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German Pages [329] Year 2022
CORPUS MUSICAE POPULARIS AUSTRIACAE
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CORPUS MUSICAE POPULARIS AUSTRIACAE GESAMTAUSGABE DER VOLKSMUSIK IN ÖSTERREICH in repräsentativer Auswahl geleitet von
Walter Deutsch
im Auftrag des
ÖSTERREICHISCHEN VOLKSLIEDWERKES
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Wien 2022
CORPUS MUSICAE POPULARIS AUSTRIACAE 23
Annemarie Bösch-Niederer
Volksmusik in Vorarlberg Lieder und Tänze der Biedermeierzeit in Vorarlberg
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Gefördert durch das Land Vorarlberg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: aus dem Liederbuch des Jodok Seelenmayer, Egg 1841, S. 11, Copyright: Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung, Kirchstrasse 28, 6900 Bregenz Melodieregister/Incipit: Mag. Klaus Karitnig, Dornbirn Notensatz: Univ.-Ass. Peter Oberosler MA, Innsbruck Satz: Herbert Hutz, Drasenhofen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21127-3
Ein besonderer Dank gilt jenen Institutionen, Archiven, Bibliotheken und Persönlichkeiten, die Materialien zur Erstellung des Bandes zur Verfügung gestellt und wichtige Informationen geliefert haben: Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien Vorarlberger Landesarchiv, Bregenz Tiroler Landesarchiv, Innsbruck Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes, Wien sowie den Mitarbeitern des vorliegenden Bandes: Univ.-Ass. Peter Oberosler, MA (Notensätze) Mag. Klaus Karitnig (Melodieregister)
Inhalt Vorwort ................................................................................................................................................... 9 Zum vorliegenden Band . ................................................................................................................... 13 I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“ ................. Im Visier der Obrigkeit: Tanz und Musik im 18. und frühen 19. Jahrhundert ........................... Musikanten und Spielmänner ........................................................................................................ Tanzmusik – eine Männerdomäne? ................................................................................................ Bürgerliches Musikleben . ............................................................................................................... Ländliche Idylle im Blickpunkt des städtischen Publikums . ....................................................... Bürgerlicher Einfluss am Lande .................................................................................................... Quellen, Repertoire und Nachhaltigkeit ........................................................................................
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen: Zur Geschichte der ersten Sammlung von Volksmelodien in Vorarlberg 1819 .............................................................. 55 Aufruf der obersten Behörden . ....................................................................................................... 55 Zwei maßgebende Persönlichkeiten: Franz Josef Weizenegger und Franz Josef Rosenlächer ... 59 Bemühungen der Gerichtsbezirke im Auftrag der Regierung ...................................................... 63 Die Landgerichte Bregenz, Dornbirn und Lustenau ................................................................. 68 Das Vorarlberger Oberland mit den Landgerichtsbezirken Montafon und Sonnenberg-Bludenz . .............................................................................................................. 74 Chronologie der Rückmeldugen an das Innsbrucker Gubernium . ............................................... 79 III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert ....................... 83 Sonnleithner-Sammlung 1819 ........................................................................................................ 84 Der Bestand ................................................................................................................................. 85 Bestandsbeschreibung ................................................................................................................ 87 Lieder und Tänze ......................................................................................................................... 93 Lieder aus dem Nachlass Weizenegger ........................................................................................ 157 Musikantenhandschrift Strolz 1812–1818 ................................................................................... 162 Rätsel um eine Handschrift ...................................................................................................... 162 Josef Martin Strolz – Zeichenlehrer und Spielmann? ............................................................. 165 Gigermicheli und Gigermichelis Söpp ....................................................................................... 166 Tänze und Tanzlieder der Handschrift Strolz .......................................................................... 170 Tänze aus der Handschrift Meusburger, um 1820 ....................................................................... 185 Musikantenfamilie Meusburger ............................................................................................... 186 Die Handschrift Meusburger .................................................................................................... 186 Liederhandschrift Nayer, 1829 ..................................................................................................... 198 Musikantenfamilie Nayer ......................................................................................................... 198 Die Handschrift und ihre Schreiber ......................................................................................... 201 Liedkatalog . ............................................................................................................................... 202 Liederhandschrift Steinle, 1822 . .................................................................................................. 245 Die Handschrift und ihr Repertoire . ........................................................................................ 245 Liedkatalog . ............................................................................................................................... 247 Liederhandschrift Hörner, 1823 ................................................................................................... 273 Die Handschrift und ihr Repertoire . ........................................................................................ 274 Liedkatalog . ............................................................................................................................... 275
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Inhalt
Melodienregister ................................................................................................................................ 293 Register der Liedanfänge und Titel . ............................................................................................ 307 Register der Textdichter und Komponisten ................................................................................ 312 Literatur und zitierte gedruckte Quellen .................................................................................... 315 Bildnachweis ....................................................................................................................................... 326 Abkürzungen ....................................................................................................................................... 328
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Vorwort Das sich nun über ein Jahrzehnt erstreckende Bemühen um die Publikation der Ergebnisse der ersten Volksmusiksammlung von 1819 in Vorarlberg findet mit dieser Publikation einen vorläufigen Abschluss. Der 23. Band der Reihe „Corpus Musicae Popularis Austriacae“ bringt jedoch nicht nur eine Edition der Vorarlberger Beiträge des als „Sonnleithner-Sammlung“ bezeichneten Unternehmens, die Aufnahme zusätzlicher Handschriften aus dem zeitlichen Umfeld soll vor allem zukünftiger Forschung das Fenster zur musikalischen Kultur weiter öffnen. Zum Buchtitel ist anzumerken, dass die darin dokumentierten Lieder und Tanzmelodien in einem Zeitraum niedergeschrieben wurden, der insbesondere in der österreichischen Geschichts- und Musikgeschichtsschreibung als „Biedermeier“ oder „Vormärz“ bezeichnet wird.1 Diese Zeitspanne reicht vom Ende der napoleonischen Kriege bis hin zum Revolutionsjahr 1848, politische, gesellschaftliche und kulturelle Aufbrüche sind ihr Kennzeichen. Die Region des heutigen Bundeslandes Vorarlberg feierte nach mehrjähriger bayerischer Herrschaft am 24. Juli 1814 die Rückkehr zum österreichischen Kaiserstaat. Im Walgau und im Rheintal wurden erste Fabriken gegründet. Dies führte zu einem rasanten Anstieg der Einwohnerzahl und somit zu gesellschaftlichen Veränderungen.2 Gleichzeitig zeichnete sich sowohl im kleinstädtischen Bereich als auch auf dem Lande ein kulturelles Erwachen ab. Sichtbar wird dies durch die Gründung von Lesegesellschaften, musikalischen Vereinigungen wie Musikgesellschaften, Blasmusikkapellen und Gesangsgruppen bzw. Chören, durch den zarten Beginn eines öffentlichen Konzertlebens und den Rückzug in die bürgerliche Privatsphäre (Hausmusik, häuslicher Musikunterricht). Dem gegenüber stehen auch Schattenseiten. Armut und soziale Missstände betrafen breite Gesellschaftsschichten, ganz besonders die ländliche Bevölkerung. Ist das städtisch-bürgerliche Musikleben einigermaßen belegbar, so mangelt es an Quellen über die musikalischen Aktivitäten der bildungsfernen Gesellschaftsschichten, die, wenn überhaupt, weitgehend im Verborgenen stattfanden. Darüber wachten Politik und Kirche in Form von Zensuren und Spitzelwesen. Alle diese Themenbereiche werden im vorliegenden Buch angesprochen, und mit der Dokumentation und Edition von Quellen wird weiteren vertiefenden Forschungen, insbesondere ihre Auswertung betreffend, Material zur Verfügung gestellt. Wenig war bislang über die musikalisch-kulturellen Geschehnisse in Vorarlberg in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu erfahren. Die Dominanz von Quellen aus dem kirchenmusikalischen Bereich liefert uns ein allzu einseitiges Bild. Als Meilenstein kann daher ein besonderes Vorhaben gesehen werden, das im Frühjahr 1819 im gesamten Habsburgerreich zur Durchführung kam: eine erste Erhebung von volksmusikalischen Aktivitäten in den Kronländern der Habsburgermonarchie. 200 Jahre später rückt das als „Sonnleithner-Sammlung“ bekannte Unternehmen nun mit einer Quellenedition erstmals deutlich in den Fokus der Forschungen zum Vorarlberger Musikleben. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts war europaweit in Literaturkreisen und bei Historikern ein besonderer Trend zu bemerken. In ihren Blickpunkt rückte erstmals ein Interesse an der Kultur der bäuerlich-ländlichen Gesellschaft und an der Sammlung und schriftlichen Fixierung derselben. Der in
1 Mehr zum Begriff nachzulesen im Artikel „Biedermeier“ von Rudolf F lotzinger und Erich Wolfgang P artsch , in: OEML 1, S. 147–148, weiters N iederstätter 2015, S. 205–210 und A ntonicek 1995, S. 279–352. 2 N iederstätter 2015, S. 202, 19. Zwischen 1811 und 1848 waren es an die 26.000 Personen.
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Vorwort
Weimar wirkende Philosoph, Dichter und Schriftsteller Johann Gottfried Herder (1744–1893) gehört hier zu den Pionieren, von ihm stammt auch der Ausdruck „Volkslied“, dessen Begriffsbestimmung fortan eine nicht endende Diskussion entfachen sollte. Anfang des 19. Jahrhunderts hatten diesbezügliche Unternehmungen auch den Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie ergriffen:3 1807 veröffentlichte der Tiroler Jurist Johann Strolz (1780–1835) eine Volksliedsammlung aus dem Zillertal4, 1811 ließ Erzherzog Johann (1782–1859) statistische Erhebungen durchführen, die auch das Volkslied berücksichtigten. 1819 publizierten Franz Ziska (1786–1855) und Julius Max Schottky (1797–1849) einen ersten Band „Oesterreichische Volkslieder mit ihren Singeweisen“. Noch im selben Jahr wandte die österreichische Politik ihre Aufmerksamkeit auf „Dichtkunst“, „Volkscharakter und Sprach“ der Untertanen. Dies mündete in das bemerkenswerte Vorhaben einer weitreichenden Lied- und Tanz-Sammlung, die ihre Initiative einer noch jungen, privaten musikalischen Institution verdankt. Joseph Sonnleithner (1766–1835), Mitbegründer der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und ihr langjähriger Sekretär, gilt als Urheber einer breit gestreuten Sammelaktion. Seit Raimund Zoder (1882–1963), dem Begründer der Volkstanzforschung in Österreich und namhaften Volksliedforscher, wird diese Sammlung daher auch als „Sonnleithner-Sammlung“ bezeichnet.5 Die Erhebung von Nationalgesängen und -tänzen, angeregt durch die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates in Wien, durchgeführt über die Verwaltungsvernetzungen in den Kronländern, lenkte auch in der westlichsten Region des Kaiserstaates einen entdeckerfreudigen Blick auf musikalisch-kulturelle Äußerungen der Bevölkerung. Doch übermitteln die Ergebnisse dieser heute in Wien aufbewahrten Sammlung ein reales Bild der Gesangs-, Musizier- und Tanzgewohnheiten in Vorarlberg? Und sind darin besondere regionale Züge zu erkennen? Diese Fragen sind mit Sicherheit zu verneinen. Die beauftragten Personen waren in der Regel Geistliche, Lehrer oder Beamte, die ihre persönliche Sicht einbrachten, die weitgehend dem Moralverständnis der Zeit entsprach. Es ist anzunehmen, dass manches viel gesungene Lied einer Wertung unterzogen wurde und daher bei der Sammlung keine Berücksichtigung fand. Man vermisst weitgehend landesübliche Dialekte im gesungenen Lied, es fehlt eine breite regionale Streuung, und auch die Anzahl der Einsendungen fiel bescheiden aus. Somit kann diese erste Erhebung als Meilenstein der Musikgeschichtsforschung gesehen werden. Zwar verhalf sie dazu, die Kenntnisse zu Tonund Dichtkunst zu erweitern, jedoch nicht zu Volkscharakter und Sprach. Zu Musik, Tanz und Gesang der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung sowie der Handwerker und Arbeiter in den Kleinstädten gibt es bis in die späten 1830er Jahre aus Vorarlberg kaum Informationen. Dies ist einerseits in einer schwachen Quellenüberlieferung begründet, vielfach bedingt durch mangelnde Schriftlichkeit in den weniger gebildeten Kreisen, liegt aber auch an einem spürbaren Desinteresse der Bildungselite an diesbezüglichen Berichten. Dazu kommt, dass gesellschaftliche Normen, die von Verwaltung und der Geistlichkeit auferlegt wurden, Schranken vor allzu üppigen Lustbarkeiten legten. Historische Quellen und auch die Geschichtsschreibung bemühten sich gerne um die Vermittlung des Bildes eines den damals geltenden sittlichen Normen entsprechenden Lebens der hier ansässigen Bevölkerung. So mag es auch nicht verwundern, dass die „Sonnleithner-Sammlung“ von den Initiatoren in Vorarlberg im Blickfeld von Sittlichkeit und Moral einer besonderen Auswahl unterzogen wurde und ein verzerrtes Bild liefert. Eine maßgebende Persönlichkeit für die Einsendungen war der oberste Beamte
3 Mehr dazu bei S chmidt 1969. 4 Zur Sammlung siehe D örrer 1957, S. 16–38. 5 Z oder 1929, S. 50.
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Vorwort
von Vorarlberg, Kreishauptmann Franz Anton Daubrawa, Ritter von Daubraweik (1763–1836). Er galt den „Oberen“ gegenüber als überhöflich, „liebdienerisch“ und beschränkte seine Tätigkeit auf Verwaltungsarbeit und Überwachung der Landeskinder. Entsprechend seinem Wirken und Charakter fielen die nüchternen Berichte über Kreisbereisungen aus. Lapidar schreibt er darin über den Bewohner Vorarlbergs: „(…) übrigens gibt es überhaupt weder besondere Tugenden noch Laster, wohl aber gute Anlagen und Fähigkeiten“.6 Ist Daubrawa mitverantwortlich für die nicht allzu üppige Ausbeute der Vorarlberger Sammlung? Tiefer in die Gesangs- und Musizierpraxis lassen Lied- und Musikantenhandschriften aus den 1820er Jahren, die in der Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs bzw. seit Jänner 2022 der Vorarlberger Landesbibliothek7 verwahrt werden, blicken. Die Schreiber kommen zwar aus dem Kreis der gebildeten Bevölkerung – aus der bürgerlichen Mittelschicht –, doch vermitteln sie ein Repertoire, das später weit regional und gesellschaftlich gestreut gesungen, handschriftlich aufgezeichnet und zum Teil über mehrere Generationen hinweg mündlich tradiert wurde. Vorarlbergs Liederschatz orientiert sich bis in das späte 19. Jahrhundert am Kulturraum um den Bodensee. Bis in die 1950er Jahre dominieren Lieder in der Schriftsprache, wie bereits der Volksliedforscher Josef Bitsche nach intensiven Sammlungen in den 1950er Jahren feststellen konnte. Er spricht daher von „Volksgesang“ und hält sich dabei an den Volkskundler Leopold Schmidt (1912– 1981), der die österreichische Volksliedforschung in den Nachkriegsjahren maßgeblich prägte.8 Nur ein geringer Anteil der tradierten Lieder entspricht somit den strengen Normen der österreichischen Volkliedforschung unter Josef Pommer (1845–1918),9 der den Ursprung des Volksliedes im „Volk“ („Produktionstheorie“) sieht. Trifft seine Theorie auf die gesungenen Tänze „Drei lederne Strümpf“ und „Gibele gäbele“ zu? Ihre Entstehung aus dem „kollektiv-variativen Singen“ ohne Zuordnung eines „allein stehenden, individuellen Autors“ ist durchaus denkbar, aber nicht nachgewiesen.10 Konträr zu Pommer spricht der deutsche Volksliedforscher und Gründer des Deutschen Volksliedarchivs (heute Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Universität Freiburg), John Meier (1865– 1953), von „Kunstliedern im Volksmunde“ (Rezeptionstheorie). Auf die Mehrheit der bislang in Vorarlberg untersuchten Liedaufzeichnungen trifft seine These eher zu. Dank weiterführender Forschungen in den letzten Jahrzehnten konnten Dichter und Komponisten vielfach eruiert werden. Trotz Fehlens der Landessprache erfüllen diese Lieder wichtige Kriterien, um als „Volkslieder“ zu gelten: die generationsübergreifende mündliche Überlieferung, leichte Sangbarkeit, eine anlassbezogene Singpraxis und der Umwandlungsprozess durch die singende Bevölkerung. Belegt werden kann dies auch durch die im vorliegenden Band beigefügten Nachweise von weiteren handschriftlichen Aufzeichnungen.11 Im Fokus des vorliegenden Bandes von „Corpus Musicae Popularis Austriacae“ steht nicht nur die erste Sammlung von „Volksgesängen und Tänzen“ von 1819, zur Erweiterung des Blickfeldes werden fünf Handschriften aus dem zeitlichen Umfeld miteinbezogen. Die Gesamtheit dieser heute bekannten Niederschriften bietet vor dem Hintergrund historischer Quellen somit einen spannenden Einblick in die Musikkultur eines kleinen, von ländlicher Struktur geprägten Landes, dessen bürgerliches Kulturinteresse durchaus nachhaltig weitere Kreise zog. 6 T iefenthaler 1950, S. 5 und 34. 7 Mit 1. Jänner 2022 wurde die Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs organisatorisch in die Vorarlberger Landesbibliothek eingegliedert. 8 Mehr dazu bei: S chmidt 1970. 9 Josef Pommer ist der Vater des in Bregenz seit 1917 als evangelischer Geistlicher wirkenden Volksliedforschers Helmuth Pommer (1883–1967). 10 H aid 2006, S. 2540–2541 (Volksgesang), 2541–2544 (Volkslied). 11 Der Diskussion um den Volksliedbegriff stellen sich u. a. auch K lusen 1969 („Gruppenlied“), S uppan 1966, R öhrich 1973 und D ahlhaus 1980.
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Vorwort
Dass die Publikation dieses Vorarlberger Bandes nun verwirklicht werden konnte, ist vielen Personen zu verdanken. Ein besonderer Dank gilt dem Herausgeber der Reihe, Prof. Walter Deutsch, für seine umfassende Beratung während des langjährigen Untersuchungsprozesses und für inhaltliche Ergänzungen am Endmanuskript, Univ.-Ass. Peter Oberosler MBA für die Notensätze, Mag. Claus Karitnig für das Melodienregister und Cornelia Albertani vom Vorarlberger Landesarchiv für wichtige Quellenhinweise. Genannt seien insbesondere auch der Präsident des Österreichischen Volksliedwerks Dr. Josef Pühringer, die Geschäftsführerin Mag.a Irene Egger und die Vorständin der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung im Amt der Vorarlberger Landesregierung Mag.a Gabriele Dür, deren Unterstützung die Herausgabe erst ermöglichte.
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Zum vorliegenden Band 1997 erschien im Rahmen von „Corpus Musicae Popularis Austriacae“ (kurz: COMPA) der erste Vorarlberger Beitrag zur Reihe als Band sieben. Die darin publizierten „Liederhandschriften der Schwestern Cleßin“ aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigen erstmals ein bürgerliches Liedrepertoire, das nachhaltig im Volksgesang gefunden werden konnte. Der nun vorliegende 23. Band beschäftigt sich, ausgehend von den Ergebnissen der ersten Volksmusiksammlung 1819, mit den Sing- und Tanzgewohnheiten in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vorstellung und Edition der Quellen, um weiteren Forschungen eine Materialgrundlage zu bieten. Die Vorarlberger Ausbeute der Sonnleithner-Sammlung ist zahlenmäßig gering, was unwillkürlich zu Fragen herausfordert: Kann dieses Ergebnis, wie von den Initiatoren gewünscht, den regionalspezifischen Charakter der Vorarlberger Bevölkerung erhellen? Wurde der Liederschatz von einer breiteren Bevölkerungsschicht gesungen? Gibt es eine Nachhaltigkeit? Gab es Musikbeförderer? Um diesen Fragen zu begegnen, wurde die Sicht auf den Liederschatz und die Musiziergewohnheiten der Zeit um einige Facetten erweitert, und es wurden für den vorliegenden Band die ältesten, mit Noten versehenen handschriftlichen Aufzeichnungen aus dem zeitlichen Umfeld der SonnleithnerSammlung beigezogen, die auch eine regionale Streuung aufweisen: die Musikantenhandschriften des Lecher Spielmanns Josef Martin Strolz (1812 bis 1818) und des gebürtigen Bezauer Bauernsohnes Joseph Meusburger (um 1820), die Liedersammlungen der Bregenzer Bürgerstochter Franziska Steinle (1821), einer nicht näher bekannten Louise Hörner (1822) aus dem Besitz des Bezauer Lehrers Josef Stülz sowie des Johann Joseph Nayer (1829) aus Schruns, der eine steile Karriere vom Bauernsohn zum Gerichtskanzlisten erklommen hatte. Im vorliegenden Band werden diese Handschriften vorgestellt und mit Kommentaren zu Herkunft und Verbreitung der Lieder versehen. Um Verwechslungen auszuschließen, erbot es sich, die Lieder durchzunummerieren und den einzelnen Nummern ein Buchstabenkürzel voranzustellen: „S“ für Sonnleithner, „St“ für Strolz, „M“ für Meusburger, „Ste“ für Steinle, „H“ für Hörner und „N“ für Nayer. Nicht alle Lieder und Tänze wurden in einem zeitgemäßen Notenbild dargestellt. Dies betrifft die Handschrift Strolz, deren Original verschollen und die Publikation der Abschriften durch das Vorarlberger Landeskonservatorium in Vorbereitung ist. Im COMPA-Band werden daher Scans einer Abschrift aus dem Zoder-Tanzarchiv aus den Jahren 1927/28 wiedergegeben. Wegen der guten Lesbarkeit gibt es auch für die Handschrift Meusburger keine Transkription, sondern das Faksimile der originalen Vorlage. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht die Sonnleithner-Sammlung, deren Lieder und Musikstücke einer ausführlicheren Untersuchung unterzogen wurden. Bei den Handschriften Steinle und Hörner wird angesichts des weitgehend nicht volksmusikalischen Repertoires auf eine Wiedergabe von Text und Noten, abgesehen von wenigen Originalabbildungen, verzichtet. Der Quellenkommentar bietet hier weiterführende Informationen. Viele Belege sind bekannt, publiziert und auch heute digital über verschiedene Archivportale erreichbar. Einleitend zu den Handschriften bietet der Band zudem mit wissenschaftlichen Beiträgen Einblicke in die Geschichte der ersten offiziellen Volksmusiksammlung und in das Musikleben einer Zeitspanne, der bisher kaum Aufmerksamkeit zuteilwurde.
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Zum vorliegenden Band
Mit 1. Jänner 2022 wurde die Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs organisatorisch an die Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz abgegeben. Da das Manuskript noch vor diesem Zeitpunkt entstand und dem Verlag abgegeben wurde, beziehen sich Standortangaben im vorliegenden Buch noch auf die Situation vor dem 31. Dezember 2021.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“ Noch ist das profane Musikleben der sogenannten „Biedermeierzeit“, wie die Zeitspanne zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege und der Revolution von 1848 gerne bezeichnet wird, nur in Bruchstücken erfasst. Quellen sind lediglich vereinzelt bekannt, bislang überschaubar und betreffen größtenteils die bürgerliche Musikkultur. Volksmusikalische Aktivitäten wirkten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend im Verborgenen, es sei denn, sie überschritten den erlaubten Rahmen und gelangten damit ins Visier der Obrigkeit. Letzteres betraf vor allem den Tanz und das Singen als „unsittlich“ geltender Lieder.
Im Visier der Obrigkeit: Tanz und Musik im 18. und frühen 19. Jahrhundert Die Tanzforschung stellt in Vorarlberg trotz einiger Ansätze ein Desideratum dar. Noch bis in die 1970er Jahre begegnete man dem Thema „Tanz“ mit Vorbehalt. Josef Bitsche (1900–1974), der erste Volksliedarchivar in Vorarlberg, stellt 1961 ernüchternd fest: Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Tanz war noch vor wenigen Jahrzehnten fast ein Ding der Unmöglichkeit […]. Tanz, das war bei uns immer etwas, dem der Makel des – sagen wir es einmal ganz offen – des Sündhaften anhing.12
Um den spärlichen Nachrichten über Tanz- und Musiziergewohnheiten der „Biedermeierzeit“ näheres Verständnis entgegenzubringen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Musik und Tanz gehörten nicht nur vor 1800, sondern auch Jahrzehnte danach nicht zu den alltäglichen Vergnügungen. Sowohl geistliche als auch weltliche Autoritäten konnten dafür wenig Verständnis aufbringen; in ihrem Blickfeld lagen die moralischen und gesellschaftlichen Normen, deren Überschreitung sie befürchteten. Die Folge waren zeitliche und örtliche Einschränkungen und Sanktionen. Neben den allgemein von den obersten Regierungsstellen in Wien auferlegten strikten Tanzverboten für Seuchen-, Kriegs- und Notzeiten gab es individuelle, regional gebundene Regelungen. Diesbezügliche Bemühungen der Vorarlberger Behörden schlagen sich in offiziellen Schreiben, Verordnungen und Schilderungen von Zeitgenossen nieder. Ein Ort der genehmigten gesellschaftlichen Unterhaltung war in den ländlichen Gegenden Vorarlbergs das Tanzhaus („Tanzlaube“, „Tanzloba“). Das von außen einsehbare, offene Holzgebäude galt bis in das 19. Jahrhundert als Treffpunkt des öffentlichen Lebens. Es war Gerichts-, Rat- und Kaufhaus, Spiel, Tanz und Theater fanden hier vor allem während der Fasnacht statt. Bemerkenswert ist der Standort: am Kirchplatz, in nächster Nachbarschaft zu Kirche und Friedhof. Bis 1814 lassen sich mehr als 36 Tanzhäuser in den Herrschaften vor dem Arlberg urkundlich und literarisch nachweisen.13 Der „Bote für Tirol und Vorarlberg“ vom 28. August 1820 liefert davon eine uns heute kurios anmutende Schilderung: 12 B itsche 1963, S. 4. 13 Mehr dazu bei: B urmeister 1983, S. 147–163.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Abb. 1: Titelblatt zur ersten Landesgeschichte von Vorarlberg von 1839, unveränderter Nachdruck 1989
Vorarlberg bewahrt gegenwärtig noch ein Denkmal alter Sitte aus den Zeiten des Mittelalters. Im Innerbregenzerwalde sieht man einige frei auf Säulen ruhende von allen Seiten offen stehende Säle. Diese waren einstens allgemeine Versam[m]lungsplätze des Volkes zur Wahl eines Landammanns, und zu den Ehehaftsgerichten bestimmt. Der Landammann in seiner Amtskleidung […] mußte bei dergleichen Angelegenheit eben so wie die Rathsherren auf einer Leiter zu dem mehrere Fuß über der Erde erhöhten Fußboden des Saales hinauf steigen. Doch nicht dazu allein waren diese Säle erbauet, auch das Vergnügen, und zwar an bestimmtenTagen ausschließlich, fand hier seinen Platz. Hier tanzte das Volk nach dem Spiele eines Pfeifers.14
Auffällig an dieser Beschreibung ist der Hinweis, dass sich der Fußboden des Saales mehrere Fuß hoch über der Erde befand, sodass es erforderlich war, über eine Leiter hinaufzusteigen. Spätere Berichte von der Landammannswahl im Rathaus auf der Bezegg im Bregenzerwald, einem kleinen Passübergang von Andelsbuch nach Bezau, bestätigen die Bauweise, erwähnen jedoch nicht den Tanz in luftiger Höhe. Dieses Rathaus wurde 1807 abgerissen. Dennoch blieb es in der Erinnerung der Bevölkerung. In seinem 1838 gedruckten „Handbuch für Reisende“ schildert der Theologe und Schriftsteller Beda Weber (1798–1858) den frei auf Säulen ruhenden Versammlungsplatz des Volkes, der über eine Leiter bestiegen werden konnte, nicht ohne subtil darauf hinzuweisen, dass der prüfende Blick der Obrigkeit allgegenwärtig über dem Fest schwebte.
14 Bote für Tirol und Vorarlberg, 28. August 1820, S. 276.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
War allgemeiner Volkstanz, so wurde er ebenfalls darin gehalten, ohne Schmauss und Unmass, nach dem Spiele des Pfeifers, im Angesicht des Landammans und der Gemeinde. Die Mädchen brachten Feldrüben mit, und theilten sie ihren Tänzern aus, die schönste dem schönsten und liebsten.15
Nur wenige Jahre später berichtet Ludwig Steub (1812–1888), der in den 1840er Jahren Vorarlberg, die Heimat seiner Großeltern, besuchte, von Festlichkeiten anlässlich der Landammannswahl im Bregenzerwald. Steub, der in seinen Publikationen gerne einen antiklerikalen Ton anschlägt, vermittelt hier ein Bild, das eine ungezwungene Veranstaltung erkennen lässt, vierzehn frohe Festtage mit Musik, Tanz und Trinkgelagen, alles zu Ehren des neuen Landammannes.16 Eine anschauliche Beschreibung der Tanzlauben gibt auch der Historiker Franz Josef Weizenegger (1784–1822). Sie ist im Artikel „Volkscharakter“ in der posthum 1839 von seinem ehemaligen Lehrer P. Meinrad Merkle OSB (1781–1845)17 veröffentlichten, topographisch-historischen Beschreibung des Landes nachzulesen. Das hier wiedergegebene Bild einer ländlichen Idylle entspricht ganz den romantischen Vorstellungen seiner Zeit und lässt auch die strengen Vorgaben der Obrigkeit nicht vermissen. Zu öffentlichen Belustigungen versammelte sich die Dorfjugend auf eigenen Gemeindetanzlauben, die in jedem Pfarrorte in einiger Entfernung von der Kirche errichtet waren. Das kunstlose Gebäude bestand aus vier Pfählen, einige Fuß hoch von der Erde lag der Boden, die Seiten waren bis zur Brusthöhe mit Brettern eingeschirmt, damit man überalldem Treiben und Drängen der jungen Leute zusehen konnte, ein Schindel- oder Bretterdach schützte die Tanzlustigen von oben. Der Schall einer Querpfeife wirkte wie Zauberkraft auf die jungen Leute; die Eltern, bei solchen Anlässen stets gegenwärtig, dachten an ihre Jungendjahre und freuten sich des Frohsinnes ihrer Kinder; selbst Greise laben sich an dem frohen Anblicke, und sahen sich in ihren Enkeln wieder verjüngt aufleben. Hatte sich beim Einbruche der Nacht alles satt und müde gestrampelt, so gingen die Eltern mit ihren Kindern nach Haus, legten sich hochvergnügt schlafen, und träumten noch von ihrer genossenen Freude.18
Abb. 2: Das Tanzhaus in Au/Bregenzerwald. Zeichnung 1893
15 W eber 1838, S. 592. 16 S teub 1908, S. 36. 17 P. Meinrad Merkle wurde 1805 Lehrer für Poesie im Kloster Mehrerau, nach dessen Auflösung Musiklehrer am Gymnasium in Feldkirch und 1812 dessen Rektor. 18 W eizenegger /M erkle 1839, S. 328.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert übersiedelte man mit Tanzveranstaltungen vermehrt in die Wirtshäuser. Ein Tanz im Freien sagte dem Geschmacke der Jugend nicht mehr zu, da schwächliche Stubenmenschen sich nicht ohne Nachtheile dem Luftzuge aussetzen durften. In den Wirtshäusern richtete man sich immer schöner ein, aus Lauben wurden beleuchtete Säle, die Musik vervollkommte sich mit Violinen, Flöten, Klarinetten, Hörnern und Trompeten, und darum kein Wunder, wenn schon von Ferne die Füße dem Wirtshause mehr zu tanzten, als gingen.19
Kostenlos war das Tanzvergnügen nicht. Am 1. Jänner 1708 verpflichtete die Regierung unter Karl VI. Wirte, Musikanten und Hochzeiter zur Meldung und zum Erwerb einer Lizenz für die Abhaltung von Tanzveranstaltungen. Ein „Musikimposto“, eine Art von Lustbarkeitssteuer, sollte dazu beitragen, die Hofkriegskassen aufzufüllen.20 Diese Verordnung hatte vorerst nur einen, jedoch beträchtlichen, sich in Habsburgerbesitz befindlichen Landesteil, die Gerichte der „Herrschaft Veldkirch“, betroffen. Was Ursachen die Röm. Kaiserliche Mjest. Einen Dero Unterthanen ohnbeschwerlich= und allein auff den Lust / und jene respective Persohnen / Wirths= und andere Häuser / auch Musicanten / die sich mit Tantzen oder Auffspielen erlustigen: oder Gewinns halber der Tanzgerechtigkeit freywillig geniessen wollen / angesehenen Imposto in all Dero Erb-Königreich / Fürstenthumb und Landen allergnädigst zu resolviren und zu introducieren bewogen worden / werde man auß hienebenliegenden abgedruckten Patent deß mehreren ersehen / und damit nun sothane Dero gefaste allergnädigste Entschliessung auch in denen gesambten O. und V.O. Fürstenthumb und Landen kundbahr werde / befehlen allerhöchst gedachte Seine Kayserl. Majest. U. auß Wienn untern 14. Currentis derley Patenten aller Orthen / als Städten / Städtlein / Flecken / Märckten und Dörffern ersagter Landen ohnverzüglich publiciren und affigiren: auch darob seyn zu lassen / damit diesem von jedermänniglich in allweg nachgelebt / und darwider unter denen angesetzten straffen auf keine Weiß gehandelt werde. […] Ynnsprugg den 24. Jenner 1708. Der Röm. Kayserl Majest. U. Präsidenten / Cantzler / und Hof-Cammer-Räthe O.O. Landen.21
Da sich das Habsburgerreich im Verlauf des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts flächenmäßig auf ganz Vorarlberg ausbreiten sollte, wurde die kaiserliche Verordnung bald auch für die neu hinzugekommenen Landesteile gültig, der Erwerb von Musiklizenzen war sowohl für Veranstalter als auch für Musikanten unerlässlich.22 Listen – sofern noch vorhanden – informieren uns heute über Gastwirte, die eine Erlaubnis erhielten, an den bewilligten Tagen Tanzveranstaltungen zu halten. Bei Missachtung der Verordnungen waren strenge Sanktionen zu erwarten. Betroffen davon waren Wirte, Musikanten und Hochzeiter, die in Folge aktenkundig wurden. Wie aus den Lizenzvergaben und Verordnungen ersichtlich ist, waren die Möglichkeiten für Tanzveranstaltungen begrenzt. Musik als Ausdruck von Feierlichkeit und Freudenkundgebung bei überschaubaren, geregelten Anlässen, wie Tanztagen oder besonderen Feierlichkeiten, wurde durchaus geduldet. Als im Jahre 1814 in Lingenau die Rückkehr zum österreichischen Kaiserhaus nach jahrelanger bayerischer Herrschaft gefeiert wurde, gab es am Marktplatz eine offene Hütte, geschmückt mit Girlanden, Bändern und Kränzen, worin bis nach Mitternacht „unter Musik und fröhlichen Ge-
19 W eizenegger /M erkle 1839, S. 337. 20 Hans C ommenda , Oberösterreichische Volksmusik im Jahre 1724. URL: https://www.zobodat.at/pdf/JOM_101_0275-0282.pdf (Zugriff: 20. 4. 2020). 21 VLA, Nachlass Grebmer Schachtel 1/25 (ehem. Miscellen 345/25,5). 22 Hohenems (mit Lustenau) und Blumenegg (Großes Walsertal mit den Gemeinden Thüringen, Bludesch und Ludesch) kamen 1756/67 bzw. 1804 an Österreich. Mehr dazu bei N iederstätter 2017, S. 25–26.
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sängen“ gegessen und getrunken wurde. In der Lingenauer Chronik, die über dieses Ereignis berichtet, ist von Tanz nicht die Rede, auch nicht von der Beschaffenheit der Gesänge.23 Tanzgelegenheiten boten Hochzeiten, Kirchweihtage und die drei Faschingstage. Mancherorts gab es auch Ausnahmen. 1820 wird in einem Bericht des Landgerichtes Bregenzerwald festgehalten, dass die Tanzmusik zwar auf die letzten drei Faschingstage beschränkt sei, darüber hinaus aber die Möglichkeit bestehe, im Sommer am St. Johannestag in den Bädern zu tanzen, auch an den drei bis vier Tagen der Landammannswahl und an Zunfttagen.24 War eine Bewilligung durch weltliche Obrigkeiten gegeben, so sahen die geistlichen Herren mit besorgniserregendem Blick auf die Tanzlust der Bevölkerung und äußerten mancherorts dennoch ihre Bedenken, wie aus einem Schreiben des Pfarrers Alois Netzer von Silbertal im Montafon an das Vogteiamt Bludenz aus dem Jahre 1797 ersichtlich wird. Er ersucht um eine Einstellung älterer Tanzbräuche von amtlicher Seite. Seinen Schilderungen zufolge war es von alters her im Tal Sitte gewesen, das geschmückte Brautpaar von seinem Hause mit Musik abzuholen und im Zug der Gäste von zwei Geigern mit Marschmusik zur Kirche zu begleiten. Die liebliche Musik zweier Geiger und eines Ha[c]kbretschlagers sei auch während des Gottesdienstes erklungen. Zwar wären die eitlen Ceremonien nun durch ein obrigkeitliches Verbot der Hochzeiten an Sonn- und Feiertagen im Montafon gegenwärtig nicht üblich, wohl aber in seinem Wirkungsbereich Silbertal und Bartholomäberg. Netzer äußert seine Befürchtungen, dass die religiöse Aufmerksamkeit in seinen Pfarren durch die Pracht der Kleidung und die Musik beeinträchtigt werden könnte. Daher ersucht er das Vogteiamt um ein behördliches Eingreifen. Die Behörde kommt seinem Wunsch nach und stellt nun auch hier diese Art der Hochzeitsbräuche ein.25 Ganz auszurotten dürften die alten Bräuche doch nicht gewesen sein, manche Gepflogenheiten konnten sich trotz behördlichen Einschreitens über Jahrzehnte hinweg erhalten. Beliebt war der Tanz der Brautleute vor und nach der Hochzeit. Auch hier gab es Kritik seitens der Geistlichkeit. Franz Anton Nessler, 1827 Pfarrer von Dalaas/Klostertal, sieht den Morgentanz, den er nicht billigt, als unwürdige Vorbereitung.26 Andernorts trifft man auf Unverständnis gegenüber den Nachfeiern, die nach der offiziellen Hochzeit im Hause des Brautpaares mit Beteiligung der Nachbarschaft und Spielleute gerne stattfanden. Quellen berichten von Strafen, wie im Falle eines Brautpaares in Bürserberg/ Walgau, dem im Jahre 1794 wegen einer unerwünschten Nachfeier eine Geldbuße auferlegt wurde.27 Der Reiseschriftsteller Ludwig Steub (1812–1888), der in den frühen 1840er Jahren drei Sommer lang Tirol und Vorarlberg bereiste, bestätigt die nachhaltigen Maßnahmen der Obrigkeiten. Seine Berichte informieren nicht nur über die Festlichkeiten anlässlich der Landammannswahl im Bregenzerwald,28 sondern auch über älteres Hochzeitsbrauchtum, dessen Wandel er anmerkt und bedauert. Welche bedeutende Rolle dabei einst dem Tanz zugekommen war, ist seinen ausführlichen Schilderungen deutlich zu entnehmen. Am Hochzeitsmorgen trafen sich die jungen Leute zu acht Paaren mit Brautführer und Brautführerin im Wirtshaus, da wurde nun ehemals bei nüchternem Magen von sechs Uhr an getanzt, was jetzt untersagt ist.
23 S chwarz 1983, S. 73, sowie Lingenauer Chronik 1818, fol. 422; mehr zu den Tanzverboten bei B ösch -N iederer 2001, S. 116– 122. 24 S chneider 1982, S. 86–87. 25 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 246, Nr. 163/1797/289. Die Brauchtümer im Montafon am Hochzeitstag betreffend, 1797 Mai 14. 26 VLA, Landgericht (fortan kurz LG) Sonnenberg, Schachtel 61, Nr. 2983 (Alte Fasc. Nr. II/320 Sittenpolizei). 27 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 230, Nr. 163/1794/062, sowie Schachtel 226, Nr. 1793/051. 28 S teub 1908, S. 36.
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Dazu hatte es ein Frühstück mit Suppe, Rindfleisch und Kraut gegeben, danach zog man mit den übrigen Gästen in die Kirche. Vordem schallte dabei der fröhliche Klang der Geigen und Schwegelpfeifen; diese musikalische Begleitung ist jetzt aber auch verstummt […].
Nach der Trauung führte der Weg wieder in das Wirtshaus, wo nun die Jugend zu tanzen anhebt und damit fortfährt, bis der Tisch gedeckt ist [...]nachdem der erste Hunger gestillt ist [,] wird weiter getanzt[,] bis der Geistliche die Gäste abdankt.
Steub stellt bedauernd fest, dass sich nicht nur dieser Brauch, sondern auch die Essgewohnheiten verändert hätten, es sei Obrigkeitliche Ermäßigung eingetreten.29 Auch Zunfttage boten Gelegenheit zur gesellschaftlichen Unterhaltung. Nach dem Gottesdienst und geschäftlichen Besprechungen traf sich vorzugsweise die Jugend zum Tanz. Der Schoppernauer Schneider und Gipser Josef Natter (1846–1928) berichtet in seiner Selbstbiografie: War also das Geschäftliche erledigt, so begann der Tanz dieser jungen Ledigen, sobald ein paar Mädchen zur Stelle waren […] Pfarrer Stockmaier hatte aber die Eigenheit, dass die Tanzmusik bei seinem Erscheinen aufhören musste und erst wieder beginnen durfte, wenn er Abschied nahm, was etwa nach zwei Stunden geschah. Er wollte offenbar seinen Standpunkt dem Tanze gegenüber wahren, den er nicht gerne sah. Auf der Kanzel aber wetterte er – wenn man so sagen darf – nie gegen die öffentlichen Tänze im Dorf, obwohl es damals häufig solche gab, wohl aber gegen die Winkeltänze in den Vorsäßen.
Natter erwähnt auch eine Tanzsitte, oder vielleicht besser gesagt, Unsitte, die charakteristisch für den Bregenzerwald gewesen sein soll. Wer, wie bei Hochzeiten üblich, drei Tänze allein tanzen wollte (drü allou tuo), musste dies den Musikanten melden, von denen dann einer in den Saal rief: Ein Paar drü allou, oder wenn es mehrere waren, die Anzahl derselben nennen. Dann mussten die übrigen Tänzer zur Seite stehen, bis diese ‚Drü‘, aus denen aber meist 5–6 Tänze wurden, aus waren. Wie die Brautleute sonst, so hatten auf dem ‚Ledeler‘ [=Zunfttag] die neu eingetretenen Mitglieder Anspruch auf ‚Drü allou‘. Sie mussten aber den Spielleuten ein extra Trinkgeld dafür geben. So weit wäre es also nur eine harmlose Auszeichnung gewesen. Aber da mischte sich auch das Protzertum ein. Wenn es am Abend recht eng wurde am Tanzboden, taten sich zwei oder mehrere reichere Burschen zusammen und bestellten ‚Drü allou‘. Ihnen folgten wieder andere, sodaß für die Übrigen oft länger als eine Stunde keine Gelegenheit mehr zum Tanze war. Dies rief dann Unzufriedenheit hervor, die sich oft in drastischer Weise Luft machte. Das Einfachste war noch, dass alle in das ‚Drü‘ hineintanzten und dies damit unmöglich machten. Doch das sind jetzt Dinge der Vergangenheit.30
Der tanzfreudigen Jugend waren die offiziellen Termine zu wenig, und es ist allzu verständlich, dass sie sich nicht gerne einschränken ließ. Fernab der strengen Pfarrherren, die sich als oberste moralische Instanz sahen, nützte man im Sommer den Aufenthalt auf den Alpen und Maisässen, im Winter den Besuch von „Stubeten“, den abendlichen Treffen von Jugendlichen und Nachbarn in Privathäusern, um sich dem fröhlichen Zeitvertreib hinzugeben. Die Entlegenheit der Alpen und die weitgehend gestreuten Wohnverhältnisse erschwerten zwar eine Kontrolle, dennoch gelang es nicht immer, die Treffen geheim zu halten. Bei Bekanntwerden von heimlichen Tanzvergnügen, den sogenannten „Winkeltänzen“, war mit Strafen zu rechnen, die nicht nur mit Geldbußen, sondern auch mit Freiheitsentzug 29 S teub 1908, S. 44. 30 S trolz 1976, 2, S. 110–111.
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oder Militärdienst eingefordert wurden. Das 18. Jahrhundert ist, wie kaum zuvor oder danach, reich an Nachweisen von obrigkeitlichen Maßnahmen wie Tanzverboten, Verordnungen und Abstrafungen. Besonders deutlich wird dies am folgenden Beispiel. 1778 hatte der Vogteiverwalter des Amtes Sonnenberg, Fidel Simeon Obbuochenberg, eine Verordnung betreffend die Sonntagsruhe herausgegeben. Am 28. Juni wurde sie in Schruns vom Geschworenen Joseph Vonier und am 29. Juni in Tschagguns vom Geschworenen Johann Joseph Nayer öffentlich kundgetan: Demnach verschiedentlich angezeigt worden, wasmassen in dem Thale Montafon der höchst ärgerliche Missbrauch: an Sonn- und Feiertagen hin und wieder zu fahren [...] auch in den Maysessen zusammen zu schlieffen und alldorten Abendtänz zu halten, somit allen Muthwillen und Laster auszuüben, überhand zu nehmen beginne. Solches aber keineswegs länger zu gestatten gemeint ist! […] Die Abendtänz, das nächtliche Herumschwärmen und verdächtiges zusammenschlieffen aber mit deme allen Ernstes ein für allemal verbothen, dass die in Zukunft als Übertreter in Erfahrung zu bringende Mannsbilder, wenn sie zum Militärdienst tauglich, unter die Soldaten gestossen oder sonsten zur Schanzarbeit angehalten werden sollen. Die Weibsbilder aber mit Zuchthaus-Straf ohnnachsichtlich belegt werden sollen.31
Strenge ließ die Geistlichkeit des Schweizer Benediktinerklosters Einsiedeln in den ihr unterstellten Pfarreien des Großen Walsertales walten. Mit der vom Probst ihrer Filialniederlassung St. Gerold, Johann Chrysostomus Stadler (1665–1721), 1709 erstellten Ordnung wegen Tanzens für Blons wollten die Geistlichen – aus ihrer Sicht zu Recht – wichtige Maßstäbe für die Seelenführung und Aufrechterhaltung guter Sitte setzen. Verboten wurden alle nächtlichen Tänze, nach dem Betläuten, sei es in Wirtshäusern oder in heimlichen Schlupfwinkeln. Der Tanz, soweit er eine ehrliche und zulässige Ergötzlichkeit ist, darf an Sonn- und Feiertagen nicht vor dem nachmittäglichen Rosenkranz beginnen.
Wirten und jungen Burschen war es verboten, alles herumlaufendes fremdes Gesindel, als da seyn Sack-Pfeifer, Leyrer etc. oder was dergleichen vagierendes Geschmeiß sein mag, sondern sollen ehrliche und im Land wohnende Spielleut dingen.32
Am 13. Februar 1786 gab der Landschreiber von Bezau bekannt, dass, nachdem bereits erhoben in einige Pfarreyen das grundverderbliche Spielen, in andern aber das von jeher nicht ohne die wichtigsten Gründe verbothene Tanzen leider fast allgemein worden […], die Obri[g]keit nach aufhabenden strengen Pflichten verordnet: 3. Die Tänzgestattende, es sey wo es wolle, die nämliche Strafe [=11 Tage ohne Lohn an öffentlichen Werken, Strassen und dergleichen zu arbeiten], jedesmal ohnnachsichtig, auszustehen haben, so kurz als auch immer das Tanzen gedauert hätte. Damit aber die Obrigkeit derley Uibertretungen jedesmal desto sicherer wissen, und allso mittelst Vollziehung der Strafe das Uibel hemmen kann, so ist ferners hinzugefügt, daß auch 4. Jene, welche um das Tanzen, oder Spielen [=Kartenspiel] wissen, und es nicht gleich der Obrigkeit anzeigen, seyen sie Manns- oder Weibsleute, ohne Unterschied gleicher Strafe zu gewarten haben. Wo hingegen aber 5. Die derley Uibertrettungen sehen, hören, oder erfahren, und solche anzeigen, nach von der Obrigkeit ein gutes Rekompens [= Entschädigung, Belohnung]: nebst genauester Verschweigung ihres Namens erhalten sollen. 6. Die Spielleute betreffend, sollen selbe, die wenn sie auch nur leer aufmachen / die HH. Räthe in jeder Pfarrey, sobald sie dieses erfahren, durch die Pfänder, oder Hatschier, ohne weitere Anfrage in Thurm führen lassen, und erst hernach dem H. Landamman hierüber den Report erstatten.33 31 Abschrift bei Z urkirchen 1985, 44. 32 U lmer 1965, VI, II, S. 688–689. 33 VLA, Nachlass Lippurger Schachtel 4, Akt 15/16.
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Dem Denunziantentum war somit Tür und Tor geöffnet, was manchem Spielmann oder Tanzveranstalter sehr zum Nachteil gereichte. Mitunter trifft man auch auf kurios anmutende Maßnahmen, um die Jugend von den unerwünschten Tanzvergnügungen abzuhalten. Pfarrer Thomas Huber aus Au/Bregenzerwald hatte im Jahre 1737 beim Generalvikariat in Konstanz die Überstellung eines Marienbildes von der Wallfahrtskapelle Argen in die Pfarrkirche in Au erwirkt, mit der Begründung, dass die Wallfahrt zur Kapelle zur Sittenlosigkeit missbraucht werde, indem die jungen Leute scharenweise anschließende Alpenbesuche bis spät in die Nacht zum Tanz nützen würden.34 Gleichzeitig beendete die kirchliche Behörde die Möglichkeit, in der Kapelle von Sibratsgfäll Gottesdienste abzuhalten, „allein weil diese Wohltat [eines Gottesdienstes in diesem Ort, der noch keine eigene Pfarrkirche besaß] jedoch gerade zur größeren Sittlichkeit mißbraucht wurde und nach gehaltenem Gottesdienst sich alle jungen Leute“ anstatt in die Kirche „aufs Land heraus“ zu gehen und erst abends heimzukehren, sich „scharenweise eilends in ihre Alpen begeben und den ganzen Nachmittag und die kommende Nacht hindurch getanzt und allerhand Unfug“ getrieben hätten.35 Noch weit in das 19. Jahrhundert dürfte es betreffend Tanzunterhaltungen keine wesentlichen Lockerungen gegeben haben, wie einzelne Beispiele zeigen. 1810 trifft man in Blons wiederholt auf Klagen eines Geistlichen. In seinem Visier stand besonders der Tanzgeiger und Wirt Christian Bartel (Bertel), der in seinem Hause zum Unmut des Pfarrers singen und tanzen ließ.36 Auch der Gastwirt Anton Gasser (um 1747–1827) wird gerügt, da er sonntags zum Tanze aufspielen ließ und dazu liederlichste Spielleute aus dem Bregenzerwald, den sogenannten Katzensteiner und seine Kameraden herbeigeholt hatte.37 Ähnliche Anschuldigungen hört man auch aus dem Bregenzerwald. Der Lingenauer Pfarrer Johann Konrad Herburger (1780–1845) notiert in seiner Chronik von 1818 vorwurfsvoll, dass die Alpgebirge bei Sibratsgfäll und Balderschwang die ergiebigsten und verdienstlichsten Zug-Plätze der Spi[el]bettler – Geiger – Pfeifer, und Hackbrettler wären, junge Leute, Buben und Schmelgen dort scharenweise in Sennhütten zusammenkämen und gegen schöne Ballen Schmalz ganze Nächte und Tage sich aufgeigen ließen, – und unermüdet dabei herumtanzten. […]. Wie sehr musste es die Seelsorger schmerzen, wenn sie fast täglich einen Wolf mit einer schmutzigen Geigen usw. neben ihren Pfarrhöfen in die Alpengebirge hineinschleichen sah[en], worin sie dann zu Unordnungen und gräßlichen Sittenlosigkeiten Anlaß gaben, und samt ihrem ergeigten Schmalz Vielen noch Schamhafti[g]keit und ihre Unschuld mit wegnahmen.38
Um seiner kritischen Einstellung zum Tanz mehr Ausdruck zu verleihen, bindet der Andelsbucher Pfarrer Melchior Matthäus Fink 1842 eine Rüge in seine in Kempten gedruckte Christenlehre ein. Er überbringt seine Botschaft in Reimform: Manches Pärchen eilt zum Tanz Und zertritt den Unschuldskranz. Dreh dich um in Saus und Braus Bald ist’s mit der Unschuld aus. Das Tanzen brauchte keine Wehr, Wenn nach[h]er keine Sünde wär.39 U lmer 1924, V, S. 673. S trolz 1976, 2, S. 134. VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 21, Nr. 965 (alte Fasc. Nr. XI/2 Sittenpolizei). VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 21, Nr. 972 (alte Fasc. Nr. XI/4 Sittenpolizei). VLA, Lichtbildserie 162/2, Lingenauer Chronik 1818, fol. 468f. Die Bezeichnung „Schmalzgeiger“ für vagierende Musikanten führt auf diese Art der Entlohnung zurück. 39 Titel: Neuer Seelenwecker. Ein Christenlehr-Geschenk für Erwachsene, Kempten 1842, siehe dazu: B urmeister 1980, S. 161 und 178. 34 35 36 37 38
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Am 16. Oktober 1827 werden die Vorschriften bezüglich der Tanzmusik mit einem im Feldkircher Wochenblatt publizierten „Gubernial-Circulare“ vom 1. Oktober 1826 in Erinnerung gerufen. Nach wie vor war es nicht erlaubt, öffentliche Bälle und Tanzmusik ohne Bewilligung der Polizeibehörde abzuhalten. An Feiertagen, an denen Tanzmusik nicht verboten war, durfte diese erst eine Stunde nach dem nachmittägigen Gottesdienst beginnen, in den Städten hatte sie um 24 Uhr zu enden, in kleineren Orten und am Lande bereits um 22 Uhr oder nach Gutbefinden der Polizeibehörde, die auf die Beschaffenheit des Ortes und der Unternehmer Rücksicht zu nehmen hatte. Die Unternehmer wurden verpflichtet, für gute Ordnung zu sorgen und bei Unordnungen allenfalls die Beamten und Ortsvorsteher zu verständigen. Polizeibehörden und die politischen Obrigkeiten, auch Orts- und Gemeindevorsteher wurden zur Aufsicht angehalten. Bei Übertretungen der Vorschriften durch Tanzgäste, Unternehmer und Spielleute wurden Geldbußen eingefordert: von Wirten und Unternehmern offizieller Veranstaltungen fünf bis fünfzig Gulden, bei Wiederholungen das Doppelte, von jenen, die Hausbälle abhielten zehn bis hundert Gulden, von Tanzgästen zwei bis zehn Gulden. Für Spielleute gab es einen Arrest von drei bis 24 Stunden, bei wiederholten Übertretungsfällen konnte dieser auf zwei bis drei Tage verlängert werden.
Abb. 3: Rundschreiben bezüglich der Bewilligung von Tanzmusik im „Feldkircher Wochenblatt“, 16. Oktober 1827
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Diese über Jahrhunderte hinweg geltenden strengen Vorschriften setzen sich tief in das Bewusstsein der Bevölkerung, und so mag es nicht verwundern, dass das Thema des verbotenen Tanzens und Musizierens auch in der Vorarlberger Sagenwelt seinen Niederschlag fand. In den alten mündlichen Überlieferungen ist die Rede vom „Nachtvolk“, das es versteht, das Musizieren zu lehren (Montafon, Walsertal), vom „Wilden Männle“ auch „Bergmändle“, von den „Wildleuten“ und „Hexentänzen“ (Bregenzerwald), vom „Schwegelpfeifer“ (Montafon).40 Reflektiert ihre Dämonisierung im Vorarlberger Sagenschatz auch Tanz- und Musizierverbote? Das furchterregende Tanzen und Musizieren der dämonischen Wesen, aber auch ihre liebliche Musik zieht die Bevölkerung in den Bann; Neugierde wird jedoch zum Verhängnis. Ein treffendes Beispiel dafür ist die Sage vom Pfarrersknecht Joder, einem leidenschaftlichen Tänzer, dem sein karges Freizeitvergnügen verleidet wird. Er bittet seinen Dienstherrn um den Besuch eines Hauses mit Tanzgelegenheit. Unter der Bedingung ihn zu begleiten, willigt der Pfarrer ein. Dort angekommen, hören die beiden „vielprächtige“ Tanzmusik, gespielt von einer Schwegelpfeife. Daraufhin fordert der Pfarrer den Knecht auf, unter Zuhilfenahme seines Jackenärmels durch das Fenster zu schauen, um festzustellen, welches Publikum sich hier vergnügen würde. Der Knecht erblickt dabei jedoch nicht nur Mädchen und Buben beim Tanz, sondern auch kleine tanzende und herumspringende Teufel mit Ziegenfüßen. Eingeschüchtert ist der Knecht nun von seiner Tanzlust geheilt und kehrt mit dem Pfarrer reumütig wieder nach Hause zurück. Oeber d`s Tanze S isch amol en Burebue bi me Pfarrer Chnächt gse, und der Chnächt hed reuseli gäre‚ tanzet. Jez amol ischt im me Hus Tanzmusig gse, und der Chnächt wer holt au wieder gäre g’gange, dreu Tänz z’thue. No, er gaid zum Pfarrer und holt au: „Lohm mi dächt, herr Pfarrer hüt goh, dreu Tänz z’thue, no hüt noch, schind so guet.“ Der Pfarrer jed: „Jo freili, Joder, denn so hed er gheisse, gang no, ich will der noch G‘leit ge, bis zur Tanzhütte!“ Das hed der Joder unig gfrai, doch is em g’spässig fürcho, das der Heer so geschwöng „Jo“ säge, wo er sos vam Tanze ches Wörtli hed höre welle, und dass er em noch’s Gleit gäbe, wo er sos d‘ Tanzpläz g’flohen ischt, wie d’s Für.- No, der Heer und der Chnächt gönd, und chommen vor d‘ Tanzhütte. Do hören sch‘ mit Schwägelpfife, ufmache, halt vielprächtig, und tanze, dass e Fräid ischt. Dem Chnächt chond’s scho i d‘ Füess, und er gompeg uf. Ab er der Pfarrer jed: „No höfeli, Joder, zerscht wem mer luege, was für Lüt alls dinne tanzen, und drom lueg bim selle Feiüschterli heimli iuhe, aber nöm do dä Aermel zue‘, der, und lueg der dür, du schast besser luege: Se jed der Heer und zücht en Tschopanärmel us em Sak, und gid en dem Chnächt. Der nömt en, deiücht aber: „I chönt au luege ohe Tschopanärmel“, hebt en aber dächt wia as Rohr an d‘ Feiüschterschibe, und lueget der dür uhe, und was siehd er? – au e paar dolli Maigge und Buebe tanze wie d’s Wetter; aber i de Wiüchelva der Tanzstube siehd er näise e paar chleini Teifeli mit Gaisfüess au tanze und gompe. Uf das hebt der Chnächt schiü tüechis Spektive weidli vam Feiüschter wäg, gid’s dem Heer und jed: „Jez göhm mer wieder heiü!“ Der Herr aber freget en: „Ja hescht scho gnue, Joder?“ „Jo“ jed Joder, i haü gnue für mi Läbe, und gäid tusem und nosinnig mit dem Heere heiü, und gäret va der Stund aü nömma mehr z’tanze.41
Musikanten und Spielmänner Das Auftreten von Musikanten und Spielleuten wurde in der Region des heutigen Bundeslandes Vorarlberg bereits im ausgehenden Mittelalter von den weltlichen Autoritäten geregelt, wie aus einer „Ordnung der Spielleute“ vom 12. Dezember 1500 der Stadt Feldkirch ersichtlich ist. Hier gab es bereits im 14. Jahrhundert ein Tanzhaus. Die Ordnung legt nicht nur die Entlohnung fest: Wer die 40 V onbun 1847/1950. Der Montafoner Arzt Franz Josef Vonbun (1824–1870), ein Schüler des Historikers Meinrad Merkle (1781–1845), publizierte als 23-jähriger Student 1847 erstmals Vorarlberger Volkssagen. Mehr zum Thema „Tanz und Sagen“ bei T uczay /F lotzinger 2019. Siehe dazu auch S chneider 1986, S. 105–115. 41 V onbun 1847, S. 32–33.
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Spieler engagiert, soll diese selbst in seiner „Zehrung“ halten, die Tanzwilligen bei einer Hochzeit oder „Stubeti“ sind den Musikanten keine Bezahlung schuldig. Auch das moralische Verhalten wird vorgeschrieben: man soll „züchtiglich“ tanzen, „nit usziehen“ (nicht ausziehen?) oder „umbkeren“ (umherschwingen?), „och nicht reden, was kann si“ (Wahrsagerei?), noch andere Unzucht brauchen, denn „ein Ehrsamer Rat das nit gestatten will“.42 Die Ordnung gibt aber weder bekannt, ob sich die Vorschriften nur auf die Stadt bezogen oder die gesamte Herrschaft mit einschlossen, noch die Dauer ihrer Gültigkeit. Die soziale Stellung der Spielleute bewegte sich im unteren Gesellschaftsbereich, ihr Ansehen war dementsprechend gering. In Vorarlberg gab es keine zunftartigen Zusammenschlüsse, vergleichbar der Nicolai-Bruderschaft in Wien oder dem Spielgrafenamt in Tirol. Personen, die sich ausschließlich über das Musizieren ihren Lebensunterhalt verdienen wollten, sind hier – abgesehen von den Organisten, die meist zugleich Lehrer oder Geistliche waren – bis in das frühe 19. Jahrhundert nicht bekannt. In der Regel war ein öffentliches Auftreten für musikalische Talente ein ökonomisch unentbehrlicher Zuerwerb. 1766 wurde in einer Anfrage an das Vogteiamt Bludenz bezüglich Musikanten festgestellt, dass es zwar vereinzelt hier ansässige Personen mit instrumentalen Fähigkeiten gäbe, diese aber ihren Nahrungserwerb anderweitig, als Bauern oder Handwerker, finden würden.43 Bis weit in das 20. Jahrhundert regelten Gesetze und Verordnungen nicht nur die Tanz- und Musiziergelegenheiten. Die weltliche Obrigkeit sah für ein öffentliches Auftreten bei den erlaubten Gelegenheiten den Kauf einer Lizenz vor, die meist für ein Jahr ihre Gültigkeit hatte. Dies betraf nicht nur den Zeitraum der „Herrschaften vor dem Arlberg“,44 sondern auch jenen der bayerischen Herrschaft von 1806 bis 1814. Die neue Verwaltung mit Sitz in Kempten änderte wenig an der Haltung der Obrigkeit. Im „Regierungsblatt für die Kurpfalzbaierische Provinz in Schwaben“ heißt es dazu: Seine Kurfürstliche Durchlaucht zu Pfalzbaiern haben gnädigst beschlossen, daß die in Höchsten Landen bisher üblich gewesenen Musik-Patente auch in den neuen Besitzungen der Provinz Schwaben eingeführt werden. 1. Daß keinem Musikanten mehr das Aufspielen in der Kurfürstlichen Provinz gestattet werde, der sich nicht durch ein Patent ausweisen kann, die obrigkeitliche Bewilligung dazu erhalten zu haben. 2. Da der vorzügliche Zweck dieser Verfügung die erleichterte Handhabung jener auf Musik und Tanz sich beziehenden Polizeiverordnungen ist; so wird allen obrigkeitlichen Behörden hiermit aufgetragen, diese Patente nur denjenigen Musikanten zu erteilen, von welchen sie sich sowohl der genauen Befolgung derselben, als ihres untadelhaften Lebenswandels versichert haben; jenen Ausländern aber, welche nur als Landstreicher umziehen, selbe nicht nur allein zu verweigern, sondern sie auch auf Betretten ohne weiters über die Gränze zu verweisen. 3. Diese Patente sind nur auf ein Jahr gültig, und können nach Verfluß desselben in Städten in der Polizeibehörde und auf dem Lande bei den Landgerichten, unter welche die Musikanten gehören, jedesmal wieder erneuert werden. 4. Diejenige[n Musikanten, welche sich betretten lassen, dieser Verordnung zuwider gehandelt, und ohne Patent aufgespielt zu haben, sollen nicht nur allein auf des Empfangs eines Patentes auf 3 Jahre verlustigt, sondern auch noch zu einem Reichsthaler Strafe kondemniert seyn, wovon der dritte Theil dem Anzeiger gebühret.
42 Zitate nach B urmeister 1970, S. 19–20. Nach Mitteilung des ehemaligen Vorarlberger Landesarchivars Dr. Alois Niederstätter handelt sich dabei wohl um verpönte Tanzfiguren. 43 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 164, Nr. 163/1766/o. Nr. (19. Jänner 1766), Bericht des Bludenzer Vogteiverwalters über Musiker in seinem Amtsbezirk. Für diesbezügliche Hinweise danke ich herzlichst dem Historiker Dr. Manfred Tschaikner vom Vorarlberger Landesarchiv. 44 N iederstätter 2017, S. 25–26.
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5. Für den jedesmaligen Empfang des Patents haben die Musikanten in Städten und Märkten 1fl. [= Gulden] und jene auf dem Lande 45 kr [= Kreuzer] nebst 3 kr Siegeltaxe zu entrichten. 6. Die erwähnten Kurfürstliche[n] Behörden haben alle Jahre die nach ihrem Ermessen erforderliche Anzahl beiderlei Arten von Patenten, nämlich jener von 1r Klasse zu 1 fl. und von 2r Klasse zu 45 kr. gegen Quittung bei der hiesigen Landesdirektion zu erholen und die dafür eingenommenen Gelder mit den übrigen aus den Taxen fliessenden Gefällen an die einschlägigen Rentämter zu überliefern. Sie werden endlich zur strengsten Vollziehung und allgemeinen Bekanntmachung dieser Verordnung hiemit angewiesen. Ulm, den 6, Junius 1804. Kurpfalzbaierische Landesdirektion in Schwaben. Freiherr von Hertling. Vogl.45
Für acht Jahre, bis zur Rückkehr an das Haus Österreich, hatte diese Verordnung ihre Gültigkeit in Vorarlberg. Doch kam es auch danach zu keiner wesentlichen Änderung der Gesetze in Bezug auf Tanzmusik und Spielleute. Im „Chronologischen Verzeichnis der in dem V. Bande der Provinzial-Gesetz-Sammlung für das Jahr 1818 enthaltenen Verordnungen“ wird eine „Norm über den Bezug der Musik-Patentgelder, Musik-Lizenzgelder und Marktstandgelder“ erstellt und hinsichtlich der Verrechnung und Einhebung angeordnet, dass Musikgelder wie bisher von den landesfürstlichen – und Patrimonialgerichten einzuheben und an die betreffenden Rentämter pro Aerario abzuführen sind.46 Wem wurde das Aufspielen gestattet? Selten erfährt man in frühen Quellen mehr über die Person, vielfach ist lediglich allgemein von „Musikanten“ die Rede. Selbst bei den Lizenzvergaben werden Namen selten preisgegeben. In dieser Hinsicht sind auch die Schreiben der Vorarlberger Sonnleithner-Sammlung wenig aufschlussreich. Eine informative volkskundliche Quelle diesbezüglich findet sich in Akten des Vogteiamts Bludenz. Aus Listen der Antragsteller ist zu erfahren, dass 1789 nicht nur einige Wirte, sondern auch Spielleute um Tanzlizenzen angesucht hatten: Johann Schäfer aus Schruns, Johann Josef Nesler aus Bürserberg, Anton Beck aus Brand, Xaver Tschol aus Dalaas, Hilari Mangard aus Bludenz/Runggelin.47 Stellt man weitere, zeitaufwendige Recherchen an, kommt man zu Zusatzinformationen, wie im Falle des Schneiders Josef Hilarius Mangard (1739–1798)48. Seine gesamte Familie dürfte musikalisch gewesen sein, 1788 trat er als Zeuge bei der Eheschließung des Benedikt Mangard (um 1764–1836)49 auf, welcher 1829 bei seinem Ansuchen für ein Patent zur Erteilung einer Schleifer- und Spielmanngerechte angibt, bereits seit 40 Jahren diese Tätigkeit auszuüben.50 Schneider- und Schleiferberuf waren Wandergewerbe, daher kann angenommen werden, dass sich die Tätigkeit der MangardFamilie handwerklich und musikalisch auch weit über den Gerichtsbezirk hinaus bewegte. Seit den 1830er Jahren mehren sich allmählich Nachrichten über hier ansässige Musikanten. Aktenkundig werden der Schmied und Schwegelpfeifenspieler Josef Aberer aus Sonntag im Walsertal (1834 bis 1836), aus dem Walgau ein Klarinettist Tiefenthaler vulgo „Höfles“ (aus Gampelün) und die sogenannten „Beschlinger Musikanten“ Moritz Stoß sowie Josef und Andreas Schleipfer (1834/35), weiters aus dem Bregenzerwald ein Spielmann Felder aus Au (1836). Letzterer soll in einer Sennhütte in Damüls unerlaubt zum Tanz aufgespielt haben.51 Die geistlichen Autoritäten lehnten nicht nur den Tanz selbst strikt ab, ihre besondere Empörung löste es aus, wenn minderjährige Jugendliche zum Tanz aufspielten. 1774 tadelt der Pfarrer von 45 VLA, Patente, Regierungsblatt für die Kurpfalzbaierische Provinz in Schwaben. XXIV. Stü[c]k. Ulm, Samstag, am 16. Juni 1804. 46 VLA, Kreisamt I, Normalia 1818, S. 22 Abschrift. 47 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 47, Nr. 052/658 Polizei: Tanzlizenzen 1787–1790. 48 VLA, Taufbuch Bludenz 1688–1787, S. 251, Sterbbuch Bludenz 1785–1839, S. 41. 49 VLA, Ehebuch Bludenz 1627–1889, S. 6/II, Sterbbuch Bludenz 1785–1839, S. 204. 50 VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 63, Nr. 3848 (1829), (alte Fasc. Nr. XIV/2055, 2113 Gewerbe). Die Befugnis, ein Gewerbe auszuüben, bezeichnete man als „Gerechtsame“. 51 VLA, LG Sonnenberg, Repertorium.
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St. Gallenkirch/Montafon, Felix Zudrell, den Übelstand einer schlechten Kindererziehung am Beispiel des Johann Wachter und seiner Gattin Anna Barbara Sanderin, die ihren Sohn das Geigenspiel erlernen ließen und ihn als Hirten mit diesem Instrument ins Prättigau schickten.52 In Bludenz erreichte 1831 den Magistrat eine Beschwerde des Pfarrers Michael Duelli, der darüber klagt, dass der Organist und Musiklehrer Franz Netzer (1810–1842)53 die Jugend zum Trunke und Nachtschwärmung verleite, zu polizeiwidrigen gefährlichen nächtlichen Stunden den Musick-unterricht erteile, seine Choralobliegenheiten nachlässig erfülle und sich bei öffentlichen Anlässen unanständig benehme. Duelli ersucht, diesem daher aufzutragen, dass er die beanstandeten Kritikpunkte zu unterlassen habe und nicht mehr mit den schulpflichtigen Knaben zum Tanz aufspielen dürfe.54 Dass sich Lehrer und Organisten durch Tanzmusik ihre schlechte materielle Situation verbessern wollten, ist aus heutiger Sicht allzu verständlich. Franz Netzer bleibt dabei nicht das einzige Beispiel. Instrumentalisten für den kirchlichen Bereich waren sowohl von geistlichen wie auch von weltlichen Autoritäten durchaus erwünscht. Für ihre Ausbildung sorgten die Organisten, Lehrer und auch Geistlichen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts ist in Kirchenrechnungen größerer ländlicher Gemeinden von Musikanten die Rede. Zu ihren Aufgaben gehörte vornehmlich die musikalische Begleitung von Prozessionen. 1792 erhielten die Musikanten in Schruns anlässlich ihrer Teilnahme an der Fronleichnamsprozession Brot und Wein, Namen sind nicht bekannt.55 Vor und um 1800 gibt es ähnliche Meldungen aus Hörbranz und Bregenz. Der aufgeschlossene Lustenauer Pfarrer Franz Josef Rosenlächer (1763–1835) legte 1819 den Grundstein für eine Musikkapelle, indem er junge Männer aufforderte, in der benachbarten Schweiz Instrumentalunterricht zu nehmen.56 Mit Zunahme sogenannter „Türkischer Musikbanden“ (Bläserensembles mit Schlagwerk) wuchs die Zahl der Musikanten. Ihre Aufgaben lagen weiterhin im Bereich gottesdienstlicher Funktionen, zunehmend auch der offiziellen weltlichen Feierlichkeiten wie beim Empfang besonderer Gäste. Hier zog die Geistlichkeit klare Grenzen. So wurde den Musikanten, die dem Kirchenmusikpersonal angehörten, noch in den 1840er Jahren angedroht, dass „kein Mitglied geduldet werde, welches in religiössittlicher Beziehung nicht in gutem Ruf steht oder seine Kunst im Wirtshaus-– oder Winkeltanz mißbraucht […]“. Kirchenmusikinstrumente durften zudem bei keiner Tanzmusik gebraucht werden.57 Gab es einen Mangel an heimischen Musikern zur Tanzunterhaltung, so waren Fahrende, sogenannte Vaganten, willkommener Ersatz. Ihre Zahl ist bislang nicht bekannt, allgemeine Hinweise finden sich mehrmals in historischen Dokumenten und in der zeitgenössischen Literatur. Sie waren als Gruppe, im Familienverband oder als Einzelpersonen in der Regel zu Fuß oder mit einem Handkarren unterwegs und hatten keinen festen Wohnsitz (Domizil). Im 18. und 19. Jahrhundert bevölkerten armutsbedingt Scharen von Menschen aus den vagierenden Milieus, die von Bettelei lebten, die Straßen im Bodenseeraum. Sie gehörten zu den gesellschaftlichen Randgruppen, die oftmals ein Wanderhandwerk ausübten, sich als Schleifer, Korbflechter, Kesselflicker oder Händler betätigten. Bei kirchlichen wie auch weltlichen Autoritäten stießen sie auf Misstrauen, Vorurteile und Diskriminierung, da gerade bei dieser, dem Kampf ums tägliche Überleben ausgesetzten Bevölkerungsgruppe die Grenzen zur Kriminalität oftmals schleichend waren. Der Historiker Wolfgang Scheffknecht fand konkrete Beispiele in den Verhörprotokollen des Reichshofs Lustenau. 1734 berichten sie von der Verhaftung einiger Zigeuner, die sich auf Einbrüche spezialisiert hatten, die aber auch gegen Lohn auf 52 53 54 55 56 57
W elti 1981, 42. Zur Geschichte der Musikerfamilie Netzer siehe: B ösch -N iederer 2012, S. 77–86. VLA, Stadtarchiv Bludenz, Fasc. 198/42, Schreiben vom 15. Juli 1831. VLA, Pfarrarchiv Schruns Cod. 6, Rechnungsbuch des Johann Christian Vogt von Schruns als Kirchenpfleger (1785–1821). Mehr dazu im Beitrag über Rosenlächer. S chneider 1984, S. 137–140.
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Hochzeiten musizierten. Zwar wurden wiederholt nur einzelne Personen aktenkundig, doch sorgten diese sogleich für den schlechten Ruf aller herumziehenden, von Armut getriebenen Musikanten. Von der Obrigkeit als lästiges Übel gesehen, das es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen galt, wurden wiederholt strenge Maßnahmen gesetzt, um das Bettelwesen einzudämmen. Anders als die Obrigkeit sah es ein Großteil der hier ansässigen Bevölkerung. Vaganten brachten Abwechslung in das arbeitsreiche Leben am Lande, das an Unterhaltung wenig bot; sie wurden als Überbringer von Nachrichten und Neuigkeiten geschätzt, musizierten in Privathäusern und verrichteten dort auch Gelegenheitsarbeiten. Als Gegenleistung wurden Übernachtungsmöglichkeiten, Winterquartiere und Lebensmittel geboten. Besonders Wallfahrten und Jahrmärkte zogen hausierende Händler an, so mancher von ihnen beherrschte ein Musikinstrument und war auch bei Hochzeiten gefragt. Bei ihren Wanderungen von Ort zu Ort konnten oftmals dieselben Herbergen, die sie schon als Kinder kennengelernt hatten, ausgenutzt werden.58 Der Bregenzerwälder Dichter Franz Michael Felder (1839–1869) schildert in „Aus meinem Leben“ sowie in seinem Roman „Nümmermüllers und das Schwarzokaspale“ die Bettelszene im Bregenzerwald:59 Damals war das Geld noch rar im Ländle, aber Lebensmittel hatte alles genug und dabei lebte man so frei wie die Gemse auf den Bergen. Die Leute waren mildtätig gegen die Armen, die aus dem Schwaben und der benachbarten Schweiz kamen und bettelten. So hielten sich ganze Haufen von Bettlern in den Wäldern auf.
Auch über ihre bevorzugte Unterkunft berichtet der Dichter. Am „Bettlerbach“60 in Schoppernau, hätten sich besonders viele Vaganten aufgehalten. Sie kochten und schliefen zu beiden Seiten des Baches und verbrachten die Winter mit den im Sommer erbettelten Lebensmitteln in den leeren Alphütten. Zuweilen ging es dann schon recht lustig zu; etwa einer hatte eine Zither bei sich und konnte damit aufmachen, und da tanzten dann die anderen, daß es stob, und juzten zu den Türen und Fenstern hinaus, daß man’s im Dorf drunten hörte.61
Dass sich bei Felder Dichtung und Wahrheit sehr nahekommen, zeigt das Beispiel einer Vagantenfamilie namens Moll, die mit Musizieren ihren Lebensunterhalt aufbesserte und die 1742 erstmals in Schoppernau belegt werden kann. Ob sie ursprünglich auch am Bettlerbach ihr Quartier aufgeschlagen hatte? Angehörige dieser Familie bewanderten in einem Zeitraum von beinahe hundert Jahren, zwischen 1742 und 1839, hausierend als Kesselflicker, Regenschirmmacher sowie mit Korb- und Geschirrhandel die Region. Sie kamen vom Allgäu in den Bregenzerwald, über den Tannberg in das Tiroler Lechtal, über das Stubaital nach Sterzing und Meran, über das Montafon in den schweizerischen Prättigau. Mit besonderen musischen Talenten versehen, bereicherten einige Angehörige als Musikanten das gesellschaftliche Leben ihrer Aufenthaltsorte. Die Geschichte ihrer Entdeckung beginnt mit einem Hinweis auf einer überlieferten Musikantenhandschrift und einem Zufallsfund in Akten des Vorarlberger Landesarchivs, der aufzeigt, mit welchen Problemen eine vagierende Musikantenfamilie auch über Generationen hinweg zu kämpfen hatte.62
58 Mehr dazu bei: S cheffknecht 1990, S. 23–51, und N iederstätter 1990, S. 3–21. 59 S trolz 1988, S. 68. 60 Der Falzbach, ein Zufluss zum Schreckbach, wird im 19. Jahrhundert „Bettlerbach“ genannt. Hier führt auch der alte Weg vom Bregenzerwald über das Starzeljoch in das Kleinwalsertal. 61 S trolz 1988, S. 70. 62 An dieser Stelle danke ich besonders Cornelia Albertani vom Vorarlberger Landesarchiv, die zur Erforschung der Familiengeschichte wegweisende Beiträge lieferte.
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Abb. 4: Kratzzither aus Fichtenholz in der sogenannten „Salzburger Form“ mit zwei doppelchörig besetzten Melodiesaiten und sechs Freisaiten, um 1800, aus dem Bregenzerwald, Vorarlberg Museum, Inv.-Nr. T 11
Ausgangspunkt der Forschungen war die in den 1920er Jahren entdeckte und vom Volkstanzforscher August Schmitt (1861–1933) transkribierte Musikantenhandschrift. Alte Bregenzerwälder und Montafoner / Tänz / von 1812 bis 1818 Ohmisberg und Lech und Zürs / für Violin, Flöte oder Clarinette / aus dem Gedächtnis notiert vom ehemaligen / Spielmann Josef Martin Strolz.63
Der Spielmann Strolz gibt in dieser Handschrift das Repertoire zweier Musikanten wieder, Gigermichel und Gigermichelis Söpp. Eine nähere Identifizierung der Musiker schien vorerst aussichtslos, doch kam hier ein Zufallsfund zu Hilfe. Einem peniblen Beamten, der in Gerichtsakten den Familiennamen auch Vulgarnamen beifügte, ist es zu verdanken, dass die Identität der beiden geklärt werden konnte. Dahinter verbergen sich Johann Michael Moll und sein Sohn Joseph Anton. Ihre Familie ist gut dokumentiert. Akten im Vorarlberger Landesarchiv berichten von Domizilstreitigkeiten, Ansuchen um Reisepässe, Hauskauf und Musizierbewilligung und lassen somit tief in das Leben einer gesellschaftlichen Randgruppe ohne festen Wohnsitz blicken, das von Armut, Demütigung und oftmals von einem nicht immer gerechtfertigten, schlechten Leumund begleitet war. Über drei Generationen hinweg sind die musikalischen Aktivitäten der Moll’schen Familienmitglieder sowie auch ihr Handel mit verschiedenen Waren nachweisbar. In den Vorarlberger Matrikenbüchern werden sie bei der Berufsangabe meist als Mendicantes (Bettler), Vagi/Vagabundi (Heimatlose), aber auch als Spielmann/Spielmännin bezeichnet. Die unterschiedlichen Geburtsorte und Passansuchen belegen grob die Routen, die zurückgelegt wurden: Otterswang in Württemberg, Riefensberg, Buch, Alberschwende, Egg, Mellau, Bezau, Schnepfegg/Schnepfau, Schoppernau, Lech, Stanzach im Lechtal64, Sterzing, Meran und Vandans. Die Familie Moll ist ein Beispiel dafür, wie sehr man oft auch zu Unrecht Vorurteilen ausgesetzt war. Es wird ihr mehrmals ein ordentlicher Lebenswandel bescheinigt, sie wird als gut und recht-
63 Die Handschrift wird im vorliegenden Buch eingehend besprochen. 64 Aus Gramais bei Häselgehr im Tiroler Lechtal ist im frühen 19. Jahrhundert eine weitere Musikerfamilie Moll nachweisbar. Hier wurde auch der in Brixen später ansässige Komponist Franz Moll (1830–1908) geboren. Beziehungen zu der im Bregenzerwald wirkenden Familie sind nicht auszuschließen, Nachweise konnten bislang mangels Forschungen nicht erbracht werden. Vgl. R ausch 2004, Sp. 1465; siehe auch Matriken Tirol Online, Häselgehr. Moll gibt es im 18. Jahrhundert auch im Großen Walsertal und u. a. in Schwaben.
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schaffen bezeichnet. Ihr größtes Verbrechen, für das Joseph Moll und seine Gattin eine Gefängnisstrafe absitzen mussten, war, notgedrungen und armutsbedingt, die Fälschung ihres Ehescheines.65 Waren in Vorarlberg bis in die 1830er Jahre noch weitgehend Musikanten und Musikantinnen aus der Bodenseeregion anzutreffen, kam bald Konkurrenz aus dem Osten. 1838 stellte das Kreisamt in Bregenz in einem Schreiben fest, dass es schon seit geraumer Zeit einen bedeutenden Andrang von Musikanten vorzüglich aus Böhmen gäbe, der in jüngster Zeit so überhand genommen hätte. Die oberste Landesbehörde ersucht nun die unteren Instanzen um eine diesbezügliche Stellungnahme. Der Landrichter von Sonnenberg zu Bludenz, Johann Caspar Albrecht, plädiert dafür, den Erwerb mit Musik nur jenen Musikanten zu gestatten, wenn dieselben unter die Zahl der guten Musikanten gezählt werden können und daher nicht genöthigt sind, nach Art der Bettler ihren Unterhalt zu suchen. Unklar bleibt, wer die musikalischen Fähigkeiten überprüfen sollte.66 Albrecht war bereits 1819 für die erste volksmusikalische Sammlung in Vorarlberg, die sogenannte „Sonnleithner-Sammlung“, Ansprechpartner gewesen und nahm den Begriff „Musikant“ sehr genau. Musikanten, welche diesen Namen verdienen, giebt es diesen Amtsbezirk gar keinen, hatte er in einem Schreiben einst verlauten lassen – und seine Meinung auch zwanzig Jahre später nicht geändert.67 Die aktuelle Volksmusikforschung wird oft mit der Frage konfrontiert: Gibt es eine authentische Besetzung der Volksmusik? Mit welchen Instrumenten wurde zu den Tänzen musiziert? Fest steht, dass man sich mit den vorhandenen Instrumenten zufriedengab. Pfeifer und Trommler sind seit dem 14. Jahrhundert namentlich vor allem durch militärische Rekrutierungslisten und Steuerbücher bekannt. Sie kommen aus dem Bregenzerwald, Rheintal, Montafon und Walgau. Die Bezeichnung Geiger und Spielmann trifft man noch heute oftmals bei Vorarlberger Flur- und Familiennamen, was darauf hindeutet, dass es hier doch eine Anzahl von Personen gab, die auch das Geigenspiel beherrschte. Auch Noten lassen Rückschlüsse ziehen. Die bislang älteste Vorarlberger Musikantenhandschrift, das Notenheft für Joseph Meusburger, wurde für eine Geige geschrieben.68 Für Violin, Flöte oder Clarinette heißt es bei Josef Martin Strolz. Die ältesten Musikhandschriften sind einstimmig notiert und dienten als Gedächtnisstütze. Wurde ein weiteres Instrument am Spiel beteiligt, geschah dies improvisierend nach dem Gehör. Geige, Flöte und Hackbrett sind die am häufigsten genannten Tanzmusikinstrumente der frühen „Biedermeierzeit“ am Lande. Untersuchungen zur Biografie des „Gigermichels“ ergaben, dass sein Enkel Johann in den 1830er Jahren als Geiger gemeinsam mit der Hackbrettspielerin Crescenz Örtle im Fasching zum Tanz aufspielte. Doch erklangen diese Instrumente nicht nur zum Tanz. Quellen berichten, dass im Jahre 1797 Geige und Hackbrett als Hochzeitsmusik sowohl zum Tanz als auch zur musikalischen Untermalung der kirchlichen Trauung eingesetzt wurden.69 Als Tanzmusikinstrument trifft man mit dem Aufkommen von Bläserformationen um 1800 gelegentlich auch die Klarinette. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts übernehmen zunehmend Blasmusikvereine die Tanzmusik.
65 Ohne festen Wohnsitz und geregeltes Einkommen war die Legitimierung einer Partnerschaft wenig aussichtsreich. Mehr zur Familie Moll im Kapitel über die Handschrift Strolz in diesem Buch. 66 VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 76, Nr. 5044 (Alte Fasc. Nr. 65 Präsidium). 67 Siehe dazu später im Kapitel über die Sonnleithner-Sammlung. 68 Mehr zur Handschrift im vorliegenden Buch. 69 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 246, Nr. 163/1797/289. Die Brauchtümer im Montafon am Hochzeitstag betreffend, 1797 Mai 14.
