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German Pages 41 [52] Year 1909
Grundriß des
gesamten
deutschen Rechtes in Einzelausgaben von
Plaut
posener.
12. Band.
Uerwaltungsrecht. Zweite und dritte Auflage.
B e r li n 1909. I . Guttentag, Verlagsbuchhandlung. G. m. b. H.
A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
Inhaltsverzeichnis. 1.
A b te ilu n g .
Keichsverirmltungsrecht. § §
1. 2.
Seite
Organe der R eich sv erw allu n g ..................................... . Die Reichsbehörden...................................................................... 1
1
1. Kapitel. D ie R e ic h sä m te r. § § § §
3. Der R eichskanzler..............................................................................2 4. Die R e ic h s ä m te r ..............................................................................3 5. Die Finanzbehörden des Reiches .................................................. 4 6. Die richterlichen R e ic h sb e h ö rd e n ............................................ 5 2. Kapitel. D ie R e ic h s v e rw a llu n g im a llg e m e in e n .
§ § §
7. Die auswärtige V erw altung.............................................................. 6 8. Die Heeresverwaltung . 6 9. Die K rie g sm a rin e ...................................................... 7 3. Kapitel. D ie R e ic h s fin a n z e n .
§ 10. §11. § 12. § 13. § 14. §15. §16. § 17.
Die F in a n z v e r w a ltu n g ...................................................................8 Der R eichshaushaltsetar............................................. 8 D as R eichsverm ögen..................................................... ..... . 8 Die Ausgaben des R e ic h e s ............................................................. 9 Die Z ö lle ........................................................................... 10 Die einzelnen V erb rau c h sste u e rn .................................................11 Die R eichsstem pelabgaben........................................................... 12 Die E rbsch aftsste u e r...................................................................... 13
§ 18.
Die Berwaltungsorganisation der Reichslande . . . . .
A nhang. 13
2. A b te ilu n g . Preußisches U errvaltungsrecht. 1. Kapitel. D ie S t a a t s v e r w a l t u n g . § 19. § 20. §21. § 22. § 23. § 24. § 25. § 26. § 27.
Seite
Die einzelnen Ministerien ......................................................... 14 Die Stellung der M i n i s t e r ......................................................... 14 D as S ta a tsm in iste riu m ...............................................................15 D as Geheime K a b i n e t t ...............................................................15 Der S t a a t s r a t .................................. 15 Die P rov in zialb eh ö rd en ..................................................16 Die Bezirksbehörden.................................. 17 Die K reisbehörden.............................................................18 Die Amtsbezirke.................................................................. 19 2. Kapitel. D ie K o m m u n a lv e r w a ltu n g .
§ 28. § 29. § 30. §31. § 32.
Die S tad tg e m e in d e n ........................ 20 Die L a n d g e m e in d e n ....................................................... 23 Die Gutsbezirke................... 24 Die Kreise......................................................................................... 24 Die P r o v in z e n .............................................................................. 25 3. Kapitel. D ie in n e r e V e rw a ltu n g .
§ § § §
33. 34. 35. 36.
Die Die Die Die
allgemeine Landesverw altung.................................. 26 Organisation der P o l i z e i ....................................... 29 F i n a n z e n .................................................................. 31 Verwaltungsgerichtsbarkeit....................................... 32
Abkürzungen. A = Anfechtungsgesetz. Abs = Absatz. ALR — allgemeines Landrecht (Preußen). Ausf- — Ausführungsgesetz z u ............. B — Bürgerliches Gesetzbuch. B n — Binnenschiffahrtsgesetz. Band — Band des Grundrisses. C — Strafprozeßordnung.
Cod — Codex. D — E — EinsF — Fl =
Digesten. Eisenbahnverkehrsordnung. — Einführungsgesetz z u ............. Reichsgesetz über freiwillige Gerichtsbarkeit. Flößereigesetz. Gr — Gerichtsverfaffungsgesetz. Gb = Ges. beb. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. G n — Genossenschaftsgesetz. G r — Grundbuchordnung. G w — Gewerbeordnung. H = Handelsgesetzbuch. J = Institutionen. JR A = Jüngster Reichsabschied. K — Konkursordnung. KG — Entsch. des Kammergerichtes. MC = Militärstrafgerichtsordnung. MS — Militärstrafgesetzbuch. Nr. — Nummer. P = Patentgesetz. P o = Postgesetz, pr = preußisch. R = Reichsverfaffung. RG — Entscheidungen des Reichsgerichtes. RM G — Entscheidungen des Reichsmilitärgerichtes. ROLG — Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. 8 = Strafgesetzbuch.
SC — senatus consultum.
sc. = saeculum. Ssp — Sachsenspiegel. Sw sp = Schwabenspiegel. U — Urheberrechtsgesetz. V == Verfassung. VI — Verlagsgesetz. V v = Verstchemngsvertragsges etz. vgl. — vergleiche. W — Wechselordnung, w. o. — weiter oben. w. u. — weiter unten. Z — Zivilprozeßordnung. Z g — Z w angsv ersteigerungsges etz. Anfragen und Berichtigungen werden an die Adresse der V erlags buchhandlung oder direkt an den Verfasser Assessor D r. iu r. P a u l Posener in Charlottenburg 2, Bleibtreustraße 18, erbeten.
1. A b le itu n g .
Reichsverwaltnngsrechl. Literatur. A usser den in B and 11 angeführten W erken, w elche neben dem S taatsrech te auch V erw altungsrecht behandeln, sind zu nen n en : G eorg M e y e r V erw altu ngsrecht, 2. Ausl., 2 Bde., 94: — O tto M a y e r L eh r buch ; — dasselbe von E d g a r L o e n i n g ; — v. S t e i n ; — v o n S t e n g e l W ö rterb u ch des deutschen V erw altu n g srech ts; — v. B i t t e r H an d w ö rter buch der preussischen V erw altu n g ; — Adolf A r n d t bei B irkm eyer S. 845f f.; — E rn s t v o n M e i e r bei H oltzendorff Bd. II, 8. 639ff.; — H u e d e G r a i s H an d b u ch der V erfassung und V erw altung, 18. A uflage, 1907; — v o n B r a u c h i t s c h V erw altungsgesetze.
8 1. Die obersten O rgane der Reichsverw altung sind der Kaiser und der Bundesrat. I. Dem Kaiser stehen umfangreiche Berwaltungsbesugnisse zu; so sind ihm namentlich die Neichsämler und Reichsbehörden unterstellt. In sbesondere k an n der K aiser den B elagerungszustand verhängen, d. h. ein en A usnahm ezustand, w enn die öffentliche S icherheit im B undes gebiete b ed ro h t ist, R 68 (K riegszustand). M assgebend für V oraussetzungen, F orm d er V erk ü n d ig u n g und W irk u n g en einer solchen E rk lä r u n g soll ein zu erlassendes R eichsgesetz s e in ; bis dahin gilt, auch für das Reich» das preussische G esetz vom 4. Ju n i 1851 In n erh a lb des D eutschen Reiches bestehen daher zwei M öglichkeiten: 1. D er K aiser k an n T eile des B undesgebietes in K riegszustand erklären. 2. D er L an d esh err eines E inzelstaates kann den B elagerungszustand v erh äng en . D ieses R echt der E inzelstaaten ist ein H oheitsrecht, dessen Bedeutung, als au ssero rdentliche G arantie der B ew äh ru n g der O rdnung, den E in z elstaaten u n b e d in g t verbleiben muss. D er B eg in n und das E nde des B elagerungszustandes w ird durch T rom m elschlag, B ekanntm achung, V erlesung der A u fru h rak te u. a. k en n tlich gem acht. W äh ren d des B elagerungszustandes h errsch t M ilitärg eric h ts barkeit.
II. Der Bundesrat übt die Aufsicht des Reiches über die Einzel staaten in bezug auf die Durchführung der Reichsgesetze aus. I m übrigen stehen dem Bundesrate alle Verwaltungsbefugnisse zu, die nicht einem anderen Organe zugewiesen sind. 8 2. R^ichsbehörde ist eine Behörde, welche vom Reiche zur Wahrnehmung und Durchführung der dem Reiche zustehenden Obliegen heiten eingesetzt wird. I. Die Einsetzung einer Reichsbehörde erfolgt aus Grund eines Reichsgesetzes oder einer Verordnung; handelt es sich um die Einrichtung P o je n e r Grundriß Band 12.
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eines besoldeten Amtes, so ist die etatsrechtliche Zustimmung des Reichs tages erforderlich. II. Die Reichsbehörden sind im allgemeinen Zentralbehörden, da das Reich regelmäßig nur für die Gesetzgebung und die Beaufsichtigung zuständig ist. Nur in denjenigen Fällen, in denen das Reich die Verwaltung selbst wahrnimmt, z. B. bei Post und Telegraphie, bestehen Mittel- und Unter behörden des Reiches.
I I I. Die Reichsbeamten können mittelbar oder unmittelbar im Reichsdienste tätig fein; siehe Band 11. 1. Unmittelbare Reichsbeamte sind diejenigen, welche vom Kaiser oder in dessen Austrage durch eine Reichsbehörde angestellt sind. 2. Mittelbar sind solche Beamte des Reichsdienstes, die von einem Einzelstaate angestellt sind, z. B. die niederen Postbeamten, ferner die Reichsbevollmächtigten zur Kontrolle der indirekten Steuern. Ueber die Stellung der Beamten siehe Band 29.
1. K a p ite l.
Die Reichsämter. § 3. gestellt.
Der Reichskanzler ist an die Spitze der Neichsverwaltung
Das Bundeskanzleramt ist 1867 als eine einheitliche Behörde mit drei Abteilungen: Zentralabteilung, Generalpostamt, Generaltelegraphenamt, eingerichtet worden. Seit 1871 besteht das Reichskanzleramt; später sind einzelne Ressorts abgezweigt worden.
I. 1. 2. 3.
Der Reichskanzler nimmt eine dreifache Stellung ein. Er ist Vorsitzender des Bundesrates. E r ist der einzige verantwortliche Minister des Kaisers. Er ist oberster Beamter der Neichsverwaltung.
Die Reichskanzlei ist ein Organ des Reichskanzlers, welches ihn in der Erledigung seiner Anordnungen zu unterstützen hat.
II. Die Reichsverwaltung untersteht grundsätzlich in allen Ressorts dem Reichskanzler. Grundsätzlich ist zu allen Regierungsakten des Kaisers die Gegenzeichnung des Reichskanzlers erforderlich. Durch das Stellvertretungsgesetz vom 17. März 1878 kann der Kaiser dem Reichskanzler auf dessen Antrag eine Vertretung bestellen, und zwar: 1. für alle Geschäfte (mit Ausnahme der Aufsicht über die Einzelstaaten), sog. Vizekanzler; 2. für bestimmte Ressorts einen besonderen Stellvertreter. Trotz der Stellvertretung kann der Reichskanzler persönlich jede Amtshandlung aus dem Zuständigkeitsbereiche der Vertreter wahrnehmen.
III. I n seiner Stellung als Reichsminister hat der Reichskanzler den Weisungen des Kaisers zu folgen.
§ 4 . N eich säm ter werden die Zentralbehörden der Reichsverwaltung genannt, deren Chefs (Staatssekretäre) mit der Vertretung des Kanzlers betraut sind. I. D a s Reichsamt des In n e rn ist seit 1879 unter dem S ta a ts sekretär des In n e rn für die gesamte innere V erw altung zuständig, soweit nicht ausdrücklich eine andere Behörde für zuständig erklärt worden ist. Das Reichsamt ist in Abteilungen, nämlich eine Zentralabteilung und Abteilungen für wirtschaftliche Angelegenheiten, eingeteilt. Unter dem Staatssekretär sind ein Unterstaatssekretär und drei Direktoren tätig, die an der Spitze der gegenwärtig vier Abteilungen stehen. Vom Reichsamte des Innern ressortieren die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica, die Reichsschulkommission, die Reichs kommissare für das Auswanderungswesen, die technische Kommission für Seeschiffahrt, der Börsenausschuss, das Bundesamt für das Heimatswesen, das Schiffsvermessungsamt, das Oberseeamt, das Statistische Amt, die Normalaichungskommission, das Gesundheitsamt, das Patentamt, das Reichs versicherungsamt, die physikalisch-technische Reichsanstalt, das Kanalamt in Kiel, das Aufsichtsamt für Privatversicherung, die Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft.
