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German Pages 216 Year 2015
Jan Böhm, Roswitha Stütz (Hg.) Vielfalt in der Bildung
Pädagogik
Jan Böhm, Roswitha Stütz (Hg.)
Vielfalt in der Bildung Lehrerausbildung und pädagogische Praxis im internationalen Vergleich
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) Österreich
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Inhalt
Vorwort | 7 Überlegungen zum Gegenstandsbezug der Vergleichenden Pädagogik Jan Böhm | 9
LEHRERBILDUNG Teacher Preparation for a Changing World Zoila Tazi/Kathy-Anne Jordan | 55 Foreign Language Teachers’ Training System Evolution in Post-Soviet Countries Irma Barbakadze | 65 Lehrerausbildung in Finnland Jan Böhm | 77
I NTERNATIONALITÄT IN DER HOCHSCHULPRAXIS Working Across Borders: Challenges of International Collaboration Helge Wasmuth | 113 Vorbereitung der Lehrkräfte auf die Aufgaben der Internationalisierung an Schulen Věra Janíková | 127
P ÄDAGOGISCHE PRAXEN IN IHRER V IELFALT Sich seiner Herkunft schämen: kulturelle Besonderheiten des Schamgefühls Julia Koinova-Zöllner | 151
Informelles Lernen in der Schule und in der Freizeit Szilvia Simándi | 171 Die Einheitliche Staatliche Prüfung in Russland: Pro und Contra
Julia Koinova-Zöllner/Olga Donetskaya/Inna Golovanova | 181
BEISPIELE FÜR GELUNGENE PÄDAGOGISCHE P RAXIS Teaching and Learning Transformative Processes Irma Barbakadze/Jan Böhm/Nino Sozashvili | 195 EPTE-Programme: Cross-national Teacher Education Roswitha Stütz | 201 Autorinnen und Autoren | 213
Vorwort J AN B ÖHM /R OSWITHA S TÜTZ
Sämtliche mit Pädagogik befassten Personengruppen müssen sich spätestens seit PISA mit Bildungswesen und pädagogischen Praxen andere Länder auseinandersetzen. Durch die Teilnahme an groß angelegten Schülerleistungsstudien werden Schulen (und ironischerweise auch Länder) automatisch in eine Reihenfolge und somit in eine Konkurrenzsituation gebracht, ob sie dies wollen oder nicht. Dabei werden in der Regel hoch aggregierte statistische Daten verwendet, ohne jedoch die jeweiligen Kontexte zu beachten oder sich gar mit pädagogischen Traditionen der jeweiligen Praxis zu beschäftigen. Auch in bildungspolitischen Debatten wird seit über einer Dekade vornehmlich auf internationale Schülerleistungsstudien zurückgegriffen, und es ist der Eindruck entstanden, dass diese großangelegten quantitativen Studien internationale pädagogische Forschung repräsentieren. Die Frage nach dem pädagogischen Gehalt von und den damit verbundenen Sozialräumen rückt dabei in den Hintergrund. In diese Lücke soll dieser Sammelband zumindest einige Aspekte pädagogischer Praxis näher beleuchten und für die Vielfalt heterogener pädagogischer Ansätze werben. Dabei wird der Fokus auch auf die professionellen Akteure in der Schule gelenkt; eine gute Lehrerausbildung schafft die Voraussetzung für gute pädagogische Praxis in der Schule. Die in diesem Band versammelten Beiträge sollen aufzeigen, dass sich pädagogische Praxis – sowohl and Schulen als auch an Einrichtungen der Lehrerbildung – nicht (nur) nach festlegbaren Standards beobachten und bewerten lässt. In diesem Sinne ist dieser Band vielmehr als Ergänzung zu solcher bildungswissenschaftlicher Forschung zu sehen, die eher das Ge-
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meinsame weltweiter Bildung sucht. Das Anliegen dieses Bandes macht sich dezidiert für pädagogische Fragestellungen und Valenzen von Schule, Schulorganisation und Lehrerausbildung stark, die jeweils das Besondere betonen und diese Besonderheit als das herausstechende Merkmal von Bildung und Erziehung sieht. Im Band werden unterschiedliche Aspekte pädagogischen Handelns in unterschiedlichen Ländern beleuchtet. Dabei wird ganz bewusst auf eine sehr starke thematische Fokussierung verzichtet, jedoch nicht auf die klassische Prämisse der international ausgerichteten pädagogischen Forschung: „Einheit durch Vielfalt―. Im einleitenden Artikel von B ÖHM wird sowohl nach methodioschen als auch inhaltlichen Möglichkeiten international vergleichender Forschung gefragt. Im ersten Teil wird Lehrerbildung aus unterschiedlichen Perspekiven betrachtet. TAZI/JORDAN fordern in den USA eine Lehrerbildung, die Inklusion auf allen Ebenen curricular berücksichtigt, B ARBAKADZE verdeutlicht die Herausforderungen und Schwierigkeiten der postsowjetischen Transformation der Lehrerbildung in Georgien. B ÖHM stellt die finnische Lehrerausbildung dar, die spätestens seit PISA reges Interesse hervorgerufen hat. Im Teil zwei, Internationalität in der Hochschulpraxis, wird nach den Valenzen von Internationalität in der Lehrerausbildung gefragt, wobei einerseits der Fokus auf die Lehrendenseite gelegt wird (W ASMUTH ), und andereseits die Lehramtsstudierenden thematisiert (J ANIKOVA ) werden. Im dritten Teil werden internationale pädagogische Praxen reflektiert; K OINOVA -Z ÖLLNER widmet sich einem in der Pädagogik marginalisierten Thema und zeigt anhand literarischer Beispiele kulturelle Unterschiede im Umgang mit Scham auf. S IMANDI knüpft an die im einleitenden Artikel aufgeworfenen thematischen Bezüge der außerunterrichtlichen Valenzen an und skizziert anhand von Schülerreisen einen Sozialraum, den es pädagogisch zu erschließen gilt. K OINOVA Z ÖLLNER /D ONETSKAYA /G OLOVANOVA illustrieren die Schwierigkeiten bei der Umstellung von bildungspolitischen Steuerungsinstrumenten, wie die Abschlussprüfung eines darstellt. Im letzten Teil werden zwei Beispiele internationaler Kooperation in der Lehrerausbildung thematisiert. B ARBAKADZE , B ÖHM und S OZASHVILI zeigen die didaktischen Möglichkeiten eines Kurzzeitprogrammes in Georgien auf. S TÜTZ thematisiert den Benefit aber auch Herausforderungen internationaler Zusammenarbeit.
Überlegungen zum Gegenstandsbezug der Vergleichenden Pädagogik 1 JAN BÖHM
E INFÜHRUNG Welche Gründe für die Marginalisierung der Vergleichenden Erziehungswissenschaft lassen sich anführen? Meine Antwort lautet zugespitzt: neben den methodologischen Problemen – die in fast allen sozialwissenschaftlichen Fächern von Zeit zu Zeit auftauchen – sind es besonders die Unsicherheit und der Wandel des Gegenstandsbezugs der Wissenschaft selbst. Auch wenn, wie ich versuchen werde zu zeigen, der Gegenstandsbezug in der Geschichte der Vergleichenden Erziehungswissenschaft immer einem Wandlungsprozess unterlag, hat sich die Situation seit ca. 20 Jahren zugespitzt: der Wegfall der bipolaren ideologischen Sphären und das Ende des sogenannten Kalten Krieges, hatten gravierende Folgen für die deutschsprachige Vergleichende Erziehungswissenschaft. Einerseits ist natürlich unbestreitbar, dass das Blockdenken – vorübergehend – verschwunden war und damit auch die – vorübergehende – Gefahr neuer großer Kriege. Andererseits – und jetzt argumentiere ich aus der Sicht der Komparatistik, nicht aus der der politischen Makroperspektive – wurde dafür ein hoher Preis gezahlt. 1990 war also eine gewaltige Zäsur, ich würde sogar sagen, eine Wasserscheide für die vergleichende Pädagogik. Trifft also für die Kompa-
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Der Artikel ist eine erweiterte Fassung der Antrittsvorlesung, gehalten am 26.5. 2014 an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich.
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ratistik das zu, was Francis Fukuyama (1992) für die Nach-Block-Politik behauptet hatte: ein Ende der Geschichte? Die ständige Unsicherheit ob der technologischen Überlegenheit der Gegenseite wurde zu einem immanenten dynamischen Moment für viele Teilgebiete der Gesellschaft, besonders für das Bildungswesen – und auch für die Vergleichende Erziehungswissenschaft. Die penetrante Überschätzung des Anderen führte zu permanenten Ängsten, die mit hohen Anstrengungen im Feld der Forschung kompensiert werden sollten. Davon profitierte auch die Vergleichende Erziehungswissenschaft ohne sich – meistens – ideologisch vereinnahmen zu lassen. Da die Ausbildung und somit das Bildungswesen als Schlüssel für den Systemwettkampf angesehen wurde, galt es, möglichst viel über das Funktionieren des Bildungssystems des Gegenüber zu erfahren. Um Missverständnisse auszuschließen: Niemand wusste besser über die repressiven Verhältnisse in den jeweiligen Ländern Bescheid als vergleichende Forscher, die die jeweiligen Verhältnisse gut kannten. Nach 1990 schien sich auch in den Erziehungswissenschaften eine teleologische Sichtweise auszubreiten und damit die Erkenntnis, dass Pädagogiken aus ehemals sozialistischen Ländern eine historische Sackgasse darstellten; eine weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung schien entbehrlich, wenn nicht gar nutzlos geworden zu sein.2 Vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, aber das Ende des Kalten Krieges hat den Eurozentrismus weiter gefördert und zum Teil mehr als latente Überheblichkeitsgefühle unserer westlichen Werte und Einstellungen befördert. Die Folge u.a. ist, dass man nur noch wenig über die Bildungswesen und Pädagogiken der Länder des ehemaligen „Ostens― weiß. Dies gilt auch noch für Staaten, die jetzt Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind,
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Natürlich ist dieser „Gegenstand― oder diese Region nicht völlig verschwunden, die Aufmerksamkeit auf pädagogische Phänomene in diesen Gebieten hat sich jedoch stark vermindert. Andererseits hat sich der Fokus auf Pädagogik und Bildungswesen geändert: vornehmlich geht es darum, wie diese Länder es schaffen, ihr Bildungswesen so zu transformieren, dass es anschlussfähig wird; anschlussfähig an westliche Bildungs- und Zertifizierungssysteme. Einzelne Forscher und Gemeinschaften stellen rühmliche Ausnahmen dar, so die „Gesellschaft für Vergleichende Pädagogik e.v.―, die jedoch vor einigen Jahren aufgrund mangelnder Mitglieder aufgelöst wurde.
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obwohl die europäischen Datenbanken die Bildungssysteme aller Mitgliedsländer erfassen (vgl. Eurypedia). Das Ende der bipolaren Welt hat also nicht zu einem mehr an Wissen und Verständnis geführt, sondern den (west-)eurozentristisch-teleologischen Blick auf Bildung und Erziehung weiter befördert. Perturbiert wird diese Sichtweise durch Erfolge asiatischer Länder bei internationalen Schülerleistungstests (vgl. PISA). Jedoch werden die Erfolge häufig als inhuman und nicht im Sinne des humanistischen Bildungsgedanken umgedeutet; Klaus Zierer – der Mitübersetzer der sog. Hattie-Studie – hat an der PH OÖ von seinen Beobachtungen in China gesprochen und gleichzeitig betont, dass die Erfolge durch „robotermäßige Schüler― und hohe Suizidraten unter Schülern erkauft werden. Letztendlich wurde eine ernstzunehmende pädagogische Alternative in Asien nicht ernsthaft in Betracht gezogen.3 Ich argumentiere keineswegs für ein neues Blockdenken oder die Wiedereinführung kommunistischer Regime, sondern wollte aufzeigen, dass es der Vergleichenden Erziehungswissenschaft bisher nur unzureichend gelungen ist, einen neuen Gegenstandsbezug zu etablieren und somit die Disziplin neu zu orientieren und zu dynamisieren. Erschwerend kommen andere Phänomene in den Erziehungswissenschaften hinzu: die empirische Bildungsforschung mit ihren großangelegten Schülerleistungstests dominieren seit mehr als 15 Jahren die international ausgerichtete Bildungsforschung. Das hatte viele Umwidmungen ehemals vergleichender Lehrstühle zur Folge aber auch eine Deutungsdominanz international-pädagogischer Forschung. Erkauft wurde dies durch eine m.E. nicht vertretbare Verkürzung von Pädagogik auf Schülerleistungen und einer methodologischen Vereinseitigung. Nur allzu leicht haben Bildungspolitiker aus vielen Ländern die handlichen Rankings und Tabellen als Grundlage für überstürzte und selten gut durchdachte Reformen herangezogen und gerechtfertigt. Die Ängste einer der prominentesten PISA Forscher Jürgen Baumert in der ZEIT aus dem Jahre 2001: „Ich fürchte mich am meisten vor den Personen, die jetzt genau
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Im viel diskutierten Kinofilm „Das Alphabet― kommt diese Haltung ostentativ zum Ausdruck, wenn die europäischen Bildungsforscher etwas hilflos durch chinesische Schulen laufen und sich offensichtlich wundern, wie unter solchen Umständen so gute Schülerleistungen zustande kommen können.
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wissen, was zu tun ist― (Zeit, 2001), haben sich leider vielfach bewahrheitet.
D ER G EGENSTAND DER V ERGLEICHENDEN E RZIEHUNGSWISSENSCHAFT Nähert man sich dem Gegenstandsbezug der Vergleichenden Erziehungswissenschaft, kommt man um eine historische Rückbesinnung nicht aus. Auch wenn es umstritten ist, wer genau als die Gründungsperson der Disziplin angesehen werden kann, werden immer einige herausragende Personen genannt (vgl. u.a. Adick 2008; Brock/Alexiadou 2013; Phillips/ Schweisfurth 2008; Waterkamp 2006). Ein erster prominenter Vertreter pädagogischer Komparatistik ist MarcAntoine Jullien de Paris (1775-1848). Jullien, stark vom cartesianischen Denken geprägt, suchte nach Gesetzen der Erziehung und entwickelte einen Katalog mit 266 Fragen, um alle bekannten Daten zu Bildungsinstituten in Europa zu sammeln und daraus allgemeingültige Gesetzte der Erziehung abzuleiten für ein ideales Bildungsinstitut. Für ihn war das Pestolozzische Institut in Ifferton wegweisend (vgl. Waterkamp 2006, S. 16f). Neben Paris gab es eine Zahl weiterer bekannter Reisender, die zum Teil sehr informative und anregende Berichte über Schulen und Schulwesen in anderen Ländern verfassten mit dem Hintergedanken, Anregungen für das eigene Schulwesen zu erhalten; dazu zählen prominent der Franzose Victor Cousin, der Amerikaner Horace Mann, der Brite Matthew Arnold, der Finne Uno Cygnäus, aber auch August Hermann Niemeyer, Friedrich Thiersch, der Schriftsteller und Pädagoge Lew Tolstoi und Konstantin Ushinsky (vgl. ebda., S. 18ff). Lew Tolstoi ist einer der wenigen Reisenden, der sich durchgehend negativ über seine Erfahrungen im Ausland äußerte und im Kontrast dazu seine pädagogischen Ideen in Jasnaja Poljana umsetzte. Die Einsichten in die pädagogischen Praxen anderer Länder brachte automatisch das Problem des Übertragens (modern: Transfers) mit sich. Das Problem des Borgens (borrowing) entstand. Der Brite Michael Sadler war einer der ersten Wissenschaftler, den dieses Problem beschäftigte. Er veröffentlichte elf Bände, die sogenannten „Special Reports on Educational Subject―, in denen die Bildung in europäischen Ländern und der USA eingehend dargestellt wurden. Er führte den Begriff „system of education― ein,
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der seitdem weltweit Verbreitung gefunden hat (vgl. Barnard 1989). Das Interessante bei Sadler war die Einsicht, dass die Erscheinungen des Bildungswesens unmittelbar auf die Eigentümlichkeiten der Nation zurückzuführen ist; genauer auf den Nationalcharakter. Diese hingen freilich eng mit ökonomischen und außenpolitischen Erfolgen der jeweiligen Nation zusammen. Diese komplexen Zusammenhänge waren ja genau das, was der Begriff „system of education― ausdrücken sollte. Sadlers Erbe hat die Vergleichende Pädagogik nachhaltig beeinflusst, einerseits positiv, indem er auf soziale, ökonomische, politische und wissenschaftliche Zusammenhänge aufmerksam gemacht hat, andererseits gab seine Zentrierung auf Nation – die aus der europäischen Staatskonkurrenz herrührte – der Vergleichenden Erziehungswissenschaft eine schwere Hypothek mit. Methodologisch umging Sadler das Problem des Vergleichs, da für ihn klar war, dass die Richtung des Vergleichs immer auf die eigene Nation zielte. Andere Nationen miteinander zu vergleichen war für ihn kein Denkmodell. Übertragbar oder transferfähig waren für Sadler verwaltungstechnische Regelungen, Inspektionsmethoden und Lehrmittel. Die Diskrepanz zwischen einerseits immanenter Verflechtung von Erziehung mit Nation und Nationalcharakter, die er wissenschaftlich studieren wollte und gleichzeitig der Anspruch, praktischen Nutzen für die pädagogische Praxis bereitzustellen, nennt Jürgen Schriewer das „Sadler-Dilemma― (Schriewer 1982, S.190ff). Die Darstellung herausragender erziehungswissenschaftlicher Komparatisten würde unzulässig verkürzt, wenn sie nicht in einem größeren wissenschaftshistorischen Kontext gestellt würde. Hier wird noch deutlicher, welche wegweisende Orientierung komparatistische Forschung in der Wissenschaftsgeschichte hatte: Generell lässt sich sagen, dass die vergleichenden Wissenschaften Anfang des 19. Jahrhunderts das „Nonplusultra der Modernität― (siehe im Folgenden: Schriewer 2013; Schriewer 2003) darstellten. Wissenschaftshistorisch besonders interessant ist die Umstellung von Rangordnungen und mathematischen Formen der Welterkenntnis hin zu entwicklungsoffenen Spektren horizontal geordneter und prinzipiell gleichrangiger einzelwissenschaftlicher Disziplinen (Früher Hierarchie: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften). Verbunden damit war eine weitere gravierende Umwälzung: die Umwertung der Empirie. Die noch immer cartesianisch geprägte und mathematisch durchkomponierte Weltmechanik wurde ersetzt durch umfassende
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Sammlung, Beschreibung und Klassifikation spezifischer Wirklichkeitsausschnitte mit dem Ziel ihrer analytischen Auswertung und dem Suchen nach Strukturgesetzlichkeiten. Moderne Forschung erzeugte nun also ihre Empirie selbst: durch planmäßige Explorationen, systematische Beobachtungen, Vermessungen oder Expeditionen (siehe auch: Knorr Cetina 2002). Als herausragendes Beispiel des letztgenannten sei nur auf die Expeditionen von Alexander von Humboldt verwiesen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass der Reorganisationsprozess wissenschaftlicher Forschung untrennbar mit der gedanklichen Operation des Vergleichs verbunden ist. Dem Vergleich kam die erkenntnistheoretische Schlüsselposition zu; er wurde zum Königsweg wissenschaftlicher Forschung. Als Leitwissenschaften dienten die vergleichende Anatomie und die vergleichende Sprachwissenschaft (vgl. Schriewer 2013). In diese Reihe lässt sich dann die oben nur holzschnittartig skizzierte Entwicklung der erziehungswissenschaftlichen Forschung einfügen. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die vergleichende Forschung neue Impulse durch zahlreiche Emigranten, die Erfahrungen in verschiedenen Ländern gesammelt hatten und in ihren Zielländern wirksam wurden. Zu nennen sind u.a. Nicholas Hans, Sergius Hessen (beide Russen), Robert Ulich, Isaac Leon Kandel. Daneben befruchtete die Zusammenarbeit zahlreicher Reformpädagogen im „Weltbund für die Erneuerung der Erziehung― internationale pädagogische Forschung. Im Weltbund fanden sich Namen wie der eben beschriebene Michael Sadler aber auch wegweisende deutsche Komparatisten wie Friedrich Schneider, Hermann Röhrs und Franz Hilker (vgl. Waterkamp 2006, S. 24f). Die drei letztgenannten strebten eine enge Anbindung der Komparatistik an die allgemeine Erziehungswissenschaft an. All diese Pädagogen verfolgten einen eher historischen und geistesgeschichtlichen Ansatz; dieser war wiederum eng an den Nationenbegriff rückgebunden und stärkte die Fokussierung auf Nationen. Spätestens nach dem zweiten Weltkrieg war die Bezugnahme auf Nation problematisch, da Nationen nicht einfach mit einem Staat zur Deckung zu bringen waren. Im Nationenbegriff sind Grenzen nicht automatisch mitgedacht. Nur selten hat eine gesamte Nation einen eigenen und einzigen Staat. Eher eine Verlegenheitslösung stellt der neue Bezug Land (Country) her. Er lässt sich leicht mit Staat übersetzen und war weit weniger problematisch als die Orientierung an Nation. Das Dilemma, an das die Komparatistik mit ihrer Fokussierung auf Nationen oder Staaten gestoßen war, war
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die eigentliche Unvergleichbarkeit von Nationalcharakteren. Natürlich ist es interessant herauszuarbeiten, welche „Triebkräfte― (Schneider) hinter dem Erziehungswesen einer Nation/eines Staates stehen, zum Vergleich gelangt man somit jedoch nicht automatisch. Ein weiterer Schritt zur Neukonstitution des Gegenstandsbezugs der Vergleichenden Pädagogik war die Ablösung des Bezugs zu einem Land hin zu Internationalität und letztendlich zum Bezug Welt (vgl. Waterkamp, S. 107ff). Es würde den Rahmen sprengen, hier auf die dynamische Entwicklung zu blicken, die das Hereinholen der Entwicklungsländer in den Fokus der vergleichenden Forschung mit sich brachte. Erwähnenswert bei der Erschließung des Gegenstandsbezugs Welt war ein überaus ambitioniertes Forschungsprogramm, das bis heute bezüglich Umfang und Anspruch seinesgleichen sucht. Es geht um die Weltsystemtheorie von John Meyer und Francisco Ramirez, zwei amerikanische Forscher, die sich in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Frage beschäftigten, ob Internationalität das Produkt von Nationalstaaten sei oder ob Nationalstaaten das Produkt von Internationalität seien (vgl. u.a. Meyer/Ramirez 1977). Die Weltsystemtheoretiker ziehen letztgenannte Erklärung heran. Nicht interne, sondern externe Faktoren wirken als Katalysator für Nationenbildung. Daher sei der bisher eingeschlagene Weg, Länder zu untersuchen nicht geeignet, um die Etablierung eines Weltsystems zu erkennen. Laut Ramirez und Meyer gibt es kein Zentrum des Weltsystems. Letztendlich ist das Weltsystem ein kulturelles System, ein kulturelles System in dem sich Regeln und Werte verbreiten – beispielsweise was Fortschritt bedeutet, wie sich ein Staat entwickeln sollte oder was soziale Gerechtigkeit ist. Die Autoren sprechen von welt-standardisierten Ideen. Die Diffusion dieser Ideen geht einher mit der Vorstellung einer Bildungsexpansion; von ihr verspricht man sich Fortschritt, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und ähnliches. Sie weisen also die Vorstellung zurück, dass interne Faktoren für die Entwicklung eines Bildungswesens verantwortlich sind, sondern vertreten, dass vielmehr außen herangetragene Faktoren wirken. In aufwendig erzeugten Datenreihen weisen die Forscher u.a. nach, dass weltweit eine Angleichung von Curricula zu beobachten ist, die Wertigkeit von Fremdsprachenunterricht weltweit steigt und praxisbezogene Fächer an Universitäten Einzug halten. Die Weltsystemtheorie hat viele Kritiker gefunden und gilt heute nicht mehr als zeitgemäß, auch wenn der
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methodische Aufwand der Untersuchung und die theoretische Verankerung nach wie vor beeindrucken. Wenn also Nation, Staat oder Land und Welt als Gegenstandsbezüge an Bedeutung verloren haben, was kann an ihre Stelle treten und somit die Konstitution der Wissenschaft wieder dynamisieren? Die Antwort lieferte vielleicht der Name der betreffenden Sektion in der DGfE: Sektion für Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft. Kultur also als eine neue Gegenstandsbestimmung der vergleichenden Erziehungswissenschaft. Ein wesentlicher Unterschied wird sofort deutlich. Es fehlt beim Kulturbegriff der geographische Bezug, der bisher für die vergleichende Erziehungswissenschaft konstitutiv war. Kulturen werden vielmehr verstanden als Hervorbringung menschlichen Zusammenlebens. Kulturen gibt es also automatisch dort, wo Menschen zusammenleben. Der Vorteil ist, dass der Begriff normativ weniger aufgeladen ist und sich nicht auf historisch bedeutsame Erscheinungen beschränkt. Im Gegenteil, es ist konstitutiv, dass Kulturen sich wandelnde, einander durchdringende und sich ständig entwickelnde Entitäten sind. Es geht also nicht um staatlich geregelte institutionelle Systeme, sondern um die im alltäglichen Zusammenleben praktizierten Muster. In diesem Zusammenhang wird Lehren und Lernen nicht nur auf Institutionen beschränkt, sondern auch informelles Lernen in den Blick genommen. Die Geschichte und Entwicklung der interkulturellen Pädagogik kann hier in keiner Weise nachgezeichnet werden und wird auch nicht versucht, festzuhalten aber bleibt, dass die Kategorie Kultur für die Vergleichende Erziehungswissenschaft derzeit einen, wenn nicht den bedeutendsten Gegenstandsbezug gefunden hat. Konstitutiv für den Kulturvergleich ist das Spannungsverhältnis zwischen Gleichheit und Differenz. Gleich sind beispielsweise pädagogische Probleme, different hingegen die Strategien, mit denen darauf reagiert wird. Dieses Spannungsverhältnis evoziert unterschiedliche Forschungsstrategien, die man nach Merle Hummrich (2013) in vier Kategorien unterteilen kann:
Modernisierungstheoretischer Ansatz: Hier geht es um universelle Annahmen der Moderne. Die Realisierung des Projektes Moderne wird als Maßstab gesetzt, an dem alle Bildungswesen gemessen werden können. Wenn als Maßstab für Moderne Meritokratie oder Inklusion herangezo-
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gen wird, können Bildungswesen identifiziert und als vor-modern eingeordnet werden, wenn neben Leistungen andere Parameter über die Lebenschancen von Menschen wirksam sind. Solche Ansätze sind freilich auf der Makroebene angesiedelt und berücksichtigen Mikroprozesse sozialer Selektion nicht. Systemtheoretischer Ansatz: In dieser Perspektive wird nach Bedeutung von Kultur für die Funktionalität von Bildungssystemen gefragt. Kultur wird hier aufgefasst als Sinnressource einer Gesellschaft. Die Rekonstruktion von Bildungs- und Schulkulturen versucht daher herauszuarbeiten auf welche Sinnressourcen wie Bezug genommen wird. Dieser Ansatz ist mehrebenenanalytisch angelegt. Strukturtheoretische Ansätze: In diesem Ansatz geht es um das Vergleichen von Grundmustern, die sich in Bezug auf einen Gegenstandsbereich abzeichnen. Dieser Ansatz zielt auf eine Typologie, die dann in ein Verhältnis zu Idealtypen gesetzt wird. Ansatzpunkte sind sowohl Interaktionen als auch institutionelle Entwürfe. Phänomenologische Ansätze: Phänomenologische Ansätze beziehen sich auf Mikroprozesse und machen das eigene Befremden zum Ausgangspunkt der Forschung. Primär geht es um die Wahrnehmung sozialer Phänomene in anderen, fremdem Settings. Dies eröffnet nicht nur einen Blick über das Fremde, sondern – das scheint mir besonders wichtig – ermöglichen einen reflexiven Blick auf das Eigene. Das Eigene ist dann durch die Erfahrung des Anderen entfremdet. Oftmals wird in einer solchen Forscherperspektive auf ethnografische Methoden zurückgegriffen (vgl. Hummrich 2013, S. 301f).
Als ein Beispiel für den letztgenannten Ansatz wird im Folgenden die Untersuchung zu pädagogischen Valenzen schulspezifischen Geschehens im Umfeld des Unterrichts skizziert. In diesem Ansatz geht es nicht um formale und hochgradig strukturierte Lernsettings, wie beispielsweise im Unterricht, sondern um informelle Lerngelegenheiten, die sich dem Einfluss von Pädagogen erst einmal entziehen, aber dennoch auf das Feld des schulischen Arbeitens rückbeziehen und ihn beeinflussen können. Dabei ist eine pädagogische Valenz nicht mit informellem Lernen zu verwechseln. Letzteres rekurriert auf den Modus des Aneignens (wie beispielsweise bei Livingsone 1999). Mit pädagogischer Valenz ist eine potentielle Anreizstruktur gemeint, die, wenn sie wahrgenommen wird, pädagogisch wirksam
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werden kann. Sie kann sich sowohl im formalen als auch informellen Modus des Lernens vollziehen, wobei diese Unterscheidung im hier gemeinten Kontext wenig sinnvoll erscheint. Der hier fokussierte Untersuchungsgegenstand ist zwar auf Schule bezogen, kann aber nicht direkt als zum schulischen Geschehen zugehörig betrachtet werden. Er ist in die Schulpädagogik nicht eingeschlossen und seine pädagogische Potentialität wird bisher kaum wahrgenommen. Der hier in den Blick genommene Geschehensbereich ist zwar auf Schule bezogen, gehört aber nicht in den schulisch verantworteten und unter pädagogischen Zielen gestellten Vorgängen. Er ist jedoch durchaus belangvoll für die erfolgreiche Durchführung der eigentlichen schulischen Aufgaben. Von Seiten der Schule wird man daher auf dieses Geschehen vor allem dann aufmerksam, wenn es negative Effekte auf das Lernen der Schüler hat. Es gibt mehrere Bereiche eines solchen Geschehens. Man denke etwa an den Pausenaufenthalt der Schüler. Dieser liegt bereits relativ nahe am eigentlichen Unterrichtsgeschehen und wird deshalb häufiger unter pädagogischem Gesichtspunk gesehen als die hier betrachteten Geschehensbereiche, die vom Unterricht funktional und inhaltlich weiter entfernt sind. Die Pausengestaltung hängt stark mit den physischen und baulichen Gegebenheiten einer Schule zusammen. Grundsätzlich ist auch die bauliche Gestaltung einer Schule ein Geschehensbereich, der für die Erreichung der pädagogischen Ziele durchaus relevant ist, aber nicht immer intensiv unter diesem Gesichtspunkt betrachtet wird. Hier soll am Beispiel „Essen in der Schule― dargelegt werden, welche pädagogischen Valenzen dieses Phänomen beinhaltet. In der Regel ist dieser „Geschehensbereich―aus pädagogischer Sicht „freigegeben―, d.h. nicht in pädagogische Überlegungen einbezogen; er unterliegt einer funktionalen Betrachtungsweise. Essen dient dem Stillen von Hunger und Durst. Beide Vorgänge erfüllen eine äußerliche Bedingung, die für das pädagogische Geschehen der Schule unentbehrlich ist, aber eben nur eine äußere, physische Voraussetzung darstellt. Da dieser „Geschehensbereich― pädagogisch noch nicht wirklich „erschlossen― ist4, reizt er für einen pädagogischen „Blick―. Hier können tat-
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In letzter Zeit haben einige Forscher dem Thema Aufmerksamkeit gewidmet; bezüglich Sozialverhalten: Schütz 2015; Mittagessen und Ganztagesschule:
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sächlich noch pädagogische „Entdeckungen― gemacht werden, d.h. man kann entdecken, welches pädagogische Potential in ihnen enthalten ist, bzw. im Falle einer guten Organisation enthalten sein kann. Diese Potentiale sind keineswegs notwendig von Pädagogen in die Situationen hineingetragene Aufforderungen, sondern sind Erlebnis- und Handlungschancen, welche die Schüler selbst entdecken können. Der pädagogisch interessierte Beobachter bemüht sich solche zu identifizieren. Unterschiedliche organisatorische Bedingungen dieses Geschehens können allerdings solche Chancen vermehren oder minimieren. Dieses schulnahe, aber bisher pädagogisch weitgehend „freigegebene― Geschehen sollte in die pädagogische Sichtweise einbezogen werden, nicht mit dem Ziel, es unter eine pädagogische Kontrolle zu nehmen, sondern in der Intention, die organisatorischen Bedingungen so einzurichten, dass Schüler in ihnen förderliche Erlebnis- und Handlungschancen vorfinden können.
V ERORTUNG
IN DER WISSENSCHAFTLICHEN
D ISZIPLIN
Im Sinne der Diskussion um den Gegenstandsbezug der Vergleichenden Pädagogik lässt sich diese Forschung keinem irgendwie gearteten Staatsoder Länderbezug zuordnen. Am ehesten dem oben skizzierten Kulturbezug, aber eher im Sinne einer „Schulkultur―. Länder, Staaten oder andere politische Entitäten spielen nur insofern eine Rolle, als dass sie als Suchmatrix für „best practice― – Beispiele dienen. Generell wird davon ausgegangen – und das hat sich auch empirisch validieren lassen – dass die Varianz innerhalb eines Landes oftmals ebenso groß ist wie zwischen zwei Ländern. Die Differenzen bestehen also zwischen (einzel-)schulischen Praxen, nicht zwischen Schulwesen; es versteht sich, das Einzelschulen nicht als Repräsentanten eines Landes gesehen werden. Es wird also vom Land oder Staat als Einheit – oft sogar Gegenstand – des Vergleichs abgesehen. Damit wird überhaupt vom Vergleich als dem methodischen Kennzeichen der Vergleichenden Erziehungswissenschaft abgerückt. Was von der Vergleichenden Erziehungswissenschaft beibehalten wird, ist die internationale Orientierung. Die Umschau nach Beispielen
Kamski 2008; verschiedene Aspekte von Essen und Bildung: Althans/Schmidt/ Wulf 2014.
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und demgemäß die Beobachtungstätigkeit erstreckt sich über mehrere Länder, auch mehrere Kontinente, allerdings wurden in jedem Land nur sehr wenige Institutionen herausgegriffen. Das Loslösen vom Vergleichsgegenstand „Land― führt auch zur Loslösung von zeitlichen Übereinstimmungen. Es wird möglich, zwischen verschiedenen Ländern als auch zwischen verschiedenen Zeiten zu „springen―. Pädagogische Phänomene und Lösungen rücken somit in den Fokus der Forschung, geographisch und zeitlich ungebunden. Diese Bewegung weg von einer Makro- und hin zur Mikroebene hat den Vorteil, sich außerhalb politischer Kraftfelder zu bewegen. Die Untersuchung beschränkt sich hier ganz konkret auf pädagogische Gegenstände und Lösungen bestimmter pädagogischer Probleme. Fernerhin werden Konkurrenzsituationen, wie sie bei internationalen Schulleistungstests automatisch auftreten, umgangen.
D ER B EGRIFF „P ÄDAGOGISCHE V ALENZ “ Die Wahl des Begriffs „Pädagogische Valenz― ist erklärungsbedürftig, da andere Begriffe, die sich in der pädagogischen Literatur für ähnliche Phänomene eingebürgert haben, wie beispielsweise „außerschulische Lernorte―5, die von dem hier gemeinten jedoch unterschieden werden müssen. Der Begriff „Valenz― (lat. Wertigkeit) im wissenschaftlichen Diskurs wurde vom deutschen Psychologen Kurt Lewin mitgeprägt. Valenzen sind für ihn: „jene erlebten Umweltqualitäten, die uns „in unserer Eigenschaft als handelnde Wesen― zu bestimmten Handlungen „auffordern―― (Kruse/Graumann 1978, S. 187). So geartete Valenzen besitzen eine immanente Richtungsqualität: „Dabei sind positive Aufforderungscharaktere oder Valenzen solche Eigenschaften, zu denen hin, negative solche, von denen weg Lokomotionen gerichtet sind―. Sodann präzisiert Lewin den Zusammenhang zwischen Valenzen und Handlungen: „Insofern strukturieren Valenzen vor allem die zu einer gegebenen Zeit vorherrschenden Richtungen des Erlebens und Verhaltens― (ebda.). Die so geartete Valenz, positiver wie negati-
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Durch die Aufwertung informellen Lernens wird auch in der Schulpädagogik wieder verstärkt sog. „Außerschulischen Lernorten― Aufmerksamkeit geschenkt, siehe zuletzt: Schulpädagogik heute, H. 11 (2015) 6: „Außerschulische Lernorte―.
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ver Art, kann „in der Stärke der Anziehung erheblich variieren […] Es kann für das Subjekt unmöglich sein, ihm zu widerstehen, oder er kann den Charakter eines Befehls oder nur die Stärke einer Bitte oder weniger annehmen― (Lewin 1982, S. 95). In diesem Sinne wirken Valenzen auf die Antriebskräfte einer Person, immer gerichtet auf die sie umgebende Umwelt. Lewin illustriert dies an alltäglichen Beispielen: Eine als angenehm wahrgenommen Landschaft „lockt― zum Spazierengehen oder eine Treppe „zieht― Kinder an, um diese zu besteigen. Diese Valenzen oder die Aufforderungsrichtungen einer Umweltqualität liegen in der Sache selbst; sie sind nicht an persönliche Bedürfnisse oder Intentionen gebunden. „Die „Korrelation― zwischen Valenz der Umwelt und Motiviertheit des Subjektes wird als solche nicht erlebt, eher eine (phänomenologische) „Kausalität― von außen nach innen― (ebda.). Valenzen bestimmen somit das tägliche Tun der Menschen, ohne dass es zu einer Reflexion der Handlungsursachen oder Antriebe kommen muss. Valenzen werden nach der Auffassung von Lewin jedoch nicht allein durch die selbständige Begegnung mit einer bestimmten Umweltqualität erfahren, die eine Richtung angeben würde. Vielmehr werden frühe Erfahrungen mit Valenzen im Kindesalter durch „Dritte― induziert. Das sind in der Regel Eltern, Geschwister und andere Menschen im „sozialen Kraftfeld― eines Kindes. Nicht das Kind, sondern das soziale Umfeld, im engen Sinne die Familie, bestimmt das Verhalten und somit die Erfahrungsmöglichkeiten und die „Setzung― entsprechender Valenzen. Es wird festgelegt, wann aufgestanden und gelaufen werden darf, wann bestimmte Dinge zu tun sind, wann geschlafen werden muss u.a.m. Nicht allein die Erfahrung der Valenz an sich wird von anderen bestimmt, auch die Richtung dieser hängt wesentlich von den Vormündern ab: „Viele Objekte in der Umwelt, viele Verhaltensweisen und viele Ziele erwerben eine positive oder eine negative Valenz oder die Eigenschaften einer Barriere nicht unmittelbar aus den Bedürfnissen des Kindes selbst, sondern durch eine andere Person. Wichtiger jedoch ist die Wirkung des Beispiels, d.h. dessen, was das Kind aus dem Verhalten von Erwachsenen als für sie positiv oder negativ erkennt. Schon das Kleinkind hat für soziale Wertungen und Kräfte ein feines Gespür― (Lewin 1982: 98). Solche induzierten Valenzen, durch andere Personen hervorgerufen und bewertet, können durchaus mit eigenen Valenzen in Konflikt stehen. Je nachdem, wie stark der Einfluss auf das Kind ist, können die Bedürfnisse des Kindes unterdrückt werden, oder anders ausge-
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drückt, der induzierte Aufforderungscharakter überlagert die eigene Valenz. In diesem Sinne können auch für das Kind als negativ empfundene Valenzen durch das Versprechen auf eine Belohnung in eine positive Valenz umgewandelt werden: „Das Versprechen einer Belohnung für die Ausführung einer unangenehmen Tätigkeit ist ein Beispiel für einen durch das Vorhandensein einer negativen und einer positiven Valenz bedingten Konflikt― (Lewin 1982: 403). Generell beruhen alle Konflikte in Bezug auf Valenzen auf dem Antagonismus zweier Kräfte, entweder zwischen eigenen Bedürfnissen, eigenen und induzierten oder zweier induzierter Kräfte. Obwohl Valenzen oder der Aufforderungscharakter wichtige Triebkräfte im menschlichen Verhalten sind, bedarf es einer Abgrenzung zweier wichtiger Begriffe bei Lewin: Valenz und Befriedigungswert. Steigt die Bedürfnisintensität, beispielsweise nach Erholung, führt das gleichzeitig zu einem Anstieg der positiven Valenz bestimmter, zur Erholung förderlicher Aktivitäten und zu einem Anstieg negativer Valenzen bestimmter der Erholung abträglicher Tätigkeiten. „Jede Feststellung, die sich mit der Veränderung von Bedürfnissen befasst, lässt sich als eine Feststellung über positive und negative Valenzen ausdrücken― (Lewin 1982, S. 416). Die Valenz einer Tätigkeit ist somit eng gekoppelt mit dem Gebrauchswert für die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Es ist jedoch nicht so, dass jede Tätigkeit mit einer positiven Valenz gleichzeitig einen hohen Befriedigungswert impliziert. Und auch im umgekehrten Fall können Tätigkeiten mit einer negativen Valenz einen hohen Befriedigungswert besitzen, beispielsweise das Essen ungeliebter Speisen zur Therapie einer Krankheit. Daher besteht keine kausale Verbindung zwischen der Richtung der Valenz und deren Befriedigungswert. In einer gänzlich anderen, auf das Zusammenleben menschlicher Individuen und ganzer Gesellschaften bezogenen Weise, gebraucht der Soziologe Norbert Elias den Begriff „Valenz―. Bei Elias wird der Begriff als eine Art enge interdependente Verflechtungsbeziehung zwischen handelnden Personen, die gleichzeitig in ihrer Interaktion aufeinander gerichtet als auch aufeinander angewiesen sind, verwendet. In Norbert Elias‘ Gesellschaftsmodell der sozialen Bindung spielen enge interdependente Verflechtungszusammenhänge eine zentrale Rolle; ohne diese sind für ihn zwischenmenschliche Beziehungen im engen Sinne als Zweierkonstellation als auch größere soziale Entitäten wie Gruppen oder im weiten Sinne Völker oder Gesellschaften, nicht denkbar. Valenzen sind in diesem Sinne die affekti-
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ven Bindungen mindestens zweier Personen. Die so gearteten Valenzen verbinden zwei Personen in der Weise, dass die valenzsättigende Person ein Teil des eigenen Selbst wird. Bewusst wird dies deutlich beim Tod dieser Person: „Der Tod […] bedeutet, dass er ein Stück seiner selbst verloren hat. Eine Valenz in der Figuration seiner gesättigten und ungesättigten Valenzen hatte sich in der anderen Person verankert―. Fällt diese Instanz beispielsweise durch den Tod weg, bricht auch ein Teil „seines „Ich―-und „Wir―-Images weg― (Elias 1993, S. 148). Die in der anderen Person verankerte Valenz als auch die gesättigten Valenzen des anderen in der eigenen Person reisen ab und hinterlassen ein Gefühl von Leere. Die „Gesamtbilanz― oder die Ausgewogenheit des Beziehungsgeflechtes kommt dadurch aus der Balance und erfordert eine Neufiguration des Beziehungsgeflechtes. Um Ausgleich zu finden können beispielsweise andere, bisher eher marginalisierte Personen im Beziehungsgeflecht eine wichtigere Rolle spielen und somit die nach dem Ausscheiden der früheren Person nun ungesättigten Valenzen befriedigen und der sozialen Beziehung eine ganz neue Bedeutung zukommen lassen. Dieser Beweis ex negativo der Wichtigkeit individueller Valenzen zeigt die starke Gerichtetheit der Individuen zueinander. Plötzliche ungesättigte Valenzen bringen das gesamte Beziehungsgeflecht mindestens zweier Personen in eine Defizitsituation. Jedoch ist für Norbert Elias diese Valenzverflechtung nicht nur elementar für die Beziehung zweier Menschen; sie ist das entscheidende „Bindemittel der Gesellschaft― als Ganzes. Norbert Elias präzisiert dies wie folgt: „Man gewinnt ein vollständiges Bild [von den gesellschaftlichen Interdependenzen; Anm. J.B.] erst dann, wenn man die persönlichen Interdependenzen, und vor allem die emotionalen Bindungen der Menschen aneinander, als Bindemittel der Gesellschaft […] miteinbezieht― (Elias 1993, S. 149). Das damit immer komplexer werdende Beziehungsgeflecht und die damit zusammenhängenden Gefühlsbindungen beschränken sich nunmehr nicht nur auf die Personenebene, sondern werden auch mit Symbolen, Wappen oder Fahnen der größeren Einheit gefühlsmäßig verbunden. Nach Elias haben solche indirekten Gefühlsbindungen oder anders formuliert die „Verankerung individueller Valenzen in solch großen gesellschaftlichen Einheiten― häufig die gleiche Intensität wie eine enge emotionale Beziehung zu einer persönlich bekannten Person. Der hier verwendete Begriff „pädagogische Valenz― nimmt einige der oben beschriebenen Charakteristiken auf, grenzt sich jedoch in wesentli-
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chen Punkten ab. So weist schon das Attribut „pädagogisch― auf einen wesentlichen Unterschied hin: Der hier verwendete Terminus „Valenz― ist immer positiv gerichtet. Im pädagogischen Verständnis kann es keine negativen Valenzen geben, da sämtliche pädagogisch intendierte Handlungen auf die Förderung oder Verbesserung einer persönlichen Disposition gerichtet sind. Damit unterscheidet sich das hier verstandene Phänomen „pädagogische Valenz― von der Lewin‘schen Valenz. Jedoch, wie auch die Valenzen bei Kurt Lewin, können pädagogische Valenzen durchaus unterschiedliche Intensitäten besitzen. Es wird in der Arbeit deutlich werden, dass bestimmte Situationen, pädagogische Valenzen unterschiedlicher Stärke implizieren, und dass es zu den Aufgaben des Pädagogen gehören sollte, solche Gelegenheiten aufzuspüren und gleichzeitig eine möglichst hohe Intensität dieser pädagogischen Valenz zu entfalten. Im Gegensatz zu Lewin besteht keine unreflektierte und mehr oder weniger unbewusste Korrelation zwischen Valenz und Verhalten. Valenzen in unserem Sinne müssen aktiv so arrangiert und gestaltet werden, dass sie zu einer pädagogischen, also positiven Valenz werden und beim Kind eine erzieherisch förderliche Wirkung hinterlassen. Somit sind die hier angesprochenen pädagogischen Valenzen vom Lehrer oder von anderen erziehenden Personen intendiert und werden auch kritisch reflektiert, um gegebenenfalls ihre Intensität zu erhöhen. Mit dem Begriff „pädagogische Valenz― wird darauf hingewiesen, dass in bestimmten Situationen Erlebnis- und Handlungsimpulse enthalten sind, die Kinder bzw. Schüler aufnehmen können, um ihre Entwicklung zu kräftigen. Die Impulse können dem Geschehen immanent sein, wenn es in bestimmter Weise organisiert ist, oder sie können von anderen Personen gesetzt werden. Die Annahme durch die Schüler kann bewusst oder unreflektiert erfolgen, es kann ein bewusstes oder unbewusstes Lernen bedeuten. In der regelmäßigen Wiederholung, bedingt durch die tägliche Verstärkung gleichartiger Abläufe, liegt die Chance zur Verstärkung der Impulse und zur Festigung des Erlebens und Verhaltens mit der Tendenz zur Internalisierung. Wie auch der Terminus „Aufforderungscharakter― als Synonym für Valenz bei Kurt Lewin immer wieder auftaucht, so besitzen bestimmte soziale Erfahrungsräume im Umfeld der Schule einen „Aufforderungscharakter―. Dieser ist jedoch passiver Art und führt nicht automatisch zu der entsprechenden Handlungsweise. Die in dieser Arbeit ausgewählten Erfahrungs-
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räume Essen in der Schule, Schulweg und Schülertransport stellen im weiten Sinne einen solchen Aufforderungscharakter dar, der jedoch erst die Form einer pädagogischen Valenz annimmt, wenn der Aufforderungscharakter auf eine erzieherische Wirkung hin gerichtet ist, d.h. wenn dadurch auf eine persönliche Disposition, in Bezug auf die soziale Kompetenz oder in Bezug auf eine intrapersonelle Fähigkeit, förderlich eingewirkt wird. Pädagogische Valenzen, so wie alle erziehungswirksamen Tätigkeiten z.B. durch Vorbilder, entfalten bei der zu erziehenden Person in der Regel keine unmittelbare Wirkung. Diese erfolgt meist mit einem zeitlichen Abstand und erst wenn durch Wiederholung und positive Verstärkung eine Gewöhnung eingetreten ist; das beinhaltet auch die Übereinstimmung der Tätigkeit mit den inneren Einstellungen der jungen Person, welche das Verhalten stabilisiert. Zudem ist es dem Kind häufig nicht sofort einsehbar, dass bestimmte Handlungen oder Situationen einen positiven Effekt auf die persönliche Entwicklung ausüben. Dazu fehlt es dem Kind noch an Reflexionsvermögen. Die pädagogischen Valenzen entfalten ihre Wirkung häufig implizit, sie helfen beim Aufbau gewünschter Dispositionen, die sowohl auf das soziale Leben der Person Einfluss haben als auch auf die Selbstwahrnehmung, das Selbstbewusstsein und das Selbstbild der Person. Im Unterschied zu Norbert Elias‘ Verwendung von Valenzen richtet sich die pädagogische Valenz nicht nur auf die Beziehung zu anderen Personen per se, sie ist also keine ausschließlich soziale Valenz, sondern weist auch eine nach „innen―, auf die eigene Person gerichtete Wertigkeit auf. Die pädagogischen Valenzen einiger Situationen richten sich primär auf die Person des Kindes und haben keine direkte soziale Komponente. Pädagogische Valenzen können also zwei Ausprägungen haben: eine soziale und eine intrapersonelle. Das bedeutet: Zusammen mit der Aufmerksamkeit gegenüber anderen Personen wird auch die Aufmerksamkeit gegenüber der eigenen Person gesteigert. Unter der hier verwendeten Terminologie „Pädagogische Valenzen― werden bestimmte elementare körperliche, akustische, visuelle, räumliche, zeitliche, kommunikative und soziale Erfahrungen und Wahrnehmungen verstanden. Zu solchen pädagogischen Valenzen zählen beispielsweise das leiblich-seelische Sich-Wohlfühlen, das Sich-Unbedrängt-Fühlen, das Wahrnehmen der ästhetischen Qualitäten einer Umgebung, die Erfahrung eines abgesenkten Lärmpegels in Ruhezonen, das Sich Bewegen in ausreichend großen Räumen oder Arealen, das Gefühl, genügend Zeit haben, fer-
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ner das wiederholte Erleben eines regelmäßigen Ablaufs im Sinne eines Rituals, oder das Angeregt-werden zu einer abwechslungsreichen Tätigkeit, das Zuhören und das Vermögen, sich selbst ausdrücken zu können. Diese Erlebnis- und Verhaltensqualitäten werden in didaktischen Planungen wenig berücksichtigt, ihre pädagogische Bedeutsamkeit wird oft verkannt. Es muss darauf geachtet werden, dass die pädagogischen Valenzen gepflegt werden. Es bedarf pädagogischer Achtsamkeit und auch pädagogischer Phantasie, um Veränderungen im Verhalten und in den Motiven der Beteiligten wahrzunehmen und die Angebote so fortzuführen, dass der pädagogische Wert erhalten bleibt oder erhöht wird. Pädagogische Valenzen können nicht verordnet werden und sind nicht restlos auflistbar. Um sie zu „entdecken― und sie für den gesamten pädagogischen Prozess möglichst förderlich zur Entfaltung zu bringen, bedarf es pädagogischer Phantasie. Fernerhin sind pädagogische Valenzen form- und wandelbar; sie müssen kontinuierlich gepflegt werden und können in ihrer Ausprägung an verschiedentliche Umgebungen angepasst werden. Pädagogische Valenzen können nicht losgelöst vom kulturellen Kontext betrachtet werden. Bestimmte Orientierungen und Verhaltensdispositionen sind kulturgebunden und finden sich in anderen kulturellen Umfeldern nicht im gleichen Maße wieder. Für die Pädagogik ist die Erkenntnis wichtig, dass in einer pädagogischen Situation mehrere pädagogische Valenzen enthalten sein können, dass dies sogar der Regelfall ist. Unterrichtssituationen werden oft einseitig auf eine einzige Valenz hin angelegt, das kognitive Anregungspotential; bei anderen pädagogischen Situationen, wie z.B. eine Feier oder ein Theaterspiel, richtet sich das Interesse von Beginn an auf mehrere Valenzen.
