpunkte steht nun das Sternbild des Schwans und den Boden der Bratkasserolle Scheiben von Hammelfett bietet mit seiner Umgebung einen ungemein schönen An- und den wohlgeklopften Rüden darüber, gieße ein flein blick dar. Südlichdavon sieht man die Sterne des Delphin wenig Wasser daran und brate ihn unter fleißigem Be und oftwärts steht der Adler. Der tiefere Himmel gegen gießen in einer Stunde gar und zwar unbededt. Während den Horizont erscheint dagegen sehr sternarm. Im Süd- dessen hat man weiße Bohnen mit Salz , einer Zwiebel often ist das Sternbild des Wassermanns gut sichtbar und und einem Stück Sellerie in Wasser weich gekocht und oftwärts davon steht der Pegasus, dessen vier Hauptsterne auf einen Seiher gethan ; schneide nun einige Zwiebeln zu Scheiben, dämpfe sie in einem guten Stüd Butter weich, füge einige Eklöffel Mehl, Bouillon und ein wenig Estragonessig hinzu und foche zu einer seimigen Sauce, die man durch ein feines Sieb streicht , thue die Bohnen hinein, lasse sie heiß werden , gebe zuletzt noch ein Stückchen Butter und etwas Pfeffer daran und umlege den auf erwärmter Schüffel angerichteten Hammelrüden damit. Wachteln mit Polenta. Man bestäube die rein geputzten und ausgenom menen sehr frischen Wachteln mit feinem Salz, umbinde sie mit Sped und brate fie in frischer Butter zehn Minuten lang recht saftig. Dann rühre man 1 kg Maiemeht in 11 start fochende Bouillon , füge 125 g frische Butter, Salz und Pfeffer hinzu und laffe es zugedect langsam zu einem diden Brei tochen; vermische es vor dem Anrichten mit acht Eflöffeln geriebenem Parmesankäse und garniere die Polenta mit den Wachteln, nachdem man den Eped entfernt hat. Der Göta-Kanal. Jägersalmi. Man brate ein paar zarte Fildhühner, wie gewöhnlich mit Spec Schweden gehört zu den wasserreichsten Ländern der Welt. Gleichwohl hat es keinen scheiben und Traubenblättern umwidelt, in Butter und zerlege fie je in zwei Schlegel, einzigen bedeutenden Fluß aufzuweisen. Die Wasserläufe folgen alle isoliert und fast zwei Flügel und zwei Bruststüde ; gebe dann parallel nebeneinander der nach Südost ge sechs Eglöffel feinstes Del , doppelt so viel richteten Abdachung des Landes und nur in Rotwein , Salz , ziemlich reichlich Pfeffer, der Nähe des Meeres vereinigen sich mehrere Saft einer Zitrone und etwas Schale und derselben zu einem schiffbaren Flusse. Chazwei gestrichene Theelöffel voll Fleischertrakt in eine Kasserolle , lasse das Fleisch unter rakteristisch ist, daß die meisten dieser Wasserstetem Schwingen bis dicht vors Kochen tom läufe in ihrem oberen Teile Seen bilden. men, richte es gehäuft an , gieße die Sauce Am großartigsten tritt diese Erscheinung im südlichen Schweden auf, wo der Wener , darüber und garniere mit Kroutons. Wetter , Mälar , und Hjelmarjee eine Schwarzbrotpudding. Man rühre Fläche von 9580 Quadratt.lometer be300 g fein gesiebten Zucker mit zehn Ei dottern eine Viertelstunde, mische 1 1 sau decken, also ein Areal , das etwa halb so ren, zu steifem Schaum geschlagenen Rahm , groß ist wie das Königreich Württemberg. Von ihnen nimmt der Wenersee allein 5975 550 g altbadenes , geriebenes Schwarzbrot, Quadratkilometer ein . Der größte deutsche eine Prise Salz, 15 g 3imt, 25 g gehadte Mandeln und die abgeriebene Schale einer See, der Müritzsee in Mecklenburg , ist nur 132, der halb deutsche , halb schweizerische Zitrone darunter und ziehe den Schnee von zehn Eiweiß hindurch; bestreiche nun eine Bodensee 539 Quadratkilometer groß. Der Wettersee hat ein Areal von 1922 Quadrat. glatte Form gut mit Butter , bestreue sie tilom ter. mit geriebenem und mit Zuder und Zimt Zwischen diesen großen Seen ist eine vermischtem Schwarzbrot und lege eine Schicht Anzahl von kleineren Seen eingebettet und von der Puddingmasse hinein , darauf ein gemachte, wohl abgetropfte Kirschen und da die zwischenliegenden Landstrecken nicht sehr groß sind, so war es nicht sehr schwiewechsele mit Teig und Kirschen ab, bis ersterer verbraucht ist, backe den Pudding in rig, einen Teil derselben durch Kanalbau und Benutzung von Flußläufen zu einer nicht zu heißem Ofen (Röhre) eine starke Stunde und gebe Eierrahm dazu. von der Ostsee nach dem Kattegat gehenden schiffbaren Wasserstraße zu verbinden. DenEierrahm. Man stoße 75 g Zudet Schleusen des großen Schiffstanals in Schweden. mit einer halben Stange Vanille ganz fein, noch hat es über hundert Jahre in Anspruch genommen, bis der Bau beendet war. thue dies in 1 1 süßen Rahm und bringe Dies war der weltberühmte Göta-Kanal. ein Trapez bilden. Im Nordosten ist Andromeda schon | es ganz langsam zum Kochen ; ziehe es mit drei Eidottern Derselbe bildet eine Verbindung der Ost- und Nord- höher über den Horizont gekommen und gegen Norden ab und dede es fest zu ; füge , wenn es erfaltet ist, eine see und zwar in folgender Weise. Ausgehend vom Meer steht ganz tief das Sternbild des Perseus. Der große Prise Salz hinzu , gebe die Sauce durch ein Sieb und busen Slätbaten bei Söderköping in der Provinz (Län) Bär nähert sich im Nordwesten dem Horizont und westlich mische im Augenblick des Anrichtens vier Eßlöffel Madeira, Marastino oder Kirschengeist darunter. Linköping steigt er durch die Seen Asplangen, Roren davon ist Bootes im Untergehen begriffen. und Bogen in den 86 m über dem Meer gelegenen Wetter. Am 4. erstes Viertel, am 9. Mond in Erdnähe, am Schaumtorte mit Pfirsichen. Man rühre 135 g see, setzt von dessen Westufer seinen Weg fort durch das 11. Vollmond, am 18. lettes Viertel, am 21. Mond in Butter zu Schaum und dann 135 g Mehl, 200 g Zuder und zwei Eidotter kräftig hindurch, gieße es in die Form, Rödesund nach dem Bottensee, steigt dann mittels einer Erdferne, am 26. Neumond. Merkur ist unsichtbar. Venus ist Morgenstern und bade es und lasse die Torte austühlen; lege hierauf ein Schleuse in den 93 m über dem Meer gelegenen Wiken. see, womit er seinen höchsten Punkt erreicht. Von hier geht gegen 1 Uhr früh auf. Die Sichtbarkeit des Jupiter gemachte oder frische , in Zucker gedämpfte Pfirsiche dicht steigt er mittels zahlreicher Schleusen nach dem 44 m hoch nimmt erheblich ab, er steht zu Anfang des Monats gegen darüber, bedecke mit vier zu Schnee geschlagenem und mit gelegenen Wenersee hinab, dessen Abfluß, die Götaelf, den 9 Uhr , später schon nach 7 Uhr im Meridian. Saturn vier Eklöffeln gefiebtem Zuder vermischtem Eiweiß und 34 m hohen berühmten Trollhättafall bildet, der durch ist unsichtbar. In den Nächten zwischen dem 10. und 13. stelle es wieder in den Ofen , bis dieser Guß schön geld den Trollhättakanal umgangen wird , so daß die Schiff wird man viele Sternschnuppen, aus dem Sternbild des geworden ist. fahrt feine Unterbrechung erleidet. Die Götaelf mündet Perseus tommend, erblicken. Es sind diese die Meteore des Laurentiusschwarmes. Leider wird der Mondschein bei Göteborg ins Kattegat. Unsere Kunßbeilagen. Die ganze Strecke von Göteborg bis Söderköping be die Erscheinung erheblich beeinträchtigen. trägt 365 km, wovon 75 auf die Götaelf, 100 auf den Dem vorliegenden Hefte sind vier Kunstblätter beige geben , darunter ein anmutiges Landschaftsbild Kron Spiegel des Wenersees, bis zur Ausmündung des Kanals, berg von A. Chelius, das bereits an anderer Stelle tommen. Der Kanal selbst ist 190 km lang, wovon aber (S. 1403) einen erläuternden Text fand. Ein charakteristi nur 87 wirkliche Kanalstrede, 103 km aber Seefläche sind. Aus Küche und Haus. Da der höchste Punkt des Kanals 93 m hoch liegt, sches Bild norwegischer Natur bietet A. Normann in Von so kommt auf jeden Kilometer 1,07 m Steigung, weshalb feinem Hafen von Bodoe". Boll Liebreiz ist die Heldin des Max Volkhartschen Blattes Andere denn auch die Zahl der Schleusen eine ungemein große, Städtchen, andere Mädchen"; ihr scheint der Wankels nämlich 58 , sein mußte. Jede Schleuse überwindet also T. v. Pröpper. mut der Männer weniger Sorgen zu machen . und mit durchschnittlich eine Steigung von 2,45 m (da die ganze August. Recht, denn sie ist ganz dazu angethan, den Reisigen, der Steigung von 93 m und der Abstieg zum Wenersee von Melonen. Man nehme womöglich eine recht reife, sie zum Fenster herein grüßt, zu fesseln für immer wenn 49 m zu rechnen ist) und es kommt auf je 1465,5 m eine Echleuse. Die Tiefe des Kanals ist durchschnittlich 3,25 m. frische Netzmelone, schneide sie, nachdem die Enden etwas sie nur will . H. Motte, der stets effektvolle Motive für Er würde also eine recht brauchbare Wasserstraße bilden, abgestukt worden, ungeschält der Länge nach in Schnitte seine Bilder zu finden weiß, hat dieses Talent in seinem wenn nicht die vielen Schleusen wären, die einesteils durch und stelle sie bis zum Gebrauch talt, am besten auf Eis; Richelieu bei der Belagerung von La Rochelle die zu entrichtenden Abgaben die Frachten stark verteuern, richte sie dann auf einer Kristallschüssel an und reiche von neuem bewiesen. Der Vorgang, den der französische anderseits einen bedeutenden Zeitverlust verursachen , der, 3uder, Salz, grobgestoßenen weißen Pfeffer und Paprika Maler gewählt hat, ist ein Hauptpunkt in dem Leben des wenn man auf jeden Schleusendurchgang nur eine halbe dazu. Es ist ein überall gern gesehenes , erfrischendes großen französischen Staatsmannes, denn durch die Ein Stunde rechnet , 29 Stunden ausmacht. Seitdem das Hors d'oeuvre. nahme der Stadt am 28. Oktober 1628 vernichtete er die südliche Schweden von einem dichten Eisenbahnnetz überItalienische Käsesuppe. Man bedede den Boden politische Stellung der Hugenotten.
-1426eine Ehe ein, die aber nur eine konventionelle Verbindung gewesen sein kann, wie sie denn auch der Dichter nach mehreren Jahren wieder löste. Unter solchen Verhält nissen und Umständen konnte der ohnehin zu idealem Streben veranlagte Sinn des Dichters nur eine ernste Richtung einschlagen, eine Richtung, wie sie sich bei keinem anderen großen Dichter der Weltlitteratur in so großartig tiefer Weise ausgeprägt hat. 3hren höchsten Ausdrud hat dieselbe in der Göttlichen Komödie gefunden. Dieses mit der Zeit in alle lebende Sprachen übersetzte Riesengedicht säildert in hundert Gesängen eine unter Leitung des Dich ters Virgil unternommene Wanderung durch die Hölle (34 Gesänge) und das Fegfeuer (33 Gesänge) in das Paradies (33 Gesänge) , wobei ihm alle Begegnisse , insbeson dere mit Personen , Veranlassung zu religiösen , philosophischen und historischen Betrachtungen geben, die in die erhabenste und zugleich beredteste und ge wandtete Ausdrucksweise gekleidet , bald tlingen wie erheiternder Frühlingshauch, bald wie winterliches Sturmesbrausen. Denn nicht nur als ihren größten Dichter verehren die Italiener Dante, auch den Schöpfer ihrer Schriftsprache sehen sie in ihm. Aber sie vergessen dabei auch nicht die dritte bedeut fame Seite dieses Mannes , seine glühende Vaterlandsliebe, in welcher er in jener Zeit der Zerrissenheit Italiens für eine Einigung des Landes, wenn auch unter dem damaligen römisch-deutschen Kaisertum , fämpfte. Aus diesen Gründen gestaltete sich denn auch die sechshundertjährige Wiederkehr seines Ge burtstages im Mai 1865 zu einer National. feier, die um so begeisterter ver.ief, als das italienische Voll sich damals mit Riesenschritten seiner so lange ersehnten Einigkeit näherte.
Bum
Kopf- Berbrechen.
Rebus.
Togogriph . Zur franken Mutter sprach Marie: Darf zu ihm hin ich gehen? Ich sehe Verdis Troubadour Heut' auf dem Zettel steben." Die Mutter sprach: Wohin du möcht'st, Ein Zeichen wirf hinein; Bring dann das Wort mir , liebes Kind, Laß heut' mich nicht allein!"
Charade. (3weifilbig. ) Die Unsern vor der Ersten weichen! Die Ersten voll von blut'gen Leichen! Auf die man schönste Hoffnung setzte: Sie traten an die lehte Lehte. Das Land erfüllt mit lauten Klagen Und schon hört man die Frö.nmler sagen: 3m Ganzen ruft den Himmel an! Sonst ist's um euer Heil gethan!
T
DODO
*
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B
Räffel. 3m tiefen See wird mich der Taucher Skat- Aufgabe Nr. 39. finden, A (Vorhand) gewinnt Null-ouvert mit den folgenden In stillen Thälern ruhe ich verstedt; Karten: Kaste Aus blauen Augen such' mich zu ergrün Pique AB, Pique-Bube, Pique-9, Pique- 7, Treff-8, den, Coeur-10, Coeur-9, Coeur-8, Coeur-7. Sag', ob in treuem Blid du mich entdedt. Treff-7, Die Karten siten so , daß A auch Grand und zwar Vergebens folgst du meiner Spur in mit 62 Points gewonnen hätte. Städten, Wie sind die Karten verteilt? Dem fleiß'gen Landmann aber fehl' ich Reiner der beiden Gegner hat eine unbesetzte Zehn. nicht; B (Mittelhand) hat mehr Carreaux als Treffs. In füßer Ruh' lieg' ich in weichen Betten, Dechiffrieraufgabe. In Schlössern und Palästen lieg' ich nicht. sanodadusadasi dunu notarenada serena retada- Mir sind gegeben der Geschwister viele, Schachaufgabe Nr. 62. Davon nennt dies man dumm, und jenes flug, dosudasi daserado sudananodurado, suseduranidasi tusesotanunudare serena desedu- Ein drittes thöricht - ob's dir wohl gefiele, Von Ed. Betsch-Manskopf in Frankfurt a. M. Sagt ich noch mehr? Ich glaub's, doch ist's genug. didasi daserado dedadure ; Schwarz. nataradoda resesu nidaduredasu tuse sasudadusi In Stubenluft bin nimmer ich zu Hause, a b с f e d h Du windest mich in holder Blumen Kranz; sodurado serena soradotadananodurado, natarere dusosi nataso notarena reduradosi dese- Ich meide stets des Eremiten Klause, ninodadure. Sonnenglanz! tanonoda tuse lichten nimmermehr den dusu Doch 8 8 Vorbereitung. 7 7 sa-a-3mal; nu-f-4mal ; do-k=8mal ; tu=0 =3mal ; Füllräffel. no-b-8 . ta=g=9 . su=1=6 , so= p=5 , Die mit einem⚫ 6 da-c- 19. re=h= 13, ra=m =9 , de= q=3 . 6 se * bezeichneten Felder du-d= 14, na=i=8 , ni=n=3 . di=r= 1 . Quadrats size=7 . des obigen se=j= 10, Die Striche ober den Zahlen a u b 5 sind mit je einem 5 bedeuten die Verdoppelungen. Buchstaben so auszuNeue Geheimschrift. * S 0 1 d * füllen, daß die sechs 4 abcdace df bghic jhi hgcklce cjmk leibdmk , 4 wagerechten Reihen ljdmnce ojpgffch jhi qjdrce cjmk qedh ; sechs bekannte Wörter * e S S e fgmke bjl nedhel oj alede pdmk jhi pmkgcibdmk ; 3 ergeben, und daß die 3 ighh dpe igp bghi hdmke qjdl gbbc oj nbcdh. Anfangsbuchstaben * e с k е * von oben nach unten 2 2 Rätsel. gelejen einen bekann * i k e * ten Schriftsteller un Bald groß, bald flein , doch stets dem Kaufmann unent= 1 serer Zeit nennen. 1 behrlich, Um seine Waren aufzuhäufen ist mein Erstes. Wein Zweites schmüdt den Krieger und den Jäger, a d f g h Lodbringend im Gebrauch und tiefe Wunden erzeugend. Geographisches Rätsel. Weiß. Das Ganze, des nie rastenden Menschengeists neuestes Er (7 + 2 = 9.) 1) Dem Urteil Salomonis fügten sich die beiden strei. zeugnis, tenden Weiber. Weiß zieht an und setzt in drei Zügen matt. Bernichtet die feindlich sich treffenden Völker, musikalisc Durch 2) die Dramen von hen Richard Wie ein Heuschredenschwarm die Gräser des Feldes. Wagner ist die Wirkung der Blechinstrumente bedeutend erhöht worden. 3) Bathjeba , Selli find Namen, welche in der jüdischen Schachaufgabe in Typen Ar. LIV. Charade. Geschichte häufig vorkommen. Von Arthur Wheeler in London. (Zweisilbig. ) Jederhervorragende Mann wird stets Neider finden. 4) Weiß: Kd2. Dh1. Te4. Sc4. Be3. Der Zweite rief dem ungebärdigen Neffen das Erste; Herren steht gut, einem Mit es 5) Schwarz: Kd5. Sd7, f5. Bc6. Da war dieser wie das Ganze verschwunden. Der, was er befohlen, selber thut. Weiß zieht an und setzt in zwei Zügen matt. (Gocthe.) 6) Nicht der ist aus der Welt verwaist, Lösung von Nr. 61. Dreißlbige Charade. Dessen Vater und Mutter gestorben, Td5a5, b5, 1. Sg1 - h3 Willst du mein Rätselganzes finden, Sondern der für Herz und Geist Dann suche es in solchen Stücken, c5, e5, g5, h5 Reine Lieb' und kein Wissen erworben . 2. Ld6a3, b4, c5:) Die meine eriten beiden fünden, nebst (Rüdert.) Const wird es nimmermehr dir glüden. es:, g3 7) That wer dich tränken, mußt du ihm verzeihn , 3. Lc1, d2, fi, f2 oder Se7d5 :, f5 . Lobt meine Letzte jene Beiden, Dein Herz soll still und voll von Liebe sein. Bird dich das Ganze hoch entzücken, (Rudorff.) Lösung von Nr. LIII. Und ich will mich dann gern bescheiden 8) Wer hat dich, du schöner Wald, 1. Ke7 - f7 Kc5 -d6 Und ihnen still die Hände drücken. Aufgebaut so hoch da droben? Kd6-e3 : 2. La5 - b6 Wohl den Meister will ich loben, 3. Lb6 - c5 Kes - ft Colang' noch meine Stimm' erschallt ! 4. Lc5 - d6 . Damespiel- Aufgabe. (Eichendorff.) 1. Kc5 - d4 9) Der Pomp eines Königs umgab Wallenstein in Echwarz. 2. La5 - b4 und wie oben. dieser Einsamkeit und schien dem Urteilsspruche seiner Er a b c d e f g h führten Pforten Sechs zu niedrigung Hohn zu sprechen. dem Palaste , den er in Prag bewohnte, und hundert 8 Häuser mußten niedergeriffen werden, um dem Schloßhofe Auflösungen zu Heft 11, S. 1141-1143. Raum zu machen. (Schiller.) Charade: Ehebruchstück. In den neun verschiedenen Absätzen ist in jedem der Quadraträtsel: r Name einer Stadt oder eines Flusses enthalten , deren Liebe hast du ihm geschworen, Anfangsbuchstaben richtig gestellt den Namen eines Er war deine Seligkeit! 6 Ories bilden, welcher jedem Christen heilig ist. Aber nun ist er verloren. (Luna.) Dechiffrieraufgabe : 5 Dieses Kryptogramm g hört zu den Geheimschriften der zweiten Gruppe, wo die Buchstaben ihren natürlichen Rätsel. Plak verlassen, aber ihre ursprünglichen Bedeutungen beiMein Erstes, dem nassen Schoße in Menge durch Feuer behalten und hierdurch die Depesche unleserlich machen. entrungen, Schlüssel hierzu: Treibt mit gewaltiger Kraft das Zweite und Ganze. Ein Quadratennek (tariertes Papier) von 20 FelEs findet auf unergründlichem Plane, die tobenden Ele der Breite und 10 Höhe, in welches die Buchstaben in einer verabredeten Ordnung eingeschrieben werden. mente bekämpfend, Den sicheren Weg an des Erdballs ferne Gestade. (Diese Aufgabe läßt sich aber leicht vom Blatte weg, von rüd nach vorwärts , ablesen , ohne dieselbe erst in 1 das Schlüssel Viereck einschreiben zu müssen. Die ersten 1 10 Buchstaben wurden nur beigefügt, um das Quadraten. Logogriph . net ganz auszufüllen. ) Mit einer Bitte sichet man Wortkettenrätsel : 1) Aroma , 2) Maria , 3) Aloe, e f g h a b c d Mich nah'n, mach' ich's mit g: 4) Eboli, 5) Lilie, 6) Erica, 7) Capua, 8) Afrita, 9) Ga. Weiß. Mit b von einem lieben Freund cao, 10) Oporto, 11) Totio , 12) Ostia. Rebus : Not Weiß sicht und gewinnt. Sch's immer gerne seh'. bricht Eisen. *
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Das Grillparzerdenkmal in Wien. - Der unsichtbare Gnom . =14341433manche angenehme Siesta in schwüler Sommerhithe wurde | reichischen Museum ausgestellt. Unter diesen 27 Slizzen Neue Erfindungen. durch ihr unermüdliches Gesumme und Gebrumme zur befand sich eine , welche vollständig mit der bestehenden Mausfalle (Fig. 1). Mit aller Energie muß gegen Qual; es erscheint daher der Vertilgungskrieg der ge- Echablone brach. Die Denkmäler des 19. Jahrhunderts, die ungebetenen Mitbewohner des Hauses, gegen die Mäuse, quälten Menschen nur gerechtfertigt. Besonders an dem insbesondere diejenigen für Dichter und Künstler, sehen gekämpft werden, wenn man sich derselben erwehren will. Lieblingsaufenthalt ihrer Opfer , an den Fensterscheiben, sich ja alle zum verwechseln ähnlich. Ueberall steht oder fist der Gefeierte einsam auf seinem Sockel, höchſtens um. Wenn dieselben auch scheinbar einmal vertilgt worden sind bietet sich Gegeben von Genien , welche ihm einen Lorbeerkranz oder und die Vorsicht aufgegeben wird, so kommen doch wiederlegenheit, die sonstige Embleme des Rühmes darreichen. Solch langs auf nicht zu entdedenden Wegen neue Graujoden zum sen beizutom weilige huldigung war nicht nach dem Geschmad des da Vorschein. Es ist deshalb vorteilhaft, Fallen zu benutzen, men. Die Lier mals jugendlichen Rudolf Weyr, eines hochbegabten Künſt die stets ohne Vorbereitung aufgestellt bleiben können und beschriebene lers, der mittlerweile durch sein Bacchus-Relief an der die mehrere Mäuse hintereinander fangen können . Eine einface EinBorderseite des neuen Burgtheaters und durch seine aus richtung derartige zeigt die in schmückenden Slulpturen im naturhistorischen Museum Fig. 1 dargestellte. scheint zu die glänzende Proben seines Könnens gegeben hat. Rudolf sem Zweck die Der Hauptlegel A besteht aus einem Weyr erinnerte sich an die antite Exedra, jehte den Dichter Höllen in ein offenes Portal , an welches sich zu beiden Seiten maschine zu Hohlfegel aus Holz, in symmetrischer Biegung Marmorwände anschlichen. Im vertreten. Metall, Glas oder Steingut, entweder Innern dieser Marmorwände sind nun die Hauptgedanken Eine Rinne A Fig. 5. Fliegenfänger. Grillparzers bildnerisch festgehalten , so daß der Dichter aus einem Stück oder aus Messing-, mit anzusetzendem Nickel- oderanderem Blech, welche der Zimmerausschmückung gleichsam inmitten seiner dichterischen Gebilde sitzt. Das Boden; die Außenentsprechend ausgestattet sein kann , wird auf irgend eine war ein glücklicher Gedanke und er verhalf dem Werte fläche des KegelmanFig. 1. Mausfalle. bequeme Weise an dem Rahmen der Fensterflügel ange zum Sieg ! Rudolf Weyr, Karl Kundmann und Ed. tels ist mit treppen. bracht, hier z . B. durch Einhaken auf die Stifte D, und mund Hellmer erhielten die drei ausgesetzten Preise, artigen Stufen b versehen, um den Tieren einen bequemen zwar so, daß die Rüdwand sich an das Fensterglas B und dem ersteren wurde die Ausführung des Denkmals Aufstieg zu gestatten. In das Innere kommt der Köder. anlehnt. Sowohl die Rück- als die Borderwand ist übertragen. Nun hatte aber Kundmann eine Figur Am Hals oben ist der Hohlraum durch einen Stöpsel c mit nach innen vorspringenden Rändern A' versehen, Grillparzers skizziert, welche in so unübertrefflicher Weise verschlossen , welcher mit zwei seitlichen Aussprüngen d während der Trog mit Fliegengift oder mit einer tleb. menschliche Aehnlichkeit mit feelischer Vertiefung und zum Durchfriechen der Tiere versehen ist Die hinein rigen Flüssigkeit gefüllt wird. Die auf der Fensterscheibe geistiger Bedeutung vereinigte, daß der Ausschuż seine gestürzte Maus fann wegen der schrägen Innenflächen nicht herumtollenden Fliegen gelangen leicht in den Trog, um Aufgabe am besten zu erfüllen glaubte, wenn er die wieder entweichen , sie wird durch Eingießen von Wasser nie wieder ihre unmusikalischen Flügelinstrumente zum beiden Bildhauer Kundmann und Weyr zur gemeinsamen getötet. Kl . 45. Nr. 40 721. Heinrich Tofante in Echreden der Ohren und Nerven der Zimmerbewohner zu Arbeit anregte. Die Bemühung gelang. Die Künstler Marienhütte bei Gnarrenburg (Hannover). gebrauchen. Kl . 45. Nr. 40471. Zach. Fred. Xevers willigten ein und schufen auf solche Art nicht nur ein gemeinsames, sondern auch ein einheitliches Kunstwerk. Kochteffel (Fig. 2). Um an Brennmaterial zu spa- | in San Francisco (Kalifornien). Auch ein Dritter hat sich in segenbringender Weise ren und sich schnell kochendes Wasser zu beschaffen, ist an an der Arbeit beteiligt, indem er den architektonischen Aufdem Kochkessel folgende bau besorgte. Es ist Baron Hasenauer, der Schöpfer Einrichtung zur leb haften Wasserzirkula Das Grillparzerdenkmal in Wien. des neuen Burgtheaters und der beiden Hofmuseen. Seine tion getroffen worden. Am 23. Mai ist die Hülle von dem Grillparzerdenk Aufgabe war weniger dankbar und weniger rühmvoll alk In dem Boden sind mal gefallen und ist dasselbe dem Volke zugänglich ge- diejenige der beiden Bildhauer, aber sie war nicht minder die sackartigen oben und wacht worden in den Abendstunden freilich nur gegen schwierig und nicht minder wichtig. Es galt, das Dent unten geschlossenen Be- Eintrittsgeld. Da haben wir einmal wieder die Besches mal auf die Hauptachſe des neuen Burgtheaters zu tente hälter a befestigt, in rung Wien besaß den Dichter , der eines Dentmals struieren , so daß der Dichter dem kaiserlichen Schauſpiel. welchen die turzen würdig, es besikt Künstler, die fähig sind , ein solches bause sich zuwendet; es galt ferner , dem Werk den Ein Rohre b bis fast an Denkmal auszuführen , es besitzt den Volksgarten , der drud edler Ruhe und klaſſiſcher Vornehmheit zu sichern den Boden hineinreichen schon durch seinen Namen ausersehen ist , dieses Denkmal und dasselbe andererseits dech vor der Wirkung eines und aus welchen die aufzunehmen , aber - nun kommt das berüchtigte nisi . Grabmals zu bewahren . Alles dies ist glänzend gelungen! Eine wohlthätige Aenderung hat Weyrs Entwurf da Rohre e bis über das Der Kaffeehauswirt, welcher Konzerte im Volksgarten ver Wasserniveau mit ihren anstaltet, hat ein altes Privilegium, noch von Zeiten des durch erfahren, daß Grillparzer nicht, wie es in der Ab 000 umgebogenen Enden e Kaisers Franz her ; er darf einen Teil des Parkes ab. sicht des Bildhauers lag , in cinem offenen Portale sitt reichen. Das in die sperren und während der Abendstunden ein Eintrittegeld oder unter einem fäulengetragenen Dache , sondern daß Fig. 2. Kochteffel. Behälter a durch die von jedem verlangen, der diesen Teil des Gartens betreten sich die Rüdwand hinter ihm geſchloſſen hat, womit die Rohre b eintretende Waſſer kann diese nur zum Teil fül- will. Nun hat auch unser Grillparzerdenkmal - glauben Form einer Niſche erreicht wurde. Dadurch ist der ein len, während oben Luft stehen bleibt, die beim Heißwers Sie nicht, daß wir einen schlechten Wih machen das heitliche und behagliche Eindruck gewonnen , welchen das den sich ausdehnt und das eintretende Waffer nach außen Denkmal hat seinen Platz in demjenigen Teil des Volks. Denkmal nunmehr hervorbringt. Kundmanns Figur scheint schleudert und dadurch den Kochprozeß bedeutend befördert. gartens erhalten, den das Volk nur mit Bewilligung des ja ganz besonders für einen geschlossenen Raum gedacht. - Al . 13. Nr. 39848. John Gamgee in London. Da sitt der Dichter , dessen Persönlichkeit noch so Herrn Szabo betreten darf. Zwar bleibt das Kunstwerk Zopfhalter (Fig. 3 u. 4). Ein herrlicher Schmud tagsüber zugänglich ; aber wer hat tagsüber Zeit ? Zwar viele Lebende tannten , in gebeugter Haltung , finnend, ist für junge Damen ein langer Margaretenzopf von veranstaltet Herr Szabo nur im Sommer Konzerte, aber und gleichsam auf die Stimine seines Innern lauschend. echtem Haar. Aber dieses seltene Geschenk der Natur ist im Winter werden die Skulpturen zum Schute gegen die und durch diesen sinnenden , gedankenvollen Ausdruck it für die Trägerin auch mit Unannehmlichkeiten verbunden. Unbilden des Wetters verhüllt ! Es mag also für den zugleich die richtige Beziehung zu den Reliefs hergestellt, Vor allem leiden die Kleidungsstücke durch das dem Haar Kunstfreund , welcher das Denkmal in Abendbeleuchtung welche auf beiden Seiten die gekrümmte Marinorwand anhaftende Del bedeutend , weshalb viele Damen es vor genießen will, das flügste sein, nachzugeben und das ver zieren. Links Hauptszenen aus den romantischen Dramen : Ahnfrau“, Traum ein Leben“ und „ Ottokars Gläd langte Eintrittsgeld an Herrn Szabo zu entrichten. Unser Grillparzerdenkmal beſitzt eine eigenartige An- und Ende ; rechts solche aus den antiken Dramen: ordnung. An eine, als Hauptportal charakterisierte Niſche, | „ Sappho “, „ Medea“ und „Des Meers und der Liebe in welcher die Figur des Dichters sitt, schließen sich in sym Wellen ". Obgleich nun die Reliefs durch glatte Marmor. metrischer Biegung Marmorwände an, die im Innern mit säulen geſchieden sind, stellen sich doch je drei als gemeinReliefs aus den Dramen Grillparzers geziert sind. Unterhalb sam gedacht und einheitlich komponiert dar. Links sehen dieser Reliefs zieht sich nun eine Steinbant hin, und der wir drei Innenräume : die Halle im Schloffe des Hauses Künstler hat es sich in seiner naiven Einbildungskraft Vorotin , das Schlafgemach Ruſtans und die Huldigung jedenfalls sehr schön vorgestellt, wenn im Volksgarten der Otokars vor Rudolf von Habsburg. Auf der rechten reiche Genußmensch und der arme Idealiſt friedlich neben Wand gibt das Meer die künstlerische Verbindung. Sappho einander sißen , in der Bewunderung des Schönen ver- nimmt Abschied von Phaon , und Hero findet die Leiche eint. Wie anders gestaltet sich jedoch die Sache in der des Leander am Strande ; zwischen diesen beiden Szenen, Paris! Der Volksgarten ist ein Belustigungsort, insbes gleichsam als Insel aus dem Meere hervorragend : Medea, sondere für Kinder ; zahlreiche Ammen, Bonnen und Er- wie sie vergebens ihre Kinder_zu_ſich_ruft. zieherinnen werden mit ihren Schüßlingen von den Eltern Weyr hat mit diesen Reliefs Darstellungen der leckſten in diesen Garten gesendet. Nun fürchtet man, irgend eine Art geschaffen ! Nirgends ängstliches Festhalten an dea Kindsfrau fönne sich auf der Steinbank des Denkmals bestehenden Gesezen ; überall gilt ihm die Wirkung als niederlassen und dadurch den Eindruck zerstören. Viel das Hauptgebot. Auch auf das Material und auf die leicht fürchtet man auch die Beschmutzung des Marmors zu fürchtenden äußeren Einflüsse nimmt Weyr wenig Rüde und die Beschädigung der Reliefs durch Bosheit oder Un- | ſicht, und es ist daher ein glücklicher Vergleich , wenn man achtsamkeit. Kurz und gut, als wir zwei Tage nach der Er- ihn den Makart unter den Bildhauern nennt. öffnung das Denkmal besichtigten wir tamen aus Furcht Der Giebel, welcher sich auf der Mittelniſche aufbaut, vor der Absperrung um 12 Uhr mittags, obwohl die Be ist mit Amoretten gefüllt, die eine Steintafel mit der leuchtung zu dieser Stunde am schlechtesten ist sahen Aufschrift „ Grillparzer halten. Diese Arbeit scheint dim wir eine Schnur gezogen, welche den Eintritt in die Nische Bildhauer weniger Vergnügen gemacht zu haben , unmöglich macht. Höflich frugen wir den diensthabenden besondere finden wir den auf der Steintafel ſtehenden Wächter , ob dieser Strick dem Denkmal erhalten bleibe, Lorbeerkranz nicht glücklich plaziert. Doch wir wollen Fig. 4. Zopfhalter. Fig 3. worauf der Mann ebenso höflich erwiderte : „Nein , der uns nicht selbst durch kleine Nergeleien und durch fritische selbe wird durch ein Gitter ersetzt werden. " Nun , dem Zersehung den Genuß am Ganzen zerstören. Nochmale : ziehen, lieber das Gewicht der Haare durch Aufftecken auf | menschenscheuen Grillparzer, der ja ein Gegner von Dichter. Oesterreich kann stolz darauf sein , einen Dichter beseff ? Das Haupt wirken und die natürliche Zierde zu eigenem monumenten war, mag es recht sein, daß sein Steinbild zu haben, der eines solchen Denkmals würdig ist, und c und anderer Verdruß nicht in vollem Maße glänzen zu vor der Berührung der Menschen gesichert ist, aber für kann froh sein, Künſtler zu beſitzen, die ein solches Dent lassen. Um diesem traurigen Uebelſtand abzuhelfen, em die Künstler mag es ein sonderbares Gefühl sein , einmal würdig ausführen konnten. Ein Gedanke jedoch pfiehlt es sich , den in Fig. 4 dargestellten Zopfhalter zu Denkmal geschaffen zu haben , welches in den Nachmit. trübt unsere Freude : die Kosten des Monunrentes haben benüken , welcher außerdem der Haarflechte als eleganter tagshunden für die Bevölkerung abgesperrt wird , und mehr als 100 000 Gulden betragen. Wenn doch Ghil Schmud dienen fann . Der Halter besteht aus den beiden eine Bank an diesem Denkmal angebracht zu haben , auf parzer etwas davon gehabt hätte! ovalen Ringen AA' , welcher den anderen Schmuckgegen der sich niemand niedersehen darf. ständen entsprechend sein kann, mit den beiden beweglichen Es ist ja möglich, daß solche Vorsichtsmaßregeln zum Haarnadeln DD . Lettere werden in die weiche Haarfülle Schutze des Kunstwerks erforderlich sind , aber es ist schade, Der unsichtbare Gnom . eingesteckt und diese durch Anlegen der beiden Klammern daß man nicht früher daran gedacht , und bei der Aus. Von CC an der inneren Seite der Ringe festgehalten. Hier führung des Monumentes darauf Rüdsicht genommen hat. durch ist eine Berührung des Haares mit der Taille un Zeit war ja genug vorhanden ! Alex ander . möglich gemacht. -81. 3. Nr. 40 052. William Kramer Das Grillparzerdenkmal hat eine Entstehungs. in Kattenstroth bei Gütersloh. geschichte von zwölf Jahren . Infolge eines allgemeinen Wir wollen diesmal ein Kunststück beſchreiben , den Fliegenfänger (Fig . 5). Recht aufdringliche Gäste Preisausschreibens wurden im Jahre 1877 nicht weniger | freilich ein ziemlich hohes Alter zur Seite steht, das aber in unserem sonst traulichen Heim sind die Fliegen und als 27 Entwürfe für ein Griüparzerdenkmal im öfter- | im allgemeinen veinähe in Vergeſſenheit geraten ist, und Neue Erfindungen.
-1432-
Rücken
агит
-1435ebensosehr durch seine leichte Ausführbarkeit , sowie Durch seine überraschende Wirkung bei allen Dilettanten und jungen Zauberlehrlingen gewig eine willkommene Aufnahme finden wird, zumal dasselbe Gelegenheit bietet, den Scherz in mannigfacher Weise zu verändern und aus zudehnen. Diesmal müssen wir jedoch, um die Sache besser zur Erklärung zu bringen, eine kleine erzählende Einleitung, die jeder nach seinem Geschmacke ändern fann, möglichst gedrängt mit in den Kauf geben. Gewig haben die geehrten Anwesenden , " beginnt der Zauberer, aus den in der Jugendzeit gelesenen Mär chen in der Erinnerung, daß es ,Gnomen' oder ,Erdgeister gegeben, welche die wundersame Eigenschaft besaßen , sich unsichtbar machen zu können. Von mancher Seite wurde die Thatsache, namentlich im reiseren Alter, angezweifelt, obgleich es gedrudt zu lesen war ; aber meine Herrschaften, die Sache ist doch nicht so ganz ohne; es hält nur schwer, die nähere Bekanntschaft eines solchen kleinen Berggeistes ju machen, oder gar in Besitz eines solchen zu gelangen. Das lettere ist aber nur möglich , wenn man im Besitz einer besonderen geheimen Wissenschaft ist , vermöge deren, sobald der Aufenthalt cripäht ist, man es in der Gewalt hat, einen solchen an sich zu bannen. Ich bin jo glüd lich gewesen, dies zu erreichen, und werde Ihnen davon sofort einen Beweis geben !" Der Künstler zeigt nun die beiden leeren Hände, hält die rechte Hand hoch , um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken , bringt dann dieselbe zur Linken berab, die mittlerweile halb geschlossen ist (er hat nämlich, während er auf die rechte hand die Aufmerksam leit lenkte, eine auf dem Schoße liegende 3 bis 4 3oll große Figur, in der Gestalt eines Gnomen , siehe neben hehende Figur, in der linten Hand verborgen) und umgibt dieselbe mit der rechten Hand, bläst langsam dar auf und wünscht das Erscheinen des Erdgeistes , der sich nun innerhalb der beiden Hände präsentiert und den er, da Arme und Beine beweglich sind , vor sich auf den Tisch jetzt oder stellt. Jett fährt er fort : Dieser kleine Gnom ist meinem Billen vollständig unterthan , und vermöge seiner Eigen shaft, sich unsichtbar machen zu können , in der Lage, nach allen Richtung n bin , selbst in die größte Ferne, mit Bligesschnelle Botschaften auszuführen und Kundshaften zu unternehmen. Zunächst soll er Ihnen nun einen Beweis von seiner Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen , geben. Der kleine Regenmantel hier, der die Stelle von Fausts Zaubermantel vertritt, hilft ihm bei der Ausführung seiner Reise. Ich hänge denselben über ihn, so daß er oben hervorschaut. (Der Künstler hat die Figur mit der Linken in den kleinen Ead oder Mantel gefeat, jo daß fie oben aus der Leffnung hervorsteht. Um dieselbe erforderlich bewegen zu können, hat er jedoch Die rechte Hand mit in den Sad gestedt.) Und nun, " führt er fort (indem er die Figur nachh lints und rechts bewegt), will er die Gesellschaft erit gehörig in Augen. idein nehmen. Ach! was flisterst du denn? (hält die Figur an jein Ohr). Du hast lein GeldzurReise bei dir; dent foll abgebol. fen werden" (greift mit der rechten Hand in die Laiche, als ob er Geld herausnähme, and bringt die Hand wieder unter den Mantel). So, hier ist alles, was du wünschest; jcht empfiehl ich den Herr haften und verschwinde." Der Kopf wird in Den Sad nejonen. und ohne daß der Agierende die Hände und Arme, welche aufdemTische ruben, fortbe wegt, zieht er bie hande her FEL Dor, brüdt den UMM fleinen Man IS tel bis zur Größe einer Nag zusam men, jdhlägt damit auf den
Heliopolis. 1436=1437Tisch u . s. w. und zeigt, daß der Gnom verschwunden ist. | zählung eine beliebig andere Form haben kann , sowie, Nach einiger Zeit bringt er jedoch die Hand wieder unter daß man dieselbe , d. h. die zweite, an jedem geeigneten obligaten Redensarten in den Sad, läßt die Figur sofort Plate vorher verstecken kann, ist selbstverständlich. wieder zum Vorschein kommen, um sie alsbald wieder verschwinden zu lassen. Diesmal aber übergibt der Künstfer den leeren Mantel der Gesellschaft zur näheren Unter Heliopolis . suchung. Unweit des Dorses Matarieh, an der Mündung des Wie Sie sehen , meine Herren und Damen, der von dem Damiett -Arm des Rits ab. Gnom hat jetzt wieder seine unsichtbare zweigenden Asmumkanals in den Men Reise angetreten , und da ir mir zuge falchsee in Unterägypten , erheben sich flüstert, wohin er sich begebe , so kann ich Ihnen die Mitteilung machen, daß in einsamer Majestät die Ruinen von er in die Tasche jenes am Ende des Heliopolis, bestehend aus einigen Tempel. trümmern und einem Obelisk. Ein halbes Tisches sitzenden älteren Herrn spaziert Duhend Palmen verleihen dem an sich iit." Es wurde nachgeschen und in der toten Bilde einiges Leben , während die That fand sich zum allgemeinen Ergößen es unigebende Totenstille hin und wieder die Figur an dem bezeichneten Plake vor. Ein guter Freund war ihm dabei durch den Schrei eines Wasservogels aus dem Schilf des Sees unterbrochen wird. behilflich gewesen , da er noch eine zweite Zuweilen verirren sich auch einige Jäger, ähnliche Figur besaß. Aufschluß: Die Figur , in der bedie auf dem See jagen , in diese Dede, die vor mehreren tausend Jahren den tannten Gnomengestalt (siehe Fig ), von Mittelpunkt eines großartigen Sonnen Holz oder dergleichen gearbeitet, ist 3 bis fultus bildete. und Arme bewegliche hat 4 3oll hoch , Pa-Ra , die Stadt des Ra , beigt Beine, wie man sie häufig in den Spielder Ort hieroglyphisch , der im Alten warenhandlungen vorfindet. Der Kopf Testament als On und Anu vorkommt. nebst Hals ist jedoch mit dem Rumpfe nur Ra war die aus der Urgottheit Ptah her vermittelst eines kleinen Zapfens ver vorgegangene Hauptgottheit der alten bunden , so daß er leicht abgenommen Aegypter, von dem später die meisten anwerden kann. Während nun der Zau deren Gottheiten abgezweigt wurden. Gr berer die beiden Hände unter den Sad war der Sonnengott und hatte an der in bringt, löst er den unteren Teil des KörRede stehenden Stelle seinen bedeutendsten pers von der Figur ab, schiebt die Beine Tempel. Je nach den verschiedenen Eta. in die Höhe und stedt unter dem Vordien der Sonne hatte diese Gottheit auch geben, Reisegeld zu holen, denselben ent. verschiedene Gestalten und Namen. Bei weder gleichzeitig in die Tasche oder läßt Sonnenaufgang hieß er Harem-chuti , in ihn einstweilen auf den Schoß fallen, Der unsichtbare Gnom. den Mittagsstunden trat der Name Ra in ausfihend meistens da das Kunststück geführt wird. - Der Sad oder Mantel, seine Rechte, beim Untergang wird er als circa 62 30l lang und 5 Zoll weit , ist, wie anges Greis mit dem Namen Tum gedacht. Das unterirdische Verdeutet , oben offen , sonst aber seitwärts zusammen. bindungsglied zwischen har em chuti und Tum ist Kncph. genäht und hat innerhalb, nach der oberen Oeffnung zu, Eine spätere Gestaltung des Ra ist auch Osiris. Dem Ra rings einen taschenförmigen 12 30l tiefen Ansah im waren heilig der Sperber , der hellfarbige Stier , Mnevis Futter, in welchen man mit Leichtigkeit den Kopf. sobald genannt, und Löwen von heller Färbung. An seinen er hereingezogen ist, verbergen kann, und der wegen seines Kultusfreis gehört auch der fabelhafte Vogel Phönir, der. geringen Umfanges beim Zusammendrücken des Mantels aus Osten kommend, wohl nichts anderes ist , als eine nicht bemerkt wird . Das zweite Mal, wenn der Gnom Verjinnbildlichung der Sonne, die alles immer wieder neu wieder zum Vorschein kommen soll, nimmt man den Kopf belebt, wenn auch ihr Brand oft Verdorrung herbeiführt. aus der Taiche und zeigt ihn wie vorher , es wird dann Nach der am meisten gangbaren Sage verbrannte sich der jeder glauben , die ganze Figur vor sich zu sehen ; wird Phönig von Zeit zu Zeit, ungefähr alle 600 Jahre , auf er dann erneut zurückgezogen, so behält man ihn einfach einem Scheiterhaufen , aus dessen Asche er neu verjüngt in der Hand und übergibt den leeren Mantel den Zu emporstieg. In der späteren christlichen Poesie erscheint der Phönix als Sinnbild der Wiedergeburt und der Ewigschauern zur Besichtigung. Daß natürlich die Figur jede andere Gestalt, die Er teit überhaupt; in diesem Sinne kommt sein Bild auch auf den Münzen oftrömischer Kaiser vor. Die Priester des Ra standen im Rufe hoher Gelehrsamkeit , insbeson dere in den historischen Disziplinen . Aus ihrem Kolle gium waren vier stets Mitglieder des Reichsgerichtshofes neben je vier Priestern von Memphis und Theben. ImAltertum war der Ort auch keineswegs so abgelegen wie heute, denn an ihm führte einesteils der alte Suezkanal vorbei , welcher den Nil mit dem arabischen Meerbusen verband, andernteils eine Abzweigung der alten von Syrien nach Aegypten führenden Karawanenstraße. Der Ort scheint aber schon früh in Berfall geraten zu sein, wenigstens wird von einer Zerstörung durch die Perser zu Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. berichtet. Das bedeutendste Ueberbleibsel ist ein Obelist, der ob= wohl tief vergraben in den Wüstensand , sich immer noch sechzig Fuß hoch erhebt. Sein Alter wird auf 4000 Jahre angegeben; er soll überhaupt der älteste aller noch be stehenden Obelisten sein. Was aus seinem Gegenstück gr worden ist (die Obelisken kamen stets paarweise vor), weiß man nicht. Möglicherweise wurde er bei der Zerstörung umgestürzt und liegt nun unter dem Sande begraben.