Die A usw anderung unterliegt der Kompetenz des Reiches, R 4, N r. 1. Gemäs; dem Reichsgesetze vom 9. J u n i 1897 werden U nter nehmungen, welche Deutschen zur A usw anderung nach fremden Ländern behilflich sind, n u r für bestimmte fremde Länder konzessioniert (S p e zialisierungsprinzip). Die Konzession erteilt der Reichskanzler unter Zustim m ung des B undesrates. A usw anderungsagenten bedürfen der E rlau b n is des Regierungspräsidenten. — Aufsichtsorgane des Reiches über die Abwickelung der A usw anderung sind die Reichskommissare in H am burg und Brem en. Aufsichtsamt für Privatversicherung ist eine durch das Reichsgesetz vom 12. M ai 1901 eingesetzte Behörde unter einem Präsidenten, deren Aufgabe es ist, die privaten Versicherungsgesellschaften von Staatsw egen zu kontrollieren. II. D a s A usw ärtige Amt, unter dem Staatssekretär des A u s wärtigen, hat drei A bteilungen: 1. die politische, zugleich für Personalangelegenheiten und Generalien; 2. die handelspolitische für Handel und Verkehr, Konsulatswesen und A usw anderungsw esen; 3. die R echtabteilung. Unter dem Auswärtigen Amte stehen die Gesandtschaften und Kon sulate, die archäologischen Institute in Rom und Athen, die Prüfungs kommission für das diplomatische Examen.
I I I . D a s Reichsrnarineam t, unter dem Staatssekretär, ist für alle Angelegenheiten zuständig, welche die Einrichtung,. Erhaltung und E n t wickelung der M arine betreffen. Unter dem Reichsmarineamte stehen mehrere Behörden, z. B. die Marinedepotinspektion, die Seewarte in Hamburg, die Werften in Kiel, Wilhelmshaven, Danzig, die Intendanturen sowie das Gouvernement von Kiautschou, vgl. Band 11.
IV . D as Neichsjustizamt, unter dem Staatssekretär, zur Vorbereitung der Reichsjustizgesetzgebung uud Beaufsichtigung ihrer A usführung in den Einzelstaaten. Darunter: das .Reichsgericht und die .Reichsanwaltschaft.
V. D a s Reichspostamt, unter dem Staatssekretär (Generalpostmeister), in vier Abteilungen, nämlich: a) Post, b ) Telegraph, c) gemeinsame V erw altung, d) Personalien und E tat. Darunter: 41 Oberpostdirektionen und die Reichsdruckerei. Bayern und Württemberg sind der Reichspostverwaltung nicht unter stellt; vgl. Band 1 1 .
V I. D as Neichsschatzamt, unter dem Reichsschatzsekretär, in zwei A bteilungen: a) Etat, Reichsschulden, Reichspapiergeld, M ünzwesen; b) Zölle, indirekte S teuern. Vom Reichsschatzamle reff orderen: die Reichshauptkasse, die V er w altung des Reichskriegsschatzes, die Reichsbevollmächtigten und die Stationskontrolleure für die Kontrolle der Zölle und Verbrauchssteuern, das Münzmetalldepot, die Reichsrayonkommission, die Reichsschuldenverwaltung. V II. D as Reichsamt für die V erw altung der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen und Luxemburg, unter dem preußischen M inister der öffentlichen Arbeiten. Darunter: die Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsass-Lothringen.
V I I I . D as Reichseisenbahnamt, unter einem Präsidenten, zur Aus sicht darüber, daß die Eisenbahnverwaltungen der Einzelstaatcn die reichs gesetzlichen Vorschriften befolgen. IX . D a s Reichskolonialamt, unter dem Staatssekretär, zur V er w altung der Schutzgebiete; es ist für die Angelegenheiten der Schutztruppe zuständig, sowie für die Angelegenheiten der kolonialen Gesetzgebung, das Schul- und Münzwesen in den Kolonieen, den B a u von Eisenbahnen, die Anlegung von Wegen sowie die gesamte wirtschaftliche und kulturelle Entwickelung der Schutzgebiete, endlich für die Anstellung der Beamten. § 5 . Manzbrhördrn -rs Reiches sind die Reichsbankbehörden und die selbständigen Reichsfinanzbehörden. I. A ls Reichsbankbehörden fungieren zwei Behörden: 1. D a s Reichsbankdirettorium, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und mehreren M itgliedern; es leitet die Bank und regelt den Geldumlauf. 2. D a s Reichsbankkuratorium, bestehend aus dem Reichskanzler und vier M itgliedern (1 vom Kaiser, 3 vom B undesrate ernannt), hat die Beaufsichtigung der Bankverwaltung. I I . A ls selbständige Reichsfinanzbehörden werden folgende vier B e hörden bezeichnet: 1. Die Reichsschuldenverwaltung ist dem Reichskanzler unterstellt und zuständig für die Geschäfte der V erw altung der Reichsschulden. D a s Am t wird von der preußischen H auptverw altung der Staatsschulden a u s geübt.
D er R eichsschulden Verwaltung steht die A u sfertig u n g der R eichs k assenscheine u n d die F ü h ru n g des R eichsschuldbuches zu ; vgl. B and 7.
2. D ie Verwaltung des Reichsinvalidenfonds ist einer viergliederigen Behörde unterstellt.- den Vorsitzenden ernennt der Kaiser, die drei B e i sitzer wählt der Bundesrat. S ie ist für die A nlage und Verwaltung des Jnvalidensonds zuständig. 3. D ie Reichsschuldenkommission besteht aus je Ü Mitgliedern des B undesrates und des Reichstages und dem Präsidenten des Rechnungs hofes des Deutschen Reiches; den Vorsitz führt der Vorsitzende des Rechnungsausschusses des Bundesrates. Sie h a t die R eich sschuldenverw altung zu beaufsichtigen, den B ank n o te n v e rk e h r und die A usgabe von R eichskassenscheinen zu k o n tro llie re n und ü b er die V erw altung des ak tiv en R eichs Vermögens zu wachen.
4. Der Rechnungshof des Deutschen Reiches prüft die vor den Reichstag gebrachten Rechnungen der Reichsverwaltung. Er ist m it der preußischen Oberrechnungskammer verbunden, ist aber in seiner Tätigkeit von dieser vollständig geschieden. E in stä n d ig e r R echnungshof ex istiert nicht, um das B u d g e trech t des R eichstages n ic h t einzuschränken.
§ 6. Die richterlichen Reichsörhörden sind zwar dienstlich den obersten Reichsbehörden unterstellt, genießen aber in bezug auf Ent scheidungen vollständige richterliche Unabhängigkeit. I. Reichsjustizgerichte sind: das Reichsgericht, die Reichskonsutargerichte, die Gerichte in den Schutzgebieten, das Reichsmilitärgericht. II. Disziplinargerichte des Reiches sind: 1. D ie Disziplinarkammern zur Entscheidung über Dienstvergehen von Reichsbeamten. A usgenom m en von der Z u stän d ig k eit der D isziplinarkam m ern sind die M itglieder des R eichsgerichts, des Bundesam tes fü r das Heim atswesen, des R echnungshofes. F ü r die m ilitärisch en B eam ten bestehen an S telle der D iszip lin ar kam m ern fo lg en d e B e h ö rd en : besondere D isziplinarkam m ern fü r die rich terlich en M ilitärju stizbeam ten und fern er D isziplinarkom m issionen fü r solche M ilitärbeam te, die ausschliesslich u n te r M ilitärbefehlshabern stehen. F ü r die S chutzgebiete is t eine besondere D isziplinarkam m er in B e rlin ein g esetzt w orden.
2. Der Disziplinarhos in Leipzig ist in zweiter und letzter Instanz für alle Disziplinarsachen zuständig, die in erster Instanz vor die D is ziplinarkammern und Diszipliuarkommissionen gehören. D er D isziplinarhos für die rich terlich en M ilitärjustizbeam ten in B erlin ist erste In stan z für die ju ristisch en M itglieder des R e ic h sm ilitär gerich ts, zw eite In stan z in denjenigen Sachen, die in erster In stan z von den D iszip lin ark am m ern fü r die rich terlich en M ilitärjustizbeam ten ent schieden w orden sind. Die D isz ip lin arg erich tsb ark eit über die M itglieder des R eichsgerichtes u n d des B undesam tes fü r das H eim atsw esen w ird vom P lenum dieser B e h ö rd en ausgeübt.
3. B ei den Rechtsanwälten ist erste Instanz der Vorstand der
A nwaltskam m er als Ehrengericht, zweite In stan z der Ehrengerichtshof der Rechtsanwälte, welcher am Reichsgerichte gebildet wird. I I I . Berwaltungsgerichte des Reiches sind: 1. D a s B undesam t für das Heimotswesen für die Streitigkeiten der Landarm enverbände verschiedener Einzelstaaten; siehe B and 11. 2. D a s verstärkte Reichseisenbahnamt besteht aus dem Reichseisen bahnam te und zwei vom Kaiser ernannten richterlichen M itgliedern. Zuständig ist es zur Entscheidung über die rechtliche Begründung der Verfügungen des Reichseisenbahnamtes.
3. D ie Reichsrayonkommission besteht aus einem Vorsitzenden und vier militärischen M itgliedern; sie werden sämtlich vom Kaiser ernannt. Zuständig ist es für endgültige Entscheidungen bei Rekursen gegen Rayonentscheidungen von Festungskommandanten.
4. D a s Oberseeamt. D er Kaiser ernennt den rechtskundigen Vor sitzenden; dieser beruft für jeden F all fünf Beisitzer au s den sechs von den Seeuferstaaten präsentierten Personen; mindestens 3 von diesen 6 müssen schiffahrtskundig sein. Zuständig ist es für die Rekurse gegen Beschlüsse der Seeämter.
5. D a s Patentam t, vgl. Band 28. 6. D a s Reichsversicherungeamt für die Rekurse gegen die E nt scheidungen der Schiedsgerichte der Arbeiterversicherung. 7. D a s Aufsichtsamt für Privatversicherung auf G rund des Reichs gesetzes vom 12. M ai 1901; siehe w. o. S . 3. 2. K a p ite l.
Die KeichsverwaUung im allgemeinen. 8 7. Dir auswärtige Derwaltung des Reiches untersteht dem Reichskanzler bzw. dem A usw ärtigen Amte. I. F ü r die Aufgaben der hohen Politik fungieren die Gesandtschaften des Reiches. Auch die Einzelstaaten üben das aktive und das passive Gesandtschafts recht aus.
I I . D ie wirtschaftlichen Angelegenheiten, daneben auch gewisse Rechtsangelegeuheiten, iverden von den Reichslonsuln wahrgenommen. Konsulate der Einzelstaaten bestehen ausserhalb des Deutschen Reiches nicht, wohl aber Landeskonsulate innerhalb des Reiches. Jbremde Staaten haben Konsulate bei den Einzelstaaten.
§ 8 . D ir H e e re sv e rw a ltu n g ist nicht eine einheitliche Reichs augelegenheit. I n Friedenszeiten besteht kein Reichsheer, denn B ayern, W ürttem berg, Sachsen haben selbständige Kontingente; die übrigen S taaten haben mit Preußen M ilitärkonveniionen abgeschlossen. D as Heer ist ein Kontingentsheer. I . I m Kriege hat der Kaiser den Oberbefehl über alle T ruppen; in Friedenszeilen steht ihm allgemein das Besichtigungsrecht zu; in einzelnen S taaten sind ihm größere Rechte eingeräum t; vgl. B and 11.
II. D as Reich Hai die ausschließliche Gesetzgebung über das Militärwesen. Die Kosten der gesamten Truppenmächte werden aus Keichsmitteln bestritten. Die Friedensstärke wird periodisch durch Reichs gesetz festgelegt. Die Einrichtung des Heeres, die Ausbildung und Bewaffnung sind ein heitlich geregelt; nur für Bayern bestehen gewisse Vorbehalte.
III. D ie allgemeine Wehrpflicht ist im Reiche vollständig durchgeführt; ehe Befreiung besteht nur für den hohen Adel und für die katholischen Geistlichen, welche die Weihe zum Subdiakon empfangen haben; vgl. Band 14. 1. D as Heer ist auf dem Kadersystem aufgebaut. 2. Friedenspräsenzstärke ist ursprünglich das Maximum, seit dem Reichsgesetze vom 3. August 1893 die jährliche Durchschnittsstärke des Heeres. Wird die Friedenspräsenzstärke auf eine Reihe von Jahren fest gestellt, so spricht man von Quinquennat (5 Jahre), Septennat (7 Jahre). — Seit dem Reichsgesetze vom 15. April 1906 ist ein Endtermin überhaupt nicht bestimmt worden; die Friedenspräsenzstärke ist vielmehr auf die Weise festgelegt, dass sie, ohne Einrechnung der Einjahrig-Freiwilligen, allmählich auf 505 839 erhöht werden soll.