D AS
METHODISCHE
V ORGEHEN
Die Untersuchung von unterschiedlichen Praxen von Essen in der Schule stützt sich im Wesentlichen auf Feldforschung und verbindet diese mit weiteren Datenerhebungsmethoden, um durch eine Triangulation verschiedener Methoden eine möglichst optimale Durchdringung des Untersuchungsgegenstandes zu gewährleisten. Die eigentliche Analyse zielt auf die pädagogischen Bedeutungsstrukturen des untersuchten sozialen Geschehensbereiches. Nicht die reine Deskription oder die einzelnen Techniken und Verfah-
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rensweisen waren von Interesse, sondern der Fokus lag auf der Interpretation der vorgefundenen Situationen und Handlungen. „Entscheidend ist vielmehr die geistige Anstrengung, die hinter allem steht, das komplizierte intellektuelle Wagnis der „dichten Beschreibung―, um einen Ausdruck von Gilbert Ryle zu verwenden― (Geertz 2001, S. 10). Ein viel versprechender Weg bei der Erforschung kindlicher Lebenswelten ist die pädagogische Ethnographie. Sie spielt in der pädagogischen Forschung eine kleine Rolle und es finden sich auch nur einzelne größere Untersuchungen, welche mit dieser methodischen Herangehensweise arbeiten (vgl. dazu u.a. Ackermann/Rosenbusch 1995; Krappmann/Oswald 1995; Kauke 1995). Das herausragende Merkmal der ethnographischen Methode ist die unmittelbare Nähe des Forschers zum Schüler. Die Untersuchung basiert auf der persönlichen Beobachtung vor Ort. „Die Akteure werden als Handelnde in ihrem natürlichen, orts- und zeitgebundenen Kontext (natural setting) beschrieben. Das schließt traditionell den Anspruch ein, die soziale Welt aus der Binnenperspektive der Handelnden zu rekonstruieren― (ebda., S. 671). Dieser Perspektivenwandel stellt die sonst wenig betrachtete Gruppe der Schüler in den Fokus der Betrachtung. Dies ist insofern bemerkenswert, als Schüler zwar als die zahlenmäßig größte Gruppe innerhalb der Schule agieren, jedoch eine vergleichsweise schwache Stellung innerhalb der Hierarchie aufweisen (vgl. ebda.). Fritz Loser stellte bei seiner Gegenüberstellung von Paradigmen der Unterrichtsforschung die These auf, dass qualitative Methoden wie die ethnographische sich eher Themen widmet, die sonst gern verdrängt werden und die vornehmlich kritische Themen des Unterrichts und der Schule betreffen, wohingegen empirische Arbeiten sich stärker an „offiziellen Diskursen über Zielsetzungen und Innovationen von Schule und Unterricht ausrichten― (Zinnecker 2001b, S. 674). Die Fokussierung auf die kindliche Lebenswelt befasst sich mit solchen Gegenständen, die sonst eher der Privatsphäre zugeordnet werden: „Zugunsten einheitlicher pädagogischer Situationsdefinition müssen die subjektiven und pluralen Lebensformen, in denen Kinder – und natürlich auch die LehrerInnen – leben, aus dem pädagogischen Diskurs weggeklammert und als mehr oder weniger bedeutungslose Privatangelegenheit bagatellisiert werden― (Zinnecker 2001a, S. 154). Nun geht es bei der Erforschung der kindlichen Lebenswelt gerade um solche „bedeutungslosen Privatangelegenheiten―. Daher bedeutet eine pädagogische Ethnographie „nicht mehr
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und nicht weniger, als die eingeübten Handlungs- und Kommunikationsstrategien des Pädagogikberufes und die darauf aufbauenden Weltsichten und geglaubten Selbstverständlichkeiten methodisch und auf Zeit auszusetzen und das, was in der alltäglichen Unterrichtspraxis [und Schulpraxis] niedrig gewichtet, ja bekämpft werden muss, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken― (ebda.). Die Herausforderung bei der Erforschung eines pädagogisch unstrukturierten Feldes lag darin, ohne ein „festes― begriffliches Instrumentarium ins Feld zu gehen und dennoch nicht ohne irgendeine gedankliche Strukturierung zu arbeiten. Diese musste jedoch möglichst „offen― sein; sie sollten die Beobachtungsfähigkeit anregen, jedoch nicht einengen. Für den Beobachter muss ein Moment der Überraschung bleiben. Das gilt sowohl im Wahrnehmen des Geschehens als auch in der gedanklichen Erfassung der pädagogischen Valenz in der Interpretation. Die pädagogischen Potentiale des Geschehensbereiches müssen erst aufgefunden, erschlossen und benannt werden. Da kein Interpretationsschema existiert, muss das, was sich in jeder Beobachtung zeigt, pädagogisch sinnhaft interpretiert werden. Die Suche nach pädagogischen Valenzen ist dennoch nicht willkürlich: Einer Valenz kann nur dort nachgegangen werden, wo deutlich wird, dass es sie häufig geben muss, dass sie wirklich in den Situationen dieser Geschehensbereiche angelegt ist, und dass sie für die Schüler bedeutsam ist. Der Beobachtung gehen also Vorüberlegungen voraus; allerdings können die Beobachtungen die Richtung der Vorüberlegungen als auch die Benennung noch einmal ändern. Erst die tiefgehende Interpretation der Beobachtungen führt zum Verständnis und auch zur definitiven Benennung der einzelnen pädagogischen Valenzen. Dieses Vorgehen wurde in dem Bewusstsein gewählt, dass auch weitere pädagogische Valenzen ermittelt werden können und die bisher eruierten Valenzen vielleicht auch noch anders strukturiert und benannt werden könnten. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Analyse einer pädagogischen Valenz drei Schritte umfasst: 1. Strukturierung der pädagogischen Valenz, 2. Beobachtungen, 3. Konkretion der pädagogischen Valenz. Die Untersuchung bezieht sich auf Schüler der Primarstufe. Die Altersspanne dieser Schulstufe ist heterogen und variiert um mehrere Jahre. Auf dieser Schulstufe kann die Dringlichkeit der angesprochenen pädagogischen Aufgaben besonders gut dargestellt werden, weil oftmals unausgesprochen die Meinung herrscht, besonders in der Primarstufe müsse erzie-
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herischen Aufgaben größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Erziehungsauftrag wird in dieser Stufe von vielen Eltern als dringlich angesehen und steht – so die Einschätzung vieler Eltern – gleichwertig neben dem Bildungsauftrag. Damit wird nicht die Meinung vertreten, dass in anschließenden Schulformen pädagogische Valenzen nicht mehr auftreten oder dass sie dort weniger wichtig sind. Im Gegenteil ist zu vermuten, dass in höheren Klassen soziale, kommunikative, körperliche, akustische, visuelle, räumliche ästhetische u.a. Erfahrungen noch weiter entwickelt und spezifiziert werden, dass jedoch die Grundlagen für eine entwicklungsförderliche Weiterentwicklung in den ersten Jahren des Schulbesuches gelegt werden müssen, um später daran anknüpfen zu können.
E SSEN IN DER S CHULE Unterschiedliche Begriffe kreisen um das Phänomen der Nahrungsaufnahme.Teilweise werden Begriffe synonym, teilweise mit differierender Bedeutungszuschreibung gebraucht. Eine Unterscheidung von vier wichtigen Begriffen: Ernährung, Nahrung, Mahlzeit und Essen scheint hier jedoch angebracht. Die Komplexität des Begriffs Ernährung geht weit über die von Nahrung und Essen hinaus. Ernährung umfasst neben sämtlichen Prozessen des Anbaus, der Verarbeitung und Veredlung/Veränderung zum Verzehr bestimmter Produkte auch soziale Kontextvariablen wie sozio-ökonomische Verhältnisse, soziale Disparitäten (etwa bei der Distribution) sowie: „[…] die politischen, religiösen oder wissenschaftlichen Deutungsmuster […]― (Prahl 1999, S. 8). Nahrung hingegen sind alle zum Verzehr geeigneten und genutzten Produkte – gleich welcher Veredlungsstufe – sowie deren Herstellung, Präsentation und Bedeutungszuschreibung. Diese sind häufig kulturell überformt und dienen u.a. der sozialen Distinktion. Der Begriff „Mahlzeit― ist ein weiterer, häufig verwendeter Begriff. Die Mahlzeit beschreibt eine einzelne, in der Regel an bestimmte Tageszeiten gebundene, regelmäßig wiederkehrende Gelegenheit der Nahrungsaufnahme. Die Verbindung der Tageszeit mit dem Wort „Essen― deutet darauf hin, dass es sich dabei um das Essen zu relativ festgelegten Tageszeiten handelt. In gewisser Weise rhythmisieren die Hauptmahlzeiten den Tagesablauf. An die Hauptmahlzeiten sind bestimmte Erwartungen geknüpft: so werden diese nicht parallel zu einer anderen Tätigkeit eingenommen. Sie heben sich
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von einer Nebenmahlzeit dadurch ab, dass sie als eine eigenständige Handlung angesehen werden, die nicht nebenbei getätigt wird. Andere Aufgaben oder Arbeiten werden zum Zweck der Hauptmahlzeit unterbrochen. Ein weiteres Merkmal von Hauptmahlzeiten besteht darin, dass sie, wenn sie außerhalb des Heims stattfinden, häufig in speziell dafür vorgesehenen Räumen eingenommen werden. In der Regel werden die Hauptmahlzeiten nicht allein eingenommen. Es scheint vielmehr eines der wichtigsten Merkmale zu sein, dass die Hauptmahlzeit zusammen mit anderen Personen eingenommen wird. In vielen Familien stellt nach wie vor das gemeinsam eingenommene sonntägliche Mittagsmahl eine wichtige soziale Instanz dar. Der Begriff „Essen― umfasst sowohl die Nahrung als auch die kulturell determinierte Darbietung bzw. internalisierte Rituale, Orgien oder Zeremonien (vgl. Prahl 1999). Im Folgenden wird der Begriff Essen Verwendung finden, da er sowohl die zu verspeisenden Produkte an sich, als auch die sozial überformten Regeln, häufig in Form von Ritualen – wie beispielsweise Benimmregeln am Tisch – einschließt. Hier wird der Begriff „Essen― verwendet, da er sowohl die Hauptmahlzeiten als auch kleiner Nahrungsaufnahmen beinhaltet. Im schulischen Kontext beinhaltet der Begriff „Essen― sowohl die Einnahme des schulisch organisierten und gemeinsam eingenommenen Mittagessens als auch die in einer kurzen Unterrichtspause oder auch während des Unterrichts nebenbei verzehrten Speisen. 6
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Im eben Beschriebenen wird eine Frage berührt, die hier nur kurz angerissen werden kann: Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Kultur und Natur bei der Problematik Essen? Der Mensch ist zur Nahrungsaufnahme gezwungen. Indes gestaltet sich Essen regional und erst recht kulturell höchst verschiedentlich. Essen ist kulturell überformt. Zwei anthropologische Erklärungsversuche stehen sich scheinbar konträr gegenüber: einerseits wird argumentiert, es besteht eine: „[…] weitgehende Autonomie des Kulturellen vom Natürlichen […]― (Barlösius 1999: 25). Sie reduzieren das Natürliche allein auf die existenzerhaltende Notwendigkeit, Nahrung aufnehmen zu müssen. Auf der anderen Seite steht die Annahme, dass: „[…] sich hinter den Eßgebräuchen [!] die „Weisheit― der Natur verberge― (ebda.). Dies impliziert, dass kulturelle Spezifikationen letztendlich immanent biologischen Zwecken dienen. Wie Eva Barlösius hervorhebt, handelt es sich bei dieser Kontroverse keineswegs ausschließlich um eine rein theoretische Diskussion, sie beinhaltet die Frage, ob: „[…] die Ernährung des Menschen natürlich determiniert ist, oder ob sie dem Bereich zugehört, den die Natur für
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Sucht man in pädagogischen Schriften nach Abhandlungen über Essen in der Schule, wird man feststellen, dass dieses Thema in einschlägiger Literatur wenig bis kaum zu finden ist.7 „Die „Eßkultur― ist – wie viele ande-
den Menschen nicht geregelt und den er selbst zu gestalten hat – der also kulturell ist― (ebda.). Das führt dann unweigerlich zu der Frage, ob es eine „natürliche― Ernährung geben kann, welche auf die menschliche Physis keinerlei negative Auswirkungen hätte; es also eine natürliche, rundum gesunde Ernährung gibt (eine ausführlichere Darstellung findet sich in: Barlösius 1999). Diese Frage spielt auch beim Essen in der Schule eine wichtige Rolle. Eine eindeutige Beantwortung der aufgeworfenen Frage kann hier nicht geleistet werden, jedoch sollte deutlich geworden sein, dass eine einseitige Betrachtungsweise der komplexen Sachlage nicht gerecht wird. 7
Am häufigsten findet sich das Thema Essen, Esskultur bzw. Schulspeisung in erziehungswissenschaftlichen Nachschlagewerken (vgl. u.a. Simon 1908: 320ff; Pazzini 1986: 325ff). Eine Abhandlung über pädagogische Valenzen des Essens in der Schule liegt bisher noch nicht vor. Eine teilweise wichtigere Rolle wird dem Essen in der Schule bei einigen Reformpädagogen zuteil. So wird die gemeinsame Essenseinnahme als soziale Interaktionsform und als gemeinschaftsbildende Kraft bei nicht wenigen Vertretern der Landschulheimbewegung erkannt und pädagogisch gestaltet. Ebenso nimmt die Schulspeisung bei den Jenaplan-Schulen von Peter Petersen einen wichtigen gemeinschaftsförderlichen Platz ein. Ein Grund für die Vernachlässigung der Betrachtung des Schulessens unter pädagogischer Perspektive ist darin zu sehen, dass mit der weitgehenden Abkehr von reformpädagogisch inspirierten Schulen – und somit auch vom Ganztagesschulmodell – in den 50er Jahren die Schulspeisung, zumindest die Mittagsspeisung, aus dem schulpädagogischen Denken weitgehend ausgespart wurde. Obwohl es weiterhin Schulen mit Ganztagsangebot gegeben hat, ist eine umfassende theoretische Beschäftigung mit dem Thema bisher ausgeblieben. Nach der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse haben wieder ganztagesschulähnliche Modelle und somit auch die Diskussion um die Essensversorgung der Schüler an Attraktivität gewonnen. Dabei spielen fiskalisch-organisatorische Aspekte eine dominierende Rolle. Mit dieser Studie soll ein Beitrag geleistet werden, den Blick auf die Thematik Essen in der Schule dahingehend zu erweitern, dass Essen als ein erziehungswirksames Geschehen betrachtet wird und das pädagogische Valenzen dieses Geschehens durch die Gestaltung durch Pädagogen entfaltet und verstärkt werden können.
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re Bereiche der Alltagskultur auch [...] – ein erziehungswirksamer (Hervorhebung durch Verfasser) Lebensbereich, der für die Mehrzahl der Pädagogen noch außerhalb ihres unmittelbaren Arbeitsbereiches liegt [...]. Das Essen ist oft Gegenstand eines heimlichen, nebenherlaufenden Lehrplans [...], vom Kindergarten und von der Grundschule an [...]. Eine systematische Reflexion der Bedeutung der Eßkultur für das schulische Curriculum liegt jedoch nicht vor― (Pazzini 1996, S. 543). Die hier von Karl-Josef Pazzini beschriebene Situation ist weiterhin aktuell (eine der wenigen Ausnahmen: Althans et al. 2014). Essen wird heute infolge von Verwissenschaftlichung und Rationalisierung häufig materialisiert, beispielsweise mittels Nährwerttabellen und Wirkstoffinformationen. Es wird dabei übersehen, dass Essen und das Umfeld des Essens in einem unmittelbaren Zusammenhang mit wichtigen Sozialisations- und Erziehungsprozessen und bestimmten Verhaltensweisen stehen. „Bestimmte Aspekte der Eßkultur unterliegen einer bewußten sozialen Formung und werden dadurch auch teilweise für bewußte Erziehungsmaßnahmen zugänglich, viele weitere Aspekte bleiben latent, aber für die soziale Situation des Essens dennoch wirksam [...]― (ebda., S. 544). „Je mehr die Essensteilnahme an einer Schule zum verpflichtenden Bestandteil der pädagogischen Organisation gehört, umso mehr verdienen die Aspekte der Essensakzeptanz bei den Kindern und die Mahlzeitatmosphäre je Essensgruppe und Individuum besondere Beachtung― (Appel 2004, S. 264). Ein viel versprechender Ansatz von Jürgen Zimmer (vgl. u.a. Zimmer 1986; 1997; 2006) soll dabei besonders hervorgehoben werden. Beim Konzept des Situationsansatzes wird der Thematik Essen in der Schule ein wichtiger Platz eingeräumt. Jedoch hat sich der Situationsansatz kaum durchgesetzt. Georg Simmel konstatierte früh, dass Essen weder eine genuin gemeinschaftliche, also soziale Handlung darstellt, noch eine rein egoistische. Vielmehr finden sich bei Simmel‘s Untersuchung über die Mahlzeit (vgl. Simmel 1998; zuerst 1910) die Anzeichen eines eher ambivalenten Verhältnisses. Einerseits erwähnt er die egoistische Seite des Essens, gleichzeitig verneint er keineswegs dessen gesellschaftsförderliche Funktion. Georg Simmel spricht davon, dass Essen und Trinken in der Tat das Gemeinsamste ist, was Menschen teilen; gleichzeitig ist es für ihn das Egoistischste, das „[…] am unmittelbarsten auf das Individuum Beschränkte― (Simmel 1998, S. 183). Simmel argumentiert, dass man Gedachtes, Gesehenes, Gesprochenes mit anderen Menschen teilen kann, dass jedoch das, was der Einzel-
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ne isst, von keinem anderen verspeist werden kann (vgl. ebda.). Gerade weil das Essen etwas primitiv Physiologisches ist und von allen Individuen geteilt wird, bietet es den besten Anlass zu gemeinsamer Interaktion, wie Simmel konstatiert: ―Personen, die keinerlei spezielles Interesse teilen, können sich bei dem gemeinsamen Mahl finden […] ― (ebda., S. 183f). Was Simmel für die Soziologie feststellt, ist für die Pädagogik von gleicher Bedeutung. Simmel identifiziert Regelmäßigkeit als ein wichtiges Merkmal von Mahlzeiten: „Die Gemeinsamkeit des Mahls aber führt sogleich zeitliche Regelmäßigkeit (Hervorhebung im Original) herbei, denn nur zu vorbestimmter Stunde kann ein Kreis sich zusammenfinden […]― (ebda., S. 185). Dadurch, dass die Mahlzeit sich über die primitive Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme zum Lebenserhalt zu einer genuin soziologischen Angelegenheit wird, „[…] gestaltet sie sich stilisierter, ästhetischer, überindividuell reguliert― (vgl. ebda., S. 185). Daraus entstehen nun die Vorschriften, Regeln und Rituale, die bis heute das Essen bestimmen. Diese beziehen sich jedoch nicht auf die Speise als Materie, sondern auf die Form ihrer Konsumierung. Die ritualisierten und habitualisierten Benimmregeln beim gemeinsamen Essen sind schematisiert und überindividuell geregelt. „Benimmregeln― differieren interkulturell (Visser 1991; Haviland 1993; Reinhard 2004) als auch innerkulturell (vgl. Bourdieu 1989) teilweise stark. Nach Simmel hat die „Gleichgestaltung― keinen äußeren Zweck, sie dient ausschließlich dazu, die individuelle „Selbstsucht― in die „Sozialform― Mahlzeit zu überführen. Beispielsweise ist das Essen mit den Händen weit individueller, als wenn alle Beteiligten mit den gleichen Essgerätschaften arbeiten müssen. Einerseits verbindet das Besteck den Einzelnen mit der Materie, andererseits hilft es, die „reservelose Begierde― zu bändigen. Gegenüber dem Essbesteck, welches die sehr individualistische Form des Essens mit den Händen vermindert, zeigt sich beim Gebrauch des Tellers der gegenteilige Effekt: hier führt die Verwendung eines Tellers zur Individualisierung. Im Gegensatz ist das gemeinsame Essen aus einer Schüssel weit weniger individuell. Die runde Form des Tellers zeigt außerdem die klare Grenze des persönlichen Bereiches an: was nicht auf meinem Teller liegt, gehört mir (noch) nicht. Die Kreisform zentriert die auf dem Teller liegende Nahrung. „Der Teller symbolisiert die Ordnung (Hervorhebung im Original), die dem Bedürfnis des Einzelnen gibt, was ihm als einem Teil des gegliederten Ganzen zukommt, was ihn dafür auch nicht über
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seine Grenzen hinausgreifen lässt― (Simmel 1998., S. 186). Der Teller hebt den „symbolischen Individualismus― schon dadurch wieder auf, da sich die Form der Teller völlig gleicht: „Sie vertragen keine Individualität; verschiedene Teller oder Gläser für verschiedene Personen würden absolut sinnwidrig und hässlich sein― (ebda., S. 187). Die Nahrungspräsentation, Besteck, Geschirr, selbst die Bewegungsabläufe und Kommunikationsstruktur- und inhalte werden durch ästhetische Prinzipien geformt. Selbst kleinste Details wie die Haltung der Gabel oder die Lautstärke bei einem Tischgespräch sind solchen Konventionen unterworfen. Dieser Prozess der „Ästhetisierung― steigert sich mit der sozialen Formung der Essgewohnheiten: „Jeder Schritt, der die Mahlzeit in den unmittelbaren und sinnbildlichen Ausdruck höherer, synthetischer sozialer Werte aufwärts führt, lässt sie eben damit einen höheren ästhetischen Wert gewinnen― (Simmel 1998, S. 187). Der höhere ästhetische Wert des gemeinsamen Essens – so Simmel – ist diesem nur solange inhärent, wie das sozial- gemeinschaftliche Moment erhalten bleibt. Fehlt dieses, sinkt Essen, auch gemeinschaftliches, zur reinen Bedürfnisbefriedigung ab: „Deshalb verschwindet die ästhetische Versöhntheit der physischen Tatsache des Essens in dem Augenblick, wo selbst bei äußerlich bewahrter guter Form das Sozialisierungsmoment verschwindet […] Hier begegnet man sich ausgesprochenermaßen nur des Essens wegen, das Zusammen wird nicht als eigener Wert gesucht, sondern umgekehrt ist es die Voraussetzung, dass man trotz des Zusammensitzens mit all diesen Leuten dadurch in keinerlei Beziehung zu ihnen tritt […] den Reizen dieser Ordnung fehlt da, wo das Zusammensein als solches keinen selbständigen Sinn hat, gewissermaßen die Seele, und sie können der Widrigkeit, ja Hässlichkeit des physischen Eßvorgangs keine Deckung mehr bieten― (ebda.). Die „Ästhetisierung― der Speise darf indes nicht „in individuelle Differenziertheit― aufsteigen, sondern muss sich immer unterhalb einer Grenze bewegen, welche letztendlich den Verzehr der Speise verhindern würde. Nahrungsmittel dienen primär zur Aufrechterhaltung biologischen Lebens und stellen keine ästhetische Entität an sich dar. In diesem Sinne trägt auch die Gestaltung des Esstisches und der unmittelbaren Umgebung moderate, „an den primären Reizbarkeiten anknüpfende― Elemente wie „breite, glänzende― Farben. Vermieden werden dagegen „sehr ausladende, bewegte, herausfordernde Formen und Farben―, vielmehr bevorzugt man das „[R]uhige, [D]unkle, [S]chwere―. Letztendlich ist „die Ästhetik in Arrangement und Ausschmückung der
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Speisen […] selbst bei den raffiniertesten Diners von sonst längst überwundenen Prinzipien geleitet: Symmetrie, ganz kindlichen Farbenreizen, primitiven Formgebungen und Symbolen― (Simmel 1998, S. 187f). Dies beachtend sollte auch die Ausschmückung des Esstisches nicht zu artifiziell gestaltet sein: „Auch der gedeckte Tisch darf nicht als ein in sich geschlossenes Kunstwerk erscheinen, so dass man nicht wagen möchte, seine Form zu zerstören. Während die Schönheit des Kunstwerkes ihr Wesen in der Unberührtheit hat, die uns in Distanz hält, ist es das Raffinement der Tafel, dass ihre Schönheit doch einladend sei, in sie einzubrechen― (ebda.). Immerhin – und das ist der zentrale Punkt in Simmels Argumentation – ist es ja gerade die Banalität, die Unausweichlichkeit und Primitivität des Essens, die es uns gerade deswegen ermöglicht uns mit anderen zusammenzutun, was wiederum dazu führt, dass aus der primitiven, gemeinschaftlich ausgeführten Tätigkeit, die Ausgangbasis für die Überwindung eben dieser Primitivität angelegt ist: „Daß wir essen müssen, ist eine in der Entwicklung unserer Lebenswerte so primitiv und niedrig gelegene Tatsächlichkeit, dass sie jedem Individuum fraglos mit jedem anderen gemein ist. Dies eben ermöglicht das Sich-zusammen-Finden zur gemeinsamen Mahlzeit, und an der so vermittelten Sozialisierung entfaltet sich die Überwindung des bloßen Naturalismus des Essens […] Denn hier ist das Niedrige und Nichtige durch sich selbst über sich selbst hinausgewachsen, die Tiefe hat gerade, weil sie die Tiefe ist, sich in die Höhe des Geistigeren und Sinnvolleren gehoben. Hier wie sonst tritt die Bedeutsamkeit des Lebenstypus gerade daran hervor, dass er auch das Unbedeutsame nach sich zu bilden nicht verschmäht― (ebda., S. 189). Wie man an den Gedanken Georg Simmel erkennt, hat das Essen in der Gesellschaft eine soziale Bedeutung und geht über die bloße Nahrungsaufnahme hinaus. Die sozialisierende Kraft des gemeinschaftlichen Essens geht mit einer kontrollierten Ästhetisierung des ursprünglich rohen Vorgangs der Nahrungsaufnahme zusammen. In der Grundschule ist die Aufnahme von Nahrung von pädagogischer Bedeutung. Sie findet in jeder Schule statt, ganz gleich ob von der Schule organisiert und zubereitet (Schulküche), oder ob die Schüler die Speisen selbst von zu Hause mit in die Schule bringen. In den meisten Schulen hat man den Wert des gemeinsamen Speisens erkannt, auch wenn dem Essen in der Schule oftmals nicht die Bedeutung beigemessen wird, die sie – unter pädagogischer Betrachtung – verdient hätte.
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Essen in der Schule ist dadurch gekennzeichnet, dass es stärker pädagogisch geplant und gestaltet werden kann als beispielsweise Schulwege. Die Gründe hierfür liegen insbesondere in der räumlichen Umgebung. Essen während des Schultages wird in der Regel im Schulhaus, mindestens jedoch auf dem Schulgelände eingenommen. Es unterliegt somit relativ stark der Kontrolle durch Lehrkräfte. Darüber hinaus bietet es einen großen pädagogischen Gestaltungsspielraum. In vielen Schulen, in denen ein Mittagessen angeboten wird, kommt es zu einem räumlichen Wechsel. Häufig kommen in speziellen Speiseräumen Schüler und Lehrer verschiedener Klassen zum Verzehr der Speisen zusammen. Da in der Regel nicht alle Kinder einer Schule gleichzeitig essen können, werden verschiedene organisatorische Arrangements geschaffen. So ist es möglich, verschiedene Klassenstufen zeitlich versetzt zum Essen zu führen, was zu einem gewissen Zeitdruck führen kann. Möglich ist jedoch auch eine Verteilung der Ausspeisung auf zwei Pausen, sofern das mit der Küche arrangiert werden kann. Dies ist in der Regel nicht möglich, wenn das Essen aus einer auswärtigen Großküche in erhitztem, verzehrfertigem Zustand angeliefert wird. Solche räumlichen Arrangements stellen für die Schüler als auch für die Pädagogen eine große Herausforderung dar. Einerseits bieten sie neue Möglichkeiten, wie das Treffen von Freunden, Interaktionsgelegenheiten mit anderen Schülern oder das Zusammentreffen mit anderen Lehrkräften, welche beim Verbleib im Klassenraum nicht entstünden. Andererseits verliert der Klassenlehrer in der Regel die direkte und unmittelbare Kontrolle über seine Schüler. Die sich ergebende Freiheit wird von den Schülern nicht zwangsläufig dazu genutzt, so zu handeln, dass die Lehrkräfte dies als pädagogisch förderlich betrachten würden. Es obliegt somit dem Lehrer, die sich eröffnenden pädagogischen Möglichkeiten eines erweiterten räumlichen Arrangements zu erkennen und zu gestalten, dass pädagogische Valenzen entfaltet und ggf. intensiviert werden können. Somit soll die Zeit im Speiseraum als eine pädagogisch genuin förderliche Zeit betrachtet werden, welche ihre Wirkungen nicht allein auf die Beherrschung der durch den unmittelbaren Kontrollverlust der Lehrer über ihre Schüler entstandenen Disziplindefizite oder anderer Risiken beschränkt. Es bedarf einer gewissen Zeitspanne, um den Übergang von einer weniger stark verplanten Phase der Pause hin zu einer in eine stark verplanten Phase des Unterrichts zu vollziehen. Im Gegensatz zur Zeit im Unterricht, in der in den meisten Fällen ein konzentriertes und ruhiges Arbeiten abver-
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langt wird, bietet die Pause Gelegenheit, die Anspannung des Unterrichtes abzubauen. Dies geschieht häufig in Form von erhöhter körperlicher Aktivität, beispielsweise durch Ausgelassenheit. Auch kommt es häufig vor, dass im Unterricht unterdrückte Handlungen wie lautes Sprechen oder auch Schreien in Essenspausen verstärkt praktiziert werden. In vielen Fällen erfolgt nach einer relativ kurzen Phase erhöhter Aktivität eine längere Phase der Ruhe, welche durch eine nur geringe körperliche Aktivität gekennzeichnet ist. In dieser Phase kann es dann zu körperlicher und psychischer Erholung kommen. Darüber hinaus kann die Möglichkeit geschaffen werden, die Aufmerksamkeit auf die Einnahme des Essens und die dabei vollzogenen körperlichen Prozesse zu richten. Erst diese, durch ein behagliches Gefühl begleitete Phase der Entspannung und Ruhe, ermöglicht es den Kindern, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte zur Essenpause gehörende Phänomene zu richten. Erreichen die Schüler hingegen nicht die Phase des physischen und psychischen Behagens, sondern die Anspannung bleibt auf einem relativ hohen Niveau oder erhöht sich noch durch Rangkämpfe oder Zeitdruck an der Essensausgabe, ist ein bewusstes Wahrnehmen und ein sinnliches Einverleiben des Essens gefährdet. Leicht verkommt so die Ausspeisung zu einer stressigen und für die Schüler höchst unangenehmen Situation, welche schnellstmöglich beendet wird. Der Aufenthalt wird auf wenige Minuten reduziert, das Essen nicht selten hinuntergeschlungen. Essen verkümmert so zu einem rein funktionalen Akt der Energiezufuhr unter Ausklammerung sinnlicher Elemente. Ein aus Stress resultierendes hohes Aktivitätsniveau lässt sich nur langsam wieder auf ein Niveau bringen, in dem Unterricht durchgeführt werden kann. Häufig sind die aus der Pause kommenden Schüler noch nicht sofort wieder aufnahmebereit. Es bedarf somit zu Beginn der Unterrichtsstunde, wie auch häufig am Morgen beim Unterrichtsbeginn, einer relativ kurzen Karenzzeit, um wieder ein hohes Aufmerksamkeits- und Konzentrationsniveau bei den Schülern zu erreichen.
B EISPIEL EINER PÄDAGOGISCHEN V ALENZ Im Folgenden soll exemplarisch eine ausgewählte pädagogische Valenz im o.g. Dreischritt entfaltet werden. Die gewählte Valenz „Erziehung zu Mäßigung und Zurückhaltung― gehört in die Kategorie „Ausbildung von Ge-
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wohnheiten―8. Neben der ausgewählten Valenz wurden in dieser Kategorie noch weitere identifiziert: „Essen in der Schule als Gelegenheit, die Auf-
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Gewohnheiten sind das Ergebnis von Gewöhnung. Sie werden durch mehrfaches Wiederholen oder in seltenen Fällen durch ein einmaliges, jedoch als sehr wichtig empfundenes Ereignis oder einen starken Eindruck erzeugt. Die Ausbildung von Gewohnheiten erfordert eine gewisse Anstrengung und sollte, wenn sie zu einer dauerhaften Disposition werden sollen, den natürlichen Bedürfnissen und dem Willen der Person weitgehend entsprechen. Eine akzeptierte Gewohnheit besitzt eine starke Nachhaltigkeit und kann nur unter erheblicher Anstrengung wieder rückgängig gemacht werden. Das Wort Gewöhnung wird in der Regel in zweifacher Weise verwendet: Zum einen bezeichnet man damit die Anstrengung, sich an etwas zu gewöhnen oder anzupassen, beispielsweise an neue Lebensumstände oder an neue Umgebungen. Zum anderen ist mit Gewöhnung eine stabilisierende Wirkung bezeichnet, die bestimmte Tätigkeiten im täglichen Lebensvollzug erleichtert. Die Gewohnheit darf jedoch nicht mit Übung gleichgesetzt werden. Diese Unterscheidung traf bereits die ältere Pädagogik, wie bei einem von Wilhelm Rein herausgegebenen pädagogischen Nachschlagewerk zu lesen ist: „Übung ist eine fortgesetzte Wiederholung; Gewöhnung schließt auch Wiederholung ein, aber Gewöhnung setzt einen schon bestehenden Zustand voraus, dem man sich anbequemt, Übung will etwas schaffen, was noch nicht vorhanden ist―. Weiter präzisiert er: „Gewohnheit ist etwas Fertiges, Übung etwas Werdendes― (Göpfert 1905, S. 602). „Die Gewohnheit entlastet das Bewusstsein von den Lenkungen einer Menge untergeordneter Lebensverrichtungen; dadurch wird Kraft gespart, die auf die wichtigeren Hauptzwecke gerichtet werden kann―. (ebda. 1905, S. 601). Gewohnheiten besitzen neben der funktionalen auch eine emotionale Komponente. Gewohnheiten machen Spaß, wirken vertrauensstärkend und stimmen zuversichtlich. Gewohnheiten können pädagogisches Bemühen unterstützen, da sie erwünschte Verhaltensweisen fördern und somit auf ein höheres Niveau bringen können. Bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen können hingegen unterdrückt werden. Gewohnheiten stärken den Zusammenhalt von Gemeinschaften, was pädagogisch besonders in der Schule von Bedeutung ist. Sie erleichtern bestimmte Handlungsvorgänge durch die Erwartbarkeit des Verhaltens. Bestimmte Handlungen müssen in Situationen nicht immer neu ausgehandelt werden. Die handelnden Personen können auf ein bewährtes Handlungsmuster zurückgreifen. Das schafft wiederum Freiheiten für den Einzelnen. Erhöhte Aufmerksamkeit kann dadurch auf andere Phänomene
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merksamkeit auf das Verzehren der Speisen zu richten― sowie „Gemeinsames Essen in der Schule als Möglichkeit, explizite und implizite Regeln einzuüben und einzuhalten.―
S TRUKTURIERUNG DER
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Zu den Gewohnheiten, die beim gemeinsamen Essen in der Schule ausgebildet werden, gehört die Mäßigung. Mäßigung, oder lateinisch temperantia, bezieht sich auf die Mäßigung der Lust. Das Finden des richtigen Maßes tritt dem Überschreiten eines als angemessen empfundenen Maßes gegenüber. Mäßigung stellt die Mitte zweier Extreme dar. Bezogen auf das Beispiel des Essens in der Schule sind verschiedene Aspekte zu nennen, bei denen auf eine Erziehung zu einem Verhalten mittleren Maßes wertgelegt wird. Zum einen betrifft es die Mäßigung des körperlichen Verhaltens. Beim Essen in der Schule sollen die Kinder eine möglichst ruhige und bequeme Position einnehmen. Schnelle körperliche Bewegungen sollen möglichst vermieden werden, da sie die sinnliche Wahrnehmung der Speisen verhindern und zudem andere Kinder beim Essen stören können. Zum anderen bedeutet Mäßigung beim Essen, die eigene Gier zu unterdrücken. Ziel der Mäßigung ist es, das eigene Maß zu finden, in unserem Sinne also die Menge an Speisen, die dem tatsächlichen Hunger entspricht. Maßhalten, welches sich in der äußeren Form der Handlung niederschlägt, setzt eine innere Haltung voraus und zeigt sich besonders dann, wenn Kinder selbst die Menge ihrer Nahrungsmittel bestimmen und auswählen können. Die innere Haltung ist die bewusste Verinnerlichung der Tatsache, dass die Kinder Teil einer Gemeinschaft sind und, wenn ein gemeinsames Essen gelingen soll, bestimmte Verhaltensregeln befolgen müssen. Um dabei Maß halten zu können, müssen die Kinder einerseits in der Lage sein, ihr wirkliches Bedürfnis nach Nahrung abschätzen zu können. Weiter muss der Versuchung widerstanden werden, so viel wie möglich aufzunehmen. Das Vertrauen gegenüber Dritten, dass auch diese auf eine
gerichtet werden, wie dies die pädagogische Valenz „Aufmerksamkeit auf den Verzehr der Speisen richten― zeigt. Gewohnheiten geben somit Handlungssicherheit und ermöglichen damit, die durch psychische „Entlastung― erlangte Energie auf andere Gebiete zu lenken.
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„Übermaß― verzichten, muss ebenfalls den anderen Kindern zugestanden werden. Ohne dieses Vertrauen in die Mäßigung der anderen Schüler wäre das eigene Maßhalten unvernünftig. Das gemeinsame Essen gelingt nicht, wenn die meisten Kinder dieses Vertrauen nicht ausbilden. Erst ein gefestigtes Vertrauen in das maßvolle Verhalten der Mitschüler führt zur Ausbildung einer eigenen Gewohnheit der Mäßigung. Sie rührt aus einer inneren Einsicht, aus Vertrauen und praktischer Notwendigkeit. Mäßigung wird somit durch die Gewissheit der erfolgreichen Ausführung von mäßigendem Verhalten zu einer dauerhaften Gewohnheit in der Gemeinschaft. Sie lässt das gemeinsame Essen gelingen. Zurückhaltung zu üben bedeutet, in bestimmten, zumeist gemeinschaftlichen Situationen, die eigenen Bedürfnisse an die Bedürfnisse der anderen anzupassen. Im Falle des gemeinsamen Essens in der Schule kann das beispielsweise bedeuten, sein Bedürfnis nach lautem Sprechen, Rennen oder extensiven Bewegungen einzuschränken. Es bedeutet auch, bei Selbstbedienungsmöglichkeiten bei der Mittagsversorgung die eigenen kindlichen „Gelüste― zu unterdrücken, um anderen Personen im Umfeld keine Nachteile aufzuerlegen. Diese Form der persönlichen Zurückhaltung bedarf zuerst der Einsicht, dass zugunsten eines funktionierenden Gemeinschaftslebens die Zurücknahme eigener, eher kurzfristiger persönlicher Bedürfnisse und egozentrierter Handlungen vonnöten ist. Die Einsicht basiert auf dem Wissen, selbst wieder von der funktionierenden Gemeinschaft profitieren zu können. Zurückhaltung bedarf der Bewusstmachung und Reflexion der Wirkungen des eigenen Handelns auf die Umwelt. Ohne sich über diese Wirkungen im Klaren zu sein oder ohne ihnen eine Bedeutung beizumessen, macht generell soziales Verhalten wenig Sinn. Es konstituiert sich erst durch das bewusste Wahrnehmen der Umwelt und dessen Reaktion auf das eigene Tun. Die abstrakte Fähigkeit also, die eigenen Handlungen in Bezug zu setzen zu den Handlungen anderer Mitmenschen ist die elementare Voraussetzung von zurückhaltendem und rücksichtsvollem Verhalten. Gerade beim Essen in Schulen beziehen sich diese Verhaltensdispositionen auf die Mitschüler und die anderen anwesenden Personen. Die Reaktionen der Interaktionspartner wirken zurück auf eigene Verhaltensweisen. Dabei darf Zurückhaltung nicht missverstanden werden als das Unterdrücken der eigenen Bedürfnisse. Bedürfnisse werden verstanden als ein zeitstabiles Merkmal eines Menschen, das die Neigung angibt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
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Eine Einteilung und Hierarchisierung von grundlegenden menschlichen Bedürfnissen hat Abraham Maslow vorgelegt (vgl. u.a. Zimbardo 2005). Die Motivationspyramide von Maslow beschreibt die menschlichen Bedürfnisse anhand einer stufenförmigen Pyramide. Dabei kann die nächsthöhere Stufe erst erreicht werden, wenn die darunterliegende Bedürfnisgruppe befriedigt wurde. Das Bedürfnis, mehr zu nehmen als man tatsächlich zur Befriedigung seines Hungers benötigt, resultiert unter anderem aus Anerkennungsstreben. Kinder wollen andere Kinder und auch erwachsene Personen beeindrucken und nicht hinter ihnen zurückstehen. Besonders bei knappen Gütern ist Zurückhaltung geboten und muss pädagogisch durchgesetzt werden. In Situationen, die durch das Vorhandensein einer ausreichenden Gesamtmenge gekennzeichnet sind, geht es um das Erfühlen der wirklichen Bedürfnisse und des Ausschaltens von eingebildeten oder sekundären Bedürfnissen. Zurückhaltung ist erwünscht, wenn durch die eigene Bedürfnisbefriedigung die Bedürfnisse Dritter eingeschränkt oder verhindert werden. Zurückhaltung impliziert ebenfalls nicht die freiwillige Wahl mittlerer oder schlechterer Qualitäten, beispielsweise bei der Sitzplatzwahl oder der Menge der zu verzehrenden Nahrungsmittel. Eine Ausnahme bilden dabei der Lärmpegel, als auch raumgreifende unangemessene körperliche Aktivitäten. Mäßigung bezieht sich auf das Einschätzen der tatsächlichen eigenen Bedürfnisse, speziell beim Essen in der Schule um das Finden der dem tatsächlichen Hunger entsprechenden Speisemenge. Jedes Kind hat freilich Anspruch auf sein eigenes Maß. Es geht nicht um das Beschneiden eigener Bedürfnisse. Jedes Kind hat beim Essen eigene Bedürfnisse was die Menge der zu nehmenden Speise betrifft; die physiologische Beschaffenheit wirkt mit bei der Entscheidung, wie viel ein Schüler isst oder nicht. Gleichfalls unterscheiden sich die Kinder in ihren Temperamenten. Ein lebhaftes Kind soll während des gemeinsamen Essens nicht gezwungen werden, keine Äußerung von sich zu geben. Es geht vielmehr darum, Rücksichtnahme zu üben, um sicherzustellen, dass die gemeinsame Mahlzeit erfolgreich vollzogen werden kann. Das individuelle Maß muss somit mit dem gemeinschaftlichen, überindividuellen Maß in Einklang gebracht werden.
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B EOBACHTUNGEN Bei der Essensentnahme in der Stodeneskolan im schwedischen Karlstad obliegt die Entscheidung, welche Speisen in welcher Menge genommen werden, beim Schüler selbst. In Selbstbedienungstheken im Speisesaal werden verschiedene warme Speisen, Beilagen und Nachtische angeboten. Die Schüler nehmen sich, nachdem sie sich im Vorraum der Oberbekleidung und der Straßenschule entledigt haben, einen Teller und beginnen sich ihre Speisen aufzuladen. Sobald ein Behältnis leer ist, wird es durch die Küchenbeschäftigten wieder aufgefüllt. Es besteht, zumindest bei den Hauptgerichten, nicht die Gefahr, dass eine Speise ausgeht. Es ist den Kindern jedoch bekannt, dass die angebotenen Nahrungsmittel an der Zahl der Esser bemessen werden. Nehmen die zuerst anwesenden Klassen im Speiseraum übermäßig viel, dann können bei den zuletzt eintreffenden Klassen durchaus einige Speisen aufgebraucht sein. Bei den von mir beobachteten ersten beiden Schulklassen, welche immer als erste in den Speiseraum gingen, war übermäßiges Aufnehmen verschiedener Speisen nicht zu beobachten. Vielmehr gab es eine Tendenz, möglichst viele Speisen zu probieren, diese aber nur in kleinen Portionen. Beispielsweise nahmen einige Kinder nur eine kleine Kartoffel oder einen kleinen Löffel Reis. Allgemein konnte kein „Hamstern― bestimmter Speisen festgestellt werden, auch wenn bestimmte Süßspeisen in größeren Mengen aufgeladen wurden. Dies stellte jedoch eine Ausnahme dar, und die nicht verzehrte Menge dieser Speisen war in der Tat sehr gering. Tendenziell wurde von den Schülern eher zu wenig als zu viel auf die Teller geladen. In einer beobachteten zweiten Klasse mit einer Schülerzahl von 24 holten 9 Schüler noch einmal nach, zwei Schüler zweimal. Die nicht verzehrten Speisen dieser Klasse waren gering. Wurde etwas entsorgt, war es häufig die gesamte Menge einer Zutat. Das lässt vermuten, dass es eher der unbekannte Geschmack einer Speise war, der zum Nichtverzehr und letztendlich zum Wegwurf führte, als das „Hamstern― einer Speise. In der Grundschule Wilsdruff/Sachsen nahmen die Schüler der zweiten Klasse ihr Schulfrühstück im Klassenzimmer ein. Die Lehrerin verblieb nur kurze Zeit im Raum. Nachdem das Pausenzeichen ertönt war, räumten die Schüler ihre Lunchpakete aus den Taschen und verteilten sich im Zimmer. Es war den Kindern erlaubt, sich innerhalb des Raumes nach ihren Vorlieben zu platzieren. Drei Kinder blieben an ihrem Tisch und verzehrten ihre
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mitgebrachten Nahrungsmittel dort. Sie verließen diesen Platz erst nach dem Verzehr. Zwei Kinder verließen ihren Platz nur kurz und kehrten anschließend dorthin zurück. Vier Kinder ließen sich auf den Heizungen, mit Blickrichtung auf die Außenanlage nieder. Auf den Heizkörpern waren Sitzbretter angebracht, so dass sie als Sitzplatz geeignet waren. Die restlichen Schüler setzten sich in drei verschiedenen Gruppen auf den Fußboden. Eine Gruppe platzierte sich hinter der Eingangstür, so dass sie von außen bei geöffneter Tür nicht einsehbar waren. Eine weitere Gruppe richtete ihren Platz unter einem am Rand stehenden Tisch ein. Er diente als eine Art Höhle. Obwohl die Gruppen räumlich voneinander getrennt waren und nicht miteinander interagierten, stieg der Lärmpegel nicht über ein bestimmtes Maß. Einzelne Schüler, welche kurzzeitig bei einer Erzählung aufschrieen, wurden von ihren Mitschülern, in diesem konkreten Fall von einem anderen Gruppenmitglied, mit einer Handbewegung gezügelt. Auch ohne das regulierende Eingreifen der Lehrerin hielten die Schüler einen mäßigen Lärmpegel aufrecht. Ebenso hielten sich die Schüler mit schnellen und extensiven Bewegungen zurück. Kinder, welche sich im Klassenzimmer bewegten, taten dies in einem gemäßigten Tempo. Sie rannten oder tobten nicht. Dies geschah erst, nachdem einige Schüler das Essen beendet hatten und ihre Aufmerksamkeit auf anderer Gruppen gelenkt wurde. Erst nachdem zwei Kinder gleichzeitig das Klassenzimmer verließen, begannen sie zu rennen und versuchten sich gegenseitig zu fangen. Sobald sie wieder in das Klassenzimmer zurückkehrten, stellten sie dieses Verhalten wieder ein.