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Heliopolis.
Im Wald. =1438-
Unsere Reisezeitung.
Im Wald. Wald, wie gütig bist du doch, Nach Beeren schenkst du Pilze noch! Schon hat das Kind gefüllt sein Tuch, Noch diese zwei, dann ist's genug. Es kniet, umnidt von Farrenkraut, Wo weiches Moos sich aufgebaut, Und wie sich's nach den Pilzen büdt, Da, horch! was naht? das Kind erschricht. Kein Wunder ! fühltsich's doch allein, Es fallen ihm die Märchen ein. Bom Wolfe, der Rotkäppchen frag Und von der Her' mit langer Nas'. Und jetzt! - was gludst mit dumpfem Ton? Ei sieh! Eichlätzchen flettert schon Von Ast zu Ast herab geschwind Und lugt neugierig nach dem Kind. Keins wagt dem andern sich zu nah'n, Sie blicken sich verwundert an. Auf grünem Grund voll Sonnenschein Ein Märchenbild im stillen Hain. Julius Sturm. Unsere Reisezeitung . Don F. W. Soukup. In die Karpathen ! Wenn wir anläßlich der erfolg. ten Wiedereröffnung der Reisesaison darüber nachdenken, wo wir heuer die kara bemessenen Stunden der Ferienoder Urlaubsmuße zubringen sollen , wenn wir alle die schönen Stationen und Touren im Geifte Revue passieren lasjen , so ist es wohl nicht mehr als billig , wenn wir dabei auch jener gesegneten Landschaften gedenken, die bei der Verteilung des Touristenverkehres noch so gar stief mütterlich wegkommen. Eine solche Landschaft ist das weite Gebiet der Karpathen. Man mag von Wien fommen und durch das Waagthal fahren, oder von Oderberg sich mit der Eisenbahn nach Csorba oder Poprad führen lassen, oder von Budapest oder Krakau her an den Fuß der Starpathen gelangen, immer wird man von der wahrhaft wunderbaren Schönheit des Gebirges überrascht und be friedigt sein. Das hochromantische Waagthal mit seinen vielen jagenhaften Burgen und Ruinen , die betriebsamen oberungarischen Städte , die alte deutsche 3ips,
Don mechanischen Aeußerungen der menschlichen Willenskraft. 1440 =1439die frischaufstrebenden, wetteifernden Don mechanischen Reußerungen der oberungarischen Badeorte, die reichen, interessanten Bergwerke im menschlichen Willenskraft. Gömörer und Sohler Komitate, das eigenartige Zigeuner- und SloDiese Ueberschrift wird der Mehrzahl unserer freund watenleben, die in Europa einzig lichen Leser zunächst ein bedächtiges Kopfschütteln und ein dastehenden Wunder der Dobschauer ungläubiges Lächeln abzwingen und daß dem also sein Eishöhle und der Baradba , der wird , nehmen wir ihm nicht übel. Doch laden wir ihn Aggteleker Tropfsteinhöhle, bie ein, trok alledem" das nachbeschriebene Unterhaltung ge wenigstens einmal mitzumachen ten herrliche, bequem zu erreichende währende Experiment und dann - ja dann wird das Lächeln wohl auf unserer Sehenswürdigkeiten. Und der ewig schöne Gebirgsstod Seite sein. Der geneigte Leser zeichne sich also vor seinem Site, der Zentraltarpathen, die Hohe entweder auf die Tischplatte oder Tatra, was bergen sie für er habene Naturschönheiten. Wer auf ein Stückchen Papier , mit 1 einmal die Pracht der Kar freier Hand und mit beliebigem pathenthäler, die lieb Zeichenmaterial einen Kreis liche Schönheit der sagen. von der Größe unserer 3 haften Meeraugen Fig. 1 , ziehe durch bewundert , wer ein. das Zentrum desselben eine beliebige mal auf den gali= zischen Almen das Anzahl Durchmesser Geläutederweidenund nummeriere den Herden gehört, diese, ohne damit der fehrt immer an eine Ordnung wieder hierher zu gebunden zu sein. 7 rüd. 8 Sodann werde ein Reisende und Fingerringoder ein Touristen in allen ähnlicher Gegen Landen vernehmet stand an einen Fa den Ruf: Auf in den befestigt, jo die Karpathen! zwar, daß der Ring, Das Gebirge verwenn der Faden mit dient es, daß man ihm Daumen und Zeige= 5 4 einen Besuch mache. finger bei aufgestütztem Wir beschränken uns Elbogen erfaßt wird, für heute darauf, diese Anetwa in 1 cm Höhe pendel regung zu geben und wollen artig über der Tischplatte schwebt. 2 hoffen, daß dieselbe auf fruchtbaren Soll das Experiment gemacht wer Fig. 1. Boden falle. den, wird der Faden (f. Fig. 2) mit Der Raum gestattet uns nicht, an den Finger spiken (nicht mit der ganzen dieser Stelle mehr zu sagen, im Interesse Fingerdide) so scharf als möglich so erfaßt und über den der Sache und des Zwedes erklärt sich Kreis gehalten, daß die Stellung des Ringes in etwa oben jedoch der Redakteur dieser Rubrik, angedeuteter Höhe genau über dem Kreiszentrum liegt. Herr Richard Wilhelm Soukup in Nun bestimme man entweder selbst oder lasse sich von Wien I , Hobenstaufengasse 9, seinem Nachbar angeben , in welcher Durchmesserrichtung, gerne bereit, denjenigen unserer geschäk ob von 1 ju 2, 4 zu 3 u. s. w. der Ring zu schwingen ten Leser, die sich für den Gegenstand beginnen soll, und bringe , indem man das Auge unaus intereffieren , etwa die gewünschte eins gesetzt auf die Figur richtet, Ellbogen und Hand aber gehendere Aufklärung aus Gefälligkeit in möglichst ruhiger, doch ungezwungener Haltung sich brieflich zu geben. befinden , diesen Willen im stillen recht ener Im Karst in der Nähe von Brunndorf bei Laibach gisch zum Ausdruck. Unter Umständen wird der Ring hat sich, ohne jegliche Erderschütterung, in der ersten Mais fast eine Minute lang in seiner ursprünglichen Stellung woche ein etwa 300 m tiefer Schacht mit einem Umfange über dem Kreiszentrum verharren. plöglich aber, erst fast von 20 m plötzlich geöffnet, ohne daß früher irgendwelche unmerklich , dann stärker , schließlich ausgesprochen und Anzeichen für das Vorhandensein einer Höhle wahrge kräftig in der erwünschten und gedachten Richtung schwingen. nommen worden wären. Mehr noch der Ring wird unter ganz den gleichen Be Erdbeben. In der Feldtelegraphenstation Plevlje dingungen auch im Kreise, nach rechts und links schwingen, in Bosnien wurde am 9. Mai um 334 Uhr nachts ein bei plötzlich sich ändernder innerer Verstellung sogar in startes wellenförmiges Erdbeben wahrgenommen, welches seinen Schwingungen innehalten und einer neuen Willeng 3 Sekunden andauerte und die Richtung von West nach äußerung folgend , wenn erwünscht, den entgegengesetzten Oft hatte. J. K .. ck. Weg einschlagen. Die neuentdeckte Tropfsteinhöhle bei Erlach in Niederösterreich ist nun vollständig bequem zugänglich gemacht und am 5. Mai eröffnet worden. Durch die Dolomiten zwischen den Thälern Flei.rs und Fassa soll eine gute Fahrstraße hergestellt werden; dieselbe soll von der Eisenbahnstation Blumau bei Bozen ausgehen und durch das schöne Tiersthal und über den Karerpaß (1750 m) nach Vigo di Fassa im Fassathale führen. Bis jetzt existiert teine gute Straßenverbindung zwischen dem Etsch- und Eijadthale, es wäre darum sehr ju wünschen, daß das Projekt des Straßenbaues zur Ausführung gelange. Die f. t. priv. Südbahngesellschaft hat für die via Spielfeld-Purkla nach Gleichenberg Reisenden neuerliche Begünstigungen geschaffen. Auf sämtlichen Südbahnstationen werden bedeutend ermäßigte Saison-, Tourund Retourfarten ausgegeben, deren Gültigkeit auf die Länge des Aufenthaltes in Gleichenberg erstreckt werden fann und berechtigen diese Karten zur Benütung eines Sitzplatzes in dem zwischen Purkla und Gleichenberg ver. tehrenden Gesellschaftswagen ohne weitere Aufzahlung. Die Aspangbahn hat für Fahrten nach dem Pittenthale bedeutende Fahrpreisermäßigungen zugestanden. Wir wünschen aufrichtig, daß durch dieses Entgegenkommen zur Hebung des Verkehres in den schönen Gegenden an der Aspangbahn beigetragen werde. Durch die Schlucht zwischen Lafsach-Rabiſch und Mallnit soll längs des Mallnitzbaches ein neuer Weg bergestellt werden. Die Hinterbärenbadhütte im Kaiserthale ist seit 2. Mai wieder eröffnet und bewirtschaftet. Das Schiestthaus am Hochschwab wird seit den Pfingstfeiertagen wieder bewirtschaftet. Die Maria Theresia.Schutzhütte am Triglav wird von ihrem jeßigen Standorte an einen nahegelegenen, den Fig. 2. Schneeansammlungen weniger ausgesetzten Ort übertragen. Die Reißthalerhütte auf der Hagalpe ist am 26. Mai eröffnet worden. Die Dampfschiffahrt auf dem Wörthersee ist am 29. Mai wieder aufgenommen worden. Verunglückt: Wladislaus Graducewth aus Slotowo in Westpreußen am 29. April auf dem Wendelstein.
Verantwortlicher Herausgeber : W. Spemann in Stuttgart. Redakteur: Joseph Kürschner ebenda. - Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Nachdruck, auch im einzelnen, wird strafrechtlich verfolgt. Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Ehrhardt Familienfreude .
Von Hugo Kauffmann .
1
Der Monterosa vom Gorner Grat aus (S. 1446).
Gebirgscharaktere.
Don R. v. Lendenfeld .
nsere Erde ist im Innern viel heißer |ränder der übereinandergeschobenen Schollen als an der Oberfläche. Sie kühlt sich und bilden Gebirgsketten . Die Gebirgsch Ausstrahlung derWärme nach dem kal- bildung geht stets vor sich : mit jedem Erd-außer den vulkanischen - rücken Weltraum fortwährend ab, und mit der beben nperaturabnahme geht eine Zusammen die Schollen an den Brüchen vor , wähung ihres ganzen Gefüges Hand in rend die Falten allmählicher und ohne Er d. Leicht folgt der heiße , breiartige schütterung des Erdbodens durch den konr flüssige Kern diesem Zuge nach dem stant wirkenden Seitendruck emporgerichtet werpunkte in der Mitte des Erdballs , werden. 6 widerstandsfähiger erweist sich die In der Regel sind es große tafelförh Abkühlung hart gewordene Kruste. mige und ursprünglich horizontal ausgeem mächtigen Gewölbe gleich erhebt sie breitete Sedimentgesteine, welche durch den über den weicheren Kern, der darunter Seitendruck zerknittert und in Gebirgsketten bsinkt. Der Unterstützung beraubt, muß verwandelt werden ; doch kann es vorkom dieses Gewölbe sich selber tragen, und men, daß Felsmassen sich ursprünglich in ganzes Gewicht , welches an jedem Gestalt von steilen Bergen bilden, wie die fte in Form einer Zentripetalkraft auf: Korallenriffe, und bloß der Trockenlegung, , verwandelt sich , wie bei jedem an- nicht aber einer Faltung bedürfen, um als n Gewölbe, in einen mächtigen tangen Berge zu erscheinen. en Druck. Die Felsen, aus denen die Außerdem können durchvulkanische Ausrinde besteht, können diesem Drucke nicht brüche , durch Anhäufung von Asche und erstehen , fie falten und beugen sich, Lava einzelne Berge in der Umgebung der hen auch wohl und werden wie Schollen Krater entstehen, oder auch ganze Reihen einandergeschoben. So entstehen weit und Gruppen von Kegeln, wenn die Krater gedehnte Systeme von nahe aneinander zahlreich sind. enden parallelen Falten und Brüchen: Die beiden letterwähnten Gebirgsarten Erdrinde schafft sich Raum und große treten hinter den durch Faltung entstandeollen sinken hinab in die Tiefe. Hoch- nen sehr zurück, und sie haben in der That ragen die fynklinalen Falten und Bruch nur einen sehr kleinen Teil der Gebirge II. 89.
auf unserem Planeten aufgebaut. Die Faltengebirge oder Alpenketten sind nicht selten mit Vulkankegeln und Korallenbergen associert und besonders kommen an den großen Brüchen in der Erdrinde , welche den Alpenketten entlang ziehen , häufig Reihen von Vulkankegeln vor. Da die gebirgsbildenden Kräfte und speziell die Faltung konstant vor sich gehen, so würden die Berge allmählich bis in den Himmel wachsen , wenn nicht andere Kräfte dies verhinderten: das Wasser und die Luft scheuern fortwährend an den Flanken der wachsenden Berge und breiten das Material, aus dem sie aufgebaut find, in den Thälern zu ihren Füßen aus. Doch hier bleibt es nicht ; rastlos arbeiten Wasser und Wind an dem Transport des Gesteins und tragen es immer tiefer hinab, bis es endlich am Meeresgrunde ausgebreitet wird. Hier bildet es neue Sedimentablagerungen , die dann wieder vom Seitendrucke erfaßt, gefaltet und zu Alpenketten erhoben werden, an denen dann sogleich wieder die korrodierende Wirkung der Atmosphärilien in Aktion tritt. So steigen und sinken die Berge im Laufe der Zeiten wie die Wellen des Meeres, und nur eine Wirkung resultiert daraus : der Erdball wird konstant kleiner. 61
=1444·
R. v. Lendenfeld. Gebirgscharaktere. =1445=
1446
In den Gebirgen unserer Erde treten Der geologische Bau der zwischen diesen da wohl die Annahme gerechtfertigt it, i uns alle Phasen dieses Vorganges in den Linien liegenden Partien ist komplizierter. das Stockhorn und der Riffelberg zu die verschiedensten Modifikationen entgegen . Auf die Glimmerschiefergrenze folgt im Kamme gehören. Der zentrale Teil Die hebende Gewalt der Faltung freilich Südosten , sowohl im Zermatt wie im selben, das Strahlhorn, besteht aus und das stille Treiben der Korallenpolypen Saasthal, ein Streifen von Kalkstein ; auf pentin. An beiden Enden (Riffelberg entzieht sich unserer direkten Beobachtung, der Kammhöhe (südlich vom Alphubel) Fluchthorn) nehmen eingeklemmte Kall und nur zuweilen erinnert uns der mäch aber Serpentin. Der Hauptkamm bis zum Triasſchichten an dem Aufbau desſells tige Ausbruch eines Vulkans an die po- Weißthor beſteht durchaus aus Serpentin Teil. Das Stockhorn besteht aus G Der fünfte , bereits im kontinuierlid ſitiven Faktoren, denen die Berge, wie sie und hier folgt auf denselben der oben erGneis, zieht vom Weißthor (3612 m) vor uns stehen, ihre Entstehung verdanken. wähnte kontinuierliche Gneis . Anders ist es mit den negativen FakAm Ostabhange , gegen Saas hinab, Osten und umgreift das Quellgebiet toren : mit dem Winde, der den Sand der findet sich zwischen Serpentin und Gucis Saasbaches , im weiten Bogen nach Norzet Sahara über das Rote Meer ausſtreut, mit ein schmaler, nordöstlich ſtreichender Streifen sich wendend . Dies ist der legte deutliche Querfurr den wildschäumenden Alpenbächen , welche desselben Kalkes , der weiter nördlich die wüſte Haufen von Gesteinstrümmern über Glimmerſchieferzone begrenzt. An einer Der Monterosa (4638 m ; S. 1442) den fruchtbaren Thalboden ausbreiten, oder Stelle , am Fuße des Fluchthorns , liegt bildet den Kulminationspunkt und zuc den Gletschern, die auf ihrem breiten Rücken etwas triaſſiſcher Fels zwischen dem Kalk östlichen Eckpfeiler eines kleinen nach W abgehenden Grates . Das Terrain in ?das durch den Frost losgesprengte Gestein und dem Serpentin. zu Thal tragen. In ihnen , wie in dem Auf der westlichen , Zermatter Seite den und Westen von der Kammlinic e mächtigen Strom, der den feinen Schlamm folgt auf den hier breiterer. Kalkstreif grüner rosa- Weißthor-Montemoro dacht janit in Gestalt eines Deltas vor seiner Mün- Schiefer und Hornblendeſchiefer, dann Ser- während es nach Südwesten mit gewalti dung ausbreitet, erkennen wir die Agentien, pentinſtreifen (nordöstlich ſtreichend) und Steilhängen in das tiefe Macugnaawelche stetig an der Nivellierung der Erd- über dem Riffelberg wieder Kalk , dann abseht. Die relative Höhe des Montere oberfläche arbeiten. Quarzit, dann ein kleiner triassischer Streif über Macugnaga beträgt über 3 Die höheren Partien dieſes GebtWir müssen also die Gebirge als das (der jenem unter dem Fluchthorn auf der Werk zweier autogoniſtiſcher Kräfte, einer anderen Seite entspricht) und schließlich zuges sind heutzutage stark vergletter und die Eisströme tragen das losgeritter aufbauenden und einer zerstörenden, ansehen, der kontinuierliche Gneis. und die Gestalt, der Charakter eines GeSowohl der Gneis wi : der Glimmer- Material auf ihrem Rücken zu Thal, a birges hängt demnach von dieſen Kräften schiefer sind älter wie die dazwischen einge- tige Endmoränen in den Seitenthälen ? und dem Material ab , aus welchem es feilten Kalf- und Triasschichten. Die Saas und Zermattthales auftim besteht. Sedimentgesteine sind überall hochgefaltet, Dieses, sowie das von Lawinen und re Wenn wir also den Charakter eines teilweise überworfen und streichen im all meren Torrenten herabgebrachte Matera Gebirges studieren wollen, so ist es unsere gemeinen nordöstlich der Richtung der Quer wird von den Bächen weiterbefördert | die Hauptthäler und durch diese bin : Aufgabe , die Gestalt desselben einerseits kämme parallel. als das Resultat der Kraft, welche dasselbe Wir wollen nun, von Nord nach Süd nach Visp ins Rhonethal. Jedenfalls retardieren gegenwarta aufbaute, und anderseits der den klimatiſchen |fortschreitend , die einzelnen Querkämme, Verhältniſſen der Lokalität desselben ent- aus denen sich dieser Gebirgszug zusam Firnfelder und Gletscher sehr wesent den Fortgang der nivellierenden Aktio:7 sprechend modifizierten Wirkung der zer menseßt, näher betrachten. Der erste, dem wir begegnen, ist jener, Atmosphärilien , und dies muß no störenden Kräfte auf das Gestein, aus dem es besteht, hinzustellen. der mit der Leiterſpite (3218 m) östlich weit größerem Maßstabe zur Glacial: In jedem gegebenen Falle wird es da- von Täſch im Zermattthale beginnt, über stattgefunden haben, während welcher ** her darauf ankommen , den geologischen das Täschhorn (4498 m) und den Dom geheure, mehr oder minder kontinuier Bau des Gebirges und die meteorolo (4554 m ) hinzicht und ober der Fecalp Firnfelder dieſes ganze Gebirge bedett gischen Verhältnisse seiner Lokalität zu stu- im Saasthale endet. Jenseit des Zermatt und vor Verwitterung schüßten. thales im Weſten ſezt sich dieser Querdieren. Jedenfalls war das Klima in den 3 Ich will mich nun bemühen, an einem kamm im Mettelhorn (3410 m) , welches pen vor der Eiszeit milder, wie es in konkreten Beiſpiele, welches als ein Typus der Leiterspiße gegenüber liegt, fort. We ist. Damals gab es dort keine Gletic angesehen werden kann, dies durchzuführen. niger deutlich ist die Fortsetzung desselben oder sie waren klein. Da wahrsche Es gibt keinen Gebirgszug, an welchem nach Osten in den Jägihörnern und dem die Zeit , während welcher die Alpen der Bau der Zentralalpen besser verfolgt Fletschhorn. Dieser Querkamm (zwischen allgemeinen und unser Gebirgszug in werden kann als an jenem Kamme , der, Saasthal und Zermattthal) beſteht ganz sonderen der schüßenden Eisdecke cutter vom Balmenhorn nach Norden streichend, und gar aus Glimmerſchiefer. ten , unvergleichlich länger war als i Der nächste Querfamm , welcher im während welcher große Gletscher übe einige der höchsten Gipfel in den Alpen trägt. Alphubel (4207 m ) kulminiert , ist unbe- Flanken hinabzogen , und da überdice "Dieser Kamm setzt sich aus einer Reihe deutend. Der dritte hingegen ist sehr deutlich. nivellierende Thätigkeit während der ka folonnenförmig hintereinander stehender, Sein westlicher Teil umgreift das Mel- scherlosen Zeit viel lebhafter geweier nach Südwest konverer, bogenförmigerQuer lichenthal, der Kamm wendet sich dann im muß, so können wir vorläufig in deal kämm : zuſammen. Der größte Teil des Rimpfisd horn (4203 m) nach Norden, hier- trachtung der Agentien, welche den Kammes beſteht aus Teilen dieser Luer- auf im Allalinhorn (4034 m) wieder nach ihre heutige Form gaben, die Wirkung Tämme, zwischen denen niedrigere und we- Nordost und erstreckt sich über das Egginer- | Eises außer acht laſſen. Das Streichen der Gesteine und d niger ausgesprochene Rücken die Verbin horn bis Almagel im Saasthale. Jenseits dung herstellen. desselben setzt sich dieser Kamm fort und Querkämme selbst ---- denen allein in d Der nordwestliche Teil des Gebirgs- steigt rasch zur Weißmiß (4031 m) an. Gebirgszuge eine orographische Bedea zuges besteht aus Glimmerſchiefer, der in Dieser Kamm besteht in seinem höheren, zukommt , sowie die Konvexität der einer nordöstlich verlaufenden Linie , von zentralen Teile aus Serpentin; im Osten, gen nach Südosten zeigen deutlich, daß Ried im Zermattthale über den Alphubel von dem Egginerhorn an, aus Öncis. Die Gebirge einer Faltung seine Enti nach Im Grund im Saasthale, plöglich Weißmiß aber ist aus Glimmerschiefer auf verdankt, welche senkrecht auf die der Querkämme von Nordwest nach St aufhört. gebaut. Der vierte Querkamm fulminiert im stattgefunden hat. Diese Faltung n Der südöstliche Teil unseres Gebirges : das Saasthal südlich von Im Grund, Strahlhorn (4191 m) und endet östlich | Folge davon, daß der Seitendruck in das Macugnagathal und der Hauptkamm beim Mattmarksee im Saasthal. Nach Gebiete und in dieser Richtung so sürlich vom Weißthor, bestehen aus Gneis . Westen scheint er sich weiter fortzusehen, wurde , daß die Gesteinsschichten .
1417 hier die Erdrinde zusammenseßen, ihm nicht widerstehen konnten. Anfangs lag wohl der Glimmerschiefer horizontal ausgebreitet über dem Gneis , Serpentin und Quarzit, darüber der Kalk und die triassische Rauchwacke. Die Faltung ging so rasch vor sich, daß die Atmosphärilien nicht Zeit hatten, die wachsenden Berge überall abzutragen . Der Regen vermochte dies nicht . Dort aber, wo in den Vertiefungen das Wasser sich sammelte und Bäche bildete, da reichte
ränder, welche am raschesten anstiegen und aus dem härtesten Gestein bestanden , er reichten in dem Kampfe gegen die olympischen Gewalten der Atmosphärilien die bedeutendsten Höhen und bildeten jene Quertämme, welche zwar von den tiefen Thälern des Saas- und Zermattbaches durchbrochen werden , teilweise aber sich jenseits dieser Thäler eine beträchtliche Strecke weit fort jekten, wie z . B. der Täschhornkamm nach Westen (Leiterspize- Mettelhorn) und der Allalinkamm nach Osten (EgginerhornTrifthorn). Der Regen, der auf die ansteigenden Berge fiel, wirkte nur unbedeutend auf den höhen, aber mit zunehmender Kraft gegen ie Tiefe hin, wo aus den kleinen Rinnalen größere Bäche wurden. Diese Bäche
R. v. Lendenfeld. Gebirgscharaktere. 1448-
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die Erosionsthätigkeit hin , um mit der Hebung der Falten nahezu gleichen Schritt zu halten , und niemals vermochten an diesen Stellen die Falten emporzukommen. Zwischen den Bächen aber, wo die Erosion minder kräftig wirkte, da erhoben sich die Faltenränder , während die Thalsohle ihre absolute Höhe nicht so rasch veränderte und nur allmählich sich hob , als sie von dem Gesteinsmaterial ausgefüllt wurde, welches von den Flanken der steigenden Berge herabkam.
Das Saas- und Zermattthal sind solche alte Wasserläufe, und es wäre sehr unrichtig, anzunehmen, daß sie erst entstanden seien, nachdem das Gebirge eine bedeutende Höhe erreicht hatte. Zu den Seiten der Thäler stiegen, da der Seitendruck zu wirken fortfuhr , die Falten immer mehr in die Höhe, sie überschlugen sich vielfach und so geschah es, daß die jüngeren Kalke und Rauchwacken zwischen die alten azoischen Gesteine eingeflemmt wurden. Die Falten und Bruch-
An
Matterhorn von Zermatt ans. | graben sich immer mehr in den Boden ein und suchen sich bis zum Niveau der Hauptthäler (Zermatt und Saasthal) hinabzu nagen. Sie sind aber heute noch , weil die Erhebung der Apen entweder erst vor kur zem oder noch gar nicht aufgehört hat, weit davon entfernt, dies irgendwo erreicht zu haben , und sind noch immer steile Schluchten , in denen zuzeiten wildschäumende Torrenten mit aller Gewalt an der Nivellierung der Berge arbeiten. Es ist einleuchtend, daß das fließende Wasser vorzüglich den Fuß des Gebirges benagt und daß das Gestein höherer Par tien nur durch Erdabrutschungen und Lawinen herabgebracht wird. Die letztgenannten Agentien beginnen aber erst dann zu wirken, wenn die Hänge eine bedeuten
| dere Neigung erlangt haben, so daß also in allen Fällen die Wirkung des fließenden Wassers die sein wird , die Steilheit der Hänge durch Abtragen der basalen Partien zu erhöhen. In dieser Weise werden die Abhänge, die Seiten der Falten und die Bruchränder immer steiler nicht nur infolge des Fortganges der Faltung und Ueberschiebung, sondern auch infolge der Wirkung des fließenden Wassers . Die Annahme dürfte vielleicht nicht ungerechtfertigt sein , daß unser Gebirgszug nach der Juraperiode sich zu erheben. begann. Faltung und Abschwemmung gingen Hand in Hand . Der größte Teil der vorhandenen jüngeren Schichten, welche oben auflagen und zuerst den Atmosphärilien aus-
R. v . Lendenfeld. -1450-
Gebirgscharaktere.
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Panorama vom Gipfel des Matterhorn.
gesezt waren, wurde abgeschwemmt. Nur hier und da erhielten sich eingeklemmte Reste der jüngeren Formationen zwischen dem älteren Gestein, welches, nun des schüßen den Mantels dieser paläozoischen und mesozoischen Schichten beraubt , frei in die Luft sich zu heben begann. Die Faltung ging so rasch vor sich, daß die Bergkämme (Falten oder Bruchränder) troß der At mosphärilienwirkung immer höher wurden. Regen und fließendes Wasser scheuerten die Flanken. Die Kämme wurden scharf, die Hänge steil, die Schluchten tief eingeschnitten. Nur die großen Hauptthäler, welche von Anfang an bestanden, blieben im allgemeinen unverändert, obwohl auch diese hier und da durch die Akkumulation von Geröll erhöht , oder sogar abgesperrt wurden. Nun brach die Eiszeit herein. Die Thäler füllten sich mit Eisströmen , welche alles lose Material aus denselben fegten und gleichzeitig alles Gestein forttrugen , das von den Hängen herabstürzte. Die Faltung ging fort. Die Hänge wurden noch steiler, während die Gletscher jede Ausfüllung der Thäler durch Gesteinsschutt verhinderten.
Die Gletscher gingen zurück und schränkten sich auf ihre heutige bescheidene Ausdehnung ein. Die tiefen Thäler, überragt von gewaltigen Steilhängen, deren Erhaltung wir teilweise den Gletschern der Eiszeit verdanken, sind geblieben. Ich möchte nun den Leser einladen, mich in jenes Gebirge zu begleiten und diese großartige Kraftleistung unserer Allmutter Natur näher kennen zu lernen . Ich habe von den Gipfeln in jenem Gebirgs zuge die fünf wichtigsten, Monterosa, Dom , Täschhorn, Rimpfischhorn und Strahlhorn bestiegen und ich will im folgenden drei dieser Partien beschreiben. Derhöchste Punkt des Monterosamassivs, die zweithöchste Spitze in den europäischen Alpen, ist von den Schweizer Kartographen nach dem Leiter des topographischen Büreaus in Vern, dem berühmten General Dufour, benannt worden . Sie ist 4638 m hoch und bildet, wie oben erwähnt, den östlichen Eckpfeiler eines nach Osten ansteigenden Kammes , der sich aus dem Gornergletscher firn erhebt. Die Dufourspite liegt auf der Höhe des Hauptkammes an der Kante jener Stufe, von welcher das Terrain nach Westen sanft, nach Osten aber sehr steil abfällt.
Es ist leicht , vom Westen aus über den Gornergletscher und den kleinen Kamum auf die Dufourspite hinaufzukommen, unt diese Partie ist seit den fünfziger Jahren von unzähligen Bergsteigern gemacht wor den. Einmal ging Tyndall ganz allein hier hinauf. Viel schwieriger und auch lawinet gefährlich ist der Anstieg von Osten aus dem Macugnagathal über den mehrfach erwähnten Steilhang. Dieser Weg wurde das erste Mal von Pendlebury und Taylor im Jahre 1872 und das zweite Mal vo mir im Jahre 1880 gemacht. Die dritt Partie (Marinelli) im Jahre 1881 wurde durch eine Lawine getötet. Seither ist de Weg mehrmals gemacht worden (zweimal von Schulz) und nur einer ist dabei be denklich verlegt worden (Führer Rang getiner, derselbe, der seither am Glockner kamm verunglückt ist) erlitt durch eine fallenden Stein einen Rippenbruch. Ich kam am 8. August 1880 na Macugnaga und erfuhr dort , daß Freund von mir tags zuvor versucht habe die Dufourspitze von Macugnaga aus ersteigen , daß Nebel eingetreten sei un daß er und sein Führer (der obeneripähn
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Banorama vom Gipfel des Matterhorn.