§ 9. Die K rieg sm arin e ist ausschließlich Reichssache; Bestand, Ersatz und Jndiensthaltung erfolgen freist reichsgesetzlicher Bestimmung. I. D as Gesetz, betreffend die deutsche Flotte, vom 14. Ju n i 1900 nebst Novelle vom 5. Ju n i 1906 bestimmt folgendes: 1. Die Schlachtflotte besteht aus 2 Flottenflaggschiffen, aus 4 Ge schwadern von je 8 Linienschiffen, aus 8 großen Kreuzern und 24 kleinen Kreuzern. 2. Die Auslandsflotte besteht aus 8 großen Kreuzern und 10 kleinen Kreuzern. 3. Die Materialreserve besteht aus 4 Linienschiffen, 4 großen Kreuzern und 4 kleinen Kreuzern. Es sollen, abgesehen von Schiffsverlust, ersetzt werden : 1. Linienschiffe und grosse Kreuzer nach 20 Jahren, 2. kleine Kreuzer nach 15 Jahren. Es besteht also Aeternat.
II. Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ist der Kaiser: er bestimmt die Einrichtung und die Zusammensetzung der Flotte; er ernennt die Offiziere und die Beamten. Ueber die Indiensthaltung bestimmt das Flottengesetz vom 14. Juni 1900: 1. Die Hochseeflotte (früher: aktive Schlachtflotte) besteht aus dem 1. und 2. Geschwader und wird dauernd in Dienst gehalten. 2. Die Reserveflotte (früher: Reserveschlachtflotte) besteht aus dem 3. und 4. Geschwader; die Hälfte der Reserveflotte wird dauernd in Dienst gehalten. Die Indienststellung ordnet der Kaiser an.
8
1. Abteilung: Reichsverwaltungsrecht.
3. K a p ite l.
Die KeichsfinanM. § 10. Die Kinanzverrvaltung befaßt sich mit den Einnahmen und Ausgaben des Reiches. Damit eine ordnungsmäßige Wirtschaft besteht, wird schon vorher der Etat oder Voranschlag festgestellt, d. h. es werden die mutmaßlichen Beträge der Einnahmen und Ausgaben zueinander ins Verhältnis gebracht und verteilt. I. Die Ausgaben sind teilweise fest bestimmt. II. Die Einnahmen können durch Erhebung von noch größeren Steuern jederzeit vermehrt werden; vgl. Band 27. § 11. D er ReichshaushaU setat wird alljährlich als Anlage zum Etatsgesetze publiziert. D as Rechnungsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März. I. Der Etat enthält die reinen Ausgaben und Einnahmen. II. Die Ausgaben werden im Voranschläge in fortdauernde und einmalige eingeteilt; die einmaligen zerfallen in ordentliche und außer ordentliche. I I I. Der Etat des Deutschen Reiches hat folgendes Schema: L A. Fortdauernde Ausgaben: 1. Reichstag, Reichskanzler, Auswärtiges Amt, Reichsamt des Innern und Reichseisenbahnamt, Reichsjustiz Verwaltung. 2. Reichsschatzamt und Rechnungshof, Reichsschuld. 3. Reichsheer, Marine. 4. Allgemeiner Pensionsfonds. 5. Reichsinvalidenfonds.
I. B. Einmalige Ausgaben, und zwar in zwei Teilen: ordentlicher und außerordentlicher Etat. II. Einnahmen: 1. Zölle und Verbrauchssteuern, Reichsstempelabgaben. 2. Verwaltungen, und zwar: Post und Telegraphie, Reichseisenbahn, Reichsdruckerei usw. B. Matrikularbeiträge. 4. Kaufgelder und Uebersehüsse des Vorjahres, Ausgleichsbeträge. 5. Reichsinvalidenfonds 6. Ausserordentliche Deckungsmittel.
8 12. D as Reichsorrmögen ist Finanzvermögen und Verwaltungs vermögen. I. Finauzvermögen ist das werbende Vermögen des Reiches, welches auf Grund zufälliger Ereignisse erworben worden ist, ohne daß dies aus Gründen des Staatszweckes erforderlich war. Zum Finanzvermögen des Reiches gehören: 1. Die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, welche das Reich für 325 Millionen Franks erworben hat. 2. Der Kriegsschatz im Juliusturm in Spandau, im Betrage von 120 Millionen Mark, für die Zwecke einer Mobilmachung.
3. D er Reichsinvalidenfonds, im B etrage von 561 M illionen M ark, der zunächst für M ilitärpensionen, später für andere Zahlungen verwendet wurde. 4. D ie gewerblichen Betriebe des Reiches, so die Posten und Tele graphen, die Reichsdruckerei, der Deutsche Reichs- und preußische S ta a ts anzeiger, der Anteil des Reiches am Reingewinn der Reichsbank. 5. D ie Betriebsfonds für einzelne Verwaltungen und Anlagen von Kapitalien. II. Verw altungsverm ögen des Reiches ist die Gesamtheit der Ver mögenswerten Gegenstände, deren das Reich zur Erfüllung staatlicher Zwecke bedarf. Massgebend ist das Reichseigentumsgesetz, d. i. das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873.
§ 13. Die Ausgaben -es Kelches beziehen sich auf das Finanzoder auf das Verwaltungsverm ögen. I. Finanzschulden darf das Reich grundsätzlich nur aus G rund be sonderer reichsgesetzlicher Ermächtigung aufnehmen. II. Verwaltungsschulden entstehen an sich durch die laufende V er w altung und ferner dadurch, daß gesetzlich dem Reiche Verpflichtungen zu vermögensrechtlichen Leistungen, z. B . zur Zahlung von Pensionen, auferlegt werden. D aher ist grundsätzlich eine besondere gesetzliche E r mächtigung zur Begründung von Berwaltungsschulden nicht erforderlich. I I I . Gemäß R 73 kann in Fällen eines außerordentlichen B edürf nisses im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe so wie die Uebernahme einer G arantie zu Lasten des Reiches erfolgen, z. B . Anleihen, Schatzanweisungen. IV . Die näheren Bestimmungen über die Deckung der Ausgaben gibt R 70 in der Fassung des Reichsgesetzes vom 14. M a i 1904. 1. Z u r Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst die aus den Zöllen und gemeinsamen Steuern, aus dem Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen sowie au s den übrigen Berwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Einnahm en. 2. Insow eit die Ausgaben durch diese Einnahm en nicht gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der Einzelstaaten (M atrikularbeiträge) nach M aßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche in Höhe des budgetmäßigen Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden. Insow eit diese Beiträge in den Ueberweisungen keine Deckung finden, sind sie den Einzelstaaten am Jahresschlüsse in dem M aße zu erstatten, a ls die übrigen ordentlichen Einnahm en des Reiches dessen Bedarf über steigen. 1. Die Franckensteinsehe Klausel, Reichsgesetz vom 15. Juli 1879, § 8 hat zunächst bestimmt, dass derjenige Ertrag der Zölle und der Tabak steuer, welcher die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahre übersteigt, den Einzelstaaten nach Massgabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den
M atrik u larb eiträg en herangezogen w erden, zu überw eisen sin d ; — hierzu R eichsgesetz vom 24. Mai 1885. A uch d er E rtra g der R eichsstem pelabgaben ist durch das Gesetz vom 1. J u li 1881 den E in zelstaaten überw iesen w orden. Die V erbrauchsabgabe von B ranntw ein u n d die B rennsteuer sind du rch Gesetze von 1887 und 1892 den E in zelstaaten überw iesen worden. 2. D urch das R eichsgesetz vom 14. Mai 1904 ist die U eber Weisung von E in n ah m en aus den Zöllen und aus der T abaksteuer aufgehoben w orden. 3. Das Reichsgesetz vom 3. J u n i 1906 bestim m t, dass, sow eit die M atrik u la rb e iträ g e in einem R echnungsjahre den S ollbetrag der U eberw eisungen m it m ehr als 40 P fen n ig fü r den K opf der B evölkerung übersteigen, die E rh e b u n g des M ehrbetrages für dieses R ech n u n g sjah r ausgesetzt w erden soll. E rg ib t sich m eh r als 40 P fennig, so haben die E inz elstaaten den e ta tsg e se tz lic h festgesetzten, zur D eckung erforderlichen B e tra g n achzu zah len ; ab er die E rh eb u n g dieses B etrages erfo lg t e rst im J u li des d rittfolgenden R echnungsjahres. D em nach sind U eb erw eisungssteuern: die M aischbottichsteuer, die B ran n tw ein m aterialsteu er, ferner diejenigen S tem pelabgaben, welche im S tem p elsteu ertarif u n te r Nr. 1 bis 5 a n g efü h rt sind.
3. Etwaige Überschüsse aus den Vorjahren dienen, insoweit durch das Etatgesetz nichts anderes bestimmt wird, zur Deckung gemeinschaft licher außerordentlicher Ausgaben. V. D a s Gesetz betr. Änderung im Finanzwesen vom 15. J u li 1909 bestimmt, daß die nicht erhobenen Matrikularbeiträge der Einzelstaaten sowie die Fehlbeträge für 1907 und 1908 auf Anleihe zu übernehmen sind. — Für die Tilgung der Reichsanleiüeschuld ist vom 1. April 1911 ab (soweit es sich nicht um werbende Anleihen handelt) l ° / 0 des Schuld kapitals unter Zurechnung der ersparten Zinsen zu verwenden. F e rn e r sind folgende G rundsätze festgestellt: 1. Vom R o h erträg e der E rbschaftssteuer (w. u. § 17) erh ält das R eich 3/*, den E in zelstaaten v erb leib t 2. Die R eineinnahm e der B ran n tw ein steu er (w. u. § 15) w ird den E in zelstaaten überwiesen. 3. Die U nfallversicherungsvorschüsse w erden beseitigt. D ie P ost erhält von jedem T räg er der U nfallversicherung einen B etriebsfonds. 4. D er Z oll auf Kaffee (roh 60 Mk., g eb ran n t 85 Mk.) und Tee (100 Mk fü r den D oppelzentner) w ird erhöht. 5. B eleuchtungsm ittel w erden besteuert (V erpackungszw ang); ebenso w ird ein e Z ündw arensteuer eingeführt. 6. Der Z eitp u n k t der H erabsetzung der Z u ckersteuer (Gesetz vom 19. F ebr. 1908) w ird au f den 1. A pril 1914 festgesetzt (siehe w. u. § 15).
8 14. Die Zölle und Verbrauchssteuern des Reiches haben sich aus den Institutionen des Zollvereines entwickelt, und zwar auf Grund des Zollvereinigungsvertrages vom 8. J u li 1867. L Deutschland bildet gemäß E 33 ein Z oll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. 1. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietsteile. Z ollannexe sind G ebietsteile frem der S taaten , welche dem deutschen Z ollgebiete angeschlossen sind, so L uxem burg, zu P reussen gehörig, fern e r die ö sterreichischen G em einden Ju n g h o lz und M ittelberg, zu B ayern gehörig.
Z ollexklaven sind deutsche G ebietsteile, w elche aus dem deutschen Z o llg eb iete ausgeschlossen sind, so einzelne T eile der badischen K reise K o nstanz u n d W ald sh u t, die H afenanlagen bei G eestem ünde neb st der S chiffsbevölkerung, die In sel H elgoland, ein T eil des E m dener A ussenhafens.
2. Die Hansestädte Bremen und Hamburg sollen gemäß R 34 mit einem dem Zwecke entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze bleiben, bis sie ihren Einschluß beantragen. S eit dem 15. O ktober 1888 sind H am burg und B rem en dem Z ollgebiete g rö sste n teils angeschlossen w o rd e n ; ausgenom m en sind das F re ih afen g eb iet bei H am burg, die H afenanlagen von B rem erhaven u n d der F re i b ezirk am rech ten W eserufer bei Brem en.
2. D a s Reich hat gemäß R 35 ausschließlich die Zollgesetzgebung sowie die Steuergesetzgebung über Salz, Tabak, Branntwein, Bier, Zucker und Sirup. B ayern, W ü rttem b erg und Baden haben R eservate bzgl. B ier- und B ra n n tw e in s te u e r; vgl. B and 11.
II. D ie Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern bleibt gemäß R 36 jedem Einzelstaate, soweit er sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen. § 15. Die einzelnen Verbrauchssteuern des Reiches sind folgende: I. die Salzsteuer auf Grund der Uebereinkunft vom 8. M ai 1867; II. die Zuckersteuer auf Grund des Zuckersteuergesetzes vom 27. M ai 1896 und des Reichsgesetzes vom 6. Januar 1903. A uf G ru n d d er B rüsseler Z uckerkonvention vom 5. März 1902 sind d ie d irek ten und in d ire k te n E x p o rtp räm ien aufgehoben w orden. Die S ig n a ta rm ä c h te h ab en sich v erpflichtet, keine Z uckerpräm ien einzuführen.
