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German Pages 395 [397] Year 2018
Studien zum Privatrecht Band 79
Markus Philipp
Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung Insbesondere ein Beitrag zur Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen des § 204 Abs. 1 BGB
Mohr Siebeck
Markus Philipp, geboren 1986; 2005 bis 2010 Studium der Rechtswissenschaften an der Juristen fakultät der Universität Leipzig; 2010 bis 2012 Referendariat in Leipzig und Hamburg; 2012 Zweite Juristische Staatsprüfung; von 2011 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht von Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard; seit 2013 Rechtsanwalt in Leipzig; 2017 Promotion.
ISBN 978-3-16-155995-2 / eISBN 978-3-16-155996-9 DOI 10.1628/978-3-16-155996-9 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Winter semester 2017/2018 als Dissertation angenommen. Die öffentliche Verteidigung fand am 8. Dezember 2017 statt. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis Ende April 2018 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Ekkehard Becker-Eberhard. Er hat mich bei der Wahl des Themas bestärkt, mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl in einem nicht selbstverständlichen Maße den notwendigen Freiraum zur Verfassung der Arbeit eingeräumt und deren Entstehen stets gefördert. Herrn Professor Dr. Christian Berger danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig und der Dr. Feldbausch-Stiftung Landau/Pfalz mit dem Preis für eine herausragende Dissertation des Jahres 2017 ausgezeichnet. Der Hans Soldan Stiftung sowie der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis- Stiftung danke ich für die Gewährung großzügiger Druckkostenzuschüsse. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau und meiner Tochter. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Leipzig, im Juli 2018
Markus Philipp
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Einleitung: Problemaufriss und Untersuchungsgegenstand . . . . . .
1
1. Teil
Grundlagen 1. Kapitel: Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB sowie Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
A. Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . .
5
Die Struktur des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verfahrensrechtlichen Verweise für die Rechtsverfolgungsmaßnahmen und Kundgabetatbestände im Einzelnen . . . . . . . . .
5 5
I.
II.
6
Die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Alle Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB sind solche des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 a) Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabetatbestand . . . . . . 7 b) Maßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner . . . . . . . . . 9 2. Die weiteren Hemmungsvoraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB . . . 9 a) Die weiteren Hemmungsvoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . 9 b) Teleologische Reduktion bestimmter Hemmungsvoraussetzungen . 10
III. Konsequenzen für die weitere Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . .
10
B. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
I.
Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verjährung als Institut des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . .
11 11 12
II.
Rechtsverfolgungsmaßnahme, Kundgabetatbestand und Rechtsverfolgung
13
III. Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
VIII
Inhaltsverzeichnis
1. Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlerhaftigkeit der Zustellung, sonstige Kundgabetatbestände . . . .
14 15
IV. Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Hemmung und Unterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
A. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Hemmungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
V.
I.
Grundsatz: Vorliegen aller verfahrensrechtlichen Hemmungsvoraussetzungen am letzten Tag der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Ausnahmen: Zustellung, Bekanntgabe und Veranlassung der Bekanntgabe demnächst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustellung demnächst, § 167 Alt. 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und Veranlassung der Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14) demnächst . . . . . . . . . . .
18 18 18 21
III. § 167 Alt. 3 ZPO gilt nur für das Zustellungserfordernis . . . . . . . . .
21
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc . . . . . .
22
I.
Erreichung von Sinn und Zweck des § 204 BGB nur bei Warnung innerhalb der Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Kein Eintritt der Hemmungswirkung durch nachträgliche Korrektur eines relevanten Verfahrensfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neuvornahme und Heilung eines relevanten Verfahrensfehlers bei einer Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heilung nach § 295 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterschriftsmängel, § 253 Abs. 4 i. V. m. § 130 Nr. 6 ZPO . . bb) Mängel des notwendigen Inhalts der Klageschrift, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unwirksamkeit der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heilung nach § 189 ZPO und § 295 ZPO . . . . . . . . . . . . . . aa) § 189 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 295 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auch bei der Zustellung kein Gleichlauf von prozessualer und materiell-rechtlicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rückwirkung beruht immer auf § 167 ZPO . . . . . . . . . . 3. Jedenfalls keine Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Genehmigung fehlerhafter Verfahrenshandlungen . . . . . . . . . .
23 24 24 24 25 25 27 28 28 30 30 31 32 34 34 35
Inhaltsverzeichnis
IX
a) Fehlende Postulationsfähigkeit (§§ 78, 79 ZPO) . . . . . . . . . . b) Fehlende Partei- (§ 50 ZPO) und Prozessfähigkeit (§§ 51 ff. ZPO) . c) Fehlende Prozessvollmacht (§§ 80, 89 ZPO) . . . . . . . . . . . .
35 36 37
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
C. Konsequenzen für den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . .
38
I.
Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
II.
Ausnahme bei Verjährungshemmung durch Zustellung eines Mahnbescheids? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3. Kapitel: Zweck der Verjährung sowie Zweck von Verjährungshemmung und Verjährungsneubeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
A. Verjährungsrecht als Ausgleich zwischen Schuldnerund Gläubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
I.
Vermögensrechtliche Ansprüche als Eigentum nach Art. 14 GG . . . . .
45
II.
Verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Schuldners . . . . . . .
48
III. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . .
49
B. Zweck der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
I.
Die Verjährung als allgemein anerkanntes Rechtsinstitut . . . . . . . . .
50
II.
Zwecke der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Plurale Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz des Schuldners vor Beweisnot . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beweisnot des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beweissicherung durch den Schuldner . . . . . . . . . . . . . (1) Umfang der Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beweiserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auflösung von Rücklagen und Sicherung von Regressansprüchen . d) Zusammenfassung: Sicherstellung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und Planungssicherheit des Schuldners . . . . 3. Interessen der Allgemeinheit an der Verjährung (öffentliches Interesse) a) Rechtssicherheit und Rechtsfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verjährung und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entlastung der Gerichte als Interesse der Allgemeinheit . . . . . . d) Verhaltenssteuerung/Marktsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ansporn des Gläubigers als Legitimation? . . . . . . . . . . . . . .
51 51 52 52 52 53 54 55 59 60 61 61 62 63 63 65 67 67 68
X
Inhaltsverzeichnis
5. Schuldnerschutz als Hauptzweck der Verjährung . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 71
III. Rechtfertigung der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
C. Zweck der Verjährungshemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
I.
Einflussnahme auf den Lauf der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn . . . . . . . . . . . . . 75 a) Wirkung von Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn . . . . 75 b) Rechtslage bis zum SchRModG und die Neuregelung . . . . . . . 77 c) Insbesondere: Regelungsgehalt sowie Entstehungsgeschichte des § 204 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Systematik und Regelungsgehalt von § 204 BGB . . . . . . . 77 bb) Entstehungsgeschichte des § 204 BGB . . . . . . . . . . . . . 78 (1) § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) § 204 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (3) Änderung der Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Gründe für die einzelnen Tatbestände der Verjährungshemmung . . . 82 a) Hemmung nach §§ 205, 206, 207, 208 BGB und Ablaufhemmung 83 nach §§ 210, 211 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hemmung durch Rechtsverfolgung, § 204 BGB . . . . . . . . . . 84 c) Hemmung bei Verhandlungen, § 203 BGB . . . . . . . . . . . . . 86
II.
Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung, § 204 Abs. 1 BGB . . . . 87 1. Gründe für die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung 87 nach § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Warnung des Schuldners durch Konfrontation mit einer 87 Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Setzt die Warnung des Schuldners dessen Kenntnis von der 91 Maßnahme voraus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlen der Warnfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 d) Beschränkung der Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB 95 durch „Beschleunigungsinteresse“ des Schuldners . . . . . . . . . 2. Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung und der Zweck der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Warnung auch bei unzulässigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . 101
III. Neubeginn der Verjährung durch Rechtsverfolgung, § 212 BGB . . . . . 101 IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Inhaltsverzeichnis
XI
2. Teil
Einfluss von verfahrensrechtlich fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen auf den Lauf der Verjährung 4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 A. Regelungen bis zum Inkrafttreten des BGB 1900 . . . . . . . . . . . 107 I.
Unterbrechung durch Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Verjährungsunterbrechung durch Klage . . . . . . . . 2. Verjährungsunterbrechung durch fehlerhafte Klage . . . . . . . . . . a) Unterbrechung durch fehlerhafte Klage nach gemeinem Recht . . . b) Allgemeines Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Code Civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . e) Sächsisches BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Partikulargesetze über die Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . g) Dresdener Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 107 110 110 112 112 113 114 114 115 116
II.
Unterbrechung durch sonstige Maßnahmen der Rechtsverfolgung . . . . 117
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen während der Entstehung des BGB . . . . . . . . . . . . 119 I.
II.
Die Erste Kommission (1874–1889) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorlage zur Anspruchsverjährung von 1877 . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Vorlage zur Anspruchsverjährung betreffend die Unterbrechung durch Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . b) Die Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beratungen der Vorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Teilentwurf eines Allgemeinen Teils von 1881 . . . . . . . . . . 4. Die Behandlung des Teilentwurfs durch die 1. Kommission . . . . . . 5. Der Entwurf erster Lesung (E I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 121 121 122 123 124 124 127 129
Die Vorkommission des Reichsjustizamts (1890–1893) . . . . . . . . . . 130
III. Die zweite Kommission (1890–1896) und Inkrafttreten des BGB 1900 . . 132 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
C. Rechtslage nach BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I.
Die Behandlung fehlerhafter Klagen nach § 212 BGB a. F. . . . . . . . . 136
II.
Die Behandlung anderer fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . 138 1. Entsprechende oder analoge Anwendung des § 212 BGB a. F. . . . . . 138
XII
Inhaltsverzeichnis
2. Übertragung der für die Klage geltenden Grundsätze auf die anderen Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB . . . . . 143 A. Keine Änderung der Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch die Neufassung des Verjährungsrechts . . . . . . 143 I.
Weiterführung der zum alten Recht bestehenden Grundsätze auch unter Geltung von § 204 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
II.
Grundsätze für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
B) Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I.
II.
Individualisierung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die verfahrensrechtlichen Anknüpfungsnormen des Individualisierungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Anforderungen an die Individualisierung im Einzelnen . . . . . . a) Individualisierung des prozessualen Anspruchs nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . b) Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheid, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Antrag an die Streitbeilegungsstelle, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB . . . . . . . d) Individualisierung bei der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Individualisierung bei der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Individualisierung beim selbständigen Beweisverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Individualisierung des Anspruchs bei der Anmeldung zur Tabelle im Insolvenzverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB . . . . . . . . . h) Individualisierung bei den übrigen Hemmungstatbeständen . . . . i) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146 146 149 150 150 154 158 161 162 163 164 165 168
Zustellung und Veranlassung der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . 169
III. Die spezifischen Voraussetzungen der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hemmung durch Klageerhebung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . a) Wirksamkeit der Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen an die Klageschrift nach § 253 Abs. 2 ZPO . . bb) Unterschrift und Postulationsfähigkeit nach § 78 ZPO . . . . . (1) Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 170 171 171 173 173
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XIII
(2) Postulationsfähigkeit des Unterschreibenden . . . . . . . cc) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlüssigkeit und Substantiierung sowie Begründetheit . . . . . . 2. Hemmung durch Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB . . . . . . 3. Hemmung durch Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlerhaftigkeit von Mahnantrag und Mahnbescheid sind grundsätzlich unbeachtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unzulässigkeit des Mahnverfahrens, § 688 ZPO . . . . . . . . bb) Fehlerhaftigkeit des Mahnantrags nach § 690 ZPO . . . . . . cc) Fehlende Unterschrift ist nach allgemeiner Ansicht unschädlich c) Verstoß gegen den Formularzwang, § 703c Abs. 2 ZPO . . . . . . d) Unwirksamkeit des Mahnantrags wegen Beifügung von Anlagen bei Zwang zur Einreichung in maschinell lesbarer Form . . . . . . 4. Hemmung durch Veranlassung der Bekanntgabe eines bei einer Streitbeilegungsstelle gestellten Antrags, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB . . . 5. Hemmung durch Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Hemmung im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB . . . b) Unterscheidung zwischen prozessualen und materiell-rechtlichen Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prozessuale Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Materielle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Hemmung durch Zustellung der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sonderstellung der Hemmung durch Streitverkündung . . . . b) Anforderungen an die Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . aa) Verjährungshemmung nur bei zulässiger Streitverkündung . . bb) Anforderungen an die Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . (1) Zulässigkeit der Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . (2) Form der Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zulässigkeit auch bei Beitritt erforderlich . . . . . . . . . . . 7. Hemmung durch Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Anmeldung nach § 10 KapMuG . . . . . . . c) Voraussetzungen der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB . . 8. Hemmung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB . . . . . . .
174 174 175 177 178 180 180 182 183 185 186 187 188 189 192 192 193 194 196 197 197 198 198 202 202 203 204 205 205 206 207 208
XIV
Inhaltsverzeichnis
9. Hemmung durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Hemmung durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Hemmung durch Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Hemmung durch den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Hemmung durch Einreichung des Antrags bei einer Behörde, § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Hemmung durch Einreichung des Antrags bei einem höheren Gericht, § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Hemmung durch Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe, § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 212 213 214 215 217 217
6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . 221 A. Zusammenfassende Kritik an der gegenwärtigen Handhabung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . 221 I.
II.
Rechtsunsicherheit aufgrund des gegenwärtigen verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Aussage zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen in § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine sichere Bestimmung der Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . 3. Modifizierung des verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes durch materiell-rechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Einklang zwischen dem verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstab und dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Der Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung und die Anforderungen an deren Eintritt . . . . . . . . . 2. Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Klageerhebung und deren Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung von Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung bei der Anwendung verjährungsrechtlicher Vorschriften in anderem Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . .
221 221 223 224 225 226 226 227 229
III. Gleichrangigkeit der Hemmungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Inhaltsverzeichnis
XV
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen . . . . . . . . 234 I.
Der mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgte Sinn und Zweck als maßgebendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Die Warnung des Schuldners als tatsächlicher Umstand . . . . . . . . 234 2. Der neue – schuldnerorientierte – Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . 237
II.
Die sich aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen an die Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . 1. Erkennbarkeit des Rechtsdurchsetzungswillens . . . . . . . . . . . . a) Initiierung einer in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners von der Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individualisierung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Konkretisierung der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegung der fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung von Prozesshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung dieser Kriterien für die Ermittlung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Feststellung der Individualisierung . 2. Die Auslegung des Beteiligtenverhaltens bei § 203 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 203 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238 238 238 239 239 240 240 241 241 243 245 246 246 248 249 250
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes . 251 I.
Weitere Gründe für den schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab . . . 1. Einheitliche Handhabung der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheitliche Handhabung der Tatbestände mit Rechtsdurchsetzungscharakter, §§ 203, 204, 212 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einheitliche Handhabung von § 204 BGB einerseits sowie § 203 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anderseits . . . . . . . . . b) § 204 Abs. 1 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB . . . 3. Rechtshängigkeit und rechtskräftige Feststellung des Anspruchs sind keine leitenden Gesichtspunkte der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Warnung des Schuldners als tragender Gesichtspunkt des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251 251 251 251 252 255 255
XVI
Inhaltsverzeichnis
b) Rechtshängigkeit und Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Aufgabe des an der Klage entwickelten Wirksamkeitserfordernisses 259 4. Änderung der Rechtsfolge und Reduzierung der Dauer der Regelverjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II.
Einwände und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen des materiellen Rechts an die Rechtsverfolgungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut und Systematik des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . b) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . c) Entgegenstehen der Verjährungszwecke . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlust an Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Befürwortung des verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260 261 261 264 265 266 266 268
D. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes auf die Nr. 1 bis Nr. 14 des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . 271 A. Individualisierung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I.
Das Individualisierungserfordernis ist Tatbestandsmerkmal des § 204 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
II.
Die Anforderungen an das Individualisierungserfordernis . . . . . . . . 274 1. Abgrenzung des Lebenssachverhaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Angaben zum Anspruchsziel, insbesondere zum Umfang des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
B. Weitere für mehrere Rechtsverfolgungsmaßnahmen in Betracht kommende Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I.
Zustellung und Veranlassung der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Veranlassung der Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
II.
Einleitung der Maßnahme ausschließlich zur Verjährungshemmung . . . 280
III. Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit; Vollmacht . . . . . . . . . . . . . 282 1. Partei- und Prozessfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Fehlende Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 IV. Allein die Kenntnis des Schuldners vom Mangel führt nicht zur Verneinung der Hemmungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
C. Besonderheiten der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 14 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
XVII
Inhaltsverzeichnis
I.