K ONKRETION DER PÄDAGOGISCHEN V ALENZ Wie die beiden angeführten Beispiele deutlich gezeigt haben, ist eine entscheidende Bedingung für die Bedürfnisbefriedigung, dass man sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst ist. Aus diesem Bewusstsein kann dann die Entscheidungen bei der Essensaufnahme erfühlt- bzw. hergeleitet werden. Dies spielt immer dann eine wichtige Rolle, wenn die angebotenen Speisen nicht von anderen Personen portioniert werden, wie das in vielen Schulküchen der Fall ist, sondern die Schülern selbst ihre Portionen zusammenstellen. Das Beispiel der schwedischen Grundschule macht deutlich, dass die dort beobachteten Kinder in der Lage waren, ihre Bedürfnisse richtig einzu-
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schätzen und dadurch befähigt waren, die zu wählenden Speisen und die aufzunehmende Menge zu bestimmen. Sie haben also gelernt, Mäßigung zu üben. Sie nehmen sich nur so viel von den Speisen, wie sie tatsächlich verzehren können. Es kommt nicht zu einer Bevorratung an Nahrungsmitteln, die ggf. aus der Besorgnis resultiert, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine bestimmte Speise nicht mehr vorrätig wäre. Die Voraussetzung um Mäßigung üben zu können besteht in der Tatsache, dass die Kinder ausreichende Informationen über die vorhandene Menge an Speisen besitzen. Die Schüler wissen, dass die bereitgestellte Menge mit der Zahl der Essenseinnehmer abgestimmt ist und das damit sichergestellt ist, dass jeder Schüler ausreichend Essen erhalten wird. Die Orientierung an einem angemessenen Maß hatte sich bei diesen Schülern bereits habitualisiert. Im zweiten Beispiel ist die grundlegende Situation, die gemeinsame Einnahme einer Mahlzeit, unverändert, jedoch sind andere Rahmenbedingungen gegeben. Die Schüler verlassen ihr Klassenzimmer während der Pause nicht. Im Zimmer befinden sich ausschließlich die Schüler der beobachteten Klasse; die Klassenlehrerin verließ während der Pause den Raum. Die zu verzehrenden Speisen wurden von den Schülern mitgebracht. Somit kommt es zu keiner Verteilung von Speisen, ausgenommen kleineren Tauschhandlungen zwischen den Schülern. Die Aufmerksamkeit liegt bei diesem Exempel auf der Herstellung und Aufrechterhaltung eines niedrigen Lärmpegels, der es allen Beteiligten ermöglicht, ihre Speisen in einer als angenehm empfundenen Atmosphäre einzunehmen. Darüber hinaus wurden auch die körperlichen Aktivitäten, wie beispielsweise Rennen, Springen oder andere Formen körperlicher Aktivitäten, soweit reguliert, dass es nicht zu einer Beeinträchtigung der Essenseinnahme kam. Oben wurde bemerkt, dass Zurückhaltung nicht gleichzusetzen ist mit einer Minderung der Qualität, beispielsweise einer ungünstigen Sitzplatzwahl. Es bedeutet lediglich, dass die Befriedigung eigener Bedürfnisse andere Mitschüler bei deren Bedürfnisbefriedigung nicht stört oder verhindert. Die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ist in diesem Fall primär. Bei den hier beobachteten Phänomenen Lautstärkepegel und körperliche Aktivität ist dies anders gelagert. Solche Aktivitäten wie Schreien, Rennen u.a. stehen der Befriedigung des Bedürfnisses nach Nahrungsaufnahme entgegen. Wird ihnen Platz eingeräumt, sinkt der Befriedigungswert. Die im Beispiel geschilderte Situation zeigt, dass die Schüler bereits die Fähigkeit erworben haben, ein als angenehm empfundenes Niveau an akustischen Reizen als auch an körperlichen
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Aktivitäten zu finden. Die Beobachtung, dass ein Junge, sobald er den Flur erreicht, zu rennen beginnt, zeigt, dass generell auch ein Bedürfnis sich zu Bewegen, auch schnell zu bewegen, existiert, es jedoch während der Essenspause im Klassenzimmer zurückgehalten wird. Die Zurückhaltung der Schüler in diesem Beispiel könnte daraus resultieren, dass die Kinder sich in ihrem eigenen Klassenraum bewegen. In diesem Raum verbringen die Schüler die längste Zeit des Tages und das über mehrere Schuljahre hinweg. In ihrem Klassenraum können die Schüler selbst wählen, welchen Ort sie darin aufsuchen. Das Beispiel zeigt, dass davon reger Gebrauch gemacht wurde. Der Aufenthalt in der Klassengemeinschaft und dem eigenen Klassenraum ist auch deshalb bedeutsam, da hier Rangkämpfe innerhalb der Klasse unwahrscheinlich sind. In der Regel sind die Positionen innerhalb des Kollektivs bereits gefestigt, was wiederum zu einem relativ stabilen Sozialgefüge führt. Die persönliche Wahlfreiheit innerhalb eines vertrauten Raumes ist eine wichtige Voraussetzung, um zurückhaltendes Verhalten zu zeigen. Auch hier ist zu konstatieren, dass diese Fähigkeit bereits internalisiert und habitualisiert, also zu einer intrapersonellen Fähigkeit geworden ist. Die Erkenntnis, dass Rücksichtnahme keine persönlichen Nachteile birgt, sondern vielmehr durch das Vertrauen in andere und das entgegengebrachte Vertrauen durch andere ein positives Verhältnis zu den Mitschülern und zu sich selbst schafft, führt zur Ausprägung einer Gewöhnung dieser Verhaltensdisposition. In diesem Sinne kommt es zu einer Selbstdisziplinierung. Die persönliche Einsicht in die vorteilhaften Konsequenzen rücksichtsvollen Verhaltens und das daraus resultierende Handeln, so wie beim Beispiel in der Grundschule Karlstad bei der Aufnahme der Essensportionen gesehen, stellt sowohl eine pädagogische Valenz intrapersoneller Fähigkeit, als auch eine pädagogische Valenz sozialen Handelns dar, da die Konsequenzen der eigenen Handlungen auf andere Personen berücksichtigt werden. In beiden Fällen spielt die Wahlfreiheit eine wichtige Rolle, um die Selbstdisziplinierung zu erreichen. Das Beispiel illustriert, wie im „natürlichen― Geschehen eines Schultages pädagogische Valenzen „entdeckt― werden können. Freilich hätten andere Autoren andere oder zumindest weitere Valenzen entdecken können. Dies sollte auch die genuine Aufgabe von Pädagogen sein, pädagogische Valenzen zu erkennen und wenn möglich, Bedingungen zu arrangieren, dass diese ihre Wirkung entfalten können. Neben der Kategorie „Einübung
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von Gewohnheiten― konnten drei weitere größere Kategorien mit einer jeweils unterschiedlichen Zahl pädagogischer Valenzen (7, 3, 6) identifiziert werden.9 Wünschenswert wäre, wenn auch andere Geschehensbereiche in oder im Umfeld der Schule in ähnlicher Weise erforscht werden würden, mit dem Ziel, möglichst viele pädagogisch förderliche Valenzen zu finden und zu arrangieren, wie beispielsweise Schulaußenanlagen, Gestaltung von schulischen Räumen, Schulbibliotheken, Schulwege, Gemeinschaftsräume u.v.a.
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Essen in der Schule als Möglichkeit zur Erziehung zu gerichteten Tätigkeiten: Arbeitsteilige Aufgabenerfüllung bei der Vorbereitung einer gemeinsamen Mahlzeit; Wahrnehmung eines Arbeitsvorganges im Arbeitsablauf durch Austeilen der Speisen von einzelnen Schülern; Vollständiges Abschließen eines Handlungsvorganges durch Ab- und Aufräumen nach der Essensaufnahme von Seiten der Schüler; Durchführung einer vollständigen Handlung durch eigene Zubereitung der gemeinsam zu verzehrenden Speisen; Übernahme der wirtschaftlichen Seite des Essens in der Schule durch selbständiges Betreiben eines schülereigenen Kiosks in der Schule; Anerkennung und Lob als Entlohnung für erwartungsgemäß ausgeführte Tätigkeit; Die In-Pflicht-Nahme der Schüler bei konkreten Aufgaben bei der Durchführung eines gemeinsamen Mittagessens. Gemeinsame Einnahme des Essens in der Schule als Möglichkeit, die Befähigung zum Führen von Tischgesprächen zu erlangen: Die Fähigkeit, Themen für ein Tischgespräch zu etablieren und Themen zu steuern; Lehrerzentriertes Tischgespräch. Erweiterung der Kommunikation mit Lehrern über den Unterricht hinaus und die Gelegenheit, das pädagogische Verhältnis zum Lehrer zu erweitern; Beachten und Einhalten von Kommunikationsregeln als Voraussetzung für das schülerzentrierte Tischgespräch. Essen in der Schule zur Erziehung zu guten Tischsitten als Voraussetzung, um genussvoll essen zu können: Erlernen der Fähigkeit, eine realistische Selbsteinschätzung zu erlangen; Der sichere Umgang mit dem Besteck als Voraussetzung zu einem genussvollen Essen; Der Umgang mit Nahrungsmitteln als Möglichkeit, die Kenntnisse über einzelne Lebensmittel zu steigern; Essen als Gelegenheit zur hygienischen Erziehung; Die Fähigkeit, durch den Verzehr einer Speise ein behagliches Gefühl zu erlangen; Essen in der Schule als Gelegenheit, den Umgang mit unterschiedlichen Zeitrhythmen zu erlernen.
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S CHLUSS Der Artikel hat die Suchbewegung der Vergleichenden Pädagogik hin zu einem neuen Gegenstandbezug zu skizzieren versucht. Kultur oder besser Kulturen haben den Vorteil, den Gegenstand von politischen Entitäten zu lösen sowie weniger normativ aufgeladen zu sein. Der Bezug zu Kulturen bringt neben neuen inhaltlichen Perspektiven auch methodische Erweiterung. Der phänomenologische Zugang verspricht Einsichten besonders in pädagogische Phänomene, die quantitativen Ansätzen nur schwer zugänglich sind. Am Beispiel „Schulspeisung/Essen in der Schule― habe ich versucht zu zeigen, dass ein solcher Zugang Einsichten in ein ansonsten wenig berücksichtes Feld bieten kann und somit Phänomene in den Blick kommen, die zwar curricular nicht thematisiert werden, jedoch auf den Unterricht wirken und somit sehr wohl zum Gelingen auch des größeren pädagogischen Feldes, des Unterrichts, beitragen können. Zudem bietet der Ansatz die Möglichkeit, erzieherische Wirkungen solcher sozialen Räume im Umfeld des Unterrichts näher zu untersuchen. Natürlich können die hier präsentierten pädagogischen Valenzen nicht vollständig „abgearbeitet― werden; das widerspräche auch der Dynamik solcher Phänomene. Wenn davon ausgegangen wird, dass Umgebungen so gestaltet werden können, dass möglichst viele pädagogische Valenzen enthalten sind, kann es auch gar nicht um eine irgenwie geartete Vollständigkeit gehen. Es ist sogar davon auszugehen, dass ein anderer Autor andere Valenzen des gleichen Phänomens eruieren wird. Das Konzept der Pädagogischen Valenzen soll vielmehr als Forschungsprogramm verstanden werden. Das hier vorgestellte Phänomen „Schulspeisung/Essen in der Schule― ist eines von vielen möglichen Untersuchungsgegenständen. Wünschenswert sind weitere Untersuchungen zu anderen Phänomenen, wie beispielsweise Schulaußenanlagen, Schülerbibliotheken, Schülermitwirkung, Raumgestaltung oder Elternpartizipation.
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G EGENSTANDSBEZUG
DER VERGLEICHENDEN
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Lehrerbildung
Teacher Preparation for a Changing World Z OILA T AZI /K ATHY -A NNE J ORDAN
World census figures indicate that immigration and birth patterns among immigrant groups will continue to drive demographic changes in developed countries (―World Migration in Figures― 2013). Educators across the globe are increasingly focused on the issues surrounding the diversity of their young students (United Nations Educational Scientific and Cultural Organisation 2008). As we see changes in demographics, we also note reports of conflict, tension, and injustice associated with these changes. Since this is a shared phenomenon for educators across the world, it calls attention to how we are educating the educators. What preparation should teachers have to effectively address increasing cultural and linguistic diversity? Are there fundamental skills or dispositions that pre-service teachers should be taught? Weighing in on these questions, we use the example of changing demographics in the United States and propose a framework addressing diversity to guide teacher preparation programs. In the United States, ten states already have ―majority minority‖ child populations (Frey 2011); the National Center for Education Statistics (Kena et al. 2014) reports that by the year 2023, the percentage of White students enrolled in U.S. public schools is expected to fall under 50%, while the percentages of Hispanic and Asian/Pacific Islander students are expected to increase by 30 and 5% respectively. Black student enrollment is projected at 15%. Beyond racial and ethnic diversity, the student population will vary across several markers of difference, including academic ability, language, religion, and so on, to name a few. The impact of changes in the country‘s population is felt acutely in public schools where, oftentimes, it is the first time children and families of diverse backgrounds truly encounter one an-
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other. The schools and teachers in particular can be left to mediate social or political tensions in the classroom without any perquisite expertise or preparation. While teacher preparation programs do address the dispositions inherent in creating a safe, fair learning environment, this alone is insufficient to address the complexities of a multicultural, multilingual reality in the classroom if there is no capacity building to address the marginalizing, racism, and stereotyping (Sleeter 2001) that manifests itself in diverse settings. A national survey by the US Department of Education found that only 32% of in-service teachers felt ―very well prepared‖ to meet the needs of culturally diverse children. Likewise, only 32% of teachers felt ―very well prepared‖ to meet the needs of students with disabilities and 27% felt ―very well prepared‖ to meet the needs of students with limited English proficiency (Parsad, Lewis, & Farris 2001). Diversity, as a topic in teacher preparation programs, can be treated superficially (Sleeter 2001) and in fact promote neither the necessary skills of differentiation for diverse learners nor the practice of examining one‘s own perspective and bias towards diverse individuals. In this article we propose three constituent principles of an approach to preparing teachers for a changing world. These principles represent a framework to bolster novice teachers as they gain experience. We propose that a framework should inform instructional practice and remains viable as a lens to examine our responsiveness to the needs of a diverse student population.
F RAMEWORK
FOR
T EACHER P REPARATION
Teacher candidates are students of teaching. The course of study that prepares them must model the approach they are to take with their own future students. Our framework necessarily begins with this idea. In addition to developing the ―essential knowledge, skills, and habits of mind for quality teaching‖(Hollins 2011), programs must create opportunities for candidates to explore the influence of their own histories, cultures, languages, and experiences on their developing instructional practice. Such candidates are aware of their own culture and the effect of personal biases and beliefs on teaching (Cartledge & Kourea 2008). This becomes the starting point for immersion in cross-cultural field experiences. The coursework and practicum, in our proposal, are organized around three principles which describe
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both understandings and actions critical for effective teaching and learning in the pluralistic classroom: ―Inclusion for Social Justice‖, ―The Multilingual Ecology‖, and ―Anti-Bias Education‖. Each of these is discussed separately. Inclusion for Social Justice Discriminatory practices or institutionalized inequities within the educational system are widely documented (Young & Laible 2000). Inequities in education can be seen as crimes of exclusion – exclusion from good instruction; exclusion from the ranks of high achievers; exclusion from the typical setting. Marginalizing and excluding students on any basis threatens the very purpose of education. Therefore, justice in our schools calls for expanded visions of inclusion that clearly articulate membership for children of all races, ethnicities, religions, nationalities, cultures, language groups, and abilities, with the promise of producing equitable outcomes for all. It is not enough to grant access to education without fulfilling the purpose of academic achievement. Educational equity is a social justice issue and inclusion for all is at the heart of enacting equity. In order to explore inclusion as a social justice issue, we follow with a more detailed definition. To start, the literature shows that inclusion is a concept steeped in controversy about where certain students are to be educated, under what conditions, and for what length of time. In some cases, inclusion is defined as the percentage of the school day that a student with a disability spends in the general education classroom. Others view inclusion as a civil right, and point to the general education classroom as the only suitable option for all students, all of the time (Dudley-Marling & Burns 2014; Lawrence-Brown & Sapon-Shevin 2014; Slee 2010; Ware 2004; Zion & Blanchett 2011). We broaden our conceptualization of inclusive education to focus on access, participation, and outcomes for all students (e.g., those marginalized on the basis of race, ethnicity, gender, ability, etc.) (Artiles & Kozleski 2007). Internationally, the term ―inclusion‖ is increasingly used to signify the proactive, democratic educational practices that ensure equitable access, participation, and outcomes for all children. The World Education Forum in 2000 highlighted the emphasis on intentional practices:
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―Concern about inclusion has evolved from a struggle in behalf of children ‗having special needs‘ into one that challenges all exclusionary policies and practices in education as they relate to curriculum, culture and local centres of learning. Instead of focusing on preparing children to fit into existing schools, the new emphasis focuses on preparing schools so that they can deliberately reach out to all children‖ (―Final Report― 2000, p. 18).
One important component of preparation for inclusive practice is to provide teacher candidates with ample opportunities to consider and challenge the perspectives they hold on difference. Teachers‘ beliefs undoubtedly impact expectations and the types of learning opportunities they provide. Deficit ideologies about the nature and meaning of difference prevail – be it language, ethnic, race, or ability differences. Current and prospective teachers need opportunities to name and challenge their unacknowledged views, and enact alternative ways of thinking about difference. A good starting point, as Cochran-Smith (1995) so aptly noted ― is with our own history as human beings and as educators – our own cultural, racial, and linguistic backgrounds and our experiences as raced, classed, and gendered children, parents, and teachers in the world‖ (p. 9, 10). This sort of self-critical inquiry is aimed at helping teachers reconsider their perspectives surrounding diversity and foster more equitable, culturally responsive, and socially just pedagogical practices. Indeed, much of the education research literature pertaining to teaching and student diversity is about helping teachers to understand themselves in relation to the students they teach, to understand how their perspectives on diversity can impact their pedagogical practices, and to develop the attitudes, skills, and dispositions necessary to meet the needs of diverse learners. Underlying this body of literature is the important recognition that teachers‘ social and cultural histories, and the perspectives or worldviews they hold, are deeply connected to the practices they enact within their classrooms (Milner 2005). Examining and critiquing the beliefs and practices that support exclusion, or placement away from the mainstream, is an important starting point for reimagining more equitable learning environments for all students. Across the United States, many culturally and linguistically diverse students are at greatest risk for exclusion through a special education referral process where differences are often equated with ―disabilities‖ and then
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contained within ―special‖ classes. Although this exclusion through special education placement is a multifaceted problem, the issue is undoubtedly related to dominant conceptions of normalcy that inform educational policies and practices in the United States. Such conceptions often equate normal with being White and middle-class, monolingually English-speaking, and of average ability, and those who fall outside its realm run the risk of being identified, examined, labeled, and excluded. In a recent study that examined the problem of racial disproportionality in two multiracial New York City school districts, Ahram, Fergus, and Noguera (2011) found that school personnel often invoked cultural deficit thinking to explain the low academic performance of Black and Latino students and to explain their disproportionate placement in special education programs. These teachers believed that deficiencies in students‘ culture, home lives, and socioeconomic status hindered their ability to learn. The significance of such beliefs cannot be understated, given that teachers‘ initial, informal evaluations often set the referral process in motion, and, as Mehan (1996) pointed out, often become refined and specified in official language as students move through the special education referral process. In sum, teacher preparation for inclusive education requires a focus on both personal and institutional factors that threaten inclusion for all. In an article titled ―How We Respond to Differences—and The Difference It Makes,‖ Mara Sapon-Shevin (2014) writes that ―inclusion is not primarily a special education, or even an education issue. It is a fundamental way of seeing and responding to human difference for the benefit of everyone involved (p. 17). It follows then that in order for schools and classrooms to be truly inclusive, shifts in entire values, philosophies, and practices must take place. If we are to successfully prepare teachers for an increasingly diverse world, preparation programs must adopt a new conceptualization of inclusion that positions students at the center of instructional planning, with the teacher having to adapt to meet students‘ needs. Innovative strategies such as differentiation, co-teaching, flexible scheduling, translanguaging, and many others, are all tools of the trade to bring about inclusion. It remains that candidates must be prepared for inclusive classrooms; the strategies, supports, or programs necessary to make inclusion successful are brought to the setting where all children learn together.
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The Multilingual Ecology Linguistic diversity is a concomitant feature in immigrant populations. However, a common occurrence in U.S. schools is that language minority students are encouraged to abandon their home languages in order to advance learning in English (Menken, 2013). The language minority student who must abandon the home language in favor of the English he or she does not yet speak is literally silenced in school. Speaking other languages, translating, and interpreting, is increasing politicized. Recently one New York school district was shocked to make this discovery. Celebrating ―foreign language week,‖ one student recited a translation of the pledge of allegiance in Arabic. The community responded with outrage and considerable harassment of the perplexed student (Horrigan 2015); the celebrations were all cancelled. This is one example of how the language we speak can have more significance than the meaning we convey. In a truly multilingual nation, this seems to be an inconceivable contradiction but it demonstrates how spoken languages and even language policies are politicized to promote nationalism. Prohibiting any language other than English in the school environment can be used to promote an ideology of Americans as monolingual English speakers. Immigrants get the message quickly: if you want to be one of us, you must speak our language. And yet, changes in demographics are a direct challenge to that ideology. The truth is that Americans are more varied in race and ethnicity, embrace more cultures, and are more multilingual than ever before. Sonia Nieto, a pioneer of multicultural education discusses the inconsistencies we observe with regards to languages: ―Terms that describe discrimination based on race, gender, and class are part of our regular vocabulary. Racism, sexism, ethnocentrism, anti-Semitism, classism, and others are widely understood, but until recently, no such term existed for language discrimination, although this does not mean that language discrimination did not exist. Tove Skutnabb-Kangas, by coining the term linguicism to refer to discrimination based specifically on language, has helped to make the issue more visible‖ (Nieto 2004, p. 208).
Both our policies about teaching English and an insidious linguicism make it possible for the multiple languages of a school community to be banned
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from the print materials and conversations in the environment. This strategy can sometimes be defended as beneficial for students whose focus is narrowed to learning English, learning about English, and speaking only English because it will advance their academic achievement. Although this has been disproved in the research, teacher candidates may not be familiar with research on multilingualism and bilingual education. Respect for linguistic diversity forms the basis for strong parent engagement and validates students‘ emerging self concept as multilingual individuals. Schools can communicate this respect in traditional ways such as translating documents or offering interpretation services for families but these activities often take place privately, with the individuals requiring them. A public statement of appreciation for multilingualism is endemic to a multilingual ecology. Displaying signs in multiple languages, making bilingual announcements, honoring student work in multiple languages, teaching languages other than English to students or families – these are all public approaches that convey the message that multilingualism is a valued and celebrated asset. Students sharing the frustration of learning foreign words or having to rely on another for comprehension are healthy occurrences in the multilingual ecology; they normalize the experience of bilingual learners. Teacher preparation programs need to embrace the concept of the multilingual ecology in order to prepare candidates well. Not only does the physical environment of the school need to convey appreciation for linguistic diversity but everyone, teachers and students, should see themselves as language learners. The multilingual ecology encourages learning and using multiple languages. Teacher candidates, knowledgeable about first and second language acquisition, know to promote students‘ home languages because they offer no threat to English learning. Encouraged to embrace linguistic diversity, teachers can see the value of using all the languages at their disposal and even become bilingual themselves. Anti-Bias Education Empowering teachers to mediate social and political tensions in the classroom requires pedagogical knowledge that is well steeped in anti-bias sensibilities. These sensibilities assume an active stance with regards to bias and not a simplistic call for ―let‘s just get along.‖ Derman-Sparks (1989)
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defines an anti-bias curriculum as ―an active/activist approach to challenging prejudice, stereotyping, bias, and the ‗isms.‘ In a society in which institutional structures create and maintain sexism, racism, and handicappism, it is not sufficient to be non-biased (and also highly unlikely), nor is it sufficient to be an observer. It is necessary for each individual to actively intervene, to challenge and counter the personal and institutional behaviors that perpetuate oppression‖ (Derman-Sparks 1989, p. 3). The emphasis on taking action to remediate injustice or to protect inclusion for all is at the heart of Derman-Sparks‘ model of anti-bias education. In this model, students and teachers alike learn strategies to confront discriminatory practices, prejudiced statements, and other inequities, as part of a libratory school experience. Adopting an anti-bias approach assumes building the confidence and competence of teachers in pedagogical knowledge but also in fostering a classroom culture that dismantles the barriers created by unexamined attitudes or values, and roots out stereotyping, discrimination, and oppressive power imbalances. A teacher competent in anti-bias education initiates courageous conversations and critical analysis of occurrences in school and society. This teacher models frank discussion in an atmosphere of respect and proactive problem-solving. Rather than fear the feelings that can arise when discussing bias, this teacher promotes the tolerance and inclusion that create safety in these discussions. It is clear that in order for a teacher, or any individual, to adopt this approach to anti-bias, he or she must have undergone a personal experience exploring his or her own values. We come full circle in our discussion as our framework began with self examination. The three principles we proposed (―Inclusion for Social Justice‖; ―The Multilingual Ecology‖; ―AntiBias Education‖) cannot be enacted without an honest, continual process of reflection. We envision that through reflection, teachers discover an expanded definition of themselves as educators as well as citizens of the world. As we re-define the collective ―we‖ to include the broad spectrum of diversity in our students, we connect more deeply with our own humanity. Teacher preparation programs are instrumental, then, in ennobling our profession with principles that serve to unite diverse populations by empowering teachers to create classrooms that are more collaborative, more productive, more vital, more peaceful.
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Foreign Language Teachers’ Training System Evolution in Post-Soviet Countries I RMA B ARBAKADZE
H ISTORY
OF THE
S OVIET S YSTEM
Teacher training in Georgia has had a long history. In 1929 a unified teacher training system was introduced, which was organized by special institutions that had been created to serve this goal: Central Institute of Teacher Training, cabinets of teaching methodology, school and inter-school unions for teaching methodology. The primary mission of the Central Institute of Teacher Training was to coach instructors systematically (once in five years). Several pedagogical institutes and universities (established in the Soviet Union) took part in the process of accomplishing this task by launching teacher training faculties. Selection of professors to deliver lectures was of great importance and it was carried out by teacher preparation and professional development departments. Teacher training endeavors at the time is described excellently by the following phrases of D. Gurgenidze: ―Courses should be delivered only by those who have enough theoretical as well as practical training, who share the Soviet Union principles, who are capable of not only giving teachers knowledge in various disciplines, but also help them acquire ideology which is crucial for understanding the new, Soviet school working principles and for performing appropriate tasks‖. (Gurgenidze 1926, p. 26) This quote shows the pros and drawbacks of the Soviet teacher training. On the one hand, high quality professor training and systematic participation of teachers in the training process should be appreciated since there is
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no such an effective and universal system in a developed country like the United States, as an example. On the other hand, the training process was limited to attending lectures and giving a speech and for most teachers it was a passive activity which didn‘t involve practical work. Moreover, it was excessively ideologised. According to the act developed in Moscow in 1927, the main goals of the Central Institute of Teacher Training were: a) Pedagogical work rationalization; b) Studying teaching staff conditions and situation in educational institutions and determining teachers‘ competence and qualification; c) Conducting actual work to improve teachers‘ qualification; d) Working on distance learning courses, short-term courses, conferences and practical work, basics of organizational consulting, contents and methods in the teacher training field; e) Publishing materials for teacher training (Barash 1958, pp. 86-87). In 1931-1932 the Central Institute of Teacher Training focused its work on five key directions:
Effectively help schools with carrying out acts passed by the central committee of the Georgian Communist Party (B) on 25 August 1932; Activities towards eliminating I-IV grade teacher shortage and unqualified personnel, in response to the introduction of compulsory elementary education. Training secondary and high (7-year and 9-year) school teachers of separate subjects and helping those teaching outside their specialty to master the subject and its methodology (by means of 6-month and 1-year courses) Training sessions for Russian, Armenian, Ossetian and Azerbaijani school teachers; Preparing personnel so that they could lead the school Young Communist League and young pioneer work, teaching educators communist ways of raising children and improving their knowledge of extracurricular activities (see Darchia 1979)
In the time when there were no regional branches of the Institute available and calling teachers to Tbilisi would have a negative effect on the functioning of their schools, the courses were provided in-service and the institute employees were sent to the regions to organize those courses.
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IN
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Gradually significant actions were taken in providing the listeners with accommodation and food. The Republican Institute in Tbilisi started cooperating with teacher training institutes located in partner republics. The teachers who had attended the courses tried their best to motivate their students to work independently at the lessons. Special attention was given to teaching Biology, Mathematics, Chemistry and Physics, all of which represented the subjects of most important consideration in the field of education at the time. If we take a look at the 1971-72 teacher-training plan that incorporated groups of 30 people, we will see that there are only 3 groups of foreign language teachers (ninety people), meaning that this number comes second to last. Drawing came last (drawing – 2 groups/60 teachers). In order to see the reality and to compare the above-mentioned groups with other ones, we would like to point out 10 groups of Mathematics teachers and 10 groups of the Russian language teachers (300 teachers in each group), which were included in the same-year plan and 5 groups of craftwork (150 teachers) (see Darchia, 1979).
N ECESSITY
OF THE
R EFORM
IN
G EORGIA
One of the main directions of the ongoing education reform in Georgia is to replace old-fashioned teaching methods at schools. Both in developed (the US, the UK, Japan, Scandinavia) and post-Soviet countries there is a tendency of regularly using interactive methods during the teaching process at schools. While the history of using and researching such methods in Europe and the USA has a long history, in post-Soviet countries the methods were not used appropriately. Although there were several Soviet methodologists in the 1960s (see Passov 1977) who developed theories of communicative language teaching, learning a language was often limited to grammar and translating and the relationship between teachers and students was authoritative. A great number of teachers and methodologists didn‘t have the opportunity to look into western studies and practices. Because of this, some of the Georgian teachers and methodologists were not ready to use interactive teaching methods effectively – they were only familiar with these methods theoretically. Teaching practice did not usually include such methods, unfortunately.
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European integration of Georgia, and its involvement in Bologna Process in 2005 has brought about the sharing of the core teaching values among teachers and moving to modern methods of teaching. In Georgia several individuals and groups have been making an effort to adopt and widely implement interactive teaching methods at schools. They are supported by European and American educational organizations to help them escape the Georgian reality. Teacher opinions on various issues should be changed (see Jghenti 2006). Recommendations, which are scientifically proved and strengthened with appropriate methodological instructions will enable teachers to execute the reform easily and productively, as a result of which Georgian students will be able to learn a foreign language thoroughly and effectively. Georgian youngsters will have access to modern European school education and teachers will approve of teaching methods and materials developed using European standards (teaching traditions, in exact terms). The effects of the scientific and technological revolution influenced the creation of a new student type. For instance, students‘ interests, level of knowledge, the school‘s role in developing their physical and moral development, the way they managed their time and other things have changed. The importance of motivation in the learning process is changing accordingly. A relationship between teachers and students, the importance and methods of evaluating students, etc are changing as well. The new social goals of education are the following:
Educated workforce; Lifelong learning; Equal opportunities for everyone; Informed voters.
Global tendencies influence changes in education by:
Integrating information technologies into learning and teaching; Repositioning priorities of educational goals (Assigning greater importance to language teaching goals); Unifying education; Increasing the flexibility and mobility of lifelong learning.
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During the process of creating an independent country, specific tendencies connected with forming an open society with market economy influence education in Georgia by:
Humanizing education; Reconsidering university specialities; Changing enrollment numbers of various faculties; Structural reorganization of the education system; Changing functions of separate links of the education system; Altering the content and method of education; Altering financing mechanisms of education.
Unlike ―cultural‖ approaches typical for the Soviet educational system, western system incorporates a pragmatic approach. While in Russia and post-Soviet countries teaching is focused on passing on and mastering the knowledge and experience of previous generations, the primary goal of education in the west first of all focuses on the notion of satisfying vital, basic needs of an individual. Western philosophy of education poses the following question: ―What do I need education for, if it doesn‘t enable me to satisfy my basic needs?‖ Such a question is a proof that the primary mission of schools, according to pragmatic approach followers, is to prepare students for life. I. Gogebashvili designed the same principle, but it hasn‘t been used in our education system so far. As a result, our schools produced intellectuals with inert and ineffective knowledge and didn‘t have skills which are considered to be vital such as self-realization and self-confidence, selfrespect, communication, cooperation, critical and creative thinking, decision-making, problem-solving, negotiating, conflict resolution, coping with emotions and stress, sense of community, determining one‘s values, avoiding unjustifiable risks, managing information, delegating responsibilities and so on. The current level of educational idea development has a tendency for the ―western‖ and ―eastern‖ approaches to inspire and enrich each other. This is proved by the following explanation of modern education: ―Modern education – this is the national, global cultural safety and ideological foundation, which takes into account the society‘s long-term interests‖ (Kavtaradze 1998, p.14). This interpretation tries to mix the ―western‖ and ―east-
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ern‖ approaches so that education can act as an agent to satisfy basic and cultural/intellectual transfer needs. The topic of teaching/learning has become trendy, because, as it turned out, these methods shape students‘ behavior: If a student is passive during the learning process (for example, he/she is the receiver of ―readymade‖ knowledge), he/she becomes a passive individual. On the other hand, if a student is active during the learning process (meaning, of course, that he/she is mentally active, such as acquiring new knowledge independently, with the help of a teacher), he/she becomes an individual who takes the initiative, who is enthusiastic and productive. According to new demands, the strategic direction of education should be student-centered learning, which is focused on the individual‘s interests, abilities and intellectual work. Therefore, the paradigm of traditional education ―teacher-textbook-student‖ should be replaced by a new one - ―studenttextbook-teacher‖. The paradigm change means that the role of teachers has been redefined: To be more precise, in the traditional education system, textbooks and teachers are the main source of students‘ knowledge and teachers lead and control the didactic process. The modern education system is student-centered.
G LOBAL E DUCATIONAL P OLICIES Thus, the modern global educational policy is directed towards student centered learning. Accordingly, learning methods should be focused on students and thus be interactive. We were interested in ongoing educational processes in other postSoviet countries, particularly in the field of foreign language teaching. The most interesting information we have found out is the changes taking place in China. China has been teaching foreign languages for a very long time (except for some historical periods, when it had no relations with foreign countries). Teaching process mantra for centuries was ―teach and listen‖, ―read and memorize‖. It all changed in 1993, when new educational programs were developed, taking into account the changes that had taken place in the society. Textbooks were changed, teaching methods became communicative, and the examination system was altered as well. Of course, in-
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creased demands were placed on teachers; they had to become qualified in certain fields, such as:
Mastering communication skills, modernizing language materials, improving communication skills; Increasing pedagogical, psychological and methodological knowledge based on new research; Get a better understanding of the culture connected with a foreign language (especially the present condition).
The education reform success depended on teacher enthusiasm, their desire to accept these changes. Of course, moving to interactive teaching was not easy for teachers, considering the educational traditions in our country. The article written by Ng and Tang (see Ng, Tang 2002) describes the study of training sessions held at schools of Shanghai (It must be noted that Shanghai has been cooperating with the western civilization and teaching English for an extensive period of time). The training sessions showed an important weakness in the work of foreign language teachers during and after the reform period – the problem was that they were too focused on exams and communication skills issues. Teachers still pay too much attention to teaching grammar and vocabulary. Of course, one training session, no matter how good it was, could not help them change their pedagogical and methodological views, but they still learned new ways of teaching. Not only did the teachers‘ views have to change, but also the trainers‘ thinking had to be modified as well. Therefore, the training sessions incorporated practical issues of teaching and interactive ways, on the one hand, and theoretical materials, on the other hand, which aimed to convince the teachers how important it was to focus their teaching on students and to use communicative and interactive methods. Adamson, Anderson, Campbell and other researchers concluded that training sessions that had been organized with the help of the US and Great Britain made positive changes to a great number of things, but a lot of work is yet to be done to improve foreign language (English) teaching. The example of England shows that 6-month training courses for 66 teachers of English started in Bolton in 1946 and continued in NorthEastern University of London. They were motivated to develop their skills and were chosen due to the fact that they were adequate to the course. The
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6-month course was followed by 3-month practice, after which the elementary and secondary school teachers were given qualification certificates. Because of the teacher unemployment crisis in 1953, the Bolton education committee was asked to end the existing courses. However, the courses turned out to be successful enough to be allowed to hold training sessions for 350 people a year; and two other educational institutions - Huddersfield College and technical University were also permitted to deliver the courses. By 1969 the best foreign language teacher training model had already been created in England which was copied by educators from other countries. In 1962 a one-course training session was introduced for teachers, which was provided in-service; after completing two courses a teacher could attend two more at Huddersfield and would receive a Certificate in Education. This four-level sandwich course was successful for the next decades and produced powerful teachers in England. Teacher training (in particular, foreign language teacher training) in the member states of the European Union is becoming unified; each country has its own characteristics though. Teacher training process is challenging in the countries which joined the EU later. The primary means of teacher training there is ―in-service training‖ (workplace training) which are done by local specialists. This allows teachers to use the theoretical training right at work. It is also less expensive (traveling costs for one trainer is cheaper than the traveling costs of all teachers, in this way teachers don‘t leave their jobs). However, cooperation between various countries in teacher training is rising nowadays.
P RACTICAL ANALYSIS The above analysis shows that in the time of societal changes and European education reform taking place in most countries worldwide, the most effective trainings session is the one that is short (one week to two months), is intensive (7-8 hours a day, taking place outside the workplace) and is delivered by a person who is a native speaker, specialist and well aware of teaching methods of the language. It would be best to hold the training session in the country of teaching language since a teacher can speak it not only in the lecture-room, but also gain experience by practicing it outside through communication; he/she can become familiar with characteristics of
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spoken language which are hard to find in books, magazines, as well as on the Internet, although the latter is a modern form of communication. He/she is able to observe the attractions, holidays, lifestyle described in the textbooks. Therefore, the information obtained by the teacher becomes more convincing and fascinating for his/her students. The most important benefit of the training session is its teaching style: brief information, collegial talk, working in small (3-4 teachers) groups, practicing the acquired knowledge right where the training session is held (Role-playing – some teachers take the role of students, others act as teachers and they are able to act out the learned methods several times). It was a traditionally accepted fact that if foreign language teachers knew a lot about the language, he/she was a good teacher. However, the goals of modern training sessions give less importance to mastering the language than to developing pedagogical and methodological skills. Let us compare the traditional teacher training system (1-term, less intensive, compulsory, filled with pedagogical and methodological subjects, passive, consisting of lectures only, without classifying teachers according to their interests and professional experience) and more intensive, flexible, diverse, engaging training sessions led by a native speaker or/and held in the country of teaching language. Traditional system of training Language which is manifested in books only Language practice only takes place in a lecture-room (artificial environment)
Linguistic and pedagogical/methodological subjects only, with a preliminary universal plan.
Training provided in the country of teaching language. Language which is manifested in the authentic environment Language practice with a native speaker as well as outside the lecture-room, in real life, authentic situations. Enriched with social studies, it is possible to study different subjects, organize meetings, etc. taking into consideration teachers‘ interests.
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Lectures only (prescriptive, passive form of learning)
Is an ―ordinary thing‖, teachers are not motivated enough (So it is for those specialists who are really enthusiastic and have intrinsic motivation) and does not influence their reputation -
Takes place on a regular basis
Includes all teachers Is more thorough and scientific
Chance to become familiar with a language and its culture in the authentic learning environment. Brief information, discussion, workshops, practical work, all of which will help evaluate the effectiveness of suggested methods. Post monitoring The acquisition is a reward, so all participants are highly motivated, teachers‘ reputation rises. It is more effective to inform teachers about the innovations that our society has never heard before through the specialists who have appropriate experience. Is not regular, a teacher attends it once or several times during his/her lifetime. Includes the best, the most enthusiastic teachers. Is more practical
(Table: Barbakadze)
Hence, having compared the above parameters we have come to the conclusion that training sessions held abroad or by foreign specialists is more effective for the professional development of foreign language teachers, especially when immediate results are required. The traditional system of teacher training, due to its certain advantages, should be kept in some way, however.
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Lehrerausbildung in Finnland J AN B ÖHM
E INLEITUNG Spätestens seit Bekanntwerden der ersten PISA-Ergebnisse steht das finnische Schulwesen im Blick der Öffentlichkeit. Besonders das unerwartet schlechte Abschneiden deutschsprachiger Schüler hat – dynamisiert durch politischen und öffentlichen Druck, hervorgerufen durch echte oder zumindest echt erscheinende Empörung – zu Anstrengungen verschiedener wissenschaftlicher Intuitionen geführt, die Gründe für das erfolgreiche finnische Abschneiden zu erforschen (vgl. u.a. Döbert et al. 2003), nicht zuletzt, um Anregung für die Reform des eigenen Schulwesens zu erhalten. Die pathetische Formulierung „Durch das Fremde lernen― wurde zum Topos nicht nur wissenschaftlicher Erklärungsversuche, sondern auch Anlass für unzählige „Pilgerreisen― unterschiedlichster Gruppen (Bildungspolitiker, Schulleiter, Lehrer, Schüler, Sozialpädagogen, Sonderschullehrer u.a.) nach Finnland. In Finnland selbst war die Überraschung über das gute Abschneiden weit weniger verbreitet1; nicht erst mit PISA hat die Entwicklung von Schule und Schulwesen eine hohe Priorität im öffentlichen Bewusstsein als auch im politischen Diskurs. Es besteht im öffentlichen Diskurs kaum ein Zweifel, dass der technologisch-gesellschaftliche Wandel sowie die Siche-
1
Ob dabei das Motiv (oder die nationale „Zuschreibungen―) „Zurückhaltung― eine Rolle spielte oder Befürchtungen, dass ein gutes Abschneiden auch als Argument für Mittelkürzungen herangezogen werden könnte, muss hier offen bleiben.
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rung des Wohlstandes nur durch eine professionelle und hochmotivierte Lehrerschaft erfolgreich realisiert werden kann. 2 Dass Wohlstand und sozialer Frieden im Wechselverhältnis zu einem hohen Bildungsniveau stehen, ist unbestritten. Unbestritten ist auch, dass das hohe Bildungsniveau aufs engste verbunden ist mit einem hohen Niveau professionellen Handelns der Lehrerschaft und somit mit der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern auf allen Schulstufen (inkl. Weiterbildung und Hochschulen). Lehramtsstudiengänge in Finnland waren auch vor Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse hoch begehrt und mit einem hohen Sozialprestige verbunden. Die Bewerberzahlen für ein Lehramtsstudium liegen weit über der Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze3. Die Auswahlverfahren zu diesen Studienplätzen zählen zu den selektivsten im finnischen Hochschulwesen. Als Gründe für die hohe Attraktivität des Lehrerberufs in Finnland lassen sich unterschiedliche Gründe nennen: einerseits besitzen finnische Lehrer im Vergleich zu Lehrkräften in deutschsprachigen Ländern ein großes Maß an Autonomie und Gestaltungfreiheit (vgl. Aho et al. 2006); der gesellschaftliche Status von Lehrern ist hoch, auch wenn die Entlohnung im Vergleich mit deutschen Lehrkräften eher moderat ausfällt (s.u.). Dennoch steigern die relativ sicheren Anstellungsverhältnisse die Attraktivität des Lehrerberufs, ein Hauptgrund für die Berufswahl ist es hingegen selten. Viel eher werden idealistische Gründe für die Berufswahlentscheidung angegeben.4 Das hohe Sozialprestige erlangten finnische Lehrer nicht erst nach Bekanntwerden der PISA Ergebnisse und ist auch nicht alleiniges Ergebnis
2
BIP /Person im Jahr 2013: EU Durchschnitt (25.700), Finnland (35.600), Deutschland (33.300), Österreich (37.000), Schweden (37.000), Frankreich (31.300), GB (29.600), Italien (25.600), Polen (10.100) (vgl. statistica, URL: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/188766/umfrage/bruttoinlandspro dukt-bip-pro-kopf-in-den-eu-laendern)
3
An der Universität Helsinki haben sich im Studienjahr 2013 2283 Personen für ein Studium des Lehramts Primarstufe beworben, 1111 wurden zur ersten Auswahlrunde zugelassen, 355 zur zweiten. Insgesamt standen 120 Studienplätze zur Verfügung. Die geringste Konkurrenz herrscht bei den Fachlehrern: dort wurden von 766 Bewerbern 453 aufgenommen (vgl. Department of Teacher Education 2014)
4
Das zumindest ergab eine nicht repräsentative Umfrage bei Lehramtsstudenten an der Universität Helsinki 2014.
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von Selbstverstärkungsprozessen (die jedoch auch wirken), sondern lässt sich historisch erklären durch die tragende Rolle finnischer Lehrer bei der Umwandlung Finnlands von einem Agrarland hin zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft (vgl. u.a. Jussila/Hentilä/Nevakivi 1999). Diese Entwicklung, die sich in den 60er Jahren stark dynamisiert hat, beruht im Wesentlichen auf dem Ausbau wissensbasierter Berufe, die sich auf eine langjährige und hochspezialisierte Ausbildung stützen (vgl. Sahlberg 2010). Mit der Modernisierung der finnischen Wirtschaft in den 60er und 70er Jahren ist eine Re-Distribuierung gesellschaftlicher Strukturen und Stratifikationen verbunden. Der akademische Beruf des Lehrers stellte dabei, wie auch in anderen europäischen Ländern in der Nachkriegszeit, einen, wenn nicht den wichtigsten Beruf zum gesellschaftlichen Aufstieg dar. Neben den bereits genannten Aspekten Status, Einkommen und pekuniäre Sicherheit war das Sendungsbewusstsein der Lehrerprofession ein weiteres attraktivitätssteigerndes Moment und wirkt in abgeschwächter Form auch noch heute. Inzwischen gehört Finnland zu den Ländern mit der am besten ausgebildeten Bevölkerung5.