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Abb. 5: Trapezförmiges diatonisches Hackbrett aus dem Montafon, mit Deckel und Tragevorrichtung (Riemen). Zettelaufschrift: „Santir“, Vorarlberg Museum, Inv.-Nr. T 75, Dauerleihgabe Museum Schruns70
Tanzmusik – eine Männerdomäne? Die Rolle der Frau als Musikantin ist, auf Vorarlberg bezogen, noch weitgehend unerforscht. Quellen sind zwar rar, doch mit entsprechendem Spürsinn durchaus zu finden. Musikantinnen gab es seit dem 17. Jahrhundert vor allem im kirchlichen Bereich, vorab in den Frauenklöstern von Altenstadt, St. Peter in Bludenz und Thalbach bei Bregenz. Außerhalb der Klöster waren es meist die Töchter oder Gattinnen von Schulmeistern, die eine Bezahlung als Sängerinnen oder Organistinnen erhielten, wie es Rechnungsbücher belegen. Musikunterricht gehörte zur bürgerlich-städtischen Erziehung. Musiziert wurde ausschließlich im familiären Rahmen. Belegt werden kann dies durch die im vorliegenden Buch dokumentierten Handschriften von Franziska Steinle und Louise Hörner und auch durch die Tagebücher des Bregenzer Kreishauptmannes Nepomuk Ebner. Im profanen Bereich war ein öffentliches Auftreten von musizierenden Frauen nicht alltäglich. Vereinzelt traten durchreisende Künstlerinnen auf, selten jedoch mit Solodarstellungen. Sie waren meist im Familienverband oder in Kleingruppen unterwegs. Konzertprogramme, Ankündigungen und Produktionsbewilligungen sind dafür ein Nachweis. Doch hinterlassen auch talentierte Musikerinnen aus den wenig beachteten Bevölkerungsschichten, den Vaganten, deutliche Spuren. 1808 vermerkt die Matrikel von Bregenz unter den Verstorbenen eine Mangoldin Maria Theresia, Spielmannsfrau, sie verstarb 20-jährig an einer „Nervenkrankheit“.71 Ob sie selbst musizierte, konnte, wie auch im Fall von Maria Agatha Gebhard, nicht nachgewiesen werden. Die Lebensgefährtin des Joseph Anton Moll wird im Taufbuch von Lech 1815 als Spielmännin bezeichnet. Zum Kreis der herumziehenden weiblichen Musikantinnen gehört Creszenz Örtle (um 1807–1886), die einer der Gemeinde Au zugewiesenen Vagantenfamilie entstammte. Als Geschirrhändlerin und Musikantin war sie mit Pferd und Wagen unterwegs, in anstössiger Gemeinschaft ihres Knechts und 70 „Santir“ ist die arabische Bezeichnung für die griffbrettlose Kastenzither. 71 VLA, Sterbbuch Bregenz 1784–1809, S. 172.
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Lebensgefährten Ferdinand Stöckler, mitunter ohne gültige Dokumente. Im Oktober 1836 wurde sie nach einem Aufgriff durch die Behörde aktenkundig. Sie gab zu Protokoll, 29-jährig, aus Au gebürtig und dort auch wohnhaft gewesen zu sein. Seit zehn Tagen sei sie mit Ferdinand Stöckler und Johannes Moll unterwegs und wollte etwas verdienen mit dem Hackbrett, welches sie zu Schlins eingestellt hätte.72 Eine Eheschließung mit Stöckler konnte nicht nachgewiesen werden, auch nicht ihr tatsächlicher Geburtsort oder ihre Eltern. Sie scheint nicht unvermögend gewesen zu sein, war nicht nur zu Fuß unterwegs, sondern auch mit Pferd und Wagen. Um 1840 besaß sie auch eine eigene Wohnstätte, die sie aber bald wieder verlieren sollte. 1841 wurde ihr Besitz in Lingenau/Rals Nr. 3, ein Haus und mehrere Grundstücke im Schätzwert von 1.600 Gulden, versteigert.73 In den folgenden Jahren häuften sich die Anzeigen wegen Bettelns, Vagierens und Stempel-Gefälligkeitsübertretungen. Dennoch konnte sie ein stattliches Alter erreichen. Die Hackbrettspielerin verstarb am 11. September 1886 im Landspital von Bregenz. Im Sterbebuch liest man: angeblich Witwe Stöckler. Bei der Altersangabe gab man sich großzügig: 73–83 [Jahre]. Das Bregenzer Wochenblatt vermerkt im Oktober 1886 dagegen das Alter mit 78 Jahren.74 Das entspricht eher den Angaben im Vernehmungsprotokoll von 1836, in dem sie sich als 29-Jährige bezeichnete.75 Die Teilnahme am Vereinsleben war für Frauen – bei Chören bis ins späte 19. Jahrhundert, bei Blasmusikkapellen sogar bis in die 1980er Jahre – tabu. Eine Ausnahme bildete eine Persönlichkeit, die in dieser Hinsicht manche Gemüter in Feldkirch in Aufruhr versetzt haben dürfte: Nanne Schaller (um 1781–1845). Nannes Vater war der Wachszieher und Chorregent Johann Georg Schaller (1742–1801). Sein Sohn Gordian brachte es zum angesehenen Blasmusikanten, aber auch Tochter Nanne (Maria Anna) war musikalisch talentiert. Ihr Ruhm als vorzügliche Klarinettenbläserin dürfte legendär gewesen sein. Sie sang im Kirchenchor, erteilte Musikunterricht und leitete ein Instrumentalensemble. Obendrein gilt sie als erste Kapellmeisterin der Feldkircher Bürgermusik, einer „türkischen Musik“. Legendär sind ihre Auftritte in der neuen Adjustierung um 1824. 1905 liest man davon in der Feldkircher Zeitung: Die schöne Banda, angetan mit hellgelben Hosen, blauem Frack, mit Goldknöpfen reich verziert, den Tschako mit großem, wallenden Federbusch bot auch noch eine besondere Augenweide, weil die brave Nanne als Kapellmeisterin mit der führenden Klarinettstimme in vorderster Reihe marschierte, selbstverständlich in der neuen Uniform am Fronleichnamstag. Ohne die musikalische Nanne hätte man damals nicht auftreten können, sagt man allgemein.76
Ob es die Zeitgenossen der Musikerin genauso positiv sahen? Eine Biografie ist noch ausständig.
72 VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 200, Nr. 10922 (1836) (alte Fasc. Nr. IX/ 405 Polizei). 73 Der in Teufen/CH beheimatete Landammann und Wundarzt Johann Konrad Örtle wird in den Lingenauer Verfachbüchern dieser Zeit mehrmals erwähnt, in Lingenau hatte er zahlreiche Schuldner. Ein Naheverhältnis zu Creszenz Örtle ist noch nicht untersucht. 74 VLA, Sterbbuch Bregenz 1843 bis 1887, S. 691. 75 Mehr zu Örtle und den Musikanten im Bregenzerwald siehe: Bösch-Niederer 2021, S. 71–81. 76 Musikalisches von Feldkirch aus dem verflossenen Jahrhundert. In: Feldkircher Zeitung vom 9. Dezember 1905 (Nr. 98).
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Bürgerliches Musikleben Tanzunterhaltungen der kleinstädtischen Oberschicht, der Ratsherren und Bürger hatten seit dem Mittelalter in den Ratshäusern stattgefunden. Die Belustigung der Rathsherren und angesehener Bürger hatte eine eigene Form. Zum Versammlungsplatze diente meistens ein größeres Gemach auf dem Rathause, die gewählten Speisen und Getränke wurden auf die Familien ausgeteilt; die eine hatte Geflügel, die andere Schinken, die dritte kalte Braten, die vierte Backwerk, die fünfte Wein und Brod, und so jede etwas anderes herbei zu schaffen; Musik wurde gemeinschaftlich bestritten, oder es fanden sich im Vereine kundige Liebhaber, welche abwechselnd Tänze aufspielten, und einer lebensfrohen Gesellschaft auch ohne kunstreiche Instrumente und zusammen gesetzte Harmonie die Füsse leicht machten. Die Theilnahme des Seelsorgers durfte nicht fehlen.77
Abb. 6: Das alte Rathaus in der Bregenzer Oberstadt. Hier fanden bis zur Adaptierung des Kornhauses auch Tanz- und Theaterveranstaltungen statt.
Im frühen 19. Jahrhundert hört man vereinzelt erstmals von Bällen, die in größeren Sälen der Wirtshäuser abgehalten wurden. Seit 1809 berichtet erstmals auch das Bregenzer Wochenblatt von Veranstaltungen aus Anlass der Namenstagsfeierlichkeiten der königlichen und kaiserlichen Hoheiten, die mit einem Ball ihren Abschluss fanden.78 Ballveranstaltungen gab es auch in den Kurorten und Bädern, die vom zahlenden Publikum gerne frequentiert wurden. Am 21. Mai 1813 berichtet der Bad-Direktor Joseph de Lank von Hohenems, dass er sein schon längst berühmtes Schwefelbad mit einem Ball und Feuerwerk zu eröffnen gedenke. Das Antre zum Ball und Feuerwerk kostet für das Paar ein Gulden, Einzeleintritte 48/24 Kreuzer.79 Ein besonderer Zeitzeuge ist Kreishauptmann Johann Nepomuk von Ebner (1790–1876), der von 1822 bis 1850 als oberster kaiserlicher Beamter in Vorarlberg wirkte und der mit seinem sechzehnbändigen Tagebuch eine bemerkenswerte Lektüre auch zum kulturellen Geschehen hinterließ. Folgt 77 W eizenegger /M erkle 1839, S. 335. 78 Bregenzer Wochenblatt, 3. Februar 1809, 7. Oktober 1814. 79 Bregenzer Wochenblatt, 21. Mai 1813. Mit Entree, hier Antre, ist der Eintritt, das Eintrittsgeld gemeint.
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man seinen Aufzeichnungen aus den Jahren 1836 bis 1855, so zeichnete sich in der kleinen Garnisonsstadt Bregenz seit den 1820er Jahren ein bescheidenes bürgerliches Kulturleben ab, geprägt von Hausmusikabenden, Ballveranstaltungen, unter anderem seit 1823 im Gasthaus „Löwenwirth“ des Josef Ralling, von regelmäßigen Auftritten der Regimentskapelle des hier stationierten Militärs, Theateraufführungen der Wanderschauspieltruppen und vereinzelten Auftritten reisender Virtuosen. Beim Tanzrepertoire gab man sich modern. Kreishauptmann Ebner nennt die Quadrille. Ihm gefiel diese ruhige Art zu tanzen, da mit diesem Tanz bereits kein Echauffement verbunden ist. Auch am Lande scheint dieser Tanz beliebt gewesen zu sein, wie Ebner aus Lochau berichtet: Das junge Volk tanzte lustig – Quadrille auf der gemähten Wiese, was ich noch nie gesehen.80 Tanzlehrer boten einem ausgewählten städtischen Publikum ihren Unterricht an, der bürgerliches, vornehmes Auftreten mit einschloss. Am 7. November 1834 empfiehlt sich F. Fartmann, Tänzer des königlichen Hoftheaters in Dresden, einem hohen Adel und verehrlichen Publikum und kündigt an, daß er gesonnen sey, in hießiger Stadt [= Bregenz] Tanz-Unterricht zu ertheilen, sein Unterricht ist nicht nur empfehlenswerth, weil er sich auf deutsche und französische Tänze[,] Complimentiren u.s.w. beschränkt, sondern er wird sich dabey noch alle Mühe geben, den jüngern Schülern das Benehmen bey Tische und in höhern Gesellschaften eine schöne Haltung des Körpers und geraden aufrechten Gang beyzubringen, so wie auch angenommene Verunstaltungen des Körpers abzugewöhnen. Privatunterricht ertheilt er zu jeder beliebigen Stunde des Tages.81
Die musikalische Erziehung lag nach wie vor weitgehend in geistlicher Hand. Seit 1814 gab es in Bregenz eine Gesangsschule, in der der städtischen Jugend leicht erlernbare und moralisierende Lieder beigebracht werden sollten, um sie vor dem Verfall zu retten.82 Kurze Zeit später wurde Benefiziat Ignaz Schwärzler (1784–1864) Städtischer Musikdirektor. Schwärzler, der 1807 zum Priester geweiht worden war, bekleidete nicht nur für die Bregenzer Jugend eine prägende Position. 1825 wurde er Direktor der Kreishauptschule und somit für die Lehrerausbildung im ganzen Land verantwortlich.83 Ihm wurde 1828 mit Johann Baptist Hämmerle (1810–1885) ein Musiklehrer für die bürgerlichen Jugend zur Seite gestellt. Dessen Dienstauftrag sah den täglichen Unterricht im Gesang für beide Geschlechter und Instrumentalmusik für Knaben vor, wobei die Violine und einzelne Blasinstrumente vorgegeben waren. Musikprüfungen fanden im Beisein des Kreishauptmannes öffentlich statt.84 Seit den 1840er Jahren gab es hier, wie auch in Feldkirch, einen bürgerlichen Musikverein, der sich zum Ziel setzte, die Jugend musikalisch auszubilden und Musikliebhaber zu sammeln. Auch Feldkirch profitierte seit dem frühen 19. Jahrhundert vom wachsenden musikalischen Engagement der Bürger. Zum städtischen Musikdirektor wurde 1830 ein Tiroler, Georg Frick (1805–1898), bestellt. Er kann als wichtiger Impulsgeber für das bürgerliche Musikleben der späten „Biedermeierzeit“ gesehen werden. Seinen weitreichenden Kontakten verdankt die Feldkircher Bürgerschaft ein reichhaltiges musikalisches Repertoire. Mit den „hiesigen Musikern und Dilettanten“ bestritt er Konzerte; sie wurden auch bei Tanzunterhaltungen eingesetzt. Das Repertoire war zeitgenössisch, in den 1840er Jahren begeisterte die Musik von Joseph Lanner (1801–1843) und Johann Strauss Vater (1804–1849) das tanzende Publikum.85 Bürgerliche Hausmusik bot Gelegenheit, sich im kleinen intimen Kreis von Freunden und der Familie zu produzieren. Dabei war es durchaus auch üblich zu singen. Bestes Zeugnis dafür ist das 80 81 82 83 84 85
Ebner Tagebuch 1844, Eintrag 10. Februar, 22. Februar, 15. Juni. Bregenzer Wochenblatt, 7. November 1834, S. 188. S chneider 1993, S. 107. VLA, Taufbuch Bregenz 1810–1825, o. S.: Kurzbiografien der Bregenzer Geistlichen. B ösch -N iederer 2016, S. 53. Zum Musikrepertoire von Georg Frick siehe: B ösch -N iederer 1986, S. 41–52.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
erhaltene und für den vorliegenden COMPA-Band erschlossene handschriftliche Liederbuch der Bregenzer Bürgerstochter Fanny Steinle (1804–1862) aus dem Jahre 1822, das im Jahr vor ihrer Hochzeit entstanden ist und das neben den aktuellen „Schlagern“ der Zeit auch ältere Lieder enthält.86 Im Hause des Kreishauptmannes Ebner, in dem die Bregenzer Prominenz aus und ein ging, wurde mit Gästen gesungen und musiziert. Ebner selbst hatte 1828 das Gitarrespiel erlernt und beherrschte auch die Geige. Bei ihm fanden regelmäßige Quartettabende statt, wobei der Beamte selbst musizierte. Mit von der Partie waren der Advokat Stefan Pircher, Schuldirektor Ignaz Schwärzler und Kreisamts-Protokollist Gebhard Schneider.87 Und auch der Tanz kam im Rahmen dieser Hausmusikabende nicht zu kurz, wie uns Ebner mitteilt. Eine Gitarre oder ein Klavier genügte als Begleitung. Bürgerliche Hausmusik gab es auch in der Familie des im Klostertal (Braz), im Walsertal und im Tiroler Stanzertal tätigen Wundarztes Joseph Anton Aßmann (1804–1844). Seine erste, vermögende Gattin Maria Theresia Oberhaidacher hinterließ nach ihrem Tode 1831 nicht nur ein Klavier im Wert von hundert Gulden, sondern auch eine Gitarre um fünf Gulden und mehrere Musikalien.88 Zither und Gitarre waren in den 1820er Jahren zwar bekannt, hatten sich aber noch nicht als Modeinstrumente in breiteren Schichten etabliert. In städtischen Bürgerkreisen wurde nach wie vor das Klavier bevorzugt. Die Anschaffung eines Musikinstrumentes war aufwendig und kostenintensiv. Nur ein ausgewählter Personenkreis hatte dazu den finanziellen Hintergrund. Das wirkte sich auch auf den Instrumentenbau aus, wie aus dem folgenden Beispiel ersichtlich ist.
Abb. 7: Sechssaitige, einfache Gitarre des Bregenzer Instrumentenbauers Victorin Drassegg (1782–1847), o. D., Standardform. Vorarlberg Museum,
86 VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler, Liedersammlung für Franziska Steinle 1822. 87 W eitensfelder 2001, S. 358. 88 VLA, LG Sonnenberg, Verlassenschaften E 954/1831. Aßmann war in einer weiteren Ehe mit einer Schwester der Pianistin Caroline Perthaler verheiratet. Für diese Informationen sei Cornelia Albertani gedankt.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
In der Hoffnung, mit Musikinstrumentebau eine Familie ernähren zu können, wollte sich der aus Böhmen zugezogene ehemalige Soldat und Instrumentenbauer Victorin Drassegg (1782–1847) 1819 in Bregenz niederlassen. Doch stieß er hier scheinbar auf wenig Interesse. Es wurde ihm angetragen, in eine größere Stadt zu übersiedeln, da in hiesiger Gegend Instrumente schwer zu verwerthen sind. Drassegg ließ sich von den guten Empfehlungen nicht beirren und blieb. Der Bau von Zithern und Gitarren wurde zu seinem Haupterwerbszweig. Reichtum konnte er damit nicht anhäufen. Er bediente mit seinen Instrumenten ab den 1820er Jahren vermehrt die gehobene, wohlhabende Gesellschaft, Bürger und Adel, war aber damit zu seinem Nachteil der Zeit voraus. Seine schicksalshafte Biografie entspricht ganz dem Klischee, das die Beamten von zugewanderten Künstlern – und als solcher sah sich Drassegg – erwarteten. Ständige Geldsorgen, Bemühungen um Nebenverdienste als Wirt und ein den gesellschaftlichen Normen wenig angepasster Lebensstil ergaben ein fortwährendes Konfliktpotenzial mit den Behörden. Als er durch einen Unfall einen Arm verlor, mündete sein Leben finanziell und auch persönlich in ein Desaster. Erst in den 1840er Jahren, mit abnehmender Lebenserwartung, konnte er für sein Werk die lang ersehnte Anerkennung erhalten. Die tragischen Lebensumstände des Instrumentenbauers und seiner Familie füllen mehrere Akten im Vorarlberger Landesarchiv. Umso erstaunlicher ist sein hinterlassenes Werk. Von der Qualität seiner Musikinstrumente zeugen heute noch erhaltene Zithern und Gitarren. Zwei im Vorarlberger Landesmuseum (Vorarlberg Museum) erhaltene Zitherinstrumente aus den 1820er Jahren nähren die Vermutung, dass in bürgerlichen Kreisen seines näheren Umfeldes damit musiziert wurde. Mit seinen künstlerisch wertvoll ausgestalteten Wappen- und Doppelgitarren konnte Drassegg in den letzten Lebensjahren bei einer Handwerksausstellung in Wien für Aufsehen sorgen.89
Abb. 8: Zither von Victorin Drassegg (1782–1847) aus dem Jahre 1827, Vorarlberg Museum, Inv.-Nr. T 9
In den späten 1830er Jahren finden Zither und Gitarre allmählich Eingang in die bürgerliche Gesellschaft. Die spieltechnischen Möglichkeiten, die durch die Zither gegeben waren, boten Gelegenheit, in kleineren Kreisen zur Unterhaltung ein ganzes Orchester zu ersetzen. Kreishauptmann Ebner offenbart sein Privatleben in seinem Tagebuch. Unter anderem schreibt er am 6. November 1838:
89 Zur Biografie Drasseggs siehe: B ösch -N iederer 2016, S. 9–64.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Abends waren wir zum Rentbeamten geladen – und nebst uns wohl noch einige 30 andere Personen. Es wurde zur Zither getanzt.90
Als Lehrer für die beiden Zupfinstrumente Zither und Gitarre kamen in erster Linie die städtischen Musikpädagogen infrage. In Feldkirch war dies der gebürtige Tiroler Georg Frick (1805–1891), der 1830 als städtischer Musikdirektor engagiert wurde, in Bregenz war es der Pädagoge Johann Baptist Hämmerle (1810–1885). Ein besonderer Zither- und Gitarre-Boom erreichte Vorarlberg jedoch erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Davon betroffen waren vornehmlich die ländlichen Regionen.
Abb. 9: Der Bregenzer Musiklehrer Johann Baptist Hämmerle(1810–1885). (Unbekanntes Gemälde)
Neben der Hausmusikpflege bestand seitens der Bürger auch Interesse, sich öffentlich bei verschiedenen Anlässen zu präsentieren. Gelegenheiten dazu boten unter anderem Festlichkeiten wie der Geburtstag für den allgeliebtesten volksbeglückenden Monarchen Franz I. in Bregenz. Er wurde nicht nur mit feierlichem Gottesdienst und Militärparaden begangen. Ein Bericht im Bregenzer Wochenblatt vom 20. Februar 1818 schildert theatralisch und ausführlich den vielgestaltigen Ablauf: Die Begeisterung mit welcher Heute der Geburtstag unsers allgeliebtesten volksbeglückenden Monarchen in der Kreisstadt Vorarlbergs gefeyert wurde, beurkundet die Liebe seines Volkes an den Mündungen aller süddeutschen Staaten in neuem unsterblichen Lichte. Schon am Vorabende verkündete den Bewohnern der Stadt die durch alle Hauptgassen ziehende Harmonie Musick des hier garnisonierenden Bat. des k.k. Regiments Kaiser das hohe Fest […].
90 Ebner war von 1822 bis 1850 Kreishauptmann in Vorarlberg. Seine Tagebücher werden im Vorarlberger Landesarchiv verwahrt, sind zum Teil auch publiziert. VLA, Bibliotheksgut, Ebner Tagebücher: Einträge von 1837, 22. Jänner, sowie 1838, 6. November.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Abends traf man sich im Gasthaus Adler, wo durch eine aus Bürgern sich gebildete Gesellschaft von 30 Individuen […] das Aerndtefest vorgestellt [wurde.] Die Gesellschaft hatte Nationaltrachten der dem Lande Vorarlberg an Treue und Ergebenheit für ihren angebetheten Kaiser verwandten Tiroler zur Kleidung gewählt […]; die Gardine sank und umschwebt von dem Sinnbilde der Allmacht zeigte sich das Bildniß Franz I. Die Gemeinde fiel auf ihre Knie nieder, und eine von dem Priester [Ignaz] Schwärzler komponierte Melodie und Chor begleitet durch die sanften Töne der ländlichen Flöte drückten den Dank des Landes für den Schöpfer und Spender rettender Hülfe mit einer Rührung aus, die kein Auge der gedrängten Zuseher unbenetzt ließ. Nun erhob sich die Gemeinde und ein von Hr. Walser auf die Festlichkeit des Tages eben so schön verfaßter, als von Hrn. Schwärzler in Musik gesetzter Chor begann. Ein dreyfaches Lebehoch unter Trompeten u[nd] Pauken und Böllerschüssen erscholl, worauf fröhliche Alpenlieder [und] ein angemessenes Theaterstück von Kotzebue folgte.
Um diesen Feierlichkeiten besonderen Stellenwert zu verleihen, wurde der Text von den abgesungenen Liedern dem Bericht angeschlossen:
Abb. 10: Liedtexte zur Geburtstagsfeier für Franz I., Bregenzer Wochenblatt, 20. Februar 1818
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Auffallend sind in dieser Beschreibung die Hinweise auf den Auftritt in Tiroler Trachten und auf das Singen von fröhliche[n] Alpenlieder[n]. Obwohl hier nicht direkt angesprochen, ist hinter den fröhlichen Alpenliedern zugewandertes Liedgut aus Bayern oder Tirol zu vermuten, das Jahrzehnte später einen nicht unbedeutenden Anteil am Vorarlberger Liederschatz nehmen sollte. Warum griff man auf Tracht und Liedgut der Nachbarschaft zurück? Ist dies eine Bestätigung der Aussagen des Landrichters bezüglich der Sonnleithner-Sammlung, dass es keine eigenen Volksgesänge im Gerichtsbezirk Bregenz gab? Oder folgte man einfach dem Trend der Zeit, die Tiroler Alpenidylle auch für sich zu vereinnahmen? War es die fremde Sprache, die einen besonderen Reiz ausübte, oder gab es politische Überlegungen? In Innsbruck befand sich immerhin die nächste Behördeninstanz, ein Großteil der in Bregenz ansässigen Beamtenschaft kam aus Tirol. Ein Vorarlberger Landesbewusstsein mit Betonung des landesüblichen Dialekts und der Kleidung ist aus dieser Veranstaltung keineswegs ersichtlich.
Ländliche Idylle im Blickpunkt des städtischen Publikums Ein Sujet des „Biedermeier“, das Interesse an der Hinwendung zu Natur und einfacher Lebensweise und ihre romantische Verklärung fand bald auch Eingang in die Geisteswelt des Vorarlberger Bürgertums. Obwohl von einer prächtigen Alpenwelt umgeben findet man Gefallen an der Zeitströmung. National- oder Natursängergruppen werden ebenso begeistert aufgenommen, wie reisende Theatergruppen mit volkstümlichen Stücken im Repertoire.
Abb. 11: Ignaz Franz Castelli (1781–1862), Lithographie von Joseph Kriehuber 1835
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
1822 reiste der bekannte Dichter und Unterhaltungsschriftsteller Ignaz Franz Castelli (1781– 1862)91 mit seinem Freund und Gönner Franz Joseph Breuß (1774–1823), einem Bauernsohn und nunmehr in Wien lebenden Großhändler, in dessen Heimat Vorarlberg. Seine Eindrücke vom Gebhardsberg und von der Aussicht über den Bodensee ließ er in ein romantisches Gedicht einfließen: Gruß vom Gebhardsberg bei Bregenz.92
Abb. 12: Kolorierte Karte mit der ersten Strophe des Gedichtes von Ignaz Franz Castelli, das er anlässlich seines Bregenz-Besuches 1822 schrieb. (Dresden um 1900)
Handschriften mit seinen Theaterliedern und Konzertprogramme geben Zeugnis davon, dass der Autor und sein Werk hier durchaus nicht unbekannt waren. Beliebtheit erfuhr insbesondere das nach Castellis Libretto von Joseph Weigl komponierte und 1809 uraufgeführte Singspiel „Die Schweizerfamilie“. Das Stück wurde zum Opern-Hit, von namhaften Komponisten der Zeit bewundert. Franz Schubert erkor es zur Lieblingsoper, auch Richard Wagner sollte sich daran begeistern. Gesangsstücke aus diesem Singspiel wurden in den Liederhandschriften der Bürgerstöchter Steinle und Hörner niedergeschrieben und wohl auch gesungen. In den 1830er Jahren kam es zu Aufführungen des Singspiels durch wandernde Schauspieltruppen, die von hier ansässigen Laienmusikern Unterstützung erhielten, wovon handschriftlich überliefertes Notenmaterial zeugt.93 Von auswärtigen, hier gastierenden Künstlern ist in den 1820er Jahren noch wenig zu erfahren. Jene, die auftreten durften, wurden einer genauen Überprüfung unterzogen, und im folgenden Jahrzehnt war eine Zustimmung den strengen Kriterien der obrigkeitlichen Instanzen unterworfen. Besonderes Augenmerk legte man auf den Nachweis musikalischer Begabung, wie das Beispiel einer schwäbischen Gesellschaft zeigt. Als am 15. Juni 1838 der 33-jährige Musiker Martin Bach aus Neuravensburg mit fünf weiteren Mitgliedern seiner Gesellschaft, darunter die 44-jährige Harfenistin Waldburg Grünwald, der 43-jährige Michael Christ, dessen 40-jährige Ehefrau und Sohn Joseph, 25 Jahre alt, um eine Aufführungsbewilligung ansuchte, wurde er trotz Aufführungsnachweisen mit der Begründung, ausländische Künstler hätten außerordentliche künstlerische Leistungen aufzuweisen, abgelehnt.94 91 Zur Biografie siehe auch den Artikel von Birgit Scholz in: URL: http://lithes.uni-graz.at/downloads/castelli_bio.pdf (Zugriff: 13. 2. 2020). 92 Bregenzer Tagblatt, 28. August 1857, Bericht vom zweiten Besuch Castellis mit Gattin. 93 Mehr dazu später in diesem Buch. 94 VLA, Kreisamt I., Sch 332, Präsidium XXII.2.
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Ein Jahr später bedauert Kreishauptmann Ebner, bei einer Überprüfung nicht genau gewesen zu sein und notiert in sein Tagebuch: Um 7 Uhr gingen wir zur Nationalsängerei der Gebrüder Öttl von Landeck und Preschke? Was kein Landecker Name ist. Einige Stücke und namentlich das Jodeln war gut. Das Ganze mittelmäßig. Um ¾ auf 9 war alles zu Ende. Die Lieder selbst waren abgeschmackt[,] zum Teil ziemlich frivolen Inhalts. Wären sie nach Vorschrift der Zensur vorgelegt worden – ich hätte manche streichen müssen. Es soll mir zur Warnung dienen nichts Unzensuriertes mehr passieren [zu lassen].95
Ende der 1830er Jahre wird vermehrt das Auftreten von Sängergesellschaften bekannt, insbesondere von beliebten Alpen-, Natur- und Nationalsängergruppen. Im August 1838 bewarb sich die Alpensängergesellschaft Brüder Franz und Johann Messerer mit Simon Holaus (1814–1895) und Margaretha Sprenger aus dem Zillertal mit einem Vokal-Nationalkonzert im Nationalkostüm, bestehend in mehreren ganz neuer Gebirgs- und anderen Liedern unter Guitarrebegleitung.96 Das Ensemble gehörte zu den Epigonen der Szene, dem eine enge Verbindung zu Ludwig Rainer (1824–1893) nachgesagt wird.97 Reisende Gesangsgruppen nützten Vorarlberg gerne als Zwischenstation. Empfehlungen konnten dabei durchaus nützlich sein, wie jene des Kreishauptmannes Ebner. Im August 1839 erhielt dieser auf Vermittlung von Ignaz Schwärzler Besuch eines Agenten, der Ensembles für eine Amerika-Tournee gewinnen wollte: Gestern war ein Nordamerikaner bei mir – mit dem saubern Commissorium, Tiroler Natursänger für die Nordamerikaner zu engagi[e]ren – versteht sich als Speculation! Es wird für sie die Hin- und Herfahrt über das Meer bezahlt, und ihnen ein gewißer fixer Gehalt stipulirt, so wie ein Antheil an der reinen Einnahme, welche aber sonst den Unternehmern gehört. Der Mann war vom Schullehrer Schmid in Paris angelegen an Schwärzler empfohlen, der ihn mir herbrachte – und mich veranlaßte[,] ihm eine Adresse an Collega Gasteiger als politischer Chef der Zillerthaler mitzugeben. Ich bin begierig, was er ausrichten wird.98
Der Tiroler Kreishauptmann Anton von Gasteiger dürfte rasch reagiert haben. Im Oktober 1839 brach die prominente Zillertaler Gruppe um Ludwig Rainer nach Amerika auf. Reisenden Künstlern wurde im Gasthaus Löwen (Ralling), das auch den Rahmen für Ballveranstaltungen bot, eine Bühne für kleinere Auftritte zur Verfügung gestellt. Am 12. Jänner 1839 waren in diesem Haus die „Brunnecker Natursänger“ zu Gast.99 Mehrmals gastierte die Familie Daburger in Bregenz. Ihr Leiter war bereits 1828 in Berlin gemeinsam mit dem Wiener Joseph Fischer (*1798), mit Johann Stark und Friedrich Schulz (*1801) als „Steyrische Alpensänger“ zu hören gewesen.100 1837 traten er und seine Gattin als „Tiroler Natursänger“ auf,101 zwei Jahre als Sängerfamilie. Als „Natursänger“ „aus dem bayerischen Hochgebirge“ waren
95 Ebner, Tagebuch 1839, Eintrag 18. April. Die Geschwister Öttl waren zwischen 1839 und 1860 europaweit und mehrmals in Vorarlberg als Natursängergruppe unterwegs. Siehe u. a. Bregenzer Wochenblatt, 27. August 1854. 96 VLA, Kreisamt I., Sch 332, Präsidium XXII.2, Nr. 291. 97 Als Siebzehnjähriger hatte Rainer seine ersten Erfahrungen in der Messerer-Gruppe gesammelt. Margaretha Sprenger wird Ludwig Rainers Gattin. Sie und Holaus gehören zu Rainers Gruppe, die 1839 zu einer Amerika-Tour aufbrach. Zur Familie Rainer siehe bei H upfauf 2016. Zur Biografie von Simon Holaus: Barbara Boisits, in: OEML 2, S. 783. 98 Ebner, Tagebuch 1839, Eintrag 1, August. Kreishauptmann Anton von Gasteiger (1780–1860) war für das Unterinntal zuständig. Der aus Au/Rehmen gebürtige und später in Paris lebende Lehrer Johann Josef Schmid (1785–1851) war ein enger Mitarbeiter des bekannten Schweizer Bildungsreformers Heinrich Pestalozzi (1746–1827). Schmid war von 1812 bis 1815 auch Schulvorsteher in Bregenz gewesen. 99 Ebner, Tagebuch 1839, Eintrag 12. Jänner. Wegen starken Regens verzichtete der Kreishauptmann jedoch auf einen Besuch. 100 K l i e r 1956, S. 3f. 101 Wiener Zeitschrift 1837, 4. Juni, S. 10.
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Abb. 13: Konzertankündigung der Sängerfamilie Daburger im Bregenzer Wochenblatt, 26. November 1841
sie europaweit unterwegs102 und verweilten im November 1839 mehrere Tage in Bregenz (Herr und Frau Daburger mit Töchterchen und einem Gitarrespieler)103. Ein Besucheransturm der gehobenen Gesellschaft blieb aus, das finanziell weniger gut gestellte Publikum war aber zahlreich vertreten. Der erste Platz war nur halb, dagegen der 2te und die Galerie ganz voll, schreibt der Kreishauptmann, der die Aufführungen besuchte und sie als befriedigend beurteilte.104 1841 warb die Familie im Bregenzer Wochenblatt für ihr Konzert im Bregenzer Theater. Ihr Repertoire: Nationalgesänge mit Zither- und Maultrommelspiel und auch Tanz.105 In den 1840er Jahren setzt sich die Popularität diverser Gruppen, die das Alm- und Schützenleben hochleben ließen, fort. Am 13. Mai 1842 produzierten sich Katharina Plangger und Katharina Tappeiner aus Schluderns/Südtirol mit Harfe und Gesang in verschiedenen Wirtshäusern.106 1846 gaben in Bregenz ein Sängerpaar Heilmann mit dem Zitherspieler Thomas Buchholzer sowie Andreas Heilmann mit dem Humoristen August Betz107 Gastspiele. Im Repertoire finden sich neben Stücken für Schlagzither, komponiert von Buchholzer, diverse „Alpenlieder“ („Der Waldbua“, „Die fröhliche Sennerin“, „Die Sehnsucht nach dem Schützen“) und auch Eigenkompositionen von Bernhard Heilmann. Die Werbung führt eine Liste von Referenzen an: Man hatte bereits vor dem sächsischen König, vor Herzog Maximilian von Bayern, vor Prinz Albrecht von Preußen gesungen und war in Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und in der Schweiz mit Nationalliedern und andern Gesängen und Musikstücken aufgetreten.108 Besondere Ereignisse, Besuche prominenter Persönlichkeiten wie der Mitglieder des österreichischen Herrscherhauses, boten Anlass zu kulturellen Höhepunkten. Bregenz profitierte in dieser Hinsicht von seiner Funktion als Garnisonsstadt. Es gab Aufmärsche mit Militärmusik und der aus Zivilpersonen bestehenden türkischen Musik109, aber auch Konzerte und Schiffsausflüge unter den Klängen der Garnisonsmusik.110 Gerne griff man aus diesem Anlass auf hier verweilende Gastspieltruppen zurück. Am 16. September 1839 durften sich anlässlich des Besuches von Erzherzog Ferdinand nach dem Essen die Tiroler Natursänger hören lassen.111 Diese Auswahl hinterlässt einen fragwürdigen Eindruck. Konnte Vorarlberg trotz einer prächtigen Alpenkulisse und mit einer Trachtenvielfalt ausgestattet keine orts102 Österreichisches Bürgerblatt für Verstand, Herz und gute Laune, 5. Juni 1845, S. 364. 103 Ebner Tagebuch 1839, Eintrag 23. November. 104 Ebner Tagebuch 1839, Eintrag 28. November. 105 Bericht vom Theater in Meiningen/D in: Walhalla. Blätter für Geselligkeit, Literatur und Kunst, Bamberg 1838, S. 70. 106 VLA, Kreisamt I, Sch 289, Präsidium II.60. 107 August Betz (1818–1874) war auch als Komponist von Liedern für Volkssänger bekannt. Siehe: www.geschichtewiki.wien.gv.at/August Betz. 108 Theaterprogramm, Fotokopie MS M Bregenz Theater. 109 Harmoniemusik mit Schlagwerk. 110 B ilgeri 1980, S. 424–426. 111 VLA, Ebner, Tagebuch 1839, Eintrag 16. September.
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ansässigen Sängerensembles anbieten? Hinweise auf die Existenz einer solchen Gruppe sind bekannt, aber vage. Der Musikforscher Erich Schneider (1911–2001) erwähnt in seinem Buch „Musik und Theater in Lustenau“ einen Gebhard Hämmerle (1795–1866) aus Lustenau, der mit einem Gesangsquartett auf Reisen gewesen sein soll. Historische Belege dafür gibt der Autor leider nicht an.112 Für Theateraufführungen und Konzerte standen seit 1819 im neu errichteten, städtisch genützten Mehrzweckgebäude am Kornmarktplatz in Bregenz Räumlichkeiten zur Verfügung. Genutzt wurden sie von ambulanten Schauspieler- und Sängergesellschaften und auch von einheimischen Laien. Die Spielzeiten dauerten in der Regel von September bis Weihnachten. Ist für das benachbarte Lindau bereits 1714 eine erste Opernaufführung belegbar, so trifft man in Bregenz erst hundert Jahre später auf diesbezügliche Nachrichten.113 In den 1830er Jahren beginnt sich hier mehr und mehr auch das Musiktheater zu etablieren. Gastspiele professioneller Truppen brachten im Repertoire die aktuellen Opern mit. In den 1830er Jahren sorgte die Schauspielertruppe von Karl Friedrich Stöger, einem Sänger und Theaterunternehmer aus St. Gallen, für die Verbreitung der Alpenidylle „Die Schweizer Familie“ von Ignaz Franz Castelli und Joseph Weigl im Bodenseeraum. Er kam damit auch nach Vorarlberg. Am 6. März 1833 wandte sich der Theaterunternehmer schriftlich an das k.k. Kreisamt in Bregenz mit der Bitte um die Bewilligung, in Bregenz einige Vorstellungen zu geben. Da er für die Sommermonate den Chur Ort Baden in der Schweiz habe,
wäre ihm neben Konstanz auch Bregenz für einige Vorstellungen sehr willkommen. Er versicherte dem verehrten Publikum der Stadt und Umgebung Bregenz durch neuere Opern und gute Schauspiele, angenehme Abendunterhaltungen.114 Die Bregenzer Behörde sprach sich nicht grundsätzlich gegen ein Engagement aus. Da das Theater jedoch anderweitig belegt war, bat man Stöger, er möge sich vor Ort ein Bild von der räumlichen Situation machen. Stögers Bregenzer Gastspiel dauerte vom 14. April bis 19. Mai 1833. Unter den zweiundzwanzig aufgeführten Stücken waren vier Opern bzw. Singspiele. Stögers Nachfolgerin, die Sängerin Nanette Ringelmann, übernahm nicht nur dessen Engagement in St. Gallen, sondern in den ersten Jahren auch in Ansätzen sein Repertoire. 1837/38 plante sie eine Reise nach Meran mit Zwischenstopp in Bregenz und Feldkirch.115 Die „Schweizerfamilie“ kam unter ihrer Leitung im November 1837 in Lindau zur Aufführung, wurde aber in Bregenz erstaunlicherweise nicht mehr gespielt.116 War das Alpensujet der Bregenzer Bevölkerung doch zu provinziell? Entsprach das Interesse an fremden Themen, die in weitgehend unbekannten Ländern spielten, bereits mehr dem Publikumsgeschmack der hiesigen Bevölkerung? Mit großem Erfolg beherrschten Opern wie „Norma“ und „Romeo und Julia“ von Vincenzo Bellini (1801–1835), „Fra Diavolo“ von Daniel Francois Esprit Auber (1782–1871) in den folgenden Jahren den Spielplan der Truppe. Im Jahre 1846 kam die Augsburger Theatergesellschaft unter Direktor Wilhelm Lippert mit einem populären volkstümlichen Stück nach Bregenz.117 Zwei Jahre nach ihrer Uraufführung scheint hier die Alpenszene „Das letzte Fensterln“ von Johann Gabriel Seidl (1804–1875) und Ignaz Lachner (1807–1895) beim Publikum großen Anklang gefunden zu haben.118 112 S chneider 1989, S. 125. Gebhard Hämmerle war ein Vorfahre der zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannten Sängerfamilie Hämmerle aus Lustenau. 113 Zur Theatergeschichte in Bregenz siehe auch: P ichler 1995, S. 9–119. 114 VLA, Kreisamt I, Schachtel 246, Pol. 1292 /1833. Schreiben mit Beilagen. 115 Schriftliche Gesuche an das Kreisamt in Bregenz, November 1935, und Gutachten aus den Jahren November 1835 bis 1837 siehe: Vorarlberger Landesarchiv, Kreisamt I, Schachtel 255, Polizei, Nr. 394 (1837). 116 Vorarlberger Landesmuseum, Schachtel Theaterzettel, Verzeichnis aller Schauspiele und Opern, welche von der hier anwesenden Gesellschaft unter der Direction Nanette Ringelmann […] gegeben wurden. Druck [Bregenz: Brentano] 1838. 117 Bregenzer Wochenblatt 17. Juli 1846. 118 Zur Alpenszene siehe H errmann -S chneider 1980, S. 245–294.
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Dieses erfolgreiche Stück zeigt, wie sehr Theatermusik Einfluss auf die Singgewohnheiten der Bevölkerung nehmen konnte. Gesänge daraus finden sich bis in das späte 19. Jahrhundert im Liederschatz der Vorarlberger.
Abb. 14: Ignaz Lachner (1807–1895), S’ letzti Fensterl’n, Stich: Augsburg, Anton Böhm, PN 517, 521 [um 1845]. Exemplar im Nachlass des Bezauer Kirchenmusikers Josef Stülz
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Bürgerlicher Einfluss am Lande Zu bürgerlicher Lebensweise neigten auch die in ländlichen Gemeinden lebenden Beamten, Ärzte und Wirtschaftsgrößen. Ihr Einfluss ging mitunter über ihre gesellschaftlichen Kreise hinaus. Bemerkbar zeigt sich dies im Montafon. Schruns, Sitz eines Landgerichts, beherbergte eine kleine Bildungselite, die in der ländlichen Umgebung durchaus eine deutlich erkennbare bürgerliche Lebensweise vertrat und die sich aktiv am kulturellen Geschehen beteiligte. Mit dem Ziel der Förderung der Kirchenmusik und des Musikunterrichts existierte hier zwischen 1808 und 1828 eine Musikliebhabergesellschaft – bislang die älteste bekannte Organisation dieser Art in Vorarlberg.119 Die aus einer stattlichen Anzahl von Personen aus dem Tal und auch darüber hinaus bestehende Gesellschaft stellte mit ihren Beiträgen die notwendigen finanziellen Mittel zur Beschäftigung eines Musiklehrers und zur Anschaffung von Noten und Musikinstrumenten zur Verfügung. Als zahlende Mitglieder sind unter anderem bekannt: Landammann und Gastwirt Ignaz Vonier, Landrichter Ferdinand Katzenmayer, die Metzger Johann Josef Ganahl und Johann Georg Mark, Uhrmacher Franz Joseph Netzer, Zimmermann Anton Künzle aus Schruns, Weber Ignaz Mathies, Färber Franz Joseph Vallaster. Auch zwei weibliche Mitglieder gab es: die Witwen von Franz Xaver Juen und Josef Werle. Rechnungen aus der Feder des Landgerichtskanzlisten und Direktors der Gesellschaft Theodor Hueber (1799–1853) aus den Jahren 1825 bis 1828 geben detailliert Auskunft über die Ausgaben und Einnahmen.120 Ein von der Gesellschaft finanzierter Musikunterricht war durchaus professionell, als Musiklehrer war bis 1825 ein Herr Forster [Franz Josef?]121 angestellt, zwischen 1826 und 1828 Joseph Winkler aus Wilten/Tirol. Der Musikdiener Jodok Fitsch, zugleich Gemeindebediensteter, besorgte Materialien und Botengänge. Genannt wird auch ein Konzertpraktikant, H. Sander. Musikalien wurden entliehen oder aus Innsbruck angekauft. Joseph Georg Rungger (um 1755–1846), ein aus Hall/Tirol gebürtiger Gerichtsbeamter, gehörte zu den besonderen Musikförderern der Region. Ihm verdankt nicht nur der Pfarrkirchenchor St. Nikolaus in Feldkirch eine Anzahl von Notenschenkungen.122 Mehrmals wird er in den Schrunser Rechnungen als Übermittler von Noten angeführt. Die Ausgaben kamen einem Orchester zugute, das, bestehend aus Streichern und Bläsern, bei Gottesdiensten mitwirkte, aber auch profane Auftritte hatte, wie zur Abendmusik am Namensfest des Landammanns Ignaz Vonier oder bei der Ankunft des Landrichters Ferdinand Katzenmayer.123 Ob die Gesellschaft nach der Abreise des Musiklehrers Winkler im Jahre 1828 weiter Bestand hatte, ist ebenso wenig bekannt, wie eine musikalische Teilnahme der Mitglieder an Tanzveranstaltungen. In den Einsendungen zur Sonnleithner-Sammlung im Frühjahr 1819 findet die Musik-Liebhabergesellschaft von Schruns erstaunlicherweise keine Erwähnung. Gab es in diesen Jahren keine Aktivitäten der Gesellschaft? Seit 1808 wurden Gelder für die Musikgesellschaft gestiftet. Landrichter Johann Caspar Albrecht war bereits für die Sonnleithner-Sammlung Ansprechpartner gewesen und 119 Ein genaues Gründungsdatum ist nicht bekannt, der angegebene Zeitrahmen stützt sich lediglich auf Daten in den Rechnungen. 120 Standesarchiv Montafon, Nachlass Bruno Hueber, Rechnung der Musikgesellschaft über Ausgaben von 1825 bis 1828, o. S. – Verzeichnis der weiteren Empfänge und Rückstände, o. S.; siehe auch VLA, LG Montafon, Schachtel 112, Nr. 7704 (1827), Konkurs: enthält mehrere Schreiben bezüglich einer Schuldforderung an Joseph Winkler. 121 Vermutlich handelt es sich dabei um den Tischler und Musiklehrer Franz Josef Forster (1787–1830) aus Leutenhofen bei Hohenweiler. Er wird in Zusammenhang mit der Gründung von Blaskapellen in Hohenweiler, Lustenau, Götzis und Schruns genannt. Siehe auch: S chneider 1986. 122 Joseph Georg Rungger kam um 1817 als „Collegialrath“ nach Feldkirch, 1826 ist er „Rath Kaiserl. Kgl. Civil-Criminalgericht – Wechselgericht zu Feldkirch“. Zuvor war er einige Jahre in Nauders tätig gewesen (1803 Pfleger, 1805 Pfleger und Landrichter). Er war Ehrenmitglied des 1818 gegründeten Innsbrucker Musikvereins. Bis 1826 setzt er sich nachweislich für die Qualitätssteigerung der Kirchenmusik in Vorarlberg ein. Vgl. dazu B ösch -N iederer 2005, S. 37. 123 Standesarchiv Montafon, Nachlass Bruno Hueber, Rechnungen der Musikgesellschaft 1825–1828, o. S.
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nahm den Begriff „Musikant“ sehr genau. Außer den Schullehrern, die zugleich Organisten sind, versteht bereits niemand etwas von Musik, hatte er in seinem Schreiben an das Kreisamt in Bregenz verlauten lassen. Dem widerspricht die Mitgliederliste der Gesellschaft, die Namen von bekannten Musikantenfamilien des späten 19. Jahrhunderts wie Sander, Stocker, Kühny, Mangeng und den Giger Joseph Marent anführt.124 Der Notenbestand der Gesellschaft ist leider verschollen. Neben den Ergebnissen der SonnleithnerSammlung gewährt ein Liederbuch von Johann Joseph Nayer (1814–1894), das 1829 niedergeschrieben wurde, einen weiteren Einblick in die Singgewohnheiten im Montafon. Nayer, ein Lehrer und Gerichtskanzlist, ist väterlicherseits von bäuerlicher Herkunft, sein Liedrepertoire dürfte somit weitgehend von der Familie seiner Mutter, einer Organistentochter, geprägt gewesen sein. Ob seine, fast ausschließlich auf ein bürgerliches Publikum abgestimmten Liedaufzeichnungen in einem größeren persönlichen Umfeld Nachhall gefunden haben, ist mangels weiterer Quellen aus dem Montafon heute nicht mehr nachweisbar. Nicht nur im Montafon fand man eine bürgerliche Lebensweise vor, es gab sie auch in anderen Talschaften des Landes. Bei näherer Betrachtung der ältesten erhaltenen, handschriftlichen Liederbücher, die in der volksmusikalischen Sammlung des Vorarlberger Landesarchivs aufbewahrt werden, zeigt sich eine Tendenz: Sie kommen durchwegs aus den gebildeten Kreisen. Als Beispiel mag das Liederheft des Bregenzerwälders Jodok Seelenmayer (1816–1888) gelten. Der Sohn eines Gerichtsschreibers aus Hirschegg war Praktikant bei seinem Vater, später Wirt in Hirschegg, in Reuthe und schlussendlich „Postexpeditor“ in Egg. Noch vor seiner Eheschließung 1842 fertigte er sein handschriftliches Liederbuch an. Kontakte zur bürgerlichen Gesellschaft pflegte auch Rosa Maria Rüscher (1829–1873) aus Bizau. Sie war die Tochter eines weitgereisten Bildhauers und schrieb 1851 aktuelle und auch ältere Liedtexte auf. Die Untersuchungen dieser genannten Handschriften zeigen, dass kulturelles Umfeld und Bildung das persönliche Liedrepertoire maßgeblich prägten. Spuren bürgerlicher Kultur sind schon früh deutlich in der ländlich geprägten Bevölkerung erkennbar. Kunst- und Theaterlieder haben bis in das 20. Jahrhundert hinein einen nicht unbeachtlichen Anteil am Vorarlberger Liederschatz, sowohl in den Städten als auch auf dem Lande, sie werden zum in allen Schichten der Bevölkerung umlaufenden Liedbesitz.125 Nachweise von Musikinstrumenten zeigen ein ähnliches Bild. Neben Geige, Gitarre und Zither taucht im 19. Jahrhundert das Klavier in den Häusern begüterter Familien auf dem Lande auf, erstaunlicherweise auch in Wirtshäusern.126 Eine Bewegung, deren Ursprung im bürgerlichen Engagement zu finden ist und die sich am Lande erfolgreich fortsetzte, führte in den 1830/40er Jahren zu einem prägenden kulturellen Schub: zu Zusammenschlüssen in vereinsmäßigen Gruppierungen, später in Vereinen zum Zwecke des gemeinsamen Singens und Musizierens. Die ersten öffentlichen Auftritte von Blasmusikapellen als Schützen- oder Feldmusik, auch „Musikbanda“ genannt, sind auf Vorarlberger Boden bereits vor 1800 in Zusammenhang mit Fronleichnamsprozessionen zu verzeichnen, weitere kommen 1814 in Rankweil, 1821 in Hohenems und Lustenau und 1824 in Götzis zur Gründung.127 1810 hatte der Schweizer Hans Georg Nägeli (1773–1836) den ersten Männergesangsverein gegründet. Aus Gesangsquartetten nach Schweizer und schwäbischem Vorbild entwickelten sich nach 1840 auch in Vorarlberg erste Männergesangsvereine. Hierbei beteiligten sich sangesfreudige Menschen aus allen Bevölkerungsschichten. 124 Standesarchiv Montafon, Nachlass Bruno Hueber, Rechnung der Musikgesellschaft 1825–1828, o. S. – Verzeichnis der weiteren Empfänge und Rückstände, o. S. 125 Klusen 1969, S. 91. 126 Steub 1908, S. 27. 127 Zur Geschichte des Blasmusikwesens in Vorarlberg siehe: Schneider Blasmusik 1986.
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Diese Vereinigungen boten die Voraussetzungen für eine breite Basis einer neuen musikalischen Gesangs- und Musizierkultur, die Schritt für Schritt, vermehrt durch Quellenbelege für die Forschung leichter erfassbar wird.
Quellen, Repertoire und Nachhaltigkeit Trotz der einseitigen und spärlichen Überlieferung lässt sich im frühen 19. Jahrhundert ein Trend in beiden Bereichen, sowohl am Land als auch in den Städten, feststellen: Man war bemüht, sich aktuelles, zeitgenössisches Lied- und Musikrepertoire anzueignen, wobei die Arbeitsmigration, anwesendes Militär mit seiner Musikkapelle und reisende Künstler einen wesentlichen Anteil hatten. Noch kann man diesbezüglich für die ersten beiden Jahrzehnte keine deutlichen Aussagen zum Musikleben treffen. Schriftliche Nachrichten fehlen weitgehend, und auch die Sonnleithner-Sammlung von 1819 liefert nur bescheidene Erkenntnisse. Die Tanzspielenden in der Stadt beschränken sich auff keine besonderen Melodien, sondern schaffen sich von Zeit zu Zeit die Tanzmusikalien an, die den Tanzenden am besten gefallen,
heißt es für die Sammlung aus Bregenz.
Abb. 15: „Das Glück der Zufriedenheit“, vertont von Ignaz Schwärzler. Aus der Liederhandschrift Steinle 1822
Was wurde im häuslichen Umfeld gesungen? Die ältesten, bislang bekannten musikalischen Quellen zur Gesangstradition aus den 1820er Jahren liefern, da sie aus dem Umkreis der gebildeten, schreibund lesekundigen Personen kommen, zwar ein einseitiges Bild, sie überliefern aber auch Lieder, die Jahrzehnte später Popularität in allen Gesellschaftsschichten erreichen sollten. Beinahe zeitgleich zur Sonnleithner-Sammlung wurden zwei Liederhandschriften mit Noten verfasst, die einen Blick auf die weltliche Gesangspraxis der Zeit erlauben. Sie gehörten zum Besitz der Bürgerstöchter Franziska Steinle (1822) und Luise Hörner (1823), kommen aus dem urbanen Umfeld und spiegeln somit auch weitgehend die aktuelle bürgerliche Unterhaltung wider, die von Kunst- und Theaterliedern geprägt war. Spuren dieses Repertoires findet man später im Vorarlberger Volksgesang, zum Teil auch über mehrere Generationen hinweg. Bei Steinle verewigt sich eine lokale Größe, der Bregenzer Musiklehrer Ignaz Schwärzler, mit eigenen Vertonungen bereits bekannter Texte. Obwohl er als Direktor der Kreishauptschule maßgeblich für die musikalische Erziehung der zukünftigen Lehrer verantwortlich war, konnte keine Nachhaltigkeit seiner Kompositionen entdeckt werden. Mit Liedern wie „Was frag ich viel nach Geld und Gut“, nach dem Text des Schwaben Johann Martin Miller (1750–1814), reiht er sich zwar in die Liste der
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zahlreichen, zum Teil namhaften Komponisten volkstümlicher Melodien ein, scheint aber damit nicht weitere Kreise erreicht zu haben. Dieser Text war sehr populär, auf ihn trifft man im Vorarlberger Liederschatz über einen Zeitraum von 150 Jahren, mit unterschiedlichsten Melodien. Mehr Nachhaltigkeit finden einzelne Lieder der Handschrift des in Schruns lebenden Lehrers und angehenden Gerichtsbeamten Johann Joseph Nayer, niedergeschrieben im Jahre 1829.128 Ein Beispiel für eine überregionale Verbreitung ist „Juche, ich bin ein Biedermann“, das bereits zehn Jahre zuvor anlässlich der Sonnleithner-Sammlung im Montafon und auch in Tirol aufgezeichnet wurde.129 Lieder wie „Noch einmal Robert, eh wir scheiden“, „Herz, mein Herz, warum so traurig“ oder „Ich suchte die Freude bald dort und bald hier“ finden sich nicht nur in den Handschriften Steinle bzw. Hörner, sie hielten sich darüber hinaus mehr als hundert Jahre im Repertoire der singenden Vorarlberger Bevölkerung. Spätere Handschriften aus den 1830er und 1840er Jahren aus dem Bregenzerwald bestätigen das Eindringen bürgerlicher Lebensart in ländliche Regionen. Auch sie sind individuell gestaltet, mit einem breiten Spektrum an unterschiedlichen Genres. Zu jenen Quellen aus ländlich-bäuerlicher Umgebung, die Lieder aus dem Repertoire von Nayer, Steinle und Hörner wiedergeben, gehören anonyme Liedaufzeichnungen aus Au (LHS 004, 1834/1835) und das bereits angesprochene Liederbuch des Jodok Seelenmayer (1816–1888) aus Egg-Großdorf (LHS 003, 1841). Sie enthüllen bemerkenswerterweise, obwohl ihre Schöpfer zeit- und ortsnahe lebten, wenig Gemeinsamkeiten, enthalten aber ebenso vorherrschend populäre Kunstlieder. Reiseberichte unterstützen die Annahme, dass am Lande von der sangesfreudigen Bevölkerung Lieder bevorzugt wurden, die nicht im persönlichen Umfeld entstanden sind. Die Wälder singen keine Lieder eigener Dichtung […] es blüht hier keine Volkspoesie. Einzelne Gedichte, die in der Mundart des Tales vorhanden, sind von studierten Leuten gefertigt, nur als Sprachproben, als Versuche, die Wäldersprache poetisch zu verwenden […] es wird überhaupt nicht viel gesungen, und dann immer nur nach hochdeutschen Texten,
berichtet Ludwig Steub, der bayerische Reiseschriftsteller von seinem Aufenthalt im Bregenzerwald im Sommer 1843.130 Zu welchen Melodien wurde getanzt? Anders als der Volksgesang wurden der Tanz und die instrumentale Volksmusik lange von der Forschung vernachlässigt. Die Sammler des 20. Jahrhunderts setzten ihren Schwerpunkt auf den Liederschatz. Bis heute fehlt daher eine umfassende Geschichte des Tanzes in Vorarlberg. Obwohl die Überlieferung an Tanzerwähnungen reich ist, sind musikalische Quellen in Form von Handschriften oder gar Tanzbeschreibungen aus dem 19. Jahrhundert rar. Dies mag unter anderem auch daran gelegen sein, dass die lange praktizierte mündliche Tradition viel zum Verlust des Erbes beigetragen hatte. Nur wenige Musikanten beherrschten die Notenschrift, die aus ihrer Sicht auch keine Notwendigkeit darstellte. Ihre Melodien lebten von der mündlichen Tradition. Umso bedeutender sind die wenigen Niederschriften wie jene des Schulmeisters Johann von der Thannen (1747–1827)131 aus Egg, von dem ein Heft mit Pfeifermärschen und einigen Tänzen für Klarinette aus dem Jahre 1814 dokumentiert ist,132 und auch das im Original erhaltene Notenbüchlein für den Geiger Joseph Meusburger (1756–1826) aus Bizau, dem Stammvater einer bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wirkenden musi128 B eitl 1964, S. 64–77. 129 Bislang sind lediglich drei Niederschriften des Liedes bekannt, eine weitere Aufzeichnung stammt ebenfalls aus der „Sonnleithner-Sammlung“ und wurde im Gericht Ehrenberg/Tirol gefunden. 130 S teub 1908, S. 32, 33. 131 Zu Johann von der Thannen siehe: F rommelt 1968. 132 Vorhanden sind im Vorarlberger Landesarchiv nur eine Abschrift von Josef Bitsche aus dem Jahre 1962 sowie die Abschrift und Analyse bei Frommelt 1968.
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kalischen Familie („Sepplers“).133 Neben Violinübungen und Melodien von Messgesängen enthält Meusburgers Notenbüchlein einige Märsche und Tänze („Walzer“, „Ländler“). Dass das gesamte Repertoire der beiden Musiker aus der Tradition der heimatlichen Umgebung stammt, kann bezweifelt werden. Titel wie Marche Marlbrücke (bei Meusburger) geben Hinweis darauf, dass auch hier äußere Einflüsse zum Tragen kamen. Die dazugehörige Melodie zeigt einen noch heute bekannten Militärmarsch nach dem Lied „Malbrough s’en va-t-en guerre“ und findet sich auch bei Johann von der Thannen. Die napoleonischen Kriege, von denen auch die Vorarlberger Bevölkerung stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, prägte nicht nur die Entwicklung des regionalen Blasmusikwesens, sondern auch den Bereich der privaten musikalischen Unterhaltung. In beiden genannten Handschriften sind sowohl Tänze als auch Märsche zu finden, die auf den militärischen Einfluss hinweisen, wie auch Walter Deutsch bereits 1977 nach gründlichen Untersuchungen des melodischen Materials feststellen konnte: „Auffallend in beiden Handschriften ist die Nichtpräsenz jener alemannischen Tänze, wie wir sie aus den Einsendungen der ‚Sonnleithner-Sammlung 1819‘ kennen, aber auch in jenen Melodien begegnen, die Johann M. Strolz in den Jahren 1812 bis 1818 (Bregenzerwald und Montafon) aufgezeichnet hat. Somit stellen die Handschriften aus Egg und Bizau Zeugnisse einer Spielpraxis dar, deren Material aus dem Bereich des Militärs und des Gesellschaftstanzes um 1800 stammt. […] Durch die Begegnung mit der Blasmusik öffnete sich das Ohr des Dorfmusikanten einer neuen Welt, in der nunmehr seine bisher überlieferte Musik nur eine Nebenrolle zugedacht bekam.“134 Das Repertoire der Militärmusik hatte sich nachweislich auch im örtlichen Musikleben eingebürgert. Im Nachlass des Bezauer Musikers Joseph Stülz (1845–1910), der Musikalien des 19. Jahrhunderts, darunter auch die Liederhandschrift Hörner, enthält, wurde das Notenheft „Sammlung von Liedern und Walzern für Ratz Kaspar“ entdeckt. Mehrere unbekannte Schreiber und das Repertoire lassen vermuten, dass es über einen längeren Zeitraum in Verwendung gewesen sein dürfte. Als weiterer, vermutlich späterer Besitzer gibt sich ein „Stülz“ namentlich am Titelblatt zu erkennen. Dies deutet auf den genannten Musiker oder seinen ebenfalls musikalisch engagierten Vater Joseph Anton Stülz (1820–1906) hin. Waren die Bezauer Lehrer Thomas (*1777) und Leonhard Feuerstein (*1788) oder ihr Nachfolger Franz Xaver Albrecht an der Niederschrift beteiligt? Noch ist hier eine nähere Untersuchung ausständig und die Identität sowohl der Schreiber als auch des ersten Besitzers Ratz nicht gelüftet. Zur Diskussion steht dabei der spätere Politiker und Richter Johann Kaspar Ratz (1785–1860), der in Bezau geboren wurde und sich nach seinen Studien in Feldkirch, Innsbruck und Landshut zwischen 1811 und 1814 als Rechtspraktikant in Bezau aufhielt. Wurde das Notenheft für den Violinunterricht des jungen Schülers Ratz von seinen Lehrern angelegt und später in deren Gebrauch weitergeführt? Das Repertoire bestätigt eine längere Verwendungszeit. Ältere, kurze Tänze, wie mehrere geradtaktige „Allemandes“ und „Walzer“ im Dreivierteltakt, Melodien von „Tyrolerbub“135 und „Wenn mein Pfeifchen dampft und glüht“ sowie ein von einem weiteren Schreiber hinzugefügter „Bauerntanz“ stehen am Beginn der Aufzeichnungen und deuten auf eine Niederschrift bald nach 1800. Weitere Eintragungen weisen auf die Zeit nach 1833: „Gute Meinung für die Tanz-Lust“ (Johann Strauß, 1830, op. 34), „Anna Einladungstanz“ (Joseph Lanner, 1833) und Melodien aus „Alpenkönig und Menschenfeind“ (Ferdinand Raimund und Wenzel Müller, 1828). 133 Zu seinen Nachkommen („Sepplers“) gehören unter anderem Theresia Hammerer (1865–1944), Agnes Lang (1875–1958), Maria Rüscher, Maria Katharina Meusburger (1873–1956), Gewährspersonen von Josef Bitsche in den 1930er-Jahren, deren Liederschatz in handschriftlichen Heften erhalten ist. 134 D eutsch 1977, S. 392. 135 Bislang ist dieses Lied nicht eindeutig identifiziert. Die Melodie weist Ähnlichkeiten mit „Die Tiroler sind lustig“ aus dem „Tiroler Wastl“ von Emanuel Schikaneder und Jakob Haibel (1796) auf.
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Abb. 16: „Allemande“ und „Walzer“ aus dem Notenbuch für Kaspar Ratz, o. D., VLA Musiksammlung, Nachlass Stülz
In den 1920er Jahren wurden dem Vorarlberger Tanzforscher August Schmitt (1861–1933) in Rankweil zur Abschrift Noten aus einer Sammlung des „Chorregenten Amman“ übergeben. Es ist anzunehmen, dass die Noten in Verwendung des Hirschenwirts Johann Michael Amann (1791–1873), Sohn des Chorregenten Johann Jakob Amman (1754–1818), gewesen sein dürften. Dieser war nicht nur Chor-
Abb. 17: Vorarlberger Tänze für Flöte um 1820 bis 1830 aus den Noten des Chorregenten Amman, Rankweil, Abschrift von August Schmitt, ÖNB, Archiv des ÖVLW, Zoder-Archiv E 59
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geiger, sondern auch Initiator und Gründer der „Türkischen Feldmusik“ in Rankweil.136 Auch diese Abschrift einer heute leider verschollenen Handschrift wirft viele Fragen auf, insbesondere zur zeitlichen Einordnung der Vorlage. Schmitt datiert sie zwischen 1820 und 1830. Neben Tänzen, die durchaus Ähnlichkeiten mit anderen Niederschriften dieser Zeit, unter anderem auch mit dem bei Strolz zwischen 1812 und 1818 aufgezeichneten „Rongger“ aus dem Montafon zeigen, sowie weiteren, aus Italien, England und Frankreich übernommenen älteren Tanzformen wie Eccossaise und Monferrine, finden sich bei Amann jedoch Tänze mit Bezeichnungen, die auf eine spätere Entstehung hinweisen, wie ein sogenannter „Bolker“ (= Polka).137 „Drei lederne Strümpf“, „Gibele gäbele“ und „Die sieben Sprünge“ gelten heute als die ältesten Vorarlberger Tänze. Herkunft, Alter und Entstehungsorte dieser im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts am ländlichen Tanzboden üblichen Tänze können nach wie vor nicht eindeutig geklärt werden. Die ersten beiden trifft man auch im grenznahen alemannischen und schwäbischen Raum, in der Schweiz und im Allgäu. Der Tanz „Die sieben Sprünge“ war in Varianten europaweit bekannt. In Vorarlberg nachweisbar sind die Tanzmelodien dazu erstmals mit der Sonnleithner-Sammlung (1819) und der Musikantenhandschrift Strolz (1812–1818). Die heute üblichen Bezeichnungen sind nicht für alle historischen Tänze belegt. Lediglich „Die sieben Sprünge“ werden 1819 auch namentlich so angeführt. Der als „Drei lederne Strümpf“ be-kannte Tanz heißt hier „Bauerntanz“. Andere regional belegbare Tanzbezeichnungen sind „Hopser/Hopper“, „Jucker“, „Springer“, „Walzer“ und „Rongger“. Der Spielmann Strolz unterscheidet zwischen „Ländler“, „Rongger“, „Emd ahi“ und „Schlicher“ (= Schliefer ?). Er bringt zudem, wie bei den meisten Aufzeichnungen dieser Zeit üblich und auch bei den „Nationaltänzen“ der Sonnleithner-Sammlung aus Lustenau erkennbar ist, Melodienketten in nummerierter Reihenfolge ohne weitere Tanztitel. Die heute üblichen Bezeichnungen orientieren sich am Text („Gibele-gäbele“, „Kehrab“, „Drei lederne Strümpf“) und bürgerten sich erst mit der Traditionspflege zu Beginn des 20. Jahrhundert ein. Tanzbeschreibungen aus dem späteren 19. Jahrhundert berichten von offenen Tänzen, die sich großer Beliebtheit erfreuten, mit eleganten Bewegungen der Mädchen und Frauen und lebhaften Gesten der Männer. 1843 schreibt Ludwig Steub über seine Eindrücke bei den Hochzeiten im Bregenzerwald: Unter allen Tänzen ist vorallem der offene Tanz beliebt, wo Bursch und Mädchen sich zumeist losgelöst drehen und schwingen und nur auf kurze Augenblicke sich wieder umfangen – dasselbe, was in Tirol bäurisch tanzen genannt wird. Außerdem gibt’s auch noch andere Arten, die man Doppulieren oder Trappen heißt. Das eigentliche städtische Walzen ist unbekannt.138
Dies könnte als erster Hinweis auf die später sogenannte „Bayrisch-Polka“, auch „Rheinländer“ oder „Schottischer“, gedeutet werden, die sich aus dem „Hopser“ entwickelte.139 Zu den besonderen Kunststücken der Männer gehörte das „Doppulieren“ mit rhythmischen Klatsch- und Stampfbewegungen, in der Schweiz auch „Bödele“ oder „Gäuerle“ genannt. Von der Tanzpflege im 20. Jahrhundert wurde das Doppulieren ausgeschlossen. Die älteren Tanzformen dürften sich am Lande sehr lange gehalten haben. Noch bis in das späte 19. Jahrhundert waren „Die sieben Sprünge“, „Gibele gäbele“ („En offi, en ahi“, „Ahitanz“), „Drei lederne Strümpf“, „Rongger“ und „Ab der Hand“ anzutreffen, zwar weniger am Tanzboden, doch durchaus noch im privaten Bereich. Wanda Douglas-Jehly (1840–1902), Gattin 136 Zur Musikerfamilie Amman siehe B ösch -N iederer O rgelbau 2013, S. 73–83. 137 Im Besitz des Musikvereins Rankweil finden sich noch Stimmbücher und Notenheftfragmente aus dem Jahr 1815, die in eine Untersuchung mit einbezogen werden sollten. 138 S teub 1846, S. 61. 139 H aid 2002, S. 122.
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des Malers Jakob Jehly (1854–1897) und Mutter der Schriftstellerin Grete Gulbransson (1882–1934), die mehrere Jahre in Thüringen (Bezirk Bludenz) lebte, schrieb 1879 in ihr Tagebuch: Nach dem Essen sind wir in eine der oberen Hütten[,] und es wurde wacker getanzt, wozu ich auf der Concertina spielte. Ich habe auch einmal mit einem jungen Senn getanzt, der es nicht recht fand, dass „die Frau“ immer nur „aufmachen“ müsse! Er nahm eine Mundharmonie (Mulörgeli!) [=Mundharmonika] aus der Tasche u. spielte reizend darauf, während wir tanzten! Später tanzte ich noch mit einem alten, graubärtigen Senn, der noch viel besser tanzte, als der Junge. Letzterer spielte dazu verlockende Stückli! Marie tanzte viel u. lustig, auch der Gärtner drehte sich hölzern mit einer jungen Walserin. Die Schwester der Kloster-AlpenFrau ‚Hannes-Söff‘ o-Söffeli‘[,] eine famose alte Walserin, tanzte den offenen Tanz ‚ab der Hand‘ mit dem Alten, – ich habe selten schöner tanzen sehen, – so ruhig-graziös ist sie vor ihm u. um ihn herumgeradelt, u. so wild-lustig hat der Letzte dazu gestampft u. gejuchzt.140
Die Suche nach den einzelnen Begriffserklärungen gestaltete sich auch für den mit den Vorarlberger Gegebenheiten vertrauten Tanzforscher August Schmitt schwierig. Formen hatten sich in der hundertjährigen Tradition vermischt, auch weiterentwickelt. In den 1920er Jahren kam er zum Schluss, dass „Ab der Hand“ ein eigener Tanz sei, der 1927 in St. Gallenkirch ähnlich wie ein Schuhplattler getanzt wurde und als Höhepunkt jedes Hochzeitsfestes galt. Nach Aussagen seiner Kontaktperson, Bergführer Aurel Gsteu, war es üblich gewesen, mit einer Tänzerin drei Tänze zu absolvieren: „en ahi“ (Polka), „en offi“(Walzer) und „en ab der Hand“.141 Schmitts Gewährspersonen im Großen Walsertal und im Montafon berichten von einer mündlichen Weitergabe dieser Tänze über mehrere Generationen. 1893 zitiert Jodok Bär (1825–1897), ein Arzt und Heimatforscher, in seiner geschichtlichen Abhandlung über das Tanzhaus in Vorarlberg eine Sage aus dem ehemaligen Gericht Tannberg.142 Sie erzählt vom sonntäglichen Tanz der Jugend in einem neben dem Friedhof stehenden Tanzhaus und auch davon, dass dabei unter Begleitung lustiger Spielleute der Walzer „Us der Hand“ und der „Appizäller“ (= Appenzeller) getanzt wurden. Die Polka scheint dagegen unbekannt gewesen zu sein: vom polgger het dört ka mänsch nühd g’wissat. Ond spillüht händ rächt luschtig ufg’machat ond d’buaba rächt diderlat ond g’schtampfat ond beda hända uf da lädarhosa tätschat. (Von der Polka hat kein Mensch noch gehört. Die Spielleute haben recht lustig gespielt, die Buben stampften und klatschten mit den Händen auf die Lederhose.)
Bär berichtet weiters, dass man um 1850 den Tanz „Us der Hand“ (= Aus der Hand) noch im Hinteren Bregenzerwald getanzt hätte, dass seine kunstvolle Ausführung nun aber nur mehr von wenigen Tänzern und Tänzerinnen beherrscht werde. Dazu wurde nach dem Takte der Tanzmusik, bestehend aus einer Geige, Clarinette oder Flöte, Hackbrett – (Cimbal), ein beliebtes Wälderinstrument, Violon oder Baßgeige, – , heute ist es das schmetternde und ohrenbetäubende Blech – gesungen: Dri leaderne Strümpf und zwie dazu geand fünf, Dri leaderne Söck, a Gos und an Bock, d’Schmelga muß ma d’Buobo long, sie sand nit gen aluo.143
Folgt man der Beschreibung Bärs, so verbirgt sich hinter dem Tanz „Us der Hand“ der Tanz „Drei lederne Strümpf“.
140 Vorarlberger Landesbibliothek, Felder-Archiv, Nachlass Jehly, Tagebuch vom Wanda Jehly, Eintrag 14. Juni 1879. Wanda Douglas-Jehly (1840–1902) war in zweiter Ehe mit dem Maler Jakob Jehly (1854–1897) verheiratet. Ihre gemeinsame Tochter ist die Schriftstellerin Grete Gulbransson (1882–1934). 141 ÖNB, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks, Nachlass August Schmitt, Mappe. „Ab der Hand“. 142 Das ehemalige Gericht Tannberg umfasste die Region von Schröcken – Hochtannbergpass – Warth – Mittelberg – Lech und Zug und ist das Siedlungsgebiet der aus der Schweiz hier angesiedelten Walser. 143 Bär 1893, S. 43–44.
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Nachhaltigkeit im Bereich des Tanzes zeigt sich in einer besonderen Tradition. Im 20. Jahrhundert erhielten die alten Tänze ein zweites Dasein durch eine gezielte Pflege, insbesondere durch die wachsende Zahl an Trachtenvereinen. Die Grundlage dafür schufen Raimund Zoder und August Schmitt mit ihren Forschungen und Publikationen in den 1920er- und 1930er Jahren. Noch vor Beginn von Schmitts Forschungstätigkeit hatte Raimund Zoder 1922 im ersten Heft seiner Sammlung „Altösterreichische Volkstänze“ zwei Tänze aus der „Sonnleithner-Sammlung“ publiziert: „Die sieben Sprünge“ und den „Kehraus“.144
Abb. 18: Der Vorarlberger Tanzforscher August Schmitt (1861–1933). Unbekannter Fotograf
Der in Wien lebende Gymnasialprofessor August Schmitt, ein gebürtiger Bludenzer, wurde im Jahre 1923 durch einen Bericht in der Zeitschrift „Heimat“ über einen Montafoner Heimattag, bei dem der Tanz „En offi, en ahi“ aufgeführt wurde, auf die Vorarlberger Tänze aufmerksam. Er beschreibt ihn als einen Tanz voll Anmut.145 Nachdem er von der Aufführung des Tanzes im Jahre 1908 bei den Kaiserjubiläumsfeierlichkeiten in Wien erfahren hatte, begann er in den Sommerferien in der Gemeindestube von Schruns mit ersten Nachforschungen. Die Tänzer von 1908, der Bergführer Aurel Steu aus Schruns und Anna Thoman, kannten die Schritte und wurden somit zu seinen wichtigsten Gewährspersonen. Die Musik konnten der Gemeindebeamte Adolf Geiger sowie die Herren Ganahl und Pfefferkorn beisteuern. Schmitts Aufzeichnungen folgten Bemühungen zur Wiederbelebung des Tanzes, die auch bei den Forschern in Wien auf Interesse stießen. Im August 1925 berichtet Schmitt für das Vorarlberger/Bregenzer Tagblatt: Ein alter Montafonertanz in der Hygienischen Ausstellung in Wien. […] Klus Peter tanzte mit zwei Maiggana den alten Montafonertanz ‚en offe en ahe […] man sollte ihn wieder aufleben lassen.146
Seinem Ruf wurde Folge geleistet. 1926 wurden die „Tänze aus dem Montafon“ in Radio Wien als Teil einer Übertragung eines Volksliederabends des Deutschen Volksgesangsvereins erstmals ausgestrahlt.147 Somit begann im 20. Jahrhundert für viele ältere Tänze nun im Bereich des Folklorismus ein neues Dasein. Trachtenvereine nahmen sich ihrer an und präsentieren sie heute erfolgreich vor einem interessierten Publikum. 144 Zoder gibt dabei allerdings keine Gewährspersonen für die Tanzbeschreibung an. 145 Mehr zum Heimattag in: Heimat. Volkskundliche Beiträge zur Natur und Kulturkunde Vorarlbergs 1923, S. 145. 146 August Schmitt, Ein alter Montafonertanz in der Hygienischen Ausstellung in Wien. In: Vorarlberger Volksblatt 8. August 1925. Schmitt berichtet hier auch über seine Feldforschungen zum Tanz. 147 Programmzeitung Radio Wien 1926, Nr. 9, S. 394.
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I. Einblick in das Musikleben in Vorarlberg während der „Biedermeierzeit“
Verschwanden die älteren Lieder und Tänze im Verlauf des 19. Jahrhunderts weitgehend aus der volksmusikalischen Praxis, so ist, wenn auch ihrer ursprünglichen Funktion beraubt, bei manchen Tänzen, dank einer in den 1920er Jahren einsetzenden Pflege durch Trachtenvereine, eine Langlebigkeit zu bemerken.
Abb. 19: August Schmitt als Ehrengast bei einem Trachtenumzug in Bludenz. Unbekannter Fotograf
Als Grundlage für die Pflege gab Raimund Zoder zwischen 1922 und 1958 Tanzbeschreibungen und Melodien der Vorarlberger Tänze in Druck heraus: 1922/24: Die Sieben Sprünge, Kehraus 1928/36: En offi, en ahi (Melodie von Gibele gäbele), Gschlööfter, Drei lederne Strümpf 1932/36: Rongger, Ahi-Tanz, Schlooftanz, Siebentätzler 1934: Sechsertanz 1955: Walzer Wia, Hopser 1958: En offi, en ahi oder Gibele gäbele, Gschlööfter, Drei lederne Strümpf, Die sieben Sprünge Knapp fünfzig Jahre später, 1971, publizierte der Lustenauer Tanzlehrer Edy Hofer im Auftrag des Vorarlberger Trachtenverbandes in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Tanzforscher Karl Horak das Buch „Vorarlberger Volkstänze“, welches sich weitgehend auf Zoder stützt, aber zum Teil auch andere Melodien verwendet. Neueste Forschungen lässt Birgit Zell-Lorenz in ihr Buch „Volkstänz us’m Ländle“, das 2014 erschienen ist, mit einfließen. Wie aus all den bisherigen Untersuchungen, Berichten und Publikationen ersichtlich wird, waren und sind Volkslied und Volkstanz keine statische Erscheinung, sondern stets einem Wandel unterworfen. Mode, Zeitgeist und auch die Mobilität bestimmen das musikalische Repertoire in der Region des heutigen Bundeslandes Vorarlberg, die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts noch stark in eine überregionale kulturelle Einheit mit der Ostschweiz, dem Allgäu und Oberschwaben mit eingeschlossen war.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen: Zur Geschichte der ersten Sammlung von Volksmelodien in Vorarlberg 1819 Aufruf der obersten Behörden Das Jahr 1819 ist nicht nur für die Geschichte der Volkslieder- und Volksmusiksammlung, sondern auch für die Musikgeschichtsforschung des heutigen österreichischen Bundeslandes Vorarlberg bedeutsam. Die gesamte Region zwischen Arlberg und Bodensee war politisch, nach einer mehrjährigen bayerischen Herrschaft, als Land Vorarlberg in einer Verwaltungseinheit mit der gefürsteten Grafschaft Tirol, seit 1814 Teil des Habsburgerreiches und kam somit in den Genuss des sowohl für die Ton Lied Dichtkunst als auch für die Kenntnis des Volkscharakters und Sprach und Geschichtsforschung wichtigen Unternehmens, einer von Joseph von Sonnleithner, dem Sekretär der Gesellschaft für Musikfreunde in Wien angeregten, länderübergreifenden Volksliedsammlung. 148 Ermöglicht wurde das Vorhaben durch weitreichende Beziehungen des Wiener Hofbeamten Friedrich Egon Landgraf von Fürstenberg (1774–1856), zwischen 1817 und 1824 Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates. Er erhielt Beistand von Franz Josef Graf Saurau (1760–1832), Kanzler und Minister des Inneren, einem sehr kunstinteressierten Politiker, stets bereit[,] jedem schönen und nützlichen Unternehmen unterstützend die Hand zu biethen.149
Sein Plan, den Behördenweg auszunutzen, sollte zur Durchführung gelangen. Oberste Instanz und erste Ansprechpartner waren Landesregierungen, welche die Anfragen weiter an die untergeordneten Kreisämter schickten, die ihrerseits Landgerichte mit der Erforschung betrauten.150 Die Herren Musikfreunde bemühten sich, dem Wunsche zu entsprechen, und binnen kurzer Zeit sah sich die Gesellschaft im Besitze bedeutender Sammlungen aus den meisten[,] selbst den entlegensten Teilen der Monarchie.
Das gesammelte Material kam über den gleichen Weg zurück an die Gesellschaft. Sie beschäftigt sich nun damit, selbe allergnädigst zu sichten, und so ist nun gerettet, was nach einem halben Jahrhundert mit aller Anstrengung vielleicht nicht mehr aufzufinden gewesen sein würde,151
liest man sechs Jahre später in der Wiener Theaterzeitung. Trotz dieser euphorischen Meldung sollte das Material fortan beinahe hundert Jahre ohne weitere Folgen im Archiv der Gesellschaft schlummern. 148 Schreiben des Grafen von Saurau an den Statthalter in Tirol, Graf v. Bissingen, Wien 24. Jänner 1819. Siehe Fußnote 152. 149 Die Wiener Theater-Zeitung vom 29. September 1825 bringt auf S. 480 einen kurzen Bericht von dieser Volksliedersammlung. 150 Mehr zur Sammlung in den anderen Ländern bei P etermayr 2006 (Oberösterreich) und H aid /H ochradner 2000 (Salzburg). 151 Wiener Theater-Zeitung vom 29. September 1825.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Die Chronologie der ersten volksmusikalischen Sammlung in Vorarlberg beginnt im Jänner 1819. Am 24. dieses Monats erreicht die oberste Behörde für Vorarlberg, das Gubernium in Innsbruck, ein Schreiben des Kanzlers Graf Franz Josef von Saurau aus Wien, mit der Bitte um Mitwirkung für ein besonderes Vorhaben. Saurau kommt dem Wunsch des Präses der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Egon Landgraf von Fürstenberg (1774–1856) entgegen, eine Sammlung der Volksmelodien der gesammten österreichischen Monarchie anzulegen.152 Noch war Vorarlberg kein eigenständiges Land, sondern politisch mit Tirol zu einer Einheit zusammengefasst und dem Innsbrucker Gubernium unterstellt. Infolgedessen war der Landesstatthalter für Tirol und Vorarlberg, Ferdinand Graf von Bissingen-Nippenburg (1749–1831), auch erster Ansprechpartner für die Wiener Initiatoren. Er schreibt am 4. Februar aus Innsbruck an den obersten Beamten in Vorarlberg „k.k. Gubernial Rath“ und Kreishauptmann Franz Anton von Daubrawa Ritter von Daubraweik (1763–1836) nach Bregenz:153 Wohlgeborener Herr Gubernial Rath! Der Herr Minister des Inneren und oberster Kanzler Graf Saurau haben mir eröffnet, dass die Gesellschaft der Musikfreunde des oesterreichischen Kaiserstaates[,] an deren Spitze der Landgraf von Fürstenberg steht, eine Sammlung von Volks Melodien der gesamten oesterreichischen Monarchie anzulegen gesonnen sey, und zugleich den Wunsch beifügt, dass diesem sowohl für die Ton- und Dichtkunst als auch für Kenntnis des Volkscharakters und Sprach, so wie Geschichtsforschung wichtigen Unternehmen auch von hier aus die Hand gebothen werde. Der Musikverein wünscht zu diesem Zwecke zu erhalten: 1. Profane Volksgesänge blos[s] für die Singstimme gesetzt. 2. Die dazu gehörigen Texte so vollständig als möglich, vorzüglich die älteren mit der Bemerkung der Gegend, in der sie meist gesungen werden. 3. Die Melodien der National Tänze, vorzüglich solcher, die bei besonderen Feierlichkeiten, Hochzeiten, Leichenfeyern etc. aufgeführt werden. 4. Die Kirchenlieder, welche sich seit vielen Jahren erhalten haben. 5. Endlich die namentliche Kenntnis der vorzüglichen Musikförderer. Um dem Wunsche des Ministers zu entsprechen, und dieser der Kunst und Wissenschaft förderlichen Unternehmung auch meinerseits beizutragen, finde ich mich veranlaßt, Eure Wohlgeborn zu ersuchen, in den Ihrer Leitung anvertrauten Kreisen zur Erhaltung der dem Musikverein benöthigten Sammlung entsprechend mitzuwirken, und mir die Ausbeute Ihrer Bemühungen ehestens mithzuteilen zu wollen. Ich geharr mit vollkommenster Hochachtung Euer Wohlgeborn Gehorsamster Diener Ferdinand Gr[raf] Bissingen Innsbruck am 4ten Februar 1819 Des k.k. Herrn Gubernial Rathes und Kreishauptmanns von Daubrawa Wohlgeborn.
Daubrawa reagiert rasch. Nur vier Tage später, am 8. Februar, ergeht an alle Gerichtsvorstände – Präses, Landrichter und Landgerichtsverwalter – ein Schreiben des Kreisamtes desselben Inhalts. Man bittet darin, in den Gerichtsbezirken zur Erlangung der dem Musikvereine benöthigten Sammlung entsprechend mitzuwirken. Die Beteiligung an den Recherchen erfolgt mit ungleichem Engagement.