Erhebung der Klage, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschriftserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
III. Zustellung des Mahnbescheids oder des Europäischen Zahlungsbefehls, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstöße gegen §§ 688, 689, 690, 702 Abs. 2, 703c Abs. 2 ZPO grundsätzlich unbeachtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berufung auf die Hemmungswirkung bei Verstößen gegen §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist nicht treuwidrig . . . . . 3. Rückbeziehung der Hemmungswirkung nach § 691 Abs. 2 ZPO . . . . IV. Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB 1. Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen die Verfahrensordnung der Streitbeilegungsstelle . . . 3. Fehlende Bereitschaft des Antragsgegners zur Mitwirkung an einem Güteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.
283 283 284 285
287 287 288 290 291 291 292 293
Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
VI. Zustellung der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB . . . . . . . . 296 VII. Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 VIII. Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 302 IX. Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 X. Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB
303
XI. Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
304 304 305 305
XII. Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB . . 306 XIII. Einreichung des Antrags bei einer Behörde, § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB . . 307 XIV. Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung, § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB . . . . 307 XV. Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe, § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB 309
XVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Teil
Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner – Inhaltsbestimmung der ungeschriebenen Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 A. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
II.
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Berechtigung des Gläubigers und der Schuldnerstellung des Gegners . . . . . . . . . . 313 1. Berechtigung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Schuldnerstellung des Gegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . 317 I.
Berechtigung des Klägers als Voraussetzung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB? 317
II.
Wer ist Berechtigter im Sinne der Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kläger ist verfügungsbefugter Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . 2. Kläger ist Anspruchsinhaber, aber nicht verfügungsbefugt . . . . . . 3. Der Kläger macht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend . . . a) Befugnis aufgrund gesetzlicher Regelung . . . . . . . . . . . . . b) Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft . . c) Gewillkürte Prozessstandschaft ohne Einziehungsermächtigung . 4. Kenntnis des Beklagten von der Berechtigung des Klägers? . . . . .
320 321 322 324 324 325 326 327
III. Berechtigung des Gläubigers bei den anderen Hemmungstatbeständen . . 328 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
C. Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner . . . . . . . . . . 331 I.
Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
II.
Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 A. Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ gemäß dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB . . . 337 I.
Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner als legitime Voraussetzungen der Verjährungshemmung . . . . . . . . . . . . . . . 337
Inhaltsverzeichnis
II.
XIX
Warnung des Schuldners als maßgebender Gesichtspunkt für die Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Warnung des Schuldners als maßgebendes Kriterium für beide Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Vorteile der Orientierung am Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB . 339
B. Vorgehen durch den Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 I.
II.
Neubestimmung des Tatbestandsmerkmals „Berechtigter“ . . . . . . . . 1. Inanspruchnahme durch den ursprünglichen Gläubiger . . . . . . . . 2. Inanspruchnahme durch einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340 340 341 342
Anwendung der Definition auf Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 343
III. Verlauf und Ausgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
C. Vorgehen gegen den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I.
Neubestimmung des Tatbestandsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . 345
II.
Anwendungsfälle einer Hemmungserstreckung . . . . . . . . . . . . . 347
III. Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Einleitung
Problemaufriss und Untersuchungsgegenstand Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts1 (SchRModG) zum 01.01.2002 wurde das Verjährungsrecht ebenfalls grundlegend neu gestaltet. Eine Änderung erfuhren hierbei auch die Regelungen, mit denen durch Rechtsverfolgung auf den Lauf der Verjährung Einfluss genommen werden kann. Insbesondere wurden der Katalog des § 204 Abs. 1 BGB gegenüber §§ 209, 210, 220 BGB a. F.2 erweitert und die Rechtsfolge von der Verjährungsunterbrechung hin zur Verjährungshemmung geändert. Rechtsprechung und Schrifttum haben in der Folgezeit die zu § 209 BGB a. F. entwickelte Dogmatik jedoch weitestgehend beibehalten. So wird für den Eintritt der Hemmung nach wie vor fast einhellig für notwendig erachtet, dass die Rechtsverfolgungsmaßnahme vom Berechtigten ausgeht, obwohl § 204 Abs. 1 BGB im Gegensatz zu § 209 Abs. 1 BGB a. F. diese Voraussetzung nicht mehr zu entnehmen ist.3 Weiterhin ist auch zu § 204 Abs. 1 BGB allgemeine Ansicht, dass die Rechtsverfolgungsmaßnahme nur dann zur Verjährungshemmung geeignet ist, wenn sie verfahrensrechtliche Mindestanforderungen erfüllt. Das heißt, dass diese wenigstens wirksam sein muss, um die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB auszulösen. Für die Verjährungshemmung durch Zustellung der Streitverkündung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird von der ganz herrschenden Meinung die prozessuale Zulässigkeit der Maßnahme gefordert, Gleiches wird teilweise für § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB angenommen. Im Übrigen ist die Zulässigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme für den Eintritt der Hemmung nicht notwendig.4 Mit den nachfolgenden Ausführungen soll insbesondere gezeigt werden, dass die bisherige Handhabung des § 204 Abs. 1 BGB bei verfahrensrechtlicher Fehlerhaftigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht gerecht wird. Die gegenwärtig angewandten verfahrensrechtlichen 1 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. 2001 I, S. 3138; in Kraft getreten am 01.01.2002. 2 BGB a. F. bezieht sich, wenn nicht anders angegeben, auf die bis zum Inkrafttreten des SchRModG geltende Rechtslage. 3 Hierzu ausführlich im 3. Teil (S. 311). 4 Siehe nur BGHZ 160, 259, 262 f.; ausf. unten 4. Kap., C) (S. 136) und 5. Kap., A) (S. 143).
2
Einleitung: Problemaufriss und Untersuchungsgegenstand
Maßstäbe werden daher zugunsten einer am Telos der Vorschrift orientierten Beurteilung aufgegeben. Nach Darstellung der für die Entwicklung dieser neuen Maßstäbe wesentlichen Grundlagen (Teil 1) erfolgt die Auseinandersetzung mit der Problematik der verfahrensfehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahme (Teil 2). Im Ergebnis wird der bisherige verfahrensrechtliche durch einen schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab ersetzt, welcher auch für die Bewertung der Kundgabetatbestände heranzuziehen ist. In Teil 3 wird der Frage nachgegangen, ob es Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB erfordern, auch bei den beiden ungeschriebenen Hemmungsvoraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB, wonach ein Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner notwendig ist, eine inhaltliche Neubestimmung vorzunehmen.
1. Teil
Grundlagen
1. Kapitel
Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB sowie Begriffsbestimmungen A. Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB I. Die Struktur des § 204 Abs. 1 BGB 1. Allgemeines § 204 Abs. 1 BGB bestimmt die Voraussetzungen, unter denen eine Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung eintreten kann. Zu insgesamt 15 Ziffern werden verschiedene Maßnahmen genannt, die dem Gläubiger zur Herbeiführung dieser Rechtsfolge zur Verfügung stehen. Allen Hemmungstatbeständen ist dabei gemeinsam, dass immer sowohl eine Rechtsverfolgungsmaßnahme eingeleitet als auch dass, jedenfalls nachträglich (§ 204 Abs. 1 Nr. 12, Nr. 13 BGB), ein Kundgabetatbestand1 erfüllt werden muss, wobei eine tatsächliche Kenntniserlangung des Schuldners nicht erforderlich ist2. Es müssen also die Klage erhoben, der Mahnbescheid zugestellt oder die Aufrechnung geltend gemacht worden sein sowie das vereinbarte Begutachtungsverfahren begonnen haben oder die Bekanntgabe des Antrags auf Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe veranlasst worden sein. Die Verjährung wird daher nicht gehemmt, wenn wegen der verfahrensrechtlichen Fehlerhaftigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme die Vornahme des Kundgabetatbestandes unterbleibt, das heißt insbesondere von der Zustellung abgesehen oder die Bekanntgabe des Antrags nicht veranlasst wird. Eine Hemmung scheitert in diesen Fällen jedenfalls an der Nichteinleitung des Kundgabetatbestandes durch die zuständige Stelle. Ob der der Rechtsverfolgungsmaßnahme anhaftende Mangel bereits zur Verneinung der Hemmungswirkung geführt hätte, spielt dann zunächst keine Rolle. Diese Frage stellt sich erst dann, wenn der Kundgabetatbestand nach der Korrektur des Fehlers nachträglich vorgenommen wird und die Zustellung 1 Begriff von Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 278: „Ihrer Warnfunktion entsprechend bilden die Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB Kundgabetatbestände.“ 2 Hierzu unten 3. Kap., C) II. 1. b) (S. 91).
6
1. Kapitel: Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB
(§ 167 ZPO), die Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder die Veranlassung der Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) noch demnächst erfolgt. Durch die Benennung einer Rechtsverfolgungsmaßnahme als Tatbestandsvoraussetzung weist § 204 Abs. 1 BGB den Weg ins Verfahrensrecht beispielsweise der ZPO, des FamFG oder der InsO. Entsprechendes gilt, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß, für die Kundgabetatbestände. Daneben werden in einigen Ziffern des § 204 Abs. 1 BGB für die jeweilige Rechtsverfolgungsmaßnahme weitere Hemmungsvoraussetzungen aufgestellt. Zudem enthält die Vorschrift nach ganz überwiegender Ansicht zwei ungeschriebene Voraussetzungen: Verjährungshemmung kann in allen Fällen des § 204 Abs. 1 BGB nur dann eintreten, wenn der Berechtigte gegen den Schuldner vorgeht.3 2. Die verfahrensrechtlichen Verweise für die Rechtsverfolgungsmaßnahmen und Kundgabetatbestände im Einzelnen § 204 Abs. 1 BGB benennt mithin in jeder Ziffer eine bestimmte Rechtsverfolgungsmaßnahme sowie einen Kundgabetatbestand. Für diese gelten dann weitestgehend die Regelungen verschiedener Verfahrensrechte: § 204 Abs. 1 BGB benennt nur die Maßnahmen, durch die die Verjährung gehemmt werden kann. Deren Inhalt ergibt sich dann aus der ZPO (Nr. 1, Nr. 3, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 9, Nr. 11, Nr. 13, Nr. 14), dem FamFG (Nr. 2, Nr. 14), der Verfahrensordnung der angerufenen Streitbeilegungsstelle (Nr. 4),4 dem KapMuG (Nr. 6a), der InsO (Nr. 10), der für die angerufene Behörde (Nr. 12) geltenden Verfahrensordnung oder gar der Vereinbarung der Parteien (Nr. 8). Bei Nr. 11 werden häufig die Verfahrensordnungen der institutionellen Schiedsgerichte maßgebend sein, die Parteien können sich aber auch eine eigene Verfahrensordnung schaffen.5 Für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB sind sowohl die materiell-rechtlichen Vorschriften über die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) als auch, da die für die Verjährungshemmung notwendige Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess eine Prozesshandlung ist, die hierfür geltenden verfahrensrechtlichen Vorgaben von Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Kundgabetatbestände: Die Zustellung richtet sich nach den §§ 166 ff. ZPO. Die ZPO-Vorschriften sind auch für die sonstigen Möglichkeiten der Klageerhebung (Nr. 1, § 261 Abs. 2 ZPO) sowie in den Fällen von Nr. 5 und Nr. 14 maßgeblich. Die Veranlassung der Bekanntgabe bei Nr. 4 richtet sich nach den Verfahrensordnungen der Streitbeilegungsstellen, der Beginn bei Nr. 8 und Nr. 11 nach der zugrunde liegenden Vereinbarung der Partei3
Hierzu ausf. unten 3. Teil (S. 311). Steike, in: HK-VSBG, § 5 Rn. 2. 5 Münch, in: MüKo-ZPO, Vor §§ 1025 ff. Rn. 17–19. 4 Siehe
A. Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB
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en oder wenn bei Nr. 11 nichts vereinbart ist, nach § 1044 S. 1 ZPO. Für die Anmeldung der Forderung (Nr. 10) sind die §§ 174 ff. InsO maßgeblich. Von den Kundgabetatbeständen ist freilich die Zustellung der wichtigste. Diese ist auch im Gesetz am detailliertesten ausgestaltet, weswegen sich die Ausführungen auf sie konzentrieren. Bei der Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB) fallen Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabetatbestand letztlich zusammen. Soweit auf die ZPO, das FamFG und das KapMuG verwiesen wird, handelt es sich um verfahrensrechtliche Gesetze; die vorliegend relevanten §§ 174 ff. InsO sind Vorschriften des Insolvenzverfahrensrechts6. Den Tätigkeiten der Gütestellen liegen ebenfalls Verfahrensordnungen zugrunde. Sind bei § 204 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 11 BGB Parteivereinbarungen maßgebend, kann man von gewillkürten Verfahrensbestimmungen sprechen.
II. Die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB 1. Alle Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB sind solche des materiellen Rechts Bei allen in § 204 Abs. 1 BGB aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen handelt es sich trotz dessen, dass die meisten von ihnen Bezüge zum Verfahrensrecht haben, um solche des materiellen Rechts. Weil es dem Gesetzgeber vorbehalten ist zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen auf den Lauf der Verjährung eingewirkt werden kann, müssen alle in § 204 Abs. 1 BGB für den jeweiligen Hemmungstatbestand aufgestellten Anforderungen erfüllt sein, damit die Rechtsfolge Verjährungshemmung ausgelöst wird. Das gilt auch für die ungeschriebenen Hemmungsvoraussetzungen, sofern man sie als Tatbestandsmerkmale anerkennt. a) Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabetatbestand Auch die in Bezug genommenen Rechtsverfolgungsmaßnahmen und Kundgabetatbestände sind jeweils materiell-rechtliche Tatbestandsmerkmale. Die Bestimmungen zur Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung sind ebenso wie das Institut der Verjährung insgesamt7 solche des materiellen Rechts. Die Verweisung ins Verfahrensrecht führt somit nicht dazu, dass aus der Benennung der Rechtsverfolgungsmaßnahme oder des Kundgabetatbestandes verfah6 7
Ganter/Lohmann, in: MüKo-InsO, Vor §§ 2 bis 10 Rn. 1. Hierzu sogleich unter 1. Kap., B) I. 2. (S. 12).