getiner) wahrscheinlich verunglückt | wächten (Cornice). Schmale Rinnen, die | frei ist. Auf einer minder steilen Halde vom Ich beschloß deshalb, sofort selber vom oberen Teil der Wand zum Macu- von großen braunen Felstrümmern Monterosa an den Leib zu rücken , anagagletscher hinabziehen , bezeichnen den Grundgestein durch die sprengende Wirkung e Spuren meines Freundes aufzu Weg der häufigen Lawinen. Es ist warm, des frierenden Sickerwassers losgebrochen. Eigentliche Führer gab es da- und keine fünf Minuten vergehen, wo nicht beschloßen wir, zwischen drei gegeneinanderin Macugnaga nicht , gleichwohl Eistrümmer und Schneemassen durch diese gelehnten Felsen zu biwakieren . Wir sind 1 sich zwei Männer, mich zu be- Rinnsale herabstürzen mit donnerähnlichem hier etwa 3000 m über dem Meere. (der eine war der Stiefelpuher des Krachen und Rauschen , welches mit vielEs war ein herrlicher Abend. Die Lochmatter) ; ich nahm auch einen fachem Widerhall allmählich und grollend Sonne sank und vergoldete den weiten Kreis der vor uns liegenden Gipfel, wäh mit und verließ um 9 Uhr morgens verklingt. August Macugnaga ( 1559 m). im Kontrast gegen Nach kurzem Aufenthalte verließen wir rend sich tiefes Blau rch eine fast ebene Thalweitung er diesen schönen Punkt und begannen den die rotstrahlenden Berge noch intensiver über die italienische Tiefwir bald eine große alte und ganz Macugnagagletscher zu überschreiten , auf erscheinend ete Endmoräne , wahrscheinlich aus eine der erwähnten Felsrippen (den so ebene ausbreitet. In immer größeren rigen Jahrhundert , als der Glet- genannten Jägerrücken) lossteuernd. Der Zwischenräumen donnerten die Lawinen Hintergrunde des Thals weit vor Gletscher ist zwar, wie erwähnt, stark zer- hinab über unseren morgigen Weg. EinBald kamen wir an den Gletscher flüftet, bietet aber keine Schwierigkeit, so zelne Sterne erglänzten über uns, sie wurran und folgten dessen rechtem Ufer. daß wir um 22 Uhr nachmittags den den zahlreicher und heller. Der Lawinendonner ist verstummt und die lautlose elten wir . Mittagsrast und hatten Fuß der Felsen gewannen . en nahezu 2000m hohen Ostabhang Der Felsrücken ist nicht besonders steil Stille der Alpennacht breitet sich um uns terosa genauer zu betrachten. Wild- und sehr leicht gangbar , hier und da von aus und wiegt uns in den Schlummer ein. Wolkenlos wie der Abend war auch tumflutet der Macugnagagletscher Firn- oder Schneefeldern unterbrochen, desselben. Der Abhang selbst ist durchaus Gneis , ebenso wie auf der an der kommende Morgen , und ein sanfter, eils von steilem Firn bedeckt, nur deren Seite des Gletschers. Wir kamen aber eisiger Morgenwind strich durch die da treten schmale Felsrippen aus rasch vorwärts und waren bald über die Felsen. So zeitig als möglich, beim ersten ispanzer hervor, die gleich Pfeilern Vegetationsgrenze hinaus . Wir trafen auf Grauen des Tages um 3 Uhr 20 Minuten and zu stüßen scheinen. An dem einen Rudel Gemsen 15 Stück, eine morgens, brachen wir auf, denn es galt, aften hier und da gewaltige Schnee- Seltenheit in jener Gegend, wo die Jagd die schlimmsten Lawinenrisse zu passieren,
-1456che die Sonne den Kamm erreichte und die uns von oben drohenden Schneewächten und Firnmaſſen loslöste. Keine Lawine regte sich noch und es war alles so still und friedlich , als ob nirgends auf der Welt der Kampf der Naturgewalten und das emsige Treiben der Menschen Ruhe störten. Wir stiegen etwa 200 m über unseren Felsrücken an. Hier hört derselbe plötlich auf und taucht unter die Eismauer. Gerade über uns steht das Nordend , ein Gipfel , welcher den nördlichen Eckpfeiler des Monterojamassivs bildet . Links über uns unterbrechen zwei kleine dreieckige Felsen den Eishang ; in derselben Richtung, höher und entfernter, steht die Dufourspite. Sie bildet den höchſten Punkt eines steilen Felsrückens , der sich unterhalb derselben in dem Firnhange auskeilt. Es ist dies der östliche Teil des kleinen Querkammes , dem die Dufourspige entragt. Gerade vor uns , zwischen dem Felsrücken , auf dem wir stehen, und den erwähnten dreieckigen Felsen zieht ein gewaltiger Lawinenriß, einer der bedeutendsten des ganzen Hanges , von der Ostflanke des Nordend zum Macugnagagletscher hinab. Alles, was in der Höhe zwischen Dufourspige und Nordend losbricht , muß durch diese „ Gaſſe des Todes", und sie ist auch bei Tage kaum zu überschreiten, so rasch folgen die stürzen den Eistrümmer, Steine und Lawinen, die unaufgehalten bis zum Macugnagagletscher hinabsausen , aufeinander. In der That war es hier , wo Marinelli und seine Führer den Tod fanden. Diese Gletscherschlucht müſſen wir über queren. Unser nächstes Ziel sind die erwähnten dreieckigen Felsen. Stufenhauend gingen wir nach links über den Firn hang schief auswärts , kamen bald an den Rand der Lawinengasse und begannen nun diese zu traversieren. Das Eis war glasig und jede Stufe erforderte zahlreiche Pickelhiebe. Der Lawinenriß ist bei 20 m breit, aber wegen des zeitraubenden Stufen hauens brauchten wir mehr als zehn Minuten , um hinüberzukommen . Alle drei am Seil zu gleicher Zeit in der Rinne denn der vorderste , der Stufen hieb, mußte gehalten werden. 1000 m über uns hängen blauglänzende Eistürme, Na deln und Schneewächten in die Schlucht hinein. Doch es ist alles still, keine Lawine regt sich und wir kommen mit heiler Haut hinüber. Jenseits der Schlucht setzten wir un seren Weg schief nach aufwärts fort, immer Stufen hauend , bis zu dem ersten der Felsen. Wir gehen denselben entlang in ciner Falllinie aufwärts. In halber Höhe des Felsens angelangt , wenden wir uns wieder nach links, dem zweiten zu. Einige Steine sausen an uns vorüber und einer schlägt gleich einer Kanonenkugel vor uns ein, den Firn zertrümmernd und uns mit einem Hagel von Eisstücken überschüttend. Wir blicken hinauf zu den nun fast über uns stehenden Felsen der Dufourspite, von
R. v . Lendenfeld. Gebirgscharaktere. 1457genden Sonne , während wir selber noch tief im Schatten sind . Um 64 Uhr morgens erreichen wir einen Buckel im Firn , durchzogen von einem Chaos von Spalten etwas links unter der Dufourspiße. Hier liegt jedenfalls unter dem Eise eine | Terrainſtufe, welcher dieser Buckel und seine Spalten ihre Entstehung verdanken. An dieser Stelle sind wir vor Lawinen und dergleichen sicher und ſehen uns zum Früh stück. Die Sonne scheint freundlich auf uns und wir recken unsere erſtarrten Glie der in der Wärme. Nach halbstündiger Rast seßten wir unseren Weg fort, mußten. aber wegen der fürchterlichen Zerklüftung des Firns vielfach lavieren und die größte Vorsicht anwenden , denn die Spalten sind großenteils von trügeriſchen Schneebrücken, die unter unserer Last zusammenzubrechen drohten, bedeckt. Wir brauchten volle drei Stunden , um durch dieses Spaltengewirr hindurchzukommen. Jenseits erwarteten uns neue Hindernisse. Auf dem Hange, der uns von dem Fuß der Felsen der Dufourspite noch trennte, war der Schnee mehlig und metertief , so daß wir große Gefahr liefen , selber eine Lawine loszutreten. Um dies zu vermeiden , gingen wir in einer Falllinie gerade hinauf. Dies war eine unangenehme Sache : bis zur Mitte im Schnee mit einer Unterlage von steilem Eis , Stufenhauen unmöglich , arbeiteten wir uns empor und kamen endlich um 2 Uhr nachmittags wieder auf sicheres Terrain. Der Firnhang ist hier zwar sehr steil, war aber schneefrei und von der Sonne hinlänglich erweicht , um das Stufenhauen leicht zu machen. Quer über furchtbar steiles Eis ging es nun nach rechts auf den Fuß der Felsen zu , die gegen 3 Uhr nachmittags erreicht wurden. Hier fanden wir Stufen im Eis, Spuren meines Freundes , welche nach rechts hin zu dem Sattel zwischen Dufourspige und Nordend emporführten. Mein Freund war also sicher, denn jenseits des Sattels gibt es keine Gefahr. Dieser Sorge enthoben, beschloß ich, die Dufourspige zu besteigen. Wir begannen auch alsbald über die braunen Gneisselfen emporzuſteigen. Die Felsen sind wohl hier und da steil , aber überall passierbar. Wir folgten zuerst dem Grat, wandten uns dann dem Südabhange zu und kletterten durch dieſen aufwärts, bis wir nahe der Spitze den Kamm abermals erreichten. Ein eisiger Wind erhob sich jetzt und zwang uns zu halten , denn in dein Winde wäre es nicht möglich gewesen, die Schneide zu paſſieren. Glücklicherweise legte sich der Wind bald wieder und wir konnten unseren Weg fortschen. Einige Felstürme, die hier dem Kamim entragen, nötigten uns mehrmals die Schneide zu verlassen und die Hänge im Norden oder Süden zu traversieren. Doch auch diese Schwierigkeit war bald überwunden , und wir standen auf dem letzten Felsturm , der sogenannten italienischen Spite des Monterosa, welche durch eine tiefe Scharte von der vor uns liegenden höchsten Spitze
1458alles Gneis zur Schart.2 platte geseilt. Der Hintermann muß , ver am Seile gehalten, über dieſe Platte hin gleiten und auf der scharfen Firnit: in der Scharte Fuß faſſen. Es gaz wir überschreiten die Scharte und kleinen Felsturm , klettern jenseits d und stehen auf dem Gipfel der spige - 5 Uhr 20 Minuten nachmit nach vierzehnstündigem Marſch. Espätere Partien haben bessere Star hältnisse angetroffen und weniar gebraucht. Eine fast ebene , trocken: von der Sonne erwärmt , dient d Ruheplay, nach so vielen Stunden ein Stück ebenen Bodens ! Bis 6 Uhr abends blieben wit und genoßen eines der großartigſten 80 die ich in den Alpen gesehen habe. I schlanken Gipfel des gegenüberlie Gebirgszuges , Matterhorn , Dentil . Gabelhorn , Rothorn und Weißhe Schatten , dunkelviolett aus dem o gelb leuchtenden Dunste ausgeschnin über Frankreich fern im Westen Immer intensiver werden die Ko farben. Dämmerung beginnt fi Thälern auszubreiten und kriecht er östlichen Hängen empor. Immer du rot glühen die sonnenbestrahlten it auf unserer Seite des Zermattthales leuchten uns hinab über den Felsar Sattel. Rasch eilten wir über die hänge, kamen aber doch nicht vor Ent der Nacht auf den Gletscher hinad. Wir waren müde und kamen über an Spalten und tief eingeſchnittenen rinnsalen reichen Gletscher nur sehr sam vorwärts. Die Nacht war ordentlich finster, böses Wetter im Wund wir fielen unzähligemal in Waſſertümpel. Endlich, gegen Mitt erreichten wir das rechte Ufer des gletschers und langten um 1 Uhr am genden Morgen im Riffelhotel an. Im darauffolgenden Jahre fam August wieder nach Zermatt. Es anfangs schlechtes Wetter, doch wurde es schön , und ich beschle längerem Schwanken , das Taichter besteigen. Ich , meine zwei Führer ein Träger verließen Zermatt nach um den Abend noch ein Biwak an des Südabhanges der Leiterſpișe ziehen (siehe oben, weſtlicher Edpfels Täschhorn Domquerkammes). Aud anderer Herr mit seinen Führern Trägern hatte die Absicht, das Täies am nächsten Tage zu besteigen, L gingen wir denn zusammen, die e Proviant und Decken schwer beladeri schöne Thal hinab. Von rechts ein Lawinenriß herab , und die wird am Fuß desselben häufig in *jahr von Lawinen verſchüttet . jener Zeit fand sich dort noch ein tender Lawinenrest , den die Se einem 50 m langen Schneetunnel sette. Durch den Lawinentiß
denen dieser etwas ungestüme Gruß her getrennt ist. Die beiden vordersten wur- wir hinauf zu einer Waſſerleitung kam . Sie glüht im ersten Licht der steiz : den vom Hintermann über eine steile Fels- den Berg umzieht , der das
1459(Mellichenbach) von dem oberen Zermattthale trennt. Wir folgten der Wasser leitung im Bogen nach rechts und kamen bei den Täschalpen auf den Mellichen bach. Die Felsen sind durchaus Glimmer schiefer. In der Täschalp nahmen wir Holz und Milch , überquerten den Bach und (auf einer Brücke) auch einen Zufluß von rechts , den Rothenbach, der vom Zungen ende des Weingartengletschers im Nordoften herabkommt. Wir folgten dann dem linken Ufer desselben thalauf. Weiter oben mußte der Rothenbach abermals überquert werden (ohne Brücke) , was wegen des
R. v. Lendenfeld. Gebirgscharaktere. 1460Wasserreichtums desselben um diese Tages zeit mit einiger Schwierigkeit verbunden war. Am anderen Ufer fanden wir große Mengen der wohlriechenden Edelraute und gingen quer nach rechts über eine steile Wiese hinauf. Der hohe Bergkamm, welcher Strahl bett und Leiterspiße verbindet (westlich Teil des Dom- Täschhornquerfammes) , fällt mit einer gewaltigen Felswand, über 500 m hoch, nach Südostsüden gegen den Rothen bach ab. Der unterste Teil dieser Wand ist überhängend, so daß die von oben herab fallenden Steine und Lawinen sich nicht
-1461am Fuße ansammeln, sondern weit hina fliegen und in den Rothenbach hinabroll der sie fortführt. Es gibt daher hier c kein Geröll, und der Boden ist mit üppig Alpengrase bedeckt. An einigen Stell ist der Fuß der Wand mehr überhänge wie an anderen, so daß seichte Höhlen c bildet werden. Dach und Seiten a Fels, der Boden bedeckt mit zartem Rase In einer dieser Höhlen richteten wir u für die Nacht ein. Als ich mich zum Schlafen zured gelegt hatte, sah ich gerade gegenüber d Gipfelgrat des Monterosa , deutlich t
Dom und Täschhorn von der Riffel. einzelnen Felstürme und jene Scharte zwi | giert, daß wir vorausgehen sollten. Um schen der italienischen und höchsten Spitze, 3 Uhr früh es war noch ganz finster die uns damals (der Leser erinnert sich) und noch immer sprühten die Stern= einige Schwierigkeit gemacht hatten. Gerade funken aus dem Alphubelkamm empor im Östen lag der schneeige Kamm zwischen verließen wir unser Biwak , folgten dem Mischabel- und Alphubeljoch. Auch diesen rechten Ufer des Weingartengletschers nach konnte ich sehen. Im Halbschlummer be aufwärts , betraten dann diesen selbst und merkte ich mit Staunen, wie die hellleuch- wandten uns bei Laternenschein durch die tenden Sterne der klaren Alpennacht gleich zahlreichen Klüfte desselben hindurch. Die Funken eines Feuers aus diesem Kamme anfangs beträchtliche Neigung dieses Gletemporstoben. Dies verstand ich nicht, schers nimmt allmählich ab und wir berüttelte mich aus meinem Halbschlummer finden uns beim ersten Dämmern des und blickte aufmerksam hin. Der Rothen- kommenden Tages in einer flacheren bach rauschte leise und leiser und glatt Gletschermulde, von welcher steilere Firn lag vor mir der ununterbrochene Schnee partien zu dem Fuß jener Felswand emporhang des Alphubel , von dessen oberem ziehen , welche den Südabhang des Kam Rande die Sterne emporhüpften nicht mes Leiterspige- Täschhorn bildet. Diese allmählich, sondern plöglich . Ah freilich, nimmt nach rechts hin an Höhe zu und es ist die Erdrotation. Befriedigt legte fulminiert im Täschhorn (4498 m). Rechts ich mich nieder und träumte von einem von uns zieht ein, unten eisiger , oben Lagerfeuer der Titanen auf dem Alphubel- felfiger Grat von nicht bedeutender Nei kamm, von dem Funken emporstoben, und gung zum Hauptkamm empor, in dem er dem armen Galileo. sich südlich vom Täschhorn inseriert. Ueber Da die Führer der anderen Partie diesen wollen wir hinauf, ein neuer Weg, den Weg nicht kannten , so wurde arran- der noch niemals gemacht war , zugleich
der nächste Weg aufs Täschhorn vo Zermatt . Das Täschhorn ist ein schöner, schlan fer Gipfel , der besonders von Zermat aus sehr scharf und einladend aussieh: Doch wird dasselbe nicht oft bestiege und speziell von Südwesten direkt vo Zermatt , über den Weingartengletscher war es erst einmal vor uns, auf andere Route von Stanley im selben Jahre ei reicht worden. Wir überquerten die flache Firnmult und stiegen dann ohne Schwierigkeit übe den felsigen Grat hinauf alles Glim merschiefer. An passender Stelle machte wir auf dem Grate Halt, frühstückten 6 bis 62 Uhr morgens - sezten dan unseren Weg fort und kamen auf Eis Diesem entlang mußten Stufen gehaue werden , doch erreichten wir schon un 7 Uhr morgens den Hauptkamm un blickten jenseits hinab zu dem tief unte uns liegenden Feegletscher. Wir wandten uns nach links und kle terten dem hier felsigen Hauptkamm i
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1ördlicher Richtung entlang. Diese steil aussieht und auch in der That eine Als wir an den oberen Rand dieſer Rammpartie ist zwar nicht steil , macht bedeutende Neigung hat , so ist sie doch Spalte kamen, fanden wir, daß dieſer etwa überall gute 30 Meter höher war als der untere und iber deshalb einige Schwierigkeiten , weil sehr leicht zu überklettern hier große Felstürme auftreten. Zwi- Griffe für die Hände und häufig sogar überhing. Die Spalte ſelbſt, etwa 20 Meter chen der Vereinigungsstelle des Haupt- gute Tritte für die Füße. In 35 Mi breit, war von Eistrümmern erfüllt , die ammes mit dem von uns überschrittenen nuten war die Wand überwunden und offenbar von dem oberen , überhängenden Seitenkamme und der erwähnten Südwand wir standen um 9½ Uhr morgens auf Rand herabgefallen waren . Von oben zieht sich an einer Stelle eine Rampe der des Täſchhornkammes , aus welcher dieser dem Gipfel des Täschhorn (4499 m) . Grat unvermittelt entspringt , stehen zuWie auf den Gipfeln der neun an überhängenden Eiswand entlang hinab. nächst drei große Felstürme und auf diese deren Berge, die ich vorher in der Monte Auf dieser gingen wir vorsichtig hinunter, folgt (nördlich , der Wand zunächst) ein rofagruppe bestiegen hatte, so war ich auch fanden aber , daß sie plöglich aufhörte. horizontaler Schneegrat. Der lettere ist hier vom schönsten Wetter begünstigt. Die Da standen wir nun, auf dem freien Ende es , der, von Zermatt gesehen , als auf Aussicht ist sehr schön. Man sieht alle eines vorragenden Eisstückes . Ueber uns fallende Schneeschulter rechts unter dem Hochgipfel der Alpen zwischen Montblanc wölbte sich die überhängende Eiswand; Gipfel des Täschhorn erscheint. Die Fels- und Ortler , mit Ausnahme einiger im unter uns gähnte der Abgrund, überbrückt leichter zu Berner Oberland, welche von dem breiten von einer vielfach durchbrochenen , trügetürme sind nicht schwer überwinden als jene am Gipfelgrat des Dom , der dicht vor uns steht , verdeckt rischen Schneelage, einem mit Spigen verMonteroja. Der Schnee war größtenteils werden. zierten Bahrtuche gleich, welche das Riesenvon diesen Felsen abgeschmolzen und das Natürlich fesseln uns die nahen Gipfel grab bedeckte. Der Vordermann — Perren Klettern über dieselben ein wahres Ver- der Monterofagruppe am meisten und beentschloß sich endlich zu einem gewalgnügen. Immer prächtiger entfaltet sich sonders der gewaltige Absturz des Dom tigen Sprung, und es gelang ihm, ein festes Eisstück zu erreichen. Wir folgten während des Vorrückens das Panorama, zum Feegletscher im Osten. Nach einstündigem Aufenthalte wurde am Seil und kamen über dieſes Eisſtück und eine immer größere Zahl von Berggipfeln steigt empor über die eisgekrönten der Abstieg gegen den Kiengletscher im wieder eine Strecke weit vorwärts . Doch Höhen der nächsten Umgebung. zwischen Täschhorn und endlich war alles weitere Vordringen unNordwesten angetreten. Wir folgten auf möglich und wir mußten uns über die Der erste Felsturm hat die Geſtalt Dom eines Obelisken mit ebener Terminalfläche, eine kurze Strecke dem Querkamm nach legten acht Meter der Eiswand hinabſeilen. auf welcher eine kleine Geſellſchaft bequem Osten und kletterten dann über den Nord- Unten angelangt, überschritten wir vor Play hätte. Erwird überklettert. Dermittlere abhang desselben hinab. Hier gab es sichtig eine Schneebrücke , die aber unter pyramidale Felsturm mußte auf der West- steile, mit Neuschnee bedeckte Platten. Der dem lezten einbrach, so daß wir ihn am seite umgangen werden. Es läuft dort Hang entspricht an dieser Stelle dem Ver- Seil aus dem Loche hervorziehen mußten. Hier warteten wir auf die zweite ein 15 cm breites Felsband um denselben flächen der geschichteten Glimmerschieferherum, dieſes war zwar mit einer Schicht felsen , und die unangenehmen Platten Partie, der durch das Brechen der SchneeDer Hang ist brücke der Weg abgeschnitten war. Wir Glatteis bedeckt , aber über dem Bande sind die Schichtflächen. fanden sich kleine Griffe, ſo daß wir leicht natürlich viel zu steil, als daß die Sonne halfen ihnen herüber und hielten dann fortkamen. An der Kante fehlen aber auf denselben je bescheinen könnte, und so bleibt eine kleine Rast. einer Strecke von zwei Metern die Griffe, und der Neuschnee dort so lange liegen , bis Hierauf stiegen wir zum Kiengletscher hier ist der Fels über dem Bande nicht er entweder in Lawinengestalt hinabgleitet, hinab, überquerten ihn und folgten dann nur glatt und grifflos , sondern auch über- oder vom Föhn getaut wird. Nach un der rechten Seitenmoräne thalabwärts. hängend. ten hin nahm die Schneelage an Dicke zu, Es war jest 3 Uhr nachmittags , ein warMein zweiter Führer und ich hielten und es war schließlich gar nicht möglich, mer Nachmittag, und die ganze Moräne , der voranging, weiter zu kommen , da die Platten nur schien lebendig. Biener den ersten Fortwährend stürzten am Seile fest . Es ist eine heikle Stelle, wenig Haltpunkte boten und der Neu- große Felstrümmer hinab in die Spalten, aber Biener hat Arme wie ein Gorilla, schnee auch diese verbarg. Doch waren welche dieselbe durchzogen, und wir waren lang und kräftig. Eine Zeitlang klebte wir dem Firnhang , der vom Fuße dieser sehr froh, endlich aus dem Bereich dieſes er mit ausgebreiteten Armen und Beinen Wand hinabzieht , schon ganz nahe und Steinfalles herauszukommen . Wir eilten wie eine Spinne an der Felswand. beschloßen daher, den ersten am Seile hin- nun hinab durch das Kienthal , traverLangsam läßt die rechte Hand den Griff unterzulassen und so lange zu halten, fierten dann nach rechts, gegen Festi hin , und los , und Biener verschwindet hinter der bis er im Firn Stufen gehauen und sich langten 5 Uhr nachmittags in Randa im Felskante. Hinter einer Klippe stellt er festgestellt hatte. Dies gelang , worauf Zermattthale an . Am 14. September 1881 verließen sich fest ; für uns , die folgenden, von Bie: Biener und ich folgten. Weil wir nicht ner am Seile gehalten , ist die Passage genug Seil hatten, mußten wir zugleich meine Frau und ich Zermatt mit zwei leicht. Der leyte Turm bot keine Schwie diese böse Stelle passieren , kamen aber Führern um 2¾ Uhr morgens und rigkeit und wir langten bald auf dem doch ohne Unfall hinunter. Allerdings ritten hinauf durch das schöne FinDieser zieht eine kurze fiel ich über den lezten Teil der Wand delenthal. Der Weg bleibt durchaus auf Firnhange an. Strecke steil nach Westen (links) hinab auf den Firn hinab , hieb aber dort den der nördlichen Thalwand und führt zuund hört dann über einer hohen Fels- Pickel ein und blieb fest. Selbst Biener erst durch Lärchenwald, dann über Wiesen mußte sich schließlich hin und zwischen Felstrümmerhalden durch am der letzte wand auf. Nach rechts (Osten) sest er sich in eine große Schneewächte fort, welche abgleiten laſſen, kam aber mit großer Ge- Stellisee vorbei zur Fluhalp am rechten Ufer des Findelengletschers. Das über den furchtbaren Abhang hinausragt, schicklichkeit in eine Stufe zu stehen. Ueber den Firnhang ging's gut hinab. | Geſtein iſt meiſt grüner Schiefer. Ob dem der vom Hauptkamme zum Feegletscher hinabzieht. Wir vermieden es natürlich, Er wird in einer Höhe von etwa 3500 Stelliſee liegt ein kleiner Kalkſtreif, dann diese trügerische Schneewächte zu betreten, Metern von einer ungeheuren , horizontal folgt ein Serpentinstreif und später (bei und traverſierten den steilen Firnhang in einer Isohypse verlaufenden Spalte der Fluhalp) ist alles Gestein wieder links unterhalb derselben. Hier gab es durchzogen: dem Bergschrund. Ueber dem grüner Schiefer. Bei der Fluhalp saßen wir ab und blankes Eis von bedeutender Steilheit, Bergschrund ist der Firn wahrscheinlich an so daß wir wacker hacken mußten. In den Felsgrund angefroren und bewegt sich setzten von hier unseren Weg zuerst über einer halben Stunde war der Firnhang nur langsam; unterhalb desselben ist er die rechte Seitenmoräne des Findelenüberwunden und wir standen in den Fel- lose und bewegt sich daher viel rascher. gletschers und dann über dieſen ſelbſt in sen der Südwand des Täschhorn , von Hierdurch entstehen die in Iſohypsen ver- östlicher Richtung zu Fuß fort. Die Neiwelcher der Kamm unter fast rechtem laufenden Bergschründe, von denen der vor gung ist durchaus eine unbedeutende und Winkel abgeht. Obwohl diese Wand recht uns liegende der größte ist, den ich kenne. die ganze Partie ein Spaziergang.
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Martin Deutschländer. 1472
Gespenster.
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Der kleine Querkamm , welcher im Rimpfischhorn (4203 m ) kulminiert, ſinkt in einer ziemlich steilen Felswand zum Findelengletscher herab und bildet hier Gespenster. oben das rechte Üfer desselben. Unser Weg führt uns dieser Wand entlang, die Von durchaus aus Serpentin besteht. Auf diefem Wege wurden wir von einem fallenMartin Deutschländer. den Stein überrascht von der Größe eines Tisches , der zwischen mir und meiner Frau niederſauſte und so einen Wind verWerwir ursachte, daß hätte auf diesem zamur. umgeworfen beide wur- Das Refidenztheater entließ gegen zehn | friedigendes bürgerliches Schauſpiel geden. Uhr abends eine dichte Menge , die worden. Die Frau hätte kein elendes zahmen stiller als gewöhnlich dem Musentempel Leben an der Seite eines verlorenen Wege an so eine Gefahr gedacht ! Im Hintergrunde des Gletschers an entströmte und in die schöne Mondnacht Wüstlings geführt, hätte kein unheilbares gelangt , stiegen wir zu dem Adlerpaß hinausdrängte. In dunkeln Massen traten Siechtum auf ihren Sohn vererbt , hätte (3798 m) hinauf , einem weiten , flachen die Paläste rings um den weiten Plaz nicht nötig gehabt, ihn über den Charakter Firnsattel zwischen dem Fuß der Rim hervor, während drüben an der gegenüber seines Vaters zu täuschen und ihr beiderpfischhornwand hier 500 Meter hoch liegenden Häuserreihe der Mondschein sein seitiges Verhältnis auf eine Lüge zu stellen , und dem sanft ansteigenden Nordabhang zauberhaftes Spiel trieb. Der Menschen und sie wäre gar nicht bis zu der Frage des Strahlhorns im Süden. Das lettere, knäuel, der sich an der Theaterfront hin- gelangt, ob eine Mutter unter Umständen eine runde Firnkuppe, 4191 Meter hoch, wälzte, entwirrte sich schon an der nächsten das Leben zurücknehmen dürfe , das sie istunser Ziel. Um 94 Uhr langten wir auf Straßenecke und löste sich erst in Züge, ihren Kindern geschenkt hat ? Aber alle dem Adlerpaß an und rasteten dort eine halbe dann in einzelne Gruppen auf, die teils Tragödien stammen daher , daß der GeStunde. Ein heftiger Ostwind jagte über streitend , teils in gedrückter Stimmung spensterglaube die einen so verwirrt , daß den Kamm, feine Eisnadeln mit sich führend stumm dahinschreitend den Inhalt der sie nicht wissen , was sie wollen , die und den staubigen Schnee, weißen Fahnen modernen Tragödie erwogen , welche sie andern so lähmt , daß sie nicht wollen, gleich, über den Kamm hinausfegend. den ganzen Abend über in peinlicher Span- was sie wissen. " Während dieſer mit haſtigen Worten Es war sehr kalt, und obwohl wir uns nung erhalten hatte. möglichst gegen Sturm und Eisnadeln Es waren Jbsens „ Gespenster" auf gesprochenen Verteidigungwelt bo Burden verwahrten, so war der Anstieg über den geführt worden , und die Begierde nach jungen Männer bereits tervek?That erponierten Firnrücken zum Strahlhorn dem Stück war um so größer gewesen, des Gasthofs „ Zu den vier Jahreszeiten " doch in hohem Grade peinlich. Um Mit als man wußte, daß das Dazwischentreten angekommen , wo der Portier mit ehr tag erreichten wir die Spise. Die Aus einer hohen Dame die Aufführung lang erbietiger Verneigung zur Seite trat, um sicht war ungemein klar, wir konnten aber verzögert hatte, bis ein entscheidender Wille den Weg zur Treppe freizugeben . „ Seßen wegen des Sturmes und der Kälte nur dieselbe doch noch in letter Stunde er wir uns in den Salon , " sagte der Aeltere, „ der Kellner kann uns auch dort servieren . ganz kurze Zeit oben bleiben und began möglichte. Zu den Bevorzugten , die sich Pläße Es wohnt ja außer uns und dem Herzog nen den Abstieg ins Saasthal. Zunächst ging's über mäßig geneigten tiefen Schnee für diese erste Aufführung errungen hat niemand im ersten Stock, der einen Anin nordöstlicher Richtung gegen den Allalin- ten , gehörten zwei junge Kavaliere , die spruch auf den Balkon hätte , und ich gletscher hinab , an dem Fluchthorn vor: nun Arm in Arm nach ihrem Hotel schlen möchte die herrliche Mondnacht so lange bei zum Innern Turm und von dort derten , während sie zuweilen in eifrigem als möglich genießen. " „Einverstanden ," erwiderte Haſſo, hinab über die Felsen zur linken Seiten Streite stehen blieben, um sich ihre völlig moräne des Schwarzberggletschers . Diese entgegengesetzten Eindrücke auseinander eine Zigarre ist mir jest ohnehin lieber Wand bildet den Südabhang des Strahl- | zusehen. als alles andere , und der Herzog wird Das ist natürlich wieder Wasser auf ohne Zweifel längst zur Ruhe sein. " hornquerkammes , der wie alle anderen Querkämme nach Süd und Ost viel steiler deine Mühle , Hasso , " sagte der Aeltere, Damit traten die jungen Leute in den abfällt als nach Nord und West. Diese dessen mächtige Gestalt den aufgeregten, Prachtsaal des Hotels ,dessen blanker ParkettWand ist stellenweise recht steil , doch ganz lebhaft gestikulierenden Begleiter um Haup boden die Lichter eines schweren Krongut gangbar. Der obere Teil derselben teslänge überragte. „ Pflicht, Pietät, Tra- leuchters widerspiegelte , während durch besteht aus Serpentin, der untere aus Kalk. dition, Ehre, ererbte Rechte, das alles sind die geöffnete Balkonthür eine angenehme Es ist dies derselbe unbeſtimmbare paläo- euch Modernen Gespenster. Wenn in diesem Abendkühle eindrang. Graf Haſſo zündete ziſche oder meſozoische Kalk, der bei Zer- verdammten Stück ein Pastor das Weib sich eine Zigarre an , während der ältere matt vorkommt und von dem wir heute eines anderen nicht bei sich behält , so ist Baron Botho dem Kellner schellte. Der schon ein Stück oberhalb des Findelensees das Gespensterfurcht eines Dummkopfs ; dienstbare Geist erschien, aber er erwiderte gesehen haben. wenn die Entlaufene zu ihrem Gatten auf des Freiherrn Befehl , Sekt_kaltzuAm Fuß der Wand angelangt, folgten zurückkehrt , dem sie am Altar Treue ge- stellen und die Speisekarte zu bringen, wir der Moräne und dann dem sanft ge- lobt , so handelt sie aus Gespensterfurcht. mit höflicher Entschiedenheit , daß er hier neigten Thalhang. Hier ist schon alles Daß die arme Mutter dem Kinde das nicht servieren dürfe. Hier bin ich und hier bleibe ich, " Gneis : wir befinden uns in der That am Andenken an den Vater nicht trüben will,, Rande des kontinuierlichen Gneises. ist Gespensterfurcht ; wenn ein Bruder seine sagte der junge Graf ärgerlich. Ich verVald kamen wir hinaus in das tief ein- Halbschwester nicht heiratet , so ist das zichte also auf Ihren Heidsick. Ist Ihr geschnittene Saasthal. Ein wenig nörd- Gespensterfurcht ; wenn die Mutter es Schade. Uebrigens wollen wir das doch lich von uns sperren das Zungenende des nicht über sich bringt , ihr dem Blödsinn erst sehen . Schicken Sie mir einmal den von Westen kommenden Allalingletschers entgegenreifendes Kind zu vergiften , so Oberkellner !" Während der Aufwärter mit verund seine Endmoräne das Saasthal ab ist auch das Gespensterfurcht. “ und stauen den Saasbach an dieser Stelle „ So ist's , mein lieber Botho , " er legener Miene diesen Befehl anhörte, zu dem hübschen Mattmarkſee. widerte der Kleine lebhaft. Hätte diese erschien unter der Balkonthür plöglich An diesen vorüber wanderten wir ganz rationell angelegte Frau Alving ihren die hohe Gestalt eines alten Herrn, deſſen hinaus nach Saas , wo wir um 7 Uhr gespenstergläubigen Pastor herumgebracht, dunkle , stechende Augen ruhig die beiden abends anfamen . statt daß er sie zur Umkehr bewegte , die Eindringlinge musterte ; als er aber in schauerliche Tragödie wäre ein höchst be wohlbekannte Gesichter sah, nahmen seine
-1474Züge rasch einen freundlichen Ausdruck an. Thun Sie den Herren den Willen , Jean ! " ſagte er dann , und bringen Sie gleich zwei Flaschen. Ich bin auch von der Partie, wenn es Ihnen nicht zuwider ist. Aber , Jean , das Selterwasser nicht ver gessen ! Mit so jungen Zechbrüdern kann ich nicht mehr Schritt halten !" Die beiden jungen Leute waren aufgesprungen. Graf Haſſo hatte seine Zigarre weggelegt und Botho begann sich zu entschuldigen. " Ich habe nicht mehr Recht an diesen Balkon als Sie ,' erwiderte der alte Herzog ruhig. Bitte, sehen Sie sich zu mir. Sie thun ein gutes Werk , wenn Sie einem kranken Mann den Abend verkürzen helfen. Ich will nur gestehen, daß ich einen Teil Ihrer Unterhaltung auf der Straße belauscht habe. Sie waren so cifrig , daß mir kein Wort entging. Ich habe erst gestern Jbsens Stück gelesen , da ich bei meiner schlechten Gesundheit das Theater nicht mehr besuchen kann, und bin neugierig , wie Ihnen die Aufführung gefiel ?" Während die jungen Leute die Leistungen der Schauspieler rühmten und namentlich dem Darsteller des unglücklichen Helden alle Gerechtigkeit ilgan licken , sehte der Kellner rasch við verlangten, slaſchen auf den Tisch, und ie dane lucjellſchaft ließ sich zum Abendehen nieoer. Der bleiche, hohe Herr mit den welken , tiefgefurchten Zügen schenkte ſelbſt ſeinen jungen Genossen ein , indem seine ernsten Blicke prüfend zwischen dem dunkeln, leidenschaftlich aussehenden Grafen Hasso und dem blonden, biedern Freiherrn Botho hin und her gingen. Nachdem man mit den Gläsern angeklungen hatte , war bald ein gemütliches Plaudern im Gang, bei dem der nervöse Verteidiger Jbsens hastig ein Glas nach dem andern hinabstürzte. „Ja , ja , so sind sie , diese modernen Pessimisten , " scherzte der kranke Fürst, der die Eßluft seines Nachbars beneidete. Es ist ihnen im Grunde nicht ernst mit ihrer Weltverachtung, sie finden nur, der Braten schmeckt besser, wenn etwas Hautgout an die Verweslichkeit alles Fleiſches erinnert , zumal wenn man ihn dann noch in eine satirische Pfeffersauce à la Schopen hauer taucht." " Pardon , Hoheit ! " erwiderte Graf Hasso, dieses ewige Sicherinnern an die Verweslichkeit rechne ich gleichfalls unter die Gespenster , die mir nur den lichten Tag verdunkeln würden, wenn ich sie mir nicht vom Leibe hielte." Wenn ich vorhin richtig verstand, mein lieber Graf, " erwiderte der Herzog, so scheint mir , daß Sie den Titel des Absenschen Stücks mißdeuten . Wie ich den Dichter verstehe, meint er mit den Gespenstern nur das Fortwirken der bösen Thaten eines Gestorbenen , der gleichsam noch umgeht in dem Unheil , das er gestiftet hat , und so selbst im Grabe nicht zur Ruhe kommen kann. Daß der Dichter aber alle verlebten Ansichten und Vorurteile als Gespenster bezeichnen wolle, ist mir beim Lesen nicht eingefallen. "
Martin Deutschländer. 1475-
Gespenster.
„ Nun , dann bezeichne ich sie so, " sagte der junge Graf nicht ohne Selbst gefälligkeit , indem er die Lippen mit der Serviette abwischte und den leeren Teller zurückschob. Ist es nicht gespenstisch, wenn ein veralteter Aberglaube die Lebenden so schreckt, daß zahllose schlechtassortierte Ehepaare sich pflichtmäßig das Leben verbittern, während sie, jedes für sich oder anders assortiert , vollkommen glücklich sein könnten ? Das nenne ich das Gespenst des mittelalterlichen Ehesakramentes. Oder ist es nicht Gespensterglaube , wenn Kinder sich heute noch ihr Leben von eigensinnigen Eltern verpfuschen lassen, weil in der Patriarchenzeit die ganze Weltordnung auf dem Familiengehorsam beruhte ? Ist es nicht Gespensterfurcht , wenn ich mein wirkliches Glück und die Befriedigung meiner höchst lebendigen Bedürfnisse einer toten Ordnung oder Ueberlieferung auf opfern soll ? Es mag ja sein, daß es für die Durchschnittsmenschen auch Durchschnittsregeln geben muß ; aber was für den Bauern Wohlthat sein mag , ist für den höher Organisierten Plage. Wozu bin ich Graf Hasso, wenn ich die gleichen Pflichten haben soll, wie die Herren Maier und Huber ?" Ob es für die Grafen eine eigene Weltordnung gibt, " erwiderte der Herzog spöttisch, „ weiß ich nicht. Für die Herzöge habe ich keine besonderen Geseze entdecken können. Mir ist es leider ergangen wie allen anderen armen Sündern. “ Der Ton des alten Herrn war plößlich ernst geworden, und ein tiefer Schatten flog über sein von hundert Falten gekräuseltes bleiches Antlig . Aber der cholerische junge Mann bemerkte das in seinem Eifer nicht. "! Welt ordnung ! " rief er fast unehrerbietig aus . „ Das alles sind Namen , Abstraktionen, ein leerer Schall. Diese Dinge existieren nur für die , die daran glauben , eben darum sind sie Gespenster ; aber mein Lebenstrieb, der ist eine verteufelte Wirklichkeit. “ " Mein lieber Graf ," erwiderte der alte Fürst, „so hat in der Jugend mancher von uns geredet. Das ist ja nichts ' , sagten wir , bis schwerere Erfahrungen uns be lehrten , daß dieses Nichts die stärkste aller Realitäten ist, obwohl wir sie nicht sehen , und sie überhaupt nicht der Sinnenwelt angehört. So sagt auch der Vogel , der gegen die Spiegelscheibe rennt, das ist ja nichts , er will hinaus in die Freiheit, er sieht kein Gitter und kein Hindernis . Das ist ja nichts w denkt er und flattert, und stößt mit dem Kopfe an das nichts , bis er matt und sterbend am Boden liegt. Das Nichts war doch stärker als all sein Flattern und all seine Anläufe . Sie heißen dieses Nichts Gespenster' ; sehen Sie zu , daß die Kugeln , die Sie auf diese Gespenster abfeuern , nicht auf Sie zurückspringen und Sie eines Morgens an der Erde liegen , weil Sie auch meinten : Das ist ja nichts ! " Der dunkeläugige Graf schwieg. Die Rede des Herzogs verdroß ihn. Da er
-1476| aber nicht wagte , dem hohen Herrn zu widersprechen , füllte er sein Glas und trank es aus , indem er dann spöttiſch sagte : „ An diese Geister wenigstens , die im Sekte wohnen, glaube ich. Ich spüre ihre Wirkung. " „ Sie werden die Wirkungen jener unsichtbaren Mächte "1 schon kennen lernen, junger Freund, sprach der alte Herr mit väterlichem Ernste , „hoffentlich nicht zu Ihrem Schaden. Dort, wo Sie knieen, da habe auch ich gekniet. Wie Sie lästern, habe auch ich gelästert. Aber der stolzeite Sigamber wird endlich mürbe. Sie sind ein zu kluger Mann, Graf Haſſo, als daß Erfahrungen , die ein anderer gemacht, Ihnen gar nichts bedeuten sollten. Soll ich Ihnen erzählen , wie ich an die Gespenster glauben lernte ?" Wird mir sehr intereſſant ſein, Hoheit," erwiderte der dunkelhaarige junge Mann, indem er sich verbeugte. „ Aber zünden Sie sich eine Zigarre e an , " sagte lächelnd der Herzog. „ Alt Leute sind redeselig , ich fürchte , meine Geschichte wird lang werden !" Uns sicher nicht zu lang , Hoheit!" schaltete der behäbige Freiherr verbindlich ein , indem auch er von der gegebenen Erlaubnis , zu rauchen, Gebrauch machte. „ Es wundert Sie vielleicht , meine Herren , " begann der Greis , „ daß ich, der übelberufene Herzog Wilhelm , als Prediger des Gesetzes auftrete. Aber auch darum ergreife ich die Gelegenheit, Ihnen von mir zu sprechen , damit Sie lernen, daß der Herzog von Geroldstein nie der Unhold gewesen ist, den Uebertreibung und Standalsucht aus ihm machen wollten. Jegt sind diese Gerüchte ja zur Ruhe gekommen. Ich hatte Gelegenheit , in den letzten zwanzig Jahren meinem Lande einige Dienste zu erweisen , die die Leute mit mir aussöhnten . Aber auch meine schweren und traurigen Verirrungen werden Ihnen in einem milderen Lichte erscheinen , wenn ich Ihnen erzähle , wie ich in dieselben geriet. Ich habe in denselben zu meinem Schaden die Realitat jener sittlichen Weltordnung kennen ge lernt , die unser Freund hier als ein in abergläubischen Köpfen spukendes Gespenst ansieht. " Die beiden jungen Leute , die eine Beichte dieses durch Lebensalter Rang so weit von ihnen geschiedener Greises am wenigsten erwartet hatten. wechselten betroffene Blicke ; aber nach allem , was sie von dem wilden Leben des Herzogs wußten, machten sie sich au merkwürdige Enthüllungen gefaßt in Graf Haſſos zwinkerndem Blicke lag deutlich der Ausruf : „ Das kann qu werden ! " Ihre Weltanschauung, Graf Hasso ." begann der alte Herr seine Erzählung. war in meiner Jugend, dank der fran zösischen Litteratur des vorigen Jahrhun derts , in unsern Kreisen die allgemeja . Mein Vater war ein alter Voltairianemir auseinandersetzte , einen verstä Egoismus , der sich klargemacht ho
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Martin Deutſchländer. 1478-
Gespenster.
seine Interessen mit dem Gedeihen seiner gerührt, und als ich in der Residenz ein Umgebung unauflöslich verbunden seien, traf, fand ich nur noch seine Leiche. Nun halte er für den allein richtigen Lebens war ich der regierende Herr. grundsay. Wo freilich mein Interesse mit Sie wissen , daß niemand mein da denen der Nebenmenschen zusammenstoße, maliges Verhalten gelobt hat. An den da gelte die Regel , daß jeder sich selbst meisten Höfen war infolge des Schreckens der Nächste sei. Allgemeine Sittenregeln, der Revolution die salbungsvolle Richtung einen unverbrüchlichen Ehrenkoder kannte oben aufgekommen. Die Pastorenweisheit er nicht. Das waren ihm Phantome , der Hofprediger spielte auch bei uns jezt wie man damals sagte. Aber er war eine große Rolle. Der alte Staatsminister, ein liebenswürdiger Egoist , dem es Ver- ein lederner Pedant, lag mir in den Ohren gnügen machte , frohe Gesichter um sich mit dem guten Beiſpiele, das von höchster zu sehen, und der es durch kleine Gefällig Stelle gegeben werden müſſe. Sie redeten feiten, feine Schmeichelei und rechtzeitig von innerer Mission , von einem Bunde angebrachte Nachgiebigkeit, die ihn wenig zwischen Thron und Altar , während ich fojtete, dahin gebracht hatte, daß man ihn an nichts anderes dachte, als daran, jeder für viel gutmütiger hielt , als er war. Fessel und Rücksicht entbunden , nunmehr ch hatte mich möglichst nach seinem recht gründlich mein Leben zu genießen. Muster gebildet, und als ich mit achtzehn | Ich knüpfte ein Verhältnis mit einer Jahren nach Wien geschickt wurde , um Bürgerstochter an , eine Opernsängerin am Hofe ritterliche Sitten und durch wurde daneben meine offizielle Geliebte, jalbungsvolle Unterredungen mit dem die Tänzerinnen waren ohnehin für mich alten Staatskanzler tiefe politische Weis- engagiert , denn ihre Gehälter floßen ja heit mir anzueignen , da war ich völlig aus meiner Zivilliste. Aber das wüste überzeugt , daß die Welt überhaupt nur Treiben strafte sich rasch. Zunächst blieb die Bestimmung habe, dem jungen Herzoge zu meinem Aerger der bessere Teil des Geroldstein und seinesgleichen als Tanz- Adels , der auf sich hielt , meinen Festen boden zu dienen , und daß die Menschen fern , weil ich, um ein im Taumel geeigens dazu geschaffen seien, um ihm Ver- gebenes Versprechen auszulösen , einige gnügen zu machen, nicht anders als seine meiner zweifelhaften Freundinnen auf den Pferde und seine Hunde. Einen wesent Hofball gebracht hatte. Als dann auch lichen Unterschied zwischen den Tänzerinnen ältere Verwandte mir unverblümt die der großen Oper und den Hoffräulein der Wahrheit sagten und aus Petersburg Burg erkannte ich nicht an, und von der und Berlin sehr unangenehme Briefe Sper zum Marstall erschien mir der Ab- einliefen , da fand ich doch für geraten, stand auch nicht erheblich größer, als der etwas vorsichtiger aufzutreten . Ohnehin von meinen Pferden zu meinen Rüden. stumpft sich der Reiz eines solchen Lebens Da kam uns plöglich der Februar des bald ab , und man wird der schlechten Jahres 48 über die Köpfe und weckte Gesellschaft überdrüssig. Im Grunde gibt uns aus unserem Taumel. Wir standen es auch nichts Eintönigeres als solche da mit offenem Munde und aufgerissenen Orgien ; es sind immer wieder dieselben Augen. Wir sahen den Hof mit der Ka- Szenen , und schließlich schämt man sich naille verhandeln, den gepriesenen Staats- der eigenen Bestialität. In dieser Stim kanzler nach England flüchten, den Kaiser mung war es , daß ich das Verhältnis abdanten. Unsere Welt, die wir für eben so mit der Meyern anknüpfte, von dem Sie ewig und notwendig gehalten hatten wie ja jedenfalls gehört haben. Bis dahin Gottes Weltgebäude , lag in Scherben. hatte sich die Crdnung, die ich verhöhnt, Anfangs redeten wir viel von Kartätschen, nur mit verdrießlichen Nadelstichen und Standrecht, Windischgrät und andern an beleidigenden Nasenstübern gerächt, dieses genehmen Dingen. Dann aber kam uns mal sollte sie mich mit Fauſtſchlägen an doch die Ahnung , daß , auch wenn die die Erde strecken. Revolution in ihrer brutalsten Form_nur Das Bild liegt mir nah , denn das eine vorübergehende Entwickelungsform Verhältnis , das nachmals so viel Aergersein könne, die alten gesicherten Zustände nis im Lande erregte und so schweres Ünfür uns doch niemals wiederkehren würden. glück über mich und die Meinen herabzog, Ich kann nicht sagen , daß mir diese Erfing mit einer Chrfeige an, der einzigen, kenntnis damals ein anderes Gefühl er die ich als Mann erhalten habe , obgleich regt hätte , als das des Unmuts . Das ich deren viele verdiente. An unsereinen Regiment , dem ich zugeteilt war , war kommt das eben nur selten. nachUngarn gezogen, und wir schlugen uns, Ich ging eines Morgens im Schloßnicht immer glücklich, mit Kossuth herum . parke spazieren , als eine allein für sich Ich war gern im Felde und schonte mich wandelnde hochgewachsene weibliche Genicht ; aber innerlich war ich empört, daß ſtalt durch die Anmut ihrer Bewegungen auch der Krieg , so gut wie die Revo meine Aufmerksamkeit erregte. Das Fraulution, die Standesunterschiede auslösche. lein war in ein knapp anliegendes Som Taß ich der Erbe eines Herzogstitels fei, mergewand gekleidet , das ihren schlanken schienen die Leute ganz zu vergessen, wenn und doch üppigen Wuchs vorteilhaft heres sich um ihre eigene Haut handelte. aushob. Ihren roten Shawl und SonnenGerade als Rußland in Ungarn Ruhe schirm trug sie am Arm, und der runde schaffte und Radetky die Staliener nieder Strohhut vermochte das reiche schwarze eworfen hatte, wurde ich nach Hause ge- Haar kaum zu bewältigen. Als ich meine fen. Meinen Vater hatte der Schlag | Schritte beschleunigte, wendete sie ihr Ge-
1479sicht herüber und ich sah ein fast südlich gefärbtes , klaſſiſch geformtes Antlig, das mir wohlbekannt schien. Dabei sah ich mich gestreift von einem gleichgültig blickenden dunklen Auge , das von längen schwarzen Wimpern beschattet war. So: fort erinnerte ich mich , wen ich vor mir habe. Es war die Meyern. Sie gehörte zu den Damen, die die Hofbälle mieden, seit sie einmal in einer Française eine hübsche Schauspielerin zum Gegenüber gehabt hatte. Der Hofmarschall hatte nicht aufgehört , ihre Tante und sie zu den Bällen einzuladen, die Damen hatten aber jedesmal gedankt. Als sie jest die großen Augen unter breiten Lidern müde und teilnahmlos auf mich richtete , nahm ich höflich den Hut ab und trat ihr in den Weg : " Fräulein von Meyern, wenn ich nicht irre?" Sie trat einen Schritt zurück, ihre wachsfarbenen Wangen wurden noch bleicher und einen Augenblick schien sie umwenden und flüchten zu wollen, dann aber richtete ſie sich stolz auf , ihr dunkles Auge sprühte mich herausfordernd an und sie sagte: ,, Gewiß, Hoheit, so ist mein Name. " Ich glaube , daß ich Ursache habe, ein Mißverständnis zwischen Ihrer verehrten Frau Tante und mir zur Sprache zu bringen , " sagte ich in bescheidenſtem Tone , indem ich den Weg fortsette und sie so zwang, sich mir anzuschließen. Ich hatte rasch Feuer gefangen und schilderte ihr mit pathetischen Worten meine Verzweiflung darüber, daß die Damen alle meine Einladungen verschmähten. Ich that desgleichen , als ob mir alle Feste gleichgültig geworden seien, seit sie fehle, und ich redete mit solchem Eifer, daß es mir gelang, mich selbst zu rühren, und ich beinahe glaubte , was ich sagte. Bald fah ich auch , wie das bleiche Antlig meiner Begleiterin ab und zu die Farbe wechselte, und der junge Busen sich vor Erregung hob. Aber sie beherrschte sich. Mit einem fast verächtlichen Seitenblicke sagte sie : " Hoheit hatten ja die Wahl zwischen Ihrem Adel und der Bohème. Für junge Herren ist die lettere gewiß viel unterhaltender, aber ich will nicht wieder in die Lage kommen , mit einer Komödiantin Kontertanz zu tanzen ." „ Ich war jung und unerfahren, “ seufzte ich. Tragen Sie mir doch dieſe Kadettenstreiche nicht nach. Ich will die Liste aller Einladungen Ihnen jedesmal vorlegen, wenn Sie mir nur versprechen, dann auch wieder bei Hof zu erscheinen. " Kurz, ich spielte den reuigen Sünder mit solchem Eifer, daß die spröde Schöne Frieden mit mir schloß. Zwar bekam ich jetzt erst recht die Leviten gelesen , aber sie lachte dabei und zeigte entzückend weiße Zähne , und indem sie mir die einzelnen Nummern meiner schlechten Geſellſchaft spottend vorhielt, blisten ihre großen schwarzen Augen, und indem sie mir Gewissensfragen vorlegte, neigte sich ihr verführerisches Antliy mir oft so nah entgegen, daß ich mich versucht fühlte, meinen Arm um die vollen Schultern zu schlingen und diese blühen-
1480den Lippen zu küssen. So kamen wir an die Thür, die aus dem öffentlichen Schloß park in den privaten Fürſtengarten führt. Ich zog den kleinen Schlüssel aus der Tasche und öffnete sie. Sie kennen die
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Geſpenſter.
steckte Erregung , die sie nur um so schöner machte. Zum Glück standen noch drei bis vier Personen zwischen uns , und indem ich die herkömmlichen Fadheiten hersagte , hatte ich Zeit , mich zu sammeln. neuen Anlagen noch nicht, " sagte ich mit Zuerst sprach ich der Alten meine Freude meinem biedersten Geſichte und lud ſie ein, aus, daß sie auch wieder einmal bei Hof | mir zu folgen. erscheine, und fragte dann die junge Ama „ Nein, " gab sie zur Antwort. " Das zone in verbindlichem Tone , ob ihr ihre sind auch solche Zigeunersitten. Hoheit Morgenpromenade gut bekommen sei ? Ich sind Garçon und dürfen keine junge Dame sah , wie ihr das Blut in die dunkeln empfangen." Wangen schoß, dann aber blickte sie mich „ Bitte, bitte, " ſagte ich schmeichelnd . mit einem reizenden Lächeln schalkhaft von Sie wurde rot und lachte verlegen. Das der Seite an und erwiderte : „Ich hoffe, machte mich dreister. Ich faßte sie um sie war nicht ohne Nußen." die Hüfte und wollte sie an mich ziehen. Da fingen mir die Kniee aufs neue Sie aber entwand ſich, und als ich meinen an zu zittern, und als ich in den gegen Versuch erneuerte , trat sie zurück , ein überhängenden Spiegel schaute , sah ich flammender Blick traf mich aus den dun- deutlich drei weiße Streifen auf meiner feln Augen , und im nächsten Augenblick linken Wange. Dennoch führte ich meine fühlte ich einen Schlag auf der Wange, Aufgabe leidlich zu Ende und trat dann als ob mich ein Feldwebel geohrfeigt hätte. mit irgend einer alten Dame an die Spite „ Unverschämter, " tönte es noch in meinen der Polonaise. Bald kam doch auch ich Ohren, während ich sah, wie sie in höchster besser in Gang. Musik und Champagner Eile nach einem Seitenwege flüchtete. Im vertrieben mir die Grillen. Ich tanzte gleichen Augenblicke hörte ich Stimmen in eifrig , und als nach der Pause und dem dem benachbarten Baumgang , so daß ich opulenten Diner alles einen stürmischen so schnell als möglich durch mein Pfört- Charakter annahm , forderte ich auch die chen mich in meinen Garten rettete und Meyern zum Walzen auf. " Schließen wir rasch hinter mir abschloß. Da ſtand ich Frieden, " flüsterte ich ihr zu. Sie schaute nun wie ein gezüchtigter Knabe. Ich wagte mir voll und gerade in die Augen, indem nicht einmal nach meinem Zimmer zu gehen, sie unmerklich mit dem schönen Haupte denn meine Wange glühte und ich mußte nickte. Nie hatte ich sie so schön gesehen. fürchten. die Leute würden alle fünf Finger Ihre sonst bronzefarbenen Wangen waren meiner Spröden in meinem Angesichte lesen. vom Tanze gerötet. Ihre schlanke elastische So wartete ich mit zitternden Knieen und Gestalt lag mir weich in den Armen sagte fortwährend: "/ Wohlverdient, wohl so schwebten wir über den glatten Boden verdient. " des Saals und vergaßen uns und alles Das Schlimmste war aber , daß auf andere. Haben Sie mir vergeben ?" fragte den Abend Hofball angesagt war, den ich ich leiſe. Ein herzliches „Ja “ kam zu mir nicht mehr abbestellen konnte. Mir bangte zurück. Nur zu bald war der Tanz zu vor meinen eigenen Gästen, denn mir war, Ende. Nun warf ich mich dem Vergnügen als ob jeder mir ansehen müsse, daß seine erst voll in die Arme. Die Schranken Hoheit heute schon sei geohrfeigt worden. waren gefallen . Auch die Damen schienen Zwar sagte mir mein Spiegel, daß außer vergessen zu haben, daß sie gekommen seien, einer kleinen Röte auf meiner linken Wange um sich musterhaft zu benehmen. Sie keine Spur der Züchtigung mehr zu sehen wußten ja, daß dieſer unermüdliche Tänzer sei , aber das Brennen der Haut dauerte voll toller Einfälle ihr würdiger Landesfort , weil ich fortwährend an meine be- herr sei und der Ton, der von ihm aus schämende Erfahrung dachte. Als die Stunde ging, schien bald die ganze Gesellschaft zu des Balls gekommen war , wuchs das Span- | ergreifen. Das Orcheſter verwandelte sich nen auf der geschlagenen Seite , und als in eine wahre Zigeunerkapelle. Immer ich mich falt gewaschen , sah ich deutlich feuriger wurden die Blicke der Weiber, weiße Streifen in meinem Antlig, die mich immer kecker die Reden ihrer Tänzer. Zwi schmerzten wie ein Brandmal. Da ließ schen den einzelnen Touren wurde Wein ich mir eine Flasche Champagner kommen, angeboten und die Paare zerstreuten sich und indem ich ein paar Gläser hinabſtürzte, in die zahlreichen anstoßenden Säle. Wie wurde ich die fatale Empfindung los . der hatte ich mit der Meyern getanzt und Der Ball nahm in der gewohnten Weise | folgte nur dem Beiſpiel der andern, wenn seinen Anfang. Ich trat hinaus in den ich meine Tänzerin aus dem heißen BallMarmorsaal, wo die Gäste sich rings an saal in die kühle Galerie führte. Von den Wänden aufgestellt hatten und ich die dort trat ich mit ihr auf die Veranda hinEinzelnen anreden mußte. Die ersten aus . Da plößlich fühlte ich ein paar weiche Gruppen erledigte ich mit den üblichen Arme an meinem Halse hängen, zwei glühöflichen Reden. Plöglich aber wollte alle hende Lippen preßten sich auf meine linke Fassung mich verlassen , denn jetzt erst ge- Wange und das holde Weib flüsterte : wahrte ich die alte Meyern und neben "! Verzeihe, du Lieber, verzeihe. Ich wußte ihr ihre Nichte , die mich am Morgen so nicht, was ich that. " Ich muß bekennen, eremplarisch abgestraft hatte. Sie hatte daß ich in diesem Augenblicke fast ängst die Augen niedergeschlagen. Man konnte lich umschaute . Sie aber drängte sich nur nicht mädchenhaft ſchüchterner aussehen als enger an mich und flüsterte : „ Was gehen sie, und doch glühte auch in ihr eine ver- mich die andern an, wenn du mir nur
= 1482= vergeben willst. " Davon überzeugte ich sie denn gern und mit großem Eifer. Schließlich mußten wir doch wieder zu der Gesellschaft zurück. Aber unter glühenden Küssen flüsterte sie mir zu : „ Morgen um elf Uhr bin ich wieder an der Gartenthür und ich will gewiß nicht wieder schlagen, wenn du mich hereinlässest." b war selig . Um der Leute willen durite ich dieſen Abend nicht mehr mit ihr tanzen. Aber in den Touren des Kotillons be rührten sich häufig unsere Hände , und Wonne durchschauerte mich, wenn sie mir rasch die meine drückte oder im Vorbeigleiten zuflüsterte : „ Du Süßer". Als dann endlich die Zeit gekommen war , daß ich mich zurückziehen mußte, schieden wir mit einer förmlichen Verbeugung , aber ich ſaß noch lange in meinem Schlafkabinett und hörte auf das Rollen der Wagen. Am folgenden Morgen trafen wir uns an der verabredeten Stelle , und meine Schöne huschte durch das Thürchen in den verschwiegenen Garten , von wo ich sie zwischen der dichten Buchshecke hinter die wohlgeschlossenen Jalousieen der Eremitage zog. Aber von meinen kühnen Hoffnungen ging keine in Erfüllung. Sie hielt mich in respektvoller Entfernung und erklärte, daß sie sich gestern aus Aufregung über das, was sie am Morgen gethan, zu weit habe hinreißen laſſen. Ich wurde dringender , aber ich erreichte nichts . Eben aber durch ihre Sprödigkeit steigerte sie mein Verlangen zur Leidenschaft. Ich erbot mich , sie zu heiraten , wenn sie nur die Meine werden wolle. Gut bürgerlich verwies sie mich an ihre Tante , bei der ich nun im geheimen einen formellen Beſuch machte, um um die Nichte anzuhalten. Das Raubvogelgesicht der alten Here gefiel mir schon damals nicht. Nachher sah ich ein, mit welch gefährlicher Intriguantin ich es zu thun hatte und wie sowohl das Entgegenkommen wie das Zurückweichen meiner Angebeteten von der Alten beeinflußt war, die sich in den Kopf gesezt hatte , ihre Nichte zur Herzogin zu machen. Die alte Diplomatin war aber so klug, sich anfänglich durchaus ablehnend zu verhalten. Bei dem ganzen Verhältnis könne nichts herauskommen als Unglück und Schande für ihre geliebte Sophie , sagte sie. Als ich aber immer leidenschaftlicher in sie drang. ließ sie sich schließlich doch herbei, Bedingungen : zu stellen. Ich solle Sophie zur Gräfin von Landsberg erheben und mit ihr eine morganatische Ehe abschließen, dann wolle sie ihre Bedenken fahren lassen. In dem Liebestaumel , in dem ich mich befand, gab ich meine Einwilligung , und Sophie be lohnte mich , ohne sich zu vergessen , mit zurückhaltender Zärtlichkeit. Aber die For malitäten der Standeserhöhung erledigten sich nicht so schnell als unser erhigtes Blut begehrte. Der alte Staatsminister weigerte sich rund und bündig , zu einer solchen Mißehe ſeine Unterſtüßung zu leihen. Das herzogliche Haus stehe nur auf wenigen Augen, sagte er. Ich sei verpflichtet, eine ebenbürtige Ehe zu schließen , um den Beſtand desselben aufrecht zu erhalten. Aus
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Gespenster.