R AHMENBEDINGUNGEN Finnland ist mit seinen 5,44 Millionen Einwohnern (vgl. Weltbank 2014) ein relativ kleines Land, auch wenn seine Fläche mit ca. 338.000 km² relativ groß ist. Die geringe Bevölkerungsdichte und der hohe Urbanisierungsgrad6 ziehen gravierende Herausforderungen nach sich. Besonders die nördlichen und östlichen Provinzen sind nicht nur besonders dünn besiedelt und ökonomisch schwach entwickelt, sondern sind gleichzeitig mit einer relativ starken Bevölkerungsabwanderung konfrontiert. Hier zeigen sich die bildungspolitischen Implikationen deutlich: In solchen Gegenden kam es in
5
So besitzen 84% der 25-64-Jährigen einen Abschluss auf Abiturniveau (OECDDurchschnitt: 75%). In der gleichen Altersgruppe besitzen 39% einen akademischen Abschluss (vgl. OECD 2013)
6
Mit fast 84% weist Finnland einen der höchsten Urbanisierungsgrade in der EU auf (zum Vergleich: Deutschland 74%, Österreich: 65%; vgl. http://de.statista. com/statistik/daten/studie/249029/umfrage/urbanisierung-in-den-eu-laendern)
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den letzten Jahren zur Zusammenlegung kleinerer Schulen. Dennoch gibt es in Finnland im Vergleich zu Mitteleuropäischen Ländern viele kleine Schulen, teilweise mit nur einer jahrgangsübergreifenden Klasse. 7 Lehrerbildung wurde im stark agrarisch geprägten Finnland relativ früh institutionalisiert. Bereits 1863 wurde die erste Lehrerbildungsanstalt eingerichtet; drei Jahre später erfolgte der erste gesetzliche Erlass zur Einrichtung einer flächendeckenden schulischen Grundbildung (vgl. Niemi 2012, S. 20f). Die erste Professur für Erziehungswissenschaften wurde 1852 an der Universität Helsinki eingerichtet. 1969 wurden die Anforderungen an die Lehrerausbildung deutlich erhöht: Voraussetzung war das Abitur und eine dreijährige akademische Ausbildung mit dem Abschluss B.A. Neben der Stärkung fachlicher Inhalte wurden auch die pädagogischen Kompetenzen gezielt promoviert. Die Entwicklungsdynamik lässt sich an den zeitnah folgenden Reformen nachvollziehen: bereits 1971 wurde per Gesetz die Lehrerbildung neu geregelt. Sieben Universitäten (und eine achte schwedischsprachige in Vaasa) richteten Lehrerbildungszentren ein. An dieser Reform wird die hohe bildungspolitische Bedeutung eines flächendeckenden Angebots und somit eine deutliche Aufwertung schwach besiedelter Gebiete im Norden und Osten Finnlands sichtbar (vgl. Aho et al. 2006, S. 51). Der nächste Schritt in Richtung Aufwertung der Lehrerprofession wurde mit der Reform der Universitätsabschlüsse 1974/75 vollzogen. Mindestqualifikation für die Ausübung des Lehrerberufs war ab dieser Zeit ein akademischer Abschluss „Master of Science―. Sämtliche pädagogische Berufe benötigten von nun an eine mindestens fünfjährige universitäre Ausbildung (neben den Klassenlehrern und den Fachlehrern betraf dies auch Sonderschullehrer und andere pädagogische Professionen). Das Gesetz wurde 1979 landesweit umgesetzt (vgl. ebda., S. 51). Seit Mitte der achtziger Jahre sind sämtliche pädagogische Berufe akademisiert und an ein universitäres Studium gebunden. Derzeit werden sämtliche Lehramtsstudiengänge an acht (sieben finnischsprachigen und einer schwedischspra-
7
Solche Kleinstschulen beherbergen maximal die ersten vier bzw. sechs Jahre. Die frühere Oberstufe (Klassen 7-9) wird durch ihren erhöhten Lehrerbedarf durch Fachspezialisierung nicht als Kleinstschule geführt. Kinder aus dünn besiedelten Gebieten müssen i.d.R. einen längeren Schulweg in Kauf nehmen. Dabei ist die Kommune verpflichtet, ab einer Entfernung von fünf Kilometern (gesetzlich festgelegt; tatsächlich jedoch meist ab 3 Kilometer) einen für die Schüler kostenfreien Transport bereit zu stellen.
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chigen) Universitäten (von insgesamt 20), über das gesamte Land verteilt, angeboten. Im Vergleich zu Deutschland und Österreich schlägt sich in Finnland die Bedeutsamkeitslyrik von Bildung und Erziehung auch praktisch nieder und lässt sich anhand einschlägiger Indikatoren festmachen. So liegen die Ausgaben für Bildung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, mit 7% über den EU-Durchschnitt und deutlich über den Ausgaben in Deutschland (4,5%, vgl. BMBF) und Österreich (5,6%, vgl. Statistik Austria). Obwohl solche hoch aggregierten Daten wenig über die tatsächliche Qualität der Lehrerausbildung und des Unterrichts in Schulen zulassen, so wird doch von Besuchern immer wieder berichtet, dass die Studien- und Forschungsbedingungen an finnischen Universitäten weit und auffallend über den gewohnten Standards in Österreich und vor allem Deutschland liegen. Besonders die gute materielle Ausstattung der Bibliotheken und die geringe Lerngruppengröße sowie das enge professionelle Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden werden oft herausgehoben.
S TATUS
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Lehrer, vor allem Klassenlehrer in der Primarstufe, ist einer der beliebtesten Berufswünsche finnischer Abiturienten. Die Relation von Studienplatzbewerbern und tatsächlichen Studienplätzen weißt in keinem anderen Studiengang eine so große Spreizung auf: An der „University of Helsinki― haben sich im Studienjahr 2012/13 1783 Personen auf 120 verfügbare Studienplätze beworben (Klassenlehrerausbildung, Master), das entspricht einer Zulassungsquote von 6,7% (vgl. Portaankorva-Koivisto 2014, S.14). In anderen Lehrämtern ist die Erfolgsquote höher, am geringsten sind die Hürden für das Fachlehrerstudium, dort kommen auf 766 Bewerber 453 Studienplätze. Jedoch ist die Bewerberzahl in allen pädagogischen Studiengängen höher als das Angebot; das betrifft nicht nur die „University of Helsinki―, sondern auch alle anderen Universitäten, die Lehramtsstudiengänge anbieten. Die Gründe für die hohe Attraktivität wurden oben bereits erörtert. Ein weiterer Grund ist in der staatlichen Erfassung und Planung zukünftiger Lehrerstellen zu suchen. Dieses System, welches in enger Zusammenarbeit mit Schulträgern, Behörden, Wissenschaftlern, Gewerkschafen und Ministerien arbeitet, wurde in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt
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und spielte insbesondere bei der Umstellung des gegliederten Schulsystems auf eine Gemeinschaftsschule und der zeitnahen Reformierung der Lehrerausbildung in den 70er Jahren eine wichtige Rolle (vgl. https://webgate. ec.europa.eu/fpfis/mwikis/eurydice/index.php/Finland:Conditons_ of_ Service _for_Teachers_Working_in_Early_Childhood_and_School_Education). Die Sammlung und Auswertung dieser Daten erfolgt gegenwärtig alle 2-3 Jahre und fließt in die Prognose des zukünftigen Lehrerbedarfs ein. Die Institutionen der Lehrerausbildung orientieren sich an dieser Prognose. So wird u.a. sichergestellt, dass die Absolventen tatsächlich zeitnah eine sichere Anstellung als Lehrkraft erhalten und nicht, wie beispielsweise in Deutschland und in letzter Zeit auch in Österreich, oftmals einer unsicheren beruflichen Zukunft entgegensehen und zum nicht geringen Teil in andere Berufsfelder abwandern. Hohes Sozialprestige, große Autonomie und Gestaltungsspielraum, eine relativ sichere Anstellung sowie ein klares Berufsbild stehen auf der Habenseite, gleichzeitig bietet der Lehrerberuf im internationalen Vergleich relativ bescheidene Einkommen (zumindest die Primarschullehrer) und geringe Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten innerhalb des Berufes. Tabelle 1: Jahreseinkommen von vollzeitbeschäftigten Lehrern (Quelle: Eurypedia) Lehramt Vorschullehrer Klassenlehrer (1-6) Fachlehrer (7-9) Sekundarstufe II
Minimum (in €) 27.424 31.669 34.235 36.303
Maximum (in €) 29.617 42.227 44.526 48.064
Tabelle 2: Durchschnittliches Jahreseinkommen im Jahr 2011 (Quelle: Statistic Finland) Lehramt Vorschullehrer Klassenlehrer Fachlehrer (SEK 1) Sekundarstufenlehrer (SEK II)
Jahreseinkommen (in €) 30.888 42.050 46.650 51.750
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Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen beträgt monatlich zwischen 2.200 und 3.000 Euro (vgl. Eurypedia 2014) und bewegt sich somit deutlich unter Vergleichswerten deutscher Lehrer. 8 Die Unterschiede im Einkommen zwischen Finnland und Österreich beim Einstiegsgehalt von PrimarschullehrerInnen sind gering (32.587 $ - 32.148$), spreizen sich im Laufe der Beschäftigungszeit jedoch enorm (nach 15 Jahren Dienst: 42.994$- 39.445$; besonders krass die Unterschiede bei den maximalen Einkommen: 64.057$ – 41.811$, vgl. OECD 2014). Relativierend könnte ins Feld gebracht werden, dass finnische Lehrer im Vergleich zu deutschen, nicht aber zu den österreichischen Lehrkräften, ein geringeres Lehrdeputat aufweisen (Variation zwischen 16-24 Unterrichtsstunden (á 45 min) pro Woche, abhängig von Schulart und Fach, vgl. Eurypedia).9 Das übersieht jedoch die über den Unterricht hinausgehenden Tätigkeitbereiche finnischer Lehrkräfte: neben den klassischen Bereichen Unterricht inkl. Vor- und Nachbereitung kommen Aufgaben im Bereich der Curriculum- und Lehrplangestaltung hinzu. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen ist zeitintensiv und wird mit ca. 2 Stunden pro Woche veranschlagt (vgl. Sahlberg 2010, S.7). Von solchen planerisch-administrativen Aufgaben sind deutsche und österreichische Lehrkräfte in der Regel ausgenommen, da Lehrpläne und Curricula zentral erarbeitet werden und den Lehrern nur sehr geringen Spielraum lassen (meist in Form der didaktischen Gestaltung des Unterrichts).
S TRUKTUR UND O RGANISATION Finnische Bildungspolitik verfolgt nach offiziellen Verlautbarungen folgende vier großen Ziele: 1. einheitliche und konsistente langfristige Planung, 2. Gleichheit im Bildungswesen, 3. Dezentralisierung und Subsidiari-
8
Jahreseinkommen in US$ 2012 im Vergleich: OECD-Durchschnitt (39.642), Finnland (39.445), Deutschland (62.195), Österreich (42.994), Japan (47.561), Niederlande (51.865), USA (45.998). (vgl. OECD 2014: 296)
9
Im Jahresdurchschnitt unterrichten finnische Lehrkräfte 187 Tage. Damit liegen sie auf dem Niveau des OECD-Durchschnitts (185 Primarschule, 163 Sekundarschule); im Vergleich dazu arbeiten österreichische Lehrer an 180 Unterrichtstagen und deutsche Kollegen an 193 Tagen (vgl. OECD 2014)
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tät sowie 4. eine Kultur des Vertrauens auf allen Ebenen (vgl. University of Helsinki 2014). Ziel der finnischen Lehrerausbildung ist es, Pädagogen in die Lage zu versetzen, die o.g. grundlegenden Bildungsziele umzusetzen. Dabei stehen Lehrkräfte keiner harmonischen gesellschaftlichen Realität gegenüber, sondern müssen ständig auf Probleme auf verschiedenen Ebenen reagieren. Jedoch haben sich die Lösungsstrategien verändert: „ […] the conventional approach of schools to problems was to break these down into manageable bits and pieces, and then teaching students the techniques to solve them. But today, individuals create value by synthesizing the disparate bites. This is about open-mindedness and making connections between ideas that previously seemed unrelated, which requires being familiar with and receptive to knowledge in different fields. The world is no longer divided into specialists and generalists. What counts today are the versatility who are able to apply depth of skill to a progressively widening scope of situations and experiences, gaining new competencies, building relationships, and assuming new roles. They are capable not only of constantly adapting but also of constantly learning and growing, of positioning themselves and prepositioning themselves in a fast changing world― (Schleicher 2012, S. 34).
Nun sollte man die Beschleunigungs- und Wandlungsmetapher nicht überstrapazieren, klar ist jedoch, dass die Anforderungen an Lehrkräfte deutlich komplexer geworden sind. Die Antwort in Form von Kompetenzanforderungen an angehende Lehrkräfte sind jedoch vielfältig und teilweise inkonsistent, zudem gehen die von supranationalen Gremien erarbeitete Kompetenzanforderungen nicht immer kongruent mit nationalen Anforderungen (vgl. v. Kopp 2014, S. 49). Wenn es darum geht, über zukünftige Lehrerkompetenzen (und somit Mindestanforderungen) zu entscheiden, schlägt die OECD im „Teacher Education Curricula 2009― die Unterscheidung dreier Procedere vor: 1. Detailliert auf zentraler nationaler Ebene durch ein Regierungsorgan (Ministerium). 2. Generelle Festlegung auf der zentralen Ebene mit zusätzlicher Adaption bzw. Spezifikationen, Modifikationen z.B. durch die Lehrerausbildungsinstitution. 3. Festlegung auf Ebene der Hochschulen selbst. (OECD 2012, S.14).
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Finnland wird dem dritten Typ zugerechnet. Dies unterschlägt allerdings, dass es sehr wohl einen Konsens über bestimmte Studieninhalte gibt (s.u.). Somit wäre eine Verortung zwischen Typ 2 und 3 gerechtfertigter. Im gleichen Dokument werden die geforderten Kompetenzen und Fähigkeiten sowie die tatsächlichen Inhalte in den konkreten Curricula zukünftiger Lehrer der Primar- und Sekundarstufe dargestellt. Ernüchternd das Ergebnis, dass zum Teil nur knapp die Hälfte der geforderten Kompetenzen auch als Inhalte im Curriculum wiedergefunden werden konnten (OECD 2012, S.78). Betrachtet man die Kompetenzanforderungen der Studie 10 (ebda.) und das Curriculum der Primarstufe der Universität Helsinki, lassen sich relativ viele Studieninhalte für die geforderten Kompetenzen finden, wobei eingeschränkt bemerkt werden muss, dass viele Kompetenzen relativ unbestimmt sind und es schwer fällt, konkrete Inhalte zuzuordnen, die dann auf eine spezifische Kompetenz rekurrieren. Innerhalb Finnlands wurde zur Umstellung der alten Lehramtsstudiengänge auf die Bologna-Studienstruktur sowie zur Erarbeitung von gemeinsamen Mindestanforderungen an Lehramtsstudiengänge eine Arbeitsgruppe (VOKKE) aus allen Lehrerausbildungsstätten sowie anderen Stakeholdern eingerichtet. Sie erarbeitete gemeinsame Empfehlungen für die Lehrerausbildung. Diese sind zwar nicht bindend, entfalteten jedoch eine normative Kraft, da die Ergebnisse auf einem breiten Konsens beruhen (vgl. OECD 2012, S. 97). Zu den Empfehlungen, die inzwischen in allen finnischen Lehrercurricula eingebaut wurden, gehören: Praxisanteile, interkulturelle Inhalte, Forschungsorientierung inkl. methodische Fundierung (sowohl quantitative als auch qualitative Methoden der Sozialforschung). Im Strategie- und Entwicklungspapier des Ministeriums für Bildung (Teacher education 2020) wird eine noch stärkere Ausrichtung auf Multi- und Interkulturelle Studieninhalte und Forschungsarbeiten plädiert. Wie unten noch zu zeigen wird, sieht das Ministerium in den Bereichen Weiterbildung der Lehrkräfte sowie der Einführungsphase in den Schuldienst (Induktionsphase) noch weitere Entwicklungsbedarfe (vgl. http://www.minedu.fi/export/ sites/default/OPM/Julkaisut/2007/liitteet/tr44.pdf?lang=fi).
10 1. Subject competence, 2. Pedagogic competencies, 3. Integrating theory and practice, 4. Co-operation and collaboration, 5. Quality assurance, 6. Mobility, 7. Leadership, 8. Continuing and Lifelong Learning (URL: https://ktl.jyu.fi/ img/portal/17545/TEC_FINAL_REPORT_12th_Apr2010_WEB.pdf?cs=12719 22032, S.53)
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Die konkreten Kompetenzanforderungen sowie die dazugehörigen Studieninhalte werden von den Organisationseinheiten der jeweiligen Universität erarbeitet und umgesetzt, berücksichtigen jedoch die o.g. gemeinsam erarbeiteten Mindestanforderungen. Laut gesetzlicher Verordnung (zuletzt 2005) müssen alle Lehrer an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen mindestens einen Masterabschluss erworben haben.11 Aufgrund der hohen Attraktivität des Lehrerberufs gibt es keine Schwierigkeiten, genügen Studierende für ein Lehramtsstudium zu rekrutieren. Im Vergleich zu Österreich und Deutschland gelingt es finnischen Universitäten, die leistungsstärksten Abgänger der Gymnasien für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. Die hohe Nachfrage bei gleichzeitig strenger Regulierung der Studienplätze zieht ein hochselektives Auswahlverfahren nach sich (s.u.). Derzeit gibt es ein mehrstufiges Auswahlverfahren, das landesweit angewendet wird. Sämtliche Lehramtsstudiengänge sind konsekutiv organisiert und bieten die Möglichkeit einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation (Doktorat).
AUSWAHL UND Z ULASSUNG Wie bereits erwähnt, liegt die Bewerberzahl bei (fast) allen pädagogischen Studiengängen zum Teil weit über der Zahl angebotener Studienplätze. Daher kommt es jährlich zu einem regelrechten „run― auf die besonders begehrten Studienplätze des „Klassenlehrers― in der Unterstufe (Klassen 1-6). Das landesweit vereinheitlichte Auswahlverfahren besteht aus zwei Stufen: 1. 2.
Schriftlicher Test (VAKAVA-Test), Persönlicher Eignungstest/Interview.
VAKAVA ist ein landesweit einheitlicher Test zukünftiger Studierender pädagogischer Studiengänge.12 Er umfasst alle Lehramtsstudiengänge und
11 Laut Eurypedia erfüllten 2013 95 % der Vorschul- und Primarschullehrkräfte, 90 % der Fachlehrer in der Primarstufe, 95 % der Fachlehrer in der Sekundarstufe und 78 % der Lehrer in der Beruflichen Schule diese Anforderungen. 12 Der VAKAVA-Test ist für folgende Studiengänge Voraussetzung für den Auswahlprozess: Klassenlehrer (Primarstufe), Fachlehrer Sekundarstufe I und II, Kindergartenpädagogik, Pädagogik und Erwachsenenbildung, Sonderpädagogik,
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andere pädagogische Studien, die nicht zum Lehramt führen; insgesamt 35 Studienmöglichkeiten. Er wird von sechs Universitäten13 als erste Stufe des Auswahlverfahrens herangezogen. Jeder potentielle Student kann sich für maximal sechs Studiengänge bewerben. Die im VAKAVA Test erreichte Punktzahl entscheidet über ein Vorrücken in die zweite Stufe des Auswahlverfahrens. In der Regel werden 25% der besten Bewerber in die zweite Phase aufgenommen. In dieser wird der Fokus mehr auf die individuellen Eignungen der Bewerber gerichtet, im Gegensatz zur stark kognitiv orientierten ersten Phase. Da sich in der Regel die Bewerber für mehrere Lehramtsstudiengänge gleichzeitig bewerben, wird auf die individuelle Passung zu den verschiedenen Studienplätzen geachtet. Wenn beispielsweise das gewünschte Ziel „Klassenlehrer―nicht erreicht werden kann, können mittels Gespräch alternative Studien gefunden werden. Somit wird von Seiten der Universität versucht, geeignete Bewerber in alternative, weniger gefragte Lehramtsstudiengänge zu bringen. Interessant ist, dass die zweite Stufe des Auswahlverfahrens, die eher auf soziale und kommunikative Kompetenzen rekurriert, helfen soll, v.a. männliche Studierende in die begehrten Studiengänge („Klassenlehrer―) zu befördern. Gerade jene Eigenschaften, die jeher als weiblich attribuiert wurden, sollen helfen, die weibliche Dominanz 14 in diesen Studiengängen zu relativieren und die Anzahl männlicher Studierender zu erhöhen. Sollte man die typischen Anwärter eines Lehramtsstudiums charakterisieren, so müsste man konstatieren: weiblich und klug (bezogen auf überdurchschnittliche Abiturleistung). Am Beispiel der Universität Helsinki lassen sich diese Proportionen veranschaulichen (die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2013; Zahlen von der Fakultät für Lehrerbildung):
Handarbeitslehrer, Hauswirtschaftslehrer, Berufsberater (Schule), Medienpädagogik (vgl. VAKAVA). 13 Universität Helsinki, Universität Ostfinnland, Universität Jyväskylä, Universität Lappland, Universität Oulu, Universität Tampere und Turku. 14 Am Beispiel der Universität Helsinki lässt sich das gut demonstrieren: 2014 waren an der Fakultät für Erziehungswissenschaften 2334 Studierende in Lehramtsstudiengängen immatrikuliert, von denen 88% weiblich sind. Verteilt auf einzelne Studienabschnitte ergeben sich folgende Zahlen: BA Studierende: gesamt 1666 – weiblich 1466; MA: 430 – 404; PhD: 238 – 181 (vgl. Department of Teacher Education).
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Tabelle 3: Bewerberzahlen Universität Helsinki 2013 (Quelle: Department of Teacher Education) Studienfach
Bewerber
Phase 2 355
Studienplätze 120
%
2283
Phase 1 1111
Klassenlehrer (Primarstufe) Lehrer für Handwerk Werken Studiengang „Frühe Kindheit― Hauswirtschaftslehre Kindergartenpädagogik Sonderpädagogik Fachlehrer (Sekundarstufenlehrer)
311
213
70
32
18
40
47
33 120 20 453
14 22 9 72
85 500 1324 1004 766
360 729 714
90 325 621
12
Der einzige Angebotsüberhang (Daten beziehen sich auf das Jahr 2011) findet sich an der Universität Helsinki bei den Fachlehrern im Modul „Pädagogik―, welches von allen Lehramtsanwärtern durchlaufen werden muss und den Kern der pädagogischen Ausbildung darstellt.
S TUDIENPROGRAMME /AUSBILDUNGSINHALTE Alle an der Lehrerausbildung beteiligten acht Universitäten haben ihre eigene, dem jeweiligen Umfeld und den jeweiligen Ausbildungs- und Forschungstraditionen entsprechende Ausbildungsstrategie. Dennoch folgen alle Hochschulen der nationalen Strategie der Lehrerbildung in Form eines konsekutiven Curriculums, das jedoch genügend Freiräume lässt, um die o.g. regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Wie erwähnt, müssen sämtliche an Schulen beschäftigte Pädagogen, unabhängig von der Schulart, eine fünfjährige universitäre Ausbildung (300 ECTS) absolvieren. Der Masterabschluss fungiert als Lizenz zur pädagogischen Arbeit im öffentlichen Schulwesen. Neben dem einschlägigen Studium des Faches/der Fächer und den pädagogischen Inhalten legt das Studium großen Wert auf eine forschungsbasierte Ausbildung. Verpflichtend für jeden Masteranwärter ist eine for-
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schungs basierte Abschlussarbeit, die eine eigenständige empirische Untersuchung enthalten muss. Begleitend muss ein Forschungsseminar besucht, sowie zur Qualitätssicherung, die Abschlussarbeit öffentlich vorgestellt und verteidigt werden. Die Masterarbeit wird landesweit mit 40 ECTS gewichtet und unterstreicht die Bedeutung wissenschaftlicher Forschungskompetenz zukünftiger Lehrer. Im Gegensatz zu Österreich (im Bereich Primarstufe und Hauptschule, Neue Mittelschule), steht den Absolventen aller Studiengänge der Weg zur Promotion offen. So wird versucht sicherzustellen, dass einschlägig ausgebildeten Lehrern der Weg in die Forschung (und Weiterqualifizierung) offen steht und somit die Verbindung zwischen Schulpraxis – Forschung und zurück in die Schule möglichst offen gehalten wird. Da es eine landesweit einheitliche Lehrerbildung nicht gibt und die jeweiligen Universitäten eigene Spezialisierungen und Profile besitzen, soll am Beispiel der Universität Helsinki die Umsetzung pädagogischer Studiengänge dargestellt werden. Die Angaben beziehen sich auf die Studienarchitektur aus dem akademischen Jahr 2014. Primarstufenlehrer (Klassenlehrer) Das begehrteste Studium ist das des Klassenlehrer/Primarschullehramtes. Es berechtigt zur Arbeit in den Klassenstufen 1-6. Das konsekutive Studium umfasst das Bachelorstudium (BEd) mit 180 ECTS (1 ECTS = 27 Arbeitsstunden) sowie ein Masterstudium mit 120 ECTS (MEd). In der Regel wird ein Studienjahr mit 60 ECTS berechnet. Der Abschluss berechtigt zur Aufnahme eines Doktoratsstudiums in Anschluss. Das Studium gliedert sich in vier inhaltliche Schwerpunkte: Erziehungswissenschaft, Kommunikation und Sprache, Multidisziplinäre Studien sowie ein Wahlfach. In der folgenden Übersicht werden die zu studierenden Inhalte mit den dazugehörigen Studienleistungen in Form von ECTS dargestellt. Das Studium beinhaltet insgesamt 40 ECTs Schulpraxis.
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Tabelle 4: Inhalte und Aufteilung des konsekutiven Masterstudiums Primarstufe (Darstellung: JB) Bezeichnung Erziehungswissenschaft (Hauptfach) Kulturelle Grundlagen der Erziehung Psychologische Grundlagen der Erziehung Pädagogische Grundlagen der Erziehung Forschungsmethoden in den Erziehungswis senschaften Schulpraktikum Kommunikation und Sprache Grundlagen der Curriculumplanung Kommunikative Kompetenzen Multidisziplinare Fächerstudien und fächerübergreifende Inhalte Muttersprache und Literatur Mathematik Kunst Didaktik in humanwissenschaftlichen Fächern Wahlfächer Wahlfach
ECTS gesamt 140 16 11 23 70 20
BEd
MEd
13 11 13 20 15 3
3
25 2 23 60
1 17
1 6
8 7 14 6 13
8 7 14 6 13
75
40
10 50 16 17
35
Auffällig ist die starke Verankerung forschungsmethodischer Inhalte. Die Studierenden werden bereits im ersten Studienabschnitt sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Forschungsmethoden konfrontiert (3 bzw. 4 ECTS). Die Bachelorarbeit wird von einem 4 ECTS umfassenden Forschungskolloquium begleitet. Im zweiten Studienabschnitt kann zwischen einer Vertiefung entweder quantitativer oder qualitativer Methoden gewählt werden; Umgesetzt wird dies in Form eines Forschungsprojektes unter Anwendung der jeweiligen Perspektive. Ergänzt wird die forschungsmethodische Ausbildung mit zwei wählbaren vertiefenden Kursen (2*3
15 Inklusive BA-Arbeit inkl. Forschungsseminar (20 ECTS). 16 Inklusive MA-Arbeit (40 ECTS).
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ECTS). Die forschungsbasierte Masterarbeit hat einen Umfang von 40 ECTS. In der Regel wird die Masterarbeit im Bereich Erziehungswissenschaft geschrieben. Neben dem frei wählbaren Nebenfach bietet das Modul „Multidisziplinare Fächerstudien und fächerübergreifende Inhalte― individuelle Gestaltungsspielräume und thematische Spezialisierung. Aus vier Themengebieten (Körper und Kunst I, Körper und Kunst II, Gesellschaftswissenschaften/Ethik, Naturwissenschaften, Anm.: zusammenfassende Bezeichnung der Themengebiete J.B.) muss jeweils eine Vertiefung gewählt werden. Sekundarstufenlehrer (Fachlehrer) Beim Fachlehrerstudium (Sekundarstufenlehramt) immatrikulieren sich die Studierenden nicht im Bereich (Fakultät) Erziehungswissenschaft sondern im jeweils zu studierendem Fach. Der Abschluss befähigt zur Arbeit in Sekundarschulen (ab siebente Klassenstufe), beruflichen Schulen sowie in der Erwachsenenbildung Beim Fachlehrer in der Erwachsenenbildung werden einige Inhalte im Vergleich mit dem Fachlehrer im Sekundarschulbereich spezifiziert: Tabelle 5: Studieninhalte Erwachsenenbildung (Darstellung: JB)
Erziehungswissenschaften
Erster Studienabschnitt (BA) Orientierung in den Erziehungswissenschaften (3 ECTS) Erziehung zur Diversität (6 ECTS)
Fachdidaktik
Einführung in die Fachdidaktik (9 ECTS)
Praxis/ Praxisbegleitseminare
Grundpraktikum (7 ECTS)
Zweiter Studienabschnitt (MA) Soziale, Historische und Philosophische Grundlagen der Erziehung (4 ECTS) Bildungssoziologie (4 ECTS) Lernumgebungen Erwachsener (4 ECTS) Forschungsseminar (10 ECTS) Angewandte Praxis: Distant-Learning und WEB-basiertes Lernen (3 ECTS) Vertiefende Praxis (10 ECTS)
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Der häufigste Zugang zum Studium ist das Absolvieren eines Masterstudiums mit einem Hauptfach oder einem Hauptfach und einem/zwei Nebenfächern. Anschließend bewirbt sich der Kandidat an der Fakultät Erziehungswissenschaften für ein Schulfach. Dort aufgenommen müssen 60 ECTS (in der Regel ein Studienjahr) für pädagogische Studien studiert werden. Es werden pädagogische sowie fachdidaktische Inhalte vermittelt. Der zweite Weg zum Fachlehrer besteht in der direkten Bewerbung an der Fakultät für Erziehungswissenschaften und Lehrerbildung bei Beginn des Studiums eines Faches (und/oder weiteren Nebenfächer). Die Inhalte gleichen denen im ersten Weg, verteilen sich jedoch auf das reguläre Studium; sie werden in der Regel ab dem dritten Studienjahr aufgenommen und schließen mit dem Master ab. Die Verteilung der Inhalte sieht folgendermaßen aus:
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Tabelle 6: Inhalte und Aufteilung des Masterstudiums Fachlehrer Sekundarstufe (Darstellung: JB)
Erziehungswissenschaften
Fachdidaktik
Erster Studienabschnitt (BA) Entwicklungspsychologie und Lernen (3 ECTS) Erziehung zur Diversität (6 ECTS) Einführung in die Fachdidaktik (9 ECTS): - Annäherung an den Lernort - Schule (1) - Allgemeine Didaktik (1) - Fachdidaktik (6) - Reflexion (1)
Zweiter Studienabschnitt (MA) Soziale, Historische und Philosophische Grundlagen der Erziehung (4 ECTS)
-
Grundpraktikum (7 ECTS)
Evaluation und Unterrichtsentwicklung (8 ECTS) Fachdidaktik (7) Reflexion (1) Lehrer als Forscher (10 ECTS) Einführung in erziehungswissenschaftliche Forschung (3) Forschungsplanung (3) Forschungsseminar (4) Angewandte Praxis (4 ECTS) Vertiefende Praxis (9 ECTS)
Die hier aufgelisteten Inhalte werden in folgender Reihenfolge, beginnend im dritten Jahr, studiert:
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Tabelle 7: Inhalte und zeitliche Zuordnung der „Pädagogischen Studien“ im Verlauf des Fachstudiums (Darstellung: JB) Phase 1 Phase 2 Phase 3
Phase 4
Entwicklungspsychologie und Lernen (3 ECTS) Erziehung zur Diversität (6 ECTS) Einführung in die Fachdidaktik (9 ECTS) Grundpraktikum (7 ECTS) Soziale, Historische und Philosophische Grundlagen der Erziehung (4 ECTS) Angewandte Praxis (4 ECTS) Evaluation und Unterrichtsentwicklung (8 ECTS) Vertiefende Praxis (9 ECTS)
Forschungsseminar (10 ECTS)
Die Struktur des pädagogischen Kerns in der Fachlehrerausbildung wird sowohl in der Spezialisierung Erwachsenenbildung als auch bei den Sekundarschullehrern und Fachlehrern in Berufsschulen beibehalten. Jedoch gibt es jeweils inhaltliche Akzentuierungen (siehe Endnote 11 für die Erwachsenenbildung). Für die Spezialisierung Sekundarstufe 2 (finnisch „Lukio―, vergleichbar mit dem Gymnasium in Deutschland und der AHS Oberstufe in Österreich) wird das angewandte Praktikum inhaltlich als DistanceLearning und WEB-basiertes Lernen angeboten. Das Fachlehrerstudium beinhaltet insgesamt 20 ECTS Praktikum, wobei drei unterschiedliche Formen zu unterscheiden sind: das in Phase zwei vorgesehene Grundpraktikum (7 ECTS) ist ein „klinisches― Praktikum in einer Lernwerkstatt an der Fakultät für Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung. Dort werden in Kleingruppen Unterrichtssequenzen vorbereitet, durchgeführt und reflektiert. Das Hauptpraktikum kann nochmal unterschieden werden in ein angewandtes und ein vertiefendes Praktikum. Letzteres findet im letzten Abschnitt der pädagogischen Studien statt, in der Regel in einer speziellen Universitätsübungsschule oder einer „normalen― öffentlichen Schule; beide folgen dem gleichen offiziellen Curriculum. Das angewandte Praktikum wird je nach Schulart (SEK I, SEK II, Berufsschule oder Erwachsenenbildung) differenziert: SEK II und Erwachsenenbildung studieren die Grundlagen des Distance-Learning und des WEB-basierten
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Unterrichtens, da diese Form der Vermittlung in diesen Institutionen in dünn bevölkerten Gegenden (häufig in Nord- und Ostfinnland) praktiziert wird.17 Insgesamt beträgt der Praxisanteil (alle Formen) in der Lehrerausbildung bei Klassenlehrern (Primarstufe) ca. 15% und bei Fachlehrern (sämtliche Schulformen inkl. Erwachsenenbildung) ca. 30 %. Derzeit wird an zwei Universitäten (Oulu und Helsinki) ein englischsprachiges Lehramtsstudium angeboten. An der Universität Helsinki kann das STEP-Programm (Subject Teacher Education Programme) für zukünftige Fachlehrer studiert werden (60 ECTS), an der Universität Oulu wird der Studiengang „Interkulturelles Lehren― (Klassenlehrer) in englischer Sprache angeboten. Der Abschluss ist dem des Primarschullehramtes gleichgestellt und berechtigt zur Arbeit an sämtlichen finnischen Primarschulen (1-6), wobei der Fokus auf internationalen Schulen mit Unterrichtssprache Englisch liegt (vgl. http://www.oulu.fi/education/education-pro grammes/intercultural-teacher-education#content-top). Sonderschullehrer Im Gegensatz zu Österreich, wo der Studiengang „Sonderpädagogik― abgeschafft wurde, gibt es in Finnland trotz eines eindeutigen Bekenntnisses zur Inklusiven Schule das Studium des Sonderschullehrers. Diese arbeiten eng mit Klassen- und Fachlehrern sowie anderen in der Schule beschäftigten Personen (Psychologen, Sozialarbeitern, Sozialpädagogen, Schulassistenten u.a.) zusammen. Nicht jede Schule beschäftigt einen eigenen Sonderschullehrer; in manchen kleinen Kommunen teilen sich mehrere Schulen einen Sonderpädagogen (vgl. BÖHM 2015). Neben der Inklusiven Gemeinschafts-
17 Beispielsweise bietet das Lukio Lyseon in Oulu Videokurse für das International Bakkalaureate (IB) für das noch weiter nördlich gelegene Lukio in Sotkamo und Rovaniemi an (nähere Informationen URL: http://lyseo.edu.ouka.fi/cms7/en). Die Bedeutung des Distance Learnings in Finnland illustriert auch die „Finnish Association for Distance Education―, ein Netzwerk von zehn finnischen Universitäten und Hochschulen zur Entwicklung, Forschung und Koordinierung im Bereich Distance-Learning. Sechs Universitäten haben das europäische Distance-Learning Netzwerk „European Association of Distance Teaching Universities― (EADTU) geschaffen (vgl. URL: http://www.virtualschoolsandcolleges. eu/index.php/Finnish_Association_for_ Distance_Education).
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schule bestehen jedoch Spezialschulen für schwer geschädigte Kinder, Taubstumme und Blinde. Sonderpädagogen genießen ein noch höheres Prestige als andere Lehrämter und sind dementsprechend begehrt (vgl. Die Zeit, URL: http://www.zeit.de/2013/41/finnland-abschaffung-sonderschu len). Sonderschullehrer kommen sowohl an der öffentlichen Gemeinschaftsschule als auch an allen anderen Schularten zum Einsatz; darüber hinaus sind Sonderschulen ein Haupteinsatzgebiet dieser Profession. Im Jahr 2002 gab es noch ca. 250 Sonderschulen landesweit (vgl. Schumann 2010).18 Wie für die ersten beiden vorgestellten Lehrämter ist das Studium der Sonderpädagogik konsekutiv aufgebaut und schließt mit einem Master ab. Der erste Studienabschnitt beinhaltet drei inhaltliche Abschnitte: Kommunikation und Einführende Studien, Hauptfach Sonderpädagogik sowie Nebenfach/weitere Studien. Letzteres beinhaltet 75 ECTS und kann unterschiedlich gestaltet werden: ein großes Nebenfach (60 ECTS = Grundkurs [25] + aufbauender Kurs [35]) und ein kleines Nebenfach (25 ECTS = Grundkurs [25]); zwei kleine Nebenfächer (Grundkurse) plus weitere Kurse mit mindestens 35 ECTS. Wenn die letzte Option gewählt wird, muss im zweiten Studienabschnitt mindestens eins der im ersten Abschnitt gewählten Nebenfächer vertiefend belegt werden. Insgesamt müssen mindestens zwei Nebenfächer studiert werden, eins davon auf vertiefendem Niveau. In
18 Prinzipiell ist Finnland ein Vorreiter der Inklusion im Bildungswesen. In Finnland sind die Kommunen für die Bereitstellung sonderpädagogischer Angebote verantwortlich. Strategisch wird auf eine möglichst frühe Erkennung förderpädagogischer Bedarfe gesetzt; dazu gibt es multiprofessionelle Teams in jeder Schule bzw. jeder Kommune. Ein Großteil der Kinder mit Förderbedarf lernt regulär innerhalb der Stammklasse. Wird Förderbedarf diagnostiziert, greift ein differenziertes Unterstützungssystem (vgl. Böhm 2015). Zeitlich befristeter Förderbedarf heißt, dass der jeweilige Schüler neben dem normalen Unterricht Förderung in einem bestimmten Fach erhält, der nach dem Aufholen des Lernstoffes automatisch endet. Weitere Formen sind Sonderunterricht in mehreren Fächern jedoch parallel zum Normalunterricht in der Stammklasse und, als letzte Stufe, Sonderunterricht in einer externen Lerngruppe (individueller Lernplan). Schüler der letzten Gruppe haben die Möglichkeit, freiwillig ein zehntes Schuljahr anzuhängen.
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der folgenden Übersicht werden die Inhalte und die ECTS-Verteilung im ersten und zweiten Studienabschnitt dargestellt: Tabelle 8: Inhalte des konsekutiven Masterstudiums Sonderpädagogik (Darstellung: JB) Erster Studienabschnitt (BA, 180 ECTS) Kommunikation/Orientierung (20) Orientierung im Studium (4) - Wissenschaftliches Schreiben (3) - Kommunikation (2) - Theaterpädagogik (2) Zweite Landessprache (3) Fremdsprache (3) ICT (3)
Zweiter Studienabschnitt (MA, 120 ECTS) Kommunikation/Orientierung (5) Stundenplanung (2) ICT (3)
Hauptfach Sonderpädagogik (75) Grundlagen Sonderpädagogik (25) - Grundkurs Sonderpädagogik (6) - Herausforderungen des Lernens (6) - Exklusion (5) - Sonderpädagogischer Bedarf (5) - Einführung in erziehungswissenschaftliche Forschung (3) Vertiefende Studien der Sonderpädagogik (50) - Aspekte des Lernens (4) - Dyslexie und Kommunikation (7) - Mathematik (3)
Hauptfach Sonderpädagogik (85) Vertiefende Studien der Sonderpädagogik - Entwicklung und Evaluation (4) - Intervention (3) - Lernunterstützung (6) - Gesellschaft, Behinderung und Erziehung (3) - Berufspraxis oder Unterrichtspraxis (je 10) - Professionalisierung (6) - Vertiefende Forschungsmethoden (10) - Vertiefende Literatur (3) - Masterarbeit inkl. Forschungsseminar (40)
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Herausforderungen im Verhalten (5) Erziehung zu Diversität (3) Hintergründe der Sonderpädagogik (3) Orientierung in der Profession (5) oder Unterrichtspraxis (5) Quantitative Forschungsmethoden (4) Qualitative Forschungsmethoden (3) BA- Arbeit inkl. Forschungsseminar (10)
Nebenfach (85) Option 1: großes Nebenfach (60) und ein kleines Nebenfach (Grundkurs [25]) Option 2: zwei Nebenfächer (Grundkurse, je 25) + weitere Studien (mind. 35)
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Nebenfach (30) Option 1: ein Nebenfach (Grundkurs [25] + andere Studien (mind. 5) oder 20 ECTS, wenn im ersten Studienabschnitt bereits zwei Nebenfächer (Grundkurs) absolviert wurden. Option 2: Nebenfach (vertiefter Kurs [35]), wenn im ersten Studienabschnitt nur ein Grundkurs besucht wurde (großes Nebenfach [60] wobei Grundkurs im ersten Abschnitt, und vertiefter Kurs im zweiten Abschnitt absolviert wurden).
B ERUFSPRAXIS
Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich entscheiden in Finnland die Schulträger, wann, wieviele und welche Lehrkräfte eingestellt werden. Offene Stellen werden öffentlich ausgeschrieben. Je nach Organisation in der jeweiligen Kommune oder Verbund von mehreren Kommunen wird festge-
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legt, welche Autoritäten Entscheidungskompetenz für die Einstellung des pädagogischen Personals besitzen. Die Variationsbreite zwischen den Kommunen ist groß. Die Verantwortung kann von Bildungskommissionen, Schulbehörden oder, bei zeitlich befristeten Einstellungen oder Nachbesetzungen, direkt vom Direktor einer Schule durchgeführt werden (vgl. Eurypedia). Prinzipiell besteht bei jeder Neueinstellung eine gesetzlich geregelte sechsmonatige Probezeit; die Entscheidung zur Weiterbeschäftigung obliegt den Schulträgern. In Finnland gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Induktionsphase (Vorbereitungsdienst/Referendariat). Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass während des Studiums ausreichende professionsorientierte Kompetenzen aufgebaut wurden, um unmittelbar in den Schuldienst eintreten zu können. Jedoch wird seit spätestens Mitte der neunziger Jahre über die Notwendigkeit einer Induktionsphase diskutiert (vgl. Kasvatusala 1994). Die im Nachgang dieser Diskussion entstandenen und vom Ministerium für Bildung in Auftrag gegebenen Gutachten und Empfehlungen identifizieren einen Bedarf an zielgerichteter Einführungsphasen in die pädagogische Berufspraxis (vgl. Teacher Education Development Program 2001, Opettajankoulutus 2020 2007, S. 46f). Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung öffnet jedoch die Türen für die Schulträger (i.d.R. die einzelnen Kommunen vgl. Böhm 2015), eigeninitiativ zu werden und spezielle Unterstützungsstrukturen anzubieten. In einigen größeren Städten werden bereits Einführungsphasen angeboten19; organisiert und finanziert durch die örtlichen Behörden. Eine Studie der Universität Jyväskylä 20 zeigt indes, dass
19 Unterschiedliche Projekte in Kooperation mit Ausbildungsinstitutionen wurden und werden praktiziert. Beispielsweise hat die Universität Jyväskylä in Kooperation mit dem Forschungsministerium und der Arbeiterkammer ein Mentoringprojekt entwickelt und durchgeführt (VERME, vgl. http://ktl.jyu.fi/ktl/verme/ main/esittely). 20 Die Untersuchung zeigte, dass Neulehrer, die an einer Induktionsphase teilgenommen hatten, davon wesentlich profitierten. Die Untersuchung brachte folgende Ergebnisse: „Increases self-confidence and well-being at work, improves professional knowledge, raises commitment to the school and students and increases possibilities for collaboration with colleagues―; „Increases chances to establish connections to parents, society, and professionals from other fields―; „Enhances chances to participate in the development work of teachers‘ own
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zwischen 30-56% aller Neulehrer keinerlei organsierte Unterstützung erhalten (vgl. Jokinen & Taajamo 2013). Die meisten Lehrer sind als Vollzeitkräfte beschäftigt. Es ist jedoch nicht untypisch, dass Universitätsabgänger zunächst eine Teilzeitstelle antreten und später auf eine Vollzeitstelle umsteigen. Kommt eine Lehrkraft auf weniger als 16 Unterrichtsstunden pro Woche, wird die Lehrkraft als Teilzeitkraft umgestellt (vgl. ebda.). Prinzipiell haben Lehrer die Möglichkeit, sich an anderen öffentlichen pädagogischen Einrichtungen zu bewerben. Theoretisch können pädagogische Fachkräfte auch an Schulen delegiert werden, wo ein zeitlich befristeter oder dauerhafter Bedarf an bestimmten Fachlehrern besteht. In der Praxis geschieht dies ausgesprochen selten. Die größten Mobilitätschancen haben Fachlehrer, die sich nicht nur innerhalb ihrer Schulart bewegen können, sondern auch zwischen Sekundarschulen, berufsbildenden Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung wechseln können (sofern ihre Qualifikation sie dazu berechtigt). Primarschullehrer sind in ihrer Wahl relativ eingeschränkt und können sich in der Regel nur an anderen Primarschulen bewerben. Die horizontale Mobilität darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass die vertikale Mobilität im Lehrerberuf relativ eingeschränkt ist. Prinzipiell ist die Position der Schulleitung die einzige, die innerhalb der Schule erreicht werden kann. Für nach dem 1.1. 1993 eingestellte Lehrkräfte ist ein Pensionierungsalter von 65 gesetzlich festgeschrieben; bei Lehrkräfte, die vor dieser Frist eingestellt wurden, variiert das Pensionseintrittsalter zwischen 60 und 65. Bei letzterer Gruppe beträgt die Pension zwischen 60-66% des letzten Einkommens, bei ersterer 60 % (vgl. Eurypedia).
schools―; „Teachers have received social support more often than institutional support―; „Social support is considered to be more important―; „The younger teachers have had more opportunities to utilize induction support than the older teachers―; „The more recently graduated teachers have had more opportunities of induction support than the teachers with longer experience in teaching―; „Women emphasized the benefits of induction support more than men.― (vgl. Martin/Jokinen/Taajamo/Välijärvi).
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W EITERBILDUNG Wie bei der Induktionsphase gibt es keine landesweite formale Regelung zur Lehrerweiterbildung. Die Dezentralisierung der Verantwortung führt auch hier zu höchst unterschiedlichen Praktiken. Einige Kommunen organisieren Lehrerfortbildung für alle Lehrer, in anderen Kommunen obliegt es dem einzelnen Lehrer oder Schulleiter, Fortbildungen zu organisieren oder Lehrern die Möglichkeit zu bieten, sich in den gewünschten Gebieten fortbilden zu lassen. Die eingeschränkte Kompetenz des Ministeriums für Bildung und Erziehung in diesem Bereich wird kompensiert durch das Recht der Lehrer, die individuelle Kompetenzentwicklung voranzutreiben. Da die Schulträger über die Budgethoheit verfügen, kommt es zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen der Schulträger. Somit kann der Staat nur relativ geringen Einfluss auf die Fortbildungsaktivität der Kommunen nehmen.21 Lehrkräfte sind jedoch verpflichtet, jährlich drei Tage für die Professionsentwicklung und Planung aufzuwenden. In der Regel erfolgt dies durch Teilnahme an Fortbildungen. 2007 wurden durchschnittlich sieben Arbeitstage für die Professionsentwicklung investiert, drei davon außerhalb der Arbeitszeit. Nach Kumpalainen (2009) haben im Jahr 2006 zwei Drittel aller Primar-und Sekundarschullehrer an Lehrerfortbildung partizipiert (Sahlberg 2010, S. 6). Da dem zuständigen Ministerium einerseits die Hände gebunden waren, regulierend auf das Fortbildungsgeschehen Einfluss zu nehmen, andererseits aber die Befürchtung bestand, dass der Umfang an Fortbildungen kontinuierlich schrumpft, wurden zusätzliche Finanzmittel für die Fortbildung von Lehrern und Schulleitern zur Verfügung gestellt (Verdoppelung der Mittel ab 2016, vgl. Ministry of Education 2009). Ferner wurde 2010 ein Programm zur Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften aller Schularten initiiert (OSAAVA), das vornehmlich auf die Entwicklung pädagogischer Kompetenzen der Lehrkräfte, der Vorbereitung neuer Lehrkräfte auf die Schulpraxis und zur Verbreitung von „good practice― zielt (vgl. http://www.osaavaverme.fi/eng). 2013 wurden staatlicherseits
21 Zu unterscheiden ist jedoch die Fortbildung hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung: Fortbildungen, die begleitend zur Umsetzung staatlicher Reformen angeboten werden, werden nicht aus dem Budget der Schulträger finanziert, sondern aus staatlichen Mitteln.
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insgesamt 22,6 Millionen Euro22 für Fortbildung zur Verfügung gestellt, 6 Millionen davon für OSAAVA (vgl. Eurypedia).
H ERAUSFORDERUNGEN Auf Grundlage verschiedener Untersuchungen, besonders der einflussreichen Studie „How the World‘s Best-Performing School Systems Come Out on Top― von McKinsey& Company (2007), hat das Europäische Parlament Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerausbildung in Europa vorgelegt 23 (2008). Darin werden die Hauptergebnisse der McKinsey-Studie die enge Kopplung von Qualität der Lehre und den Leistungen der Schüler sowie die Tatsache, dass es Ländern, denen es gelingt, die besten und geeignetsten Kandidaten für die Lehrerausbildung zu gewinnen auch diejenigen sind, die die höchste Qualität beim pädagogischen Personal erzielen aufgegriffen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung und Professionalisierung der Lehrerbildung in Europa abgeleitet. Für die Rekrutierung und feste Bindung von Lehrkräften werden folgende Punkte empfohlen:
„die geeignetsten Kandidaten für den Lehrerberuf gewinnen; diese zu guten Pädagogen ausbilden; allen Kindern durch gezielte Förderung die Möglichkeit zu geben, in den Genuss eines qualitativ hochwertigen Unterrichts zu kommen―. (vgl. Europäisches Parlament 2008, S. 4)
Darüber hinaus werden allgemeine Empfehlungen für die Entwicklung der Lehrerausbildung innerhalb der Europäischen Union formuliert:
„the school as a learning community for its teachers; School leadership;
22 Seit 2009 wurde die Summe für Lehrerfortbildung fast verdoppelt: 2009: 12,3 Mio; 2010: 20,1 Mio; 2011: 21,1 Mio, 2012: 22,5 Mio; 2013: 22,6 Mio (vgl. Portaankova-Koivisto 2014) 23 Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments beziehen sich dezidiert auf Grundschullehrer; die McKinsey-Studie beschränkt sich hingegen nicht auf eine Schulform.