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rensrechtliche Voraussetzungen würden. Es ist vielmehr die Frage zu beantworten, welche verfahrensrechtlichen Anforderungen erfüllt sein müssen, damit materiell-rechtlich von einer Klage, einer Streitverkündung, einer Zustellung usw. im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB gesprochen werden kann.8 Die Frage nach der Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen und Kundgabetatbestände ist daher die nach der Auslegung des in der jeweiligen Ziffer des § 204 Abs. 1 BGB bezeichneten Verfahrensaktes. Gegenwärtig wird die Bestimmung des materiell-rechtlichen Inhalts der benannten Rechtsverfolgungsmaßnahme insofern dem Verfahrensrecht überlassen, als sich nach diesem die Wirksamkeit oder die Zulässigkeit der Maßnahme bemisst: Zwar handelt es sich bei der Forderung nach der Wirksamkeit bzw. in einigen Fällen (§ 204 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 6a BGB) der Zulässigkeit der Maßnahme um eine materiell-rechtliche Voraussetzung der Hemmung, ob die Rechtsverfolgungsmaßnahme dann aber wirksam bzw. zulässig ist, ist keine Frage des materiellen Rechts mehr, sondern bestimmt sich nach den jeweils einschlägigen Verfahrensvorschriften.9 Gleiches gilt für die Zustellung: Diese muss wirksam sein, damit die Verjährungshemmung eintreten kann.10 Die Wirksamkeit der Zustellung bemisst sich dann nach den §§ 166 ff. ZPO. Nach gegenwärtiger Auffassung ist mithin ein Rückgriff auf das Verfahrensrecht notwendig, um über das Vorliegen der materiell-rechtlichen Hemmungsvoraussetzungen befinden zu können. P. Arens formulierte daher für die Unterbrechung nach § 209 Abs. 1 BGB a. F.: „Damit verweist das BGB auf das Prozessrecht, von der Erfüllung prozessrechtlicher Voraussetzungen hängt es ab, ob die Verjährungsunterbrechung eintritt […].“11 Wenn im Folgenden von einer fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahme gesprochen wird, ist deshalb immer gemeint, dass diese bestimmte verfahrensSpiro, Begrenzung privater Rechte, S. 287 f. Vgl. z. B. für die Unterbrechung durch Klage RGZ 86, 245, 246; RG JW 1934, 1494; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 6. Siehe auch Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 30. 10 Siehe nur BGH NJW 2017, 886, 888 (Rn. 32), Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 32. Ausf. unten 2. Kap., B) II. 2. (S. 28). 11 P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17. Siehe auch S. 19, zur Frage, ob durch eine „reine“ Auskunftsklage die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs unterbrochen wird: „Der Umfang der Rechtshängigkeit entscheidet über die Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB und deren Umfang. Für eine materiellrechtliche Rechtsfolge wird damit auf einen rein prozeßrechtlichen Begriff abgestellt.“ Im Ergebnis befürwortet P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 31 f. jedoch die Anbindung an das Prozessrecht jedenfalls im Hinblick auf die Bindung der Verjährungsunterbrechung an den prozessualen Anspruch; im Grundsatz ebenso Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 118, zur Erweiterung der Verjährungsunterbrechung S. 136 ff. 8 9
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rechtliche Anforderungen nicht erfüllt. Nicht gemeint ist ein Mangel hinsichtlich der materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB, der immer zur Verneinung der Hemmungswirkung führt. b) Maßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner Ein solcher verfahrensrechtlicher Bezug wohnt den beiden ungeschriebenen Voraussetzungen, dass der Berechtigte12 gegen den tatsächlichen Schuldner13 vorgehen muss, nicht inne. Zwar könnten diese über die Begründetheitsvoraussetzungen der Aktiv- und Passivlegitimation ins Verfahrensrecht gezogen werden. Dies wäre jedoch aus zwei Gründen inkonsequent: Zum Ersten blieben es aus den soeben genannten Gründen dennoch materiell-rechtliche Anforderungen. Zum Zweiten bestimmt sich das Vorliegen der Aktiv- und Passivlegitimation ohnehin nach materiellem Recht,14 sodass für die Auslegung dieser Begriffe nichts gewonnen wäre. 2. Die weiteren Hemmungsvoraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB a) Die weiteren Hemmungsvoraussetzungen im Einzelnen Über die Einleitung einer Rechtsverfolgungsmaßnahme, die Erfüllung des Kundgabetatbestandes sowie das Vorgehen des Berechtigten (jedenfalls nach ganz überwiegender Ansicht) gegen den Schuldner hinaus, enthalten § 204 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 8, Nr. 9 Alt. 1, Nr. 10 und Nr. 11 BGB keine weiteren Hemmungsvoraussetzungen. Bei Nr. 6a, Nr. 12 und Nr. 13 ist hingegen erforderlich, dass sich an die erste Rechtsverfolgung eine weitere anschließt. Bezogen auf Nr. 12 und Nr. 13 wird durch dieses zusätzliche Erfordernis auch kompensiert, dass für die erste Maßnahme in § 204 Abs. 1 BGB kein Kundgabetatbestand angeordnet wird. Bei Nr. 9 Alt. 2 hemmt die Einreichung nur, wenn binnen eines Monats die Zustellung der gerichtlichen Entscheidung erfolgt und damit die Kundgabe sichergestellt wird. Weitere eigene Voraussetzungen enthalten – vorbehaltlich einer möglicherweise erforderlichen teleologischen Reduktion – zudem: Nr. 1, durch die Beschränkung auf die dort genannten Klagen; Nr. 4, wo ein Vorgehen vor den dort genannten Gütestellen gefor12
Nach ganz herrschender Auffassung bemisst sich die Berechtigung im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB nach dem materiellen Recht. Berechtigter ist daher, wem die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis über den Anspruch zusteht, siehe nur BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 10). Außerdem ist auch der isolierte Prozessstandschafter Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB. Ausf. unten 8. Kap., B) (S. 317). 13 Schuldner in diesem Sinne ist der materiell Verpflichtete des Anspruchs. 14 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, Vorb. § 253 Rn. 9; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 27.1; Zöller/Greger, Vor § 253 Rn. 25; Reichold, in: Thomas/Putzo, Vorb § 253 Rn. 39.
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dert wird;15 Nr. 6a, der die Hemmung nur für die dort näher beschriebenen materiellen Ansprüche eintreten lässt; Nr. 12, wonach die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängen muss; Nr. 13, die fordert, dass das höhere Gericht das zuständige Gericht zu bestimmen hat; Nr. 14, wo festgelegt wird, dass nur der erstmalige Antrag hemmt. b) Teleologische Reduktion bestimmter Hemmungsvoraussetzungen Die nachfolgende Darstellung wird ergeben, dass der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB erreicht ist, wenn der Schuldner durch die Konfrontation mit einer in dieser Norm genannten Rechtsverfolgungsmaßnahme hinreichend gewarnt wurde. Für einige der soeben genannten Hemmungsvoraussetzungen ist fraglich, ob sie diesem Paradigma gerecht werden. Bei den Tatbestandsmerkmalen, die weder für den Eintritt der Warnung Bedeutung haben, noch eine andere Funktion besitzen, ist daher unter Heranziehung der hier entwickelten Grundsätze eine teleologische Reduktion zu diskutieren.16
III. Konsequenzen für die weitere Darstellung Weil der Gesetzgeber im materiellen Recht die Voraussetzungen für den Hemmungseintritt festlegt,17 kann es im Folgenden nur darum gehen, wie die Tatbestandsmerkmale des § 204 Abs. 1 BGB zu definieren sind.18 Bezogen auf die Rechtsverfolgungsmaßnahmen und die Kundgabetatbestände bedeutet dies, dass ermittelt werden muss, wie die Verweise ins Verfahrensrecht zu verstehen sind. Im zweiten Teil (S. 105) geht es um diese Auslegung. Die Individualisierung des Anspruchs, die nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls als ori15 Siehe hierzu bspw. BGH NJW 2017, 1879, 1880 (Rn. 10, 13); Steike/Borowski, VuR 2017, 218 f. 16 Hierzu unten 7. Kap., C) VII. (S. 300), XIII. (S. 307) u. XIV. (S. 307). 17 Der BGH hat daher in NJW-RR 2013, 553, 554 (Rn. 14), ebenso RdTW 2013, 271, 273 (Rn. 23), zu Recht der Erhebung eines Ersatzanspruchs gegen den Frachtführer, die entgegen § 439 Abs. 3 S. 1 HGB a. F. (nach der Änderung des § 439 Abs. 3 HGB durch das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.04.2013, in Kraft getreten am 25.04.2013, genügt nach § 439 Abs. 3 S. 2 HGB nunmehr die Textform) nicht schriftlich erfolgte, die Hemmungswirkung versagt: Die Einhaltung der im materiellen Recht aufgestellten Hemmungsvoraussetzungen, wie hier die Einhaltung der Schriftform, sind für den Eintritt der Hemmungswirkung zwingend notwendig, wenn nicht die Auslegung oder teleologische Reduktion der Norm ergibt, dass auch die Textform genügt, BGH NJW-RR 2013, 553, 554 (Rn. 12 ff.). Zum Ganzen Eckardt, in: MüKo-HGB3, § 439 Rn. 20 ff. 18 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 287 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75; für § 220 BGB a. F. auch Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 68.
B. Begriffsbestimmungen
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ginäre Voraussetzung des § 204 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, wird wegen ihrer bisherigen Verankerung im Verfahrensrecht ebenfalls in Teil 2 (S. 105) dargestellt. Um den Zusammenhang zu den übrigen Voraussetzungen zu wahren, werden auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 204 Abs. 1 BGB bei der entsprechenden Maßnahme in Kapitel 7 (S. 271) diskutiert. Dort wird auch, soweit angezeigt, auf eine teleologische Reduktion eingegangen. Die beiden un geschriebenen materiellen Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB werden in Teil 3 (S. 311) behandelt. Zudem muss gleich zu Anfang verdeutlicht werden, dass bei der folgenden Betrachtung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen und Kundgabetatbestände lediglich über den Eintritt der materiell-rechtlichen Rechtsfolge Verjährungshemmung befunden wird. Eine Sachentscheidung kann – dort, wo sie möglich ist – selbstverständlich nur ergehen, wenn der Verfahrensfehler beseitigt oder unerheblich geworden ist. Gelangt man beispielsweise zum Ergebnis, dass die Klage trotz fehlender Postulationsfähigkeit die Verjährung hemmen kann, kann ein Sachurteil nur ergehen, wenn die Voraussetzungen des § 78 ZPO nachgeholt werden. Im Verfahren kann sich der Schuldner dann aber nicht mehr erfolgreich mit der Einrede des § 214 Abs. 1 BGB verteidigen.
B. Begriffsbestimmungen I. Verjährung 1. Begriff der Verjährung Der Begriff „Verjährung“ wird hier nicht in einem weiten Sinne als eine infolge Zeitablaufs eintretende Rechtsänderung19 verstanden. Den Ausführungen liegt 19 Zum weiten Verjährungsbegriff siehe bspw. Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 306 ff.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vor §§ 194–225 Rn. 1 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 1; Oetker, Die Verjährung, S. 26; vgl. auch Niedenführ, in: Soergel, Vor § 194 Rn. 15. Zur Geschichte näher Coing, Europ. PrivatR, Bd. II, S. 280: „Im älteren gemeinen Recht hatte man seit der Glossatorenzeit die Ersitzung (usucapio) und die Verjährung zu einem einheitlichen Institut zusammengefaßt, das mit dem Terminus praescriptio bezeichnet wurde. Sein Inhalt war der Erwerb von Rechten durch geduldete Ausübung (Besitz) und der Verlust von Rechten durch deren Nichtausübung […]. Man unterschied dementsprechend praescriptio extinctiva und acquistiva.“ Die Theorie der praescriptio wurde im jüngeren gemeinen Recht zunächst weiter vertreten. Sie wurde dann aber insb. von Savigny, der die Verbindung als völlig verwerflich bezeichnete (System, Bd. 5, § 237, S. 266), bekämpft und später von der herrschenden Meinung aufgegeben, Coing, Europ. PrivatR, Bd. II, S. 281 m. N. Ausführlich zur Trennung von praescriptio extinctiva und acquistiva Piekenbrock, Verjährung, S. 138 ff. u. Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 21 ff. Siehe zur Geschichte insb. Piekenbrock,
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vielmehr das enge20 Verständnis des BGB zugrunde. Das heißt nach der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB, dass (nur) Ansprüche der Verjährung unterliegen. Ist Verjährung eingetreten, berechtigt dies den Schuldner gemäß § 214 Abs. 1 BGB, die Leistung zu verweigern. Verjährung im Sinne der §§ 194 ff. BGB lässt sich daher definieren als der Zeitablauf, der für den Schuldner das Recht begründet, die Leistung zu verweigern.21 2. Verjährung als Institut des materiellen Rechts Unbestritten handelt es sich bei der Verjährung im heutigen deutschen Recht um ein Institut des materiellen Rechts.22 Grund hierfür ist die Anknüpfung der Verjährung an den materiell-rechtlichen Anspruch.23 Mit Herausbildung des materiell-rechtlichen Anspruchsbegriffs24 durch Windscheid 25 war es möglich, zwischen dem materiell-rechtlichen Anspruch einerseits und der Möglichkeit seiner prozessualen Durchsetzung, der actio, andererseits zu trennen.26 Diese Trennung ist Grundlage des BGB,27 sodass dieses dann auch von einer AnspruchsVerjährung, S. 30 ff.; außerdem Coing, Europ. PrivatR, Bd. I, S. 183–189, Bd. II, S. 280–283; Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 7 ff. (insb. zum röm. Recht); HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 7 ff.; Kaser/Knütel/Lohsse, Röm. PrivatR, § 4, Rn. 14. 20 Vgl. Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 308. Für das SchRModG Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 2, Rn. 1. 21 Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 5; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 1; Henrich, in: BeckOK BGB, § 194 Rn. 3; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 2, Rn. 1. 22 BGH NJW 2014, 314, 316 (Rn. 25); NK-BGB/Mansel/Stürner, § 194 Rn. 2; Oetker, Die Verjährung, S. 28, Fn. 76; Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 286; Grothe, in: MüKo-BGB, § 194 Rn. 2; P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 19; Peters, ZZP 123 (2010), 321, 342; Taupitz, ZZP 102 (1989), 288, 292; Althammer, NJW 2011, 2172. Rechtsvergleichend siehe Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 279 f.; Zimmermann, JZ 2000, 853, 856. 23 Oetker, Die Verjährung, S. 28, Fn. 76. 24 Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts, Düsseldorf 1856. Zur Entwicklung siehe Coing, Zur Geschichte des Begriffs „subjektives Recht“, S. 7 ff.; Weller, Vertragstreue, S. 372 ff.; Kaufmann, JZ 1964, 482, 487 f. 25 Bernhard Windscheid (geb. 26.06.1817 in Düsseldorf, gest. 26.10.1892 in Leipzig). Professor u. a. für Römisches Recht in Bonn, Basel, Greifswald, München, Heidelberg und Leipzig (ab 1874). Mitglied der 1. Kommission, deren Arbeit er bis zu seinem Ausscheiden am 30.09.1883 wesentlich prägte. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 86 f. Siehe ausf. Klein, Bernhard Windscheid 26.6.1817– 26.10.1892, Leben und Werk. 26 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 194 Rn. 2 , 3; Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 6; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil, I/2, § 222 I. (S. 1363). 27 Coing, Zur Geschichte des Begriffs „subjektives Recht“, S. 7, 20; Weller, Vertragstreue, S. 381; HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 19; Bork, BGB AT, Rn. 291.
B. Begriffsbestimmungen
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statt von einer Klagenverjährung ausging.28 Das antike römische Recht dachte hingegen actionenrechtlich, die actio war Klage und zugleich Anspruch.29 Die Klagenverjährung wurde daher auch im gemeinen Recht als prozessuales Institut verstanden.30 Mit Ausgang des 18. Jahrhunderts fand jedoch eine Abkehr von der rein prozessrechtlichen Sichtweise statt.31 Schon bevor Windscheid den materiell-rechtlichen Anspruchsbegriff entwickelte, wurde das Klagrecht mithin materiell-rechtlich qualifiziert,32 sodass nach Inkrafttreten des BGB auch vertreten wurde, dass mit der Einführung der Anspruchsverjährung eine inhaltliche Änderung nicht verbunden sei, da auch die neuere gemeinrechtliche Doktrin erkannt habe, dass die Klagenverjährung die actio im materiell-rechtlichen Sinn betreffe; die Änderung sei mithin nur eine terminologische.33
II. Rechtsverfolgungsmaßnahme, Kundgabetatbestand und Rechtsverfolgung Mit „Rechtsverfolgungsmaßnahmen“ sind nur die in § 204 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 14 BGB genannten Maßnahmen des Gläubigers gemeint. Damit folgt die Arbeit der Festlegung des Gesetzgebers, der die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Institute für geeignet hält, die Rechtsfolge Verjährungshemmung herbeizuführen, auch wenn es sich bei einigen von diesen (insb. Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 14) lediglich um vorbereitende Maßnahmen handelt, die der eigentlichen Rechtsverfolgung zeitlich vorgelagert sind.34 Die Überschrift des § 204 BGB – „Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung“ – erlaubt es, die zu den Ziff. 1–14 genannten Handlungen des Gläubigers als Rechtsverfolgungs28 NK-BGB/Mansel/Stürner, § 194 Rn. 2; HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 19. Nachweise zur Kritik an der Anspruchsverjährung bei Piekenbrock, Verjährung, S. 147, Fn. 172. 29 Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 7; Weller, Vertragstreue, S. 372; Kaufmann, JZ 1964, 482, 483; Braun, Zivilprozeßrecht, § 3 II. 1. (S. 36 f.); Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil, I/2, § 222 I. (S. 1362). 30 Piekenbrock, Verjährung, S. 143; Oetker, Die Verjährung, S. 28, Fn. 76. 31 Piekenbrock, Verjährung, S. 143. Ausf. zur Entwicklung von der Klagen- hin zur Anspruchsverjährung Piekenbrock, Verjährung, S. 143–147. 32 Piekenbrock, Verjährung, S. 144 (für Puchta und Savigny); Kaufmann, JZ 1964, 482, 488 (für Savigny); Braun, Zivilprozeßrecht, § 3 II. 2. (S. 37 f.). Zur unterschiedlichen Terminologie in den Kodifikationen des 19. Jh. Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 308 f.; Piekenbrock, Verjährung, S. 144–146. 33 Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 194 Anm. 4, m. w. N.: „Die […] Frage, ob denn nun die ‚Anspruchsverjährung‘ des BGB ihrem Wesen nach etwas anderes sei als die alte ‚Klagenverjährung‘ des gemeinen Rechts, ist […] zu verneinen.“; Dernburg, Pandekten, § 145 II. (S. 339 f.). Vgl. aber Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 308. 34 Vgl. auch Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 4 –6.