III. die Tabaksteuer nach dem Reichsgesetz vom 16. J u li 1879, ab geändert am 5. April 1885. — Hierzu kommt die Zigarettensteuer auf Grund des Gesetzes vom 3. J u n i 1906. Nunmehr gilt die Tabaksteuergesetznovelle vom 15. J u li 1909. 1. D er Z oll b e trä g t (pro D oppelzentner): a) fü r T ab ak b lätter 85 Mk., b) f ü r T abakerzeugnisse von 85—1000 Mk. (bei Z igarren 270 Mk., bei Z ig a re tte n 1000 M k.); Z ig arren u n terlie g en ausserdem einem Z ollzuschlage von 40%. 2. F ü r Z ig a retten (pro 1000 Stück) b e trä g t die nach dem K lein v er k au fspreise abgestufte S teuer von 2 bis 15 Mk.
IV. Die Branntweinsteuer in verschiedenen Steuerformen, geordnet durch die Reichsgesetze vom 24. Ju n i 1887 und vom 7. J u li 1902, mit zwei Reservaten der süddeutschen Staaten. Die d rei F o rm en sin d : 1. eine V erbrauchsabgabe, 2. ein e M aisch b o ttichsteuer bzw . ein Z uschlag zur V erbrauehsabgabe, 3. eine B ren n steu er als .Zuschlag zu r V erbrauchs abgäbe.
Nunmehr gilt das Branntweinsteuergesetz vom 15. J u li 1909. E s w ird erh o b en : 1. eine V erbrauchsabgabe (pro L iter) von 1,05 Mk. bei k o n tin g en tierte m u n d 1,25 Mk. b ei n ich tk o n tin g en tien tem Alkohol.
2. eine Betriebsauflage: bis 40 hl 4,00 Mk., steigend bis 14,00 Mk. (bei über 3000 hl). Der Eingangszoll ist erhöht worden, § 106. Auch die Essigsäure unterliegt einer Verbrauchsabgabe.
V . Die Biersteuer auf G rund des Gesetzes vom 3. J u n i 1906, und zwar a ls Bransteuer und als Vermahlnngssteuer. Zur Biersteuergemeinschaft gehören nicht: Bayern, Württemberg, Baden, Elsass-Lothringen und die Aemter Ostheim, und Königsberg in Franken.
N unm ehr gilt die Brausteuergesetznoveüe vom 15. J u li 1909 (in neuer Fassung bekanntgemacht unterm 21. J u li 1909). Die Steuer beträgt (für jeden Doppelzentner) bis zu 250 Doppel zentnern 14 M k, steigend in Skalen zu 15, 16, 18, 20 Mk.
V I. Die Schaumweinsteuer nach dem Gesetz vom 9. M ai 19 0 2 ; abgeändert durch die Schaumweinsteuergesetznovelle vom 15. J u li 1909. Die Flaschensteuer beträgt 1—3 Mk., der Eingangszoll für den Doppelzentner 180 Mk.
§ 1 6 . D ie R eichsjlem pelabgaben werden erhoben: I. als Spielkartenstempel, Gesetz vom 3. J u li 1878; I I . als Urkundenstempel nach dem Reichsstempelgesetze vom 3. J u n i 1906, abgeändert durch die Reichsstempelgesetznovelle vom 15. J u li 1909, welche (neben den Erhöhungen der bisherigen) Stem pel einführt auf: Schecks (m it A usnahm e der Postschecks), Grundstücksübertragungen, T alon steuer. — Über die Wechselstempelgesetznovelle vom 15. J u li 1909 (welche den Stem pel ausdrücklich auf Blanketts ausdehnt) vgl. B and 7 34. E s bestehen folgende Urkundenstempel: 1. F ü r Wechsel und andere an Order gehenden Zahlungsversprechen; 2. für Aktien, und zw ar alle inländischen und solche ausländischen, die sich im Jn lan d e im Verkehre befinden, ferner Kuxscheine; 3. für inländische, für den Handelsverkehr bestimmte Renten und Schuldverschreibungen, sowie derartige ausländische Wertpapiere im J u landsverkehre; 4. für Schlußnoten über Kaus- und andere Anschaffungsgeschäste ü ber gewisse Wertpapiere und über ausländische Geldsorten und Bank noten.
Dieselbe Steuer heisst Börsensteuer bei derartigen Geschäften, wenn sie nach Börsenusancen über börsenmässig gehandelte Warenmengen ab geschlossen werden.
5. F ü r Lotterielose und für Urkunden über die Teilnahme an öffent lich veranstalteten A usspielungen, z. B. die sog. Lose der Pferde lotterien ; 6. für Frachturkunden; 7. für Personenfahrkarten; 8. für Erlaubniskarten zur F ahrt mit Kraftfahrzeugen zur Personen beförderung; 9. für Ausstellungen über die Vergütungen der Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Gesellschaften m it be schränkter Haftung, sog. Tantiemesteuer.
§ 18. D ie Verwaltungsorganisation der Reichslande. § 1906. I. wegen Todes
17.
13
Die Erbschaftssteuer nach dem Neichsgesetze vom 3. J u n i
Gegenstand der Erbschaftssteuer ist jeder Erwerb von Todes und alle Schenkungen, gleichviel ob unter Lebenden oder von wegen.
Sie beträgt bis zu 20000 Mark 4, 6, 8, 10 Prozent; über 20000 Mark steigt sie progressiv bis zu 25 Prozent.
I I. Befreit sind Abkömmlinge und Ehegatten des Erblassers sowie der Landesherr und seine Gemahlin. Ermässigt ist die Erbschaftssteuer für Zuwendungen an Kirchen, Stiftungen, an solche juristischen Personen, die ausschliesslich kirchliche, milde, gemeinnützige Zwecke verfolgen, sowie für Zuwendungen zu diesen Zwecken überhaupt, wenn sie auch an andere Personen geschehen.
III. Die Erhebung der Erbschaftssteuer erfolgt durch die Erbschafts steuerämter der Einzelstaaten. D ie Neichsbevollmächtigten für Zölle und Steuern üben die Kontrolle aus. Die Einzolstaaten haben das Recht, Zuschläge zu erheben und den Erwerb der Abkömmlinge und Ehegatten zu besteuern.
Anhang. § 1 8 . D ir tim im lim ig so r g m u sn tim t der K richslandr ist solgendermaßen eingerichtet worden. I. D ie Berw allung steht unter einem Ministerium, an der Spitze ein Staatssekretär. Das Ministerium hat vier Abteilungen unter je einem Unterstaats sekretär: Inneres, Justiz und Kultus, Finanzen, Gewerbe und Domänen, Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten. Der Unterricht ist dem Oberschulrate unterstellt.
II. Beratende Behörden sind der S ta atsra t und der Landwirtfchaftsrat. 1. Der S taatsrat begutachtet Gesetzesentwürfe. 2. D er Landwirtschaftsrat dient der Beratung in landwirtschaftlichen Fragen. Einen T eil der M itglieder ernennt der Statthalter, die anderen wählen die landwirtschaftlichen Kreisvereine. I II. D ie Steuerverwaltung wird von der Direktion der direkten Steuern und dem Generaldirektor der indirekten Steuern ausgeübt. IV . D ie Organisation der S'.aatsverw alm ng: 1. D ie Bezirkspräsidenten stehen unmittelbar unter dem M inisterium und sind für die Berw allung der Bezirke zuständig. 2. D ie Kreisdirektoren sind unter dem Bezirkspräsidenten für die Verw altung der einzelnen Kreise bestellt. 3. D ie Lokalverwaltung üben die Bürgermeister in den G e meinden aus. 4. Verwaliungsgerichte sind der Kaiserliche R at für Elsaß-Lothringen unter dem Statthalter, die Bezirksräte unter den Bezirkspräsidenten. 5. Kommunale Organe sind die Bezirkstage, die Kreistage, die G e meinderäte.
2 . Abteilung.
Preußisches Berwaltuvgsrecht. 1. Kapitel.
Die Staatsverwaltung. § 19. Die einzelnen Ministerien. I. Oberste Zentralbehörden für die einzelnen Berwaltungszweige sind die M inisterien; sie sind nach dem Realsysteme organisiert, d. h. jedem Minister ist ein bestimmter Tätig keitskreis zugewiesen. In Preussen ist die Organisation der Ministerien durch das Publikandum vom 16. Dezember 1808 und durch die Verordnung vom 27. Oktober 1810 durchgeführt worden. — Vordem bestand teilweise das Lokalsystem, d. h. cs wurden Minister für Provinzen bestellt, z. B. für die Justiz.
E s gibt Minister ohne Portefeuille, d. h. M inister ohne B erwaltungszw eig, aber mit Sitz und Stim m e im Staatsm inisterium ; so die Staatssekretäre des Reichsm arineam tes und des Inneren und der Reichsschatzsekretär. I I. E s bestehen neun Ministerien (mit Portefeuille): 1. das Ministerium des In n ern , für alle inneren, insbesondere Polizeiangelegenheiten, sowie a ls Stam m m inisterium für alle Angelegen heiten, die nicht anderen Ministerien zugewiesen sind; 2. das Finanzm inisterium ; 3. das Justizministerium; 4. das Ministerium des Ausw ärtigen, für die Beziehungen Preußens zu den Einzelstaaten und zur Kurie sowie für die Instruktion der preußischen Stim m en im Bundesrate; 5. das Kriegsministerium; 6. das M inisterium der geistlichen, Unterrichts- und M edizinal angelegenheilen (K ultusm inisterium ); 7. das Ministerium für Handel und Gewerbe; 8. das Landwirtschaftsministerium, welches auch für Dom änen und Forsten zuständig ist; 9. das Ministerium der öffentlichen Arbeiten, welchem die Eisen bahnen unterstellt sind. Das Ministerium des Königlichen Hauses ist keine Staatsbehörde, sondern ein Hofamt.
III . D ie Einrichtung der M inisterien ist bureaumäßig. § 2 0 . Die Stellung der Minister. Der Minister hat sein Ver waltungsressort zu leiten, bei den Regierungsakten des K önigs durch Gegenzeichnung mitzuwirken und den Weisungen des Königs zu folgen. 1. Der Minister ist befugt, den nachgeordneten Staatsbehörden Weisungen zu erteilen, abgesehen von solchen Behörden, welche in bezug auf den Inhalt ihrer Entscheidungen unabhängig gestellt sind, z. B. die Gerichte.
2. D er M inister h a t die A ufsicht über die S taatsbehörden und S taats beam ten seines Ressorts. 3. D er M inister ist letzte In stan z in den V erw altungssachen seines Ressorts, sow eit n ich t die en d g ü ltig e E ntsch eid u n g einem anderen O rgane zugew iesen ist. 4. N ach d er V ero rd nung vom 24. O ktober 1810 u n terlie g en der v o r h erig en kö n ig lich en Z u stim m ung eine grössere Z ahl w ich tig er m in isterieller A kte. D er M inister h a t a lljä h rlic h dem K önig eine H auptrechenschaft seiner V erw altu n g abzulegen. Ü ber die M inisteranklage s. B and 11 .
§ 21. Das Staatsnnnisterium ist eine kollegiale Behörde, in welcher die Ressortminister und ferner die Minister ohne Portefeuille Sitz und Stimme haben. W en n d er K ö nig p ersö n lich den V orsitz im S taatsm in iste riu m führt, so n e n n t m an die B ehörde K ro n rat. In den anderen S itzu n g en fü h rt d er P rä sid e n t des S taatsm in isterium s, bei dessen V ertretu n g der V izepräsident oder der d ien stälteste M inister den Vorsitz.
I. Die Beschlüsse des Staatsministeriums werden mit Stimmen mehrheit gefaßt. II. D as Staatsministerium hat eine beratende und eine beschließende Kompetenz. 1. Z u r b eraten d en K om petenz des S taatsm inisterium s gehören allge m eine G egenstände und solche, bei denen die R essorts in ein an d erg reifen und eine gem einschaftliche B eratu n g erfo rd erlich ist. Insbesondere gehören h ierh er alle E n tw ü rfe zu neuen G esetzen und allgem einen V erordnungen, die E tatsen tw ü rfe und die V orschläge w egen A n stellu n g von höheren Be am ten im R an g e der R ä te 2. Klasse und darüber. A bw eichende A nsichten zw ischen den einzelnen M inistern entscheidet das S taatsm in isteriu m . 2. Z u r b esch ließ en d en K om petenz des S taatsm inisterium s gehören: die F ü h ru n g d er S taatsgeschäfte bis zur E in setzu n g eines R egenten, d ie Z u stim m ung zu N otverordnungen, die V erhängung des B elagerungs zustandes bei G efangennahm e des K önigs, kom m unale G ren zveränderungen, A uflösung kom m unaler K örperschaften. Das S taatsm inisterium ist höchste In stan z in D iszip lin arsachen der n ich tric h te rlich en Beam ten. E in ig e B ehörden sind u n m itte lb a r dem S taatsm in isteriu m u n te r s te llt; so die P rüfu n g sk o m m ission fü r höhere V erw altungsbeam te, die A nsiedelungs kom m ission fü r W estpreussen un d Posen, das O berverw altungsgericht.