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Partnership between teacher education institutions and school; Preparing teachers for culturally diverse classrooms; Induction of new teachers; Partnerships between schools and companies.― (Ebda.)
So unspezifisch einige Punkte sind, stellen sie die Eckpunkte für zukünftige Reformen der Lehrerausbildung dar. Das finnische Beispiel illustriert, dass die genannten Aspekte genau die sind, die auch die finnische Bildungspolitik antreiben und inhaltlich an die Empfehlungen anschließen. Einige der o.g. Empfehlungen werden in Finnland bereits realisiert und können durchaus als „best practice― gelten, z.B. die Rekrutierung sehr guter SchülerInnen für das Lehramtsstudium. Wie kaum in einem anderen Land ist die Attraktivität des Studiums derart hoch, dass seit Jahren die besten Abiturienten um die offenen Studienplätze konkurrieren. Betrachtet man gleichzeitig die seit der ersten PISA Untersuchungen stabil sehr guten Ergebnisse finnischer Schüler, kommt man um den Schluss nicht umhin, dass die von der McKinsey-Studie herausgestellten Zusammenhänge zwischen guten Lehrern und hohen Schülerleistungen in diesem Fall validiert werden können, auch wenn im Detail unklar bleibt, welche Faktoren genau dazu beitragen, dass gut ausgebildete Lehrer in der Lage sind, gute Schülerleistungen zu erzeugen. Die obigen Ausführen haben gezeigt, dass neben gut ausgebildeten Lehren weiteres Personal in der Schule tätig ist und bei einem Teil der Schüler den Unterricht übernimmt bzw. den Unterricht des Klassenlehrers ergänzt. In wieweit die enge interprofessionelle Kooperation für die guten Schülerleistungen verantwortlich ist, müssen detailliertere Untersuchungen zeigen. Die Entwicklung der finnischen Lehrerbildung zeigt, dass auch die anderen genannten Empfehlungen als bildungspolitische Leitlinie angesehen werden. Dennoch gibt es Herausforderungen, die einer Lösung bedürfen und die zum Teil lokaler Natur sind, zum Teil aber Phänomene globaler Herausforderungen. Zur letzteren Gruppe gehört die pädagogische Reaktion auf zunehmende internationale Migrationsströme. Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Finnland
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relativ gering24, stellt indes für die konkrete Situation in der Schule die gleichen Herausforderungen dar. Diese globalen Probleme kombiniert mit den lokalen Begebenheiten bedeuten, dass in den Agglomerationsräumen relativ viele Kinder mit Migrationsherkunft unterrichtet werden müssen, in den ländlichen und dünn besiedelten Gebieten im Norden und Osten hingegen kaum Schüler mit Migrationshintergrund zu finden sind. In den Curricula der Lehrerausbildung finden sich zwar inhaltliche Einheiten, die speziell auf kulturelle Diversität an Schulen bezogen sind (3 ECTS im zweiten Studienabschnitt Klassenlehrer), jedoch gibt es kaum Untersuchungen, ob diese tatsächlich den Umgang mit Migrationshintergrund zugutekommen. In den Curricula der Fachlehrer und Sonderschullehrer sind keine Inhalte explizit ausgewiesen. Damit eng verbunden ist das Problem der sog. Kleinstschulen. Damit werden Schulen bezeichnet, die weniger als 50 Schüler betreuen und an denen in der Regel zwei bis drei Lehrer arbeiten. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gehörten über 50% aller Gemeinschaftsschulen in Finnland zu diesem Typ (64% 1991; vgl. Korpinen 2009, S.165). Finanzieller Druck, Geburtenrückgang und Abwanderung in die Städte haben zu massiven Zusammenlegungen und Schließungen kleiner Schulen geführt, so dass 2004 nur mehr 32% der Gemeinschaftsschulen als Kleinstschule existieren (vgl. edba.). Dennoch wird es in Zukunft allein aufgrund der geographischen Verhältnisse weiterhin Kleinstschulen geben, in denen nur wenige Lehrkräfte beschäftigt sind. Problematisch im Hinblick auf Lehrerbildung ist dies dann, wenn die überwiegende Zahl der zukünftigen Lehrkräfte weiblichen Geschlechts ist (und auch jetzt schon ist) und somit bestimmte Fächer, wie Werken oder Sport, die oftmals von Männern gewählt werden, nicht oder nur schwer realisierbar sind. Die Universitäten reagieren auf diese Herausforderung, indem sie, neben den Schulleistungen, auch andere Kriterien zur Aufnahme des Studiums aufnehmen, besonders um männliche Bewerber den Zugang zum Studienplatz zu erleichtern (siehe auch oben).
24 Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung in den Mitgliedsstaaten im Jahr 2013: Luxemburg: 44,7%, Österreich: 11,8%, Deutschland: 9,38%, Finnland: 3,585 (vgl. statista.com).
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Mehrfach wurde die große Attraktivität des Lehrerberufes betont, dennoch ist die Aussteigerrate bei Junglehrern überraschend groß. 25 Verlässliche Daten zu erhalten ist schwierig; tendenziell zeigt sich jedoch eine Zunahme von sogenannten „Aussteigern―. Das finnische Bildungsministerium hat 2007 in einer Studie zur Lehrerbildung eine Quote zwischen 5-16%, unterschiedlich je nach Schulart, ermittelt (Opettajankoulutus 2020). Sie liegt zwischen 10% bei Klassenlehrern und bis zu 16 % bei Fachlehrern (vgl. ebda.). Höhere Zahlen liefern andere Quellen, so nennt die finnische Lehrervereinigung eine Aussteigerquote am Beginn des Lehrerdaseins von bis zu 20 %. Im Hauptstadtgebiet steigt fast ein Drittel der Junglehrer nach fünf Jahren wieder aus dem Lehrerberuf aus, bei den Mathematiklehrern jeder vierte (Almila 2008: 6f). Als Gründe werden die im Vergleich mit der langen Ausbildungszeit sowie der hohen Verantwortung geringen Gehälter genannt (ebda.: 6); gleichzeitig korrespondiert die Aussteigerwahrscheinlichkeit mit dem jeweiligen Fach: bestimmte Fächer, die in der Wirtschaft stark nachgefragt werden, wie beispielsweise Mathematik, ITC oder Wirtschaft, weisen eine höhere Drop-Out-Rate auf als andere Fächer (vgl. Nieminnen 2007). Almila macht für die Veränderungen die sich im Laufe der ersten Jahre bemerkbare verändernde berufliche Identität und soziale Krisen verantwortlich; besonders Stress zu Beginn der Lehrtätigkeit, verbunden mit dysfunktionalen Beziehungen zu Kollegen und zur Schulleitung führen zu Unwohlsein und Unangepasstheit (Almila 2008, S. 198). Eine Induktionsphase könnte die Schwierigkeiten beim Übergang in das neue Arbeitskollektiv reduzieren und helfen, die Junglehrer in die neue Umgebung zu integrieren. Im Entwicklungsplan der Regierung wurde diese Forderung aufgenommen (Opettajankoulutus 2020, S. 46f). An verschiedenen Lehrerbildungsstandorten werden Induktionskonzepte entwickelt und durchgeführt (vgl. VERME). Derzeit ist aber eine verbindliche Induktionsphase nicht vorgesehen.
25 In einer Untersuchung von Suutari (2007) konnte gezeigt werden, dass 85% der Lehrer nach fünf Jahren im Schuldienst (als Lehrer) verblieben waren. Von den Aussteigern hatten 21% eine Expertenposition übernommen, 12% hatten eine Leitungsposition inne; gleichzeitig zeigt die Studie, dass mehr Männer als Frauen in Experten- und/oder Führungspositionen aufgestiegen sind. (vgl. edba., S.78f).
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Im Gegensatz zu Österreich besteht in Finnland ein Sonderschulwesen. Zwar wurden in den letzten Jahren zahlreiche Sonderschulen geschlossen (von 360 auf 250), dennoch ist nicht beabsichtigt, den status quo zu verändern. Sonderschullehrer werden wie andere Lehrämter auch, an Universitäten ausgebildet und sind hoch spezialisiert. Auch wenn die meisten Kinder mit leichten Beeinträchtigungen in der regulären Schule unterrichtet werden, kann nur bedingt von einer vollständigen Inklusion gesprochen werden. Über das differenzierte Unterstützungssystem an finnischen Gemeinschaftsschulen wurde an anderer Stelle berichtet (vgl. Böhm 2015); dabei wurde deutlich, dass eine Gruppe von Schülern (permanenter Sonderunterricht) separiert von den Hauptlerngruppe einen Sonderlehrplan folgen. Die Trennung folgt somit zwar nicht mehr räumlich, jedoch sozial. Wie diese Trennung, die auch eine Trennung der Lehrkräfte nach sich zieht, in Zukunft gestaltet wird, ist eine offene Frage. Die Zusammenarbeit zwischen Klassenlehrern und Sonderschullehrern muss an jeder Schule individuell ausgehandelt werden; in kleineren Schulen ist diese Kooperation dadurch erschwert, dass nicht jede Schule einen eigenen Sonderschullehrer hat, sondern dieser mehrere Einrichtungen betreuen muss.
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Internationalität in der Hochschulpraxis
Working Across Borders: Challenges of International Collaboration H ELGE W ASMUTH
I NTRODUCTION Education is currently subjected to internationalization and globalization. While some aspects of this process should be questioned critically – examples are the international comparison of school quality and students achievement and the underlying idea of global economic competition, or the meaning of global education or education for a global world in the 21st century (Gaudelli 2013; Noddings 2013) – it can also be beneficial for education and teacher education. Currently, programs and curricula are influenced by international developments and international collaboration is cherished as an opportunity to enhance the knowledge about education, teaching and learning. These exchanges are, or better, can be enriching, but they are not easy to accomplish. There are several challenges that need to be considered and brought to mind for international collaboration to be effective. Indeed, to really engage with an unfamiliar educational system, or to become a part of it, is comparable to the crossing of a border (Gombos 2013): You are not sure what awaits on the other side, and you can also not be sure if your homeland will look the same after your return. Having been someone who had to cross such a border in recent years, I have realized that this endeavor poses many difficulties. Being rooted in German early childhood education, or rather pedagogy of infancy, as it is called, and the corresponding idea of an appropriate early childhood education, I started to work
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in a department for Early Childhood Education at an American College a few years ago – that is the border I had and still have to cross anew each day: the two different ideas of early childhood education in the U.S. and Germany, as well as working in and across two languages. Crossing borders can be arduous, because it challenges the way we think, our values, attitudes, and interpretations of reality (Gombos 2013). Things we have thought to be certain and true unravel, which leads to reconsideration and finally a new construction of reality. Our thoughts about certain topics change. Your own thinking is challenged, because you need to leave behind the familiar in order to understand the structure of the new and unknown (Gombos 2013). While such an endeavor can be positive, it can also lead to a feeling of non-belonging. You do not fully understand and belong to the system, a feeling that never disappears, no matter how fluent you may become in a language, or how knowledgeable about the field of work. You always feel as an outsider who has to cross the border each day once again. This paper discusses difficulties that arise if you have to work and think across borders. To this end, I refer predominantly to my own experiences. I do not claim that these statements can be generalized. The paper describes the problem of thinking and working in a non-native language, and the challenge of getting acquainted oneself with a new educational system. Finally, I delineate why this occasionally wearisome process can have positive effects that improve your professional attitude and work. To illustrate my reasoning, I will mostly refer to examples from my own field of expertise, the field of early childhood education.
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CHALLENGE OF WORKING IN A NON - NATIVE LANGUAGE When it comes to international exchanges of ideas, a common language is a prerequisite, which usually means that one side needs to work in a nonnative language. This task can be challenging, at least it is for me. No matter how fluent we may get in a foreign language, it is never the same as speaking in your native language, feelings of not being able to express your thoughts adequately last. This may be a minor issue in everyday life, but it becomes more significant in your professional context. Due to the limits of
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your own knowledge, you are always in danger to encounter a situation in which you are not familiar with a an expression, an allusion, or a figure of speech, and such a nescience makes your professional life complicated, especially if an answer is expected, but you are not able to reply adequately because you did not fully understand what was said. You lack total control about one of your most important tools: your language. Language and Thought But working in a different language is not only challenging because you lack words, expressions, and knowledge, it also has an impact on your thought. Working and thinking in different languages lead to different results. The notion that different languages may impart different cognitive skills is not new and has been discussed controversially since the SapirWhorf hypothesis in the 1930‘s (Whorf 1953). Recently this idea has seen some kind of revival, sometimes called Neo-Whorfianism. Current research has shown that language indeed plays a causal role when it comes to shaping cognitive processes, some even stating that bilinguals make changes in how they see the world depending on their current language context (Boroditsky 2011; Ogunnaike 2010). While the scope of these new research findings should be considered carefully (McWhorter 2014) and while it is probably an overstatement that languages determine the way you think or see the world, language as the tool to express your thoughts does nevertheless impact your reasoning. Language influences cognition in non-trivial ways because each language provides its ―own cognitive toolkit and encapsulates the knowledge and worldview developed over thousands of years within a culture. Each contains a way of perceiving, categorizing and making meaning in the world, an invaluable guidebook developed and honed by our ancestors‖ (Boroditsky 2011, p. 65). People‘s complex knowledge structures and thinking are dependent on language, and if a language does not provide the accustomed tools or expressions, it changes the way you can think about a topic and your ability to express your thoughts in particular. Thinking and writing in two languages affects the way you think about certain topics, and my own experience has let me realize that my reasoning is slightly different depending on whether I am working in German or English. Especially writing in a non-native language is always a challenge, at least for me, because you are not able to express yourself in the usual man-
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ner, which leads in the end to a different outcome. If I had written this article in German, it would have been undoubtedly a different one; maybe not different in its main message, but different in the way my arguments would be presented, simply because I would have different language tools at my disposal. Not being able to express your thoughts in the language that is at your command seems to be important when it comes to international exchanges of ideas. We all depend on language to express our thoughts, so what if the language does not provide the tools and means you need to articulate your thoughts? You just need to think of one of the key terms in Germanspeaking pedagogy: ―Bildung‖ (Bauer 2003). ―Bildung‖ is an extremely ambiguous German term, which is ―generally thought of as not translatable‖ (Bauer 2003, p. 133). If at all, ―Bildung‖ can only be translated insufficiently as ―edification‖, ―self-cultivation‖, or ―transformation‖, (Bauer 2003), while it is very often simply integrated in terms such as education or learning. The untranslatability of a key term of your own language and thought is a major problem, especially because ―Bildung‖ plays a crucial part in current German pedagogy of infancy. In this context, ―Bildung‖ has acquired a specific meaning. On one hand, the triad of tasks of early childhood education is described as ―Bildung‖, ―Erziehung‖ (education), and ―Betreuung‖ (care) (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005). ―Bildung‖ is clearly a purpose and goal of current German early childhood education. On the other hand, ―frühkindliche Bildung‖ is probably the most discussed term in this context, a term of outstanding importance when it comes to the definition of the field‘s tasks. ―Frühkindliche Bildung‖ refers to the activities of the student, the self-actuating process of world acquisition, the process of world construction and giving meaning to the world, which leads to the formation of the self; a process that can only be done by the student. In this context the term ―Erziehung‖ is still used and of importance, but it refers to the stimulation of this process and not the children‘s learning and development (Liegle 2008). ―Bildung‖ and ―Erziehung‖ are thought of as two complementary terms. ―Bildung‖ is therefore one of the most important ideas of German early childhood education. This leads to a problem if you have a discussion with American colleagues, because here a term such as ―Bildung‖ is unknown, unimportant, and probably not even needed. ―Education‖ and ―care‖ are
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normally named as the two main tasks of early childhood education (Casper & Theilheimer 2010). The children‘s learning and development, as well as their education are of course of prominent importance, but as every German educator learns in the first semester: ―Bildung‖ is more nuanced and goes beyond that. Being active, world construction, and formation of a self – all these meanings are expressed in the short word ―Bildung‖ and everyone who is familiar with the current German-speaking discussion is aware of these hidden meanings. For someone who has spent the main part of his academic career thinking about the problem of ―frühkindliche Bildung‖, the lack of such a crucial term is a challenge. How can you express your internalized idea of an appropriate early childhood education if one of your major terms, not to say the most important one, does not exist? The consequence is that I have to replace ―Bildung‖ with substitutions, but these alternatives feel inadequate. Because I cannot say what ―Bildung‖ really means, I have to paraphrase it, which leads to an unsatisfying result. The inevitable consequence is that my thinking and speaking of early childhood education is always different depending on the language I am using, simply because I cannot express my thoughts in the same way.
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CHALLENGE OF WORKING IN AN UNFAMILIAR FIELD OF EDUCATION A second major challenge arises from the fact that you have to work in an unfamiliar educational system. This can feel like being in uncharted waters, because you are not familiar with the daily routines, courses of actions, or traditions of the field, and you are also not familiar with some of the major concepts or common terms. Though German and American early childhood education have similarities and a shared professional knowledge, there are also extreme differences in the idea of how early childhood education should be designed and implemented. Each system has its own tradition and history, its own major concepts, educational philosophies, and leading thinkers. If you try to immerse into a new field to become a part of it, you have to leave behind your familiar knowledge, and at the same time understand the characteristics and peculiarities of the new system. As with language, this can lead to a feeling of non-belonging.
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Moreover, this process does not come to an end. You just need to think of the sea of unfamiliar terms, abbreviations, or acronyms that everyone expects you to be familiar with. In the beginning you simply have no idea what abbreviations such as UPK, DAP, SAT, or PTA stand for. Terms and expressions that every American school kid knows are a mystery to you. But even if you have learned after a while what an abbreviation stands for, or if they are not used at all, you can always stumble upon unknown terms. While Developmentally Appropriate Practice is more or less easy, because you have at least an idea of what developmentally appropriate teaching and learning in the field of early childhood education should look like, even if you have never heard of the concrete concept (Bredekamp & Copple 2009), other terms are not as simple to decode. Of course we share pedagogical approaches such as Montessori, Reggio Emilia, or Waldorf pedagogy, but how can you know what an emergent curriculum means if you hear it for the first time? Or the Developmental-Interaction Approach? Such a nescience makes communication difficult, because both sides possess knowledge that they assume as known and mutually understood, while the other side may have never heard of it. While every professional in Germany is familiar with the concept of ―Situationsansatz‖, he would be lost if he hears ―HighScope‖ for the first time, and the other way around. And this situation will never change. The likelihood can and will be reduced the longer you work with these terms, but you will always encounter situations in which you feel ignorant.
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TERMS , BUT DIFFERENT MEANINGS
Finding a shared language that enables you to express your thoughts is an essential condition for international exchanges. Apart from all the challenges that have been already described, this process can be more wearisome than initially thought, because shared terms do not necessarily have the same meaning. It is delusive to think that we understand each other only because we are using the same terms such as student, kindergarten teacher, or age appropriate learning. It is actually quite the norm that different meanings and experiences are hidden in these terms, because different educational systems have different ideas about what these terms imply (Gombos 2013).
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Take the term ―kindergarten‖ as an example. Scholars in the U.S. as well in Germany would both argue that they have a clear understanding of what kindergarten means, so one should assume that a discussion about this topic should not be too difficult. But in fact the same term stands for two completely different ideas of kindergarten. In the U.S., kindergarten is usually considered a part of the K-12 school system. It is seen as the first year of formal education and is fully integrated into the school system, although it is not mandatory in all states. Sometimes kindergarten is a half-day, sometimes it is a full-day program, and usually children beginn kindergarten at age 5 to 6 and attend for only one year (Graue 2009). Kindergarten has traditionally been served as a transition from home to school, a task that is gradually being adopted by the Pre-Kindergarten (Pre-k) year. The early childhood setting is becoming extremely academic; for this reason kindergarten is called the new first grade and experts are concerned ―that ‗developmentally appropriate learning practices‘ centered on play, exploration and social interactions have been replaced with highly-prescriptive curricula, test preparation and an explicit focus on academic skill-building‖ (Bassok & Rorem 2014, p. 1). However, in Germany ―Kindergarten‖ refers to a part-time program for children age 3-6, but the term is often used in a more general sense for all types of early childhood education (including nursery schools, day care centers, and sometimes even after-school care clubs for younger children). Furthermore, the German kindergarten is not part of the formal school system, but the welfare system, even if the tasks and goals of the kindergarten go clearly beyond care. It is definitely seen as a ―Bildungseinrichtung‖, an institution of learning and education (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2005). The German kindergarten is not compulsory and in most states not for free, but still more than 90% of the children aged 3-5 attended a kindergarten in 2012 (Statistisches Bundesamt, 2012). For most families, the kindergarten still serves as the transition from family to school and is clearly less academic than the American counterpart; German kindergarten teachers mostly frown upon the teaching of reading, writing, and arithmetic. People need to be aware of this difference if they want to have a meaningful cross-cultural discussion about kindergarten. And even if you thematize this discrepancy and are aware of it, the problem does not fully disappear. We all automatically refer to our ingrained idea of a term; one we carry with us and express unconsciously each time we use it. When I speak of
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a kindergarten, I refer to the ideal conception of a German kindergarten (with all its positive and negative aspects), while an American colleague would think of the American counterpart. Until today, I have to remind myself that I am not referring to the German idea in the context I am working right now; I almost have to overpower this idea and conception. Only this way can it be ensured that we are talking about the same thing, about the same kindergarten. If you are not aware of this fact – and kindergarten is only one example, I think that this applies to almost all important educational terms such as education, learning or development, only to name the most prominent – you are under the illusion of speaking about the same idea, while in reality you speak about different ideas, different concrete institutions, because in the end all concepts are socio-cultural constructs. If we want to have meaningful exchanges, the hidden meanings of such terms must be revealed and discussed first.
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IMPACT OF WORKING ACROSS BORDERS ON YOUR PROFESSIONAL ATTITUDE AND WORK The difficulties I have described so far are of course mainly a personal experience that cannot be generalized. But at least for me, the unfamiliarity with the language and the educational system affects the way I work. It arouses a feeling of non-belonging, feeling like a stranger in both the language and field of expertise. The result is an unusual insecurity, which leads to self-doubts and being less confident. You literally wait for someone to reveal your nescience and non-belonging. Fortunately, these feelings are not as negative as many would think initially. While most people, especially in the U.S., where you learn right from the start that all you need to succeed is confidence (Chamorro-Premuzic 2013), would assume that lower confidence is problematic in a professional context, I have come to believe that actually the opposite is true. Too much confidence can lead to less competence, because confident and especially overconfident people lack the additional ―drive‖ to work hard that lower self-confidence provides (Chamorro-Premuzic 2013). While confidence may be helpful if you have to perform, say, to give a lecture or conduct a seminar, because it enhances others‘ perception of your expertise, it is of no avail when it comes to preparation – which is actually the more important
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part of achieving competence. Less confidence leads to more motivation for preparation, because you want to avoid the feared disaster, and the more time and energy you invest in trying to achieve a goal, the better your final product will most likely be (Chamorro-Premuzic 2013; Stone 1994). Just think of the all the courses and workshops you have given again and again. After a while, the quality of a lecture or seminar drops, normally at the point when you get too familiar with your course or topic, especially if you think that you can handle it without extra preparation or effort, and if you get too self-assured, confidence turns into arrogance. Having to work in a non-native language and a field that holds unknown elements ready to surprise you, works like an automatic safety net against such sloppiness. Because you can never be sure if you will encounter a situation in which you are searching for the right words or expression, or in which you lack the expertise that is expected from you as the course instructor, you try to obviate such events by carefully preparing. Not that you do not prepare if you are working in your native language, but I think it can make a difference, because it is harder to rely on your rhetorical skills to talk your way out or cover up a mistake. Feeling insecure may save you from being overconfident. Furthermore, being a stranger in your field of expertise can be beneficial as well: You are more critical and open-minded at the same time. For one thing, you do not take the current situation for granted and see it as unchangeable. You recognize the positive and negative of both systems, you ponder and challenge what you can see and hear. Being familiar with a different educational system and different ideas of education helps you to see ―the limits of the conventional and the taken-for-granted‖ (Greene 1994, p. 1), it enables you to imagine how things could be or should be. It is easier to accept that educational systems do not have to be like they are, that they can and maybe have to change for the better, and it also helps you to give careful consideration to argument and evidence. One example is the discussion about homogenous and heterogeneous age groups in early childhood. Most American institutions prefer implementing homogenous age groups, while in Germany normally children age 3-5/6 are heterogeneously grouped together. What is interesting is that both sides tend to only see the positive of the preferred side, and not the negative aspects. The same could be said about the amount of time a teacher stays with one class in elementary school. While in the U.S. the class teacher usually
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changes every year, in Germany the class teachers in elementary schools normally stays with their class for 4 consecutive years. Again, normally the negative effects are faded-out. Such differences are not only of formal nature, they show a different fundamental belief about teaching and the teacher-student relationship. We need to be aware of such differences, and should not take for given what we are familiar with, while at the same time overlooking alternatives, or criticizing them hastily, respectively. Secondly, you are almost forced to be open-minded, which is probably not bad either, especially when it comes to education and being an educator (Hare 2003). Exposed to new and unknown ideas, you have to embrace them as well as to query your own certainties. While most would probably agree on knowledge being in flux and open to revision, we all have a tendency to hang on what we have learned as right. Just think again about the example above. But if you have to work with and in a new field of education, if you want to belong, you are forced to give up your own certainties, grasp the perspective of another system, and face new ideas that are sometimes in opposition to your previous opinion. Such exchanges force you to revise your ideas and reconsider your beliefs and ideals. You are compelled to be open for and accept, to not disregard views opposed to your own, and maybe even to admit that what you once believed may turn out to be mistaken. Being both more critical and open-minded will allow you to consider what is to be said for and against an idea or an educational system. Thus, you take into account alternative views and recognize that current convictions may have to be revised, and you avoid becoming overconfident, arrogant, or too self-assured.
C ONCLUSION International collaboration and exchanges can be fruitful, but they are full of pitfalls. The described examples are doubtless only two of many that can hinder international exchanges. Not only do you need to find a shared language, but you need to be open–minded and at the same time (self-)critical. Engaging in such a project can be compared to crossing borders, a challenging but beneficial process. Not only do you become acquainted with new ideas, you also learn to see your own educational views more critical-
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ly. In my opinion, especially the last aspect – irrespective of the personal and professional development that is implicated if you are forced to work in a non-native language and unfamiliar setting – makes international exchanges so valuable. The analysis of a foreign educational system, the discussion about the advantages and disadvantages of each side, all this enables you to understand that early childhood education, the learning and the teaching of young children, can be designed differently than you thought. It helps to see the strengths and weaknesses of a system more clearly, and thus you learn that education can be implemented differently, that what we take for granted may be counterproductive and may need to be overcome if we want to improve the children‘s learning and development. All partners need to be open for suggestions and critique, because all sides can learn from each other. Only in this way can the arduous process of international collaboration and exchanges be meaningful and fertile.
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Vorbereitung der Lehrkräfte auf die Aufgaben der Internationalisierung an Schulen V ĚRA J ANÍKOVÁ
E INLEITUNG Es ist kein neuer Gesichtspunkt, dass die Internationalisierung in der Bildung in einer komplementären Beziehung zur Globalisierung und Europäisierung gesehen wird. Auch wenn der Begriff Globalisierung heutzutage für problematisch definierbar und oft für falsch interpretiert gehalten wird (Trnavčevič 2005, S. 24), schlägt Teichler (2004) im Bereich der Bildung in Bezug auf die Auffassung der Begriffe Globalisierung und global „weltweit, supranational, supraregional u. ä.― vor, wobei man sich der Gefahr bewusst sein muss, die sich in ihnen verbirgt und die zu einem beträchtlichen Maße eine erzwungene Durchsetzung der neoliberalen Ideologie darstellt, was sich nicht nur in der Wirtschaftssphäre, sondern auch in der Bildung und/oder in den Schulsystemen wesentlich widerspiegeln kann (Beckmann/Cooper 2004). Es scheint zweckmäßiger, im Bildungsbereich den Begriff Internationalisierung zu verwenden, der im europäischen Kontext dann weiter durch den Begriff Europäisierung definiert wird (vgl. auch Röhner, Henrichwark, & Hopf 2009). Diese Auffassung wird angesichts des oben genannten Kontextes z. B. von Teichler (2004, S. 22) bevorzugt, der die Beziehung zwischen den Begriffen Globalisierung, Internationalisierung und Europäisierung analysiert, wobei er die Internationalisierungsprozesse der Bildung (vor allem im
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Rahmen des Hochschulwesens) für den Ausgangspunkt seiner Überlegungen hält. Er äußert die Überzeugung, dass, wenn auch diese Begriffe eine Reihe gemeinsamer Nenner haben, sie sich darin unterscheiden, dass sie an die Internationalisierungprozesse mit unterschiedlichem Nachdruck herangehen (vgl. Trnavčevič 2005, S. 25). Alle diese Begriffe markieren eine Abkehr von den mehr oder weniger geschlossenen Schulsystemen und beziehen sich auf das sich ändernde Umfeld, das für sie neue Herausforderungen mit sich bringt. Die Globalisierung akzentuiert die Durchlässigkeit nationaler Grenzen (vor allem im Hochschulwesen), die Europäisierung stellt dann ihre regional definierte Variante dar (Teichler 2004). Die Internationalisierung wird sehr eng mit physischer Mobilität und der Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen in Verbindung gebracht (vgl. Dobart 2009). Trotz der oben angedeuteten Verschiedenheiten sind Globalisierung und Internationalisierung sehr eng miteinander verknüpft, was Trnavčevič (2005, S. 26) treffend zum Ausdruck bringt, in dem sie sagt, dass „die Internationalisierung die Welt der Bildung und die Globalisierung die Welt der Internationalisierung verändert―. Die Internationalisierung wurde zu einem der Hauptprinzipien der Bildungspolitik und für ihre Anwendung in der Unterrichtspraxis an verschiedenen Schultypen ist es unerlässlich, sie im tertiären Bereich zur Geltung zu bringen.
D IE I NTERNATIONALISIERUNG DER H OCHSCHULE M ODELL FÜR DIE I NTERNATIONALISIERUNG DER S CHULE : U NIVERSITÄT ALS GELEBTE I NTERNATIONALISIERUNG
ALS
Im Zusammenhang mit dem Hochschulwesen betont Janebová (2009, S. 108), dass die Internationalisierung bereits im Mittelalter ein natürlicher Bestandteil des Funktionierens von Universitäten war, sie fügt jedoch zugleich hinzu, dass diese gegenwärtig auf andere soziale, politische oder kulturelle Konzepte reagiert und als „bewusster Prozess, der spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert― verstanden wird. Das Konzept der Internationalisierung ist mehrdeutig und komplex, sie entwickelt sich besonders in den letzten wenigen Jahrzehnten sehr dynamisch, wobei auch
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hier Unterschiede in der praktischen Realisierung durch ein unterschiedliches geschichtliches und kulturelles Konzept, durch die Quellen und Prioritäten und durch die Motivation der Akteure im Internationalisierungsprozess sichtbar werden (vgl. Janebová 2009, S. 108). Ein deutlicheres Interesse für die Internationalisierung in der Bildung erscheint in der neuzeitlichen Geschichte nach dem II. Weltkrieg. Bereits 1946 wurde die Internationalisierung im Zusammenhang mit dem Fullbright-Gesetz zum Thema für die Bildungspolitik in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieses Gesetz „startete eine Euphoriewelle und verhalf der internationalen Bildung (international education) zu einer Grundorientierung, die immer noch gilt: internationale Beziehungen, Fremdsprachen, Internationalisierung des Curriculums, ausländische Studierende, Studium im Ausland, Zusammenarbeit, verwaltungsmäßige Organisierung dieser Zusammenarbeit, Forschung und Bildungspolitik― (Janebová 2009, S. 109, nach Mestenhauser, 1998, S. 9ff). Das strategische Grundsatzmaterial für die Entwicklung der Internationalisierung wurde 1965 unter dem Titel The University Looks Abroad herausgegeben und seitdem floss „aus der Feder― der amerikanischen Assoziation eine Reihe ähnlicher Dokumente, die die Internationalisierungstrategien in der Bildung im tertiären Bereich definieren. Anfangs wurde ein größerer Nachdruck auf Fremdsprachenkenntnisse und die Gewinnung eines Bewusstseins für das Weltgeschehen gelegt. Gegenwärtig wird die Internationalisierung eher als Veränderung der ganzen Organisation aufgefasst (NAFSA, 2006) und zugleich werden die einzelnen Problematiken (z. B. interkulturelle Kommunikation) tiefgehender erforscht (Janebová 2009: 110). Der Gedanke der Internationalisierung kommt allmählich auch in Europa in die Diskussion, wobei eine Reihe von Fachleuten sich darüber einig sind, dass diese bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Bildung im tertiären Bereich keine grundsätzlichere Rolle spielte und in diesem Bereich ein ziemlich neues Phänomen darstellt. In Bezug auf die Mobilität von Einzelpersonen wurde in den 80er Jahren dank dem ERASMUSProgramm mit ihrer stärkeren Unterstützung begonnen. In den 90er Jahren, nach den politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa, wurden verschiedene Programme des Europarats in Gang gebracht, die die Förderung und Erleichterung der Zusammenarbeit mit den neuen entstehenden Demokratien (z. B. Tempus) als Ziel hatten und die sich darum bemühten, dass die Internationalisierung zu „einem untrennbaren Bestandteil des Aufga-
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benprogramms von Institutionen im tertiären Bereich und der nationalen Politiken― wird (Janebová 2009, S. 110), wozu vor allem das Programm SOKRATES diente. Wende (1997) führt an, dass die Internationalisierung in dieser Zeit sehr eng im Zusammenhang mit der Bologna-Deklaration und mit den folgenden strukturellen Änderungen zur Harmonisierung der Bildungssysteme gesehen wird. Bald beginnt man die Internationalisierung mit Prozessen der Qualitätsbestimmung zu verbinden. In den 90er Jahren reiht sich auch die Tschechische Republik in den Bologna-Prozess ein, an den Universitäten und Hochschulen wird allmählich das zweistufige Bildungssystem eingeführt. Seit Anfang des neuen Milleniums wird die Internationalisierung in den strategischen Dokumenten der Hochschulbildungspolitik im Sinne einer der Hauptprioritäten und einer integralen Komponente der Entwicklung der Forschungs- und Lehrtätigkeit verbalisiert. Während sich die Internationalisierung im Rahmen der Mobilitäten und der Harmonisierung der Qualität sehr rasch entwickelt, sind gewisse Defizite auch noch in der Gegenwart im Bereich der erwarteten systematischen Veränderung dieser Bildungseinrichtungen zu bemerken.
D IE I NTERNATIONALISIERUNG
UND DAS
S CHULSYSTEM
Im Rahmen der Lehrerausbildung und ihrer Vorbereitung auf ihre Rolle als aktive Teilnehmende am Internationalisierungsprozess an der Schule ist es unerlässlich, sie mit Wissen über die Unterschiede und Übereinstimmungen von Schulsystemen in verschiedenen Ländern sowie mit den Methoden der vergleichenden Analyse dieser und anderer strategischer Dokumente für den Bildungsbereich auszustatten. Die Ergebnisse einer Reihe von vergleichenden Studien zeigen, dass, obwohl das gegenwärtige Europa in vieler Hinsicht in beträchtlichem Maße als einheitlicher kultureller und zivilisatorischer Raum zu bezeichnen ist, eine Reihe von Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten (Kulturen) besteht, und das auch im Bildungsbereich bzw. im Bereich der Schulsysteme, die durch bewährte Traditionen, lokale Bedingungen und Kontexte geformt werden. Das betrifft auch die Internationalisierung des Bildungssystems, die zurzeit u. a. als untrennbarer Bestandteil der Schulentwicklung gesehen wird, ob es sich nun um eine Schule der Primar- und Sekundarstufe I und II
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oder um eine Hochschule, eine Privatschule, kirchliche oder staatliche Schule oder um Bildungseinrichtungen handelt, die ihre Tätigkeit auf Weiterbildung richten. Verschiedene kulturelle Kontexte werden im Zusammenhang mit der Implementierung von Internationalisierungsprinzipien in vergleichenden Studien erwähnt, die diesen Bereich untersuchen. Als Beispiel nennen wir partielle Ergebnisse einer nicht so umfangreichen komparativen Studie, die 2012 in der Tschechischen Republik durchgeführt und veröffentlicht wurde. Ihr Ziel war die Beschreibung von Schulsystemen in ausgewählten europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Dänemark und Frankreich) mit einem folgenden Vergleich, wobei die Internationalisierung einer der untersuchten Bereiche war. Die Aufmerksamkeit wurde auf die drei Bildungsstufen nach der internationalen Norm für das Bildungswesen (International Standard Classification of Education – ISCED) gerichtet, und zwar auf die:
ISCED 1: Primarstufe (Stufe I der obligatorischen Grundbildung), ISCED 2: Sekundarstufe I (Stufe II der obligatorischen Grundbildung), ISCED 3: Sekundarstufe II (in der Tschechischen Republik Mittelschulwesen genannt).
Eines der Interessengebiete stellte auch die Internationalisierung dar. Die Schlussfolgerungen, zu denen diese Studie kam, zeigen, dass allgemein alle Bildungssysteme in diesen Ländern der Internationalisierung offen gegenüberstehen. In Deutschland und Frankreich ist die Internationalisierung stärker kulturell ausgerichtet und mit der Vorstellung von einem kulturellen Import verbunden, aber die Bildungssysteme öffnen sich auch gegenüber Impulsen von außen. Es handelt sich nicht nur um Austausch- und Studienaufenthalte und internationale Forschung, sondern auch um die Veränderung von Curricula, in denen europäische und weltumspannende Themen erscheinen, oder um die Förderung des Fremdsprachenunterrichts. Im Folgenden führen wir ausgewählte Ergebnisse aus dieser vergleichenden Analyse an. In Österreich ist der Internationalisierungsgedanke hinsichtlich der Bildungsziele und -inhalte u. a. im Paragraph 2 der legislativen Grundnorm School Organisation Act artikuliert, in dem steht, dass Lernende zur Partizipation am kulturellen Geschehen in Europa und der Welt geführt werden sollen. Die Grundlagen der europäischen Bildung wurden 1978 im Doku-
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ment Civic Education in Schools niedergelegt und die Dimension Europas und der Welt wird in der Bildung durch die 2004 durchgeführte CurriculaReform in erhöhtem Maße akzentuiert. Im Primarbereich zeigt sich die Internationalisierung durch die Förderung des frühen Fremdsprachenunterrichts. Im Sekundarbereich I (5. bis 8. Schuljahr) erscheinen Pflichtfächer, die die europäische Kulturgeschichte und die Prozesse der europäischen Integration explizit thematisieren. Es erhöht sich ebenfalls die Förderung der Möglichkeiten von Austauschaufenthalten oder Stipendienprogrammen im Sekundarbereich II, die einen bestimmten Teil des Schulbesuchs in einem anderen Land ermöglichen. Die Ergebnisse der Analyse zeigten weiterhin, dass das dänische Bildungssystem umfangreiche langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit hat. Die dänische Regierung erarbeitete 2010 die Strategie Denmark 2020. Knowledge, growth, prosperity and welfare, die vor allem auf die Internationalisierung der Universitäten ausgerichtet ist. Die Internationalisierung spiegelt sich aber auch im Curriculum wider, und zwar bereits in der Primar- und Sekundarstufe I. Insbesondere in den letzten zehn Jahren wird der Unterrichtsstoff bedeutend um Themen erweitert, die mit europäischen Angelegenheiten im Zusammenhang stehen. Wie bereits oben erwähnt, wurden die Prozesse des modernen Verständnisses der Internationalisierung in Deutschland und Frankreich von ihrer spezifischen historischen Entwicklung her besonders in ihrer Anfangsphase beeinflusst und die Internationalisierung in der Bildung war sehr eng mit der Präsentation der Kultur verbunden. In Deutschland beispielsweise gründete die Bundesregierung 1977 die sog. Enquete Commission mit dem Ziel, die Präsentation der deutschen Kultur und Deutschlands im Ausland zu verbessern, es wurde eine neue öffentliche Debatte über die Präsentation der deutschen Kultur (einschließlich des Bildungsystems) Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre entfesselt, was in erheblichem Maße von den politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa (z. B. Kulturministerkonferenz – KMK) beeinflusst wurde. Das Federal Foreign Office (Auswärtiges Amt) definierte im Jahre 2000 im Einklang mit dem Concept 2000 of Foreign Cultural Policy die ausländische Kulturpolitik im Sinne einer größeren Anpassung an die Veränderungen in der europäischen Gemeinschaft und an die Globalisierung neu. Auch in Frankreich ist die Internationalisierung des Schulsystems mit der Geschichte der französischen „Kultur-Diplomatie‖ verbunden. Diese veränderte sich nach dem II. Weltkrieg
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beträchtlich. Es entwickelte sich ein Partnerschafts-und Austauschsystem mit dem Ausland (Tunesien, Marokko und auch europäische Länder). In beiden Ländern spiegelt sich die Internationalisierung im Curriculum sehr ähnlich wie im österreichischen und dänischen Bildungssystem wider. Die Tschechische Republik machte und macht eine ähnliche Entwickung durch, obwohl wir hier im Zusammenhang mit einer anderen Gesellschaftsordnung über Internationalisierungsprozesse des Bildungssystems im Sinne der gegenwärtigen europäischen Auffassung erst nach 1989 sprechen können. Ab diesem Jahr beginnt sie mit Bildungseinrichtungen der westlichen Länder intensiver zusammenzuarbeiten, wobei sie sich auch dessen bewusst ist, in einer Reihe von Bereichen ihre guten Erfahrungen und Traditionen anbieten zu können. Einen bedeutenden neuen Impuls gewinnt hier die Internationalisierung durch den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union (2004).
D IE I NTERNATIONALISIERUNG L EHRERAUSBILDUNG
UND DIE
Eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Verwirklichung des Prinzips der Internationalisierung an Schulen unterschiedlichen Typs ist zweifelsohne die Hochschulausbildung für zukünftige Lehrerinnen und Lehrer. In ihr sollten sich die Wege zu ihrer Stärkung auf allen Niveaustufen widerspiegeln, angefangen von einer proklamierten Unterstützung der Internationalisierung in unterschiedlichen strategischen Dokumenten (z. B. in langfristigen Entwicklungsplänen einer Universität oder Fakultät, ebenso wie in den Entwicklungsplänen einzelner Arbeitsstellen an den Universitäten oder Hochschulen, die auf die Lehrerausbildung ausgerichtet sind), bis hin zu einer sog. „gelebten― Internationalisierung, was heißt, dass die Internationalisierung zu einem natürlichen untrennbaren Bestandteil des Lebens und der Kultur der entsprechenden Bildungseinrichtung werden sollte. Diese Ebene halte ich im Hinblick auf die „Mission― der künftigen Lehrkräfte und auf ihre Einsatzbereitschaft für die Internationalisierung in ihrem Wirken an den Schulen für sehr wichtig. Allgemein gesagt geht es darum, dass in der Lehrerausbildung an den gegebenen Hochschulen die Internationalisierungsstrategien insbesondere auf Folgendes gerichtet werden sollten:
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auf die Internationalisierung der Studienprogramme und -fächer auf die Studenten- und Dozentenmobilität, auf die Eingliederung von Dozierenden, aber auch von Studierenden in internationale Projekte, auf die Ableistung von pädagogischen Praktika im Ausland, auf die Erweiterung von Fremdsprachenkenntnissen, auf eine gezielte Entwicklung der interkulturellen Kompetenz, auf die Schaffung von Bedingungen und eines Klimas für die sog. „gelebte Internationalisierung zu Hause―.
Die Internationalisierung verstehen wir als Möglichkeit und Gelegenheit für eine dynamische Entwicklung der Lehrerausbildung mit einer damit Hand in Hand gehenden Unterrichtsentwicklung im Sinne einer gegenseitigen Bereicherung und Respektierung der Spezifika der nationalen Traditionen und der Aneignung der Fähigkeit des Betrachtens „des Eigenen mit dem Blick eines Anderen― und des „Fremden mit dem eigenen Blick― und einer Öffnung für neue Perspektiven. Nicht anders ist es in der Tschechischen Republik, wo die Internationalisierungsstrategien auf allen Schulstufen einschließlich der Lehrerausbildungsstätten bei Bildungs- und Forschungsaktivitäten, kreativen Aktivitäten und bei anderen Einsatzmöglichkeiten einbezogen werden. Da in der Tschechischen Republik die Lehrerausbildung an Universitäten stattfindet, gehen die Internationalisierungsstrategien der einzelnen Lehrerausbildungsstätten von den strategischen Dokumenten der gesamten Universität aus und berücksichtigen gleichzeitig ihre speziellen Möglichkeiten, Interessen und Bedürfnisse. Im Folgenden führen wir als exemplarisches Beispiel die Pädagogische Fakultät der Masaryk-Universität Brünn an. Die Internationalisierung und die Pädagogischen Fakultäten Für die künftigen Lehrerinnen und Lehrer muss im Rahmen ihrer Hochschulausbildung der Internationalisierungsgedanke in seinen unterschiedlichsten Dimensionen nicht nur im konkreten Studienfach, sondern auch im Bereich der Pädagogik- und Fachdidaktikausbildung thematisiert werden. Gegenwärtig besteht durch zahlreiche europäische Projekte, die mit Unterstützung des entsprechenden Ministeriums für Schulwesen oder über eine Zusammenarbeit von Universitäten realisiert werden, die Möglichkeit, die
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internationale Dimension des Lehramtsstudiums zu entwickeln. Auf dieser Ebene werden vielfältige Optionen zur Erreichung eines tieferen Einblicks z. B. in nationale Bildungsstandards und in ihnen sich widerspiegelnde Bildungsprioritäten angeboten; für einen Vergleich bei der Realisierung von Konzepten der Integration oder Inklusion oder des Fremdsprachenunterrichts; für ein Vertrautmachen mit dem realen Unterrichtsumfeld und seiner Organisation, mit Unterrichts- und Wertungsmethoden, dem Schul- oder Klassenklima u. ä. m. Die Pädagogische Fakultät der Masaryk-Universität , deren Hauptaufgabe darin besteht, Lehrkräfte für die Primarstufe und Sekundarstufe I und in einigen Fächern auch für die Sekundarstufe II auszubilden , reiht sich ebenfalls in den Internationalisierungsprozess ein und wird schrittweise zu einer international ausgerichteten und weltoffenen Hochschulinstitution . Das langfristige Entwicklungsvorhaben der Fakultät findet auch auf dem Gebiet der Internationalisierung im Einklang mit dem Vorhaben der ganzen Universität seinen Niederschlag und reflektiert gleichzeitig die Spezifika dieser Bildungseinrichtung1. Bei einer Analyse dieses Dokuments wird
1
Im Folgenden führen wir als exemplarisches Beispiel die Masaryk-Universität an, die in ihrem Langzeitvorhaben für den Zeitraum von 2011-2015 die Internationalisierung zu den Hauptachsen ihrer weiteren Entwicklung zählt und in ihm Mittel formuliert, mit deren Hilfe sie gedenkt, die Internationalisierung forthin zu unterstützen und effektiv weiter zu entwickeln. Dazu gehören vor allem:
die Koordinierung und Abstimmung der Aufnahmeprozeduren in das Masterund Doktorandenstudium unter Berücksichtigung von Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausland (Termine, Bedingungen und Ansprüche an Tschechischkenntnisse);
eine komplexe, die ganze Universität umfassende Lösung des Tschechischunterrichts für Studierende aus dem Ausland;
eine koordinierte Entwicklung von Stipendienprogrammen zur Unterstützung des Studiums von ausländischen Studierenden;
Beratung und verwaltungsmäßige Unterstützung des Aufnahmeprozesses und Studienverlaufs;
eine Erweiterung von Studienangeboten in englischer Sprache, u. U. auch in anderen Fremdsprachen;
eine Erhöhung der Studentenzahlen im fremdsprachlichen Studium, was eine Stärkung der sprachlichen Kompetenz der Lehrkräfte erfordert;
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eine Erhöhung des Anteils an ausländischen Dozierenden an der Universität;
eine stärkere Einbeziehung der Lehr- und Verwaltungskräfte der Universität in die Mobilitätsprogramme;
die Einbeziehung von einzelnen Fächern in der Fremdsprache als obligatorischer Bestandteil des Studiums in den tschechischen Studienprogrammen;
ein erweitertes Angebot von Master- und Doktorandenprogrammen in der Fremdsprache, vor allem in Englisch, und von Double-Degree-Programmen;
eine Erweiterung des Angebots von Sommerschulen für Studierende aus dem Ausland als Hilfsmittel zur Gewinnung von qualitativ guten Studierenden für die akkreditierten Studienprogramme;
Beratung und verwaltungsmäßige Unterstützung des Aufnahmeprozesses und des Studienverlaufs in englischer Sprache;
eine Erhöhung des Anteils der Studierenden aller Studienstufen an den Mobilitätsprogrammen;
eine Verbesserung der Eingliederung der Mobilitäten in die Studienprogramme und eine Verbesserung ihres Beitrages zur Erhöhung der Fachkenntnisse der Studierenden (Als ein möglicher Lösungsweg wird die Option einer mindestens einsemestrigen Mobilität der Studierenden auf jeder Stufe des Studiums einschließlich der Anerkennung dieses abgeleisteten Studiums in Erwägung gezogen.);
Stärkung und Standardisierung der Rolle der Mobilitätsprogrammkoordinatoren (Verantwortung für einen adäquaten Studienplan, Beratung u. ä. m.);
eine erweiterte Unterstützung durch Stipendien für verschiedene Arten von Studentenmobilitäten (Teilnahme an Konferenzen, Unterstützung von zwischen Universitäten und Fakultäten bestehenden Studentenaustauschverträgen);
die Erweiterung der Möglichkeiten für internationale Mobilität (Verträge, gemeinsame Studienprogramme, Auslandspraktika).