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m Grunde könne er in die Standes rung zu entsagen oder dieser Verbindung | dachte ich . Aber, sei es , daß die Meyern hung der Meyern nicht willigen. Gern mit einer Gefallenen. Der Streit war sich noch zu schwach fühlte, um den Kampf ich den alten Pedanten entlassen, aber bereits zu ihrem Nachteil entschieden, als aufzunehmen, sei es, daß sie rechnete, nach hätte Aufsehen gemacht . Er hatte im fie einen Knaben gebar, der unter tausend meiner Verheiratung mehr Chancen zu be eine große Partei für sich und war Thränen auf meinen Namen und den haben die ganze Zeit meiner VerloVertrauensmann der für uns wichtig: Namen der Mutter getauft ward. So bung blieb alles still. Die Hochzeit fand Höfe. Die alte Meyern selbst bestand bald sie völlig wiederhergestellt schien, mußte statt und meine junge Frau wurde mit uf, daß jeder Skandal vermieden werde. ich ihr eröffnen , daß ich nicht imstande großer Herzlichkeit bei ihrem Einzuge im die beiden Frauen zu beruhigen, schlug sei, mein Wort einzulösen. Wortlos starrte Lande empfangen. Auch ich empfand zum lso vor , ich wolle am Wiener Hofe sie mich an. Ich redete und redete, ohne erstenmal mit einer gewiſſen Befriedigung, Frnennung meiner Geliebten zur Reichs- daß sie mir irgend eine Antwort gab. End- daß es doch angenehmer sei, einer zutrauin erwirken. Sei diese erfolgt, so werde lich brach sie ohnmächtig auf ihrem Stuhle lichen Freundlichkeit der Bevölkerung als and mehr mich von einer Verbindung zusammen . Daß sie wochenlang zwischen | einer noch so devoten und allerunterthänigihr abhalten können . Nur zu der Tod und Leben lag , erschien mir, so sehr sten Verachtung gegenüberzustehen . Zu ndeserhöhung, nicht zu der Eheschließung war ich gesunken , fast als eine Wohlthat meiner eigenen Verwunderung wurde mir rfe ich der Gegenzeichnung meines für mich, denn nun konnte ich mich in der klar, daß mein eisiger Hochmut im leßten isters . Die Briefe an die hohen Per- Stille zurückziehen. Als sie zum erstenmal Grunde nur ein Teil meines bösen Gen in Wien stellte ich in Gemeinsam- wieder ihr Krankenlager verlassen durfte, wissens gewesen war. Wie froh war ich, mit den Frauen fest, und die Meyern stand bereits in allen Zeitungen meine daß ich dieses Panzers nun nicht mehr bete nun an dem Ernste meiner Absichten Verlobung mit Prinzessin Anna zu lesen. durfte. Die nächsten Wochen verlebten t mehr zweifeln. Wir waren jung, Ich hatte anfangs wenig Lust gehabt , wir dann auf dem Waldschlosse Landsberg sahen uns täglich in der Eremitage mich auf das von den Verwandten vor in stiller Zurückgezogenheit. Ich war geschlossenen Gartens und bald fühlten geschlagene Chebündnis einzulassen ; natür- glücklich mit meinem engelhaften jungen daß wir nicht mehr verzichten könnten. lich hatte ich das Bedürfnis , wenigstens Weibe wie ich nie zuvor gewesen und hatte Antworten aus Wien lauteten an eine Weile den trauernden Damon zu dabei das Bewußtsein, völlig unwürdig zu lich günstig , dann trat ein Stocken spielen , den eine höhere Macht von der einem solch reinen Glücke noch gelangt zu So kam es denn , wie es kommen Geliebten seines Herzens geschieden. Aber sein . Als der Herbst die Blätter bei der ste. Ich warf das Wort „ Gewissens die Vorteile einer so glänzenden Verbin- Waldburg zu färben begann , kehrten wir hin, das der Teufel erfunden hat. dung lagen klar zu Tag und als ich mich dann nach der Residenz zurück. Der Schloßfer heißes Temperament that das übrige . nur einmal zu einem Besuche an dem be park lag im hellen Glanze eines schönen hehe die Antwort aus Wien eingefreundeten Hofe hatte bestimmen lassen, Septembertags unter unsern Fenstern . Der fen war , fühlte meine Geliebte sich that die Anmut der Prinzessin das übrige. geschorene Rasen leuchtete so saftig wie tter. Nun beschloß ich ſelbſt nach Wien | Ein eben aufgeblühtes, süßes Veilchen war an dem schönsten Maitag und der Himreiſen. Der Abschied von dem armen die blonde Königstochter in ihrer kindlichen | mel war dunkelblau wie in Italien . Meine dchen war herzbrechend. Aber in_mir | Unschuld so ganz anders als all die Weiber, Frau wünschte noch einen Gang unter den citete bereits der Zweifel, ob das Ziel, mit denen ich bis dahin mein Leben ver- schönen Bäumen zu machen. So verließen ich erreichen wolle , denn all dieser geudet hatte . Sie kam mir zutraulich, wir das Schloß und Anna war voll Entigen Aufregungen wert sei. Ich hatte wie eine Verwandte , entgegen und bald zücken, diese herrliche Anlage so unmittelne Lust gebüßt, und je weiter ich mich fand ich an den harmlosen Gesprächen mit bar unter ihren Fenstern zu haben. „ Ach , der armen Betrogenen entfernte, um dem süßen Kinde , das nie ein unreiner wir haben es so gut“ , sagte sie mit Thräverdrossener wurde meine Stimmung. Hauch berührt hatte, ein Gefallen wie an nen in den Augen , "1während so viele war schon innerlich halb abtrünnig , keinem meiner früheren leidenschaftlichen | Menschen ein so trauriges Leben führen.“ ich in Wien ankam. Dort aber sah Verhältnisse. Sie weihte mich in ihre Jch antwortete ihr eben mit dem Ausmich überflutet von Abmahnungen, Studien ein , sie musizierte mit mir , sie drucke meines guten Vorsages , daß es unsere rnungen , Vorwürfen. Soeben erst zeigte mir ihre Lieblingspläge im Park Aufgabe sein solle , so vielen zu helfen, e sich der Abgrund der Revolution ge- und führte mir ihre Lieblingstiere vor. als in unseren Kräften stehe, als mir das oſſen, ſagte man mir , und nun wolle Das alles war mir nach dem rohen und Wort mitten in meiner erbaulichen Rede statt meiner Bevölkerung mit gutem wüsten Treiben , das hinter mir lag , so versagte. Aus dem nächsten Seitenwege sviel voranzuleuchten , das Aergernis neu , es fiel mir wie eine Bußpredigt auf trat die Meyern. Ihre Gestalt war noch er ſkandalöſen Mätressenregierung geben. mein bedrücktes Gewissen, so daß ich bald schöner und voller geworden in dem Jahre in hatte genaue Rechnung geführt über meiner selbst nicht mehr Herr war. Ich seit ich sie nicht gesehen , aber ihr Antlig in Verhalten, und die damals allmäch wollte mich losreißen, aber ich wollte ihr war steinern , von tiefem Grame gefurcht e Erzherzogin hielt mir alle meine Sün zuvor noch sagen, daß ich mich ihrer nicht und ihre dunkeln Augen sahen mit einem in einer Weise vor. als ob die Hof- würdig fühle. Auf einem Spaziergange Blicke stillen Vorwurfs in die meinen. g jederzeit das reine Nonnenkloster im Park begann ich , aber aus der Sün- Neben ihr ſtand eine in ihre Landestracht besen wäre. Die Abweisung war so denbeichte wurde bald eine Liebeserklärung gekleidete Bäuerin, meinen Kaben auf dem dig wie nur möglich. Mit einem Fluche und nach der Rückkehr von unserem Spa Arme. „Welch' schönes Kind ! " sagte Anna den Lippen seßte ich mich in meinen ziergang hielt ich förmlich um die Hand und wollte auf die beiden Frauen zutreten. gen und reiste nach Hause zurück. Der der Brinzessin an. In meine Residenz Nur mit Mühe vermochte ich sie durch yern fonnte ich bei ihrer Verfassung heimgekehrt , nahm ich die Gratulationen ein scharfes „ Nein“ mit mir weiter zu schonend die Wahrheit beibringen, zu meiner Verlobung befangen genug und ziehen, während die Meyern mir einen Blick r die Exaltation und Leidenschaftlichkeit, innerlich gedemütigt entgegen. Aber die voll Trauer und Verachtung nachschickte. I der sie meinen Bericht aufnahm , die Leute freuten sich wirklich, sie waren dienst- „ Warum sollte ich die Leute nicht anrwürfe, mit denen sie mich überhäufte , williger und froher als früher. Der Adel reden, " fragte Anna verwundert, als wir chten den lehten Funken von Liebe bei stellte sich so eifrig bei Hof ein wie nie. die Gruppe hinter uns hatten ; ich habe r aus. Dennoch wollte ich ihr Wort Man erwartete eben , die neue Fürstin das in Landsberg doch so oft gethan." Hier geht das nicht , " sagte ich, „sie ten. Aber der Grund meiner Reise werde nunmehr Ordnung schaffen und die ch Wien und mein völliger Mißerfolg seitherige wilde Wirtschaft sei mit dieser würde dir bald lästig werden. Es ist eine ren der Reſidenz ebensowenig verborgen Verlobung für alle Zeiten zu Ende. Von Bettlerin . “ „Aber du sagtest doch gerade , wir lieben wie der Zustand Sophiens. der Meyern redete niemand und ich wagte berall traf ich auf Widerstand . Man weder nach ihr, noch nach meinem Sohne wollten den Leuten helfen , so viel wir llte mir nur die Wahl lassen, der Regie zu fragen . Sie werden sich schon melden, könnten ," erwiderte Anna gekränkt. Ez
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Martin Deutschländer. =1487-
Gespenster.
war das erste Mal, daß ich in so herrischem | vor der Welt als Sohn anerkenne und ihr Tone zu ihr geredet hatte. selbst dadurch eine gewisse Deckung ge Ihr ist nicht zu helfen, sie ist schlecht ! " währe gegen die Verachtung ihrer Standeserwiderte ich hari. genossen." ,,Das arme Kind , es ist so hübsch, " Wie kann ich den Verkehr mit ihr sagte sie und nur meine schroffe Erklärung, wieder aufnehmen", rief ich aus. ་་ Ich daß die Geschichte dieser Person sich nicht würde mich ja dem Verdachte aussehen, für weibliche Chren eigne, machten ihren daß wir unsere alten Beziehungen fort Fragen ein Ende, die mich peinigten. Aber sehen. Was würden die Eltern meiner Anna blieb stumm und schien darüber Frau , was würde der Hof dazu sagen. “ nachzudenken , warum sie , obwohl Frau „Das alles stellte ich ihr vor , " sagte und demnächst Mutter, dennoch nicht solle der Miniſter. „ Aber sie ist verbittert und wiſſen dürfen, warum sie mit jenem Weibe die alte Meyern schürt und heßt an ihr. nicht reden dürfe. In mir aber kochte Ich sehe nur ein Mittel11, den Stachel aus die Wut über die Schamlose, die mit ihrem der Wunde zu nehmen .' „Und das wäre ?" Kinde mein Haus belagerte und sich offenbar absichtlich gleich am Tage meiner An„Wenn Ihre Hoheit die Frau Her kunft eingestellt hatte, um einen Skandal zogin persönlich mit ihr Rücksprache neh herbeizuführen. Als am andern Tage mein men wollte, ihr ihre Teilnahme versicherte Staatsminister mit seinem Vortrage zu und verspräche, das Kind nicht zu verlassen." Ende war, sagte ich ihm in einem Tone, „ Das wird nie geschehen “, brauste ich als ob er etwas versäumt habe, ich hätte auf. „Nicht der Rockaum der Herzogin gestern mit Mißfallen bemerkt , daß die soll diese freche Dirne streifen. " Meyern sich noch immer in der Residenz " Dirne ?" wiederholte der alte Mann aufhalte. leise und schaute mich traurig an. Ich Sie hat dieselbe nie verlaſſen, Hoheit, " aber ließ ihn stehen und schlug die Thür erwiderte der Staatsminister trocken. !! Sie hinter mir zu. wohnt noch immer in dem Eckhaus da Hätte das unselige Weib mich demütig drüben, das sie vor zwei Jahren bezog. " um Fürsorge für ihr Kind angegangen, Ich fühlte den Stich , denn ich selbst ich hätte gethan , was ich konnte. Aber hatte sie damals dort eingemietet, um ihr diese Art mich zwingen zu wollen, erfüllte möglichst nahe zu ſein. mich mit wildem Haß. Haſſen wir doch Sie werden aber einsehen , daß das immer die am grimmigsten, denen wir das nicht geht , " erwiderte ich schroff. " Sie unleugbarste Unrecht gethan haben. Aber haben zu sorgen , daß sie die Residenz eben mein Unrecht war auch die Stelle, verläßt." an der ich verwundbar war. Ich sollte "! Erzwingen kann ich das nicht “ , er- erfahren, daß die Gespenster unserer Thaten widerte der alte Mann. " Sie ist hier ge- uns den Atem einschnüren können wie kein boren und niemand kann aus ſeiner Heimat lebender Feind es vermöchte. Als ich am gemeinde ausgewiesen werden. " Abend, meine Gattin am Arme, aus dem Ich wollte das nicht gelten lassen ; er Park zurückkehrte , sah ich von weitem aber blieb dabei , mein Verlangen sei mit wiederum die Meyern und die Kinderfrau den Gesezen unverträglich. Dagegen ver- mit meinem Knaben auf dem Arme. Dies sprach er , er wolle auf gütlichem Wege mal zuckte ich vor Entrüstung und bog versuchen, sie zum Wegzuge zu bestimmen. auffällig in einen anderen Weg ein , um Als er das nächste Mal zum Vortrag er das Schloß von der Rückseite her zu be schien, sah ich gleich, daß er nichts Gutes treten. zu berichten habe. Er war ernster als „Warum weichst du den Leuten aus ?" sonst und eine unterdrückte Aufregung fragte mich Anna. „ Sie werden uns ja zitterte in der Stimme des alten Mannes, nicht auf offener Straße anbetteln. " " Wer weiß! " erwiderte ich. während er seine Anträge mir unterbreitete. Diese Ich unterschrieb, was er wollte und fragte ist zu allem fähig." schließlich : Was haben Sie bei der Meyern Wer ist denn ihr Mann ? " fragte ausgerichtet ?" meine Frau in ihrer Unschuld weiter. 1 Aber der Minister schüttelte traurig Das ist's ja, daß sie keinen hat und das weiße Haupt. Sie beharre auf ihrem darum wäre es unpassend, wenn du öffentRechte, zu wohnen, wo es ihr gefalle, be- lich mit ihr reden wolltest. " richtete er, und sich zu ergehen , wo sich „Das arme Kind ! " seufzte Anna . andere Leute ergehen. Hätte ich als Vater „ Warum man nur die Männer nicht bemich um mein Kind gekümmert , habe sie straft , die die Mädchen so unglücklich erklärt , so würde sie nicht nötig gehabt machen ?“ haben, mich an dasselbe zu erinnern. Daß Von diesem Augenblicke an hatte ich ich desgleichen thue, als ob ihr Sohn gar keine ruhige Stunde mehr. Der Arzt verkeine Ansprüche an mich habe, das habe sie langte, daß meine Frau , bis ihr Stünd veranlaßt , meiner Gemahlin mit ihrem lein komme , täglich an der Herbstſonne Kinde unter die Augen zu treten. „Ich sich ergehe und ich wagte nicht, sie allein fragte sie darauf," fuhr der alte Mann gehen zu lassen, damit die Meyern ihr nicht bekümmert fort, „ was ſie für ihren Knaben eine Szene mache. Ich beredete Anna begehre ? Von Geld oder Nobilitierung deshalb , in dem abgeschloſſenen Fürstenwollte sie aber gar nichts wiſſen. Sie garten mit mir sich zu ergehen, indem ich verlangt, daß Ew . Hoheit mindeſtens ein vorgab , das ununterbrochene Grüßen der mal in der Woche das Kind besuche , es Vorübergehenden ſei mir läſtig. In meinem
-1488: eigenen Schlosse war ich ein Gefangener belagert von der Rache eines rabiat Weibes . Dazu, welche Erinnerungen dräng ten sich in diesem Garten mir auf, wo di Gespenster meiner toten Vergangenheit u gingen, wo jest zwischen den kahlen Bu schen die Eremitage nüchtern und gra dastand , ein düsterer Bau , mir ein trau riges Denkmal meiner Schuld . Selbst di Laub, das langsam an den Bäumen hersh gleitete, schien mir sündenſchwer und i erschrak über das Rauschen der Blätter unter unseren Füßen. Es war klar, da das nicht so fortgehen könne, und ich wollt. nur abwarten, bis Anna ihre Wochenſtuk. bezogen habe und dauernd an das Hanz gefesselt sein würde, um die Meyern auf zusuchen und sie um jeden Preis , den i verlange, zu bestimmen , ihre Belagerun aufzugeben. Selbst regelmäßige Zuſammen: künfte wollte ich ihr lieber bewilligen, als diesen Skandal noch länger erdulden , det ohne Zweifel bereits Gegenstand d Aufmerksamkeit der Residenz geworden war. Ob diese Begegnung nicht zu einer Eneuerung meines Verhältniſſes mit dem verführerisch schönen Weibe geführt hätte weiß ich nicht . Ich fürchte fast, daß hinter meinem heroischen Entſchluſſe bereits ein. halbes Verlangen nach den lang entbeht ten Freuden sich versteckte. Doch dielc zweite und schmählichere Verrat ist mir erspart worden. Nach meiner Rechnurz war es überhaupt der lezte Gang, dai Anna noch in die sonnige Welt draußen wagen durfte , bei dem sie mir vorschlus wir wollten den einsamen Fürstengarten. der sie melancholisch ſtimme, verlaſſen und statt dessen die belebteren Wege des Schloß parkes aufsuchen. Ich that es ungern denn je näher die Tage der Entscheidur rückten, um so abergläubiſcher und schret hafter war ich geworden . Die Geſpenſter furcht ängstigte mich am hellen Tage. Ver sichtshalber sagte ich dem Lakaien, der un folgte, er solle vorausgehen und die Wa im Parke für uns frei halten. Durch da wohlbekannte Thürchen, durch das Sophy so oft zu mir geschlüpft war , traten wir hinaus, während der Diener ſich noch einer Augenblick damit aufhielt, die Pforte wi der zu verschließen. Da hatte ich bereit die gefürchtete Gruppe wieder vor Auge: Offenbar hatte die Meyern gewußt , da wir unsere Spaziergänge nach dem Fürsten garten verlegt hatten und es sich méz verdrießen lassen, täglich hier zu warte: in der sicheren Rechnung , daß wir dez auch einmal über dieſen näheren Weg zar Schloſſe zurückkehren würden. Als Arn die schöne Fremde , mit der ihr Herz ſtr zu beschäftigen nicht aufgehört hatte, au heute wieder vor sich erblickte, sah ich die Farbe wechseln. Die Meyern ar stellte sich mit ihrem Kinde feierlich a Wege auf. Langsam , wie Annas Zustan es erforderte, kamen wir ihnen näher. wir sie erreicht hatten , sagte meine Fro in ernstem Tone, der mir noch heute i 1 Ohre liegt : „ Laß mich , Wilhelm. will etwas von uns . Gott kann meiner Kinde nicht gnädig sein, wenn ich die Bitte
ig . Rett H. Von
1489einer Mutter mißachte. " Noch wollte ich fie zur Seite ziehen. Sie aber ließ meinen Arm los und trát zu der Meyern, die sich tief vor uns verneigte. „Wenn ich nicht irre ," sagte meine Frau zu der Meyern, ist es Ihr Wunsch, uns zu sprechen. Kann ich etwas für Sie thun?" „Ja, Hoheit , " sagte das stolze bleiche Weib , das in diesem Augenblick der an tifen Medea glich und in deren dunkeln Augen der Schimmer triumphierender Rache aufleuchtete. Wollen Eure Hoheit nicht dem Vater dieses Knaben sagen, es zieme sich, daß er um sein Kind sich kümmere, nachdem er durch seine falschen Schwüre die Mutter ins Verderben gestürzt hat. " „Arme Frau, “ sprach Anna mild . „ Aber wer ist der Vater?" „Er steht hier, " rief die Unſelige jezt mit leidenschaftlicher Stimme und damit trat fie einen Schritt vor und deutete mit einer theatralischen Gebärde auf mich. Ich sah, wie Annas feine Züge starr wurden und erhleichten. Ihre Augensterne wurden größer. Du - du?" sagte sie leise. Dann schien es finster um sie zu werden. Wie verzweifelnd streckte sie die Arme aus und fiel ohnmächtig der Länge nach auf den Boden. Während der Diener und ich herzueilten , um sie aufzunehmen und sie durch die Pforte zurück in den Fürstengarten zu tragen , entfernte sich die Schändliche mit ihrem Kinde, ohne auch nur den Arm zu regen zur Hilfe. Sie hatte ihre Rache. Einige Stunden später brachte die Herzogin einen geſunden Knaben zur Welt , aber während Kanonenschüsse dem Lande verkündeten, daß ihm ein Thronerbe geboren sei, saß ich verzweifelnd an dem Bette meiner totfranken Gattin , die sich mit furcht baren Fieberphantasien quälte. Meist war fie bewußtlos, in den Stunden der Er requng aber schlug ſie ſich mit entseglichen Visionen herum und eine düstere Vorstellung jagte die andere. Am siebenten Tage wurde sie ruhiger, aber die Aerzte gaben keine Hoffnung. Schon halb mit dem Tode ringend flüsterte sie mir zu : Du darfst ihr Kind nicht verlassen. Er ist dein Sohn so gut wie der meine. Versprich mir, beide zu braven Menschen zu machen. Ach, hättest du sie nicht verstoßen, so müßte ich nicht so jung sterben und das Leben ist so süß." Ich kann nicht sagen , wie mir diese Klagen der Sterbenden durch das Herz schnitten. Sie felbft fuhr fort, leise die Lippen zu be wegen. "Versprich mir, " hörte ich sie noch sagen , dann fiel sie in ihren be wustlosen Zustand zurück. Des Nachts aber erhob sie sich wieder mit wirren Blicken und rief: Die Frau ! die Frau ! " Mir grauste, wenn ich den verzweifelten Ausdruck in ihren fiebernden Augen fah. Erst langsam wurde sie ruhiger.
Martin Deutſchländer. - 1490-
Gespenster. 1491-
meine Herren , daß ich damals wieder hatte auch die Freude, daß meine Erwaranfing an Gespenster zu glauben. Die tungen sich erfüllten. Erich sah in der Folgen unserer Thaten gehen um in un- Uniform bei weitem männlicher aus und serem Hause. Sie sind die Früchte der gewann mit jedem Jahre an Haltung und Saat, die wir gestreut haben . Jest that innerer Sicherheit. Dabei war er der ich, was ich gleich hätte thun sollen . Ich Liebling seines Regiments . Man liebte schloß mit der Meyern einen Vertrag, um ihn wegen seiner Einfachheit und Beihre Ansprüche zu befriedigen. Während scheidenheit , die den Prinzen völlig vernoch eben das sündhafte Gelüste sich in gessen ließen ; das gab ihm dann selbst mir geregt hatte, wieder mit ihr anzu- wieder ein erhöhtes Zutrauen zu sich und knüpfen , hatte ich jetzt nur noch das er sprach es bei jeder Gelegenheit aus , wie eine Intereſſe , die Mörderin meines ge- wohl er sich unter den Kameraden fühle. liebten Weibes mir möglichst fernzu= Die Offiziere unserer Garnison unterrücken. Gegen eine fürstliche Abfindung schieden sich in nichts von denen anderer versprach sie , das Land zu verlassen. Regimenter. Es gab gute und mittelmäßige, Aber auch jest , nachdem das Gericht strebsame und unbedeutende, aber eigentlich über mich ergangen war, konnte ich mich schlechte Elemente waren nicht darunter. nicht entschließen , meine Pflicht voll zu Mir war die Militärhoheit durch den bethun. Mein Kind überließ ich ihr. Bis kannten Vertrag abgenommen worden, so zu seinem zwölften Jahre sollte der Knabe daß ich auf die Besetzung der Offiziersstellen der Mutter verbleiben, um dann in einem keinen Einfluß hatte. Da las ich eines Kadettenhause erzogen zu werden. Ueber- Morgens im Amtsblatt zu meinem großen dies nahm ihn ein Dekret, gegen das der Verdrusse, daß Wilhelm von Meyern als alte Staatsminister nun nichts mehr zu Sekondelieutenant zu unserem Regimente erinnern hatte, in den Freiherrnstand des geschickt worden sei und zwar zu derLandes auf. Damit meinte ich in meiner selben Kompanie wie Erich. MöglicherVerblendung , meine Schuld an seinem weise hatte man geglaubt , mir damit einen besonderen Gefallen zu erweisen, Dasein abgetragen zu haben. Meinem legitimen Kinde, einem zarten, während mir in Wirklichkeit die Nähe aber freundlich lebhaften Knäblein, brachte dieses jungen Menschen, mit dem ich bis ich ein größeres Opfer. Ich gab ihm eine jest jede direkte Berührung vermieden Mutter. Die alten Unordnungen sollten hatte , äußerst widerwärtig war. Aber nicht wiederkehren. Darum schloß ich ohne die verdrießlichsten Verhandlungen meine zweite Che. Mir stand die Her ließ sich die vollzogene Thatsache nun zogin nie nah , aber meinem Sohne ist nicht mehr rückgängig machen. Was ich von dem wilden Sprößling bisher versie eine treue Mutter gewesen. Erich entwickelte sich unter ihrer Pflege nommen , erweckte zudem nicht die Erso schön , wie nur je ein Knabe sich entwartung, daß mir viele Annehmlichkeiten wickelt hat. Er hatte das weiche, gute aus seiner Anwesenheit erwachsen würden. Gemüt meiner armen Anna geerbt und Die Erziehung durch Mutter und Großschloß sich mit hingebender Zärtlichkeit an mutter soll die allerschlechteste und vermich an. Ich aber kannte überhaupt auf kehrteste gewesen sein und um sich MißErden keine andere Lust mehr als ihm achtung und Vorwürfe von seiner Seite Freude zu machen und auch meine Leute zu ersparen , hatten beide ihm von früh wären für ihn durchs Feuer gegangen. auf eingeredet , es sei ein hoher Vorzug, Als er alt genug geworden war , um daß fürstliches Blut in seinen Adern mich bei meinen Reisen im Lande zu be- fließe. Ich wußte , daß er auf der gleiten , war er bald durch sein freund Kadettenschule Spielschulden und schlimliches , offenes Benehmen der Liebling der mere Streiche gemacht hatte , und mehr gesamten Bevölkerung. Man konnte auch als einmal war er nahe daran gewesen, diese reinen Züge, mit den hellen blauen weggewiesen zu werden. Ob die Meyern Augen , nicht sehen , ohne ihm gut zu selbst seine Versetzung hierher betrieben sein. Welche köstlichen Tage habe ich mit hatte , konnte ich nicht ermitteln ; wenn ihm allein auf dem Landsberg im Ge- fie damit wieder Boden bei uns zu fassen nusse seiner kindlichen Zärtlichkeit verlebt ! suchte , so war das jedenfalls eine falsche Schließlich mußte ich ihn doch von mir Rechnung. Auch mit dem Sohne gegeben. Die Resultate von Hauserziehung, dachte ich mich auf einen durchaus milidie ich bei andern Prinzen kennen gelernt tärischen Fuß zu sehen. Aber als ich hatte, waren nicht verlockend. Hofmeister noch am selben Tage in den Audienzsaal und Gouvernanten wetteifern da , den trat, um den regelmäßigen Empfang vor, Sinn für das Höhere“ , wie sie es zunehmen und der Adjutant mir die Liste nennen , zu wecken , und meistens läuft der Wartenden vorlegte, stand obenan Herr das dann auf eine ästhetische Ueberfütte- Sekondelieutenant von Meyern , der es offenrung mit Kunst und Litteratur hinaus, bar sehr eilig hatte, mir um den Hals die halbfertige Dilettanten bildet aber keine zu fallen. Mich ärgerte das, und ich beMänner. Die militärische Erziehung, die schloß , ihn ganz als Fremden zu behanden einen behandelt wie den andern, schien deln. Der junge Offizier trat hastig ein
Gegen Morgen schlief ſie ein , um nie mir für Prinzen überhaupt , namentlich wieder zu erwachen . " aber für Erichs weiches Wesen das Rich Der Erzähler schwieg eine Weile wie tige. "!Wenigstens lernt er da eine Komin schmerzliche Erinnerungen versunken. panie kommandieren , dachte ich ; das ist Dann fuhr er leise fort : „ Sie begreifen, nicht viel, aber doch etwas Ganzes . " Ich 89. II.
und machte einige rasche Schritte gegen mich. Ich aber blieb ruhig in der Mitte des Saales stehen, beide Hände am Säbel und hoch aufgerichtet wie mein Delbild von Angely. 63
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Martin Deutschländer. 1493-
Gespenster. 1494-
Einen Augenblick verblüffte ihn das . | ſcher gebärdet, je eifriger die von der Reich die Unverschämtheit meines m Er schlug die Haken aneinander und volution geängſtete Bürgerschaft größeren Sprößlings noch von einer neuen nahm eine ordonnanzmäßige Stellung ein . Ernst und eine mustergültige sittliche Hal kennen . In seiner Weise war er ein hübscher tung von mir verlangte. Das Schicksal Mein Kamerar meldete mir , es i-junger Mann. Das Gesicht war dunkel hält dir einen Spiegel deiner Jugend vor, " für einige tausend Thaler Forderur:. und schön und trug den klassischen Typus seufzte ich. " Es ist dein eigenes Gespenst, eingelaufen von Leuten , die Herrn seiner Mutter. Der erste Anflug eines das durch diese Thür eintrat. Hüte dich, Meyern Geld geliehen hätten , da er Schnurrbarts stand ihm gut , nur der auf dasselbe zu schießen, die Kugel wird hauptete, daß ich verpflichtet sei, für for Ausgaben aufzukommen. Wies ich tece , stechende Blick der frech hervor auf dich zurückprallen. " glänzenden schwarzen Augen gab ihm Auch hatte ich alle Ursache , die pein- Forderungen ab , so war es um ihn einen abstoßenden Ausdruck. liche Lage nicht zu erschweren, da Herr schehen. Er mußte dann nicht nur c Sie kommen aus dem Kadettenhause Wilhelm von Meyern mit Erich bei der tieren, ſondern ſeine Gläubiger hätten zu Lichterfelde, " sagte ich trocken. selben Kompanie stand. Es war mir noch zudem wegen Schwindelei verkira "Ja ," erwiderte er in zwanglosem schmerzlich genug , diesen in das ganze Das ganze Verhältnis zu mir kam d Tone, und bin froh, der Plackereien los Verhältnis einweihen zu müssen. Ich er vor Gericht zur öffentlichen Verhandl: zu sein und endlich einmal ungehudelt | zählte ihm , wie ich jene Verbindung mit Jch ärgerte mich unglaublich. Aber = * mein Leben zu genießen." Wilhelm von Meyerns Mutter eingegangen derum mußte ich in meiner Stellung jerr „ Ich habe Ihre Konduitenliste ge- sei in der ehrlichen Absicht, sie zu meiner Anstoß vermeiden. Ich zahlte also. 2: sehen," sagte ich. Ihre Führung war Frau zu machen , wie aber an dem Wider Kamerar eröffnete dem Herrn Lieuten keineswegs besonders löblich.“ spruch der Räte und der Standesgenossen freilich , daß das zum ersten- und let ,,Nun," erwiderte er nachlässig , ich dieser Plan gescheitert sei. Die Verhält mal geschehen sei , aber der junge fühlte eben das fürstliche Blut in meinen nisse seien oft stärker als der beste Wille . zuckte nur verächtlich die Schultern : Adern, das sich gegen den Zwang auf- In dieſem Lichte möge er mein Verhalten sagte : „ Wozu ist denn der Herr lehnte. Meine Mama läßt Hoheit sagen, sehen. Das schöne Gemüt meines Soh da; sonst hat er, weiß der Himmel, niz: ni bis jezt habe sie die Unkosten aller meiner nes offenbarte sich nie rührender als da- für mich gethan. " Auch das mußte Dummheiten getragen, nun sei die Reihe mals . Das wärmste Mitgefühl zeigte er hinnehmen. Natürlich dauerte es fur an Ihnen." für meinen Kummer. Er versprach mir, drei Wochen, so waren wieder neue Wed Nun wurde mir's mit der Frechheit Wilhelm solle ihm stets ein Bruder sein, des Herrn Lieutenant im Umlauf. des unausstehlichen Jungen denn doch zu und er werde ihn , den Aelteren , durch sprach ich mit dem General. Der viel. Vergessen Sie nicht, daß Sie mit Zureden und gutes Beispiel auf bessere sagte mir , die schwarze Liste des jur Ihrem Landesherrn reden, " sagte ich ihm Wege leiten, und wieder gutmachen, was Herrn trage bereits so viele Vermerke, 27 in eisig kaltem Tone. Dummheiten werden an dem Armen versäumt worden. Mir eine neue Nummer unmittelbar seine Er Sie hier nicht viele machen , denn sofort war ein engeres Verhältnis der beiden lassung im Gefolge haben werde. die erste wird Sie Ihre Epauletten kosten, jungen Leute durchaus nicht erwünscht, zahlte also wiederum, denn ich wollte | darauf verlassen Sie sich. Nur wenn aber der gute Erich , der ein Meer von doch nicht selbst den Hals brechen , Ihre Haltung eine ganz andere wird , Liebe in sich trug , hatte sich bereits an ich hoffte bereits , daß er durch irg haben Sie auf meine Unterstügung zu den Halbbruder angeschlossen, gerade dar einen andern Streich mich von seiner rechnen. " um , weil die anderen sich von ihm fern wesenheit befreien werde. Begann t Der Ernst , mit dem ich sprach, im hielten. Der junge Mensch hatte nämlich selbst meine Gesundheit zu leiden ponierte ihm doch. Ich sah ihn erbleichen, nur wenige Tage gebraucht , um sich bei dem ewigen Verdruß über den unmitt aber es war mir, als ob ein Blick voll dem ganzen Offizierkorps unbeliebt zu Jungen. Es half mir gar nichts , Wut und Enttäuschung mir entgegen machen . Alle belästigte , alle ärgerte er. ich seine Einkünfte ansehnlich aufbefert. blize. Auf eine entschiedeneHandbewegung Auch den Vorgesezten warf er zuweilen Er nahm das Geld und machte noch meinerseits verbeugte er sich und kehrte dreiste, herausfordernde Blicke zu und so Schulden als zuvor. Fast ebensosehr wie ich litt der um , doch schon nach ein paar Schritten lächerlich das war , er pochte dabei auf nahm er wieder seine nachlässige Haltung sein fürstliches Blut und seine hohe Ver Erich. Seine Ueberzeugung, daß die an und schlenkerte mit den Armen , als wandtschaft. Nur mit Erich machte er des jungen Mannes nur die Folge früh wolle er sagen : was fümmert's mich ! eine Ausnahme. Hier erkannte er an, daß Vernachlässigungen seien , die die Far . Unter der Thür aber kehrte er sich um dieser durch Abstammung von einer Prin- gutzumachen habe , machten ihn und rief: „Auf Wiedersehen, Papa, auf zessin ihm vorgehe und der liebenswürdi- gegen alle Mahnungen, sich von dem :: k Wiedersehen." Ob das auf die Zuhörer gen Seelengüte meines armen Jungen dorbenen Menschen loszusagen. Ja be im Vorzimmer berechnet war, die er über widerstand auch seine tückische Frechheit merkte wohl , wie sehr er sich plöglia r sein Verhältnis zu mir täuschen wollte, nicht. In Erichs Gegenwart wurde er seinen eigenen Ausgaben einschränkte a oder nur ein Ausbruch seiner knaben haften Frechheit , wußte ich nicht , die Absicht aber, mich zu ärgern, hatte er er reicht. Einen Augenblick dachte ich daran, den kommandierenden General zu mir zu bitten und ihn persönlich zu ersuchen, mich von dieser Plage sofort wieder zu erlösen. Aber das machte Berichte, Verfügungen , Veröffentlichungen nötig und ich fürchtete mich nach allem, was hinter mir lag, vor jedem Aergernis. Auch vor Erich scheute ich mich und meinem Weibe. - Dabei regte sich zugleich mein Gewiſſen. Hatte ich nicht da ein Bild meiner eigenen Jugend vor mir? Mit dieser zur Schau getragenen Frechheit war ich einſt in meiner eigenen Hauptstadt umhergeſchlendert und hatte mich um so leichtsinniger und cyni-
ein anderer Mensch und klagte selbst über seine unselige Natur, die von Jugend auf vergiftet und verbittert worden sei. Meinem armen Erich fielen diese Klagen wie Vorwürfe auf sein weiches Gemüt . Er hatte fast eine Art von Schuldbewußtsein dem Meyern gegenüber , als ob er ihm seinen Anteil an der Liebe des Vaters entfremdet habe. Durch seine Bitten brachte er es dahin , daß ich den Burschen ein paarmal einlud , aber der familiäre Ton, den derselbe alsbald anschlug , die Unge niertheit, mit der er sich in meinem Hauſe bewegte , entleidete mir das in Bälde. Erich war darüber niedergeschlagen und ich sah ihm an, wie er innerlich der Mei nung war , daß ich meine Vaterpflichten gegen seinen Halbbruder versäume. Es dauerte aber kein halbes Jahr , so lernte
alle kostspieligen Liebhabereien aufgab konnte mir denken, durch welchen geheim Kanal seine ansehnlichen Einnahmen floßen. Als ich ihn aber darauf anredas errötete er wie ein Mädchen , und Thränen in seinen blauen Augen fast. er : „ Das ist doch das wenigste , was Nachm für den Armen thun kann.“ erst habe ich erfahren , welche Opfer gebracht hat , um die schlechten Stres des anderen zuzudecken und mir n Aerger zu ersparen. Schließlich erfüllte sich freilich m Erwartung , daß der Thunichtgut ohne mein Eingreifen sich den Hals brez . werde, nur daß er einen anderen, der nicht verdient hatte, in ſein Verderben : hinabriß. Eines Morgens erschien mein Erb
Martin Deutschländer. 1495-
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Gespenster. 1497-
nanzoffizier mit der Meldung, er habe als daß die Hölle mich äffe. Aber deutlich | ins Angesicht. Zur Antwort hatte dieser Mitglied des Ehrengerichts dafür stimmen rief der Alte herauf : " Prinz Erich, " und ihm mit der Reitpeitsche über das Gesicht müſſen, daß ein dreimaliger Kugelwechsel stürzte dann weiter , um Hilfe herbeizu gehauen. Vor dem Schiedsgericht zog zwischen Lieutenant von Meyern und Haupt- schaffen. Natürlich eilte ich nun, so rasch Meyern dann nach seiner Weise mich in mann von Habichtsstein ſtattzufinden habe. ich konnte , hinunter. Die alten Garten- die Sache hinein . Er behauptete , eine Meyern habe seinem Gegner einen Schlag wege , die ich so lang gemieden , führten mir angethane Beleidigung bestraft zu mit der Reitpeitsche versezt , nachdem er mich an den Schauplah meines verhäng haben. Als ich gegen seine Erwartung allerdings schwer gereizt worden sei. Das nisvollsten Romans , der mir so bittere jede Einmischung ablehnte, soll er sehr entEhrengericht habe entschieden , daß wenn Früchte getragen. Niemand war zu sehen, rüstet gewesen sein. Er blieb aber ganz Meyern erkläre, sinnlos betrunken gewesen aber die Thür zur Eremitage, die ich seit in seiner Rolle , sich der regierenden Fazu sein und sich entschuldige , könne die zwanzig Jahren nicht betreten, stand offen. milie zuzuzählen, indem er Erich bat, ihm Sache beigelegt werden , dieser aber habe Ich stürzte hinein. Mein Auge mußte als Sekundant zu dienen . Auch der Eindie seltsame Antwort gegeben , er könne sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen , fall, sich im Fürstengarten zu schießen, in diese Bedingungen nur erfüllen, wenn ich das mir einst bei meinen Begegnungen den sie durch Erichs Vermittelung leicht ihm befehle , die Sache in dieser Weise mit Sophie von Meyern so erwünscht ge- gelangen konnten, war offenbar der Eitelbeizulegen. wesen war. Noch immer dachte ich, ihren keit Meyerns entsprungen und zugleich vielMich übermannte die Wut bei dieser Sohn werde ich dort sterbend finden, wo leicht seiner Lust , sich an mir zu rächen. Meldung so, daß ich gar nicht lang fragte, er seinen Ursprung genommen. Aber auf Nach den in der Armee herrschenden Bewie der Mensch dazu komme , mich auch dem wohlbekannten Ruhebett sah ich die griffen konnte Erich sich bei einem solchen in diese Widerwärtigkeiten hereinzuziehen. schlanke Gestalt meines Erich. Ein Arzt Ehrenhandel seinem nächsten Kameraden Ich sah darin nur seine gewöhnliche Weise, hielt den zuckenden Kopf meines armen nicht versagen. Er wollte es aber auch mit seiner fürstlichen Herkunft zu prahlen. Lieblings in seinen Armen , während ein nicht, da er über Habichtsteins rohen AusUm so weniger wollte ich irgend welches zweiter die Wunde in seiner Brust unter fall tief entrüstet war. Der plumpe GeInteresse an seinen Angelegenheiten ver- suchte. Die weit aufgerissenen Augen glänz selle hatte keine Vorstellung davon, welch raten. " Sind Schläge gefallen ," sagte ten fieberhaft, aber sie starrten ins Leere. schmerzhafte Wunde in dem Gemüte meines ich mit eisigem Tone , so muß auch ge- So hatte seine Mutter ausgesehen , als Sohnes er mit schmutzigen Händen berührt knallt werden. Peitschenhiebe kann man sie an der Entdeckung meiner Schuld ge- hatte. Erich hatte die ganze Nacht vor nicht zurücknehmen. Meyern soll seinem storben war. Erregung nicht geschlafen. Meyern sollte Gegner Satisfaktion geben , das ist das "Ist Hoffnung?" fragte ich und er ihn um halb sechs Uhr von seiner Stube einzige, was ich hier zu sagen habe. " schrak selbst über die rauhen Töne meiner holen, während die andere Partei ſich Erichs Der Adjutant verbeugte sich und ging. Kehle. Der Arzt schüttelte das Haupt Schlüssel bediente, um nach der Eremitage Ich aber befand mich in einer ordentlich und sagte : „ Es wird sogleich vorbei sein. " zu gelangen. Als es halb sechs Uhr schlug, erleichterten Stimmung. Die neue Num Er hatte recht. Das Haupt meines Kin- ohne daß Meyern erschienen wäre , eilte mer, von der der General gesprochen hatte, des neigte sich. Ein bitterer Zug zuckte Erich nach der bestimmten Wahlstatt, inwar nun da . Wurde der unnüße Ge- um die bleichen Lippen. Dann fank er dem er annahm, Meyern habe die Abrede selle zum Krüppel geschossen, so müßte er zusammen. Er hatte vollendet . Weinend vergessen und habe sich jenen angeſchloſſen. quittieren, traf er seinen Gegner, so wurde und klagend lag ich auf der Leiche meines Aber er traf die Gegenpartei bereits verin einem Lieblings . er auf die Festung geschickt drossen darüber , daß die Prinzen" geund dem anderen Falle war ich ihn los . Die ersten Tage nach dem furchtbaren ruhten , warten zu lassen. Als er nun Cine wahrhaft diabolische Befriedigung Ereignis war ich so zerschlagen und be allein erschien und erklärte , Meyern sei erfüllte mich , auf diese Weise von der täubt, daß ich nach dem weiteren Zusam- merkwürdigerweise ausgeblieben, es müſſe Zuchtrute meines Lebens befreit zu wer- menhang des Unglücks gar nicht fragte. ein Mißverständnis obwalten , lachte Haden. Ich glaube, es war die Freude, die Dazu kam die Pein des offiziellen Begräb- bichtsstein schnöde auf und rief : „ Da hamich am anderen Morgen früher als ge- nisses . Man darf ja einen Erbprinzen, ben wir das fürstliche Blut. “ Nun riß wöhnlich wedte. Ich stand auf , ohne und wäre es auch ein einziger Sohn , nicht auch Erich die Geduld . Er erklärte, wenn meinem Diener zu schellen und öffnete in der Stille beischen wie der geringste sein Halbbruder auch ausgeblieben sei, er meine Fenster, die auf den Fürstengarten Mann im Lande darf. Nein , ich mußte sei zur Stelle. Auch er finde es unbillig, hinausgingen. Eine würzige Morgenluft Deputationen empfangen , den Anfragen daß Herr von Habichtsstein die erhaltenen drang herein und erfrischte meine Schläfen, gleichgültiger Menschen standhalten , hohen | Prügel einfach behalten solle, er werde für und ich sah mit heiterem , hellem Sinne, Vettern die gebührenden Ehren anthun. seinen Bruder eintreten. Da erschraken wie die Morgensonne durch die grünen Dabei hatte ich überall die ausgegebene die Herren doch vor den Konsequenzen. Es "!Das Leben sieht offizielle Parole zu bestätigen, daß der Erb- wurde herüber und hinüber gestritten, aber Buchenzweige spielte. sich doch ganz anders an, wenn man aus prinz durch einen Unfall auf der Jagd schließlich siegte der Leichtsinn der jungen geschlafen hat, " dachte ich. Da hörte ich umgekommen sei. Man durfte der Bevöl Leute. Auch verließen sie sich darauf, daß plöglich am anderen Ende des Gartens kerung doch nicht zugestehen , daß der Thron- Habichtsſtein natürlich in die Luft schießen fast gleichzeitig zwei Schüsse fallen . Mei- folger den Gesetzen zuwider sich duelliert werde. Der hat später vor dem Militärnem scharfen Auge entging nicht , wie in habe. Mein Schmerz war durch elenden gerichtshofe ausgesagt , er habe fest vorder Gegend der Eremitage Pulverdampf Hofdienst und tausend Lügen entweiht, gehabt, gar nicht zu schießen und habe die aufstieg. Es konnte nicht anders sein, noch ehe es überhaupt wieder so still um Pistole nur zum Schein auf den Prinzen man duellierte sich in meinem eigenen mich wurde , daß ich ihm leben konnte. gerichtet , nach dem Schusse des Prinzen Garten. Es scheint , der Bursche will Nun erst erfuhr ich den vollen Zusammen wollte er sie dann unschädlich vorbeiknallen das Maß noch voll machen, ehe er geht, " hang , der mich lehrte , daß für gewisse lassen. Aber als Erichs Schuß fiel , sei grollte ich und beugte mich hinaus , um Dinge keine Vergebung ist im Himmel und er zusammengeschreckt und der Lauf habe zu sehen, ob die Sache zu Ende sei oder auf Erden. Auch dieser unselige Streit, sich gegen seinen Willen entladen. Ich ob ein zweiter Kugelwechsel folge. Da der mich mein ganzes Glück kostete, hatte glaube, daß dem so war. Die Gespenster sah ich plötzlich Erichs Diener durch den sich über jene alte Schuld entſponnen, die der Eremitage verlangten eben ihr Opfer. Garten nach dem Hause laufen. „Halt, ich niemals ernstlich hatte fühnen wollen. Das war der Bericht , den ich erhielt. was gibt es da ?" rief ich den Alten an. Der Hauptmann Habichtsstein , einer der Gleich darauf kam ein Brief des Meyern, Ach, Hoheit, “ erwiderte der alte Mann rohsten unter den jungen Leuten des Hofes , der mich um Geld bat. Er war in Hamin fläglichem Tone , Seine Hoheit der gereizt durch das aufgeblasene Benehmen burg und wollte sich nach Amerika einHerr Erbprinz sind schwer verwundet. " Meyerns , warf diesem seinen illegitimen | schiffen. Er sei kein Feigling, schrieb er; "Wer ?“ rief ich entsegt. Ich glaubte, | Ursprung in einem brutalen Schimpfworte er sei schon vor den anderen Herren an
Karl Theodor Heigel.