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maßnahmen zu bezeichnen. Es wird somit nicht der Frage nachgegangen, ob der Gesetzgeber an die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Tatbestände zu Recht die Hemmungswirkung geknüpft hat. Weil § 204 Abs. 1 BGB bestimmt, welche Maßnahmen zur Bewirkung der Rechtsfolge nur in Betracht kommen, ist es daher für die hier relevante Fragestellung entbehrlich, eine allgemeine Defini tion von Rechtsverfolgungsmaßnahme festzulegen.35 Es gibt zudem Handlungen des Gläubigers, die auf die Realisierung seines Anspruchs gerichtet sind, die jedoch nicht in den Katalog des § 204 Abs. 1 BGB aufgenommen wurden und daher auch die Verjährung nicht hemmen. Diese Maßnahmen, wie beispielsweise die Mahnung (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB), die Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO)36 oder eine Anhörungsrüge (§ 321a ZPO)37, sind nicht gemeint, wenn im Folgenden von Rechtsverfolgungsmaßnahmen gesprochen wird. Auch die Verjährungshemmung bei Verhandlung nach § 203 BGB und der Neubeginn der Verjährung durch Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungshandlung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB sind Fälle, in denen die Rechtsverfolgung Auswirkung auf die Verjährungsfrist hat. Diese Normen haben wesentliche Bedeutung für die Handhabung des § 204 Abs. 1 BGB,38 auf sie bezieht sich der Begriff Rechtsverfolgungsmaßnahme aber ebenfalls nicht. Kundgabetatbestand ist dasjenige Tatbestandsmerkmal eines Hemmungstatbestandes, welches darauf gerichtet ist, die Rechtsverfolgungsmaßnahme dem Schuldner zur Kenntnis zu bringen. Rechtsverfolgung meint Rechtsverfolgungsmaßnahme nebst Kundgabetatbestand.
III. Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit 1. Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme Eine Rechtsverfolgungsmaßnahme ist dann als verfahrensrechtlich fehlerhaft anzusehen, wenn sie Voraussetzungen nicht erfüllt, die in den für sie maßgeblichen Verfahrensvorschriften aufgestellt werden. Erweist sich gemessen hieran eine Rechtsverfolgungsmaßnahme als fehlerhaft, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob die in § 204 Abs. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge eintritt oder nicht. Auch verfahrensrechtlich fehlerhafte Maßnahmen können nämlich 35 Eine vom Katalog des § 204 Abs. 1 BGB ausgehende Definition könnte wie folgt lauten: Rechtsverfolgungsmaßnahme ist jede Handlung des Gläubigers, die unmittelbar oder mittelbar darauf gerichtet ist, den Anspruch zu realisieren. 36 Vgl. BGHZ 175, 1, 4 (Rn. 14); Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 7, Fn. 4. 37 Vgl. BGH NJW 2012, 3087, 3088 (Rn. 13, 15). 38 Siehe hierzu unten 3. Kap., C) I. 2. c) (S. 86), 3. Kap., C) III. (S. 101) u. 6. Kap., C) I. 2. b) (S. 252).
B. Begriffsbestimmungen
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die Verjährung des Anspruchs hemmen.39 Nur bei bestimmten Fehlern tritt die Hemmungswirkung nicht ein. Diese Fehler werden im Folgenden als relevante Fehler bezeichnet. Spiegelbildlich werden für die Voraussetzungen, die für den Eintritt der Hemmungswirkung vorliegen müssen, die Begriffe Mindestvoraussetzungen, Mindestanforderungen oder Mindesterfordernisse verwendet. Das Nichtbestehen des Anspruchs, dessen Verjährung gehemmt werden soll, führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßnahme und kann daher außer Betracht bleiben. Für die Maßnahmen, bei denen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem zu hemmenden Anspruch nicht erfolgt (Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 13), ergibt sich dies bereits daraus, dass der Erfolg der Maßnahme vom Bestehen des materiellen Anspruchs unabhängig ist. Aber auch bei den Maßnahmen aus dem Katalog des § 204 Abs. 1 BGB, bei denen der Anspruch mehr oder weniger detailliert Gegenstand der Rechtsverfolgungsmaßnahme ist, kommt es auf dessen Bestehen nicht an, da diese Frage von derjenigen der Verjährung zu trennen ist.40 Wird die Verjährungseinrede erhoben, ist zunächst zu prüfen, ob die Verjährung des Anspruchs wirksam gehemmt wurde und erst bejahendenfalls kann in die inhaltliche Prüfung des Anspruchs eingestiegen werden. Die Frage, ob Hemmung eingetreten ist, ist somit eine der Sachprüfung logisch vorgelagerte Frage.41 Gleiches gilt im Grundsatz für die Schlüssigkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme.42 Keine Hemmung tritt jedoch ein, wenn deren Fehlen zugleich eine unzureichende Individualisierung des Anspruchs zur Folge hat.43 2. Fehlerhaftigkeit der Zustellung, sonstige Kundgabetatbestände Die Zustellung, die bei 9 von 15 Hemmungstatbeständen die Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleisten soll, muss wirksam sein, damit Verjährungshemmung eintreten kann.44 Wann die Unwirksamkeit der Zustellung anzunehmen ist, wird freilich nicht einheitlich beantwortet.45 Bezeichnend für die enge Bin39 Siehe nur BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17, Verstoß gegen §§ 688 Abs. 2 Nr. 2 , 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO); BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 12 f., anderweitige Rechtshängigkeit); BGHZ 123, 337, 342 f. (Unzuständigkeit der Gütestelle); BGH NJW 1978, 1058 (sachliche Unzuständigkeit des Gerichts). Ausf. unten 5. Kap., B) III. (S. 170). 40 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 41 (für die Klage). 41 Insoweit zutreffend Peters, AcP 208 (2008), 37, 44, Fn. 14; siehe auch Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 42 (für die Klage). 42 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 41 (für die Klage). 43 Siehe hierzu unten 5. Kap., B) I. (S. 146). 44 BGH NJW 2017, 886, 888 (Rn. 32); Fölsch, NJW 2015, 1761 f. (Anm. zu BGHZ 204, 268); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 32. Siehe noch unten 2. Kap., B) II. 2. (S. 28). 45 Siehe hierzu unten 2. Kap., B) II. 2. a) (S. 28).
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1. Kapitel: Struktur und Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB
dung der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung an das Verfahrensrecht ist, dass diese Diskussion um die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Zustellung nur im prozessualen Schrifttum, nicht aber in der Literatur zu § 204 Abs. 1 BGB geführt wird. Bei § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB fallen Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabe zusammen, sodass für letztere die für die Rechtsverfolgungsmaßnahme vorgenommene Einordnung gleichermaßen gilt. Im Übrigen wird die verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit des Kundgabetatbestandes soweit ersichtlich nicht diskutiert.
IV. Gläubiger und Schuldner Da die Bezeichnung der Beteiligten im Rahmen der verschiedenen Rechtsverfolgungsmaßnahmen nicht einheitlich ist, wird allgemein von Gläubiger und Schuldner gesprochen, wenn sich die Ausführungen nicht auf eine bestimmte Maßnahme beziehen. Hiermit soll jedoch nichts über das materiell-rechtliche Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs gesagt werden. Ist mithin von Gläubiger und Schuldner die Rede, sind der als Gläubiger Auftretende und der als Schuldner in Anspruch Genommene gemeint.46
V. Hemmung und Unterbrechung Mit Inkrafttreten des SchRModG wurde das Verjährungsrecht vollständig neu gefasst. Dies führte teilweise auch zu einer Änderung der angeordneten Rechtsfolgen und der Begrifflichkeiten.47 Bei allgemeinen Ausführungen und für die Zeit ab Geltung des neuen Verjährungsrechts wird die nunmehr geltende Terminologie verwendet, insbesondere entsprechend der in § 204 Abs. 1 BGB angeordneten Rechtsfolge von Hemmung gesprochen. Wenn sich die Darstellung auf die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SchRModG bezieht, bleibt es bei den bis dahin geltenden Begrifflichkeiten.
46 Diese Begrifflichkeiten verwendet auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 10, der mit diesen jedoch dem Umstand Rechnung tragen will, dass der Anspruch nicht oder nicht mehr besteht. Diese Bedeutung soll den Begriffen hier aber nicht zukommen. 47 Hierzu genauer unten 3. Kap., C) I. 1. b) (S. 77) u. c) (S. 77).
2. Kapitel
Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit Die für den jeweiligen Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 BGB notwendigen Voraussetzungen müssen bereits zu unverjährter Zeit erfüllt gewesen sein. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Hemmungsvoraussetzung daher nicht nachgeholt werden. Dies bedeutet zunächst, dass vor Fristablauf die Berechtigung des Gläubigers vorliegen, sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner richten1 und der Anspruch zudem hinreichend individualisiert sein 2 muss. Unabhängig davon, welche verfahrensrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die jeweilige Rechtsverfolgungsmaßnahme letztlich als Mindestvoraussetzungen der Hemmung zu qualifizieren sind, müssen diese ebenfalls bereits zu unverjährter Zeit vorgelegen haben. Gleiches gilt für die Wirksamkeit der Zustellung (§§ 166 ff. ZPO), wenn man diese mit der allgemeinen Auffassung als Hemmungsvoraussetzungen ansieht. Dies folgt schon aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB (hierzu unter B) I., S. 23). Auch aus den prozessualen Heilungsmöglichkeiten sowie der Neuvornahme ergibt sich nichts anderes, da diese, jedenfalls soweit es um die hier in Rede stehende Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB geht, nur ex nunc wirken und daher nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Hemmung nicht herbeiführen können (hierzu unter B) II., S. 24). Zunächst ist aber unter A) (S. 18) darzustellen, bis zu welchem Zeitpunkt von unverjährter Zeit gesprochen werden kann.
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Hierzu ausf. unten 8. Kap. (S. 313). Hierzu unten 5. Kap., B) I. (S. 146) u. 7. Kap., A) (S. 271).
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
A. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Hemmungsvoraussetzungen I. Grundsatz: Vorliegen aller verfahrensrechtlichen Hemmungsvoraussetzungen am letzten Tag der Frist Gehemmt werden kann nur die noch laufende Verjährungsfrist.3 Damit durch die Rechtsverfolgung die Verjährungshemmung ausgelöst wird, müssen daher spätestens am letzten Tag der Frist sowohl die Rechtsverfolgungsmaßnahme eingeleitet worden als auch grundsätzlich der dazugehörige Kundgabetatbestand erfüllt sein. Tritt Verjährung mit Ablauf des 31.12. ein, muss mithin zum Ersten bis zu diesem Tag beispielsweise die Klage erhoben (Nr. 1), der Mahnbescheid (Nr. 3) oder die Streitverkündungsschrift (Nr. 6) zugestellt, die Bekanntgabe des Güteantrags (Nr. 4) oder des Antrags auf Gewährung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe (Nr. 14) veranlasst, die Anträge nach Nr. 12 oder Nr. 13 eingereicht sein, das vereinbarte Begutachtungsverfahren (Nr. 8) oder das schiedsrichterliche Verfahren (Nr. 11) begonnen haben oder der Anspruch im Insolvenzverfahren angemeldet (Nr. 10) worden sein. Hemmungswirkung kommt der Maßnahme aber nur dann zu, wenn zum Zweiten die an Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabetatbestand zu stellenden Mindesterfordernisse vorliegen. Wird eine dieser Voraussetzungen erst nach dem 31.12. erfüllt, läuft die Verjährung nicht mehr, sodass deren Lauf auch nicht mehr angehalten werden kann (§ 209 BGB).
II. Ausnahmen: Zustellung, Bekanntgabe und Veranlassung der Bekanntgabe demnächst 1. Zustellung demnächst, § 167 Alt. 3 ZPO In den Fällen, in denen § 204 Abs. 1 BGB die Zustellung fordert (Nr. 1,4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 9 Alt. 1), wird dieser Grundsatz durch § 167 Alt. 3 ZPO aber wesentlich modifiziert. Danach tritt die Wirkung des § 204 Abs. 1 3 BGH NJW 2017, 3144, 3145 (Rn. 19); BGHZ 203, 162, 172 (Rn. 38); BGH NJW 2015, 1007 (Rn. 11); BGH NJW 2014, 2267, 2268 (Rn. 15): kein Neubeginn gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach Ablauf der Verjährungsfrist; BGHZ 72, 23, 25; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 1 (für Neubeginn); Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 14. Siehe ergänzend noch BGH NJW 2017, 3144, 3145 (Rn. 12): Nur die bereits laufende Verjährung kann gehemmt werden. 4 Die Erhebung der Klage, auf die § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB abstellt, erfolgt grundsätzlich durch Zustellung der Klageschrift, § 253 Abs. 1 ZPO, vgl. Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 3 f.: „reguläre Klageerhebung“.
A. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Hemmungsvoraussetzungen
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BGB bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Die Wirkungen der Zustellung werden – unter der Voraussetzung der Zustellung demnächst – mithin auf den Zeitpunkt des Eingangs zurückdatiert,5 sodass „die Zustellung […] als an dem Tag vorgenommen [wirkt], in dessen Verlauf der Antrag bei Gericht eingegangen ist“6.7 Das Dokument ist dann eingegangen, wenn das Gericht die Verfügungsgewalt über dieses erlangt hat.8 Da mithin der Eingang der Rechtsverfolgungsmaßnahme bei Gericht den Anknüpfungspunkt für die Rückbeziehung darstellt, ist für die Hemmung erforderlich, dass dieser zu unverjährter Zeit erfolgt ist.9 § 167 ZPO erlaubt daher nur die Nachholung der Zustellung unter der Voraussetzung des Eingangs zu unverjährter Zeit und der Zustellung demnächst.10 Die Verjährung wird daher nicht gehemmt, wenn der Antrag am 02.01. eingeht und am 05.01. zugestellt wird, auch wenn die Zustellung am 05.01. bei einem rechtzeitigen Eingang des Antrags am 31.12. demnächst gewesen und auch bei einem Ein5 BGH NJW 2013, 1730, 1731 (Rn. 27); Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 2. De lege ferenda gegen eine Rückdatierung der nachträglich bekannt gemachten Verfahrenseinleitung Piekenbrock, Verjährung, S. 453, 455, da es maßgeblich auf die Kenntnisgabe des gerichtlichen Verfahrens ankomme, weil hierdurch das Vertrauen in den Fortbestand des Status quo erschüttert werde. Wolle man hingegen eine Rückdatierung zulassen, müssten hierfür feste Fristen bestehen, damit der Verpflichtete erkennen könne, bis wann er mit einer Inanspruchnahme maximal rechnen müsse. 6 Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 2. Anders noch Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 364: „Die Wirkungen der Zustellung in Ansehung der Verjährung werden in §. 190 [CPO] nicht zurückdatirt, sondern die Unterbrechung tritt mit der Ueberreichung des Gesuchs ein und die demnächst bewirkte Zustellung ist nur eine Voraußetzung ihres Bestandes.“ Hierzu auch Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 91. 7 Wegen der Rückbeziehung des § 167 Alt. 3 ZPO tritt die Hemmung bereits vor der Zustellung ein, sodass gesagt werden kann, dass § 167 Alt. 3 ZPO, verglichen mit den in § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 9 Alt. 1 BGB bestimmten Zeitpunkten, zur Verlängerung der Hemmungszeit und damit auch zu einem Hinausschieben des neuen Verjährungsendes führt, BGH NJW 2010, 856, 857 (Rn. 7 ff.); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 7. Zu einer Verlängerung der ursprünglichen Verjährungsfrist führt § 167 ZPO aber nicht. Gleiches gilt für die § 167 ZPO nachgebildeten Regelungen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 u. Nr. 14 BGB. 8 Zöller31/Greger, § 167 Rn. 5 ff.; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 7; Roth, in: Stein/ Jonas23, § 167 Rn. 8; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 34; ausf. Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 23 ff. 9 Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 14; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 8; Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 2. 10 Die Rückbeziehung nach § 167 ZPO tritt aber auch dann ein, wenn die Zustellung noch zu unverjährter Zeit erfolgt, BGH NJW 2010, 856, 857 (Rn. 7 ff., Nachweise zur Gegenansicht in Rn. 8); BGH NJW 2008, 1674 (Rn. 12); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 7; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 15.