Im Evaluationsbericht über den Stand der Internationalisierung an der MasarykUniversität bis 2015 finden wir nicht nur eine Reihe erfolgreich realisierter Internationalisierungsstrategien, sondern auch bestimmte Defizite, auf die diese Institution in der nächsten Zeit verstärkt ihr Augenmerk richten wird. Es wurde u. a. festgestellt, dass es immer noch ein geringes Angebot von in Englisch realisierten Programmen gibt, ob nun als selbstständige Veranstaltung oder in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern, und einen sehr geringen Anteil an Ausländern unter den Dozierenden an der Universität und wenn, dann überwiegend individuell „ad hoc― und nicht durch institutionelle Zusammenarbeit und
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deutlich, wie sich die Betrachtungsweise der Internationalisierung entwickelt. Noch 2011 findet sie eher in „bescheidenem Maße― eine Erwähnung, wobei explizit vor allem die Dozentenmobilität betont wird: „[…] Der internationalen Dozentenmobilität bei Forschungsvorhaben messen wir eine bedeutendere Rolle bei. Die bestehenden Optionen für eine internationale Zusammenarbeit werden durch langfristigere Aufenthalte erweitert, die gemeinsame Lösungswege für Forschungsprojekte und künstlerische Projekte ermöglichen. Die Fakultät wird deshalb ihr Augenmerk auf eine intensivere Nutzung der angebotenen internationalen Mobilitätsprogramme richten und wir werden uns um den Erhalt und eine sich bietende mögliche Erweiterung der Zahl von bilateralen Verträgen mit Hochschulen im Ausland bemühen.―
Im langfristigen Entwicklungsplan der Fakultät für die nächste Periode (2015-2020) finden wir immer mehr Strategiefacetten im Hinblick auf die Internationalisierung, wobei die bereits erwähnte Dozentenmobilität neue Dimensionen erreicht, wo in einem größeren Rahmen eine Internationalisierung der Forschung, eine Erhöhung der Out- und Incoming-Mobilitäten der Studierenden und eine wirksamere Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit in der Forschung in Betracht gezogen wird, an der in stärkerem Maße auch Studierende beteiligt sein sollten, vor allem Studierende aus dem Doktorandenstudium. Sprachausbildung Eine der Grundvoraussetzungen für einen Erfolg bei der Durchsetzung der Internationalisierungsstrategien in der Bildung ist die sprachliche Kompetenz aller in diesem Prozess Mitwirkenden. Es geht hier z. B. um die Einbeziehung einzelner Fächer in der Fremdsprache als Pflichtanteil am Studium im Rahmen der tschechischen Studienprogramme oder um Master- und Doktorandenprogramme in der Fremdsprache einschließlich von DoubleDegree-Programmen. Im Rahmen der Hochschulausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, die sich in ihrer künftigen pädagogischen Praxis aktiv in die Prozesse der Internationalisierung an der entsprechenden Schule einrei-
langfristige Kooperation mit den ausländischen Partnern auf dem Gebiet von Ausbildung und Forschung.
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hen sollten, muss die Fredmsprachenkompetenz erweitert werden. Diese Voraussetzung wird vor allem dadurch erreicht, dass jede Absolventin und jeder Absolvent des Lehramtes (außer Lehramt für Fremdsprachen) mindestens eine Fremdsprache auf dem Niveau B2 beherrschen muss. Gegenwärtig überwiegt in starkem Maße das Englische, wobei in dieser Richtung die Fremdsprachenlehrkräfte einen großen Vorteil haben, da sie oft zu Hauptrealisatoren von verschiedenen internationalen Projekten, von Schüleraustauschen und zu Vermittlern von Informationen über die Unterschiede und auch Übereinstimmungen von Schulsystemen in anderen Ländern werden. Wesentlicher Nachdruck wird auf die sprachliche Seite in mehreren Dimensionen gelegt: angefangen von dem bereits weiter oben genannten erweiterten Angebot von Unterricht in Fremdsprachen für die Studierenden, weiter über die Erhöhung der Sprachkenntnisse der akademischen und nichtakademischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bis hin zur Unterstützung des Unterrichts Tschechisch als Fremdsprache oder zur Organisierung von Zusammenkünften verschiedener Sprachen und Kulturen. Als oberste Priorität der Internationalisierungsprozesse wurde der Unterricht in Englisch festgelegt, was zur Erhöhung des Anteils ausländischer Studierender und Dozierender in den akkreditierten Studienprogrammen beitragen sollte. Die Internationalisierung in der Fachausbildung der künftigen Lehrkräfte – am Beispiel der Lehrerausbildung für Deutsch als Fremdsprache Jede Arbeitsstelle der Pädagogischen Fakultät an der Masaryk-Universität geht bei der Implementierung der Prinzipien der Internationalisierung von den Anforderungen aus, die in unterschiedlichen strategischen Dokumenten internationalen, nationalen und lokalen Charakters festgehalten wurden. In Anknüpfung an die Internationalisierungsstrategien der Universität und Fakultät nehmen einzelne Arbeitsstellen die Förderung der Internationalisierung durch eine gezieltere Ausbildung der künftigen Lehrkräfte für die Unterrichtspraxis in dem gegebenen Fach in Angriff. Bei der Ausbildung der künftigen Lehrkräfte für die Durchsetzung der Internationalisierungsstrategien an den Schulen, wo sie später wirksam werden, sind die Curricula aller Studienfächer „verantwortlich―, in unserem Falle also die Ziele und Inhalte
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des Studienfaches Lehramt Deutsch für die Sekundarstufe I, das am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur realisiert wird. Die Haupttätigkeit dieses Lehramtsstudiums besteht also in der Deutschlehrerinnen- und -lehrerausbildung für die Sekundarstufe I. Im Einklang mit Bologna-Prozess-Empfehlungen, die an der Pädagogischen Fakultät flächendeckend verwirklicht worden sind, ist diese Ausbildung auch zweistufig: als dreijähriges Bachelorstudium und zweijähriges Masterstudium. Akkreditiert wurde sowohl das Studienprogramm für das Zwei-FächerStudium (Deutsch in Kombination mit anderen Fächern wie z. B. Englisch, Französisch, Tschechisch, Russisch, Geschichte, Geographie etc.) als auch das Studienprogramm für das Ein-Fach-Studium (nur Deutsch). Beide Studienprogramme werden in Form eines Präsenzstudiums sowie in kombinierter Form realisiert. Studenten- und Dozentenmobilität Die Internationalisierung spiegelt sich am Institut für deutsche Sprache und Literatur in der ERASMUS+-Mobilität besonders transparent wider. Die Studierenden haben die Möglichkeit, an 11 ausländischen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen ein bis zwei Semester zu studieren (Deutschland, Österreich, Schweiz). Diese Mobilität wird durch die verbesserten Anerkennungsverfahren von Studienleistungen gefördert. Im Rahmen des „Praktikumsprogramms Deutsch als Fremdsprache― des Instituts für Germanistik/Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache der Wiener Universität absolvieren jedes Jahr die österreichischen Studierenden der Germanistik oder auch einer anderen Fachrichtung mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur in Brno ihr 4-monatiges Unterrichtspraktikum. Im Rahmen der ERASMUS+-Dozentenmobilität halten Gastdozentinnen und -dozenten europäischer Partneruniversitäten ihre Lehrveranstaltungen am Institut ab. Unsere Dozierenden gewinnen dann wiederum die Möglichkeit, ihre pädagogischen und fachlichen Themen sowie Forschungsergebnisse im Ausland präsentieren zu dürfen. Die Dozentenmobilität, oft mit diversen Formen der Kooperation verbunden, wird auch durch das Programm der universitären Partnerschaft gefördert, in unserem Fall betrifft es zwei Universitäten: Regensburg und Greifswald. Bei der Rekrutierung von Gastdozentinnen und -dozenten für einen längeren Zeitraum wurde unser
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Institut in den 90er Jahren durch den DAAD gefördert, heutzutage finden wir mehr Unterstützung beim Österreichischen Austauschdienst. Projekte Das Institut für deutsche Sprache und Literatur hat in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern in den Jahren 1995-2004 sechs Aus- und Fortbildungszyklen der Betreuungslehrerinnen und -lehrer für Studierende des Faches Deutsch als Fremdsprache und der Deutsch-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren in der Tschechischen Republik organisiert. An diesen Projekten nahmen folgende ausländische Institutionen teil: das Goethe-Institut und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (Deutschland), die Universität Wien und Kultur Kontakt (Österreich). Im Rahmen dieser Projekte hatten die tschechischen Lehrkräfte bei den Hospitationen an österreichischen und deutschen Schulen die Gelegenheit, Einblick in andere Schulsysteme zu gewinnen und in Diskussionen mit ihren ausländischen Kolleginnen und Kollegen Bildungsinhalte und -ziele sowie ihre Spezifika und Bedingungen und die Anwendung konkreter Unterrichtsmethoden zu vergleichen. Mehrere internationale Projekte wurden und werden bis jetzt im Rahmen des Programms zur Förderung der bilateralen Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft im Tertiärbereich „AKTION Österreich - Tschechische Republik― durchgeführt, in Kooperation mit der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien (heute Pädagogische Hochschule) und der Wiener Universität. Es handelte sich z. B. um folgende Projekte, in denen die europäische Dimension explizit zu Wort kommt und die tschechischen und östereichischen Studierenden sowie Dozierenden die Möglichkeit bekommen haben, einen tieferen Einblick in die andere Kultur im weiteren Sinne zu gewinnen:
Österreichische Landeskunde mit besonderer Berücksichtigung aktueller Entwicklungen in der Europäischen Union, Österreichische Landeskunde mit besonderer Berücksichtigung der EUErweiterung und Projektarbeit im Rahmen einer Wien-Exkursion, „Landeskunde Österreich" mit besonderer Berücksichtigung der EUErweiterung,
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Deutsch und Tschechisch: Muttersprache – Zweitsprache – Fremdsprache – Nachbarsprache – Minderheitensprache: zur Stellung im eigenen Land und Nachbarland.
Ein sehr gelungenes Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg schon seit 2000 realisiert. Es handelt sich um ein deutschtschechisches Literaturseminar, das für die Studierenden organisiert wird, in dem die sie nicht nur die ausgewählten literarischen Themen gemeinsam diskutieren, sondern auch die Struktur einer ausländischen Universität kennenlernen. Schulpraktikum Dazu können fachdidaktisch orientierte pädagogische Praktika wesentlich beitragen, während deren die Studierenden in Zusammenarbeit mit den Betreuungslehrerinnen und -lehrern mit den Internationalisierungsstrategien an der konkreten Schule und ihrer Verwirklichung vertraut gemacht werden und je nach Möglichkeiten in die Aktivitäten einbezogen werden sollten, die die Internationalisierung unterstützen. Ihre Sprachkompetenzen (Deutschstudium und Grundkenntnisse des Englischen) stellen für sie eine sehr gute „Startposition― dar. Für die Verstärkung der Internationalisierungsstrategien sind auch bilaterale Projekte lohnenswert, die kürzere oder längere (siehe das oben genannte Praktikum der DaF-Studierenden der Universität Wien am Lehrstuhl für die deutsche Sprache und Literatur) Hospitations- und Unterrichtsaufenthalte an Partneruniversitäten und -hochschulen vorsehen. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse bringen ein bedeutendes Feedback für die Studierenden zu Hause und auch für Dozierende. Die auf das Schulpraktikum ausgerichteten Projekte können nicht nur durch Förderung der universitären Partnerschaft, sondern auch durch Förderung anderer staatlicher Institutionen (z. B. Schulministerium), regionaler oder lokaler Behörden (z. B. Magistratsabteilungen für Auslandsbeziehungen, Bezirks- oder Kreisämter, Schulverwaltung), oder durch Projektagenturen realisiert werden. So können die Studierenden als zukünftige Lehrkräfte Unterrichtsmodelle (Unterrichtsstunden, Projekte u. ä.) gemeinsam planen, realisieren und evaluieren, Unterrichtsmaterialien gemeinsam erarbeiten, ihre Unterrichtskompetenzen und ihre interkulturelle Kompetenz
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sowie die Fähigkeit, moderne Technologien effektiv zu nutzen, entwickeln und ihre Sprachkenntnisse verbessern. Durch geteilte Erfahrung werden sie dann für die kulturell bedingte Vielfalt im Bildungsbereich aufnahmefähiger. Nicht zuletzt bringen ihnen diese Tätigkeiten wertvolle Erkenntnisse für ihre eigene Unterrichtsspraxis im Bereich der Internationalisierungsprozesse an der gegebenen Schule und entwickeln die Fähigkeit, Projekte in internationalen Teams selbstständig zu initiieren.
S TUDENTENMOBILITÄT ALS G ELEGENHEIT ZUR S ELBSTREFLEXION (W IE SEHEN DIE S TUDIERENDEN „ DAS ANDERE “) Die Studierenden, die einen ein- bis zweisemestrigen Aufenthalt an einer ausländischen Universität oder Hochschule absolvieren, erlangen während seines Verlaufs nicht nur neues Wissen in ihrem Studienfach, sondern auch die Gelegenheit, einer anderen „Welt― zu begegnen, die bei einem Rückblick jedoch nicht unbedingt nur Unterschiede enthalten muss, sondern auch eine Reihe von Übereinstimmungen. Nach deren kritischer Auswertung können sie dann eine Inspiration für „die eigene Welt― bieten, in unserem Falle geht es nicht nur um das Hochschulstudium, sondern auch um die zukünftige pädagogische Praxis. Diese reflektierten Erfahrungen und die gelebte „Andersartigkeit― werden so zur Zusage u. a. auch für ihre künftige persönliche Einsatzbereitschaft bei der Förderung der Entwicklung der Schule in Fragen der Internationalisierung. Damit dieses Potenzial der Studentenmobilitäten so effektiv wie möglich genutzt wird, ist es gut, die Studierenden in vorbereitenden Debatten für diese Reflexion zu sensibilisieren und nach ihrer Rückkehr auf sie zurückzukommen. Zur Realisierung dieser Reflexion wird als Methode ein Fragebogen mit offenen Fragen verwendet (Hendl 2005), in dem wir die sog. weichen Fakten (Ansichten, Erfahrungen, Stellungnahmen, Erlebnisse, Wünsche, Bedürfnisse etc.) feststellen. Die gewonnenen Daten ergänzen wir dann durch eine Diskussion in ausgewählten fachdidaktischen Seminaren. Die befragten Studierenden absolvieren einen Teil ihres Studiums an ausländischen Institutionen (1) in philologisch orientierten Programmen – germanistische Philologie und (2) in Programmen, die auf Lehrerausbildung ausgerichtet sind – Lehramt Deutsch als Fremdsprache.
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Dementsprechend ist auch die Struktur des Fragebogens, der aus 2 Teilen besteht: Der erste Teil (A) beinhaltet Fragen, die auf die Reflexion des Studiums (Inhalte, Ziele, Organisation etc.) an der gegebenen Bildungseinrichtung gerichtet sind und der zweite Teil (B) beinhaltet Fragen, in deren Antworten sich die Befragten zu den Erfahrungen frei äußern, die sie bei Hospitationen an einer ausländischen Schule der Primarstufe oder Sekundarstufe I oder II im Rahmen des Faches Schulpraktikum gewonnen haben. Die Formulierung einzelner Fragen wurde in kontrastiver Perspektive mit dem Ziel geführt, sich der Unterschiede oder Übereinstimmungen bewusst zu werden und darüber nachzudenken, in welchen Punkten sich beide Bildungssysteme gegenseitig bereichern könnten. Falls die Studierenden nicht die Gelegenheit hatten, an verschiedenen Schulen zu hospitieren, füllen sie den Teil B nicht aus. Wesentlicher Punkt ist, dass es sich um keine Bewertung handelt, sondern um eine Reflexion, und weil die Aussagen einen stark subjektiven Charakter aufweisen, ziehen wir aus der Befragung keine Schlüsse. Die einzelnen Feststellungen dienen hauptsächlich als weitere Grundlage zur Diskussion insbesondere in der pädagogischen und fachdidaktischen Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache. Ausgewählte Ergebnisse Im Folgenden präsentieren wir einige ausgewählte Ergebnisse einer Analyse einer mit Fragebogen durchgeführten Untersuchung zur oben genannten Problematik, in die 31 Studierende des Lehrerstudiums Deutsch als Fremdsprache der Pädagogischen Fakultät der Masaryk-Universität einbezogen wurden, die einen ein- bis zweisemestrigen Studienaufenthalt an einer österreichischen oder deutschen Universität oder Hochschule im Studienjahr 2012/2013 und 2013/2014 hatten. In den Antworten der Befragten im Fragenkomplex (Teil A) zu den Reflexionen über das Studium an einer Bildungseinrichtung im Ausland überwog die Ansicht, dass das Studium in den meisten Fällen im Hinblick auf die konkreten Studienprogramme in allen Schlüsselfragen vergleichbar ist: „[…] Die Unterrichtsführung, die Fächer und deren Inhalte werden in sehr ähnlicher Weise wie an der Masaryk-Universität organisiert, auch die Anforderungen an den Abschluss der Studienfächer sind in vollem Maße vergleichbar […]―.
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Subjektiv empfundene Unterschiede spiegelten sich vor allem im individuellen Herangehen an das Lehrerstudium wider, wo die tschechischen Studierenden sehr oft eine größere Interessiertheit und Motiviertheit ihrer ausländischen Studienkommilitoninnen und -kommilitonen anführten, was folgende exemplarischen Antworten belegen: „[…] Die Studierenden waren motivierter, vielleicht durch die Fachpraktika. Die Primar- und Sekundarschule I befanden sich im gleichen Objekt, dadurch hatten die Studierenden eine bestimmte Beziehung zu den Kindern, die sie dann im Unterricht hatten […]―. „[…] Der Hauptunterschied zu uns lag wahrscheinlich darin, dass ich mit niemandem zusammengekommen bin, der an der Pädagogischen Hochschule studierte und später nicht hätte unterrichten wollen […]―. Diese zurückblickend kritische Betrachtungsweise kann nicht verallgemeinert werden, trotzdem liefert sie uns bestimmte Signale zur Verbesserung einer systemhaft zu sehenden Organisierung der pädagogischen Praktika. Die „überraschende― Feststellung, dass an den Lehrerinnen und Lehrer ausbildenden Einrichtungen im Ausland Studierende studieren, die auch den Lehrerberuf ausüben wollen, lässt sich durch eine Reihe objektiver Faktoren erklären, die in der Tschechischen Republik die künftige berufliche Orientierung negativ beeinflussen, die eigentlich im Einklang mit der Ausbildung stehen müsste. Wir möchten an dieser Stelle drei von ihnen nennen: (1) In der tschechischen Gesellschaft überwiegt immer noch das verhältnismäßig niedrige Prestige des Lehrerberufes, womit in starkem Maße der in gewisser Weise abwertende Blick der fach- und nichtfachgebundenen Öffentlichkeit auf ein Studium an den Pädagogischen Fakultäten in Verbindung steht. Das findet dann natürlich auch in der Betrachtungsweise des Studiums durch die Studierenden allgemein seinen Niederschlag. (2) In Bezug auf die Ausbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern stoßen wir oft darauf, dass im Rahmen des Studiums dem Standpunkt der Vorrang eingeräumt wird, ausgezeichnete Sprachkenntnisse zu erreichen, die später in anderen, finanziell besser bewerteten und gesellschaftlich anerkannteren Berufen zur Geltung gebracht werden können, und so sind die Studierenden in Bezug auf den pädagogisch-psychologischen und den fachdidaktischen Bereich des Studiums wenig motiviert. Im Gegensatz zu den ausländischen Einrichtungen schätzten die tschechischen Studierenden die Durchdachtheit, die Überschaubarkeit und das
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Funktionieren des elektronischen Informationssystems an der MasarykUniversität sehr hoch ein. In den Antworten, die die „gelebte Internationalisierung― in Bezug auf den Anteil von Studierenden und Dozierenden aus dem Ausland, die Realisierung von internationalen Projektaktivitäten, den Zugang zu fremdsprachlicher Literatur oder die Unterstützung der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts betrafen, finden wir eher quantitative Unterschiede, die u. a. dadurch entstehen, dass im tschechischen Umfeld die neue Auffassung der Internationalisierung keine so lange Tradition hat wie in den deutschen und österreichischen Bildungseinrichtungen. Die Befragten machen vor allem darauf aufmerksam, dass an ihrer Fakultät zu Hause weniger ausländische Studierende studieren, dass immer noch der Zugang zu fremdsprachiger Fachliteratur begrenzt ist und dass es verhältnismäßig wenige Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit gleichaltrigen ausländischen Studierenden im Rahmen verschiedener Projekte gibt. Etwas bescheidener sind die Analyseergebnisse im Teil B ausgefallen, weil nicht alle Befragten des vorgegebenen Musters während ihres Aufenthaltes im Ausland die Möglichkeit hatten, ihr pädagogisches Praktikum an den Schulen abzuleisten (n=9). Auch in diesem Bereich wurden allgemein mehr Übereinstimmungen als Unterschiede gesehen („[…] Ich denke, dass die Schulen unseren sehr ähnlich sind. […]―.) Positive Seiten wurden – im Vergleich zur tschechischen Schule – vor allem in drei Bereichen gesehen:
auf der Ebene des methodisch-didaktischen Unterrichts: „[…] Mich haben die Monats- und Jahrespläne sehr angesprochen, die die Kinder selbst erfüllt haben […]―;.[…] Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Lernenden stärker an selbständiges Arbeiten und an die Diskussion mit den Lehrkräften herangeführt werden und dass die Individualität des Lernenden mehr beachtet wird […]―. in der Organisation der pädagogischen Tätigkeit in der Schule: „[…] Die Lehrerin begrüßte die in die Klasse kommenden Kinder einzeln und sie unterhielt sich mit ihnen. (Sie war jeden Tag etwa 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn in der Klasse.) (Bem.: In der Schule gab es keine Gangaufsicht) […]―. in Bezug auf die Internationalisierung: Sie wurde vor allem durch eine größere Zahl von Migrantenkindern in den Klassen und durch eine häufigere Durchführung nicht nur von in-
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ternationalen Projekten („[…] Ich vertrete die Ansicht, dass sich die tschechischen Lehrkräfte stärker an einer internationalen Zusammenarbeit zwischen den Schulen beteiligen sollten […]―) so wie auch durch Aktivitäten der Schule, die die interkulturelle Kompetenz der Lernenden entwickeln, wahrgenommen. Hier muss betont werden, dass viele Antworten dadurch beeinflusst sein können, dass es überwiegend um Studierende ging, die an der Heimatinstitution noch kein pädagogisches Praktikum hatten und wenn doch, dann nur in ganz geringem Umfang und oftmals spiegelt sich ihre individuelle, häufig eher „emotionell belastete― Erfahrung wider. Und hier spielen gleichzeitig indirekt äußere Einflüsse eine Rolle, z. B. die viel geringere Zahl von Migrantenkindern in den tschechischen Schulen ist auf eine unterschiedliche politische Entwicklung zurückzuführen.
F AZIT Der Fakt, dass die Internationalisierung – zumindest im europäischen Kontext – seit längerem ein untrennbarer Bestandteil strategischer Dokumente bzw. langfristiger Entwicklungspläne von Hochschulinstitutionen ist, ist nichts Neues. Der Beweis sind Ergebnisse zahlreicher Analysen dieser Dokumente, die heutzutage im Web leicht zugänglich sind. Die Bildungseinrichtungen, die die zukünftigen Lehrkräfte ausbilden, sollten zu einem Ort werden, an dem die Studierenden mit Wissen über den Internationalisirungsgedanken und dessen Bedeutung für die gegenwärtige transnationale Bürgergesellschaft ausgestattet werden, und diese Einrichtungen sollten bei ihnen Kompetenzen für die Applizierung der Prinzipien der Internationalisierung in der Unterrichtspraxis entwickeln. Damit das geschieht, müssen sie gezielt und systematisch nicht nur die Studenten- und Dozentenmobilität auf allgemeiner Ebene unterstützen, sondern auch einzelne Arbeitsstellen zu einer Mitarbeit motivieren und unterstützen, die bei der Ausbildung der zukünftigen Pädagogen und Pädagoginnen durch ihre konkreten Aktivitäten den Internationalisierungsgedanken stärken. Denn ohne ihre aktive Eingliederung in die Internationalisierungprozesse auf dem Gebiet der Bildung wären die Internationalisierungsziele, die in jedwedem institutionellen entwicklungsstrategischen Dokument deklariert werden, nicht erfolgreich
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umzusetzen. Eine grundlegende Bedingung für die erfolgreiche Realisierung der Internationalisierungsprinzipien ist ebenfalls die Sprachausbildung, was bedeutet, dass die gegebene Bildungseinrichtung den Fremdsprachenunterricht systematisch unterstützen muss, d. h. die Sprachkompetenz sowohl der Studierenden als auch der Lehrkräfte. Nur so ist es möglich, dass sich alle Subjekte in die unterschiedlichsten Typen internationaler Projekte eingliedern können und aufnahmefähiger gegenüber Übereinstimmungen und Unterschieden im Bildungsprozess werden, die meiner Meinung nach als bedeutende Grundlage für eine gegenseitige Bereicherung, Respekt und eine allmähliche Transformation nicht nur der Hochschule betrachtet werden müssen. Eine der Schlüsselvoraussetzungen für die Entwicklung von Sensibilität für den Internationalisierunggedanken bei den zukünftigen Lehrkräften ist ebenfalls die Schaffung von Gelegenheiten zum Kennenlernen eines „anderen― Bildungssystems durch reflektierte pädagogische Praktika. Auf diese Weise kann nicht nur die rationale Dimension der Internationalisierungsprozesse intensiver angesprochen werden, sondern auch die der Motivation bzw. die emotionale und erlebnisbezogene Dimension, die in der Lehrerausbildung für ihre spätere Einsatzbereitschaft in Bezug auf die Internationalisierungsprozesse an der konkreten Schule, an der sie tätig sein werden, eine wichtige Rolle spielen.
L ITERATUR Beckmann, A. & Cooper, C. (2004). ‗Globalisation‘, the New Managerialism and Education: Rethinking the Purpose of Education in Britain. Journal for Critical Education Policy Studies, 2/2, 1–14. Dlouhodobý záměr Pedagogické fakulty Masarykovy univerzity na období 2011–2015. S. 4. Online: https://www.muni.cz/media/docs/935/DZ_ PdF_2011-2015.pdf [20.2.2015]). Dobart, A. (2009). Internationalisierung im Bildungsbereich. Erziehung und Unterricht, 159, 408–418. Horyna, B. (2001). Idea Evropy. Praha: Argo. Janebová, E. (2009). Vedení internacionalizace vysokých škol/University internationalization projects management. Studia paedagogica, 14/2, 107–130.
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Janíková, V. (2009). Auf dem Weg zur Europäisierung der DaFLehrerausbildung. In Neue Architekturen im europäischen Hochschulraum. Wien: LIT Verlag. 104–113 Komparativní analýza vzdělávacích systémů ve vybraných zemích EU – ISCED 1, 2. (2012) Ostrava: SocioFactor s.r.o. Röhner, Ch, Henrichwark, C., & Hopf, M. (Hrsg.) (2009). Europäisierung der Bildung. Konsequenzen und Herausforderungen für die Grundschulpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Teichler, U. (2004). The Changing Debate on Internationalisation of Higher Education. Higher Education, Nr. 48, S. 5–26. Trnavčevič, A. (2005). Internacionalizace, evropeizace, standardizace a kultura auditu ve vzdělávání: podpora inovativnosti? In Studia minora Facultatis Pholosophicae Universitas Brunensis, U 10, S. 23–32.
Pädagogische Praxen in ihrer Vielfalt
Sich seiner Herkunft schämen: kulturelle Besonderheiten des Schamgefühls J ULIA K OINOVA -Z ÖLLNER
In Deutschland beschäftigen sich zahlreiche Publikationen und interdisziplinäre Tagungen der letzten Jahre mit dem Phänomen „Scham― aus theologischer, philosophischer, psychoanalytischer, sozial- und geisteswissenschaftlicher Perspektive, sowie aus historischer, kultur- und literaturwissenschaftlicher Sicht. Scham hat viele Gesichter und viele Qualitäten, und ist allgemein in allen Phasen der menschlichen Entwicklung, in allen Bereichen des menschlichen Daseins präsent. Der Wechsel von Konstanten wie kollektive Zugehörigkeit und persönliche Moral weist auf die Komplexität des Schamgefühls hin. Scham als disziplinübergreifendes Thema hat eine lange Geschichte und wird nicht nur interdisziplinär, sondern auch international untersucht, weil in der Zeit eines rasanten Anstieges des zivilisatorischen Wohlstands und immer angenehmeren physischen Lebens die ethischen Maßstäbe des menschlichen Lebens kontinuierlich abgebaut werden. Die geistigen Werte des Lebens wurden durch die materiellen Werte versetzt. Kein Zufall, dass gerade in den hochentwickelten Gesellschaften Scham als Steuerung des menschlichen Verhaltens und des Wertesystems aktuell eine „Renaissance-Epoche― erlebt. Inzwischen gibt es eine Reihe von Theorien über die Bedeutung von Scham, um innerpsychische Vorgänge, soziale und gesellschaftliche Mechanismen zu beschreiben und zu verstehen. Schamgefühle können zu Depression, Sucht oder Suizid führen und umgekehrt konstruktiv beim Prozess des Menschenwerdens wirken. Die Globalisierung, die neue Wahrnehmung des menschlichen Lebens auf dem Planet Erde mit ihrer wachsenden Hete-
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rogenität und Transparenz in aller Bereichen zwingt zur Reflexion der Besonderheiten der Scham als soziales Verhaltensregulativ, um die Integrität einer Gesellschaft herzustellen: „...Wie immer drängten sich die Menschen in den Straßen und in den Theatern; wie immer liefen sie einander nach und überholten sich gegenseitig; wie immer hasteten sie hin und her und suchten zu ergreifen, was ihnen in den Weg kam. Doch niemand merkte, dass etwas fehlte, dass in dem großen Orchester des Lebens eine Flöte nicht mehr mitspielte. Viele fühlten sich sogar freier und kräftiger. Alles ging leichter; es war einfacher geworden, dem Nächsten ein Bein zu stellen, zu heucheln, zu kriechen, zu betrügen und zu verleumden. Alle Seelennot war plötzlich wie weggeblasen. Die Menschen gingen nicht mehr, sie flogen förmlich; nichts betrübte sie mehr, nichts zwang sie zum Nachdenken. Gegenwart und Zukunft – alles schien ihnen automatisch in das Schloß zu fallen, ihnen, den Glücklichen, die den Verlust des Gewissens nicht einmal gemerkt hatten[...]― (M. Saltykow-Stschedrin 1975, S. 127)
S OZIALE S CHAM
VS . MORALISCHE
S CHAM
In seiner Persönlichkeitsheorie ordnete Erikson (1902-1994) die Entstehung des Schamgefühls, Schuldgefühls, der Identität den Phasen der Persönlichkeitsentwicklung zu, welche durch die Wirkungen und Wechselwirkungen von Vererbung und Umwelt bestimmt werden. Insofern ist das Schamgefühl ein soziales Gefühl, das für das Handeln eines Menschen eine maßgebliche Rolle spielt. Gleichzeitig hat das Schamgefühl eine Doppelnatur: zum einen emotional, seelisch-leiblich – zum anderen kognitiv, als Produkt eines reflektierten Selbst. Entwicklungspsychologisch setzt Scham eine innere Vorstellung von sich selber voraus. Wie Emotion und Kognition mit einander verknüpft sind, das heißt, welches System das andere beeinflusst, impliziert eine interessante Forschungsfrage bezüglich der funktionalen Beziehung von Kognition und Emotion im Schamgefühl zueinander, die im Rahmen dieses Vorhabens nur punktuell angesprochen werden kann. Die Komplexität verbirgt sich in der Tatsache, dass Scham sowohl eine soziale als auch eine persönliche Angelegenheit ist. In Russland unterscheidet man daher moralische und soziale Scham. In einem Fall sind die persönlichen moralischen Prinzipien gemeint, im anderen die Normen, Prinzipien einer Gruppe oder Gesellschaft. Die moralische
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Scham, anders genannt, die Gewissensscham, richtet sich auf sich selbst: „Ich schäme mich―, und dabei ist das höchste Gericht „Ich – selbst―. Die soziale Scham spiegelt die sozialen Beziehungen „ich in der Gruppe― wider und drückt die Qual der Unvollkommenheit aus, das Minderwertigkeitsgefühl eines Individuums im eigenen Vergleich zu den Anderen und ist mit Angst verbunden, aus dem Sozium ausgeschlossen zu werden. Entwicklungspsychologisch ist das Schamgefühl ein Gefühl, das sich aus dem Gefühl einer Minderwertigkeit ergibt. Scham zählt zu den schmerzlichen Emotionen eines Menschen. Sowohl Kontrollverluste über soziale Aspekte als auch soziale Ohnmacht werden zum Anlass von seelischer Scham. Der Übergang zwischen Verlegenheit, Peinlichkeit, Scham, Schuld, sozialer Angst ist fließend und nicht zuletzt von der Intensität der seelischen, emotional-kognitiven Zustände abhängig, aber auch von gesellschaftlichen Normen und Traditionen, und den damit verbundenen Erwartungen an den Einzelnen. Die Abweichung von sozialen Erwartungen ruft bei der Persönlichkeit ambivalente Gefühle hervor und löst moralische Scham aus: „Ich bin es, aber ich bin es doch nicht― – ist die Haltung eines Menschen seiner Schicht gegenüber. Das gewünschte Selbstbild tritt gegen das sozialerwartete Fremdbild sowohl konstruktiv als auch destruktiv auf. Diejenigen, die nicht konstruktiv mit Problemen umgehen können, wenden oft das Kampf- oder Fluchtverhalten an, versuchen dem Schmerz zu entkommen oder sogar sich selbst mit zusätzlichem Schmerz zu bestrafen. In extremen Fällen kann Scham zu Selbstmord führen oder der Mensch wendet den Schmerz nach außen und greift diejenigen an, die er als Urheber des Schmerzes, entstanden durch die Zurückweisung, sieht. In Russland sind der Öffentlichkeit mehrere Beispiele von berühmten Persönlichkeiten bekannt, bei denen die Identitätssuche zur Destruktivität führte, z.B. zur Flucht in eine Rolle, die entweder von der Gesellschaft und letzt endlich von der betreffenden Person nicht anerkannt wurde. So schämte sich Graf Leo Tolstoj (1828-1910) für seine adelige Herkunft und suchte die Nähe zu Bauern. Bewusst verzichtete er auf Schuhe, lief barfuß, gründete die landwirtschaftliche Kommune „Jasnaja Poljana―, trat in Konflikt mit der russisch-orthodoxen Kirche. Enttäuscht am Lebensende flüchtete er nachts aus Jasnaja Poljana und verstarb unterwegs im Gebäude des Bahnhofs der Station Astapowo (vgl.: Basinskij/Басинский 2010). Dagegen mochte der Dichter Jessenin (1895-1925) seine einfache bäuerliche Herkunft nicht und zeigte Arroganz während der Oktoberrevolu-
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tion in Russland, heiratete die amerikanische Tänzerin Isadora Dunkan, verbrachte mit ihr einige Jahre im Ausland, kehrte dann allein zurück und beging Selbstmord am 28. Dezember 1925 im Hotelzimmer (vgl.: Lekmanow/Лекманов 2011). Der Nobelpreisträger Boris Pasternak (1890-1960), der Autor von „Doktor Schiwago―, schämte sich lebenslang seiner jüdischen Herkunft und erzählte von seiner Amme, die ihn angeblich im Kindesalter orthodox getauft hatte. Dafür wurde er von der jüdischen Gesellschaft ausgestoßen. Er schrieb seinen berühmten autobiografischen Roman „Doktor Schiwago― und verbrachte fast isoliert seine letzten Jahren auf seiner Datscha in Peredelkino bei Moskau (vgl.: Bykow/Быков 2007). Sich seiner Herkunft, seiner Verwandschaft, Volkszugehörigkeit, der sozialen Schicht zu schämen ist keine Seltenheit auch in unserer postmodernen Gesellschaft. Das Schamgefühl treibt den Betroffenen in die Flucht vor Familie, vor sich selbst. Was wird zuerst in der Gesellschaft wahrgenommen? – Geschlecht, Hautfarbe, Haare, Kleidung, Kopftuch? Die Änderung des Namens, Schönheitsoperationen, wie z.B. operative Hautveränderung von Michael Jackson sind Versuche seine Identität, beziehungsweise, seine Herkunft nicht erkennen zu lassen. Ein weit verbreitetes Klischee, dass in Russland alle Männer Trinker sind, ist im Grunde genommen kein typisch russisches Muster des Schamausdrucks. Für viele Trinker weltweit ist der exzessive Alkoholkonsum nichts anderes als eine Flucht vor der Realität und/oder vor sich selbst. „Und ich trank unverzüglich― (Jerofejew 2005 S.35). Diese Worte bilden die Einleitung für das sechste Kapitel des Poems „Moskva –Petuschki― von Wenedikt Jerofejew (1938-1990). Auf den ersten Blick ist Wenedikt Jerofejews „Poem― nur ein unendliches Trinkgelage von der ersten Seite bis zur letzten. Das Köfferchen voll mit Schnaps fest ans Herz gedrückt, besteigt Wenedikt am Kursker Bahnof den Vorortzug von Moskau nach Petuschki. Die Reise wird zu einer Sauftour: Wenitschka trinkt, die Mitreisenden trinken, sogar der Oberschaffner trinkt mit. Es findet ein Ge-Sicht(s) – Verlust statt. Doch der alkoholisierte Unheld der Geschichte, Wenitschka, hat uns mit seinen scharfsinnigen Beobachtungen und tiefen Emotionen viel zu bieten. Im Werk sind viele Hinweise zu finden, dass sich Wenitschka aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich wegen seines Trinkens schämt, und umgekehrt erklärt er uns, dass er trinkt, weil er sich schämt. Diese Scham wird auf unterschiedliche Weise ausgedrückt und bedeutet
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Flucht vor sich selbst. Der Dauerzustand der Alkoholisierung ist nur eine Maske, das Versteck seines Selbsts, seines Versagens. Im Wodkasuff versucht er Scham und Schuld seinem Sohn gegenüber als zwei Bestandteile einer moralischen Emotion wie zwei Qualitäten seines Empfindens zu vermeiden und wird von der Gesellschaft erneut ausgestoßen. Eine ähnliche Problematik griff der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupery in seinem Werk „Der kleine Prinz― auf, wo er einem Säufer begegnet: „Was machst du da?―, fragte der kleine Prinz den Säufer, den er stumm vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen sitzend antraf. „Ich trinke―, antwortete der Säufer mit düsterer Miene. „Warum trinkst du?―, fragte ihn der kleine Prinz. „Um zu vergessen―, antwortete der Säufer. „Um was zu vergessen?―, erkundigte sich der kleine Prinz, der ihn schon bedauerte. „Um zu vergessen, dass ich mich schäme―, gestand der Säufer und senkte den Kopf. „Weshalb schämst du dich?―, fragte der kleine Prinz, der den Wunsch hatte, ihm zu helfen. „Weil ich saufe!―, endete der Säufer und verschloss sich endgültig in sein Schweigen. (A. de Saint-Exupery 2009, S. 32)
Scham ist sozial. Menschliche Schamgefühle werden durch äußerst zahlreiche soziale Aspekte ausgelöst und können unabhängig von Land, Geschlecht oder Status erlebt werden. Die soziale Umwelt und die kulturellen Normen, in denen der Mensch lebt, stellen wichtige Determinanten für die Schamschwelle dar. Dauerhafte soziale Merkmale, über die der Mensch nicht selbst entscheiden kann, führen zum chronischen Schmerz und rufen Existenzscham hervor: die Zugehörigkeit zu einer niedrigen gesellschaftlichen Schicht, zu einer als minderwertig geltenden Rasse oder Staatsangehörigkeit oder zu einer religiösen Minderheit. Kulturen, Subkulturen und soziale Umwelt übermitteln Normen und Regeln, die bei ihrer Übertretung zur Scham führen können. Von einer Norm, aus der das Minderwertigkeitsgefühl entsteht, abzuweichen oder an einer Norm zu scheitern, sind Voraussetzungen des Erlebens von Peinlichkeit, Scham, sozialer Angst. Der Wunsch, Scham zu vermeiden führt dazu, dass eine Person versucht, sich an die herrschende Norm, sei es die der Familie, der Gruppe oder der Gesellschaft, anzupassen, sofern sie dazu in der Lage ist. Scham ist universal.
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S CHAMKULTUR
VS .
S CHULDKULTUR
Aus anthropologischer Sicht werden in der wissenschaftlichen Literatur zwei kulturelle Formen häufig unterschieden: die Scham- und die Schuldkultur. Diese Unterteilung basiert weitgehend auf der Forschung von Ruth Benedict, die Vergleiche zwischen der östlichen japanischen und der westlichen amerikanischen Kultur zog. In ihrem Buch „Chrysantheme und Schwert: Formen der japanischen Kultur― (1946) folgte sie der Theorie von Freud, der die Ursachen von Schuld in sozialer Angst und der Gewissensangst begründete (1905/1991). Seiner Meinung nach hat Scham einen anderen Status als Schuld, nämlich den eines Affektes, der als Auslöser für die menschliche Handlung verantwortlich ist. Je nach dem Entwicklungsgrad einer Gesellschaftskultur sprach die Ethnologin Benedict von Scham als verinnerlichter Emotion und Schuld als Folge äußerlicher Kontrolle durch die Gesellschaft. Demzufolge definierte Benedict Schuld als einen mentalen Zustand, der hauptsächlich aus moralischen Übertretungen resultiert, Scham „wacht― über die Grenze der „Privatheit und Intimität―. Die westliche „Schuldkultur― besitzt moralische Instanzen, die dem Individuum Möglichkeiten der Restitution eröffnen (vgl. Benedict 2008). Das sind Geständnis, Buße und Beichte. In der östlichen „Schamkultur― dagegen hat die gesellschaftliche äußerliche Instanz die Hauptfunktion, so Benedict. Eine Reihe von Wissenschaftlern folgte der Theorie von Ruth Benedict. Laut Alois Hahn werden Japan, China und die östliche Mittelmeerländer den Schamkulturen zugerechnet, hingegen protestantische Länder wie Deutschland als Schuldkulturen bezeichnet (www.uni-oldenburg.de/file admin/user upload/gk.../Scham.pdf). Die Unterscheidung von Schuld- und Schamkulturen sieht er vor allem durch Folgen von Sanktionen, mit denen beim Verstoß gegen kulturelle Erwartungen und Regeln zu rechnen ist. Das bedeutet, dass in Schuldkulturen der Verstoß wieder gut gemacht werden kann, hingegen in der Schamkultur der Verlust des sozialen Ansehens nicht wieder rückgängig zu machen ist. Eine andere Meinung vertritt Wolfgang Kalbe. Er meint, dass es beide Formen der Scham/Schuld je nach der gesellschaftlichen Entwicklung ne-
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beneinander geben kann. Seine Zuordnung von Scham zur kleinen Gemeinde und Schuld zur Großstadt (nach Kagan 1967 In: Kalbe 2002) findet Zustimmung bei den Ethnologen Hans-Peter Dürr (1988; 1990) und Norbert Elias (1982). Die beiden Wissenschaftler vertreten jedoch unterschiedliche Thesen bezüglich der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung von Schamformen bzw. deren Inhalten. So sieht Norbert Elias (1982), dass seit dem Mittelalter ein Vorrücken der Schamschwellen in der europäischen Kultur stattfindet, Hans Peter Dürr (1988) dagegen glaubt weder an „Scham- und Zügellosigkeit― in früherer Zeit, noch an eine Evolution von Scham. Er ist der Meinung, dass in traditionellen „face-to-face― Gesellschaften die verwandtschaftliche Integrität auch durch die direkte, soziale, lückenlose Kontrolle intensiver ist. Das wiederum bedeutet, dass Normen in kleinen Gemeinden stärker verinnerlicht werden als bei Personen in modernen, urbanen Gesellschaften, in denen die soziale Kontrolle synthetischer ist, die wiederum die familiär-soziale Kontrolle ersetzt hat (vgl.: Dürr, H.-P. 1990). Eine interkulturelle Untersuchung, durchgeführt von Johnson im Jahre 1987, konnte die Ergebnisse von Benedict, wonach asiatische Gesellschaften eher zur Scham neigen, nicht bestätigen. Die Studie wurde in Hawaii, Südkorea und Taiwan durchgeführt. Die Ergebnisse deuteten auf keinen Unterschied zwischen Scham- und Schuldgefühlen wie bei Benedict. Es zeigte sich hierin möglicherweise ein kultureller Wandel in Asien oder die Wissenschaftler konnten keine kulturellen Besonderheiten entdeckten (vgl.: Johnson, 1987 S.357-364). Die vereinfachende Klassifizierung in Scham- und Schuldkulturen wird von mehreren Wissenschaftlern kritisiert, vor allem deshalb, weil nicht ausschließlich von Internalität (Innen-Scham) bzw. Externalität (AußenScham/Schuld) gesprochen werden kann. Die Bewertungsmaßstäbe werden durch die Öffentlichkeit mehr oder weniger verstärkt. Scham sowie Schuld können aber auch ohne Öffentlichkeit auftreten (nach u.a. Ausubel 1958, Graham 1972, In: Kalbe 2002), weil die Zuschreibungen von Schuld sowie Scham bei Abwesenheit von Beobachtern erfolgen können. Sie sind unabhängig von der Anwesenheit anderer Personen. In dem Fall tendiert die Person zum Rückzug und zur Isolation. Carrol Ellias Izard (1981/1994) verweist auf eine interkulturelle Studie englischer, deutscher, japanischer, amerikanischer, französischer, schwedischer, schweizerischer und griechischer Collegestudenten. Die Frage: „Welche Emotion verstehen Sie am besten?― wurde am seltensten mit
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„Scham― und am häufigsten mit „Freude― beantwortet, und das von allen Kulturgruppen. Für die japanischen Studenten ist die „Geringschätzung―, die am meisten gefürchtete Emotion (vgl.: Izard, C. E. 1981/1994). Von Interesse ist das Ergebnis, dass die griechischen Studenten „Scham― besser als alle anderen kulturellen Gruppen verstehen. Die zwei Standardabweichungen bei der Befragung ergaben einen höheren Wert als die Mittelwerte der Studenten aus anderen Kulturen. Leider blieb die Frage, warum die griechischen Studenten „Scham― besser als die andere Gruppen verstehen, in dieser Arbeit unbeantwortet. Eine Erklärung findet sich bei Philipp Steiger. Er schreibt: „Den Ausgangspunkt der griechischen Scham bildet ein mehr oder minder stabiles Wertesystem, das von außen her beim Einzelnen eine „Scheu― hervorruft und moralische Legitimation regelt. Später wird dieser Ausgangspunkt „Scheu― langsam um die „aidos― erweitert, die der Mensch von innen her, nämlich aus sich selbst als Person hervorbringt― (Steiger 1997, S.62).