152 Tiroler Landesarchiv (fortan kurz: TLA), Jüngeres Gubernium, 1819, Akt 200, Fasc. 3612, Nr. 113, Schreiben Graf von Saurau an Graf von Bissingen vom 24. Jänner 1819. 153 VLA, Kreisamt I, Sch 294/VIII/43, Akt zur Erhebung von Volksliedern.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Abb. 20: Schreiben bezüglich der Sammlung an den Kreishauptmann in Vorarlberg vom 4. Februar 1819, fol. 1r
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Abb. 21: Schreiben bezüglich der Sammlung an den Kreishauptmann in Vorarlberg vom 4. Februar 1819, fol. 1v
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Zwei maßgebende Persönlichkeiten: Franz Josef Weizenegger und Franz Josef Rosenlächer Eine wichtige Kontaktperson in Vorarlberg dürfte, wie diversen Schreiben zu entnehmen ist, der landeskundlich höchst interessierte Geistliche Franz Josef Weizenegger (1784–1822), gewesen sein. Der Sohn eines Zieglers war in Bregenz aufgewachsen und hatte 1802 eine Kürschnerlehre abgeschlossen. Nach dem Tod des Vaters besuchte er von 1802 bis 1805 das Gymnasium des Benediktinerklosters Mehrerau in Bregenz, ging nach der Klosteraufhebung nach Innsbruck und zog anschließend nach Landshut, wo er 1809 seine Studien beendete. Sein besonderes Geschichtsinteresse soll durch den Juristen Friedrich Karl von Savigny (1779–1861) sowie dessen Freund und Schwager Clemens von Brentano (1778–1842) geweckt worden sein. Brentano hatte gemeinsam mit Achim von Arnim (1781–1831) zwischen 1806 und 1808 seine dreibändige Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ herausgegeben, die im Hause von Savigny sicher auch noch 1809 für Gesprächsstoff sorgte. Weizenegger wohnte während seiner Studienzeit in Landshut als Erzieher ein halbes Jahr im Hause Savignys, der 1808 dort eine Professur bekleidete. Ob später weiterhin Kontakte zum ehemaligen Arbeitgeber bestanden, ist nicht bekannt. 1810 wurde Weizenegger in seiner Heimat zum Priester geweiht. Da für ihn eine Seelsorgetätigkeit krankheitsbedingt nur kurze Zeit möglich war, fand er ausreichend Zeit, sich seinem Steckenpferd, der landeskundlichen Geschichtsforschung, zu widmen. Er stöberte in Archiven und sammelte Material zu besonderen historischen Ereignissen.154 Weizeneggers umfangreiches Wissen, seine Kontakte und Sammelaktivitäten bereiteten den Boden für eine erste planmäßige Landesgeschichtsforschung. Bereits für seine Religions- und Kirchengeschichte hatte er Fragebögen in die Pfarreien des Landes ausgesandt.155 Seine Aufzeichnungen, eine erste topographisch-historische Beschreibung des Landes, die posthum 1839 (Weizenegger war 1822 verstorben) von seinem ehemaligen Lehrer P. Meinrad Merkle (1781–1845)156 herausgegeben wurde, berühren, dem Zeitgeist entsprechend, auch volkskundliche Themen. Von kulturhistorischem Interesse ist besonders das Kapitel über den „Volkscharakter“, in dem er die Funktion der Tanzlauben, öffentliche und geschlossene Belustigungen und insgesamt das Wirtshausleben beschreibt.157 Somit bot sich der Geistliche auch als geeigneter Ansprechpartner für die volksmusikalische Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde an. Auf Wunsch des damaligen Kreishauptmannes von Daubrawa sollte auch er sich an der Sammlung beteiligen.158 Ratgeber war der St. Galler Stiftsbibliothekar und Benediktinerpater Ildefons von Arx (1755–1833). Ihn kontaktiert Weizenegger als Ersten und erhält sogleich am 13. Februar folgende Antwort: Hochwürdiger Herr. Ich habe Ihre Adresse an H. Baron von Lassberg geschickt, und ohne Zweifel hat er ihnen über Graf Hug Dichtereyen, und Lieder-melodien schon geschrieben. Hier sende ich ihnen ein Muster von hundert Jahren später und Nachrichten von vielen andern Musikstücken, aber meistens ohne Text. Wenn jemand viel darauf setzt, und den abschreibenden Musikanten gut zahlen will, der kann durch Euer Hochwürden noch mehrere erhalten. Volkslieder werden auch in der Schweitz gesucht. Ich weiß eines für Sie, nämlich jenes[,] das im Schwabenkriege in Schwaben auf die Schweizer ist gemacht worden, Aber vielleicht sind Sie schon in dessen Besitze. […] 154 Zur Biografie siehe: B urmeister 1989. 155 W elti 1964/65, S. 4f. 156 P. Meinrad Merkle wurde 1805 Lehrer für Poesie im Kloster Mehrerau, nach dessen Auflösung Musiklehrer am Gymnasium in Feldkirch und 1812 dessen Rektor. 157 Mehr dazu im Kapitel über das Musikleben im Biedermeier. 158 VLA, Nachlass Franz Josef Weizenegger, Schachtel 1, Geschichtliche Korrespondenz, Brief Joseph von Laßberg an Weizenegger vom 1. März 1819.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Als „Muster“ für Volkslieder legt Arx einen dreistimmigen Satz des Liedes „Als ic anschowe das vrohlich Gesicht“ bei.159 Arx erwähnt im Schreiben Josef Maria Christoph Freiherr von Laßberg (1770–1855), einen Germanisten und eifrigen Sammler von mittelalterlicher Literatur, der seine Mission in der „Rettung altdeutscher Sprachdenkmale“ sah, in dessen Besitz seit 1816 auch die aus Hohenems stammende Nibelungenhandschrift C war. Über Vermittlung des St. Galler Gelehrten nahm Weizenegger Kontakt mit ihm auf. Den vier noch erhaltenen und auch publizierten Briefen Laßbergs an Weizenegger sind bislang weitgehend unbekannte Details zur Vorarlberger Volksliedsammlung zu entnehmen.160 Gleich im ersten Schreiben vom 1. März 1819 ersucht Laßberg Weizenegger um Informationen über diese Volksliedsammelaktivitäten, von denen er sich vor allem Unterstützung für seine eigene Arbeit erhofft. Laßberg verspricht, ihm einige Lieder des Minnesängers Hugo von Montfort zukommen zu lassen, und schreibt: Hochwürdiger, hochzuverehrenter Herr! Herr von Arx in St. Gallen giebt mir zu vernehmen, daß Euer Hochwürden geneigt wären, die Handschrift eines deutschen Gedichtes /: des Teufels Geige genannt / käuflich an euch zu überlassen. […] Herr von Arx sagt mir auch, daß E.H. von den Liedern des Grafen Hug von Montfort wünscht[,] einige Abschriften samt Melodien zu haben. Recht leid tut es mir, daß ich vorige Woche diesen Codex dem Herrn Hofrat und Bibliothekar Wilken nach Berlin versenden habe müssen, von wo er vor zehn Wochen nicht zurückkommen wird, bis wohin ich sich zu gedulden bitte. In Bezug auf diesen Gegenstand, schreibt Herr von Arx: ,Derselbe Herr Abbé Weizenegger frägt auch bei Ihnen an, ob nicht aus des Grafen Hug von Montfort Liedern, davon ich ihm Nachricht gab, einige mit Noten zu erhalten seien? Denn er muß nach dem vom Kreishauptmann geäußerten Wunsche Volkslieder sammeln, um sie nach Wien zu senden, zum Gebrauche der dort durch den Fürst von Fürstenberg präsidierten Musikgesellschaft.‘ Ist dieser Landgraf Friedrich zu Fürstenberg, Oberstzeremonienmeister S. M. des Kaisers? Soll diese Sammlung von Volksliedern durch die ganze Monarchie gehen und gedruckt werden? Haben E.H. schon für diesen Gegenstand eine Sammlung angefangen und finden sich in Ihrer Gegend noch viele Balladen oder andere historische Lieder, besonders solche, welche auf die erloschene Dynastie des Landes einigen Bezug haben? […] Alle Häuser, in welchen vordem gesungen worden, sind mir höchst wichtig; denn ich möchte gerne eine Geschichte der Minnesänger zusammentragen, und jede Quelle, aus der ich schöpfen zu können hoffen darf, ist mir ein glücklicher Fund […]. E.H. gehorsamster Diener Joseph von Laßberg, Freiherr k.k. Kämmerer Schloß Heiligenberg bei Salem, d. 1. März 1819
Weizeneggers Antwort ist leider nicht erhalten. Im Juni überlässt Laßberg Weizenegger ein Spottlied, welches unter Kaiser (!) Ludwig IV. dem Bayer auf eine verunglückte Ueberrumpelung von Feldkirch gemacht worden und worin ein Graf Rudolf (wahrscheinlich von Werdenberg) vorkommt. („Lantvogt Humpis vnd der Kaiser“.)161
Die Volksliedsammlung dürfte zu diesem Zeitpunkt im Kreis Bregenz bereits abgeschlossen gewesen sein, der Text wurde nicht nachgesandt und liegt heute im Nachlass Weizeneggers.162
159 VLA, Nachlass Franz Josef Weizenegger, Schachtel 1, Geschichtliche Korrespondenz, Brief des Ildefons v. Arx an Weizenegger, 3. Hornung (Februar) 1819. 160 Die vier Briefe sind ediert bei: B inder 1929, S. 106–116. 161 B inder 1929, Brief Laßbergs an Weizenegger vom 17. Juni 1819. 162 Mehr dazu noch im vorliegenden Buch.
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War es den beauftragten Sammlern in Vorarlberg bewusst, was für das Volksliedunternehmen überhaupt gesammelt werden sollte? Graf von Bissingen liefert dazu nur vage Informationen. Die zahlenmäßig geringen Einsendungen deuten auf strenge Auswahlkriterien. Auffallend ist das Alter der Lieder, welches sicherlich ein wesentlicher Faktor gewesen sein dürfte. Auch die strengen moralischen Ansprüche werden damit erfüllt. Kaum vertreten sind dagegen Lieder in der Landessprache. Aufzeichnungen im alemannischen Dialekt, die es nachweislich gab, scheinen nicht weiter von Interesse gewesen zu sein. Interessant ist in dieser Hinsicht eine Aussage Laßbergs in einem Brief, die wohl auch Weizeneggers Qualitätsanspruch beeinflusst haben mag. Laßberg spielt darin auf den von Franz Zischka und Julius Max Schottky 1819 herausgegebenen Druck „Oesterreichische Volkslieder mit ihren Singeweisen“ an, den er kurz zuvor erhalten hatte. Er urteilt darüber wenig schmeichelhaft, indem er vermerkt: […] ein Buch, welches eine Menge Schoselzeug u[nd] nur einige wenige gute Stücke enthält. Sind diese die Bemühungen jener Gesellschaft[,] zu welcher Sie auch Beiträge zu liefern Auftrag hatten, so wäre das Ganze besser ungedruckt geblieben.163
Weizeneggers Kommentar dazu ist nicht bekannt. Allein die Auswahl der beiden von ihm an das Volksliedunternehmen eingesandten historischen Lieder deutet darauf hin, dass er Laßbergs Meinung und dessen Volksliedbegriff weitgehend geteilt haben dürfte. Dies bekräftigt zudem die Vermutung, dass Weizenegger für die Sonnleithner-Sammlung weitere Liedeinsendungen zensurierte.164 Aus dem Kreis der Vorarlberger Geistlichkeit kam auch die zweite maßgebende Persönlichkeit der Sonnleithner-Sammlung. Der aus Konstanz gebürtige Bürgersohn und Theologe Franz Josef Rosenlächer (1763–1835) war musikalisch bestens ausgebildet, er hatte Gesangs- und Instrumentalunterricht erhalten. Nach seiner Primiz 1787 wurde er Benefiziat in der Stiftskirche zu Zeil, 1791 Hauslehrer und Erzieher am Hofe der Grafen von Waldburg, 1801 schlussendlich über Vermittlung von Gräfin Maria Rebekka von Hohenems, deren Erbtochter Maria Walburga mit dem Grafen Klemens zu Waldburg-Zeil-Trauchburg verheiratet war, Pfarrer in Lustenau. Rosenlächer führte hier gleich zu Beginn seiner Amtszeit den deutschen Kirchengesang ein, nachdem er bei seinen Pfarrkindern eine große Neigung zum Singen bemerkt hatte.165 Der Geistliche wird sich in dieser Gemeinde mehr als dreißig Jahre als Pfarrer, Pädagoge und auch als Schriftsteller engagieren. Seine handschriftlich verfasste „Pfarr Chronik“ liefert nicht nur zur Geschichte Lustenaus Beiträge, sondern auch überaus interessante Details zu den musikalischen Aktivitäten in seiner Gemeinde. Ihm verdankt Lustenau die erste Blasmusikvereinigung. Am 7. September 1819 hatte er nach dem Gottesdienst junge Männer ermuntert, bei einem sich dazu angetragenen Musick Meister über den kommenden Winter Musik zu erlernen. Damit war der Grundstein für eine Musikkapelle gelegt, die im Juni 1821 ihren ersten Auftritt feiern durfte. Die Geselligkeit schien ihm ein besonderes Anliegen gewesen zu sein. Die Chronik erzählt von heiteren Schulfesten, wie jenem des Jahres 1808, bei dem 300 Kinder vor dem Pfarrhaus im Schatten der Bäume bewirtet wurden, mit gebratenen Kalbfleisch, Brod und rothen Wein; für jedes Kind einen Schoppen gerechnet […] es wurde gesungen und getanzt.166
163 VLA, Nachlass Franz Josef Weizenegger, Sch 1, Geschichtliche Korrespondenz, Brief Joseph von Laßbergs an Weizenegger vom 1. Jänner 1820. 164 Zu Weizenegger siehe W elti 1964/65, S. 3–41 und B urmeister in: W eizenegger /M erkle 1839/1989. 165 Franz Josef R osenlächer , Pfarr Chronik, Teil 1, S. 170. 166 R osenlächer , Pfarr Chronik, Teil 2, o. S.
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Über nähere Details schweigt der Geistliche. Der Schule galt auch sein besonderes Augenmerk. Seine Aufgabe als Schulvisitator des Dekanats Dornbirn nahm er sehr ernst. 1828 publiziert er die Texte von Schulliedern in seinem Werk „Biografischer Ehren-Tempel, errichtet verstorbenen, um das Schulwesen vorzüglich verdienten katholischen Schulvorständen, Geistlichen und Lehrern“.167 Dort findet sich ein Bericht über „Die feyerliche Schulprüfung und das Schulfest zu Lustenau in Vorarlberg“, die in Anwesenheit der geistlichen und weltlichen Prominenz abgehalten wurden; dazu gehörte auch die regierende Hohenemser Gräfin Maria Walburga von Harrach-Hohenems (1762-1828). Ihr zu Ehren wurde bei der Begrüßung „folgendes einfach ländliche Lied angestimmt und gesungen“:
1. Willkommen in unsern Reihen, In deiner Kinder Schoos! Sieh! Alle Herzen freuen, Es freut sich Klein und Groß.
2. So wie ein Frühlings-Regen Erquicket Stadt und Land, Strömst du nur reichen Segen Aus deiner Mutter-Hand!
3. Wir alle seh’n vor Freuden In deinen Mutter-Blick. Er weint bei unsern Leiden, Und lacht bei unserm Glück.
4. Zu Gott um Segen, heben Die Händ’ wir all empor Und Segenswünsche schweben Aus jedem Herz hervor.
5. O bleib in uns’rer Mitte! Dieß steht ein jeder Blick In ärmster, kleinster Hütte Blüht dann das reichste Glück!168
Für die Sonnleithner-Sammlung wurde diesen Beiträgen keine allzu große Bedeutung zugemessen. Rosenlächer hatte der Gräflich Waldburg-Zeilische Landrichter Franz Xaver Seewald jedoch als einen besonderen Musikförderer genannt.
Abb. 22: Der Lustenauer Pfarrer Franz Josef Rosenlächer (1763–1835). Unbekanntes Porträt
167 Franz Josef R osenlächer , Biographischer Ehren-Tempel, […], 2 Bde., Augsburg 1828, S. 256–266: „Die feyerliche Schulprüfung und das Schulfest zu Lustenau in Vorarlberg“, sowie die Beilagen I und II, S. 277–278. Texte stammen aus „Krämers Schulgesänge“. Rosenlächer dürfte damit die 1800 in Salzburg erschienenen „Hundert neue Schulgesänge“ von Georg Krämer gemeint haben. Diese Liedtexte entsprechen ganz dem Erziehungsideal der Zeit, erfuhren im Volksgesang aber keine weitere Nachhaltigkeit. 168 Biografischer Ehrentempel, errichtet verstorbenen, um das Schulwesen vorzüglich verdienten katholischen Schulvorständen, Geistlichen und Lehrern, von Franz Joseph R osenlächer […], 2, Augsburg 1828.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Bemühungen der Gerichtsbezirke im Auftrag der Regierung In Vorarlberg zieht sich die Sammeltätigkeit von Februar bis Mai 1819 hin. Eifer ist dabei wenig zu bemerken, dementsprechend hinterlässt auch die Ausbeute keinen allzu überwältigenden Eindruck. Rückmeldungen sind aus vier der fünf Landgerichte bekannt. Vom Landgericht Bezau fehlen für den Bregenzerwald Nachrichten, was erstaunen mag. Zahlreiche überlieferte handschriftliche Liedaufzeichnungen aus dem späteren 19. und 20. Jahrhundert lassen auch auf eine Sangesfreudigkeit der vorangehenden Generationen schließen. Es ist auch zu hinterfragen, warum besondere musikalische Akteure des Bregenzerwaldes nicht gemeldet wurden, wie der Schulmeister Johann von der Thannen (1747–1827) aus Egg oder der Violinspieler Joseph Meusburger (1756–1826) aus Bizau, dessen Nachkommen bis ins 20. Jahrhundert die musikalische Tradition bewahren konnten. Von beiden Musikern sind Noten mit Tänzen erhalten.
Abb. 23.: Umschlag zum Akt Erhebungen über Volkslieder und –tänze in Vorarlberg 1819, VLA, KA I, Sch 294/VIII/43
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Abb. 24: Entwurf des Schreibens des Kreisamtes an untergeordnete Behörden, die Gerichtsvorstände, vom 8. Februar 1819, fol. 1r
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Abb. 25: Entwurf des Schreibens des Kreisamtes an untergeordnete Behörden, die Gerichtsvorstände, vom 8. Februar 1819, fol. 1v
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Abb. 26: Entwurf des Schreibens des Kreisamtes an untergeordnete Behörden, die Gerichtsvorstände, vom 8. Februar 1819, fol. 2r
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Abb. 27: Entwurf des Schreibens des Kreisamtes an untergeordnete Behörden, die Gerichtsvorstände, vom 8. Februar 1819, fol. 2v
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Die Landgerichte Bregenz, Dornbirn und Lustenau
Abb. 28: Schreiben des Landrichters Motz aus Bregenz vom 15. Februar 1819, fol. 1r
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Abb. 29: Schreiben des Landrichters Moosbrugger aus Dornbirn vom 27. Februar 1819, fol. 1v
Landrichter Johann Nepomuk Motz (1760–1831) vom k.k. Landgericht Bregenz, welches sich über die ehemaligen Gerichte Alberschwende, Hofrieden, Hofsteig und Sulzberg erstreckte, erhielt das Schreiben am 12. Februar 1819. Diensteifrig, um den Auftrag raschest zu erledigen, übermittelt er binnen drei Tagen dem Kreisamt folgende Antwort: Wohllöbliches Kais: König: Kreisamts Präsidium! In Erledigung des hohen Schreibens vom 8t[en] und Empfangs vom 12t[en] d.[es] M.[onats] Nr. 15 erstattet der gehorsamst Unterfertigte folgende Auskünften: 1[s]te[ns] et 2t[ens] bestehen weder in Bregenz weder im dießeitigen Landgerichtsbezirk eigentliche Volksgesänge; 3t [ens] eben sowenig werden bei besonderen Feyerlichkeiten oder andern Gelegenheiten National Tänze; sondern in der Stadt werden die Walzer nach 3/8tel Takt, und auf dem Land auch die sogenannten Hopper nach 2/4 Takt getanzt, welch letztere nicht regelmäßig sind, sondern jeder, der diesen Tanz ausführt, macht willkührlich und nach seinem Gefallen die Bewegungen. Melodien zu Nationaltänzen sind keine bekannt; und die Tanzspielenden in der Stadt beschränken sich auff keine besondere Melodien, sondern schaffen sich von Zeit zu Zeit die Tanzmusikalien an, die den Tanzenden am besten gefallen. 4t[ens] Wo der Gottesdienst nicht mit Kirchenmusik begleitet werden kann, wird das unter der Regierung Ihrer Majestät Kaiser Joseph vorgeschriebene Kirchengesang gesungen. 5[tens] Beim dießeitigen Landgerichtsbezirk befinden sich keine vorzügliche[n] Musikbeförderer. Mit vorzüglichster Verehrung gehorsamster Motz Landrichter Bregenz den 15ten Feber 1819
Der Gerichtsbezirk Bregenz präsentiert hier ein Wunschverhalten, sowohl in moralischer als auch in religiöser Hinsicht. Man gibt an, sich kirchlich treu an die staatlichen Vorgaben zu halten, zeigt sich kaisertreu, indem man darauf hinweist, den neuen Normalgesang zu pflegen. Immerhin gibt man zu,
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dass getanzt wurde: Walzer im 3/8 Takt, am Lande die sogenannten „Hopper“ (= Hopser), eine geradtaktige Tanzform, wobei die Bewegungen individuell gestaltet werden konnten. Doch welche Melodien gefielen den Tanzenden? Da die Tanzmusik weitgehend von den hier stationierten Militärmusikern bestritten wurde, ist anzunehmen, dass diese sich aktuelles Notenmaterial von auswärts besorgen konnten. Wo blieben Angaben zu den kundigen Liebhabern, welche abwechselnd Tänze aufspielten, und einer lebensfrohen Gesellschaft auch ohne kunstreiche Instrumente und zusammen gesetzte Harmonie die Füsse leicht machten,
wie es Weizenegger in seinen Abhandlungen zur Geschichte Vorarlbergs formuliert? Warum nennt Landrichter Motz nicht herausragende Musiker wie den Geistlichen und Gründer einer Gesangsschule Ignaz Schwärzler (1784–1864), der eine ganze Generation Schüler musikalisch betreute und auch als Komponist an die Öffentlichkeit trat? Wurde überhaupt gesungen und wenn doch, was? Kannten die Beamten die Gesangspraxis des einfachen Volkes nicht oder wurden Quellen bewusst verschwiegen? Aus heutiger Sicht sind die Aussagen der Bregenzer Behörden zu hinterfragen. Hier eröffnet sich Potenzial für weitere Forschungen. Dass im Landgericht Dornbirn gerne und mitunter über den erlaubten Rahmen hinaus getanzt wurde, erfährt Kreishauptmann Daubrawa 1819 bei seiner Inspektionsreise durch Vorarlberg. Ein Pfarrer hatte sich bei ihm darüber beschwert, dass „in den Wirtshäusern zu lange getanzt würde und dann Excesse erfolgen“. Daubrawa sah sich in der Folge veranlasst, „den Landrichter hierauf gehörig aufmerksam! Zu machen“.169 Landrichter Dr. Jacob Moosbrugger dürfte dieser Umstand durchaus bewusst gewesen sein, war er doch bereits zuvor mit seiner Antwort anlässlich der Volksliedsammlung vorsichtig gewesen. Darin teilt er mit, dass er bei ältesten und erfahrensten Männer des Gerichtsbezirkes Dornbirn Erkundigungen eingeholt hätte. Ihre Namen gibt er aber nicht preis. Nüchtern und kurz schreibt Moosbrugger daher am 27. Februar 1819 an das Kreisamt: Wohllöbl[iches] K. K. Kreisamts-Präsidium! Dem hohen wohldortigen Preesidial Auftrage pflichtschuldigst entsprechen zu können, hat der Unterzeichnete bey denen ältesten und erfahrensten Männern Nachfrage gehalten, welche eigenen Volkslieder und Nationaltänze in seinem Amtsbezirke je bestehen haben, und noch bestehen. Der Unterzeichnete hat aller Orten her die Auskunft dahin erhalten, daß in seinem Amtsbezirke nie eigene Volkslieder und eben so wenige eigene National-Tänze bestehen haben und noch bestehen. Selbst dem Unterzeichneten als ingebohrener Vorarlberger sind derley keine bekannt, die gewöhnlichen Tänze, die im Lande getanzt werden, sind Originelle Schweizer Tänze, oder aus dem benachbarten Allgeu, und haben durchaus keine besondern Auszeichnung, mit einziger Ausnahme des im Thale Montafon üblichen sogenannten Ronckertanzes. K. K. Landrichter Moosbrugger
Auch diese abschlägige Antwort bezüglich des Gesanges mag verwundern, grenzte der Amtsbezirk doch direkt an das sangesfreudige Lustenau. Zu den von ihm angeführten Schweizer und Allgäuer Tänzen gibt er keine Details bekannt, sie schienen ihm wohl zu unbedeutend.170 Aus heutiger Sicht ist ihre Erwähnung dennoch aufschlussreich, denn es zeigen sich sowohl bei den im Montafon als auch in Lustenau aufgezeichneten Tänzen und den Bregenzerwälder Tänzen der Strolz-Handschrift eindeutig musikalische Parallelen zu den Tänzen der Nachbarschaft.
169 Zitat nach T iefenthaler 1950, S. 95. 170 Zur Schweizer Volksmusik der Kantone St. Gallen, Graubünden und Tessin sowie Appenzell siehe auch C hristen 2002 Band II und III.
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Abb. 30 Schreiben des Landrichters Moosbrugger aus Dornbirn vom 27. Februar 1819
Für eine Überraschung sorgt in Dornbirn die Erwähnung des Ronckertanzes (Rongger) aus dem Montafon. Er wird aus dem Montafon selbst für die Sonnleithner-Sammlung nicht gemeldet, findet sich jedoch in der Handschrift „Alte Bregenzerwälder und Montafoner Tänz / von 1812 bis 1818“ des Spielmanns Josef Martin Strolz. Wurde er auch in Dornbirn getanzt? Dieses Schreiben ist bislang die einzige Quelle, die dies vermuten lässt.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Ein ganz anderes Bild zeigt das nahe zur Schweizer Grenze gelegene Gebiet im Rheintal. Die Bevölkerung des Patrimonialgerichtes Lustenau galt als eigenes Völkchen, das einer besonderen Wachsamkeit und ihnen wohl gewachsenen Oberen bedarf […] Gegen die Sittlichkeit wird manchmal sich verfehlt.171
Lustenau dürfte bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine herausragend sangesfreudige Gemeinde gewesen sein. Der Gräflich Waldburg-Zeilische Landrichter Franz Xaver Seewald (1756–1834), Verantwortlicher für das Patrimonialgericht, erlaubt sich Erfreuliches zu berichten: Hochwohlgebohrner Herr Gubernial Rath! Hochverehrlicher Herr Kreishauptmann! Was von dem kleinen Bezirk Lustenau zu im Antrag stehenden Kunst- und Wissenschaft beförderlichen neuen Unternehmung beizutragen möglich sey, geruhen Euer Hochwohlgebohrn in der Anlage gnädig zu übernehmen. Für Emporbringung dieses Fachs laß[t] sich hier außer dem würdigen Herrn Pfarrer und Distrikts-Schulaufseher Rosenlächer nicht leicht ein anderer in Erwähnung zu bringen. Der gehorsamst Gefertigte aber macht sich zur Pflicht und Vergnügen, in jedem derlei, und andern Wink seine tiefe Verehrung mit aller Bereitfertigkeit zu verbinden[,] mit welcher sich derselbe ehrfurchtsvoll unterzeichnet. Euer Hochwohlgebohren Gehorsamster Diener Seewald Hohenembs Den 20. Febr[uar] 1819
Seewald verweist in seinem Schreiben auf eine Anlage, die wohl weitgehend mit den heute erhaltenen Noten identisch sein dürfte, und nennt den Lustenauer Pfarrer Franz Josef Rosenlächer (1763–1835) als besonderen Musikförderer. Für die Sonnleithner-Sammlung waren Rosenlächers eigene Lieder allem Anschein nach bedeutungslos. Doch war es auch der Priester, der sich für die Sammlung engagierte und fünf geistliche, vier weltliche Lieder sowie fünf „National-Tänze“ beisteuerte. Das Lustenauer Notenmaterial wurde rasch nach Innsbruck weitergegeben. Bereits am 27. Februar verzeichnet Graf Bissingen eine erste Lieferung aus Vorarlberg, die er Zur Sammlung abgelegt hatte; er fügt hinzu: [Der] Kreishauptmann in Bregenz übersendet einen Theil der in seinem Kreise gesammelten Nazional Lieder und Tänze für den Musikverein in Wien.172
Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um die im Schreiben aus Hohenems bezüglich des Bezirkes Lustenau erwähnte Anlage. Ein Rätsel bleibt, warum der Bregenzer Beamte diese Lieferung, entgegen den folgenden Beiträgen aus anderen Landgerichten, nicht eigens bei der Weiterleitung anführt.
171 T iefenthaler 1950, S. 43. 172 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidialprotokoll 1819 (PP 69), Zl. 388. Bei D eutsch /H ofer 1969, S. 74, sind diese Tänze unter der Nummer XXXXII „Mehrere National Tänze aus diesem Tale“ zusammengeführt.
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Abb. 31: Schreiben des Landrichters Seewald für das Patrimonialgericht Lustenau vom 20. Februar 1819
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II. Der Kunst und Wissenschaft förderliches Unternehmen
Das Vorarlberger Oberland mit den Landgerichtsbezirken Montafon und Sonnenberg-Bludenz Für das Montafon kommt die Antwort aus Schruns, unterzeichnet vom Landrichter Johann Caspar Albrecht. Obwohl er eine bemerkenswerte Sammlung mitlieferte, war er davon überzeugt, dass in keiner Gegend so wenig Neigung und Kenntnis für die Tonkunst vorhanden wäre. Musikkenntnisse hätten lediglich jene Lehrer, die zugleich als Organisten tätig wären. Er schreibt am 20. April: Hochwohlgeborner! Hochzuverehrendster Herr Gubernialrath! In keiner Gegend dörfte wohl weniger Neigung für die Tanzkunst unter dem Volke herrschen, als gerade in diesem Amtsbezirke. Auser den Schullehrern, welche zu gleich Organisten sind, versteht bereits niemand etwas von Musik. Wiewohl ich mir alle Mühe gab, auf den verehrlichen Auftrag Euer Hochwohlgebohrn vom 8. Feber l. J. entsprechende Gesänge aufzubringen, so war ich jedoch nicht so glücklich, etwas ordentliches zusammenzubringen. Um Euer Hochwohlgeborn hievon selbst die Uiberzeugung zu verschaffen, daß die Tonkunst in diesem Amtsbezirk sozusagen fremd ist, nehme ich mir die Freyheit Euer Hochwohlgeborn anliegend a) 6 Kirchenlieder von 1 bis incl. 6, welche seit vielen Jahren in den Kirchen gesungen werden b) 3 Volksgesänge von 7 bis incl. 9[,] welche an meisten, aber doch äußerst selten gesungen werden, und c) von 10. bis 11. Tänze, welche bey besondern Feyerlichkeit aufgeführt werden und auf eine ganz eigene Art getanzt werden, gehorsamst zu übermachen. Musikanten, welche diesen Namen verdienen, giebt es [in] diesem Amtsbezirk gar keinen, und es befindet sich auch kein Musikbeförderer in demselben. Indem ich mich hiermit des gnädigen Auftrags vom 8ten Feb[ruar] l[aufenden].J.[ahres,] so weit mir immer möglich war, pflichtschuldigst entledige bin ich in tiefer Ehrfurcht Euer Hochwohlgeborn unterthänigst gehorsamster Albrecht Schruns am 20[.]April 1819
Immerhin besteht seine Ausbeute aus neun Liedern und mehreren Tänzen. Da in der Aufstellung nur zwei Tänze erwähnt werden, ist es denkbar, dass „Bauerntanz“, „Jucker“ und „Springer“ als eine Tanzfolge gesehen wurde. Der in Dornbirn als Montafoner Tanz erwähnte Rongger ist nicht dabei. Gleich tags darauf ging die Sendung nach Innsbruck ab, wo sie am 25. April mit dem Vermerk Kreishauptmann in Vorarlberg übergibt die aus dem Thale Montafon erhaltenen Volksmelodien für den Musikverein des österreichischen Kaiserstaates
zur Sammlung abgelegt wurde.173 Noch länger, über drei Monate, zog sich die Sammlung im Landgericht Sonnenberg in Bludenz hin. Landrichter Anton Längle war am 27. Februar verstorben und ein Nachfolger noch nicht im Amt. Der Adjunkt Josef von Furtenbach scheint mit dem Auftrag in dieser Situation überfordert gewesen zu sein, wodurch sich seine knappe abschlägige Antwort erklären lässt:
173 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidialprotokoll 1819 (PP 69), Zl. 864.
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Abb. 32: Schreiben des Landrichters Albrecht aus Schruns vom 20. April 1819 (S. 1)
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Abb. 33: Schreiben des Landrichters Albrecht aus Schruns vom 20. April 1819 (S. 2)
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Abb. 34: Schreiben des Landrichters Albrecht aus Schruns vom 20. April 1819 (S. 3)
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Abb. 35: Schreiben des Adjunkten Josef von Furtenbach aus Bludenz vom 19. Mai 1819
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Hochwohlgeborner Hochzuverehrender Herr Gubernial Rath und Kreishauptmann! Euer Hochwohlgeborner Gnaden erstatte ich auf die verehrliche hohe Praesidial Weisung vom 8ten und Empfangs 11ten Februar d. J. Nr 51 die gehorsamste Anzeige, daß in keiner Gemeinde des diesseitigen Gerichtsbezirkes Nationaltänze aufgespielt, noch Lieder oder Melodien gesungen werden, und habe daher keine Volksmusikalien ausfindig machen, und Eure Wohlgebornen Gnaden mittheilen können. Mit ausgezeichneter Hochachtung und Verehrung empfiehlt sich Euer Hochwohlgebornen Gnaden Ergebenst gehorsamster Diener Jos. Furtenbach Bludenz am 19ten Mai 1819
Der 27-jährige Josef von Furtenbach, der die Amtsgeschäfte nach dem Ableben des Landrichters vorübergehend bis zur Amtsübernahme durch den Montafoner Landrichter Albrecht führte, scheint Augen und Ohren vor der volksmusikalischen Wirklichkeit verschlossen zu haben. Sein Befund, dass weder Nationaltänze aufgespielt, noch Lieder gesungen würden, mag schon erstaunen, denn die Akten seines Gerichtes vermitteln einen anderen Eindruck. Zwischen 1789 und 1829 werden mehrmals in den archivalischen Quellen Spielleute namentlich erwähnt, die sich um den Kauf einer Tanzmusiklizenz bemühten, wie die bereits erwähnten Johann Schäfer, Johann Josef Nesler, Anton Beck, Xaver Tschol und Hilarius Mangard.174 Auch Josef Martin Strolz kam aus diesem Landgericht.
Chronologie der Rückmeldungen an das Innsbrucker Gubernium Alle Vorarlberger Sammelergebnisse nahmen den Behördenweg über das Kreisamt Bregenz zum Gubernium in Innsbruck. Die Schreiben mit den Beilagen aus Lustenau, die nach dem 20. Februar beim Kreisamt und am 27. Februar in Innsbruck ankamen, werden in den Kreisamtsaufzeichnungen bezüglich einer Weiterleitung nicht eigens erwähnt, das Gubernium verzeichnet aber den ersten Eingang im Präsidialprotokoll: Kreishauptmann in Bregenz übersendet einen Theil der in seinem Kreise gesammelten Nazional Lieder und Tänze für den Musikverein in Wien ad 208/p [..] Zur Sammlung Erl[edigt] 27.2.175
Erst am 21. April wird in Bregenz der Empfang der Schreiben aus den weiteren Gerichtsbezirken und deren Weiterleitung an das Gubernium in Innsbruck vom Kreisamt vermerkt:176 Sind die Beilagen mit Präsidial-Schreiben an das H[o]he Landes-Gouberniums Excell. Eingesendet worden / Am 21. April 1819 / Loy.
Dass es sich hierbei um die Sammlung aus dem Montafon handelt, bestätigt das Präsidialprotokoll des Guberniums:177 Kreishauptmann Ebner in Vorarlberg übergibt die aus dem Thale Montafon erhaltenen Volksmelodien für den Musikverein des österr. Kaiserstaates […] Zur Sammlung [...] 25. April.
174 Mehr dazu im vorliegenden Beitrag über die Musikkultur im Biedermeier. 175 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidial Repertorium 1819 (PP 69) und Präsidialprotokoll (PP 70), Zl. 388, 51, 24./27. [Februar]. 176 VLA, Kreisamt I, Sch 294/VIII/43, Akt zur Erhebung von Volksliedern 177 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidial Repertorium 1819 (PP 69) und Präsidialprotokoll (PP 70), Zl. 864, 51, 22./25.4.
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Abb. 36: Protokoll des Kreisamtsschreibers bezüglich der Weiterleitung der Einsendungen
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Nachträge verzeichnet das Kreisamt im Mai: Nb. Mit Präsidial-Schreiben vom 19. May 1819 auch Nazional - Tänze und Gesänge vom Bregenzer Walde nachgetragen / Loy. Nb. Mit Präsidial-Schreiben vom 20. Mai 1819 zwey von Pr. Weizenegger erhaltene Lieder aus dem 15t[en] Jahrhundert (ohne Melodien) unterlegt/ Loy.
Die von Weizenegger erhaltenen Lieder, die im Mai nachgesandt wurden, werden in Innsbruck nicht angeführt. Ein letzter Eintrag des Kreisamtes wirft nun eine konkrete Frage auf: Wo verblieb das unter dem Datum 19. Mai erwähnte Material aus dem Bregenzerwald, die Nazional-Tänze und -Gesänge? Sie kamen weder in Innsbruck an, noch sind sie in der Sonnleithner-Sammlung erhalten. Es ist zu vermuten, dass diese Noten auf dem Weg von Bregenz nach Innsbruck im Lande liegengeblieben sind, möglicherweise in Bludenz, denn dorthin führt eine interessante Spur. Im Bludenzer Stadtarchiv wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Handschrift „Alte Bregenzerwälder und Montafoner Tänz / von 1812 bis 1818“ eines Spielmanns namens Josef Martin Strolz verwahrt, auf die in den 1920er Jahren der Tanzforscher August Schmitt (1861–1933) aufmerksam wurde. Wie kam das Heftlein in das Archiv? Handelt es sich dabei um das Notenmaterial aus dem Bregenzerwald? Einige Indizien weisen darauf hin. Leider ist das Original dieser Handschrift heute verschollen, ihr Inhalt konnte durch zwei Abschriften bewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang tauchen weitere ungeklärte Fragen auf. In den Beständen des Bludenzer Stadtarchivs wurden bei der Übernahme durch das Vorarlberger Landesarchiv in einer Mappe mit der Aufschrift „Alte Lieder und Gedichte“ Textaufzeichnungen aus der Zeit um 1800 gefunden, die teilweise auch aus dem Montafon stammen. Waren sie für die Sonnleithner-Sammlung vorgesehen und im Verwaltungschaos nach dem Tod des Landrichters liegen geblieben? Ihr Inhalt gehört nicht gerade zur Erbauungsliteratur und erzählt von Liebe, Mord und Unterhaltung, daher ist auch eine Skartierung denkbar. Sollten die Lieder als nicht wertvoll befunden worden sein, warum hat man sie dann aufbewahrt und nicht gleich vernichtet? Im frühen 20. Jahrhundert wurde im Zuge heimatkundlicher Forschungen dieses Material (Einzelblätter und kleine Heftchen) in Hüllen gegeben und beschriftet. Nähere Untersuchungen dazu sind noch ausständig. Im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde liegt den Sammlungen aus Tirol und Vorarlberg ein Verzeichnis über die angekommenen Lieder bei, das mit der Tiroler Liste übereinstimmt. Nach der Eingliederung in die Bestände der Gesellschaft der Musikfreunde ließ eine Auswertung auf sich warten, die Sonnleithner-Sammlung verfiel in eine Art Dornröschenschlaf. Erst mit den Bestrebungen des Volksliedunternehmens zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Forscher darauf aufmerksam. Der für den Ausschuss Tirol-Vorarlberg aktive Lehrer Alfons Schlögl fertigte um 1910 erstmals von den Ergebnissen des Kreises Bregenz handschriftliche Kopien an. Sie wurden im Juli 1922 mit den anderen Sammelergebnissen nach Vorarlberg gebracht und gelten seither als verschollen.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert Handschriftliche Liederbücher des 19. Jahrhunderts mit Noten sind in den Vorarlberger Archiven und Bibliotheken eine Rarität, Textniederschriften dagegen mehrfach vorhanden. Die ältesten derzeit bekannten, mit Noten versehenen weltlichen Lieder- und Musikantenhandschriften aus der Region des heutigen Bundeslandes Vorarlberg wurden zwischen 1812 und 1830 niedergeschrieben. Die Liederhandschriften sind, wie neuere Recherchen ergaben, Gebrauchshandschriften aus dem Umkreis von Organisten und Lehrern, die bemüht waren, ihr musikalisches Wissen an ihre Schüler weiterzugeben. In der Regel beherrschten auch nur sie das Notenschreiben, ihnen war auch der Zugang zu Notendrucken und Gesellschaftsliederbüchern erleichtert. Schwerpunkt des vorliegenden Bandes ist die Dokumentation des Notenmaterials der SonnleithnerSammlung von 1819, mit berücksichtigt werden zudem Niederschriften aus ihrem zeitlichen Umkreis: Lieder aus dem Nachlass Weizenegger, o. D. (Textaufzeichnungen) Musikantenhandschrift Strolz, 1812–1818 ● Tänze aus der Handschrift Meusburger, um 1820 ● Liederhandschrift für Franziska Steinle, 1822 ● Liederhandschrift für Louise Hörner, 1823 ● Liederhandschrift für Johann Joseph Nayer, 1829 ● ●
Diese Aufzeichnungen zeigen sowohl inhaltlich als auch musikalisch ein breites Spektrum. Ihre Besitzer kommen aus unterschiedlichen Regionen und sozialen Schichten. Hier treffen sich städtisches Bürgertum, Beamte und Lehrer mit bäuerlichen Wurzeln. Das Repertoire der Liedaufzeichnungen ist vielseitig und zeigt eine Gemeinsamkeit: Es repräsentiert vorherrschend eine musikalische Kultur, die unter dem Überbegriff „populär“ gefasst werden kann und der Unterhaltung im häuslichen Umfeld diente. Während bei den aufgezeichneten Tänzen der Ursprung der Melodien nur schwer nachweisbar ist und der Variantenbildung mehr Möglichkeit eingeräumt wurde, so ist es bei den Liedern einfacher. Wie die Recherchen ergaben, basieren sie vielfach auf gedruckten Vorlagen, die für ihre Verbreitung sorgten. Sie zeigen ein Repertoire, das dem bürgerlichen Zeitgeschmack entsprach, doch dank seiner Popularität in mündlicher Tradition weite Gesellschaftskreise erreichen konnte. Die drei für den persönlichen Gebrauch angefertigten handschriftlichen Liedaufzeichnungen von Steinle, Hörner und Nayer sind von regional verstreuter Herkunft, wobei der Fundort nicht unbedingt als Ort der Entstehung gesehen werden kann und ihre Schreiber selbst nicht bekannt sind. Mit Ausnahme der Handschrift Strolz sind die Niederschriften im Original erhalten. Die Musikantenhandschrift Meusburger aus Bizau wurde bislang ins 18. Jahrhundert datiert und war für eine Publikation ursprünglich nicht vorgesehen. Neueste Papieruntersuchungen verlegen die Entstehungszeit um 1820 und somit in den zeitlichen Umkreis der Sonnleithner-Sammlung, was dazu bewog, sie als Faksimile aufzunehmen. Weitere Musikantenhandschriften aus der frühen „Biedermeierzeit“, wie die Notenhefte des Johann von der Thannen aus Egg/Bregenzerwald und der Familie Amman aus Rankweil, sind lediglich
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
in Abschriften bzw. Teilabschriften vorhanden. Sie werden, wie auch das erst jüngst entdeckte handschriftliche Notenbuch für Kaspar Ratz aus Bezau, nicht im vorliegenden Buch wiedergegeben, finden aber – wie die Handschriften der 1830er und 1840er Jahre aus dem Bregenzerwald, die Liedaufzeichnungen der Familie Rüscher aus Au und Bizau 1834/35 (nur Texte), jene des Jodok Seelenmayer aus Egg 1841 (Texte mit Melodien) sowie weitere Niederschriften auf Einzelblättern, die sich im Bestand des Vorarlberger Volksliedarchivs befinden, – in den Kommentartexten zu den einzelnen Liedern Berücksichtigung.
Sonnleithner-Sammlung 1819
Abb. 37: National-Tänze Nr. 1 und Nr. 2 aus der Lustenauer Aufzeichnung für die Sonnleithner-Sammlung
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Der Bestand Die Vorarlberger Sammelergebnisse der Sonnleithner-Sammlung werden seit 1819 im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien verwahrt. Das für die Sammlung in Vorarlberg zuständige Kreisamt in Bregenz übergab dem Präsidium in Innsbruck die Sammelergebnisse aus den Gerichtsbezirken in drei Sendungen. Die Ergebnisse kamen zur Sammlung „Tirol“, wurden in Innsbruck mit römischen Ziffern versehen und im Herbst nach Wien an die Gesellschaft zu Graf Fürstenberg weitergeschickt. Der Gouverneur für Tirol und Vorarlberg, Graf von Bissingen, legte der Sendung vom 25. September 1819 ein Verzeichnis über die eingenommenen Volks Lieder und Tänze aus Tirol und Vorarlberg bei, in dem die Kreise Pustertal, Bozen, Imst und Bregenz aufgelistet sind. Aus dem Kreis Bregenz gibt es laut dieser Liste fünf Beiträge:178 Kreis Bregenz XXVIII. Eine Sammlung mehrerer alter geistlicher Kirchen Lieder XXIV. Zwei alte Lieder aus dem 15t[en] Jahrhundert XXV. Mehrere Kirchen Lieder aus dem Thale Montafon XXVI. Zwei Volks Lieder eben daher XXVII. Mehrere National Tänze aus eben diesem Tale
Diese Aufzählung mit römischen Ziffern erfolgte nicht chronologisch nach Einsendedatum, sondern galt für die gesamten Tiroler Einsendungen nach numerus currens. Die Nummern stimmen auch mit den Aufschriften in roter Farbe auf dem Notenmaterial überein. Am 27. Februar hatte Graf Bissingen eine erste Lieferung aus Vorarlberg Zur Sammlung abgelegt.179 Dabei dürfte es sich um die hier als erste angeführte, aus Lustenau stammende, gebundene Handschrift handeln (XXVIII, Sammlung mehrerer alter geistlicher Kirchenlieder), die am 20. Februar dem Kreisamt in Bregenz übergeben worden war. Zwei Monate später, am 25. April, legte das Präsidium in Innsbruck die aus dem Thale Montafon erhaltenen Volksmelodien für den Musikverein des österr. Kaiserstaates […] Zur Sammlung. (Hier in der Liste XXV bis XXVII). Erst im Mai kamen die beiden Lieder aus dem 15. Jahrhundert nach Innsbruck (in der Liste XXIV). Sie werden im Repertorium des Präsidiums bei den Eingängen nicht eigens angeführt und dürften den Bregenzer Kreisamtsprotokollen vom 20. Mai ohne weiteren Hinweis beigelegt worden sein.180 Unter diesem Datum ist die Erledigung des Auftrags im Kreisamt dokumentiert. Beim Innsbrucker Schreiber der Liste dürften sich bei der Zählung bedauerlicherweise Fehler eingeschlichen haben. Die vorangehende Nummerierung der Einsendungen aus Tirol folgt dem Numerus currens von I bis XXVII, der Kreis Bregenz schließt mit der Zahl XXVIII an (erste Sendung aus Lustenau), der nächste Eintrag war fehlerhaft, worauf wieder eine falsche Korrektur erfolgte. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ziffer V verwechselt wurde, nach XXVIII folgen XXIV, XXV, XXVI, XXVII, XXIV. Somit ergibt sich eine falsche Zählung. Als Walter Deutsch und Gerlinde Hofer/Haid 1969 den Bestand für ihre Publikation erstmals näher untersuchten, wurde bei der Erstellung ihres Katalogs die ursprüngliche Anordnung des Innsbrucker Guberniums zwar beibehalten, jedoch nahmen sie eine Korrektur der Aufzählung vor und führten die Nummerierung richtigerweise von XXIX bis XXXII fort.181 178 TLA, Jüngeres Gubernium, 1819, Fasc. 3612, Nr. 200, Kopie des Schreibens an Friedrich Landgraf von Fürstenberg vom 27. September. (Nr. 2279). 179 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidialprotokoll 1819 (PP 69), Zl 388. 180 TLA, Jüngeres Gubernium, Präsidialprotokoll 1819 (PP 69). Zl. 864. 181 D eutsch /H ofer 1969, S. 9.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Bissingen 1819
XXVIII XXIV XXV XXVI XXVII
Deutsch/Hofer 1969 XXVIII 1 bis 10 XXIX 1 bis 2 XXX 1 bis 8 XXXI XXXII
2001 nahm Friederike Jary-Janecka am Bestand eine Überprüfung und Korrektur vor. Die Blätter wurden mit Kennbuchstaben versehen, die die Zugehörigkeit zu den einzelnen Provinzen und Themenbereichen leicht erkennen lassen. Die von Deutsch/Hofer eingeschlagene Arbeitsweise wurde der Geschlossenheit des Gesamtwerkes wegen beibehalten.
Die ursprünglich roten Farbeintragungen wurden mit Bleistift korrigiert und zusätzlich mit Kennbuchstaben TV (Tirol-Vorarlberg) versehen.182 Lesefehler wurden verbessert. Es ist anzunehmen, dass im Rahmen dieser Untersuchungen das Material in weiße Packpapierhüllen gegeben wurde. Ein Interesse an den Aufzeichnungen der Sonnleithner-Sammlung ist erst im 20. Jahrhundert zu bemerken, als 1904 mit dem „Österreichischen Volksliedunternehmen“ ein umfangreiches Sammelund Publikationsprojekt gestartet wurden.183 Nachdem 1913 der Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde Eusebius Mandyczewski (1857–1929) den Volksmusik- und Tanzforscher Raimund Zoder auf diese Sammlung hingewiesen hatte, wurden von Zoder und Mitarbeitern handschriftliche Kopien angefertigt.184 Es war der Tiroler Lehrer Alfons Schlögl (1886–1926), der im Rahmen des Österreichischen Volksliedunternehmens erstmals auch eine Abschrift der Vorarlberger Einsendungen zur Sonnleithner-Sammlung verfasste, wie in einem Repertorium der Sammelbestände im Tiroler Volksliedarchiv unter Nr. 186 vermerkt wird: K. k. Gesellschaft der Musikfreunde, Fasc. V, Vorarlberg, 17 Lieder u. Volkstänze, abgeschrieben von Schlögl.
Leider sind diese Abschriften, wie auch alle anderen Ergebnisse der Sammlung des „Österreichischen Volksliedunternehmens“, die am 3. Juli 1922 von Innsbruck dem nunmehr selbstständigen Land Vorarlberg übergeben wurden, seit 1938 verschollen.185 1958 wurden die Musikalien aus dem Kreis Bregenz von der Firma Bors und Müller in Wien verfilmt, Fotos wurden dem Vorarlberger Landesarchiv übergeben. Diese Aufnahmen dürften die Grundlage der 1962 verfassten Abschriften durch den Bregenzer Volksliedarchivar Josef Bitsche gewesen sein (von der „Lamentatio jeremie“, die auch von Bissingen nicht angeführt wird, gibt es keine Aufnahmen. Sie wird erstmals von Deutsch und Hofer erwähnt und befindet sich heute ebenfalls beim Vorarlberger Material der Sonnleithner-Sammlung). Fünf Jahre später, 1967, stellt Bitsche im Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes der Öffentlichkeit die Sonnleithner-Sammlung vor. Er zitiert zwar den im Vorarlberger Landesarchiv verwahrten Schriftverkehr, geht aber nicht näher auf Hintergründe dieses Unternehmens ein.186 1969 publizieren Walter Deutsch und Gerlinde Hofer/Haid im fünften Band der „Schriften zur Volksmusik“ erstmals Listen der in Wien verwahrten Sammelergebnisse. 182 J ary -J anecka 2001, Vorwort. 183 Mehr zum „Österreichischen Volksliedunternehmen“ bei Deutsch/Hois 2004. 184 P etermayr 2006, S. 26. 185 Tiroler Volksliedarchiv, Repertorium, „Nr. 186“. 186 B itsche 1969, S. 43–44.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Bestandsbeschreibung Die Ergebnisse der Vorarlberger Sammlung befinden sich in weißen Packpapierhüllen. Der originale Papierumschlag aus der Zeit der Sammlung ist vorhanden. Stempel: Gesellschaft / der / Musikfreunde / in / Wien. Bestand: Volksmusiksammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Sonnleithner-Sammlung) Signatur: Vorarlberg – Kreis Bregenz VI. 27473, TV XXVIII bis XXXII Beschriftung des originalen Umschlages: Heft.5. [Bleistift] | Kreis Vorarlberg. | Von Nro XXVIII […] XXVII. [Tinte, durchgestrichen und korrigiert mit Bleistift: XXXII] | 19 Bogen und Blätter / mit Umschlag [Bleistift]. Wasserzeichen: Adler, H (?) Inhalt: Im originalen Umschlag befindet sich das Notenmaterial in fünf weißen Packpapiertaschen (2. H. 20. Jahrhundert). Die Musikalien und auch Papiertaschen sind mit dem Stempel der Gesellschaft der Musikfreunde versehen.
Abb. 38: Umschlag zu den Vorarlberger Ergebnissen der Sonnleithner-Sammlung
[Papiertasche 1] VI. 27473 / TV XXVIII Kreis Bregenz Lustenau. | Eine Sammlung mehrerer alter | geistl[icher] Kirchenlieder – Lustenau | und weltlicher Lieder [Neuer UT auf Packpapiertasche, 2. H. 20. Jh.].
Die Papiertasche enthält ein mit Faden gebundenes Heftchen (17 x 21 cm), bläuliches Papier, 4 Lagen, 2 Blätter wurden entfernt, was unwillkürlich zur Frage veranlasst: Wurden hier Lieder skartiert? Die Blätter sind ungleich beschnitten und mit schwarzer Tinte beschrieben; Korrekturen durch Pfarrer Rosenlächer/Lustenau, der Schreiber selbst ist unbekannt, dürfte aber aus der Region kommen.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 39 Schriftprobe aus Lustenau
Die geistlichen Lieder weisen einen C-Schlüssel auf der ersten Linie auf, die weltlichen einen GSchlüssel. Wasserzeichen: Teil eines Wappens mit Lilie. Die Lieder wurden später mit Bleistift geschrieben und mit arabischen Ziffern versehen (hier in eckiger Klammer angegeben). Das Heftchen enthält neun Lieder und Nationaltänze: Fol. 1r: Kreis Vorarlberg [am Titelblatt, roter Farbstift] Alte | geistliche Kirchen- | Lieder. [Titelblatt, Tinte] | XXVIII [roter Farbstift] [späterer Nachtrag und Korrektur mit Bleistift] [1] fol. 1v-2v: Adventlied (Textanfang: Ach mein Seel) [2] fol. 3r-4r: Weihnachtlied (Textanfang: Reich und Arm) [3] fol. 4v-5r: Fastenlied (Textanfang: Aus Lieb verwundter Jesu) [4] fol. 5v-6r: Osterlied (Textanfang: Christus ist erstanden) [5] fol. 6r-7v: Lied zur Mutter Gottes (Textanfang: Maria, du Himmelskönigin) fol. 8r-8v: Blatt herausgeschnitten fol. 9r: Weltliche / Volkslieder [Titelblatt] [6] fol. 9v-10r: Lied der wahren Freundschaft (Textanfang: Stimmt an den frohen Rund Gesang) [7] fol. 10v-11v: Lied eines treuen Herzens (Textanfang: Es ist Zeit zu offenbaren) [8] fol. 12r-12v: Lied einer neu vermählten Ehe (Textanfang: Heinrich schlief bey seiner neu Vermählten) [9] fol. 13r-13v: Abschied eines Christen (Textanfang: Hilf o Himmel! ich muß scheiden) fol. 14r 14v: [Blatt herausgeschnitten] [10] fol. 15r-16r: National Tänze [Kopftitel]
[Papiertasche 2] VI. 27473 / TV XXIX (= alt: XXIV) Vorarlberg – Kreis Bregenz | Zwei alte Lieder aus dem 15. Jh. [Neuer UT auf Packpapiertasche, 2. H. 20. Jh.]
Darin: 1 Dbl. (34 x 21 cm); Schreiber: Franz Josef Weizenegger. Wasserzeichen: K und Feder; enthält zwei weltliche historische Lieder, Signaturen am Blatt: TV XXIX (Bleistift), XXIV (roter Farbstift) [1] Fol. 1r-1v: Lied des Hieronimus Emser [2] Fol. 1v-2v: Lied der Landsknechte wieder die Schweitzer im Schwabenkriege
Anmerkung Weizeneggers am Schluss: Der gewöhnliche Schimpfname[,] den besonders die damals schon Österreich`schen Knechte der Herrschaft Feldkirch und die Montfort`schen der Herrschaft Bregenz den Eidgenossen gaben[,] war: Kuhgier das heißt, sie jagen nach Kühen begierig, treiben Bestialität. Und auf dieses geht die letzte Strophe hinaus.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[Papiertasche 3] VI. 27473 / TV XXX (alt: XXV) Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Montafon [Neuer UT auf Packpapiertasche, 2. H. 20. Jh.]
Kein originaler Umschlag vorhanden, die Packpapierhülle enthält ein Konvolut aus mehreren Einzelbzw. Doppelblättern verschiedener Herkunft und Größe, mehrere Schreiber: Schreiber A, Lieder: 1, 2, 9 (Noten und Text) Schreiber B, Lieder: 6, 7 (Noten und Text), 4 (Noten, anderer Textschreiber) Schreiber C, Lied: 8 (Noten und Text) Schreiber D, Lied: 4 (Text) Schreiber E, Lamentatio Schreiber F, Tänze
Nach Angabe der Korrespondenz im Vorarlberger Landesarchiv kamen aus dem Montafon sechs Kirchenlieder (1 bis 6), drei weltliche Lieder (7 bis 9) und Tänze (10 bis 11). Die Montafoner Einsendungen wurden später neu gegliedert. Einige Lieder weisen die authentische Nummerierung mit Tinte auf. Die Kirchenlieder 1 bis 7 (nicht wie in der Korrespondenz angegeben 6) finden sich unter TV XXX, jedoch fehlen Nummer 3 und 5. Bei Jary-Janecka heißt es dazu: „bei Deutsch/Hofer in der Zählung übersprungen“.
Abb. 40 (1): Schriftvergleich der Montafoner Aufzeichnungen
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 40 (2): Schriftvergleich der Montafoner Aufzeichnungen
Hinzugefügt in diese Montafoner Gruppe wurde ein lateinischer Gesang, der keine originale Nummer aufweist (Lamentatio jeremi) und auch nicht in der Korrespondenz erwähnt wird. 1. Kirchen Lied. [Nummer und Titel auf der Rückseite, kein Kopftitel] Textanfang: Was ist für alles Übel gut
1 Bl. (21 x 33 cm), Querformat, gefaltet, in der Höhe beschnitten; kein Wasserzeichen sichtbar, bläuliches Papier; beschrieben auf der Innenseite; Schreiber A; römische Zahl XXV (roter Farbstift) nur auf diesem Blatt, mit Bleistift korrigiert; bei Deutsch/Hofer XXX/1; 2. Kirchen Lied [Nummer und Titel auf Rückseite, kein Kopftitel] Textanfang: Was hilft dir Mensch
1 Dbl. (32,5 x 42 cm), Hochformat, in Mitte gefaltet; Wasserzeichen schwach sichtbar WVKP (?), grünliches Papier, Schreiber A; bei Deutsch/Hofer XXX/2; 4. [nur Nummer auf der Rückseite]|Volkslied vom allerheiligsten Altars-Sakrament [Kopftitel] Textanfang: Aus Lieb verwundter Jesu
1 Bl. (22,5 x 35, cm), Querformat, gefaltet; Wasserzeichen Buchstaben nicht erkennbar, Papier beige; beschrieben auf der Innenseite, Schreiber B, D, bei Deutsch/Hofer XXX/4; 6. [nur Nummer auf der Rückseite] | Österlicher Kirchengesang [Kopftitel] Textanfang: Christus ist erstanden
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1 Dbl. (22,5 x 35, cm), gleiches Papier und Schreiber B, Text Schreiber B, Wasserzeichen JA,187 TV XXX/6 (Bleistift), bei Deutsch/Hofer XXX/6; 7 [originale Zahl auf der Rückseite] | Volks-Lied an einem marianischen Gnadenort - [Kopftitel] Textanfang: O Maria voll der Gnaden
1 Bl. (22,5 x 3,5 cm), Querformat, in der Mitte gefaltet; Wasserzeichen: Lilie; Schreiber B; TV XXXI/7 (Bleistift), bei Deutsch/Hofer XXX/7; [keine originale Nummer] Lamentatio jeremi [Kopftitel]
1 Bl. (22,5 x 28,5 cm), festes Papier, Querformat, oben abgerissen, schwarze Tinte, Wasserzeichen: Lilie (nur Bogen sichtbar); beidseitig beschrieben, Schreiber E; Quadratnotation; keine alte Nummer! TV XXX/8 (Bleistift); bei Deutsch/Hofer XXX/8; [Papiertasche 4] VI. 27473 / TV XXXI (alt: XXVI) Vorarlberg – Kreis Bregenz | Zwei Volkslieder ebendaher | (=Montafon) [Neuer UT auf Packpapiertasche,
2. H. 20. Jh.].
Die weiße Packpapiertasche enthält die beiden weltlichen Montafoner Lieder 8 und 9 auf Einzelblättern. 8 [Zahl auf Rückseite, durchgestrichen] Der Biedermann [Kopftitel] Textanfang: Juche ich bin ein Biedermann
1 Dbl. (22,5 x 35,5 cm), Querformat (selbe Format wie Lieder 4 bis 6), gefaltet, grünliches Papier, Schreiber C (Text), Schreiber B (Noten), XXVI (roter Farbstift), wurde korrigiert: TV XXXI (Bleistift); Wasserzeichen: Lilie (siehe dazu auch XXX/7); TV XXXI/1 (Bleistift); 9. [Nummer und Titel auf Rückseite] | Volks-Lied | Adagio [Kopftitel] Textanfang: Ich hab so viel gelitten
1 Dbl. (35,5 x 21,5 cm), Hochformat, gefaltet, bräunliches Papier, Wasserzeichen: Stern, Schreiber A; keine rote Signatur, TV XXXI/2 (Bleistift); [Papiertasche 5] VI. 27473 / TV XXXII (alt: XXVII) Mehrere Nationaltänze [= neuer UT auf weißer Packpapiertasche]
Kein Original-Titel, hebt sich deutlich in Schrift, Papier und Tinte von den anderen Aufzeichnungen ab: 1 Dbl. (31,5 x 48,5 cm), Notenlinien blau, Noten schwarz, Text bräunlich, kein Wasserzeichen sichtbar; auf Rückseite: XXVII [oder XXVI, rote Farbe], korrigiert: TV XXXII (Bleistift); bei diesen Tänzen wurden mit Bleistift die Nummern 1 bis 5 ergänzt (hier in eckige Klammer gesetzt]: [1] fol. 1r: Die sieben Sprünge [Kopftitel] – Tanz [weiterer Kopftitel] – Allegro [weiterer Kopftitel] [2] 3] fol. 1v–2r: Der Bauerntanz [Kopftitel] – Tanz [weiterer Kopftitel] [4] fol. 2r: Jucker [Kopftitel] [5] fol. 2r: Springer [Kopftitel]
187 Die Buchstaben des Wasserzeichens kommen bei Musikalien des Feldkircher Domarchivs vor.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Zusammenfassend kann vermerkt werden: Fehlt bei den Aufzeichnungen TV XXVIII in der Korrespondenz vom Februar auch die genaue Titelangabe, so könnte nach der Anlage im Heftchen aus Lustenau die ursprüngliche Reihenfolge folgendermaßen ausgesehen haben: Adventlied (Ach mein Seel) Weihnachtlied (Reich und Arm) Fastenlied (Aus Lieb verwundter Jesu mein) Osterlied (Christus ist erstanden) Lied zur Mutter Gottes (Maria, du Himmelskönigin)
Diese Lieder und Tänze weisen alle dieselbe Handschrift auf sowie den C-Schlüssel auf der ersten Linie. Die folgenden Lieder und die Nationaltänze zeigen einen G-Schlüssel und wurden von derselben Person niedergeschrieben. Lied der wahren Freundschaft (Stimmt an den frohen Rund Gesang) Lied eines treuen Herzens (Es ist Zeit zu offenbaren) Lied einer neu vermählten Ehe (Heinrich schlief bei seiner neu Vermählten) Abschied eines Christen (Hilf o Himmel, ich muß scheiden) National Tänze
Graf Bissingen schreibt lediglich Eine Sammlung mehrer[er] alter geistlicher Kirchen-Lieder. Er dürfte sich damit auf den Titel am ersten Blatt des kleinen gebundenen Heftchens beziehen. Dass sich darin weitere weltliche Lieder und Tänze befinden, geht aus seiner Anmerkung nicht hervor. Deutsch/ Hofer weisen in ihrer Publikation erstmals darauf hin. Sie dürften auch eine Nummerierung vorgenommen haben: 1 bis 10. Die Einsendungen aus dem Montafon vom April (TV XXX, XXXI, XXXII) bestehen aus Einzelblättern, wurden bereits vom Landgericht aufgelistet, durchnummeriert und anschließend vom Kreisamt nach Innsbruck geschickt. Zwei der angeführten Nummern mit geistlichen Liedern fehlen: 3 und 5. Ihr Verbleib ist ungeklärt. 1 bis 6 Kirchenlieder 1. Kirchenlied (Was ist für alles Übel gut) 2. Kirchenlied (Was hilft dir Mensch) 3. fehlt! 4. Volkslied vom allerheiligsten Altars-Sakrament (Aus Lieb verwundter Jesu) 5. fehlt! 6. Österlicher Kirchengesang (Christus ist erstanden)
7 bis 9 Volksgesänge 7. Volks-Lied an einem marianischen Gnadenort (O Maria voll der Gnaden) 8. Der Biedermann (Juche ich bin ein Biedermann) 9. Volks-Lied, Adagio (Ich hab so viel gelitten)
10 bis 11 Tänze Der Montafoner Schriftverkehr gibt bei den Tänzen nur die beiden Nummern an: von 10. bis 11. Tänze, welche bey besondern Feyerlichkeit[en] aufgeführt werden.
Eindeutig trifft dies auf die „Sieben Sprünge“ als Nr. 10, mit Tanz und Zwischenspiel zu. Die unter 11 zusammengefassten Tänze galten vermutlich als Tanzfolge, ein „Bauerntanz“ mit instrumentaler Einleitung, Gesangsteil (Drei lederne Strümpf) und mehreren kurzen Tänzen (gedacht als Zwischentänze?) sowie Jucker und Springer. Deutsch/Hofer vergeben dagegen den Tänzen einzelne Nummern:
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1. Die sieben Sprünge (= TVXXXII/1) 2. Der Bauerntanz (= TV XXXII/2) 3. 5 Tänze im 3/4 Takt (= TV XXXII/3) 4. Jucker (= TV XXXII/4) 5. Springer (= TV XXXII/5)
Die im Mai nachgesandten Nationaltänze und Gesänge aus dem Bregenzerwald sind verschollen.
Lieder und Tänze Dass manches gesungene Lied oder manche gespielte Melodie bei der Vorarlberger SonnleithnerSammlung unberücksichtigt blieb, mag nicht nur an moralischen Gesichtspunkten, sondern auch weitgehend an unterschiedlichen Begriffsauffassungen gelegen sein, die allgemein bei dieser Aktion zum Tragen kamen. „Abhängig vom damaligen Stand des gattungsspezifischen Wissens über ‚Volkslied‘ und ‚Volkstanz‘ orientierten sich die Sammler vielfach an Begriffen, mit denen entweder eine ‚nationale‘ Charakteristik des Musikstückes umschrieben wurde oder mit denen im Verständnis der Zeit eine regionale musikalische Besonderheit verbunden war. Manchmal war auch der dauerhafte Gebrauch eines Liedes oder Musikstückes für die Einsendung entscheidend“, stellt Walter Deutsch bei seinen Untersuchungen des Bestandes fest.188 Nur Letzteres trifft auf die Vorarlberger Beiträge zur Sonnleithner-Sammlung zu. Eine nationale Charakteristik ist nur in den Tanzweisen erkennbar. Die eingesandten Lieder sind – mit Ausnahme von Ansätzen einer Dialektfärbung bei den Tänzen – in der Schriftsprache abgefasst, was sie von anderen Länderbeiträgen der Sonnleithner-Sammlung, die zahlreiche Schöpfungen im regionalen Dialekt enthalten, unterscheidet. Die Sammlung enthält auch keine Schullieder, wie sie in Oberösterreich und in anderen Ländern zur Sammlung abgelegt wurden.189 Es handelt sich hier durchwegs um älteres Liedgut, das im Verlauf des 19. Jahrhunderts weitgehend an Aktualität verlieren sollte. Vielfach hatten die Liedtexte über religiöse Gesangsbücher und Flugschriften des 18. und frühen 19. Jahrhunderts Verbreitung gefunden. Melodien wurden meist mündlich tradiert, worauf zahlreiche Fehler in den Niederschriften hindeuten. Die deutschsprachigen, geistlichen Lieder dürften bis in das späte 18. Jahrhundert und teilweise noch um 1820 in Gebrauch gewesen sein, wurden aber vom staatlich vorgegebenen obligaten „Normalgesang“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend abgelöst und gerieten somit in Vergessenheit. Keines dieser Lieder aus der Sonnleithner-Sammlung findet sich im 20. Jahrhundert im Brixner Diözesangesangsbuch, das im Geiste des Cäcilianismus 1903 vom Vorarlberger Musiker und Komponisten Wunibald Briem (1841–1912) zusammengestellt wurde und zukünftig für Vorarlberg seine Gültigkeit bekommen sollte.190 Bis dahin hatte es für Vorarlberg kein einheitliches Gesangsbuch gegeben, was zum Teil auch den historischen Gegebenheiten geschuldet war. Das Land unterstand drei Diözesen: Konstanz (nördlicher Teil Vorarlbergs, einschließlich des Bregenzerwaldes), Chur (südlicher Teil mit dem Walgau, dem Klostertal und dem Montafon) und Augsburg (Tannberggebiet und Teile des Kleinwalsertales). Erst mit der Errichtung eines eigenen Generalvikariats der Diözese Brixen 1819 verloren sie ihren kirchlichen Einfluss.191 Die gedruckten Quellenbelege für den Vorarlberger Liederschatz der Sonnleithner-Sammlung aus den Offizinen in Augsburg und Konstanz weisen einen starken regionalen Bezug auf: Die älteren dort gedruckten geistlichen Liederbücher wurden nachweislich hier verwendet, stammen sie doch aus Vor188 Zitat nach Walter Deutsch, in: P etermayr 2006, S. 9. 189 Sonnleithner-Sammlung in Oberösterreich siehe: P etermayr 2006. 190 Briem Wunibald (Red.), Brixner Diözesan-Gesangbuch mit Gebeten. Mit oberhirtlicher Approbation. Innsbruck 1903. 191 N iederstätter 2017, S. 156–157.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
arlberger Kloster- oder Pfarrbibliotheken und auch aus Privatbesitz.192 Der Wunsch, die Kirchenlieder, welche sich seit vielen Jahren erhalten haben, einzusenden, wurde von beiden Gerichten ausnahmslos erfüllt. Beinahe alle Texte weisen ein hohes Alter auf. Weit zurück reicht die Tradition von „Christus ist erstanden“ (S 4 und S 16), ein Lied, das sowohl in Lustenau als auch im Montafon und später noch in Rankweil/Batschuns in ähnlicher Weise gesungen wurde. Zu den ältesten Liedern gehört „Reich und arm“ (S 2), das Jacob Straub 1613 in Konstanz publizierte und das sich lange in der kirchlichen Gesangstradition halten sollte. Bemerkenswert ist, dass die Texte von mehr als der Hälfte der zehn an die Gesellschaft der Musikfreunde abgelieferten geistlichen Lieder (S 1 bis 4 aus Lustenau und S 13 bis 15 aus dem Montafon) sich in einem Augsburger Gesangsbuch, das bei Maria Magdalena Endelin 1755 erschienen ist und das Lieder für Wallfahrten sowie Messgesänge vor und nach der Predigt enthält, wiederfinden. Einige Lieder wurden von nahe gelegenen Druckanstalten publiziert. Als Beispiele sind die Offizin Brentano in Bregenz (spätes 18. Jahrhundert) sowie Reth in Kaufbeuren (1761) anzuführen. Der Handel mit Liederbüchern gehörte zu den Agenden der Buchbinder, die es in den Städten gab. Zu ihrem Unmut bewegten sich auch Privatpersonen nachweislich in diesem Metier.193 Inwiefern Flugschriften als Vermittler geistlicher Lieder infrage kommen, bedarf noch einer näheren Abklärung. Diese Medien wurden gerne in Wallfahrtsorten und an Markttagen verkauft. Tschagguns gehörte neben Rankweil und Bildstein zu den ausgewählten Marienwallfahrtszielen, daher lässt sich auch der Verkauf von Liedflugblättern mit relativer Sicherheit annehmen. Schwäbinnen boten auf Schweizer Jahrmärkten Liedflugblätter an – warum nicht auch in Vorarlberg?194 Die weltlichen Lieder entsprechen ganz dem Moralverständnis der Zeit und vermitteln das Bild einer beschaulichen, bürgerlichen Biedermeierkultur. Derbe oder erotische Inhalte sind nicht dabei. Der Zweck, die „Erhebung des Volkscharakters“, wie es seitens der Obrigkeit gewünscht wurde, ist mit dieser Sammlung nicht erfüllt. Aus Lustenau wurden fünf geistliche und vier weltliche Lieder eingesandt, die Themenauswahl ist ausgewogen und handelt im profanen Bereich von Geselligkeit, Liebe, Abschied und Erzählung. Die geistlichen Lieder stehen eng in Zusammenhang mit dem Jahresfestkreis und besonderen Anlässen: Advent/Weihnachten, Fasten/Ostern sowie das Marienlob. Es zeigt sich hier ein besonderer Zug des Lustenauer Volksgesangs, der bis in die jüngste Vergangenheit erkennbar ist: die Marienverehrung (Maria, du Himmelskönigin) und eine Vorliebe für erzählende, oft sentimentale Schöpfungen (u. a. Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten).195 Der Schwerpunkt im Montafon liegt dagegen auf dem geistlichen Lied. Zwei Kirchenlieder sind bereits aus Lustenau bekannt (Christus ist erstanden, Aus Lieb verwundter Jesu mein). Es gibt auch geistliche Erbauungslieder, deren Funktion außerhalb der Liturgie im Bereich der Christenlehre gelegen sein dürfte. Von den drei gelieferten „Volksgesängen“ kann nur einer tatsächlich als weltlicher eingestuft werden: „Juhe! ich bin ein Biedermann“, ein Lied vom braven Bürger, der unbeirrt geradlinig seinen Weg beschreitet. Weizeneggers Einsendungen, die als älteste Belege gelten können, sind keine Melodien beigegeben. Sie sind in einem mittelalterlichen Dialekt abgefasst und beziehen sich inhaltlich auf die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, den Habsburgern und dem Schwäbischen Bund im 15. Jahrhundert (dem sogenannten „Schwabenkrieg“). 192 Sie befinden sich heute in der Sondersammlung der Vorarlberger Landesbibliothek (Stiftsbibliothek). 193 Mehr dazu in VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 91, Nr. 6477 (1845). Ein darin enthaltenes Schreiben bezieht sich auf die Klage eines Buchbinders gegen einen Tierarzt, der ohne Berechtigung mit Büchern und Notenbüchern handelte. 194 T obler 1917, S. LXXXI. 195 Zum Lustenauer Liederschatz ist die engagierte Sammeltätigkeit der Lustenauer Musikerin Pauli Hofer zu nennen, die ihre Ergebnisse nicht nur in die volksmusikalische Sammlung (Volksliedarchiv) des Vorarlberger Landesarchivs einbrachte, sondern auch in zwei Publikationen vorstellen konnte.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Melodien von Nationaltänzen sind in der Sammlung spärlich vertreten. Die in der gesamten Region verbreiteten und bei gewöhnlichen Tanzgelegenheiten üblichen „Schweizer“ und „Allgäuer“ Tänze, sowie „Hopser“ und „Roncker“ (Rongger) schienen manchen Sammlern zwar nicht aufzeichnungswert, werden aber im Schriftverkehr der Beamten erwähnt. Hinter diesem Verweis auf die Tänze der Nachbarschaft verstecken sich dennoch interessante Informationen. Figurentänze wie „Drei lederne Strümpf“ und „Die sieben Sprünge“ wurden im gesamten alemannischen Raum, insbesondere im Allgäu und in der Schweiz getanzt und waren um 1800 besonders aktuell. Waren sie gemeint? Notenmaterial zu den beiden Tänzen fand sich im Montafon. Aufzeichnungen von „Rongger“ und „Gibele gäbele“ („En offi, en ahi“) finden sich dagegen in der später im Buch besprochenen Strolz-Handschrift unter dem Titel „Montafoner Nationaltänz vulgo Rongger oder emd ahi“.196 Als Rundtänze galten „Jucker“, „Springer“ und „Hopser“. Letztgenannter, ein schnell hüpfender Paartanz im Zweivierteltakt, wird zwar in Dornbirn erwähnt, Noten dazu gibt es in der SonnleithnerSammlung jedoch nicht. Raimund Zoder sieht ihn als einen Vorläufer des „Schottischen“ und der „Polka“. Er vermutet hinter einer von August Schmitt in den 1920er Jahren aufgezeichneten „Sauteuse“ aus Rankweil eine „echte Hopser-Melodie“, gibt aber dazu keine nähere Begründung an. Ein „Hopser aus Rankweil“ taucht bei Korda/Klier 1959 auf, leider verzichteten die Herausgeber auf Quellenbelege. Diese Komposition weist jedoch in die Mitte des 19. Jahrhunderts.197 Die Schweizer Tanzmusikforscherin Hanny Christen fand mehrere „Hopser“ unter anderem im Appenzell und in Graubünden.198
Abb. 41: Beispiel eines Hopsers aus dem an das Montafon angrenzende Graubünden/CH
Die genaue Definition dieser Tänze erweist sich als schwierig. Ob der „Hopser“ mit dem Montafoner „Springer“ gleichzusetzen ist, konnte mangels Vergleichsmöglichkeiten aus der Region bisher nicht geklärt werden.
196 Mehr zur Handschrift Strolz später im vorliegenden Buch. 197 Z oder 1947, S. 310-313; K orda /K lier 1959, S. 4–5. 198 C hristen 2002, II, S. 374, 377, 378 sowie C hristen 2002, III, S. 357.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Den „Jucker“ kannte man im Appenzell als schnellen Tanz.199 „Jucken“ ist zwar der alemannische Ausdruck für „springen“, dennoch scheint eine Abgrenzung vom „Springer“ vorzuliegen. In der Sonnleithner-Sammlung gibt es zwei Tanzmelodien für „Jucker“ und „Springer“. Sie unterscheiden sich auch formal. Namentliche Bezeichnungen der einzelnen Musikstücke gibt es lediglich aus dem Montafon. Aus Lustenau werden fünf „Nationaltänze“ eingesandt, ohne weitere Hinweise zum Tanzanlass und ohne Angabe einer näheren Tanzbezeichnung. Eine regionale Besonderheit bei den Montafoner Tänzen ist ihre harmonische Eigenständigkeit. Sie folgen zwar über weite Strecken dem einfachen Harmonieschema: Grundtonart mit dem Wechsel von Tonika und Dominante, wagen aber auch im zweiten Teil einen Ausflug abseits der Ausgangstonart in die Tonart der Dominante (Beispiel: Jucker, Springer, Nationaltanz Nr. 4). Im Hintergrund ist hier noch deutlich eine Bordun-Begleitung zu erahnen.
Anmerkungen zur Edition: Da für das vorliegende Buch nicht nur die Lieder und Tänze der Sonnleithner-Sammlung, sondern auch von weiteren überlieferten Handschriften aus Vorarlberg miteinbezogen wurden, erbot es sich, den einzelnen Nummern ein Buchstabenkürzel voranzustellen: hier „S“ (für Sonnleithner). Die Lieder und Tänze, welchen die Nummern S 1 bis S 10 zugewiesen wurden, können der Region um Lustenau zugeschrieben werden, S 13 bis S 23 kommen aus dem Montafon. Die beiden historischen Lieder S 11 und S 12 sind aus der Feder des geistlichen Historikers Weizenegger. Die Reihung folgt der Liste von Deutsch/Hofer. Bei den Montafoner Tänzen (S 20 bis S 23) erbot es sich, die Nummerierung neu anzulegen. Der Versuch, Texte mit Melodien in moderner Notenschrift darzustellen, erwies sich zum Teil als besonders mühsam. Nicht immer ist die Überlieferung von Melodie und Rhythmus verständlich. Insbesondere die unterschiedlichen Schreiber der Montafoner Aufzeichnungen neigen musikalisch zur Fehleranfälligkeit. Rhythmus, Melodieverlauf, Tonart und Textunterlegungen mancher Niederschriften sind ungenau und lassen die Schwierigkeiten erkennen, mit denen die Schreiber einst zu kämpfen hatten. Es zeugt aber auch davon, dass hier wohl eine mehrjährige mündliche Tradition vorlag und nicht aus gedruckten Noten abgeschrieben wurde. Für das vorliegende Buch wurde zur besseren Lesbarkeit versucht, die den Melodien unterlegten Texte der ersten Strophe in zeitgemäßer Form wiederzugeben sowie deutliche Unklarheiten oder kleine erkennbare Fehler zu korrigieren. Die anschließenden Textstrophen folgen dem Original, die Groß- und Kleinschreibung wurde jedoch, wie bei allen anderen Zitaten im Buch, den heutigen Regeln angepasst. Sofern es sinnvoll schien, wurden auch am Notenbild kleine Korrekturen vorgenommen, im Kommentar wird darauf explizit hingewiesen. Den Liedern wird ein Kommentar beigegeben, der Informationen zur Liedgeschichte, zu den Autoren und zu weiteren regionalen Belegen bietet. Gedruckte Belege, die nachweislich aus Vorarlberger Bibliotheks- und Archivbeständen stammen, werden unter den regionalen Belegen angeführt, weitere finden sich bei den gedruckten Quellen und der Forschungsliteratur. Kurzangaben sind im Literaturverzeichnis entschlüsselt.
199 Zu den Appenzeller Tänzen siehe: Tobler 1904, S. 12.
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S 1 Adventlied
1. Ach mein Seel! Fang an zu singen, sing so viel dir möglich ist. Laß dein Stim[m] vor Freuden klinglen; dan[n] die Zeit ganz trostreich ist. Das was wir schon lang verhof[f]et, machet uns der Freuden voll; weil itzt uns der Him[m]el offen, und Messias kom[m]en soll.
4. Ach Maria! Nicht verschre[c]ke, ab der neuen Botschaft mein; dich zu Gottes Ordnung schi[c]ke, gieb nur deinen Willen drein. Du vor allen wirst erkoren, du die neue Eva bist, und die Gnad, so wir verloren, nun mehr wieder gfunden ist.
2. Siehst du nicht ein Engel fliegen, aus des Him[m]els Wolken her; vor der zarten Jungfrau biegen, bringt von Gott ihr neue Mähr. Ave spricht er voll der Gnaden, sey gegrüßt Maria rein! Freundlich thu ich dich einladen, Gottes=Mutter sollst du seyn!
5. Sieh ich bin ein Magd des Herren! Mir gescheh nach deinem Wort! Weil mich Gott so viel geehret200 macht es kund an allem Ort Eil mein Heiland! Eil herunter! Da ich schier vor Lieb zerschmach[t], und mein Geist springt auf vor Wunder, hiebei ist Gottes Macht!201
3. Sag mir, Engel, sag mir eben, wie doch dies geschehn kan[n]? Wie soll ich mich drein ergeben, Da ich doch erken[n] kein Man[n]? Kan[n] ein Jungfrau Mutter werden, und gebähren auch ein Kind? Auf der weit und breiten Erde, Nichts dergleichen ja man findt.
Text: Dichter unbekannt Musik: Johann Michael Mettenleiter (1791–1859)?
200 „Geehret“ von zweiter Hand korrigiert, ursprünglich hieß es „in Ehren“. 201 Letzte Zeile wurde korrigiert, der ursprüngliche Text wurde von Pfarrer Rosenlächer überschrieben.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Josef Bitsche vermerkt zu diesem Lied am 14. März 1962: [Landesarchivar] Dr. L[udwig] Welti erkennt in den Korrekturen die Handschrift des Lustenauer Pfarrherrn Rosenlächer, dann dürfen, der Schrift nach zu urteilen, die Lieder 1–9 aus Lustenau stammen.
Nach Textvergleichen kann heute Weltis Einschätzung bestätigt werden. Handschriftliche Textaufzeichnungen des Liedes gibt es im deutschen Sprachraum bereits im 17. Jahrhundert. (C lassen 2002). Linzer Flugschriften förderten um 1720 deren Verbreitung. Der Text und andere Melodievarianten sind seit dem 18. Jahrhundert österreichweit bekannt und wurden unter anderem im Salzkammergut (B löchl 2000) und in Südtirol/Enneberger Ladiner (W allner 1970) gesungen. Des Öfteren gibt es dabei einen anderen Liedanfang, wie z. B. „Auf, mein Seel, fang an zu singen“ (H ois /D eutsch 1995). Die aus Lustenau bekannte Melodie fand Alfred Quellmalz in Südtirol, jedoch mit einem anderen Text: „Wo ist Jesu mein Verlangen“ (Q uellmalz 1976). Die bekannten Vorarlberger Belege beschränken sich auf das untere Rheintal. Der Text des Adventliedes findet sich auch in einem handschriftlichen Gesangbuch für die Pfarre Fussach, das zwischen 1823 und 1839 geschrieben wurde. Die Vorarlberger Fassung dürfte vor allem im schwäbischen Raum bekannt gewesen sein. Im Augsburger Katholischen Gesangbuch von 1755 findet sich der Text mit geringfügigen Abweichungen, doch leider ohne Melodie. Hier gibt es noch eine sechste Strophe, die in Lustenau fehlt: 6. Freuet euch mit mir, all Geschlechten, Freuet euch alle, klein und groß, Weil die Wolke den Gerechten, Geben in Marias Schooß, [=Schoß] Laß uns preyse[n], Ehr beweisen, Der so reinen Mutter werth, Wird gebähren Gott den Herrn, Und doch bleiben unversehrt.
Ein bemerkenswerter Beleg mit Melodie findet sich auf der Rückseite eines handschriftlichen Notenblattes, das ein „Ave Maria“ von Johann Michael Mettenleiter (1791–1859)202 aus dem Jahre 1822 enthält und das über viele Jahre hinweg in der Bibliothek seines Dienstherren, Fürst Ludwig von Oettingen-Wallerstein, auf Schloss Harburg in Schwaben verwahrt wurde. Heute befindet es sich in der Universitätsbibliothek Augsburg. Der Schreiber notierte darauf ein „Volkslied im Advent“, das große Ähnlichkeiten mit der Lustenauer Fassung von „Ach mein Seel“ zeigt. Leider liegt davon nur die Altstimme vor.203 Ob Mettenleiter nun auch für diese Weise als Komponist infrage kommt, konnte bislang nicht nachgewiesen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Textlich gibt es mit der Vorarlberger Aufzeichnung große Übereinstimmung. Lediglich in der fünften Strophe weicht er etwas ab, wenn es heißt: „weil mich Gott so hoch will ehren“ und „so Gott zu mir hat gemacht“; eine sechste Strophe, mit der die Aufzeichnung im Augsburger Gesangsbuch schließt, fehlt. Melodisch passt sich diese zweite Stimme an die Vorarlberger Fassung an, eine gemeinsame Vorlage ist somit nicht anzuzweifeln.
202 Der Württemberger Komponist Johann Michael Mettenleiter wurde in der Benediktinerabtei Neresheim ausgebildet, war später hier Lehrer und Organist und nach 1820 Lithograf und Hofmusiker des Fürsten Ludwig in Wallerstein bei Nördlingen/Stuttgart. Mehr dazu siehe im Bayerischen Musiklexikon: URL: http://bmlo.de/m0635 (Zugriff: 5. 1. 2022). 203 Siehe dazu: H aberkamp 1976, S. 131. RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 450025212: Text- und Melodie-Incipit der Altstimme.