§ 2 2 . D as Geheime Kabinett ist zur Unterstützung des Königs in der persönlichen Ausübung der Negierungstätigkeit eingesetzt; es ist eine Staatsbehörde, aber auch für private Angelegenheiten des Königs be stimmt. E s hat drei Abteilungen: 1. das Zivilkabinett für die Zivil- und Hofsachen, unter dem Ge heimen Kabinettsrat, seit 1810; 2. das Militärkabinett für die Personalien des Heeres, seit 1810; 3. das Marinekabinett, seit 1889. Die M inister holen in laufenden Sachen die E n ts c h lie ß u n g des K önigs d u rch das G eheim e K a b in e tt ein. N ur in gew issen Sachen h alten die M inister dem K önige Im m ed iatv o rträg e.
§ 23. Drr Hlaalsrat ist durch Verordnungen vom 20. M ärz 1817 eingeführt, sodann 1854 und 1884 reorganisiert worden.
Im Staatsrate haben Sitz : die gross jährigen königlichen Prinzen, die Staatsminister, die Chefs des Geheimen Kabinetts und die Feldmarschälle, ferner die in Berlin anwesenden kommandierenden Generäle und Oberpräsidenten, ausserdem solche Personen, welche der König aus besonderem Vertrauen in den Staatsrat beruft. Den Vorsitz führt der König oder der vom König ernannte Präsident resp. Vizepräsident. Die Arbeiten des Plenums werden durch eine engere Versammlung vorbereitet; zu diesem Zwecke ist der Staatsrat in sieben Abteilungen eingeteilt. In beiden werden die Beschlüsse mit Stimmenmehrheit gefasst. Zur Zuständigkeit des Staatsrates gehören Gutachten über alle Gesetze und Verwaltungsnormen, welche der König vor den Staatsrat bringt.
§ 2 4 . Dir Prsvinziatbehör-en. Für die Zwecke der unm ittel baren Staatsverw altung, insbesondere für innere und Finanzver w altung, gliedert sich der preußische S ta a t in Provinzen, R egierungs bezirke und Kreise.
Der Kreis zerfällt für die Zwecke der unteren Verwaltung in Stadtund Landgemeinden und Gutsbezirke. Die Provinzen und die Kreise sind Verwaltungsbezirke und zugleich Kommunalverbände. Die Stadt- und Landgemeinden sind hauptsächlich Kommunalverbände, haben jedoch auch Staatsverwaltungsaufgaben. Die Regierungsbezirke sind (von Ausnahmen abgesehen) ausschliesslich fü: für die Staatsverwaltung bestimmt. Durch die Verordnung vom 30. April 1815 wurde das Gebiet des preussischen Staates in 10 Provinzen geteilt, nämlich: Ostpreussen, Westpreussen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen, Kleve-Berg und Niederrhein. Die Provinzen Ost- und Westpreussen wurden jedoch 1827 zu einer Provinz Preussen, ebenso die Provinzen KleveBerg und Niederrhein als Rheinprovinz vereinigt. 1. In der weiteren Entwickelung stieg die Zahl der Provinzen aas 12, und zwar dadurch, dass nach 1866 drei neue Provinzen, Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nassau, hinzukamen und 1877 die Provinz Preussen wieder in zwei Provinzen, Ost- und Westpreussen, geteilt wurde. Zu Schleswig-Holstein traten 1876 noch das Herzogtum Lauenburg und 1891 Helgoland, zu Hannover 1873 das Jadegebiet hinzu. 2. Keiner Provinz gehören an: Berlin seit der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875, ferner die hohenzollernschen Lande seit 1850.
I. Jede Provinz soll nach der Verordnung vom 30. April 1815 in zivei und mehr Regierungsbezirke geteilt werden. Die hohenzollernschen Lande bilden einen Regierungsbezirk für sich. Die Provinz Hannover hat ihre Landdrosteien als Regierungsbezirke be halten. Die Provinz Schleswig-Holstein bildet nur einen Regierungsbezirk. Die Stadt Berlin gehört zu keinem Regierungsbezirke. Der preussische Staat zerfällt in 38 Regierungsbezirke mit 569 Kreisen, und zwar 86 Stadtkreisen und 483 Landkreisen.
An der Lpitze der Verwaltung einer Provinz steht der Oberpräsident; er ist nicht eine M ittelsperson zwischen dem M inister und der Bezirks regierung, sondern entlastet den Minister, indem er ihn, soweit nicht be sondere Provinzialbehörden (z. B . Generalkommando, Eisenbahndirektion, Provinzialsteuerdirektion) bestehen, für den Bereich der Provinz vertritt. Dem Oberpräsidenten sind ein Oberpräsidialrat, Räte und Hilfsarbeiter beigegeben. Der Oberpräsidialrat ist zugleich Stellvertreter des Ober präsidenten in Verhinderungsfällen.
Der Oberpräsident ist für folgende Angelegenheiten zuständig: 1. Er hat die eigene Verwaltung aller Angelegenheiten, welche die Provinz als solche betreffen oder über den Bereich eines Regierungsbe zirkes hinausgehen. 2. Er hat die Oberaufsicht über die Verwaltungstätigkeit der Bezirks regierungen. 3. Er ist Stellvertreter der obersten Staatsbehörden im besonderen Austrage sowie in außerordentlichen Fällen, z. B. bei Notständen. 4. Er ist Vorsitzender des Provinzialrates und königlicher Kommissar des Provinziallandtages. Für Berlin werden die Geschäfte des Oberpräsidenten und des Pro vinzialrates als erste Instanz vom Oberpräsidenteil von Brandenburg, die Geschäfte des Provinzialrates zweiter Instanz vom Minister des Innern wahrgenommen.
II. Der Provinzialrat besteht aus dem Oberpräsidenten bzw. dessen Stellvertreter als Vorsitzendem, ferner einem von dem Minister des In n ern (auf die Dauer seines Hauptamtes am Sitze des Oberpräsidenten) ernannten höheren Verwaltungsbeamten resp. dessen Stellvertreter und fünf Laien bzw. deren Stellvertretern, welche vom Provinzialausschusse aus der Zahl der zum Provinziallandtage wählbaren Angehörigen der Provinz auf 6 Jahre gewählt werden. In der Provinz Posen bedürfen diese fünf Mitglieder der Bestätigung. Die Beschlüsse des Provinzialrates werden nach Stimmenmehrheit gefasst. — Die Zustimmung des Provinzialrates ist bei den vom Ober präsidenten zu erlassenden Polizei Verordnungen erforderlich. — Der Pro vinzialrat ist Beschwerdeinstanz gegen die vom Bezirksausschuss in erster Instanz gefassten Beschlüsse und in wenigen Fällen Beschlussbehörde erster Instanz.
III. Neben dem Oberpräsidenten fungieren für bestimmte Verwaltungszweige besondere Behörden. 1. Die Provinzialsteuerdirektion verwaltet die indirekten Steuern innerhalb der Provinz; sie ist bureaukratisch organisiert; an der Spitze steht ein Provinzialsteuerdirektor. 2. D as Provinzialschulkollegium hat die unmittelbare Aufsicht bzw. Verwaltung der höheren Schulen, Seminare, öffentlichen Taubstummenund Blindenanstalten in der Provinz. Vorsitzender ist der Oberpräsident. 3. D as Medizinalkollegium unter Vorsitz des Oberpräsidenten ist eine beratende Behörde auf den Gebieten der Gesundheitspolizei und der gerichtlichen Medizin. 4. Die Generalkommission unter einem Präsidenten hat die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlicken Verhältnisse, die Ablösungen und die Gemein heitsteilungen durchzuführen (erste Instanz in Agrarsachen); vgl. in s besondere Bd. 22. 8 25. Die Dezirksbehörden. I. Die Regierung ist für alle Ange legenheiten der inneren Verwaltung des Regierungsbezirkes zuständig, soweit nicht besondere Behörden bestehen. P o s e n e r Grundriß Band 12. 2
D ie R egierungen w aren u rsp rü n g lich K ollegien m it d rei A bteilungen : fü r In n eres, für K irch en - und Schulsachen, fü r d irek te Steuern, Dom änen u n d F o rsten . D u rch neuere Gesetze ist die A bteilung des In n e rn aufgehoben; ih re G eschäfte werden, sow eit sie n ic h t auf eine andere Behörde ü b ertrag e n sind, vom R eg ieru n g sp räsid en ten als E inzelbeam ten erledigt.
II. Der Negierungspräsident ist für die Angelegenheiten des In n ern zuständig, insbesondere für H oheils-, M ilitär-, Kom m unal-, P olizei-, G esundheits-, B au-, Arm en-, Landwirtschafts-, Gewerbe-, H andels- und Verkehrs-, Juden-, Dissidentensachen und Statistik; er ist Vorsitzender des P len u m s der Regierung und des Bezirksausschusses. Daneben bestehen (in den meisten Regierungsbezirken) zwei kollegiale Abteilungen, die eine für Kirchen- und Schulsachen, die andere für Steuern, Dom änen und Forsten. Je d e A bteilu n g beschliesst selbständig für sich in den ih r zugew iesenen A n g eleg en h eiten (V o rsitz: O berreg ieru n g srat als A bteilungsdirigent). E in ig e w ichtigere G egenstände w erden im P lenum der A bteilungen u n te r M itw irk u n g der beiden vom K önig ern an n ten M itglieder des B ezirks ausschusses erledigt. D er R egieru n g sp räsident ist befugt, Beschlüsse des Plenum s oder der A b teilu n g en , mit w elchen er n ic h t einverstanden ist, zu beanstanden und die E n tsch eid u n g des O berpräsidenten einzuholen. In eiligen F ällen d arf er an S telle des K ollegium s persönlich A nordnungen treffen.
aus auf vier aus
I I I . D er Bezirksausschuß besteht aus sieben M itgliedern, nämlich bem Regierungspräsidenten a ls Vorsitzendem, aus zwei vom König Lebenszeit ernannten M itgliedern bzw. deren Stellvertretern und aus Laien bzw. deren Stellvertretern, welche vom Provinzialausschusse den Einwohnern des Regierungsbezirkes gewählt werden.
1. Von den e rn an n ten M itgliedern muss d er eine zum R ichteram te, d er an d ere fü r den höheren V erw altungsdienst b efäh ig t sein. E in e r von ih n en w ird zugleich zum stellv ertreten d en V orsitzenden des B ezirksaus schusses m it dem T ite l Ve rw altu u gsgericht sd irek to r ernannt. 2. D er Bezirksausschuss i s t : a) als V erw altu n g sg e rich t erste In stan z in w ich tig eren V erw altungsstreitsachen und zw eite In sta n z über dem K reisau ssch u sse; — b) als V erw altungsbehörde zuständig, den P olizeiverord n u n g e n des R eg ieru n g spräsidenten seine Z ustim m ung zu erteilen, über die Beschw erden gegen Beschlüsse eines K reis- oder Stadtausschusses zu e n ts c h e id e n ; er ist fern er Beschlussbehörde erste r In stan z, z. B. für die G en eh m ig u n g von O rtsstatuten der S tädte und von In n u n g ssta tu te n .
I V . Für Berlin besteht eine besondere Regelung: 1. Das P olizeipräsidium erled ig t die K irchen-, In v alid en -, P ensions-, U n terstü tzu n g s-, W itw en- und W aisensachen. 2. Die M inisterial-, M ilitär- und B aukom m ission b e a rb e ite t die M ilitär-, B au- u n d Kassensachen. In le tz te re r E igenschaft ist sie H in te rle g u n g sste lle ; als H in terleg u n g sk asse fu n g iert die V ereinigte K onsistorial-, M ilitär- und B aukasse, vgl. Band 2 22. 8. F ü r die direk ten S teuern ist eine besondere D irek tio n eingerichtet. 4. D er O berpräsident is t für die G em eindeaufsicht sowie für die E in le itu n g des D isziplinarverfahrens zuständig.
§ 2 6 . K reisveh ord en für die Zwecke der unmittelbaren S ta a ts verwaltung sind der Landrat und der Kreisausschuß (Kreisordnung für die östlichen Provinzen vom 13. Dezember 1872) .
§ 27. D ie Amtsbezirke.
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1. Der Landrat wird vom König ernannt; der Kreistag ist be fugt, für die Besetzung des erledigten Landratsam les Vorschläge zu machen. 1. Präsentiert werden können diejenigen, welche dem Kreise seit mindestens einem Jahre durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören und für das Landratsamt qualifiziert sind. Die Qualifikation zum Landrate besitzt: a) wer als Kreiseingesessener mindestens vier Jahre entweder als Referendar tätig gewesen oder in Selbstverwaltungsämtern dieses Kreises, des Regierungsbezirkes oder der betreffenden Provinz beschäftigt ist; b) wer die Befähigung zum hüherenVerwaltungs- oder Justizdienste hat. 2. Als Vertreter des Landrates fungiert ein Kreisdeputierter (mit Bestätigung durch den Oberpräsidenten).