K ULTURELLE B ESONDERHEITEN DER S CHAM AUS DER RUSSISCH - UND DEUTSCHSPRACHIGEN P ERSPEKTIVE Mit Recht darf man behaupten, dass es keine reinen Scham- und Schuldkultutren gibt. Es gibt aber, meiner Meinung nach, feine kulturspezifische Einflüsse bei der Emotionswahrnehmung bzw. ihrer Beschreibung. Ihnen nachzuspüren, verlangt einen langen qualitativ intensiven Kontakt mit der jeweiligen Kultur. Ohne diesen Kontakt werden die kulturellen Besonderheiten nicht erkannt. Vergleiche ich die russische und die deutsche Sprache, finde ich die sprachlichen Besonderheiten schon in der Übersetzung. Aus russischer Sicht bekommen „Scham― und „Schuld― durch das Hinzufügen des Suffix „-kultur― inhaltsleere Bedeutungen. Die Begriffe „Schamkultur― und „Schuldkultur― werden durch das Suffix „-kultur― „geadelt―, was in diesem Zusammenhang aus russischer Sicht unangemessen ist. Was ist schon Kultur der Scham und/oder die Kultur der Schuld (russ.: культура стыда/ культура вины), wie die Rückübersetzung lauten würde. Die Feststellung der allgemeinen Wertschätzung der Scham als Emotion und als wissenschaftliches Phänomen in der Gesellschaft führt zu einer weiteren kulturellen Besonderheit. Man findet in Russland bei weitem nicht
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solch eine Fülle von aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema „Scham― wie im deutschsprachigen Raum. Dagegen verschwindet das Wort „Scham― langsam aus dem deutschsprachigen Alltag, es wird kaum noch benutzt. Die Erklärung dazu liegt nicht zuletzt in der Tatsache, dass sich Scham auf eigene Moral richtet und demzufolge zur Privatsphäre gehört. Dagegen sind Scham, Schamgefühle im russischen Alltag sehr präsent. „Scham― auf Russisch heißt „styd―. Im Vergleich zur deutschen Sprache benutzt man „styd/стыд― oft zur moralischen Bewertung einer Handlung als Fremdbewertung und auch als Selbstbewertung, oder aber um dem Gefühl der persönlichen Abneigung Ausdruck zu verleihen. Im pädagogischen Sinne solle das Schamgefühl das Individuum verbessern, um ihm zu ermöglichen in die Gesellschaft zurück zu kehren: „Schäme dich! Wie kannst du noch so schamlos sein!― In der russischen Sprache lässt Scham viele affektive Facetten des Erlebens aber wenig Möglichkeiten des verbalen Ausdrucks zu. Die deutschen Wörter „Scham―, „Schande―, „Peinlichkeit― werden im Russischen nur mit einem Stammwort „styd/стыд» übersetzt. Ich gebe zu, dass es mir in der deutschen Sprache leichter fällt die Wörter „Schande―, „beschämend―, „peinlich― auszusprechen, als das Wort „Scham―. Somit sind die interkulturellen Unterschiede der Scham als qualitative Differenzen zu verstehen. Dazu werden Normen und Verhaltensrituale gezählt, die unausgesprochen unsichtbar, „fiktiv― die menschliche Interaktion steuern. Verbalisierung ist hier kaum möglich. Die Weltliteratur bietet uns Bilder an, in denen diese Gefühle repräsentiert und doch für uns sprachlich schwer zugänglich sind. Sighard Neckel äußerte sich dazu: „Wissenschaft ist hier nur ein armseliges Kondensat, das den vollen Inhalt des Erlebens in dürre Begriffe überführt und dabei weder die Genauigkeit der inneren Pein von Scham trifft noch die metaphysische Unabgeschlossenheit, die diesem Gefühl des augenblicklichen Wertverlusts eigen ist― (Neckel 2006, S.39).
D AS S CHAMKONZEPT
VON
D OSTOJEWSKIJ
Scham, Schamlosigkeit und Schuld werden im Schaffen von Dostojewskij zum roten Faden. Ihn interessieren diese Gefühle als Kommunikationsmodi
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im Gebrauch in unterschiedlichen menschlichen Interaktionen. Unter allen russischen Denkern und Schriftstellern hat keiner die Eigenart der Scham und die ganze Problematik so umfassend und so tief zur Darstellung gebracht wie Fjodor Michailowitsch Dostojewskij. Seine Texte sind voll von Wörtern wie „Scham―, „beschämend―. Beim Vergleich der russischen Originale mit der deutschen Version fällt die Vielfältigkeit der Scham bei der Übersetzung auf, wie einige Zitate als Beispiele aus dem Roman von Dostojewskij „Brüder Karamasow― zeigen (Übers. von S. Geier):
S. 28 deutsch: „[…] Über den älteren, Iwan, sei nur bemerkt, dass er als Junge irgendwie düster und verschlossen wirkte, zwar keineswegs schüchtern, aber bereits mit zehn Jahren von der Einsicht durchdrungen, dass er und sein Bruder in einer fremden Familie aufwuchsen, dank fremder Barmherzigkeit, und dass ihr eigener Vater jemand sei, den man, um der Peinlichkeit zu entgehen, nicht einmal erwähnen sollte, usw., usf.― In der russischen Version steht an dieser Stelle folgender Text, gekürzte Version, „[…] и говорить стыдно..―/stydno/wörtlich: schämend ; S. 36 deutsch: „[…] Es war eine unerhörte, grenzenlose Schamhaftigkeit und Keuschheit― – russ.: „[…] дикая, исступлѐнная стыдливость […]― /stydlivostj […], Schamhaftigkeit; S. 53 deutsch: „[...] er schien verlegen, […]― – russ.: „как бы стыдился чего-либо […]―/stydilsja […]: als ob er sich vor jemandem geschämt hätte; S. 73 deutsch: „[…] und vor allem sollten Sie sich nicht Ihrer selbst schämen […]― – russ.: „[…] не стыдитесь самого себя […]―/„ne styditesj […]― – schämen Sie sich selbst nicht; S. 73 deutsch: „[…] Und deshalb bin ich ein Narr, ein Narr aus Scham, […] aus Scham.― – russ.: „Вот потому я и шут, от стыда шут, […], от стыда―/ot styda [...], ot styda […] – aus Scham weswegen, aus Scham.
Der zweitgrößte Kriminalroman von Dostojewskij erzählt die Geschichte von dem angehenden Juristen Raskolnikow. Interessant ist, dass dieser Roman schon über 20 Mal ins Deutsche übersetzt wurde. Zum ersten Mal wurde dieser Roman 1882 unter dem Titel „Raskolnikoff― übersetzt. Im Laufe der Jahre erschien der Roman unter verschiedenen Titel in deutscher Sprache:
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1887 „Schuld und Sühne. Raskolnikoff―; 1891 „Raskolnikoff oder Schuld und Sühne―, 1921 „Verbrechen und Strafe―; 1929 „Raskolnikow, Verbrechen und Heimsuchung―.
Von da an kehrte man zum Titel „Schuld und Sühne― zurück, bis Frau Swetlana Geier ihrer zweiten Übersetzung im Jahre 1996 den Originaltitel „Verbrechen und Strafe― gab. Diese Übersetzung gilt momentan als wegweisend und liegt schon in 15 Auflagen vor. In einem Interview berichtete Frau Geier, wie schwierig es für Sie war, das Gewohnheitsrecht, die Norm der Übersetzung dieses Werkes zu übertreten: „[...] einen Verstoß gegen die gültige Regel zu leisten― (Geier 2008/2011, S.151). Ihr fehlte der Mut bei der ersten Übersetzung dieses Romans „gegen den Strom zu schwimmen― (ebenda). Sie entschied sich zu einer zweiten Übersetzung, weil das Gefühl der Unvollkommenheit der ersten Übersetzung, die Scham- sowie Schuldgefühle gegenüber dem Autor sie nicht in Ruhe ließen. Mit den Jahren hat sie eingesehen, dass nur der Originaltitel den Sinn des Romans wiedergeben kann. Setzt man statt „Verbrechen und Strafe―/russ. „Prestuplenie i Nakazanie― im russischen Text die Worte „Schuld― (Wina) und „Sühne― (Iskuplenie) ein, „[...] entstehen völlig sinnentleerte Sätze oder gar Seiten...―(Geier 2008/2011, S.151): „[...] Auch im Epilog empfindet Raskolnikow keinerlei Schuldgefühle, auch da ist nur vom inneren Recht des Menschen auf Strafe die Rede. Das Gefühl von Schuld und das Bedürfnis nach Sühne sind moralische, vom christlichen Selbstverständnis des Menschen geprägte Vorstellungen. [...] Der russische Titel ist sachlich und hart. Er bezeichnet zunächst eine Verletzung der gültigen Ordnung und die abschreckende Gegenmaßnahme zum Schutz dieser Ordnung, evoziert Behördliches, Anfechtbares, vielleicht sogar Unmenschliches und dies ist unbestreitbare Grund, auf dem Originaltitel zu bestehen― (Geier 2008/2011, S. 151-152). Das ganze Leben Dostojewskijs (1821-1881) verläuft im Spannungsfeld zwischen europäischer Moderne und russischer Tradition. Sein Vater, Arzt vom Beruf, war im Hospital für Arme in Moskau tätig, in einem „Bezirk des Elends und der kummervollen Langweile―, wie er selbst in seiner Biografie schrieb (Seleznjev/Селезнѐв 1985, S.11).
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Geboren im Jahre 1821 verbrachte er seine Kindheit mit einer lieben aber kränklichen Mutter und einem herrischen jähzornigen, knausrigen Vater. Als er 16 Jahre alt war, stirbt seine Mutter an Schwindsucht = Tuberkulose. Sein Vater gibt die Arbeit im Hospital auf und lebt nur noch als typischer Gutsbesitzer. Die meiste Zeit war er betrunken und zügellos grausam in seinem Verhalten. Nur zwei Jahre später wird Dostojewskijs Vater von seinen Leibeigenen brutal ermordet, er wurde erstickt. Die Mörder werden nie gefunden. Zu dieser Zeit besuchte Dostojewskij in St.Petersburg die Ingenieurschule der Armee, nicht weil er sich für Ingenieurberuf interessierte, sondern weil die Schule gebührenfrei war. Fast sein ganzes Leben lang hatte Dostojewskij Geldnot (vgl.: Seleznjev/Селезнѐв 1985). Sein erster Roman heißt „Arme Leute―, wo er die selbst erlebte Scham der Armut wie folgend beschrieb: „Ein armer Mann ist besonders anspruchsvoll, er sieht die ganze Welt Gottes anders als alle anderen Menschen und mustert jeden Vorübergehenden schief und blickt sich mit Angst und Misstrauen um und horcht auf jedes Wort, ob da auch über ihn gesprochen wird, darüber zum Beispiel, dass er so schlecht gekleidet ist, oder darüber, wie er von dieser Seite aussehe und wie er von jener Seite aussehe!―(Dostojewskij 1959, S.88). 1849 wurde Dostojewskij im Alter von 28 Jahren wegen „staatsfeindlicher Aktivitäten― verhaftet (Clunk 2000, S.129). Er wurde verurteilt und war unter den Todeskandidaten. Die Todeskandidaten wurden zum Semjonow Platz (St. Peterburg) gebracht. Die Zuschauer und Verwandten waren da. Die Gefangenen erhielten die Todeskleidung: weißes Hemd und weiße Kapuze, es wurde getrommelt, [...] und dann wurde unerwartet die Begnadigung vorgelesen: statt Todesstrafe – insgesamt acht Jahre Zwangsarbeit in Sibirien. Die Scheinhinrichtung überstand nicht jeder unbeschadet, einer der Mitgefangenen wurde unheilbar wahnsinnig (vgl.: Seleznjev/Селезнѐв 1985). Dostojewskij wurde nach Sibirien verbannt. Seit dem „Gulag― des Zaren litt er dann sein Leben lang unter epileptischen Anfällen. Das Erlebnis mit dem „Volk― im Gefängnis war für ihn außerordentlich ambivalent. Er, der für eine neue Gesellschaftsordnung sein Leben beinahe geopfert hatte und seinen Status in der Gesellschaft dafür eingebüßt, musste im Gefängnis erleben, dass er als Vertreter des Kleinadels gehasst wurde. Er hörte auf Sozialist zu sein und hatte die Trennlinie zwischen dem alten und einem neuen Leben überschritten. Seit seiner Rückkehr aus Sibirien rückt für
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Dostojewskij das Verhältnis von Mensch, Recht und Rechtsprechung in den Vordergrund und gewinnt in seinen Romanen eine zentrale Bedeutung. 1803 wurde auf Veranlassung des Zaren der Traktat des Mailänder Rechtsgelehrten Cesare Beccaria (1738-1794) über Verbrechen und Strafe „Die delitti e delle pene―(1764) auf Russisch veröffentlicht. Dostojewskij liest den Traktat. Raskolnikow heißt seine Person im Kriminalroman, was auch als „Gespalteter― übersetzt wird. Dostojewskij ist gleich zweifach ein Gespaltener: getrennt von der Gesellschaft und in sich selbst zerrissen, er schämt sich vor der Gesellschaft, er schämt sich vor sich selbst. Er entdeckt das Evangelium für sich, und findet sich in diesem wieder. Wie Adam und Eva sich nach der Erkenntnis der Nacktheit schämen und aus dem Stand der Unschuld herausgefallen sind und sehen, wer sie sind, beginnt Dostojewskij über sich selbst nachzudenken. Die persönliche Erkenntnis seiner seelischen „Nacktheit― beschreibt er im Buch „Verbrechen und Strafe―. Auf der ersten Seite ist das nur eben eine „peinigende und feige Empfindung, er (Raskolnikow) schämte sich [...]― (Übers.: Geier 2012, S.7). Er beschuldigte darin seine Wirtin und entscheidet sich, selbst Richter zu sein. Die Notwendigkeit, dieses Übel durch Mord zu beseitigen, rechtfertigte Raskolnikow vor sich selbst durch die Liebe zu seinen Liebsten, Mutter und Schwester. Das Gefühl, er habe das Recht diese Zustände zu ändern, die Wirtin zu ermorden, treibt ihn zu seiner Handlung. Die Spannung steigt. Er fühlt sich krank. Er sucht nach einer Antwort für die Unentschlossenheit seines Charakters: ob es sich um ein moralisches oder ein physiologisches Problem handelt. Er handelte. Er wurde zum Täter, zum doppelten Mörder. Ungeplant musste er ein unschuldiges Wesen, die Schwester der Wirtin, ermorden, die er selbst in seinem Innerem mochte. Das Gefühl, ein Held zu sein, bekam er nicht. Er wurde krank. Es folgten Träume, Alpträume, Gewissenskämpfe. Seine Reflexion führte zum großen „Wohltäter und Ordner der Menschheit― = „Übertreter des Gesetztes―, so wie Napoleon. Damit wurden für ihn die Menschen zwangsläufig in „niedriges― Menschen-Material und „höhere― Persönlichkeiten unterteilt, die „in ihrer Umgebung ein neues Wort― zu sagen haben. In Gesprächen mit seinen Mitmenschen, seinen Träumen, in seiner Selbstbefragung, seinem Gang durch das Labyrinth seines Inneren, einer peinlichen Selbsterkundung und Gewissensforschung wurde Raskolnikow gezwungen anzuer-
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kennen, dass er kein „Übermensch― war. Er schämte sich der Sinnlosigkeit des Mordes und irgendeines Urteils. Er konnte nicht Richter über andere sein, keiner konnte über ihn Richter sein. Mit der Erkenntnis will er zur Ruhe kommen. Dostojewskij zeigte uns die Dynamik der Scham. Zuerst sei Scham vererbt worden. Jeder besitzt ein Schamgefühl, so wie Adam und Eva weiter auf der Erde mit dem Schamgefühl leben mussten, so wie alle Menschen dieser Welt. Die Frage ist, wie soll der Mensch mit dem Scham- und Schuldgefühlen leben? Die Antwort durch die Werke Dostojewskijs lässt sich in folgender Weise formulieren: der Mensch soll die Fähigkeit zur Scham besitzen und diese konstruktiv verarbeiten, um sich als Teil der Menschheit anzusehen, um das Gefühl der Zugehörigkeit zu spüren. Mit seiner Theorie zerstört er die Harmonie, die Ganzheit der Persönlichkeit und nimmt sie gleichzeitig in Schutz. Als soziale Emotion lässt Dostojewskij die Scham als Katalysator, das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Gemeinschaft und zu sich selbst regulieren, gleichzeitig als Instrument zum besseren Menschwerden. Dieses Verhältnis würde ich als Dynamik der Inklusion und Exklusion in den Romanen von Dostojewskij bezeichnen, als Spannungsfeld von Ehre und Schande bzw. des Ansehens und der Geltung in der Gesellschaft. Er zeigte uns sowohl positive als negative Schamfacetten. Im Positiven ist Scham normativ und ist mit „Takt― verbunden. Durch die Scham in Verbindung mit Takt erkennt man das Böse und das Gute, gesellschaftliche Normen und Ziele. In dieser positiven Funktion braucht man Scham, um die gesellschaftliche Struktur sowie persönliche Ordnung zu erhalten. Scham hat, seiner Schamtheorie nach, auch eine negative Funktion: Scham als Verlust der Ehre, was mit dem Erkennen seiner selbst durch die Anderen verbunden ist. Dieser Verlust, die Scham als Ehrverlust ist schmerzhaft, spiegelt die Spaltung der Beziehungen „Ich und die Anderen―, „Ich – das Ideal― und „Ich bin - Wirklichkeit― wieder. Beide, sowohl negative als auch positive Schamfacetten „Scham-Takt― und „Scham-Ehrverlust― führen zur Selbsterkenntnis und Selbstbewertung zum Ganzen. Dostojewskij gibt uns konstruktive und destruktive Varianten des Erlebens der Scham. Er beschreibt, dass im Leben jedes Menschen ein Moment kommt, wo er vor einer unüberbrückbaren Kluft steht. Einen Schritt rechts, so wie im Märchen, bedeutet sich selbst zu finden, dank der Scham. Einen Schritt links, bedeu-
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tet Schamlosigkeit, sich selbst zu verlieren, was für ihn gleichbedeutend ist mit seelischer Unzucht. Scham hat das zivilisierte Verhalten einerseits erleichtert und sie hat sowohl Individuen als auch Kulturen dazu gebracht, sich taktvoll zu verhalten. Scham erschwert das Verhalten, sorgt für den nötigen Realitätsbezug und erinnert uns an gesellschaftliche Grenzen und persönliche Fehler, gerade in Fragen der Integrität. Es fühlt sich zunächst nicht gut an, in diesem Zusammenhang auf die eigenen Schwächen aufmerksam gemacht zu werden, aber diese Einsicht ist wichtig, um sich gegebenenfalls zu bessern und um anzuerkennen, dass man auch nur ein Mensch ist. So lange ein Individuum zur Selbstreflexion fähig ist, kann Scham ihm dabei helfen, ein besseres Verständnis von sich selbst und anderen zu erreichen. Scham darf nicht persönliche Evaluation hindern, weil es an sich kein Ziel ist. Scham begleitet den Menschen im Prozess des Lebens, im Prozess der sozialen Integration. Scham gehört, Dostojewskij zufolge, zu den Emotionen, die im Laufe des Lebens ausreifen. Umgekehrt braucht man Scham, um ein reifer und besserer Mensch zu werden, was eine schwierige Angelegenheit ist und mit Schmerz und Enthüllen seines Selbst verbunden ist. Dostojewskij zufolge soll Scham bei der „Entkleidung― des Individuums helfen. Das wichtigste dabei ist das ethische Wertesystem. Weder allein die Normen der Gesellschaft noch allein die Normen eines Menschen sind Maßstab für die Schamgefühle, weil die Schamgrenzen nur relativ zu fassen sind. Sie werden kulturell gesetzt, sprachlich und körperlich individuell ausgedrückt und verschieben sich innerhalb einer Epoche, einer Gesellschaft, einer Kultur, eines Individuums u.s.w. Dostojewskij sieht für sich nur einen Weg: die Bewertungsmaßstäbe sollen durch das Wertesystem des Christentums als universelles Wertesystem der Menschheit verstärkt werden, Selbsterkenntnis soll auf dem Wissen des Evangeliums basieren. Nach Dostojewskijs Meinung benötigt man, um individuell und gesellschaftlich richtig zu handeln, nichts anderes, als die richtigen Beziehungen zu Gott als alleinigen Richter und zum Christentum als allgemeingültiges gesellschaftliches Wertesystem zu entwickeln. Im Schluss seines Romans „Die Brüder Karamasow― mischt Dostojewskij nur auf wenigen Seiten in der Szene der Beerdigung eines Jungen Namens Ilja viele Schamfacetten in seinen verschiedensten Erscheinungen und Äußerungen, ungeachtet auf ihre dynamische Entwicklung, die er im Laufe der Handlung aufgebaut hatte:
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„Ist Ihr Bruder schuldig oder unschuldig?― „Also wird er als unschuldiges Opfer für die Wahrheit zugrunde gehen...― „[...] Der Junge wurde feuerrot [...]― „[...] Vater, Vater, wie hat er dich erniedrigt! [...]― „[...] in seiner Seele empfand er so etwas wie ein Stoß.― (Übers.: Geier, S. 1227-1129).
Dostojewskij schockt uns, die Leser, durch die Zerstörung der Grenzen zwischen den Personen des Romans, zwischen Scham und Schuld. Damit löscht er die Distanz zwischen dem Text und den Lesern und vermischt die Intensität der Scham- und Schuldgefühle noch einmal. In allen seinen Romanen stellt er die Dialektik zwischen Scham und Schuld dar. Die Qual von Raskolnikow ist ein Beispiel der dynamischen Entwicklung der Scham- Schuld-Gefühle auf dem Weg zum besseren Menschen. Schuld und Scham verflechten sich miteinander. Raskolnikow ist schuldig, er ist ein Mörder. Die Scham ist hier als Begleiter der Reflexion seiner Handlung, seinem selbst, ab der ersten Seite des Romans vorhanden. Er musste sich eingestehen, dass er durch den Mord statt gewünschter Macht und dem Reichtum nur Elend und Ohnmacht, seine Machtlosigkeit erreicht hatte. Er gesteht den Mord freiwillig, um sich zu befreien. Mitja Karamasow, der kein Mörder ist, ist gegenüber sich selbst unschuldig, wird aber von der Stadt und vom Gericht für schuldig erklärt und zum Zuchthaus verurteilt. Er bricht nach der Urteilsverkündung mit Nervenfieber zusammen. Das Ende in seinen großen Romanen „Verbrechen und Strafe― und „Die Brüder Karamasow― wirkt trotz allem erleichternd positiv. Liebe, sowohl verbal, als auch nonverbal füllt die letzten Strophen des Textes im Sinne des 1. Briefes der Korinther, 13:4-8: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie stellt sich nicht ungebärdig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber der Wahrheit, sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört nimmer auf.―
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F AZIT In einer modernen von Heterogenität geprägten Gesellschaft, sowohl in Ost- als auch in Westeuropa, hat Scham eine doppelte Relevanz. Sich seiner Herkunft zu schämen betrifft die Haltung des einzelnen Menschen, da jeder Mensch, nach dem Matrjoschka - Prinzip, in einen Staat, in eine Gesellschaft, Familie u.s.w. hineingeboren wird, hineinwachsen muss, d. h. zwangläufig einem Staat, einer Berufsgruppe, einer Familie angehört. Jeder Mensch in jeder Gesellschaft bedarf auch der Zugehörigkeit. Der Schriftsteller Dostojewskij geht von der ethischen Haltung des einzelnen Menschen zu anderen Menschen aus, die durch die seelische Scham und soziale Moral gesteuert wird. Er betont den Begriff der Selbstvervollkommnung. In seinem „Tagebuch eines Schriftstellers― 1877 schreibt er: „Alle Ideen sind auf der Idee der künftigen persönlichen absoluten Selbstvervollkommnung begründet, einem Ideal, denn es trägt in sich alles, alle Bestrebungen, alles Verlangen, also gehen von ihm auch alle ihre staatsbürgerliche Ideale aus.― (Dostojewskij/Достоевский 1984, Т.26, Стр.164). Von diesem Standpunkt sind die Auseinandersetzungen zwischen Ost- und Westpolitik sowie zwischen Ost- und Westgemeinschaften oft verstandesmäßig kaum zu erklären. Die grundsätzlichen Gedanken von Dostojewskij über die Verbesserung der Gesellschaft mittels Selbstvervollkommnung basieren auf dem christlichen Wertesystem und haben ihre Gültigkeit für jeden Staat und für jeden von uns.
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Informelles Lernen in der Schule und in der Freizeit S ZILVIA S IMÁNDI
In diesem Beitrag soll die Bedeutung des informellen Lernens einerseits im schulischen Umfeld, anderseits in der Freizeit aufgezeigt werden. Das informelle Lernen ist Teil des heimlichen Lehrplans und gleicht vielfach jenen informellen Lernprozessen, die in den unterschiedlichen Sozialisationsräumen stattfinden. Laut Memorandum über lebenslanges Lernen der Europäischen Kommission (vgl. http://www.die-bonn.de/id/745) können wir drei grundlegende Kategorien des Lernens unterscheiden: Formales Lernen findet in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen statt und führt zu anerkannten Abschlüssen und Qualifikationen. Nichtformales Lernen findet außerhalb der Hauptsysteme der allgemeinen und beruflichen Bildung statt und führt nicht unbedingt zum Erwerb eines formalen Abschlusses. Nicht-formales Lernen kann am Arbeitsplatz und im Rahmen von Aktivitäten, die von unterschiedlichen Organisationen und Gruppierungen der Zivilgesellschaft (wie z.B. von Jugendorganisationen, Gewerkschaften und politischen Parteien) angeboten werden, stattfinden. Auch Organisationen oder Dienste, die zur Ergänzung der formalen Systeme eingerichtet wurden, können als Orte nicht-formalen Lernens fungieren (z. B. Kunst-, Musik- und Sportkurse oder private Betreuung durch Tutoren zur Prüfungsvorbereitung). Informelles Lernen ist eine natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens. Anders als beim formalen und nicht-formalen Lernen handelt es sich beim informellen Lernen nicht notwendigerweise um ein intentionales Lernen, weshalb es auch von den Ler-
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nenden selbst unter Umständen gar nicht als Erweiterung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten wahrgenommen wird. Das informelle Lernen umfasst das ganze Leben. So gelangt beispielsweise das Individuum zu verschiedenen Einsichten, eignet sich Werte und Wissen während seiner alltäglichen Tätigkeit an. Die Frage stellt sich, inwieweit das Lernen auf solche Weise das Ergebnis einer bewussten Tätigkeit sein kann, denn das Lernen auf der informellen Ebene kann sich überall verwirklichen: in der Familie, im Umgang mit Gleichaltrigen; auch darf man auf die Rolle moderner Kommunikationsmittel nicht vergessen. Daraus resultiert die große Flexibilität jener Lernprozesse. Ein weiteres wichtiges Element des informellen Lernens ist, dass sich die Rollen im Lernprozess verändern. Eine Person eignet sich nicht nur Wissen an, sondern vermittelt auch anderen ihre Kenntnisse; dieses Wissen ist stets durch persönliche Erfahrungen angeeignet worden (vgl.Tót 2009). Es ist oft nicht einfach, zwischen dem nicht-formalen und informellen Aneignungsformen zu unterscheiden, weil einige Autoren sie als denselben Prozess betrachten oder nur die Existenz eines dieser Prozesse anerkennen (vgl. Rubovszky 2002).
H EIMLICHER L EHRPLAN UND INFORMELLES L ERNEN Einige Aspekte des informellen Lernens, die mit der Schule verbunden sind, sind generell bekannt.: im formalen Schulunterricht ist der Begriff des „heimlichen Lehrplans“ nicht neu. Dem Begriff des heimlichen Lehrplans versuchten sich Forscher auf mehrere Weise zu nähern, unter anderem Ivan Illich und Karl Mannheim. In Ungarn verbindet sich die Theorie „des heimlichen Lehrplans“ mit dem Namen Tamás László Szabó. Der heimliche Lehrplan besagt, dass die Schule und die Lehrer außerhalb des tradierten Wissens auch noch etwas anderes vermitteln: Werte, Normen, Rollen usw. (vgl. Szabó 1988). Die Wirkung von Schule endet nicht mit dem Ende der Unterrichtsstunde, nicht mit dem Abschluss der einzelnen Schulstufen, sondern entfaltet sich unabhängig vom Alter der Schüler und prägt deren Identität. Die Aneignung dieses „Wissens” ist das Ergebnis eines kumulativen Prozesses, der verschiedenste Erlebnisse und Erfahrungen beinhaltet, die sich während der Schulzeit spontan und häufig durch unwillkürliches Lernen angesam-
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melt und eingelagert haben. Die Unterrichtsinhalte, also das formale Lernziel des Unterrichts, fallen dem Vergessen viel eher anheim als diese informell erworbenen Fähigkeiten. Die Schulklasse, in der der Schüler den größten Teil seines Tages verbringt, ist für diesen eine bedeutungsvolle Umgebung: Sie stellt für den Schüler nicht nur eine „Vorbereitung für das Leben“ dar, sondern ist das „Leben selbst“. Dies gilt zumindest in jenem Sinn, dass die Schule eine gesellschaftliche Institution des Übergangs zwischen der Familie und der Arbeitswelt darstellt, deren wichtigste Aufgabe es ist, die Jugendlichen zum Leben in einer Organisation zu sozialisieren. In der Schule werden die wichtigsten Regeln für das tägliche Miteinander eingeübt und erprobt: man lernt, wann man das Wort ergreifen und sprechen darf, wie man auf das vorher Gesagte Bezug nehmen und darauf eingehen kann, man lernt das Schweigen als Antwort zu verstehen, man gewöhnt sich daran, dass alles in diesem institutionellen Raum „seine geregelte Zeit“ hat. Auch lernt man sich mit Neuem auseinanderzusetzen, selbst wenn die Erkenntnisse der vorhergehenden Stunde noch nicht verarbeitet sind. Der Schüler muss lernen eine Arbeit abzuschließen, obwohl er sich gerade an die Arbeit und und die damit zusammenhängenden Gedanken gewöhnt hat. Jeder hat unvergessliche Erlebnisse von seiner Schulzeit. Jeder erinnert sich an peinliche oder befreiende Szenen eines Dialogs, einer Auseinandersetzung oder eines Konflikts. (vgl. Szabó 2008). Die in der Schule laufende Rollenaneigung (z.B. Geschlechterrollen), bzw. die Aneignung von Normen und Werten, die mit dem schulischen Milieu verbunden sind, können durch den heimlichen Lehrplan erklärt werden (vgl. Kozma 2001). Der Rekurs auf das Phänomen des heimlichen Lehrplans weist auch darauf hin, dass derartige Vorgänge den Betreffenden nicht unbedingt bewusst werden (vgl.Tót 2009). Die Aneignung des heimlichen Lehrplans läuft spontan ab und ist in der Regel nicht beabsichtigt. Er kann die angestrebten pädagogischen Ziele stärken, aber auch schwächen. Welcher heimliche Lehrplan sich herausbildet, hängt stark von den kulturellen und soziologischen Charakterzügen der Stakeholder im Bildungswesen ab (vgl.Szabó 2009). Im Folgenden soll am Beispiel von Schulausflügen gezeigt werden, wie diese informelle Lerngelegenheit, die jedoch im engen Kontakt zum schulischen Lernen steht, das Lernen der Schüler beeinflussen kann.
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Der Schulausflug soll den Unterricht erweitern und ergänzen; Ziel ist es, die reale Umwelt kennen zu lernen. Die Schüler sollen die kulturellen Werte ihrer Heimat kennen lernen. Daneben spielen natürlich auch das kommunikative und soziale Moment eine wichtige Rolle. Das gemeinsame Erkunden kultureller Werte und Normen kann durch das Kennenlernen eines Gebietes und dessen komplexe Geschichte ermöglicht werden. Sie zeigt die enge Wechselwirkung zwischen kulturellen Werten und naturräumlichen Gegebenheiten, die beide stark interagieren und kaum zu trennen sind. Auf den Ausflügen soll das sinnliche Lernen, das handlungsorientierte Entdecken dominieren, es soll die Herausbildung der kollektiven und individuellen Interessen stimulieren. Die Ausflüge haben eine persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernden Bedeutung. Die besondere Atmosphäre und die Gelegenheiten des Kommunizierens bei Ausflügen begünstigen die Persönlichkeitsbildung und festigen die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern. Wenn die individuellen (entwicklungspsychologischen) Eigenschaften der Altersgruppe berücksichtigt werden und die Planung der Reise den Bedürfnissen der Schüler entgegenkommt (d.h. keine Über- oder Unterforderung durch das Programm), kann schon sehr früh ein touristisches Interesse geweckt werden; man kann dies durchaus als ein Element des heimlichen Lehrplan sehen. Zahlreiche Forscher betonen, dass möglichst abwechslungsreiche Formen der Freizeitgestaltung in allen Altersgruppen unentbehrlich sind (Giesecke 1965, Schmidt 1990, Szőllős 2005). Die Erfahrungen der Freizeit wirken auf andere Lebensbereiche zurück und begründen auch die Gewohnheiten, die sich im Erwachsenenalter herausbilden. Das betrifft auch die Wertigkeit, die einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung zugeschrieben wird. Um zu einem anspruchsvollen Touristen zu werden, ist die Unterstützung von verschiedenen Sozialisationsräumen nötig. Die in der Kindheit und in der Jugend gewonnenen touristischen Erlebnisse, die Ansprüche des harten oder sanften Touristen der Zukunft begründen die Bedeutung des touristischen Erlebnisses im Erwachsenenalter (vgl. Szőllős 2005). Neben der Schule und schulischen Ausflügen spielen Reisetätigkeiten innerhalb der Familie eine bedeutsame Rolle.
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Harter Tourismus Massentourismus Festes Programm Außengelenkt Importierter Lebensstil Sehenswürdigkeiten Bequem und passiv Wenig oder gar keine geistige Vorbereitung auf das besuchte Land Keine Fremdsprache Überlegenheitsgefühl Laut
Sanfter Tourismus Einzel-, Familien und Freundesreisen Spontane Entscheidungen Innengelenkt Landesüblicher Lebensstil Erlebnisse Anstrengend und aktiv Vorhergehende Beschäftigung mit dem besuchten Land Sprachen lernen Lernfreude Leise
(Vgl. Jungk 1980, S 155)
Schulische Reisen und Ausflüge können einen Beitrag zur nachhaltigen Pädagogik liefern. Pädagogische Reisen haben neben dem Erlebnischarakter auch eine kulturerhaltende und ökonomische Funktion. Neben dem Kennenlernen der Umgebung und den kulturellen Besonderheiten bieten sie Einheimischen die Möglichkeit, ihre ökonomischen Lebensumstände durch Einnahmen aus dem Tourismus zu verbessern. Daneben unterstützen diverse Förderprogramme das informelle Lernen bei Reisen und Auslandsaufenthalten auch nach der schulischen Ausbildung, beispielsweise während des Studiums oder während der beruflichen Ausbildung. Besonders die so erworbenen sprachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten können später eingesetzt werden (vgl. Richard und Wilson 2005).
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IN DER
F REIZEIT
Das informelle Lernen kann sich auch in der Freizeit, zum Beispiel durch die Teilnahme am Tourismus realisieren. In einer früheren Arbeit habe ich auf die Möglichkeiten des Reisens bei der Kompetenzerweiterung, Wissensaneignung sowie Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen aufmerksam gemacht (vgl. Simándi 2012). Da der Tourismus in der Regel
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in der Freizeit stattfindet, wurde die Aufmerksamkeit auf die Erweiterung des Erfahrungshorizonts im informellen Bereich gelegt. Hier geht es um die Frage, wie schulisch organisierte Reisen den Kompetenzaufbau (Wissenskomponente) und die Persönlichkeit Heranwachsender (17-18-jährige) fördern und stärken kann. Es wurde versucht, typische Merkmale von touristischen und schulzentrierten Reisen zu erstellen: Schüler obligatorisch Abschlüssen und Qualifikationen Selbstverwirklichung formal erzwungene Rücksicht
Teilnahme Motivation
Kategorie des Lernens Reaktion im Falle von Langeweile
Besucher/Touristen fakultativ Zeitverbringung, Selbstverwirklichung, Interesse nicht-formal, informal Entspannung
(Vgl. Simándi 2012, S. 109)
Untersucht man die Unterschiede zwischen den Aneignungsformen bei touristischen und schulzentrierten Reisen, fällt zuerst auf, dass formales Lernen einem strengen Zeitrhythmus folgt und die zu lernenden kognitiven Inhalte in Form von Lerninhalten vorgegeben sind. Zudem sind formale Lernsettings hochgradig strukturiert und organisiert. Informelles Lernen trägt einerseits zur Persönlichkeitsentwicklung bei und bietet andererseits reichhaltige Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs (fachliche, soziale, methodische Kompetenzen). Diese Form des Lernens ist nicht notwendigerweise bewusst oder beabsichtigt (vgl. Komenczi 2001). Aufgrund unserer Ergebnisse können wir feststellen, dass das Verbringen der Sommerferien mit Reisen die Möglichkeiten des Kompetenzaufbaus ermöglicht, zum Beispiel das bessere Kennenlernen von Freunden, Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Selbstständigkeit (vgl. Simándi 2012). Die Qualität des Gelernten hängt jedoch stark von der Schulart ab; so war der Kompetenzzuwachs bei Gymnasiasten am größten, am geringsten waren die Effekte bei Fachschülern. Da für die Vorbereitung einer Reise Wissen und Fertigkeiten benötigt werden, scheint die Vorbildung eine entscheidende Rolle zu spielen. Da die
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meisten Schüler die Informationen über ihre Reisen aus dem Internet bezogen haben, ist davon auszugehen, dass die Schüler in unterschiedlichen Schularten nicht über die gleichen Kompetenzen bei der Informationsbeschaffung und Verarbeitung verfügten, was zumindest teilweise die Unterschiede zwischen den Schülern erklärt (vgl. Forray und Juhász 2008).
Z USAMMENFASSUNG Wissensinhalte werden aus unterschiedlichen Quellen gespeist. Neben dem formalen Aneigungsmöglichkeiten spielen informelle Lerngelegenheiten eine herausragende Rolle (vgl. u.a. Csoma 2003; Böhm, Schenk, Wiesner 2011). Das bedeutet, dass die Rolle der informell erworbenen Kompetenzen nicht zu unterschätzen ist (vgl. Forray und Juhász 2008). In der Regel ist sich der Lernende nicht bewusst, dass Lernprozesse stattfinden. Dies ist besonders der Fall in nicht strukturierten und nicht organisierten Umgebungen, wie beispielsweise der Freizeit. In diesem Sinne kann man durchaus von lebenslangem Lernen sprechen (vgl. Komenczi 2001). Es muss daher auch eine Aufgabe der Schule sein, diese bisher vernachlässigten Lernmöglichkeiten jenseits des Unterrichts mehr zu berücksichtigen, da von diesem heimlichen Lehrplan starke Lern- und Sozialisationsimpulse ausgehen.
L ITERATUR Böhm, J./Schenk, K./Wiesner, G. (2011): Informell und nonformal erworbene Kompetenzen sichtbar machen. Vergleichende Analyse und Lösungsansätze für WeiterbildnerInnen. In: Arnold, R./Pacher, A. (Hrsg.): Lernen im Lebenslauf. Baltmannsweiler. – See more at: http://www.phooe.at/erasmusinternational/research/jan-boehm.html#sthash.W3aY8 eyV.dpuf Bourdieu, Pierre (1978): A társadalmi egyenlőtlenségek újratermelődése. Budapest, Gondolat. Csoma Gyula (2003): A tanulás értelmezése és funkciói. In Mayer József és Singer Péter (szerk.) (2003): A tanulás kora. Budapest, Oktatáskutató Intézet.
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Die Einheitliche Staatliche Prüfung in Russland: Pro und Contra J ULIA K OINOVA -Z ÖLLNER /O LGA D ONETSKAYA /I NNA G OLOVANOVA
Im Sommersemester 2014 wurde die Frage, inwieweit Lehrer kreativ sein sollten, im Seminar des Moduls „Handlungsfelder der Erziehungswissenschaft― (TU Dresden) heftig diskutiert. Anlass dazu war die Bewertung des studentischen Portfolios. Dafür wurde ein Raster entwickelt, in dem Kreativität als ein Kriterium angesehen und mit bis zu drei Punkten honoriert wurde. Die Kontroversen entstanden nicht zuletzt beim Verständnis von „Kreativität―. Eine Meinung dazu war, es sei eine Art von „Bastelei―, was in der akademischen Lehre nicht bewertet sein dürfte und mit dem akademischen Beruf „Lehrer― an sich wenig gemeinsam habe. Im deutsch-russischen Austauschgespräch zum Thema „Lehre an der Universität― tauchte das Thema „Kreativität― ebenfalls auf. Analysiert wurden interaktive Situationen in Seminaren, in denen Kreativität, Originalität und Authentizität seitens der Studierenden erwartet wurden. Weiterhin berichtete man, dass noch vor weniger als zehn Jahren die studentische Auseinandersetzung zum Thema „berühmte Pädagogen in der Geschichte― an der Kazaner Universität (Russland) viel intensiver und emotionaler geführt wurde. Mittels Rollenspiel versetzten sich die Studierenden in eine Zeitepoche hinein, sei es in die griechische Antike in Gestalt von Platon oder Perikles, in die Renaissance in Gestalt von Jean Jacques Rousseau, in die Neuzeit in Gestalt von Jan Amos Comenius oder in die Zeit der Aufklärung in Gestalt von John Locke. Die „Belebung― berühmter Pädagogen sollte von historischen pädagogischen Theorien zur Entwicklung eines pä-
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dagogischen Konzeptes der modernen Schule führen. Bei den Präsentationen gab es eigene thematische Gedichte, Rap-Lieder, Talkshows und andere interessante Vorstellungen. Noch heute erinnert sich diese Kollegin an die „nächtlichen― Gespräche zwischen „Sokrates―, „Platon― und „Aristoteles― als „erwachte― Statuen im historischen Museum. Man bedauerte, dass in den letzten drei bis vier Jahren ähnliche Aufgaben bei den Studenten keine derartige Begeisterung mehr hervorriefen. Die Studierenden verlangen die Konkretisierung der Aufgaben, direkte Instruktion zur Darbietung, konkrete Beispiele für ihre Präsentationen. Als Ergebnis entstehen eine Art von „Serien―- Präsentationen, die sich kaum von einander unterscheiden, weniger „lebendig― sind und mehr formalen Charakter tragen. Die pädagogischen Theorien wurden zwar sachlich aufgelistet, jedoch ohne Emotionalität, ohne Vergleich, ohne Kontroversen, die in jedem pädagogischen Konzept vorkommen. Für die Lehrerausbildung resultierten Fragen wie: „Was versteht man unter Kreativität?―, „Sollte der zukünftige Lehrer kreativ sein?―, „Warum werten gerade Lehramtstudierende Kreativität ab?―. Eine Erklärung dafür ist, dass der Begriff „Kreativität― in der Erziehungswissenschaft erst im 20. Jahrhundert in Gebrauch gekommen ist und aktuell vielfältig interpretiert wird. Im deutschsprachigen Raum verwendete man in diesem Zusammenhang den Begriff des „schöpferischen Denkens―, welcher später auch dem produktiven Denken gleichgesetzt wurde (vgl. Bergius 1968). Dank des amerikanischen Psychologen J.P.Guilford (1950) wird Kreativität als schöpferische Fähigkeit des Denkens verstanden. Er hat Denkaufgaben mit Hilfe der Faktorenanalyse in zwei Klassen eingeteilt (vgl. Guilfort nach Bergius 1968). Die eine Art der Denkaufgaben wird mit konvergentem Denken auf eindeutig vorgeschriebenem Weg mit einer richtigen Antwort gelöst, während für die Lösung der anderen Art mit Hilfe des divergenten Denkens verschiedene Einfälle notwendig sind. Dieser Unterscheidung gemäß wurden vier Grunddimensionen der Kreativität bzw. des divergenten Denkens benannt:
„Originalität― – als Fähigkeit, neue entfernte Assoziationen sowie ungewöhnliche Antworten produzieren zu können, „semantische Flexibilität― – als Fähigkeit, eine Grundeigenschaft vom Objekt auszusondern, und daraus ein neues Verfahren zur Nutzung vorzuschlagen,
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„adaptive Flexibilität― – als Fähigkeit, die Form zu entwickeln, um neue Eigenschaften und Möglichkeiten zu entdecken, „Spontaneität― (Bergius 1968, S. 253ff).