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Abb. 42: Die Rückseite eines „Ave Maria“ von Johann Mettenleiter (1791–1851), Universitätsbibliothek Augsburg, OettingenWallersteinsche Bibliothek, HR III HR 4.1.2.4. 652
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, fol. 1v-2v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958) sowie Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche, 14. 3. 1962. VLA, Pfarre Fussach, 3/54, Gesangbuch für die Pfarrei Fussach, S. 1v (niedergeschrieben zwischen 1823 und 1839 von Benedikt Schneider204) (Text). K lier 1940, S. 325; B riem 1950, S. 10; V orarlberger V olksliedwerk 1998, S. 4–5.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: E ndelin 1755, (Text); S chmerber 1833, S. 3–5 (Text); Q uellmalz 1976, 3, S. 107 und S. 367 (Text und Melodie); B itsche 1969, S. 3; D eutsch /H ofer 1969, S. 73; W allner 1970, S. 11–12; H ois /D eutsch 1995, S. 84–85; G ünther 1997, S. 110; S chneider 1998, S. 26–29; B löchl 2000, S. 144–146; C lassen 2002, S. 268.
204 Es gibt in Fussach zwei Personen, die für diesen Zeitraum infrage kommen: Der Fuhrmann und Nebenerwerbsbauer Benedikt Schneider (1766–1843) oder dessen Sohn Benedikt (1797–1840).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
S 2 Weihnacht[s]lied
1. Reich und Arm sollen fröhlich seyn, an diesem heiligen Tag. Uns ist gebohren ein Kindelein, das alle Ding vermag; Dazu es heilig ist, sein Nam heißt Jesu Christ, um unser aller Missethat, vom Him[m]el kom[m]en ist.
4. Orient es war, doch nicht so weit, es war dort offenbar, den Hl. drey Königen zu dieser Zeit, wie Christus gebohren war: Mit Opfer kamen sie dar, das Kindlein nahmens war, sie brachten Gold, Weihrauch, Mirrhen, Dazu die beste Wahr.
2. Von einer Jungfrau rein und zart, ihr Nam Maria ist, wie solches ist ganz offenbar, es uns gebohren ist, ohn allen Schmerz und Pein, das selbig Kindelein, vom Himmel herab empfangen war, Dem heil’gen Geist ein Schein.
5. Laßt uns mit reichem Schalle, dem Kindlein sagen preis, daß es von Adams Falle, erlößt mit ganzem Fleiß: Von Teufels Macht u[nd] Gewalt, erlößt hat Jung u[nd] Alt, u[nd] wiederum erlanget hat das ewig Vaterland.
3. O Mensch gedenk wie Jesus Christ, so gar ohn alle Steur [=Streu], zu Bethlehem gebohren ist, in einer alten Scheur [=Scheune]: Ward in ein Kripp gelegt, Wie uns die Schrift anzeigt, der doch der höchste König war, in der Welt weit und breit.
6. Zum Beschluß wöllen wir bitten, das schöne Kindelein, jtzt und zu allen Zeiten, Gott woll uns gnädig seyn, und auch barmherziglich, dazu gnädiglich, nach diesem wöll er uns verleihen, das ewig Himmelreich. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
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Seit dem frühen 17. Jahrhundert waren Drucke des Liedes in unterschiedlichen Varianten – auch mit dem Liedbeginn „Arm und reich“ – verbreitet, zudem scheint die Melodie weithin auch mit anderen Texten (meist mit Verweis „Im Thon von“) geläufig gewesen zu sein.205 In der Schweiz war es auch als „Legorenlied“ bekannt und somit Teil des weihnachtlichen Brauchtums. Verkleidete Personen, sogenannte Legoren, zogen dabei mit einem Stern zwischen Weihnacht und Dreikönig herum, begleitet von zwei Knaben, die Lieder sangen.206 Ein Absingen dieses Liedes beim Neujahrs- oder Sternsingen, ein auch in Vorarlberg geübter Brauch, ist bislang zwar nicht konkret nachgewiesen, aber durchaus vorstellbar. Mehrere handschriftliche Belege deuten darauf hin. Zu den ältesten gehört ein Handschriftenfragment, das einem neuen Zweck zugeführt wurde, nämlich mit anderen Liedfragmenten zur Einbandverstärkung des Codex 17 des Vogteiamtes Bludenz, einem Urbar der Herrschaft Bludenz für das Jahr 1620.207 In Bludenz, das bis ins frühe 19. Jahrhundert zur Diözese Chur gehörte, kann bereits 1578 ein Neujahrssingen der Schüler belegt werden.208 Somit ist auch hier ein Brauchbezug des Liedes um/vor 1600 vorstellbar.
Abb. 43: Fragment zu „Reich und arm“ aus Bludenz, um 1600, VLA Musiksammlung, Schachtel Fragmente 1, o. S.
1613 erschien bei Jacob Straub in Konstanz ein „Catholisch Gesangbüchlein bey dem Catechismo an fürnehmen Festen in Processionen /Creutzgängen […]“. „Reich und arm“ findet sich darin in seiner vermutlich ursprünglich sechsstrophigen Fassung.
205 B äumker 1911, S. 36. 206 T obler 1917, S. 177–178. 207 Die Fragmente wurden bei einer Restaurierung abgelöst und werden separat aufbewahrt. Der Bestand „Vogteiamt Bludenz“ befindet sich im Vorarlberger Landesarchiv. 208 T schaikner 1996, S. 236.
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Abb. 44: Aus: Catholisch Gesangbüchlein […] getruckt zu Co[n]stanz am Bodensee bey Jacob Straub 1613. S. 68. Bayerische Staatsbibliothek, Liturg. 486d
Die Traditionsregion der Sonnleithner-Fassung um Lustenau gehörte über mehrere Jahrhunderte zur Diözese Konstanz, Vorarlberger Studenten absolvierten dort ihre Studien, durch die engen Beziehungen des Konstanzer Klerus zu den Grafen von Hohenems gab es einen regen Austausch von musikalischen Kräften.209 Folglich dürfte das Konstanzer Liederbüchlein auch hier in dieser Grafschaft in Gebrauch gewesen sein. Eine handschriftliche Textaufzeichnung aus dem 17. Jahrhundert gibt es aus der näheren Umgebung, aus Götzis. Sie zeigt lediglich eine kleine Abweichung in der sechsten Strophe: […] das schöne Khindelein Jetzo undt zu allen Zeiten, Daß uns wöllen gnädig sein Undt uns barmhertziglich Allen gnädiglich, Nach diesem wöl[l]e vorleihen, Das Ewig Himmelreich Amen.
Dem Schreiber für die Sonnleithner-Sammlung dürfte die Niederschrift nicht leichtgefallen sein. Die Hörgewohnheiten seiner Zeit sind bereits fest im Dur-Moll-System verhaftet. Die in der Fassung von 1613 eine Quint nicht überschreitende Melodie wird hier umspielt und somit auch der Tonumfang erweitert. Unregelmäßige Vorzeichensetzungen bei der Niederschrift lassen den Schluss zu, dass hier eine stark zersungene Gesangsweise vorliegt. Auch versucht der Schreiber, die auf Modalrhythmik basierende, mündlich tradierte Melodie in ein modernes Taktschema zu pressen und gibt einen Dreivierteltakt vor. 209 Zum Musikleben in Hohenems siehe B ösch -N iederer 2002.
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Auch der evangelische Pfarrer von Bregenz und Volksliedforscher Helmuth Pommer (1883–1967) versucht eine Anpassung an das moderne Taktschema (geradtaktig mit Auftakt!), transponiert die Melodie, hält sich tonal und auch textlich aber an die Konstanzer Fassung von 1613. Pommer publiziert „Reich und arm“ 1924 mit einem vierstimmigen Satz für gemischten Chor (Satz: Friedrich Axenfeld), nimmt jedoch nur drei Strophen (1, 2, 5) auf. In der zweiten Strophe heißt es bei ihm „das selbige Kindelein“, „dem heilgen Geist ein Schein“, und in der fünften Strophe „das es von Adams Falle“. Nach Pommers eigenen Angaben war seine Vorlage eine Niederschrift des Tiroler Lehrers und Volksliedsammlers Alfons Schlögl (1886–1926), der diesen „uralten gregorianischen Choral“ aus einer nicht näher genannten Liederhandschrift abgeschrieben und dem Leiter des Arbeitsausschusses für Tirol/Vorarlberg des Österreichischen Volksliedunternehmens, Josef Eduard Wackernell (1850–1920), nach Innsbruck übersandt haben soll. Schlögls Vorarlberger Aufzeichnungen aus den Jahren 1907 bis 1919 sind leider verschollen, und so bleibt es ungeklärt, ob er eine weitere Fassung kannte oder eine Abschrift aus der Sonnleithner-Sammlung anfertigte und dabei auch Abänderungen zuließ.
Abb. 45: „Reich und arm“, publiziert von Helmuth Pommer 1924
1940 wurde das Lied von Karl Magnus Klier in seine Sammlung „Weihnachtslieder und Hirtenspiele aus Tirol und Vorarlberg“ aufgenommen. Der Herausgeber hält sich dabei nicht an Pommers Aufzeichnung, sondern an das Original der Sonnleithner-Sammlung:
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Abb. 46: Karl M. Klier, Weihnachtslieder und Hirtenspiele aus Tirol und Vorarlberg, Klosterneuburg 1940
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, fol. 4v–5r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 5 bis 7, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. LHS 047, anonyme Liederhandschrift aus dem 17. Jahrhundert, vermutlich aus Götzis, fol. 15r–17r (nur Text). P ommer 1924, S. 11–13; K lier 1940, S. 328–329; V orarlberger V olksliedwerk 1981, S. 84.
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Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: S traub 1613, S. 68–70 (Text); E ndelin 1755 (Text); Drey schöne andächtige / Weihnacht-Lieder / Das Erste […] / Das Ander: Reich und Arm sollen frö[h]lich seyn / an di[e]sem heiligen Tag / uns ist geborn etc. [Flugschrift, unbekannte Herkunft, in der Sammlung Kotek, Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des ÖVLW, ÖC, Kotek 5] (Text); B äumker 1862, Nr. 95; T obler 1917, S. 77–78; S chmidt 1970, S. 191, S. 207, S. 210 (Liederwähnung); H ois /D eutsch 1995, S. 445; B löchl 2000/1, S. 273–275, S. 433–436 (mit ausführlichen Belegangaben); H olz apfel 2018, Lieder A–K.
S 3 Fastenlied
4. Gleich wie ein Hirsch zum Wasserquell, in vollem Lauf sich sehnet, schnell mit gleichem Durst seufts ich zu dir, ach Jesu, Jesu kom[m] zu mir. Jesu dein Gott […]
1. Aus Lieb verwundter Jesu mein, wie kann[n] ich dir gnug dankbar seyn, Wollt wünschen ich kön[n]t lieben dich, wie du allzeit geliebet hast mich. [Refrain:] Jesus dein Gott im Sakrament, sag Lob und Dank bis an das End, Maria auch die Jungfrau rein, soll allezeit gepriesen seyn. 210
5. Ich kann[n] zwar nicht gnug dankbar sein, für diese Gnad o Jesu mein, noch preisen deine Heiligkeit, noch loben gnug dein Gütigkeit? Jesu dein Gott […]
2. Mir giebst dich auf eine Weis, o grosser Gott zu einer Speis, von meinetwegen machst dich klein, wie kön[n]t dein Lieb noch grösser sein. Jesu dein Gott: […]
6. Wan[n] ich schon tausend Leben hätte, u[nd] alle für dich geben thät, wär dieses nur ein schlechtes Ding, u[nd] gegen deine Lieb zu gering? Jesu dein Gott […]
3. Ach kom[m] zu mir ich bitte dich, mit deiner Lieb erqui[c]ke mich, mein Seel nach Jesu dürstet sehr, o dass ich dessen würdig wär? Jesu dein Gott […]
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
210 Vor den Strophenbeginn setzt der Schreiber ein Zeichen, das an ein „F“, erinnert. Es deutet darauf hin, dass auch der Refrain nach derselben vierzeiligen Melodie gesungen wurde.
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Im 18. und 19. Jahrhundert taucht das Lied in mehreren geistlichen Drucken auf und wird auch als „Liebes-Seufzer“ oder „Anmuthung“ des im Jahre 1671 heiliggesprochenen Jesuiten Francesco de Borgia (Francisco de Borja, 1510–1572) bezeichnet. Dieses Fastenlied gehört zu den ältesten Zeugen dieser Gattung in Vorarlberg. Die älteste handschriftliche Textaufzeichnung stammt bereits aus dem frühen 18. Jahrhundert aus Egg im Bregenzerwald. Der auf einem Blatt verfasste Text „Liebesseüfzer des H. Franc. Borgid“ zeigt sich kaum verändert, lediglich in Strophe drei heißt es: „… mit deiner Gnad erquicke mich“. Doch ist der Gesang um drei Strophen erweitert: [7.] Kann ich nit lieben nach Gebühr O hö[c]hstes Gueth verzeih es mir So will ich lieben was ich kann[n] Wo nit das Leben spannen dran Jesu dein Gott […]
[8.]
Nach Gott sollst du o Jungfrau rein Zu lieben mir die Nechste [=Nächste] seyn. Von deiner Lieb lass ich nit nach Bis ich ein End des Lebens mach. Jesu dein Gott […]
[9.] Die Brust alsdann zeig deinem Sohn Daß er durch dein Bitt mir verschon Daß ist der Seel ihr größtes Gueth Vermisch dein Milch mit seinem Blueth. Jesu dein Gott […]
Für die Verbreitung sorgte weitgehend der Religionsunterricht, dem geeignete Hilfsmittel aus der Region zur Verfügung standen: Gesang- und geistliche Übungsbücher (1761 gedruckt bei Reth in Kaufbeuren, 1798 gedruckt bei Brentano/Bregenz). Auch Flugblattdrucke kommen als Vermittler infrage. Von einer weitreichenden Popularität des Liedes sprechen Varianten, die noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts im niederösterreichisch-steirischen Wechselgebiet im Liedrepertoire zur Totenwache gefunden werden konnten (S ieder /D eutsch 2014). Die vorliegende Niederschrift scheint nach einer zersungenen, aus langjähriger Tradition sich entwickelten Variante erfolgt zu sein und ist rhythmisch fehlerhaft. Es gibt neun Takte; unglücklich gesetzte Taktstriche und eine falsche Pauseneintragung im zweiten Takt zeugen von einer dies bezüglichen Unsicherheit des Schreibers. Eine zweite Vorarlberger Aufzeichnung für die SonnleithnerSammlung aus dem Montafon unter dem Titel „Volkslied vom Allerheiligsten Altars=Sakrament“ (siehe S 15 im vorliegenden Buch) bringt diesbezüglich mehr Klarheit. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, fol. 4v–5r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 8 bis 9, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. VLA, Pfarrarchiv Egg, Beiblatt zu Handschrift 7 (nach 1721), fol. 4r (Text). VLB, Sondersammlungen: VD Brentano 1798, Der heilige Gesang zum Gottesdienst in der römisch-katholischen Kirche. Mit einem Anhang von […] nebst Vespergesänge[n]. Bregenz: Brentano 1798, S. 143, (Text). THP 470–1, Tägliche Missions-Erneuerung, Oder auserlesene Geistliche Übungen Eines Recht Christlichen Lebenswandel[s]. Nach Anleitung Der Apostolischen Mission in Schwaben: Einem jeden frommen Christen leicht, und nutzlich zu gebrauchen. Druck: Reth, Kaufbeuren, 1761, S. 217 (Text). V orarlberger V olksliedwerk 1981, S. 90 (geringfügige Variante).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Fünf schöne geistliche Lieder. | 1. Aus Lieb verwundter Jesu mein [Liedflugschrift mit dem Text, ohne Ortsangabe, um 1800], Berliner Liedflugschriften VD 18 (Digitalisat Staatsbibliothek Berlin); E ndelin 1755 (Text); B äu mk er 1891, S. 198; B äumker 1911, S. 547; S ieder /D eutsch 2014, S. 91–93.
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S4
Osterlied
1. Christus ist erstanden, von der Marter allen, des sollen wir alle froh sein, Christ wöll unser Trost sein. Alleluia.
4. Es gingen drei h[ei]li[ge] Frauen, sie wolltens Grab beschauen, und da sie kamen zu dem Grab, so war der steinige Felsen drab, All[el]uia.
2. Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen, weil er aber erstanden ist, so lobens wir Jesu Christ. Alleluia
5. Maria die viel Zarte, sie ging in Rosengarten; sie ging in Regen u[nd] auch Wind, sie sucht wohl ihr, das liebste Kind. Alleluia.
3. Er ist erstanden wa[h]rlich ist erstanden klarlich. er ist erstanden freudenreich, der aller Welt ein Tröster ist. Alleluia.
6. Maria die viel Reine, sie hat so heiß geweinet, um unseren lieben Herrn Jesus Christ, der am Kreuz gestorben ist. Alleluia.
7. O du heiliges Kreuze, behüt uns Christenleute, dass die Falschen werden sich bekehrn, so wird der Christliche Glaube gemehrt. Alleluia. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
„Christ ist erstanden“ ist eines der ältesten bekannten deutschen Kirchenlieder mit einer mehr als fünfhundertjährigen Tradition. Mit Neumen-Notation findet sich der Text der ersten Strophe in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts aus Klosterneuburg. Seit dem 15. Jahrhundert sind mehrstrophige Fassungen überliefert. Die Verbreitung erfolgte über Flugschriften, Gebrauchs- und Kirchengesangsbücher (F ischer 2007). Als „Das gmein Ostergsang“ werden drei Textstrophen ohne Melodie 1540 bei Froschauer in Zürich unter Mitarbeit von Priestern der Diözese Konstanz in ein gedrucktes Gesangbuch aufgenommen:
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Christ ist erstanden / von der Marter allen / Des soellend wir alle fro syn / Christ sol vnser Trost syn. Alleluia. Vnd wer er nit erstanden / so waer die Waelt zergangen / So er aber erstanden ist / so helff vns der Herr Jesus Christ. Alleluia. Erstanden ist der heilig Christ / der aller Waelt ein Tröster ist. Alleluja / Alleluia / Alleluia /Alleluja.
Hier wurde die Bekanntheit der Melodie vorausgesetzt, der Notendruck fehlt. Er findet sich dagegen nur wenige Jahre später, 1567, im Liederbuch des Johann Leisentrit als „Ein Lobgesang auff Ostern“. Leisentrit überliefert eine weitere Textversion, die er als „Ein anders gar aldes / auff die vorige Melodey“ angibt, mit sieben Strophen. Knapp zwei Jahrhunderte später bringt das Augsburger Gesangbuch von 1755 „Christ ist erstanden“ mit sechs Strophen. In dieser Fassung ist die Strophenanordnung leicht verändert. In Strophe zwei heißt es: „und seid dass er erstanden ist“, Strophe drei wird – wie auch bei Leisentrit – ausgelassen („Er ist wahrlich auferstanden“); es schließt die Strophe der drei heiligen Frauen an: Es gingen drei heilige Frauen Sie wollten das Grab beschauen: Sie suchten den Herrn Jesum Christ, der aller Welt ein Tröster ist.
Als vierte Strophe folgt bei Leisentrit „Maria die viel reine“ mit Textabweichung: „um unsern Herrn Jesum Christ, der aller Welt ein Helfer ist“. In der fünften Strophe heißt es: Maria die viel zarte, Du bist der Rosen-Garte, Den Gott der Herr selber gezieret hat, Mit seiner göttlichen Majestät.
Die Schlussstrophen sind beinahe textlich ident, die Ungläubigen werden zu Falschen. Bislang konnte in den bekannten Editionen keine idente Fassung zu den Vorarlberger Varianten gefunden werden, somit lässt sich dahinter eine regionale Entstehung vermuten. Anders als in den genannten Publikationen heißt es in Vorarlberg einheitlich „Christus ist erstanden“. Die Sonnleithner-Sammlung enthält zwei Versionen des Liedes (S 4 und S 16). Beide Aufzeichnungen zeigen große Übereinstimmungen, das dorische Tongerüst wird melodisch umspielt. Textlich gibt es lediglich in der Anlage und Anzahl der Strophen Unterschiede. In Lustenau sind es sieben Strophen, während die Montafoner Fassung sich mehr an den Augsburger Druck mit sechs Strophen hält (Siehe dazu später im vorliegenden Buch!). Aus Batschuns/Rankweil liegt eine handschriftliche Fassung vor, die vermutlich dem dort tätigen Lehrer und Organisten Johann Michael Rheinberger (1739–1812) zur Verfügung stand. Die ersten beiden Strophen wurden dreistimmig (S, A, B) niedergeschrieben, weitere Strophen fehlen. Die Melodie dürfte auf eine gemeinsame Vorlage mit der Lustenauer Niederschrift zurückgehen, die Abweichungen sind geringfügig. Auch hier wird das melodische Gerüst der ursprünglichen Fassung umspielt. Bemerkenswerterweise taucht der Lustenauer Text mit wenigen Abweichungen um 1929 bei Forschungen in Ebnit auf, einem kleinen Marienwallfahrtsort in den Bergen oberhalb von Dornbirn/ Hohenems, der, wie Lustenau, bis ins 19. Jahrhundert zur Diözese Konstanz gehörte.211 Leider ist die Melodie nicht mitüberliefert. Es gibt noch weitere Textstrophen. Eine davon ist ortsbezogen; die kleine Wallfahrtskirche war der Heiligen Maria Magdalena geweiht, die hier angesprochen wird.
211 Beide Gemeinden waren Teil der Diözese Konstanz.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 47: Handschriftliche Aufzeichnung aus Batschuns, VLA, Musiksammlung, SAAH 01/008
1. Christus ist erstanden Von seiner Marter allen, Des sollen wir alle froh sein, Christ woll unser Troste sein. Alleluja.
5. Marie, die viel reine, Behüt uns allgemeine! Laß uns nicht ersterben, Laß uns Gott selig erwerben. [Alleluja.]
2. Und wär er nicht erstanden, So wär die Welt zergangen. So er aber erstanden ist, So loben wir den Herrn Jesu Christ. Alleluja.
6. Maria, die viel zarte, Sie ist ein Rosengarte, Den Gott selbst gezieret hat Mit seiner göttlichen Majestät. [Alleluja.]
3. Er ist erstanden wahre, Er ist erstanden klare, Er ist erstanden am heil[igen] Ostertag, Ein jeglich’s Mensch Gott loben mag. Alleluja.
7. Maria, Magdalena, süße, Sie wusch dem Herrn die Füße. Sie nahm ihre Haar und trocknet’s ihm ab Bis dass er ihr die Sünd vergab. [Alleluja.]
4. Es gingen drei heil[ige] Frauen, Sie wollten das Grab beschauen. Sie suchten den Herrn Jesu Christ, Der aller Welt Erlöser ist. [Alleluja.]
8. Jesus hat gesprochen Wohl in der großen Wochen: „O, Sünder, steh auf und bekehre dein Herz zu mir, Und alle deine Sünden vergib ich dir.“ Alleluja.
9. O, du heiliges Kreuze, Behüt uns Christenleute, Auf dass die Falschen werden auch bekehret, So wird der christliche Glaub’ vermehret. Alleluja.
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Das Vorarlberger Schulliederbuch „Klinge mein Lied“ bringt 1955 eine zweistimmige Version „Christ ist erstanden“ im Satz von Hans Sabel (*1913). Als Quelle geben die Herausgeber ein Schulwerk für Musikerziehung an, das beim Verlag Moritz Diesterweg in Frankfurt am Main erschienen ist. Somit scheidet sie als traditionelle Vorarlberger Fassung aus. In anderen hier gebräuchlichen Schulliederbüchern (Wirthenssohn, Wirthensohn/Geiger, Mair/Kirchl, Dawidowicz) wurde das Auferstehungslied nicht aufgenommen. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, fol. 5v–6r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription des Liedes durch Josef Bitsche 14.3.1962. M 31/I Ebnit, Konrad Schwab, Volkspoesie in Ebnit, Facharbeit 1929, S. 85 (Nr. 53) (Text). SAAH 01/008, Noten aus dem Bestand des Lehrers Johann Michael Rheinberger, Batschuns/Rankweil, 1.H. 19. Jh. VLB, SAMM-KISPE-00730, Bischöfl. Ordinariat Konstanz (Hrsg.), Christkatholisches Gesang- und Andachtsbuch / zum Gebrauche bey der öffentlichen Gottesverehrung im Bisthum Konstanz, Konstanz: Waibel 1812. E ls Ä sser /K raus 1955, S. 144–145.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: F roschauer 1540, S. 147 (Text); L eisentrit 1567 (1966), fol. 118v–120r; E ndelin 1755 (Text); B äumker 1886, Bd. 1, S. 502–510 (Nr. 242); E rk /B öhme 1893, III, S. 676; P rassl 2004, Nr. 99; S chmidt 1970, S. 282, S. 293, S. 388, S. 418 (Liederwähnung); K lusen 1981/2, S. 749 und S. 853; F ischer 2007, o. S.
S 5 Lied zur Mutter Gottes
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1. Maria du Him[m]els Königin! du Braut des heiligen Geists, du bist ein Trost der Sünderin, du bist die aller Reinst, du bist ein Lob des höchsten Gut im Him[m]el und auf Erd, wer dich eine Mutter rufet an, der wird gewiß erhört.
3. Wann dir der Tod das Leben abspricht, was willst du fangen an, eine Reu u[nd] Leid erwecken musst über alle deine Sünd, ein steifer Vorsatz muß es seyn, sonst wird’s dich nutzen nichts, u[nd] wann du kommst in Beichtstuhl ein, alldort du viel versprichst.
2. Du bist eine Jungfrau keusch und rein, ohne Erbsünd bist du gebohren, es loben dich alle Engelein im hohen Him[m]el droben, Gott hat dir allen Gwalt gegeben, er kann dir nichts versagen, es haben dich die Engelein, mit Leib und Seel in Him[m]l sanft getragen.
4. Und wann du kom[m]st ins Todtenbett, dir selbst nicht helfen kann[n]st, u[nd] wann die Seel scheidt von dem Leib, wer nimmt sich deiner an, u[nd] wann du kommst für Gottes=Gricht u[nd] Rechnungsschaft musst geben, von allen deinen Sünden und Missethaten, alle Stund von deinem Leben.
5. Mutter der Barmherzigkeit! itzt [=jetzt] bitte nur um das, daß ich auf der letzten Reis, bekomm ein guten Pass, u[nd] dass ich auf dem schmalen Weg, nicht aufgehalten werd, u[nd] dass wir dich ewig loben mögen, Im Him[m]el und auf Erd. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Maria als Himmelskönigin – die unbefleckte Empfängnis und Himmelfahrt Mariens sowie die Bitte einer „Sünderin“ um Beistand am Lebensende sind zentrale Aussagen dieses Liedes, das seit dem 18. Jahrhundert über Flugblätter auch im Bodenseeraum verbreitet wurde. Wallfahrtsorte boten für die Liedhändler eine lohnende Gelegenheit, ihre Waren anbieten zu können. Das Schweizer Benediktinerkloster Einsiedeln gehörte zu den bevorzugten Pilgerorten für Gläubige aus Vorarlberg. Dieses Kloster verwahrt in seinen Archivbeständen Abschriften aus Liedflugblättern, die Pater Gall Morell (1803–1872) angefertigt hatte. Doch auch in anderen Klöstern ist dieses Lied zu finden: „Ein schönes Lied von der Mutter Gottes – zu finden in Einsiedeln“ heißt es in einem Codex der Stiftsbibliothek Engelberg/CH.212 In Überlingen am Bodensee wurde noch 1909 folgende Textvariante in der ersten Strophe gesungen (Lachmann 1909): […] Dir gebühret Ehr und Lob Im Himmel und auf Erden, Wer dir anrufen tut, Der wird erhöret werden.
Singgelegenheit bot nicht nur die Wallfahrt, auch das Totenbrauchtum, wie es andere Varianten aus Österreich zeigen, die vermehrt im Osten gefunden wurden. Der älteste bislang bekannte Textbeleg kommt aus Brixen in Südtirol (Wallner 1970). Im 18. Jahrhundert gehörte „Maria, du Himmelskönigin“ in Vorarlberg zu den bekannten Marienliedern; darauf deutet ein Melodieverweis in einem Gesangsbuch des Bregenzer Druckers Joseph Brentano (1747–1819) aus dem Jahre 1792. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jahrhundert scheint das Lied in Vergessenheit geraten zu sein. Es wurde in den 1980er Jahren wiederentdeckt und von Verena Gillard-Fritz, Pauli Hofer und Erich Hollenstein für Chöre und kleinere Gesangsgruppen bearbeitet. 212 B enziger 1910, S. 27.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, fol. 6v–7v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. VLB, Sondersammlung: VD Brentano 1792/6, Geistliche Lieder, über Kreuzweg, Rosenkranz etc. zur andächtigen Betrachtung des Kreuzweges und verschiedener Geheimnisse der Religion; wie auch der seligsten Jungfrau Maria. Druck: Bregenz, Brentano 1792, S. 13, S. 28 (nur Melodieverweis). V orarlberger V olksliedwerk 1981, S. 94 (sowie mehrstimmige Sätze in den Chorbüchern zum Vorarlberger Liederbuch).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur:
S tiftsbibliothek E ngelberg , Sammelband A.30 Nr. 60; B ibliothek E insiedeln , Hs M 100, Einsiedelische Wallfahrts Lieder[,] aus einzelnen fliegenden Blättern abgeschrieben (zitiert nach Benziger 1910, S. 27); G abler 1884/1984, S. 604; L achmann 1909, S. 290; P löchl 2000, S. 185 (Liederwähnung); S teirisches V olksliedwerk 2002, S. 78–79; S ieder /D eutsch 2014, S. 286–289; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
S 6 Lied der wahren Freundschaft
1. Stimmt an den frohen Rund:Gesang mit Seitenspiel [=Saitenspiel] durchwebt! Wir singen ohne Kunst und Müh, die Freundschaft giebt uns Harmoni[e], die nicht an Regeln klebt, die nicht an Regeln klebt.
3. Und unsren Schwestern diesen Kuß, aus reinem Herz uns trieb; ein Thor verkleinert ihren Werth, wem Gott ein treues Weib beschert, gewiß den hat er lieb, [gewiß den hat er lieb.]
2. Den Friedensgruß entbiethen wir mit wahrer Lieb und Treu, der großen Bruderschaft; sie heißt: Die Menschheit! Nur ein Frevler reisst, das heilige Band entzwei, [das heilige Band entzwei.]
4. Der Mann der eine Krone trägt, beneiden wir sie nicht, wir segnen ihn u[nd] jauchzen laut, wenn er dem Elend Hütten baut, u[nd] Recht der Unschuld spricht, [und Recht der Unschuld spricht]
5. Wir gönnen jedem Glücklichen, des Reichthums goldnen Fund, er sey nicht stolz noch boch [= pocht] er drauf, das Glück geht unter und geht auf, sein Fußgestell ist rund, [sein Fußgestell ist rund.]
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Text: Gottlieb Samuel Bürde (1753–1831) Musik: Komponist unbekannt
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1796 erstmals im „Taschenbuch für Freunde des Gesangs“ erschienen, wurde die Dichtung von Samuel Gottlieb Bürde auch zwei Jahre später im „Vossischen Musenalmanach“ abgedruckt. Der Typus weist in Richtung studentisches Brauchtum oder Freimaurerkreise. Der Text wurde mehrmals vertont. Der Schöpfer der vorliegenden Melodie ist aber nicht bekannt, sie ist auch nicht mit jener von Joseph Schuster (1748–1812) aus dem Jahre 1790 oder Karl Spazier (1761–1805) von 1793 ident. Der Schluss der vorliegenden Melodie dürfte in dieser Form wohl kaum der ursprünglichen Fassung angehören. Die Kadenzierung in den letzten drei Takten ist rhythmisch-metrisch ungenau geschrieben und weist deshalb nicht wie die vorangehenden Phrasen vier Takte auf. Zudem entspricht die Pausensetzung nicht dem Auftakt. Die beiden anderen Vorarlberger Aufzeichnungen sind aus späterer Zeit und ähneln nicht der Sonnleithner-Fassung. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, Weltliche Volkslieder, fol. 9v–10r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. LHS 032, Liederhandschrift (anonym), 2. H. 19. Jh., S. 7 (Melodie nach Spazier). M 012/III/49 Bizau, aus dem Liederbuch der Marg. Gmeiner Bizau, nach 1913 (nur Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: V oss 1798, S. 159–161 (Text); M aurer 1801 (Text); Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich Campe (Text); S amans 1850, S. 116 (Melodie von Spazier); F riedlaender 1902/1962, II (Dichtung), S. 342; F ink 1856, S. 402, Nr. 641 (Melodie von Spazier); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
S 7 Lied eines treuen Herzens
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1. Es ist Zeit zu offenbaren, und zu klagen meinen Schmerz, schönster Engel dich zu lieben ist für wahr mein treues Herz in dem Leben in dem Leiden und in der Trübsal Angst und Noth, Nichts soll mich von dir abschneiden, als allein der bittere Tod.
2. Nicht[s] soll mich von dir ablassen, noch von deiner Treu abstehen, bis die Himmel=Sternlein fassen, Sonn und Mond soll[n] untergehn, bis die Sonn den Schein verliert, und Berg u[nd] Felsen fallen ein, so lang wirst an mir nicht gspüren, daß ich dir wird untreu sein.
3. Rufet auf ihr Liebsgedanken, die mich quälen Tag und Nacht, u[nd] mein Herz geht an wie Flammen, du hast mich zur Lieb gebracht, schau wie vieles ich muß leiden, u[nd] wie unschuldig leidt mein Herz, wann ich dich mein Schatz muß meiden, unerträglich ist der Schmerz.
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Die Hauptfundorte des Liedes liegen im schwäbisch-alemannischen Raum. Die Vorlage ist aber unbekannt. Diese Vorarlberger Aufzeichnung der Sonnleithner-Sammlung ist bislang die älteste. Da es auch hier keine weiteren Belege gibt, ist ein nachhaltiges Interesse am Lied nicht erkennbar. Der Priester und Volkskundler Louis Pinck (1843–1940) nahm diese Liebesklage 1928 unter dem Titel „Es kommt die Zeit zum Offenbaren“ in seine mehrbändige Publikation der vor 1870 gesungenen Lothringer Volkslieder auf. Erste und zweite Strophe entsprechen hier textlich den ersten vier Strophen der Lothringer Fassung, die dritte hebt sich deutlich ab. Melodisch gibt es keine Übereinstimmungen. Aufhorchen lässt ein Hinweis Pincks, dass ihm dieses Lied von einer sangesfreudigen Familie Altmeyer vorgesungen wurde. Sie soll ursprünglich aus Tirol stammen und hatte sich in Silzheim (heute Siltzheim, Frankreich, Département Bas-Rhin), südlich von Saarbrücken niedergelassen. Brachte sie das Lied aus Tirol mit? Auch Erk und Böhme verweisen die Herkunft des Liedes in das Elsass. Sie zitieren eine nicht näher genannte handschriftliche Quelle um 1884, hier fehlen die letzten Strophen. Denkbar ist daher auch eine Liedvermittlung durch Vorarlberger Saisonarbeiter, die in Frankreich und auch im Elsass tätig waren. Nicht nur im Elsass, auch in südlicheren Regionen war der Text bekannt. Der schwäbische Schriftsteller und Satiriker Johannes Nefflen (1789–1858) nimmt ihn in seine Publikation „Der Vetter aus Schwaben“ auf (Ulm 1837, Neuauflage 1842). Er lässt das Lied in einer kleinen Runde singen und deutet damit an, dass es in seiner Heimat am Neckar verbreitet war. Bei Nefflen gibt es sechs Strophen mit je acht Zeilen, allerdings gleicht nur die erste Strophe dem Text der Vorarlberger Fassung. Die zweite Strophe ist inhaltlich ident, unterscheidet sich aber in der Formulierung. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, Weltliche Volkslieder, fol. 12r–12v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: N efflen 1842, S. 102; Pinck 1928, S. 211 (6 Strophen, vierzeilig); E rk /B öhme 1893, III, S. 435 (handschriftlich aus dem Elsass 1884, keine weiteren Angaben, 4 Strophen, vierzeilig); M üller -B lattau 1963, S. 79 (andere Melodie); H eeger /W üst 1909, S. 79 (andere Melodie).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
S 8 Lied einer neu vermählten Ehe
1. Heinrich schlief bey seiner neu Vermählten, einer reichen Erbin an dem Rhein, Schlangenbisse, die die Falsche quälten, ließen ihn nicht ruhig schlafen ein.213 2. Zwölfe schlugs, da drang durch die Gardin[e] plötzlich eine kalte214 weisse Hand, was erblickt er? Seine Wilhelmine, die im Sterbekleide vor ihm stand. 3. Bebe nicht, sprach sie mit leiser Stimme, einst Geliebter, bebe nicht, ich erscheine vor dir nicht im Grimme, deiner neuen Liebe fluch ich nicht. 4. Zwar der Kummer hat mein jungfrischs Leben215, liebster Heinrich216 plötzlich abgekürzt, jedoch der Himmel217 hat mir Kraft gegeben, daß ich mich zur Hölle nicht gestürzt.218 Text: Johann Friedrich August Kazner (1732–1798) Musik: Komponist unbekannt
Der ursprünglich zwölfstrophige Text des gebürtigen Stuttgarter Beamten und Schriftstellers Johann Friedrich August Kazner wurde 1779 erstmals gedruckt und in der Folge mehrmals vertont. „Heinrich und Wilhelmine“ wurde äußerst beliebt, gehörte im 19. Jahrhundert zu den meist gesungenen Balladen, die ihre Verbreitung vor allem auch Liedflugschriften verdankt. Der Text ist in verschiedenen Weisen und Varianten überliefert. Die vorliegende Fassung ist eine Variante der im Elsass und von Thüringen bis zum Niederrhein, aber auch in den Schweizer Kantonen Luzern und Aargau gesungenen Form.
213 Bei E rlach 214 Bei E rlach 215 Bei E rlach 216 Bei E rlach 217 Bei E rlach 218 Bei E rlach
1835: ließen ihn nicht süßes Schlafs sich freun. 1835: kleine. 1835: der Tod hat mir mein junges Leben. 1835: Trauter Heinrich. 1835: Tugend. 1835: ich nicht zur Hölle bin gestürzt.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 48. Aufzeichnung des Liedes aus Pfaffnau, Kanton Luzern/CH
Dem Schreiber für die Sonnleithner-Sammlung sind mehrere Fehler bei der Niederschrift unterlaufen, insbesondere bei den Worten „seiner Neuvermählten“ (zweite Hälfte des ersten Taktes und im zweiten Takt). Plausibler scheint hier im Vergleich mit den anderen Aufzeichnungen in Takt 2 und 3 die Tonfolge: d`- cis`- e`-d`-fis`- d`-d`- cis`-cis`. Zudem setzt er drei Vorzeichen (Kreuze), das Lied steht jedoch deutlich in D-Dur. Bei der Transkription wurde die Tonart berichtigt, die ursprüngliche Notenfolge aber beibehalten. Die Ballade findet sich über hundert Jahre lang im Vorarlberger Volksgesang, mit unterschiedlichen Titeln und Varianten: „Die Brautnacht“, „Gebrochene Treue“, „Heinrich schlief“ oder „Die Neuvermählten“. Beinahe alle Vorarlberger Aufzeichnungen sind lediglich in textlicher Form, mit sieben bis elf Strophen niedergeschrieben, die Melodie wurde als bekannt vorausgesetzt. Josef Bitsche überliefert 1929/30 eine weitere Melodie. Sie dürfte im späten 19. Jahrhundert wohl die gebräuchlichste gewesen sein und unterscheidet sich deutlich von der Fassung der Sonnleithner-Sammlung. Textlich gibt es bei den Vorarlberger Varianten mehr oder weniger Änderungen. Die Strophen sind ab der dritten oft vertauscht. 1851 wird in Bizau die neue Gattin namentlich genannt, „Lise“, in Hohenems und Dornbirn im 20. Jahrhundert auch „Elise“, in Ludesch, Mellau, Großdorf heißt es lediglich „neue Gattin“ oder „neue Liebe“. Die zweitälteste Aufzeichnung des Textes im Liederbuch der Bildhauertochter Rosa Rüscher (1820– 1873) aus Bizau bringt 1851 den Text mit zehn Strophen. Sie ähnelt einer durch das Volksliederbuch von Reutlingen 1830 verbreiteten Fassung mit abschließenden Strophen, die ein Opfer fordern und den Selbstmord Heinrichs ansprechen. Nachträglich ergänzt wurde eine fünfte Strophe: 5. Warum traut ich Schwache deinen Schwüren, Baute fest auf Redlichkeit und Treu, Warum ließ ich mich durch Worte rühren, Die du gabst aus lauter Schmeichelei.
Die letzten beiden Strophen bei Rüscher berichten von Heinrichs Blutopfer: 6. Opfern soll ich nun, so opfere ich Blute, Brüllte Heinrich noch in jener Nacht, Sprang vom Lager in der Minute Ward o Greuel der Selbstmord schon vollbracht.
Josef Bitsche fand diese Version noch in den späten 1920er Jahren, vorgesungen von Maria Katharina Meusburger (1873–1956), die ebenfalls aus Bizau stammt. Im Bregenzerwald soll diese Fassung bis in die 1890er Jahre äußerst beliebt gewesen sein.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 49: Aufzeichnung von Josef Bitsche 1929/30; VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung
Andere Textvarianten, insbesondere des 20. Jahrhunderts, enden versöhnlich und verzichten auf die Opferstrophen, wie Beispiele aus Schoppernau um 1875 oder Mellau 1925 zeigen. Beide Texte ähneln sich trotz der zeitlichen Distanz der Aufzeichnung sehr. 6. Weine nicht, denn eine Welt wie diese, Ist der Tränen, die du weinst nicht wert: Lebe wohl und sei getreu dem Mädchen, Das du dir zur Gattin hast erwählt. 7. Lebe glücklich und vergnügt auf Erden, Bis einst deine Seele vor dem Trohne steht, Wo du eins[t] dann Rechenschaft mußt geben, Vor dem Mädchen, dass du hast verschmächt [= verschmäht].
1905 legte sich Ernst Hartmann (1883–1969) während seiner Rekrutenzeit in Trient eine Art Tagebuch mit Liedeinträgen an, z. T. sind es auch Einträge seiner Kameraden. Von einem nicht näher bekannten Johann Krismer stammt folgende elfstrophige Version der „Brautnacht“, auch hier ohne Selbstmord. Sie kommt einer Variante, die 1835 von Friedrich Karl Freiherr von Erlach publiziert
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
wurde am nächsten. Während die Strophen eins bis fünf den bekannten Versionen folgen, heißt es hier bei Hartmann ab der sechsten Strophe: 6. Doch weil sterbend noch in meinem Herzen Irdische Liebe dir gewidmet war, Soll hienieden ich, doch ohne Schmerzen Freudlos irren dreimal sieben Jahr.
7. Schätze hast du Heinrich: ach bediene Sie zu deiner und meiner Seelenrast Schaffe Ruhe deiner Wilhelmine Die du lebend ihr entzogen hast.
10. Opfer will ich leisten[,] wohltun Armen In der Vorsicht beten tief gerührt, Dass mir Gnade wurde und Erbarmen Dass mein Seufzen auch noch werd erhört.
8. Dort ja dort in jenem neuen Leben Wo der kühnste Frevler selbst erbebt Da mußt auch du Rechenschaft nicht geben, Wie du hier auf Erden hast gelebt.
11. Jetzt beruhigt seufzte sie: Ach [!] dan[n] schwinget Wie ein Blitzstrahl sie sich himmelan Heinrich hält redlich Wort: Man findet Ihn beglückt und froh als biedern Mann.
9. Wirst du deine Laster hier (bestehen) bereuen, Wirst du vor dem Richter eins[t] bestehen So werd ich mich innig drüber freuen, In der Zahl der Seligen dich zu sehen.
Im Liederheft von Ottilie Berger (1905–1992), die vielfach auf den Liederschatz ihrer Mutter, der in Dornbirn und Feldkirch/Egg lebenden Gastwirtin Theresia Hammerer (1865–1944), einer Schwester von Bitsches Gewährsperson Maria Katharina Meusburger (1873–1956) aus der Musikerfamilie Meusburger aus Bizau, zurückgreifen konnte, und auch in der Dornbirner Aufzeichnung von Maria Gehrig-Fink schließt das Lied mit dieser letzten Strophe. Ob Ottilie Berger auch die ältere Version ihrer Großtante Maria Katharina Meusburger kannte? In ihrem Liederbuch selbst findet sich kein Hinweis darauf. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, Weltliche Volkslieder, fol. 12r–12v. VLA, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. LHS 006, Nr. 10, Liederbuch für Rosa Maria Rüscher aus Bizau, 1851 (Text). M 100/IV/ Schoppernau (neu LHS 013), Liederbuch der Geschwister Moosbrugger, Bad Hopfreben/Schoppernau, 1875 bis 1915, S. 41 (Text). M 074/I/107 Ludesch (neu: LHS 013), Rekrutentagebuch von Ernst Hartmann aus Ludesch, 1905. Nr. 107 (Text). LHS 71 A, Liederheft Ottilie Berger 1, o. J., Nr. 16 (Text). M 29/IX/153, Dornbirn, Liederheft von Maria Gehrig-Fink, nach 1918 (Text). M 78/III/25 Mellau, Bischofsberger Ludwig, Lieder gesungen vom Volke in Mellau. Hausarbeit Bregenz 1925 (Text). M 56/IIb/117 Hohenems, Jäger Anton, Volkslieder aus Hohenems. Hausarbeit, Bregenz 1928 (Text). M 12/I a/125 Bizau, Bitsche Josef, Volkslieder aus Bizau, Hausarbeit 1929/30, I, S. 87–88 (Nr. 25). M 48/I/038 Großdorf, Aus dem Liederbuch der Anna von der Thannen (1886–1961, verehelichte Meusburger) aus Großdorf, vor 1909, Abschrift Bitsche 1961 (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: S chwan 1779, S. 55 (Text); F leischhauer 1830 (Text); E rlach 1835, 5, S. 509–511 (Text); H ärtel 1885; S. 238 (Nr. 311, andere Melodie); B öhme 1895, S. 115–116 (Nr. 138); G assmann 1906, S. 20–21, S. 240 (Variante der Böhme-Fassung); G rolimund 1910, S. 15–16 (andere Melodie); F riedlaender 1902/1962, II, S. 214–215, L efftz 1966, I, S. 165, S. 343; M eier 1906/1976, S. 131 (Text); G eramb 1955, S. 6–7. K lusen 1981, S. 486, S. 840; B ach mann -G eiser 2000, S. 425; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
S 9 Abschied eines Christen
1. Hilf o Himmel! Ich muß scheiden, und muß sagen lebe wohl, eine Zeit lang muß ich meiden, daß was mich vergnügen soll, und mit so betrübtem Herzen, muß ich sagen jenes Wort, ach mit wem soll ich den scherzen? Hilf o Himmel! Ich muß fort.
3. Wann das Wasser aufwärts rän[n]e, u[nd] die Felsen trugen Wein; so lang sollst du an mir nicht spüren, daß ich dir werd untreu seyn; sollt ich aber unterdessen, in dem Todbeth schlafen ein, auf mein Grabstein kannst du lesen eine Schrift vergiß nicht mein!
2. Deine Feinde, die dich hassen, sagen dieß u[nd] jens von dir, sagen oft, ich soll dich laßen, u[nd] mein Herz nicht schenken dir; aber ich hab schon geschworen, wie ichs treu von Herzen meine, ohne dich kann ich nicht leben, ohne dich kann ich nicht seyn.
4. O wie hart ist doch mein Leiden! o wie hart ist meine Buß! weil mein Schatz hat Urlaub geben, u[nd] ich von ihm scheiden muß. Meine Aschen in der Erden, meine Demuth stärket bei, und du bist mein Schatz gewesen, dessen sollst du nicht mehr sein. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Der Kernbereich der Tradition dieses Abschiedsliedes findet sich in Mitteldeutschland zwischen Elsass und dem ehemaligen Böhmen. Eine beinahe idente melodische Fassung war 1844 in Geudertheim/Elsass anzutreffen (Lefftz 1967). Die Verfasser sind bislang unbekannt. Typisch für die weitreichende Tradition des Textes sind Wanderstrophen. Um 1800 wurde der Text durch die Solbrigsche Buchdruckerei in Leipzig als Liedflugschrift verbreitet („Sieben Lieder“). Erste und zweite Strophe sind kaum abweichend, doch heißt es dort ab der dritten Strophe:
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[3] Wie das Wasser abwärts rennet, und der Weinstock träget Trauben, und so lang das Feuer brennet, solltest du mein eigen sein; sollt´ ich aber unterdessen, auf dem Todtbett schlafen ein, so wirst du auf mein Grab setzen, Eine Blum´ Vergiß nicht mein.
[4] Was mich hasset, muß ich lieben, bringt es gleich die größte Pein; will das Unglück mich betrüben, Muß ich dennoch standhaft seyn, schlagen gleich die Unglücksflammen oft in steter Angst und Pein Über meinen Kopf zusammen, will ich treu im Tod dir seyn.
[5] Du vermeynst, ich soll dich lassen, dir will ich gehorsam seyn, dir zu lieb will ich mich fassen, stelle nur dein Zürnen ein; Du kannst mich in allen Stücken und in Angst und Pein, bis im Tod treulich erquicken, das soll mir ein Himmel seyn.
Im ehemaligen österreichisch-böhmischen Langenbruck (heute: Dlouhé Mosty, Tschechien) zeichnete der Lehrer Erasmus Hübner bereits um 1807 den Text in seinem handschriftlichen Liederbuch auf.219 Vor 1835 wurde es bei Coburg/Thüringen in einer Handschrift unter dem Titel „Abschiedsschwur“ gefunden und als „Volkslied“ publiziert. In seiner Sammlung „Lothringische Volkslieder“ von 1930 berichtet der Volkskundler und Volksliedsammler Louis Pinck von Gewährspersonen, mit denen er das Lied „auf die Walze“ aufzeichnen konnte. Hier war es als Abschiedslied von der Liebsten gedacht, mit fünf Strophen zu je vier Zeilen, jedoch anderer Melodie. Österreichweit ist eine Verbreitung vom Burgenland bis Südtirol zu erkennen, wobei besonders die Liedanfänge variieren: „Guter Himmel“ (Burgenland), „Ach, o Himmel“ (Ennstal, Pongau), „Liaba Himmel“ (Südtirol), „Ach guter Himmel“, „O Gott im Himmel“ (ohne Ort, Sammlung Liebleitner). Die achtzeilige Niederschrift in der Sonnleithner-Sammlung ist nicht die einzige bekannte Aufzeichnung des Liedes in der Bodenseeregion. Ungewöhnlich ist der Titel, der einen religiösen Hintergrund erwarten ließe: „Abschied eines Christen“. 1830 in Reutlingen gedruckt, finden sich Varianten mit dem Liedanfang „Guter Himmel, ich muß scheiden“ oder „Gott im Himmel, ich muß scheiden“, die auch in Rheinland-Pfalz gesungen wurden. (Heeger/Wüst 1909). 1841 notierte Jodok Seelenmayer eine Textvariante mit vier achtzeiligen Strophen „Guter Himmel, ich muß scheiden“, in sein Liederbuch: 1. Guter Himmel! Ich muß scheiden, Ich muß sagen lebe wohl, Ich muß verlassen jene Freuden, Die mein Herz betrüben soll. Jene Leute die mich hassen, Sagen dies und Jenes dir, Sie sagen all[,] du sollst mich lassen, Sollst dein Herz nicht schenken mir.
2. Aber ich habe Treu geschworen, Dir auf ewig treu zu sein, Denn ich hab dich auserkohren, Ohne dich kann ich nicht sein; Und solang das Wasser rinnet, Und die Felsen tragen Stein, Und solang das Feuer brinnet, Sollst auf ewig mein eigen sein.
219 RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 552001639. URL: http://www.rism.info/de/startseite.html. Die hier angegebene Handschrift eines Augustin Erasmus Hübner aus dem ehemals böhmischen Ort Langenbruck (heute: Dlouhé Mosty), niedergeschrieben 1807, enthält auch das Lied „Alles liebt und paart sich wieder“; siehe N 10 im vorliegenden Buch.
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3. Sollt ich aber unterdessen, Auf dem Todbett schlafen ein, So kannst wohl auf meinem Grabe pflanzen Ein Sträußchen Vergiß nicht mein. Du bis[t] die Schönste unter allen, Nimm diese Bitt jetzt an von mir, Du allein thust mir gefallen, Gib dein einzige Red von dir.
4. Ich wollte wünschen ich könnte leben, Wies ich treu von Herzen mein, Meinen Abschied in der Erden, Soll zu deinem Dienste sein.
Dieses Wiederholen. [Anmerkung!]
1928 nahm Anton Jäger folgenden Text in seine Hausarbeit am Gymnasium Bregenz auf. Auch hier ist die Melodie nicht angegeben. Die Strophen sind vierzeilig und lassen eine andere Melodie vermuten. Der Text ähnelt aber stark der in Reutlingen/D bei Julius Fleischhauer um 1830 gedruckten Variante, bei Jäger fehlt jedoch die letzte Strophe: „Du bis[t] die Schönste unter allen“. 1. Ach guter Himmel ich muss scheiden Und muss sagen Lebewohl. Eine zeitlang muß ich meiden was mein Herz erfreuen soll.
4. Ich habe es bei mir schon geschworen, dir auf ewig treu zu sein; ich hab dich mir auserkoren, ohne dich kann ich nicht sein.
2. Und mit ganz betrübtem Herzen sag ich diese letzten Wort. Ach, mit was soll ich denn scherzen, ach guter Himmel, ich muß fort.
5. Und solang das Wasser fliesset und die Felsen tragen Stein und solang das Feuer brennet: Sollest du mein eigen sein.
3. Und die Leute, die dich hassen, sagen dies und jenes mir, die sagen all, ich soll dich lassen, sagen dies und jenes mir.
6. Sollt ich aber unterdessen auf dem Todbett schlafen ein, auf meinem Grabstein kannst du pflanzen eine Blum: Vergissnichtmein.
1940 sangen Irma Nagele und Anna Summer aus Fraxern dem Lehrer und Volksliedforscher Josef Bitsche eine Variante des Liedes „Gott im Himmel, ich muß sterben“ vor. Das Lied scheint sehr populär gewesen zu sein, Textabschnitte tauchen als Wanderstrophen aber auch in anderen Liedern auf. Der österreichische Volksliedforscher Karl Liebleitner (1858–1942) verbrachte 1905 einen Sommerurlaub in Nüziders, wo er einige Lieder aufzeichnen konnte. Hier fand er das in den 1870er Jahren viel gesungene „Mädchen, wenn ich dich erblicke“.220 Die Melodie zeigt zwar keine Verwandtschaft mit „Hilf o Himmel“, doch sind die vierte und fünfte Textstrophe mit den ersten vier Zeilen der zweiten und dritten Strophe des Leipziger Flugschriftdruckes aus dem 18. Jahrhundert beinahe ident: 4. Jene Leute, die dich hassen, Sagen dies und jen’s von dir; Sagen gar, ich soll dich lassen, Soll mein Herz nicht schenken dir.
5. Wenn ich auf dem Todbett liege, Schlaf ich sanft und ruhig ein; Pflanze du auf meinem Grabe Schönste Blum: Vergißnichtmein!
Recherchen ergaben eine breite Tradition dieses Liedes, auch als „Jüngling, wenn ich dich erblicke“.221 Während „Hilf o Himmel“ aus dem Liederschatz allmählich verschwand, überlebten die beiden Textstrophen als Wanderstrophen mehrere Generationen, auch in Vorarlberg. Von der bei Tobler und Heiske publizierten Schweizer Textvariante, die sich auf den Soldatenabschied bezieht, sind aus Vorarlberg keine Belege bekannt (T obler /H eiske 1882/1975). Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII [ohne Titel], fol. 13r–v. VLA Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: 220 L iebleitner 1958, S. 11–12. 221 E rk /B öhme 1893, II, Nr. 566 (Liebesbetheuerung).
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M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. LHS 003, Liederbuch Jodok Seelenmayer, Egg 1841, Nr. 8, [S. 100]. M 56/IIb/124, Hohenems, Anton Jäger, Volkslieder aus Hohenems. Hausarbeit, Bregenz 1928 (Text). M 37/I/14, Fraxern, Aufzeichnung Josef Bitsche 1940. L iebleitner 1958, S. 12 (Aufzeichnung aus Nüziders).
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur:
Sieben Lieder. Das Erste. Unter den Akazien wandeln gern [….] Das Fünfte. Hilf, o Himmel, ich muß scheiden […] Leipzig, in der Solbrigschen Buchdruckerey [1800] (nur Text), digitale Ausgabe: URL: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de. (Zugriff: 16. 1. 2022); F leischhauer 1830; W olff 1837, S. 173–174; E rk 1844, Nr. 56; D itfurth 1850, Nr. 102, Nr. 103. T obler /H eiske 1882/1975, I, S. 167; E rk /B öhme 1893, II, Nr. 792; H eeger /W üst 1909, Nr. 321. G rolimund 1911, S. 99; T obler 1911, S. 167 (Textvariante); P inck 1933, S. 204–205, Nr. 73. L efftz 1967, II, S. 310, S. 384; S teinmetz 1984, S. 229, S. 363.
S 10
[5] National=Tänze
No. 1
No. 2
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No. 3
No. 4
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No. 5
Die fünf Nationaltänze kamen laut Bericht des Kreisamtes in Bregenz mit der ersten Sendung aus Lustenau/Hohenems im Februar nach Innsbruck, werden aber, wie auch die weltlichen Lieder des Heftchens in Bissingens Liste, nicht eigens angeführt. Erst Walter Deutsch und Gerlinde Hofer (Haid) nahmen auch die Tänze in ihre Listen auf.222 Ein gesicherter Traditionsort der Tänze ist nicht mehr nachvollziehbar. Bemerkenswert ist es, dass der dritte Tanz sich mehr als hundert Jahre später als Variante unter der Bezeichnung „Ländler in C“ im Repertoire des 82-jährigen Klarinettenspielers Anton Bechter („Walsera Toni“), der nach Angabe Schmitts aus Fontanella stammen soll, wiederfindet. Der Forscher traf den Musikanten 1926 in Langenegg/Bregenzerwald. Dieser Tanz liefert ein Beispiel einer Musikvermittlung, die über Jahrzehnte hinweg andauern konnte.
Abb. 50: Aus: Alte Tänze aus Vorarlberg, Hrsg. Vorarlberger Volksliedwerk 2002
Als „Ländler aus dem Bregenzerwald“ nahmen Viktor Korda und Karl M. Klier 1959 diesen Tanz aus der Schmitt-Sammlung in ihre Publikation „Volksmusik aus Vorarlberg“ auf, in einer Bearbeitung für zwei Melodiestimmen mit Harmonika-, Zither- oder Gitarrenbegleitung. Davon gab es historische
222 D eutsch /H ofer 1969, S. 74
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Tonaufnahmen mit dem Volksmusikorchester von Radio Vorarlberg aus den 1950er Jahren. Sie wurden 2001 vom ORF auf der CD „Alte Tänze“ neu herausgegeben. Wie sehr dieser Tanz in der Tradition weiterleben sollte, zeigt das Beispiel des „Bregenzer Sechsers“. Schmitts Aufzeichnungen dienten Raimund Zoder 1934 auch als Vorlage für seine Sammlung „Österreichische Volkstänze“. Er publizierte den Ländler als vierten Teil eines „Sechsertanzes“, ausgeführt von sechs Paaren, und schreibt dazu: Der Sechsertanz ist ein ruhiger Gesellschaftstanz, der wohl wert ist, an die Stelle der französischen Quadrille zu treten, zumal seine Elemente (Figuren) in vielen deutschen Volkstänzen, besonders in den norddeutschen Vierpaartänzen vorkommen. Der Tanz wird in Vorarlberg in und um Bregenz gern getanzt und wurde von Prof. August Schmitt aufgezeichnet. Die Ländlermelodien hierzu wurden aus der Sammlung des Vorgenannten ausgewählt.223
Zur Tradition des „Bregenzer Sechsertanzes“ gibt es viele offene Fragen. Seit wann, wann und wo wurde er getanzt? Für die Bezeichnung „Bregenzer Sechsertanz“ findet man aus der Zeit des frühen 19. Jahrhunderts keine Belege, sie taucht erst im späten 19. Jahrhundert auf, als Kapellmeister Adalbert Jaksch (1826–1911), der 1862 nach Bregenz kam, unter diesem Titel fünf Tänze als sein Opus 20 drucken ließ. Der Tanz dürfte jedoch weit älter sein. Noch vor seiner Entdeckung durch Schmitt wurde er zu Beginn des 20. Jahrhunderts als der alte Bregenzer „Sechser“, ein Tanz voll grazioser Anmuth,224
bei Veranstaltungen des Alpenvereins zur Aufführung gebracht und gemeinsam mit „Drei lederne Strümpf“ und „Gibele gäbele“ beim Kaiserjubiläumsfestzug 1908 in Wien präsentiert.225 Noch ist es nicht nachgewiesen, ob Jaksch bekannte alte Tänze für Klavier arrangierte oder eigene Ideen einfließen ließ. Musikalisch gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Komposition von Jaksch und den fünf Tänzen aus der Sonnleithner-Sammlung. Bechters Ländlerversion wurde erst von Zoder eingefügt, nach ihr dürfte der Forscher 1934 die Bezeichnung „Sechsertanz aus dem Bregenzerwald in Vorarlberg“ kreiert haben. Mit der Tanzpflege durch Trachtengruppen tritt der „Bregenzer Sechsertanz“ erneut ins Licht der Öffentlichkeit, als musikalische Unterlage dient seit Edy Hofers Tanzbuch jedoch die Fassung von Adalbert Jaksch ohne den Ländler, und nicht in Zoders Zusammenstellung.226 Die fünf aus Lustenau eingesandten Nationaltänze für die Sonnleithner-Sammlung unterscheiden sich melodisch-rhythmisch von den Montafoner und auch von den bei Strolz aufgezeichneten Tänzen. Aber auch hier liegen Kurzformen vor, drei Tänze sind mit einem Trio versehen. Ihr melodischer Aufbau ist einfach, geprägt von zahlreichen Motivwiederholungen. Harmonisch ist die Dur-Tonalität vorgegeben (A-Dur, C-Dur mit Trio in F-Dur). Deutliche Klangbrechungen gibt es nur im dritten Tanz. Leider zeigen sich auch hier in der Niederschrift der fünf Tänze wie bei den Liedern Unklarheiten in Bezug auf fehlende Pausen und Takte. Dies betrifft vor allem den Tanz Nr. 4, der nicht nur rhythmisch für Irritationen sorgt. Er weist eine unregelmäßige Form (7 + 7 Takte) auf. Der Schluss folgt abrupt, was an einen Fehler in der Niederschrift denken lässt. Kann man aber ausschließen, dass der Musikant hier bewusst mit einem plötzlichen, unerwarteten Ende provozieren wollte?
223 Z oder 1934, S. 8. 224 Vorarlberger Volksfreund 24. Jänner 1902. 225 Vorarlberger Volksblatt 16. Juni 1908. Bericht über einen Abend der „Vorarlberger in Wien“ anlässlich des Kaiserjubiläums. 226 H ofer 1971, S. 21–27.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Auch im Tanz Nr. 5 fehlt ein Takt, hier wurde bei der Niederschrift im ersten Abschnitt des Trios die Wiederholung des Motivs ab’c’f’ zwischen dem fünften und sechsten Takt vergessen. Die vorliegende Transkription der Tänze folgt dem Original ohne Korrekturen. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXVIII, [Doppelblatt ohne Titel], fol. 15v–16r. VLA Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. ÖNB, Musiksammlung, Archiv des ÖVLW: Zoders Volkstanzarchiv E 70 (August Schmitt Heft XVII, Tanz Nr. 139). B ösch -N iederer 2002, Nr. 3.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: Z oder 1934, S. 7–8; H orak 1954, S. 91; K orda /K lier 1959, S. 3; H ofer 1971, S. 21–27.
S 11
Lied des Hieronimus Emser
Die Schwitzer sölich Menschen sind, Gottes Hasser und des Gla[u]bens F[e]ind, Groß Milchbengel und Tyrannen, Kuemelcker, pfuch öch unverstanden.
Lateinisch: Suit[z]e inimice Dei, fidei, hostis, Suit[z]e tyranne! Lactiphagus nequam, vah bovi mulctor iners. Dii nequeunt ultra caedes et ferre rapinas, Quas silvis genitus more latronis amas. Tempus adest quo tu, dum speras aurea don. Liligeri fugies ferrea tela ducis.
Text: Hieronymus Emser (1478–1572), lateinische Version, oder Heinrich Bebel (1472–1518) Musik: Komponist unbekannt
Zu Beginn des Jahres 1499 hielten habsburgische Landsknechte die Burg Gutenstein, heute im Fürstentum Liechtenstein gelegen, besetzt und provozierten die Eidgenössischen Kriegsscharen. „Sie riefen den Schweizern ,Kuhschweizer‘ zu und ahmten das Muhen der Kühe nach. […]. Diese nun schon traditionelle Schmähung der Schweizer als Kuhbauern und Sodomiten soll – wenn man der eidgenössischen Chronistik folgen will – den letzten Anstoß zum Ausbruch jener militärischen Konfrontation gegeben haben, die – je nach Blickwinkel – als ,Schweizer-‘ oder ,Schwabenkrieg‘ in die Geschichtsschreibung eingegangen ist“, schreibt der Vorarlberger Historiker Alois Niederstätter über die Kriegsereignisse.227 Aus dieser Situation heraus entstanden auch Spottlieder und Schmähverse. Der in der Nähe von Ulm geborene Hieronymus Emser (1478–1527), katholischer Geistlicher und Gegenspieler Martin Luthers, wird als Urheber dieser Zeilen genannt. Sein Schmähvers gegen die Eidgenossen war Anlass dafür gewesen, dass er 1502 ins Gefängnis kam und seinen Studienort Basel verlassen musste. Da auch die Region des heutigen österreichischen Bundeslandes Vorarlberg von den militärischen Konfrontationen zwischen der Eidgenossenschaft und den Habsburgern mit ihren schwäbischen Verbündeten direkt als Schauplatz von Schlachten betroffen war, ist eine weitere Verbreitung dieses und auch anderer aufsehenerregender Lieder daher durchaus nicht auszuschließen. Der Text findet sich in lateinischer Form in einer Urkunde des Staatsarchivs Basel (Nr. 2560). Die von Emser persönlich unterzeichnete Urkunde nennt ihn als Schöpfer der gemeyner Eidgenossen zue schmach geschribenen lateinischen Verse. Emser gibt diesen Text in späteren literarischen Werken vorerst als eigene Schöpfung an, nennt aber später einen Freund, den ebenfalls aus Schwaben gebürtigen Heinrich Bebel (1472–1518), der 1492 bis 1496 in Basel als Autor lebte. Wie auch das folgende, von Weizenegger aufgezeichnete Lied „Die Puren sind uff der Ban“ wurde der lateinische Text mit 227 N iederstätter 2000, S. 141.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
einer Übersetzung im 16. Jahrhundert in den Codex 645 der Stiftsbibliothek St. Gallen (Klingenberger-Chronik) aufgenommen. Weizenegger, der das Lied für die Sonnleithner-Sammlung abgab, liefert uns leider keine Hinweise zur Herkunft seiner Vorlage oder zum Traditionsort der deutschen Kurzversion. Er gibt zwar den lateinischen Text wieder, beschränkt sich aber mit der Übersetzung lediglich auf die ersten vier Zeilen. Den regionalen Bezug sieht er in der Person des Hieronymus Emser, den er dem Hohenemser Grafengeschlecht zuordnete, wie er im Begleittext mitteilt. Eine Melodie ist nicht bekannt. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXIX, fol. 1r–1v. VLA Musiksammlung: Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 645: Sebastian Brant Lob Trajans. Ostschweizer Chronik (sog. Klingenberger Chronik). Schlacht und Schmählieder, S. 654, URL: https://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0645 (Zugriff: 16. 1. 2022); Urkundenbuch der Stadt Basel, hrsg. Von der H istorischen und A ntiquarischen G esell schaft zu Basel 9, bearb. von Rudolf T hommen , Basel 1905, S. 213–214, Nr. 384; F insler 1911, S. 392–398.
S 12
Lied der Landsknechte wieder228 die Schweizer im Schwabenkriege D. i. im 15. Jahrhundert /: wurde ganz zuverlässig in Vorarlberg gesungen:/ [1.] Die Puren229 sind uff der Ban Und äch die von Filzhofen230 Die stossent unten dran Und dazu die von Uren231 . Die Schwizer sind uns gram Sie wollent uns erschneppelet232 han Do halff uns Gott darvon.233 [2]
Und die von Unterwalden Und die von Appenzell Die Schwitzer von S. Gallen Die ligent stark im Veld Sy haben z’sämment kloben234 Wol by acht tusent235 Man[n] Sy woltend236 gen Bregenz zogen237 Sin, keiner derft daran.238
228 wider. 229 Bauern. 230 Bündtner Bauern? 231 Aufgebote aus Uri. 232 Von: erschnappen, erhaschen. 233 davon. 234 In der St. Galler Fassung heißt es ursprünglich „zsämen gsamlot“ (versammelt) mit späterer Korrektur „kloben“. 235 achttausend Mann. 236 wollten nach Bregenz ziehen. 237 Bei Bregenz fand die erste größere Schlacht statt, nachdem sich die Verbände des schwäbischen Bundes ins Rheintal zurückgezogen hatten. 238 Nach Liliencron: dorst daran = wagte sich hin, auch in der St. Galler Niederschrift heißt es „dorst“.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[3]
Do kam der stumpet239 Fridlin Er lupft240 sich dahinden nach Er stieß sich an ein Stigelin Fiel z’Tüfels Namen241 inn Bach Woluff ihr lieben Gsellen Die Ku242, die lit in Bach Lond uns z Kälbli fällen243 So wird uns gut gemach.
[4]
Zu Bern wel uff244 der Witti Zu Bern uff dem Grieß Da stat ein junger Schwizer Und hat ein langen Spieß.245 Er hat dry Küy246 erstochen Und hat uns keine büst247 Hand Sorg vor seinem Bachen248 Das er en keinen schieß[.]
[5.] Des Buren Sun249 von Schwize Zu sinem Vater sprach Du solt mich nit mer tutze Und trit mir hinden nach. Ich han ein Seckel mit Pfennig funden Der ist wol achzig fach Käm ich an miner Herren Hof Wär mir ein große Schmach. [6.] Und Junger, lieber Junger Wend ir Junker sin Und wend ir trinken Malvesier250 Oder welschen Win? Oder ein blumez Kälblin251 In euer Kämmerlin? Des wend wir üch nun schenken, Liebster Junker min. [7.] Und wend ir nun wissen Was im Seckel was?252 Es was siner Mutter Fudlech drin 253 Vom Ku Dreck was es naß. Dazu zwen rolli bazen254 Die Landtzknecht sind im g’haß Das wend wir dir nun schenken Ein kufud255 uff din Naß. 239 klein, gedrungen. 240 schleppt. 241 in Teufels Namen. 242 Kuh. 243 lasst und das Kälblein töten. 244 wohl auf. 245 Der Langspieß war die übliche Waffe der Fußknechte. 246 drei Kühe. 247 büset, bezahlt, abgekauft. 248 Gebt acht auf eure Bachen (weibliche Schweine). 249 Bauernsohn. 250 Der Malvasier ist eine Rebsorte. 251 Jungfrau. 252 im Sack war? 253 Alemannischer Ausdruck für Drecklappen, Wischtuch (Taschentuch, Schneuztuch?). 254 Münze. 255 Kuhdreck.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Anmerkung Weizeneggers am Schluss der Textaufzeichnungen des vorliegenden Liedes: Der gewö[h]nliche Schimpfname, den besonders die damals schon Österreich’schen Knechte der Herrschaft Feldkirch und die Montfort’schen der Herrschaft Bregenz den Eidgenossen geben, war: Kuhgier, das heißt, sie seyen nach Kühen begierig, treiben Bestialität. Und auf diese geht die vorletzte Strophe hinaus. Franz Joseph Weizenegger.
Ildefons von Arx schreibt am 13. Februar 1819 an Weizenegger: Volkslieder werden auch in der Schweiz gesucht. Ich weiß eines für Sie, nämlich jenes, das im Schwabenkriege in Schwaben auf die Schweizer ist gemacht worden, aber vielleicht sind sie schon in dessen Besitze.
Welchen der beiden Texte (S 11, S 12) er meinte, ist nicht überliefert. Auch nicht woher der Sammler sie hatte. Die vermutlich älteste bekannte handschriftliche Aufzeichnung des vorliegenden Gesangs ist in einem Codex der St. Galler Stiftsbibliothek (Cod. 645) aus dem 16. Jahrhundert zu finden; ihr Titel: „Der Landsknechten Lied wider die Eidgenossen / Im Schwaben Krieg gemacht“, der Anfang lautet: Entium verquentium / die puren sind uff der ban“. Die Abschrift Weizeneggers stimmt im Wesentlichen damit überein, allerdings wurde der Text hier dreizeilig niedergeschrieben. Der Krieg hatte die Zivilbevölkerung der Region zwischen 1499 und 1525 in großes Leid gestürzt; Plünderungen, Raubzüge und Gemetzel waren an der Tagesordnung. Schmähliche Reden und Lieder gegen die Eidgenossen begleiteten die Auseinandersetzungen. Das Spottlied „Die puren sind uff der ban“ thematisiert den Anfang des Krieges, nachdem die kaiserlichen Truppen das Münstertal besetzt hatten, der schwäbische Bund sich zum Krieg rüstete und die Bündner mithilfe anderer Schweizer Truppen (von Unterwalden, St. Gallen, Appenzell) die Besetzung abwehrten. Am 12. Februar 1499 überschritten die Schweizer Aufgebote von Uri, Luzern, Glarus, Zug und Schwyz den Rhein und schlugen die Österreicher in die Flucht. Auch das Vorarlberger Rheintal wurde somit zum Kriegsschauplatz. 1937 gibt die Vorarlberger Schriftstellerin und Liedsammlerin Anna Hensler (1898–1952) aus Röthis eine Textvariante in ihrem Artikel „Vom Schwabenkriege“ in der Zeitschrift „Holunder“ wieder. Bei ihr fehlt, wie auch in anderen Publikationen, der herbe, anzügliche letzte Abschnitt nach „welschem (=italienischen) Wein“. Ihre Vorlage nennt sie nicht, in ihrem handschriftlichen Liederbuch, das im Vorarlberger Landesarchiv verwahrt wird, ist der Text nicht verzeichnet. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXIX, fol. 1v–2v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. M 121/I/02 Vorarlberg, Abschrift Josef Bitsche aus „Holunder“ (1958). VLA, Nachlass Franz Josef Weizenegger: Schachtel 1, Geschichtliche Korrespondenz. W eizenegger -M erkle 1839, S. 222–223; Anna Hensler, Vom Schwabenkriege. In: Holunder 1937, Nr. 2.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. Sang. 645, fol. 654: Sebastian Brant Lob Trajans. Ostschweizer Chronik (sog. Klingenberger Chronik), digital: URL: https://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0645 (Zugriff: 5. 1. 2022); L iliencron II, 1866/1966, Nr. 200, S. 379–281.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
S 13
Kirchen Lied
S 13
Kirchen Lied
1. Was ist für alles Übel gut, Gedult [= Geduld]; was macht den Menschen Herz und Muth, Gedult, was macht das Kreuz und Leiden leicht, all Bitterkeit dem Honig gleich? Gedult.
4. Was hat den Job [= Hiob] so groß gemacht, Gedult; und ihm zu großen Ehren bracht, Gedult, was krönet alle Martirer [= Märterer], was zieret alle Beichtiger? Gedult.
2. Was macht all Müh und Arbeit ring256, Gedult; was leidet alle harte Ding, Gedult; was ist der Kranken beßter Trost, was stärkt den Leib in Hitz und Frost? Gedult.
5. Weil dann so große Tugend ist Gedult; so hab mit mir Herr Jesu’ Christ Gedult, verleihe mir zu einer Gab, dass ich in Kreuz und Leiden hab Gedult.
3. Was lehrt uns Christus auf der Erd, Gedult; was macht ihn sonders liebenswerth, Gedult; Was ziert sein Leiden sonderbar, was macht sein Lieb uns offenbar? Gedult
6. Ey so mein Christ, oft denk und sag, Gedult; kommt dir bald da bald dort in Klag, Gedult preis an das Kreuz und tapfer trag, leid, schweige, dich niemal[s] beklag, Gedult.
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Weder Herkunft noch Schöpfer dieses moralisierenden Liedes, das zur Geduld ermahnt, sind bekannt. Nachweislich wurde der Text über Flugblätter verbreitet. Noch 1906/07 konnte es der Schweizer Lehrer und Volksliedsammler Albert Edelmann (1886–1963) im Toggenburg aufzeichnen. Als Gewährsperson nennt er Verena Braunwalder aus Wattwil (*1854), die es von ihrem Großvater, einem Vorsänger in der Kirche von Wattwil im Toggenburg, gelernt hatte. In Vorarlberg werden drei Strophen textlich beinahe identisch mit der Schweizer Fassung wiedergegeben: die erste, vierte (mit Textabweichung „Hiob groß gemacht“) und fünfte Strophe. Melodisch liegt eine Variante vor. Varianten sind auch aus dem österreichischen Wechselgebiet bekannt. Als Liedvermittler sind Liedflugblätter des in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Ödenburg (heute Sopron) tätigen Druckers Johann Joseph Sieß bekannt. Im Original ist Es-Dur angegeben; dieser offensichtliche Fehler wurde bei der Transkription berichtigt.
256 leicht.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXX, Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Montafon, 1. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: Vier schöne neue / Geistliche Lieder, / Das Erste: / Nur Geduld in deinem Leiden, u. / das Zweyte: / Was ist für alles Uebel gut? Geduld […] [s. l.], (nur Text), DVA Liedflugschriften; E delmann 1955, S. 8–9 (Melodievariante); R iedl /K lier 1958, S. 26, S. 30 (Liederwähnung). M aar 1990, S. 17 (Liederwähnung); D eutsch /S ieder 2014, S. 419–421 (andere Melodie). H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
S 14
[ohne Titel]
1. Was hilft dir Mensch die ganze Welt, gib Antwort auf mein Frag, was hilft dir Wohlust [=Wollust] wieder Geld, und was nennen mag; sollte alles dir werden zum Gewinn, ist dein Seel auf ewig hin; was hilfts, was hilfts, was hilfts.
2. Was hilft dir Dienstboth jener Sold, den man gibt, wann das Jahr aus; wann die Herrschaft schon ist hold, wann bist ein Kind im Haus, ach noch so fleißig dien und schaf[f]st, ist deine Seel ein Höllen Schatz, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
3. Was hilft dir Bürger, wenn du gesund, wann hast ein gutes Brod, wann dir nie kommt ein böse Stund, wann du nie leidest Noth; wann dir schon alles nach Wunsch ergeht, um d[ie] Seel es aber übel steht, Was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
4. Was hilft dir Bauer, wann schneidest ein sehr viel auf deinem Feld; wann das Jahr nicht konnte besser seyn, wanns dir in keinem fehlt, wann schon sind deine Scheuren257 voll; dein Seel jedoch verdammt seyn soll, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
257 Scheune.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
5. Was hilfts wann du o Handelsherr vermehrest deine Schätz, treibst dein Gewerb auch über Meer, ganz Goldberg übernetzt, Wann d[ie] Seel zu letzt kommt auf die Hand, und bleibt der Höll zu einem Pfand, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
11. Was hilft, wen[n] bist ein großer Herr, hoch Edel wohl gebohren, was hilfts, wann du bist weiß nicht wer zum Her[r]schen auserkohren, hat deine Seel jenen Adel nicht der wahre Tugend bringet mit, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
6. Was hilft dir Künstler deine Hand, die schon viel Schönes gemacht; dir aller Orten wie bekannt den größten Ruhm gebracht; wann ungeachtet deine Kunst, dein Seel muß fort in Höllen Brunst; was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
12. Was hilfts, wann bey Hof oben an, o Günstling sitzts am Brett, wann dir aufwartet jeder Mann, und alles zu Diensten steht, wann einstens müsste deine Seel, zu unterst liegen in der Höll, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
7. Was hilft Weltweiser dich dein Witz, den zu erforschen pflegst, was die Natur hat im Besitz, und was sie hat verdeckt; wann du schon alles ha[s]t klar erklärt, verfehlt dein Seel ihr Ziel und End. was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
13. Was hilft der Fürsten Hüt und Kron O König, o Regent, was bleibt[,] was hast davon, an deinem letzten End, wann deine Seel einbüßt zugleich, das zeitlich, und das ewig Reich, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
8. Was [hilft] dir doch Herr Medicu[s] dein edle Wissenschaft, die stillen kann all Schmerz und Weh, durch Kur und Kräutermacht; wann du schon machst den Leib gesund, geht aber deine Seel zu Grund, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
14. Was hilft[,] wann d[ie] Seelen tausendweis o Priester hast beke[h]rt, angewendet hast Müh und Schweiß, für dein vertraute Heerd [=Herde], wann du schon andre Gott zuführst, dabey dein eigne Seel verlierst, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
9. Was hilft Herr Rath[,] Herr Advokat, wann du bist noch so gelehrt, wann jener das Recht genommen hat, der deine Hülf begehrt; wann d[ie] Seel vor Gottes Gricht zittirt selbst ihren Handel dort verliert, was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
15. Was hilft dan[n] alles hier auf Erd, wo nichts als Eitelkeit, so nur das Herz, und Gwissen beschwerd, mit Angst und Bitterkeit, nichts hilfts, nichts hilfts, als nur allein für seine Seel sorgfältig seyn, dieß hilft, dieß hilft, dieß hilft.
10. Was hilft dein Klugheit, List und Macht, erfahrner Kriegesheld, was hilft, wann unter Joch gebracht, von dir ist schon die Welt, wann deine Seel den Ruf ausbreit, verliert die Seel den letzten Streit; was hilfts[, was hilfts, was hilfts].
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Ein Belehrungs- und Erbauungslied, das im Sinne des Evangeliums (Matthäus 16/26) die Vergänglichkeit des Lebens anspricht und darauf hinweist, dass Macht, Reichtum, Wissen und Talent am Lebensende keine Rolle spielen, hingegen alle Sorgfalt auf die Pflege der Seele zu legen sei. Melodisch zeigen sich große Ähnlichkeiten mit dem vorangehenden Lied „Was ist für alles Übel gut“ (S 13), das ebenso eine Anleitung zum tugendhaften Leben bietet. Dieselbe Autorenschaft ist daher durchaus in Erwägung zu ziehen.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXX Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Monatafon, 2. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962.
S 15
Volkslied vom allerheiligsten Altars = Sakrament
1. Aus Lieb verwundter Jesu mein, wie kann ich dir gnug dankbar seyn wollt wünschen ich könnt lieben dich, wie du allzeit geliebt hast mich. [Refrain:] Jesus dein Gott im Sakrament, sey Lob und Dank ohn alle End, Maria auch die Jungfrau rein, sollt alle Zeit gepriesen seyn.
2. Mir giebst dich auf ein neue Weis, o großer Gott! Zu einer Speis. von meinet wegen, machst dich klein, wie könnt Liebe größer seyn. 3. Gleich wie ein Hirsch zur Wasserquell, in vollem Lauf sich sehnet schnell mit gleichem Durst, sehn ich nach dir, O Jesu! Jesu! komm zu mir. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Dieses Kirchenlied dürfte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein. Die erhaltenen schriftlichen und gedruckten Belege deuten auf die Verbreitung im schwäbisch-alemannischen Raum hin. 1755 gibt der Verlag von Magdalena Endelin den Text im Augsburger Gesangsbuch heraus. Die Montafoner Fassung unterscheidet sich leicht von der Lustenauer Niederschrift des Liedes (= Lied S 3 in diesem Buch), die einstimmig, mit sechs Strophen, jedoch mit Fehlern behaftet notiert ist. Hier gibt es lediglich die Strophen 1, 2 und 4, das Lied ist zweistimmig notiert.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXX Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Montafon, 4. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. VLA, Pfarrarchiv Egg: Beiblatt zu Handschrift 7 (nach 1721), fol. 4r (Text). VLB, Sondersammlungen: VD Brentano 1798, Der heilige Gesang zum Gottesdienst in der römisch-katholischen Kirche. Mit einem Anhang von […] nebst Vespergesänge[n]. Bregenz: Brentano 1798, S. 143. THP 470–1, Tägliche Missions-Erneuerung, Oder auserlesene Geistliche Übungen Eines Recht Christlichen Lebens-Wandel. Nach Anleitung. Der Apostolischen Mission in Schwaben: Einem jeden frommen Christen leicht, und nutzlich zu gebrauchen. Druck: Reth. V orarlberger V olksliedwerk 1981, S. 90 (geringfügige Variante).
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: E ndelin 1755 (Text); B äumker 1891, S. 198; B äumker 1911, S. 547; S ieder /D eutsch 2014, S. 91–93.
S 16
Österlicher Kirchengesang
1. Christus ist erstanden
4. Maria die viel zarte, die ist ein Rosengarte, den Gott selbst ausgezieret hat, mit seiner göttlichen Majestät all. Alleluia
von seiner Marter allen, daß sollen wir alle froh seyn, Christus soll unser Trost seyn. Alleluia. 2. Wär’ er nicht erstanden so wär die Welt zergangen, und seit dass er nun erstanden ist, so loben wir den Herren Jesum Christ. Alleluia.
5. Maria die viel reine, die hat sehr heiß geweinet, um unsern Herrn Jesum Christ, der aller Welt ein Tröster ist. Alleluia.
3. Es gingen drey heilige Frauen, die wollten das Grab beschauen, sie suchten den Herrn Jesum Christ der von den Todten erstanden ist. Alleluia.
6. O du heiligs Kreutze, behüt uns Christen Leute und daß die Ungläubigen werden bekehrt, so wird der Christliche Glaub vermehrt. Alleluia. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
„Christus ist erstanden“ findet sich in der Sonnleithner-Sammlung zweimal, es wurde auch im Gerichtsbezirk Lustenau aufgezeichnet. Im Vergleich zur Lustenauer Fassung (S 4) fehlt im Montafon die dritte Textstrophe („Er ist erstanden wahrlich“). Es gibt zudem deutliche Abweichungen zu anderen, älteren Texten, wie auch zu jenem, der im Gesangbuch von Nicolaus Beuttner (Graz 1602) publiziert wurde. Der Augsburger Druck von 1755 steht textlich am nächsten, doch sind hier Strophe vier und fünf vertauscht. Melodisch liegt eine Variante vor. Sie ist an die ursprüngliche dorische Fassung angelehnt, das Gerüst wird melodisch umspielt und ist mit Akzidentien angereichert. Der Schreiber setzt hier an den Beginn der Notenzeile zwei Kreuze für D-Dur; sie wurden bei der Übertragung nicht übernommen. Dass diese Fassung weit verbreitet war, zeigt das Beispiel aus Batschuns, das im vorliegenden Buch bereits vorgestellt wurde (mehr dazu bei S 4). Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXX Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Montafon, 6. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto: Film 2–4 (Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription des Liedes durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. M 31/I Ebnit, Konrad Schwab, Volkspoesie in Ebnit, Facharbeit 1929, S. 85, Nr. 53 (Text). M 048/I/82, Großdorf, Diktandoheft der Anna Katharina Feuerstein, um 1881 (Text). SAAH 01/008, Noten aus dem Bestand des Lehrers Johann Michael Rheinberger, Batschuns/Rankweil, 1. H. 19. Jh. VLB, Sondersammlung: SAMM-KISPE-00730, B ischöfl . O rdinariat K onstanz (Hrsg.), Christkatholisches Gesang- und Andachtsbuch / zum Gebrauche bey der öffentlichen Gottesverehrung im Bisthum Konstanz, Konstanz: Waibel 1812.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: F roschauer 1540, S. 147; L eisentrit 1567 (1966), fol. 118v–120r; B eutner 1602 (1968); E ndelin 1755 (Text); B äumker 1886, Bd. 1, S. 502–510 (Nr. 242); E rk /B öhme 1893, III, S. 676; H aid /H ochradner 2000, S. 333f.; P rassl 2004, Nr. 99; F ischer 2007, o. S.