II. Der an brat führt die Geschäfte der unmittelbaren S ta atsver waltung im Kreise, soweit sie nicht anderen Behörden überwiesen sind, als Einzelbeamter. Insbesondere hat er die gesamte Polizeiverwaltung im Kreise. Er kann unter Zustimmung des Kreisausschusses Polizeiverordnungen für den Kreis oder für Ortspolizeibezirke erlassen. Der Land rat ist Vor sitzender des Kreisausschusses (mit Stimmrecht; und des Kreistages (ohne Stimmrecht).
III. D er Kreisausschutz besteht aus dem Landrat a ls Vorsitzendem und aus sechs (vom Kreistage auf sechs Jahre) gewählten Mitgliedern. Der Kreisausschuss ist zuständig: 1. als Organ der unmittelbaren Staatsverwaltung für Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung des Kreises, für die auf Erfordern der Staats behörden abzugebenden Gutachten und für die Zustimmung zu Polizei verordnungen des Landrates; 2. als staatliches Verwaltungsgericht für Verwaltungsstreitsachen in erster Instanz; 3. als kommunales Verwaltungsorgan neben dem Kreistage.
IV . D er Stadtkreis hat einen Stadtausschutz, der aus dem Bürger meister bzlv. seinem Stellvertreter a ls Vorsitzendem und vier vom M agistrate au s seiner M itte für die Dauer ihres Hauptamtes gewählten M itgliedern besteht. In den nichtkreisfreien Städten mit mehr als 10000 Einwohnern übt der Magistrat die Geschäfte des Kreisausschusses in Staatsverwaltungs sachen aus.
Der Stadtausschutz ist Staatsverwaltungsbehörde und erstinstanz liches Verwaltungsgericht; dagegen übt er kommunale Befugnisse nicht aus. § 27. Amtsbezirk ist ein zur Wahrnehmung öffentlicher Ange legenheiten, insbesondere zur Handhabung der P olizei, gebildeter V er waltungsbezirk ohne juristische Persönlichkeit. In Westfalen treten an die Stelle der Amtsbezirke die Ämter, in der Rheinprovinz die Landbürgermeistereien, in Posen P die Distriktskommissarien. In Hannover gibt es keine Amtsbezirk«e.
1. D er Amtsbezirk setzt sich mt$ Landgemeinden oder aus G'.ttsbezirken oder aus beiden zusammen. Seine Organe sind der Amtsvorsteher und der Amtsausschutz. Der Amtsvorsteher ist ein Einzelbeamter im Ehrenamte mit Anspruch
auf Entschädigung von Dienstunkosten; er wird vom Oberpräsidenten auf Vorschlag des K reistages auf sechs Jahre ernannt. In besonderen Fällen kann ein kommissarischer Amtsvorsteher (als Berufsbeamter m it Gehalt) angestellt werden.
I I . Dem Amtsvorsteher untersteht die Verwaltung der gesamten öffentlichen Angelegenheiten des Amtsbezirks, soweit nicht eine andere Zuständigkeit gegeben ist, insbesondere die gesamte Ortspolizei (Landrat im kleinen). Er hat das Polizeiverordnungsrecht, ist aber hierbei an die Zustimmung des Amtsausschusses gebunden. I II . Der Amtsansschuß ist zuständig für die Zustim mung zu Polizeiverordnungen des Amtsvorstehers und hat die A usgaben der Verw altung des Amtsbezirks zu beaufsichtigen. — M itglieder des A m tsaussckusses sind der Amisvorsteher als Vorsitzender, die Vertreter der zum Amtsbezirk gehörenden Gemeinden und Gutsbezirke (sämtliche Ge meinde- und Gutsvorsteher) als Beisitzer. Kreisfreie Städte sind nicht an die Verfassung der Amtsbezirke g e bunden ; eingekreiste Städte bilden an Stelle der Amtsbezirke Stadtbezirke, deren Organe (Bürgermeister und Magistrat) den Funktionen von Amts vorsteher und Amtsausschuss zu genügen h ab en ; siehe auch w. o. § 26 unter IV.
2. K a p it e l.
Die Kommuimlverwaltuiig. § 2 8 . Dir Stadtgemeinden haben a ls Organe den Bürgermeister, den M agistrat und die Stadtverordnetenversammlung. Vorläufer der geltenden Städteordnung ist die Steinsche Städte ordnung vom 19. November 1808, revidiert 1831. — Die Städteordnung vom 80. Mai 1858 gilt für die östlichen Provinzen mit Ausnahme von Neu Vor pommern und Rügen. — Für W estfalen gilt die Städte- und Landgemeinde ordnung vom 19. März 1856; für die Rheinprovinz gilt eine solche vom 15. Mai 1856 (kein Magistrat). — Neuvorpommern : 31. Mai 1858 (Bürgermeister auf Lebenszeit). — Hannover: 24. Juni 1866 (Bürgermeister, Senatoren. Bürgervorsteher). — Frankfurt a. M.: 25. März 1867 (allgemeines und gleiches W ahlrecht). — Schlesw ig-H olstein: 14. April 1869. — W iesbaden: 8. Juni 18)1. — H essen-Nassau: 4. August 1897.
D ie Stadtgemeinden haben Selbstverwaltung (Autonomie) und können ihre Verhältnisse durch Ortsstatut regeln, [3 Fälle: a) wenn ge setzlich Verschiedenheiten ausdrücklich gestaltet sind; — b) wenn das Gesetz aus das Ortsstatut verweist; — c) wenn das Gesetz nichts bestimmt;. D a s Ortsstatut der Stadtkreise bedars der Genehmigung des Bezirks ausschusses, das der nichtkreisfreien Städte derjenigen des K reisaus schusses. Die Staatsaufsicht über die Stadtgem einden äussert sich namentlich in folgenden Fällen: 1. G enehm igungspflichtigkeit der Ortsstatuten und gewisser F inanz beschlüsse (Steuern über 100%, Stadtanleihen); auch die Verwaltung des Gemeindevermögens (w. u. unter V) wird staatlich beaufsichtigt, so dass z. B. Grundstücksveräusserungen genehm igungspflichtig sind. 2. Bestätigung der W ahlen (Bürgermeister, Stadträte).
3. Anweisung an den Bürgermeister, gesetzwidrige oder die Kompetenz überschreitende Beschlüsse der städtischen Kollegien zu beanstanden. 4. Zwangsetatisierung : gesetzlich notwendige Ausgaben können gegen den Willen der städtischen Kollegien auf den Etat der Stadtgemeinde ge bracht werden. 5. Auflösung der Stadtverordnetenversammlung aus gesetzlichen Gründen.
I. D ie Stadtverordnetenversammlung ist eine gewählte Vertretung der Bürger. D ie Zahl der Stadtverordneten kann jede S tad t statutarisch festsetzen; subsidiär ist die Zahl gesetzlich nach der Zahl der städtischen Bevölkerung bestimmt. 1. Aktiv wahlberechtigt sind nur die Bürger der Stadt. a) Die Einwohner des Gemeindebezirkes (ohne Rücksicht auf Staats angehörigkeit) sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindeanstalten der Stadt berechtigt und zur Teilnahme an den Gemeindelasten ver pflichtet. b) Das Bürgerrecht ist das Recht, an den Gemeindewahlen teilzu nehmen, und die Befähigung, in die Gemeindevertretung und zu den un besoldeten Gemeindeämtern gewählt zu werden; Voraussetzung des Bürger rechts ist preussische Staatsangehörigkeit, männliches Geschlecht, Alter von 24 Jahren, eigener Hausstand und Gemeindeangehörigkeit seit mindestens einem Jahr und Erfüllung eines gewissen Zensus. 2 Die passive Wahlberechtigung fehlt den Mitgliedern der Aufsichts behörden, den Magistratsmitgliedern, den Polizeibeamten, den Geistlichen und den Elementarlehrern an öffentlichen Volksschulen, endlich den Rich tern und Staatsanwälten. Die Hälfte der von jeder Abteilung zu wählenden Stadtverordneten muss aus Hausbesitzern bestehen. Die Wahl erfolgt nach dem Dreiklassensystem (3 Abteilungen nach Massgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern). Die Stadtverordneten worden auf 6 Jahre gewählt; alle 2 Jahre scheidet ein Drittel aus.
I I. D ie Stadtverordnetenversammlung ist beschließendes, daneben auch begutachtendes und kontrollierendes Organ; die Exekutive steht ihr nicht zu. 1. S ie hat über alle Gemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit diese nicht ausschließlich dem Magistrat oder Bürgermeister zugewiesen sind. Ih re Beschlüsse bedürfen, wenn die Ausführung dem M agistrate zugewiesen ist, der Zustimmung des M agistrates. — M einungsverschieden heiten zwischen beiden Organen werden aus Antrag eines T eiles vom Bezirksausschüsse entschieden. 2. Überschreiten Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung deren Befugnisse, oder verstoßen sie gegen die Gesetze, so hat der M agistrat (eventuell auf Anweisung des Regierungspräsidenten) sie mit aufschiebender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstanden; hiergegen: Klage im Verwaltungsstreitverfahren. 3. S ie kontrolliert die Gemeindeverwaltung und ist befugt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse zu überzeugen; der M agistrat hat it,r jährlich über die Ausführung des E tats Rechnung zu legen. Die Versammlung wählt jährlich aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden sowie einen Stellvertreter. Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich; der Magistrat känn sich durch Abgeordnete vertreten lassen.
I I I . T er M agistrat ist ein kollegialischer Gemeindevorstand; an seiner Spitze steht der Bürgermeister; M itglieder sind ein Beigeordneter oder 2. Bürgermeister (a ls Stellvertreter) und eine Anzahl unbesoldeter Stadträte (Schöffen, Naism änner, Ratsherren) und, soweit es das B e dürfnis erfordert, auch ein oder mehrere besoldete sachverständige M it glieder. Sämtliche Mitglieder des Magistrats werden von der Stadtverordneten versammlung gewählt, und zwar der Bürgermeister und die übrigen be soldeten Mitglieder regelmässig auf 12 Jahre, die unbesoldeten Mitglieder auf 6 Jahre. Die Magistratsmitglieder bedürfen staatlicher Bestätigung; diese er teilt der König für den Bürgermeister und den Beigeordneten in Städten von mehr als 10000 Einwohnern, im übrigen der Regierungspräsident; die Versagung der Bestätigung bedarf der Zustimmung des Bezirksausschusses. Gegen die Versagung der Bestätigung ist Rekurs an den Minister des Innern zugelassen.
1. Der Magistrat ist Ortsobrigkeit mit Recht auf Gehorsam; er ist Gemeindeverwaltungsbehörde und hat die Gesetze und Verordnungen sowie die Verfügungen der vorgesetzten Behörden auszuführen, die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung vorzubereiten und a u s zuführen. 2. Der Magistrat vertritt die Gemeinde nach außen, insbesondere auch vor den Gerichten; er hat die städtischen Gemeindeanstalten zu verwalten und zu beaufsichtigen, das Vermögen der S tad t und ihre Einnahm en zu verwalten, den H aushaltsetat zu entwerfen und a u s zuführen. Die Gemeiiidebeamten werden vom Magistrate nach Anhörung der Stadtverordneten angestellt und beaufsichtigt.