M. Langeveld äußerte sich zum Thema „pädagogische Kreativität― folgendermaßen: „Pädagogisch gesprochen, bedeutet Kreativität: selber jemand sein zu wollen. […] ‚Kreatives Denken‗ bedeutet nun: zwar im Impuls, in Ausrichtung und Ausführung eigenes, aber nach seiner Bedeutung völlig system-wertiges Denken― (Langeveld 1971, S. 310f). Ausgehend davon, dass die erfolgreiche praktische Umsetzung stets ein einmaliges Experiment jedes einzelnen Pädagogen bleibt, hat die Lehrertätigkeit im hohen Maß kreative Dimensionen, die für gelungene pädagogische Tätigkeit unerlässlich sind. Die erste internationale Meinungsumfrage unter Lehrkräften in Europa zu Fragen der Kreativität wurde im Jahre 2009 zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation unternommen (http://www.ejki2009.de/ueber_ das_europaeische_jahr_2009_2.html). Es wurden etwa 10 000 Lehrer aus 32 europäischen Ländern befragt, um festzustellen, in welchem Rahmen und mit welchen Konzepten die Lehrkräfte in Europa Kreativität vermitteln. Die große Mehrheit der Lehrkräfte (95,5 %) zeigte seine Überzeugung darin, dass Kreativität Ergebnis vom kreativen Lernen ist (ebenda). Dabei wurden unter dem Kreativen Lernen Elemente der Neugier, Analyse und Phantasie, gepaart mit kritischem und strategischem Denken gemeint (http://lernwolke.de/2009/12/22/kreative-lehrer-braucht-das-land-und-ict). Vergleicht man die gewonnenen theoretischen sowie soziologischen Ergebnisse zum Thema aus interkultureller Sicht, stellt man gewisse Ähnlichkeiten in Bezug auf die Bedeutsamkeit der Kreativität für pädagogische Berufe fest. Woher kommt dann die Resignation zur Kreativität seitens der Lehramtstudierenden? Der Blick auf die Entwicklung des Bildungswesens zeigt, dass die Einführung einer immer größeren Zahl von Tests die Entwicklung von struktur-funktionalistischem Denken verursachte (Waterkamp 2006, S. 67). Die Umgestaltung des Bildungswesens forderte die Einführung von Bildungsstandards, welche die Erhöhung der Stundenzahl für selbstständiges Lernen, die Einführung von Vergleichsarbeiten bedeutet und andere statistische Formen der Leistungsmessung mit sich bringen. Die gleiche Tendenz ist sowohl an der deutschen als auch an der russischen Universität
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zu beobachten: die Modularisierung der Lehrpläne, die Einführung von Multiple Choice Tests und der Prüfungsmarathon am Ende jedes Semesters. Die Meinung dazu aus studentischer Sicht erhellt folgendes Zitat: „[...] In meiner dreijährigen Studienerfahrung in den Fächern Mathematik und Chemie für das Lehramt entwickelte sich bei mir ein immer stärker werdendes Gefühl der Leistungsmessung. Unabhängig davon, in welchem Modul Leistungen erbracht werden, steht am Ende des Semesters eine Ziffernote fest, die in den meisten Fällen durch einen Test erbracht wurde. [...] Diese Mathematisierung löst bei mir einen inneren Konflikt aus, ob es angemessen ist in der kürzesten Zeit komplettes Wissen adäquat abzurufen und zu bewerten [..].― (Namylslo 2014, S. 7). Definitiv verengt die wachsende Zahl von Leistungsmessungen die akademische Freiheit und erhöht den Leistungsdruck im Studium. In Deutschland wird mittlerweile die Kritik immer lauter: „[...] die enge Ausrichtung der OECD auf standardisierte Tests drohe Lernen in Pedanterie zu verwandeln und Freude am Lernen zu beenden.― (http://www.welt.de/debatte/kommentare/article128042954/Macht-endlich-Schluss-mit-der-PisaTesteritis.html). Weil Russland 2003 dem Bologna-Abkommen beitrat, fand die Erneuerung des Bildungswesens dort ebenfalls statt. Am umstrittensten ist die Einführung der „Einheitlichen Staatlichen Prüfung―. Damit sind die Abschlussprüfungen in der Schule gemeint, welche zugleich als Aufnahmeprüfungen für die Hochschule gelten. Staatliche Prüfungen sollte unter anderem das Ziel verfolgen, das Hochschulzulassungsverfahren zu modernisieren und gegen die Korruption an den Hochschulen vorzugehen sowie den Kindern aus materiell schlechter gestellten Familien die Möglichkeit zu eröffnen, an angesehenen hauptstädtischen Universitäten zu studieren. Die Prüfungen in Form von schriftlichen Tests werden in den Schulen am Wohnort abgelegt und von einer unabhängigen Kommission begutachtet. Die Bewerbungen zum Studium werden per Post und an mehrere Hochschulen zugleich geschickt. Der Abiturient kann dann zu Hause auf eine mögliche Aufnahmebestätigung warten. Zum ersten Mal wurde das Einheitsexamen probeweise im Jahre 2001 in fünf Regionen Russlands eingeführt. Die Abiturienten durften sich zwischen der Abschlussprüfung und der Einheitlichen Staatlichen Prüfung entscheiden. Schon im Jahre 2006 waren es 16 Regionen. Mit jedem Jahr stieg dann die Zahl, der an die Reform der Abiturprüfungen angeschlossenen
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Regionen von Russland. Als Pro-Argumente wurden weiterhin die Schaffung von Zugänglichkeit der akademischen Ausbildung, Kontinuität beim Übergang von der Allgemeinbildung zur Berufausbildung, sowie die staatliche Steuerung der Bildungsqualität genannt. Seit dem Jahr 2009 ist die Einheitliche Staatliche Prüfung obligatorisch für alle Abiturienten in allen Regionen von Russland geworden, ungeachtet der wachsenden Abneigung sowohl der Öffentlichkeit als auch der Vertreter der pädagogischen Wissenschaft und der Bildungseinrichtungen. Besonders große Abneigung gab es seitens der Hochschulen, weil trotz dem früheren zentralistischen Charakter des russischen Bildungssystems die Hochschulen in vielen Fragen selbständige Entscheidungen treffen durften, zum Beispiel in Fragen der Regelung verwaltungstechnischer, akademischer und inneruniversitärer Angelegenheiten, und der Fragen des Hochschulzulassungsverfahrens. Im Namen des Rektorenrates von Moskau gab der Rektor der Moskauer Staatlichen Technischen Baumann-Universität, I. Fjodorow, deswegen folgendes Statement ab: „[...] Wir stehen nach wie vor negativ zu den einheitlichen Prüfungen. Die Hochschule muss selbst entscheiden können, wen sie auf Grund der Ergebnisse der Staatlichen Einheitsprüfungen und wen sie auf Grund der Wettbewerbsprüfungen aufnimmt.― (http://russlandonline.ru/ rupol0010/morenews.php?iditem=2462). Damit kritisierten die Hochschulen eine Einschränkung ihrer Rechte, aber nicht nur. Als gefährlich bewertete der Rektor der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität, V. Sadownitschij, die Einführung der Einheitlichen Staatlichen Prüfung mit der Begründung: „[...] Auf diese Weise können wir talentierte junge Menschen verlieren. [...] In einigen Jahren werden sich die Schulen nur auf die Vorbereitung auf die einheitlichen Prüfungen orientieren. Auf diese Weise werden wir die Einstellung der Kinder zur Beschäftigung mit den Wissenschaften ändern und ihnen das Denken abgewöhnen.― (ebda.). Als „Anachronismus― bezeichnete M. Tchoshanov, russisch-amerikanischer Professor der Universität Texas in El Paso, die Einführung der Einheitlichen Staatlichen Prüfung (http://kazanjournal.ru/component/k2/itemlist/search?searchword= %D1%87%D0%BE%D1%88%D0%B0%D0%BD%D0%BE%D0%B2). Im Interview teilte er mit, dass aktuell das amerikanische Bildungssystem die mathematische Schulbildung zu Gunsten der Entwicklung des Verstehendes Lernens reorganisiert. Er bedauerte, dass die Lehrerschaft in Russland das schulische Lernen zur Vorbereitung für die Einheitsprüfung minimiert und dass die Folgen der Minderung von Bildungsqualität in Russland, dazu
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zählte er das Verstehende Lernen und das mathematische Denken, schon heute nicht zu übersehen sind. Er illustrierte dies mit Beispielen aus seinen komparatistischen Studien aus den Jahren 1994-1995 und aktuellen Ergebnissen aus den Einheitsprüfungen. Die mathematische Aufgabe aus seiner Studie „Der Hirt beschützte mit seinen 5 Hunden die Herde von 125 Scharfen. Wie alt ist der Hirt?― wurde von etwa 70% aller befragten Schüler in Russland als unlösbar wegen Mangel der Daten bezeichnet. Dabei versuchten etwa 75% der amerikanischen Schüler die Aufgabe zu lösen: 125:5=25. Also der Hirt ist 25 Jahre alt.― (http://fulbright.state.gov/uploads/80/52/ 8052426b30e4a3b1e628bfccfd8bbaab/2010-Fulbright-fact-sheet.pdf). Schon aber im Jahre 2011 konnten etwa 30% der russischen Abiturienten die einfache Mathematikaufgabe nicht mehr lösen: „Wie hoch ist die Energierechnung für Monat Januar, wenn am 01.01. der Zähler 88.742 kW und am 01.02. – 88.940 kW zeigte. Ein kW kostet dabei 3,5 Rubel.― (http://kazanjournal.ru/component/k2/itemlist/search?searchword=%D1%8 7%D0%BE%D1%88%D0%B0%D0%BD%D0%BE%D0%B2). Hier wurden die Schwächen bei Aufgaben, die ein qualitatives Verständnis der Sachverhalte, Nutzung mathematischer Kenntnisse und Fähigkeiten in Situationen des Alltagslebens verlangen, deutlich. Seit ihrer Einführung bekam die Einheitliche Staatliche Prüfung als ein Hochschulzulassungsverfahren hohe Priorität in der Hochschulreformdebatte. Die Ergebnisse der Einheitsprüfung, welche als Noten für Zulassung und Gestaltung des offenen Zugangs zum Studium gelten sollten, geraten in die Kritik wegen der organisatorischen Seite der Prüfungsgestaltung und der inhaltlichen Analyse der Prüfung wie z.B. fehlerhaften Aufgaben. Im Jahre 2011 wurden die unkorrekten Aufgabeformulierungen für die Abiturprüfung im Fach Deutsch in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Mitarbeiter vom Goehte-Institut stellten orthografische, grammatikalische sowie lexikalische Fehler in den Aufgaben und den Lösungen dieser Einheitsprüfung fest, nachdem die Mitarbeiter einige wenige ausgewählte Aufgaben geprüft hatten. Kritisiert wurden dabei Sprachgebrauch, veraltete Lexik, unkorrekte Formulierungen und direkt übersetzte Ausdrücke aus dem Russischen, welche es im Deutschen nicht gibt (http://www.kommersant.ru/Doc/1620334). Bekannt sind Fälle, wo Computer die Prüfungsarbeiten falsch bearbeitet hatten und die Mitglieder der unabhängigen Kommission den Abiturienten nicht helfen konnten. Sogar Lehrer bemängelten falsche Formulierungen bei den Aufgaben. Im Ergebnis erreichte bei den Einheitlichen Staatsprü-
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fungen nur ein Schüler von je 10 000 die höchste Punktwertung. Zu wenig, wenn man bedenkt, dass die Prüfungen nicht selten Schicksale von jungen Menschen entscheiden. Um institutioneller Unfairness zu entgehen, wurden von Abiturienten mehrere Tricks entwickelt. Im Jahre 2011 musste in der Moskauer Schule Nr. 264 mitten in der Abiturprüfungen (=Einheitsprüfungen) die Polizei gerufen werden. Es wurden mehrere Studenten verhaftet, die anstelle von Schülern das Mathematikexamen absolviert haben (http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten_artikel,-Nachhilfe-beim-russi schen-Abitur-_arid,137254_print,1.html). Im Artikel wurde über weitere korrupte „Fälle― in anderen Regionen berichtet, wo Lehrer und/oder andere Beamte den Abiturienten bei der Lösung der Aufgaben zu helfen versuchten. Bekannt sind die aktuell entstandenen Webseiten „Kontakte―, die gegen Geld ihre Leistungen anbieten, Mathematikaufgaben zu lösen. Die Schüler fotografierten Prüfungsaufgaben per Handy und mailten diese an die „Selbsthilfegruppe―, die dann die Lösungen ins Internet stellte. Laut Angaben im Artikel vom 16.06.2011 nutzten mehr als 150 000 von 800 000 Abiturienten diese Webseite (ebenda). Dies zeugt von Kontrolle und Druck. Wo die einen die Prüfung als Mittel sehen, die russische Korruption bei den Zulassungen zum Studium zu unterbinden und die Chancengleichheit für alle zu erhöhen, betrachten die anderen darin ein breites Feld für Missbrauch. Weder Durchführungsobjektivität, noch Auswertungs- sowie Interpretationsobjektivität wurden erreicht, was in Medien bemängelt wurde. Laut der aktuellen Befragung von Golodez sind 66% der Russen gegen die Einheitsprüfung und nur 15% dafür (htpp://itar-tass.com/obschestvo/ 1323583 vom 12.09.2014). Vergleicht man dabei die Daten zum Alter der Befragten, so gehören zu den Befürwortern die Bürger, die unter 30 Jahre alt sind. Zu den Gegnern zählt die Generation zwischen 31 und 60 Jahren. Auf dem ersten Blick könnte diese Tatsache als Konflikt der Generationen bezeichnet werden. Die Interviews mit den russischen Bürgern zeigen aber, dass die Abneigung zur Einheitsprüfung als Frustration auf die Qualität der Bildung heute zu bewerten ist. Die ältere Generation erinnert sich an ihre Schulzeit, in welche sie „bessere Bildung― hätte: mehr Wissen und kostenlos. Laut der Verfassung hat Russland auch heute „kostenlose Bildungsrecht―:„[...] Die grundlegende allgemeine Bildung ist obligatorisch. Die Eltern oder die ihre Stelle einnehmende Personen müssen sicherstellen, dass die Kinder in den Genuss der grundlegenden allgemeinen Bildung gelangen...― (Auszug aus der Russischen Verfassung, Artikel 67e). Weil es nicht
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um Schulpflicht geht, wie z.B. in Deutschland, können die Eltern die Institution und Art der Schulbildung selbst wählen. Die russischen Schulbehörden überwachen die russischen Heimschüler nach festgelegten Richtlinien, demzufolge ist die individuelle Bildung ohne Schulbesuch in Russland möglich. Aktuell entscheiden sich immer mehr Familien für den Hausunterricht oder schicken ihre Kinder regulär zum Nachhilfeunterricht. Schule als soziale Institution erlebt in Russland Misstrauen. Die Eltern-Befürworter für den Hausunterricht sind der Meinung, dass das Kind zu Hause vor in der Schule vorhandener psychischer und physischer Gewalt geschützt sei. Insgesamt sei der Unterricht streng, theoretisch und bereitete mangelhaft zur Einheitsprüfung (Aufnahmeprüfung zum Studium) vor. Als Reaktion auf die unüberhörbare Kritik wurde die Hochschulautonomie in Fragen der Aufnahmeverfahren gestärkt. Aktuell hat jede Hochschule ein eigenes Aufnahmeverfahren, geleitet von einer jeden Sommer neu gebildeten Aufnahmekommission.1 Insgesamt sind folgende Auswahlverfahren zu unterscheiden:
die schon lange vorhandenen fach- oder hochschulspezifischen Auswahlverfahren in den Fachgebieten wie Kunst, Musik, Sport, in denen neben den üblichen Schulabschlussnoten eine besondere Eignung – „Talentproben― für das gewählte Studienfach nachzuweisen sind; die Ergebnisse der Einheitlichen Staatlichen Prüfung als Zulassung bei offenem Zugang; die mehrstufigen Auswahlverfahren für die Studiengänge, in denen die Zahl der Bewerber über die Ausbildungskapazitäten hinausgeht; die speziellen Auswahlverfahren beim Hochschulzugang für besondere Personen, zum Beispiel für die Gewinner der staatlichen Facholympiaden. Damit ist die Frage nach einem neu geregelten Hochschulzulassungsverfahrens in Russland nicht abgeschlossen.
Das Verteilungsverfahren für Studienplätze in russischen Universitäten ist für Außerseiter zu kompliziert, um darüber schnell im Klaren zu sein. Es bestehen u.a. Unterschiede, wenn es um das Auswahlverfahren für kostenlose oder kostenpflichtige Studienplätze geht. Von den Universitäten wur-
1
Die Aufnahmeprüfungen werden in Russland nur einmal im Sommer angeboten.
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den bislang in den meisten Verfahren nur studienspezifische und weniger berufsspezifische Anforderungen formuliert. Trotz der Kritik besteht die Regierung auf der Einheitsprüfung, weil sie damit auch weitere strategische Ziele verfolgt:
Entwicklung des Systems für Bildungsmonitoring; Einführung von kompetenzorientierten Bildungsstands; Einführung von Profilbildung in der Sekundarstufe 1; Steigerung der gesellschaftlichen Beteiligung in Bildungspolitik auf der nationalen Ebene2.
Inzwischen sind die Ergebnisse der Einheitsprüfung zum Messinstrument der russischen Bildungsqualität geworden. Nach dem „Matrjoschka―- Prinzip wurden unterschiedliche Bildungsaufgaben mit den Daten aus der Einheitsprüfung, als Instrument der Qualitätssicherung, verknüpft. Ein Ziel von Einheitsprüfung auf bildungspolitischer Ebene ist die Überprüfung, ob die in den Bildungsstandards formulierten Kompetenzen von Schülern nach der schulischen Bildung beherrscht werden. Gleichzeitig sollte dies zu einer evidenzbasierten Bildungspolitik führen, welche eine Datenbasis benötigt. Die Ergebnisse der Einheitsprüfung wurden demzufolge als Messinstrument von Schulen genutzt, weil die Schülerleistungsdaten verglichen werden. Die Schulleitung nutzt die Ergebnisse der Einheitsprüfung als Evaluationsinstrument der Lehrertätigkeit mit der Begründung, dass die zentrale Einheitliche Staatliche Prüfung eine unabhängige und normorientierte, d.h. nicht nur am eigenen Klassendurchschnitt orientierte Vergleichsmöglichkeit bietet. Letztendlich soll die Einheitsprüfung noch diagnostische Informationen auf Individualebene liefern, was eigentlich als primäre Funktion gedacht wurde. Sie sollte den Schülern und den Eltern eine Bewertung über die Qualität der Beherrschung von grundlegenden Kompetenzbereichen geben. Damit stellte man fest, dass das Spektrum, der mit der Einheitsprüfung verknüpften Zielsetzungen, wozu auch die Hochschulzulassung zählt, groß ist und es drängt sich die Frage auf, ob alle diese Zielsetzungen realistisch zu erfüllen sind.
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htpp://ciced.ru/docs/publications/V.%20Bolotov.%20Opit%20Rossii%20v%oblasti% 20ocenki%20obrazovatelnih%20dostizheniy%20shkolnikov.pdf vom 23.09.2014
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In der Tat fand in Russland noch vor dem Jahr 2000 kein öffentliches Bildungsmonitoring statt. Auch die Methodik des Bildungsmonitorings war bis zu diesem Zeitpunkt weder großen Teilen der pädagogischen Wissenschaft noch den politischen Bildungsstrukturen bekannt. Die erste Information darüber kam aus den USA nach Russland. Russland bemühte sich, die Zeit der Stagnation und internationalen Isolierung im Bildungsbereich zu überwinden und sich an die westliche Bildungsgemeinschaft anzuschließen. Immerhin galt das russische Bildungssystem innerhalb des Ostblocks in den 50er Jahren, nach dem Sputnikschock, als ein der besten Bildungssysteme der Welt. Seit dem Jahre 1999 wurden die zentralen Zielsetzungen der russischen Bildungspolitik auf die internationale Konkurrenzfähigkeit gerichtet. Die Ergebnisse der Studien PISA im Jahre 2000 und TIMSS in den Jahren 1998 und 2003 gaben einen weiteren Ausschlag für die Entwicklung vom System des Bildungsmonitorings. Es entstanden vielfältige neue Kooperationsbeziehungen sowie ein internationaler Gedanken -und Personenaustausch, nicht zuletzt aus finanziellen Mitteln ausländischer internationaler Programme. Seit 2002 unterstützt die russische Regierung die Reformierung ihres Bildungswesens. Nicht zu übersehen sind die positiven Folgen der Reformierung der Bildung in Russland:
Die Öffnung der Schule und der Hochschule gegenüber Innovationen, Die Einführung von Computertechnologien, Die Entwicklung von interaktiven Didaktiken und Einführung von interaktivem Unterricht, Die Ausstattung von Schulen mit Computern, Die Entwicklung des Systems der thematischen Weiterbildung für Lehrer „lebendiges Lernen―, „Aktivierende Lehrmethoden― usw.
Fazit: Es gibt sowohl Contra- als auch Pro-Argumente für die Einführung der Einheitlichen Staatlichen Prüfung. Zurück zum Ausgangsthema dieses Beitrages lässt sich noch eine neue besorgniserregende Tendenz in Fragen der Bildungsentwicklung festzustellen: Quantität statt Qualität. Die Einführung der Einheitlichen Staatlichen Prüfung in Russland zielte insgesamt auf die Verbesserung des Hochschulzulassungsverfahrens, die Anhebung der Bildungsqualität, erreichte aber einen „gewissen― Absturz, trotz der relativ stabilisierten Leistungsmessungen bei den internationalen Studien. Das Phänomen ist, angesichts des internationalen Austausches, nicht typisch
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russisch. International gesehen weisen die Hochschulen ein gemeinsames Phänomen auf: Verlust der Kreativität und des divergenten Denkens bei der Mehrheit der Studierenden, trotz der staatlichen Bemühungen, das Bildungssystem zu modernisieren.
L ITERATUR Bergius, R.: Analyse der „Begabung―: Die Bedingungen des intelligenten Verhaltens. In: Roth, H. (Hrsg.) Begabung und Lernen. Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission, Band 4, Ernst Klett Verlag Stuttgart, 1968/1974, S.229-268 Guilfordt, J.P.: Creativity. In: American Psychologist, Sep.1950, Vol.5 (9), S.444-454 Koinova-Zöllner, J.: Die Entwicklung des Bildungswesens in Russland, Reihe: Bildung in internationaler Perspektive, Arbeitspapiere 30, Verlag SFPS, Dresden, 2003 Langeveld, M.J.: Erziehungskunde und Wirklichkeit. Studien und Gedanken zur Theorie und Praxis der Erziehung. G. Westermann Verlag, Braunschweig, 1971 Namyslo, K.: „Leistungsbeurteilung im Chemieunterricht―, BachelorArbeit im Fach Bildungswissenschaften, Lehramtsbezogener Studiengang Allgemeine Schulen TU Dresden, 2014 Waterkamp, D.: Vergleichende Erziehungswissenschaft, ein Lehrbuch, Waxmann Verlag GmbH, 2006 Internetquellen Umfrage bei Lehrkräften in Europa: http://www.ejki2009.de/ueber_das_europaeische_jahr_2009_2.html/ – 28.08.2014
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Lernwolke. Neue Medien im Schulunterricht. http://lernwolke.de/2009/12/22/kreative-lehrer-braucht-das-land-undict.html16.09.2014 Macht endlich Schluss mit der Pisa-Testeritis! http://www.welt.de/debatte/kommentare/article128042954/Machtendlich-Schluss-mit-der-Pisa-Testeritis.html vom 28.09.2014 Bildungsreform: Experten suchen nach Kompromissen, Archiv, vom 24.10.2014, http://russlandonline.ru/rupol0010/morenews.php?iditem=2462 vom 27.09.2014 http://fulbright.state.gov/uploads/80/52/8052426b30e4a3b1e628bfccfd8bba ab/2010-Fulbright-fact-sheet.pdf Что дают инвестиции в человеческий капитал. Журнал „Казань―, № 10, 2012 http://kazanjournal.ru/component/k2/itemlist/search?searchword=%D1%87 %D0%BE%D1%88%D0%B0%D0%BD%D0%BE%D0%B2 vom 25.08.2014 Scholl, S.: Nachhilfe beim russischen Abitur. Massenhafter Betrug überschattet in diesem Jahr das russische Einheitsabitur: Aufgaben stehen im Internet, Prüfer verteilen Antworten.- 16.06.2011 http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten_artikel,-Nachhilfe-beimrussischen-Abitur-_arid,137254_print,1.html - 26.09.2014 Давыдова, А., Черных, А., Иваницкая, А.: http://www.kommersant. ru/Doc/1620334- Zeitung "Коммерсантъ" vom 13.04.2011 Голодец, О.: В 2015 году начнѐтся внедрение дифференцированной системы ЕГЭ. htpp://itar-tass.com/obschestvo/1323583 - 12.09.2014 Болотов, В., Ковалѐва, Г.: Опыт России в области оценки образова тельных достижений школьников. htpp://ciced.ru/docs/publications/V.%20Bolotov.%20Opit%20Rossii%2 0v%oblasti%20ocenki%20obrazovatelnih%20dostizheniy%20shkolnik ov.pdf vom 23.09.2014 „Основные результаты― аналитического отчета „Результаты единого государственного экзамена (июнь 2002 года)― In: /Documents/Результаты-единого-государственного %20экзамена %202002.html
Beispiele für gelungene pädagogische Praxis
Teaching and Learning Transformative Processes I RMA B ARBAKADZE /J AN B ÖHM /N INO S OZASHVILI
T HEORETICAL
REFLECTIONS
Learning and teaching (in the form of demonstrating) are phenomena that belong to the basic configuration of human life; they exist independently of and prior to any theoretical reflection about it (see Gadamer 1960). Any facts that are dealt with scientifically are always already in existence (a priori) and continue to exist (a posteriori), even if they become manifested subjects of scholarly research or of entire scientific disciplines. Everybody who engages in scientific reflection on certain items, particularly in education, has to make himself/herselve aware of this simple fact again and again. The fact that such phenomena are being reflected on also without scientific background is evident. So-called subjective theories influence our perception and give us direction in everyday life. It is therefore hardly surprising that subjective theories themselves stimulate scientific reflections. It must be noted that comparisons of subjective theories – so-called pretheoretical suppositions – are not placed in a hierarchy of scientific theories. Both types of theory have their place and are related to each other. The efficacy of subjective theories of educators has been confirmed again and again: it can be demonstrated that the perception and explanation of certain phenomena, such as teaching, learning, conflict resolution, role expectation, evaluation and communication, are rather guided by subjective assumptions than by scientific theories, which were emphasized in their education. Now
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this could be interpreted as a declaration of bankruptcy of scientific educational training, which, however, would miss the target. Georgia's education system, as well as the education in foreign countries, is experiencing significant changes. These changes are related to the necessity of overcoming the obstacles that exist in the rate of constantly growing new knowledge flow and traditional learning. A new field of pedagogy – the Innovative pedagogy exists in developing and empirical investigation condition the modern Georgia. Our focus is oriented on the problem of creation of pedagogical innovation, its use and implementation. It is necessary to develop not only the theoretical part of it but also the negative factors must be taken into consideration and be analyzed. There are two types of innovative phenomena which need analyzing: Theoretical Pedagogical Innovation and Innovative Pedagogical Practices (training, education, training, etc.). Currently, in Georgia, the focus comes on the state‘s policy of structure modernization and on the content of education; its management; solving the problems related to the professionalization of teaching staff. Analyzing the ongoing processes in current education system suggests that the orientation on the innovative activities would be the best way to respond the reforms in education and the implementation of positive changes. This approach is most relevant for higher education institutions because it is the supportive source for the implementation of modern methods. Obviously, for the implementation of these processes the higher education institutions should have the necessary competencies in the innovative filed, namely the ability to create new knowledge. As known, Georgia is postsoviet country, and it is necessary to meet the new standards for the integration with the Western education system. Scientific studies never replace or supplant subjective theories, but, in the best case, enter a productive symbiosis; they can contribute to reflecting on and understanding one‘s own assumptions and thereby making them available to change. Therefore, it is pedagogically sensible to address this tension between scientific and subjective theory, and thereby making pedagogical reflection accessible. For this reason, I bring forward the argument that, only after a practical experience in the field of education has been made, a scientific theory-oriented education should follow. This turns conventional education theory upside down: normally a well-grounded scientific education is required first, followed only afterward by cautious experi-
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AND
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ences in practical areas. In doing so, however, a clear leading role of scientific theories before the practice is assumed; in addition, subjective theories that are always present, are ignored or simply negated. Consequentially, a valuable source of pedagogical knowledge is underrated, and regretfully also often discredited. The awareness and reflection of one's own subjective theories have to, however, be an integral part of any educational discussion of pedagogy and learning, should they not pass by reality.
P RACTICAL I MPLEMENTATION The idea of allowing educational experiences without previous scientific education was tested in the winter school program ―Modern Teaching Methods‖ at the Telavi State University. The participants in the winter school program were students from different disciplines; none, however, had studied educational sciences. The participants were thus highly heterogeneous with respect to their educational training, but homogeneous with respect to their scientific inexperience in relationship to educational sciences. As stated above, the participants had practical experiences in the field of teaching, as well as in learning anyway. The topics of the winter school program, learning in the 21st century, new methods in teaching, theories of teaching and learning, teaching simulation, etc., provided participants with an opportunity to acquire new areas of knowledge and at the same time combined them with, and respectively reflect on, their previously-made everyday experiences. In particular, the methodological approaches of all presentations can be summarized in terms of the theory of science of, and the more recent educational science school of thinking of Constructivism. Constructivism in its educational orientation is like no other theoretical presupposition capable of thinking about learning and teaching together, thus generating a highly subjective point of view of learning as the appropriation of the world and the making sense of the world around us. The following principles of constructivist-driven didactics can be found in and were used in many variations as part of the winter school program:
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subject orientation connecting to the previous experiences of the participants change of social structures large share of social work structures (team work, project work) generative topics action orientation regular feedback reflexivity (see Siebert 2008; Arnold/Tutor 2007)
The principles and methods that have been referred to were supported by a focus on new media in the teaching-learning process. It was found that the above-mentioned constructivist features can be reinforced through the use of web-based and electronic media. This leads to a double learning output: on the one hand, their own learning processes are supported and encouraged, on the other hand, through the use of new teaching and learning technologies, "media competence" is an automatic benefit. Thus, the use of these technologies is not only a question of learned content, but also one of media competence. The observation of the activities of the participants during the summer school confirms for a large part the assumptions of constructivism: Participants preferred collaborative learning environments. Discussions were particularly intense when they could be connected to one‘s own experiences. The discussions and learning outcomes often related to future areas of occupation or problem areas, which supports the assumption that the relationship between learning contents plays an important motivational role in learning. Content incentives by the lecturers are assimilated and are interpreted in a constructive and critical discussion process and further developed based on individual formulation of questions. This does not result in a passive reception of the presented content, but in an active acquisition and processing process. Through the reflected experience that constructs knowledge, confidence is developed by the participants that learning is not a causal product of teaching, but always a personal achievement of the learner, which can, however, be initiated and supported by stimulation and motivation by the
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teacher. Thus, the new role of the teacher as a learning consultant, expert and co-learner has become clear and can be reflected upon. As already mentioned above, in February 2014, ―Teaching Innovative Methodology‖, Winter School project funded by the Ministry of Education and Science of Georgia was successfully implemented at Telavi State University. The goal of the Winter School was to raise awareness of the target group for the usage of modern methods and the information-communication technologies to the advantage of the learning process. In our opinion, the general education is the foundation of education system. The quality of education depends on the qualification of teachers employed. It is important that the winter school unified the qualified experts and students who worked on the recommendation of the course syllabus, and the syllabus - ―Teaching Innovative Methodology‖ was created based on the experience gained at the winter school. Winter School program included the lecture courses and the lessonsimulations as well, in order to illustrate the practical usage of the gained information. The summery of the project success is illustrated in the following assessment of Contrasting Teaching and learning Methods.
P ERSPECTIVE Overall, it was found that the use of subjective theories about learning and teaching connected to the previous experiences of the learner and that thereby a high level of intrinsic motivation was generated. In addition, the interaction with other subjective theories of classmates as well as the examination of scientific theories motivated to high reflexivity, which is hardly found in university courses of education studies. The interaction of the participants with theoretical assumptions of and models of pedagogy and their own experiences generated a productive tension, that makes continuing related learning very probable. It was also clear that the forms of appropriation are heterogeneous: both formal (courses, seminars) and also informal learning (e.g. the Internet) were used to generate further knowledge. Especially the use of new IC- technology makes it clear that the importance of informal learning (see EU Commission 2003) continues to grow and can be supported by targeted use of new media during the course of studies.
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Advanced courses or degree programs should connected to the experiences of the winter school program; this means that students should gain practical experiences in the field of practice before the theoretical participation in educational sciences and psychology of learning. In the scientific part of education, value to be placed on making these experiences independent objects of pedagogical reflection.
R EFERENCES Arnold, R./Gomez/Tutor, C.(2007): Grundlinien einer Ermöglichungsdidaktik. Augsburg. EU Commission (2003): A Memorandum on Lifelong Learning. URL: http://www.bologna-berlin2003.de/pdf/MemorandumEng.pdf Gadamer, H.-G. (1960): Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen. Siebert, H. (2008): Konstruktivistisch lehren und lernen. Augsburg.
EPTE-Programme: Cross-national Teacher Education R OSWITHA S TÜTZ „It can be said that internationalisation of education is inevitable as the advancement of knowledge and understanding is a global enterprise that has no borders.― KNIGHT, J./DE WIT, H. (1995), P.13
D EVELOPMENT
OF
EPTE
Teaching and studying across borders in teacher education has started to move from the fringe of institutional interest to a central challenge at the PH OÖ. The objective is to go beyond international activities which already have gained a certain established tradition such as mobility programmes for students and staff and to offer new innovative approaches that foster the internationalisation of the teaching and learning processes in the curriculum itself. First steps have been made some years ago by starting to internationalise some small bits of the curriculum in the course of a module titled „Teaching across borders― offered for outgoing and incoming students. The internationalisation strategies embrace two objectives: fostering the exchange and understanding between different educational realities of HEIs located in other countries and making staff and students participate in an international and intercultural study and research community. Yet, it appears that the internationalisation of the PH OÖ is driven by a preoccupation of major interest: do the different measures taken in the field of internationali-
202 | S TÜTZ
sation have a sustainable impact on individual students and staff as well as on the institution as a whole? Do the results of projects elaborated with international partners find their role and space in the national curricula as envisaged by the EU policy? It cannot be denied that structural obstacles often hinder their implementation on a long-term basis, which raises questions about the efforts. As Michael Fullan remarked: ―Good ideas with no ideas on how to implement them are wasted ideas.‖ (Fullan quoted by Scott, 2003). This article, however, presents a programme that has the potential to contribute in a significant way to the quality of education and research for the benefit of the students and teachers. The Pädagogische Hochschule OÖ has been involved for several years in the implementation of an original Erasmus Curriculum Development Project, which has resulted in a 60 ECTS points study programme for future primary school teachers. There is no doubt that such an involvement also presents a lot of challenges when carrying out such a study programme year after year in cooperation with the partner universities. I shall revert to these challenges after having detailed the main issues concerning the development of said study programme. Seven European partner HEIs were involved in the development of EPTE (European Primary Teacher Education) over a period of two years from 2009 to 2011:
Hogeschool van Arnhem en Nijmegen, the Netherlands Escola Superior de Educação do Instituto Politécnico do Porto, Portugal Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Linz, Austria Unywersitet Marii Curie-Skłodowskiej, Lublin, Poland Univerzity Konštantína Filozofa v Nitre, Nitra, Slovak Republic Univerza v Ljubljani, Pedagoška fakulteta, Ljubljana, Slovenia Umeå Universitet, School of Education, Umeå, Sweden
Several principles have served as guidelines for the construction of this European curriculum. From the very beginning of this cooperation, the challenge was to gain – in long debates – a common understanding of what is to be seen as ―good education‖, ―European education‖ and ―European teachers‖. There was a common agreement among all partners that EPTE‘s overarching principles, the respect of human rights, diversity and inclusiveness,
EPTE-P ROGRAMME : CROSS - NATIONAL T EACHER E DUCATION | 203
should be reflected in education; furthermore, that the EPTE curriculum should strongly support the idea of democracy and a European identity based on a sense of solidarity and interdependency and should promote the ―European dimension in education‖, as already postulated by the Treaty of Maastricht in article 126.1, being the core of European policies. Thus, the concept of EPTE promotes this ―European dimension‖ in several ways: on the one hand the students participating in EPTE are supposed to be internationally mixed, 3-4 students being sent from each involved partner institution. This should then allow the EPTE students to experience intensive academic and cultural contrast. On the other hand each module is taught by a team of internationally mixed experts, each of them applying different teaching approaches according to their educational and cultural backgrounds. Additionally, the original 60 ECTS (=two semesters) programme was supposed to include two mobilities for the students, who would study at another consortium‘s university each semester. Unfortunately, as the EU-rules for funding mobility did not allow a double mobility to two different universities, it was decided to reduce the programme to one semester taking place once a year at one of the universities involved in the development process. The universities‘ senate or study board had to ratify the EPTE study programme in order to make sure that the home institutions would recognize the students‘ performances after their return. The two partner universities in Poland and Sweden, however, decided for internal reasons not to bind themselves to this commitment and to quit the consortium instead. The five remaining universities in Austria, the Netherlands, Portugal, Slovakia, and Slovenia started to implement the EPTE study programme for the first time in winter term 2012 at the University of Ljubjlana in Slovenia. The following year, it was decided to carry out EPTE during summer term only, due to the differences in the academic calendar of each university. In the meantime, EPTE has taken place at the Pädagogische Hochschule OÖ, Austria, and at Constantine the Philosopher University in Nitra, SK. In summer term 2016, it will take place at the Escola Superior de Educação do Instituto Politécnico do Porto, Portugal. The study programme comprises 6 modules of 5 credits each and covers the following areas:
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Society, Culture and Education Plurilingual and Intercultural Education Environment and Sustainable Development Mathematics Arts Pedagogy and Didactics
School practice as well as a local language course, complete these five modules, which are composed to one-third of contact hours and to two thirds of students‘ self study.
F RAMEWORK
OF
EPTE
Concerning the organisational framework of EPTE, one of the major advantages is the fact that EPTE provides a complete programme of 30 ECTS in English as a package for future primary school teacher students. There is no necessity to search among the courses offered at the receiving university in order to establish a list of courses for the learning agreement, which would meet (often only partly) the expectations and recognition of the home university. All partner universities have acknowledged EPTE, a precondition that guarantees the full recognition after the students‘ return. Furthermore, as the receiving institution prepares the schedule, students do not any longer have to put efforts into establishing their individual timetable. Compared to the individuel Erasmus students EPTE students are very much guided and obliged to fulfil the whole programme and normally cannot skip a lesson or a module at a whim. It is often experienced that the Erasmus students decrease their workload compared to their studies at the home institution, which in most cases is ―translated‖ into an increase in various leisure time activities. (cf. Tsoukalas 2008, p.133). Studying abroad for the EPTE students, however, means to have a semester on and not a semester off. (cf. Vande Berg, Paige, Hemming Lou 2012, p.7). Of course, the EPTE students also benefit from being in an international community with students from very diverse national backgrounds, which is important for European integration. But at the same time, EPTE also facilitates the interaction with local students due to the fact that the receiving institution‘s own students also participate in this programme. Needless to say
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that because of this fact, the EPTE programme contributes to the internationalisation at home. Students who are not mobile may nevertheless take part in this international programme, which can be seen as an interesting alternative to student mobility. ―Without denying that the combination of local and international students in the lecture room can make a significant contribution to internationalisation, simply having international students is not sufficient. Unfortunately, countless examples can be given of programmes that are oriented exclusively toward international students or where international student are being added as an isolated group‖ (de Wit 2012, p. 6). Internationally mixed group work as a principal social working form fosters the interaction between all EPTE students, the local students included. Hence, EPTE students do not experience their study period on the margins of the host society by forming a compact international group without any contact to local students. Mixed teacher teams contribute to achieve the objective to enhance the international character of EPTE and to intensify its European dimension. Three teachers coming from different countries, using the EU-funding of teacher staff mobility, intervene in each module.
T EACHING IN THE
INTERNATIONAL SETTING OF PERSONAL AND PROFESSIONAL CHALLENGES
EPTE:
Working as a teacher in an internationalised environment requires specific or additional competences, which only recently have been discussed in the context of internationalisation at home (cf. Beelen, J., De Wit, H. (ed), 2012):. First of all I must highlight the importance of languages. This does not only concern the high demands in English language skills for being able to teach in that language in the multilingual setting of international student groups: ―Proficiency in English is de facto part of any international strategy for learners, teachers and institutions‖. (EU Communication, 2013.) The expected competences cover also didactic and intercultural competences, knowledge about different educational systems including different learning and teaching styles and the capacity to embed one‘s own subject in an international context (cf. Van der Werf, 2012, p.102-103). Taking over the responsible role as a teacher in EPTE definitively also requires a strong commitment and an open-minded attitude. The teaching
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staff is not only expected to teach to internationally diverse groups of students: working in EPTE requires them to feel responsible for the success of the programme and to undertake a much wider variety of activities. The quality of the whole programme depends enormously on the quality of the teachers and their commitment. Every year it is essential to coordinate the content and learning outcomes among the module‘s colleagues, and to agree on a common type of assessment, in case if there having been changes in the teams, the objective being to establish a logical progression within the modules as well as among the modules. The lecturers are expected to counsel and supervise domestic and international students in preparation for and during the programme and last but not least they are also in charge of the regular update of the module‘s bibliography and content. All these tasks are based on maintaining collaborative relations with all partner teachers as well as with the students. All in all, those who are engaged in EPTE need to be highly committed, both personally and professionally. They need to be openminded and interested in international academic life. ―Academic staff have a role to play both as discipline experts and, in an affective way, as genuine cosmopolitan role models (Sanderson, 2011, p.662). Permanent contact with and coordination among the partners and a student-centred teaching approach, which is taking into consideration the diversity of the international student group, reflects the double responsibility of the EPTE teachers. To structure the coordination of EPTE clear role definitions have been elaborated. In each module there is one teacher responsible for the coordination within the module as well as for the contact with the coordinators of the other modules. The receiving institution fully takes over the planning of the programme schedule respecting the constraints imposed by the curriculum and availability of the teachers. The overall coordination of the whole programme lies in the hands of the steering group, which consists of one or two representatives of each institution. This group meets once a year, to address challenges, which have emerged during the EPTE semester, to design the framework for the following one and to take together decisions about modifications with the objective of improving the programme.
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EPTE
STUDENTS EVALUATE THEIR STUDY EXPERIENCE Each receiving institution has conducted an evaluation of the EPTE programme run at their institution with their own instruments. With the exception of the PH OÖ in Linz questionnaires with quantitative and qualitative questions have been used, covering topics such as the organisation, the teaching and learning process in the modules, the assessment system used and the school-practice. During the first run of the programme in Slovenia, the steering committee performed a SWOT analyse. At the PH OÖ, I opted for an interview with all participants together based on questions referring to the topics mentioned above. As the local coordinator at PH OÖ and also teacher in one of the modules I had developed quite an intensive confidential relationship with the students, which seemed to me a good precondition for a fruitful dialogue about how EPTE was experienced and perceived. In this part I will content myself with summarising the most essential issues, which have been raised in the questionnaires or discussion, and which finally served and will serve the steering committee as guidelines for optimising the programme. Concerning the motivation to participate in EPTE, the students highlighted on the one hand the fact that their home institutions would recognise all credits and on the other that the programme represented a coherent package of modules for primary student teachers and was thus apparently more specific than other Erasmus study programmes. The local students emphasised particularly the fact that they had got a chance to study in an international setting in spite of staying at their home institution. They could experience at home how it is to study ―abroad with abroad made more an integrative part of at home‖ (de Wit, lecture in Vienna, 2014). With regard to the organisation of content and schedule the major challenge for the receiving institution is to distribute the face to face hours evenly on the whole semester. However, as is frequently the case, the guest teachers benefiting from the Erasmus+ exchange programme are only available for one week, which has an impact on the schedule. Sometimes it was not even possible to avoid intensive weeks with two guest lecturers at the same time, which resulted in approximately 30 contact hours in one week, far too much according to the students. The complexity of the organisation of the schedule is without doubt an important challenge. The coor-
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dinator at the receiving institution has not only to cope with time constraints on behalf of the guest teachers but also to respect the progression among the modules. Concerning the teaching and learning processes the students expressed their opinions about ―what is taught and learnt‖ and ―how it is taught and learnt‖ in EPTE. As one student put it: ―EPTE was a good mixture of different topics and scientific disciplines. When I look back at it now, there were a lot of contents we dealt with‖ (Sarah, written communication, June 2015). Additionally, the students also very much appreciated the fact that they had teachers from different countries, which for them brought in different perspectives on the content as well as relevant issues from the society the teachers came from. This is a crucial point in EPTE: The teachers‘ contributions as well as those of the students create a fantastic exchange forum about educational topics that arise in the different societies. Apparently some students expected to get even more insight in countries‘ specific educational challenges as the following quotation shows: ―Even though we could have gone more into detail […]. As in Slovakia (as well as in many other European countries) the problem of Antiziganism is very urgent we could have read something on this topic from scientific approach. It‘s history, it‘s constructions, […]‖ (Sarah, written communication, June 2015). Thus, the EPTE study programme embraces several objectives, in fact. It should underline local, regional, national and international priorities in education. In general, the students shared the impression that compared with non EPTE Erasmus students at the institution, they had learnt very much in the course of EPTE: an impression that is strengthened by the fact that learning about the ―others‖, was very much supported by making the students work on given tasks in internationally mixed groups or pairs when appropriate. Nevertheless, according to EPTE students, there is still potential in broadening the students‘ horizon and fostering also the development of their intercultural knowledge and competences by offering more space for discussions in the whole community. ―They will need many opportunities to interact with each other and share knowledge, ideas and theories from multiple contexts, to explore each other‘s and their own culture, conceptual systems and values […] Students can benefit greatly from working together in culturally mixed small groups but the benefits derived are to a large extent
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dependent on the nature of the tasks that they are set, the support they receive prior to and during the task and the rewards they receive for making the effort‖ (Briguglio, 2006, quoted from Leaks, 2012, p.78). One of the major challenges is apparently – according to the students‘ feedback – the coordination of assessment tasks, which needs a closer cooperation among the teachers in order to avoid similar tasks or too many small tasks per module. Each receiving institution has so far also established an online working space, so that lecturers and students can put their material and tasks on it. However, in the future it will be necessary to create a platform, which additionally supports all the coordination work required among the teachers. It would not only facilitate the dialogue between the lecturers and the students, but also among the lecturers themselves, in so fare as the teachers‘ team is always slightly changing from one year to another.
EPTE
IN THE FUTURE
The students‘ and teachers‘ feedback has made its way into the strategic planning of EPTE for the next years. At a first step the steering committee envisages a closer cooperation and coordination among teachers and students concerning content and assessment assignments. In the future internationally mixed student groups of three students will have to present one project work connecting two EPTE modules. The students will get the same grade for the two modules combined in the project and for the other modules according to the defined assessment in the module. The guidelines for the project work as well as the criteria for the assessment will be presented to the students at the beginning of the teaching period. Special cooperative ateliers provided in the schedule for the students will facilitate the development of tasks in internationally mixed students groups. Thus, the EPTE program demonstrates once more the importance of equipping all students with the knowledge, skills and attitudes required to ensure success in an international setting in the future. The teachers for their part will be a decisive catalyst in assisting their students to realise an interdisciplinary task. They shall serve as an example for such an interdisciplinary approach by introducing small parts of interdisciplinary phases, if possible through international team-teaching, which
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will probably instigate intensive reflection and discussion among the teachers themselves and thus stimulate thinking on what and how to teach. This sits well with the objective of making EPTE an enriching experience for teachers, too. There is no doubt that the teachers have to benefit, both on a personal and a professional level, from their efforts for EPTE. Answers must be found to the following questions such as: How is it possible to integrate the teachers‘ experiences in their daily professional lives? Do they discuss their work with their colleagues? How is it possible to connect the students‘ and their own learning experiences with the home study? Do they feel supported by their institution of origin? I agree completely with Lemke (2012) who points out that ―the way lecturers make sense of the process [of internationalisation, added by author] highly affects their commitment.‖ As a consequence for the future, EPTE will go beyond the mere coordination and teaching activity. Research activities concerning EPTE itself will be undertaken, conferences about internationalisation processes will help to disseminate information as to the further development of EPTE. The study programme will be also accessible to other teacher education institutions interested in contributing to this international curriculum and teaching. As a further step the curriculum in general will be revisited with the objective of preparing students for the heterogeneous educational reality that is increasingly influenced by international and global migration in a better way. Interdisciplinary approaches and concepts about inclusive education as well as CLIL will become an integrative part of every module. As can be seen, the whole project of EPTE is not carved in stone. Research on EPTE‘s impact on students and lecturers based on quantitative and qualitative evaluation shall justify future modifications and hence contribute to the improvement of the study programme. According to the IAU Global Survey (2014), among the internationalisation activities, outgoing mobility (29%) and international research collaboration (24%) are top-ranked, followed by efforts to strengthen the international content of curricula (14.5%) (Egron-Polak/Hudson, 2014). EPTE, under the condition that the different aspects mentioned above be implemented on a regular basis, has a great potential to mark a milestone in the internationalisation of the involved institutions as a whole.
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R EFERENCES De Wit, H. : Internationalisation of Higher Education. Nine misconceptions. In: Beelen, J., De Wit, H. (ed.) (2012): Internationalisation Revisited: New Dimensions in the Internationalisation of Higher Education. Centre for Applied Research on Economics and Management. Amsterdam. Egron-Polak, E/Hudson, R.: Internationalization of Higher Education: Growing expectations, fundamental values. IAU 4th Global Survey (2014). [http://www.iau-aiu.net/sites/all/files/IAU-4th-GLOBALSURVEY-EXECUTIVE-SUMMARY.pdf] (retrieved: 15th June 2015) EU Communication (2013): [http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ TXT/?uri=CELEX:52013DC0499] (retrieved: 3rd of July 2015) Knight, J. and de Wit, H.: Strategies for internationalisation of higher education: historical and conceptual perspectives. In de Wit, H. (eds.) (1995). Strategies for internationalisation of higher education: a Comparative Study of Australia, Canada, Europe and the United States of America. Amsterdam: European Association for International Education (EAIE) in cooperation with the Programme on Institutional Management in Higher Education (IMHE) of the Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) and the Association of International Education Administrators (AIEA), pp. 5-32. Leaks, B.: Taking a holistic approach to Internationalization. Connecting the Institutional Policy with Every Day Reality of Student Life. In: Beelen, J., De Wit, H. (eds) (2012): Internationalisation Revisited: New Dimensions in the Internationalisation of Higher Education. Centre for Applied Research on Economics and Management. Amsterdam. Lemke, L.: Sensemaking and Internationalisation. How do Lecturers make sens of Internationalisation at the School of Economics and Management? In: Beelen, J./de Wit, H. (eds.) (2012): Internationalisation revisited: New Dimensions in the Internationalisation of Higher Education. Centre for Applied Research on Economics and Management. Amsterdam. Sanderson, G.: Internationalisation and teaching in higher education. In: Higher Education Research and Development (2011), Vol.30, N° 5, Oct. 2011, pp. 661-676.
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Scott, G. (2003): Effective change management in higher education. EDUCAUSE Review, 38(6), 64-80. Tsoukala, Ioannis (2008): The double life of Erasmus Students, in: Byram, Mike/Dervin, Fred (ed.): Students, staff and academic mobility in higher education, pp.115-130. Vande Berg, Michael/Paige R. Michael/Hemming Lou Kris (2012): Student learning abroad. Paradigms and Assumptions, in: Vande Berg, Michael/Paige, Michael R./Hemming Lou, Kris (Ed.) : Student learning abroad. What our Students are learning, what they‘re not, and what we can do about it, pp. 3-28. Van der Werf, Els: Internationalisation Strategies and The Development of Competent Teaching Staff. In: Beelen, J./de Wit, H. (eds.) (2012): Internationalisation revisited: New Dimensions in the Internationalisation of Higher Education. Centre for Applied Research on Economics and Management. Amsterdam.
Autorinnen und Autoren
Barbakadze, Irma, PhD, Associate Professor of Education Management/Administration at the East European University Tbilisi, Georgia. Böhm, Jan, PhD, Professor of Comparative Education and Education System Development at the University of Education Upper Austria. Donetskaya, Olga, PhD, Federal University of Kazan. Head of the Cen-
ter for German Education, Science and Culture. Golovanova, Inna, PhD, Federal University of Kazan. Institut of Psy-
chology and Education. Janíková, Věra, PhD, Professor of German Language and Literature at the Masary-University Brno, Czeck Republik. Jordan, Kathy-Anne, Ed.D., Associate Professor of Special Education at Mercy College, New York, USA. Koinova-Zöllner, Julia, PhD, Scientist at the Technical University of Dresden, Germany. Simándi, Szilvia, PhD, Professor of Adult Education at the Eszterházy Károly College, Eger, Hungary.
214 | V IELFALT IN
DER
B ILDUNG
Sozashvili, Nino, PhD, Professor of Cultural Anthropology, Folklore and Education at the Telavi State University, Georgia. Mag. Stütz, Roswitha, Head of the Institute of International Cooperations and Study Programmes at the University of Education Upper Austria. Tazi, Zoila, PhD, Associate Professor of Educational Leadership at Mercy College, New York, USA. Wasmuth, Helge, PhD, Assistant Professor of Childhood Education at Mercy College, New York, USA.
Pädagogik Gregor Schwering, Elisabeth Kampmann Teaching Media Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektiven Dezember 2016, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 24,99 €, ISBN 978-3-8376-3053-4
Monika Jäckle, Bettina Wuttig, Christian Fuchs (Hg.) Handbuch TraumaPädagogik und Schule Juni 2016, ca. 400 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2594-3
Sarah Huch, Martin Lücke (Hg.) Sexuelle Vielfalt im Handlungsfeld Schule Konzepte aus Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik November 2015, 308 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2961-3
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Pädagogik Christin Sager Das aufgeklärte Kind Zur Geschichte der bundesrepublikanischen Sexualaufklärung (1950-2010) Juni 2015, 348 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2950-7
Juliette Wedl, Annette Bartsch (Hg.) Teaching Gender? Zum reflektierten Umgang mit Geschlecht im Schulunterricht und in der Lehramtsausbildung Mai 2015, 564 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2822-7
Tobias Leonhard, Christine Schlickum (Hg.) Wie Lehrer_innen und Schüler_innen im Unterricht miteinander umgehen Wiederentdeckungen jenseits von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung 2014, 208 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2909-5
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