S 17
Volks-Lied an einem marianischen Gnadenort
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
4. Jetzund aber will ich lassen alle Sünd und Mißethat, will mir meine Hoffnung fassen, auf die starke Gottesgnad.
1. O Maria voll der Gnaden Mutter der Barmherzigkeit, si[e]he wie ich bin beladen mit der Furcht und Traurigkeit. [Refrain:] Ach über mich erbarme dich, schmerzhafte Mutter bitt für mich.
5. Wenn es endlich kommt zum Sterben u[nd] zur langen Ewigkeit, wollest mir die Gnad vererben, zur erwünschten Seligkeit.
2. Ach ich elend armer Sünder, ach so bin ich kommen hin, nimm mich unter deine Kinder, wenn ich schon nicht würdig bin.
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
3. Bin gewichen von der Straßen, von dem Weg der Seligkeit, bin gelaufen durch die Gassen, dieser Welt und Eitelkeit.
Österreichweit und auch darüber hinaus finden sich Varianten dieses Marienliedes. Verbreitungsmedium waren weitgehend Flugblätter und Liederbücher (Sieder/Deutsch 2014). Den Liedtext trifft man 1761 in einer Variante in einem schwäbischen Gebetsbüchlein: 1. O Maria voll der Gnaden, Mutter der Barmhertzigkeit. Si[e]h! Wie ich mit Sünd beladen, Seuffz in harter Dankbarkeit. Ach über mich erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.
4. Eines noch mich sehr betrübet, Nemlich der umbständig Will, Der gantz blind gleich wieder liebet, Was er vor gehasset vil. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
2. Es seynd schon vil Jahr verstrichen, Daß ich alle G’sätz veracht; Daß ich von Gott bin abgwichen, Mich zum Sclav der Höll gemacht. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
5. Mich dann durch dein Schutz behüte, Weil zu dir mein Hoffnung ist: Du o voll der Lieb und Güte, Du der Sünder Zuflucht bist. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
3. Nun es reuet mich von Hertzen, Daß ich Gott beleydigt hab: Und bekenn mein Sünd mit Schmertzen, Will vom Bösen stehen ab. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
6. Ey so wollest Jesum bitten, Dein gebenedeyten Sohn, Der für mich so vil gelitten, Daß er gnädig mir verschon. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
7. Wann es endlich kommt zum Sterben Und zur langen Ewigkeit. Wollest mir bey Gott erwerben, Die erwünschte Seeligkeit. Ach über mich [erbarme dich, O Mutter Jesu bitt für mich.]
Der christliche Wallfahrer wendet sich mit der Bitte um Schutz und Fürsprache an die Schmerzreiche Mutter Gottes, die besonders in Tschagguns verehrt wurde. In der Region des heutigen Bundeslandes Vorarlberg war „O Maria voll der Gnaden“ im 18. Jahrhundert nachweislich verbreitet.258 Dass das Lied älter ist, sieht man an Melodieverweisen in gedruckten Gesangsbüchern zu anderen Texten. Ob die darin angesprochene, bislang unbekannte Melodie mit der vorliegenden aus dem Montafon identisch ist, bleibt noch unbestätigt. Im 19. Jahrhundert waren mehrere Vertonungen verbreitet. 258 Beispiele siehe unter anderem in RISM.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Die Gesangstradition führt in Vorarlberg aber auch zeitlich weit herauf. 1881 notiert die aus einer sangesfreudigen Familie stammende Schülerin Anna Katharina Feuerstein (*1868) aus Großdorf den Text von vier Strophen in ein „Diktandoheft für Volks- und Bürgerschulen“, ihr späterer Schwager Josef Bitsche fand ihn 1962 im Gasthof Adler in Großdorf.259 Diese Niederschrift nähert sich in der ersten Strophe der schwäbischen Variante von 1761 mit einer kleinen Abweichung. Statt „Seufz in harter Dankbarkeit“ heißt es hier „Seufzen unter Dienstbarkeit“. Zweite, dritte und vierte Strophe lauten: 2. Viele Jahre sind verstrichen, daß ich meinen Gott veracht daß von ihm ich abgewichen, mich zum Sündenknecht gemacht. Ach über mich …
3. Ach ich elend armer Sünder, wo bin ich gekommen hin! Nimm mich unter deine Kinder, wenn ich schon nicht würdig bin. Ach über [mich] …
4. Denn es reuet mich von Herzen, daß ich Gott beleidigt hab; klage an die Schuld mit Schmerzen will vom[Bösen] stehen ab. Ach über mich …
In der Stiftsbibliothek des Schweizer Klosters Engelberg wird eine Flugschrift mit dem Titel „Ein schönes Lied von der Mutter Gottes – zu finden in Einsiedeln“ (Benziger 1910) verwahrt. Das Kloster Einsiedeln mit seiner Gnadenbild-Kapelle war eine der bevorzugten Pilgerstätten für die Vorarlberger Gläubigen. „O Maria voll der Gnaden“ zählt auch in Einsiedeln zu den bevorzugten Wallfahrtsliedern.260 Die Aufzeichnung in der Sonnleithner-Sammlung erinnert an den Beginn der marianischen Antiphon „Regina caeli laetare“. Bislang konnte nur eine ähnliche melodische Fassung gefunden werden, die 1999 bei einer Feldforschung des Österreichischen Volksliedwerkes in einem Hochtal bei Kötschach-Mauthen/Kärnten (Deutsche Sprachinsel Sappada/Ploden) von einer älteren Gewährs-
Abb. 51: Marienlied aus Kärnten, aufgezeichnet 1999
259 Ihre Taufpaten waren der Lehrer Johann Josef Feuerstein, von dem Notenmaterial überliefert ist, sowie Rosa Maria Rüscher, eine Tante aus Bizau. Auch von ihr sind in der Musiksammlung im Vorarlberger Landesarchiv mehrere Liedertexte erhalten. 260 Mehr dazu beim Lied „Maria, du Himmelskönigin“ (= S 5) in diesem Buch.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
person vorgesungen wurde. Gibt es eine gemeinsame Vorlage? Bis auf kleine abweichende Details ist die Melodieführung identisch, der Text entspricht den Strophen 1, 3 und 4 bei Feuerstein. Bei Sonnleithner liegt eine deutlich zersungene Fassung vor. Rhythmisch gibt es Abweichungen, Motive werden in die Länge gezogen, Pausen eingefügt, Taktverschiebungen sind die Folge. Auffallend ist die große Gemeinsamkeit des ersten Abschnitts mit dem für die Sonnleithner-Sammlung aus Lustenau abgegebenen „Ach mein Seel“ (= TV XXVIII/1, hier in diesem Buch S 1). Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXX Mehrere Kirchenlieder aus dem Tale Montafon 7. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. M 048/I/85 Großdorf, Aus dem „Diktandoheft“ der Anna Katharina Feuerstein, um 1881 (Text). VLB, Sondersammlungen: THP 470–1, Tägliche Missions-Erneuerung, Oder auserlesene Geistliche Übungen Eines Recht Christlichen Lebens-Wandel Nach Anleitung Der Apostolischen Mission in Schwaben: Einem jeden frommen Christen leicht, und nutzlich zu gebrauchen. Kaufbeuren, Reth 1761, S. 225 (ohne Melodie, Textvariante); VD Brentano 1792, Geistliche Lieder, über Kreuzweg, Rosenkranz etc. zur andächtigen Betrachtung des Kreuzweges und verschiedener Geheimnisse der Religion; wie auch der seligsten Jungfrau Maria. Bregenz: Brentano 1792, S. 19 (Melodieverweis).
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: E ndelin 1755; B enziger 1910, S. 27; B äumker 1891/3, Nr. 118, S. 227 (Textvariante und andere Melodie); W allner 1970, S. 102–104 (andere Melodie); S chmidt 1970, S. 149, S. 152–154, S. 159, S. 160, S. 432 (Liederwähnung); K ärntner V olksliedwerk 1999, Heft 4, S. 18 (dieselbe Melodie mit geringen Abweichungen). B ösch N iederer 2000, Heft 2, S. 3–9; S ieder /D eutsch 2014, S. 345–347 (ähnlicher Text, andere Melodie); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
S 18
Der Biedermann
1. Juhe! ich bin ein Biedermann, und rundum ist mein Hut; ich trink ein Räuschchen dann und wann, das machet frisches Blut.
3. So frey und froh und niemals Knecht, kein Heuchler und kein Dieb, ich trink ein Räuschchen recht und schlecht, das ist dem Herrgott lieb.
2. Und schwätz der Laurer261 hinterm Haag262, nur was er will und lach, ich geh den graden Weg und frag kein Teufel nicht darnach.
4. Erhalte mir die Biederleut, auf deiner ganzen Welt, und mit den Schurken weit und breit machs Herrgott wie dirs gfällt. Text: Johann Ludwig Ambühl (1750–1800) Musik: Samuel Gottlob Auberlen (1758–1829)
261 Laurer = Spitzel, Beobachter. 262 Haag = Zaun.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Der „Biedermann“ gilt als ehrenwert, rechtschaffen, aber auch spießbürgerlich, auf seine Gestalt trifft man gerne im Theater und auch in der Literatur. Eine ganze Epoche wird nach ihm benannt. Bereits zur Zeit der Niederschrift dieses Liedes taucht der Begriff als Familienname im Montafon auf. Ob das Absingen dieses Liedes als Spott für eine bestimmte Person gedacht war? Die Bedeutung des Begriffs war hier durchaus bekannt und nicht immer nur ironisch gemeint. 1832 ließ eine Witwe zum Andenken an ihren bei der Waldarbeit verunglückten Gatten in Gaschurn/Montafon einen Marterlspruch anbringen: Hier wohnet Karl Sandrel[,] in Wort und Werk ein Biedermann.263
Das vorliegende Lied trifft das Klischee vom braven Biedermann. Er geht geradlinig seinen Weg, frönt der häuslichen Gemütlichkeit, zündet sich gerne ein Pfeifchen an, trinkt dann und wann ein Gläschen und hält sich vom Gesindel fern. Dichter und Komponist des vorliegenden Liedes sind bekannt. Beide kommen aus der Bodenseeregion. 1784 wurde der von Johann Ludwig Ambühl erstellte Text von Samuel Gottlob Auberlen mit dem Titel „Der betrunkene Beli“ vertont und in St. Gallen bei Reutiner publiziert. Für den Verkauf warb bald auch das Intelligenzblatt der Reichsstadt Lindau.264 Bereits 1789 nennt Hans Heinrich Füßli in seiner „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer [!] des armen Mannes im Tockenburg“ Am Bühls bekanntes Lied. Der Dichter Ambühl (Am Bühl) aus Wattwil war Mitglied der „Moralisch-Reformierten Gesellschaft“ im Toggenburg und wirkte in seinen letzten Lebensjahren im schweizerischen Rheintal als Pädagoge und Schriftsteller. Der Komponist Auberlen, ein gebürtiger Schwabe, war Musikdirektor in Winterthur, Tübingen und Ulm und galt als beliebter Liedkomponist. In der Montafoner Fassung fehlt Ambühls dritte Strophe: Was gehen mich doch die Hudler265 an, Und all ihr Lumpenspiel? Gottlob! Ich bin ein Biedermann – Und deren gibt’s nicht viel.
Unter dem Titel „Der betrunkene Beli“ wurde dieses Lied auch in einer Handschrift in Ulm gefunden, allerdings ohne Autorenangabe.266 Aus Imst/Tirol wird 1819 eine vertonte Fassung unter dem Titel „Ehrenbergisches Volkslied / oder / Der armselige Bauer“ zur Sonnleithner-Sammlung gegeben, die melodisch nicht mit der Auberlens ident ist. Sie ist auf sechzehn Takte ausgeweitet, es werden jeweils zwei vierzeilige Textstrophen zusammengefasst. Da das Gedicht aber im Original fünf Strophen enthält, wird Ambühls letzte Strophe („Erhalte mir die Biederleut“) dort nach dem dritten Vierzeiler, der bei der Montafoner Aufzeichnung fehlt, eingeschoben und am Schluss des Liedes wiederholt. In der Schweiz dürfte das Lied sehr populär gewesen sein. Noch um 1840 bis 1860 findet es sich im Gesangsrepertoire der weithin bekannten, aus einer Musikerdynastie stammenden Geschwister Broger („Böhlmeedle“) aus dem naheliegenden Gonten/Appenzell.267 Der Schweizer Liedforscher Christian Schmid fand eine um 1900 gebräuchliche, sehr zersungene Variante in einem handschriftlichen Liederheft des Eugen Braschler-Renz (1871–1913) aus Wetzikon.268 263 VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung, M 084/I Gaschurn. 264 Intelligenzblatt der Reichstadt Lindau, Jg. 3, Nr. 11 (11. September 1784). 265 Hudler = oberflächlicher, leichtlebiger Mensch. 266 Siehe: RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 1001007525. 267 Information aus einem Nachlassverzeichnis der „Böhlmeedle“ im Zentrum für Appenzellische Volksmusik in Gonten. 268 Fotokopie der Handschrift in der Sammlung Christian Schmid, die dem Vorarlberger Landesarchiv übergeben wurde. Sammlung Schmid 01/01.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Es gibt darüber hinaus eine weitere Aufzeichnung aus dem Montafon aus der Hand des Gerichtsbeamten Nayer (siehe dazu mehr in diesem Buch unter N 20). Leider fehlt bei ihm die Melodie. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXI Zwei Volkslieder ebendaher, 8. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 36.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: A uberlen 1784; Füssli 1789; S. 293 (Liederwähnung); Deutsch 1976/77, S. 1934–1938.
S 19
Volks - Lied
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1. Ich hab so viel gelitten, in dieser schönen Welt so manchen Kampf gestritten, so manchen Wunsch verfehlt. Viel tausend heiße Thränen, viel tausend banges Siehnen [= Sehnen], hab ich dir stille Nacht, zum Opfer dargebracht. 2. Es hat Glück, Ehre, Liebe und Freundschaft mich bekränkt, mein Auge war stets trübe, mit tiefen Gram versenkt; so flohn die Frühlingtage, voll Kummer und voll Klage, Ach! Öd und Freuden leer ist alles um mich her. 3. Weh mir, dass ich im Herze, in meinem Busen trug, daß auch bey fremden Schmerzen, so warm, so redlich schlug, von eignen Kummernißen [= Kümmernissen], von fremder Not ze[r]rissen, bebt doppelt jeder Schlag in meinem Herze nach. 4. Doch bald ist überwunden, dies jammervolle Lied, vielleicht nach wenig Stunden bis zu der frohen Zeit, da endlich aus Erbarmen, der süsse Tod mich Armen, nach viel und ha[r]ter Last, im kühlen Grab umfasst. 5. Drum ruhig liebe Seele, der Leiden sind zwar viel, doch in des Grabes Höhle, ist aller Leiden Ziel; da stürmt kein banger Kummer, in deinem süssen Schlummer, in mütterlicher Schooß, auf deine Ruhe loos! Auf deine Ruhe loos, auf deine Ruhe loos! Text: Franz von Spaun (1753–1826) oder Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791). Musik: Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802) oder Joseph Haydn (1732–1809).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Dieses Lied war zu Beginn des 19. Jahrhunderts gemeinsam mit aktuellen Opernarien im Repertoire von reisenden Musikern zu finden. Zu ihnen gehörte der in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ von 1804 erwähnte „Mundharmonikaspieler“ Franz Koch (um 1759–1830) aus dem salzburgischen Mittersill. 269 Mit seinem, dem Zeitgeschmack entsprechenden Repertoire begeisterte er auf seinen Kunstreisen, auf der Maultrommel spielend, weitgehend den Adel und das Publikum der Städte. Er beglückte sie unter anderem auch mit „Ich habe viel gelitten“.270 Zur Urheberschaft des Liedes gibt es mehrere Ansätze. Ernst Münch nennt in seinen „Erinnerungen, Lebensbilder und Studien aus den ersten sieben und dreißig Jahren eines teutschen Gelehrten“ im Jahre 1836 als Textdichter Franz Ritter von Spaun, einen österreichischen Juristen, der Ende des 18. Jahrhunderts unter anderem als Verwaltungsbeamter einige Jahre im ehemaligen Vorderösterreichischen Breisgau lebte und als politischer Häftling 1792 eine mehrjährige Gefängnisstrafe antreten musste, die er in Ungarn und Kufstein verbrachte. Laut Münch sei das Lied ein Spiegelbild seiner Gemütsverfassung während der Haft. Da aber Spaun vor seiner Verhaftung noch bis 1788 in Freiburg weilte, ist seine Autorenschaft anzuzweifeln. Denn bereits 1785 nennt der schwäbische Dichter und evangelische Pfarrer Victor Matthäus Bührer (1760–1828) in seiner Publikation „Kleine Gedichte“ ein Gegenstück zu: „Ich habe viel gelitten in dieser schönen Welt“. Demzufolge war dem Pfarrer der Text bereits bekannt. Übernahm Spaun eine ältere Version des Gedichtes? Führt hier eine Spur über den mit Spaun bekannten Schweizer Schriftsteller, Theologen und Komponisten Johann Caspar Lavater (1741–1801) zum württembergischen Komponisten und Schriftsteller Christian Friedrich Daniel Schubart, der ebenfalls mit Lavater in Kontakt war? Auch Schubart musste eine mehrjährige Kerkerstrafe verbüßen; in den Jahren 1777 bis 1787 war er in der Festung Hohenasperg nahe Ludwigsburg inhaftiert gewesen. 1804 wird er als Autor genannt. In der Allgemeinen musikalischen Zeitung liest man: […] wo hatte man nicht z. B. das von ihm in der Gefangenschaft gedichtete und in Musik gesetzte Lied: Ich habe viel gelitten – mit Teilnahme gesungen?271
Die hier angesprochene Zuweisung an Schubart konnte bislang nicht eindeutig verifiziert werden. 1786 lässt der Württemberger Hofmusicus Christian Ludwig Dietter (1757–1822) in seinem Singspiel „Glücklich zusammengelogen“ im weinerlichsten Ton eines Exulanten „Ich habe viel gelitten in dieser schönen Welt“ singen – ein weiterer Hinweis, dass das Lied in den 1780er Jahren bereits bekannt war.272 Die Bayerische Staatsbibliothek verwahrt eine Sammelhandschrift aus dem Jahre 1786 mit einer Liedvariante, als deren Schöpfer Schubart und Zumsteeg gelten.273 Ähnlichkeiten mit der Vorarlberger Aufzeichnung sind durchaus vorhanden. Sie finden sich aber auch in einer Textvertonung, die Josef Haydn zugeschrieben wird und mit dem englischen Titel „A prey to tender anguish“ (Hob. XXVIa: G1) 1798 in der Sammlung „The German erato, or a Collection of favorite songs translated into English“ in Berlin, später auch in Philadelphia publiziert wurde.274 269 Allgemeine musikalische Zeitung, Leipzig, 11. Jänner 1804, Nr. 15, Sp. 249. 270 Franz Koch wurde in Mittersill/Salzburg geboren, erlernte das Buchbinderhandwerk, gelangte auf abenteuerliche Weise zum preußischen Heer und begann seine Karriere als Maultrommelvirtuose mit Auftritten am preußischen Hof. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Breslau. Mehr dazu bei: Alexander Rausch, Artikel „Koch, Franz de Paula“. In: Oesterreichisches Musiklexikon online; URL: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_K/Koch_Franz.xml (Zugriff: 11. 4. 2018). 271 Allgemeine musikalische Zeitung, Leipzig, 11. Jänner 1804, Nr. 15, Sp. 230–231. 272 Libretto des Schauspiels in der Bayerischen Staatsbibliothek in München, Librettosammlung Her, Signatur: Slg. Her 1997. 273 RISM ID no. 450200338. Link zum Digitalisat: https://daten.digitale-sammlungen.de/0005/bsb00050586/images/index. html?id=00050586&groesser=&fip=193.174.98.30&no=&seite=131 (16. 4. 2020). 274 Vgl. https://imslp.org/wiki/A_prey_to_tender_anguish,_Hob.XXVIa:G1_(Haydn,_Joseph), weitere Digitalisate vorhanden, u. a. eines Druckes der Library of Congress; URL: http://hdl.loc.gov/loc.music/musm1a1.11063 (Zugriff: 16. 4. 2020).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Hier eröffnen sich viele spannende Fragen zur ersten Urheberschaft: Wer schrieb den Text, Schubart oder Spaun? Kannte Haydn Zumsteegs Vertonung? Weiterführende Untersuchungen, die in diesem Rahmen nicht möglich sind, wären lohnenswert. Nach 1800 war das Lied bereits sehr populär. Als der Pester Verleger Joseph Leyrer 1810 das Büchlein „Lieder der Liebe, der Freude und des geselligen Vergnügens“ (Heft 4) mit dem Vorsatz herausgab, den durch herumziehende Liederkrämer verbreiteten geschmacklose[n] und größtenteils unvernünftigen und unsittlichen Liedern entgegenzutreten, erhoffte er sich damit auch Verdienste zu erwerben: […] wenn man bedenkt, welch einen großen Einfluss der Gesang und die Volkslieder auf die Bildung des Gemüths und den Nationalcharakter haben.
Seine tugendhaft anmutenden Bemühungen trugen weitgehend Früchte; auch andere Lieder aus seiner Sammlung tauchen im Vorarlberger Liederschatz der „Biedermeierzeit“ auf. Leyrer bringt den gesamten Text von „Ich habe viel gelitten“, zur Melodie aber fehlt jeder Hinweis. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Liedtext für die christliche Erbauungsliteratur herangezogen. Bemerkenswert an der Montafoner Aufzeichnung ist die beigegebene Klavierstimme, eine einfache Liedbegleitung mit Akkordzerlegungen, die auf eine musikalische Vorlage hindeutet und sowohl bei Haydn als auch bei Zumsteeg Parallelen findet. Ist es eine mündlich tradierte Version, eine Variante von Johann Rudolf Zumsteeg oder Josef Haydn? Leider bricht die Aufzeichnung vor dem Schluss ab. Hier wurde für das vorliegende Buch bei der Umsetzung in den Notendruck eine kleine Ergänzung vorgenommen:
Abb. 52: Liedschluss in der originalen Aufzeichnung, M 121/II/01 Vorarlberg: Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958)
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke:
GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXI, Zwei Volkslieder ebendaher, 9. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: B ayerische S taatsbibliothek M ünchen , Musikhandschriften, 98 Vocal pieces [ohne Titel], Mus.ms.8739 (enthält auf S. 126 die Vertonung des Liedes von Zumsteeg, 1786), digital: URL: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00050586 (Zugriff: 16.1.2022); The German Erato, Or A Collection of Favorite Songs. Translated into English With Their Original Music, Printed by G. F. Starcke, Berlin 1797, S. 22–23, digital: URL: https://archive.org/details/BeresfordGermanErato1797/ mode/2up. (Zugriff: 16. 1. 2022, Haydn-Fassung); Hiller 1803, Konzertbericht aus Berlin. S. 247 (Liederwähnung); L eyrer 1810, H.4, S. 58–60 (Text); M ünch 1836, S. 103 (Liederwähnung); H artmann 1848, S. 116; H off mann von F allersleben 1859, S. 79, Nr. 488; A ngsüsser 1933; A rndt /G erber 2011, S. 45.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
S 20
Die sieben Sprünge / Tanz
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Mach mir du die sieben Sprünge, mach mir du all sieben, mach mir wie ein Edelmann, mach mir, dass ich’s tanzen kann! Ist Ein! Ein! Ist zwey! Ist Ein! Ist zwey! Ist drey! Ein! Ist zwey! Ist drey! Ist vier! Ist Ein! Ist zwey! Ist drey! Ist vier! Ist fünf! Ist Ein! Ist zwey! Ist drey! Ist vier! Ist fünf! ist sechs! Ist Ein! Ist zwey! Ist drey! Ist vier! Ist fünf! Ist sechs! Ist siebn!
Der „Siebensprung“ ist nicht nur im deutschen Sprachraum beheimatet, der Tanz wird in Varianten von den Pyrenäen bis nach Skandinavien getanzt, oftmals auch nur von Männergruppen. Von Franz Magnus Böhme in seiner „Geschichte des Tanzes“ als germanischer Opfertanz zur Frühlingsfeier bezeichnet, war es nachweislich üblich, ihn bei Hochzeiten, Erntedankfesten und Kirchtagen zu tanzen.275 „Es ist ein Tanz, der große Ausgelassenheit voraussetzt, […] ein Verneigen des Tänzers vor seiner Tänzerin, das vom Ausfallsschritt bis zum Sichhinwerfen auf die Erde geht“,
liest man bei Hermann Eduard 1905 in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. Um 1605 taucht der Name erstmals im Lautenbuch des dänischen Pastors und Komponisten Petrus Fabricius (1587–1650) auf. War ein Pfeifermarsch die melodische Vorlage? Oder gar ein barocker höfischer Tanz, die Bourrée?276 Melodievarianten in Handschriften, die zwischen 1700 und 1750 niedergeschrieben wurden, stellen auch diese Möglichkeiten zur Diskussion. 275 Ausführliche Informationen über den Siebensprung bei: Kendel 1999, S. 56–70. 276 Siehe dazu: RISM ID no.: 450059873, als Bourrée in einer anonymen Handschrift aus dem Gebrauch eines Organisten. Musikwissenschaftliches Institut der Universität Köln.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Eine Variante, die im süddeutsch-österreichischen Raum lokalisiert wird, erscheint bereits 1720 in einem Tanzheft des Johann Friedrich Dreyßer als „Tragoner-March“:277
Abb. 53: „Tragoner March“ aus: Dantz Büchlein. // Johann Friedrich Dreyßer […] 1720. Bayerische Staatsbibliothek, Mus.ms. 1578, fol. 37v
In Schwaben fand man den Tanz noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Erntefesten als reinen Männertanz mit steigernden Bewegungen. Doch bereits 1814 liest man darüber in einer schwäbischen „Alterthumszeitung“: Dieser vielleicht nicht allgemein bekannte, aber sehr alte Tanz wird nach einer eigenen Musik aber nur von Mannsleuten aufgeführt. Jedesmal wird der Tanz mit einem am Ende etwas nachdrücklichen Ton der Musik angehalten, der sich durch irgendeine Stellung oder Sprung des Tänzers auszeichnet. Nach Wiederholung des nemlichen werden am Ende zwey Töne ausgehalten, in welchen, nebst Repetirung des ersten, ein neuer besonders ausgezeichneter Sprung erscheint, und so repetirt sich der Tanz siebenmal, und bringt nebst jedesmaliger Wiederhohlung der vorigen einen Sprung hervor, sodaß am Ende alle sieben oft sehr seltsame und possirliche Sprünge und Stellungen nacheinander folgen“.278
Kam der Tanz durch saisonal wandernde Erntehelfer ins Montafon? Diese Montafoner Niederschrift ist die älteste und einzige handschriftliche Aufzeichnung aus Vorarlberg und soll auch die älteste in den österreichischen Alpenländern überhaupt sein. Erstaunlicherweise wird in der Vorarlberger Aufzeichnung, was in dieser Zeit in den handschriftlichen Musikheften noch eher sehr selten vorkommt, ein Titel beigegeben: „Die sieben Sprünge“. Musikalisch ist der Tanz von Motiv-Wiederholungen geprägt, deren melodische Gestalten sich im Rahmen einer Quint bewegen. Dem geradtaktigen folgt ein Nachtanz (Paartanz) im 3/4-Takt. Raimund Zoder publizierte den Nachtanz 1922 als „Kehraus“. Die Melodie mit Text entnahm er der Sonnleithner-Sammlung. Der Text ist schriftsprachlich und nicht im Dialekt. Seine Publikation mit Notenmaterial und Tanzbeschreibung fand viele Nachahmer. Woher er die Tanzbeschreibungen nahm, ist ungeklärt. Er selbst gibt in den Publikationen keinen Hinweis dazu. August Schmitt schreibt 1928, dass der Tanz bereits ganz in Vergessenheit geraten sei. Seinen zahlreichen Montafoner Gewährspersonen war er nicht mehr bekannt. 1925 taucht die Melodie mit Verweis auf Zoder in dem vom Reichsverband katholischer Mädchenvereine Österreichs herausgegebenen Liederbuch „Alpenrose“ auf. „Die sieben Sprünge“ werden in den 1930er Jahren auch als besonders beachtenswert im Lehrplan für Haupt- und Mittelschulen genannt. Zoder schuf mit seiner Publikation auch die Grundlage für die Tanzpflege durch Trachtenvereine. Seine Beschreibung wurde in die Vorarlberger Tanzbücher von Edy Hofer und Birgit Zell-Lorenz aufgenommen. Im Repertoire der Montafoner Trachtengruppen ist der Tanz nach wie vor anzutreffen. Wegen seiner oft akrobatischen Ausführung wird er publikumswirksam von Männern und Frauen aufgeführt. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXII, Mehrere Nationaltänze, fol. 1r. VLA, Musiksammlung: Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg: Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962; M 131/2 Walter, Abschrift des Tanzes, Nr. 5, (Noten aus dem Radio-Archiv 1952). 277 Siehe dazu: RISM ID no.: 450113429; mehr auch bei: Nettl 1960, S. 142–151. 278 G räter 1815, S. 42.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Z oder 1922, S. 25; J anz 1925, S. 312; B riem 1950, S. 28; Z oder 1958, S. 10–21; H ofer 1971, S. 85–87; P feffer korn 1980, S. 269–276; S chneider 1985, S. 489; Z ell -L orenz 2014, S. 117–121.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: W yss 1818, S. 123 (Schweizer Tänze Nr. 1, Melodievariante ohne Text); B öhme 1886/1967, S. 155–157; H ermann 1905, S. 282–311; H ermann 1907, S. 81–85; G ollner 1934, S. 72; G eramb 1948, S. 138–139; W olfram 1951, S. 65–67; K endel 1999, S. 56–70. (Montafoner Aufzeichnung auf S. 65).
S 21
Der Bauerntanz
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Drey lederne Sock, A Geis und auch ein Bock. Min Vater hat ein Kamisol Und auch dazu ein Rock.
Drey lederne Strümpf Und zwey da zue giebt fünf Mein Vater hat ein Kartenspiel, Ist nichts als lauter Trümpf.
Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Auch dieser Tanz entspricht ganz den Ansprüchen der Sammler von 1819, ist aber ebenfalls keine regionale Erfindung. Eine Altersbestimmung lässt sich kaum festlegen. Wie auch „Die sieben Sprünge“ war
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
„Drei lederne Strümpf“ zur Zeit der Tanzforschung in den 1920er Jahren als Tanz im Montafon bereits in Vergessenheit geraten.279 Im Bregenzerwald konnte er sich länger halten und wurde im 20. Jahrhundert als „alter Bregenzerwäldertanz“ bezeichnet.280 Verbreitet war der Tanz nicht nur im Montafon und im Bregenzerwald, sondern im gesamten alemannischen Raum. Varianten gibt es aus dem Elsass (E rk / B öhme 1893) und aus dem Appenzell (T obler 1904). Hier kennt man diese Tanzform als „Hierig“ oder „Hierling“, in Schwaben/Süddeutschland als „Fischinger Tanz“ (B öhme 1886/1967). Verwandtschaft zeigt sich auch mit dem „Schweizerlestanz“ oder „Hahnentanz“ in Schwaben (K endel 1999). Wie das echte Volkslied ist auch der echte Volkstanz kein an sich fertiges Gebilde, sondern ist auf seinem ständig in Fluß befindlichen Entwicklungsgang den verschiedenen Erweiterungen und Schrumpfungen unterworfen. Wie beim Volkslied Strophen hinzukommen oder wegfallen, so können beim Volkstanz Figuren vergessen oder neu erfunden werden. Einem solchen Umformungsprozess sind die zahlreichen Varianten des Tanzes „Drei lederne Strümpf“ entsprungen,
schreibt Hans Walter über den Tanz in Vorarlberg.281 Zu den sich meist leicht variierenden Tanzweisen wurden auch unterschiedliche Texte gesungen. Auffallend ist bei der ältesten Montafoner Aufzeichnung das Fehlen eines Dialektes, abgesehen von nicht näher zuordenbaren kleinen Färbungen. Die vorliegende erste Textstrophe fand im deutschen Sprachraum vielseitig Verwendung. Erk und Böhme bringen in ihrer Publikation „Deutscher Liederhort“ II/1893 den Spruch als Variante zum Elsässischen „Fischinger Tanz“ und in Band III/1894 als Reim zum Signal des „Österreichischen Zapfenstreichs“: Drei lederne Strümpf, Zwei und drei macht fünf! Und wenn ich ein’n verlier, So hab ich doch noch vier.
Diese Verse wurden bereits bei der ersten Volksliedsammlung von Zischka und Schottky 1819 im südöstlichen Niederösterreich gefunden.282 In ähnlicher Weise gestaltet sich die Strophe eines Kinderliedes in der Schweiz (Zürich, Aargau, Bern, Langental, Thun, Lauen u. a.).283 Erweitert trifft man den Text bei einem mimischen Paartanz, der eine Liebesgeschichte zur Darstellung bringt. Auch ihm bescheinigt man ein hohes Alter. Zum Tanz der Paare singen die Zuschauer ein Lied, das die symbolische Sprache der Bewegungen begleitet und erklärt.284 Die Geschichte der Vorarlberger Tradition weist Lücken auf, denn in den 1920er Jahren, als August Schmitt forschte, war der Tanz im Montafon nicht mehr üblich. Schmitt selbst schreibt in seiner ersten handschriftlichen Notenaufzeichnung: Vorarlberger Bauerntanz um 1860. Er gibt zwar die Noten, aber keine Gewährsperson an, auch nicht nähere Hinweise dazu, woher er seine Datierung nimmt. Da seine Noten mit dem ersten Teil der Sonnleithner-Aufzeichnung identisch sind, ist nicht auszuschließen, dass Zoder ihm die Sonnleithner-Sammlung zur Verfügung stellte. Der Forscher beschränkt sich aber nur darauf, einen Teil wiederzugeben, ohne die folgenden Rundtänze zu berücksichtigen. Diese gerieten im Laufe seiner Weitergabe durch die Pflege daher auch in Vergessenheit. Im Bregenzerwald konnte sich „Drei lederne Strümpf“ länger in der Tradition halten. Brachten Bregenzerwälder Auswanderer (Wiedertäufer) den Tanz auch nach Schlesien, wie es ein Oberlehrer Greber aus Egg vermutet? Nachweise gibt es dafür bislang nicht.285 Mitte des 19. Jahrhunderts dürfte 279 S chmitt 1928, S. 175, Tänze im Montafon. 280 S chmitt 1928, S. 356f. 281 W alter 1961, S. 245. 282 S chmitt 1928, S. 357. 283 Z üricher 1926, S. 115–116. 284 E rk /B öhme 1925, 2, S. 776. 285 S chmitt 1928, S. 357.
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der Tanz durchaus noch mancherorts am Tanzboden gebräuchlich gewesen sein, dies erwähnt der Bregenzerwälder Dichter Franz Michael Felder (1839–1869) in seiner Erzählung „Nümmamüllers und das Schwarzolaspale“: Nach dem Essen kam das Kaspale mit der Zither und machte etliche neue ‚Stückle‘ auf, die es wieder gelernt hatte, und dann tanzten Josef und das Mikle die „Drei ledernen Strümpf“, einen alten Wäldertanz, der aber hauptsächlich durch Gestikulationen mit den Händen ausgeführt wird, und sangen dazu: Drei liederne Strümpf Und zwei dazu gibt fünf; Mein Vater hat a Kartog’spiel, Sind nix als lauter Trümpf. Drei liederne Schuh’, A Motol und a Buo, A Güotle, a Häusle, A Ställe au dazuo u.f.f.286
Es gibt aber keinerlei Nachrichten, wie lange die Existenz des Werbetanzes am Tanzboden andauerte. Eine deutliche Wende brachte das 20. Jahrhundert, als er von seinem ursprünglichen Umfeld losgelöst als Schautanz eine neue Funktion erhielt. 1905 liest man von einem Kindermaskenball in Bregenz, bei dem die Tanzkunst durch Aufführung der ‚Drei Paar lederne Strümpf‘ und ‚Sechser‘ sich in präziser Durchführung zeigte.287
Die publikumswirksame Darstellung als Schautanz wird auch bei einer Aufführung in Wien 1908 anlässlich der Kaiserjubiläumsfeierlichkeiten deutlich. Bei einem Unterhaltungsabend des Vereins der Vorarlberger in Wien im Restaurant „Grünes Thor“ wurden dem Wiener Publikum unter anderem ein „Alt-Montavoner Tanz“,288 die „Drei lederne Strümpf. Alt Bregenzerwälder Tanz“ und der „Alt Bregenzer Sechser“ angekündigt, welche auch die Glanznummern bildeten und, begleitet von der Egger Musik, mit ausgezeichneter Eleganz und großer Exaktheit dargeboten wurden. 289 Im selben Zeitraum rückt „Drei ledernen Strümpf“ in das Blickfeld der Wiener Volkstanzforschung. 1906 war dem österreichischen Volksliedforscher Josef Pommer ein „Schwäbisches Tanzlied“ aus dem Tiroler Lechtal (Elbigenalp/Grünau) mitgeteilt worden. Er publizierte das von Emma Pechlaner aus Innsbruck überlieferte Tanzlied in der Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“. Raimund Zoder bemerkte gleich eine Ähnlichkeit mit dem Volkstanz aus dem Montafonertale, aufgezeichnet 1819, und wies den Vorarlberger August Schmitt darauf hin.290 Von Zoder stammt der heute nach dem Textanfang übliche Titel „Drei lederne Strümpf“. In der Sonnleithner-Aufzeichnung war dazu lediglich vermerkt: „Bauerntanz“. Der Tanz wurde nun Ausgangspunkt für August Schmitts erste Tanzforschung im Montafon in den frühen 1920er Jahren. Hier wurde er zwar nicht fündig, doch führten ihn weitere Forschungen auch nach Lustenau und in den Bregenzerwald. Dabei konnte er feststellen, dass dieser Tanz dort noch in den 1920er Jahren vereinzelt in Gebrauch war, er aber bereits als veraltet galt und von einigen Einheimischen als langweiliger Tanz bezeichnet wurde. 286 Franz Michael F elder , Nümmamüllers und das Schwarzokaspale. Ein Lebensbild aus dem Bregenzerwalde. Lindau 1863, S. 85. Der Lindauer Drucker verwendet hier den Dialektausdruck „liederne“. Die originale Handschrift ist leider nicht erhalten. In späteren Ausgabenheißt es: „lederne“. Siehe L ängle /T haler 2013, S. 70. 287 Bregenzer/Vorarlberger Tagblatt, 7. März 1905. 288 Dabei könnte es sich um „Die sieben Sprünge“ handeln. Näheres ist leider nicht bekannt. 289 Vorarlberger Volksblatt, 16. Juni 1908. 290 S chmitt 1932, S. 5f., Wie ich Volkstanzsammler wurde. In: Blätter für Volkstanzgruppen II, 1932. S. 5f.
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Abb. 54: Schwäbische Variante von „Drei lederne Strümpf“, gefunden im Tiroler Lechtal
Dem Vorarlberger Forscher standen bei seinen Nachfragen mehrere Gewährspersonen zur Verfügung, die unterschiedliche, meist nur fragmentarische Erinnerungen liefern konnten. Dazu gehörten Maria Vogel aus Lustenau, Frieda Nußbaumer, die Familie Bickel und eine Frau Zumstein aus Lingenau, Luise Erne und Frau Eyth aus Bregenz, Lehrer Oskar Rüscher aus Egg, Claudia Rüscher und Therese Metzler, eine Schwester des Lehrers Metzler aus Schwarzenberg, Isabella Meusburger aus Bezau, sowie Karoline Beiser aus Lech. Als Zoder 1928 den Tanz publizierte vermerkt er dazu: In dieser Form wurde der Tanz von Frau Maria Vogel, Wirtin „Zur Rose“ in Lustenau, Herrn Prof. August Schmitt im Jahre 1924 überliefert, welcher ihn aufzeichnete. Die hier mitgeteilte Melodie ist der Variante dieses Tanzes aus dem Tiroler Lechtale entnommen. Von dem Tanze waren in jeder Hinsicht nur mehr Erinnerungsreste vorhanden, die Prof. Schmitt mit unermüdlichem Forschungseifer festgestellt und zusammengefügt hat. Die Aufzeichnung und Ermöglichung der Wiederbelebung dieses Tanzes ist daher in erster Linie diesem zu verdanken. Es ist dies deshalb besonders hervorhebenswert, da ich schon vor Jahren, als ich im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien die Melodie zu den Drei ledernen Strümpfen fand, der Tanzführung durch Anfragen bei Vorarlberger Sammlern und Forschern nachforschte, aber nicht die geringste Nachricht darüber erhalten habe.291
Schmitts Gewährsperson Maria Vogel kommt aus Au im Schweizer Rheintal, ihr Vater war Wirt des Gasthauses „Schiffle“. Sie hatte den Tanz von ihrer Mutter und der Großmutter erlernt. Ihren Schilderungen zufolge stellten sich die Paare in einer Kolonne auf, danach folgte ein Rundtanz im Polkaschritt, dann wieder die Aufstellung. 291 Z oder 1936, S. 26–30 (2. Auflage der Ausgabe von Heft 2, 1928).
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Nun singen sie: „Drei lederne Strümpf“ (ledrige) dazu kommen die Bewegungen in einer bestimmten Reihenfolge und bilden geschlossene Reihen oder Figurengruppen […] nach 2 mal 4 Strophenzeilen ist eine Figurengruppe zu Ende, dann folgt Tanzfassung wie am Anfang und nach der Melodie der Musik ein Herumdrehen im Polkaschritt, etwa vier mal herum, sodass man dann wieder am früheren Platz die gleiche Aufstellung hat. Hierauf folgt das Loslassen der Hände und Ausführung der nächsten Figurengruppe, dann wieder ein Runddrehen wie früher u.s.w. Nach dem Schlusse der letzten Figurengruppe folgt Rundtanz, etwa doppelt so lange, als das Herumdrehen zwischen den einzelnen Figurengruppen dauerte.292
In ähnlicher Weise dürfte 1819 die Tanzausführung mit den Rundtänzen erfolgt sein. Auch bei der Sonnleithner-Niederschrift gibt es mehrere kurze Tänze im Dreivierteltakt. Während die geradtaktige Einleitung und der Gesangsteil in C-Dur abgefasst waren, folgen die Rundtänze in ungeradtaktigen, ländlerischen Kurzformen jeweils auf der Dominante in G-Dur. Deutsch und Hofer sehen die der Einleitung und dem Singtanz folgenden Tänze als eigenständige „5 Tänze im 3/4-Takt“ und dürften sich hier geirrt haben.293 Der Tanzforscher Schmitt übernimmt 1928 in seiner Publikation „Altösterreichische Volkstänze“ nicht diese Melodie, sondern hält sich an die Lustenauer Fassung (Abb. 55). Den Schlussteil des schwäbischen Tanzliedes verwendet er als Einleitung, obwohl Schmitt auch andere Varianten aus Vorarlberg kannte. Die Zwischentänze folgen bei ihm immer nach derselben Melodie des Einleitungsteiles. Zoder hatte damit für die Pflege eine Form kreiert, die lediglich in Ansätzen der Vorarlberger Tradition entsprach, da nach seinen Angaben vom Tanze nur mehr Erinnerungsreste vorhanden waren. Durch die Pflege in Volkstanzvereinen und eine Adaptierung für die Bühne hatten sich seit den 1920er Jahren mehrere Varianten entwickelt. Manche der überlieferten Tanzbeschreibungen bieten zwischen den Figuren die Möglichkeit zu Rundtänzen, welche zur selben, sich wiederholenden Melodie getanzt wurden und heute noch getanzt werden. Edy Hofer liefert zwei, Birgit Zell-Lorenz drei Varianten der Tanzbeschreibungen in ihren Tanzbüchern. Im dazugehörigen Notenteil führen beide jeweils nur eine Rundtanzmelodie an, die sich aber nicht an Zoder orientiert.294 Dass der Tanz sich weit vielfältiger gestalten konnte, lässt nicht nur die Sonnleithner-Fassung erahnen. Es gibt Berichte darüber, dass 1929 bei einer Heimattagung in Bregenz „Drei lederne Strümpf“ zur Aufführung durch eine Kleinwalsertaler Gruppe kam, bei der neben verschiedenen Rundtänzen auch Bayrisch Polka getanzt wurde. In Schruns lernte Schmitt die Gattin des Kaufmannes [Franz?] Würbel kennen, von der er erfuhr, dass man den Tanz im Montafon noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts tanzte; sie überlieferte zudem mehrere Textstrophen: Drei lederne Strümpf Und zwie dazua gibt fünf, Mein Vater hat ein Kartenspiel, Sind nichts als lauter Trümpf.
Trallala Greif mi du net a an Bin an so an feiner Bua Und wär so gärn an Man[n].
Der Tanz, der hat sei End Wir büten einander d Händ Und der Spi[e]lma gschlossa hat So zahlen wir mit Geld.
Drei lederne Sock, A Geoß und an Bock, Schuh und Strümpf und Kamisol Und auch an neua Rock.
Schatz i sag dir das So gebn wir ihm, was mir wend I nimm die bei der Nas‘ (= wollen) Und wenn du mi so gar net magst So steh i von dir ab (= heirat i dein Bas‘).
Drei lederne Schuah A Mädle und an Bua A Stüble und a Gädele Und a Hüttle dazua.
Trallaradirix Der Kerle der hat nix Er handelt i da Zschwetschka Und handelt in da Schnitz.295
andere Fassung:
292 ÖNB, Archiv des ÖVLW, Tanzarchiv Zoder, Schmitt-Nachlass; Schmitts Tanzbeschreibung zu „Drei lederne Strümpf“. 293 D eutsch /H ofer , 1969, S. 74. 294 H ofer 1971, S. 18 und S. 19; Z ell -L orenz 2014, S. 18 und S. 19. 295 Handelt mit Zwetschkensteinen und Apfelschnitz.
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Abb. 55: Aus den Tanzaufzeichnungen von August Schmitt, ÖNB, Archiv des ÖVLW, Nachlass Schmitt, Mappe: Drei lederne Strümpf
Abb. 56: Zoders Publikation des Tanzes aus dem Jahre 1928
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Die Reihung der Tänze in der Sonnleithner-Sammlung lässt vermuten, dass es auch hier noch weitere Strophen gab, die zwischendurch gesungen wurden. Auch schwäbische Fassungen haben in der Regel mehrere Strophen.296 Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXII, Mehrere Nationaltänze, fol. 1v–2r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg: Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. ÖNB, Archiv des ÖVLW: NL Schmitt, Heft V, St. Gallenkirch Schruns 1928, Gewährsperson: Otto Borger, Schruns (nach Ernst Rüf, Bezau). Z oder 1928, S. 11; Z oder 1936, S. 26–30; B riem 1950, S. 28; H orak 1954, S. 97–98; H ofer 1971, S. 60–71; V or arlberger V olksliedwerk 1981, S. 183–184; Z ell -L orenz 2014, S. 51–57.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: B öhme 1886/1967, I, S. 195–196; E rk /B öhme 1893, Bd. 2, S. 775 und Bd. 3, S. 294; T obler 1904, S. 15–17; D eutscher V olksgesang -V erein 1906, S. 5; A llgäuer 1922, S. 18; W olfram 1951, S. 164, S. 171; K endel 1999, S. 52–54; B üchele 2000, S. 285–286; C hristen 2002, S. 51, S. 370.
S 22
Jucker
Der „Jucker“ ist mit dieser Bezeichnung bislang die einzige bekannte Quelle aus Vorarlberg. Seine Form zeigt eine Tanzfolge, zwei Tänze mit unterschiedlichen Takt- und auch Tonarten. Der geradtaktige Tanz wird mit einem ungeradtaktigen kombiniert. Die Melodie besteht bei beiden Tänzen jeweils aus zwei sich wiederholenden Abschnitten (4 + 8 Takte). Der erste Tanz in G-Dur ist melodisch geprägt von springenden Bewegungen in Sexten, dagegen verläuft die Melodie des zweiten Tanzes in fließenden Achtelbewegungen. Sie erinnert an einen „Schleifer“. Auch harmonisch gibt es Unterschiede. Während im ersten Tanz in G-Dur ein einfaches Harmonieschema vorliegt (Wechsel zwischen Tonika und Dominante), fällt der zweite Tanz aus der Reihe. Der Schreiber setzt das Stück in A-Dur. Der melodische Verlauf ist harmonisch mehrdeutig: Die ersten vier Takte können als eine in h-Moll verlaufende Tanzweise oder als eine mit den Funktions-Harmonien IV I IV I besetzten Melodie gespielt werden. Der zweite, achttaktige Teil bewegt sich klar in den Harmonien der Stufen IV IV I I V V V I. 296 B üchele 2000, S. 285–286.
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Der „Jucker“ aus der Sonnleithner-Sammlung wurde 1959 in Korda/Kliers Sammlung „Volksmusik aus Vorarlberg“ aufgenommen und für zwei Melodiestimmen mit Harmonika-, Zither- oder Gitarrenbegleitung publiziert. Historische Tonaufnahmen mit dem Volksmusikorchester von Radio Vorarlberg aus den 1950er Jahren wurden 2001 vom ORF auf der CD „Alte Tänze“ neu herausgegeben. Bisherige Publikationen und Tonaufnahmen verzichteten aber auf eine Wiedergabe des zweiten Tanzes. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXII, Mehrere Nationaltänze, fol. 2r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. TDC 100 ORF, Alte Tänze, Hrsg. Landesstudio Vorarlberg, Dornbirn 2001.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: K orda /K lier 1959, S. 8; B ösch -N iederer 2002, Nr. 7.
S 23
Springer
Es ist auffällig, dass hier für „springen“, alemannisch „jucken“, zwei unterschiedliche Tanzbezeichnungen verwendet wurden: „Jucker“ und „Springer“. Dies dürfte mit der Ausführung zusammenhängen, die nicht bekannt ist. In der Schweiz sind die Bezeichnungen „Jucker“ und „Springer“ nicht üblich. Böhme nennt die Bezeichnung „Springer“ in Verbindung mit „Hüpfel-Polka“, „Hops-Anglaise“, „Rheinländer-Polka“, „Bayrisch-Polka“. Während der „Jucker“ eine Tanzfolge mit zwei unterschiedlichen Taktarten und Auftakt zeigt, ist beim „Springer“ nur ein geradtaktiger Tanz ohne Auftakt notiert. Formal ist er mit dem Hauptteil des „Jucker“ ident. Diese Folge von 4 + 8 Takten als Grundform der Tanzausführung ist sonst in keinem anderen Vorarlberger Tanz nachweisbar. Hier durchschreitet die zweiteilige Melodie mit sich wiederholenden Abschnitten eine Oktave. Zweitaktmotive in gleicher rhythmischer Gestalt reihen sich aneinander. Auch der „Springer“ wurde 1959 in Korda/Kliers Sammlung „Volksmusik aus Vorarlberg“ aufgenommen und für zwei Melodiestimmen mit Harmonika-, Zither- oder Gitarrenbegleitung publiziert. Die Herausgeber nehmen an der Melodie eine kleine Veränderung vor, indem sie am Beginn im ersten Takt das „Gis“ auflösen. Dieser Version folgt auch Bösch-Niederer 2002.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 57: Springer, Bearbeitung von Korda/Klier 1959
Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz, TV XXXII, Mehrere Nationaltänze, fol. 3r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 121/II/01 Vorarlberg, Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958) Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962. TDC 100 ORF, Alte Tänze, Hrsg. ORF Landesstudio Vorarlberg, Dornbirn 2001.
Auswahl an handschriftlichen und gedruckten Quellen sowie Forschungsliteratur: B öhme 1967, S. 222, S. 226; K orda /K lier 1959, S. 7; B ösch -N iederer 2002, Nr. 6.
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Lieder aus dem Nachlass Weizenegger
Abb. 58: Text zu „Landvogt Humpis und der Kaiser“. Abschrift von unbekannter Hand, VLA, Nachlass Franz Josef Weizenegger
Franz Josef Weizenegger hatte sich an den St. Galler Historiker Ildefons von Arx gewandt, der ihm mit Anregungen hilfreich zur Seite stand und den Kontakt zu Josef Maria Christoph Freiherr von Laßberg (1770–1855) herstellte. Dieser übersandte „ein Spottlied, welches unter Kaiser (!) Ludwig IV. dem Bayer auf eine verunglückte Ueberrumpelung von Feldkirch gemacht worden und worin ein Graf
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Rudolf (wahrscheinlich von Werdenberg) vorkommt“,297 das er bereits drei Jahre zuvor in den „Literarischen Beylagen zu Idunna und Hermode auf das Jahr 1816“ drucken ließ. Auffindungsort dieses Textes war ein Sammelband aus den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts aus dem Bodenseeraum, die Sprache ist südalemannisch. Die originale Handschrift liegt heute in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (Liedersaal-Handschrift Donaueschingen 104) und wurde bereits digitalisiert.298 Der vorliegende Text wurde mehrfach ediert und kommentiert. Es handelt sich um ein „politisches Gedicht, das fraglos zeitgenössische Ereignisse kommentiert“,299 eine Spottrede, in der die handelnden Personen bekannt sind: Friedrich Humpis, kaiserlicher Landvogt in Oberschwaben, Kaiser Ludwig IV. (1282–1347) und Rudolf IV. Graf von Montfort-Feldkirch (1380–1375). Thema ist eine militärische Unternehmung gegen die Stadt Feldkirch, die der Kaiser geplant oder unternommen hatte. Ein direkter historischer Hintergrund ist nicht eindeutig zu klären. Die folgende Abschrift stammt aus Weizeneggers Nachlass und ist mit dem Stempel „Archiv Mehrerau“ versehen, was darauf hindeuten würde, dass sie auf einen Bestand des ehemaligen, 1806 aufgelassenen Benediktinerklosters zurückgeht. Ist es eine Abschrift oder eine Vorlage zu Laßbergs Publikation „Liedersaal“ von 1825, worauf der Vermerk am Beginn des Blattes hinweist: Liedersaal. M[anu]s[kri]pt Bl. LLIIII? Wie diese Niederschrift in den Besitz des St. Galler Archivars kam, ist nicht bekannt. Sie wurde von Weizenegger nicht zur Sonnleithner-Sammlung gegeben.
Landvogt Humpis und der Kaiser Lantvogt Humpis vnd der Kaiser, Sint vom Schrien worden haiser, Vmb das groß vngemach, Das graff rudolff ze Veltkilch beschach, Als ir nu lang hant vernommen, Er wolt Sins Schaden wider kommen, Er hat dem Kaiser sehr geclagt; Do sprach Kaiser Ludwig: gehabt Vch wol graff rudolff, Ir bissent vm vch als ein wolff! Ich sols von Schulden rechen, Die stett sond sich grechen Vnd sond ziehchen mit dir vz; Hab nit Sorg als vmb ain nusz! [Seitenumbruch]
Ich gewin sie wider al ze hant, Ich halff dem Konig von engellant, Der wer verdorben in den grunt, Wer ich jm nit in kurtzer stunt Ze helff kommen, er wer verlorn. Mir ist noch sicher zorn Das die stett nit wönt ziehchen; Doch mag vns nit enphliechen Veltkilch, wir findens allweg wol! Min sun herzog steffan sol Vor ziechen, die stett hin nach; Lant üch wesen nit ze gach, Ich sol üch rain belachen, 297 B inder 1929, Brief Laßbergs an Weizenegger vom 17. Juni 1819. 298 URL: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbhs/Handschriften/content/titleinfo/19642 (Zugriff: 3. 7. 2019). 299 A mann 2014, S. 83.
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Ich will üch haissen machen Antwerck vnd ritten, Ez mag nieman erstritten, Das rich hat vil ze schaffent, Ich will ze ainem affen Werden, als ich ze merspurg wart, Wir sönd vns richten, vff die vart, Als wir wöllent bliben, Wer vns sölt dannen triben, Daz wer dem rich ain grosser slag, Ich will vff sant jüten tag Sicher varen von hulz, Swigent darzu als ain mulz! Das nieman werd janen, Haissent vns gewinnen Premen vnstlit, mügken marck, Da von werdent stingen stark: Wir dürfent och ze vnser vart Ains phawen swartz, ain esels swart, Vst den sin als ob sy sioh Nit bald ergen wönt an mioh, So will ichs ze ainer zobry han Vnd damit tun was ich kann. Ain agalster nest ich han musz, Verbicket in ainer tullen fusz, Lant üch allen wesen haisz Vmb ain wenig sidel swaisz, [Seitenumbruch]
Wer mir den mag gewinnen, Den will ich bringen jnnen Das ich zobry ain maister bin Welli mit jr varent dahin Sy sont eben nehmen war, Wenn der himel Si licht var, Er musz wesen haiter bla: So kömment wir der nase na Vns dester basz verrichten; Ir sont nit vernichten, ob ich ain wenig zo lang wer, Entbietend mir alweg mer By ainer will, so komm ich. Ez rait vz bern herr dietrich, Sifrit der kön, was hürnin; Nu raten wa wir vber rin Wöllen ziehen all? Blasa ze val! Der fuchs ist erloffen! Wiltu vtz verkouffen, [Seitenumbruch]
So kumpst wol mit mir üner ain, Wir hetten vor nüt gemain. Nu helff vns der hailant! Blatten lit zer rechten hant, Varent jenent vff dur die buochen, Wirt ainer den andern suochen, So sprechent all: crist audi nos!
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Si jechent, der rin sy ze grosz, Mag nieman für bregenz kommen; So musszen wir böses wegs gewonnen Ez ist hie wol gemezzen Han ichz nit vergezzen Mit dieser tunb rede hie Ich sag wie ez vor ergie Wir kommen von adame Gangen von dem krame So du nit mügest loffen So soltu dann ritten [Seitenumbruch]
Die mit verratnen dingen Vmb sigent gangen! Sy müszent werden erhangen! Da mit sy ain end! Daz jm gott sin lib schend!
Gedruckte Quellen: G räter 1816, Nr. 9; Josef L assberg (Hrsg.), Lieder-Saal, das ist: Sammelung altdeutscher Gedichte: aus ungedruckten Quellen, Bd. 3, Eppishausen 1825, Nr. 187, S. 117-124 (Kaiser Ludwig der Baier); digital: Universitätsbibliothek Freiburg, URL: http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/liedersaal1825-3/0127 (Zugriff: 9.1.2022); L ilien cron , 1865, Nr. 11, S. 40–45; H elbock 1917, S. 26–33; M üller 1972, S. 157–160; S chanze 1995, Sp. 147–148; A mann 2014; S. 83–99.
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Als ic anschowe das vröhlich Gesicht Hier sende ich Ihnen ein Muster von hundert Jahren später und Nachrichten von vielen anderen Musikstücken, aber meistens ohne Text. Wenn jemand viel darauf setzt und den abschreibenden Musikanten gut zahlen will, der kann durch Hochwürden noch mehrere erhalten,
schreibt Ildefons von Arx an Weizenegger am 13. Februar 1819. Das Muster ist ein dreistimmiges Lied für Diskant, Tenor und Bass. Hier fehlt allerdings der Text.
Abb. 59: Discant: Als ich anschawe das vrolich Gesicht. Abschrift im Nachlass Weizenegger
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Musikantenhandschrift Strolz 1812–1818
Abb. 60: [Titelblatt, S.1:] Alte Bregenzerwälder und Montafoner / Tänz / von 1812 bis 1818 Ohmisberg und Lech und Zürs / für Violin, Flöte oder Clarinette. / Aus dem Gedächtnis notiert vom ehemaligen / Spielmann Josef Martin Strolz“ / O! Ihr guten alten Zeiten. Franzl steig ab und laß den Josef reiten / früher: schlechte Musik, viel Geld / jetzt: gute Musik, wenig Geld. Abschrift 1927.
Rätsel um eine Handschrift In den 1920er Jahren tauchte im Keller eines Amtsgebäudes, des Bludenzer Rathauses, eine Musikantenhandschrift aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts auf, die noch heute rätselumwoben ist und viele Fragen unbeantwortet lässt. Wie kam sie dahin? War sie ursprünglich ein Sammelobjekt der Sonnleithner-Sammlung? Wenn ja, warum wurde sie nicht eingesandt? Hatte man im Zuge des Personalwechsels im Landgericht Sonnenberg (Bludenz) darauf vergessen oder wurde sie schlechthin verschwiegen? Die Texte könnten bei den Behörden und der an der Sammlung beteiligten kirchlichen Obrigkeit durchaus moralische Bedenken hervorgerufen haben, verherrlichen sie doch das weitgehend eingeschränkte und verbotene Tanzvergnügen und verstecken sich darin mitunter auch erotische An-
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spielungen.300 Eine Skartierung ist daher durchaus in Erwägung zu ziehen. Ein Indiz dafür ist die Bezeichnung „Nationaltänze“ in der Handschrift Strolz, die in Vorarlberg erstmals im Zusammenhang mit der Sonnleithner-Sammlung auftaucht. Auch der zeitliche Rahmen 1812 bis 1818 würde dahingehend zutreffen. Eine Bestätigung dieser Annahme und Antworten auf die Fragen gibt es bislang nicht. Die Entdeckung der Handschrift ist den volkskundlichen Aktivitäten der 1920er Jahre zu verdanken, als erstmals die Tanzforschung in den Fokus der heimatkundlich interessierten Persönlichkeiten rückte. Als Pionier kann der gebürtige Bludenzer Gymnasiallehrer August Schmitt (1861–1933) gelten.301 Ihm war die Volksmusik seit seinen Kinderjahren vertraut, Tanzmusikanten hatte er im Gasthaus seines Großvaters Basil Beiser (1794–1875)302, Bad Fohrenburg in Brunnenfeld in Bludenz, getroffen. Nach seiner Pensionierung begann sich der in Wien lebende ehemalige Gymnasiallehrer intensiv mit der Volksmusik und insbesondere mit dem Volkstanz seiner Heimat auseinanderzusetzen.303 Der Bludenzer Stadtbuchhalter Karl Müller (1879–1936) überließ dem Forscher mehrere alte Noten zur Anfertigung handschriftlicher Kopien, die er vor der Vernichtung im Rathaus Bludenz gerettet hatte. Darunter befand sich die Musikantenhandschrift Strolz, deren Bedeutung Schmitt gleich erkannte. Leider gilt die originale Vorlage als verschollen; eine notwendige Abgleichung, die zur Lösung einiger offener Fragen beitragen könnte, ist somit nicht möglich. Schmitt vermerkte die Rücksendung auf seiner Abschrift: Die Noten rekommandiert zurückgeschickt an Karl Müller am 28. IV. 1928. Ob sie jemals dort ankam bzw. wohin sie tatsächlich gelangte, entzieht sich heute jeder Kenntnis. Schmitt liefert jedoch einige Hinweise zum Aussehen der originalen Niederschrift. Es gibt davon zwei Abschriften der Tänze. Eine erste, rasch angefertigte Niederschrift durch August Schmitt vom März 1927 findet sich in zwei kleinen Notenheften im Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes in Wien (Nachlass August Schmitt) mit der Aufschrift: „Heft XXV / Bludenz / Jos. Martin Strolz 1812–1818 / durch Stadtbuchhalter Karl Müller / aus einer Kiste neben einem Ofen im / Bludenzer Rathause vom / Feuer / gerettet. / August Schmitt / März 1927“ und Heft XXVI Bludenz, Jos. Martin Strolz, Fortsetzung, / Aug. Schmitt / März 1927.“ [enthält Montafoner Tänze Nr. 5 bis 10.]
Schmitts Notenheft Nr. XXV beginnt auf der ersten Seite mit einem „Zigeiner Walzer“, der sich in Form und Länge von den anderen Tänzen deutlich abhebt und eine deutlich spätere Entstehungszeit vermuten lässt. Der Forscher gibt auf dieser Seite nochmals Angaben zu Fundort und Finder der Handschrift: In Bludenz im Rathaus lagen neben [dem] Ofen in einer Kiste alte Noten zum Ver / brennen. Stadtbuchhalter Karl Müller ortete sie: Alte Bregenzerwälder und Montafoner Tänz von 1812 bis 1818. Omisberg am Lech und Zürs für Violin[e], Flöte oder Clarinette. / aus dem Gedächtnis notiert vom ehemaligen Spielmann Josef Martin Strolz. […] / O! Ihr alten Zeiten. Franzl steig ab und laß den Josef reiten. Früher: / Schlechte Musik, viel Geld, jetzt: gute Musik, wenig Geld.
Die beiden Hefte enthalten zwanzig Tänze aus dem Bregenzerwald und zehn aus dem Montafon sowie drei Tänze von bekannten Komponisten. Der zeitliche Rahmen des Repertoires spannt sich dabei von 1812 bis hin zur Mitte des 19. Jahrhunderts, denn es sind neben dem bereits erwähnten anonymen 300 Mehr zu den Tanzverboten bei Schneider 1982 sowie B ösch -N iederer 2008. 301 Er zeichnete in den 1920er Jahren unter anderem auch deutlich erotische Texte zu Liedern auf, verzichtete aber auf eine Publikation. Die Texte schlummern noch heute in seinem Nachlass. 302 Basil Beiser war auch aus Lech gebürtig, war aber zur Zeit der Forschungen Schmitts nicht mehr am Leben. 303 Mehr zur Biografie Schmitts bei B ösch -N iederer 2012, S. 736–752.
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Abb. 61: Umschlag des Notenhefts Nr. XXV von August Schmitt, März 1927. ÖNB, Archiv des ÖVLW, Nachlass Schmitt
„Zigeiner Walzer“ eine „Proletarier Polka“ von Gröbel, ein „Kühdreckeler“ und die Polka „Erinnerung“ von Prinke niedergeschrieben. Der Zeitpunkt der Niederschrift durch Strolz ist eine der offenen Fragen, die nur mithilfe der originalen Noten, des Schriftbildes und des Papiers zu klären sind. Doch gibt es einen Hinweis. Am Schluss steht der Vermerk: […] arrangiert von Johann Pernsteiner, Chorregent in Bludenz. / Gott habe ihn selig!!!. / selig alle, die im Herrn entschlafen, selig, selig bist auch du. / Wenn ich dereinst im Herrn entschlafe, schwing ich mich auf zu dir im nu! / Wenn Gott will. / Vater aller Menschen schenke mir Weisheit, deinen heiligen Willen zu erkennen / und Kraft und Stärke, denselben willig zu erfüllen, durch die / Verdienste deines eingeborenen Sohnes Jesus Christus Amen.
Pernsteiner verstarb im Jahre 1861; somit lassen sich zumindest die letzten notierten Tänze zwischen 1861 und 1874, dem Todesjahr von Strolz, datieren. Im Jänner 1928 wurde ein Teil von Schmitts Aufzeichnung, die „Montafoner Tänze“, erstmals von Raimund Zoder publiziert.304 In Zuge dessen dürfte auch eine zweite Abschrift (Reinschrift?) angefertigt worden sein, mit einer dem Original entsprechenden Bogen- und Zeilenanzahl (2 Bogen, 10 Zeilen/Seite). Sie befindet sich heute unter der Signatur E 052 im Bestand Zoder im Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes in Wien. Im Vergleich mit Schmitts Aufzeichnung gibt es hier kleine Abweichungen. Die spätere Abschrift enthält nur die Montafoner und Bregenzerwälder Tänze sowie Bezeichnungen, die bei Schmitt nicht vorkommen: Ein alter Schlicher. Beim fünften Ländler fehlt die Überschrift Lingenauer. Eine nähere Betrachtung der beiden Abschriften nährt die Vermutung, dass es ursprünglich verschiedene Handschriften gab, die Strolz selbst für sein Spiel verwendete. Während den „Alten Bregenzerwälder und Montafoner Tänz[en]“ eine Beschreibung (Querformat: 23,5 x 31,5 cm; 2 Bogen geheftet, 8 Seiten, 10 Zeilen [pro Seite]) beigeliefert wird, gibt Schmitt bei den Tänzen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ein anderes Format an: Andere Schrift, Format: 32 x 304 Z oder 1928, S. 223–234.
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25,5 […] 4 Notensystem. Zoder übernimmt für seine Publikation lediglich die durchnummerierten anonymen Tänze aus Schmitts Aufzeichnungen. Er lässt den bei Schmitt auf der Innenseite des ersten Blattes im Notenheft notierten Zigeiner Walzer sowie die abschließenden Tänze aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Proletarier-Polka / von Gröbel, den Kühdreckler und die Erinnerung-Polka / von Prinke außer Acht und übernimmt praktisch die Reinschrift. Von den Persönlichkeiten, die bei Schmitt erwähnt werden, konnten beinahe alle identifiziert werden. Johann Pernsteiner (1810–1861) wirkte um die Mitte des 19. Jahrhunderts; er war Chorregent, Lehrer und Kapellmeister in Bludenz. Der Oberösterreicher hatte 1836 die Nachfolge von Franz Netzer als Organist in Bludenz angetreten.305 Die Niederschrift des letzten Tanzes erfolgte demnach nach 1861, dem Todesjahr Pernsteiners. Strolz, der im Orchester des Kirchenchores mitwirkte, sollte ihn um dreizehn Jahre überleben. Über Franz Prinke und [Franz] Gröbel konnte wenig in Erfahrung gebracht werden. Ihre beiden genannten Kompositionen kamen um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Druck. Über die Person Josef Martin Strolz gibt Schmitt selbst keine Auskunft, sein Interesse fokussiert sich auf die Tänze. Eine eindeutige Zuweisung erwies sich vorerst als schwierig, da zwei Persönlichkeiten zur Diskussion standen. In Bludenz, Brunnenfeld 2, lebte ein Bauer und Seifensieder namens Martin Josef Strolz (1764– 1840). Dieser war seit 1805 mit einer Montafonerin, Maria Anna Bargehr, verheiratet. In den bislang erforschten Quellen wird er allerdings nicht als Spielmann bezeichnet. Sein Taufpate war der ebenfalls in Brunnenfeld lebende Lehrer Johann Anton Müller. Stammt der von Schmitt erwähnte Finder der Handschrift, der Bludenzer Stadtbuchhalter Karl Müller (1878–1936), aus dessen Familie? In Brunnenfeld, heute ein Ortsteil von Bludenz, fand gerne geselliges Leben statt, das von der Obrigkeit streng beobachtet wurde. 1806 wird in den Akten des Vogteiamtes Bludenz auf unerlaubte Tanzmusik hingewiesen, ohne aber auf die Musikanten namentlich einzugehen.306 1825 schritt die Obrigkeit rigoros ein. Die Behörde ließ den Wirten in Brunnenfeld ausrichten, dass keine Lizenzen mehr ausgestellt würden, da Tanzbewilligungen an Markttagen zu unsittlichen Auftritten geführt hätten.307 Da bislang keine Hinweise über eine Musikausübung des Seifensieders gefunden werden konnten, dürfte er als Schreiber der Tänze auszuschließen sein.
Josef Martin Strolz – Zeichenlehrer und Spielmann? Eine Person mit hohem Wahrscheinlichkeitsfaktor für die Autorenschaft der Handschrift ist Josef Martin Strolz (1799–1874) aus Omesberg am Lech (seit 1841 eine Parzelle der Gemeinde Lech), ein Sohn des Gemeindevorstehers und Bauern Lazarius (Nazarius) Strolz und dessen Gattin Theresia Jochum.308 Er wirkte seit 1827 nachweislich als Bildhauer und Zeichenlehrer in Bludenz, die bildhauerische Ausbildung hatte er zuvor unter anderem in Imst erhalten. Seine Lehrer waren Franz Xaver Renn (1784–1875) und dessen Schwager Gottlieb Klotz (1780–1834). Auch musikalisch interessiert hatte Strolz das Violinspiel erlernt, musizierte in Bludenz auf dem Chor der Stadtpfarrkirche und als Fagottist bei der Harmoniemusik.309 Sein besonderes Engagement bey Emporbringung und Beförderung der Musik in jeder Hinsicht wird von Zeitgenossen lobend hervorgehoben.310 Dass Strolz nicht begütert war, weiß die Familientradition der mit ihm befreundeten Künstlerfamilie Jehly zu berichten: 305 B ösch -N iederer 2013, S. 44. 306 VLA, Vogteiamt Bludenz, Schachtel 281, Nr. 163/1806/590, Protokoll wegen der in der mayerischen Behausung zu Brunnenfeld ohne Erlaubnis gehaltenen Musik, 1806 Oktober 15. 307 VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 45, Nr. 2472 (alte Fasc. Nr. II/1757 Polit). 308 VLA, Stadtarchiv Bludenz, Fasc. 167/67, Taufschein, ausgestellt am 23. April 1827. 309 S auerwein 1984, S. 88. 310 VLA, Stadtarchiv Bludenz, Fasc. 167/67, Zeugnis des Chorregenten Johann Feuerstein vom 20. Jänner 1852.
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[…] er hungerte, wie (Jakob) Jehly zu sagen pflegte, fast vierzig Jahre für die Stadt Bludenz und die Wissenschaft.311
Zeit seines Lebens, insbesondere durch seine Funktion als Zeichenlehrer, pflegte Strolz gute Kontakte zu dieser Familie, die auch für ihr musikalisches Engagement bekannt war. Von Josef Andreas Jehly (1782–1848), dem Großvater des bekannten Malers Jakob Jehly (1854–1897), wird berichtet, dass er als Tanzmusikant aufgetreten war. August Schmitt konnte 1930 handschriftlich einige Tänze aus Noten des ehemaligen vorzüglichen Clarinettenbläsers und Tanzmusikers „des Målers Söffandräias“, Josef Andreas Jehly (1846–1905), abschreiben. Er war um 1880 Kapellmeister der „Alten Musik“ in Bludenz.312 Bislang konnte nicht nachgewiesen werden, dass sich der angehende Zeichenlehrer Josef Martin Strolz als „Spielmann“ ein kleines Einkommen sicherte. Nicht geklärt ist zudem die Frage, ob er über seine Imster Kontakte vom Volksmusiksammelprojekt der Gesellschaft der Musikfreunde Wien erfahren hatte. Die Imster Behörde war immerhin sehr aktiv gewesen, sandte 1819 einige interessante Beiträge ein und nannte „Musikbeförderer“ wie die Imster Schullehrer Johann und Fidel Haid.
Gigermicheli und Gigermichelis Söpp Strolz nennt in seiner Handschrift zwei Personen, deren Repertoire er übernommen hatte: „Gigermicheli“ und „Gigermichelis Söpp“. Sie sind dank neuester Forschungsergebnisse nun auch biografisch fassbar. Die Vermerke Bregenzerwälder Ländler v. Gigermichelis Söpp 1812/13 sowie Hauptproduktion am Fasching Sonntag, Montag und Dienstag 1816
in der Strolz-Sammlung, lassen das Repertoire der beiden Musikanten erkennen, die unter anderem im Bregenzerwald und im Montafon aufspielten. Hinter dem Vulgarnamen verbirgt sich die musizierende Vagantenfamilie Moll.313 Die Frage nach der ursprünglichen Herkunft der Familie Moll bleibt offen. Zwar taucht der Name auch im Walgau und im Großen Walsertal auf, familiäre Zusammenhänge nach 1700 konnten aber nicht festgestellt werden. Auch erschweren verschiedene Schreibweisen der Vornamen in den Quellen oftmals die Zuordnung zu den Personen. Verweise in den Repertorien und Einlaufprotokollen der Gerichte finden sich zwar mehrmals, doch fehlen viele dazugehörige Akten. Dennoch kann ein überschaubares, wenn auch mit Lücken behaftetes Bild einer Familiengeschichte aufgezeigt werden. Der erste bekannte Stammvater, Anton Moll, kann um 1700 in Otterswang bei Bad Schussenried nachgewiesen werden. Er wurde hier als Kind des Soldaten Johannes Petrus Moll und seiner Frau Anna Maria Rocklin aus Otterswang am 11. November getauft.314 Ihm dürfte es wie vielen Soldaten ergangen sein, die nach Beendigung des Militärdienstes ohne Einkommen oder Beruf zum Vagantenleben verurteilt waren. Antons erste Lebensjahre liegen im Dunkeln. Im Jänner 1742 kann sein Aufenthalt in Schoppernau durch den Eintrag eines Kindes im Geburtsbuch quellenmäßig belegt wer-
311 R udigier 1997, S. 35. 312 Zur Familie Jehly siehe auch: J ehly 1992, S. 15-27, sowie R udigier 1997, S. 7–82. Die Familie Jehly gehörte in den 1920er Jahren zu den wichtigen Gewährspersonen des Tanzforschers August Schmitt. Zur Familie gehörte auch die Dichterin Grete Gulbransson (1882–1934), die Tochter von Jakob Jehly (1854–1897). 313 Mehr Details zur Familiengeschichte siehe B ösch -N iederer 2021. 314 An dieser Stelle danke ich Frau Marita Nüssle, die Einsicht in die Matrikenbücher von Otterswang nehmen konnte.
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den.315 Die Kindsmutter ist Anna Maria Scheckin. In dieser Gemeinde werden seine Nachkommen später mehrmals Quartier nehmen. 1775 stirbt in Mellau eine M. Scheckin, möglicherweise Antons Ehefrau.316 Antons Sohn ist Johann Michael Moll (um 1732-1810, Geigermichel, auch Gigermicheli). Über ihn ist wenig zu erfahren. Sein Geburtsort ist nicht bekannt. Am 28. September 1763 ehelicht Hans Michel Moll in Riefensberg die in dieser Gemeinde geborene Anna Claudin (Medicantes), nur wenige Wochen später, am 10. Oktober 1763, scheint er als Vater eines Sohnes Johann Martin im Taufbuch von Mellau auf. Im Oktober 1767 wird in Buch ein Sohn Johannes getauft.317 Danach gibt es eine größere Belegslücke von mehreren Jahren, erst im August 1772 ist das Paar in Egg nachweisbar. Eine gute Erwerbsmöglichkeit für Musikanten und hausierende Händler bot der Katharinentag im November. Im zeitlichen Umkreis hält sich die Familie Moll 1776 in Schoppernau, drei Jahre später, 1779, in Alberschwende auf. Als man in den 1780er Jahren vagierende Bettler auf die Bregenzerwälder Gemeinden verteilte, kam dies auch der kinderreichen Familie Moll zugute. Sie wurde der Gemeinde Bezau zugewiesen und kam somit in den Genuss des Heimatrechts, das für ungehindertes Reisen unabdingbar war. Trotz der Strapazen, welche die Familie in den Wanderjahren durchleben musste, erreichte das Elternpaar ein hohes Alter. Die letzte Zeit verbrachte es in Bezau Nr. 169 (Oberbezau). Hier starb Johann Michael 78-jährig im August 1810 an einem Fußgeschwür, seine Frau Anna Kleidin (1739–1810) folgte ihm nur wenige Wochen später.318 Besser dokumentiert ist dagegen Michaels Sohn Joseph Anton (Josef, Gigers, Gigermichelis Söpp, 1779–1856). Er wurde am 27. November 1779 ins Taufbuch von Alberschwende eingetragen. Durch Geburtseintragungen seiner Nachkommenschaft sind auch Aufenthaltsorte bekannt: August 1803 Schoppernau, Oktober 1804 Vandans, Juni 1810 Stanzach/Lechtal, Juli 1815 Lech, ab 1816 Schnepfau. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Spielmann, auch als Färber und Kessler.
Abb. 62: VLA, Taufbuch Pfarre Lech 1781 bis 1843, 12. Juli 1815.Taufeintrag der Maria Elisabetha Moll, Tochter des Spielmanns Joseph Anton Moll und der Maria Agatha Gebhartin, Spielmännin
Seit 1803 war Joseph Anton nachweislich gemeinsam mit Maria Agatha Gebhard (um 1779–1856) unterwegs. Ob seine Gefährtin und Kindesmutter ebenfalls musizierte, ist nicht eindeutig klar, allerdings wird sie im Geburtsbuch von Lech 1815 als Spielmännin bezeichnet. Während der bayerischen Herrschaft über Vorarlberg hatte Joseph Anton 1813/1814 Militärdienst als Nationalgardist beim 16. National-Feldbataillon Kempten zu leisten. Er war vom Landgericht aufgefordert worden, sich freiwillig zu stellen, da er in einer, nach seinen eigenen Angaben im Ausland 315 VLA, Tauf-, Trauungs-, Sterbe- und Firmbuch Schoppernau 1683–1888, Eintrag 31. Jänner 1742. Beide Elternteile sind Vagabundi. 316 VLA, Tauf-, Firm-, Trauungs- und Sterbebuch Mellau 1712–1811, Eintrag 9. November 1775. 317 VLA, Taufbuch Buch 1759–1885, Eintrag 2. Oktober 1767. 318 VLA, Sterbebuch Bezau 1810–1880.
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geschlossenen, doch von den hiesigen Behörden weder genehmigten noch anerkannten Ehe lebte. Er trat nun für einen anderen ein, für ein Stück Geld, zum Unterhalt der Seinigen.319 In seiner Abwesenheit war die Familie einem langjährigen Domizilstreit ausgesetzt. Da die Beziehung von den Behörden nicht anerkannt war, wurden die Kinder als illegitim angesehen. 1813 wurde Agatha Gebhard mit drei Kindern im Alter von zehn, neun und drei Jahren von Bezau nach Alberschwende abgeschoben. Die Behörde sah den Geburtsort der Mutter und nicht den zugewiesenen Wohnort des Vaters als Domizil an. Die Gemeinde Alberschwende lehnte jedoch ein Aufenthaltsrecht für Mutter und Kinder ab, mit der Begründung, sie hätte sich mit dem Kindesvater unzüglich abgegeben und sich obendrein mit ihm meist in Bezau aufgehalten. Es kam zur Rückführung nach Bezau. Josephs Militärzeit war nur von kurzer Dauer. 1814 war Vorarlberg wieder an Österreich übergeben worden. Nach seiner Rückkehr im Juli dieses Jahres lebte die Familie in Bezau und auch am Alberschwenderberg. Im Taufbuch von Lech wird er im Juli 1815, anlässlich der Geburt seiner Tochter Maria Elisabetha, als Spielmann und Kessler+Färber bezeichnet. 1815/16 sollten sich die Lebensgewohnheiten der Familie ändern. Joseph konnte in Schnepfegg von Konrad Bals aus Egg ein kleines Haus mit Garten erwerben. Das gab den weiblichen Familienangehörigen die Gelegenheit, am Ort zu bleiben und sich mit Stickerei-Arbeiten neue Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Der Familienvater reiste weiterhin als Spielmann und Hausierer herum. Die Lebensbedingungen wurden zwar verbessert, blieben aber dennoch hart. Für einige Jahre dürfte die Familie finanziell ihr Auskommen gehabt haben, man lebte als Hindersäß,320 galt als rechtschaffen, ohne von jemand beklagt zu werden.321 Hier, in Haus Nr. 9, kamen noch weitere Kinder zur Welt, denen aber meist eine nur kurze Lebenszeit beschieden war. Die Frage des Domizilrechtes für die älteren beiden Söhne Joseph Johannes (= Johann Anton 1803– 1839) und Johann Michael (1804–1874), die im Jahre 1822, gleich anderen Bregenzerwälder Jugendlichen, zur Arbeitsmigration in das Elsass wollten, brachte erneut eine folgenschwere Diskussion in Gang. Da ihr Domizil aufgrund verschiedener Geburtsorte nicht eindeutig zu klären und die Ehe der
Abb. 63: Gefälschte Heiratsurkunde für Joseph Anton Moll, beigelegt dem Akt VLA, LG Bezau, Politikum II. 27 (1826), Nr. 2356 319 VLA, LG Bregenzerwald/Bezau, Schachtel 29, Politikum II.27, (1825), Akt mit diversen Schreiben bezüglich des Familiendomizils. Vgl. dazu auch Kreisamt I., Polizei 1826, Nr. 1184. 320 Hintersassen waren zugezogen, rechtlich jedoch nicht mit den hier seit Generationen ansässigen Personen gleichgestellt. 321 VLA, LG Bezau, Schachtel 29, Politikum II.27 (1825), Akt mit diversen Schreiben bezüglich des Familiendomizils. Vgl. dazu auch Kreisamt I., Polizei 1826, Nr. 1184.
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Eltern aufgrund fehlender obrigkeitlicher Bewilligung nicht anerkannt war, weigerte sich das Landgericht Bezau, die Pässe auszustellen. Ein dem Gericht in ihrer Not vorgelegter, wie es sich herausstellen sollte, gefälschter Eheschein wurde den Eltern zum Verhängnis. Joseph Moll und Maria Agatha Gebhard wurden wegen Betrugs zu einer längeren Haftstrafe verurteilt: drei Monate, verschärft mit einem Fasttag in der Woche, für Joseph Anton und sechs Wochen, verschärft mit einem Fasttag, für seine Lebensgefährtin, ohne Rücksicht auf Versorgung von noch unmündigen drei Kindern. Im Vernehmungsprotokoll rechtfertigt sich der Angeklagte: In jüngeren Jahren habe ich die Sache nicht so überlegt und mich durch den fremden Schweizer bereden lassen, mit dem von ihm verfertigten Eheschein mich als verehelicht anzugeben. Wie ich nun älter wurde, habe ich mich freilich beunruhigt gefunden: allein weil schon mehrere Kinder erzeugt wurden, und fünf noch am Leben waren, so getraut ich mich wegen der Kinder nicht, unseren Zustand offenbar zu machen. Wenn uns die Obri[g]keit, der wir unseren Zustand in der Beicht eröffneten, geholfen hätte, so wären wir vielleicht schon lange kopuliert, was ich immer gewunschen habe, und hierum dahier die Bitte einlege, damit das öffentliche Ärgernis behoben, und unsere Kinder noch ehelich erkannt werden. Ich bitte auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir uns sonst immer rechtschaffen aufgeführet und die Kinder ordentlich erzogen haben.322
Nach Beendigung der Haft wurde der Domizilstreit durch die bisher noch ausstehende amtliche Verfachung des Häuschens zu Jahresende 1825 – wenn auch mit Schulden – beendet.323 Damit war auch die Domizilsfrage kein Thema mehr. Im Armutsfall war ab nun die Gemeinde Schnepfau für die Versorgung der Familie zuständig. Auch eine kirchliche Trauung der beiden 43-Jährigen konnte nun nach 20 Jahren außerehelicher Lebensgemeinschaft im Mai 1825 nachgeholt werden. Am 9. November 1856 verstarb der Witwer Joseph im Alter von 78 Jahren in Schnepfau an Altersschwäche, nur wenige Monate nach seiner Gattin.
Abb. 64: Tauf-Trau-Sterbebuch Schnepfau 1784–1898, Eintrag Trauung Moll/Gebhard vom 6. Mai 1825
Von Joseph Antons Söhnen Johann Anton (Taufname Johannes) und Johann Michael ist bekannt, dass sie im Bregenzerwald verblieben und zum Militärdienst (Kaiserjäger) eingezogen wurden. Der ältere Sohn Johannes (Johann Anton, Geigermicheles Seppeles Buabn, 1803–1839) war bei der Loosung gegen Entgelt für einen anderen Stellungspflichtigen eingetreten. Nach dem mehrjährigen Militärdienst lebte er bei seinen Eltern in Schnepfau und bestritt seinen Lebensunterhalt mit ambulanten Tätigkeiten und als Spielmann.
322 VLA, LG Bezau, Schachtel 29, Politikum II.27 (1826), Nr. 2356. 323 VLA, Verfachbuch 1825, Nr. 127 sowie LG Bezau, Sch 29, Politikum II.27 (1826), Akt bezüglich des Hauskaufs von Joseph Anton Moll.