IV . D er Bürgermeister ist Vorsitzender des M agistrats und hat ferner den Geschäftsgang der städtischen Verw altung zu leiten und zu beaufsichtigen; in eiligen Fällen darf er die dem M agistrat obliegenden Geschäfte vorläufig allein besorgen. 1. Regelmässig ist der Bürgermeister staatliche Ortspolizeibehörde. An seiner Stelle können die Geschäfte der Ortspolizei mit Genehmigung des Regierungspräsidenten einem anderen Magistratsmitgliede übertragen werden. 2. Für den Erlass von Ortspolizei Verordnungen, welche nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei gehören, ist die Zustimmung des Magistrats erforderlich; eine Ergänzung durch den Bezirksausschuss ist zugelassen. Vor dem Erlass sicherheitspolizeilicher Ortsvorschriften ist der Magistrat zu hören. 3. Der Minister des Innern kann in einer Gemeinde, in welcher sich eine Bezirksregierung oder ein Landgericht befindet, oder welche mehr als 10000 Einwohner zählt, sowie in Festungen die örtliche Polizei Verwaltung ganz oder teilweise einem besonderen Staatsbeamten übertragen. Ist in einer Stadt königliche Polizei eingeführt, dann verbleibt der Kommune in der Regel die Bau-, Gesundheits-, Gewerbe-, Schul-, Markt-, Melde-, Pass-, Feld-, Jagd-, Forst-, Gesinde-, Armen-, Wege-, Wasser-, Fischerei-, Feuerpolizei. Vgl. auch Gesetz vom 7. März 1908. Die Einnahmen und Ausgaben der Polizeiverwaltung fallen nach dem Polizeikostengesetz vom 3. Juli 1908 in Gemeinden, deren örtliche Polizei-
V erw altung ganz oder teilw eise königlich ist, zu zwei D ritte ln auf den Staat, zu einem D ritte l auf die Stadtgem einde. In B erlin w erden 5 ärztliche Standesinteresse wahrzunehmen. Für jede Provinz besteht eine Ärzte kammer. Aus sämtlichen Ärztekammern wird je ein Mitglied in den Ärzte kammerausschuss in Berlin delegiert. Die Ehrengerichtsbarkeit über Ärzte wird in Preussen durch ärztliche Ehrengerichte ausgeübt, vgl. Gesetz vom 25. November 1899 und vom 27. Juli 1904. Erste Instanz eines jeden Kammerbezirkes (Provinz) bildet das ärztliche Ehrengericht, bestehend aus dem Kammervorsitzenden als Vorsitzendem, drei Mitgliedern der Ärztekammer und einem vom Kammervorstande auf 6 Jahre ernannten richterlichen Mitgliede. Zweite Instanz ist der ärztliche Ehrengerichtshof in Berlin; den Vorsitz führt der Leiter der Medizinalabteilung des Kultusministeriums, Beisitzer sind 4 Mitglieder des Ärztekammerausschusses und 2 vom König ernannte Ärzte. Strafen sind Warnung, Verweis, Geldstrafe bis 3000 Mk., Entziehung des aktiven und passiven Kammerwahlrechtes auf Zeit oder dauernd. Für die Klage auf Entziehung der Approbation ist der Bezirks ausschuss zuständig.
I I . D ie Unterrichlsverwaltung leitet der Kultusminister; ihm sind die Universitäten unmittelbar unterstellt. 1. D er Unterricht der Schulen wird von verschiedenen Instanzen kontrolliert, je nachdem es sich um höhere oder niedere Schulen handelt. a) Dem Provinzialschulkollegium unterstehen die höheren Schulen (Gymnasien, Realgymnasien, Oberrealschulen, ferner die höheren Mädchen schulen gemäss AE. vom 15, August 1908), die Lehrerseminare, die Blindenund Taubstummenanstalten. Dem Provinzialschulkollegium in Berlin sind die höheren und die niederen Schulen unterstellt. b) Unter der Abteilung für Kirchen und Schulen bei der Bezirks regierung stehen die Elementarschulen, die Bürgerschulen, die Privat schulen. Man unterscheidet folgende Arten der öffentlichen Volksschulen : a) kirchliche: die Schule ist Annex der Kirche und steht unter ihrer Leitung. Religionsunterricht ist der Hauptgegenstand, der Unterricht wird konfessionell-kirchlich zugestutzt; ß) konfessionelle: die Schule ist Staatsschule, der Religionsunter-
ric h t w ird n u r in ein er bestim m ten R eligion erte ilt, w elcher auch die L eh rer a n g e h ö re n ; R eligion ist einer der H auptgegenstände des U n te rric h ts ; 7) p aritätisch e oder S im ultanschule: der R e lig io n su n terrich t w ird in den verschiedenen K onfessionen e rte ilt, die L e h re r w erden n ic h t nach K onfessionen au sg ew äh lt; d) konfessionslose: es findet kein R e lig io n su n te rric h t statt, auf die K onfession der L eh rer w ird keine R ücksicht genom m en. — c) Das Vo lk ssch ulunterhaltungsgesetz vom 28. J u li 1906 u n te rsc h e id e t: «) I n den G em einden w erden die S chullasten nach der K om m unal ab g ab en last als G em eindelast aufgebracht. ß ) Im G utsbezirke h a t der G utsbesitzer die S chullast zu tragen. 7 ) I n G esam tschulverbänden erfolgt die V erteilung der L asten auf die V erbandsgem einden und -gutsbezirke. G em äss § 33 w erden evangelische K in d er in d er R egel von e v a n g elischen L ehrern, kath o lische von k ath o lisch e n L eh rern u n te rric h te t (kon fessionelle Volksschule).
2. Unterrichl zu erteilen und Uuterrichtsanstalten zu gründen und zu Leiten, steht nach V 22 jedem frei, der seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung der zuständigen Staatsbehörde nachgewiesen hat. a) Die Genehm igung für P riv a tu n te rric h ts- und E rziehungsanstalten,, fü r gew erbsm ässige H au slehrer, E rzieh er, P riv a tle h re r und -leh rerin n en w ird d u rc h die R eg ieru ng auf W id erru f erteilt. Die E rte ilu n g d er G e n eh m ig u n g w ird im R e g ie ru n g sb latt bekanntgegeben. G egen den unbe fu g t U n terrich ten d en sch reitet die U nterrichtsbehörde, n ic h t die P olizei, ein. b) D ie V orschriften über G enehm igung b eziehen sich nur auf den U n te rric h t der Jugend, n ic h t auf den U n terrich t, der E rw achsenen erte ilt w ird, z. B. dram atischer, G esangsunterricht, R h e to rik , ju ristisch e, m edi zin isch e usw. R epetitorien. E rte ile n jedoch B eam te U n terrich t, z. B. R e p e tito rie n der Richter, Assessoren, R eferendare, so haben sie die w ider ru flich e G enehm igung der vorgesetzten B ehörde einzuholen.
3. D ie Vorschriften der G w finden nur auf Tanz-, T urn-, Schwim m unterricht, nicht auf sonstigen Unterricht Anwendung. III . D ie Verwaltung des Handels für Preußen geschieht durch das Handelsministerium. 1. Handelskammern sind Srandesvertretungen der H andels- und Gewerbetreibenden sowie der Industriellen zur Wahrnehmung ihrer Interessen. 2. Handwerkskammern sind die Ltandesvertretungen der H and werker. IV . D ie Verwaltungsbehörden sind befugt, die Durchführung ihrer Befehle, Urteile, Beschlüsse zu erzwingen; daher: Zwangsbefugnisse, Exe kutivpersonal, ev. militärische Hilfe. 1. E rzw in g u n g einer G eldleistung: Z w an g sv o llstreck u n g in das be w egliche Verm ögen durch die V erw altungsbehörde, — ev. Z w angsvoll streck u n g in das unbew egliche V erm ögen durch die G e ric h te ; K gl. V er o rd n u n g en vom 7. Septem ber 1879 und 15. N ovem ber 1899. 2 . E rzw in g u n g ein er v e rtre tb a re n H a n d lu n g : V ornahm e der H an d lu n g auf K osten des V erpflichteten und B e itre ib u n g des bestim m ten Be trag es (wie zu 1). 3. D u rch setzu n g einer n ich t v e rtre tb a re n H an d lu n g oder einer U n te r la s su n g : sch riftlich e A ndrohung von G eldstrafe u n d gleichzeitige B e stim m u n g ein er F ris t zur A usführung der H andlung, — bei Z uw iderhand lu n g : F estsetzu n g und B eitreibung.
Die S tra fan d ro h u n g ist n ich t zulässig, w enn auf die H andlung durch G esetz oder R ech tsv ero rdnung b ereits eine S tra fan d ro h u n g gesetzt ist. Das M aximum der G eldstrafe is t b e s c h rä n k t: beim G em einde- (Guts-) V o rsteh er . . bis 5 Mk. bei d er O rtspolizei (städt. Gem eindevorstand) ................................................... „ 60 ,. in S t a d t k r e i s e n .......................................... „ 150 r beim L a n d r a te .............................................. ,, 150 „ R e g ie ru n g s p rä s id e n te n ................... „ 300 r S u b stitu tio n durch H aft: 8 28, 29. U ltim a ratio ist p h y sischerZ w ang, um die A nordnung durchzusetzen: F estn a h m e der Person, E in g riff in das "Vermögen, ev. W affengew alt.
§ 34. Die Organisation der Polizei untersteht in der ganzen Monarchie dem Ministerium des In n ern , soweit es sich um P olizei im allgem einen handelt. Der Begriff Polizei umfaßte ursprünglich die gesamte innere Ver waltung,- man unterschied hierbei eine negative und eine positive Seite. Nach dem Vorgänge von ALR I I 17 § 10 (siehe w. it. unter I I A) und ständiger Rechtssprechung des R G , O V G , KG stellt m an der P olizei die Pflege (W ohlfahrtspflege) gegenüber. 1. P olizei (negative Seite der in n eren V erw altung) bezw eckt Schutz des einzelnen gegen N atu rereignisse und gegen R echtsverletzungen (Sicher h e itsp o liz e i): ein E in sch reiten der P olizeibehörde ist stets zulässig. 2. Pflege (positive Seite der in n eren V erw altung) bezw eckt F ö rd e ru n g d er E n tw ic k elu n g und des E rw erbes des einzelnen (W ohJfahrtspolizei); ein E in sch reiten der P olizeibehörde ist n u r dann zulässig, w enn (über A L R I I 17 § 10 hinaus) besondere Gesetze es zulassen (herrschende A n sic h t: — d ag eg en Rosin).
Zentralbehörde für die allgemeine P olizei ist der M inister des Innern. D agegen u n te rste h e n : dem K u ltu sm in iste r die G esundheitspolizei; — dem H andelsm inister die Berg-, Hafen-, Schiffahrts-, G ew erb ep elizei; dem L an d w irtsch aftsm in ister die L andw irtschafts-, F orst-, Ja g d -, F ischerei-, V eterin ärp o lizei: — dem E ise ü b ah n m in ister die E isenbahn-, B au-, W ege polizei.
I. Landespolizei ist (im Gegensatz zur Ortspolizei) die höhere Polizei; Landespolizeibehörde ist der Regierungspräsident. P o lizeibeam te fü r den S icherheitsdienst sind besoldete, vom S taate an g estellte G endarm en u nd S ch u tzm än n er oder von den K om m unen ange stellte G em eindepolizeibeam te.
II. Polizeiverordnungen sind Vorschriften, die eine Strafandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung enthalten; sie werden in der für sie vorgeschriebenen Form bekanntgegeben. D as Recht, P o lizeiv erordnungen zu erlassen, steh t zu: 1. dem M inister, sow eit die G esetze auf P olizeivorschriften der Zen tra lb eh ö rd en verw eisen, m it S tra fan d ro h u n g b is 100 M ark; 2. dem R e g ie ru n g sp räsid en ten (O berpräsidenten) u n te r Z ustim m ung des Bezirksausschusses (P rovinzialrates) bis 60 M a rk ; in d ringenden F ällen au ch ohne Z ustim m ung, diese ist jed o ch b in n en drei M onaten nachzu ho len ; 3. dem L an d rat m it Z ustim m ung des K reisausschusses bis 30 M ark; 4. d er O rtspolizeibehörde b is 9 M ark, bei Z ustim m ung des R e g ieru n g sp räsid en ten u n d in S tad tk reisen bis 30 Mark. — 5. I n S täd ten m it k öniglicher P olizei ist zu unterscheiden:
a) S icherheitsp o lizeiverordnungen können ohne Z ustim m ung der Ge m eindebehörden erlassen w e rd e n ; b) andere P olizeiv erordnungen, z .ß . Bau-, S trassenpolizeiverordnungen bed ü rfen d er Z ustim m ung des M agistrats (bei V ersagung: E rg ä n z u n g durch B ezirksausschuss, iu B erlin durch den O berpräsidenten).