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
gang bereits am 31.12. nicht vor dem 05.01. erfolgt wäre. Ein verspäteter Eingang kann daher durch ein zügiges Zustellungsverfahren nicht korrigiert werden. Zwar unterscheiden sich diese beiden Konstellationen aus Schuldnersicht nicht, da dieser erstmals am 05.01. die Gelegenheit zur Kenntnisnahme erhält. Die formale Betrachtungsweise rechtfertigt sich aber aus dem Sinn und Zweck des § 167 ZPO: Die Norm bringt den „fundamentalen prozessrechtlichen Grundsatz der Nichtzurechnung“11 zum Ausdruck und will den an der Zustellung Interessierten, vorliegend den Gläubiger, davor schützen, dass diesem Nachteile durch Umstände erwachsen, die nicht in seiner Sphäre liegen.12 Die Zustellung erfolgt von Amts wegen, sodass der Gläubiger auf das Verfahren und vor allem dessen Dauer keinen Einfluss hat. Vor Nachteilen, die sich aus Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs ergeben, soll er daher bewahrt werden.13 Damit liegt es aufgrund der in § 167 ZPO angeordneten fingierten Rückwirkung in der Hand des Gläubigers, durch eigenes Handeln alles zur Fristwahrung Erforderliche zu unternehmen,14 womit ihm zugleich ermöglich wird, die gesetzliche Frist auszuschöpfen15. Der Zustellungsadressat wird dadurch geschützt, dass die Zustellung zeitlich demnächst16 erfolgen muss und damit der Zeitraum zwischen Fristablauf und Gelegenheit zur Kenntnisnahme begrenzt ist.17 § 167 ZPO schützt den Gläubiger nicht vor eigenen Nachlässigkeiten, sondern gerade nur vor den Umständen, auf die er keinen Einfluss hat.18
Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 1. BGH NJW 2015, 3101, 3102 (Rn. 15); Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 1; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 2. 13 BGH, Urt. v. 23.02.2016, Az. VI ZR 80/15, Rn. 29 (zit. n. juris); BGH NJW 2015, 3101, 3102 (Rn. 15); BGH NJW 2013, 1730, 1731 (Rn. 27); BGH NJW 2010, 856, 857 (Rn. 11, 12); BGH NJW 2003, 2830, 2831; BGH NJW 1961, 1627, 1628; OLG Braunschweig MDR 1957, 425, 426; Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 1; Zöller/Greger, § 167 Rn. 1; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 1; Wittschier, in: Musielak/Voit, § 167 Rn. 1. 14 Zöller/Greger, § 167 Rn. 1. 15 Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 15. 16 Hierzu bspw. Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 9 ff.; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 44. 17 Zöller/Greger, § 167 Rn. 1; Saenger/Siebert, § 167 Rn. 1. Siehe aber Piekenbrock, Verjährung, S. 454: Fehler des Gerichts wirken sich zu Lasten des Beklagten aus. 18 Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 45. Wenn bei der Frage, ob die Zustellung noch demnächst erfolgt ist, geringfügige Verzögerungen, die auf vorwerfbares Verhalten des Betreibenden zurückzuführen sind, außer Betracht bleiben, ist dies nach dem Zweck der Norm nicht geboten, aber hinnehmbar, so Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 10, siehe auch Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 46. Diese Erleichterung für den Betreibenden beschränkt sich aber auf die Bestimmung des Merkmals „demnächst“. 11
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A. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Hemmungsvoraussetzungen
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2. Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und Veranlassung der Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14) demnächst Eine dem § 167 Alt. 3 ZPO entsprechende Regelung enthalten § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 BGB. Hiernach tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung des Güteantrags bzw. des Antrags auf Prozess- bzw. Verfahrenshilfe ein, wenn die Bekanntgabe demnächst nach Einreichung des Antrags erfolgt (Nr. 4) oder veranlasst wird (Nr. 14). Diese Regelungen sind dem § 167 ZPO nachgebildet,19 sodass die Ausführungen zu diesem hier entsprechend gelten. Bis zur Neufassung der Nr. 420 genügte für die Rückbeziehung der Hemmung auf den Tag der Einreichung des Antrags wie bei Nr. 14, dass die Bekanntgabe demnächst veranlasst wurde. Nach dem nunmehr geltenden Wortlaut muss hierfür die Bekanntgabe tatsächlich erfolgen, wenn diese nach Ablauf der Verjährungsfrist veranlasst wird. Dieser Hemmungstatbestand hat daher im Hinblick auf die Kundgabe unterschiedliche Voraussetzungen, die sich nach dem Zeitpunkt der Veranlassung der Bekanntgabe bestimmen: Erfolgt diese vor Fristablauf, wird die Verjährung bereits hierdurch gehemmt. Erfolgt sie danach, muss die Bekanntgabe tatsächlich erfolgen, damit Hemmung eintreten kann. Es ist naheliegend, wenn im Schrifttum insoweit von einem Versehen des Gesetzgebers ausgegangen wird.21
III. § 167 Alt. 3 ZPO gilt nur für das Zustellungserfordernis Die aus § 167 Alt. 3 ZPO folgende Vorverlagerung der Wirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung hilft dem Gläubiger nur dann, wenn bei Einreichung die übrigen Hemmungsvoraussetzungen, insbesondere die an die Rechtsverfolgungsmaßnahme zu stellenden verfahrensrechtlichen Mindestvoraussetzungen vorlagen, da § 167 ZPO nur vom Erfordernis der Zustellung innerhalb der Verjährungsfrist dispensiert.22 Die Zeit zwischen Einreichung der zu19 BT-Drucks. 14/6040, S. 114, 116; BGH NJW 2017, 1879, 1880 (Rn. 18); Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 9; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 77 f., 137. 20 § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wurde durch Art. 6 Nr. 1 a) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19.02.2016 m. W. v. 01.04.2016 neu gefasst, BGBl. 2016 I, S. 254. 21 Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 8 m. Fn. 14. 22 A. A. wohl Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 295 Rn. 6 4, die eine Heilung jedenfalls des Unterschriftserfordernisses (vgl. § 295 Rn. 12) bezogen auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zulassen will, wenn die Heilung nach § 295 ZPO demnächst erfolgt. Dies geht aber über den Wortlaut des § 167 ZPO hinaus, der sich nur auf die Zustellung als Hemmungsvoraussetzung bezieht. Eine analoge Anwendung scheitert jedenfalls daran, dass die Interessenlage nicht vergleichbar ist: § 167 Alt. 3 ZPO lässt die Rückbeziehung zu, weil der
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
zustellenden Rechtsverfolgungsmaßnahme und der Zustellung demnächst steht dem Gläubiger mithin nicht für die Behebung von Fehlern und damit auch nicht zur Nachholung von Mindesterfordernissen zur Verfügung. Dies sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Der Kläger reicht am 31.12., dem letzten Tag der Verjährungsfrist, eine Klageschrift bei Gericht ein, die nicht unterschrieben ist und die den Anspruch auch nicht hinreichend individualisiert. Diese Fehler bemerkt er am 02.01. und reicht einen unterschriebenen und den Anspruch individualisierenden, im Übrigen aber mit dem Klageschriftsatz identischen, Schriftsatz ein. Wird der erste (fehlerhafte) Schriftsatz demnächst zugestellt, kann dieser die Verjährung nicht hemmen, weil er nach herrschender Meinung an relevanten Fehlern leidet. Der zweite (fehlerfreie) Schriftsatz kann, auch wenn er demnächst zugestellt wird, die Verjährung nicht hemmen, weil dieser erst nach Ablauf der Verjährung eingereicht wurde.23 Eine nach Ablauf der Frist erfolgende Verbesserung kann aber insoweit zugelassen werden, als hiervon nicht relevante Fehler, das heißt solche, die den Eintritt der Verjährungshemmung nicht hindern würden, betroffen sind. In diesen Fällen war die Rechtsverfolgungsmaßnahme so, wie sie initiiert wurde, geeignet, die Verjährung zu hemmen, wenn die zuständige Stelle den Kundgabetatbestand vorgenommen hätte. Die nachträgliche Korrektur führt hier dazu, dass der zur Hemmung notwendige Kundgabetatbestand noch eingeleitet wird. Der Gläubiger trägt in diesem Fall jedoch das Risiko, dass die Zustellung, die Veranlassung der Bekanntgabe oder die Bekanntgabe nicht mehr demnächst eintritt.
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc Da vom Gläubiger nicht mehr verlangt werden kann, als dass er die für die Rechtsverfolgungsmaßnahme und den Kundgabetatbestand aufgestellten Verfahrensvorschriften einhält, muss einer Rechtsverfolgung, die von Anfang an verfahrensrechtlich ordnungsgemäß ist, das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen unterstellt, Hemmungswirkung zukommen. Fraglich ist, welche Rolle in diesem Zusammenhang den prozessualen Korrekturmöglichkeiten zukommt: Führten diese dazu, dass der Verfahrensakt von Anfang an oder jedenfalls von Gläubiger die Dauer des Zustellungsverfahrens nicht in der Hand hat. Die Wahrung der Mindestvoraussetzungen der Rechtsverfolgungsmaßnahme liegt hingegen allein in der Sphäre des Gläubigers. § 167 ZPO schützt den Gläubiger aber nicht vor vorwerfbaren Nachlässigkeiten. Die Ausnahmen, die hiervon im Fall von geringfügigen Verzögerungen gemacht werden, müssen hierauf beschränkt bleiben, vgl. oben 2. Kap., Fn. 18 (S. 20). 23 OLG Braunschweig MDR 1957, 425, 426; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 86 für die Unterschrift, siehe aber Rn. 82.
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc
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einem Zeitpunkt an, zu dem Verjährung noch nicht eingetreten ist, verfahrensrechtlich als ordnungsgemäß zu behandeln ist, und nimmt man zudem einen Gleichlauf von prozessualer und materiell-rechtlicher Wirkung an, könnte die Fehlerbehebung rückwirkend die für eine Verjährungshemmung notwendigen Voraussetzungen herbeiführen. Im Folgenden ist jedoch zu zeigen, dass die Behebung eines relevanten Verfahrensfehlers jedenfalls bezogen auf die Rechtsfolge Verjährungshemmung nur für die Zukunft Wirkung entfalten kann. Führt die Fehlerkorrektur dazu, dass schon die prozessuale Wirkung nur ex nunc eintritt, gilt Gleiches auch für die materielle Rechtsfolge. Aber selbst dann, wenn die Behebung des Mangels in manchen Fällen zu einer prozessualen Wirksamkeit von Anfang an führt, gilt diese Wirkung nicht gleichermaßen für die Verjährungshemmung, weil es in diesen Fällen der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB erfordert, dass dessen Rechtsfolge nur für die Zukunft wirkt. Es besteht in diesen Fällen somit kein Gleichlauf zwischen verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Wirkung. Die Korrektur relevanter Verfahrensfehler muss daher zu unverjährter Zeit vorgenommen worden sein, wenn durch diese die Hemmung noch herbeigeführt werden soll. Mit anderen Worten hilft die Beseitigung des Mangels dem Gläubiger nur dann, wenn bei deren Vornahme die Frist noch läuft.
I. Erreichung von Sinn und Zweck des § 204 BGB nur bei Warnung innerhalb der Verjährungsfrist Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB fordern, dass die Heilung oder die Neuvornahme eines relevanten Fehlers ausschließlich ex nunc wirken und damit zu unverjährter Zeit erfolgen müssen, wenn die Verjährung noch gehemmt werden soll. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz explizit eine Rückwirkung auch für die materiell-rechtliche Rechtsfolge anordnet, wie es bei §§ 189, 295 ZPO i. V. m. § 167 Alt. 3 ZPO der Fall ist. Durch die Initiierung einer der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen gibt der Gläubiger ernsthaft zu erkennen, den behaupteten Anspruch durchsetzen zu wollen. Der Schuldner erhält infolge des sich anschließenden Kundgabetatbestandes die Möglichkeit der Kenntnisnahme, wird daher gewarnt und muss sich auf eine Inanspruchnahme auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen.24 Damit sich der Schuldner auf diese Inanspruchnahme einstellen kann, müssen Rechtsverfolgungsmaßnahme und Kundgabetatbestand bestimmte – im Einzelnen noch zu begründende – 24
Siehe nur BGH NJW 2017, 886, 888 f. (Rn. 35); BGHZ 160, 259, 262; BGHZ 137, 193, 198; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3. Ausführlich unten 3. Kap., C) II. 1. a) (S. 87).
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
Mindestanforderungen erfüllen. Diese Anforderungen sind nach der hier vertretenen Auffassung deshalb als Mindesterfordernisse zu qualifizieren, weil sie für eine hinreichende Warnung des Schuldners unabdingbar sind. Ließe man nun durch eine Korrektur mit der Wirkung ex tunc zu, dass diese Mindestanforderungen auch nachträglich erfüllt werden können, führte dies im Ergebnis dazu, dass die hinreichende Warnung auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist vorgenommen werden könnte. Dem Schuldner würde mithin nach Ablauf der ursprünglichen Frist gesagt, auf was er sich bei Fristablauf hätte einstellen müssen. Hierdurch lassen sich aber Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nicht mehr erreichen.
II. Kein Eintritt der Hemmungswirkung durch nachträgliche Korrektur eines relevanten Verfahrensfehlers Weder die Möglichkeit der Heilung durch Rügeverzicht oder durch Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge gemäß § 295 ZPO noch die Behebung durch erneute, nunmehr fehlerfreie Vornahme der Verfahrenshandlung oder Ergänzung können,25 wenn sie sich auf einen die Verjährungshemmung hindernden Verfahrensfehler beziehen, nach Ablauf der Verjährungsfrist die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB noch herbeiführen. Entsprechendes gilt auch für die Genehmigung. Eine solche Fehlerkorrektur ist zwar grundsätzlich immer möglich, in allen Fällen tritt die erstrebte materielle Rechtsfolge Verjährungshemmung aber nur für die Zukunft ein. 1. Neuvornahme und Heilung eines relevanten Verfahrensfehlers bei einer Rechtsverfolgungsmaßnahme a) Neuvornahme Soweit der relevante Fehler nur durch fehlerfreie Neuvornahme des fehlerhaften Aktes korrigiert werden kann, entspricht es allgemeiner Ansicht, dass eine Neuvornahme stets nur in die Zukunft wirkt.26 Eine fehlerfreie Nachholung des Aktes ist immer dann zur Korrektur des Fehlers notwendig, wenn Vorschriften verletzt sind, auf die nach § 295 Abs. 2 ZPO nicht wirksam verzichtet werden 25 Die Heilung nach § 295 ZPO ist von der Beseitigung des Fehlers durch fehlerfreie Wiederholung der Prozesshandlung (Neuvornahme, Nachholung) zu unterscheiden, Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 44; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 80. 26 BGH NJW-RR 2004, 755 (Fall der Nachholung, nicht der Heilung nach § 295 ZPO); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 44; Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 45 m. Fn. 142; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 295 Rn. 11; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 29.