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Im Jahre 1836 wurde er ohne Pass aufgegriffen. Bei der Vernehmung gab er an, sich mit Korbflechten und als Spielmann und Geiger zu ernähren. Gemeinsam mit Crescenz Örtle (um 1805-1886), einer Geschirrhändlerin und Hackbrettspielerin aus Au, und einem Ferdinand Stöckler vulgo Has aus Egg, sei er zehn Tage herumgezogen, im Februar vom Bregenzerwald ins große Walsertal gekommen, um im gegenwärtigen Fasching durch Aufspielen zum Tanz etwas zu verdienen. Wie schon sein Vater wanderte auch er ins Montafon.324 Am 31. Juli 1839 endete sein Leben auf tragische Weise, er ertrank in der Bregenzerach. Nach ihm sind keine Musikanten dieser Familie mehr bekannt. Auch wenn weiterhin Kenntnislücken zur Familiengeschichte bestehen, liefert das bisher Erfahrbare doch ein Bild vom Leben am Rande der Gesellschaft und lässt tief in die schwierigen Lebensumstände jener blicken, die, latenten Vorurteilen ausgesetzt, heimatlos von Ort zu Ort wanderten. Niederlassungsrecht und das Recht auf eine Eheschließung waren von gesetzlichen Hürden begleitet, eine Sesshaftwerdung wurde oftmals erst nach mehreren Generationen möglich. Zahleichen Musikanten dürfte es, sofern sie ihr Vagantendasein überlebten, ähnlich wie der Familie Moll ergangen sein. Nach mehr als hundert Jahren gelingt Mitgliedern dieser Familie schließlich der soziale Aufstieg.325 Maßgeblich für die Strolz-Handschrift dürfte der Aufenthalt von Joseph Anton Moll (Gigermichelis Söpp) im Juli 1815 in Lech gewesen sein. Am 12. Juli kam in Stubenbach Nr. 5 seine Tochter Maria Elisabeth zur Welt und wurde in das Taufbuch eingetragen. Einer der beiden Taufpaten war kein Geringerer als der Organist Johann Joseph Schuler. Das Kind wurde auf der Durchreise geboren. Als Aufenthaltsort der Eltern wird Alberschwende angegeben. Beim Stand (Beruf) des Vaters heißt es Spielmann + Kessler + Färber.326 In Zusammenhang mit der Niederschrift des Repertoires der Familie Moll durch Strolz bleiben leider noch viele spannende Fragen ungeklärt. Lernte Gigermichelis Söpp auch den 16-jährigen musisch interessierten Josef Martin Strolz kennen? Musizierten Moll und Strolz gemeinsam an den drei Faschingstagen im Februar 1816? Strolz notiert zudem: Bregenzerwälder Ländler v. Gigermichelis Söpp 1812/13. Befand sich Moll auch noch kurz vor Antritt seines Militärdienstes in Lech?
Tänze und Tanzlieder der Handschrift Strolz Die Strolz-Handschrift zeigt ein alemannisch-schwäbisches Repertoire, das regional über den Bregenzerwald und das Montafon ausstrahlt. Die Identifizierung der erwähnten Personen und ihre Biografien sind ein Indiz dafür, dass Melodien mit ihren Musikanten wanderten. Ein Beispiel ist die einer Ländlerkette folgende Melodie Nr. 19 der Handschrift mit dem Text Liederli liederli goht es zua, die Strolz dem Bregenzerwald zuordnet. Melodievarianten mit demselben Text und mit dem Text Gibeli gäbeli Rechazah notiert Strolz auch als Nr. 5 und Nr. 7 der Montafoner Nationaltänze. Es ist ein Tanz mit einer sehr lang andauernden Tradition. 1927/28 fand August Schmitt im Montafon Gewährspersonen, die nicht nur unterschiedliche Melodievarianten des Gibele gäbele, sondern auch noch die eigentümlichen Tanzfiguren der alten Tänze kannten: die 64-jährige Crescenzia Vallaster (Orbas Senza), Magd beim Geiger Josef Künzle, sowie Urban Künzle, den Gemeindesekretär Adolf Geiger, Arnold Neyer, Sohn des Musikers und Schreiners Theodor Neyer, Karl Preiß, ein ehemaliger Kapellmeister der Musikkapelle von Bürs, Kaspar Düngler aus St. Gallenkirch und andere.
324 VLA, LG Sonnenberg, Schachtel 200, Nr. 10922 (1836) (alte Fasc. Nr. IX/ 405 Polizei). 325 Mehr zur Familie Moll bei B ösch -N iederer 2021. 326 VLA, Seelenbeschrieb und Taufbuch Lech 1781 bis 1843, p. 43.
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Abb. 65: Arnold Neyer (*1879) aus der Montafoner Musikerfamilie, Gewährsperson des Volktanzforschers August Schmitt in den 1920er Jahren
Abb. 66: Schmitts Niederschrift einer Variante des „Gibele gäbele“ des Geigers Kasper Düngler aus St. Gallenkirch. ÖNB, Archiv des ÖVLW, Nachlass Schmitt
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Abb. 67: Schmitts Niederschrift einer Variante des „Gibele gäbele“, 1927. ÖNB, Archiv des ÖVLW, Nachlass Schmitt
Die rhythmische Vielfalt der Melodien, wie sie sich in der Strolz-Sammlung zeigt, hatte sich in den 1920er Jahren scheinbar bereits aufgelöst. Bekannt war dieser Tanz sowohl im Montafon als auch im Bregenzerwald. Wie bei älteren Tänzen üblich, liefert die Strolz-Sammlung vorwiegend Kurzformen. Anders als bei den Sonnleithner-Niederschriften ist hier den beiden Teilen ein erster und ein zweiter Schluss wiedergegeben. Dem Schreiber der Strolz-Handschrift sind die notwendigen musikalischen Kenntnisse anzumerken. Schmitts Aufzeichnungen zufolge stammen die zwanzig Bregenzerwälder Ländler (siehe St 1–20) von Gigermichelis Söpp (1812/13) und wurden an den drei Faschingstagen 1816 aufgeführt. Der Vermerk von Personen aus der vagierenden Musikantenfamilie Moll lässt mit höchster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass auch diese Tänze nicht auf einer alten örtlichen Tradition basieren, sondern im Zuge der Wanderungen der Musikanten entstanden sind. Die Tänze sind wie eine Kette angelegt und durchnummeriert (1 bis 20). Es sind zweiteilige Achttakter, deren Perioden dem gattungsspezifischen Formprinzip folgen. Wie aus dem Titel ersichtlich (Ländler aus dem Bregenzerwald), ist die Melodik von klangbrechenden Achtelbewegungen geprägt, vereinzelt vermischt mit Durchgängen. Lediglich beim „Gigermichelis Schlicher“ (Nr. 6) tritt im ersten Teil die Durchgangsmelodik stärker hervor. Hier ist noch eine Bordunmelodie zu erahnen. Tonika und Dominante prägen ausschließlich den harmonischen Verlauf. Bei der Wahl der Tonarten gibt es keinen großen Spielraum. Die ersten zehn ländlerhaften Tänze stehen in G-Dur, ab Tanz Nr. 11 bis 15 in D-Dur, 16 bis 18 in B-Dur. Innerhalb einer Tonart wechseln die beiden Grundharmonien Tonika und Dominante. Die Tänze Nr. 11 bis 14 bilden eine Ausnahme, hier steht der zweite Abschnitt in der Tonart der Dominante. Dies deutet darauf hin, dass der erste Achttakter nach dem Spiel der zweiten Melodiezeile zu wiederholen ist, um die dadurch harmonisch bedingte Dreiteiligkeit A + B + A zu realisieren. Der Takt der Tänze Nr. 1 bis 18 ist dreischlägig. Die Tänze Nr. 19 und 20 weichendavon ab. Sie sind geradtaktig. Der Schreiber
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kehrt zurück zu G-Dur. Den Melodien sind kurze Texte unterlegt. Nr. 19 stellt mit dem Text „Liederli liederli goht es zua“ eine melodische Variante des „Gibele gäbele“ dar und ist somit die älteste melodische Aufzeichnung dieses Tanzes im Bregenzerwald.327 Mit einem raschen Schlusstanz einer Tanzveranstaltung, den „Kehrab“ endet diese Tanzreihe. Die Improvisationskunst des Musikers hinterlässt im Repertoire deutlich seine Spuren in der Bildung von Varianten. Bei Strolz wiederholen sich die Montafoner Tänze der Sonnleithner-Sammlung nicht, er liefert ein neues, sehr lebhaftes Bild von der Tanzkunst in diesem doch teils schwer zugänglichen Bergtal. In Schmitts Notenheft Nr. XXV folgen der Ländlerkette mit neuer Nummerierung vier Montafoner Nationaltänz vulgo Rongger oder end ahi! (in G-Dur), sechs weitere Tänze setzt er im Heft Nr. XXVI fort. Der Ruf des Ronggers als besonderer Montafoner Tanz ist 1819 bis nach Dornbirn gedrungen. Leider gibt es aus dem 19. Jahrhundert keinerlei weitere Nachrichten. Die Bezeichnung „Rongger oder end ahi“ in der Strolz-Handschrift lässt Fragen offen, die auch August Schmitt nicht befriedigend klären konnte. Warum heißt es nicht „Rongger und end ahi“, sondern „Rongger oder end ahi“, da es sich nach Schmitts Forschung offensichtlich um zwei verschiedene Formen handelt: „Rongger“ und „Gibele gäbele“ (En offi, en ahi)? Einzigartig in der Tanzgeschichte ist die Bezeichnung „Rongger“, die als Flurname in Gaschurn/ Montafon anzutreffen ist.328 Rongg ist auch eine Alpe bei St. Gallenkirch an der Grenze zum Prättigau/ Graubünden. Liegen hier die Wurzeln des Tanzes? Nach August Schmitt ist die Bewegungsart der Tänzer und weniger die Musik für die Bezeichnung ausschlaggebend. Als er im Montafon nach dem Tanz forschte, fand er unterschiedlichste Weisen und Ausdrücke wie Rangler, Rutscher, Rappentanz, Hinterefür. Die Melodie der Strolz-Aufzeichnung war zum Zeitpunkt seiner Forschung nicht mehr bekannt und weist keine Ähnlichkeiten mit den von Schmitt aufgezeichneten Rongger-Melodien auf. Zoder übernimmt 1936 Schmitts Tanzbeschreibungen in zwei unterschiedlichen Ausführungen („Gerader Rongger“ und „Hinterefür“) im dritten Heft der „Altösterreichischen Volkstänze“, fügt aber die StrolzMelodie des achten Tanzes („Mein Mädel ist lustig“) hinzu und unterlegt eine Bordun-Begleitung. Er ist auch der einzige Tanz in der Strolz-Niederschrift im Dreivierteltakt und verweist sprachlich auf den schwäbisch-süddeutschen Raum. Spätere Tanzpublikationen von Edy Hofer und Birgit Zell-Lorenz zeigen andere Melodien. Hofer gibt an, für den „Geraden Rongger“ eine neue, am Tannberg um 1850 gebräuchliche Melodie aus Schmitts Sammlung verwendet zu haben.329 Zwischen den Montafoner Nationaltänzen und den Bregenzerwälder Tänzen gibt es so gut wie keine Übereinstimmung. Die Montafoner Tänze dürften wesentlich älter sein, worauf nicht nur besondere Charakteristika, sondern auch Ähnlichkeiten mit Tänzen in Dreyßers Tanzbüchlein aus dem Jahre 1720 hindeuten. Zudem ist die Nähe zur Schweiz spürbar, sowohl in melodischer als auch in rhythmischer Hinsicht.330 Die kurzen Tänze bei Strolz sind zweiteilig, gliedern sich aber nicht nur in Achttaktperioden, sondern auch in 6 + 6 sowie 8 + 6 Takten. Die Tänze Nr. 2 und 3 sind nur instrumental, bei den weiteren folgt dem gesungenen ersten Teil ein instrumentaler Abschnitt, der sich bei anderen Tänzen wiederholt. Mit einer Ausnahme (Nr. 8) herrscht der Zweivierteltakt vor. Auffallend ist die Verwendung des sogenannten „Alphorn-Fa’s“, einem Ton der Naturtonreihe, der zwischen Quart und Tritonus liegt 327 Weitere der von Schmitt aufgefundenen Varianten sind bei Zoder 1928, S. 326 und S. 327 publiziert. 328 „Rongger“ ist auch ein Montafoner Flurname in Gaschurn. Der Flurnamenforscher Plangg führt ihn auf „Runcu/a“, Rodung, zurück (Plangg 2019, S. 167.). Die Bezeichnung ist auch im Prättigau zu finden. 329 Schmitts Aufzeichnung dazu ist leider verschollen. 330 Bemerkenswert ist, dass in Dreyßers Tanzbüchlein gleich mehrere Varianten der Montafoner Tänze zu finden sind. So auch die „Sieben Sprünge“ aus der Sonnleithner-Sammlung. Zum Tanzbüchlein Dreyßer siehe N ettl 1960. Vergleiche mit den Melodien auch bei Wyss 1826.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
und aus der Praxis der Naturhörner bekannt ist. Der Schweizer Volkstanz- und Volksliedforscher Alfred Tobler (1845–1923) sieht darin ein typisches Element der Appenzeller Volksmusik.331 Melodien, die aus der Bordunpraxis kommen, weisen auf ein höheres Alter hin. Die meisten Tänze zeigen motivische Verwandtschaften auf, Triolen und eine Folge Achtel/zwei Sechzehntel sind rhythmische Kennzeichen dieser Melodien. Auch hier begegnet man „Gibele gäbele“-Varianten. Besonders deutlich wird dies in Nr. 5 und 7, wobei der Text zu Nr. 7 mit der Bregenzerwälder Melodievariante Nr. 19 identisch ist. Im 19. Jahrhundert war dieser Tanz als „En offi, en ahi“ bekannt.
Anmerkungen zur Edition Die folgenden Abbildungen sind wegen des deutlicheren Schriftbildes der zweiten Abschrift entnommen. Sie ist mit Bleistiftanmerkungen Zoders versehen. Auch die Seitenzahlen sind mit Bleistift notiert und dürften eine spätere Ergänzung sein. Wer diese Reinschrift anfertigte, ist bislang nicht bekannt, sie befindet sich in Zoders Tanzarchiv (E 52) im Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes in Wien. Auf eine gesonderte Transkription wurde verzichtet, da die Handschrift im Rahmen eines Forschungsprojektes des Vorarlberger Landeskonservatoriums publiziert wird. Auch werden im Folgenden analog zu Zoder nur jene Tänze der Handschrift wiedergegeben, die vor 1819 aktuell waren. Regionale handschriftliche und gedruckte Quellen: ÖNB, Archiv des ÖVLW: Nachlass Schmitt, Signatur: Heft XXV und XXVI (Abschrift 1927) Tanzarchiv Zoder, Signatur E 52 (Abschrift o.J.). VLA, Musiksammlung, Nachlass Schmitt, o. S. Fotokopien der Abschriften. K orda /K lier 1959, S. 2, S. 9, S. 20; B ösch -N iederer 2002, S. 2, S. 8, S. 15.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Z oder 1928, S. 223–234; H ofer 1971 (Noten und Tanzbeschreibungen); Z ell -L orenz 2014 (Noten und Tanzbeschreibung).
331 T obler 1904, S. 9.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
St 1 bis 5
Bregenzerwälder Ländler
Ländler 1 bis 5 Hauptproduktion am Fasching: / Sonntag, Montag und Dienstag 1816 / Gigermichelis Söpp 1812/13 /Ein alter Schlicher
Abb. 68: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 3
In Schmitts Notenheft Nr. XXV fehlt die Bemerkung „Ein alter Schlicher“. In der Überschrift heißt es bei ihm: v. Gigermichelis Söpp 1812/13. Er setzt vor dem fünften Tanz die Bezeichnung Lingenauer, die hier in der vorliegenden Abschrift fehlt.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
St 6 bis 10
[Bregenzerwälder Ländler]
Ländler 6 bis 10 Gigermichelis Schlicher
Abb. 69: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 4
Der sechste Tanz erhält die Bezeichnung „Gigermichelis Schlicher“. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um einen Lesefehler Schmitts handeln könnte und es eigentlich „Schliefer“ (= Schleifer) heißen sollte. Der „Schlyfer“ war auch im Appenzell gebräuchlich, wo sich die Pärchen gerne langsam und bedächtig kreisend möglichst ruhig auf einer möglichst kleinen Fläche herumdrehten. Der Schweizer Volkskundler Alfred Tobler (1845–1923) charakterisiert den Schlyfer als langsamen Walzer.332 Das Gegensatzpaar „Schleifer“ und „Hopser“ beherrschte das Tanzrepertoire auch im schwäbisch-alemannischen Raum. Gegenüber allen anderen Tanzweisen auf dem vorliegenden Notenblatt ist die Weise Nr. 6 nicht mit ein- oder zweitaktigen, melodisch-rhythmisch gleichlautenden Motiven, sondern mit einem viertaktigen in sich geschlossenen Melodiebogen gestaltet. Die Niederschrift enthält einen Bleistiftvermerk: = Kühdreckeler vgl. 2. Dieser hier nicht näher bezeichnete Tanz ist ident mit dem bei Schmitt im zweiten Heft notierten „Kühdreckler“. 332 T obler 1904, S. 9 und S. 12.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
St 11 bis 15
[Bregenzerwälder Ländler]
Ländler 11 bis 15
Abb. 70: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 5.
Kaum lesbare Bleistiftnotiz zu Nr. 13: = [?…] Zoders Bleistiftnotiz zu Tanz Nr. 14, Unterland, kann als Hinweis zum volkstümlichen Lied „Drunten im Unterland, da ist’s halt fein“ des schwäbischen Komponisten Friedrich Silcher (1789–1866) gelten, das 1836 für vierstimmigen Männerchor gedruckt wurde. Dieser greift dabei auf eine ältere Fassung der Melodie eines weithin verbreiteten schwäbischen Volksliedes, „Draußen im Schwabenland wächst a schöns Holz“, zurück.333 Bei Strolz wird die Melodie von Achtelnoten umspielt.
333 Zu den Vorarlberger Belegen des Liedes siehe auch B ösch -N iederer Maultrommel 2010, S. 3–5; ausführliche Informationen zum Lied bei: Frauke S chmitz -G ropengiesser : Drunten im Unterland (2013). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: http://www.liederlexikon.de/lieder/drunten_im_unterland/ (Zugriff: 19. 6. 2021).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[Bregenzerwälder Ländler]
St 16 bis 20
Ländler 16 bis 18 sowie Tänze 19 und 20 („Liederli Liederli“ und „Da Kehrab“)
Abb. 71: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 6
[19] Liederli, liederli got es zua334, ohne Strümpf und ohne Schua[h]. Hätst da Sommer ebbes do335, müßtst da Winter net barfuß goh.336 [20] Da Kehrab, da Kehrab; es hat a Ge[i]s a Be[i]n ab, Es ist net ab, es ist net ab, es langet337 noch da ganza Tag.
Ist es ab, so sei es ab, so sind mer um a Gizi koh338, Hür am Langsi wemmer scho a andres überkoh.339
Bleistiftnotiz Zoders am Blattende: vlg. der Cherab bei Tobler Schweizer Archiv f. Vk VIII S. 194, nicht melod[isch]. ident 2/4. 334 geht es zu. 335 etwas getan. 336 barfuß gehen. 337 es reicht. 338 Zicklein gekommen. 339 Heuer im Frühjahr wollen wir schon ein anderes bekommen.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Die zwanzig Bregenzerwälder Tänze sind eine Folge von Ländlerweisen, deren jede einzelne eine eigene melodische Charakteristik aufweist. Bei manchen ländlerischen Motiven ist auf dem ersten Achtel oder letzten Viertel eines Dreiviertel-Taktes das Zeichen für einen kurzen Triller gesetzt. Das bedeutet, dass in der Spielpraxis der alten Tanzgeiger das Akzentuieren der Ländler-Motive auf dem ersten oder dritten Ton eines Taktes ein interpretatorisches Stilmerkmal war. Auffallend bei diesen Ländlern sind die Inhalte der B-Teile: In Nr. 16 wird ein eintaktiges Motiv des ersten Achttakters zum Impuls für eine auf der Dominante neu diminuierten und periodisch geformten Phrase, welche nach der Wiederaufnahme des A-Teiles verlangt; in Nr. 17 wirkt der B-Teil wie ein die vorhergehenden Nummern beschließender Teil, und in Nr. 18 ist der B-Teil eine ländlerisch-selbstständige Periode ohne motivische Nähe zum A-Teil (Walter D eutsch ). Von den geradtaktigen Tänzen ist die Nr. 19 eine Variante des bekannten „Gibele gäbele“, die sich lange in der Spieltradition halten konnte. Raimund Zoder publizierte 1928 auch die anderen Varianten aus August Schmitts Forschungsfahrten in das Montafon seit 1924. Literatur: T obler 1904, S. 194.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
St 21 bis 25
Montafoner Nationaltänz vulgo Rongger oder end ahi
Tänze 1 bis 5
Abb. 72: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 7
Texte zu den Melodien 1, 4 und 5: [1] Bi miner Schwarza do bin i grüseli gera340, Sie hat d’Batza341 die hät i gera! [4] Ist ger net lang sid i gheingerdt [= ghengerat] ho342, ist ger343 a kurzi Zit Und Hösli sind mer lottrig worda344, d`Strömpfli sind mer z‘wit.345 [5] Gibeli Gäbeli Rechazah346, Zwib [= s Wib] ist Herr und net der Mah. Gibili Gäbili Rechazah Zwib hot d Hosa a347.
Anmerkung Schmitt: Schon veröffentlicht 340 sehr gern. 341 viel Geld? 342 seit ich auf Brautbesuch war. 343 gar. 344 lotternd geworden. 345 zu weit. 346 Rechenzahn. 347 Hosen an.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Der Text des vierten Tanzes kommt laut Erk/Böhme 1893, II, S. 767, in einem Schweizer Tanzliedchen als dritte Strophe vor: „Erinnerung an das Schätzle“. In der Handschrift Strolz wird der Kern dieser Melodie auf tänzerische Weise umspielt.
Abb. 73: Schweizer Variante des Tanzliedchens aus: Erk/Böhme 1893, II, S. 767
Bei Rudolf Wyss (1782–1830) findet sich in seiner gedruckten Ausgabe der „Schweizer Kühreihen“ aus dem Jahre 1826 unter Nr. 43 ein Liedchen mit dem Titel „Das Kätzchen“ (Wenn ig is Buure Chätzeli wär), das melodisch an diesen Tanz erinnert und eine Variante des bei Böhme abgedruckten Liedes darstellt.348 Dieses Liedchen war auch vom schwäbischen Raum bis ins Elsass bekannt. Dass die Tanzmelodie viel älter ist, zeigt eine Melodievariante, die Johann Friedrich Dreyßer 1720 in sein Dantz Büchlein niedergeschrieben hatte.349
348 W yss 1826, S. 68. 349 Johann Friedrich D reysser , Dantz Büchlein, 1720. München, Bayerische Staatsbibliothek, Mus. Ms. 1578 Nr. 12. Nach Nettl 1960 ist diese Handschrift im süddeutsch-österreichischen Raum entstanden.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
St 26 bis 30
[Montafoner Nationaltänz vulgo Rongger oder end ahi]
Tänze 6 bis 10 Lieblings-Tanz des ehemaligen Buchdruckers Franz Fidel Neyer: „Wer Geld hot fahrt ge Thürig!“350
Abb. 74: Abschrift der Handschrift Strolz, S. 8
[6] Ist es nit a Narradei351
Schlafa bei der Annmarei, Ist es nit a Narradei Oder Lapparei.352
[7] Liederli liederli goht es zua Ohne Strümpf und ohne Schua[h], Het[t]ist da Sommer ebbes do Müßtest da Winter net barfuß goh. [8] Mein Mädel ist lustig Und ah nit ger scheu, Sie tanzt ja so munter Drum blib sie dabei! 350 Wer Geld hat, fährt nach Thüringen. 351 Narretei. 352 Einfältigkeit.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[9] Gschider353 isch noch Notta schriba354 As wiana an Bettler ilig wiba355, Immer, immer isch noch zfruha, Wenn ka Geld hast hast doch Ruah. [10] Gruseli löpisch356, gruseli lapisch Annmarei was di derlöst357, Gruseli lapisch gruseli tapisch Annmarei was detst?358 [11] Ei a bizli359 lustig si Das wird so roß net gföhrli si360. Hint wemmer361 lustig si Der Pfennig muß futsch si. Aso!
In Notenheft Nr. XXVI heißt es bei Tanz 8: drum blib ich dabei! Der sechste Tanz stimmt melodisch mit einem in der Schweiz mündlich überlieferten Lied überein, welches 1818 in der dritten Auflage der Sammlung „Schweizer Kühreihen“ publiziert wurde. 1826 übernimmt Rudolf Wyss (1782–1830) das Lied mit dem Titel „Freundliche Weisung“ in die von ihm verbesserte vierte Auflage dieser Sammlung (Wyss 1818, S. 54, sowie Wyss 1826, S. 64). Der Text vermittelt einen ähnlichen Inhalt und spielt auf einen Abendbesuch eines Freiers an. Wie aus der Anmerkung in der Handschrift Strolz ersichtlich ist, war das ein Lieblingstanz des Bludenzer Buchbinders Fidel Neyer (1794–1849).
Abb. 75: Schweizer Variante, „Freundliche Warnung“, aus: Wyss 1826, S. 64
353 gescheiter. 354 Noten schreiben. 355 eilig (?) freien, heiraten. 356 sehr dumm. 357 dich erlöst. 358 tätest du. 359 bisschen. 360 nicht sehr gefährlich sein. 361 heute abend wollen wir.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
In Tanz Nr. 9 ist nach Zoder die Melodie des Liedes „O du lieber Augustin“ verborgen. Das Lied war bereits um 1800 verbreitet, die Melodie wird auf eine böhmische Weise zurückgeführt.362 Tanz Nr. 10 [37] mit dem Text „Gruseli läppisch“ greift ebenfalls auf eine ältere Melodie zurück: Der erste Abschnitt wurde bereits hundert Jahre zuvor, um 1720, bei Dreyßer niedergeschrieben.
Abb. 76: Dantz Büchlein. // Johann Friedrich Dreyßer […] 1720. Bayerische Staatsbibliothek, Mus.ms. 1578, fol. 39v
In Vorarlberg wurde der Tanz 1928 in einer Bearbeitung für Klavier von Alexander Pöschl (18651942) als „Montafoner Nationaltanz aus der Zeit von 1812 bis 1818“ in der Zeitschrift „Heimat“ auf S. 173 erstmals publiziert. Pöschl war Volksliedsammler und Mitarbeiter der Zeitschrift „Das deutsche Volkslied“ und hatte seine Bearbeitung bereits 1927 darin publiziert. In einer Anmerkung zum Tanz heißt es: Unser Mitglied Prof. August Schmitt hat die Tänze [des Spielmannes Strolz] für seine Sammlung Vorarlberger Volksmelodien abgeschrieben und diese sehr interessante, an die altdeutschen Tänze erinnernde Melodie zur Verfügung gestellt.
Auswahl an gedruckten Quellen: Heimat. Monatshefte. Mitteilungen des Vorarlberger Landesmuseums und der Heimatmuseen 9 (1928), S. 173; Josef Pommer (Hrsg.), Das deutsche Volkslied. Zeitschrift für seine Kenntnis und Pflege. Wien 1927, S. 113.
362 URL: https://volksmusikland.at/2019/09/12/o-du-lieber-augustin-neu/ (Zugriff: 19. 6.2021).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Tänze aus der Handschrift Meusburger, um 1820
Abb. 77: Umschlag (Vorderseite) der Handschrift Meusburger. Vermerk am Titelblatt: Gehört / Joseph Meusburger / Bizau/ Violinist. VLA, Musiksammlung, MHS 001
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Musikantenfamilie Meusburger Ein Zeitgenosse von Michael und Joseph Anton Moll war der Bauer und Violinist Joseph Meusburger (1756–1826) aus dem benachbarten Bizau. Zu seiner Biografie gibt es kaum Kenntnisse. Die Familie lebte in Bezau Nr. 12. Dem Inhalt der Handschrift nach zu urteilen, engagierte sich Joseph musikalisch für den Kirchendienst in seiner Gemeinde. Da man noch keine Orgel besaß, dürfte die Violine den musikalisch führenden Part übernommen haben. 1825 ist zudem von acht Personen die Rede, die für „das Singen in der Kirche“ sechs Gulden erhielten. Erst 1837 wird eine Orgel angeschafft.363 Wie sich Joseph seine Kenntnisse aneignen konnte, ist ebenso wenig bekannt wie sein Auftreten als Tanzgeiger. Die Meusburger waren eine sehr sangesfreudige Familie. Zu Josephs Nachkommen („Sepplers“) gehören unter anderem die Schwestern Theresia Hammerer (1865–1944), Agnes Lang (1875–1958) und Maria Katharina Meusburger (1873–1956), Gewährspersonen von Josef Bitsche in den 1930er Jahren, deren umfangreicher Liederschatz in mehreren handschriftlichen Heften erhalten ist.
Die Handschrift Meusburger Die Handschrift kommt ursprünglich aus dem Bregenzerwald. Josef Bitsche erhielt das Notenbuch 1969 aus dem Besitz von Barbara Lang (*1907) aus Bizau, einer Tochter der Agnes Meusburger, verehelichte Lang, aus deren Familie das Büchlein kam. Bitsche datiert die Handschrift mit 1780, ohne dazu nähere Hinweise zu geben. Das Papier deutet aber auf eine Niederschrift um 1820 hin.364 Das Repertoire ist jedoch älter und enthält Walzer, Ländler und Märsche sowie Melodien für den kirchlichen Gebrauch.
Quellenbeschreibung: Kartonumschlag mit buntem Papier überzogen (schwarze Rhombenzeichnungen mit roten Punkten); brauner Lederrücken und Eckenverstärkungen; 21 x 17,5 cm, 34 Blatt (Seitenangabe von Josef Bitsche, fehlerhaft). Zwei Schreiber, bräunliche Tinte; Wasserzeichen: AB (Anselm Brielmayer), A Briel[mayer]. Im Einband innen sind mit Bleistift verfertigte Zeichnungen und Namenseinträge: Anton Lang Bizau, Valentin Lang, Franz Bickel, Josef Josef Metzler. Inhalt des gesamten Heftes: fol. 1-2: Violinübungen fol. 3-23: Melodien für die heilige Messe fol. 25-34: Walzer (Nr. 7 bis Nr. 12), Walzer Ländler (Nr. 1 bis Nr. 6, zwei Tänze, späterer Eintrag von anderer Hand ohne Nummerierung, Nr. 13 bis Nr. 24) und Märsche (Nr. 1 bis Nr. 12) Die 37 Tänze und Märsche sind zwar nummeriert, doch nicht durchgehend den Seiten entsprechend. Auf eine Wiedergabe der Melodien für die Messe und die Violinübungen wird im Folgenden verzichtet.
363 N adler 1985, Bd. 2, S. 133. 364 Der Papierer Anselm Brielmayer erwarb 1818 die Papiermühle in Lauterach.
186
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 1 bis M 4
Walzer Ländler
Tänze Nr. 1, 2, 3, 4
Abb. 78: Handschrift Meusburger, fol. 26v–27r
187
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 5 bis M 6 Tänze Nr. 5 und 6
Abb. 79: Handschrift Meusburger, fol. 27v–28r: Auf der rechten Seite sind zwei spätere Tanzeintragungen (Ländler) von einem weiteren Schreiber aufgezeichnet
188
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 7 bis M 9
Walzer
Tänze Nr. 7, 8, 9
Abb. 80: Handschrift Meusburger, fol. 24v–25r
189
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 10 bis M 12 Tänze Nr. 10, 11, 12
Abb. 81: Handschrift Meusburger, fol. 25v–26r
190
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 13 bis M 16 Tänze Nr. 13, 14, 15, 16
Abb. 82: Handschrift Meusburger, fol. 28v–29r
191
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 17 bis M 20
Marche
Märsche Nr. 17, 18, 19, 20
Abb. 83: Handschrift Meusburger, fol. 29v–30r
192
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 21 bis M 24 Märsche Nr. 21, 22, 23, 24
Abb. 84: Handschrift Meusburger, fol. 30v–31r
193
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 1b bis M 3b
Marche
Märsche Nr. 1, 2, 3
Abb. 85: Handschrift Meusburger, fol. 31v–32r
194
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 4b bis M 7b
Marche
Märsche Nr. 4, 5, 6, 7
Abb. 86: Handschrift Meusburger, fol. 32v–33r
195
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 8b bis M 11b
[Märsche]
Märsche Nr. 8, 9, 10, 11
Abb. 87: Handschrift Meusburger, fol. 33v-34r
Der neunte Marsch mit dem Titel Marsche Marlbrücke ist heute weithin als „Marlborough-Marsch“ bekannt. Die melodische Vorlage ist ein beliebtes Spottliedchen französischer Herkunft auf den englischen General John Churchill, Herzog von Marlborough (Mahlbrough, 1650–1722), der im Spanischen Erbfolgekrieg mit seinen Truppen an der Seite von Prinz Eugen gegen die Franzosen kämpfte: „Malbrough s’en va-t-en guerre“ (Deutsche Version: Marlbruck zog aus zum Kriege). Auswahl an gedruckten Quellen und Forschungsliteratur: K lusen 1981/2, S. 592 und S. 847.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
M 12b
[Marsch und Tonleiter]
Marsch Nr. 12
Abb. 88: Handschrift Meusburger, fol. 34v
Die letzte Zeile zeigt die C-Dur-Tonleiter mit dem Fingersatz für ein Tasteninstrument.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Liederhandschrift Nayer, 1829
Abb. 89: Einband der Liederhandschrift: Für den Joh. Jos. / Nayer / ein / Gesangbuch 1829.VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung, LHS 002
Der österreichische Volkskundler Klaus Beitl publizierte 1964 im Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerks eine erste Untersuchung der Handschrift des Johann Josef Nayer aus dem Montafon. Sein Vater Richard Beitl (1900–1982) hatte das Heftchen von Emil Neyer, einem Enkel des Besitzers der Handschrift, erhalten, der ihm auch biografische Notizen zukommen ließ. Die originale Handschrift lag viele Jahre im Familienarchiv Beitl in Schruns und wurde im August 2018 dem Vorarlberger Landesarchiv, wo bereits zuvor Abschriften, die Beitl dem Arbeitsausschuss Vorarlberg des Österreichischen Volksliedwerks übergeben hatte, den Benutzern zur Verfügung standen, als Schenkung überlassen.
Musikantenfamilie Nayer Die Schreibweise des Familiennamens Nayer ist nicht einheitlich und wechselt auch innerhalb des Familienstammes. Johann Joseph (Josef) Nayer (1814–1894), der ursprüngliche Besitzer der Handschrift, kann durchaus auf musikalische Vorfahren verweisen. Seine Mutter kommt aus einer Orga-
198
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
nistenfamilie. Maria Magdalena Walburga Nayer (1786–1879) war eine Tochter des Tschaggunser Organisten und Lehrers Johann Joseph Mayer (1760–1826), der unter anderem auch für die Montafoner Musikgesellschaft in den 1820er Jahren aktiv war. Ihr jüngerer Bruder Johann Christian Romanus Mayer (1789–1856) folgte seinem Vater als Organist in Tschagguns. Väterlicherseits stammt Johann Josef aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen, der Vater Johann Christian Nayer (*1786) war ebenfalls ein Tschaggunser. Johann Josef wurde in den frühen 1830er Jahren zum Lehrer an der Kreishauptschule in Bregenz ausgebildet. Im Abgangszeugnis von 1832 empfiehlt ihn Direktor Ignaz Schwärzler „mit Vorzug“ zur Anstellung als Gehilfen.365 1835 bestand er nach zwei Jahren Probezeit als Schulgehilfe die Lehrerprüfung in Feldkirch. Nayer übte diesen Beruf mehrere Jahre aus und wurde 1841 Kanzleipraktikant beim Landgericht, später Gerichtskanzlist in Schruns.366
Abb. 90: Musikerfamilie des Theodor Nayer. Familienarchiv Heinz Bitschnau, Bartholomäberg
Das musikalische Erbe wird nach Johann Josef in den nächsten Generationen fortgeführt. Eines seiner fünfzehn Kinder, der Schreiner Theodor Neyer367 (1849–1937), tritt mit seiner Familie seit den späten 1890er Jahren öffentlich zu verschiedensten Anlässen musizierend auf.368 Mehrere Notenhefte aus dem Familienbesitz Nayer/Neyer sind noch heute erhalten.
365 B eitl 1964, S. 63. 366 Vgl. Schematismus für Tyrol und Vorarlberg für 1841. 367 Es finden sich in den Quellen unterschiedliche Schreibformen, wobei sich seit dem späten 19. Jahrhundert die Form „Neyer“ durchsetzt. 368 Kinder: Arnold (*1879), Emilie (*1881), Maria Regina (*1882), Ludwig (*1884), Johann (*1887) und Hedwig (*1889).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 91: Theodor Nayer (1849–1937), ein Sohn des Johann Josef mit Gattin Regina (1849–1929), geborene Loretz. Familienarchiv Heinz Bitschnau, Bartholomäberg
Theodors Bruder Robert (1862–1930), von Beruf Schneider, und auch sein Sohn und Nachfolger als Schreiner, Arnold (*1879), werden vom Volkstanzforscher August Schmitt in den 1920er Jahren als Gewährspersonen genannt. Letzterer vermittelte dem Forscher 1925 einige Montafoner Tänze, darunter auch den „Gibele gäbele.“ Johann Josef Nayers Gesangsbuch mit 28 Liedern und Liedtexten gehört zu den besonderen Raritäten. Bemerkenswert daran ist, dass es, im Gegensatz zu Hörner und Steinle, obwohl es später datiert ist, kein aktuelles Repertoire enthält, sondern durchwegs ältere Kunstlieder aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die der „Erbauung“, der häuslichen Unterhaltung, aber auch pädagogischen Zwecken dienen sollten. Nur vereinzelt nahmen diese Lieder den Weg über die Schule in den Volksgesang späterer Generationen.369 Eigentliche Schullieder sucht man im Büchlein vergeblich. Das Repertoire ist auf ein unverheiratetes, junges Publikum abgestimmt. Auffallend sind vorherrschend sentimentale und moralisierende Züge. Viele Lieder spiegeln „die Stimmung der wehmütigen und empfindsamen Dichtung des ‚Sturm und Dranges‘, ebenso wie der heiteren Schäfer- und Liebeslyrik des Rokoko und der vernünftelnden und ironischen Poesie der Aufklärungszeit“370 wider. Die Darstellung von Liebeslust und Liebesleid entbehrt jeder Erotik, Gesellschaftskritik und Scherz sind im Vergleich zu zeitgleichen Handschriften aus anderen österreichischen Regionen nur marginal vorhanden.371 In der Niederschrift wird die regionale Komponente deutlich. Bei den Recherchen konnten vermehrt Liedschöpfer nachgewiesen werden, die im süddeutsch-schwäbischen und Schweizer Raum lebten und 369 Bürgerliche Einflüsse auf den Volksgesang sind im Verlauf des 19. Jahrhunderts auch im Bregenzerwald anzutreffen. 370 B eitl 1964, S. 75–76. 371 B eitl 1964, S. 64–77.
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wirkten. Dazu gehören der aus dem Allgäu stammende Geistliche und Vizekapellmeister des Klosters Kempten Joseph Anton Fehr, dessen Lieder in Kempten und in Bregenz gedruckt wurden, der Schweizer Johann Ludwig Ambühl, Samuel Gottlieb Auberlen, ein Schwabe, Christian Jakob Wagenseil aus Kaufbeuren, auch Christian Friedrich Daniel Schubart, Musikdirektor am Württembergischen Hof, und Carl Philipp Conz, ein Universitätsprofessor in Tübingen. Zu den raren Ausnahmen zählt Carl Ditter von Dittersdorf, doch gibt es auch hier einen regionalen Bezug: Seine Opern und Singspiele finden sich im Spielplan des Stuttgarter Hoftheaters. Dichter, wie Friedrich Graf Stolberg, fanden auf Reisen in die Schweiz Inspiration und ließen ihre Eindrücke in ihre Schöpfungen einfließen. Ein Beispiel ist Stolbergs Gedicht „An die Natur“, das Nayer in seine Handschrift mit aufnahm, allerdings in einer anonymen Vertonung.
Die Handschrift und ihre Schreiber Quellenbeschreibung: Gebundene Handschrift (Baumwoll-Fadenbindung, nicht professionell); 17 x 23 cm; braun marmorierter Papiereinband mit herzförmigem Titelschild, beschrieben: Für den Joh: Jos: / Nayer / Ein gesan / gbuch / 1829. Wasserzeichen: Wappen der Stadt Bregenz, Doppeladler mit Krone, nicht identifizierbare Buchstaben. Die Blattränder sind leicht durch einen Brand beschädigt worden. Sehr schlechter Zustand der Handschrift.
Abb. 92: Handschrift Nayer
Klaus Beitl las die mit Tinte leicht verunreinigte Jahreszahl als 1839, die Handschrift ist aber eindeutig um zehn Jahre jünger, bei genauer Hinsicht lautet die Zahl „1829“. Bekräftigt wird das Datum durch die Biografie des Besitzers und die Wasserzeichen am Papier. Das Repertoire deutet auf eine Niederschrift vor Nayers Bregenzer Aufenthalt in den frühen 1830er Jahren, denn es gibt keine Nähe zum Repertoire der Handschrift Steinle, die auch einige Kompositionen von Nayers Lehrer Schwärzler enthält. Es waren mindestens zwei Schreiber beteiligt. Auf S. 2 heißt es (nur mehr schwach leserlich): Maria Magdalena Walburga Neyer […] und auf S. 36: für mich Johann Grassen / Roman Mayer […]. Das wirft viele Fragen auf, die noch nicht geklärt werden konnten. Hatte Johann Josef Neyers Onkel Roman ursprünglich das Liederbüchlein angelegt? Wer war Johann Grass? Vielleicht ein Sohn oder
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Enkel des auch in Schruns wirkenden Orgelbauers Johann Michael Grass (1746–1809)?372 Wurden Johann Grass und Johann Josef Nayer vom Tschaggunser Organisten Mayer ausgebildet, und ist dieses Liederbüchlein ein Ergebnis eines unterhaltsamen Musikunterrichts? Kam es später in den Besitz von Neyers Mutter Walburga? Die Lieder sind mit Begleitung eines Tasteninstrumentes gedacht, wobei der Bass häufig als Generalbass ohne Akkordangaben notiert ist. Manchmal sind die Akkorde zerlegt. Die Seiten 2 bis 20 weisen einen versierteren Notenschreiber auf, anschließend folgt eine wenig geübte Notenschrift, hier wird auf die Begleitung verzichtet; zuweilen ist auch nur der Text unter der leeren Notenzeile niedergeschrieben. Der C-Schlüssel findet sich auf der ersten Linie. Die Melodien sind ein- und zweistimmig. Auch diese Handschrift weist viele fehlerhafte Stellen auf, ein Indiz, dass es den Schreibern an musikalischen Kenntnissen mangelte. Ein vierzigjähriger Organist müsste über diese Fähigkeiten verfügen, Christian Romanus Mayer kommt daher wohl nur in wenigen Fällen als Schreiber infrage. Weitgehend deuten die Niederschriften auf eine mündliche Überlieferung und nicht auf Abschriften aus vorhandenem Notenmaterial.
Liedkatalog Die Wiedergabe der Lieder in der vorliegenden Publikation zeigt kein einheitliches Notenbild. Liegen zu viele Ungereimtheiten vor oder sind die Noten nicht vollständig, wurde auf eine Transkription verzichtet und ein Scan der originalen Handschrift eingefügt. Sofern es notwendig schien, wurden bei der Transkription kleinere Fehler (falsche Tonart, Noten, Pausen etc.) berichtigt, je nach Situation auch Bögen ersetzt und der Text in moderner Schreibweise hinzugefügt. Der C-Schlüssel wurde durch einen G-Schlüssel ersetzt. Die anschließende Textübertragung folgt weitgehend der Vorlage. Sofern es für die Lesbarkeit notwendig war, wurden einige Korrekturen der Groß- und Kleinschreibung vorgenommen. Ergänzungen und Berichtigungen sind durch eckige Klammern gekennzeichnet.
N1
[ohne Titel, ohne Melodie] [1.] Freut euch der Liebe, huldigt dem Göttersohn Kränzt ihn mit Rosen süs[s] ist sein Lohn.
[5.] Und wer an treue Flur sich wiegt ein Weib in seine Arme schließt Dem wird die Welt Elisium Und jeder Tag ein Fest.
[2.] Im grünen Heyn im Wasser Fall Ertönt das Lied der Nachtigall Nur Liebe rein wie Eter [Äther] Luft Entflieget ihrer Brust.
[6.] Doch wandelt er mit heitrem Sinn Und Muth erfüllt durchs Leben hin Die Wüste wird ein Schattenhein An ihrer Seite ihm.
[3.] Der Stern der schön am Himmel glänzt Von 1000 Sternchen rund umkränzt Er leuchtet nur den liebenten [= Liebenden] Entzü[c]kungen ins Herz.
[7.] Und Kinder wie der Frühling schön Wen Bläther duften […] wehn Erweckt uns die verborgne Nacht Der reichen Liebe Gluk. [= Glück]
[4.] Für Liebende schmückt sich die Flur Die Nachtviole düftet nur, Der treuen Liebe Lust Genuß Und Freude zu erhöhn.
Text: Dichter unbekannt Musik: keine Melodie beigegeben
372 Johann Michael Grass stammte aus Bürserberg und lebte in Lommis/CH. Er baute die Tschaggunser Orgel im Jahre 1776.
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Der Textbeginn des Liebesgedichtes hebt sich von den folgenden Strophen im Versaufbau deutlich ab: Die Zeichen am Versende deuten auf einen Refrain. Wurde er vorangestellt? Dies erinnert an das Gedicht des Schweizer Dichters Martin Usteri (1763–1827), das Hans Georg Nägeli (1763–1836) vertonte und noch heute als Rundgesang bekannt ist: „Freut euch des Lebens“. Die vorliegende Montafoner Textaufzeichnung weist sieben Strophen auf, ihr ist aber keine Melodie unterlegt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 1. M 102/I Schruns, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, Nr. 1, (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten Quellen und Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 61.
N2
Gefühle eines Mädchens
Abb. 93: Handschrift Nayer.
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[1.] Bester Jüngling, meinst du’s redlich, O so werd ich deine Braut; Aber Himmel wie gefährlich Wird auf Jünglings Wert gebaut.
[4.] Laß in ihren alten Tagen Meine from[m]e Mut[t]er hier Freud und Leid mit dir zu tragen Folg ich bester Jüngling dir.
[2.] Bis ihr unser ja erlauschet Sind wir alle fromm und gut Aber dan[n] ach dan[n] vertauschet Ihr der sanften Lämmer Wuth. Dacapo
[5.] O du kannst nicht echt betrügen Oder Tugend wäre Tand, Und dies Herz in deinen Blicken Trug im himmlischen Gewand.
[3.] Leben, Ehre, Glück und Habe Trau ich deinem Handeln an Bin von nun an bis zum Grabe Dir mit Liebe zugethan.
[6.] Wohl ich glaube deinem Schweigen Dieser Threne [=Träne] diesem Blick Erd und Him[m]el sollen Zeugen Weich ich je von dir zurück
Text: Johann Martin Miller (1750–1814) (in RISM wird Johann Georg Heinzemann genannt) Musik: Komponist unbekannt
Der Text ist erstmals in der „Poetischen Blumenlese“ von 1779 erschienen („Bester Jüngling, meinst du’s ehrlich“). Der Autor, Johann Martin Miller, war ein Pastorensohn aus Ulm, dessen Gedichte mehrmals vertont wurden. Vom vorliegenden Text, der auch in Liedflugschriften zu finden ist, gibt es mehrere Fassungen; die vorliegende ist von unbekannter Herkunft. Am unteren Rand der Seite ist vergilbt der Schriftzug Magdalena Walburga Nayer (Mayer?) zu lesen. Es kann daher vermutet werden, dass dieses Lied aus dem Liederschatz der Tschaggunser Organistentochter und Mutter von Johann Josef Nayer gewesen sein könnte. Folgt man dieser Annahme, so geht die Liedtradition in der Familie bis um 1800 zurück. Für die vorliegende Transkription wurde eine kleine Änderung vorgenommen. Der Schreiber setzte das ganze Lied in D-Dur, obwohl diese Tonart nur den mittleren Teil betrifft (Takt 17 bis Takt 24). Für den Notensatz wurde für das gesamte Lied G-Dur gewählt, mit sichtbarer Ergänzung des Cis in Takt 22 und 23:
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Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 2-3. M 102/I Schruns, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, Nr. 2, (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten Quellen und Forschungsliteratur: V oss 1779 (Text); F riedlaender 1902/1962, II, S. 278; B eitl 1964, S. 66; H olzapfel 2018, Lieder A–K. Siehe auch: RISM ID.no. 455028916, 450302868 und andere.
N3
Lied von der Liebe
Abb. 94: Handschrift Nayer
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Abb. 95: Handschrift Nayer
[1.] So ist Liebe ein Verbrechen, Und ich darf nicht zärtlich sein Nicht von meiner N sprechen Noch mich ihrer Treue freun, So gereut es mich des Lebens, Ich beklage die Natur, Den[n] ich hab ein Herz vergeben, Aber mich zu quellen [= quälen] nur.
[3.]
[2.] Schicksaal nim[m] es ja zurücke Wenn die Lieb ein Laster ist, Ohne sie find ich kein Glücke Was das Leben mir versüßt. N: dich soll ich verlassen, Deines Umgangs mich entziehn Ehe will ich mich selber hassen Eh will ich mich selber fliehn.
[4.] Trocknete sie dann die Threnen [=Tränen] Mir vom nassen Auge ab Sag was kann dir Schmerz gebähren Sag es mir ich liebe dich N: wenn du mich liebtest Hätte ich noch Trost im Leid Doch wenn du für mich nicht bliebest Ich vergiengt vor Traurigkeit.
Wenn wir miteinander spielten Was die Liebe reizend hat Durch getreue Küsse fühlten War den dies ein Lasterthat Zwang mein Kummer mich zu dringen Sprach mein Herz sogleich zu mir Geh und klag es deiner schönen Und ich gieng und klag es ihr.
[5.] So ist Liebe kein Verbrechen Und ich darf auch zärtlich sein Darf von meiner N sprechen Und mich ihrer Liebe freun Noch jetzt will man mir sie rauben Nein ach nein ich kanns nicht glauben Daß die Lieb ein Laster ist.
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Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
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„Ist denn Liebe ein Verbrechen“ – bei Nayer mit dem Textanfang „So ist Liebe ein Verbrechen“ – soll bereits um 1810 in verschiedenen Varianten gesungen und auch in Studentenliederbücher aufgenommen worden sein. Über Liedflugschriften auch in Österreich bis ins späte 19. Jahrhundert verbreitet, wurde der Text mehrmals vertont, unter anderem auch von Anton Diabelli. Die Textanfänge variieren (unter anderem: „Lieben ist ja kein Verbrechen“). Leider sind bei Nayer nur die ersten vier Textzeilen mit einer Melodie versehen, dann bricht die Notenaufzeichnung ab. Komponist wie auch Dichter sind unbekannt. Mit dem Beginn „Ist denn Liebe ein Verbrechen, darf man denn nicht zärtlich sein“ fand Josef Bitsche den Text noch im 20. Jahrhundert in Bizau sowie im Liederbuch der in Schwarzenberg lebenden Anna Metzler-Moosbrugger aus Andelsbuch. Die erste Strophe ist hier beinahe identisch mit der Niederschrift bei Nayer, die folgenden drei variieren: 3. Lange hab ich meine Klagen Stummen Felsen zugebracht; Ach, ich darf es dir nicht sagen, Was so hart mich leidend macht. Kennest du die heißen Triebe, Die mein Herz dir so verhehlt, Liebe ist es, heiße Liebe, Die mich so unendlich quält.
2. O warum mußt ich dich sehen? War das Schicksal mir so gram, Daß ich dahin mußte gehen, Wo dein Blick mir alles nahm. Ruh und Frieden sind verloren, Sind geopfert, sind dahin; Ach, wär ich doch nie geboren, weil ich so unglücklich bin.
4. Ewig, ewig muß ichs dir verschweigen, Schrecklich ist mir diese Pflicht; Ach, ich darf mich dir nicht zeigen, Denn das Schicksal will es nicht. Ewig werd ich mich betrüben, Ewig trag ich meinen Schmerz, Doch darf ich dich gleich nicht lieben, So verzehrt mich doch mein Schmerz.
Eine andere Textvertonung fand der Vorarlberger Lehrer und Sammler Anton Fritz 1972 in Mellau. Sie wurde ihm von der Frau des Sonnenwirts, „Fritones Babel“, vorgesungen. Sie bezeichnete es als „ganz altes Lied“. Ihre Melodie ist eine jüngere Variante von „An der Quelle saß der Knabe“ von Heinrich Proch (1809–1878), gedruckt um 1837, die bei Böhme 1895 publiziert vorliegt. Auch im benachbarten Allgäu, in Pfaffenweiler bei Wangen, wurde das Lied 1939 noch gesungen. Regionale handschriftliche Aufzeichnungen und Drucke: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 3–5. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 3 (Abschrift 1962). M 005/II/26 Andelsbuch, Abschrift aus dem Liederbuch von Anna Metzler-Moosbrugger (Text). M 005/II/26 Andelsbuch, Aufzeichnung von Wilhelm Fritz, 1972. M 012/III/112 Bizau, anonyme Aufzeichnung (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer 1911, Feldkirch-Egg (Text), S. 357. MUSI 210, Abschrift der handschriftlichen Sammlung von Paul Moser, Singendes Allgäu, (aufgezeichnet 1939) (Text).
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Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Vier schöne / Neue Lieder. / Das Erste. / Joseph und seine Brüder. / Das Zweyte. Ist denn Liebe ein Verbrechen. / Das Dritte. / Ich hab ein Wort geredt mein Kind. / Das Vierte. / Schönste erlaub mir zu bitten. / Wien 1817 […] Wien zu finden bey Ignaz Eder, Kupferstich / Händler, auf dem obern Jesuitenplatzl oder / sogenannten Schulhof (Flugblatt: Archiv des Österreichischen ÖVLW, ÖNB, Wien, ÖC Kotek); L eyrer 1810, H.2, S. 31; H ärtel 1885, S. 331–332 (Nr. 428, andere Melodie); E rk /B öhme 1893, II, S. 453–454 (andere Melodien); B öhme 1895, S. 348 (Nr. 464, Melodie von Proch); M eier 1906/1976, S. 75; G rolimund 1910, S. 18–19; M üller -B lattau 1963, S. 81 (andere Melodie); H offmann /P rahl 1966, S. 69; K lier 1954, S. 16, 21, 27; Beitl 1964, S chmidt 1970, S. 254; S chneider /B ösch -N iederer 1997, S. 101–103 (Kommentar zu „An der Quelle“); H olzapfel 2018, Lieder A–K.
N 4 [ohne Titel]
1. Gute Nacht gute Nacht Unser Taglauf ist vollbracht Goldne Sterne glänzen nieder Von des Himmelsziene [= Zinne] nieder und des Mondes Scheibe lacht gute Nacht gute Nacht.
3. Gottes Ruh Gottes Ruh Seusellt [= säuselt] uns von ferne zu Bringt uns der Empfindungsfülle Zärtlichkeit und Herzensstille. O! Ich fühle sie wie du Gottes Ruh [Gottes Ruh.]
2. Zum Klavier zum Klavier, Herzens Weibchen eilen wir, Um ins Goldgeweb zu spielen, Was wir für einander fühlen Ich mit dir und du mit mir Am Klavier am Klavier.
4. O gewiß! [o gewiß!] Welt! Du bist ein Paradies, Wenn wir hier in Erdenleben, Liebe mehren, Liebe geben. Welt dann bist du o gewiß Paradies [Paradies.]
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6. Gute Nacht! [Gute Nacht!] Sieh den Mond in stiller Pracht, Uns mit goldnen Strahlen winken Um in deinen Arm zu sinken Weib zur Wohne [= Wonne] mir gemach[t] Gute Nacht [gute Nacht!]
5. Glanzend fällt [glanzend fällt] Unsre Thränen dem Her[r]n der Welt Ach den Stifter unsrer ehe Flam[m]t der Dank zur fernsten Höhe Sieh die Threne [=Thräne] Her[r] der Welt Wie sie fällt [wie sie fällt.]
Text: Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791) Musik: Komponist unbekannt
1784 wurde der Text vom schwäbischen Dichter Christian Daniel Schubart (1739–1791) verfasst, zwei Jahre später gedruckt und in der Ausgabe „Sämtliche Gedichte“ herausgegeben; Varianten des Liedes finden sich oftmals in Gesellschaftsliederbüchern des 19. Jahrhunderts. In den Beständen der Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs ist eine weitere Aufzeichnung des Textes ohne Melodie erhalten, in einer anonymen Liederhandschrift aus dem Jahre 1832. Überliefert sind auch mehrere Aufzeichnungen der Variante „Gute Nacht, allen Müden sei’s gebracht.“ Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 6–7. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 4 (Abschrift 1962). LHS 036, Anonyme Liederhandschrift, 1832, S. 307 (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Christian Friedrich Daniel Schubart / sämtliche / Gedichte. / Von ihm selbst herausgegeben. Zweiter Band / Stuttgart in der Buchdruckerei der Herzoglichen Hohen / Carlsschule, 1786, S. 187–189 (Text); Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […], 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich C ampe (Text); F riedlaender 1902/1962, II, S. 3, 521, H offmann /P rahl S. 110, Nr. 517; B eitl 1964, S. 67; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
N5
Langsam und reizend!
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[1.] Freundin sanfter Herzenstriebe blos geschaffen für die Liebe angene[h]me stille Nacht glücklich sey von mir durchwacht, sey doch meiner Wünsche hold und verleich [= verleih] mir meinen Sold.
[4.] Wenn ich husch zum Fenster spuke Und zu ihr ins Stübchen gu[c]ke Rufe: Mädchen ich bin hier Ö[f]fne mir ganz leis die Thür Und sie dann mein Rufen kennt Und mich ihren Kristan [=Christian] nennt.
[2.]. Unter deiner Schleier hül[l]e Leite mich zum süssen Ziele Führe mich der Hütte zu Wo in stiller sanfter Ruh Alles schläft[,] nur sie noch wacht Die mich heute glücklich macht.
[5.] Wenn sie dann zum Fenster schleicht Mir den Mund zum Küssen reicht Mit dem Schlüssel in der Hand Mich zum leisen Gehen mannt [= mahnt] Dank sey dir dann gute Nacht Glücklich hast du mich gemacht
[3.] Dort am schwarzen Ankerthale Durch die Strasse[,] die ich wahle [= wandere] Hüpfen Lichter blau und roth Mancher träumte sicher Todt Aber ich, ich fürchte nicht[,] Weil ein Herz von Liebe spricht.
Text: Johann Friedrich Jünger (1759–1797) Musik: Carl Ditters von Dittersdorf (1739–1799)
Es handelt sich hier um eine um 1800 populäre Melodie, die nicht nur zu anderen Texten gesungen wurde, sondern auch als Variationsthema in eine Klavierkomposition Eingang fand, die unter Mozarts Namen herausgegeben und fälschlicherweise ihm zugeschrieben wurde, deren Schöpfer jedoch Mozarts Schüler und Freund Anton Eberl (1765–1807) ist.373 Der Gesang, auf den Eberl zurückgreift, findet sich in der 1789 in Breslau uraufgeführten Oper „Der Schiffspatron“ des österreichischen Komponisten Carl Ditters von Dittersdorf nach einem Libretto von Johann Friedrich Jünger. Die Oper wurde mehrmals an den größeren Theatern im deutschsprachigen Raum aufgeführt. Handschriftliches Aufführungsmaterial gibt es unter anderem auch in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. In der Erstfassung der zweiaktigen komischen Oper findet sich die Tenorarie mit einer Strophe (der bei Nayer ersten Strophe) am Beginn des ersten Finales. Eine spätere Neufassung von 1793 („Der Schiffspatron oder der neue Gutsherr“) bringt dieselbe Musik, jedoch mit einem anderen Text („Steige Freundin sanfter Lieder“). Die Niederschrift des Gesanges mit fünf Strophen bei Nayer zeigt deutlich Spuren von mündlicher Überlieferung, sie bringt kleinere melodische und rhythmische Abweichungen vom Original. Eine weitere Niederschrift in einer anonymen Sammlung von 1810, die sich in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien befindet (HS. 3051), lässt vermuten, dass dieses Theaterlied auch unabhängig von der Oper in einer Fassung für Gesang und Klavier verbreitet gewesen war. Ist es älter als die Oper? Eine große Ähnlichkeit zeigt eine anonyme Melodie in der Musikantenhandschrift Joseph Meusburger. Überraschenderweise lautet der Titel hier: „Langsam Salve regina“. Da der für den liturgischen Gebrauch verfasste Teil der Handschrift noch nicht untersucht wurde, erwarten die künftigen Forscher noch spannende Recherchen. Handelt es sich um eine Kontrafaktur? Gibt es noch weitere Parallelen zu Liedern mit anderen Melodien? 374 373 Eberls op. 6. Eine gedruckte Ausgabe der „Variationen für Klavier über ‚Freundin sanfter Herzenstriebe‘ aus Dittersdorfs Oper ‚Der Gutsherr‘ von Anton Eberl“ liegt in Salzburg: Bibliotheca Mozartiana der internationalen Stiftung Mozarteum, [1. Abt. Klaviersachen], 6 ([1811]) XIV. Différentes Piéces pour le Pianoforte / par W. A. Mozart [Breitkopf & Härtel, Leipzig 1811], digital: URL: https://mozarteum.at/mozartiana-digital/ (Zugriff: 5. 1. 2022). 374 Die Tänze dieser Handschrift werden im vorliegenden Buch als Faksimile wiedergegeben. Der liturgische Teil wurde nicht berücksichtigt, da ein Schwerpunkt auf die profane Musikkultur gesetzt werden sollte.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 96: Salve Regina, aus der Musikantenhandschrift Meusburger, um 1820
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 8–9. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 5 (Abschrift 1962). MHS 001, Musikantenhandschrift Joseph Meusburger, um 1820 (Melodievariante).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no. 600258724 (Lied für Gesang und Klavier, in einer anonymen Handschrift, Österreichische Nationalbibliothek Mus. Hs. 3051.); G ottwald 2000, S. 142–143; B eitl 1964, S. 67.
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N6
Mittelmässig Langsam
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[1.] Ich bleib dir ewig treu verpflicht Du bist mein Leben Schatz und Licht, Sodas[s] kein Leiden noch Gefahr Mich von dir trennen kann, Ein andrer liebe[,] was er will, Ich liebe dich und schweige still, Nur du allein[,] du sollst es seyn Die ich von Herzen mein.
[2.] Bist du mein allerschönstes Kind, Auf gleiche Weis mit mir gesinnt So schwere [=schwöre] bey der Sternen Zahl Mir ewig treu zu sein. Verachte nicht Beständigkeit, Erwart der angenehmen Zeit Die Rosen bringt, den Neid bezwingt und da mein Herze kennt.
[3.] Trotz dem der unsern Vorsatz wehrt, Und uns in unserer Liebe stört Der wisse nun, das[s] seyn bemühn Nichts und vergeblich sey Ich achte auch kein falsches Aug Und scheue weder Kampf noch […] Wer Tugend liebt bleibt unbetrübt Und unbeweglich stehn. Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Dichter und Komponist konnten bislang nicht eruiert werden, ebenso wenig weitere Quellenbelege. Die Melodie ähnelt am Beginn bekannten Liedern des frühen 19. Jahrhunderts, wie „Ein Schäfermädchen weidete“. Größere Ähnlichkeiten weist es mit dem Studentenlied „Les Adieux de l’ ètudiant“ (Liedanfang: Le temps n’ est plus de la folie) auf, das der Schweizer Ethnomusikologe und Geistliche Joseph Bovet (1879–1951) aus Freiburg/CH für Männerchor bearbeitete und das in Schweizer Studentenliederbüchern publiziert wurde. Bovet, der unter anderem in Einsiedeln und Seckau/Steiermark studiert hatte, griff dabei, wie bei vielen seiner Kompositionen, auf eine ihm bekannte ältere Volksweise zurück.375 Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 10–11. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 6 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 68.
375 Vgl. dazu auch: RISM ID no. 403003956. Eine Aufzeichnung des Liedes findet sich in einer Sammelhandschrift des Klosters Einsiedeln. Informationen zu diesem Werk wie auch zur Biografie von Bovet und eine Abbildung des Autografs finden sich auf einer Seite der Bibliothequé cantonale et universitaire Fribourg, URL: http://www2.fr.ch/bcu_bovet/info01_g (Zugriff: 9. 5. 2020).
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N7
Gefühle von seiner Liebsten
Abb. 97: Handschrift Nayer
[1.] Nanchen, Nanchen o wie schön Waren unsre Hoffnungen Denkst du noch der süs[s]en Zeiten Der getreumten [= geträumten] Ewigkeiten Nanchen, Nanchen o wie schön Waren unsre Hoffnungen.
[3.] Erste Liebe war es dir, Fest uns fes[s]elte und nie Welkt die Blume erste Liebe Hängt sie gleich die Blattlein trübe, Erste Liebe sagt man sie Welket ewig ewig nie.
[2.] Aber ach wie morgen Traum Frühe wir versahens kaum Flohen sie mit unsrem Glü[c]ke Kehren nimmermehr zurü[c]ke. Ach sie flohen wie Morgen Traum, Frühe wir versahens kaum.
[4.] In dem Herzen gut und rein Zieht sie tiefe Wurzeln ein, Ungewitter schlägt sie nieder Morgen schiebt sie Blättlein wieder Denn im Herzen gut und rein Zieht sie tiefe Wurzeln ein.
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[5.] Engel gutes Nanchen sieh Welken welken kann sie nie, Gottes Blumen erste Liebe Hängt sie gleich die Blättlein trübe Welken welken kann sie nie, Auch in Stürmen duftet sie.
[6.] Doch was wird daß Blümchen sein Ohn der Hoffnung Sonnenschein Wenn er gar zu strenge stürmet Leiden sich auf Leiden türmet Ach was wird daß Blümchen sein Ohn die Hoffnung Sonnenschein.
[7.] Sieh es starrt und neigt sein Haupt Seiner Bladhen [=Blättchen] Glück beraubt, Wehlt [= wählt] sich Farbe[,] wehlt [= wählt] sich Größe Einer trauernden Zipreße [=Zypresse], Lebt noch aber neigt sein Haupt Seiner Blät[t]chen Glück beraubt. [8.] Steh[t] als Blümchen dann aufs Grab Einsam schweig[t`s] und schauts hinab Wo ein lang gequelltes [gequältes] Herze Frey von Leiden frey von Schmerze Schlum[m]ert! ach da schauts hinab Treufellt [= träufelt] süße[n] Tau aufs Grab. Text: M[arquard] von Syrgenstein (1768–1812) Musik: Joseph Anton Fehr (1765–1807)
Der Textdichter stammt aus dem adeligen Geschlecht der Herren von Syrgenstein. Reichsfreiherr Marquard von Syrgenstein wurde in Altenburg bei Dillingen geboren, verbrachte aber seine letzten Lebensjahre im Allgäu, in Kempten, wo er auch verstarb.376 Liedschöpfer ist der in Grönenbach geborene und in Kempten wirkende Geistliche und Vizekapellmeister Anton Fehr. 1803 wurde dieser zum Schulinspektor in Schwaben ernannt. Er dürfte in der Region weithin bekannt gewesen sein, wurden doch mehrere seiner Lieder und Tänze 1797/98 auch bei Brentano in Bregenz gedruckt.377 Drei Gesänge von Joseph Anton Fehr aus dem in Kempten 1796 erschienenen Zyklus „XII Lieder / Fürs Klavier gesetzt“ finden sich in der Handschrift Nayer (N 7, N 9 und N 11).
376 Zur Biografie siehe den Artikel der Bayerischen Staatsbibliothek zu Marquard von Syrgenstein, digital im Literatur Portal Bayern. URL: https://www.literaturportal-bayern.de (Zugriff: 6. 1. 2022). 377 Zur Biografie Fehrs siehe Berthold B üchele (2015): Fehr, Joseph Anton und Franz Josef – Komponisten aus der Region (2015); digital als pdf. im Oberschwaben-Portal der Gesellschaft Oberschwaben und Pädagogischen Hochschule Weingarten, Fachgebiet Musik: URL: www.oberschwaben-portal.de (Zugriff: 5.1.2022).
216
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 98 und 99: Joseph Anton Fehr, 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen, Mk90, F-1
217
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 12–13. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 7 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Joseph Anton Fehr , 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen Mk90, digital: URL: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Mk90_F01 (Zugriff: 5.1.2022); RISM: ID no. 450302875; B eitl 1964, S. 68.
N8
Die Mutter bey der Wiege
Abb. 100: Handschrift Nayer
[1.] Schlaf süs[s]er Knabe süs[s] und mild,
[2.] Mich dünkt es selbst[,] sie ist zu klein, Doch muß es seine Nase sein, Denn wen[n]s nicht seine Nase wär Wo hät[t]st du denn die Nase her, Schlaf Knabe[,] was dein Vater spricht Spricht er wohl nur im Scherz Und habe seine Nase nicht Und habe nur sein Herz.
Du deines Vaters Ebenbild, Das bist du[,] zwar dein Vater spricht, Du habest seine Nase nicht, Und ebenjetzo war er hier, Und sah mir ins Gesicht und sprach Viel hat er zwar von mir Doch meine Nase nicht.
Text: Matthias Claudius (1740–1815) Musik: Komponist unbekannt
218
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
1774 wurde das Gedicht „Die Mutter bei der Wiege“ von Matthias Claudius in seinem „Wandsbecker Bothen“ gedruckt und in Folge bald mehrmals vertont, unter anderem von Joseph Martin Kraus (1756–1792), Johann Friedrich Reichardt (1752–1814) oder Johann Abraham Peter Schulz (1747– 1800). Die vorliegende Melodie gehört nicht zu den bekannten Kompositionen, sie konnte bislang nicht identifiziert werden. In der Handschrift Nayer bricht die Niederschrift des Liedes im zwölften Takt ab, die Schlussverse auf der Rückseite wurden unter die leere Notenzeile geschrieben. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 14–15. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 8 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: ASMUS omnia sua secum porta oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen. Erster und zweiter Teil, Wandsbeck 1774, S. 42 (Text); F ink 1843 (Melodie von Schulz), S. 198, Nr. 186; F riedlaender 1902/1962, II, S. 245, H offmann /P rahl S. 211 (Nr. 995); B eitl 1964, S. 68.
N9
Frühlings Lied eines Greisen
[1.] Hier in diesem Paradiese Find ich bald ach bald mein Grab, Alt bin ich und meine Füs[s]e Stützt schon dieser Dornenstab, Aus der schönen Welt zu scheiden Guter Gott[,] daß fällt mir schwer Zwar erlebt ich manche Leiden Aber doch der Freuden mehr.
[2.] Athme deine Balsam Düfte Mir zum letzten Mahl Natur Spielt ihr sanften Frühlingslüfte Mit den Silberlocken nur. Bald werd ich die grünen Heine [=Haine] Und die Hecken nicht mehr sehn Got[t] vergieb mir[,] wenn ich weine Denn die Welt ist gar so schön.
219
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[3.] Nachtigallen im Gestrauche Lerchen in der blauen Luft Singt nur singt nur halben Leiche Todten Lieder in die Gruft Doch ich schlafe deine Güte Ists[,] du guter Frühling du De[c]ket mich mit Apfel Blüthe In dem sanften Schlummer zu. Text: Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791) Musik: Joseph Anton Fehr (1765–1807)
Daniel Christian Schubart wirkte viele Jahre in Württemberg (Geislingen, Augsburg, Ludwigsburg). Der hier vorliegende Text erschien 1787 in Schubarts „Sämtliche Gedichte“, Band 2. Komponist ist der Geistliche Joseph Anton Fehr aus dem Unterallgäu. Wie bereits N 7 („Nannchen, Nannchen, o wie schön“) wurde auch dieser Gesang im Zyklus „XII Lieder / Fürs Klavier gesetzt“ 1796 in Kempten publiziert.
Abb. 101: Joseph Anton Fehr, 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen Mk90
Das Lied findet sich später ohne Melodie – sie wurde wohl als bekannt vorausgesetzt – in verschiedenen Liederbüchern, so auch in dem im Jahre 1807 im königlich-baierischen deutschen SchulbücherHauptverlag am Rindermarkt in München gedruckten Büchlein „Lieder zur Erbauung und Ermunterung für Schulkinder und Erwachsene“ unter den „ermunternden Liedern“. Vom Lied gibt es zudem weitere Abschriften in anderen Archiven.378
378 Siehe RISM: ID no.: 550402946: Anonyme Liedersammlung mit Begleitung des Pianoforte, 1824.
220
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 16–17. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 9 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Christian Friedrich Daniel Schubarts / sämtliche / Gedichte. Von ihm selbst herausgegeben. / Zweiter Band. / Frankfurt am Mayn in der Hermannischen Buchhandlung, 1787, S. 258–259; Joseph Anton Fehr, 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen Mk90, digital: URL: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Mk90_F01 (Zugriff: 6. 1. 2022); Lieder zur Erbauung und Ermunterung für Schulkinder und Erwachsene, gesammelt von dem Verfasser der Indersdorfer Schulgeschichte, München 1807, S. 171; B eitl 1964, S. 67.
N 10
Die Reitze des Frühlings
Abb. 102: Handschrift Nayer
[1.] Alles liebt und pa[a]rt sich wieder Liebend köm[m]t der May hernieder Und umarmt die junge Flur, Mild ertheilt er seine Triebe Mit der Zauberkraft der Liebe Jedem Wesen der Natur:
[2.] Im Gewand der frohen Jugend Ausgeschmückt mit Reiz und Tugend Geht das Mädchen sanft daher Voll des Jünglings Lieb empfindent Unterliegend überwindent Liebt und wird geliebt wie er.
221
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[4.] Jedes Blümchen in der Aue Glänzt in eines andern Thaue Liebend blicken sie sich an Jedes Knöpfchen wird ein Ga[t]te Jedes Gräschen auf der Mat[t]e Schließt sich an ein andres an.
[3.] Auf der Flur und in der Heine [Haine] Hüpft kein Vogel mehr alleine Alles flat[t]tert pa[a]r und pa[a}r Liebend schwingen sich die Reben Um den Baum[,] den sie umgeben, Und der Baum wird ihr Altar.
[5.] Alles fühlt der Liebe Segen Lüftchen hauchen liebt entgegen Alles strahlt nach Liebes Pracht Nur ich Armer harr alleine Bis daß Mädchen[,] daß ich meine Mich mit Liebe glücklich macht. Text: Wilhelm Gottlieb Becker (1753–1813) Musik: Komponist unbekannt
Das Gedicht „Frühlingsempfindung“ des in Dessau und Dresden wirkenden Schriftstellers Gottlieb Becker wurde erstmals 1782 gedruckt und erschien in verbesserter Fassung in Beckers „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ des Jahres 1801. In der Folge wurde es mehrmals vertont. Eine Variante wurde 1819 für die Sonnleithner-Sammlung in Niederösterreich aufgezeichnet.379 Der Schöpfer der vorliegenden Melodie ist unbekannt. Zudem ist nur eine Notenzeile niedergeschrieben, der Rest fehlt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 18–19. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 10 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: C hristen 1825, S. 1–2 (Text); C hristen 1828, S. 409–410 (Text mit Melodieverweis: Brüder auf, die Freude winket); S amans 1850, S. 295 (Nr. 77); B eitl 1964, S. 66; F ink 1856, S. 59, Nr. 890; B öhme 1895, S. 294, Nr. 381; F riedlaender 1902/1962, II, S. 420; H offmann /P rahl 1966, S. 10; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
N 11
[ohne Titel]
379 Eine Abschrift von Raimund Zoder befindet sich im Archiv des Österreichischen Volksliedwerks (VII/4, 93/4).
222
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[1.] Ein Pilger Mädel jung und schön,
wal[l]t auf ein Kloster zu, sie zog das Glöglein an dem Thor, ein Bruder Graurock trat hervor, halb barfus[s] ohne Schuh.
[11.] O nein Ehrwürdiger o nein Verdam[m]e nicht mein Leid Denn meines Herzens Lust war er So lebt und liebt kein Jüngling mehr Auf Erden weit und breit.
[2.] Sie sprach gelobt sey Jesus Christ In Ewigkeit[,] sprach er Gar wunderselltsam in [= ihm] geschah Und als er ihr ins[] Auge sah, Da schlug sein Herz noch mehr.
[12.] So seh ich ihn nun nimmermehr O weh nun nimmermehr Nein, nein ihn birgt ein düsters Grab Es regnet drauf und schneit hinab Und Gras weht drüber her.
[3.] Die Pilgerin mit leisem Thon, Voll holder Schüchternheit Ehrwürdiger o meldet mir, Weilt nicht mein Herzgeliebter hier In Klostereinsamkeit.
[13.] Drum laß mich weinen immerdar. Und seufzen Tag und Nacht Bis mein verweintes Auge bricht Und lechzend meine Zunge spricht Gottlob es ist vollbracht.
[4.] Kind Gottes wie sollt kindlich mir, Mein herzgeliebter seyn Ach an dem grobsten harnen Rock, An Geisel [= Geissel] Gurt und Weidenstock Die seinen Leib kastein.
[14.] Gedult Kind Gottes weine nicht O seufze desto mehr Kein Thau kein Regentrank erquickt Ein Feilchen [= Veilchen] so du abgepflückt Es welkt und blüht nicht mehr.
[5.] Noch mehr an Wuchs und Angesicht Wie Morgenroth im May An goldnen Ringel Locken Haar Am Himmel blauen Augen Paar So freundlich lieb und treu.
[15.] Husch[t] doch die Freud auf Flügeln schnell Wie Schwalben vor uns hin. Waß halten wir das Leid so fest Daß schwer wie Blei daß Herze preßt Laß fahren hin[,] laß hin.
[6.] Kind Gottes o wie längst dahin Längst todt und tief verscharrt Daß Gräßchen säuselt drüber her Ein Stein von Marmor drückt ihn schwer Längst todt und tief verscharrt.
[16.] O nein Ehrwürdiger o nein! Gieb meinem Gram kein Ziel Und litt ich um den lieben Mann Waß nur ein Mädchen leiden kann Nie litt ich doch so viel.
[7.]
[17.] Wo sein [seid] ihr Augen blau und klar Ihr Wangen rosenroth Ihr Lippen süs[s] wie nelken duft, Und alles lodert in der Gruft Und mich verzehrt die Noth.
Sieh dorten immergrün verhüllt Daß Zellen Fenster nicht Da wohnt und weinte er unverkan [= und verkam] Durch eines Mädchenschuld vor Gram Verlöschend wie ein Licht.
[8.] Sechs Junggesellen Schlank und fein Bey trauer Sang und Klang Sie trugen seine Bahr ans Grab Und manche Zehre [=Zähre] ran[n] hinab In dem sein Sarg versank.
[18.] Kind Gottes härme so dich nicht Und denk wie Männer sind Den meisten wehts aus einer Brust Bald heis[s,] bald kalt[,] sie sind zur Lust Und Unlust gleich geschwind.
[9.] O weh [..] so bist du hin Bist todt und tief verscharrt Nun brich o Herz die Schuld war dein Und wirst du wie ein Marmorstein Werst [wärst] dennoch nicht zu hart.
[19.] Wer weis[s] trotz deiner Treu und Huld Hat ihn sein Loos gereut Dein Liebster war ein Junges Bluth Und Junges Bluth hegt Wankelmuth Wie die Aprillen Zeit!
[10.] Gedult Kind Gottes[,] weine nicht
[20.] Ach nein Ehrwürdiger ach nein, Sprich dieses Wort nicht mehr. Mein Trauter war so lieb und Hold War lauter ächt und treu wie Gold Und aller Falschheit leer.
Nun bette desto mehr Vergebner Gram zerspallt das Herz Daß Augen Licht vergeht vor Schmerz Drum weine nicht so sehr.
223
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[21.] Ach ist es wahr das[s] ihn das Grab [25.] Im dunkeln Rachen hällt [=hält] So sag ich meiner Heimat ab Und setze meinen Pilgerstab Fort durch die weite Welt.
Heida feins Liebchen nun kehr um Bleib hier und tröste dich. Feins Liebchen schau mir ins Gesicht Kennst du den Bruder Graurock nicht Dein Liebster ach bin ich.
[22.] Erst aber will ich hin zur Gruft [26.] Da will ich nieder kniehn. Da soll von Seufzer Hauch und Kuß Und meinen tausend thränen Guß Daß Gräßchen frischer blühn.
Aus hof[f]nungslosem Liebesschmerz Erkies [= erkor] ich dieses Gewand. Bald hät[t] ich Kloster Einsamkeit Mein Leben und mein Herzenleid Ein hoher Schwur verbannt
[23.] Kind Gottes kehr allhier erst ein [27.] Daß Ruch [=Ruh] und Rast dich pflegt. Horch wie der Sturm die Fahne treibt Und kalter Schlossen Regen380 willt [=wild)] An Dach und Fenster schlägt.
Doch Gott sey Dank mein Probe Jahr Ist noch nicht ganz herum. Feins Liebchen hast du wahr bekannt Und gabst du mir wohl gern die Hand So kehr ich wieder um
[24.] O nein Ehrwürdiger o nein [28.] Halte mich nicht ab Mag sein[,] daß Regen mich befällt West [= wäscht] Regen durch die ganze Welt Doch meine Schuld nicht ab.
Gottlob Got[t]l[o]b nun fahre hin Auf ewig Gram und Noth Willkommen o willkommen Lust. Vom Herzensjung an meine Brust Nun scheid uns nichts als Tod Text: Gottfried August Bürger (1748–1794) Musik: Joseph Anton Fehr (1765–1807)
Publiziert wurde Gottfried August Bürgers populärer Text, der von einer unglücklichen Liebe erzählt, unter dem Titel „Der Bruder Graurock und die Pilgerin“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 1780 wurde er vom Komponisten und Musikverleger Johann André (1741–1799) vertont. Einige Jahre später kam die vorliegende Vertonung zum Druck. Der Komponist ist wie bei N 7 und N 9 Joseph Anton Fehr, der es in seinen Druck von „Zwölf Lieder fürs Klavier“ von 1796 als zwölftes und somit letztes Lied aufnahm.
380 Nach Grimm bedeutet „Schloss“ Hagel. Siehe: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, https://www.woerterbuchnetz.de/ DWB (Zugriff: 15.1.2022).
224
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 103: Joseph Anton Fehr, 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen Mk90
Bürgers Text, vielleicht auch das Lied, dürfte sehr populär gewesen sein, 1820 fasst der aus Dornbirn gebürtige Maler Joseph Anton Rhomberg (1786–1853) das Sujet in ein Gemälde.
Abb. 104: Joseph Anton Rhomberg (1786–1853), Bruder Graurock und die Pilgerin, 1820 Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München
225
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 20–24. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 11 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Joseph Anton F ehr , 12 Lieder für Klavier gesetzt, Kempten 1796, Universitätsbibliothek Tübingen Mk90, digital: URL: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/Mk90_F01 (Zugriff: 6. 1. 2020); E rlach 1835, 5, S. 553–554 (Text); F riedlaender 1902/1962, I, S. 218 (Melodie von Johann André); B eitl 1964, S. 66–67; H offmann /P rahl 1966, S. 71; M eier 1906/1976, S. 13, Nr. 78.
N 12
Nach der Melodie: Gute Nacht unser Taglauf ...
[1.] Gute Nacht ! Du Geschöpf für mich gemacht. Theuerstes auf dem Erdenrunde Mir zum wohnevollen [= wonnevollem] Bunde Vom Allerbesten gemacht. Gute Nacht. [2.] Froh ist unser Tag vollbracht. Auch die Nacht wird frö[h]lich enden Träume[,] die uns Engel senden Kürzen uns die längste Nacht.
[5.] Schon der Sonne goldne Pracht Unter tausend liechten Zeugen Geb ich dir mein Herz zu eigen, Küß ich dir die gute Nacht. [6.] Wär auch dies die letzte Nacht. Doch dörft ich den Kuß dir geben Unser Lieben unser Leben Ward in Unschuld hingebracht. [7.] Durch des Todes finstre Nacht Führt ein Tag zu jenen Sternen Wo wir Lieb um Liebe lernen Die für dich auch dort gemacht. Gute Nacht.
[3.] Was den Tag uns froh gemacht Wird uns den [dann] im Traum erscheinen Bis in Liechter vollen Heinen [= Hainen] Neu daß Morgen roth erwacht. [4.] Der die Welt so schön gemacht Der die Saat des Himmels sääte Schützt uns bis die Morgenröthe Neu und rosigt uns macht.
Text: Dichter unbekannt Musik: keine Melodie beigegeben (Verweis: nach der Melodie von „Gute Nacht, unser Taglauf ist vollbracht“ = N 4)
Der Text wurde in einer literarischen Zeitung, im „Göttinger Musen Almanach“ des Jahres 1793, als „Gegenstück zu Schubarts guter Nacht“ gedruckt. Vom Autor ist nur das Kürzel „Xz“ bekannt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 2. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 12 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Musenalmanach 1793. Göttingen bei J. C. Dietrich, S. 46–48, digital: URL: http:// www.gottfried-august-buergermolmerswende.de/musenalmanach_1793.pdf (Zugriff: 16. 1. 2022); B eitl 1964, S. 67; F riedlaender 1902/1962, II, S. 3; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
N 13
[ohne Titel]
Abb. 105: Singstimme zum Lied „Als neulich Junker Martin starb“. Handschrift Nayer
[1.] Als neulich Junker Martin starb, Ich weine wan[n] ich sag, War alles in den ganzen Dorf Für Martin in der Klag, Die Gloggen klimpften traurig dort, Den hohen Turm hinan, Die Todtenliechter wachen Hier und dort das Todten[land?]]
[3.] Und als man auf den Kirchhof kam Hie [= hub] man ihn aus der Bahr Woran ein schwarzer Todtenkrantz Ein Krantz und Wachskreuz war. Kaum war er in das Grab gelegt O Gott so sach [= sah] ich i[h]n Lief mit dem bleichen Angesicht Carline her und schrie.
[2.] Man kam mir mit der Leichen Bahr Aus seinem Haus hervor Den Knaben[,] den ihn tragen flog Am Hut ein schwarzer Flor Die Mädchen giengen alle schwarz Und weinten in ihr Tuch Nächst an der Bahr sang Wendelin Aus seinem Lieder Buch.
[4.] O Martin, Martin laß mich mit Ich hab ja bey dir Ort Ich schwur die ewig meine Treu Im Buchen Wäldchen dort O ohne dich kann ich nicht seyn Mit dir stirbt alles ab Du warst mein Schatz, nun steige ich Mit dir ins Grab hinab.
227
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[5.] Da nahm sie ihren Todtenkrantz Den sie sich machen ließ Sie küs[s]te i[h]n, sie netzte i[h]n Mit warmen trenen Gus [Tränenguss] Sie warfen i[h]n ins Grab hinab Und bleich war ihre Farb Sie seufzt und ran [?] an Dottenbahr [= Totenbahre] An Dodtenbahr, und starb.
[6.] Man schar[r]te sie zum Martin ein Den sie so hat geliebt Wer immer auf dem Kirchhoff stand War durch dies se[h]n betrübt. Man machte an dies Todtenkreutz Zwei Teubchen [= Täubchen] hin und schrieb […] sonst trennt stets der Tod Hier hatte er die Lieb Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Bei diesem Lied wurde auf eine Transkription verzichtet, da die Melodie über weite Strecken einen sehr zersungenen Eindruck hinterlässt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 26. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 13 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 66.
N 14
Die Grasmu[c]ken / Recht langsam
Abb. 106: Singstimme zum Lied „Grasmucken“. Handschrift Nayer
228
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[1.] Ach Schwester, die du sicher Auf deinen Ästen wiegst Mit deinemGat[t]en scherzend Von Zweig auf Zweige fliegst, Hör an mein Leidgeschichte Und fliege weit von hier, Nimm deinen M[a]n[n] und Kinder Und was du liebst mit dir.
[4.] Es fiel und sah noch zärtlich Im Fall auf mich zurück Dan[n] fiels von Zweig auf Zweige Herab mein sta[r]er Blick Blieb fest an i[h]n geheftet Bis der langsame Schmerz Des Todes durch gewütet […] klopfen[d] kleines Herz.
[2.] Der schönste Abend lachte Herab auf die Natur. Und alles schwieg und Zevier [= Zephir] Durchseüsellte [durchsäuselte] die Flur. Ich lag im N est und de[c]kte Mit unschuldvoller Ruh Mit mütterlichen Flügel Die nackten Jungen zu.
[5.] Es war wie es mir sagte Nur erst drey Fruhling alt Jetzt liegt es schon im Grabe Erblassen und erkallt [=erkaltet]. Mit ihm hab ich fünf Kinder Das jüngste ist noch blind Wohin soll ich jetzt fliegen Daß ich nun Nahrung find.
[3.] Mein Man[n]chen saß darneben Auf einem Zweig und sang. Sein Abendlied[,] daß reizend Durch alle Gipfel drang Als plötzlich unterm Baume Ein Flinten Schus[s] geschah Und ich mein liebes Män[n]chen Vom Bley getroffen sah.