Über die Erlassung, die F orm und die Außerkraftsetzung der P o liz e i verordnungen ist folgendes zu bemerken. A. Die Befugnis der Behörden zum E rlasse von P o lizeiv erordnungen erstre c k t sich auf das gesam te .Ressort der Behörde, und zw ar auf G rund von A L R I I 17 § 10: Die nötigen A nstalten zur E rh a ltu n g der öffentlichen R uhe, S ich erh eit u n d O rdnung und zur A bw endung der dem P ublikum oder einzelnen M itgliedern desselben bevorstehenden G efahr zu treffen, das is t das Amt d er P olizei — Die ständige P ra x is des OVG und des KG h ä lt daher die P olizei (von besonderer gesetzlicher E rm äch tig u n g a b gesehen) n ic h t für befugt, V erordnungen w egen ästh etisch er Interessen zu erlassen — Gesetz über die P o lizeiv erw altu n g vom 11. März 1850; K gl. V ero rd n u n g vom 20. Septem ber 1897 (E in fü h ru n g des G. v. 11. 3 50 in den neuen P ro v in z en ); — G esetz über die allgem eine L andesverw altung vom 30. J u li 1883. B. F o rm der E rlassu n g von P olizeiv ero rd n u n g en : 1. F ü r M inister, O borpräsidenten, R eg ieru n g sp räsid en ten g ilt in gleicher W e is e : a) die V orschrift muss als „P olizeiverordnung“ bezeichnet w e rd e n ; b) sie m uss die sedes m ateriae, auf w elche sie sich stützt, ausdrück lich u n d genau b ezeich n e n ; c) sie muss die erfo lgte Z ustim m ung oder A nhörung d er Selbstver w altu n g sk ö rp er au sd rü cklich anführen: d) sie muss im A m tsblatte der betr. B ehörde (und zw ar im am t lichen Teile) gehörig p u b liziert w e rd e n ; In k ra fttre te n m it dem 8. T ag e nach A usgabe des A m tsblattes. 2. D er R eg ieru n g sp räsid en t bestim m t für die ihm nachgeordneten In stanzen seines Bezirkes, in w elcher A rt u n d Form die P o lizeiverordnungen zu p u b lizieren sind. F e h lt eines dieser E rfordernisse, dann ist die P o lizeiv ero rd n u n g n ich tig . C. P o lizeiv ero rd n u n gen w erden ausser K raft gesetzt: 1. du rch den zu stän digen M inister (ohne w e ite re s); 2. durch die R eg ierungs- (nicht: Ober-) P rä sid en ten bzl. der eigenen V ero rd n u n g en und d erjenigen aller n achgeordneten Organe. F o rm d er A u sserk ra ftsetzu n g : wie die der P u b lik atio n . D. K ontrolle des P o lizeiverordnungsrechtes: 1. d u rch die v o rg esetzte B ehörde in bezug auf R e ch tsg ü ltig k eit un d Z we ckm ä s sig k e it; 2. d u rch die V erw altu n g sg erich te in bezug auf R e c h tsg ü ltig k e it; 3. durch die o rd en tlich en G erichte in bezug auf die R e c h tsg ü ltig k e it und g eh ö rig e P u b lik atio n (n ich t in bezug auf Z w eckm ässigkeit).
L1I. D ie Polizeiverfttgnng betrifft nur den einzelnen, an den sie sich richtet; sie hat daher einen konkreten I n h a lt. V oraussetzung der R ech tsv erb in d lich k eit der V erfü g u n g i s t : 1. dasssie von der zu ständigen B ehörde erlassen is t; — 2. dass sie dem geltenden R echte e n ts p ric h t; — 3. dass sie dem A dressaten m itg e te ilt w ird (in der R egel schriftlich). G reift eine V erfügung in die R echte oder In teresse n des einzelnen ein, so fin d et B eschlussverfahren (w. u. Seite 32) sta tt. — Konzession ist eine öffentlich-rechtiche V erfügung, welche eine P erson erm ächtigt, H andlungen vorzunehm en, die ohne b eh ö rd lich e Erlaubnis-
n ich t vorgenom m en w erden d ürften (z B. B etrieb einer A p o th ek e); — muss die E rla u b n is beim Nachweise einer bestim m ten B efähigung stets e rteilt werden, so heisst sie A p probation (z. B. bei Ärzten). — A. G egen die polizeilichen V erfügungen ist folgender W eg g eg eb en : 1. gegen O rtspolizei auf dem Lande (A m tsvorsteher, D istriktskom m issar, B ürg erm eister der n ich t kreisfreien S tä d te ): entw eder B eschw erde an den L an d rat (w eitere B eschw erde an den R egierungspräsidenten, K lage beim OVG) oder sogleich K lage beim K reisausschuss, d an n : B ezirks ausschuss, en d lich : OVG; 2. gegen B ü rg erm eister von S tadtkreisen und gegen L a n d rä te : B e schw erde beim R eg ieru ngspräsidenten (w eitere B eschw erde beim O ber p räsid en ten , K lage beim OVG) oder sogleich K lag e beim B ezirksausschuss, dann: OVG; 3. gegen den P o lizeipräsidenten in B e rlin : B eschw erde beim Ober präsid en ten , K lage beim OVG; 4. gegen R e g ie ru n g sp räsid en ten : B eschw erde beim O berpräsidenten, K lage beim OVG; 5. gegen O b erp räsid en ten : Beschw erde beim M inister, K lage beim OVG; 0. gegen M inister: K lage beim OVG. In allen F ällen k an n die K lage beim OVG auf R ech tsv erletzu n g ge stü tz t w erden sow ie darauf, dass die tatsächlichen V oraussetzungen fehlen. B. Gesetz ü b er die Z u lässig k eit des R echtsw eges in bezug auf poli zeiliche V erfügungen vom 11. Mai 1842: 1. R echtsw eg auf E ntsch äd ig u n g , w enn eine solche w egen des p o li zeilichen E ingriffes v erlan g t w erden kan n (A ufopferung der R echte des einzelnen im In teresse der A llg em ein h eit); 2. b eh au p tet der von einer V erfügung B etroffene, dass einem anderen diese V erp flich tu n g (z. B. R e in ig u n g von P rivatflüssen, Band 23) ob lieg e, so streiten beide im R echtsw ege gegeneinander; 3. H aftp flich t der B eam ten w egen gesetzw idriger oder u nzulässiger V erfü g u n g : Band 2.
IV . Einzelne >yälle: 1. S tra sse n rein ig u n g sp flich t lie g t den G em einden ob ; sie k an n n ic h t etw a den G ru n d eig en tü m ern durch P olizeiverordnung auferlegt w erden. E in e solche P olizei Verordnung w äre n u r zulässig, w enn sic ih re S tütze fin d et: a) in einem S pezialgesetze (bisher n ich t erg an g en ); — b) in einem O rtsstatu t ^ ie h e w. o. S eite 20); — c) in einer O bservanz (lange Zeit, Ü ber zeugung v on der R ech tspflicht zur S trassenreinigung). 2 B a u p o liz e i: a) E in h o lu n g der B auerlaubnis (E rk läru n g der B au polizei, dass k ein öffen tlich-rechtliches H indernis besteht), gew öhnlich sch riftlich zu e r te ile n ; sie b e rü h rt R echte D ritte r nicht. — b) B esondere B aubed in g u n g eil stellt die B ehörde, jedoch nur, sow eit das öffentliche R ech t hierzu eine H andhabe g ib t; gegen diese V erfü g u n g en : V erw altungs weg. — c) V ersag u n g der B auerlaubnis kann m it K lage angegriffen werden.
§ 3 5 . D ie Finanzen werden in Preußen alljährlich (für die Zeit vom 1. April bis zum 31. M ärz) durch den Etat, eine Anlage des Etatsgesetzes, geordnet, V 99. D ie hierbei anzuwendenden Grundsätze sind durch das Komptabilitätsgesetz (Staaishaushaltsgesetz vom 11. M a i 1898) festgesetzt worden, und zw ar: über Einrichtung des Voranschlages, seine Handhabung und die Rechnungslegung. I. Staatsgüter (Dom änen) siehe Band 2 2 9 ; Forsten: Band 2 7 1 3 ; R egalien : Band 2 7 14. II Steuern im allgem einen: Band 2 7 22.
1. Einkommensteuer auf Grund des Gesetzes vom 24. J u n i 1891, abgeändert: 19. Ju n i 1906. Die Steuerpflicht beginnt bei mehr als 900 M. Einkommen; Ver anlagung alljährlich nach Steuerstufen; jeder Zensit, der aufgefordert wird oder bereits mit mehr als 8000 M. Einkommen veranlagt ist, muss sein Einkommen angeben (Steuererklärung). — Zunächst: Voreinschätzung; sodann: Veranlagung (Kommission). — Rechtsmittel: bis 3000 M. Einspruch an die Kommission und gegen sie: Berufung an die Berufungskommission (Regierungsbezirk); — über 3000 Mk.: Berufung an die Berufungskommission und gegen sie (nur bei Gesetzesverletzung) Beschwerde beim OVG (Steuer senat).
2. Ergänzungssteuer auf Grund des Gesetzes vom 14. J u li 1893, abgeändert: 19. J u n i 1906; sie ergreift die Vermögen über 6000 M. — E s besteht kein Deklarationszwang. Vermögen bis 20000 Mk. bleiben frei, wenn sie kein Einkommen über 900 Mk. gewähren oder (bis 1200 Mk. Einkommen) vaterlosen Minderjährigen oder unterhaltsverpflichteten Frauen gehören.
I I I . Staatssteuern, deren Hebung den Gemeinden überlassen ist (seit dem 1. April 1895), sind: 1. Die Grundsteuer von den Liegenschaften und die Gebäudesteuer, Gesetze vom 21. M ai 1861. 2. Gewerbesteuer, Gesetz vom 24. Ju n i 1891 (stehendes Gewerbe, Veranlagung in vier Klassen). Wandergewerbesteuer, Gesetz vom 3. Juli 1876.
8 36. Die Nerwaltungsgerichtsbarkeit. I. Die Vermaltungsgerichtsbarkeit kann in zwei Formen stattfinden: als Beschlußverfahren oder als Berwaltungsstreitverfahren. 1. I m Beschlußverfahren entscheiden Kreis- oder Stadtausschuß, Bezirksausschuß, Provinzialrat. 2. Im Berwaltungsstreitverfahren entscheiden der Kreis- oder Stadtausschuß, der Bezirksausschuß und als höchste Instanz das Oberverwaltungsgericht. Das OVG (Verwaltungsgerichtsgesetz vom 2. August 1880) besteht aus einem Präsidenten, Senatspräsidenten und Räten (halb Richter, halb höheres Verwaltungsamt, — Mindestalter: 30 Jahre); Ernennung durch den König (auf Vorschlag des Staatsministeriums). — Disziplin durch das Plenum des OVG. — Einteilung in Senate (ungerade Besetzung, min destens fünf Mitglieder). — Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf Grund von Plenarentscheidungen, welche herbeizuführen sind, wenn ein Senat von einem anderen abweichen w ill; vorher ist den Kommissarien der Ressortminister Gelegenheit zu schriftlicher Äusserung zu geben. — Be sondere Steuersenate; Disziplinarsenat (Gesetze vom 8. Mai 1889 und 26. März 1893).
II. D as Beschlußverfahren ist die Erledigung wichtigerer Geschäfte durch ein Laienkollegium. 1. Die Entscheidung kann vom Vorsitzenden allein oder vom Kollegium gefällt werden. Der Vorsitzende allein ist zur Entscheidung befugt, wenn ein Auf schub nicht möglich ist oder bei Einfachheit des Falles, wenn eine Ent scheidung des Kollegiums nicht ausdrücklich im Gesetze vorgeschrieben
ist (hiergegen: Beschwerde binnen zwei Wochen mit Suspensiveffekt). — Nach dem Ermessen der Behörde kann auch mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme erfolgen.
2. Endgültige Beschlüsse im Beschlußverfahren können wegen Kompetenzüberschreitung oder Ungesetzlichkeit vom Vorsitzenden beim Oberverwaltungsgerichte durch die Berwaltungsktage angefochten werden. Bei nicht endgültigen Beschlüssen ist die Beschwerde gegeben. II I. D as Berwaltungsstreitverfahren ist ein dem Zivilprozesse nach gebildetes Verfahren vor unabhängigen Verwaltungsorganen, und zwar grundsätzlich bei Streitsachen über öffentlich-rechtliche Ansprüche und Ver bindlichkeiten, deren Entscheidung nicht hauptsächlich auf Zweckmäßigkeitsgründen beruht, und bei denen die Entscheidung nicht unter Vorbehalt des Rechtsweges ergeht, sowie ferner bet Streitigkeiten um die Aufrecht erhaltung der öffentlichen Ordnung. Gesetzliche Regelung: Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883; — Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883.
1. D as Verwaltungsstreitverfahren kann in gewissen Fällen durch Bescheid (ohne Verhandlung) erledigt werden; in allen anderen Fällen erfolgt mündliche Verhandlung mit freier Beweiswürdigung. a) Die Fälle des Bescheides a limine sind: o) die Zurückweisung unzulässiger oder unbegründeter K lagen; ß) bei einem anscheinend begründeten Ansprüche wird dem Beklagten aufgegeben, den Kläger klaglos zu stellen. b) Die Parteien können auf Termin verzichten und Entscheidung nach Lage der Akten verlangen.
2. Es besteht ein Jnstanzenzug. a) Gegen erstinstanzliche, nicht endgültige Entscheidungen ist Be rufung an den Bezirksausschuss bzw. (wenn der Bezirksausschuss erste Instanz war) an das Oberverwaltungsgericht gegeben. b) Gegen zweitinstanzliche, nicht endgültige Endurteile des Bezirks ausschusses, die auf einer Rechtsverletzung oder einem Mangel des Ver fahrens beruhen, ist die Revision an das Oberverwaltungsgericht gegeben.
Die Anmeldung und die Rechtfertigung der Rechtsmittel hat bei. dem iudex a quo zu erfolgen.
P o s e n e r Grundriß Band 12.
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Dr. Philipp Jörn, Geh. Justizrat, ordentl. Professor der Rechte in Bonn.
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