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König Max II. und Leopold v . Ranke. =1499=
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der Eremitage gewesen , als er aber die thun , sich beizeiten vor ihnen zu hüten. | nur die reine Alpenluft als LinderungsRäume zum erstenmal gesehen , in denen Und nun gute Nacht , meine Herren , ich mittel bewährte. seine Mutter Ehre und Glück verloren, wünsche Ihnen wohl zu schlafen. " „Eine durch und durch edle , feine, da habe er sich sagen müssen , daß er ja humane, aber in sich gekehrte, nach außen wirklich das sei, was sein Gegner ihn gegebundene , sich schwer aufschließende und scholten . Abbitten habe er nicht wollen. leicht irr gemachte Natur." So schildert g Max II. Köni und so habe er sich in der Stille empfohlen. Dingelstedt zu einer Zeit , da er seine Mit seiner militärischen Laufbahn wäre Münchener Stellung schon aufgegeben und Leopold v. Ranke . hatte , den Charakter des Königs . " es wegen neuer Schulden doch zu Ende Von Genialität des Wesens und Umfang der gewesen und da habe sein Gewiſſen_ihm Karl Theodor Heigel. abgeraten, noch weiteres Unheil anzurichten, Vorbildung," sagt Ranke, „ ließ sich Maridenn er schieße leider sehr gut. Aus jeder milian II. nicht mit Friedrich Wilhelm IV. Zeile seines Briefes sprach jene Frechheit, Es war an einem Septemberabend des vergleichen, aber er war ruhig, still nachdie den Grundzug seines Wesens bildete. Jahres 1854. Die Gipfel des Way- denkend und dann sehr fest. " Ein echter Aber wie hätte er auch anders werden mann und des Göll, die wie riesige Vorwerke Friedensfürst ! In diesem Urteil begegnen -- und es waren sollen , da er schon von Kindesbeinen an den Zugang zur Wunderwelt des Königs- sich alle, die ihn kannten, diese Frechheit nötig gehabt hatte, um die sees decken, streifte noch der lehte Sonnen- ja die Besten der Nation um ihn verSpöttereien und Vorwürfe abzuschütteln, schein , während der Wald der näheren sammelt - mit seltener Einmütigkeit. Er die er in den Blicken der anderen las . Auch Berge schon im Schatten lag. Vor dem war nur von einer einzigen Leidenschaft für diese Seite seiner Natur war ja ich anmutigen Landhaus , das sich König Mar beseelt , einem immer lebendigen Drang, verantwortlich. Es gibt keine Stunde auf einem herrlichen Plaße außerhalb des zu lernen. In Bildung erblickte er meines Lebens, daß seine Sünden vor Got- Marktes Berchtesgaden hatte errichten lassen, des Menschen höchstes Gut; deshalb ar= tes Thron nicht gegen mich zeugen. Daß ging es noch lebendig her. Die königliche beitete er unermüdlich an seiner eigenen er aus Gewissenhaftigkeit das Duell un Jagdgesellschaft war vom Treiben im Aufklärung über die Grundpflichten des möglich gemacht habe , glaubte ich schon Wimbachthal heimgekehrt , und die Jäger Menschen überhaupt und des Fürsten insdamals nicht. Er war wirklich feig. Wie und Diener waren eben daran , das er besondere , und da er als Schüler Schelhätte der von Jugend auf verhöhnte „ Jung- legte Wild abzuladen. Dabei mochte es lings den Staat als sittlichen Organisfernsohn" auch tapfer werden können, dazu allerlei Lustiges von den Ereignissen des mus auffaßte und vom Gefühl seiner fehlte ihm vor allem die Selbſtachtung. Tages zu erzählen geben, fröhliche Jodler Verantwortlichkeit tiefst durchdrungen war So wie er das Leben angetreten, so mußte stiegen in die Luft, endlich aber ging dasdas Gewissen auf dem Throne" nennt war es sich entfalten ; sein waren die Schulden, geschäftige Treiben zu Ende , still ward ihn einmal Friedrich Wilhelm IV. mein war die Schuld. Heute sehe ich in es im dämmernden Thal. ihm auch die geistige Hebung seiner Unterallem, was er ist und thut, nur die notInzwischen waren zwei Männer auf thanen eine Herzensforge. Deshalb berief wendige Folge meiner Sünde. Die letzten die Terrasse getreten , um noch das rei er bald nach seinem Regierungsantriti Gründe seiner Flucht kamen denn auch zende Landschaftsbild zu genießen. Erst Denker und Dichter aus allen deutſchen bald genug an den Tag. Er hatte Wechsel als von den in tiefes Dunkel getretenen Gauen zu sich. Sein Hof sollte den Bogefälscht. Zum Glück hatte ihn meine Geld- Bergkoloſſen ein kühler Wind herüberstrich, den gewähren , die Frucht wollte er mit sendung in Hamburg rechtzeitig erreicht schritten beide in das behaglich erhellte dem Volke teilen. " Er gedachte ," sagt Döllinger, " der nachwachsenden Generation und er hatte sich bereits eingeschifft , als Gemach zurück. ich das Vergnügen hatte , den Namen Es waren König Mar von Bayern eine Schule zu eröffnen, welche dann spä meines nunmehr einzigen Sohnes in amt- und Leopold Ranke, Professor der Ge- ter aus den eigenen einheimischen Kräften lichen Steckbriefen zu lesen. Losgewor- schichte in Berlin. sich erhalten und ergänzen könnte, er wollte den bin ich ihn darum dennoch nicht . Einen Nachdem ein frugales Abendmahl ver- zugleich jene geistigen Kräfte wecken und Blutsverwandten wird man niemals los, zehrt war , traten die Diener ab ; einige beleben , an welchen der bayrische Volksdas gehört auch in das Kapitel von den Kavaliere gruppierten sich um den König, stamm keineswegs arm ist , welche aber Gespenstern. Und nun, " schloß der alte der, in den Stuhl zurückgelehnt , mit ge- freilich nur allzuoft schlummern oder unHerr seine Erzählung, „ wissen Sie, warum spannter Aufmerksamkeit lauschte. Denn entfaltet und ungebraucht allmählich verich an Gespenster glaube , sogar an das der Gast des Königs beginnt einen Vor- kümmern . " Biedermaier und die unzähli große Gespenst , das der Väter Sünden trag: "!Wie ist der Begriff Fortschritt gen Seinigen waren über solche „ Ausländerei" des Königs höchlich ungehalten, heimsucht an den Kindern. Ich habe an in der Geschichte aufzufassen?" den unerschütterlichen Ecksteinen seiner OrdDer Redner würde der ungewöhnlich heute ist man sich längst darüber klar, welnung mein Glück zerschellen sehen und kleinen Gestalt und einer nimmer ruhen chen Gewinn die Uebersiedelung von wirk meinen harten Kopf an ihren scharfen den Beweglichkeit halber komischen Ein- lichen Meistern der Wissenschaft und Kunst Kanten wund gestoßen. Seitdem bin ich druck hervorgerufen haben , wenn nicht in für Stadt und Land nach sich gezogen hat. Da der König in traulich ernster Unter in mich gegangen. Ich wollte nicht dem seinem schmalen Antlig so geistvolle Augen Vogel gleichen, der sich an der unsichtbaren gelodert hätten, daß in dem unscheinbaren haltung mit Gelehrten und gedankenreichen Scheibe zu tot flattert und dabei stets Männchen auf den ersten Blick der bedeutende Poeten den erwünschtesten Genuß erblickte, denkt : Das ist ja nichts ! " Ich glaube jetzt, Mensch zu erkennen war. Alles an ihm war lud er auch, wenn ihm die karg bemeſſene daß die ewige Ordnung etwas ist , denn Leben, Rührigkeit , ſprühende Genialität ! Muße gestattete, die geliebten Berge aufich habe meinen Unglauben hart gebüßt. Dagegen war König Mar eine gelaſſene, zusuchen, solche Männer zu sich, die seinem Auch gut gemacht habe ich vieles , soweit vornehme Erscheinung. Er war groß , Geiste besonders verwandt, seinem Herzen guter Wille und treue Arbeit es vermochten. schlank, von gerader, fast steifer Haltung ; am nächsten waren. Von einer überaus Der leichtsinnige Herr der vierziger Jahre dunkles Haupthaar umrahmte ein feines reizvollen Wanderung im Gefolge des ist vergessen und die Menschen sind ja Gesicht , um seine Lippen spielte ein ge- Königs , im Sommer 1858 , die sich auf darin ein gutmütiges Völkchen , daß sie winnendes Lächeln, auch die Augen blickten das ganze bayrische Alpenland von Lindau am liebsten die guten Seiten ihrer Fürsten freundlich und wohlwollend , aber das bis zum Königssee erstreckte , hat Bodenpreisen und die Augen schließen gegen un ganze Wesen hatte etwas Gedrücktes, Mü- stedt in einem Büchlein "1 Eines Königs sere Schwächen. Aber es ist spät gewor- des, es war unverkennbar : hier hält ein Reise" ein liebenswürdiges Bild entworfen. den und ich sehe den Sandmann in Ihren starker Wille mit äußerster Anstrengung Jeder Gast an des Königs Tafelrunde Augen. Lassen Sie sich diese Stunde nicht einen siechen Körper aufrecht. Ein lebens genoß das Recht unbedingt freier Meigereuen. Ich wollte Ihnen nur karmachen, gefährlicher Typhus hatte schweres Kopf- nungsäußerung und jeder fand beim Wirt daß es Gespenster gibt und daß Sie, wohl | leiden zurückgelaſſen , gegen welches sich unermüdliche Aufmerkſamkeit und unpartei-
Karl Theodor Heigel.
1501Arteil. In der Residenz zu München, freundlichen Villa zu Berchtesgaden, i Burghallen zu Hohenschwangau Abende verlebt , der Erinnerung wie das Symposion des Platon. sonders zugethan war König May storischen Studien , deren irenisches it gerade einem Manne von solcher zart sympathisch sein mußte. Vor Bertretern dieser Wissenschaft war tanke teuer , der erste Geschicht r deutscher Nation", wie ihn heute ikbare Nachwelt nennt. Ranke selbst nach dem 1864 erfolgten Tode des 3: „Ich habe an König Mar_vielmeinen besten Freund auf Erden n, den treuesten Schüler , den eifLeser, den wohlwollendsten Gönner !" lankes Verhältnis zu König Mar, " lfred Dove, " gehört zu den schönsten iesten Verbindungen, die zwischen ein n Fürsten und hervorragenden GeiDeutschland jemals vorgekommen." hon im Jahre 1831 wurde Kron Mar während seiner Berliner Unitszeit mit dem jungen Ranke beder eben von seinen Forschungsreisen lien zurückgekommen war. Der von achgenossen schon hochgeschäßte Prohielt dem Prinzen Vorlesungen, gerade viele , die mir aber seinen I und seine Gunst für das Leben nen". Als Mar zur Regierung gen war und es sich angelegen sein ie erste Hochschule des Landes mit en Lehrkräften auszustatten, war es ich sein lebhaftester Wunsch , den rehrten Ranke nach München zu Friedrich Wilhelm IV. war viel gelegen, den drohenden Verlust von abzuwenden; da er aber sah, welche seinem Schwager und Freunde winn des Gelehrten bereiten würde, htete er passive Haltung. Wie fein sich Friedrich Wilhelm in dieser genheit benahm, mag folgende Stelle inem noch ungedruckten Briefe an allerteuersten Max Rex", datiert ttenburg, 18. März 1853, beweisen. bitt' ich Dich aus tiefstem Herzen, 1s Folgende mit der Ueberzeugung, h Dir die lauterste Wahrheit be werde. Es ist dies jederzeit eine ache für mich, nie aber mehr, glaube 6 ! als in der Angelegenheit Rankes . ur Sache. Als ich Deinen lieben erhielt, waren etwa fünf Tage verdaß ich mit dem Kultusminister imer mit großer Beängstigung von 3Berufung nach München gesprochen n Versprechen empfangen hatte, alles he zu thun, um Fonds ausfindig zu izu pekuniären Anerbietungen , die vielleicht bestimmen könnten, Berlin zu verlassen. Du kannst Dir also Schreck denken, als Dein Brief elehrte , wie diese Berufung recht ich Dein Werk sei und mit welchen llen und weisen Plänen dieselbe zunhange. Ich hoffe von Deinem eigeefühle der Wichtigkeit dieses großen chtschreibers (den ich oft sehe und
König May II. und Leopold v. Ranke. =1502
| deſſen Konverſation und Vorlesungen unsere Abende oft erheitern und verschönern), daß Du nicht eine Revokation meiner Aufträge an Miniſter Raumer verlangen wirst. Dessen aber kann ich Dich versichern, daß ich von dem Tage des Empfangens Deines Briefes bis heute eine entschieden passive Haltung dieser Sache gegenüber einge nommen habe. Meine Aufträge waren mündlich. Ich habe sie nicht wiederholt und mit Ranke, den ich seither öfters gesehen und gesprochen habe , keine Silbe gesprochen , die Deine Absichten mit ihm berührt hätte. Ja , ich weiß bis heute kein Wort vom Stande der Unterhandlung Raumers mit ihm und frage auch nie mand danach. Die Zeitungsnachrichten, die Rankes Verbleiben in Berlin ange kündigt haben, entbehren der Begründung. Die Sache schwebt in der Luft wie eine Orchis mit unentfalteter Blüte. Ich weiß durchaus nicht, ob die Blume Deine oder meine Farben tragen wird. Seit Em pfangen Deines Briefes thu' ich nichts ab und nichts zu . Und so werd ich treu dem Worte, das ich Dir hier gebe , bis zur Entscheidung verharren ! " Ranke, gerade damals von seinem König häufig in Fragen der inneren und äußeren Politik zu Rate gezogen , glaubte die Residenz der Hohenzollern, wo er so feste Wurzel gefaßt hatte, nicht verlassen zu dürfen, lehnte also den ehrenvollen Ruf nach München ab. Wie frei König Mar von kleinlicher Empfindlichkeit und wie hoch er den Gelehrten schäßte , bewies er dadurch , daß er alsbald eine neue Einladung an ihn richtete : Ranke sollte nach Berchtesgaden kommen und mit dem Könige in zwang losem Gespräch , sowie in einigen Vorträgen geschichtliche Fragen erörtern. So wiederholten sich denn Szenen, wie die oben geschilderte , fast jeden Tag von Ende September bis Mitte Oktober. In neunzehn Vorträgen ließ Ranke vor seinem aufmerksamen Hörer die ganze Weltgeschichte vorüberziehen , indem er jede einzelne Epoche mit wenigen , aber scharfen Strichen charakterisierte. Gerade Ranke war dazu wie kein anderer be fähigt , er , der schon in der Jugendzeit den Drang in sich fühlte, „die Mär der Weltgeschichte aufzufinden , jenen Gang der Begebenheiten und Entwickelungen unseres Geschlechts , der als ihr eigent licher Inhalt , als ihre Mitte und ihr Wesen anzusehen ist , " dessen spätere Wirksamkeit, mag man den Forscher, den Lehrer oder den Darsteller der Geschichte ins Auge fassen , einen ausgeprägt universellen Charakter an sich trug , dessen vornehmste Eigentümlichkeit gerade in ununterbrochener Rücksichtnahme auf das Ganze des Menschengeschicks, in der Fest stellung der Wechselbeziehungen des Besonderen und des Allgemeinen besteht. • Jene für König Mar gehaltenen Vorträge sind uns jetzt bekannt ; Alfred Dove hat dieselben als Anhang , gewissermaßen als Epilog zu Rankes Weltgeschichte veröffentlicht. Von ihrem Gedankenreichtum kann natürlich im engen Rahmen dieser
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| Besprechung ein anschauliches Bild nicht gewährt, nur in Kürze soll der Inhalt sfizziert und einzelnes hervorgehoben werden. König Mar war ein eifriger Schüler und treuer Anhänger Schellings , - ist er doch zu dem Plan , in München eine Heimstätte der Wissenschaft zu gründen, recht eigentlich von seinem Lehrer Schelling angeregt worden. Dagegen stand er insofern unter Hegels Einfluß , als er für eine deduktive Konstruktion der Geschichte nach einem Schema gewisser " leitender Ideen", für eine Weltanschauung, die in allem Dasein einen kunstvoll gegliederten Organismus , ein harmonisches Ganzes erblicken will , ausgesprochene Neigung hatte. Gegen diese Auffassung des Wesens und der Aufgabe der Geschichte verwahrt sich Ranke aufs entschiedenste. Der Geschichtschreiber soll die Gesetze der Entwickelung des Lebens in der Zeit nachweisen, soll immer den Blick für das Allgemeine offen halten, aber sich nicht dasselbe vorher ausdenken und sich der Annahme hingeben , daß die Geschichte sich wie ein logischer Prozeß nach den ein für allemal von Philosophen festgestellten Gefeßen entfalten müſſe. Folgerichtig verneint Ranke auch den Fortschritt in der Geschichte , den Fortschritt in dem Sinne, als ob die Menschheit sich immer höher potenziere , so daß Epoche auf Epoche wie Stufe auf Stufe zum Ziel emporführe. Als Beweis für die Unrichtigkeit dieser Theorie führt er die Thatsache an, daß in Asien , von wo alle Kultur ausging, nach Epochen glänzenden Aufschwungs die Kultur wieder ganz zu Boden sank. Ein stetiges Fortschreiten zur Vollkommenheit läßt sich, wenn man das ganze Universum in den Bereich der Betrachtung ziehe, ebensowenig im moralischen und religiösen Leben erkennen , wie in Kunst und Wissenschaft. Der Höhepunkt, den die griechische Kunst einnahm , ist nie mehr erreicht worden. Thukydides , der die Geschichtschreibung eigentlich produziert hat , ist in seiner Weise unübertroffen geblieben. Nur in bezug auf Erkenntnis und Beherrschung der Natur ist der Fortschritt, ein glänzender Fortschritt unverkennbar. In großen Zügen schildert nun Ranke die einzelnen Abschnitte des geschichtlichen Lebens, überall Ursachen und Wirkung in der „fortdauernden Bewegung der Menschheit" nachweisend. Mit besonderer Vorliebe bespricht er die weltgeschichtliche Aufgabe des alten Rom. Man kann sagen, daß alle alte Geschichte in die römische sich hinein ergießt , gleichsam in einen Strom , der in einen See mündet , und daß die ganze neuere Geschichte wieder von der römischen ausgeht." Gründung einer allgemeinen Weltlitteratur , Ausbildung eines Rechts , das die Grundlage. für alle spätere Rechtsbildung abgab, Drganiſation der monarchischen Verfassung, Erhebung des Christentums zur Weltreligion, diese gewaltigen Errungenschaften hat das Abendland der römischen Aera zu verdanken.
Karl Theodor Heigel.
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König Mar II. und Leopold v . Ranke. -1505-
1506-
Nachdem diese für die Welt nötigen | abhängig von der französischen Krone ; die der größte Politiker, den Deutſchland is Ideen erzeugt waren , starb das römische ses Verhältnis führte zum Schisma und vorgebracht hat, indem er in der Win Westreich ab. Die Herrschaft ging an damit brach die Weltherrschaft der Päpste, Dinge lebte, die Stürme herankomma. eine jugendlich kräftigere Sippe, die Ger- die auf dem Prinzip der Einheit beruhte, und immer die richtigen Maßregeln et manen, über , ohne daß die Sieger die in sich zusammen. Mit unvergleichlicher Klarheit :: römische Kultur entbehren konnten. Aus Auch die gleichzeitig aus dem Altertum entwickelt, aus welchen Ursachen die der Vermischung der beiden Volkselemente in die neue Zeit hereindringende Kultur: Revolution herauswachsen mußte. gingen neue Nationen mit romanogermani- erneuung, die sogenannte Renaiſſance, war wig XVI . beging nach Rankes Amitt scher Verfassung, Kirche, Litteratur hervor. eine Feindin der geistlichen Autorität . So gefährlichsten Fehler dadurch , daß Diese abendländische Welt wurde aber konnte endlich die Opposition, die schon an erst selbst den dritten Stand aus pa in ihrer Eristenz gefährdet durch die Aus- Arnold von Brescia, Savonarola und Huß scher Ohnmacht hervorzog, dann aber breitung der arabischen Herrschaft. Mo beredteAnwälte und todesmutige Blutzeugen schmähte , mit diesem Faktor zu red hammed hatte aus allen bestehenden Re- gehabt hatte, zum Sieg gelangen, und zwar und die Hilfe des Bürgertums gea ligionen diejenigen Dogmen und Formen zuerst in Deutschland, wo ein tieferer Be radikalen Umsturzgelüſte des Pe Anspruch zu nehmen. entlehnt , welche dazu beitragen konnten, griff von Religion Wurzel gefaßt hatte. Vorurteilslos wird Napoleons 1.6 die Araber in ein kriegerisches , von reliOb es für Europa ein Glück gewesen giöser und nationaler Begeisterung ent- wäre, wenn im 16. Jahrhundert der Pro- anerkannt , die wahnsinnige Chrjut flammtes Volk umzuwandeln , dessen Fa testantismus die alte Kirche völlig über schonungslose Brutalität des Manns natismus alles vor sich niederwarf. Ein wunden hätte ? Ranke glaubt es nicht . brandmarkt. Den Monarchien, die nachNapol Reich von unermeßlicher Ausdehnung wurde Es scheint ihm zweifelhaft , ob sich das von den Kalifen gegründet, aber der Sieg evangelische Bekenntnis überhaupt für die Sturz aus den Beſchlüſſen des H bei Poitiers rettete das Abendland vor südlichen Nationen eigne, und er hielte es Kongreſſes hervorgingen, weist Hard dem Halbmond. Das Christentum gewann für einen bedauerlichen Verlust, wenn der Verpflichtung zu , vor allem dafür nicht nur Einfluß auf alle übrigen Kultur- phantasievolle Gottesdienst der alten Kirche zu tragen, daß dem feindlichen Ges erscheinungen, sondern wurde auch das ent- gänzlich ausgerottet würde. Für Deutsch zwischen der durch die große Revolutie: scheidende Moment für die politische Ge- land freilich wäre es ein Glück gewesen, wenn die Weltgeschichte eingeführten Volk staltung der europäischen Welt. es nicht durch den Religionsstreit in zwei veränität und dem durch den langen Kr Im Karolingerreich sehen wir Kirche feindliche Lager geteilt worden wäre, denn zustand aufs neue gekräftigten monarc und Staat noch friedlich vereinigt ; Frucht es wäre der Dreißigjährige Krieg mit seinen Prinzip durch Einführung und ehrliche dieser Verbindung ist der Sieg der alt Greueln und unheilvollen Nachwirkungen rechthaltung konstitutioneller Grundigh gefährliche Schärfe benommen werde römischen Kaiseridee über das germanische dem deutschen Volke erspart geblieben. Königtum . Doch allmählich bildet sich Auch dieser verzweifelte Zweikampf der Das hohe Interesse, das eine E zwischen den beiden Gewalten jener feind feindlichen Religionsparteien brachte keine rung der wichtigsten weltgeschicht liche Gegensatz aus , der die leidenschaft- Entscheidung. Deutschland ist seitdem so- Probleme durch einen Gelehrten von lichen Kämpfe zwischen Kaisertum und zusagen einer gemischten Ehe mit geteilter tes Bedeutung bietet , wird noch da Papsttum in den Zeiten der Salier und Kindererziehung zu vergleichen. Allmäh- gesteigert, daß wir auch Einsicht e Stauferheraufführt. " Man darf in dieſem lich verlor sich hier wie anderwärts der wie König Mar diese Urteile und Streit nicht ein Unglück sehen , denn er Fanatismus , die Verschiedenheit des Beschläge aufnahm. Die Fragen, wel liegt zu tief in der Natur der Dinge be- kenntnisses galt nicht mehr als ein für nach Beendigung einzelner Vorträ gründet, und an diesen Gegensäßen ist der allemal trennende Schranke , und Kriege Ranke richtete, beweisen, daß er aus europäische Geist gereift. " Ebensowenig wurden jest nicht mehr um der Religion Gehörten unmittelbar praktiſchen Ar ist nach Rankes Auffassung das Urteil willen geführt, sondern entspannen sich aus im edelsten Sinne des Worts zu ze bietet besonderes Intereſſe, weil die Frage dynastischen oder handelspolitischen Strei- bemüht war. Mar glaubte an den chedem zwischen Vertretern der groß und tigkeiten. Insbesondere die Furcht vor Stö lichen Ursprung , an das unveräußell der kleindeutschen Idee so lebhaften Streit rung des politischen Gleichgewichts der euro- Recht, die Unantastbarkeit des Köniate entfacht und Rankes bedeutendster Schüler, päischen Mächte ließ wiederholt Bündnisse Einer Natur wie der seinen mußten es Sybel, die entgegengesetzte Ansicht vertei gegen Ludwigs XIV. ehrgeizige, auf Welt- scheinungen wie die franzöſiſche oder in digt hat , der Uebergang des Kaiser herrschaft zielende Pläne zustandekommen . englische Revolution ganz besonders tums an die deutsche Nation als Unheil Ranke beurteilt diesen Vertreter des stößig sein. Troßdem sucht er sich für die Entwickelung unseres Vaterlands fürstlichen Absolutismus auffallend gün- Ernst und Eifer zu unterrichten, anzusehen , schon deshalb nicht , weil die stig . Seine Devise war : Mein Ruhm weit etwa solche gewaltsame Ummäks enge Verbindung mit Italien auf die und Frankreichs Wohl ! Darin liegt zwar vom Standpunkt der geschichtlichen deutsche Kultur heilsamsten Einfluß übte. etwas Egoistisches, aber Ludwig XIV . war als berechtigt anzusehen wären. E Hinwieder haben fast alle Nachbarvölker, doch ein großer Mensch ! " Ranke ist zu gewissenhaft sucht er zu ergründen. Böhmen , Polen , Ungarn , Skandinavier , objektiv , um sich von der Erinnerung an die eigentliche Größe der von der Ge der zeitweiligen Unterwerfung unter das das namenlose Unheil , das jene Erobe mit besonderer Auszeichnung gena Vor allem t Deutsche Reich höheren Aufschwung ihres rungszüge des Roi soleil über die deut- Fürsten bestanden hat. Kulturlebens zu verdanken. Das römiſche ſchen Gaue brachten, beeinfluſſen zu lassen ; kommt er immer wieder , auch noch Kaiſertum deutscher Nation überragte weit daß nicht etwa höfische Rücksicht für das letzten Abende , auf die Frage zurüd , alle anderen weltlichen Gewalten, aber dem Urteil des Historikers maßgebend war, er nicht doch im Laufe der Jahrhunderte Kampf mit dem Papsttum war es nicht hellt schon daraus , daß er die absolutistische Zahl der gesitteten Menschen zugenem gewachsen. In der Zeit der Kreuzzüge Politik Karl Stuarts einer sehr abfälligen habe , mithin eine günstige Forten riſſen die Päpste die Führerschaft über die Kritik unterzieht und das Vorgehen der engli- lung der Geschichte zu einem höheren religiös erregten Völker an sich, während schen Nation gegen Jakob II . nicht mißbilligt. wahrnehmbar sei. Mit Rankes Zuge zugleich auch Kunst und Wiſſenſchaft im Ludwigs Zeitgenosse, Zar Peter, war nis , daß zwar nicht in der Slither ganzen Abendland von geistlichen Elemen- eine der energischesten Naturen, welche je wohl aber in der Humanität ein ten durchdrungen und beherrscht waren. mals existiert haben. Um Rußland groß wärtsstreben, also in gewissem Sinne Doch Philipp der Schöne von Frank zu machen , mußte er das thun , was er ein Fortschritt in der Geſchichte sich reich nahm den von den Staufern ver- gethan hat . Hätte er sein Hauptaugen kennen lasse, gelangen die für Schuler 1.30 lorenen Kampf gegen die römische Kurie merk auf Asien gerichtet , so wäre Ruß- Lehrer ehrenvollen Wechselgespräche zu 7 mit rücksichtsloserem Eifer und größerem land eben ein Barbarenreich geworden. “ föhnlichem Abschluß. Glück wieder auf, das Papsttum wurde Friedrich II. von Preußen war " wohl |
Ernst v. Hesse-Wartegg.
1507-
Bei den französischen Pflanzern von Nen-Akadien. -1508-
Bei den französischen Pflanzern von Neu-Akadien. Von Ernst v. Helse - Wartegg.
rinz Karneval feierte in der Haupt- | hatte ich bisher auf so kleinem Raume eine stadt Louisianas seine fröhlichen Feste. so große Zahl junonischer Schönheiten verVor drei Tagen war er als stattlicher Ka- sammelt gesehen als hier, in den Ballsälen valier an der Spitze einer malerischen von New Orleans . Jhr herrlicher Wuchs Reiterschar durch die buntbeflaggte Kanal wurde durch reiche glänzende Toiletten herstreet in New Ehren, mehr vorgehoben, in ihren dunklen Augen strahlte Orleans eingezoaber noch zu südliche Glut, üppiges schwarzes Haar um gen, und dieYanihrem Ver- rahmte die schönen Gesichter, und in ihrem fees wie die frans gnügen, Tanz zeigten sie verführerische Geschmei zösischen Kreolen große gländigkeit. zende Bälle. Mein Zweck war es freilich nicht gegaben zu seinen Zu feiner wesen, hier in der Kreolenstadt zur Zeit günstigeren des Karnevals von Ball zu Ball zu fliegen
Am Miffiffippi (6. 1512). Zeit hätte ich die Metropole des Mis sissippi besuchen , zu feiner Zeit die viel gepriesene Schönheit der Kreolinnen besser be wundern können. Aus den alten, sonst so stillen, verschlossenen Palästen des französischen Stadtteils , aus den großen, weiten Plantagen des alten Alkadien waren sie hierherge kommen, um sich wenigstens einmal im Jahredem Vergnügen , der Freude, dem Tanz hinzugeben, und nirgends
und diese Schönheiten zu bewundern. Ich war auf den großen Flußdampfern den Mississippi herabgeschwommen, um seine Mündungen zu studieren, das Leben auf den Zucker- und Reisplantagen kennen zu lernen und das stille, romantische, sagen umsponnene Akadien zu besuchen, das Ba radies der im vorigen Jahrhundert von den Engländern aus ihrer Heimat ver triebenen Französisch- Kanadier , die hier in Akadien zwischen dem Atchafalayastrom und dem Calcasieu ihre zweite Heimat gefundenhaben. Henry Wadsworth Long-
From HARPER'S MAGAZINE
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fellow selbst hatte mich auf sie aufmerksam gemacht, als ich ihm in seinem schmucken. Hause zu Cambridge bei Boston von meinem Reiseprojekt erzählte. Beim Abschied hatte er mir noch seine unsterbliche akadische Romanze Evangeline" als Reiselektüre mitgegeben und seinen Namen in das Buch geschrieben. War es da ein Wunder, daß ich mich dann in New Orleans länger aufhielt und Einführungsbriefe an die alten französischen Pflanzer in Neu- Akadien zu erhalten suchte? Aber sie waren nicht erforderlich. Auf den großen Bällen der Hauptstart war alles versammelt, was Louisiana an Reichtum , Schönheit und Vornehmheit aufzu weisen hat , und alsbald war ich durch meinen Freund, Gouverneur W. , bei den schönsten der Damen persönlich eingeführt. Kaum hatten sie meine Absicht, das romantische Bayouland des südlichen Louisiana zu besuchen , erfahren , so erhielt ich auch schon Einladungen nach dieser und jener Plantage. Sie wollten in einigen Tagen. dorthin zurückkehren, und ich möge sie dann auf ihren Privatdampfern begleiten . In New Orleans leben die französischen Kreolen in ihrem eigenen, urfranzösisch gebliebenen Stadtviertel . Von den „ Levees" (Hafen) des Mississippi in der prächtigen breiten Hauptstraße der Stadt, der Kanalstreet, aufwärts schreitend, ist rechts alles französisch , spanisch und italienisch ; links alles englisch. Westlich der Kanalstreet ist östlich gibt alles , Street, Cents , Sir" es nur ,,Centimes, Rue, Monsieur". Frägt man die Leute in der Straße um Auskunft, so wird man links englische, rechts französische Antwort erhalten. Die beiden Bevölkerungen leben abgesondert und bilden eigene Gesellschaftskreise. Nur ist die englische Bevölkerung reicher, liberaler, gebildeter, ebenso wie der englische Stadtteil der modernere , schönere ist. Der Yankee hat den Franzosen überholt . Die Kreolen die alte, erbsässige Pflanzerbevölkerung , lebt viel zu sehr in dolce far niente, um mit dem flinken, energischen Amerikaner gleichen Schritt zu halten. Ihr ganzes Dasein dreht sich um Zuckerrohr und Liebe. Der große Sklavenkrieg hat sie vollends in den Hintergrund gedrängt . Er sprengte den Stlaven, diesem wertvollsten Besitztum der Pflanzer, die Fesseln und beraubte die Kreolen dadurch ihres Reichtums . Ohne Sklaven fielen die Pflanzungen auf ein Drittel oder Viertel ihres Wertes herab, und die vielen Millionäre , die es unter den Kreolen gab , wurden zu kaum viel mehr als verschämten Bettlern . Darum hat sich das Kreolentum auch aus den reichsten und vornehmsten Teilen von New Orleans zurückgezogen. Es wohnt nur noch im französischen Viertel der Stadt, es vegetiert in einzelnen abgeschiedenen Gegenden Louisianas und kommt nur bei seltenen Gelegenheiten, wie zur Zeit des Karnevals, zum Vorschein. Einstens war Louisiana eine Hölle für die Sklaven, aber ein Paradies für die Weißen. Nun ist die Hölle verschwunden, aber sie hat auch das Paradies mit sich gerissen.