[6.] Ih[r] Menschen o Barbaren Ihr Mörder daß seid ihr Was tad [=tat] denn euch zu leide, Daß kleine gute Thier Mit ihm stirbt meine Hoffnung, Ich Ermste [=Ärmste] viel betrübt Nach Westindien fliegen, Wo es kein Menschen gibt. Text und Musik: Johann Paul Sattler (1747–1804)
Der um 1770 erstmals publizierte Text des Nürnberger Journalisten und Lehrers Johann Paul Sattler wurde bald vertont und war bereits zehn Jahre später zum „Gassenhauer“ geworden, ein Lied, dass auf „allen Straßen und Gassen des heiligen Römischen Reiches geleyert, gepfiffen, gegeigt, geblasen und gesungen wird“ (Almanach für Dichter und schöne Geister, 1785), auch am Bodensee. 1782 wurde der Text in Lindau publiziert. 1819 kam das Lied aus Wiener Neustadt/NÖ zur Sonnleithner-Sammlung, allerdings mit einer anderen Melodie (Abschrift von Raimund Zoder im Archiv des ÖVLW, 92/7). Für österreichweite Verbreitung sorgten Flugschriften, die unter anderem seit 1805 vom Wiener Kupferstichhändler Ignaz Eder „am Thury in der Flecksiedlergasse Nr. 76 zum guten Hirten“ gedruckt wurden. Doch auch die Tradition in Vorarlberg war weitreichend. 1841 wurde „Ach Schwester“ noch im Bregenzerwald gesungen, leider wurde nur der Text ohne Melodie niedergeschrieben, so fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Die Melodieaufzeichnung bei Nayer ist unklar und entspricht nicht den bislang bekannten Aufzeichnungen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 28–29. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 14 (Abschrift 1962). LHS 003, Liederbuch Jodok Seelenmayer, Egg 1841, S. 79 (Nr. 16).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Intelligenzblatt der Reichstadt Lindau Jg. 1, Nr. 6 (10. August 1782, Text); Almanach für Dichter und schöne Geister. Auf das Jahr / 1785. / […]. Gedruckt am Fuß des Parnasses. [Augsburg: Klett], S. 103; Zwey schöne neue Weltliche Lieder. Das Erste. Ach Schwester! Die du sicher. Das Zweyte. Der lustige Grenadier-Marsch. Wien 1805. Zu finden bey Ignaz Eder […]; B eitl 1964, S. 65; B öhme 1895, S. 121ff. Nr. 144; F riedlaender 1902/1962, II, 143; H offmann /P rahl 1966, S. 6, Nr. 19; M eier 1906/1976, S. 3, Nr. 12; D eutsch /H ofer , 1969, S. 104, S. 113; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
N 15
Über die Grasmücken
[1.] Mein Sinn ist mir so trübe, Daß Herz schlägt mir so bang Ach Gott ich bin vor Liebe, So math [= matt], so Dotenkrank [=totenkrank] Ein loses Zauberfädchen Umschlingt mich armen Mann Dies hat mir süs[s]es Mädchen Dein schwarzes Aug gethan.
[2.] Ach seit ich dich gesehen Ist mir mein Herz so voll. Fühl ich so süs[s]e Wehen Und nirgend ist mir wohl. Und Gram und Schwermuth färben So blas[s] mein Angesicht Lieb Liebchen laß mich sterben Ach liebst du mich doch nicht.
[3.] Nur eine holde Mine [= Miene] Ein Händedruck von dir Lieb reizende Nadiene Und alles gibst du mir Nur einer deiner Küs[s]e Von deinem Rosen Mund So inniglich so süß O dann bin ich gesund. Text: Dichter unbekannt Musik: keine Melodie beigegeben, Vermerk am Rande: Melodie von Grasmücken!
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 30. M 102/I/Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 15 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 68.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[ohne Titel]
N 16
Abb. 107: Melodie und Strophen zum Lied „Süsse heilige Natur“. Handschrift Nayer
[1.]
Süsse heilige Natur Leite mich auf deiner Spur Führe mich an deiner Hand Wie das Kind am Gängelband.
[4.]
Wenn ich dann gestorben bin, Schreibt sie auf mein Grabstein hin Er starb vor lauter Liebes Pein, Dieses soll mein Grabmahl [= Grabmal] sein.
[2.]
Göt[t]er gön[n]et mir die Freud, Das mein Mädchen treu verbleibt Den[n] die Reize der Natur Hät[t] allein mein Mädchen nur.
[5.]
Ach wie wohl ist mir bey dir, Will dich lieben für und für Leite mich an deiner Spur Süs[s]e heilige Natur.
[3.]
Wenn ich dan[n] ermattet bin, Sink ich an mein Mädchen hin Athme dan[n] mit stiller Lust An des Mädchens weis[s]er Brust.
Text: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–l819) Musik: Komponist unbekannt
231
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Stolbergs Gedicht „An die Natur“ wurde 1775 auf seiner Schweizerreise gedichtet und noch im selben Jahr in Schubarts „Deutscher Chronik“ veröffentlicht. Als Komponisten werden in der Literatur Johann Friedrich Reichardt, Johann Adam Hiller, Johann Abraham Peter Schulz, Franz Christian Naubauer, Johann André, Friedrich Schneider, Hans Georg Nägeli und Franz Schubert genannt. Die flüchtige Niederschrift der unbekannten Melodie in Nayers Gesangsbuch ist weitgehend verworren. Obwohl im Alla-breve-Takt notiert, entsprechen die Taktstriche nicht dieser Vorgabe, sie wurden nachträglich eingefügt und ergeben einen 2/4-Takt. Eine schriftliche Vorlage kann daher ausgeschlossen werden. Wie aus dem folgenden Lied (ohne Melodie) ersichtlich, wurden zuerst die Notenzeilen gezeichnet, anschließend der Text eingefügt, dann erst folgte die Melodie. Es ist nicht auszuschließen, dass Nayer oder ein weiterer Schreiber selbst deren Schöpfer ist. Der Volksliedarchivar Josef Bitsche nahm eine Korrektur vor, die rhythmisch ebenfalls nicht mit dem Text harmoniert. Die Melodie entspricht weder Samans Gitarrenschule noch der Niederschrift in der Handschrift der Rosalia Clessin381 aus Feldkirch (Schneider/Bösch-Niederer 1997) oder der einige Jahre älteren Aufzeichnung in der Bregenzer Handschrift von Franziska Steinle. (Ste 6 im vorliegenden Buch). Belege in Vorarlberger Bibliotheken und Archiven: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 31. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 16 (Abschrift 1962). Nachlass Schwärzler, Lieder-Sammlung Steinle, (hier im Buch St 6) (andere Melodie). M 33/Ia Feldkirch, Liederhandschrift Clessin, Nr. 8 (Abschrift, andere Melodie). STBF, Nachlass Frick/Schmutzer, Georg Wichtl, Theoretisch-practische Anleitung zum gemeinschaftlichen Gesangsunterrichte, Stuttgart 1843, Nr. 9 (andere Melodie). DVA, LHS 112, Liederhandschrift Clessin, fol. 5r–v (Melodievariante).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: C hristen 1828, S. 447 (Text ohne Melodieverweis); Erlach 1835, Bd. 5, S. 138 (Text mit Komponistenverweisen); E rk /G reef 1841, S. 19, Nr. 26 (Melodie von Schulz); Beitl 1964, S. 69; F riedlaender 1902/1962, II, S. 235, S. 558; H offmann /P rahl 1966, S. 229; S amans 1850 Nr. 5; S chneider -B ösch -N iederer 1997, S. 60–62; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
N 17
[ohne Titel]
[1.] Ach Gott mein Mädchen ist so schön So tugendsam ihr Wesen, Habt ihr die Unschuld nie gesehen, Aus ihr könnt ihr sie lesen.
[4.] Allein o Mädchen, Gott erbarm, Dein Liebster darfst nicht freyn Denn bald wird ihn des Bischofs Arm Zum Priesterstande weihn.
[2.] Zwei Augen schwarz wie Kirschen Paar, Zwey Wangen Milk [=Milch] und Röthe Ihr Busen voll und blonde Haar Ihr Stimmchen sanft wie Flöte.
[5.] Nun wenn ich dann zu Gott hinan Mein Herz und Mund erhebe So beth ich daß er einen Man[n] So gut wie du mir gebe.
[3.] Und wenn sie küs[s]t wie wunderbar Dann zit[t]ert Herz und Lippe Dan[n] mein ich gar die Gottheit nahm Sie mir aus meiner Rippe.
[6.] Du guter Gott bist mir so gut Daß ich mein Mädchen liebe Nicht wahr gabst du mir mein Bluth Drum gabst du mir die Triebe. Text: Dichter unbekannt Musik: keine Melodie beigegeben
381 Originalhandschrift im Zentrum für populäre Kultur und Musik, Freiburg/Breisgau, ehemals Deutsches Volksliedarchiv (DVA), LHS 112, Liederhandschrift Clessin, fol. 5r–v (Melodievariante).
232
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 32. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 17 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 65.
N 18
[ohne Titel]
Abb. 108: Melodie und Strophen zum Lied „So ein liebes, gutes Mädchen“. Handschrift Nayer
[1.] So ein liebes gutes Mädchen, War zu theile mir, Und das liebe gute Mädchen Liebt mich für und für.
[3.] Ganz stimmt sie in meine Seele, Unschuld thront aus ihr Blick ich in ihr holdes Auge O! wie wohl ist mir.
[2.] Klein, doch niedlich ist mein Mädchen, Deutsch und froh ihr Herz Und ich glücklicher, ich habe Dieses Mädchens Herz.
[4.] Nicht sind meines lieben Mädchens Worte falsch und glatt. Glücklich bin ich daß kein Städ[t]chen Sie erzogen hat.
233
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[6.] Muth von wahrer Mädchen Liebe Thätig ist ihr Herz Und mit jedem Menschenfreunde Klagt auch ihren Schmerz.
[5.] Faßt mich Trübsein bei dem Schopfe Wallt sich frisch mein Bluth Streuchelt sie mir dann die Wange Husch ists wieder gut.
[7.] Und dies liebe gute Mädchen Wurd zu theile mir Gott, wie wer[d] ich einst so glücklich Glücklich seyn mit ihr. Text: Georg Carl Claudius (1757–1815) Musik: Komponist unbekannt
1782 nahm der „Leipziger Musenalmanach“ das Gedicht „O ein gutes, gutes Mädchen wird zutheile mir“ von G. Carl Claudius auf. Noch gibt es keinen Hinweis auf weitere Vertonungen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 33. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 18 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Leipziger Musenalmanach auf das Jahr 1782, Leipzig, im Schwickertschen Verlage, S. 180–181 (Text); Beitl 1964, S. 68.
N 19
[ohne Titel]
Abb. 109: Lied „Arm und klein ist meine Hütte“ Handschrift Nayer
234
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[1.] Arm und klein ist meine Hütte, Aber Ruh und Einigkeit Wohnt in ihr auf jedem Tritte Folget die Zufriedenheit, Laß die Liebe bey uns wohnen Die uns Blumenkränze pflicht [= flicht] So beneiden wir die Kronen, Auch der größten Fürsten nicht.
[3.] Bey dem ersten Sonnenstrahle We[c]kt durch einen Kuß sie mich Sitzt bey mir am Morgenmahle Freut der schöne Himmel sich Eilet dann mit heitern Sinnen Von den Kindern rund umtanzt Und beginnt den Flachs zu spinnen Den ihr meine Hand gepflanzt.
[2.] Wenn ein Weibchen mir im Herzen Reizend wie ein Engel liegt, Bald mit Küssen, bald mit Scherzen Sich in meinen Armen wiegt Wenn die Silberquelle rauschet Vor der kleinen Hütte Thür Und der Mond uns dann belauschet Gott ach Gott wir danken dir.
[4.] Ach wie küßt sie mir so frö[h]lich An der Stirne oft den Schweis[s] Und wie ist der Mann so selig Der dies Glück zu schätzen weis[s]. Arm und klein ist meine Hütte Doch ein Sitz der Ewigkeit Gott gewähre meine Bitte Gieb mir die Zufriedenheit. Da capo Arieta Text: Christian Jakob Wagenseil (1756–1839) Musik: Komponist unbekannt
Dichter des Liedes ist der in der schwäbischen Reichsstadt Kaufbeuren geborene Christian Wagenseil, ein Jurist und Schriftsteller. 1779, während seines Aufenthaltes als Publizist in Gotha, entstand sein Schauspiel mit Gesang „Ehrlichkeit und Liebe“. Die Musik dazu steuerte der Weimarer Kapellmeister Ernst Wilhelm Wolf (1735–1792) bei. Besonderen Anklang fand die Arie „Arm und klein ist meine Hütte“. Seit den 1780er Jahren wurde der Text über Liedflugschriften verbreitet, dies setzt die Bekanntheit einer Melodie voraus. Von der Popularität zeugen auch Melodieverweise auf andere Texte. Es waren mehrere unterschiedliche Melodien in Umlauf, auch in Vorarlberg. Die Melodie bei Nayer ist nicht mit der von Wolf im Klavierauszug einer unveränderten Neuauflage von 1794 (Gräfische Buchhandlung Leipzig) publizierten identisch. Die weiteren vier Vorarlberger Belege fallen in die Zeit nach 1850, mit jeweils anderen Melodien. Aus Oberösterreich gibt es eine Einsendung für die Sonnleithner-Sammlung, die melodisch an das Lied „Guter Mond, du gehst so stille“ erinnert und, wie auch Wolfs Arie des Robert aus dem genannten Schauspiel, nicht mit Nayers Niederschrift übereinstimmt. Bei der Niederschrift im Original gibt es offensichtliche Mängel. Mit einigen Korrekturen – die Sechzehntel-Notenfolgen wurden durch Achtelnoten ersetzt – könnte die Melodie wie folgt ausgesehen haben:
235
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 34–35. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 19 (Abschrift 1962). LHS 048, Liederhandschrift Feßler, um 1850, Nr. 31 (andere Melodie). LHS 006, Liederbuch Rosa Rüscher 1851, Nr. 13 (Text). GLB 001, Liedersammlung für Jugend=Bündnisse, 3. Aufl., Regensburg 1856, S. 116 (andere Melodie). M 029/V/60 Dornbirn, Liederbuch Martin Peter, 2. H. 19. Jh. (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Ehrlichkeit und Liebe. Ein ländliches Schauspiel mit Gesang, in einem Aufzug. Die Musik ist vom Herrn Kapellmeister Wolf zu Weimar. Gotha, bey Carl Wilhelm E ttinger . 1779, S. 11–12; Arien und Gesänge in Ehrlichkeit und Liebe. Von Herrn Wagenseil. […] Kaufbeuren, gedruckt bey R eth 1781; L eyrer 1810, H.4, S. 61–63; Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich C ampe (Text); C hristen 1828, S. 401–402 (Text mit Melodieverweis: „Guter Mond, du gehst so stille“); B eitl 1964, S. 66; B achmann -G eiser 2000, S. 419; P etermayr 2006, S. 113–115.
N 20
[ohne Titel] [1.] Juche ich bin ein Biedermann Und rundum ist mein Hut Ich trink mein Reuschgen [= Räuschchen] dann und wann Daß machet frisches Bluth. [2.] So frey und froh und niemands Knecht Kein Heuchler und kein Dieb Ich drink ein Reuschgen [= Räuschchen] recht und schlecht Das ist dem Herrgott lieb! [3.] Und schwetz der Laurer hinterm Hag Nur was er will und lach Ich geh den graden Weg und frag Kein Teufel nichts darnach.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
[4.] Erhalte mir die Biederleut, auf deiner ganzen Welt, Und mit den Schurken weit und breit Mach Hergott wies dir gefällt. Text: Johann Ludwig Ambühl (1750–1800) Musik: keine Melodie beigegeben
Dieses Lied wurde aus dem Montafon für die Sonnleithner-Sammlung eingeschickt. Mehr dazu beim Lied S 18 in diesem Buch. Bei Nayer ist keine Melodie vorhanden. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 36. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 20 (Abschrift 1962). M 121/II/01 Vorarlberg: Foto (Film 2 bis 4, Bors und Müller, Wien 1958); Abschrift und Transkription durch Josef Bitsche 14. 3. 1962 (Film der Sonnleithner-Sammlung) GdMF / VI. 27473, Vorarlberg, Kreis Bregenz (hier im Buch bei der Sonnleithner-Sammlung, S 18).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: A uberlen 1784, S. 4; F üssli 1789, S. 293 (Liederwähnung); B eitl 1964, S. 68; D eutsch 1976/77, S. 1934–1939.
N 21
[ohne Titel] [1.] Ach Jüngling sey so ruchlos nicht, Und leugne die Gespenster, Ich selbst sah eins bey Mondes Licht, Aus meinem Kammerfenster, Es sas[s] auf einem Leichenstein Drum müssen ja Gespenster seyn, Ich wende nichts darwider ein Es mögen ja Gespenster seyn. [2.] Als Erich in dem Treffen blieb Das Frankreich jüngst verloren Hört Erichs Frau[,] wie sie mir schrieb, Mit ihren eignen Ohren, Um Mitternacht drey Eulen schrein, Drum müssen ja Gespenster seyn, Ich wende nichts darwieder ein Es mögen ja Gespenster seyn.
[3.] Als meiner Tochter Sohn verschied Es sind kaum 10 Jahre, Sah meine Magd[,] die trefflich sah, Des Abends eine Bahre Und oben drauf ein Todtenbein Drum müssen ja Gespenster seyn, Ich wende nichts etc. [4.] Oft weis[s] ich nicht[,] was manche Nacht In meiner Tochter Kammer Bald weint, bald träumt Bald scherzt, bald lacht, Es macht mir Angst und Jahmer [=Jammer] Ich weis[s] das Mädchen schläft darin Drum müssen ja Gespenster seyn Ich wende nichts etc.
[5.] Wenn ich in Keller gehen will, So hör ich ein Gesaus[s]e Auf einmal ist es wieder still, Ist nur mein Sohn im Hause Denk doch[,] sie saufen meinen Wein Drum müssen ja Gespenster seyn Ich wende nichts darwieder ein Nun möchte ich eine[s] von diesen seyn. Finis Text: Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) Musik: keine Melodie beigegeben (nur leere Notenzeilen)
237
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Der Text zeigt eine Variante von Lessings „Die Gespenster“, die 1771 in seinen „Sinngedichten“ erschienen ist („O Jüngling, sei so ruhlos nicht“). Klaus Beitl fand zudem eine Aufzeichnung in einer Salzburger Liederhandschrift des 18. Jahrhunderts, die im Inhalt viele Gemeinsamkeiten mit der Handschrift Nayer aufweist. Am Schluss von Nayers Gesangbuch heißt es: für mich Johann Christian Roman Mayer in […]. Dies zeugt einmal mehr vom literarischen Interesse von Nayers Onkel, eines Tschaggunser Organisten. Eine Melodie ist nicht bekannt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 37–38. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 21 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Lessings Werke Bd. 1, Donaueschingen 1822, S. 135–136; F riedlaender 1902/1962, II, S. 8; B eitl 1964, S. 65.
N 22
[ohne Titel]
[1] O höchster Gott Wie hart geschieht es mir, Mein Leid ich klage dir Und große Noth Daß ich zu meiner Buß Alleinig leben muß, Hör mich doch einmahl an, Gieb mir ein Man[n].
[3] Ein Wundermann, Antoni solle seyn In dieser harten Peyn, Ein Schutzpatron Ist aber als nicht wahr. Ich hab schon etlich Jahr Geopfert manche Gab Jetzt doch nichts hab.
[2] Ich kann nicht mehr, Ertragen diese Peyn, Noch länger ledig seyn. Es fällt mir schwer, Wie vielen hast du schon Bescheret einen Man[n]. Und ich zur größten Peyn Allein soll seyn.
[4] Nicht fassen […] Das jenes Tempel Vieh Das nicht so schön als ich Schon hat ein Man[n] Ich wollte laufen schnell Sogar auf Kompistel [= La Compostela.] Wenn dort Sant Jakob dann Text: Dichter unbekannt Mir gäb ein Man[n]. Musik: Komponist unbekannt
238
[5] Ich hab verricht Wallfahrten da und dort Ich sags mit einem Wort Hilfft alles nichts Gezeufzet und gewacht Gebettet Tag und Nacht. Mein betten gar nicht gilt Ist als verspillt. Da capo
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Das Lied spricht ein beliebtes Sujet an, die Klage einer alten Jungfrau, die sich vergeblich nach einem Gatten sehnt und dafür die Heiligen, insbesondere Antonius, anruft. Das Thema wird auch in der „Jungfernvesper“ aus Andelsbuch angesprochen. Auch hier wird in der sechsten Strophe die Hilfe des Heiligen Antonius erbeten: Heiliger Antonius bitt für mich, laß mich Arme nicht in Stich, bitt’ für mich um einen Mann, ohne den ich nicht leben kann.
Der Text und die chorale Melodie dieser Andelsbucher Fassung weisen aber keine Verwandtschaft mit der Nayer-Niederschrift auf. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 39–40. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 22 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 68.
N 23
Ein ächter Gedanke eines / ehemals gesehenen 382 abkontraffierten Tabakrauchers / dessen Vorstellung und Zeitvertreib sich folgendermaßen ausdrückt: [1.] Um meine Grillen zu verjagen Greif nach der Pfeife ich geschwind Und blas die Sorgen so mich plagen, Durch Rauchtabak frisch in den Wind
]2.] Dann denk ich in meinem Herzen, Wenn er zur Höhe steigt hinan, Ach! So vergehen Freud und Schmerzen Dampf ist die ganze Lebensbahn. Text: Dichter unbekannt Musik: keine Melodie beigegeben
Der Text findet sich auf derselben Seite wie das folgende Lied „Wenn o Mond“. Eine Notiz am oberen Seitenrand rechts: omnes ream. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch, 1829, S. 41. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 23 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 70.
Bislang konnten keine weiteren Belege gefunden werden.
382 abkonterfeien = abzeichnen, abmalen, porträtieren
239
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
N 24
[ohne Titel] [1.] Wenn, o Mond, in deinem Strahle Kummervoll mein Auge weint; Weil in öden Erdenthale Mir kein Trost entgegenscheint Wenn mein Blick in Dorngewinden Dunkler Zukunft ängstlich irrt Und den Ausgang einst zu finden Jede Hoffnung sich verliert.
[3.] Der in jener weiten Leere Sonnenfeuer flammen hieß Und vom Wurme bis zum Speere Jedem Ding sein Plätzchen wies Er bestimmte deine Tage Gott ists der dein Schicksal lenkt Mittleidsvoll hört er die Klage sieht den Kummer, der dich kränkt.
[2.] Und mein Aug in trüber Ferne Höher dringt zu jenen Höhn Wo sich Millionen Sterne Durch das größte Weltthal dre[h]n Dann entfliehn die bangen Sorgen Seelen Unruh kehrt zurück Und wie heiterer Frühlingsmorgen Lächelt Hoffnung meinem Blick.
[4.] Nun so sey der Noth und Leiden Hier am Grabe stets ein Theil Sey mein Pfad entfernt von Freunden Dornicht [= dornig] Threnen voll und steil Leg ich i[h]n doch bald vorüber Schnell entflieht mein Lebenstraum Und mein Geist eilt froh hinüber In den unermessend Raum.
[5.] Mischt sich in die Jubelchöre Jener bessern Himmelswelt Wo nicht mehr der Wehmuthräne In der Freunde Becher fällt Frey von dieser schwachen Hütte Die ihn an die Erde schloß Ist er dort in eurer Mitte Engel frey wie ihr und groß. Text: Wilhelmine Müller (1767–1806) Musik: keine Melodie beigegeben
Recherchen ergaben, dass der Text auf ein Gedicht der selbstbewussten Literatin Wilhelmine Müller, geborene Maisch, zurückgeht, die Kontakte mit dem Stuttgarter Dichterkreis um Karl Philipp Conz pflegte. Das Lied wurde bald in christliche Gesangsliederbücher aufgenommen. Im Liederbuch des Schweizers Jakob Stutz (1801–1877) wurde „Wenn o Mond in deinem Strahle“ mit einer Gitarrenbegleitung veröffentlicht, jedoch ohne Autorenangabe. Während die textlich leicht veränderte Niederschrift Nayers ohne Melodie überliefert ist, taucht 1841 eine Fassung mit Melodie im Liederbuch des Jodok Seelenmayer aus Egg auf:
240
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 110: Lied Nr. 34 „Beruhigung“, aus dem Liederbuch des Jodok Seelenmayer 1841, VLA, LHS 003
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 41–42. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 24, (Abschrift 1962). LHS 003, Liederbuch Jodok Seelenmayer, Egg 1841, S. 33.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Wilhelmine M üller , Gedichte. Neue Auflage, Karlsruhe 1822, S. 14–16 (Text); B auer , Karl Theodor (Hrsg.), Gesangbuch für die häusliche Gottesverehrung, Frankfurt 1807, S. 275 (Text mit Hinweis „in eigener Melodie“); B eitl 1964, S. 70; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
N 25
[ohne Titel] [2.] Und des neuen Lebens freut Alles sich voll Seligkeit: Busch und Hügel Wald und Thal Und die Vögel allzumal.
[1.] Neu geschmückt lacht die Natur Wieder auf die Frühlings Flur; Abgezogen hat die Zeit Fest des Winters Trauerkleid.
Text: Karl Philipp Conz (1762–1827)? Musik: keine Melodie beigegeben
241
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Das Gedicht wird dem württembergischen Dichter Karl Philipp Conz, einem Professor für klassische Literatur an der Universität Tübingen, zugeschrieben. 1805 erschien eine Vertonung mit dem Titel „Frühlingslied eines Trauernden“ von Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802) in seiner Sammlung „Kleine Balladen und Lieder mit Klavierbegleitung“ (S. 12).383 Bei Nayer fehlt jedoch die Melodie, niedergeschrieben wurden vom Text lediglich zwei Strophen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 43.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B eitl 1964, S. 70.
N 26
[ohne Titel] [1.] Wandlen hin zur Wiesen Quelle Die dort rauscht Wo auf jeder Silber Welle, Amor lauscht. Dort will ich dich mit Entzücken An mein klopfend Hertze trücken Unbelauscht.
[4.] Schönes Mädchen, also blühen Lilien auf Und auf deinen Wangen blühen Rosen drauf. Hin auf diesem Rosen Hügel Gaukelt Amor mit den Flügel Ab und auf.
[2.] Ich küß dich, du küßt mich wieder Satt geküßt. Setzen an der Quell uns nieder Die da fließt. An der schönen Marmorgrotte, die dem kleinen Liebesgotte heilig ist.
[5.] Laß dich auf mein Herze trü[c]ken Laße dich Herzlich küssen zum Entücken, Küsse mich. Holdes Mädchen deine Liebe, Lohne doch mit Gegentriebe, Jungfreülich.
[3.] Meisterstück von Schöpfers Händen Der Natur, Wohlgebaut und schalk [schlank] von Lenden Lachle nur. Wie ein junges Schilf vom Mo[o]se Kommst du von der Mutterschoße Zart hervor.
[6.] Mädchen hier vor deinen Füssen Knieht dein Freund Und laß du ihn Huld genießen Wie es scheint. Wird er täglich sich bestreben Blos allein für dich zu leben Treu vereint.
[7.] Sieh das Opfer meiner Triebe Ist vollbracht. Mädchen dieses ist der Liebe Zaubermacht. Engel sollen dich begleiten Unheil weich von deiner Seiten Gute Nacht.
Text: Dichter unbekannt Musik: Keine Melodie beigegeben
„Wandeln hin zur Wiesen Quelle“ kommt im älteren Liederschatz der Region Rheinland-Pfalz/D vor. Der Text war auch als zweite Strophe des Liedes „Mädchen mit den blauen Augen“ verbreitet, das bereits um 1810 in fliegenden Blättern auftaucht (Böhme 1895). Autoren konnten bislang nicht eruiert werden. 383 Digitalisat eines bei Breitkopf und Härtel erschienenen Druckes der Staatsbibliothek Berlin; siehe URL: https://digital-beta.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN689053266&PHYSID=PHYS_0003 (Zugriff: 11. 5. 2020).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 44.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: A lgier 1841, S. 532, Nr. 960; E rk /B öhme 1893, II, S. 452, Nr. 664; B öhme 1895 S. 324; H offmann /P rahl 1961, S. 176, G rolimund 1911, S. 67; B eitl 1964, S. 69; S chmidt 1970, S. 212, S. 257.
N 27
[ohne Titel] 1. Soll ich leben, soll ich sterben, soll mein Blut die Erde färben, Alles geh ich willig ein Alles geh ich willig ein.
5. Und dies Herz, dies muß ich haben Sol[l]ts ich gleich aus Felsen graben daß mir treu beständig bleibt. daß mir treu beständig bleibt.
2. Wenn ich nur die Hoffnung habe Daß mein Mädchen bey meinem Grabe Mir ein süsse Thränen weint. Mir ein süsse Thränen weint.
6. Leb so lang als dich vergnüget Bis sich einstens wieder fühget Daß ich dich umarmen kann. Daß ich dich umarmen kann.
3. Wenn sie aber flieht und wanket Oder gar mit Untreu danket O dann stirb ich vor der Zeit. O dann stirb ich vor der Zeit.
[7.] Und zum letzten Angedenken Will ich dir mein Herze schenken Nimm es hin zum Unterpfand. Nimm es hin zum Unterpfand
4. Und nun aber harte Worte Lebe wohl an jenem Orte Und vergiß nicht treu zu sein. Und vergiß nicht treu zu sein.
[8.] Dies alles will ich dir sagen Meinen Kummer und mein Plagen Meinen unvergnügten Stand. Meinen unvergnügten Stand. Text: Adolf Bäuerle (1786–1859) Musik: keine Melodie beigegeben
Die Dichtung stammt von Adolf Bäuerle, dessen Vater ursprünglich aus Schwaben kommt, die Familie lebte jedoch in Wien. Bäuerle war Schriftsteller und verfasste mehrere Theaterstücke. Der vorliegende Text gehört zu einer Arie aus der 16. Szene der „Localen Parodie mit Zauberey und Gesang – Der verwunschene Prinz“, zu der Wenzel Müller (1759–1835) die Musik lieferte. Die Uraufführung fand 1818 in Wien, im Theater in der Josefstadt statt. Über Flugblätter verbreitet, taucht die Arie auch als Soldatenlied in Franken/D auf. Die Melodie wird bei Nayer nicht aufgezeichnet. Die Sonnleithner-Sammlung enthält eine Niederschrift mit einer Melodie aus Neunkirchen in Niederösterreich (Archiv des ÖVLW, Abschrift Zoder Nr. 113/18). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 45. M 102/I Schruns, Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 25 (Abschrift 1962).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Der verwunschene Prinz. Locale Parodie mit Zauberey und Gesang. In zwey Acten von Adolf Bäuerle. [o. J.] (Textbuch in: ÖNB, Theatersammlung, Sign. 799068-B); D itfurth /P ommer 1894, S. 60 (Melodie mit vierstimmigem Satz von Josef Pommer); Arien und Bänkel aus Alt-Wien, hrsg. v. Oskar W iener 1914; B eitl 1964, S. 69; D eutsch /H ofer 1969, S. 98; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
N 28
[ohne Titel] Küßt[,] fühlt wie der trunkenen Zärtlichkeit Kehner [= Kenner] ist Ha wie der Wein der Umarmungen Lust versüßt. Lustig ihr Zecher, lehret [= leeret] die Becher scherzet und trinkt. Lachet der Blöden, schwinge die Sprüch. Singet und küßt. Singt[,] flugs wird der Jüngling begeistert der Greis vergnügt Wenn er den feurigen Nektar in Zügen Schlingt. Jubelt ihr Brüder Ba[c]chische Lieder Scherzet und singt. Text: Autor nicht bekannt Musik: keine Melodie beigegeben
Dieser Liedtext wurde auf die Innenseite des Einbandes des Gesangbuches von Nayer geklebt. Weitere Strophen sind nicht mehr sichtbar; es ist anzunehmen, dass es sich hier um zwei Strophen eines Trinkliedes handelt. Weitere Belege sind nicht bekannt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 46.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Liederhandschrift Steinle, 1822
Abb.111: Lieder-Sammlung für Franziska Steinle, 1822. VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler, Liederhandschrift Steinle, o. S.
Die Handschrift und ihr Repertoire Die Lieder-Sammlung für Franziska Steinle wurde im Jahre 2008 mit einem Notenkonvolut aus dem Nachlass Schwärzler von der Vorarlberger Landesbibliothek für die Musiksammlung des Landesarchivs übernommen. Dieses Konvolut enthält Noten für die häusliche Unterhaltung (Musikhandschriften und Drucke des 19. Jahrhunderts für Klavier, Gitarre und Gesang) von unterschiedlichen Vorbesitzern. Zur einstigen Besitzerin der Liederhandschrift gibt es leider nur wenige biografische Anhaltspunkte. Fanny (= Franziska) Steinle (1804–1862) wurde 1804 als Tochter des in den späten 1790er Jahren aus Ulm zugezogenen, nunmehrigen Bregenzer Bürgers, Kornmessers, späteren Magistratsrates und städtischen Baumeisters Franz Anton Steinle (1772–1837) geboren. Franziskas Mutter war dessen erste Ehefrau Maria Johanna Schwarz (1776–1808).384 Nach einer weiteren Eheschließung des Vaters mit Creszenzia Haitinger kam 1811 Schwester Amalie zur Welt.385 Die Familie gehörte zur wohlhabenden städtischen Oberschicht. Im Alter von neunzehn Jahren ehelicht Franziska 1823 den Kreiskommissär Erasmus von Götz, der sich mit der letzten Eintragung in das Liederheft ein Denkmal setzt.386 Er erklettert sieben Jahre nach der Eheschließung die berufliche Leiter aufwärts zum Guber384 Zu den Lebensdaten siehe: VLA, Traubuch Bregenz 1784–1825, S. 43, S. 169, S. 188. 385 VLA, Taufbuch Bregenz 1810–1815, S. 18. 386 Eintrag der Ehe siehe: VLA, Traubuch Bregenz 1784–1825, S. 188.
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nial-Sekretär und übersiedelt später mit seiner Frau nach Innsbruck.387 Hier stirbt Franziska 58-jährig im Jahre 1862 an Lungenschwindsucht; zu diesem Zeitpunkt war sie bereits Witwe.388 Wie in vielen bürgerlichen Häusern üblich, spielte man in Bregenzer Verwandten- und Bekanntenkreisen Klavier und Gitarre; darauf verweisen Besitzervermerke auf den Noten aus den verschiedenen Teilnachlässen des Konvoluts: Advokatentochter Stefanie Pircher (*1821) – ihr Vater musizierte mit Kreishauptmann Ebner, Franziska Steinle (*1804), Fanny Schwärzler (1848–1926), Beneficiat Ignaz Schwärzler (1784–1864) und andere. Aus dem Besitz von Franziskas jüngerer Halbschwester Amalie Steinle (*1811) verwahrt das Stadtarchiv Innsbruck eine Zeichnung, die eine Gitarre und eine Querflöte mit einem Notenblatt zeigt.389 Gab Amalie ihrer Schwester diese Zeichnung zum Andenken anlässlich der Übersiedelung nach Innsbruck mit? Der Liedtext, ein Abschiedslied, deutet darauf hin. Amalie heiratet nur wenige Monate nach dem Tod des Vaters im Mai 1837 den 33-jährigen Daniel Friedrich von Seeberg, einen k.k. Verpflegsassistenten beim Gollner’schen Infanterieregiment Nr. 48, das in Bregenz in Garnison lag.390 Die abgebildete Gitarre (mit klappenloser Querflöte) weist eine für den Bregenzer Gitarrenbauer Victorin Drassegg typische Verzierung auf, was die Vermutung nährt, dass die Familie Steinle im Besitz eines Instruments aus seiner Werkstätte gewesen sein könnte.
Abb. 112: Notenblatt von Amalie Steinle; kolorierte Zeichnung Stadtarchiv Innsbruck. Der Text des hier niedergeschriebenen beliebten Abschiedsliedes „Lebe wohl, vergiß mein nicht“ stammt von Johann Friedrich Cordes (1759–1807) und wurde mehrmals vertont.391 387 Der Wanderer auf das Jahr 1830, Bd. 2, Nr. 199, Wien 18. Juli 1830. 388 Tiroler Schützenzeitung 17. 12. 1862, S. 5. 389 Zum Gitarrespiel und den Familien Steinle und Schwärzler siehe auch: Bösch-Niederer 2016, S. 52f. 390 VLA, Traubuch Bregenz 1825–1848, S. 78. 391 Text erschien im Musenalmanach von Schiller 1798, siehe auch: URL: https://www.friedrich-schiller-archiv.de/musenalmanach-1798/lebewohl/. (Zugriff: 16. 1. 2022). Die hier abgebildete Melodie ist nicht bekannt.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Das Notenheft Steinle ist mit 1822 datiert, Franziska war zu diesem Zeitpunkt achtzehn Jahre alt. Es enthält 57 deutsch- oder italienischsprachige Gesänge ohne Begleitung, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert publiziert wurden. Ein Schwerpunkt liegt auf den Jahren 1800 bis 1810. Die Mischung reicht von einfachen volkstümlichen Kunstliedern bis hin zu aktuellen Theaterliedern bzw. Opernarien. Auffallend ist, dass sieben Lieder auch im „Schweizer Liederbuch“ von 1828, herausgegeben von J. Christen in Aarau, enthalten sind. Es ist keine anonyme Sammlung, mehrmals werden Komponisten aus den Bereichen Liedschaffen und Musiktheater genannt: Joseph Weigl, Conradin Kreutzer, Johann Xaver Sterkel, Friedrich Reichardt, Johann Rudolf Zumsteeg, Lambert Knittelmaier, Ernst Georg Jakob Häussler, Carl Maria von Weber, Franz Danzi, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Peter von Ritter, Peter von Winter, Henri-Montan Berton, Friedrich Fischer und andere. Neben den bekannten Persönlichkeiten aus dem deutschen Sprachraum, deren Gesänge sich mitunter bis in das 20. Jahrhundert im Liederschatz der Vorarlberger wiederfinden, tauchen auch regionale Talente auf, wie der Priester Ignaz Schwärzler oder Johann Georg (oder Christian) Netzer aus Bludenz. Schwärzler war nicht nur Leiter einer Singschule, er trat auch anlässlich von regionalen Feierlichkeiten als Komponist in Erscheinung. Das Bregenzer Wochenblatt vom 20. Februar 1818 berichtet von Theatermusik, Lied- und Chorkompositionen aus seiner Feder.392 Quellenbeschreibung: Gebundene Handschrift (Baumwoll-Fadenbindung); 24x30 cm; marmorierter Papiereinband mit weißem Titelschildchen: Lieder-Sammlung/ für / Franziska Steinle / 1822; 22 Bl., die Lieder sind durchnummeriert. Wasserzeichen: Anton & Joseph Falger, Bestand/Signatur: Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler, Lieder-Sammlung Steinle, o. S.
Liedkatalog Schwerpunkt der folgenden Ausführungen ist ein kommentiertes Verzeichnis der in der Lieder-Sammlung enthaltenen Stücke. Da die meisten Gesänge in kleinen Sammlungen erschienen sind oder auch dem zeitgenössischen, meist viel gespielten Musiktheaterrepertoire entstammen, in Drucken verbreitet und bekannt waren, wurde auf eine vollständige Wiedergabe der Texte und Melodien verzichtet und lediglich die Textanfänge wiedergegeben. Dem Kommentar zu den einzelnen Liedern werden, wie auch bei den anderen im Buch besprochenen Handschriften, weitere Vorarlberger Belege hinzugefügt sowie eine Auswahl von bekannten Quellen und der Literatur.
Ste 1
Der Troubadour / aus Johann von Paris Der Troubadour, stolz auf der Liebe Bande, Folgt deiner Spur, eilend von Land zu Lande Text: Claude Godard d’ Aucort de Saint Just (1768–1826), Libretto von Ignaz Ritter von Seyfried (1776–1841) oder Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: François-Adrien Boieldieu (1775–1834)
Romanze aus der Oper „Jean de Paris“ von François-Adrien Boieldieu, 1812 in Paris an der Operá comique uraufgeführt. Sie wurde anschließend für Wiener Theater in verschiedensten deutschen Über392 Bregenzisches Wochenblatt, 20. Februar 1818, S. 30–31.
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setzungen herausgebracht, unter anderem von Ignaz Franz Castelli und Ignaz Ritter von Seyfried. Diese Romanze erfreute sich großer Beliebtheit und wurde seit den 1840er Jahren bis in das frühe 20. Jahrhundert in gedruckte Liederbücher aufgenommen. Bei Steinle sind die erste und dritte Strophe niedergeschrieben, mit leichten textlichen und melodischen Veränderungen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 1r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann von Paris. / Komische Oper in zwey Aufzügen, / nach dem Französischen des St. Just. / Von Joseph Ritter von Seyfried. / Die Musik ist von Boieldieu./ Wien, Wallishausen 1812 (Textbuch). E rlach 1835, 5, S. 503 (Text mit Komponistenverweis); D eschler 1840, S.12; B ernhardi 1844, B.1, S. 180 (Text); S amans 1850, S. 334 (Nr. 18); F ink 1901, S. 594–596.
Ste 2
Beruhigung / von Gyrowetz Der wahre Himmelsfriede Wohnt nur im stillen Grab Text: Christian Ludwig Reissig (1783–1822) Musik: Adalbert Gyrowetz (1763–1850)
Der Text von Christian Ludwig Reissig wurde im Band „Blümchen der Einsamkeit“ 1809 bei Johann Baptist Wallishausser in Wien gedruckt. Text der ersten und dritten Strophe befindet sich bei Steinle auf der gegenüberliegenden Innenseite des vorderen Einbandes. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 1r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Blümchen der Einsamkeit / von / Christian Ludwig Reissig / Wien, / auf Kosten und im Verlag bey Johann Baptist Wallishausser / 1809; Theatralisches Taschenbuch zur geselligen Unterhaltung des Leopoldstätter Theaters für das Jahr 1827, Hrsg. Carl Meisl, Wien 1827, S. 113. (Text, als Autor: B. F. Schmidt angegeben!); RISM ID no.: 454010692 und 450020130 (Text).
Ste 3
Romanze / aus der Schweizerfamilie. / von Weigl Vom weit entfernten Schweizerland Komm ich voll Gram hierher Text: Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: Joseph Weigl (1766–1846)
Die Begeisterung für die Gebirgswelt, die Sehnsucht nach einer idyllischen Natur, die im 18. Jahrhundert in Kreisen der adligen und bürgerlichen Gesellschaft ihren Ausgang nahm, findet sich literarisch und musikalisch in bemerkenswerter Weise wieder. Schillers „Wilhelm Tell“ und auch Goethes Schweizer Gedichte sind bekannte Beispiele dafür. Eine besondere Popularität unter den Zeitgenossen erreichte ein Singspiel, das maßgeblich dazu beitrug, das Bild der Schweiz in der deutschsprachigen Welt des frühen 19. Jahrhunderts zu prägen. Die „Schweizer Familie“ von Joseph Weigl wurde zum Opern-Hit, von namhaften Komponisten der
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Zeit bewundert. Franz Schubert erkor sie zur Lieblingsoper, auch Richard Wagner war davon begeistert und führte das Werk auf. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verschwand sie von der Bühne. Der Dichter Ignaz Franz Castelli ist auch in Vorarlberg nicht unbekannt, bereiste er doch mit seinem aus Altenstadt/Feldkirch gebürtigen Freund und Gönner Franz Joseph Breuß 1822 das Ländle und verfasste aus diesem Anlass das Gedicht vom Gebhardsberg. Seinen Bekanntheitsgrad mag die „Schweizerfamilie“ besonders den Wanderbühnen verdanken. Mit ihrer Hilfe konnten breitere Publikumsschichten angesprochen werden. Mehr als zwanzig Jahre nach der Uraufführung im Kärntnertortheater in Wien (UA: 1809) sorgte die Schauspielertruppe von Karl Friedrich Stöger in den 1830er Jahren für die Verbreitung des Stückes im Bodenseeraum und brachte das Werk auch nach Vorarlberg. Aus dieser Zeit stammt handschriftliches Stimmenmaterial, das im Vorarlberger Landesarchiv aufbewahrt wird. Um 1811 waren die Gesänge aus dem Singspiel einzeln in Drucken unter anderem mit Gitarrenbegleitung im Musikalienhandel erhältlich. Besonders die Romanze aus dem Singspiel wurde bald zum beliebten Schlager. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 1v. VLA, Musiksammlung, Alte Handschriften: Klavierauszug des Singspiels, S. l., o. D.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Digitalisat der Romanze: Bayerische Staatsbibliothek München; C hristen 1828, S. 384 (Text); Allgemeine musikalische Zeitung 13 (1811), S. 20; B ösch -N iederer Archivale 2010; W aidelich 2002.
Ste 4
Lebe wohl von Uhland Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb! Muß noch heute scheiden Text: Ludwig Uhland (1787–1862) Musik: Conradin Kreutzer (1780–1849)
Das Lied des schwäbischen Komponisten Conradin Kreutzer wurde 1818 in Augsburg von Gombart gedruckt, in der Sammlung „Neun Wander Lieder“, op. 34, Heft 1. Kreutzer war in dieser Zeit Hofkapellmeister der Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen. Seine sangbaren Melodien wurden später über Gebrauchsliederbücher und Gitarrenoten sowie durch Franz Samans Gitarreschule verbreitet. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 2r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Neun Wander / Lieder / von Uhland / mit / Begleitung des Piano Forte / in Musik gesetzt / von / Conradin Kreutzer / Fürstlich Fürstenbergischer Hofkapellmeister / 34.tes Werk / 1tes Heft / Augsburg / bey / Gombart und Comp. [PN] 625 und 626 [1818], digital: URL: https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/pageview/3061759 (Zugriff: 16. 1. 2022). Spätere Ausgaben siehe URL: http://www.gmg-bw.de/html/musikl-multimedia_lied_kreutzer.html (Zugriff: 16. 1. 2022); E rlach 1835, 5, S. 302–303 (Text mit Komponistenverweisen); S amans 1850, S. 88 (Nr. 77); H olz apfel 2018, Lieder L–Z.
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Ste 5
Aus der Geisterinsel von Reichardt Ich küsse dich, o Schleier Du lauschest meinem Schmerz Text: Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797) und Friedrich Hildebrand von Einsiedel (1750–1828) Musik: Johann Friedrich Reichardt (1752–1814)
Arie des Fabio aus Johann Friedrich Reichardts Singspiel „Die Geisterinsel“ (Uraufführung 1798 in Berlin). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 2v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Die Geister.Insel / Ein Singspiel in 3 Acten / von J. F. Glotter / nach Shakespeares ,Sturm‘/ Zur Huldigungs Feier / Sr Majestät des Königs von Preussen / Friedrich Wilhelm III. / / In Musik gesetzt / von / Joh. Friedrich Reichardt / Berlin / in der neuen berlinischen Musikhandlung [1799], Exemplar: München Bayerische Staatsbibliothek, Klavierauszug, Sign. 4 Mus.pr.622610, Münchner Digitalisierungs Zentrum Digitale Bibliothek: URL: https://mdznbn-resolving.de/details:bsb11151769 (Zugriff: 5. 1. 2022)
Ste 6
An die Natur Süße heilige Natur! Laß mich geh’n auf deiner Spur Text: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–1819) Musik: Ignaz Schwärzler (1784–1864)
Das anlässlich einer Schweiz-Reise entstandene Gedicht von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg wurde 1775 erstmals in Christian Daniel Schubarts „Deutscher Chronik“ in Augsburg gedruckt, 1779 in „Oden, Lieder und Balladen“ aufgenommen. Mehrere Liedkomponisten nahmen sich dieses Textes an, wovon zahlreiche Aufzeichnungen seit 1813 im Deutschen Volksliedarchiv in Breisgau (heute: Zentrum für populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg/Breisgau) zeugen. Zu nennen sind Johann Adam Hiller, Johann Friedrich Reichardt, Hans Georg Nägeli und auch Franz Schubert. Der Hinweis „v[on] Schwärzler“ deutet auf den Bregenzer Benefiziaten und Musiklehrer Ignaz Schwärzler hin, der als Komponist von Chören und Liedern regional durchaus angesehen war. Schwärzler war auch ein Freund des Theaters; bereits als Student hatte er sich um Aufführungen im alten Bregenzer Rathaus bemüht.393 Die mit Koloraturen versehene, bei weitem nicht dem Volksgesang entsprechenden Melodie stellt hohe Anforderungen an die Sängerin, deren Fähigkeiten er wohl gut kannte.
393 Pichler 1995, S. 46–48.
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Abb. 113: „Süsse heilige Natur“, Liedvertonung des Bregenzer Schuldirektors Ignaz Schwärzler. Handschrift Steinle
Eine weitere Fassung findet sich in der Handschrift Nayer, die im vorliegenden Buch beschrieben vorliegt (N 16). Volksliedhaft ist eine anonyme Aufzeichnung von Rosalia Clessin aus Feldkirch 1856, die im COMPA-Band 6 („Die Liederhandschriften der Schwestern Cleßin“) besprochen wird. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 3r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 002, Für den Joh: Jos: Nayer ein Gesangbuch 1829, S. 31. M 102/1/16 Schruns „Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch, Nr. 9 (Abschrift 1962). M 33/Ia Feldkirch, R8 (fol. 5r–v), Notenbuch für Rosalia Clessin in Feldkirch, fol. 5r–v, Fotokopie (andere Melodie), (Original im Zentrum für populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg/Breisgau).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […], 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich Campe (Text); C hristen 1828, S. 447 (Text); Samans 1850, H.1, Nr. 5, (andere Melodie); B öhme 1895, S. 146 (andere Melodie); H offmann von F allersleben 1900, Nr. 1083; S chneider /B ösch -N iederer 1997, S. 60–62; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
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Ste 7
An Emma von Schiller Weit in nebelgrauer Ferne Liegt mir das vergangne Glück Text: Friedrich Schiller (1759–1805) Musik: Johann Xaver Sterkel (1750–1817)
1796 verfasst und im folgenden Jahr gedruckt, gehörte auch dieser Schiller’sche Text zum Fundus mehrerer Komponisten. Der Schreiber vermerkt „Musik von Sterkel“. Dies führt zu Sterkels „Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte“, 11. Sammlung (= StWV 63/6), ein Zyklus, der um 1805 zu den gefragten Neuerscheinungen gezählt wird und in Berlin/Oranienburg von Rudolph Werckmeister herausgegeben wurde. Sterkel war ein beliebter Liedkomponist. Der Rezensent der „Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1805“ schreibt: Hrn Kapellmeister Sterkels Lieder finden ein achtbares Publikum, besonders unter Damen; und sie verdienen, es zu finden.
Gelobt werden seine angenehm fließenden Melodien und seine nicht arme, doch nicht überladene und immer angepasste Begleitung.394 Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 3v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Sterkel [Johann Xaver ], Sechs Gesänge / mit Begleitung des Piano-Forte / in Musik gesetzt / und der / talentreichen / Künstlerin / Madame Schick / gewidmet / von / Sterkel / eilftes Werk / Bureau de Musique von Rudolph Werckmeister in Berlin [um 1790], S. 20–22, digitaler Notendruck, Bayerische Staatsbibliothek, URL: http:// daten.digitale-sammlungen.de/bsb00055091/image_5. (Zugriff: 23. 5. 2020) Joachim F ischer , Sterkel-Werksverzeichnis, 63, digital: URL: http://www.sterkel-gesellschaft.org/download/ Sterkel-werkverzeichnis-nummeriert.pdf. (Zugriff: 16. 1. 2022); B öhme 1895, S. 341–342 (Melodie von Zelter); L inder -B eroud 2009, S. 209; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 8
Dankbarkeit Heilig ist mir Dankbarkeit! Sie umschlingt mit süßem Bande Text: August Wilhelm Iffland (1759–1814) Musik: Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802)
Der Text stammt aus dem Schauspiel „Achmed und Zenide“ von August Wilhelm Iffland (Gesang der Ina, 2. Aufzug, 9. Auftritt). Zumsteegs Vertonung erschien noch vor seinem Tod 1802 in „Kleine Balladen und Lieder“, Heft 4. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 4r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: RISM (Répertoire International des Sources Musicales): ID no.: 455021644. 394 Allgemeine musikalische Zeitung vom 13. Oktober 1805, Sp. 13–16.
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Ste 9
Das Glück der Zufriedenheit Was frag ich viel nach Geld und Gut Wenn ich zufrieden bin. Text: Johann Martin Miller (1750–1814) Musik: Ignaz Schwärzler (1784–1864)
Der bekannte Text des schwäbischen Schriftstellers Johann Anton Miller aus dem Jahre 1776 wurde sehr gerne und oft vertont und ist auch im Vorarlberger Liederschatz mehrmals vertreten. Im „Schweizer Liederbuch“ von 1828 wird als Autor „Iffland“ angegeben. Um 1835 waren Christian Gottlob Neefe (1748–1798) und der aus Memmingen gebürtige Christoph Rheineck (1748 –1797) als Komponisten bekannt. Die Belege reichen weit ins 20. Jahrhundert. Einzigartig dürfte jedoch die hier vorliegende Fassung mit der Melodie von Ignaz Schwärzler sein. Die engagierte Lustenauer Musiklehrerin, Musikerin und Volksliedsammlerin Pauli Hofer-Vetter (1923–2013) zeichnete 1958 eine Melodiefassung mit einer mehr als hundertjährigen Gesangstradition in ihrer Heimatgemeinde auf. Es gibt noch eine weitere Melodie aus Höchst aus dem Jahre 1960, sie ist eine Variante der Lustenauer Weise. Beide unterscheiden sich dennoch deutlich von der Steinle-Aufzeichnung und zeigen auch nicht Neefes Melodie, die Friedlaender und Fink publizierten. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 4r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 036, Anonyme Liederhandschrift 2. H. 19. Jh. (1832?), S. 196 (Text). LHS 031, Liederbuch Maria Anna Moosmann (1871–1954), Mellau, S. 55. LHS 011, Anonyme Liederhandschrift um 1870 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 119 (Text). MSCH 950 Sch, Hausarbeit Schwendinger, Abschrift aus dem Liederbuch der Anna Matt, geb. Moosmann, o. Nr. M 075/I, Sammlung Pauli Hofer, Lustenau 1958, Nr. 95 (andere Melodie).M 055/I, Abschrift aus dem Liederbuch Familie Federspiel, 1899–1960, Höchst, Nr. 55 (andere Melodie). TDB 093, Tonaufzeichnung der Feldforschung 1977, Nr. 21.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann Martin Millers Gedichte. Ulm bey Johann Conrad Wohler 1783, S. 389–391(Text); Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich Campe (Text); C hristen 1828, S. 453–454 (Text mit Melodieverweis: Was ist des Lebens höchste Lust); E rlach 1835, 5, S. 142–143; Fink 1856, S. 2 Nr. 2 (Melodie von Christian Gottlob Neefe); F riedlaender 1902, I, S. 235 sowie II S. 281 (Melodie von Chr. Gottlob Neefe); H aid 1983, S. 91 (Liederwähnung); B öhme 1895, S. 219 (Nr. 289); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 10
Erinnerung an die Zeit der Jugend Wie glücklich war ich in den Kinderstunden Kehrt wieder, euer schönes Bild entzückt! Text: August Heinrich Julius Lafontaine (1758–1831) Musik: Valentini ?
August Lafontaine lässt in seiner Erzählung „Die Harfenistin, oder die Liebe auf dem Riesengebirge“ eine weibliche Protagonistin namens Nettchen eine fremde Melodie singen,
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die sie in ihren einsamsten Stunden gemacht hatte: Wie glücklich war ich in den Kinderstunden: Kehret wieder! Euer schönes Bild erquickt! (Moralische Erzählungen, Band 2)
Mit Melodie wurde der Text in der Sammlung „Serenaten in Gesaengen mit Begleitung der Guitarre“ von Simrock in Bonn 1802 gedruckt. Zum Komponisten heißt es lediglich „von Valentini“. Nähere Angaben fehlen.395 Aus Österreich sind derzeit keine weiteren Belege bekannt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 4v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Moralische / Erzählungen / von / August Lafontaine / Zweiter Band / Berlin 1794, S. 264–265 (Text); Serenaten in Gesaengen mit Begleitung der Guitarre. In Musik gese[t]zt, und allen liebenswürdigen Damen zugeeignet, von Valentini. Bei N. Simrock in Bonn. 1802 No. 199 (Angabe nach RISM ID no.: 455031536); [ohne Autor] Lieder mit Begleitung der Gitarre, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt/Main, Mus.Hs.1855 (Handschrift, Angabe nach RISM, ID no.: 455003599).
Ste 11
Freude des Wiedersehens O, wie süße lebt es sich, Ich genieße wieder mich Text: Aloys Blumauer (1755–1798) Musik: Lambert Knittelmaier [Knittelmair, Knittelmayer] (1769–1850)
Textautor ist der oberösterreichische Schriftsteller Aloys Blumauer. Der Schreiber/Die Schreiberin der vorliegenden Liedersammlung gibt als Komponisten Lambert Knittelmaier an, einen Benediktinermönch aus Oberaltaich, Lehrer und autodidakten Komponisten, der in München, Straubing und Salzburg wirkte. Drucke seiner Gesänge aus dem Jahre 1803 gibt es in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Weitere Belege des Liedes sind bislang nicht bekannt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 5r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: [B lumauer Aloys], Gedichte von Blumauer. Zweyter Theil. Wien bey Rudolph Gräffer und Companie, 1787, S. 74– 75; [Knittelmaier Lambert], Gesaenge / mit / Begleitung / des / Pianoforte / in Musik gesetzt / und / Dem Hochwohlgebohrnen / Freyherrn von Dürniz, / Kurbaierischen Kämmerer / und Major / zum Zeichen der Dankbarkeit / ehrfurchtsvoll gewidmet / von / L. K. / Straubing / in der von Schmidischen Buchhandlung. [1803].
Ste 12
Haidenröslein Sah ein Knab ein Röslein stehn, Röslein auf der Haiden [=Heiden] Text: Johann Wolfgang von Goethe (1779–1832) Musik: Lambert Knittelmaier (1769–1850)
Goethes populäres Gedicht wurde mehrmals vertont, weite Verbreitung im Volksgesang fand lediglich die volkstümliche Fassung von Heinrich Werner (1800–1833). Sie gibt es auch in Vorarlberg mit zahlreichen handschriftlichen Belegen, seit Ende des 19. Jahrhunderts auch in den gedruckten Lieder395 Zum Komponisten vgl. Zuth 2003, S. 278.
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büchern von Josef Wirthenssohn, Helmuth Pommer, Anton Sutter. 1847 wurde das „Heidenröslein“ in Feldkirch öffentlich in einer musikalischen Produktion zugunsten der Hausarmen aufgeführt. Zur Verbreitung der Vertonung von Lambert Knittelmaier gibt es in der Region keinerlei Hinweise.
Abb. 114: Goethes Gedicht „Heidenröslein“, vertont von Lambert Knittelmaier. Handschrift Steinle
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 5v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: MHS 010, Zitherheft Magdalena Sprünge, S. 74v (Melodie: Werner). LHS 037, Liederbuch von Luise Moosbrugger 1924, Nr. 78 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 94 (Text). M 029/III Dornbirn, Abschrift aus dem Liederbuch von Lena Höfle/Spiegel, 1905, Nr. D23 (Melodie: Werner). M 32/V Egg, Liederschatz der Anna Schneider, aufgezeichnet von Tochter Christl um 1980, Nr. 60 (Text). M 033/IV Feldkirch, Abschrift aus dem Notenbuch Rosalia Clessin 1856, R10 (Melodie: Werner). M 077/I Meiningen, Facharbeit Sr. Tarsicia Meier (um 1922–1926), S. 26 (Text). M 083c Nenzing, Liederheft Josef Bertsch 1922, Nr. 16 (Text). M 090/Va Rankweil, [anonymes] Notenheft 2 „Altus“ 19. Jh., Nr. 2 (Melodie: Werner). M 090/Vb, Rankweil, [anonymes] Notenheft 3, 19. Jh., Nr. 33 (Melodie: Werner).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: [Knittelmaier Lambert], Gesaenge mit Begleitung des Pianoforte […] Straubing, in der Schmidischen Buchhandlung [1803]; Schneider/Bösch-Niederer 1997, S. 65–67; Holzapfel 2018, Lieder L–Z.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 13
An die Hoffnung Hoffnung, Quelle sanfter Freuden, Leite mich durchs Leben hin Text: Gerhard Adam Neuhofer (1773–1816) Musik: Lambert Knittelmaier (1769–1850)
Unter dem Titel „Lina’s Lied an die Hoffnung“ wurde das Gedicht des evangelischen Theologen Gerhard Adam Neuhofer aus Augsburg 1804 in den ersten Band seiner Gedichtsammlung aufgenommen, dürfte aber bereits zuvor in einer Zeitschrift publiziert worden sein, da es als Lied bereits ein Jahr zuvor in Knittelmaiers Sammlung „Gesänge mit Begleitung des Pianoforte“ zum Druck gekommen war. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 5v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: [Gerhard Adam Neuhofer], Gedichte von G. A. Neuhofer, Band 1, Stagesche Buchhandlung, Leipzig 1804, S. 28 (Text); [Knittelmaier Lambert], Gesaenge mit Begleitung des Pianoforte […] Straubing, in der Schmidischen Buchhandlung [1803], S. 4–5.
Ste 14
Elisas Abschied Noch einmal, Robert! Eh wir scheiden Komm an Elisas klopfend Herz Text: Christian Friedrich Traugott Voigt (1770–1814) Musik: Lambert Knittelmaier (1769–1850)
Der ursprüngliche Titel des Gedichtes war „Elisas Abschied von Heinrich“ (Noch einmal Heinrich, eh wir scheiden), das sein Schöpfer, der evangelische Theologe Christian Traugott Voigt, 1799 drucken ließ. Als Komponist wird in der Handschrift, wie bei den vorangehenden Liedern, Lambert Knittelmaier angegeben. Ob seine Version in Vorarlberg weiter bekannt war, lässt sich nicht mehr feststellen, da sämtliche Belege nur den Text wiedergeben. Das Lied war im 19. Jahrhundert sehr populär, wurde noch im 20. Jahrhundert in Vorarlberg gerne gesungen. Unter anderem findet sich eine Niederschrift aus dem Repertoire eines Johann Krismer aus dem Jahre 1905 im Rekruten-Tagebuch von Ernst Hartmann (1883–1969) aus Ludesch, und noch in den 1920er Jahren trafen Studenten für ihre Facharbeit Gewährspersonen, die das Lied kannten. Es ist aber anzunehmen, dass auch hier die weithin verbreitete volkstümliche Melodie eines unbekannten Komponisten zum Einsatz kam, die auch Böhme 1895 in seine Sammlung aufnahm. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 6r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 118 (Text). LHS 023 (alt: M 083d Nenzing) Liederheft Elisabeth Scherer 1883, Nr. 10 (Text). M 057/IIIa, Facharbeit Bernhard Höfle, Volkslieder aus Hohenweiler, Bregenz 1926, Nr. 18 (Text). M 074/I Ludesch, Rekrutentagebuch von Ernst Hartmann 1904/05, Nr. 105 (Text). M 128/III Wolfurt, Facharbeit Franz Füchsle, Volkslieder aus Wolfurt, Bregenz 1925, Nr. 17 (Text).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: C.F.T. V oigt , Lieder für das Herz. Zur Beförderung eines edlen Genusses in der Einsamkeit der Gesellschaft, Leipzig, K. W. Kuchler, 1799, S. 72–74; [K nittelmaier Lambert], Gesaenge mit Begleitung des Pianoforte […] Straubing, in der Schmidischen Buchhandlung [1803]; C hristen 1825, S. 62–63 (Text); Bernhardi 1847, 3, S. 23– 24; S amans 1850, S. 124 (Nr. 18); B öhme 1895, S. 371–372 (andere Melodie); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 15
Thirza an Allah Die Quelle rauscht, die Mücke schwirrt Im warmen Sonnenstrahl Text: Siegfried August Mahlmann (1771–1826) Musik: Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802)?
Als Komponist wird in der vorliegenden Handschrift der Württemberger Kapellmeister Rudolf Zumsteeg genannt, als Textautor „Tiedge“. In Zumsteegs Ausgabe von „Kleine Balladen und Lieder“ aus dem Jahre 1800 wird als Dichter Siegfried August Mahlmann angegeben. Im selben Jahr bringt Beckers Taschenbuch in „Benno, eine Erzählung“ von August Mahlmann den Text als Gesang der Thirza. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 6r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B ecker 1800, S. 42–43 (Text); Johann Rudolf Zumsteeg, Kleine Balladen und Lieder, Leipzig, Breitkopf & Härtel 1800; August Mahlmanns sämtliche Schriften, nebst Mahlmanns Biografie, Bd. 3, Leipzig, F. Volkmar, 1840, S. 355; L andshof 1900, S. 182.
Ste 16
[ohne Titel] In der Laube saß die Holde An des Felsen Ueberhang Text: Dichter unbekannt Musik: Ernst Georg Jacob Häussler (1761–1837)
Der im württembergischen Böblingen geborene und in Augsburg verstorbene Komponist, Sänger und Gesangslehrer Ernst Georg Jakob Häussler (Haeussler, Haeußler) gehört zu den bekannten süddeutschen Sololiedkomponisten seiner Zeit. Seine Klavierlieder erschienen in Augsburg bei Böhm und Gombart in Druck, auch in Zürich und Wien, und liegen heute in mehreren deutschen Bibliotheken auf. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 7r.
Literatur: Bayerisches Musiklexikon, URL: http://bmlo.de/h0096. (Zugriff: 14. 1. 2020) (biografische Angaben zu Häussler).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 17
Das Grab von Salis / Musik v. Netzer Das Grab ist tief und stille Und schauderhaft sein Rand Text: Johann Gaudenz von Salis-Sewis (1762–1834) Musik: Netzer [Johann Georg (1757–1829) oder Christian (1775–1830)]
Der Text erschien 1793 erstmals in einer Gedichtsammlung von Gaudenz von Salis-Sewis in Zürich, wurde noch vor 1800 vertont, unter anderem von Hans Georg Nägeli und Ernst Häussler, später auch von Franz Schubert, Johann Friedrich Reichardt und Johann Rudolf Zumsteeg. Die hier vorliegende Fassung gibt als Komponisten „Netzer“ an. Dahinter verbirgt sich ein Spross der Bludenzer Musiker- und Komponistenfamilie. Infrage kommen dabei die Brüder Johann Georg und Christian.396 Johann Georg war Musikdirektor in Bludenz, Christian wirkte seit den 1790er Jahren in Zams als Schullehrer und Organist. Beide waren auch kompositorisch tätig. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 7r–7v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 15B, Trauer Lieder, Klaus/Rankweil um 1850, fol. 3v (andere, unbekannte Melodie). LHS 013, Liederbuch der Geschwister Moosbrugger, Schoppernau 1875 bis 1915, S. 21 (Text). LHS 065, 70 Lieder gesammelt von Josef Fetz, 1895 bis 1901, S. 11 (Text). LHS 010, Liederhandschrift Anna Maria Bitsche, Thüringen 1896, Nr. 15 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 118 (Text). M 078/III Mellau, Ludwig Bischofsberger, Lieder gesungen vom Volke in Mellau, Facharbeit 1925, Nr. 96 (Text). LHS 071A, Eine Sammlung schönster Lieder, Nr. 64 (von Ottilie Berger), (Text). M 106/III Schweiz, Liederheft Jakob Stutz (1801–1877), (Original in Stadtbibliothek Zürich).
Auswahl an gedruckten Editionen und Forschungsliteratur: J. G. von Salis Gedichte, 3. Auflage, Zürich 1797, S. 49–50; Erlach 1835, 5, S. 198 (Text mit Komponistenverweisen); W aldhoer 1835, S. 31–32 (andere Melodie); E rk /G reef 1841, S. 64–65 (Melodie von Nägele); B eitl 1970, S. 34.
Ste 18
Das Blümchen von Gleim / Musik von Schw. In einem großen Garten Stand ein Blümchen ganz allein Text: Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) Musik: Schw. [= Ignaz Schwärzler?]
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 7v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: J. W. L. Gleim’s sämmtliche Werke. Erste Originalausgabe aus des Dichters Handschriften durch Wilhelm Korte. Bd. 2, Halberstadt, im Bureau für Literatur und Kunst, 1811, S. 255.
396 Zur Musikerfamilie Netzer siehe: B ösch -N iederer 2013, S. 28–46.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 19
Abendlied von Mathison / Musik v. Krebs Der Abend schleiert Flur und Hein In traulich holde Dämmerung ein Text: Friedrich Matthisson (1761–1831) Musik: Krebs [? Karl August, 1804–1880]
Friedrich Matthisons 1781 gedruckter Text wurde von mehreren Komponisten vertont, die vorliegende Melodie ist bislang nicht eindeutig zuordenbar. Finks „Musikalischer Hausschatz“ bringt die bekannte Fassung von Karl Spazier (1761–1805), das „Schweizer Liederbuch“ von 1828 verweist auf die Melodie des Schweizer Liedkomponisten Hans Georg Nägeli (1773–1836). Der Schreiber/Die Schreiberin der Handschrift Steinle gibt „Krebs“ an. Der Gesang dürfte jedoch keine große Popularität erlangt haben, es gibt auch keine weiteren Belege aus Vorarlberg. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 7v.
Auswahl an gedruckten Quellen und Forschungsliteratur: C hristen 1828, S. 406 (Text mit Komponistenverweis: von Nägeli); A lgier 1841, S. 142, Nr. 251 (Text); B ern hardi 1847, S. 150 (Text); S amans 1850, S. 254 (Nr. 36); F ink 1856, S. 601, Nr. 892; F riedlaender 1902/1962, II, S. 400.
Ste 20
Der Taubenschlag von Gleim / M. v. Schw. Auf meinem Taubenschlag hab’ ich ein kleines Täubchen Das ist ein treues Weibchen Text: Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) Musik: Schw. [= Ignaz Schwärzler (1784–1864)?]
Der schöpferische Musiklehrer Schwärzler war besonders an Dichtern der Aufklärung, wie Johann Wilhelm Ludwig Gleim, interessiert. Der Text zum Lied wurde in Beckers „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ von 1798 aufgenommen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 8r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B ecker 1798, S. 192 (Text).
Ste 21
Aus Aline, Königin von Golkonda, von Berton Willst du froh und ruhig leben, O so wünsche nicht zuviel Text: Vial/Favières nach Michel-Jean Sedaine (1719–1797)? Musik: Henri-Montan Berton (1767–1844)?
„Aline, Königin von Golconda“ ist ein Singspiel in drei Akten nach französischer Vorlage von MichelJean-Sedaine, Komponist ist Henri-Montan Berton. Die Uraufführung fand 1803 in Paris statt, Auf-
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
führungen gab es auch in Stuttgart zwischen 1808 und 1835.397 Ein deutsches Textbuch wurde 1808 in München gedruckt. Die beiden Arien (St 21 und St 22) finden sich nicht darin und werfen somit Rätsel auf, denn auf beide trifft man in pädagogischen Publikationen. 1817 wurde der Text in „Neue Jugend=Zeitung“ in Leipzig abgedruckt. Ist der hier angegebene E. H. Schwabe Verfasser des Textes? Melodieverweis gibt es keinen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 8v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Aline, / Königin von Golconda. / Ein Singspiel in drey Aufzügen, / aus dem Französischen, / Die Musik von Berton, / München, 1808 / Gedruckt bey Franz Seraph Hübschmann; digital: München, Bayerische Staatsbibliothek, Textbuch, Sign. Don.Lud. LIII.12, Münchner DigitalisierungsZentrum Digitale Bibliothek: URL: https:// mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10728385 (Zugriff: 5. 1. 2022] Neue / Jugend=Zeitung. / No 107 Montags, den 15. September 1817 / Industrie=Comptoire in Leipzig, S. 856; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 22
Aus Aline von Berton O Tage sanfter Freude, Weicht nie von mir zurück! Text: Vial/Favières nach Michel-Jean Sedaine (1719–1797)? Musik: Henri-Montan Berton (1767–1844)?
Wie beim Gesang St 21 war bislang eine Zuweisung zu Bertons Singspiel „Aline, Königin von Golconda“ nicht möglich, sein Name steht nicht im Textbuch von 1808.398 Der Text wurde seit 1815 in Liedersammlungen für Schulen, später in Volksschullehrbüchern gedruckt, ohne Angabe eines Verfassers, mit unterschiedlichen Melodien, auch bereits bekannten, wie „Herzlich tut mich verlangen“. Der Schweizer Pädagoge und Komponist Hans Georg Nägeli (1773–1836) nahm sich ebenfalls dieser Verse an. Keine dieser Melodien stimmt mit der Steinle-Aufzeichnung überein. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 9r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Liedersammlung / für Schulen. / Herausgegeben / von / M. K lischer . / Dritte Auflage. / Frankfurt am Main, / bei Franz Barentrapp. / 1815 (Text mit Melodieverweis: Herzlich thut mich etc.), S. 65; Lehrbuch / für den / Anfangs=Unterricht / in den / königlich=baierischen / Volks=Schulen. / […] München, / In dem königl. Central=Schulbücher=Verlage / 1821, S. 90 (Text); H ärtel 1865, S. 459 (nach der Melodie von Hans Georg Nägeli); H olzapfel 2018, Lieder L–Z
397 Zum handschriftlichen Notenmaterial und zu den Aufführungen siehe: Gottwald 2000, S. 79. 398 Libretto als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek. https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/ bsb10728385_00005.html (Zugriff: 25. 5. 2020).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 23
Aus der Schweizerfamilie von Jos. Weigl Wenn sie mich nur von Weitem sieht, So lauft sie was sie kann. Text: Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: Joseph Weigl (1766–1846)
Mehr zur „Schweizerfamilie“ siehe bei St 3. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 9v. VLA, Musiksammlung, Alte Handschriften: Klavierauszug des Singspiels l., o. D.
Ste 24
Aus dem Zitterschläger von P. Ritter Aus fernem Lande wandelt er, So seyd dem Sänger hold Text: Karl Traugott Heinrich Seidel (?) Musik: Peter von Ritter (1763–1846)
Arie des Raimund aus der Oper „Der Zitherschläger“ des Mannheimer Kapellmeisters Peter von Ritter (1763–1846), uraufgeführt in Mannheim 1810. Carl Maria von Weber war von diesem einaktigen Werk begeistert und bescheinigte dem Werk eine vortrefflich innige Musik. Sie ist wahr und ächt dramatisch. Siehe dazu auch die Romanze des Raimund in der Handschrift Hörner im vorliegenden Buch, H 5. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Liederhandschrift Steinle, o. S., fol. 9v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Arien und Gesänge / aus / dem Singspiel / Der Zitherschläger, in einem Aufzuge. / von / Heinrich Seidel / Die Musik ist vom Herrn Kapellmeister Ritter / in Mannheim. / Berlin 1812. S. 6; Hinterlassene Schriften / von Carl Maria von Weber. / Erster Band. / Dresden und Leipzig, / Arnoldische Buchhandlung / 1828, S. 42–43; Gottwald 2004, S. 78.
Ste 25
Aus der Oper: Silvana v. K. Maria v. Weber Sah ich sonst ein Mädchen bescheiden und stumm Husch schlich ich ums schüchterne Täubchen herum Text: Franz Carl Hiemer (1768–1822) Musik: Carl Maria von Weber (1786–1826)
„Silvana“ ist eine romantische Oper von Carl Maria von Weber, seine fünfte, uraufgeführt 1810 in Frankfurt am Main. Sie entstand in einer Schaffensperiode während seines Aufenthaltes 1808 in und um Stuttgart. Das Libretto dazu schrieb der Württembergische Schriftsteller Franz Carl Hiemer. Hier liegt die Ariette des Knappen Krips aus dem zweiten Akt vor. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 10r.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Arien und Gesänge / aus / Silvana, / heroische Oper in Drey Aufzügen / von / F. K. Hiemer. / In Musik gesetzt / von / Carl Maria von Weber / Berlin, 1812, S. 19–20 (Textbuch).
Ste 26
Aus der Oper: die Festung an der Elbe von Fischer Kaum wechselt die Nacht mit düsterem Grau So ward ich schon fröhlich wach Text: Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: Anton Friedrich Fischer (1778–1808)
Die dreiaktige Oper des gebürtigen Schwaben und zweiten Kapellmeisters am „Theater an der Wien“, Anton Friedrich Fischer,399 wurde 1806 in Wien uraufgeführt. Notenmaterial besitzt die Württembergische Landesbibliothek (Sig. HB XVII 168 a–c). Siehe dazu auch Handschrift Hörner im vorliegenden Buch H 28. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 10r–10v. VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: Noten-Buch von Louise Hörner1823, fol. 40r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Die / Festung an der Elbe. / Eine / Oper in drey Aufzügen, / nach dem Französischen / frey bearbeitet / von Castelli. / Die Musik ist von Herrn Fischer, Compositeur / dieses Theaters. / Für das k. auch k. k. Theater an der Wien. / Wien, / gedruckt und verlegt bey Anton Strauß. / 1806. (Textbuch); Gottwald 2000, S. 164–165; Holzapfel 2018, Lieder A–K.
Ste 27
Elisa von Sterkel / op.12 Schön ist einer Rose jugendliche Knospe, Wenn vom Thau benetzt sie aus grüner Laube Text: Benedict Josef Maria von Koller (1769–1798)? Musik: Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817)
Aus Sterkels „Sechs Gesänge mit Begleitung des Piano-Forte“, 12. Sammlung, Nr. 4 (StWV 64/4), nach einem Text des schwäbischen Dichters Benedict Josef Maria von Koller. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 10v-11r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann Franz Xaver S terkel , Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte […] 12te. Sammlung. B. Schott in Mainz [1812], S. 10-13. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek. URL: https://daten.digitale-sammlungen. de/~db/0004/bsb00045753/images/ (Zugriff: 28. 4. 2020). Joachim Fischer, Werksverzeichnis, Nr. 64, digital: URL: http://www.sterkel-gesellschaft.org/download/Sterkelwerkverzeichnis-nummeriert.pdf. (Zugriff: 26. 7. 2016).
399 Anton Friedrich Fischer war ein Bruder des Klosterkomponisten Matthias Fischer (1763–1840), dessen sakrale Werke in Vorarlberg bekannt waren und heute noch in historischen Beständen verwahrt sind. Siehe dazu: Bösch-Niederer 2005, S. 23, S. 53, S. 100.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 28
Der Bund / v. Sterkel op. 12 Hast dus in meinem Auge nicht gelesen, Was ungestüm dein Mund seit gestern fragt? Text: Friedrich von Matthisson (1761–1831) Musik: Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817)
Aus Sterkels „Sechs Gesänge mit Begleitung des Piano-Forte“, 12. Sammlung, Nr. 2 (StWV 64/2). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 11r–v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann Franz Xaver S terkel , Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte […] 12te. Sammlung. B. Schott in Mainz [1812], S. 4–6. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek. URL: https://daten.digitale-sammlungen. de/~db/0004/bsb00045753/images/ (Zugriff: 28. 4. 2020); Joachim F ischer , Sterkel Werksverzeichnis, Nr. 64, URL: http://www.sterkel-gesellschaft.org/download/Sterkelwerkverzeichnis-nummeriert.pdf. (Zugriff: 26. J7. 2016).
Ste 29
Das stille Leben von Sterkel / op.13 Das Bächlein, das im Thale so leise murmelnd fließt Im unsichtbaren Kanale sich über Fluren gießt Text: Dichter unbekannt Musik: Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817)
Aus Sterkels „Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte, 13. Sammlung.“ (StWV 65/4). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 11v–12r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Joachim Fischer, Sterkel Werksverzeichnis, Nr. 65, URL: http://www.sterkel-gesellschaft.org/download/Sterkelwerkverzeichnis-nummeriert.pdf. (Zugriff: 26. 7. 2016).
Ste 30
Klärchens Lied aus Egmont von Reichardt Freudvoll und leidvoll, gnadenvoll seyn hangen und bangen in schwebender Pein Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Musik: Johann Friedrich Reichardt (1752–1814)
Am 16. Juni 1801 berichtet die „Zeitung für die elegante Welt“ über eine Aufführung von Goethes Trauerspiel „Egmont“ im Berliner Nationaltheater mit Reichardts Theatermusik, die von der Kritik wenig wohlwollend aufgenommen wurde. Eine Musikbeilage (1801, Nr. 72) mit dem Titel „Klärchens Lieder aus Göthes Egmont“ sorgte für die Verbreitung dieses Liedes.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 12r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Zeitung für die elegante Welt, 16. Juni 1801, Nr. 72, Musikalische Beilage Nr. 6; Bericht über die Aufführung in Berlin auf S. 580–581; F riedlaender 1902/1962, I, S. 207 (Nr. 137).
Ste 31
Lebenslied von Riel Junge Freudengötter! Flattert auf und ab, Streut Rosenblätter auf den Ernst herab Text: Christoph August Tiedge (1752–1841) Musik: Johann Friedrich Heinrich Riel (1774–1845)
Der Text wurde 1803 in Christoph August Tiedges Sammlung „Elegien und vermischte Gedichte“ publiziert und im 19. Jahrhundert mehrmals vertont, unter anderem von Hans Georg Nägeli (1773–1836). Komponist der vorliegenden Fassung ist der Königsberger Musiker Johann Friedrich Heinrich Riel. Das Lied soll in seiner Sammlung „Gesänge mit Begleitung des Pianoforte“ (Breitkopf und Härtel, Leipzig 1809) erschienen sein.400 Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 12v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Tiedge Christoph August, Elegien und vermischte Gedichte. Bd. 1., Halle, Rengersche Buchhandlung, S. 179– 182; B ernhardi 1847, II, S. 242–243 (Text ohne Melodie- oder Komponistenverweis).
Ste 32
Rundgesang Könnt ihr die Göttin Freude zwingen, vom Himmel sich herab zu schwingen Text: Johann Christoph Friedrich Haug (1761-1829) Musik: Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802)
Wie bereits im vorangehenden Lied, kommt auch hier das Thema „Freude“ zum Ausdruck. Freude und Freundschaft nehmen in der Dichtung dieser Zeit einen besonderen Stellenwert ein. 1804 erschien „Könnt ihr die Göttin Freude zwingen“ als „Rundgesang“ in Reichardts „Neue Lieder geselliger Freude“. Er gibt dort auch die Autoren an, die Melodie ist bei Steinle leicht verändert. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 12v–13r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann Friedrich Reichardt (Hrsg.). Neue Lieder geselliger Freude, 1804, 2, Nr. 2; Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich Campe (Text); Allgemeines Schweizer-Liederbuch 1838, S. 272 (Text, Melodieverweis: Zumsteeg); Bernhardi 1847, I, Nr. 1243; Fink 1843, S. 436; Linder-Beroud, Zur populären Rezeption von Schiller-Liedern, in: Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchives 2009, S. 196; Wolfgang Mauser, „Göttin Freude“ Zur Psychosoziologie eines literarischen Themas. Sonderdruck aus der Albert-LudwigUniversität Freiburg. 1981, digital: URL: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:25-opus-67677 (Zugriff: 16. 1. 2022). 400 Angabe nach: Emily Ezus, in: Liedernet Archive, https://www.lieder.net/lieder/get_text.html?TextId=64071 (Zugriff: 26. 5. 2020).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 33
Maygesang von Göthe / M. v. Beethoven Wie herrlich leuchtet mir die Natur! Wie glänzt die Sonne, wie lacht die Flur! Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Musik: Ludwig van Beethoven (1770–1828)
Goethes Text aus dem Jahre 1771 inspirierte mehrere Komponisten. Zwischen 1790 und 1805 dürfte Beethovens „Mailied“ op. 52, Nr. 4 entstanden sein. Die Druck-Erstausgabe erfolgte 1805 in Wien. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 13r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Acht Lieder / mit Begleitung des Klaviers / op. 52 / Wien Bureau des Arts et d’Industrie, n. d. [1805]. Platte 408; S amans 1850, S. 244 (Nr. 25); H offmann /P rahl 1966, S. 266–267; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 34
Gesang aus der Oper: die beyden Füchse von Mehul Schon in des Lebens Blüthenmay war ich dem Kummer preisgegeben Text: Jean-Nicolas Bouilly (1763–1842) Musik: Ètienne-Nicolas Méhul (1763–1817)
Aus der Oper „Die beiden Füchse“ („Une folie“) von Ètienne-Nicolas Méhul, 1802 in Paris uraufgeführt. Die Romanze der Armantine ist bald nach der Uraufführung mehrfach als Einzeldruck in deutscher Sprache erschienen, um 1816 auch bei Mollo in Wien. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 13v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Romanze aus der Oper die beyden Füchse mit Begleitung des Forte-Piano oder Harfe von H. Méhul. Druck: Wien bey T. Mollo Comp [um 1816], PN 1626 (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Mus.pr.2405); Erato. Auswahl beliebter Gesänge mit leichter Begleitung der Guitarre. München: Joseph Aibl [um 1850] Nr. 7, S. 3–7.
Ste 35
Lied aus der Oper: Der Freyschütz von Karl Maria v. Weber Hier im irdschen Jammerthal Wär’ doch nichts als Plack [= Plag] und Qual Text: Johann Friedrich Kind (1768–1843) Musik: Carl Maria von Weber (1786–1826)
Arie des Jägerburschen Kaspar aus Carl Maria Webers Oper „Der Freischütz“. Am 18. Juni 1821 fand in Berlin die Uraufführung statt. Die Liederhandschrift Steinle enthält mit den Niederschriften von Ste 35 und Ste 36 (Chor der Brautjungfern) somit brandaktuelle Beiträge zur Unterhaltung.
265
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 13v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 045/I Götzis, Volkslieder aus Götzis, Facharbeit Elise Ellensohn 1925, Nr. 112.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: H offmann /P rahl 1966, S. 120; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
Ste 36
Chor der Brautjungfern aus der Oper: Der Freyschütz von K. M. v. Weber Wir winden dir den Jungfernkranz mit veilchenblauer Seide Text: Johann Friedrich Kind (1768–1843) Musik: Carl Maria von Weber (1786–1826)
Carl Maria von Webers Chorgesang aus der Oper „Der Freischütz“ ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verbreitet durch Gesellschaftsliederbücher, weithin im Volksgesang zu finden, so auch in Vorarlberg.
Abb. 115: „Wir winden dir den Jungfernkranz“ aus der Oper „Der Freischütz” von Carl Maria von Weber. Handschrift Steinle.
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 14r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 003, Liederhandschrift Jodok Seelmayer 1841, Nr. 36. LHS 064, Liederheft für Ursula Häfele, Hohenems 1879–1881, Nr. 5 (Text). M 012/II Bizau, (neu LHS 008), anonyme Handschrift aus Bizau, um 1850, Nr. 11 (Text). Der junge Vorarlberger. Vereins- und Jugendliederbuch, Bregenz, 1. Aufl. 1907, S. 109 (Nr. 71).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: C hristen 1828, S. 388 (Text); H offmann /P rahl 1966, S. 274; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 37
An die Unbekannte. / Mit Veränderungen von Krebs Ans Mägdlein sey dies Lied gericht, Die mich nicht kennt und ich sie nicht Text: Christian (1748–1821) und Friedrich Leopold (1750–1819) Grafen zu Stolberg Musik: Krebs [? Karl August 1804–1880]
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 14r–15r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Sämtliche Gedichte der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. Neue Auflage, Frankfurt und Leipzig 1783 (Text).
Ste 38
Canzonette dal Sign. F. Danzi / op. 13 Fra tutte le pene v‘é pena maggiore Text: Pietro Metastasio (1698–1782) Musik: Franz Danzi (1763–1826)
Franz Danzi kommt aus Württemberg. Der Sohn eines in Mannheim lebenden italienischen Musikers wirkte als Kapellmeister und Komponist in München, Stuttgart und Karlsruhe. 1804 führt das Leipziger Intelligenzblatt unter den Neuerscheinungen Danzis „6 Canzonette“ op. 13 an. Metastasios Text wurde unter anderem auch wenige Jahre zuvor von Ludwig van Beethoven (WOO99) vertont. Siehe auch Ste 43, eine Vertonung des Textes von Häussler. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 15r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Gnädigst privilegirtes Leipziger Intelligenzblatt […] auf das Jahr 1804. Leipzig im Intelligenz-Comptoir, S. 85; Siehe auch: RISM ID no.: 450029437.