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc
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kann.27 Nach Ablauf der Frist kann die ordnungsgemäße Nachholung einer Mindestvoraussetzung die Hemmung mithin in keinem Fall herbeiführen. b) Heilung nach § 295 ZPO Auch die Heilungsvorschrift des § 295 ZPO würde dem Gläubiger nur dann helfen, wenn die Heilung eines relevanten Fehlers nach § 295 ZPO möglich ist und diese Heilung auch im Hinblick auf die materiell-rechtliche Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Initiierung der Rechtsverfolgungsmaßnahme zurückwirken würde. Ausgehend von dem Grundsatz der ganz herrschenden Auffassung, dass für den Eintritt der Verjährungshemmung die Wirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme notwendig ist, soll im Folgenden für einige Fehler, die nach herrschender Meinung zur Unwirksamkeit führen, gezeigt werden, dass eine Heilung mit verjährungshemmender Wirkung ex tunc jedoch ausscheidet. Die Diskussion beschränkt sich in der Literatur zu § 204 BGB dabei im Wesentlichen 28 auf die in § 253 Abs. 2 ZPO enthaltenen Voraussetzungen und das nach ganz herrschender Meinung bestehende Unterschriftserfordernis nach § 253 Abs. 4 i. V. m. § 130 Nr. 6 ZPO und damit auf § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.29 aa) Unterschriftsmängel, § 253 Abs. 4 i. V. m. § 130 Nr. 6 ZPO Fehlt die Unterschrift oder ist diese unzureichend, ist nach herrschender Auffassung eine Heilung nach § 295 ZPO möglich.30 Obwohl bei Vorliegen der Vor aussetzungen des § 295 ZPO der Verfahrensfehler im Grundsatz rückwirkend als geheilt zu betrachten ist,31 wirkt die Heilung bei diesem Mangel jedoch nach Bacher, in: BeckOK ZPO, § 295 Rn. 11; Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 45, Fn. 142. Im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB bejahen Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 77 (insoweit zu Recht, vgl. nur BGHZ 96, 50, 53; Schultes, in: MüKo-ZPO, § 73 Rn. 4), die für den Eintritt der Verjährungshemmung eine zulässige Streitverkündung im Ausgangsprozess fordern, eine Heilung von Verstößen gegen §§ 72, 73 ZPO durch rügeloses Einlassen im Folgeprozess. Zur entscheidenden Frage, ob dies auch rückwirkend die Verjährungshemmung eintreten lässt, wenn die Heilung nach Ablauf der Frist erfolgt, wird nichts gesagt und kann auch der dort zitierten Entscheidung BGHZ 96, 50, 53 nicht entnommen werden, da diese keine Verjährungsfragen zum Gegenstand hatte. 29 Hierzu unten 5. Kap., B) III. 1. a) (S. 171). 30 BGH NJW-RR 1999, 1251, 1252; BGH NJW 1996, 1351; BGH NJW 1996, 317, 318; BGHZ 65, 46, 47 f.; BAGE 52, 263, 269; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 59; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 178; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 28; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 85; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 29. A. A. Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 27. 31 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 4 4; Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 45; Saenger/ Saenger, § 295 Rn. 18; Huber, in: Musielak/Voit, § 295 Rn. 7. 27
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
herrschender Meinung nur ex nunc.32 Daher kann beispielsweise die Klage nach überwiegender Ansicht eine Ausschlussfrist nicht wahren, wenn die Unterschrift fehlt.33 Allerdings hat das BAG zur Wahrung der Frist des § 4 KSchG eine rückwirkende Heilung nach § 295 ZPO durch rügeloses Einlassen angenommen.34 Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass auch eine Heilung ex tunc mit Sinn und Zweck des § 4 KSchG vereinbar sei und der Gegner auch bei einer den Verfahrensvorschriften nicht voll genügenden Klage erkennen könne, dass eine gerichtliche Entscheidung begehrt werde.35 Auf die Verjährung ist diese Entscheidung aufgrund der bestehenden Unterschiede zu den Ausschlussfristen nicht ohne Weiteres übertragbar.36 Hält man zudem das Unterschriftserfordernis nach §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO für eine Mindestanforderung des Hemmungseintritts, steht der soeben beschriebe Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung einer Rückwirkung entgegen, sodass es inkonsequent wäre, eine Heilung ex tunc zuzulassen. Das Telos des § 204 Abs. 1 BGB muss hier Berücksichtigung finden, weil für die Frage, ob die Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO ex nunc oder ex tunc wirkt, der Zweck der verletzten Verfahrensvorschrift maßgebend ist.37 Es ist daher zu berücksichtigen, dass durch das Unterschriftserfordernis die Abgrenzung einer Klage zum bloßen Entwurf sichergestellt werden soll38 und dieses damit im Ergebnis auch der ernsthaften Dokumentation des Rechtsdurchsetzungswillens dient. Diese Sicherheit kann aber immer nur für die Zukunft und nicht für die Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 178; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 59; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 10; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 83, 85; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 24; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 29, 29.2. A. A. aber Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 36. 33 BGHZ 22, 254, 257; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 178; Roth, in: Stein/ Jonas23, § 253 Rn. 59; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 28. 34 BAGE 52, 263, 267 f. 35 BAGE 52, 263, 268, 271. Siehe auch Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 170. Der Beschluss des BVerfG in NJW 2005, 814, mit dem das Urteil BGH NJW-RR 2004, 755 aufgehoben wurde, beschäftigt sich nicht mit der Frage einer (rückwirkenden) Heilung. Vielmehr lässt es das BVerfG zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG a. F. (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung: „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird.“) genügen, dass „unmissverständlich Klage erhoben worden“ sei, NJW 2005, 814, 816 (vgl. auch das nachgehende Urteil BGH NJW 2006, 2482, 2484, Rn. 15). Dies entspricht letztlich – freilich bezogen auf eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist – der hier vertretenen Auffassung, siehe daher unten 7. Kap., C) I. 1. (S. 283). 36 Vgl. auch Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 170. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 36 verweisen jedoch für die Annahme der Wirkung ex tunc auf diese Entscheidung des BAG. 37 Bacher, in: BeckOK ZPO, § 295 Rn. 10. 38 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 11 m. w. N. 32
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc
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Vergangenheit erreicht werden. Geht man mithin, anders als hier vertreten,39 nicht davon aus, dass der Rechtsverfolgungswille auch anders als durch eine ordnungsgemäße Unterschrift dokumentiert werden kann, muss konsequenterweise auch eine rückwirkende Heilung ausscheiden. bb) Mängel des notwendigen Inhalts der Klageschrift, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Mängel im notwendigen Inhalt der Klageschrift nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind nach herrschender Auffassung im Schrifttum gemäß § 295 Abs. 2 ZPO nicht verzichtbar, sodass eine Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO nicht möglich ist.40 Eine Korrektur ist daher nur durch Nachholung bzw. Berichtigung mit der Wirkung ex nunc möglich.41 Die Verjährungshemmung kann somit ebenfalls nur für die Zukunft eintreten.42 Der BGH hat hingegen in früheren Entscheidungen eine Heilung von Verstößen gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO (bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs) für möglich gehalten.43 Auch wenn sich zu dieser Frage eine eindeutige Position des BGH nicht ausmachen lässt,44 kann jedenfalls für die Frage der Verjährungshemmung davon ausgegangen werden, dass der BGH eine rückwirkende Heilung nicht zulassen würde: Zum Ersten hat er in der Entscheidung BGHZ 22, 254, 257 betont, dass eine mögliche Heilung nur mit der Wirkung ex nunc eintreten kann, wenn durch die Klage eine Ausschlussfrist gewahrt werden soll.45 Zum Zweiten geht es bei der Einhaltung der in § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO genann39
Siehe unten 7. Kap., C) I. 1. (S. 283). Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 184; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 62; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 200; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 253 Rn. 20; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 26; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 21; Saenger/ Saenger, § 253 Rn. 31, a. A. aber § 295 Rn. 5. 41 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 185; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 61; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 198; Reichold, in: Thomas/Putzo, § 253 Rn. 20; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 26; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 30. 42 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 29.2, 29.1; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 5; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 8. 43 BGHZ 22, 254, 257; BGHZ 65, 46, 47. Vgl. auch Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 6 m. Fn. 20: Heilung möglich, wenn trotz Verstoß gegen § 253 Abs. 2 ZPO ein bestimmter Antrag vorliegt. Zweifelnd aber BGH NJW 1972, 1373, 1374. Dass jedenfalls ein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (bestimmter Antrag) nicht heilbar ist, ist allgemeine Meinung, Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 184. 44 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 184. Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 62, Fn. 376 hält die Entscheidungen BGHZ 22, 254, 257 u. BGHZ 65, 46, 47 unter Verweis auf BGH NJW 1972, 1373 für überholt; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 200, Fn. 779 weist auf deren Widersprüchlichkeit hin. 45 Ebenso BGHZ 25, 66, 76. In BGHZ 65, 46 wird zur Wirkung einer möglichen Heilung keine Aussage getroffen. 40
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
ten Anforderungen an die Klage auch um die Individualisierung des Anspruchs, die allgemein für den Eintritt der Hemmungswirkung als notwendig erachtet wird. Verstöße gegen das Individualisierungserfordernis können aber ebenfalls nur mit der Wirkung ex nunc korrigiert werden.46 2. Zustellung Fehlt es an einer wirksamen Zustellung, kann die Verjährung nach allgemeiner Auffassung nicht gehemmt werden.47 Eine Fehlerkorrektur ist bei diesem wichtigsten Kundgabetatbestand – vorbehaltlich der Regelung des § 167 ZPO – ebenfalls nur für die Zukunft möglich. a) Unwirksamkeit der Zustellung Zur Frage, wann eine Unwirksamkeit der Zustellung anzunehmen ist, besteht kein einheitliches Meinungsbild. Teilweise wird gefordert, dass alle Vorschriften über die Zustellung als gleich wesentlich eingehalten werden müssen und jeder Verstoß daher grundsätzlich die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge hat.48 Ausgenommen hiervon seien nur Vorschriften über die Beurkundung der Zustellung;49 unschädlich seien zudem Unrichtig- oder Ungenauigkeiten, die aus dem Zusammenhang erkannt werden könnten.50 Demgegenüber wird jedoch für die Wirksamkeit meist für ausreichend erachtet, dass die zwingenden Zustellungsvorschriften eingehalten werden;51 der Verstoß gegen andere, nicht zwingende, Vorschriften macht die Zustellung demnach nicht unwirksam. Für diese Auffassung spricht der Wortlaut des § 189 ZPO, der die Heilung bei Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften ermöglicht. Diese Norm differenziert also zwischen der Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften, die zur 46 Siehe nur Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 23. Hierzu noch unten 5. Kap., B) I. (S. 146). 47 BGH NJW 2017, 886, 888 (Rn. 32); Fölsch, NJW 2015, 1761 f. (Anm. zu BGHZ 204, 268); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 32. Siehe noch unten 5. Kap., B) II. (S. 169). 48 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 75, Rn. 11; Hüßtege, in: Thomas/ Putzo33, Vorbem § 166 Rn. 18; ähnlich auch Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 203 (regelmäßig Unwirksamkeit). 49 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 75, Rn. 12. Siehe auch Zöller31/Stöber, Vor § 166 Rn. 4; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, Vor §§ 166 ff. Rn. 13. 50 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 75, Rn. 12; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 203. 51 Zöller31/Stöber, Vor § 166 Rn. 4; Braun, Zivilprozeßrecht, § 15 I. 3. (S. 223). Auch B/L/A/Hartmann, Übers. § 166 Rn. 13, der jedoch sogleich davor warnt, fast jede Vorschrift für wesentlich zu erklären.
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Unwirksamkeit der Zustellung führen und daher der Heilung bedürfen, einerseits, und Vorschriften, welche deren Wirksamkeit nicht beeinflussen und daher nicht geheilt werden müssen, andererseits.52 Nach Auffassung des BGH ist bei Verletzung einer Vorschrift über das Verfahren bei Zustellungen diese nur dann unwirksam, wenn der Zweck der verletzten Verfahrensvorschrift dies erfordert.53 Das sei nicht der Fall, wenn die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Spruchkörpers verletzt werde.54 Damit wird die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit vom Zweck der verletzten Vorschrift abhängig gemacht. Hiergegen spricht aber § 189 ZPO: Hiernach wird die unwirksame Zustellung geheilt, wenn der Zustellungszweck, nämlich dem Adressaten eine zuverlässige Kenntnis vom zuzustellenden Dokument zu verschaffen, erreicht ist.55 Diese Heilung macht § 189 ZPO aber von der objektiven Voraussetzung des tatsächlichen Zugangs des Dokuments abhängig. Stellt man nunmehr, wie insbesondere der BGH,56 bereits für die Frage der Wirksamkeit darauf ab, ob durch die verletzte Vorschrift der Zustellungszweck beeinträchtigt wird, können die Zustellungsfolgen eintreten, obwohl es an dem nach § 189 ZPO notwendigen tatsächlichen Zugang fehlt. Mit dieser Vorschrift vereinbar wäre die Auffassung des BGH daher nur, wenn man alle Verfahrensvorschriften, die nicht der Sicherstellung des Zustellungszwecks dienen, von vornherein als nicht zwingende im Sinne des § 189 ZPO auffassen würde. Fordert man mit der vorzugswürdigen Ansicht für die Wirksamkeit der Zustellung die Einhaltung der zwingenden Zustellungsvorschriften, wird letztlich auch hier zwischen schweren, die Wirksamkeit hindernden, und weniger schweren, der Wirksamkeit nicht entgegenstehenden, Mängeln differenziert.57 Da eine eindeutige Abgrenzung zwischen diesen Fehlerkategorien aber kaum möglich ist, die allgemeine Ansicht für den Hemmungseintritt aber die Wirksamkeit der Zustellung fordert, resultiert auch aus dieser verfahrensrechtlichen Anknüpfung des § 204 Abs. 1 BGB eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf den Einritt der Rechtsfolge dieser Norm. Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 13. BGHZ 193, 353, 366 (Rn. 25); dem nunmehr folgend Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Vorb § 166 Rn. 18. In eine ähnliche Richtung auch Rohe, in: Wieczorek/Schütze, Vor §§ 166 ff. Rn. 13. 54 BGHZ 193, 353, 366 (Rn. 25 f.): Funktionelle Zuständigkeit für die Anordnung nach § 184 Abs. 1 S. 1 ZPO. 55 BGHZ 208, 255, 261 f. (Rn. 21); BGHZ 204, 268, 273 (Rn. 17); BGHZ 193, 353, 366 (Rn. 26); Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 1; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 189 Rn. 1. 56 BGHZ 193, 353, 366 (Rn. 26). 57 Kritisch hierzu Rohe, in: Wieczorek/Schütze, Vor §§ 166 ff. Rn. 14, der den Zustellungsmangel stattdessen auf Rechtsfolgenseite berücksichtigen will. 52 53
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
Unabhängig von den im Einzelnen strittigen Voraussetzungen der Wirksamkeit sind als Fälle einer unwirksamen Zustellung beispielsweise anerkannt: eine erkennbar unzulässige öffentliche Zustellung (§ 185 ZPO),58 die fehlende Beglaubigung der Abschrift,59 die Zustellung an eine prozessunfähige Partei (§ 170 Abs. 1 S. 2 ZPO),60 der Verstoß gegen § 172 Abs. 1 ZPO61 und die Zustellung im Amts- statt im Parteibetrieb62. b) Heilung nach § 189 ZPO und § 295 ZPO Die Heilung von Zustellungsmängeln, die zur Unwirksamkeit der Zustellung führen, kann sowohl gemäß § 189 ZPO als auch nach § 295 ZPO erfolgen.63 aa) § 189 ZPO Nach § 189 ZPO gilt das Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem es dem Zustellungsadressaten tatsächlich zugegangen ist.64 Der tatsächliche Zugang des Dokuments muss daher im Grundsatz zu unverjährter Zeit erfolgen, wenn durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme die Verjährung gehemmt werden soll.65 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der tatsächliche Zugang zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist, aber demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Wegen der Fiktion des § 189 ZPO66 liegt die für die Rückbeziehung nach § 167 ZPO erforderliche wirksame Zustellung vor, sodass es folgerichtig ist, die Rechtsfolge des § 167 ZPO auch dann eintreten zu lassen, wenn zwar nicht die ordnungsgemäße Zustellung demnächst erfolgt, das Dokument dem Adressaten aber demnächst zugegangen ist und mithin die Heilung nach § 189 ZPO rechtzeitig erfolgte.67 58