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Ernst v. Hesse-Wartegg. Bei den französischen Pflanzern von Neu-Ukadien. 1511
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gerade dieses einzig schöne Stück Land darbietet. Es sind sozusagen nur zwei Uferdämme des mäc tigen Stroms, zwei Halbinseln, an manchen Stel len nur eine englische Meile breit ; auf der Flug seite durch künstliche Dämme , sogenannte Levees, gegen den gewaltigen Strom geschüßt , auf der Meerseite hingegen von unbestimmter Grenze. Der Süßwassersumpf vermengt sich dort mit den Flut gewässern des Meeres . Vergeblich sucht man dort bestimmte Grenzen zwischen Festland und dem Strand des mexikanischen Golfes . Um den Flu herum ist alles Kultur , an der Meeresseite alles Wildnis , jungfräulicher Urwaldssumpf. Am Flusse bewegtes Plantagenleben , hier und da prächtige Wohnhäuser, im alten spanischen Kolonialstil gebaut, von Rosengärten umgeben, von Magnolien über schattet , von stolzen Pflanzern bewohnt, und am Meere, kaum eine Wegstunde weit, hausen Tausende von Alligatoren, Schildkröten, Mokassin- und Klapperschlangen in den düsteren, von mächtigen Baum: riesen dicht befesten Cypressensümpfen (S. 1523). Und zwischen diesen beiden großartigen Kontrasten, zwischen hoher Kultur und der tiefsten Wildnis , liegen die Plantagen, werden Zucker, Reis und Orangen gepflanzt. Heiteres , warmes Sonnenlicht ist Sommer und Winter über dieses subtropische Strombild gebreitet. In der Ferne sieht man zwischen den Bäumen zuweilen die weißen kleinen Häuschen der Plantagenneger, das sogenannte „ Quarter"; drüben in den tiefliegenden Feldern, über denen die heiße Luft zittert. arbeiten die Neger und Maultiere, von Auf dem unendberittenen Aufsehern bewacht. lichen Wasserspiegel des Mississippi (S. 1507), diesem fließenden Meere, dahinfahrend, übersieht man dies alles bis zum Urwald am Horizont, denn das Land liegt tiefer als der Wasserspiegel und ist gegen die Fluten nur durch Erddämme geschüßt. Gar häufig werden dieselben durchbrochen, und die Pflanzungen From Harper's Magazine. Im Kreolenviertel von New Orleans (S. 1510). sind dann eine Beute des Elements. In vielen der alten Plantagen des Mississippi haben sich nun Dem französischen Stadtviertel sieht | Jahrhundert. — New Orleans ist nicht | Yankees eingenistet, nördliche Energie und man den Verfall des Kreolentums wohl nur der Haupthafen und die Metropole nördliches Kapital mitgebracht. Dampfan. Von dem urfranzösischen Jacksonsquare des Zuckerdistrikts , es ist auch der Aus- maschinen und Zuckerfabriken zerstören schon (S. 1515), dem einstigen Place d'armes, gangspunkt für alle Ausflüge auf dem hier und da den idyllischen Anblick dieses mit seiner dreitürmigen Kathedrale aus Vater der Ströme und seinen zahllosen Plantagenlandes. Aber an den Seitengehend , gelangt man in finstere enge wasserreichen Nebenflüssen, durch schiffbare strömen und Bayous in Akadien leben Straßen, von ähnlichem Aussehen wie jene natürlicheKanäle, sogenannte Bayous unter noch die altangestammten Pflanzer auf der Vorstädte von Marseille oder Bor- einander und mit den vielen Seen ver- ihren Ländereien. Eine Woche war mit dem Besuch des deaux. Die Aufschriften , Firmentafeln, bunden, welche die Prärie- und UrwaldsStraßennamen, die Zeitungen, der ganze region des südlichen Louisiana unterbrechen. untern Mississippi vergangen, und als ich Kleinverkehr ist französisch. Weite Balkone Die schönsten dieser in den Zauber un nach New Orleans zurückkehrte, fand ich mit schön geschwungenen bauchigen Eisen- berührter Romantik gehüllten Bayous aber in meiner Wohnung im St. Charles-Hotel geländern, grüne Jalousien über den offenen sind jene Akadiens : Bayou Lafourche, Bayou eine französisch geschriebene Einladung, die mit Blumentöpfen beseßten Fenstern (S. Tigre, Bayou Teche ( S. 1520), auf welchen Familie des Sieur de T. morgen früh nach 1510) , hier und dort der Ausblick durch eine kleine Flußdampfer und Boote bis weit seiner Plantage am Bayou Teche zu be alte Gitterthür in einen weiten magnolien aufwärts zu den entferntesten Akadier- gleiten. T. und seine bildschöne Tochter beschatteten Hof (S. 1516), in seinerArchi- dörfern, bis Jberia, St. Martinsville, Ver- Clarisse , sie , welche auf dem Eliteballe tektur an die alten Paläste der Bourbonen million , La Place u. s. w. vordringen. des Mardigras vom Prinz Karneval zur Die größten und bedeutendsten Zucker Königin erwählt worden war , harrten zeit in Italien , Spanien , Südfrankreich erinnernd. Wie sich doch hier die alte plantagen liegen allerdings am unteren bereits meiner, als ich an dem LandungsZivilisation der hispano-maurischen Rasse Mississippi , längs der Ufer seines noch plat der Ferryboote eintraf. Lieber wäre unmittelbar neben jener freien, kräftigen 115 englische Meilen langen Laufes von es mir gewesen, Mille. Clarisse wäre bei anglosächsischen Zivilisation des jungen New Orleans bis zu seiner Mündung in diesem Ausfluge nach Neu-Akadien nicht Amerika erhalten hat ! Wie befremdend, den Golf von Meriko . Wenn man in meine Reisegefährtin, meine Führerin gewie eigentümlich erschien sie mir hier in Europa die kleinen gebräuchlichen Karten wesen ; Damengesellschaft auf Studiendem raschlebigen , telegraphierenden , tele- des Kontinents von Nordamerika betrachtet, reisen ist eine sehr fragliche Sache , die phonierenden , von Elektrizität erfüllten so würde man kaum vermuten, daß es einem selten wohl bekommt , und nun Dollarlande. Nur in dem nordöstlichen füdlich von New Orleans noch Länderstrecken gar eine solche Dame , eine KreolenKanada , der heute noch urfranzösisch ge- gibt, welche der Bereifung und Schilderung schönheit , die selbst in Louisiana Auf- nicht ein zartes , äthebliebenen Provinz Quebec, findet man in wert wären. Aber man täuscht sich hierin. sehen erregte dem weiten Kontinente ähnliche Bilder einer Es ist kaum glaublich , welche Fülle des risches Wesen , wie viele der Kreolinnen fremden Zivilisation aus einem andern Neuen , nie Gesehenen und Interessanten von New Orleans , sondern eine Amazone,
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Bei den französischen Pflanzern von Neu-Akadien. -1514-
ie mit Zügel und Gerte ebensogut um | Gegen Süden wird dieses schöne Akadien ehen konnte wie mit dem Ruder und von den Cypressensümpfen des Meeres , em Jagdgewehr - nicht eine Bürde gegen West und Nord von den großen ür ihre Begleiter, sondern eine furchtlose Savannen von Opelousas , Grand Choiseul, führerin, aber sie war von gar zu ge- Prärie Mamon , Calcasieu und Aubine ährlicher Schönheit ! - Bald hatte uns das abgeschlossen , bevölkert von großen Viehrryboot an das jenseitige westliche Ufer herden, gehütet von Hirten, die zeitlebens Mississippi, nach dem Städtchen Algiers wohl kaum über die Grenzen dieses weltracht , von wo wir mittels der nach vergessenen Reiches hinauskommen ist as laufenden Morgan- Eisenbahn nach das nicht eine moderne Auflage des alten etwa hundert Kilometer weiter west- Arkadien, dieſem vielbesungenen Lande des gelegenen Station Morgan City fuhren. alten Peloponnes, und sind die Akadier von organ City, nach ihrem Gründer Mor- Louisiana nicht moderne Arkadier? so benannt, ist ein wichtiger VerkehrsAus den düsteren, kalten Gefilden NeuLinkt in dem, das südöstliche Louisiana um- Schottlands von den Engländern vertrieben, assenden Neu-Akadien, denn hier mündet bahnten sich die französischen Akadier den er aus den Prärien von Opelousas Weg durch die Alligatorsümpfe und Urommende Bayou Teche in den breiten, wälder hierher , um sich inmitten dieser ür Seeschiffe befahrbaren Atchafalaya, der unglaublich üppigen Natur ihre neue Heiigentlich nur ein mächtiger Mündungs- mat zu gründen. Sie legten der unge um des Vaters der Ströme ist und, stümen Natur teilweise Fesseln an; sie alb Fluß, halb See, von den kolossalen hiebenUrwaldbäume nieder, schufen Wassermassen des Mississippi und des Red Plantagen und Felder , bauten River einen guten Teil in den merikani fich idyllische Wohnungen und umchen Golf führt. Auf seinem breiten, gaben sie mit schönen Gärten, zu zelben Rücken schaukelten neben den großen denen sie ihre Blumen und die nach Galveston und Corpus Christi und herrlichsten Zierpflanzen aus der andern Golfhäfen fahrenden Dampfern sie umgebenden Wildnis holen. auch eine schmucke kleine Dampfjacht, mit konnten. Nun fuhren wir ruhig durch ner blauseidenen Flagge auf der Mastpige, und den Namen "! Clarisse" in gol dieses fremdartige Land ; Clarisse denen Lettern auf dem Bug. Ueber ein hatte mich geheißen, neben ihr auf schwankendes Brett balancierend, nahmen dem Bug der kleinen Jacht Plat wir in dem koketten Fahrzeug Plat; ein zu nehmen, und dort lauschte ich Pfiff, und wir glitten ruhig quer über den Erklärungen und Aufden feeartig ausgebreiteten Strom in die schlüssen aus so schönem, verMündung des Bayou Teche, in das Herz führerischem Munde. War von Neu-Akadien in das Paradies von es deshalb allein , daß ich Nordamerika. Warum ich es so benenne? alles so schön und reizend Weil es auf dem weiten Kontinente, den ich fand? Beschreibt der Dichjahrelang nachKreuz undQuere durchstreift, ter ein Land in ähnlicher kein poetischeres, schöneres Stück Land gibt Sprache wie der Naturals diese schattigen, von klaren tiefen Strö forscher ? Und spiegelte sich men durchzogenen Cypressenwälder mit ur die Szenerie in den dunkeln alten Baumfolossen, an welchen sich Para- Augen dieser herrlichen Eifiten mit aller Leppigkeit der Tropen em porwinden , während von den Kronen in langen , zarten , luftigen Strängen das graue Bartmoos wieder dem Erdboden zustrebt, — oder diese mit tropischen Blumen und großblätterigen Wasserpflanzen dicht überwucherten Inseln in den stillen Waldseen, wahre Chinampas, wie sie im Aztekensee von Texcoco vorkommen , — oder diese idyllischen Pflanzerwohnungen auf dem saftigen Rasen der Waldlichtungen, Bilder, wie sie Bernhardin St. Pierre geschildert, — oder die grünen, von kleinen Seen hier und dort unterbrochenen Präriewellen von New Iberia und St. Martinsville, das einstige Gebiet der mächtigen Attakaposindianer , von denen wir einige Nachkommen in den stillen Wässern der Bayous fischen sahen. Hundert Meilen weit, auf und ab, ähnliche unverfälschte Naturbilder, tropische Lieblingskinder der warmen Sonne, die sie geschaffen, und der idyllischen, stillen, genügsamen Bewohner, welche fie pflegen und sich hier wohl befinden, unbekümmert um den Rummel , den Lärm, das Streben und Jagen der Außenwelt mit ihren Telegraphen und Eisenbahnen . From Harper's Magazine.-
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cerone wider, dadurch verklärt und verschönert ? Doch nein. Hier sind ja in der That diese alten Herrensige und diese koketten , modernen Villen und diese Plantagen, von denen ihr Mund erzählte. So war der Nachmittag vergangen; in dem goldenen Strahlenbade der untergehenden Sonne fuhren wir die stillen klaren Wasserstraßen entlang durch den Urwald, an New Iberia vorbei in die Region des Lac Beigneur und wie Hiawathas Abschied steht dieser Nachmittag und dieser Abend noch heute glühend vor meinen Augen. Nun war es Nacht geworden ; das Mondlicht glisert über das Wasser und zeigt uns den Weg durch den stillen Bayou ; die hohen Cypressen und Lebenseichen warfen tiefe Schatten quer darüber, und das von allen Aesten langherabwallende Mississippimoos gibt ihnen das Aussehen von gewaltigen Trauerweiden ; noch eine Stunde geht
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Das Jadsonsquare in New Orleans (S. 1510).
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Bei den französischen Pflanzern von Neu-Akadien. 15181517ruhig wie auf einem gelben Drangen an den Bäumen des Weges trat, gewahrte ich sie unter denselben rie es so weiter figen Magnolien , deren Laubkronen mi Geisterschiff. Clarisse ist stumm geworden nicht an andere Zonen gemahnt. ihren Anblick von meinen Fenstern aus und ich wage das Schweigen nicht zu entzogen hatten. In ein langes, dunkles brechen. Ich höre zuweilen die melanSchöner noch war das Bild, das die Reitkleid gehüllt, ein kokettes Hütchen auf cholischen Rufe der Sumpftiere , aufgeschreckt flattert hier ein Nachtvogel aus Plantage am nächsten Morgen von meinem dem Kopfe , lag sie nachlässig in eine dem Wege , oder ein Alligator plumpst Fenster aus darbot. Die herrlichen Mag- zwischen zwei Bäumen schaukelnden Häng von den Ufern in die dunklen Fluten. nolien , wahre Riesenbäume , waren mit matte, schöner als je. Ich habe auf Ein Huschen und Fliehen , ein Flüstern ihren weißen großen Blumenkelchen be- gewartet, die Pferde stehen bereit, komme und Rauschen in den Bäumen, dazu das deckt, schlanke Palmen streckten die hohen Sie, ich will Ihnen die Plantage zeigen . Gurgeln der vom Schiffsbug aufgerollten Stämme über das dichte Gebüsch der Man Damit reichte sie mir die kleine behand Wasserfläche beim Anschlagen an die Ufer! | darin Orange empor ; Agaven mit ge- schuhte Hand und führte mich nach der anderen Seite des Hauses. Kaum be rührte ihr Fuß meine Hand, als ich ihr das Pferd besteigen half. Einen Augenblick darauf sprengten wir davon. Etwa zweihundert Schritte vom Herren hause entfernt erheben sich ein paar Dußend kleiner Häuschen. Sie sind alle von der gleichen Größe : einfache Holzhütten, Kabanen , auf Pfählen ruhend und zwei bis drei Fuß vom Erdboden erhöht , daß sie aussahen, als stünden sie auf Stelzen Die Bayous und Mündungsarme des Mississippi treten nämlich alljährlich im Winter aus ihren Ufern, das ganze Land auf Hunderte Meilen in der Runde unter Wasser segend, weshalb gewöhnliche Wohn häuser hier nicht genügen würden. Die ,,Cabanes " stehen in unregelmäßigen Grups pen beisammen, ohne aneinandergebaut zu 5179 sein, um die Ausbreitung von Schaden feuern,zu verhindern. Ein großes Gebäude, ebenfalls aus Holz , dient als Hospital, ein zweites als Kirche. Dies sind die so genannten ,,Quarters ", die Wohnungen der Plantagenneger , der einstigen Sklaven Hier wohnen sie mit ihren Familien, ihren Kindern, diesichdraußen hinter den Häusern in den Feldern herumbalgen. Die Frauen find mit ihren Männern auf der Plan tage, und nur hier und dort kauert viels leicht eine alte Negerin in hellfarbigem Kleide, ein turbanartiges buntes Tud um den Kopf gewickelt , vor der Thür. ,,Da ist ja Mammy, " rust Clarisse und deutet mit der Gerte auf eine alte, häßliche Negerin, die eben ihre kleinen, schmutzigen, nackten Enkel füttert. Auf ihren Knien hält From Harper's Magazine. fie eine irdene Schüssel mit irgend einem Straßenbild aus dem französischen Teil von New Orleans (3. 1510). Brei, und die fleinen Bengel umdrängen
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Die Kreolin neben mir schien mit mir zu fühlen, auch sie war von diesen groß artigen Naturbildern in den Bayous gefesselt. Krads! Ein Knirschen und Knarren und Stillehalten und dann ein Hallo und Lichter vom Ufer her. Wir waren angelangt. Clarisse sprang flinken Fußes, ohne meine hilfebietende Hand zu nehmen, ans Land, Monsieur de T. und ich folgten . Hier einige Steinwürfe von Bayou entfernt lag Clarissens Heim, das stattliche Pflanzerhaus, einem altfranzösischen Schloß nicht unähnlich, hätten sich hier nicht breite auf Säulen ruhende Veranden in beiden Stockwerken rings um das Haus gezogen -hätten nicht gewaltige Magnolienbäume auf dem weiten Rasen davor Wache gestanden und hätten nicht die großen hoch
waltigen , zentnerschweren Blättern fassen die breite, feinbesandete Terrasse vor dem Hause ein. Die Hecken werden von üppig blühenden Rosensträuchern gebildet. Sie schließen den Blumengarten des Hauses von einer großen Orangenwaldung ab, deren Bäume mit den dunklen, dichten noch fruchtbeladenen Kronen schon wieder in üppigster Blüte stehen und einen bezaubernden Duft aushauchen. Pfauen und Truthühner stolzieren auf den weichen, sonnigen Rasenflächen umher und unterbrechen zeitweilig durch ihren Schrei die Ruhe , die über die ganze idyllische Szenerie gebreitet ist. Die Pflanzer, die Aufseher und Neger sind längst draußen auf der Plantage an der Arbeit und Clarisse ? Ich mußte doch herunter, und als ich auf die Terrasse vor dem Hause
sie schreiend und lassen sich den Mund vollstopfen , daß sie zu ersticken drohen. Kleine Ferkel , ebenso schwarz wie die Kinder und schwer von diesen zu unter scheiden, umgrunzen die Alte und schnappen ihr manchmal den für ihre menschlichen Spielgenossen bestimmten Bissen weg. Zwischen den Pfählen unter den Häusern haben sich die älteren Schweine fest genistet und wagen nur zeitweilig einen Ausfall , um einen zur Erde gefallenen Brocken zu erhaschen. Ein idyllisches Bild! Weiterhin begegnen wir ein paar prächtigen pechschwarzen Jungen, die am Rande eines Abzugsgrabens lungern und Krebse fischer Seit ihrer Geburt haben sie noch niemals ein Kleidungsstück an ihrem Leibe gehab und sigen auch jetzt in köstlicher Unbe fangenheit an dem Graben. In solchen Dolce far niente bringen diese Bengel
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1519ihre Jugend zu, bis sie groß und stark genug sind, um auf der Plantage arbeiten zu können . Dann überlassen sie ihre juvenile Thätigkeit ihrem jüngeren Nachwuchs . Des Morgens und Abends bieten diese Quarters " ein viel bewegteres Bild dar. Kaum daß die große Glocke auf dem Dache des Suppenhauses ihr zweites Morgensignal gegeben , als auch schon der weite Plaz vor den Negerhäusern sich zu füllen be= ginnt. Gerade wie unter dem Regime der Sklaverei werden die Neger auch jetzt noch gezählt und von den Aufsehern auf die Plantage hinausgeführt. Aber heute haben sie mehr Munterkeit und Lebenslust als damals. Singend, springend , lachend bewegen sich diese Schwärme der Plantage zu. From Die Körbe auf dem Kopf, die Werkzeuge auf der Schulter, tänzeln sie in drolligster Weise über den weiten Hof nach den Zuckerfeldern, und ebenso fröhlich kehren sie wieder von der Arbeit zurück. Am poffierlichsten gebärden sie sich, wenn ihnen ein paar junge Negerinnen begegnen , auf die sich natürlich das ganze Streben und Trachten ihres einförmigen und doch dabei fröhlichen Lebens konzentriert. Alles kokettiert miteinander, wirst sich verliebte Blicke und Liebeszeichen zu, tänzelt und wiegt und streckt sich, als gälte es , ein Menuett im Ballsaal zu tanzen. Aber diese jungen, frischen Plantagennegerinnen sind in der That prächtige Geschöpfe ! Die üppige Natur, die warme Sonne des Südens hat ihnen eine gewisse Sinnlich feit eingeimpft , die bei ihnen in so be-
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HARPER'S MAGAZINE Am Bahou Teche (Louisiana) (S. 1511.)
rückender Weise zum Vorschein kommt, | Eine Stundespäter arbeitet alles draußen daß da selbst kältere Herzen als jene der im Felde (S. 1526) . Wie in den Wohnunhalbruinierten Kreolenpflanzer Feuer fan- gen, so sind die weißen von den farbigen . gen. Eine schlechte Eigenschaft haben sie Arbeitern, den ,,Hommes du Couleur " , auch mit anderen Evatöchtern gemein : die im Felde streng geschieden. Die Sonne Schwazhaftigkeit ! und hier, mitten unter brennt gar heiß hernieder, und die MenFranzosen , natürlich auch in französischer schen, ebenso wie die zahlreichen Maultiere, Sprache. Sie müssen schwaßen, mit wem leiden schwer unter der drückenden Februares auch sei, mit den Alten, mit den Kindern, hiße. Befinden wir uns doch unter dem den sogenannten Pifaninis, die am Wege Breitegrade von Kairo ! Pferde kommen spielen, mit den Ferkeln, die sie beschnüf- deshalb nicht als Arbeits- , sondern nur feln, und wenn sie niemand andern haben, als Reittiere für die Aufseher zur Verschwaßen sie mit ihrem eigenen Spiegel ! wendung, welche die Plantagenverrichtungen zu leiten und zu überwachen haben. Aber sie schwingen nicht mehr die gefürchtete Peitsche -frei und furchtlos blicken die ehemaligen Sklaven zu ihnen empor, wenn sie ihre Bemerkungen machen oder sie zur Arbeit anspor nen. Ihr Rücken krümmt sich nicht mehr scheu , wenn sie den Gestrengen hinter sich dahergalop= pieren hören. Beitschenknall, Flüche und Wehrufe haben aufgehört, und Gesang, Scherz und Munterfeit sind an ihre Stelle getreten. Die große, meilenweit hörbare Glocke in den Quarters läutet Mittag. Die Hunderte von Maultieren wichern freudig auf. Jeder Negerbursche schwingt sich auf das erste beste Tier, und hopp ! hopp ! geht es im Trabe fort, den Quarters zu. Wie es den schwarzen Burschen auf dem knochigen kantigen Rücken der ungeschlachten Tiere, ohne Sattel und ohne Zügel gehen mag , fann man sich wohl denken (S. 1528) . Aber die Mules" kennen ihren Weg und stürmen wie ein paar KavallerieEskadronen auf den Plantagenhof Abendszene in den Reger Quarters (5, 1522).
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ein. Im Handumdrehen ist der stille son- | tarren , bald fröhlich , bald melancholisch, man sich nach fremder Gesellschaft wirknige Blah wie in ein Militärlager ver- wie der Widerhall meiner eigenen Ge- lich sehnt, um so mehr, wenn diese Fremden wandelt. Hier werden die rudelweise bei fühle. — Wie mir wird es jedem ergehen, aus Europa kommen und von dem Winter ſammenstehenden Pferde und Maultiere ge- der die Gastfreundschaft der Pflanzer in Paris , von der Season in London, von Land und Leufüttert. Dort ten erzählen stehen lange können. Ohne Tische, mit bilden Gäste dampfender die häuslichen Suppe,FleischArbeiten, dann und Gemüsebe= etwas Lektüre, schüsseln und vor allem: deckt. Die wei= Dolce far niBen Arbeiter ente die ganze von der Plantage wie aus Tageseinteider Zucker: Lung. Draußen aufdem Bayou fabrik haben ihren eigenen tänzeln stets Eine Tisch. ein paar leichte Boote in den Zeitlang hört man nur das Fluten; im Korridor des Klappern der Messer und Hauses lehnen. Gabeln und Jagdgewehre ; Teller und zwischen den Trinkbecher. dicken, stacheDuhende von ligen, grauen Aloen steht schwarzen Schweinen eine Zielscheibe umarunzen die für Revolver; Tische in den StalHunde , Hüh Lungen stamner, Ferkel, pfen ein paar Tauben , die Reitpferde unganze Tierwelt ruhig den Bo den; Equipa der Plantage nimmt an den gen , Spiele, Kricket, LawnMahlzeiten teil , nur die Tennis alles , alles ist stolzen Pfauen rühren sich da , und doch nicht aus ihrer ruhen die blassen, melancho vornehmenAb= lischen stolzen geschiedenheit Damen in den im PflanzerFauteuils im garten heraus, großen, eleganz wie spa= Em ganten nische Granden. - Eine pfangssalon Stunde später und starren ins Leere und ist alles wieder an der Arlangweilen beit. sich. Erst wenn Am schönGäste kommen, lernen sie den sten sind auf Wert ihrer diesen Planta gen die Abende Umgebung schäßen. Dann (S. 1519) . erst zeigen sich Clarisse und die Kreolinnen ich hatten den in ihrem vollVormittag in ften Glanz den Zuckerfeldern und in aber ohne sie? ALINDSAYSC Wozu auch? den DrangenFrom Harper's Magazine. Cypressensumpf (S. 1512). Clarisse wardie gärten zuge= liebenswür bracht; nach= mittags waren wir in das nächste Städtchen genießt. Fremde Gäste sind hier gern digste aller Cicerones. Der Vater hatte auf geritten, und wir saßen nun, nachdem die gesehen und stets willkommen, ob bei eng der Plantage zu thun, und so machte denn Täglich Sonne untergegangen, auf der Piazza vor lischen Pflanzern oder bei den Akadiern oder sie die Honneurs des Hauses . dem Hause. Von den Quarters aber scholl bei den Criollos von Cuba und Jamaika. hatte sie etwas Neues auf dem Programm. der prächtige Chorgesang der Neger her- Das Leben der Pflanzer und ihrer Fami Bald gingen wir nach den Cypressenüber, begleitet von Banjos und Gui- lien verläuft so ruhig und eintönig, daß sümpfen, um nach Alligatoren und Reihern
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a schießen; bald besuchten wir die Neger- nur ein Tier erblicken konnte. Bald be nochmals darauf spiegelten und wir auf quatters , die Trapper und Holzfäller in fanden wir uns in engen Kanälen mit geflügeltem Boote durch die Lüfte zu fahren ren ,Swamps ". Dann wieder belehrte mich klarem, fließendem Wasser, bald auf großen, schienen, über uns, unter uns Wald, über lejePlantagenfee über Pflanzen und Ern offenen, im Sonnenlicht glizernden See uns , unter uns Himmel. - Allmählich n des Zuckerrohrs , oder wir besuchten flächen , bald neigten sich Cypressen mit gewöhnte ich mich an die bezaubernde e Fabrik, in welcher das geschnittene ihren schmuzig-grauen Stämmen oder die Szenerie und ich konnte das Tierleben ohr gepreßt und der Zuckersaft einge mit Lianen schwer behangenen Magnolien wahrnehmen , das sich hier ebenfalls in impft wird; ein anderes Mal ritten tief herab, und häufig passierten wir schat- großer Abwechselung zeigt : prächtige, farir weit durch den Urwald nach den tige niedrige Laubgänge , in denen Däm benreiche Insekten im Grase, - dort auf Savannen, furz es war ein ewiger Wech- merung herrschte. An anderen Stellen der Wasserfläche die Rücken großer sich Ides Interessanten, Niegesehenen, daß die war der Urwald lichter und gönnte uns sonnender Schildkröten. Auf einem geage verrannen und damit der Abschied phantastische Durchblicke nach sonnigen fallenen Baumriesen sist ein wachsamer m. Clarisse wollte mich auf einem für Wassertümpeln, nach blumenreichen Rasen Reiher, bereit, seine Beute aus dem nassen ren , schöneren Weg mitten durch den flächen oder traurigen Einöden gebrochener, Elemente zu fischen. Hier taucht der stolze rwald nach Königsfischer in die Fluten. Place fühn, wo ichden Auf den groJampfer des Ben schwim menden Blät= Atchafalaya r dieWeitertern der Nymphäaceen wie: hrt benüßen ollte.- Das gen sich leichtepäck wurde geflügelte, vorausge Langschnabejidt, während lige Vögelein, mirunbekannte ir beide, geIgt von einiArt. Kraniche sigen zusam n Negern, durch die mengedrückt wie Federrangenhaine ballen im Geid Zuckerfelr dem Urbüsch, aus dem man den wilald zugalop erten. Ge den Truthahn schicht über rufen hört. räben und Droben in den Eichen und Tümpel Ahornbäumen Bend, undsich wischen den fliegen zahlodenen , oft reiche Bluebirds und ehr als zwan prächtig purFuß hohen From Harper's Magazine. Auf den Zuderplantagen (S. 1521). purne KardiSchilfstöcken näle wie große rchwindend, ihlte die Amazone ihren, nur ihr bekannten | vermodernder Waldriesen. Mit jedem | Funken am helllichten Tage , von Ast zu eg . Bald wölbten sich die Kronen der Ruderschlage wechselte das Bild, bis uns Ast. In der Ferne kommen ein paar ge= waldbäume über uns. Einige Hundert eine neue Wendung abermals in den offenen waltige Alligatoren mit ihrem ungeheuren, hritte weiter kamen wir an die Ufer breiten Bayou führte. Ueberall die größten offenen Rachen über die Oberfläche des es flaren, spiegelglatten Sees . Die Kontraste , selbst im Wasser. An einer Wassers empor , oder tauchen vom Ufer erde wurden nach der Plantage zurück Stelle konnten wir durch das kristallklare aus flink in ihr zweites Element, sobald andt, zwei Neger sprangen in das be- ruhige Naß bis auf den grünen , üppig fie uns erblicken . tstehende, kleine Boot und ruderten uns bewachsenen Grund blicken. Es schien, Man würde gewiß glauben, nie hätte ruhigen, gemessenen Tempo durch die als wäre dieses Wasser seit Jahrtausenden ein menschlicher Fuß diesen Urwald bewamps ". Die ungeheuren Cypressen mit unbeweglich an dieser Stelle , ungetrübt treten, und doch war er schon vor Jahr: langen Bartmoos , die Eichen und durch Regen, unberührt durch Stürme, wie hunderten bewohnt. Hier und da mitten en, Ahorn-, Palmetto , Lorbeer und zu Glas geworden. Ein paar Ruderschläge im Walde erheben sich die rätselhaften gnolienbäume, aus denen diese dichten weiter , durch ganz schmale Kanäle , und "! Mounds " , diese Denkmäler einer verälder zusammengesetzt sind, ließen nur wir befanden uns von einer reißenden schollenen Rasse. - Allmählich kamen wir ige Strahlen der glühenden Sonne Strömung fortgetragen , die mitten durch in offenere Gegenden und endlich , nach h ihre Laubkronen ; aber dennoch war den ruhigen Urwald eilte. Woher sie kam, mehrstündiger Fahrt, war La Place erin eine warme, wonnige, duftende wohin sie zog ? Ganze Inseln von Wasserreicht. Hier nahm meine Fee Abschied, osphäre gebadet , alles schien voll lilien und breitblätterigen Sumpfpflanzen und ich fuhr allein den Atchafalaya hinab, - ein ewiges Schwirren und Zir wiegten sich auf der Oberfläche. Manch nach New Orleans zurück. Nach Akadien, Säuseln und Plätschern , bald nah, mal hielt ich mich in diesem Labyrinth diesem Traumlande, wo ich so entzückende fern , bald stärker , bald schwächer. von Wald und Wasser wie verloren, nir Tage verlebt, bin ich bisher nicht wieder und da drang das Bellen der gends bot sich ein Ausweg dar. Allein gekommen , aber sollte ich es, ein zweiter atoren oder der Schrei der Raubvögel die wohl vertrauten Bootsleute kannten Rip von Winkle, nach hundert Jahren nser Ohr , ohne daß wir ihrer selbst ihren Weg. Flink ruderten sie auf eine wieder besuchen, ich glaube kaum, daß sich hr wurden. Ich wußte, der ganze scheinbare Schilfbarriere los - ein Say, in diesem abgeschiedenen Winkel des amebeißen und blauen Blumen bedeckte, ein Stoß und wir waren jenseits in rikanischen Südens viel verändert haben on Schilf und Wasserlilien verborgene frischem Fahrwasser mit so glatter Ober- dürfte . of war voll Leben, ohne daß ich auch fläche , daß sich Bäume und Himmel
Ernst Eckstein. Universitätsleben in der römischen Kaiserzeit. 1529-
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Universitätsleben in der römischen Kaiserzeit. Von Ernst Eckstein.
udwig Eichrodt in seinemberühmten Gedicht Der verlorne Sohn, oder Laster, Lebenswandel , trauriges Schicksal , doch endliche reuige Heimkehr Balthasars von Mesopotamien “ schildert uns die Verhält nisse der Hochschule von Alt-Babylon mit der genialen Leichtherzigkeit des Poeten, frisch , flott und ohne Rücksicht auf Zeit-
From Harper's Magazine.
als der Offenbachsche Ares mit den Insignien eines preußischen Kavallerieoffiziers . Aehnlich, wenn auch nicht ganz so massiv, wirkt das allbekannte Couplet : Sokrates, der ist gewesen In Athen Privatdozent. Publice hat er gelesen, Ihn bezahlte kein Student.
Hellas, das Vaterland des Homer, des und ein Privat Phidias , des Zeuris, dozent, der publice liest ! Athen, die altund ein Student, klassische Götterwiege, der bei Sokrates Rhetorit belegt! Das klingt zu komisch! In Wahrheit jedoch liegen die Dinge so, daß ein guter Teil jener Kontraste auf
Reger auf der Rüdtehr vom Markte (S. 1521).
und Lokalkolorit. Der wunderbare Kon- die Unkenntnis selbst des gebildeten Publitrast zwischen der konventionellen Ehrfums bezüglich der inneren Verhältnisse würdigkeit des Altertums und dem schnei- des Altertums zurückgeführt werden muß. Ich habe mehr als einmal betont, daß digen Realismus neuer und neuester Bierverhältnisse wirkt unwiderstehlich. die scheinbar so gähnende Kluft zwischen Es heißt da Vers 8 ff.: Antik und Modern um so mehr schwindet, je genauer wir uns mit den Einzelheiten Man erzählt vom alten Babylon des altklassischen Lebens vertraut machen. Wundersame Pracht und Fabylon. Wir sind von der Schule her noch gewöhnt, Dort schrieb man ihn ein als Fuchs, Doch statt Jus trieb er nur Jur. uns die Griechen und Römer nur in ihren politischen, künstlerischen und litterarischen Und er lebt, in dulci jubilo Festkleidern vorzustellen. Wir bilden uns Und in einem ewigen nubilo. Leider aber die Kollegien ein, jeder Bürger der Siebenhügelstadt habe Ließ er gänzlich unterwegien. geredet wie Cicero, Lebensweisheit getrieben Von dem Babylonier-Korps wie Flaccus, Präturen und Konsulate verWard er bald der Senior. waltet, und ab und zu schwer zu verstehende In den Gärten der Semiramis Inschriften verfaßt, in der heimlichen AbSpielt er manchen Schlauch und Bierramis, sicht, dieselben später durch Henzen und Und ergab sich allgemach Theodor Mommsen entdecken zu lassen. Pharao und derlei Sach'. Wir betrachten die Griechen stets nur unter Das moderne Studententum, so kurzer dem hehren Gesichtswinkel der Marathon Hand ins Mesopotamische übersetzt, berührt Sieger und Pindar-Bewunderer. Es ist ja zweifellos , daß die hängenden uns von vornherein wie der derbste karifaturistische Ulf, toller noch und verwegner, Gärten der großen Königin kein Restau-
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rationslokal waren. Auch scheint zu Zeiter des Sokrates weder der Skat , noch b Usus der Bestimmungsmensuren gebli zu haben. So ganz und gar auseinande liegend, wie dies der Leser vielleicht mutet, sind jedoch die Kulturmotive, mi sie Eichrodt in seinem „ Balthasar va Mesopotamien " zusammenschweißt, feines und wenn auch nicht gerade fi wegs, Babylon , so läßt sich doch für Hellas Rom der Nachweis erbringen , daß der Privatdozenten und ordentliche Professora gelesen haben; daß die Studenten te zahlten, teils die Kollegiengelder zu s den" bemüht waren ; ja, daß es ſtudentiſch Korps gegeben, an deren Spize Senior standen, wenn auch hoffentlich nicht so ver lotterte , wie der Sohn der Eichrodtide Athanasia. Der erste öffentliche Professor de klassischen Altertums war der berühm Rhetor M. Fabius Quintilianus, gebürt aus Calagurris in Spanien, dem heutigen Calahorra am Ebro. Als Jüngling hatte er in der Reich hauptstadt über den Büchern gesessen und dann eine Zeitlang in seiner Heima praktische Jurisprudenz getrieben , bis unter dem Kaiser Galba wieder nach Rom fam. Dort wirkte er lange Jahre hindur als Sachwalter. Daneben jedoch erteil er Unterricht in der Kunst der Rhetori Er war Meister der Form. Wenn er in der Gerichtshalle öffentlich sprach , drängt jich zahlreiche Stenographen herzu, um d glänzenden Reden des gefeierten Recht anwalts nachzuschreiben, und sie den la begierigen Accessisten und Referendare käuflich abzulassen. Auch die Redaktion des römischen Amtsblattes (,,Acta diurna hatte bei solchem Anlaß ihren Berid erstatter in der Basilika ; denn eine Qui tilianische Rede war ein Ereignis , v welchem die Zeitung Notiz nehmen mus Die Stenographie war in der römisch Kaiserzeit übrigens wenig entwickelt. leistete nicht entfernt, was gegenwärtig d Systeme von Gabelsberger und Stol Wenigstens klagt der berühmte Rhetor üb die Ungenauigkeit fast sämtlicher Sten gramme. Vielleicht übertreibt er ; viellei bekundet sich hier die erste Spur jen Pedanterie, die nachmals das unbestritten Erbteil so vieler Hochschullehrer geworde Der Kaiser Vespasian wohnte den on torischen Leistungen dieses ausgezeichnete Mannes mit Vorliebe bei. Eines Tage kam nun der Fürst auf den schönen danken, es sei doch eigentlich ein Skandal daß die äußere Eristenz eines tüchtigen Lehrers von der Anwesenheit einer größer oder geringeren Zahl von Studenten a hängig sei. Er faßte daher den Entschl diesem Uebelstand abzuhelfen. So wa Quintilianus Professor, dem Zeugnisse d bekannten Geschichtschreibers Suetonia zufolge, der da buchstäblich schreibt : . war es, der zuerst in Rom einen Hörja eröffnete, und dafür aus der Staatsta ein festes Gehalt bezog." Das lateinische Wort für ?? Hörja ist ,,schola", d. h. also eigentlich Schu
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Ernst Eckstein. Universitätsleben in der römischen Kaiserzeit. 1532-
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In dieser Bezeichnung liegt schon ein Hin- | Alexandrias gründlich kennen gelernt, und | Kaiser Trajan mit Apollodorus über die weis auf die im römischen Kaiserreich übliche in eigner Person bei den berühmtesten Pläne verschiedener demnächſt in Angriff Art der Kollegien. Es handelte sich in Professoren hospitiert hatte, gründete unter zu nehmender Bauten sprach, die zum Teil ― noch (wie das Forum Trajanum) den Hörsälen Roms nicht sowohl um freie dem Namen „Athenäum“ in der HauptVorträge, als um das , was heutzutage stadt des Weltreichs ein dem hellenischen heute unsere Bewunderung erregen. Da Seminar, Eraminatorium 2c. genannt wird ; und ägyptischen Vorbild entsprechendes In- wurde der Künstler über das vorlaute das heißt also : zwischen dem Lehrer und stitut, dessen Hörsäle vermutlich auf dem GeschwäßHadrians ungeduldig. Nacheinem seinen Studenten fand ein unausgesetter kapitolinischen Hügel unweit des Plages berühmten althellenischen Muster rief er Wechselverkehr statt. Bald gab der Pro- gelegen waren, wo heutzutage der Palast dem Kronprinzen zu : Wolltest du nicht fessor eine wissenschaftliche Auseinander- des deutschen Botschafters steht. Auch seine die Güte haben, lieber Gurken zu malen ?" Als Hadrian später zur Regierung gesehung , bald trugen die Schüler Proben engere Heimat, Hispanien, versah dør Kaiſer ihrer erworbenen Fertigkeit vor, bald endlich mit Akademien und glänzend ausgestatteten langte, mußte der Baumeister diese kühne Bemerkung schwer büßen ; denn nichts ist wurde gefragt und geantwortet, überhört Bibliotheken. Merkwürdigerweise hatte der sonder unbarmherziger als ein beleidigter Dilettant. und geprüft, debattiert und gemeinſchaftlich Sogar über den Weltruhm des ewig untersucht. bare Monarch, trotz seiner Sympathie für Von den Studenten , die bei Quinti- die Gelehrsamkeit und die Kunst, eine heim- jungen Homer boste sich Hadrian bis aufs lianus Rhetorik gehört , nennt man in erster liche Antipathie gegen die Gelehrten und Blut ; daher er denn allenthalben verkünden Linie die Enkel der kaiserlichen Prinzessin Künstler, sobald der Ruf und die Talente ließ, die Bewunderung, die man der Odyſſee Domitilla, eine bedeutsame Ehre, auf derselben eine gewisse Norm überstiegen. zolle, sei eine konventionelle Lüge ; Anti„den bis dahin viele nicht die sich der etwas eitle und höfisch gesinnte Er ließ daher mit Vorliebe mittelmäßige machus Hispanier nicht wenig zu gute that. Es Köpfe an die Univerſitäten berufen, Leute, einmal dem Namen nach kannten“ ist zu verwundern , daß Schopenhauer in die gerade gut genug waren , das einmal überrage den simplen Homer bei weitem ! seinem glühenden Professorenhaß nicht die vorhandene wissenschaftliche Material un zur Entschuldigung des Imperators darf ses ersten Professors gedenkt, der, obwohl verändert auf die studierende Jugend zu hier gesagt werden, daß der grundgelehrte selber von tüchtiger philosophischer Bil- übertragen , ohne jedoch befähigt zu sein, Antimachus mit seinen altertümlichen Wendungen , seiner großen Belesenheit, dung, dem Hof zuliebe in der umfassenden es selbständig zu erweitern. Schrift De institutione oratoria“ gegen Diese wundersame Erscheinung erklärt seiner unerschöpflichen Bezugnahme auf die die Philosophie deklamierte ! Der Kaiser sich aus dem Umstande, daß Hadrian selber entlegensten Mythen 2c. dem Geschmack Domitian, unter deſſen Regierung das Werk ein wissenschaftlich-künstlerischer Dilettant Hadrians vielleicht in der That besser zuim Verlag der berühmten Buchhändler- war, den der allergewöhnlichste Neid plagte. sagte , als der einfache , stimmungsvolle, Firma Trypho erschien , hatte bekanntlich Dio Cassius erzählt uns in dieser Be- ergreifende Sänger der Odyssee und der fämtliche Philosophen als gemeinschädliche ziehung einige Anekdoten, die als Beiträge Zlias . Hatte der Gründer des „ Athenäums " Subjekte des Landes verwiesen. Quin zur Charakteristik des "/ universitätsfreundtilianus, anstatt Proteſt zu erheben, küßte lichsten " aller Cäsaren nicht ohne Inter- vorzugsweise Italien und Spanien bedacht, so wandte M. Aurelius Antoninus , der mit unerquidlichem Servilismus den Toga esse sind. "I Mit Vorliebe" sipfel des schwachköpfigen Tyrannen und so schreibt der schätz- | Philosoph gewöhnlich Marc Aurel geklatschte Bravo. Es ist dies ein dunkler bare Autor „hatte der Kaiser beide nannt, - ( 161-180) ſeine Aufmerkſamkeit Punkt im Leben des ersten Professors , ein Sprachen (Latein und Griechisch) studiert ; vorwiegend der altehrwürdigen BildungsMangel an Selbſtachtung und Charakter er schriftstellerte in gebundner Rede , wie stätte Athen zu , deren philosophische Fakultät ſtarte, der in der ferneren Entwickelungs- in ungebundner. Sein Ehrgeiz war un er mit einer nie dageweſenen Opulenz ausgeschichte der Universitäten leider nicht ersättlich. Er trieb Bildnerei ; er malte, ſtattete. Marc Aurel selbst neigte bekanntlich der ganz vereinzelt steht. Rufen wir uns als er wollte jede Kunst des Kriegs und des erhebenden Gegensatz die Haltung der Sieben Friedens , des Fürsten , wie des Privat stoischen Philosophie zu. Seine treffliche on Göttingen ins Gedächtnis . manns gleichmäßig verstehen und beherrschen. Schrift " An ihn selbst ", die er mit löbDer geistig hervorragendste Gast der Doch hätte diese Eitelkeit an sich niemand lichem Fleiße zum Teil auf seinen FeldQuintilianischen Hörsäle ist der feingebildete geschadet, wäre sein Neid nicht gewesen, zügen an der Donau mitten im KriegsPlinius Secundus . Er gedenkt seines der hervorragende Verdienste feindselig ver- getümmel verfaßte , trägt den Stempel Lehrers mehrfach in seinen Briefen. So folgte. Da er allen in allem überlegen dieser Schule durchweg, wenn er auch, seinem empfiehlt er (VI, 6) dem Fundanus einen sein wollte, so haßte er diejenigen, die sich harmonischen Naturell entſprechend, gewiſſe hemaligen Universitätsfreund, mit dem er durch etwas hervorthaten. Er schmähte Schroffheiten milderte. einer Zeit vor dem Katheder des Quin z . B. die ausgezeichneten Rhetoren FavoDemungeachtet lag es ihm fern, die ilian auf der nämlichen Bank gesessen. rinus und Dionysius und bevorzugte ihre Stoa zu einer Art von Staatsphilosophie Es sei noch bemerkt , daß der Titel ziemlich verdienstlosen Gegner, z . B. den zu erheben , wie dies in Preußen seiner Professor" schon damals auffam , und Heliodorus , den er zu seinem Geheim Zeit mit der Philosophie Hegels geschah. peziell auf Quintilianus Anwendung fand. schreiber machte. Dionysius sagte einst zu Vielmehr gab er ein glänzendes Beispiel Zwanzig Jahre lang blieb Quintilianus dem stümpernden Heliodorus in berech der Toleranz , die nicht darauf ausgeht, m Amte. Dann zog er sich müde des tigtem Selbstgefühl : „ Der Kaiſer kann dich die Gegner mundtot zu machen. Jede der wigen „ Wir haben das letzte Mal dar zu hohen Aemtern berufen , er kann dich damals in Betracht kommenden philosoJethan ..." ins Privatleben zurück. mit Reichtümern überhäufen : aber zum phiſchen Richtungen bekanntlich vier an Eine Pension erhielt er noch nicht. Pen- Redner machen kann er dich doch nicht . " der Zahl — ließ er durch zwei Profeſſoren ionierte Professoren finden sich erst viele Schon als Kronprinz hatte sich Hadrian vertreten. Es dozierten also die Epikuräer Dezennien später. durch seine thörichte Anmaßung dem hoch gleichberechtigt neben den Stoikern , und Hadrianus, der träumerische, krankhaft gefeierten Architekten Apollodorus gegen die Peripathetiker neben den Akademikern. Auch traf er gewisse Vorkehrungen, um elehrte Kaiser, dessen Hauptvergnügen im über lächerlich gemacht. Das hösische Rom Durchstöbern der Bücherrollen und im sprach damals von einer Gurke , die der das damals schon wuchernde Eliquenwesen Reiſen bestand, war ein eifriger Förderer Kronprinz gemalt hatte ; ein dilettantisches gehörig in Schranken zu halten. es Universitätswesens . Bis dahin hatte Aquarellbild, auf das er nicht wenig stolz So ordnete er namentlich auch die zu Rom wohl Studenten und Pro- war. Durch den Scheinerfolg dieses eigen- Grundsäte, nach welchen die neuen Lehrefforen , aber keine eigentliche , planvoll tümlichen Stilllebens mannhaft geschwellt, kräfte berufen wurden. rganisierte Hochschule gegeben. Der Fürst , glaubte er plötzlich , auch ein tüchtiger Er setzte hierzu besondere , von der er auf ſeinen wiſſenſchaftlichen Tendenz Architekturkenner zu sein, und maßte sich Universität völlig getrennte Behörden ein ; ahrten das akademische Leben Athens und allerlei kritische Bemerkungen an, als der die Professoren selber hatten nicht mitzu-
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Universitätsleben in der römischen Kaiſerzeit. 1535
reden. Die Sache erwies sich als praktisch : tuarisch und skandalsüchtig gebärdete, es sollen damals weniger Professorensöhne im Gegensaße zu Rom, der Hochschule der von schwächlicher Hirnkonſtruktion angestellt weltmännisch-urbanen , formvollen Musenworden sein als jest. föhne. Neben den ordentlichen UniversitätsEs waltet hier ganz das gleiche Gesetz lehrern blieb eine nicht unbeträchtliche Schar ob, das wir noch jest wahrnehmen können. von Privatdozenten nach wie vor thätig. Je kleiner die Universität , um so kecker, Aus ihrer Mitte wurden die abgehenden selbstbewußter und raufluſtiger der StudioProfessoren häufig ersetzt ; doch waltete keine jus. In Berlin verschwindet der Sohn offizielle Beziehung der Privatdozenten zur der Alma Mater unter der Fülle anderer Universität ob. Im Gegenteile: nachdem sozialer Erscheinungen : in Jena dagegen, der Staat eine Zeitlang schweigend mit in Tübingen, Gießen 2c. spielt er unleugbar zugesehen, daß die Privatdozenten die Hör die erste Violine, blickt auf die ganze Befäle der Universität für ihre Vorlesungen völkerung als auf öde Philister herab und benußten, --- wie dies überhaupt bei Vor- verübt allerlei Tollheiten mehr oder minder trägen der verschiedensten Art, z. B. auch geistreicher Art, — im Vollgefühl seines bei den Recitationen der Schriftsteller im akademischen Jugendrechts . Gebrauch war wurde dies später poliEine berühmte Hochschule für „Ranzeilich verboten, da die drückende Konkur- dal " und studentischen „ Ulk" war Karthago , renz der Privatdozenten den Professoren das zwar nicht zu den kleinsten altklassischen ein Dorn im Auge war. Universitätsstädten zählte, aber doch immer Die ersteren erscheinen bei dieſem Kon- kaum ein Viertel so groß war als Rom. flikte insofern nicht völlig schuldlos , als Der regelmäßige Besuch der Kollegien galt fie gelegentlich in herausfordernder Weise dort für ein kindisches Vorurteil. Unter mit der größeren Zahl ihrer Zuhörer prunk den Streichen, die man mit Vorliebe in ten, und vom Katheder herab, wie dies ja szenierte , wird die "! Störung" erwähnt. leider auch heute noch vorkommt , kleine Es handelte sich dabei um einen kühnen Gehässigkeiten extemporierten, die von dem Protest gegen die Fleißigen. Man betrat dankbaren Auditorium durch Heiterkeit oder plöglich im Gänsemarsch den Hörsaal eines begeistertes Bravo belohnt wurden. mitten im Vortrag befindlichen Lehrers , So viel über die akademischen Lehrer. schrie , sang , pfiff, rempelte die Zuhörer Wenden wir uns nun den Herren an und warf dem Professor ungehörige Studenten zu. Redensarten ans greise Denkerhaupt, bis Hier fällt zunächst -im Vergleiche der verzweifelte Mann " in Anbetracht der zu den Studenten der Neuzeit ein obwaltenden Verhältnisse" die Vorlesung Unterschied auf, der teils mit der rascheren schloß. Entwickelung des Menschen im Süden, teils Worin die Strafen für solche Ausmit dem viel geringeren Maße der Vor- schreitungen bestanden , läßt sich im einzelkenntnisse zusammenhängt, wie sie dazumal nen nicht feststellen. im Abiturienteneramen gefordert wurden. Daß man jedoch die Herren Studiosi, Die Studenten bezogen nämlich die Hoch- denen man so oft durch die Finger sah, schule meist schon mit dem fünfzehnten auch gelegentlich einmal scharf bei der Jahr, und das später vom Kaiser Valen- Wurzel packte, das ist uns glaubhaft vertinian I. fodifizierte Universitätsregulativ bürgt. bestimmte, daß länger als bis zum vollAuf gewissen Erzeſſen ſtand die Strafe endeten zwanzigsten Lebensjahre niemand der Relegation , die nach dem Regulativ als Student immatrikuliert bleiben könne. des obenerwähnten Kaisers Valentinian Zehn Semester waren also das Maximum durch öffentliche Auspeitschung verschärft werden konnte. für ein bemoostes Haupt. In solchen Fällen, wo der Eintritt in Untersagt war vornehmlich das „ Ueberdie Studentenschaft durch besondere Ver- kneipen" und der gewohnheitsmäßige Behältnisse außergewöhnlich verzögert ward, such der Gladiatoren- und Zirkusspiele. ließ man den jungen Leuten auch wohl Im Ueberkneipen that sich vor allem Athen hervor. ein paar weitere Semester nach. So erwirkte die Landsmannschaft AraDie Universitätsgesetze bestimmten, daß bia- eine Verbindung arabischer Jünglinge die studentischen Kneipereien mit Schluß auf der Hochschule zu Berytus - durch des Tages zu Ende sein sollten. Nächt Vermittelung ihres ersten Chargierten, Seve liche Orgien waren verpönt. rinus mit Namen , auf ein sehr beredt Wenn wir bedenken, daß man in Hellas gehaltenes Immediatgesuch vom Kaiser noch früher den Tag begann als in Rom, Diokletian die Erlaubnis , bis zum fünf- und daß schon in Rom jedermann , der undzwanzigsten Jahr studieren zu dürfen, zu den Frühbesuchen pünktlich erscheinen wobei es für das kritische Auge des Forschers wollte , lange vor Sonnenaufgang sein nicht zu entscheiden ist, ob die eigentlichen Lager verließ , so erscheint diese Bestim Motive dieses Gesuchs rein wiſſenſchaftlicher mung nicht strenger als in unsern Veroder mehr akademisch-fideler Natur waren. hältnissen der Zwang der Polizeistunde, Das letztere scheint nicht ausgeschloſſen, wie er in vielen kleinen und mittleren da uns zwar über die Erzesse des Univer- Städten zu Recht besteht . Die Studenten Athens jedoch kannten sitätslebens zu Berytus keine speziellen Data vermeldet sind, wohl aber bezüglich einiger kein höheres Vergnügen , als dieser Geanderer Provinzialstädte, wo sich der Herr segesvorschrift ein Schnippchen zu schlagen. Waren die Musensöhne Karthagos die Studiosus höchst übermütig , ja tumul- |
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berühmtesten Unfugtreiber des Altertum so vertrug man sich in der klassischen Ve chenſtadt am Iliſſus den „ größten Stiefel Man trank sich perpetuierlich nur Gan zu ; die Verpflichtung "/ nachzukommen ( sich zu löffeln ") war kategorisch. Ueberhaupt stand der Kneipkomme nirgends so reich im Flore, als zu Athe Was Rom in dieser Beziehung leisters war genau so ein Abklatsch der heller schen Kneipkunde, wie die Trinklieder de Horaz schüchterne Nachahmungen der heller : schen Zechlyrik. Insbesondere thaten f unter den Hochschülern in Athen die Make donier als unersättliche Gurgeln hervor der Geist des alten Philippos und sein:: ewig durstigen Adelsgeschlechter schiet ihnen noch segnend über den Häuptern... Ein Studiosus von wirklichem Ehra ― gefühl war denn auch — diesen leuchten Vorbildern nacheifernd - bei einer atheni fchen Kneiperei regelmäßig „ des Gotte voll ". DieFüchse sanken sektionsweise unte: den Tisch, während die ausgepichteren Altburschen noch eine Zeitlang rüstig fort: pokulierten, bis der lette Tropfen getila: und die Sehnsucht nach der gliederlösenden Ruhestatt im Domation erwacht war. Des andern Tages kam dann der von Platon bereits im Phädon beklagte rie sige Kazenjammer", das pány chalep échein" , zu deutsch : das „ Sich-höchst-mije rabel-fühlen ", und mit einiger Reuejahm auf die gestrige Sauferei" (ton cht póton) zurück. Heringe als Bekämpfungsmittel dieje wehleidigen Zustandes werden , for ich weiß , nicht erwähnt; wohl aber besaß man im „ Garum“, das aus der Eingeweiden des Thunfisches hergestel wurde , ein sehr pikantes , im Geschmade vielleicht an unsern Kaviar erinnerndes Frühstücksgericht, das die verdorbenen gen der Großstädter wirksam zu restaurieren vermochte. Auch das „ Cybium “ (griechia kbyion), eine Art Majonnaise, mag g Dienste geleistet haben. Es ist schon betont worden , daß di Studenten zu Rom sich meist taktvoll u kavaliermäßig aufführten. Sie erging sich nicht im Samier und Cyprier wie b Kommilitonen von Attika, nicht in stören dem Unfug wie die Karthaginienser. Den noch verstießen auch sie noch vielfac wider den Koder der Universitätsvorschrif --in einem sehr naheliegenden Bunte ten, im Besuche des Zirkus und der Arena. Es braucht nicht betont zu werden daß namentlich bei den Füchsen, die eben erst aus dem Weichbild irgend eines un bedeutenden Municipiums nach Romkamen der wissenschaftliche Sinn " durch den ver lockenden und aufregenden Prunk die Schaustellungen ernstlich gefährdet wur Augustinus erzählt uns von einem Jüng ling, der, solange er in Karthago studier den Verführungen des Zirkus und de Amphitheaters faltblütig widerstand. 23 er jedoch dann später nach Rom 30g, pad ihn der Dämon der Schaulust so unwi ſtehlich, daß er verschiedene Semester p verlor und schließlich völlig verbummel
Hugo Magnus.