Ste 39
Ridente la calma dal Sign Mozart Ridente la calma, fidesti nel alma Text: Dichter unbekannt Musik: W. A. Mozart (1756–1791) / Josef Mysliveček (1737–1781)
Hinter Mozarts „Ridente la calma“, KV 152/210a, versteckt sich eine Melodie aus der Oper „Armida“ des böhmischen Komponisten Josef Mysliveček (1737–1781), „Il caro mio bene“, deren bearbeitete Fassung 1779 in Mailand zur Uraufführung gelangte. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 15v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Flothius Marius, „Ridente la calma – Mozart oder Myslivecek?“ In: Mozart Jahrbuch 1971/72, Hrsg. Internationale Stiftung Mozarteum, Kassel, Basel S. 241–243.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 40 bis Ste 44
V. Canzonette com. D Ern: Haeusler I Trova un sol mia bella Clori II Credi mi fin che puoi III Piangero la mia Sventura IV Fra tutte le pene v‘é pena maggiore V Che chiedi? Che brami? Text: Pietro Metastasio (1698–1782) u. a. Musik: Ernst Georg Jakob Häussler (1761–1837)
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 16r-17v.
Ste 45
Die Nacht [-] von Tieck / Reichardt Im Windgeräusch, in stiller Nacht, geht dort ein Wandersmann Text: Ludwig Tieck (1773–1853) Musik: Johann Friedrich Reichardt (1752–1814)
Der Text zum „Lied der Nacht“ wurde 1802 in einem Musenalmanach, der von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck herausgegeben wurde, in Tübingen publiziert. Im selben Jahr erschien die Komposition Reichardts in der „Zeitung für die elegante Welt“. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 17v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Musenalmanach für das Jahr 1802, hrsg. von A[ugust] W[ilhelm] S chlegel und L[udwig] T ieck . Tübingen 1802, S. 116–117 (Text); Zeitung für die elegante Welt, September 1802, Musikbeilage Nr. 9; E rlach 1835, 5, S. 223 (Text mit Komponistenverweis); H offmann /P rahl 1966, S. 152; Fink 1856, Nr. 778; H ärtel 1885, Nr. 419; B öhme 1895, Nr. 212.
Ste 46
Gesang von Her[r]n Peter v. Winter Bald kehrt eine Wonne zum ewigen Verein, euch Fluren, euch ihr Haine, verkünd es mein Blick! (Il cielo la terra mi ride intorno Piu lucido il giorno) Text: Lorenzo da Ponte (1749–1838) Musik: Peter von Winter (1754–1825)
„Il cielo la terra!“, Arie aus Peter von Winters Oper „Il trionfo dell’amor fraterno“ (deutscher Titel: „Castor und Pollux oder Der Triumph der Freundschaft (Triumph brüderlicher Liebe)“, 1804 in London uraufgeführt. Bei Steinle ist der Text in deutscher und italienischer Sprache niedergeschrieben. Die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek Donaueschingen verwahrt eine Abschrift der Arie in der Sammlung „6. Airs italiens“ (Mus.ms 2658).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 18r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Siehe: RISM: ID no.: 450029356.
Ste 47
Aus der Oper: Cyrus von Seyfried Sieh mich, oh Sonne! Sieh mich hier im Staube, betend zu der Allmacht Thron. Text: Joseph Gabriel Ritter von Seyfried (1780–1849) Musik: Ignaz Ritter von Seyfried (1776–1841)
Arie des Cyrus aus dem 2. Aufzug der heroischen Oper „Cyrus“ des österreichischen Kapellmeisters und Bühnenkomponisten Ignaz Ritter von Seyfried nach dem Text seines Bruders Joseph aus dem Jahre 1803. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 18v–19r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Cyrus. / Eine / große heroische Oper, / in / zwey Aufzügen. / Von. G. R. von Seyfried. / Wien / gedruckt bey J.B. Degen / 1804, S. 81 (Textbuch).
Ste 48
Romanze von Righini Die Zärtlichkeit des Gatten, sein immer neues Weh Entführte kühn den Schatten der Nacht Euridice Text: Karl Müchler (1763–1857) Musik: Vincenzo Righini (1756–1812)
Komponist dieser Romanze ist der im deutschen Sprachraum wirkende Italiener Vincenzo Righini. Der Gesang aus seiner Pantomime „Minerva belebt die Statuen des Dädalus“ (Minerva und Dädalus) scheint sehr populär gewesen zu sein und taucht gerne in handschriftlichen Liedersammlungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Ausgaben der Romanze wurden um 1811 bei Breitkopf und Härtel in Leipzig gedruckt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 19r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Allgemeine musikalische Zeitung 13, Leipzig 1811, S. 41 (Liste der Neuerscheinungen). Weitere Handschriftenbelege siehe: RISM ID.no.: 455025655, 455025201 u. a..
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 49
Frühzeitiger Frühling von Göthe / v. Schw Tage der Wonne, kommt ihr so bald, schenkt mir die Sonne, Hügel und Wald Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Musik: Ignaz Schwärzler (1784–1864)?
Goethes Gedicht „Frühzeitiger Frühling“ wurde mehrfach vertont. „v. Schw.“ verweist auf den Bregenzer Gesangslehrer Schwärzler als Komponisten. Eine spätere Vertonung von Friedrich Silcher wurde 1911 als Nr. 112 in das „Liederbuch für Schule und Haus“ des Vorarlberger Lehrers Franz Josef Wirthensohn aufgenommen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 19v. Josef Wirthenssohn, Lieder für Schule und Haus, 1911, Nr. 112 (Vertonung von Silcher).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
Ste 50
Abschied von der Heimath Von dir, o Dörfchen, soll ich scheiden, von dir, o theures Vaterhaus Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt (E. H. Schw-t)
Der Text erschien 1807 in „Bildungsblätter oder Zeitung für die Jugend“ unter dem Titel „Linna’s Abschied von der Heimat“; der Autor gibt sich nur mit den Initialen „E. H. Schw-t“ zu erkennen. Knapp vierzig Jahre später findet sich der Text in einem Schweizer Volksliederbuch, in Gesellschaftsliederbüchern und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Schulliederbüchern. In Veröffentlichungen sind volkstümliche Melodien bekannt, die jedoch nicht mit der vorliegenden identisch sind. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 19.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Bildungsblätter oder Zeitung für die Jugend, H. 37, 26. März, (Leipzig) 1807 (Text); Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich Campe (Text); Schweizerisches Volks-Liederbuch, hrsg. von Franz Fluri, Bern 1848, S. 510 (Text); Sterr Georg (Hrsg.) Zweihundert fromme Lieder, Regensburg 1863 (Text und andere Melodie).
Ste 51
Lied der Freude / v. Spohr Rauschet, ihr Meere, und wehet, ihr Winde! Mädchen, das Leben entfliehet geschwinde! Text: C. Grass (?) Musik: Ludwig Spohr (1784–1859)
Im Jänner 1809 erschien das Gedicht im „Morgenblatt für gebildete Stände“ und im Juli desselben Jahres auch im „Intelligenzblatt für Salzburg“. 1809/10 wurde es von Ludwig Spohr vertont und bald darauf als op. 25 (Sechs deutsche Lieder, Nr. 4) bei Johann August Böhme in Hamburg gedruckt.
270
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 20r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: M 012/II Bizau (= neu LHS 008), anonyme Handschrift aus Bizau, um 1850, Nr. 10 (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Sechs / deutsche Lieder / mit / Begleitung des Pianoforte / in Musik gesetzt / [….] von / Louis Spohr. / 25tes Werk / Hamburg / Bey Johann August Böhme.
Ste 52
Ständchen von A. Apel / v. Harder Tritt heraus ins stille Dunkel, lausch am Fenster gern dem Klang Text: August Apel (1771–1816) Musik: August Harder (1775–1813)?
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 20r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Selene. Zugleich als Fortsetzung des Journals für deutsche Frauen, hrsg. von Friedrich Rochlitz, Jg. 2, Bd. 2, S. 91, Leipzig 1808, S. 91 (Text).
Ste 53
Canzone comp: da Sign: Sterkel Chi vive senza amore Text: Dichter unbekannt Musik: Johann Franz Xaver Sterkel (1750–1817)
Aus Sterkels „Deux Ariettes Italienes et un Duettino avec acc. de Piano-forte – Sixieme Livraison“, Nr. 1; wurde 1806 als Neuerscheinung angepriesen (StWV 13). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 20v–21r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Joachim Fischer, Sterkel Werksverzeichnis, Nr. 13, URL: http://www.sterkel-gesellschaft.org/download/Sterkelwerkverzeichnis-nummeriert.pdf (Zugriff: 26. 7. 2016); RISM: S 5773; Kurfürstlich Erzkanzlerisches Regierungsund Intelligenzblatt. Regensburg 1806, S. 471.
Ste 54
Lied der kleinen Mignon von Goethe / M. v. Häußler Kennst du das Land, wo die Citronen blühn, in dunkelm Laub die Goldorangen glühn Text: Johann Wolfgang von Goethe (1779–1832) Musik: Ernst Georg Jakob Häussler (1761–1837)
Goethes „Lied der Mignon“ war in Vorarlberg in mehreren Varianten sehr beliebt. Der Text stammt aus dem 1795 erschienenen zweiten Band von Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“. Ihn vertonte
271
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
unter anderem der Württemberger Komponist Ernst Häussler, welcher sein Lied um 1799 in Augsburg beim Musikverlag Gombart herausgab. Da beinahe alle weiteren Belege aus Vorarlberg nur den Text aufweisen, ist eine melodische Zuordnung nicht möglich. Die Aufzeichnung aus Nüziders bringt die Melodievariante von Friedrich Heinrich Himmel (1765–1814), so auch das Vereins- und Jugendliederbuch von 1907, jene aus Lustenau eine bislang unbekannte Melodie. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 21v–22r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 010, Liederhandschrift Anna Maria Bitsche, Thüringen 1869 (Text). LHS 017, Anonyme Liederhandschrift aus Nüziders, 1899/1902, Nr. 41 (Text). LHS 054, Liedersammlung für L. B. Böschen Dokussen, um 1840, Nr. 6 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 35 (Text). LHS 071c, Liederheft Ottilie Berger, 20. Jh., Nr. 39 (Text). M 005/I Andelsbuch, Register des Liederalbums für Anna Moosbrugger-Metzler aus Schwarzenberg M 075/IIIb Lustenau, Sammlung Wolske Broger, Lustenau, 1983, Nr. 3a (Text). M 075/V Lustenau, Sammlung Pauli Hofer, Nr. 4b (andere, unbekannte Melodie). M 085/IIIa Nüziders, Sammlung Arthur Wolf, 1972, Nr. 35 (Melodie: Himmel). Der junge Vorarlberger. Vereins- und Jugendliederbuch, Bregenz, o. J. [1. Aufl. 1907, S. 55 (Nr. 32. Melodie: Himmel).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: G oedeke 2011, S. 431; H ärtel 1885, S. 341, Nr. 441 (Melodie von Himmel); F ink 1856, S. 582, Nr. 866 (Melodie von Reichardt), H offmann /P rahl 1966, S. 163; H olzapfel 2018, Lieder A–K.
Ste 55
Canzone da E. Haeussler Dove sei, amato bene? Vieni l` alma a consolar Text: Dichter nicht bekannt Musik: Ernst Georg Jakob Häussler (1761–1837)
Aus Ernst Häusslers Sammlung „Sei Canzonette Italiane, mit Begleitung des Klaviers“, die laut Wiener Zeitung vom 6. Oktober 1798 zu den aktuellen Neuerscheinungen gehörte. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 22r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Sei / Canzonette Italiane / Composte / da Ernesto Haeussler / […] a Vienna presso T. Mollo e Comp. [Pl. Nr.] 104 [um 1798].
Ste 56
Die Schäferin von Schreiber / M. v. Harder Dort auf des Berges Höhen sah ich den Jüngling stehen Text: Christian Johann Christoph Schreiber (1781–1857) Musik: August Harder (1775–1813)
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 22v.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Ste 57
Viele und die Eine von Herr v. Götz / v. Schw. Viele schmücket Reitz und Güte, ziert des Geistes edler Sinn Text: Erasmus von Götz (Daten nicht bekannt) Musik: Ignaz Schwärzler (1784–1864)
Hier dürfte es sich wohl um eine sehr persönliche dichterische Schöpfung des Verlobten von Franziska Steinle, Erasmus von Götz, handeln, die der Gesangslehrer Schwärzler vertonte. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Lieder-Sammlung Steinle, o. S., fol. 22v.
Liederhandschrift Hörner, 1823
Abb. 116: Noten-Buch / von / Louise Hörner / 1823. VLA, Musiksammlung, Nachlass Stülz, Nr. 01026
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Die Handschrift und ihr Repertoire Das Noten-Buch von Louise Hörner hinterlässt viele offene Fragen. Die Identität der Besitzerin des Notenheftes mit Klavierbegleitung konnte nicht eindeutig geklärt werden. Auch ist es nicht bekannt, wie und wann die Handschrift in den Besitz des Bezauer Lehrers Josef Stülz (1845–1910) gelangte. Hatte er sie käuflich erworben oder wurde sie ihm geschenkt? Hatte er sie im Rahmen seines Lehrerstudiums in Bregenz erhalten? Benutzte er sie im Unterricht? Seit wann befand sie sich in Bezau? Offen bleibt weiterhin, ob die Lieder überhaupt in Bezau gesungen wurden. Zum Liederschatz in diesem Ort sind bislang keine vergleichbaren zeitgemäßen Quellen bekannt. Aber es gibt auch keine Übereinstimmungen im Liederheft der Rosa Maria Rüscher aus dem benachbarten Bizau. Mit dem Nachlass Stülz kam die Handschrift in das Vorarlberger Landesarchiv. Noch basiert die Identität der Besitzerin auf Vermutungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei Louise Hörner um die 1806 in Lindau geborene Tochter des J. G. Friedrich Hörner (1775–1865) handelt. Hörner war ein gebürtiger Augsburger Protestant, der als Privatlehrer Ende des 18. Jahrhunderts an den Bodensee kam und in Lindau ein pädagogisches Privat-Institut errichtete, das auch Vorarlberger besuchten. 1824 wurde Louise Lehrerin für weibliche Arbeiten am Institut des Vaters, 1833 ehelichte sie den Lindauer Kaufmann Christian Friedrich Jäger.401 Musik gehörte an ihrem Wirkungsort zu den Unterrichtsgegenständen, insbesondere Klavier und Gesang. Musiklehrer am Institut war kein Geringerer als Johann Azenhofer (1781–1847), der als Komponist von Messen, Singspielen, Kantaten und Liedern weit über die Region hinaus bekannt wurde. Gemeinsam mit Hörner schuf er 1823 die Operette „Der Schöpfungsmorgen“, die von Falter und Sohn in München gedruckt wurde.402 Lindau war in der „Biedermeierzeit“ eine kulturell sehr umtriebige Stadt. Das gesellige Leben fand hier nicht nur in Privathäusern statt, zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde eine Theaterliebhabergesellschaft gegründet, die aktuelles Musiktheater zur Aufführung brachte, wie 1825 Carl Maria von Webers Schauspielmusik zu „Preciosa“. Eine „Harmonie- und Lesegesellschaft“ veranstaltete regelmäßige Treffen und erwarb 1813 zur abendlichen Unterhaltung ein Klavier, 1821 wurde ein Musikverein gegründet.403 Vor diesem Hintergrund ist die Entstehung dieser Handschrift durchaus erklärbar. Spannend ist aber dann die Frage: Wie kommt eine Handschrift aus protestantischem Hause in den Besitz eines katholischen Organisten? Das Repertoire der Handschrift entspricht dem Modegeschmack des aufstrebenden Bürgertums, wobei ein Schwerpunkt auf dem aktuellen zeitgenössischen Opernrepertoire liegt. Ohrengefällige Arien von Gioachino Rossini und auch von heute wenig beachteten Komponisten wie Conradin Kreutzer, Friedrich Jonathan Knapp, Peter Ritter, Anton Friedrich Fischer und Joseph Weigl, stellen höchste Ansprüche an eine Laiensängerin. Zeitgenössischem Repertoire entsprechen auch die einfachen Gesänge. Für die Liedforschung und Rezeptionsgeschichte von Interesse ist, dass manches Lied nur wenige Jahre später im Volksgesang Eingang fand. Als Vermittler kommen weitgehend diverse Notenpublikationen für Zither oder Gitarre infrage. Zwei Lieder tauchen in der Handschrift des Eggers Jodok Seelenmayer von 1841 auf (hier H 10, H 17), einige finden sich noch im 20. Jahrhundert im Liederschatz der Vorarlberger. Auffallend ist bei Hörner das Fehlen von Vaterlandsliedern, von religiösen Liedern und Schulliedern. Dies deutet auf einen privaten Gesangsunterricht zur Pflege des bürgerlichen Ideals von weiblichen Tugenden hin.
401 Intelligenzblatt der Stadt Lindau, Hrsg. Andreas Stoffel und Sohn, Lindau 26. 10. 1824 und 4. 6. 1833. 402 Intelligenzblatt der Stadt Lindau, 25. 2. 1823. 403 D obras 1996, S. 45.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Quellenbeschreibung: Gebundene Handschrift (Baumwoll-Fadenbindung); 24 x 31 cm; marmorierter Einband mit Klebeschildchen, Aufschrift: Noten-Buch / von / Louise Hörner / 1823. 48 Bl.; bräunliche Tinte. Nicht nur die Namensträgerin, auch das Papier weist in die Bodenseeregion. Es gibt drei unterschiedliche Papierarten, die gebunden wurden. Wasserzeichen sind ein großer Anker mit dem lesbaren Buchstabe A, in den angehefteten beiden Nachträgen findet sich SCHMID IN BASEL / KL. REAL und ein weiteres nicht identifizierbares Zeichen. Signatur/Bestand: Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung, Nachlass Stülz, NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823.
Liedkatalog Wie bereits bei der Handschrift Steinle wird auch hier, da es sich deutlich um Abschriften aus Drucken oder aus anderen Handschriften für Klavier und Singstimme handelt, die in Bibliotheken liegen und heute bereits digital vorhanden sind, weitgehend auf die Wiedergabe von Noten und Text verzichtet. Es sei denn, es gibt mehrere Belege aus Vorarlberg. Hinweise zu Druckvorlagen oder andere Ausgaben finden sich im Kommentar,
H1
Romanze aus der Oper „Die Alpenhütte“ Mit langem Barte bleich und blaß Ein armer Greis in Ketten saß Text: August von Kotzebue (1761–1819) Musik: Conradin Kreutzer (1780–1848)
Kotzebues Text wurde mehrmals vertont, unter anderem von Conradin Kreutzer (1814), J. Miller (1815), Johann Philipp Schmidt (1816). Bei der Romanze handelt es sich um die Arie der Camilla aus der zwölften Szene der einaktigen Oper „Die Alpenhütte“ von Kreutzer, einem schwäbischen Komponisten. Die Uraufführung fand 1814 im Schlosstheater der Residenz der Württembergischen Könige in Ludwigsburg statt. Ein Klavierauszug wurde bei Gombart in Paris gedruckt (Privatdruck 1814). Regionale Aufzeichnungen: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 1r-3r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Johann S chickh (Hrsg.) Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. 1822 Drittes Quartal des siebenten Jahrgangs, S. 756 (Bericht über eine Aufführung); G ottwald 2000, S. 291 (Württembergische Landesbibliothek, Handschrift HB XVII 276.).
H2
Romanze aus dem Minnesaenger Den Wohlklang in der Kehle, Die Zither in der Hand Text: nach August Kotzebue, von Friedrich Schlotterbeck (1765–1840) Musik: Friedrich Jonathan Knapp (1784–1817)
Die Texte des schwäbischen Dichters Friedrich Schlotterbeck wurden gerne vertont, sein Lied „In Myrtills zerfallener Hütte“ findet sich in oberösterreichischen Aufzeichnungen der Sonnleithner-
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Sammlung.404 Der Komponist Friedrich Jonathan Knapp kam aus Württemberg und wirkte viele Jahre in Stuttgart, wo seine Oper „Der Minnesänger“ am 19. Oktober 1811 uraufgeführt wurde. Der Text der bei Hörner aufgezeichnete Arie des Goswin (Nr. 5) findet sich im Textbuch von 1811 auf Seite 10. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 3r–5r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Bayerische Staatsbibliothek München, Librettosammlung Her (Slg. Her 1151). Informationen zum Werk und Textbuch von 1811 siehe: Münchner DigitalisierungsZentrum Digitale Bibliothek: URL: https://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00053811-6 (Zugriff: 16. 1. 2022); Gottwald 2000, S. 278f. (Württembergische Landesbibliothek, Handschrift HB XVII 264); RISM ID no.: 250015741.
H3
Wiederseh’n Wiedersehn, Wort des Trostes, o wie schön Text: Siegfried August Mahlmann (1771–1826)? Musik: Komponist unbekannt
Der Text war beliebt und wurde mehrmals vertont, unter anderem auch von Rudolf Zumsteeg, Johann Franz Xaver Sterkel und Ernst Häussler. Für die hier vorliegende melodische Fassung wurde bislang kein Nachweis gefunden. Hinweise zu Komponisten finden sich später auch bei den Texten in Schweizer Liederbüchern. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 5v-6r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Maurische oder gesellschaftliche Lieder zum Gebrauch der Großen Landes-Loge von Deutschland in Berlin und ihrer Töchter Logen. Berlin 1817, S. 120 (Text); C hristen 1833, S. 275 (Text); Fink 1843, S. 684, Nr. 1000 (Melodie von Zumsteeg); H ärtel 1885, S. 699, Nr. 893 (Melodie von Zumsteeg); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
H4
Gebet während der Schlacht Vater ich rufe dich Brüllend umwölkt mich Text: Karl Theodor Körner (1791–1813) Musik: Friedrich Heinrich Himmel (1765–1814)
Der Text aus dem Gedichtband „Leyer und Schwert“ von Theodor Körner wurde von Friedrich Heinrich Himmel 1813 vertont, oftmals in Kriegslieder- und Kommersbücher aufgenommen und findet sich vor dem ersten Weltkrieg auch im Österreichischen Liederbuch für Bürgerschulen. In Vorarlberg scheint dieser Gesang nicht weiter bekannt gewesen zu sein. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 6v–7r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Härtel 1885, S. 624; Mair/Kirchl 1911, S. 10; Hoffmann /Prahl 1966, S. 236; Holzapfel 2018, Lieder L–Z. 404 P etermayr 2006, S. 142–144.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H5
Romanze aus dem Zitherschläger Ritter Arno ging zu kämpfen Denn sein Bruder lag in Banden Text: Karl Traugott Heinrich Seidel (keine Daten bekannt) Musik: Peter von Ritter (1763–1846)
Romanze des Raimund aus der Oper „Der Zitherschläger“ des Mannheimer Kapellmeisters Peter Ritter, uraufgeführt am 1. April 1810 in Mannheim. Die Württembergische Landesbibliothek verwahrt eine handschriftliche Partitur (Kopie) des Werkes. Eine weitere Arie des Raimund findet sich auch in der Liederhandschrift Steinle (siehe im vorliegenden Buch Ste 24). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 7r–10v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Erlach 1835, 5, S. 584/585 (Text mit Hinweisen zum Singspiel); Gottwald 2004, S. 78 (Württembergische Landesbibliothek, Handschrift HB XVII 541); RISM ID no.: 450111287 (Ballade Ritter Arno).
H6
Ritter Toggenburg Ballade von Schiller Ritter, treue Schwesterliebe, Widmet euch dies Herz Text: Friedrich Schiller (1759–1805) Musik: Johann Rudolf Zumsteeg (1760–1802)
1798 erscheint Schillers Ballade in seinem „Musenalmanach“, einer der bekanntesten Sammlungen dieser Zeit.405 Nur zwei Jahre später erfolgte der Druck von Johann Rudolf Zumsteegs Vertonung. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 11r–14v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: S chiller 1798; [Johann Rudolf Zumsteeg], Kleine Balladen und Lieder mit Klavierbegleitung, H. 1, Leipzig: Breitkopf und Härtel 1800, S.1; Erlach 1835, 5, S. 180–182 (Text mit Komponistenverweis); Landshof 1900, S. 182; Fink 1901, S. 611–613.
H7
Mein Garten Kommet all in meinen Garten, Viele Blumen blühen da, Text: Johann Friedrich Kind (1768–1843) / Ignaz Franz Castelli (1781–1862)? Musik: Komponist unbekannt
Die Niederschrift bei Hörner ist der älteste Beleg in den bislang untersuchten Handschriften. Spätere Belege wie Clessin 1856 und Fessler 1850 ähneln einander und dürften eine Variante der Hörner-Version sein. 405 Textabschrift in URL: https://www.friedrich-schiller-archiv.de/musenalmanach-1798/ritter-toggenburg-2/. (Zugriff: 16. 1. 2022).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 117: Lied mit Klavierbegleitung „Mein Garten“ (Kommet all’ in meinen Garten). Handschrift Hörner.
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 15r–15v VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 048, Liederheft für Maria Fessler 1850, Nr. 50 (Melodievariante) M 33/Ia/46 Feldkirch, Liederhandschrift Rosalia Clessin 1856 (Abschrift, Melodievariante).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: S chulze 1827, S. 279; A lgier 1841, Nr. 885; S chneider /B ösch -N iederer 1997, S. 157.
H8
Die Rose Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene Und rühre gern die keuschen Blätter an Text: nach Christian Friedrich Weise (1642–1708) Musik: Ludwig Berger (1774–1828)
Das Lied „Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene“ oder „Die Rose blüht, ich gleich der frommen Biene“ wurde um 1820/30 gerne in handschriftliche Liederbücher mit Gitarre oder Klavierbegleitung aufgenommen. Es handelt sich dabei um einen barocken Text von Christian Weise aus dem Jahr 1675, der 1806 in die Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ Eingang fand. Mehrere Komponisten
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
nahmen sich dieses Textes an, am gebräuchlichsten ist die hier vorliegende Melodie, die dem Karlsruher Liedkomponisten und Gesangslehrer Ludwig Berger zugeschrieben wird (Ziemann 2007). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 16r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Algier 1841, S. 179; Ziemann 2007 o. S.; RISM: mehrere Einträge.
H9
Das Heimweh Herz! Mein Herz, warum so traurig Und warum das ach! Und weh Text: Johann Rudolf Wyss (1782–1830) Musik: Friedrich Glück (1793–1840)
„Schweizers Heimweh“ gehörte im 19. Jahrhundert zu den viel gesungenen Schlagern der Zeit. Der Text des Schweizers Johann Rudolf Wyss aus dem Jahr 1811 kam 1812 mit einer Melodie von Fr. [Karl Friedrich August] Meissner (1765–1825)406 und im Berner Dialekt („Herz, mys Herz, warum so trurig“) in der zweiten, erweiterten Sammlung von Schweizer Kühreihen und Volksliedern, herausgegeben von Gottlieb Jakob Kuhn, in Bern zum Druck.
Abb. 118: „Das Heimweh“ (Herz! mein Herz warum so traurig?) Handschrift Hörner 406 Meissner war aus Deutschland eingewandert, lebte und wirkte viele Jahre in Bern. Mehr zu Meisners siehe: Emil B lösch , „Meisner, Karl Friedrich August“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 244–246 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100308104.html#adbcontent (Zugriff: 20. 1. 2020).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Popularität erlebte jedoch erst eine weitere Vertonung in der Schriftsprache durch den angehenden evangelischen Geistlichen Friedrich Glück aus dem Neckartal, die dieser um 1814 für eine Italienreise mit seinem Männerquartett komponiert haben soll. Besonders im süddeutschen Raum beliebt, kam das Lied noch zu Lebzeiten seines Schöpfers, eines „weltbekannten Unbekannten“, in Amerika zum Druck.407 Glücks Fassung hielt sich bis ins frühe 20. Jahrhundert im Vorarlberger Liederschatz. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 16v–17r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 001, Der freundliche Liederbothe, um 1850, S. 2. LHS 015 B, Trauer-Lieder, Klaus/Rankweil um 1850, fol. 20r. M 012/II/23 (= neu LHS 008), anonyme Handschrift aus Bizau, um 1850. M 012/II/55 (= neu LHS 008), anonyme Handschrift aus Bizau (Text der ersten Strophe mit Gitarrechiffren), um 1850. LHS 013, Liederbuch Geschwister Moosbrugger, Schoppernau 1875–1915, S. 155 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 174 (Text). LHS 046, Liedersammlung Katharina Ulmer, 1856, S. 16 (Eintrag Bizau 1853). LHS 071A, Liederheft Ottilie Berger, o. D., Nr. 62 (Text). M 029/XIX/155 Dornbirn, aus: Liederheft Hammerer, nach 1918 (Text). M 128/III Wolfurt, Volkslieder aus Wolfurt, Facharbeit Franz Füchsle, Bregenz 1925, Nr. 70.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Christen 1825, S. 87–89 (Text); Härtel 1885, S. 250; Hoffmann/Prahl 1966, S. 118; Grolimund 1911, S. 29; Beitl 1970, S. 36; Bachmann-Geiser 2000, S. 421; Holzapfel 2018, Lieder A–K.
H 10
Arie Ich wäre ja fröhlich so gerne Und kann so recht fröhlich nicht sein. Text: Friedrich Wilhelm August Schmidt von Werneuchen (1764–1838) Musik: Ludwig Berger (1777–1839)
Der Text des protestantischen Pastors Friedrich Schmidt soll, nach Angaben von Hoffmann von Fallersleben, 1791 im „Berlinischen Musenalmanach“ erschienen sein. Der Originaltext der ersten Strophe wird bei der Vertonung beibehalten, weitere sind abgeändert. Die vorliegende Melodie entspricht der Fassung bei Böhme 1895. Diese einfache Melodie des Berliner Komponisten Ludwig Berger wurde mit dem Titel „Liebchen in der Ferne“ in J. F. Scheidlers „Nouvelle Méthode / en francais et allemand / pour apprendre la / Guitarre ou la Lyre“ um 1800 bei Simrock in Bonn erstmals gedruckt. Österreichweit war in der „Biedermeierzeit“ für eine Verbreitung dieses Liedes gesorgt. Die Sammlung Liebleitner im Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes (Österreichische Nationalbibliothek) enthält unter anderem einen Druck aus dem Jahre 1833. Doch wurde eine Fassung bereits 1819 für die Sonnleithner-Sammlung aus Neukirchen aufgezeichnet. Auch aus Vorarlberg gibt es um die Mitte des 19. Jahrhunderts Aufzeichnungen. Jodok Seelenmayer aus Egg notierte sich 1841 eine leicht zersungene Variante:
407 https://www.silcher-museum.de/sonderausstellung2018/
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 119: Arie „Ich wäre ja fröhlich so gerne“. Handschrift Hörner
Abb. 120: „Das Liebchenlied II.“ aus dem Liederbuch des Jodok Seelenmayer, Egg 1841, S. 11 (LHS 003)
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 17v-18r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 001, Der freundliche Liederbothe. Eine Sammlung zur Erheiterung beliebter Arien, Duett’n Romanz’n Gedichte nach bekannten Melodien, mit Begleitung der Guitarre, 1850, S. 11. LHS 003, Liederbuch Jodok Seelenmayer, Egg 1841, S. 11 (Nr. 15).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich C ampe (Text); S amans 1850; S. 125 (Nr. 19); B ernhardi 1847, S. 180, Nr. 1081; B öhme 1895, S. 475 (andere Strophen); H eeger /W üst 1909, S. 117; M üller -B lattau 1963, S. 117; H offmann /P rahl 1966, S. 142; D eutsch /H ofer 1969, S. 98; Siehe auch: RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 454010664 (Seufzer eines getrennten Geliebten).
H 11
Arie
Ich suchte die Freude Bald dort und bald hier Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Das Lied war weithin bekannt; 1841 wird der Text im Universal-Liederbuch von Algier abgedruckt. Text und Melodie waren aber bereits früher auch durch Noten mit Gitarrenbegleitung verbreitet. 1828 erscheint der Text im „Schweizer Liederbuch“.
Abb. 121: „Arie“: „Ich suchte die Freude“. Handschrift Hörner
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Abb. 122: Unbekannte Niederschrift des Liedes „Die Freude“ aus dem Montafon, 2.H. 19. Jh. (M 117/1/2 Tschagguns)
Nach 1850 gibt es bereits viele Vorarlberger Belege, überliefert jedoch meist nur als Textaufzeichnung, auch als Varianten. „Ich suchte die Freude im einsamen Tal, es rauschet die Quelle im sonnigen Tal“ sang Olga Madlener, geborene Ritter aus Schoppernau, einer Wirtstochter vom „Hirschen“, 1957 dem Forscher Josef Bitsche vor. Sie bezeichnete es als sehr altes, häufig gesungenes Lied, das erste, das sie von ihrer Mutter gelernt habe. Ähnlich klingt eine Montafoner Niederschrift, die sich textlich mehr an der Hörner-Fassung orientiert („Ich suchte die Freude bald dort und bald hier, wo find ich ihr strahlend Panier“) und sich melodisch der Schoppenauer Fassung nähert. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 18v-19r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 030, Anonyme Liederhandschrift, 19. Jh., Nr. 51 (Text). LHS 048, Liederhandschrift M. Feßler um 1850, Nr. 12. LHS 021, Liederbuch des Peter Pfanner Lingenau 1864–1868, Nr. 20 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch-Egg 1911, Nr. 66 (Text). LHS 071A, Liederheft der Ottilie Berger (1905–1992), geborene Hammerer, 1, Nr. 40 (Text). M 032/IV/10 Egg, Masch. Abschrift aus dem Liederheft des Hans Schneider, o. J. (Text). M 078/III/100 Mellau, Ludwig Bischofsberger, Lieder gesungen vom Volke in Mellau, Facharbeit 1925, Nr. 100 (Text). M 091/II/13 Rehmen, Abschrift aus dem Liederbuch Anna Feuerstein aus Au, um 1880 (Text). M 100/II/4 Schoppernau, Niederschrift 1957, vorgesungen von Olga Madlener, geborene Ritter. M 117/1/2 Tschagguns, Unbekannte Niederschrift 2.H. 19. Jh.; (Liedeinsendung Hillbrand, Hermine 1964). MUSI 100 Web, 24: Volkslieder aus Vorarlberg, hrsg. von Herta W eber , geborene Nardin (*1938), aus alten Handschriften ihrer Vorfahren, S. 12.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Christen 1828, S. 401–436 (Text ohne Melodieverweis); Algier 1841, S. 437, Nr. 778; siehe auch: RISM (Répertoire International des Sources Musicales): mehrere Einträge.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H 12
Cavatine / Aus der Oper: La Donna del Lago, von Rossini O Gott hab Mitleid Weh mir Armen Text: Francesco Maria Berio (1765–1820), nach William Shakespeare (1564–1616) Musik: Gioachino Rossini (1792–1868)
Gioachino Rossini war zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Stern am Opernhimmel. Viele seiner Arien wurden zu Schlagern der Zeit. Die bei Hörner hier niedergeschriebene Arie stammt aus der 1816 uraufgeführten Oper „Otello“, und nicht, wie hier angegeben, aus „Donna del lago“. Das Gebet der Desdemona „Deh Calma, o ciel, nel sonno“ wurde 1819 in deutscher Sprache bei Steiner und Co. in Wien gedruckt. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 19v–20r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Theater Journal für Gesang mit Begleitung des Pianoforte, H.1., Wien: S.A. Steiner und Comp. [1819]; Allgemeine musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat, Jg. 3, Wien 1819, S. 48.
H 13
Cavatine / Aus der Oper: La Donna del Lago, von Rossini Früh wenn der Tag erwachet Geh ich zur Frühlings Flur Text: Andrea Leone Tottola (nach 1750–1831), nach Walter Scott (1771–1832) Musik: Gioachino Rossini (1792–1868)
Die Oper „La donna del lago“ (Die Dame vom See / Die Jungfrau am See) nach dem 1810 erschienenen Versepos von Walter Scott „The Lady oft the Lake“ wurde 1819 uraufgeführt. Bei der Niederschrift handelt es sich um die mit aufwendigen Koloraturen geschmückte Cavatine der Elena aus dem ersten Akt / Zweite Szene „O mattutini albori“ („Früh wenn der Tag erwachet“). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 20v–22r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Die Jungfrau am See. Melodrama in 2 Akten. Nach Walter Scott. Musik von Rossini. Stuttgart 1822 (Textbuch in deutscher Sprache).
H 14
Cavatine / Aus der Oper Demetrio e Polibio von Rossini Mit freudigem Entzücken, Eil ich in ihre Arme Text: Vincenzina Viganò Mombelli (18./19.Jh.) Musik: Gioachino Rossini (1792–1868)
Rossinis Oper „Demetrio e Polibio“ wurde 1812 in Rom uraufgeführt, acht Jahre später kam das Werk an deutsche Bühnen. Arie des Siveno „Pien di contento in seno“ aus dem ersten Akt der Oper, bei Hörner hier in deutscher Sprache.
284
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 22v–24v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Demetrius und Polibius, ernsthafte Oper in zwey Akten. Aufgeführt im Königlichen Hof-Theater an der Residenz. Die Musik ist von Herrn Joachim Rossini. München 1820, S. 9 (Textbuch in deutscher Sprache).
H 15
Vergessner Schwur O kehre zu der Buchenrinde Zu mir zurück in Waldes Grün! Text: Carl Blum (1786–1844) Musik: Karl Friedrich Ebers (1770–1836)
In Härtels Liederlexikon von 1885 ist dieses Lied in C-Dur publiziert, jedoch ohne Angabe eines Autors und mit anderer Klavierbegleitung. Zwischen 1813 und 1829 gibt es laut Angaben im Liedkatalog bei Holzapfel mehrere handschriftliche Aufzeichnungen. Bei Hörner fehlen weitere Strophen. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 25r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 001 Der freundliche Liederbothe, 1850. S. 44.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Neues Liederbuch für frohe Gesellschaften […] 3. Aufl., Nürnberg 1819 bei Friedrich C ampe (Text); H ärtel 1885, S. 465; H olzapfel 2018, Lieder L–Z; siehe auch: RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 225001861.
H 16
[ohne Titel] O des Wiedersehens goldne Stunde Werth der langen Trennung Bitterkeit Text: Karoline Christiane Rudolphi (1753–1811) Musik: Ferdinand Fürchtegott Huber (1791–1863)
Die auf fol. 25v bis fol. 26r folgenden Noten erwecken den Anschein, dass es sich um eine Fortsetzung des Liedes „O kehre zu der Buchenrinde“ handelt. Recherchen ergaben, dass es ein eigenes Lied ist: „O des Wiedersehens goldne Stunde“. Diese Überschrift fehlt jedoch. Das Gedicht „Das Wiedersehen“ stammt von der Pädagogin und Schriftstellerin Karoline Christiane Rudolphi, die lange in Heidelberg lebte und sich im Umkreis von Brentano, Tieck und anderen Dichtergrößen der Zeit bewegte. Ihre Texte wurden auch von Friedrich Reichardt mit Melodien versehen. Die vorliegende Vertonung wird dem in St. Gallen geborenen Schweizer Komponisten Ferdinand Fürchtegott Huber zugeschrieben, der bis 1816 als Hofmusiker in Stuttgart lebte, anschließend wieder in die Schweiz zurückkehrte und unter anderem als Musiklehrer am Fellenberg`schen Erziehungsinstitut in Hofwyl bei Bern wirkte.408 „O des Wiedersehens goldne Stunde“ findet sich 1816 in 408 Zu Hubers Biografie siehe den Artikel von Beat A. Föllmi in: MGG-Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel-Stuttgart-New York 2016ff, zuerst veröffentlicht 2003, online veröffentlicht 2016, URL: https://www.mgg-online.com/mgg/stable/26991 (Zugriff: 5.1.2022).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
seiner Niederschrift „Sechs Lieder mit Begleitung des Forte Piano“. Der Schweizer Musiker, Lied- und Gitarrenforscher Christoph Jäggin spürte das Autograf in der Kantonsbibliothek St. Gallen auf. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 25v–26r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Karoline Christiane Rudolphi, Gedichte. Zweite Sammlung, hrsg. von Joachim Heinrich Campe, Braunschweig 1787; Christoph Jäggin in: s://www.christophjaeggin.net/Schriften/7%20H.pdfdazu (Zugriff: 15. 5. 2020); Belege siehe auch RISM ID no.: 400104565.
H 17
Lebens Genuß Wenn die Hoffnung nicht wär, So lebt ich nicht mehr Oft täuscht sie uns aber nicht immer Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
1804 taucht der Text mit anderen bekannten Liedern, wie „Arm und klein ist meine Hütte“, in einem Druck mit dem Titel „Neueste hundertblätterigte Lust-Rose“ auf und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts mehrmals vertont. Das Lied dürfte über den Gitarrenunterricht verbreitet worden sein. Es findet sich vermehrt in Schweizer Liederbüchern, wie im handschriftlichen Liederheft des aus dem Kanton Zürich stammenden Jakob Stutz (1801–1877), einem Schweizer Schriftsteller und Volksdichter,409 aber auch in gedruckten Sammlungen. Die Niederschrift bei Hörner entspricht textlich wie melodisch nicht den bekannten Varianten. Friedrich Karl Freiherr von Erlach zählt das Lied in seiner Sammlung „Die deutschen Volkslieder“ 1834 zum Kapitel „Fliegende Blätter. Von Ungenannten und weniger bekannten Dichtern“. Aus dem Bregenzerwald gibt es einen weiteren Beleg: auch Jodok Seelenmayer nahm es in seinen Liederschatz auf. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 26v–27v. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 003, Liederbuch Jodok Seelenmayer, Egg 1841.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Neueste / hundertblätterigte / Lust = Rose, / worinn / die schönsten / Arien und Lieder / für / muntere Gesellschaften / enthalten sind. / Amsterdam / bey J. J. Wysmüller und Sohn. / 1804; C hristen 1825, S. 243–244 (Text); C hristen 1828, S. 454–455 (Text); Erlach 1835, 5, S. 462–463 (Text mit Melodieverweis „Eigene Weise“); G. O. M arbach (Hrsg.), (Volksbücher 2), Alte und neue Lieder in Leid und Lust, Leipzig 1838, S. 25; B ernhardi 1847, S. 82, Nr. 2120; S amans 1850, S. 204 (Nr. 90), S chmidt 1970, S. 267; H olzapfel 2018, Lieder L–Z; siehe auch: RISM ID no.: 454010608.
409 Das Liederheft befindet sich heute in der Stadtbibliothek Zürich. Mit der Sammlung des Schweizer Volksliedforschers Christian Schmid kam eine Kopie an die Musiksammlung des Vorarlberger Landesarchivs (M 106/III Schweiz).
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H 18
Der Tanz Vor allen Tänzen lob ich mir, Den deutschen Walzer für und für Text: Dichter unbekannt Musik: Franz Xaver Eisenhofer (1783–1855)
Die vorliegende Fassung für Singstimme und Klavier, Op. 3 Nr. 5 des aus Oberbayern (Illmünster) gebürtigen Komponisten Franz Xaver Eisenhofer, kam um 1810 auch in der Besetzung für Männerchor zum Druck. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Louise Hörner, fol. 27v–28r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: VI / Gesellschaftliche – Gesänge / für zwei Tenor und zwei Baßstimmen / in Musik gesetzt / von F. X. Eisenhofer / Op. III. Zweite Lieferung, […] München […] Falter und Sohn [um 1810]. Digital: München, Bayerische Staatsbibliothek, Mus.pr. 48447, Münchner DigitalisierungsZentrum Digitale Bibliothek: URL: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb11149281 (Zugriff: 16. 1. 2022); weitere Belege siehe auch: RISM (Répertoire International des Sources Musicales), ID no.: 450102875.
H 19
Abendlied unterm gestirnten Himmel Wenn die Sonne niedersinket Und der Tag zur Ruh sich neigt Text: Otto Heinrich von Loeben (1786–1825) Musik: Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Beethovens 1820 gedrucktes Lied erhielt die Nummer WoO 150. Bei der Niederschrift in Hörners Liederbuch 1823 war es also brandaktuell. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Louise Hörner, fol. 28v–30r.
H 20
Sonntagsliedchen Alles zieht und will sich sonnen Aus dem Münster strömts herab Text: Otto Heinrich Graf von Loeben (1786–1825) Musik: Nikolaus Stössel (1793–1839)
1820 erschien der Text in „W. G. Becker’s Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“, das Friedrich Kind herausgab. Über gedruckte Gitarre- oder Klaviernoten rasch verbreitet, findet sich das Lied des Württemberger Kapellmeisters und Musikdirektors Nikolaus Stössel auch in einer Augsburger Handschrift des Jahres 1821 (nach RISM). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 30v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B ecker 1820, S. 384 (Text); siehe auch: RISM (Répertoire International des Sources Musicales): ID no.: 453013149.
287
III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H 21
Hoffnung und Erinnerung Mir blüht eine Stelle[,] die weiht ein Altar, Da wandelt ein himmlisches Wesen Text: Christoph August Tiedge (1752–1841) Musik: unbekannt
Der Text von Tiedge, erschienen 1803 in „Elegien und vermischte Gedichte“, wurde mehrmals vertont, unter anderem auch von Johann Franz Xaver Sterkel. Seine Melodie ist aber nicht mit der von Hörner ident. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 31r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: T iedge , Christoph August, Elegien und vermischte Gedichte, Bd. 1, Rengersche Buchhandlung, Halle 1803, S. 137–138; S terkel , Johann Franz Xaver, Sechs Gesänge. Mit Begleitung des Piano-Forte in Musik gesetzt und der talentreichen Künstlerin Madame Schick gewidmet von Sterkel. Eilftes Werk. Rudolf Werkmeister, Berlin [ca. 1790]; digital: München, Bayerische Staatsbibliothek, Münchner DigitalisierungsZentrum Digitale Bibliothek: URL: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00055091 (Zugriff: 16. 1. 2022), (andere Melodie).
H 22
Schweizerfamilie Wer hörte wohl jemals mich klagen? Wer hat mich nie traurig erblickt? Text: Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: Joseph Weigl (1766–1846)
Cavatine der Emmelie aus Weigls beliebter Oper „Die Schweizerfamilie“. Mehr dazu in diesem Buch bei Ste 3 und Ste 23. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 31v–33v. VLA, Musiksammlung, Alte Handschriften: Die Schweizerfamilie, handschriftlicher Klavierauszug des Singspiels, S. l., o. D.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: B ösch -N iederer Archivale 2010; W aidelich 2002.
H 23
Aus der Oper „Die Vestalin“ Marsch / Polonaise / Walzer – Trio / Trio zur Polonaise Musik: Gaspare Spontini (1774–1851)
Instrumentalstücke aus der Oper „La Vestale“ von Spontini, die 1807 in Paris uraufgeführt wurde. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 34r–36r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: R iemann 1961, Musiklexikon, Personenteil L–Z, Mainz 1961, S. 710–711.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H 24
Lebewohl Lebe wohl! vergiß mein nicht! Schenke mir dein Angedenken Text: Johann Friedrich Cordes (1759–1807) Musik: Komponist unbekannt
Die Verbreitung des Textes des gebürtigen Westfalen und in München wirkenden Schriftstellers Johann Friedrich Cordes erfolgte mit mehreren Vertonungen, unter anderem von Friedrich Hugo von Dalberg, Friedrich Ludwig Seidel, Friedrich Glück. Der Komponist der vorliegenden Melodie konnte nicht nachgewiesen werden. Die Rankweiler Melodieüberlieferung ist ebenfalls nicht mit den genannten Vertonungen identisch, aus Hohenems gibt es lediglich den Text. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 37v–37r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 015 B, Trauer-Lieder, Klaus/Rankweil um 1850, Nr. 17; Abschrift in M 90/II/17 (andere Melodie). M 56/IIb/122 Hohenems, Jäger Anton, Volkslieder aus Hohenems. Hausarbeit, Bregenz 1928 (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: S chiller 1898, S. 303 (Text); S amans 1850, S. 239 (Nr. 20); B öhme 1895, S. 371 (andere Melodie); G rolimund 1911, S. 32 (andere Melodie); H offmann /P rahl 1966, S. 171; F riedlaender 1902/1962, II, S. 422; Beitl 1970, S. 37; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
H 25
Der Bauer Troll und der Maler Mein Herr Maler wollt ihr wohl uns abconterfeyen Text: Balthasar Anton Dunker (1746–1807) Musik: Eduard Anton Willimann (1770/71–1830)?
Scherzgedicht aus dem Jahre 1782 von Balthasar Anton Dunker, der als Maler und Schriftsteller in Bern lebte. Das Lied wurde auf Flugblättern verbreitet. Auch Joseph Haydn nahm sich des Textes an (Hob. XXVIa C3). Die Vorlage für die Niederschrift bei Hörner könnte ein Erstdruck gewesen sein, der bei Johann August Böhme in Hamburg um 1800 erschienen ist; dort fehlt jedoch eine Verfasserangabe. In Österreich dürfte dieses Lied weiters keine Verbreitung gefunden haben. Bei Hörner ist die Melodie leicht verändert, die Begleitung stimmt im Wesentlichen mit dem Druck überein. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 37v–38r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Der / Bauer Troll und der Mahler / eine / Romanze / mit Begleitung / des Forte – Piano. / Hamburg bey Johann August Böhme [Druck um 1800], digital: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg: URL: http://resolver.sub.unihamburg.de/goobi/PPN807099074 (Zugriff: 5.1.2022); C hristen 1828, S. 371–373 (Text); G. O. M arbach (Hrsg.), Volksbücher 2, Alte und neue Lieder in Leid und Lust, Leipzig 1838, S. 1; Liederbuch des deutschen Volkes 1843, S. 304; B ernhardi 1847, S. 329; F ink 1856, S. 49; F riedlander 1962, II, S. 369–370; H olzapfel 2018, Lieder L–Z; Siehe auch: RISM ID no.: 451500277, no.: 422501045.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
H 26
Guter Rat an Mädchen Mädchen wollt ihr glücklich seyn Müßt ihr auch der Männer fragen Text: Johanna Charlotte Unzer-Ziegler (1725–1782)410 Musik: Komponist unbekannt
Gesungen wurde dieses Lied auch in Ober- und Niederösterreich. Eine andere Vertonung des Textes findet sich bereits in der Sonnleithner-Sammlung von 1819 aus Wiener Neustadt mit dem Titel „Reden und Schweigen“. (Abschrift von Raimund Zoder im Archiv des ÖVLW, Nr. 102/1). Der Text stammt von der Dichterin Johanna Charlotte Unzer („Unzerin“) und wurde 1780 in „Lyrische Blumenlese“ von Karl Wilhelm Ramler (1725–1798) gedruckt. Johanna war die Tochter des Musikdirektors und Organisten von Halle/Saale, Johann Gotthilf Ziegler (1688–1747). Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 38v.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Karl Wilhelm R ammler , Lyrische Blumenlese 2, Karlsruhe 1780, S. 250; D eutsch /H ofer 1969, S. 79, S. 113; H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
H 27
Warten Warten ist die Schule, Die hiernieden mit dem ersten Lebenshauch beginnt Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 39r.
H 28
[Walzer in F-Dur] Musik: Komponist unbekannt
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 39v.
H 29
Schäfer-Lied Kaum wechselt die Nacht mit dem düsteren Grau So werd ich schon fröhlich und wach Text: Ignaz Franz Castelli (1781–1862) Musik: Anton Friedrich Fischer (1778–1808)
Lied aus der Oper „Die Festung an der Elbe“, die 1806 in Wien zur Uraufführung gelangte. Es ist das Schäferlied der Wilhelmine, die es „mit Begleitung der Schallmey“ singt. Der Gesang findet sich auch in der Liederhandschrift Steinle (Ste 26 im vorliegenden Buch). 410 Die deutsche Dichterin und Philosophin Charlotte Unzer-Ziegler wurde 1753 mit der kaiserlichen Dichterkrone „poeta laureata“ geehrt.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 40r. VLA, Musiksammlung, Nachlass Schwärzler: Liedersammlung Franziska Steinle, o. S., S. 19, Nr. 26.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Die / Festung an der Elbe. / Eine / Oper in drey Aufzügen, / nach dem Französischen / frey bearbeitet / von Castelli. / Die Musik ist von Herrn Fischer, Compositeur / dieses Theaters. / Für das k. auch k.k. Theater an der Wien. / Wien, / gedruckt und verlegt bey Anton Strauß. / 1806 (Textbuch, S. 19); G ottwald 2000, S. 164; H olzapfel 2018, Lieder A–K. Siehe auch: RISM ID no.: 45021110.
H 30
Carl Maria von Weber Was zieht zu deinem Zauberkreise Mich unwillkührlich hin Text: Karl Friedrich Müchler (1763–1857) Musik: Carl Maria von Weber (1786–1826)
Carl Maria von Webers Lied op. 15/4 (Gesänge H.2) aus dem Jahre 1809 wurde bald populär und in Gebrauchsliederbücher aufgenommen. Der Text von Karl Friedrich Müchler, publiziert 1801, war auch mit anderen Melodien verbreitet. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 40v–41r.
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: E rlach 1835, 5, S. 201–202 (Text mit Komponistenverweis); A lgier 1941, S. 766 (nur Text); B ernhardi 1847, Bd. 4, S. 59 (nur Text); S amans 1850, S. 120 (Nr. 15); H ärtel 1885, S. 668 (andere Melodie); H olzapfel 2018, Lieder L–Z.
H 31
Walzer Musik: Komponist unbekannt
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 41v.
H 32
Cavatina / Una voce poco fa / Nel Barbiere di Siviglia / del / Maestro Rossini Una voce poco fa Qui nel cor mi risuono Text: Cesare Sterbini (1783–1831), nach einem Schauspiel von Pierre Augustin Caron de Beaucharmais (1732–1799) Musik: Gioachino Rossini (1792–1868)
Eine koloraturenreiche Arie der Rosina aus dem 1. Akt der Oper „Il barbiere di Siviglia“ von Gioachino Rossini, die an den Sänger höhere gesangstechnische Ansprüche stellt. Die Oper wurde 1816 in Rom uraufgeführt. Die Niederschrift im Notenheft von Louise Hörner ist somit ein aktueller Beitrag zur zeitgenössischen Liedkunst. Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 42r–45r.
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III. Lied- und Tanzmusikaufzeichnungen aus dem frühen 19. Jahrhundert
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Die verewigte Mutter und ihre Kinder Weinet nicht, sind wir auch gleich geschieden Für der Erde kurze Prüfungszeit Text: Dichter unbekannt Musik: Komponist unbekannt
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 46r.
H 34
Bertrands Abschied Leb wohl du theures Land, das mich gebohren Die Ehre ruft mich wieder fern von hier. Text: Dichter unbekannt Musik: Friedrich Glück (1793–1840)
Der Text bezieht sich auf den französischen General Henri-Gatien, Comte Bertrand (1773–1844), einem engen Vertrauten von Napoleon Bonaparte, den er nach St. Helena begleitete. Die Nachdichtung eines anonymen französischen Liedes (Adieu Francais) war besonders im 19. Jahrhundert sehr populär und dürfte auch über Gitarrenoten verbreitet worden sein. Die Vertonung übernahm Friedrich Glück, ein evangelischer Geistlicher, welcher der schwäbischen Liederschule angehörte und mit seinen volkstümlichen Melodien – von ihm stammt unter anderem auch „In einem kühlen Grunde“ und „Herz, mein Herz, warum so traurig“ (H 9) – den Liederschatz des deutschen Sprachraumes erfolgreich bereicherte. Das Lied findet sich sowohl im bereits erwähnten Liederheft des Zürichers Jakob Stutz, wie auch 1905 im Rekrutentagebuch von Ernst Hartmann (1883–1969) aus Ludesch, niedergeschrieben von seinem Feldkameraden Johann Krismer. Die jüngste bekannte Vorarlberger Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1911 und wurde von der Gastwirtin Theresia Hammerer (1865–1944) aus der Musikantenfamilie Meusburger aufgeschrieben, die mit ihrer Familie in Dornbirn/Haselstauden den Gasthof Sternen, später in Feldkirch das Wirtshaus auf der „Egg“ betrieb.411 Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLSt 01026, Noten-Buch Louise Hörner 1823, fol. 47r-48r. VLA, Musiksammlung, Volksmusikalische Sammlung: LHS 015 B, Trauer Lieder, Klaus/Rankweil um 1850, Nr. 110. LHS 064, Liederheft für Ursula Häfele, Hohenems 1879–1881, Nr. 84 (Text). LHS 059, Liedersammlung Theresia Hammerer, Feldkirch/Egg 1911, Nr. 178 (Text). M 174/I Ludesch, Rekrutentagebuch Hartmann 1905, Nr. 106 (Text).
Auswahl an gedruckten und handschriftlichen Quellen sowie Forschungsliteratur: Erlach 1935, 5, S. 519–520 (Text mit Melodieverweis: „Denkst du daran“); Samans 1850, S. 41 (Nr. 25), Härtel 1885, S. 361; Böhme 1895, S. 80; Hoffman/Prahl 1966, S. 171, Nr. 809; B eitl 1970, S. 37; Holzapfel 2018, Lieder L–Z.
H 35
Mit einem Finger zu spielen [Klavierübungen]
Regionale Belege: VLA, Musiksammlung, Nachlass Josef Stülz: NLST 01026, Noten-Buch von Luise Hörner 1823, fol. 48v. 411 Zur Familiengeschichte: VLA, Musiksammlung, Biografische Sammlung M. Hammerer und M. Meusburger.
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Melodienregister Die Registrierung der Melodien dieses Bandes folgt – wie in allen Werken der Enzyklopädie Corpus Musicae Popularis Austriacae – dem 1956 vom Wiener Liedforscher Karl Magnus Klier (1892–1966) vorgelegten Entwurf zur Anlage eines Melodienregisters. Die Bedeutung eines derartigen Registers liegt im Sichtbarmachen von Melodietypen, Varianten und stilistischen Eigenheiten. Die Melodien werden nach Verwandtschafts- und Ähnlichkeitsgrad geordnet, ausgedrückt in einer vierstelligen „Ordnungszahl“. Diese ergibt sich aus der Bezifferung der ersten Noten der ersten vier Takte gemäß ihrem Intervallstand zum Grundton. Dieser wird immer mit 1 beziffert, unabhängig von der Lage, in welcher er sich befindet. Vorhalte und Zieltöne werden mit kleinen Zusatzziffern vor beziehungsweise nach der zugehörigen Ordnungsziffer ausgewiesen. Auftakte bleiben für die Registrierung unbeachtet. Zur Kennzeichnung der Töne werden die Ziffern 1 bis 7 herangezogen, für eine Pause auf betontem Taktteil wird die 0 verwendet. Bei einigen metrisch ungewöhnlich gestalteten Melodien wird die Regel der viertaktigen Bezifferung aufgehoben. Melodien, deren formale Gestaltung in melodischen Phrasen zu drei Takten erfolgt, werden nur mit drei Ziffern ausgewiesen und im Abschnitt „Unregelmäßige Taktgruppen“ eingereiht. Die Vorgangsweise bei der Bezifferung einer Melodie hängt sowohl von der vorgeschriebenen Taktart als auch von der sich in den Taktarten manifestierenden melodischen Einheit ab. Grundsätzlich wird im 2/4-, 3/4- und Alla-breve-Takt jeder erste Ton beziffert, im 4/4- und 6/8-Takt können je nach Artikulation der Melodie auch die Töne des ersten und dritten Viertels beziehungsweise des ersten und vierten Achtels der ersten zwei Takte beziffert werden. Die Ziffern werden über die Noten gesetzt. Die daraus gewonnene „Ordnungszahl“ wird der Notenzeile vorangestellt. Am Ende der Zeile ist deren Standort im vorliegenden Band angegeben. Die erhobene „Ordnungszahl“ bildet die Voraussetzung für die numerische Reihung der Melodien. Sie ermöglicht Identisches und Verwandtes zusammenzuführen. Diese lexikalisch-numerische Ordnung ist nicht nur ein zuverlässiges und erprobtes Mittel zur Auffindung von Melodien, sondern sie dient auch mit Bestimmtheit der vergleichenden Melodienforschung. Walter Deutsch
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Register der Liedanfänge und Titel (Liedtitel kursiv) Abendlied unterm gestirnten Himmel, H 19 Abendlied von Ma[tt]his[s]on, Ste 19 Abschied eines Christen, S 9 Abschied von der Heimat, Ste 50 Ach Gott, mein Mädchen ist so schön, N 17 Ach Jüngling, sei so ruchlos nicht, N 21 Ach Schwester, die du sicher auf deinen Ästen wiegst, N 14 Ach, mein’ Seel! Fang an zu singen, S 1 Adventlied, S 1 Alles liebt und paart sich wieder, N 10 Alles zieht und will sich sonnen, H 20 Als neulich Junker Martin starb, N 13 An die Hoffnung, Ste 13 An die Natur, Ste 6 An die Unbekannte, Ste 37 An Emma von Schiller, Ste 7 Ans Mägdlein sei dies Lied gerichtet, Ste 37 Arie, H 10 Arie, H 11 Arm und klein ist meine Hütte, N 19 Auf meinem Taubenschlag hab ich ein kleines Täubchen, Ste 20 Aus Aline von Berton, Ste 22 Aus Aline, Königin von Golconda von Berton, Ste 21 Aus dem Zit[h]erschläger von P. Ritter, Ste 24 Aus der Geisterinsel von Reichardt, Ste 5 Aus der Oper: Cyrus von Seyfried, Ste 47 Aus der Oper: Die Festung an der Elbe von Fischer, Ste 26 Aus der Oper: Silvana v. K. Maria von Weber, Ste 25 Aus der Oper: Die Vestalin, H 23 Aus der Schweizerfamilie von Weigl, Ste 23 Aus fernem Lande wandelt er, Ste 24 Aus Lieb’ verwundter Jesu mein, S 3, S 15 Bald kehrt grüne Wonne zum ewigen Verein, Ste 46 Bertrands Abschied, H 34 Beruhigung von Gyrowetz, Ste 2 Bester Jüngling, meinst du’s redlich, N 2 Canzone comp. da Sign. Sterkel, Ste 53 (V) Canzonette comp. d’Ern. Häusler, Ste 41 bis Ste 45 Canzone da E. Häusler, Ste 55 Canzonette das Sign. F. Danzi, Ste 38 Carl Maria von Weber, H 30 Cavatina / Una voce poco fa / Nel Barbiere di Siviglia del Maestro Rossini, H 32 Cavatine / Aus der Oper: Demetrio e Polibio von Rossini, H 14 Cavatine / Aus der Oper: La Donna del Lago von Rossini, H 12, H 13 Chi vive senza amore, Ste 53
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Register der Liedanfänge und Titel
Chor der Brautjungfern aus der Oper: Der Freischütz von K.M. v. Weber, Ste 36 Christus ist erstanden von der Marter allen, S 4, S 16 Dankbarkeit, Ste 8 Das Bächlein, das im Tale so leise murmelnd fließt, Ste 29 Das Blümchen von Gleim, Ste 18 Das Glück der Zufriedenheit, Ste 9 Das Grab ist tief und stille, Ste 17 Das Grab von Salis, Ste 17 Das stille Leben von Sterkel, Ste 29 Den Wohlklang in der Kehle, die Zither in der Hand, H 2 Der Abend schleiert Flur und Hain, Ste 19 Der Bauerntanz, S 21 Der Bauer Troll und der Maler, H 25 Der Biedermann, S 18, N 20 Der Bund, Ste 28 Der Tanz, H 18 Der Taubenschlag von Gleim, Ste 20 Der Troubadour / Aus Johann von Paris, Ste 1 Der Troubadour, stolz auf der Liebe Bande, Ste 1 Der wahre Himmelsfriede wohnt nur im stillen Grab, Ste 2 Die Grasmücken, N 14 Die Mutter bei der Wiege!, N 8 Die Nacht von Tieck, Ste 45 Die Puren sind uff der Bahn, S 12 Die Quelle rauscht, die Mücke schwirrt, Ste 15 Die Reize des Frühlings, N 10 Die Rose, H 8 Die Rose gleicht der frommen Biene, H 8 Die Schäferin von Schreiber, Ste 56 Die Schwitzer sölich Menschen sind, S 11 Die sieben Sprünge, S 20 Die verewigte Mutter und ihre Kinder, H 33 Die Zärtlichkeit des Gatten, sein immer neues Weh, Ste 48 Dort auf des Berges Höhen sah ich den Jüngling stehen, Ste 56 Dove sei, amato bene, Ste 55 Drei lederne Strümpf, S 20 Ein ächter Gedanke eines ehmals gesehenen abkontraffierten Tabakrauchers, N 23 Ein Pilger Mädel, jung und schön, N 11 Elisas Abschied, Ste 14 Elise von Sterkel, Ste 27 Erinnerung an die Zeit der Jugend, Ste 10 Es ist Zeit zu offenbaren, S 7 Fastenlied, S 3 Fra tutte le penne, Ste 38 Freude des Wiedersehens, Ste 11 Freudvoll und leidvoll, gnadenvoll seye, Ste 30 Freundin sanfter Herzenstriebe, N 5 Freut euch der Liebe, huldigt dem Göttersohn, N 1 Früh, wenn der Tag erwachet, geh’ ich zur Frühlings Flur, H 13 Frühlingslied eines Greisen, N 9 Frühzeitiger Frühling von Goethe, Ste 49 Gebet während der Schlacht, H 4 Gefühle eines Mädchens, N 2 Gefühle von seiner Liebsten, N 7
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Register der Liedanfänge und Titel
Gesang aus der Oper: Die beiden Füchse von Méhul, Ste 34 Gesang von Herrn Peter v. Winter, Ste 46 Gute Nacht!, du Geschöpf für mich gemacht N 12 Gute Nacht, gute Nacht, unser Taglauf ist vollbracht, N 4 Guter Rat an Mädchen, H 26 Haidenröslein, Ste 12 Hast du’s in meinem Auge nicht gelesen, Ste 28 Heilig ist mir Dankbarkeit! Sie umschlingt mit süßem Bande, Ste 8 Heimweh, H 9 Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten, S 8 Herz! mein Herz, warum so traurig? H 9 Hier im irdschen Jammertal, Ste 35 Hier in diesem Paradise, N 9 Hilf, o Himmel, ich muss scheiden, S 9 Hoffnung, Quelle sanfter Freuden, Ste 13 Hoffnung und Erinnerung, H 21 Ich bleib dir ewig treu verpflicht, N 6 Ich hab’ so viel gelitten in dieser schönen Welt, S 19 Ich küsse dich, o Schleier, du lauschest meinem Schmerz, Ste 5 Ich suchte die Freude bald dort und bald hier, H 11 Ich wäre ja fröhlich so gerne, H 10 Im Windgeräusch, in stiller Nacht, Ste 45 In der Laube saß die Holde, Ste 16 In einem großen Garten, Ste 18 Juche, ich bin ein Biedermann, N 20 Jucker, S 22 Juhe, ich bin ein Biedermann, S 18 Junge Freudengötter flattert auf und ab, Ste 31 Kaum wechselt die Nacht mit dem düsteren Grau, H 29, Ste 26 Kennst du das Land, wo die Citronen blüh’n, Ste 54 Kirchenlied, S 13 Klärchens Lied aus Egmont von Reichardt, Ste 30 Kommet all’ in meinen Garten, H 7 Könnt ihr die Göttin Freude zwingen, Ste 32 Küßt, fühlt wie der trunkenen Zärtlichkeit, N 28 Lebens Genuss, H 17 Lebenslied von Riel, Ste 31 Lebewohl!, H 24 Lebe wohl, lebe wohl, mein Lieb! Muss noch heute scheiden, Ste 4 Lebe wohl! vergiss mein nicht, schenke mir dein Angedenken, H 24 Lebewohl von Uhland, Ste 4 Leb’ wohl, du teures Land das mich geboren, H 34 Lied aus der Oper: Der Freischütz, Ste 35 Lied der Freude, Ste 51 Lied der kleinen Mignon, Ste 54 Lied der Landsknechte wider die Schweizer im Schwabenkrieg, S 12 Lied der Mutter Gottes, S 5 Lied der wahren Freundschaft, S 6 Lied des Hieronimus Emser, S 11 Lied einer neu vermählten Ehe, S 8 Lied eines treuen Herzens, S 7 Lied von der Liebe, N 3
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Register der Liedanfänge und Titel
Mach’ mir du die sieben Sprünge, S 20 Mädchen, wollt ihr glücklich sein, H 26 Maygesang von Goethe, Ste 33 Maria, du Himmelskönigin, du Braut des heiligen Geist, S 5 Mein Garten, H 7 Mein Herr Maler, wollt ihr wohl uns abkonterfeien, H 25 Mein Sinn ist mir so trübe, N 15 Mir blüht eine Stelle, die weiht ein Altar, H 21 Mit einem Finger zu spielen, H 35 Mit freudigem Entzücken, eil’ ich in ihre Arme, H 14 Mit langem Barte, bleich und blass, H 1 Nanchen, Nanchen, o wie schön, N 7 Neu geschmückt lacht die Natur, N 25 Noch einmal, Robert! Eh’ wir scheiden, Ste 14 O des Wiedersehens goldne Stunde, H 16 O Gott, hab’ Mitleid, weh mir Armen, H 12 O höchster Gott, wie hart geschieht es mir, N 22 O kehre zu der Buchenrinde zu mir zurück in Waldes Grün, H 15 O Maria, voll der Gnaden, Mutter der Barmherzigkeit, S 17 Osterlicher Kirchengesang, S 16 Osterlied, S 4 O Tage sanfter Freude weicht nie von mir zurück, Ste 22 O wie süße lebt es sich, Ste 11 Rauschet ihr Meere, und wehet ihr Winde, Ste 51 Reich und arm sollen fröhlich sein, S 2 Ridente la calma dal Sign. Mozart, Ste 39 Ridente la calma nell’ alma si desti, Ste 39 Ritter Arno ging zu kämpfen, H 5 Ritter Toggenburg, Ballade von Schiller, H 6 Ritter, treue Schwesterliebe, widmet euch dies Herz, H 6 Romanze aus dem Minnesänger, H 2 Romanze aus dem Zitherschläger, H 5 Romanze aus der Oper: „Die Alpenhütte“, H 1 Romanze aus der Schweizerfamilie von Weigl, Ste 3 Romanze von Righini, Ste 48 Rundgesang, Ste 32 Sah ein Knab’ ein Röslein steh’n, Ste 12 Sah ich sonst ein Mädchen bescheiden und stumm, Ste 25 Schäfer-Lied, H 29 Schlaf, süßer Knabe, süß und mild, N 8 Schon in des Lebens Blütenmai ward ich dem Kummer preisgegeben, Ste 34 Schön ist einer Rose jugendliche Knospe, Ste 27 Schweizerfamilie, H 22 Sieh mich o Sonne! Sieh mich hier im Staube, Ste 47 So ein liebes, gutes Mädchen, N 18 So ist Liebe ein Verbrechen, N 3 Soll ich leben, soll ich sterben, N 27 Sonntagsliedchen, H 20 Springer, S 23 Ständchen von A. Apel, Ste 52 Stimmt an den frohen Rundgesang mit Saitenspiel durchwebt, S 6 Süsse, heilige Natur, leite mich auf deiner Spur, N 16, Ste 6 Tage der Wonne, kommt ihr so bald, Ste 49 Thirza an Allah, Ste 15
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Register der Liedanfänge und Titel
Tritt heraus ins stille Dunkel, Ste 52 Trova un sol, mia bella cori, Ste 40 bis Ste 44 Über die Grasmücken, N 15 Um meine Grillen zu verjagen, N 23 Una voce poco fa, H 32 Vater, ich rufe dich!, H 4 Vergessner Schwur, H 15 Viele schmücket Reiz und Güte, ziert des Geistes edler Sinn, Ste 57 Viele und die Eine von Hrn v. Götz, Ste 57 Volks-Lied, S 19 Volks-Lied an einem marianischen Gnadenort, S 17 Volkslied, Vom allerheiligsten Altars-Sakrament, S 15 Vom weit entfernten Schweizerland, Ste 3 Von dir, o Dörfchen, soll ich scheiden, Ste 50 Vor allen Tänzen lob ich mir den deutschen Walzer, H 18 Wandlen hin zur Wiesen Quelle, N 26 Warten, H 27 Warten ist die Schule, H 27 Was frag’ ich viel nach Geld und Gut, Ste 9 Was hilft dir Mensch die ganze Welt, S 14 Was ist für alles Übel gut, Geduld, S 13 Was zieht zu deinem Zauberkreise mich unwillkürlich hin, H 30 Weinet nicht, sind wir auch gleich geschieden, H 33 Weit in nebelgrauer Ferne, Ste 7 Wenn die Hoffnung nicht wär’, so lebt ich nicht mehr, H 17 Wenn die Sonne niedersinket und zur Ruh’ sich neigt, H 19 Wenn, o Mond, in deinem Strahle, N 24 Wenn sie mich nur von weitem sieht, Ste 23 Wer hörte wohl jemals mich klagen, H 22 Wiederseh’n, H 3 Wiedersehn, Wort des Trostes, o wie schön, H 3 Wie glücklich war ich in den Kinderstunden, Ste 10 Wie herrlich leuchtet mir die Natur, Ste 33 Willst du froh und ruhig leben, o so wünsche mir zu viel, Ste 21 Wir winden dir den Jungfernkranz, Ste 36
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Register der Textdichter und Komponisten Ambühl, Johann Ludwig, N 20, S 18 Apel, (Johann) August, Ste 52 Auberlen, Samuel Gottlob, S 18 Bäuerle, Adolf, N 27 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de, H 32 Bebel, Heinrich, S 11 Becker, Wilhelm Gottlieb, N 10 Beethoven, Ludwig van, H 19, Ste 33 Berger, Ludwig, H 8, H 10 Berio, Francesco Maria, H 12 Berton, Henri-Montan, Ste 21, Ste 22 Blum, Carl, H 15 Blumauer, Aloys, Ste 11 Boieldieu, François-Adrien, Ste 1 Bouilly, Jean-Nicolas, Ste 34 Bürde, Samuel Gottlieb, S 6 Bürger, Gottfried August, N 11 Castelli, Ignaz Franz, H 7, H 22, H 29, Ste 1, Ste 3, Ste 23, Ste 26 Claudius, Matthias, N 8, N 18 Conz, Karl Philipp, N 25 Cordes, Johann Friedrich, H 24 Danzi, Franz (Ignaz), Ste 38 Dittersdorf, Carl Ditters von, N 5 Dunker, Balthasar Anton, H 25 Ebers, Carl Friedrich, H 15 Einsiedel, Friedrich Hildebrand von, Ste 5 Eisenhofer, Franz Xaver, H 18 Emser, Hieronymus, S 11 Favières, Edmond (Guillaume François) de, Ste 21, Ste 22 Fehr, Joseph Anton, N 7, N 9, N 11 Fischer, Anton Friedrich, H 29, Ste 26 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig, Ste 18, Ste 20 Glück, (Johann Ludwig) Friedrich, H 9, H 34 Godard d’Aucourt de Saint-Just, Claude, Ste 1 Goethe, Johann Wolfgang von, Ste 12, Ste 30, Ste 33, Ste 49, Ste 54 Gotter, Friedrich Wilhelm, Ste 5 Götz, Erasmus von, Ste 57 Graß, Karl Gotthard, Ste 51 Gyrowetz, Adalbert, St 2 Harder, August(in), Ste 52, Ste 56 Haug, (Johann Christoph) Friedrich, Ste 32 Häussler, (Georg Jakob) Ernst, Ste 16, Ste 40 bis Ste 44, Ste 54, Ste 55 Haydn, Josef, S 19 Heinzmann, Johann Georg, N 2
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Register der Textdichter und Komponisten
Hiemer, Franz Carl, Ste 25 Himmel, Friedrich Heinrich, H 4 Huber, Johann Fürchtegott, H 16 Iffland, August Wilhelm, Ste 8 Jünger, Johann Friedrich, N 5 Kazner, Johann Friedrich August, S 8 Kind, Johann Friedrich, H 7, Ste 35, Ste 36 Knapp, Friedrich Jonathan, H 2 Knittelmaier, Lambert, Ste 11 bis Ste 14 Koller, Benedikt Josef M. von, Ste 27 Körner, (Carl) Theodor, H 4 Kotzebue, August (Friedrich Ferdinand) von, H 1, H 2 Krebs, [???], Ste 19, Ste 37 Kreutzer, Conradin, H 1, Ste 4 Lafontaine, August Heinrich Julius, Ste 10 Lessing, Gotthold Ephraim, N 21 Loeben, Otto Heinrich Graf von, H 19, H 20 Mahlmann, Siegfried August, H 3, Ste 15 Matthisson, Friedrich von, Ste 19, Ste 28 Méhul, Étienne-Nicolas, Ste 34 Metastasio, Pietro, St 40 bis Ste 44 Mettenleiter, Johann Michael, S 1 Miller, Johann Martin, N 2, Ste 9 Mozart, Wolfgang Amadeus, Ste 39 Müchler, Karl Friedrich, H 30, Ste 48 Müller, Wilhelmine, N 23 Mysliveček, Josef, St 39 Netzer, [?], Ste 17 Neuhofer, Gerhard Adam, Ste 13 Ponte, Lorenzo da, St 46 Reichardt, Johann Friedrich, Ste 5, Ste 30, Ste 45 Reissig, Christian Ludwig, Ste 2 Riel, Johann Friedrich Heinrich, Ste 31 Righini, Vincenzo, Ste 48 Ritter, (Johann) Peter von, H 5, Ste 24 Rossini, Gioachino (Antonio), H 12 bis H 14, H 32 Rudolphi, Karoline Christiane Louise, H 16 Salis-Seewis, Johann Gaudenz von, Ste 17 Sattler, Johann Paul, N 14 Schiller, (Johann Christoph) Friedrich, H 6, Ste 7 Schink, Johann Friedrich, H 3 Schlotterbeck, Johann Friedrich, H 2 Schreiber, Christian Johann Christoph, Ste 56 Schubart, Christian Friedrich Daniel, N 4, N 9, S 19 Schwärzler, Ignaz, Ste 6, Ste 9, Ste 18, Ste 20, Ste 49, Ste 57 Schwencke, Christian Friedrich Gottlieb, H 8 Scott, Walter, H 13 Sedaine, Michel-Jean, Ste 21, Ste 22 Seidel, Karl Traugott Heinrich, H 5, Ste 24
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Register der Textdichter und Komponisten
Seyfried, Ignaz Ritter von, Ste 1, Ste 47 Seyfried, Joseph (Gabriel) Ritter von, Ste 47 Shakespeare, William, Ste 5, Ste 12 Spaun, Franz von, S 19 Spohr, Ludwig, Ste 51 Spontini, Gaspare (Luigi Pacifico), H 23 Sterbini, Cesare, H 32 Sterkel, Johann Franz Xaver, Ste 7, Ste 27 bis Ste 29, Ste 53, H 21 Stolberg-Stolberg, Christian Graf zu, Ste 37 Stolberg(-Stolberg), Friedrich Leopold Graf zu, N 16, Ste 6 Stössel, Nikolaus, H 20 Syrgenstein, Marquard von, N 7 Tieck, (Johann) Ludwig, Ste 45 Tiedge, Christoph August, H 21, Ste 31 Tottola, Andrea Leone, H 13 Uhland, (Johann) Ludwig, Ste 4 Unzer-Ziegler, Johanna Charlotte, H 26 Valentini, Ste 10 Vial, Jean-Baptiste (Charles), Ste 21, Ste 22 Viganò-Mombelli, Vincenz(in)a, H 14 Voigt, Christian Friedrich Traugott, Ste 14 Wagenseil, Christian Jakob, N 19 Weber, Carl Maria (Friedrich Ernst) von, H 30, Ste 25, Ste 35, Ste 36 Weigl, Joseph, H 22, Ste 3, Ste 23 Weise, Christian, H 8 Werneuchen, Friedrich Wilhelm August Schmidt von, H 10 Willimann, Eduard Anton, H 25 Winter, Peter von, Ste 46 Wolf, Ernst Wilhelm, N 19 Wyss, Johann Rudolf, H 9 Zumsteeg, Johann Rudolf, H 6, S 19, Ste 8, Ste 15, Ste 32
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Literatur und zitierte gedruckte Quellen A lgier 1841 = A lgier , J. J. Weltlicher Liederschatz für Deutschlands Gesangsfreunde. Eine Sammlung von mehr als 1600 auserlesenen Liedern, älterer und neuester Zeit, zur Erhöhung und Belebung geselliger Freuden, Reutlingen 1841. A llgäuer 1922 = A llgäuer Emil, Vom Liebesleben unseres Landvolkes. In: Heimat. Volkstümliche Beiträge zur Kultur und Naturkunde Vorarlbergs. Hrsg. Adolf H elbock , Innsbruck 1922, S. 18–21. A mann 2014 = A mann Klaus, Das „Spottgedicht auf Kaiser Ludwig den Bayern“. Historische Quelle für die Belagerung Feldkirchs 1345? In: Montfort. Zeitschrift für Geschichte Vorarlbergs 2014/1, S. 83–99. A ngsüsser 1933 = A ngsüsser Josef, Anton Ritter von Spaun. Seine Persönlichkeit und seine literarischen Werke. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 85 (1933), S. 1–68. antonicek 1995 = A ntonicek Theophil, Biedermeierzeit und Vormärz. In: Musikgeschichte Österreichs. Hrsg. Rudolf F lotzinger und Gernot G ruber , Wien, Köln, Weimar 1995, S. 270–352. A uberlen 1784 = A uberlen Samuel Gottlob, Lieder fürs Clavier und Gesang. St. Gallen, Reutiner, 1784. A uftakt 1999 = A uftakt . Mitteilungen für Freunde der musischen Volkskultur, Hrsg. Kärntner Volksliedwerk, Klagenfurt 1999. B achmann -G eiser 1975 = B achmann -G eiser Brigitte, Das Hackbrett in der Schweiz. In: Das Hackbrett, ein alpenländisches Musikinstrument, Broschüre zur Ausstellung in Appenzell, Herisau/Trogen 1975, S. 24–72. B achmann -G eiser 2000 = B achmann -G eiser Brigitte, Mit Freuden singen. Zu Jeremias Gotthelfs Verständnis der Volksmusik. In: Volksmusik – Wandel und Deutung. Festschrift Walter Deutsch zum 75. Geburtstag. (= Schriften zur Volksmusik 19), Hrsg. Gerlinde H aid , Ursula H emetek , Rudolf P ietsch , Wien 2000, S. 417-429. B är 1893 = B är Jodok, Das Vorarlberger Haus. III. Theil. Das Tanzhaus. In: 32. Jahresbericht des Vorarlberger Museums-Vereins über das Jahr 1893, S. 42–48. B äumker 1891 = B äumker Wilhelm, Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen, Bd. 3, Freiburg 1891. B äumker 1911 = B äumker Wilhelm, Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen, Bd. 4, Freiburg 1911. B ecker 1798 = Almanach und Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Hrsg. W[ilhelm] G[ottlieb] B ecker , Leipzig 1798. B ecker 1800 = Almanach und Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Hrsg. W[ilhelm] G[ottlieb] B ecker , Leipzig 1800. B ecker 1820 = W. G. Becker’s Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Hrsg. von Friedrich K ind , Leipzig 1820. B eitl 1970 = B eitl Klaus, Totenwacht und Totenwachtsingen in Vorarlberg. In: Jahrbuch des ÖVLW 1970, S. 20–74. B eitl 1964 = B eitl Klaus, „Für den Joh. Jos. Nayer ein Gesangbuch 1839“. Eine Montafoner Liederhandschrift aus der Biedermeierzeit. In: Jahrbuch des ÖVLW 1964, S. 61–77. B enziger 1910 = B enziger Augustin OSB, Beiträge zum katholischen Kirchenlied in der Deutschen Schweiz nach der Reformation, phil. Diss., Sarnen 1910. B ernhardi 1844 = B ernhardi Wilhelm, Allgemeines deutsches Liederlexikon oder Vollständige Sammlung aller bekannten deutschen Lieder und Volksgesänge in alphabetischer Folge, 4 Bde., Leipzig 1844. B ernhardi 1846 =B ernhardi Wilhelm, Allgemeines deutsches Liederlexikon oder Vollständige Sammlung aller bekannten deutschen Lieder und Volksgesänge in alphabetischer Folge, 4 Bde., Leipzig 1846. B ernhardi 1847 = B ernhardi Wilhelm, Allgemeines deutsches Liederlexikon oder Vollständige Sammlung aller bekannten deutschen Lieder und Volksgesänge in alphabetischer Folge, 4 Bde., Leipzig 1847. B euttner 1602 (1968) = B euttner Nikolaus, Catholisch Gesang-Buch: Darinnen vil schoener / newe / vñ zuuor noch nie im Druck gesehen / Christliche / andächtige Gesänger / die man nit allein bey dem Ambt der H. Meß / in Processionibus, Creutz: vñ Walfarten / sonder auch zu Hauß sehr nützlichen gebrauchen mag. Gratz: Georg Widmannstetter 1602. Reproduktion hrsg. Walther L ipphardt , Graz 1968. B ilgeri 1980 = B ilgeri Benedikt, Bregenz, Geschichte der Stadt (= Stadtgeschichtliche Arbeiten 1), Bregenz 1980.
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Literatur und zitierte gedruckte Quellen
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Literatur und zitierte gedruckte Quellen
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W eizenegger /M erkle 1839/1989 B är 1893, nach S. 48, Abb. 2 Vorarlberger Landeabibliothek Vorarlberg Museum Stadtarchiv Bregenz, Foto: Rudolf Zündel (Vorarlberger Nachrichten) Vorarlberg Museum Stadtarchiv Bregenz Vorarlberger Landesbibliothek Österreichische Nationalbibliothek, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Franz_Castelli#/ media/Date5i:Ignaz_Franz_Castelli.jp (Zugriff: 5. 10. 2019) Vorarlberger Landesbibliothek, URL: https://pid.volare.vorarlberg.at/o:67336 (Zugriff: 4. 10. 2019) Vorarlberger Landesbibliothek Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Vorarlberger Landesarchiv Vorarlberg-Chronik, URL: http://apps.vol.at/tools/chronik (Zugriff: 15.1.2022) Vorarlberger Landesarchiv Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung C hristen 2002, II, S. 378 Universitätsbibliothek Augsburg Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung Bayerische Staatsbibliothek, Digitale Sammlungen URL: https://www.digitale-sammlungen.de/en/ view/bsb10590263?page=78,79 (Zugriff: 20.1.2022) P ommer 1927, S. 9 K lier 1940, S. 123 Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung Gassmann 1906, S. 20 Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung V orarlberger V olksliedwerk 2002 K ärntner V olksliedwerk 1999, S. 18 Vorarlberger Landesarchiv, Musiksammlung Bayerische Staatsbibliothek, Digitale Sammlungen, URL: https://www.digitale-sammlungen.de/en/ view/bsb00108196?page=102,103 (Zugriff: 20.1.2022) D eutscher V olksgesang -V erein 1906, S. 5 Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Z oder 1928, S. 8 K orda /K lier 1959, S. 8 Vorarlberger Landesarchiv Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Vorarlberger Landesarchiv Privatarchiv Heinz Bitschnau, Bartholomäberg. Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks E rk /B öhme 1893, II, S. 767 Österreichische Nationalbibliothek, Archiv des Österreichischen Volksliedwerks Zentralbibliothek Zürich, Sammlung von Schweizer-Kühreihen und Volksliedern: Recueil de ranz de vaches et chansons nationales de la Suisse. Bern: J. J. Burgdorfer, 1826. Zentralbibliothek Zürich, Jenny A 901, URL: https://doi.org/10.3931/e-rara-24762/ Public Domain Mark
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Bildnachweis
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Abkürzungen Bearb. Bearbeitung COMPA Corpus Musicae Popularis Austriacae DVA Deutsches Volksliedarchiv Freiburg / Zentrum für Populäre Kultur und Musik Uni Freiburg Fol., fol. Folium hrsg. herausgegeben Hrsg. Herausgeber hs handschriftlich GdMF Gesellschaft der Musikfreunde, Wien Inv.-Nr. Inventarnummer KA Kreisamt LG Landgericht LHS Liederhandschrift M Meusburger MHS Musikantenhandschrift N Nayer OEML Österreichisches Musiklexikon o. J. ohne Jahr o. S. ohne Seitenangabe ÖNB Österreichische Nationalbibliothek OSB Ordinis Sancti Benedicti (Benediktinerorden) ÖVLW Österreichisches Volksliedwerk, Wien S Sonnleithner SAAH Sammlung alte Handschriften Sch Schachtel St Stülz STBF Stadtbibliothek Feldkirch Ste Steinle UT Umschlagtitel VLA Vorarlberger Landesarchiv VLB Vorarlberger Landesbibliothek
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