BGH NJW 2017, 1735, 1736 (Rn. 11); BGH NJW 2017, 886, 888 (Rn. 33 f.). Siehe ergänzend BGH NJW 2017, 1735, 1736 (Rn. 14). 59 BGH NJW 2017, 3721 (Rn. 11); BGHZ 208, 255, 259 (Rn. 13); BGHZ 76, 222, 227. 60 Hierzu BGHZ 204, 268, 272 (Rn. 12). Anders aber für das Ingangsetzen von Einspruchs- u. Rechtsmittelfristen: BGHZ 200, 9, 13 f. (Rn. 15); BGHZ 176, 74, 76 ff. (Rn. 9 ff.). 61 BGH NJW 1984, 926. 62 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Vorb § 166 Rn. 18. 63 Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 1, 2; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 189 Rn. 33. 64 BGHZ 204, 268, 273 (Rn. 17); Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 189 Rn. 31; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 189 Rn. 9; Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 17, 7; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 16. 65 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 32; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 5. 66 BGHZ 204, 268, 273 f. (Rn. 19); Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 1, 17; Rohe, in: Wie czorek/Schütze, § 189 Rn. 31. 67 BGH NJW 2017, 3721, 3722 (Rn. 19); BGHZ 204, 268, 273 f. (Rn. 19); BGH, Urt. v. 23.02.2016, Az. VI ZR 80/15, Rn. 7, 28–30 (zit. n. juris); OLG Koblenz, Urt. v. 23.09.2015,
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bb) § 295 ZPO Da das Zustellungserfordernis verzichtbar im Sinne von § 295 Abs. 2 ZPO ist, kommt zudem eine Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO in Betracht.68 Bei der Heilung nach § 295 ZPO wird ganz überwiegend zwischen der unterbliebenen und der nicht ordnungsgemäßen Zustellung unterschieden.69 Bei der unterbliebenen Zustellung70 kann die Heilung nur mit der Wirkung ex nunc erfolgen. Die Klage ist zu dem Zeitpunkt zugestellt, in dem die rügelose Einlassung auf die nicht zugstellte Klage erfolgt oder der Rügeverzicht erklärt worden ist. Die Rechtshängigkeit tritt in diesen Fällen für die Zukunft ein.71 Erfolgt die Heilung nach § 295 ZPO aber demnächst im Sinne des § 167 ZPO, kann, jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 167 Alt. 3 ZPO, eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Einreichung zugelassen werden.72 Eine Heilung gemäß § 295 ZPO ist auch in den Fällen möglich, in denen die Zustellung erfolgt, diese jedoch fehlerhaft ist und eine Heilung nach § 189 ZPO ausscheidet.73 Diese Fälle dürften aber selten sein, da der BGH nunmehr eine Heilung nach § 189 ZPO auch für Fehler, die dem zuzustellenden Dokument selbst anhaften (Zustellung der einfachen statt der beglaubigten Abschrift), zugelassen hat.74 Ist die Zustellung fehlerhaft, soll die Heilung nach § 295 ZPO ex Az. 5 U 212/15, Rn. 40 (zit. n. juris); Roth, in: Stein/Jonas23, § 167 Rn. 17; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 187; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 175; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 66; Zöller/Greger, § 167 Rn. 16. 68 BGH NJW 1960, 1947; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 173; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 183. 69 BGH NJW 1984, 926; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 182; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 171; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 65 f. 70 Eine Heilung nach § 189 ZPO scheitert hier nach überwiegender Ansicht am fehlenden Zustellungswillen des Gerichts, Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 189 Rn. 23; Roth, in: Stein/ Jonas23, § 189 Rn. 5, § 253 Rn. 65; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 172; vgl. auch BGH NJW 2017, 2472, 2475 (Rn. 35) u. BGH NJW-RR 2017, 1086, 1087 (Rn. 13). A. A. aber für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nunmehr BGHZ 188, 128, 139 ff. (Rn. 33 ff.), hierzu siehe unten 5. Kap., B) III. 8. (S. 208) u. 7. Kap., C) VIII. (S. 302). 71 BGH FamRZ 2008, 680; BGH NJW 1996, 1352; BGH NJW 1984, 926; BGHZ 25, 66, 72 ff.; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 183; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 173; Zöller/Greger, § 253 Rn. 26a; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 29. Nicht eindeutig BGH NJW 1972, 1373, 1374 (mglw. Heilung ex tunc angenommen). In NJW 1960, 1947, 1948 u. VersR 1967, 395, 398 lässt der BGH bei einer Klageerweiterung aber eine Heilung ex tunc bezogen auf den Zeitpunkt der formlosen Übermittlung des Klagerweiterungsschriftsatzes zu. 72 BGHZ 25, 66, 76; BGH NJW 1974, 1557 f.; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 174; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 184; Zöller/Greger, § 253 Rn. 26a; Saenger/Saenger, § 295 Rn. 22; siehe auch Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 16. 73 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 187. 74 BGH NJW 2017, 3721, 3722 (Rn. 17); BGHZ 208, 255, 259 f. (Rn. 14 ff., w. N. Rn. 17);
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
tunc wirken, es sei denn mit der Klage sollten gesetzliche Ausschlussfristen gewahrt werden, die der Parteidisposition entzogen seien. Dann trete die Heilung nur ex nunc ein,75 diese könne aber unter den Voraussetzungen des § 167 ZPO die Frist dennoch wahren.76 Für die materiell-rechtliche Wirkung der Verjährungshemmung soll es hingegen nach ganz überwiegend vertretener Ansicht bei der Heilung ex tunc bleiben,77 sodass Verjährungshemmung auch noch durch rügeloses Einlassen oder Verzicht, die nicht mehr demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgen, erreicht werden könnte. Dem kann aber wegen des Sinn und Zwecks des § 204 Abs. 1 BGB nicht gefolgt werden, sodass auch in dieser Konstellation eine Hemmung nur eintreten kann, wenn die Heilung demnächst erfolgt: c) Auch bei der Zustellung kein Gleichlauf von prozessualer und materiellrechtlicher Wirkung Allerdings hat sich insbesondere die ältere Rechtsprechung im Hinblick auf die Zustellung ausdrücklich gegen eine Trennung von prozessualer und materiell-rechtlicher Wirkung der Heilung nach § 295 ZPO ausgesprochen. Die Frage der Wirksamkeit einer Prozesshandlung sei ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen, weil das materielle Recht diese dem Prozessrecht überlasse. Sei danach die Prozesshandlung wegen der Heilung nach § 295 ZPO wirksam, müsse das Gleiche auch für die materiell-rechtliche Wirksamkeit gelten. Eine Unterscheidung, dass die Zustellung zwar prozessual wirksam sei, die materiellen Wirkungen aber nicht auslöse, sei ausgeschlossen.78 BGH, Urt. v. 23.02.2016, Az. VI ZR 80/15, Rn. 14 ff. (zit. n. juris). A. A. OLG Karlsruhe WM 2015, 1816, 1818 (Urt. aufgehoben durch BGH, Urt. v. 19.04.2016, Az. VI ZR 118/15, zit. n. juris); Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 16; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 169 Rn. 20; Böttcher, NJW 2016, 1520 (Anm. zu BGHZ 208, 255). 75 BGH NJW 1984, 926, allerdings im konkreten Fall nicht für eine Ausschlussfrist, sondern für das Ende der Ehezeit nach § 1587 Abs. 2 BGB a. F. (§ 1587 BGB neu gefasst durch Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009, BGBl. 2009 I, S. 700, in Kraft getreten am 01.09.2009), nunmehr § 3 Abs. 1 VersAusglG. 76 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 187, § 295 Rn. 63; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 175. 77 RGZ 113, 335, 341; RGZ 87, 271, 273; BAGE 52, 263, 269 f.; Assmann, in: Wieczorek/ Schütze, § 253 Rn. 187, § 295 Rn. 62; vgl. auch BGH NJW 1960, 1947, 1948 u. BGH VersR 1967, 395, 398; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 36; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 67 Rn. 18. A. A. Zöller/Greger, § 253 Rn. 26a; OLG Karlsruhe WM 2015, 1816, 1820 (Urt. aufgehoben durch BGH, Urt. v. 19.04.2016, Az. VI ZR 118/15, zit. n. juris). 78 BGH NJW 1972, 1373, 1374; RGZ 113, 335, 341; RGZ 87, 271, 273; BAGE 52, 263, 269 f.; siehe auch BGH NJW 1960, 1947, 1948. Anders aber RGZ 45, 424, 426: „Eine andere
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Fordert man jedoch mit der allgemeinen Auffassung für den Eintritt der Verjährungshemmung eine wirksame Zustellung, ist es aber inkonsequent, die Heilung nach § 295 ZPO unabhängig von der Einhaltung des § 167 ZPO auf den Zugang des Schriftsatzes zurückzubeziehen,79 weil die Ziele der Zustellung, die nach allgemeiner Auffassung nur bei deren Wirksamkeit eintreten können, jedenfalls im Hinblick auf die materiell-rechtliche Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB, nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft erreicht werden können. Durch die §§ 166 ff. ZPO soll die sichere Übermittlung des Dokuments und damit die Gelegenheit zur Kenntnisnahme durch den Adressaten gewährleistet werden; die Zustellungsurkunde ermöglicht zudem den Nachweis der Zustellung.80 Durch das Zustellungserfordernis soll mithin auch erreicht werden, den Schuldner mit Sicherheit darüber zu informieren,81 welchen Anspruch der Gläubiger gegen ihn geltend macht oder künftig geltend zu machen beabsichtigt, da die Rechtsverfolgungsmaßnahme nur dann ihre Warnfunktion erfüllen kann. Dem Schuldner ist es aber erst vom Moment der Heilung an verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Zustellung zu berufen. Letztere wird daher erst mit Eintritt der Voraussetzungen des § 295 ZPO beseitigt und erst infolge dieser Heilung wird das zugestellte Dokument Gegenstand des Verfahrens. Es steht dann aber auch erst ab diesem Zeitpunkt endgültig fest, welche Ansprüche Gegenstand des Verfahrens sind. Jetzt erst hat der Schuldner Klarheit darüber, welcher Inanspruchnahme er sich ausgesetzt sehen muss. Weiterhin bemisst sich die Wirkung des § 295 Abs. 1 ZPO danach, welcher Zweck mit der verletzten Verfahrensvorschrift verfolgt wird.82 Verletzte Verfahrensregeln sind hier als diese prozessuale Folge trat aber nicht ein. Es kann nicht angenommen werden, daß der § 267 C. P. O. [= § 295 ZPO] in das materielle Recht eingreifen wollte.“ 79 In RGZ 87, 271 und RGZ 113, 335 wurde nicht geprüft, ob die Heilung demnächst erfolgte. In BGH NJW 1960, 1947 wurde der Klageerweiterungsschriftsatz am 29.12.1952 eingereicht, aber nicht zugestellt, sondern lediglich formlos übermittelt. Bereits vor dem 02.03.1953 lag der Schriftsatz dem Beklagten vor. Verjährung wäre mit Ablauf des 17.10.1953 eingetreten, die Heilung durch rügeloses Einlassen erfolgte erst am 01.07.1954. Hierdurch gelte der Schriftsatz dem Beklagten als vor dem 02.03.1953 förmlich zugestellt. Er habe die Verjährung daher unterbrochen, ohne dass es einer Heranziehung des § 261b Abs. 3 ZPO a. F. bedürfe. Geht man davon aus, dass die Heilung am 01.07.1954 bei Fristablauf am 17.10.1953 (vgl. Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 167 Rn. 45) nicht mehr demnächst erfolgte, hätte – unter der Voraussetzung, dass man die wirksame Zustellung als Mindestanforderung sieht – nach der hier vertretenen Auffassung eine Unterbrechung nicht bejaht werden dürfen. 80 BVerfGE 67, 208, 211; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 72 Rn. 1; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 166 Rn. 5. 81 Jedenfalls soll der Zustellungsadressat die Gelegenheit hierzu haben, BGHZ 208, 255, 261 f. (Rn. 21 f.); BGHZ 190, 99, 103 (Rn. 14), siehe hierzu unten 3. Kap., C) II. 1. b) (S. 91). 82 Bacher, in: BeckOK ZPO, § 295 Rn. 10.
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
die §§ 166 ff. ZPO. Jedenfalls die mit diesen erstrebte Sicherheit der Dokumentation kann aber erst mit Eintritt der Voraussetzungen des § 295 ZPO und damit für die Zukunft eintreten. Schließlich ist für den Bereich der Zustellung die Vorschrift des § 167 ZPO als Einschränkung des § 295 ZPO zu verstehen: § 167 ZPO fordert für die Rückbeziehung eine wirksame Zustellung, die zudem demnächst erfolgen muss. Kann die Wirksamkeit der Zustellung erst durch eine Heilung herbeigeführt werden, muss diese ebenfalls demnächst erfolgen, damit eine Rückbeziehung stattfinden kann. Hängt die Verwirklichung des mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgten Zwecks hingegen, wie vorliegend angenommen, nicht an der formalen verfahrensrechtlichen Frage der Wirksamkeit der Zustellung, ist es vorzugswürdiger, mit der hier vorgeschlagenen Lösung auf das Wirksamkeitserfordernis zu verzichten,83 als hieran festzuhalten und die Ergebnisse mit einer großzügigen Handhabung des § 295 ZPO zu korrigieren. d) Die Rückwirkung beruht immer auf § 167 ZPO Eine Rückwirkung kann daher immer nur aus § 167 ZPO resultieren und nur unter dessen Voraussetzungen eintreten. § 189 ZPO und § 295 ZPO kommt nach Ablauf der Verjährungsfrist nur insoweit Bedeutung zu, als diese beiden Vorschriften die für die Anwendung des § 167 ZPO nach allgemeiner Ansicht notwendige Wirksamkeit der Zustellung herbeiführen können. Die Rückbeziehung hat ihren Grund daher immer in § 167 ZPO, nicht in den §§ 189, 295 ZPO. Weil § 167 ZPO zunächst vom Erfordernis der Zustellung dispensiert, ist es aber gerechtfertigt, nach Heilung der fehlerhaften Zustellung deren Wirkungen auch für die Vergangenheit eintreten zu lassen, wenn die Heilung demnächst erfolgt. 3. Jedenfalls keine Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des Gegners Selbst wenn man, entgegen der hier vertretenen Auffassung, in den vorstehend dargestellten Fällen, in denen eine Heilung nach § 295 ZPO möglich ist, dieser Heilung auch über den Anwendungsbereich und die Voraussetzungen des § 167 ZPO hinaus Rückwirkung auch im Hinblick auf die materiell-rechtliche Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB beimessen würde, könnte es zu einer solchen nur kommen, wenn der Gegner durch Erfüllung der Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 ZPO mitwirkt. Da er sich hiermit des Verjährungseinwandes begäbe, wird im Regelfall ein Verzicht nicht vorkommen und die nicht rechtzeitige Rüge
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Siehe unten 7. Kap., B) I. (S. 277).
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc
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auf fehlerhafter Prozessführung84 und nicht auf einer bewussten Entscheidung beruhen. Es ist aber gerechtfertigt vom Normalfall einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung auszugehen, die eine rechtzeitige Rüge fordert und somit eine Heilung verhindert. 4. Genehmigung fehlerhafter Verfahrenshandlungen Handelt es sich bei der Initiierung der Rechtsverfolgungsmaßnahme um eine Verfahrenshandlung und fehlt dem Kläger die Partei- (§ 50 ZPO), die Prozess(§§ 51 ff. ZPO) oder die Postulationsfähigkeit (§§ 78, 79 ZPO), werden Vorschriften verletzt, auf deren Einhaltung gemäß § 295 Abs. 2 ZPO nicht wirksam verzichtet werden kann und bei denen mithin eine Heilung nach § 295 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht kommt.85 Möglich ist in diesen Fällen jedoch eine Genehmigung. Im Einzelnen: a) Fehlende Postulationsfähigkeit (§§ 78, 79 ZPO) Bei fehlender Postulationsfähigkeit kann der Fehler dadurch behoben werden, dass der postulationsfähige Bevollmächtigte die durch den Postulationsunfähigen vorgenommene Verfahrenshandlung genehmigt.86 Eine solche Genehmigung wirkt jedoch immer nur ex nunc,87 sodass – wenn man die nicht gegebene Postulationsfähigkeit als relevanten Fehler ansieht88 – diese innerhalb der Verjährungsfrist erfolgen muss, um die Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB auszu lösen.89
84 Vgl. BGHZ 25, 66, 71 f. Der Rechtsanwalt, der eine rechtzeitige Rüge versäumt, wird seinem Mandanten den Schaden zu ersetzen haben, welcher diesem durch den Verlust der Verjährungseinrede entsteht. 85 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 295 Rn. 24; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 295 Rn. 23; Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 9; Saenger/Saenger, § 295 Rn. 4. 86 Genauer BGHZ 111, 341, 343 ff.; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 78 Rn. 95; Weth, in: Musielak/Voit, § 78 Rn. 7. 87 BGH NJW 2007, 2124, 2125 (Rn. 11); BGHZ 111, 339, 343 f.; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 78 Rn. 95; Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 78 Rn. 68; Weth, in: Musielak/Voit, § 78 Rn. 7; Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, § 78 Rn. 8; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 176; Urbanczyk, ZZP 95 (1982), 339, 354 ff., 361. 88 Dafür bspw. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 22, dagegen bspw. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28. Ausf. unten 5. Kap., B) III. 1. a) bb) (2) (S. 174) u. 7. Kap., C) I. 2. (S. 284). 89 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 176; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 29.2, 29.1.
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
b) Fehlende Partei- (§ 50 ZPO) und Prozessfähigkeit (§§ 51 ff. ZPO) Fehlt dem Kläger bei Erhebung der Klage die Partei- und/oder die Prozessfähigkeit, kann die bisherige Prozessführung90 insbesondere durch die partei- oder prozessfähig gewordene Partei selbst oder von ihrem gesetzlichen Vertreter genehmigt werden.91 Jedenfalls prozessual wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück.92 Die Partei- 93 und die Prozessfähigkeit94 sollen jedoch nicht zu den Mindestvoraussetzungen der Verjährungshemmung gehören, sodass hiernach beispielsweise auch die vom prozessunfähigen Kläger erhobene Klage die Verjährung hemmen würde, eine Genehmigung also insoweit nicht notwendig wäre. Es besteht daher im Hinblick auf den Eintritt der materiell-rechtlichen Rechtsfolge ein Unterschied zum Fall der fehlenden Postulationsfähigkeit: Obgleich sowohl Partei- und Prozessfähigkeit95 als auch die Postulationsfähigkeit, die beiden ersteren neben ihren Eigenschaften als Prozessvoraussetzungen, Prozesshandlungsvoraussetzungen sind, deren Fehlen die Unwirksamkeit der Prozesshandlung zur Folge hat,96 soll die fehlende Parteiund Prozessfähigkeit im Gegensatz zur fehlenden Postulationsfähigkeit den Eintritt der Hemmung nicht hindern. Eine Begründung für diese Unterscheidung wird nicht angegeben. Hielte man die Partei- und die Prozessfähigkeit hingegen für Mindestvoraussetzungen, wäre wegen des Sinn und Zwecks des § 204 Abs. 1 BGB eine Korrektur mit der Wirkung ex tunc jedenfalls bezogen auf die Rechtsfolge Verjährungshemmung zu verneinen.