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Wenn der Student ſeinen akademiſchen Ja, ja, die Gefahren der Weltstadt ! | mich, aber dann höre mich ! " - Auch Nero, | Merkwürdigerweise wird unter dieſen der Beherrscher des Weltreichs , kam sich Kursus vollendet hatte und nun zur „ alten Gefahren die hübsche , verliebte Römerin durchaus nicht " unmöglich“ vor, wenn er Heimat “ einziehen wollte, um dort " Phivenig betont. Gleichwohl steht es ganz bei seinen nächtlichen Streifereien durch lister" zu sein, dann gaben ihm die Komußer Zweifel , daß die Studenten der die Schenken der Vorstadt inkognito Prü- militonen unter Saitenspiel und Gesang ömischen Kaiserzeit im Kapitel der Flam gel bekam . Wenn sonach die Studen- das Geleite bis vor die Stadt. Nicht ohne elegische Färbung gedachte nen " sehr Bedeutendes leisteten. Wer die ten der Kaiserzeit für die Lehren und Schauspiele, den Zirkus und die Arena Thesen ihrer Lieblingsdozenten zum Knüp man der fröhlichen Tage , als der jett euchte , der übte wohl auch die Kunst pel griffen, so muß dies mit eigenem Maß scheidende Kamerad zum erstenmale das Weichbild betreten hatte , gleichzeitig begriffe der Galanterie, wie sie Ovidius in stab gemessen werden. Das blanke Schwert als Vertreter des grüßt von den Oberhäuptern verschiedener einer ,,Ars amandi “ ſo reizend gruppiert at. Die öffentlichen Lustbarkeiten waren Knüppels taucht später auf. Daß die Be- Parteiungen, und oft lange Tage hindurch a das eigentliche Terrain der beginnenden richte der Schriftsteller über die Schläger "! gefeilt" , bis er sich endlich bereit erklärt Liebesromane , und manch einer , der da fehden der Hochschüler sich keineswegs auf hatte, in die Schar des Professors Cajus prunten im Sande den sieghaften Stoß vereinzelte Vorkommnisse beziehen , erhellt einzuspringen , die Anhänger des Lucius des Gladiators bewunderte , fühlte, um aus der Klage eines Professors über die aber und des Titus links liegen zu laſſen. Man entsann sich der drolligen Zere nit dem Dichter zu reden, gleichzeitig eine Paukfaulheit seiner Studenten. Von der geheiligten Höhe des Lehrstuhls kanzelt er monie, mit der man ihn eingeweiht hatte, iefere Wunde im eigenen Herzen. Daß im römischen Altertum keine diese Lässigen ab , weil keiner von ihnen der Schüchternheit, die er damals befundet, eigentlichen Menſuren von Mann zu Mann auch nur den erbärmlichſten Blutigen , ge- und die nach so kurzer Frist dem Selbsttatthaben konnten , liegt auf der Hand. schweige denn einen tüchtigen Schmiß auf gefühl und der Fidelität gewichen war. Die griechischen und lateinischen Lieder, Das Duell in seiner jeßigen Form ist , weise ! Die Professoren erblickten also in wie alle Welt weiß, christlichen Ursprungs . den Narben der Zuhörer Belege für die die alsdann von den Lippen der jugendSeine Entwickelungsgeschichte führt auf die Begeisterung , die man dem akademischen | lichen Eskorte klangen , werden nicht viel alten Gottesurteile zurück. Dennoch finden Vortrag entgegenbrachte , während heut anders gelautet haben , als das bekannte ith einzelne Spuren des Zweikampfes zutage der Musensohn die übel geheilten Schwabsche : "/ Bemooster Bursche zich' ich chon in der alten Geschichte. Wir er- „ Schmisse“ als Dokumente für ſeinen per- aus ". Leider ist auch nicht eine Zeile innern z . B. an das dreifache Duell zwi sönlichen Mut zur Schau trägt. In dieser derselben erhalten worden. Der Professor ging mit. Er pflegte jahen den Horatiern und Kuriatiern. Auch Beziehung haben die Zeiten sich allerdings ja überhaupt nach Art unserer Botanijonst wird mehrfach berichtet, daß einzelne merklich geändert. Der Studiosus der römischen Kaiser- fer, Forstlehrer und Mineralogen hochgemute, auf ihre Kraft vertrauende ge= Krieger die Leute der gegnerischen Armee zeit, der während des Aufenthalts an der meinschaftlich mit den Studenten Spazierzum Einzelkampfe herausforderten. Es ist Hochschule von den Pedellen - censuales gänge zu unternehmen , und dabei teils zu erwägen, ob nicht dies oder jenes Vor- geheißenbetreffs seines Lebenswandels harmlose Fröhlichkeit, teils wiſſenſchaftliche tommnis im Studentenleben des Altertums und seines häuslichen Fleißes aufmerksam Streitfragen zu kultivieren. einen verwandten Charakter trägt. fontrolliert wurde , erhielt zum Schluß, Nun gab er zum leztenmal dem abEines steht fest : daß abgesehen von den nachdem sein Hauptdozent ihm die Ab- ziehenden Schüler die Hand . ,,Vale! vale!" riefen die Hochschulben erwähnten Landsmannschaften auch schi.dsrede gehalten , eine Bescheinigung, onst Parteiungen unter den Studenten daß er die und die Kollegien mit Fleiß" brüder , und eine Thräne im Auge zerdas Altertum weinte noch des Kaiserreichs eriſtierten, die oft zu uns besucht habe, sowie daß „ in sittlicher Hin- drückend mgenehmen Auftritten und zwar anfangs sicht " nichts Nachteiliges über sein Ver- leichter und häufiger als die verstandesnüchterne Neuzeit - zog der Erstudioſus u Prügeleien , später dagegen zu förmli- halten bekannt geworden. hen Fehden mit blankem Schläger (gladius) Schon damals sollen die Professoren, dahin , wieder und wieder zurückschauend ührten. um ihrer Beliebtheit nicht Abbruch zu thun, nach den Zinnen der Universitätsstadt, wo Der Grund dieser Parteiungen lag mit erfreulicher Nachsicht zensiert haben, er die schönsten und zwanglosesten Jahre veſentlich auf idealem Gebiet. Wenn zwei wenn es auch allerdings nicht vorkam, daß seines Lebens verbracht hatte. Die Kommilitonen aber weihten ihm Professoren sich feindselig gegenüberstan sie solchen Studenten das Zeugnis hochen, so ging dieſe Feindseligkeit auch auf rühmlichen Strebens erteilten , die regel nach beendeter Coena einen Trunk der ne beiderseitigen Zuhörer über, und zwar mäßig hinter der Säule gesessen ", also Erinnerung und leerten auf Kommando des Kneippräjes soviel Becher , als der im so energischer, je verehrter und berühm geschwänzt hatten . Auch während der Studienzeit gab es Name des Abgeschiedenen Buchstaben zählte. er der Lehrer war. Zur Beurteilung der Situation diene Quartals- oder Semestralzensuren , die noch milder och die Bemerkung , daß der Empfang für die Eltern bestimmt hätlicher Mißhandlungen im Altertum nicht gefaßt waren , als die oben erwähnten nnähernd so im Verruf stand wie heut Schlußzeugnisse. Man wollte den ehrlichen utage. Ohrfeigen und Faustschläge gelten mutinensischen Kleinbürger, der seinen Sohn Das Schönheitsgefühl als rst seit der Blüte des christlichen Ritter mit großen Geldopfern Rechtswissenschaft ums für entehrend. Der spanische Don und Rhetorik studieren ließ, nicht durch die Funktion des Ruges. Diego, der einer erhaltenen Backpfeife Mitteilung abschrecken , daß die bis jezt Von egen an Gott und der Welt verzweifelt gezeigten Resultate noch dürftig seien ; der nd sich für unwiderruflich besudelt hält, mutinensische Kleinbürger konnte ja sonst Hugo Magnus. is der Angreifer mit dem Tode gebüßt auf den Einfall geraten , seinen Herrn at, wäre dem klaſſiſchen Altertum ünver filius kurzer Hand heimzuholen und ihm ändlich bekam geweſen. , der Begleitern einst einen Schlag undSokrates von seinen efragt wurde, warum er sich das gefallen he , erwiderte ruhig : „Würde ich denn men Esel verklagen , der mir hinter its einen Fußtritt versette ?" Und der iechische Feldherr Themistokles sagte zu mem Kollegen , der in erregter Debatte en Stock wider ihn aufhob : „ Schlage II. 89
zuzurufen : Baue Du künftighin lieber den Stengelkohl ! " Nach Hörern aber geizte man , wie der Teufel des Mittelalters nach armen Seelen nicht nur der Ehre willen, sondern auch im Interesse des Geldbeutels , weil die Studenten dem vom Staat honorierten Professor trotz der sogenannten Oeffentlichkeit seiner Vorträge noch Hörgeld bezahlten.
Diealt Lust , die Freude am selbst. Schönen ſo wie die Menschheit Woiſtwir auch immer die Geschichte unseres Geschlechtes aufschlagen, wo wir auch immer den Menschen in seinem kulturellen Entwickelungsgang betrachten mögen , immer werden wir die Bethätigungen eines mehr oder minder lebhaft sich regenden Schönheitsgefühles wiederfinden. Giebt sich der 65
Hugo Magnus.
-1540Mensch auch den Anforderungen seines Schönheitssinnes in solchen Phasen seines Daseins mit ganz besonderer Wärme hin, in denen er bereits eine höhere Stufe geistiger Entwickelung erklommen hat, schwelgt er in Formen und Farben, in Wohlklang und Tönen dann ganz besonders , wenn ihm sein zivilisatorischer Zustand eine freiere Entfaltung seines Wesens gestattet , so entbehrt er doch auch auf den niedrigsten Stufen seines Daseins des Sinnes für das Schöne niemals gänzlich. Selbst dann, wenn er in schwerem Kampf mit der Natur um die kärglichſten Lebensbedürfniſſe ringt, mag er der Freude am Schönen nicht gänzlich entraten. Mögen die Aeußerungen seines Schönheitssinnes auf diesen tiefsten Stufen seiner Entwickelung auch noch so gering sein , mögen sie sich beschränken auf das Gefallen an einer bunten Feder, auf die Freude über einen blizenden Stein , so ist der Mensch doch, und mag er noch so tief stehen , nie so armselig , daß ihm die Lust am Schönen völlig abhandengekommen wäre. Ist dem aber so ; ist die Lust am Schönen so unzertrennlich mit dem Men ſchen verwachsen , daß sie ihm auf dem langen Wege seines Entwickelungsganges allüberall als steter Begleiter folgt , so kann sie nicht ein unserem Geschlecht durch eine höher entwickelte Kultur an erzogenes , angewöhntes Bedürfnis sein, sondern sie muß in der Menschennatur selbst ihre Begründung finden. Wir halten deshalb auch das Schönheitsgefühl für einen tief in der menschlichen Natur wurzelnden Trieb, für einen Trieb, der ebenso wie die anderen Naturtriebe durch die Beschaffenheit unserer Körperlichkeit bedingt wird und darum stets nach Bethätigung ringt , unter welchen Verhältnissen im übrigen das Individuum auch immer seinen Lebensfaden abspinnen mag. Wie sehr aber das Schönheitsgefühl reiner Naturtrieb ist , das lehrt uns das Vorhandensein des Schönheitssinnes bei den höheren Wirbeltieren. Es ist eine bekannte Thatsache , daß gewiſſe Vogelarten ihre Nester mit allerlei lebhaft gefärbten oder mit hellglänzenden Gegenständen zu schmücken bestrebt sind ; unter unseren heimischen Vogelarten sind es besonders die krähenartigen Vögel, welche der Leidenschaft für blihende Gegenstände in ausgedehnter Weise huldigen und ihrem Trieb durch Stehlen glänzender Schmuck sachen zu genügen suchen. Ja , es gibt sogar auch Vögel , welche ein so hoch entwickeltes Schönheitsbedürfnis haben, daß sie sich eigene Spielpläge herrichten und dieselben nach ihrem Geschmack auf das schönste mit bunten Blumen und Früchten , mit glänzenden Steinen und farbigen Muscheln herauspußen. Und schließlich scheinen all die herrlichen Farben , mit welchen die männlichen Vögel in so reicher Pracht geschmückt zu sein pflegen, lediglich nur darauf berechnet zu sein , den Schönheitssinn der Weibchen zu erregen und zu befriedigen. Darwin ist von dieser Thatsache so durchdrungen,
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mißt ihr eine so große Tragweite bei, daß er einen guten Teil seiner Entwickelungstheorie auf die Aeußerungen des Schönheitssinnes der Tiere aufbaut. Es kann hiernach also gar keinem Zweifel mehr unterliegen , daß auch die Tierwelt, wenigstens die höher organisier: ten Vertreter derselben , ein ausgeprägtes Schönheitsbedürfnis ihr eigen nennt.
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zu dem Grade zu steigern , daß ihm ve dem Beschauer willig das Prädikat „ ſcher“ zugestanden wird ? Nun, derartige Eigen schaften finden sich verschiedentliche , d sind dieselben in ihrer äſthetiſchen deutung keineswegs alle gleichwert . Während die cinen derselben ausid lich nur dem in der Menschennatur ka genden Schönheitsbedürfnis Rechnung tr
Der Sinn für das Schöne , die Lust am gen , mit den , wenn ich so sagen daz Schönen ist also keineswegs , wie man organischen Grundlagen unseres Ser wohl gern angenommen hätte , ein für heitssinnes harmonieren , wirken die or das Menschengeschlecht charakteristischer deren wesentlich nur durch Befriedigu : Besit, eine den Herrn der Schöpfung von der verschiedensten anderweitigen Tria allen andern Lebewesen scheidende und über und Empfindungen. dieselben weit erhebende Eigenschaft, sonLassen Sie uns nun einmal die Cigar dern der Mensch teilt die Freude am schaften, vermittelst deren ein Körper an Schönen mit der Tierwelt. Das Schön- das Empfinden des Beschauers zu wirk . heitsgefühl ist eben ein Naturtrieb , so vermag, betrachten und beginnen wir : gut wie all die anderen Naturtriebe, mit den für unsere Aufgabe wichtigsten , al denen der Schöpfer Mensch und Tier für mit den Eigenschaften , durch welche den Kampf um das Leben ausgerüstet hat. Kunstgebilde in direktester Weise au Ist dem nun aber so , dann ist auch schließlich nur unſer äſthetiſches Bedürft : die Untersuchung über das Wesen des beeinflußt. Vornehmlich sind es zwei Moment Schönheitsgefühles nicht mehr ausschließlich nur Aufgabe der Philosophie, sondern durch welche ein Gegenstand auf u auch die Naturwissenschaften und die Me- Schönheitsgefühl zu wirken imstande dizin haben die Berechtigung, ja sogar die nämlich seine Form und seine Farbe. Verpflichtung , Untersuchungen über die Die Form , die Gestalt eines Ka Beschaffenheit und das Wesen des Schön- pers wird bekanntlich gebildet durch e heitssinnes in den Kreis ihrer Forschungen Anzahl von Linien , welche zu den va schiedensten Kombinationen sich gruppiere zu ziehen . Im Hinblick auf diese Thatsache werde und all diesen Linien , welche zu ich wohl auch bei den Lesern gerechtfertigt Aufbau eines Gegenstandes zusamme erscheinen, wenn ich für meinen heutigen treten , muß unser Auge bei dem Vortrag ein Thema gewählt habe , wel trachten des Gegenstandes selbst fola ches man sich gewöhnt hat , mehr in den Unser Auge ist eben gemäß der Ei Händen der Philosophen als der Natur- artigkeit seiner Organisation gezwung forscher zu sehen. will es ein Objekt überhaupt deur Und indem wir uns nunmehr dem und scharf erkennen , demselben in Stoff selbst zuwenden , liegt uns zuvör- seinen Umriſſen taſtend zu folgen. derst die Aufgabe ob , festzustellen , was der Finger , welcher die Form und d wir überhaupt unter dem Ausdruck Schön- | schaffenheit irgend eines Gegenstant 2 heitsgefühl verstehen sollen und wie wir erkennen will , taſtend um und über uns das Zustandekommen einer Schön- Gegenstand hingleiten muß, so muß a heitsempfindung zu denken haben. unser Auge jeden Körper , den es n Betrachten wir irgend ein Erzeugnis seiner Gestalt erfassen will , in feire der bildenden Kunst , etwa ein Bauwerk, Umrissen tastend umkreisen. Befch ein Bild , einen Schmuckgegenstand oder wird das Auge zu diesem , wenn 2 irgend ein anderes Objekt, wie es gerade eines handgreiflichen Vergleiches m eben im Belieben des Lesers stehen mag. bedienen darf , Befühlen der körperlid Bei dem Anblick eines solchen Gegen- Formen ausschließlich nur durch i standes werden wir bemerken , daß sich Muskulatur. Das Auge besißt , wie za in uns entweder das Gefühl des Be Leser ja wohl bereits wissen, eine Am hagens und der Befriedigung regt oder von Muskeln , und diese Muskeln ra daß eine gewisse Mißstimmung , die Em- leihen ihm die Fähigkeit , die verschiet. | pfindung des Unbehagens , sich uns besten Sol Bewegungen l nun - auszuführen. und damit gehen merkbar macht. Und indem wir uns nun solchen Stimmungen rückhaltslos hingeben, sofort auf den wichtigsten Faktor unja ohne uns auf eine kritische Analyse der ästhetischen Empfindens ein eine For selben einzulassen, nennen wir den Gegen unser Schönheitsgefühl befriedigen, stand im!! ersteren Falle „schön “ , im an- muß das Auge nicht allein imſtande se deren unschön “. Wir fassen also alle derselben leicht und ungezwungen zu die Eigenschaften , durch welche ein Ge- gen , sondern es muß in der Ausführun bilde der Kunst imſtande ist , in uns ein dieser Bewegung für uns sogar eine e Reinesfal Lust- oder Unluftgefühl zu erwecken , in wisse Befriedigung liegen. dem Begriff des „ Schönen “ oder „ Nicht- dürfen aber die Formen des betrach Gegenstandes an die Augenmuskulam schönen " zusammen . Welche Eigenschaften muß nun aber Anforderungen stellen, deren Durchführ ein Gegenstand besitzen , um das Ver- für uns mit Unbequemlichkeiten_verbun mögen zu äußern, bei dem Beschauer ein sein würde. Denn in diesem Fall dur Lustgefühl zu erwecken und dasselbe bis die Schwierigkeit der Muskelarbeit in:
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alsbald ein Unluftgefühl erregen, welches | Linie ist , welche für den Bewegungskeinerlei ästhetische Befriedigung in uns apparat des Auges mit besonderem Voraufkommen lassen würde. teil durchführbar ist. Deshalb hat die Uebrigens rechnet auch die moderne Bogenlinie auch einen besonderen ästhePhilosophie mit diesem Faktor ; so sagt tischen Wert, und Hogarth sagt in seinen 3. B. der bekannte Aesthetiker Vischer : Untersuchungen über das Wesen der SchönAngenehme Empfindungen werden von heit geradezu wie folgt : „ Die Wellenlinie solchen Reizen erzeugt , welche fördernd bringt mehr Schönheit hervor als irgend wirken , indem sie Nerven und Muskeln eine von den anderen Linien, aus welcher zu Bewegungen veranlassen , welche ad- Ursache wir sie die Linie der Schönheit äquat , d. h. gewohnt und einfach sind ; nennen wollen . Man merke , daß die unangenehme Empfindungen dagegen von reizendsten Figuren die wenigsten geraden selchen , welche hemmend wirken , indem Linien an sich haben. An allen unseren fie ungewohnte , schwierige Bewegungen Gerätschaften, Verzierungen und Schmuckherbeiführen. " So weit unser Gewährs gegenständen ist die Wellen- oder Bogen mann Vischer! linie in dieser oder jener Form angebracht. " Im allgemeinen dürfen wir nun be- So weit Hogarth! haupten , daß diejenigen Bewegungen für Trozdem wir nun aber soeben der den Muskelapparat des Auges sich am Bogen- und Wellenlinie eine besondere leichtesten und ungezwungenſten erweisen, ästhetische Bedeutung beigemessen haben, welche nicht den einen oder den anderen so können und wollen wir doch keines Muskel ausschließlich belasten , sondern wegs bestreiten, daß auch den geradlinigen welche ihre Anforderungen auf alle oder Figuren unter Umständen ein bedeutender doch wenigstens auf mehrere Muskeln ästhetischer Wert zugesprochen werden gleichmäßig verteilen. Hören wir , wie könne. Verwenden wir ja doch Muster, einer der größten Physiologen aller Zeiten, welche aus geraden Linien sich aufbauen, wie der unsterbliche Johannes Müller über mit Vorliebe und finden auch durch solche diesen Punkt sich äußert : „Das Auge ver- unser Schönheitsgefühl in hohem Grade folgt, " so sagt er, diejenigen Bewegungen befriedigt . Ich erinnere nur an das beam leichtesten und ungezwungensten , in kannte Muster à la Grecque, das seinen welchen ihm seine eigene Freiheit am Schönheitswert unbestritten in allen Epochen meisten offenbar wird , in welchen alle des Kulturlebens zu behaupten verstanden seine Bewegungsorgane in einen gleich hat und das als Verzierung z . B. in den mäßigen und gesetzlichen Wechsel zur alten Grabkammern der Pyramiden sich Aeußerung ihrer Thätigkeit kommen. " findet. Und an einer anderen Stelle fagt er : Die ästhetische Befriedigung , welche An dieser Beziehung ist die einfachste wir aus solchen geradlinigen Figuren geund leichteste Bewegung des Auges die winnen, ist nun auch wieder lediglich durch Kreisbewegung, durch welche alle Augen gewisse , mit der Thätigkeit der Augen muskeln nacheinander in wechselnden Kon muskulatur verknüpfte Momente erzeugt. traktionsgraden thätig sind . Am leichtesten Die Gesetzmäßigkeit in der Wiederkehr geund gefälligsten verfolgt das Auge die wisser Formen und die darauf beruhende Wellenlinien und die Radlinie. " In ähn rhythmische Gleichmäßigkeit in den Augenlicher Weise wie Johannes Müller läßt bewegungen ist es , welche unser ästheti ſich ein anderer berühmter Physiologe, sches Behagen erregt. Die gesetzmäßig er Purkinje, vernehmen. Derselbe sagt näm folgende Abwechselung zwischen gerader lich: „Am leichtesten werden Kreislinien, Linie und Winkel, welche sich in den von gerade Linien , nach was für einer Rich- uns als schön befundenen Figuren findet, tung immer , schwer beschrieben. " Und sie ist es , welche uns befriedigt und zwar ganz in demselben Sinne äußert sich der deshalb befriedigt, weil durch sie eben die bekannte Augenarzt Rüte, seinerzeit Pro- Bewegung unserer Augen in einer rhythfessor in Leipzig , indem er sagt : „ Es mischen , verschiedene Muskeln nach ein fönnen nur solche Bewegungen und Ge- ander in Thätigkeit versehenden Weise er stalten der äußeren Natur einen angefolgt. Ebenso wie in der Musik der Takt nehmen und schönen Eindruck machen, für unser ästhetisches Empfinden ein undenen das Auge des Beschauers in seinen erläßliches Schönheitsmoment ist, so ist für Bewegungen leicht und behaglich folgt . das Auge die gesetzmäßige Wiederkehr be Das Auge befindet sich nur dann im stimmter Bewegungsaſſociationen ein hoch Gefühl seiner vollen Lust und Sinnlich wichtiger Schönheitsfaktor. feit , wenn es mit seinem Firationspunkt Natürlich kann das , was ich soeben Bogenlinien nach allen Richtungen be gesagt habe, lediglich nur den Anspruch schreibt ; so z. B. beim Anblick einer erheben, in ganz allgemein gehaltenen Züweiten Landschaft. Hierbei werden nach gen den anatomiſch- phyſiologiſchen Boden einander alle Muskeln auf gleiche Weise unseres Gefühles für Formenschönheit zu harmonisch angestrengt. " zeichnen ; doch wird das Vorgetragene wohl Doch lassen wir uns an diesen Zitaten genügen , um die Ansicht zu begründen, genügen ; sie beweisen vollauf, daß unser daß wir den ästhetischen Wert einer Form Urteil über die Schönheit einer Form hauptsächlich bemessen nach der Art und bemessen wird durch die an den Muskel- Weise der Muskelarbeit , welche die Be apparat des Auges gestellten Anforde- trachtung dieser Form von unserem Auge tungen , und sie beweisen noch des wei- erheischt . teren , daß gerade die Bogenlinie eine Lassen Sie uns nunmehr noch , nach
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dem wir uns mit der Formenschönheit abgefunden haben , so gut es eben in dem knappen Rahmen eines Vortrages gehen mag, die Farbenschönheit zum Gegenstand unserer Betrachtung machen. Ein jeder von uns hat eine sogenannte Lieblingsfarbe, eine Farbe, welche in unserer vornehmlichen Gunst steht , die wir als ganz besonders schön , als schöner wie die anderen Farben erachten . Worin mag diese unsere ästhetische Parteinahme für eine be sondere Farbe wohl begründet ſein ? Es liegt auf der Hand, daß für die Beantwortung dieser Frage nur zwei Möglichkeiten gegeben sind : entweder hat die eine oder die andere Farbe an sich selbst schon einen größeren Schönheitswert wie die andere, oder unsere ästhetische Parteilichkeit wird durch uns selbst bedingt , liegt in uns selbst, ist ein Produkt unserer eigenſten Organisation . Sehen wir nun zuvörderst einmal zu , ob irgend eine Farbe an sich selbst und durch sich selbst schon einen Anspruch auf eine höhere ästhetische Bedeutung erheben darf, als wie eine andere Farbe. Jede Farbe wird erzeugt durch eine Bewegung des Aethers, durch in geſehmäßiger Weiſe sich vollziehende Schwingungen des cinzelnen Aetherteilchens . Und zwar wird der Charakter der Farbe durch die Anzahl der Schwingungen , welche ein Aetherteilchen in einer Sekunde vollführt , bedingt , so zwar, daß Rot die wenigsten, Violett die meisten Schwingungen in einer Sekunde besitt. Halten wir diese physikalische Thatsache fest , so werden wir ohne weiteres zu der Erkenntnis gedrängt , daß keine Farbe an und für sich selbst , oder sager wir lieber, auf Grund ihrer physikalischen Wesenheit einen höheren äſthetiſchen Wert beanspruchen darf, als wie die andere. Denn die Bewegung des Aetherteilchens an sich kann ja doch weder schön noch häßlich genannt werden. Wohl mag man unter anderen Verhältnissen eine Bewegung an sich schön nennen können, ſo finden wir mit vollſtem Recht die in Wellenund Bogenlinien sich wiegende Bewegung des Tanzes schön, aber die Bewegung des Aetherteilchens kann mit ſolch' einer Bewegung doch nicht in Vergleich gestellt werden. Ob das Aetherteilchen in kurzer oder langer Welle schwingt, ob es in einer Sekunde seinen rasend schnellen Lauf 790 oder 448 billionenmal vollbringt , das ist vom ästhetischen Standpunkt aus vollständig gleichgültig. Diese Bewegungen des Aetherteilchens folgen sich in so schneller Folge , daß von einer Differenzierung der einzelnen Bewegungsmomente, von einem Sichtbarwerden der schwingenden Aetherteilchen selbst gar nicht die Rede sein kann. Aber selbst wenn das Unmögliche wahr werden sollte , wenn es einem irdischen Auge gelänge, die Bewegung des einzelnen Aetherteilchens zu sehen , so möchte doch wohl niemand daran denken, in einer derartigen Bewegung ein besonderes Schönheitsmoment entdecken zu wollen. Oder würde etwa jemand eine Bewegung ſchön finden, die darin besteht, daß ein Ball mit
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1546rajender Geschwindigkeit sich ununterbrochen in vertikaler Richtung hin und her bewegt? Und anders ist doch die Bewegung des Aethers im Licht nicht beschaffen. Wir sehen also , physikalisch hat keine Farbe auch nur die allergeringste Berech tigung auf einen höheren ästhetischen Rang als wie die andere. Wenn also der Phyfifer des Preisrichteramtes über den Schönheitswert der einzelnen Farben nicht zu walten vermag, so kann unser ästhetisches Urteil über die Farben nur in uns selbst seine Begründung finden. Und dem ist eben in der That auch so . Das größere oder schwächere Lustgefühl , welches wir beim Anblick der verschiedenen Farben verspüren, wird lediglich durch die Beschaffenheit des Reizes bedingt, durch welchen die betreffende Farbe auf unsere Netzhaut wirkt. Jede Farbe übt nämlich entsprechend der Schwingungszahl und Schwingungsweite der Aetherteilchen einen spezifischen, ihr nur eigenen Reiz auf die Nezhaut aus . Und zwar kann man im allgemeinen sagen, daß die Farben Rot, Orange, Gelb einen größeren, Grün, Blau , Violett einen geringeren Reiz auszuüben vermögen ; dieser Thatsache tragen Künſtler wie Phyſiologen Rechnung, indem sie Rot , Orange , Gelb als warme , Grün , Blau , Violett aber als kalte Farben bezeichnen Goethe sagt sehr treffend : „ Es ist der Erfahrung gemäß, daß das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen Eindruck macht. Das Blau gibt uns ein Gefühl von Kälte, indem es auch an den Schatten erinnert. " Dieser Ausspruch Goethes wird das , was wir mit warmen und kalten Farben bezeichnen wollen, hinlänglich erklären. Je nachdem nun ein Mensch mehr für lebhafte oder mehr für sanftere Erregun gen des Nervensystems beanlagt ist, wird er unter den energisch oder unter den weniger erregenden Farben seine spezielle Lieblingsfarbe suchen . Wir sehen demnach also , diese Wahl ist keineswegs nur Sache des freien Willens , sondern die allgemeine Grundstimmung unseres Nervensystems zwingt uns dazu , diese oder jene Farbe ästhetisch besonders hoch zu stellen, sie uns als Lieblingsfarbe zu erwählen. Und genau dasselbe Geseß, welches die ästhetische Farbeneinſchäßung bei dem ein zelnen Individuum regelt , es erweist sich als maßgebend auch für den Farbengeschmack breiter Volksschichten , ja ganzer Nationen. Ich werde diese Thatsache verständlicher gestalten , wenn ich darauf auf merksam mache, daß die Lust, der Geschmack an starken Nervenerregungen im allgemeinen proportional ist dem Bildungsgrad. Mit der wachsenden Bildung sinkt die Freude an energisch wirkenden Nervenerregungen und gibt der ausgesprochenen Vorliebe für mittelstarke oder gar schwache Erregungen der Sinnesorgane Raum; und umgekehrt ist mit dem Tiefstand der Bildung eine ausgesprochene Befriedigung durch kräftige sinnliche Erregung verbunden. Halten wir diese Erscheinung fest, so wird sich für die weniger gebildeten Volksschichten, sowie für die weniger zivilisierten Nationen
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überhaupt auf Grund ihrer Vorliebe für sind Rot und Gelb die Lieblingsfa kräftige Nervenerregungen eine ganz un aller tropischen Völker , während das : bedingte Bevorzugung der so überaus die Bewohner gemäßigter Zonen durc energisch wirkenden Farben der warmen geringeren Lichtgehalt der Atmosphär: Gruppe, also von Rot, Orange und Gelb einer Bevorzugung der weniger errea :=: ergeben. Vergleichen wir einmal ein Mäd- Farben hingedrängt werden. Dieses :: chen aus dem Volke oder eine ländliche schen Farbengeschmack und klimată : Schöne in ihrem Sonntagsstaat mit einer Verhältnissen bestehende Wechſelverhit Dame aus den höheren Ständen und wir schildert einer der kundigſten Meiner werden die chromatische Kluft, welche beide Gebiet der Farbenſchönheit , der berich trennt, wohl kaum unbemerkt laſſen können . Aquarellmaler Hildebrandt , ſehr trefi Allbekannt ist ferner auch die Vorliebe der mit folgenden Worten : „ Die lenght: unzivilisierten Volksstämme für lebhafte, Atmosphäre und der von Reflexen st brennende Farben. Rot und Gelb sind lende Erdboden des Südens fordert für unsere schwarzen Schmerzenskinder in Menschen zu einer Vermehrung der Far Afrika der Inbegriff aller Schönheit. heraus. " Es bleibt mir nur noch übrig , Genau der nämliche Unterſchied macht sich auch zwischen Kindern und Erwach einem andern Beispiel zu zeigen , 1 fenen geltend. Das Kind mit seinen noch lediglich die Stärke des Reizes unic wenig geübten Sinnesorganen ist starken Farbengeschmack bestimmt . Die St Eindrücken zugänglicher, fühlt sich von ihnen bolik der Farben bietet uns hierfür mehr angesprochen und befriedigt, als wie treffliches Material. Die Neigung , der Erwachsene, dessen Nervensystem schon wisse Farben mit gewissen seelischen , eine gesteigertere Erregbarkeit und reizbarere ständen zu identifizieren , sie als = Stimmung angenommen hat und darum matische Vertreter derselben aufzufa fräftigen Reizen abholder geworden ist. wird ja ganz gewiß durch eine Reihe Deshalb liebt das Kind auch die licht verschiedensten kulturgeschichtlichen reichen, warmen Farben hauptsächlich ; das mente begründet , aber zum guten lichtreiche , so energisch wirkende Gelb ist auch durch die Reizstärke der einzel nach den Untersuchungen des bekannten Farben. Es ist eine Thatsache , daß Physiologen Preyer die erste Farbe, welche rade diejenigen Seelenzustände, welche das Kind zu unterscheiden lernt. Auf das einer besonders heftigen Erregung unic Gelb folgt die Kenntnis des Rot. Und psychischen Lebens einhergehen, gerade di erst wenn Gelb und Rot dem kindlichen die warmen Farben symbolisiert weri Geiſt ganz vertraute Farben geworden sind, | So wiſſen wir alle, daß als die Farbe wennes siesinnlich undſprachlich vollkommen Stolzes , als die Farbe der höchſten i zu beherrschen gelernt hat , geht es dazu schen Macht das gesättigte Rot gilt. V über, auch die kalten Farben , also Grün | pur und Scharlach, ſie ſind ſeit den a und Blau, ſich zu eigen zu machen. Preyer sten Zeiten die farbigen Symbole der H hat die überaus interessante Thatsache ge- sten irdischen Stellung . Mit ihnen schm funden, daß es in dem Leben des Kindes ten sich zu allen Zeiten Fürsten eine Periode gibt , in welcher von allen Priester. Rot ist des ferneren die Farben nur Rot und Gelb wirklich als der höchsten und edelſten ſinnlichen E Farben gesehen werden , während Grün gung, der Liebe. Blau und Grün a und Blau zu dieser Zeit noch gar nicht die kalten Farben , sie gelten als Re als farbige, sondern nur als Lichteindrücke sentanten solcher Seelenzustände , we empfunden und mit Grau schlechthin identi- mit geringer Erregung einhergehen, u rem Geistesleben eher eine passive, fiziert werden . Uebrigens möchte ich doch nicht den aktive Thätigkeit zumuten ; darum wet Glauben erwecken , als ob nun aus- | Hoffnung und Treue durch Grün und S schließlich nur die Erregbarkeit unseres symbolisch zum Ausdruck gebracht. Wollen wir aber uns selbst unser ei Nervensystems unseren Farbengeschmack beherrsche und reguliere. Es gibt doch nes Dasein von der Wiege bis zum Gr auch noch außerhalb des Individuums ge- chromatiſch ſymboliſieren , so wählen legene Faktoren, welche einen maßgebenden für die goldene Zeit der Jugend, für | Einfluß auf den Farbenfinn ausüben, Zeit des feurigen , himmelanstreben nämlich die äußeren Lebensbedingungen, Thatendranges , das Rot , die kalten welchen der Einzelne wie eine ganze Nation brochenen Farben aber für das bedächt untersteht . Vor allem müssen wir hier allen energischen Erregungen abholde Al auf den Lichtreichtum der Atmosphäre auf Ein Blick auf die Toiletten unserer Dam merksam machen. Alle Völker, welche unter welt wird zeigen, wie scharf alt und ji einem lichtreichen , mit farbigen Tinten sich gerade chromatisch scheidet. Es sei mir nun noch erlaubt , 1 reichgesättigten Himmel leben, müssen unter dem Eindrucke einer solchen Umgebung Nachweis führen zu dürfen, wie wir a eine entschiedene Vorliebe für die warmen in der Zusammenstellung von Farben les Farben gewinnen. Der kräftige Lichtreiz, lich nur durch die Geseze unseres 2: welchem ihre Netzhaut unausgesetzt unter- schen Empfindungsorganes geleitet werd worfen ist, macht ihnen die energische Er- Wir müssen , wollen wir in dieser en regung des Sehorganes zum Bedürfnis und verwickelten Materie klar sehen , vor all deshalb bevorzugen der Italiener, der Spa- eines physiologischen Gesezes gedenken u nier und überhaupt alle Südländer die zwar des folgenden. | brennenden, glühenden Farben. Deshalb Alle unsere Sinnesorgane , also a
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bas Auge, bevorzugen, handelt es sich um | Wenn also für die Zusammenordnung von unübertroffenen Kenner der chromatischdie Empfindung mehrerer Reize nachein Farbenpaaren es als ein unumstößlicher ästhetischen Effekte. ander, vorzüglich solcher Reize, welche unter physiologiſcher und darum ästhetischer FakWerfen wir nun auf das , was ich einander verschieden sind. Sowohl der tor gelten muß, daß man nur solche Far- bis jetzt vorgetragen , einen Blick , ſo selbe Reiz längere Zeit hintereinander ben , will man anders einen ästhetischen hätten wir folgendes gefunden : Das empfunden , als verwandte Reize gleich Erfolg erzielen, zusammenstellen darf, welche Gefühl für Formen- und Farbenschönheit zeitig wirkend, erzeugen leicht das Gefühl im Spektrum nicht nebeneinander liegen, beruht ausschließlich nur in den funktiovon Ermüdung und Uebersättigung. so muß ich diesen Sah nunmehr noch in nellen Gesehen unseres Schorganes , die Nur in dem Wechsel des Reizes liegt etwas einschränken. Die zusammengeord: Schönheit liegt, wie Grillparzer so treffend für alle unsere Sinnesapparate Befriedi neten Farben dürfen des weiteren nämlich sagt, im Auge des Beschauers . Und weil gung. In anbetracht dieser Thatsache wird auch nicht Komplementärfarben sein. Kom dem so ist , weil unsere ästhetischen Annur die Zusammenstellung solcher Farben plementärfarben sind Farben, welche in fol- schauungen als Produkte unserer eigensten unser ästhetisches Behagen erregen, welche gendem eigentümlichen Verhältnis zu ein Körperlichkeit sich ergeben, weil sie unaufteinerlei verwandte Beziehungen in dem ander stehen. Firiert man z. B. recht genau löslich verknüpft sind mit den allgemeinen Reiz, mit welchem sie auf das Auge wir- Rot und blickt dann plöglich von dem roten Gesetzen , nach denen der Prozeß des Leken, befißen. Diejenigen Farben sind nun | Gegenstand fort, so wird man alsbald einen bens sich vollzieht, so sind sie unveränderaber in ihrer Erregungsform sich nahe grünen Fleck vor den Augen erscheinen lich wie die elementaren Lebensgefeße. Geraten wir nun aber mit diesen Anstehend, miteinander verwandt, welche im sehen. Es entsteht also durch das länger Spektrum nebeneinander liegen, also Rot fortgesette Firieren von Rot die Neigung schauungen nicht in unlösliche Widersprüche ? und Gelb , Gelb und Grün , Grün und in uns, Grün zu sehen ; bei Firation von Ist das Grundgeseß, welches die FarbenBlau , Blau und Violett. Und die Zu Grün zeigt sich die Neigung zum Rotsehen , und Formenschönheit bestimmt, wirklich nur ſammenordnung der genannten Farben gilt bei der von Gelb zu Blau u. s. w. Ver- durch unsere Körperlichkeit uns aufgenötigt, ja auch, wie allbekannt, als schwere ästhe- bindet man nun solche komplementäre Far- und darum unveränderlich wie diese, wie tische Sünde. Die Geſchmacklosigkeit des ben, z. B. Grün und Rot, was wird dann ist es dann erklärlich, daß unsere Anschauangeführten Farbenspiels ist ja auch viel der chromatisch- optische Erfolg sein? Durch ungen über das Schöne so gar wechselnd fach sogar sprichwörtlich geworden ; so er die Fixation des Grün entsteht in uns die sind ? Wie ist es möglich, daß wir heute innere ich nur an das alte Volkswort : Neigung zum Rotsehen , und blickt man eine Form, eine Farbe schön finden, welche Blau und Grün nun auf das neben das Grün gestellte Rot, uns kurze Zeit nachher kalt läßt? Nun, dieser Widerspruch ist nur ein Steht allen Narren ſchien. so wird dieses durch die in uns vorhanoder : dene Neigung zum Rotsehen in seinem Far- scheinbarer. Nicht die Gesetze des Schö Grün und Blau benton ganz besonders verstärkt ; es erscheint nen sind wandelbar , sondern das VerGeht dem Hanswurſt ſeine Frau . auffallend grell. In wie weitgehendem änderliche und Wandelbare ist lediglich nur Gleichermaßen ist das Farbenpaar Gelb Maße der Maler mit dieser rein physio- unser Geschmack, unser ästhetisches Urteil. Grün ästhetisch geächtet. " Spinat mit Ei " logischen Thatsache zu rechnen hat , wird Es seien mir für die Betrachtung dieses nennt der Volkswiß diese Farbenkombi am besten ein Beispiel klarlegen. Bei Punktes noch einige wenige Worte gestattet. nation. Würden wir bei der ästhetischen Wür der Darstellung lebender oder toter Körper Unsere vollste ästhetische Billigung fin- muß der Maler auf die Farbe der seinen digung eines Gegenstandes lediglich nur det dagegen die Zusammenstellung solcher Figuren beigegebenen Kleidungsstücke ge den in der Organisation unseres Auges Farben, welche im Spektrum weiter von nau achten ; sollen seine Figuren blühen begründeten Schönheitsgesehen folgen , ſo inander entfernt liegen. Man bezeichnet des , kräftiges Leben atmen, so thut er gut, würden unsere ästhetischen Anschauungen ünstlerisch die Kombination solcher Far in der Umgebung dieser Figuren möglichst nicht sonderlich schwankende sein ; der Enkel ben als sogenannte große Intervalle" und kalte Farben anzubringen, denn diese rufen würde über die verschrobenen Schönheitsils eine besonders bevorzugte Gruppierung in uns die Neigung zum Sehen der war ansichten seiner Vorfahren nicht mehr mitDerart möchte ich Rot und Blau nen men Farben hervor und auf Grund dieser | leidig die Achsel zucken, die flüchtige Mode en. Die Nebeneinanderordnung von Rot physiologischen Thatsache erscheint also in würde nicht mehr imstande sein , unseren ind Blau in den verschiedensten Ton diesem Fall der Fleischton der Figuren be- Geschmack zu formen , wie man weiches pariationen hat einen hervorragenden sonders lebendig und kräftig. Will aber Wachs formt. Aber wie der Mensch nur thetischen Platz behauptet, solange über der Künstler einen toten Körper darstellen , in den allerseltensten Fällen der Stimme aupt ein Menschenauge an Farben Lust etwa einen gefallenen Helden , so thut er der Natur zu folgen gewillt ist , so sind ind Befriedigung gefunden hat . Hören gut , den farbigen Hintergrund zu dieser wir meist auch nicht gesonnen, in der Bevir , wie ein so bekannter Farbenkenner, Fiqur in warmen Farben zu halten. Hüllt thätigung unseres Schönheitsgefühles uns Jon Bezold in München, über dieses Far er den Leichnam z . B. in einen roten Man- streng an die Geseze der Natur zu halten, npaar sich äußert ; er sagt : „ Die Kom tel , so ' ruft das Rot desselben beim Be- vielmehr lassen wir uns nur zu gern von ination von Rot und Blau begegnet uns schauer die Neigung zum Grünschen her den verschiedensten anderen Rücksichten pereits in den ältesten Kunstdenkmälern, vor und blicken wir nun nach dem toten leiten , von Rückſichten , die mit den ewio in altaſſyriſchen Ornamenten, ferner in Körper, so scheint auf demſelben ein An- gen Schönheitsgesehen der Natur oft im iltägyptischen Wandmalereien ; sie bildet flug von Grün zu liegen, das Kolorit eines schreiendsten Widerspruch stehen . Zuvörderst stellen wir bei der ästheti ne Grundlage der ältesten griechischen Po- toten Körpers auf das täuschendste nachgchromie und findet sich im Pompejanischen ahmend. schen Beurteilung eines Gegenstandes leider vieder; sie ist geradezu typisch für die Dieses Beispiel ist ganz danach ange nur zu oft das Reale über das Ideale, nauriſche Ornamentik und selbst in der than , um zu zeigen , wie ein großer Teil das Nüßliche über das Schöne. Die menschotischen Kunst, welche am schwersten be- der koloristischen Wirkung eines Kunst- liche Natur ist nun einmal von Haus aus estimmte koloristische Prinzipien entdecken werkes bedingt wird durch die Berücksich- egoistisch und darum iſt es auch nicht wunßt , hat dieses Paar eine dominierende tigung des phyſiologiſchen Verhaltens un derbar, wenn der ästhetische Wert eines GeStellung zu behaupten gewußt. Auch in serer Nezhaut gegen Farben. Und in diesem genstandes so oft nur nach seinem Nüglicher eigentlichen Malerei hat die Zusammen- Sinne ist auch der Ausspruch zu verstehen, feitsgrad bemessen wird. Verspricht ein tellung Rot und Blau Eingang gefunden ; daß der geniale Maler es verstehen müsse, Gegenstand uns in irgend einer Hinsicht icht nur die venezianischen Maler haben die Farben auf der Netzhaut des Beschauers erheblich zu nüßen, so sind wir gern bereit, on dieser Kombination Gebrauch gemacht, zu mischen. Und gerade die großen Meister an demselben allerlei Schönheiten zu entondern man begegnet ihr selbst in reli- des Kolorits zeigten sich zu allen Zeiten decken, auch wenn er deren wenig oder gar ösen Gemälden van Dycks. " und zeigen sich noch heute in der Berück- nicht besigt. Und neben diesen Rückſichten So weit unser Gewährsmann Bezold. sichtigung dieser Thatsache als die wahren, auf die Nüglichkeit ist es auch noch unsere
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Bequemlichkeit , welche uns dazu verleitet, körperung jenes Zwanges , welchen das täg | jenen früheren Zeiten, in denen das deuts die in uns liegenden Schönheitsgeseße zu liche Leben den ästhetischen Geseßen anthut. Bürgertum so kräftig und eigenartig fl verleugnen. Denn zu einem kritischen Urteil Aus welchen Momenten dieser Zwang sich Die ästhetiſchen Anſchauungen unserer über das Schöne ist doch immer eine ge- zusammenseßt, das habe ich mich bemüht, sie sind offenbar bestrebt, jene Formen wiſſe geistige Arbeit notwendig ; wir müssen, an einigen so recht auf der Hand liegen der bei uns heimisch zu machen, mit de wenn auch unbewußt, vergleichen , inwie den Beispielen darzuthun. Wir haben ge- der deutsche Bürger der Verganac weit die Eindrücke, welche wir von einem sehen, daß das Nüßlichkeitsprinzip, daß Be- sein Haus schmückte. Gegenstand empfangen , in Uebereinstim quemlichkeit , daß geistige Schlaffheit uns Der große nationale Gedanke , 1 : mung stehen mit den durch die Organiſation oft veranlaſſen, von den Grundgesehen des chen das glorreiche Jahr 1870 dem dn unseres Sehorgans vorgeschriebenen Schön Schönen abzuweichen und uns dem ästhe: schen Volk gebracht hat, er strebt aui cl. heitsgesehen . tischen Zwitterwesen der Mode in die Arme Gebieten unseres Lebens zum Durati Die zu solch einem Vergleich nun zu werfen. Aber so gering ist das Wesen zu gelangen. Auch unſer äſthetiſches & einmal unerläßliche Geistesarbeit scheuen der Mode doch nicht aufzufassen , daß es pfinden , es kann und will sich dem e wir nur zu oft und schlagen den viel be- genügte , sie lediglich durch menschliche fluß des so siegreich sich entfaltenden de quemeren Weg ein , das ästhetische Urteil Schwächen zu erklären ; auch höhere Moschen Bewußtseins nicht entziehen anderer uns zu eigen zu machen . Aber mente sind bei der Entstehung derselben darum suchen wir die Formen wieder m selbst auch dann, wenn wir der Mühe, cine beteiligt. Alle großen Gedanken und Em- | welche_wir im deutschen Haus der de eigene ästhetische Meinung uns zu bilden, pfindungen, welche die Volksfecle bewegen, gangenheit in so ausgeprägter Weise ve nicht aus dem Wege gehen , suchen wir sie spiegeln sich auch in den ästhetischen törpert finden. Und so bin ich denn t doch diese Arbeit so bequem wie möglich Anschauungen wider , fie gelangen notge Meinung, daß bei der Entwickelung zu gestalten. Bemerken wir an einem drungen auch in diesen zum Ausdruck, ver- seres modernen Geſchmackes ein Mon.Gegenstand alte bekannte Formen, Formen, leihen ihnen ein charakteriſtiſches Gepräge. von der höchſten ethischen Bedeutung mi die zu unserer eigenen Individualität oder Sache des Kulturhistorikers ist es , diese gebend ist, die Liebe zu deutſchem Weie: zu unserem Geschlecht überhaupt in irgend Regungen der Volksseele in ihrem Einfluß und mag unsere heutige Mode auch einer Beziehung stehen , so sind wir fast auf das ästhetische Empfinden zu studieren cherlei Auswüchse zeigen, mag fie in vid stets geneigt, auf Grund dieser Thatsache und würde es nicht meines Amtes sein, Beziehungen übertrieben sein , ja mai schnell mit dem Urteil über den Schön wollte ich Sie nun auch auf dieſes Gebiet in mancher Hinsicht vielleicht sogar ein heitswert bei der Hand zu sein. Das An- führen, aber eine kleine Abschweifung nach Rückschritt verzeichnen, die Thatsache, de heimelnde, mit welchem solche bekannte For- dieser Richtung hin gestatten Sie mir viel sie ihren Ursprung verdankt dem berch men uns anmuten , genügt uns , um den leicht noch zum Schuß meines Vortrages. tigten Stolz , nun wieder ein Deutſcher Gegenstand für schön zu erklären. Darum Unsere heutigen ästhetischen Anschau zu dürfen, läßt uns die Mängel derick finden gerade Formen, die uns in der Na- | ungen, sie haben eine, auch für den unauf- gern vergessen . Und so möchte ich die Leser bite tur oft entgegentreten, so häufig eine Ver- merksamsten Beobachter nicht zu verkennende wendung als Verzierungen ; so erinnere gewaltige Aenderung im Laufe des letzten aus dieser Betrachtung die Anſicht gewin ich nur an die Form des Halbmondes, der Jahrzehntes erfahren. Plötzlich sehen wir zu wollen , daß unſer äſthetiſches ESonne, des Sternes, verschiedener Blatt- uns zurückversezt in längst verklungene pfinden auf feſten unwandelbaren z Zeiten. Kunst und Kunstgewerbe, sie ver- gesehen beruht. Aber der Wiz des formen u. dgl. m. Und schließlich spielen die geistigen Be folgen Bahnen , welche unsere Vorfahren schen hat es verstanden, den ewigen St ziehungen, in denen wir zu einem Gegen- gewandelt sind. Betreten wir ein moder- heitsgesehen das Mäntelchen der stande stehen, bei unserem ästhetischen Urnes Zimmer, so glauben wir nicht in dem umzuhängen, ein Mäntelchen, welch teil eine sehr bedeutsame Rolle. Wir sind Zeitalter des Dampfes und des Telephons webt ist aus all jenen Fehlern und gern geneigt, Objekte, welche mit unserem zu leben , sondern wir sehen uns in zügen , welche das Wesen des Menits Geistesleben verwandte Beziehungen haben, einer Umgebung, wie sie zu finden war in selbst zeigt. auch für schön zu erklären. Das Uebereinstimmende zwischen dem Objekt und unserer geistigen Temperatur ruft unser Behagen hervor und nimmt unser ästhetisches Urteil gefangen . Trink gol d. Doch genug hiervon. Die angeführten Von Beispiele werden genügen , um zu zeigen, wie gar vielerlei Faktoren bemüht sind, Anton horn. unser ästhetisches Urteil zu beeinflussen, die in uns liegenden Naturgeseße der Schönheit in ihrer Bethätigung zu behindern. Empfindungen der eigenen Seele 1. Kapitel. Die ewigen unveränderlichen Gesetze einen heiligen , wunderſamen Lebens. des Schönen , welche die Natur selbst in Die Bekenntnisse des Pater Bruno. zu überliefern. Der Raum war hech 13 unser Inneres gelegt hat, sie rein und undie Decke geſtüßt von määr verfälscht zu erhalten , iſt nur wenig Be Durch die hohen Bogenfenſter fiel der gewölbt, vorzugten vergönnt . Die Mehrzahl der Schein der Nachmittagssonne in die Strebepfeilern, und eine wohlthuende s ihn , die bei der Hochform durchwehte Menschen hat sich derselben entfremdet und alte Klosterbücherei und vergoldete das daran gewöhnt , den ästhetischen Wert zu braune Holzgetäfel der Wände und die be- glut, welche draußen über den goldgra messen nach den zufälligen und wechseln stäubten Folianten in vergilbten Leder- und Achrenfeldern zitterte und flimmerte , 20 den Rücksichten, wie sie das tägliche Leben, Pergamenteinbänden . Sie standen wohl pelt angenehm empfunden wurde. wie sie der Beruf, der Stand und die geordnet und ein jeder trug aufseinem Rücken An einem der Bogenfenſter ſtand Tagesereignisse ihnen aufdrängen. Und jäuberlich mit schwarzer Farbe seinen Titel junger Mönch im dunkeln Gewande der jeweilige ästhetische Geschmack, wie er und Autornamen verzeichnet, und sie waren Benediktinerordens , und er ließ die klar. sich unbekümmert um die unwandelbaren Ge- fast alle Zeugnisse von dem ehrlichen deut- braunen Augen, die ernst und ruhig seze des Schönen aufbaut aus den flüch- schen Fleiße der Vorzeit , da der gelehrte einer weißen , schöngewölbten Denkeri tigen Rücksichten des Tages, es ist das, Mönch in einsamer Zelle noch oft genug lagen, flüchtig hinausgleiten in das was einen jeden von uns willig oder nicht seine ganze Lebenszeit daran sette , um das weithin bis an die Grenze in seinen Bann schlägt, es ist die Mode. der Nachwelt irgend einen Schat ver- Berge von hier aus überschaut w Die Mode ist nichts anderes als die Ver- gangener Tage oder die Gedanken und konnte. Zwischen Feldern, die der C
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entgegenharrten, zog sich der breite, silberne Er wollte die Metallspangen schließen, da Streifen eines Fluſſes hin , der hinein- glitt ihm das Buch aus der Hand und leitete nach der freundlichen Stadt , die schlug schwer auf den Boden nieder ; als friedlich, von ihrem grauen Mauergürtel er sich bückte, um es auszuheben, da blinkte umſchloſſen , traumhaft ruhig dalag und ihn aus dem hellbraunen Holzgetäfel der deren Türme bei dem klaren Wetter sich Wand , kaum zwei Hände hoch über dem mit scharfen Silhouetten vom Himmel ab Boden, ein kleines Astloch an, auf welchem, hoben. Hinter der Stadt lagen dunkle, durch einen Lichtrefler hervorgerufen , ein grüne Wälder , welche bis an die Höhen roter Schimmer lag . Mechanisch berührte hinanreichten , welche den Horizont aber die Stelle mit dem Finger und erschrak fast bis in das tiefste Herz, als diese dem schloßen. Dem Mönche war der Anblick nicht Drucke nachgab und das Getäfel etwa neu, er hatte auch nur vorübergehend, als einen Fuß ins Geviert sich öffnete und ob er den Augen eine Minute der Ruhe einen nicht eben tiefen , hohlen Raum gönnen wollte, hinausgeschaut ; dann senkte sehen ließ. Der Mönch beugte sich nieder er die Blicke wieder niederwärts auf das auf das Knie und spähte mit erregtem alte Buch , das er in den Händen hielt, Auge in die Höhlung , dann griffen die und dessen Schreiber wohl lange schon bebenden Hände zu und zogen ein mäßig vergilbtes Pergaunter den Platten des Kreuzgangs im starkes Heft hervor das auf seiner ersten Seite die alten Gruftgewölbe des Klosters moderte. ment trug : Confessiones Patris BruEs war eine Abschrift eines berühmten | Aufſchrift Bekenntnisse des Pater Bruno. Werkes und der eigentliche Verfaſſer kein nonis Er hatte niemals den Namen nennen geringerer gewesen , als jener Albertus Magnus , weiland Biſchof von Regens hören im Kloster, es trug ihn auch keiner burg , der nachmals im Jahre 1280 im von den lebenden Brüdern und durch Dominikanerkloster in Cöln gestorben war. seine Seele schlich sich ein leises Grauen, Das Buch aber führte den Titel : 99 De wie es das Menschenherz durchweht, wenn rebus metallicis et mineralibus " , und es vor einem Geheimnis steht. Er schlug der junge Mönch las halblaut vor sich hin : | das Heft auf, aber vor ſeinen Blicken tanz„Die Alchimie verfährt aber also, daß ten und flimmerten die kräftigen Schriftfie einen gewissen Körper zerseßet, ihn aus züge, und er klappte es wieder zu . Und seiner Gattung herausnimmt und mit dem als er zum zweitenmale die Hand in den wichtigsten seiner Bestandteile einen Körper Raum führte , zog er einen verstäubten Gegenstand hervor, der sich hart anfühlte, anderer Gattung bedeckt. Daher ist dasjenige alchimistische Vergleich einer Holzplatte. Er wischte mit fahren das beste , welches von ebenden dem Aermel seiner Kutte darüber und selben Mitteln ausgeht , wie die Natur zuckte fast augenblicklich zurück in heftigster ſelbſt , nämlich von der Reinigung des Erregung. Aus der Staubhülle, die wie Schwefels durch Kochung und Subli- ein dichter Schleier auf dem Gegenstande mation , von Reinigung des Merkurius lag, leuchteten ihm zwei Augen entgegen, und guter Vermischung beider mit einer so wundersam und sonnig , daß es den metalliſchen Grundlage , denn jene beiden einsamen Mann bis in die Seele traf, decken jede Art von Metall ¹) . “ und daß er fast mechanisch mit rascher Sinnend senkte der Mönch das Haupt Bewegung noch einmal den Aermel seines und faßte mit der Rechten sich an die Gewandes über die Platte gleiten ließ, heiße Stirn : „Wäre das wirklich die und nun hielt er in den zitternden Händen Lösung des Problems, nach welcher Hun- ein Frauenantlig , so entzückend schön, so derte schon vergebens gesucht und die doch madonnenhaft rein, daß er die Blicke nicht weder der Doctor mirabilis , der hoch von dem Bilde abwenden konnte, das ihn berühmte Franziskaner Roger Baco, noch mild und mit frommen Augen anzuschauen der Doctor subtilis , der gefeierte Minorit schien. Das Gefühl, welches ihn erfaßte, Duns Scotus , gefunden, lapis philoso- hatte er nie in seinem Leben empfunden, phorum, den Stein der Weisen, mit dessen es war Seligkeit und Schmerz , Wonne Kraft man unedle Metalle in Gold ver- und Bangen zugleich, und aus den wider wandeln könne ?" Ihn lüstete nicht streitenden Empfindungen rang sich endlich nach dem Golde , er hatte die Armut der eine Entschluß heraus : Die Brüder gelobt mit freiwilligem Herzen , er suchte durften nichts erfahren von seinem Funde ! nur den Triumph der Wiſſenſchaft, denn Mit zitternder Hand barg er das Pergaer war ein Denker und Grübler, der junge mentheft und das Bild wieder in dem Mönch mit der hohen , weißen Stirn, Wandschränkchen mit der Absicht , nächtobgleich er sich dabei die Herzenswärme licherweile wiederzukehren und beides heimbewahrt hatte und den Sinn für das Schöne. lich nach seiner Zelle zu bringen da Und die Sonne schien ihm in das stießen seine Finger noch auf etwas Hartes, bleiche Gesicht, und er schaute wieder hinaus und aus einer Ecke des Raumes zog er auf das anmutige Landschaftsbild. Der ein kleines Gefäß , das außerordentlich silberne Wasserspiegel blinkte und die schwer wog und mit einem grauen , schimgrünen Föhrenwälder lockten , so daß er mernden Pulver gefüllt war. Da es ihm mit raschem Entschlusse das Werk des angesichts der andern beiden Gegenstände Albertus Magnus zuklappte und an eines ohne Bedeutung schien, stellte er es wieder der Gestelle herantrat, um den Band wieder an seinen Ort, drückte die Thür des Schränkan seinen herkömmlichen Ort zu bringen. chens zu und flüchtig, als ob er eine Sünde 1) Buch III, tract. I, Kap. 9. begangen, verließ er die stille, sonnenvolle
1557 Bücherei. Er eilte hinab in den Klostergarten. In den Hecken blühten die weißen und roten Rosen und die alten Linden dufteten. Auf stillen , schattigen Wegen längs der Mauer schritt da und dort ein einzelner Mönch , ein müdes Wäſſerchen plätscherte und ein einsamer Vogel sang im Wipfel einer breitäſtigen Buche --- €3 lag ein stilles , gesättigtes Behagen , ein Sabbatfrieden, über dem hübschen Fleckchen Erde. Weit hinten zwischen grünem und blühendem Strauchwerke , an erhöhter Stelle, von der aus man den Garten überschauen konnte, stand eine graue, ſteinerne Bank und darauf saß ein alter, weißhaariger Mann im Gewande der Söhne des heiligen Benediktus ; ſein Gesicht war mild und voll jenes seligen Friedens , den Gemütsruhe und wahre Frömmigkeit verleiht, und seine welke, zitternde Hand stüßte sich auf einen Stab. Der junge Mönch , welcher aus der Bücherei kam, eilte auf ihn zu, denn der Greis war sein Lehrer , ja sein geistiger Vater , und mit rührender Hingebung hing er an demselben. Der alte Mann sah freundlich ihm entgegen und winkte mit der Hand zum Gruß. "„ Gott sei mit dir, Ansgar! " ,,Und mit deinem Geiste, Vater Meinrad!" „Du siehst aufgeregt aus, deine Augen leuchten so seltsam, was beunruhigt dich ?" Der junge Mönch, den der Alte Ansgar nannte , bedachte sich zum erstenmale , ob er dem greisen, väterlichen Freunde alles mitteilen solle, was er wußte ; aber raſch hatte er auch erwogen, daß es „ Bekenntnisse" waren, die in seiner Hand gelegen, und er wollte , bevor er nicht näher ge- , prüft, den Standpunkt des Priesters einnehmen , der von Bekenntnissen , die ihm allein zu teil geworden, nicht sprechen darf. Nur eine flüchtige Sekunde hatte er ge= schwiegen, dann fragte er : ,Vater Meinrad, weißt du etwas von einem Pater Bruno ?“ Erschreckt fuhr der Alte auf und legte die zitternde Hand auf den Arm des Jünglings : Um Gotteswillen - nenne nicht diesen Namen hier ! — Wie kommst du zu solcher Frage?" Ich fand den Namen in einem alten das ist alles." Buche Meinrad war auſgeſtanden und stützte sich auf seinen Krückstock. „Komm, laß uns ein wenig gehen! Du hast mir den Deckel von einem Sarge gehoben und ich sehe ein bleiches , edles Gesicht vor mir, das einem Menschen gehörte, den ich sehr lieb hatte, und der so unglücklich war, von keinem hier verſtanden zu werden. " Der Greis schwieg eine Weile, dann, als er neben Ansgar unter den blühenden Linden hinschritt, um welche tausend fröhliche Insekten summten, hob er einen Moment die Augen auf und schaute durch das grüne Laubgewirr empor zu_dem blauen Himmel , als ob er eine Frage
Anton Ohorn. -1558hinaufzurichten hätte ; endlich atmete er tief und sagte : „ Ich will's als eine Fügung des Herrn betrachten , daß du mir den verschollenen und verpönten Namen genannt hast , und will dir von dem erzählen, welcher ihn trug, und dem Gottes wärm ster Sonnenschein ins Herz fallen möge, wenn er noch unter den Lebenden weilt. Er war dir ähnlich in manchem und der Herr behüte dich darum in Gnaden vor seinem Schicksale. Ihn freute alles Schöne und Edle , und es begeisterte ihn zum Schaffen , denn er war ein Meister des Pinsels ; ihn lockte alles Tiefsinnige und Geheimnisvolle in der Natur , und er ſann oft Nächte lang, von heißem Wissensdrang beseelt ; aber ihn ergriff auch der Menschheit Not und Jammer, und er war ein edler Helfer , wo es immer angehen seine Brüder aber haben sein mußte Wesen nicht verstanden und er ging ein sam unter uns einher , aber allezeit mit dem ruhigen , freundlichen und sonnigen Angesicht , das der Spiegel seiner Seele war. Ich will nicht anklagen , aber es muß ausgesprochen sein : Bruder Florian, den jezt die Hand des Herrn so schwer getroffen, daß er gelähmt und wie lebendig begraben in seiner Zelle sist , ging in religiösem Ucbereifer den geheimnisvollen Spuren Brunos nach, und er ward sein Antläger. Er zich ihn der teuflischen Kunst, und daß er in Vollmondnächten mit Zaubergebärden nach dem Stein der Weisen suche und Gold mache - und die andern Brüder ließen sich durch sein Wort bethören und erhoben sich gegen denjenigen , der sich nicht einmal verteidigte. Es war just die Bulle des Papstes Johann XXII . erschienen , so da anhebt : Spondent quas non exhibent " , undwelche jeden Adepten mit dem Banne bedroht, und die Brüder im Kloster Walkenried hatten eben erst ihren Mitbruder Adolf Meutha verjagt da wollten sie hier nicht minder strenge sein und hielten ein Capitulum, in welchem nun ein einziger feine Stimme für den Angeklagten erhob und das war ich. Die andern aber rissen ihm das heilige Kleid des Ordens vom Leibe und schabten mit rauhem Ziegelstein ihm die Fingerspißen ab , die einst das Salböl bei der Priesterweihe ihm geheiligt | hatte , und dann stießen sie ihn hinaus aus ihrer Mitte. - Er aber war ruhig und mild wie immer er hatte mir die Hand gedrückt, und dann ging er. Ich sehe ihn noch, wie er langsam über den Klosterhof schritt , im Gewande eines Knechtes , ein Bündelchen in der Hand, und da sie ihm nachfluchten , wandte er sich unter dem Thore um , kehrte das freundliche, ruhige Auge zurück und hob die geschändete, blutrünstige Hand zum Segen. Er war der beſte Bruder , der Stolz unseres Konvents er iſt verſchollen, er ist tot für diese Räume , sein Name wird nicht genannt , aber in meiner Seele lebt sein Bild , solange ich atmen werde. Gott hüte dich, mein Sohn, daß du ihm gleich bleibeſt im Wesen und nicht gleich werdest
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im Geschicke ... Ich bin müde geworden, Antlitz der Heiligen , deren Bild auf der geleite mich in meine Zelle , Ansgar ... Staffelei stand. Noch einmal weilte sein ich bin sehr müde geworden . . . “ Blick auf dem süßen Gesicht, das ſo traumDer Jüngling stüßte den Greis und haft aus dem Silbergespinst des Mondführte ihn langsam durch die grünen lichts ihn anschaute , dann barg er das Lindenhallen und zwischen den blühenden Bild unter dem hohlen Fußgestell seines und beide schwiegen. Rosenhecken Betschemels , denn es drängte ihn zu erAuch Ansgar betrat seine Zelle, aufs fahren , was es mit dem Bilde für eine tiefste bewegt. Es war ein mäßig großer Bewandtnis habe , und die „ Bekenntniſſe Raum, hoch, gewölbt, mit weißgetünchten des Pater Bruno " zu lesen. Aber der Wänden ; ein roher Tisch mit zwei Stühlen, Mondschein flimmerte auf dem gelben ein hartes Lager mit einer groben Woll- Pergament , und er vermochte nur müh decke und ein Betſtuhl, das war die Ein- sam die Schriftzüge zu entziffern , da richtung des Gemaches ; nahe am Fenster kam ihm ein Gedanke. Er selbſt beſar aber stand noch eine Staffelei und auf kein Licht in seiner Zelle, das verbot die derselben ein angefangenes Gemälde, nach Regel ; aber in der Kirche vor dem Allerdem ganzen Entwurf eine heilige Cäcilie heiligsten leuchtete die ewige Lampe mit mit dem Saitenspiel in der Hand. Die ihrem milden Schein , und er hielt es Haltung der Figur , der Faltenwurf des nicht für Sünde , die Bekenntnisse eines Gewandes zeugten von hoher Begabung ; edlen Menschen im Heiligtum des Herrn aber das Antlig, das sich nur in matten selbst entgegenzunehmen . Umrissen von der Leinwand abhob , hatte So ging er nach der Kirche und schrit keine Seele. Der junge Mönch mochte langsam zwischen den hohen, grünen Pfei das in diesem Augenblicke selbst empfinden, lern hin bis vor den Hauptaltar ; er beugte denn unmutig wandte er sich von seiner das Knie; dann aber seßte er sich nieder Schöpfung ab und fah hinaus durch das auf die Marmorstufen und beim Schimmer Fenster auf die im Abendstrahl schimmernde der ewigen Lampe, der dämmerig den weiten Landschaft. Doch kümmerte ihn nicht Wald | Raum durchzitterte , las er mit stets geund Feld und nicht das Läuten der Herden- steigerter Spannung die Confessiones glocken , sein Geist war bei dem blassen, Patris Brunonis . „Dem Leser Heil !" vertriebenen Priester und vor seinen Blicken "Der du diese Blätter in den Händen sah er die wundersam tiefen , milden Frauenaugen jenes geheimnisvollen Bildes , und hältst , denke , du säßest am Bette eines er sehnte die Stunden hinweg und wünschte Sterbenden , der dir seines Herzens Ge die Nacht herbei , um in ihrem Schuße heimnisse anvertraut und dich um Absolution bittet , wie es der Büßer im den gefundenen Schatz zu heben. Als er mit den Brüdern die Vesper Beichtstuhle thut. Bist du ein Zelot, jo und das Kompletorium betete und die wirst du sie versagen , und mein Gebein Psalmen des königlichen Sängers monoton wird darum nicht unruhiger schlafen ; Hiſt in gewohnter Weise an sein Ohr klangen , du aber ein Priester, wie ich in den idealen machte er sich heimlich Vorwürfe , daß Träumen meiner Jugend ihn gedacht , ſo er nur ein Lippengebet übe, und doch konnte wirst du sie erteilen und wirst für mich er Herz und Sinn heute nicht zur An- andächtig den großen Bußpſalm miserere dacht zwingen. Endlich war es vorüber beten. “ und in einsamer Zelle erwartete er die So huben in lateinischer Sprache die Nacht. Sie legte ihren Schleier langsam Bekenntnisse an und was nun folgte, war über die grauen , stillen Gebäude , und ein Lebensbild , entworfen mit rührender hinter dem hohen Turme schwamm der Einfachheit, schlichter Wahrheit und ergrei Mond empor und goß sein mildes Licht fender Seelengröße. Vor den Geiſt Ansüber die Landschaft und flimmerte neu gars trat immer klarer, immer schöner die gierig auf dem Holzgetäfel in der alten Gestalt des Mannes , der eine Welt von Bücherei. Da schlich er herein auf leisen Wissen in seinem Geiſte , eine Welt voll Sohlen ... wie ein Dieb, der Entdeckung Liebe in seinem Herzen trug und der das fürchtet, nahte Ansgar der geheimnisvollen alles vergraben mußte in die Einsamkeit Stelle , und wenige Augenblicke später seiner öden Zelle , ohne zu klagen , ohne lag das vergilbte Heft, das bestäubte Bild zu grollen, mit friedlicher, freundlicher Nein seiner zitternden Hand. Leise schnappte signation er war sich selbst genug. Dann hieß es in den Aufzeichnungen: die verborgene Thür wieder ein, behutsam wandelte der junge Mönch durch die nächt- " Nur von zwei Menschen auf der ganzen lich stillen Gänge, von denen da und dort Erde weiß ich, daß ich verstanden werde. im Mondlicht aus dunklen Rahmen blaſſe und das ist des Glückes genug ; der eine Mönchsgesichter ernſt auf ihn niederschau- ist Bruder Meinrad, aber er ist still und ten , und tief aufatmend betrat er seine trägt dies Bewußtsein in tiefster Seele. Zelle. Er eilte an das Fenster ; beim nur in einer und der anderen Stunde, da Mondenſchimmer wiſchte er den lezten er vor meiner Staffelei ſtand , ſah ich es Rest des Staubes von dem Bilde , das aus seinen Augen leuchten ; der andere iſt nun in seiner ganzen keuschen Schönheit der Kausherr Eberhart, unten in der ihn anschaute , so daß seine Seele davor Stadt. Sein Haus war mir ein Afri erzitterte. Aber kein sinnliches Begehren und in seinem Herzen glüht ſtill und heifam in sein Herz , das jauchzte nur auf lig die Flamme für alles Gute und Schöne ; | in stiller Wonne , denn er hatte hier die er ist ein Künstler , ob er gleich niemals längst gesuchten Züge gefunden für das | Pinsel oder Meißel geführt hat und darum
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versteht er mich. Einmal in jeder Woche | er sein Haus und Heim sollte behalten | sich bilde , mit dem man unedle Metalle hab ich ihn besuchen müssen und es war können. Er sah mich groß und dankbar in Gold verwandeln könne, aus dem man mir ein Feiertag , von dessen Weihe ich an und er glaubte mir, ob er gleich nicht aber auch durch künstliche Mischung das ſechs Tage zehrte. Sein Weib war ihm wußte , woher ich den Reichtum nehmen aurum potabile , das Trinkgold , be lange gestorben, sein Töchterchen ward bei sollte. Ich aber dachte an die alchimistische reiten könne , das eine Panacee und ein Verwandten erzogen, er aber ertrug seine Kunst , mit der ich lange mich schon be- unübertreffliches Heilmittel sei bei allen Einsamkeit mit der Ruhe des echten Wei- faßte , heimlich und verborgen , denn des Krankheiten. sen. Da kam ich einſt in ſein Haus und Papstes Bulle verbot sie als Teufelswerk. Was noch am verflossenen Nachmittage ſein Kind trat mir entgegen, blühend und Das aber ist sie nicht und heilige Männer in der Bücherei die Seele Ansgars besonnig wie ein Maimorgen und durch meine haben nach dem Steine der Weisen ge- schäftigt , wonach er in dem Werke des Seele ging ein Schauer. Ich habe in sucht und haben dabei ihre Seele nicht berühmten Albertus Magnus umſonſt gejener Nacht keinen Schlaf gefunden , ich dem Bösen verpfändet , denn das höchste sucht , das ward so einfach und überzeujah immer die großen freundlichen Mäd- Wissen kommt nicht vom Teufel, sondern gend ihm hier mitgeteilt und es war ihm chenaugen vor mir und das Gleichgewicht von Gott. Und ich las nächtlicherweile außer Zweifel , daß jenes schwere , graue meiner Seele kam ins Schwanken. beim Schimmer der ewigen Lampe die Pulver, das er in der Hand gehalten, der Nach acht Tagen betrat ich abermals Schrift des hochwürdigen Bischofs Alanus lang gesuchte Stein der Weisen war . Der Sommermorgen dämmerte durch das Haus des Freundes und sie grüßte von Aurerre : ..De lapide" und des from mich , wie man einem lieben Bekannten men Mönches Ferrarius Buch „ Vom Steine die hohen Bogenfenster der Kirche, in fahlem thut und mein Auge ſog sich voll an ihrem der Weisen “ und grübelte und sann, bis Grau ragten die Statuen der Heiligen an Himmelsgesicht und mein Ohr trank den ich den rechten Weg fand und der Geist den Pfeilern , die Vergoldung der Altäre Wohllaut ihrer Stimme und wie ein Be- des Herrn mich erleuchtete , auf daß ich bliste matt, da verließ Ansgar langsamen rauſchter wankte ich heimwärts , als die meinem Freunde helfen könne. Ich habe Schrittes , das Pergamentheft unter dem Horaglocke abends rief. An jenem Abend ihn gefunden, den lapis philosophorum, Stapulier sorglich geborgen , die heiligen aber ward es mir klar, daß ich die Tochter und damit du , frommer Leser , zu beur- Hallen und suchte seine Zelle auf. Tiefmeines Freundes liebe und ich vermeinte, teilen vermagst, daß nur das Wiſſen allein, ſtille lag noch das ganze Konvent , denn das Herz müſſe mir springen in Seligkeit aber nicht schwarze Teufelskunst mich das die Glocke hatte noch nicht zur erſten Hora und Schmerz zugleich und seit langen Jah- Geheimnis ergründen ließen , füge ich im gerufen. ren zum erstenmal wieder habe ich in jener Anhang das nähere Verfahren bei. Dem 2. Kapitel. Nacht geweint und dann vor dem Kreuze Herrn sei Dank, es wird meinem Freunde Die heilige Cäcilia. auf den Knieen gelegen und gebetet, bald, geholfen werden, habe ich aber gesündigt, Am andern Tage stand Ansgar vor daß der Himmel meine sündhafte Liebe indem ich des Papstes Verbot übertrat, begünstige , bald , daß er mein Herz ver so erteile mir, frommer Leser, Absolution seiner Staffelei. Noch einmal hatte er im hellen Morgensonnenlicht jenes Bild be ode und versteine , selbst um den Preis , um des Freundes willen ..." daß er mir meine Kunst raube. Und wo Hier brachen die Aufzeichnungen ab schaut und jeder Zug prägte sich seiner ich ging in den nächsten Tagen, da schritt und der einsame Leser atmete tief auf. Seele auf das tiefste ein ; eine Ahnung mir das liebliche Traumbild zur Seite und Er blieb auf der Altarstufe ſizen und sah deſſen war ihm durch das Herz gegangen, mein Herz war voll von ihr allein. Ich hinein in den stillen dämmerigen Raum daß man um ein solches Angesicht wohl mußte , daß es fündhaft war und darum der Kirche und vor seinem Geiſte zog alles an dem Mönchsgelübde wankend werden cang ich mit mir selbst . . . unbeschreiblich das vorüber, was in den „ Bekenntnissen " könne , und stille Bewunderung hatte ihn and ich habe mich bezwungen. Um das nicht mehr zu lesen war und was der aufs neue erfaßt für den seelenstarken, Bild aus meinem Herzen zu bannen, über- Pater Bruno nicht mehr hatte aufzeichnen gewaltigen Mann , der ſich ſelbſt beſiegt rug ich es auf die Leinwandin nächt können. Er hatte wohl in stiller Nacht hatte. Und er wollte nicht schwächer sein icher Stunde beim fahlen Mondenſchim- | „ gealchemaiet " , die Seele erfüllt von der als jener ; die süßen Augen sollten ihn ner habe ich das füße Gesicht in Farben freudigen Genugthuung, dem Freunde und nicht verlocken zu weltlichen Gedanken und jebannt und wie in einen Zauber habe dessen Kinde helfen zu können , und die sündlichen Begierden, er wollte den Schein ches verborgen in dem Raume, in wel- Brüder hatten ihn dabei überrascht und der Heiligkeit um dieses entzückende Menhem dieſe Blätter liegen ; hier ruht es dann war es gekommen, wie der alte Mein- schenhaupt legen und ihm damit den Zauber jut ... denn die Brüder gehen nicht in rad erzählt hatte , und der Unselige war nehmen, mit dem es anfing , sein eigenes ne Bücherei , sie bedürfen der Weisheit wohl mit dem Freunde gemeinsam hinaus- | Herz zu umgarnen . So tauchte es allgenicht ... Ich habe Eberhart nicht mehr gegangen ins Elend. mach unter seinen Pinſelſtrichen auf, erſt ejucht , aber er kam zu mir ; er wußte, Und Ansgar schlug den Anhang zu schüchtern und verschwommen, dann immer vas mich von seinem Hauſe fernhielt, aber dem Hefte auf und las „ Wie man den klarer und sicherer und schon am anderen r sprach nicht davon und alles blieb zwi Stein der Weisen bereitet ". Da stand Tage leuchteten die Wangen vom zarten chen uns beim alten. Das dauerte Mo- alles so klar und einfach beschrieben , wie warmen Farbenton des Lebens und die ate hindurch und ich sah die Tochter des man zunächſt aus der richtigen Mischung Augen glänzten so mild und keuſch und Freundes nicht mehr wieder, denn ich kam von Alaun, Salpeter, Kochsalz und Queck- sonnig und je länger er sein eigenes icht hinab nach der Stadt, da trat Eber- silbersublimat durch Destillation mit Al- Werk ansah, desto mehr ward er innerlich art eines Morgens in meine Zelle, sein kohol das Merkurialwasser gewinne ; befriedigt und eine wunderſame , heilige Ingesicht war blaß und seine Stimme wie man mit dieſem dünngeſchlagenes Gold Ruhe zog in sein Herz. itterte, da er sagte : „ Wir sehen uns zum in der Wärme übergieße, bis letteres sich An diesem Tage war der greise Meinettenmal - ich bin ein Bettler gewor- löse und als Goldſay ſich niederschlage, rad nach seiner Zelle gekommen und er en und muß mit meinem Kinde hinaus der in der Hize rot werde wie das Blut ſtand hinter dem jungen Maler und schaute Elend ; ich werde es ertragen , aber des Löwen ; wie das Löwenblut in dicht lange schweigend nach dem Gemälde. Er mmein Kind thut mir's leid.' Das verschlossenem Kolben in einem Aſchenbade mußte aufs neue jener Stunden denken, nitt mir in die Seele und ich hätte ihm bei hoher Temperatur seine Farbe wechsele, da er das künstlerische Schaffen Brunos ein Herzblut gegeben in jener Stunde, erst schwarz , dann grau , dann gelb und verfolgt und still bewundert hatte und denn ich ihm damit hätte helfen können ; endlich rot werde, bis es zur Grundlage immer mehr wollte es ihm scheinen , als araus hätte er aber kein Gold machen der eigentlichen Tinktur geworden ; wie sei jener seltene edle Mensch wieder jung hnen. Und ich mochte ihn nicht ohne es zuletzt fein gerieben und ein Gran mit geworden und stehe wieder vor ihm und tost ziehen lassen und so versprach ich tausend Gran geschmolzenen Goldes ge- als müſſe er selbst die Hände falten zum m , obgleich ich nur ein armer Mönch mischt werde, woraus nach dreiviertelstün- Gebet für den Jüngling, in deſſen Herzen ar , ihm so viel Geld zu schaffen , daß digem Schmelzen der Stein der Weisen ein heiliges , reines Feuer brannte , das 66 89. II.
Anton Ohorn. Trinkgold. 1564:
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man in diesen Mauern heute so wenig zu würdigen verstand , wie vor drei Jahrzehnten, als man Bruno hinausstieß wie einen Gottverfluchten und Geächteten . Goldener Sonnenschein flutete durch die armselige Zelle , auf dem Fenstersims draußen sang ein kleiner Vogel, Düfte der blühenden Linden wehten durch das offene Fenster und den Greis erfaßte ein wundersames Gefühl. „Das Bild wird manches Herz erfreuen und manche kummervolle Seele trösten es ist dein bestes , und Gott hat dich reich gesegnet, da er dich solches schaffen läßt ; haſt du jemals dies Antlig gesehen und diese unergründlich tiefen, frommen Augen ?“ „ In vergangener Nacht, mein Vater, " entgegnete Ansgar, ohne von der Staffelei wegzuschauen. Im Traume alſo - Träume sind auch von Gott. " Ansgar schwieg. Drei Tage später stand das Bild vollendet auf der Staffelei und heller VerHlärungsglanz lag um das schöne Haupt und schien von den braunen Haarwellen auszugehen ; zur selben Zeit aber lag in schlichter Totenruhe im Kapitelſaale der alte Meinrad und auf seinem bleichen Gesichte schimmerte ein himmlischer Friede. Es waren die letzten Worte gewesen , die er zu Ansgar sprach , da er ihn in seiner Zelle besuchte, die Nacht darauf war der Todesengel durch das Konvent gegangen wie ein milder , freundlicher Genius und hatte den Greis auf die Stirn und auf die müden Augen geküßt, so daß er diese am andern Morgen nicht mehr öffnete . Um den Sarg flackerte das gelbe Kerzenlicht , auf dem Gesicht des Toten aber spielte der goldene Sonnenschein, der durch die hohen