Die Genehmigung ist nur möglich, wenn sie die Prozessführung insgesamt erfasst, Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 56 Rn. 4; Hübsch, in: BeckOK ZPO, § 56 Rn. 7. 91 BGH NJW 2010, 2886, 2887 (Rn. 8); BGH NJW-RR 2009, 690, 691 (Rn. 10); BGH NJW 1998, 1646, 1647; BGH NJW 1996, 1059, 1060; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 56 Rn. 4; Hübsch, in: BeckOK ZPO, § 56 Rn. 7. Zu weiteren Konstellationen Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 56 Rn. 4. 92 BGH NJW 1992, 2575; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 56 Rn. 4. 93 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 25. A. A. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 5 unter Verweis auf das Urteil OLG Nürnberg NZG 2002, 874, 876, in welchem zur Begründung jedoch im Wesentlichen auf die fehlende Berechtigung der Klägerin abgestellt wurde. 94 RGZ 149, 321, 326 u. BGH WM 1974, 353, 355, in beiden Urteilen war die Frage nicht Gegenstand der Entscheidung; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 26 (nur für den Kläger); Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 5. 95 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 177; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 43 Rn. 36 f., § 44 Rn. 20, 23. 96 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 43 Rn. 37, § 4 4 Rn. 23 f. 90
B. Nachträgliche Fehlerbehebung nur mit Wirkung ex nunc
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c) Fehlende Prozessvollmacht (§§ 80, 89 ZPO) Wird die Prozesshandlung durch einen Vertreter vorgenommen, ist diese nur dann wirksam, wenn er mit Prozessvollmacht gehandelt hat, sodass bei deren Fehlen beispielsweise eine ordnungsgemäße Klageerhebung zu verneinen ist.97 Soweit ersichtlich nicht diskutiert wird, ob es sich bei der wirksamen Erteilung der Prozessvollmacht um eine Mindestvoraussetzung der Verjährungshemmung handelt. Grund hierfür dürfte sein, dass im Fall einer Genehmigung auch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Rechtsfolge Verjährungshemmung Rückwirkung angenommen wird:98 Fehlt die Prozessvollmacht, ist die vorgenommene Prozesshandlung schwebend unwirksam.99 Bei Heranziehung der Grundsätze der herrschenden Meinung läge daher die Verneinung der Hemmungswirkung nahe, da die Klageerhebung jedenfalls zunächst unwirksam ist.100 Erfolgt aber später durch den Kläger die Genehmigung nach § 89 Abs. 2 Alt. 2 ZPO,101 ist diese Frage ohne praktische Bedeutung, da diese nach allgemeiner Meinung analog § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der vollmachtlosen Handlung zurückreicht und diese Rückwirkung dabei nicht nur für die prozessualen Wirkungen102 , sondern auch für die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB gilt.103 Verjährungshemmung soll demnach auch dann eintreten, wenn die vor Ablauf der Verjährungsfrist ohne Vollmacht vorgenommene Handlung nach Fristablauf genehmigt wird.104 Hält man die wirksame Bevollmächtigung aber für eine Mindestvoraussetzung der Verjährungshemmung, ist die Analogie zu § 184 97 BGHZ 166, 278, 281 (Rn. 12); BGH NJW 1991, 1175, 1176; BGHZ 111, 219, 221; Zöller31/M. Vollkommer, Vor § 78 Rn. 5; Weth, in: Musielak/Voit, § 80 Rn. 11; Jacoby, in: Stein/ Jonas23, vor § 80 Rn. 5, § 88 Rn. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 56 Rn. 3, 5. 98 BGH WM 1961, 269, 273; Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, § 89 Rn. 20; Weth, in: Musielak/Voit, § 89 Rn. 15 f. 99 GemS OGB BGHZ 91, 111, 116 (für die Berufungseinlegung); Toussaint, in: MüKoZPO, § 89 Rn. 8; Weth, in: Musielak/Voit, § 89 Rn. 17. 100 Vgl. Jacoby, in: Stein/Jonas23, vor § 80 Rn. 5. 101 So in BGH WM 1961, 269, 273. 102 Siehe bspw. BGHZ 128, 280, 283; BGH NJW 1991, 1175, 1176; BGHZ 92, 137, 140; Zöller/Althammer, § 89 Rn. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 55 Rn. 4, 16, § 56 Rn. 17, 20. 103 Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, § 89 Rn. 20; Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 89 Rn. 17; Zöller/Althammer, § 89 Rn. 14; Weth, in: Musielak/Voit, § 89 Rn. 15; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 89 Rn. 13; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 9. 104 BGH WM 1972, 1062, 1063; BGH WM 1961, 269, 273; vgl. auch RGZ 86, 245, 246; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 10; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 20; NK-BGB/ Mansel, § 204 Rn. 39; Piekenbrock, in: BeckOK ZPO, § 89 Rn. 20; Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 89 Rn. 17; Weth, in: Musielak/Voit, § 89 Rn. 15; Zöller/Althammer, § 89 Rn. 14; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, § 89 Rn. 9; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 89 Rn. 13.
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
Abs. 1 BGB jedenfalls für die Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB aufgrund der mit dieser Vorschrift bezweckten Warnung ebenso wie in den anderen bereits behandelten Fällen abzulehnen: Ist die wirksame Bevollmächtigung für die Warnung notwendig, kann diese nicht nachträglich, das heißt nach Ablauf der Verjährungsfrist, herbeigeführt werden. Es fehlt mithin an der für eine Analogie notwendigen vergleichbaren Interessenlage. Wird die Genehmigung verweigert und die Klage aus diesem Grund durch Prozessurteil abgewiesen,105 hilft auch die von der allgemeine Meinung angenommene Rückwirkung nicht weiter: Hier wäre in einem möglichen Folgeprozess darüber zu entscheiden, ob es sich bei der Prozessvollmacht um eine Mindestanforderung handelt, denn einer nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erhobenen neuen Klage kann der Verjährungseinwand nur dann nicht entgegengehalten werden, wenn bereits die erste Klage die Verjährung gehemmt hat.
III. Zusammenfassung Um die materiell-rechtliche Wirkung der Verjährungshemmung zu erreichen, müssen, abgesehen von der Zustellung, der Bekanntgabe und der Veranlassung der Bekanntgabe alle – im Einzelnen noch zu benennenden – Mindestanforderungen bereits zu unverjährter Zeit vorgelegen haben. Dies ergibt sich aus dem mit § 204 BGB verfolgten Zweck. Aus den verfahrensrechtlichen Korrekturmöglichkeiten resultiert nichts anderes, weil das Telos dieser Normen eine Verjährungshemmung mit Wirkung für die Vergangenheit selbst dort verbietet, wo prozessual eine Behebung des Mangels mit Wirkung ex tunc möglich ist.
C. Konsequenzen für den Untersuchungsgegenstand I. Grundsatz Da nach dem Vorstehenden die Korrektur von verfahrensrechtlichen Mindestvoraussetzungen nach Ablauf der Verjährungsfrist den Eintritt der materiell-rechtlichen Wirkung nicht herbeiführen kann, muss geprüft werden, ob die an die Rechtsverfolgungsmaßnahme zu stellenden Anforderungen vor Ablauf der Verjährungsfrist erfüllt waren. Notwendig ist zunächst eine Initiierung der Rechtsverfolgungsmaßnahme vor Fristablauf. Initiierung meint in den Fällen, in denen zugestellt werden muss, und bei Nr. 4, Nr. 9 Alt. 2, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 14 105
Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 88 Rn. 13; vgl. auch GemS OGB BGHZ 91, 111, 114 f.
C. Konsequenzen für den Untersuchungsgegenstand
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den Eingang bzw. die Einreichung des Antrags, bei Nr. 5 die Geltendmachung, bei Nr. 8 und Nr. 11 den Beginn und bei Nr. 10 die Anmeldung. Hingegen können die Zustellung, die Bekanntgabe und die Veranlassung der Bekanntgabe auch noch nach Ablauf der Frist erfolgen. Im Übrigen muss die später kundgegebene Rechtsverfolgungsmaßnahme spätestens am letzten Tag der Frist alle notwendigen Anforderungen erfüllen. In dem Zeitraum zwischen Ablauf der Verjährungsfrist und der Zustellung, Bekanntgabe oder Veranlassung der Bekanntgabe demnächst können Fehler, die den Eintritt der Verjährungshemmung hindern, nicht mehr korrigiert werden. Bezugspunkt der Prüfung ist daher immer die Rechtsverfolgungsmaßnahme so, wie sie bei Ablauf der Verjährungsfrist vorlag. Wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellt, der Güteantrag noch nicht bekannt gegeben oder die Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe noch nicht veranlasst, ist für den Eintritt der Hemmung erforderlich, dass dies demnächst nachgeholt wird. Mangelt es der innerhalb der Verjährungsfrist eingereichten Rechtsverfolgungsmaßnahme jedoch bereits an einer Mindestanforderung, scheidet der Eintritt der Hemmung aber bereits aus diesem Grund aus.
II. Ausnahme bei Verjährungshemmung durch Zustellung eines Mahnbescheids? Einzige Ausnahme stellt insoweit die Verjährungshemmung durch Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB dar. Dies liegt darin begründet, dass Bezugspunkt der Hemmung hier nicht, wie in allen anderen Fällen, eine Handlung des Gläubigers, sondern der vom Gericht erlassenen Mahnbescheid ist. Bei Nr. 3 hemmt mithin nicht der vom Gläubiger beantragte Mahnantrag, sondern der daraufhin ergangene Mahnbescheid. Die Rechtsverfolgungsmaßnahme war also bereits insoweit erfolgreich, als ein Mahnbescheid erlassen wurde.106 Daher ist bei Nr. 3 zunächst nicht der Mahnantrag auf das Vorliegen der Mindestvoraussetzungen zu untersuchen, sondern der zugestellte Mahnbescheid.107 Erforderlich ist jedoch auch hier, dass der Mahnantrag zu unverjährter Zeit eingereicht wurde. Es stellt sich dann aber die Frage, ob eine nachträgliche Behebung eines im Mahnantrag enthaltenen relevanten Fehlers möglich ist, wenn diese so rechtzeitig erfolgt, dass der Mahnbescheid noch demnächst zugestellt werden kann (Bsp.: Eingang des Mahnantrags am 31.12., Korrektur eines relevanten Fehlers nach Hinweis des Gerichts 106 Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 203; Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 149, 228 ff. 107 BGH NJW 2009, 56, 57 (Rn. 20).
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
am 07.01., Zustellung des Mahnbescheids am 12.01.). Diese unterschiedliche Behandlung ließe sich damit rechtfertigen, dass im Falle des korrigierten Mahnantrags nicht wie bei den sonstigen Tatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB die zur Hemmung führende Rechtsverfolgungsmaßnahme selbst korrigiert wird, sondern die Korrektur im Vorfeld stattfindet und der die Hemmung bewirkende Mahnbescheid von Anfang an richtig ist. Tatsächlich wurde unter der Geltung des § 693 Abs. 2 ZPO a. F.108 eine nachträgliche Mängelbehebung zugelassen. Die Verjährung konnte daher gehemmt werden, wenn der Mahnantrag vor Ablauf der Frist eingereicht wurde, das Gericht den fehlerhaften Antrag monierte und auf den verbesserten Antrag hin der Mahnbescheid erlassen und demnächst zugestellt wurde. Der BGH hat dabei betont, dass es für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. auf das Gewicht des behobenen Mangels nicht ankomme.109 Dem Antragsteller stand somit auch nach Ablauf der Frist ein gewisser Zeitraum110 zur Korrektur von Fehlern zur Verfügung. Eine Änderung dieser Praxis war mit der Aufhebung des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. und der Einführung des § 167 ZPO durch das Zustellungsreformgesetz111 nicht beabsichtigt. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Regelung des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. durch Einführung des § 167 ZPO entbehr-
108 § 693 Abs. 2 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung lautete: „Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags auf Erlaß des Mahnbescheids ein.“ Anpassung an die Terminologie des SchRModG durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. 2001 I, S. 3138; in Kraft getreten am 01.01.2002. § 693 ZPO a. F. geändert durch Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.06.2001, BGBl. 2001 I, S. 1206; in Kraft getreten am 01.07.2002. 109 BGH NJW 1999, 3717, 3718 (Verwendung nicht mehr gültiger Vordrucke). Vgl. auch BGHZ 86, 313, 323 f.: Fehlende Unterschrift schließt eine Rückwirkung nicht aus. Ob die Rechtsprechung eine solche Korrektur auch im Fall der fehlenden Individualisierung zulassen würde, ist soweit ersichtlich nicht entschieden worden. Wird der Antrag wegen fehlender Individualisierung nach § 691 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen, hemmt eine spätere Klage gemäß § 691 Abs. 2 ZPO nach überwiegender Auffassung nicht, vgl. Schüler, in: MüKo-ZPO, § 691 Rn. 29a, a. A. M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 889; Maniak, MDR 2001, 347, 348. 110 Bei der Zustellung des Mahnbescheids sollen wegen § 691 Abs. 2 ZPO Verzögerungen bis zu einem Monat unschädlich, d. h. noch demnächst i. S. d. § 167 ZPO, sein, BGHZ 150, 221, 224 f.; BAG NJW 2018, 1038, 1039 (Rn. 20 f.); Häublein, in: MüKo-ZPO, § 167 Rn. 10; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 693 Rn. 15; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 20. 111 Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.06.2001, BGBl. 2001 I, S. 1206; in Kraft getreten am 01.07.2002.
C. Konsequenzen für den Untersuchungsgegenstand
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lich wurde.112 Auch in der Literatur wird nach wie vor eine Korrektur für möglich gehalten.113 Entgegen der herrschenden Meinung ist jedoch auch bei der Verjährungshemmung durch Zustellung eines Mahnbescheids eine Korrektur relevanter Fehler nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht möglich. Fehlt es dem Mahnantrag mithin an Mindestvoraussetzungen und wird der Antrag daher nach § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO moniert und nicht direkt ein Mahnbescheid erlassen, kann die Verjährung nicht mehr gehemmt werden, auch wenn der auf den verbesserten Antrag hin erlassene Mahnbescheid demnächst zugestellt wird. Sinn und Zweck des § 167 ZPO ist nicht, dem Gläubiger eine Nachfrist zu gewähren, um untaugliche Anträge zu korrigieren, sondern ihm das Risiko des Zustellungsverfahrens abzunehmen. Zugelassen werden kann hingegen die Korrektur nicht relevanter Fehler im Mahnantrag, da hier der Gläubiger im Mahnantrag die für die Hemmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat. Er trägt hier aber das Risiko, dass aufgrund der Beanstandung die Zustellung nicht mehr demnächst erfolgt. Offen ist sodann noch die Behandlung der Konstellation, in welcher der Mahnantrag an einem relevanten Fehler leidet, dieser sich aber nicht im Mahnbescheid fortsetzt. Praktisch relevant dürfte dies jedoch nur in dem Fall werden, in welchem der Mahnbescheid ergeht, obwohl der Mahnantrag nicht unterschrieben war.114 Konsequenterweise müsste – entgegen der Lösung des BGH – auch hier eine Hemmung verneint werden, wenn man die fehlende Unterschrift grundsätzlich als relevanten Fehler ansieht. Die vom BGH angestellten Überlegungen treffen zwar im Ergebnis zu, beziehen sich aber nach hier vertretener Ansicht auf das Unterschriftserfordernis insgesamt und sind nicht nur auf die Konstellation des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB beschränkt.115 Für die vorliegend vertretene Auffassung sprechen nicht nur Sinn und Zweck des § 167 ZPO, sondern auch die folgenden weiteren Gesichtspunkte: Zunächst widerspräche es der angestrebten Gleichbehandlung aller Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB,116 bei § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine nachträgliche Korrektur von Mindestvoraussetzungen zuzulassen. Weiterhin kann man in formaBT-Drucks. 14/4554, S. 26. Vgl. auch Berger, in: Stein/Jonas22, § 693 Rn. 8; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 17. 113 Berger, in: Stein/Jonas22, § 693 Rn. 12; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 21; Dorndörfer, in: BeckOK ZPO, § 693 Rn. 4. Für eine nachträgliche Individualisierung durch die Anspruchsbegründung, wenn diese demnächst zugestellt wird, Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 195; a. A. BGH NJW-RR 2017, 506, 507 (Rn. 16); BGH NJW 2009, 56 (Rn. 19); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 32. 114 BGHZ 86, 313 ff. 115 BGHZ 86, 313, 323 f. Zur hier vertretenen Handhabung siehe unten 7. Kap., C) I. 1. (S. 283). 116 Hierzu unten 6. Kap., A) III. (S. 231). 112
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2. Kapitel: Vorliegen aller Hemmungsvoraussetzungen zu unverjährter Zeit
ler Hinsicht die Frage stellen, ob es sich dann, wenn ein relevanter Fehler behoben wird, noch um den ursprünglichen oder nicht vielmehr um einen neuen und damit nach Ablauf der Frist eingereichten Antrag handelt.117 Schließlich lässt sich gegen die bisherige Handhabung anführen, dass dieser mit der Aufhebung der Sonderregelung des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. die Grundlage entzogen worden ist. Zwar verfolgen beide Vorschriften den gleichen Sinn und Zweck118 und eine inhaltliche Änderung war mit der Aufhebung des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. nicht beabsichtigt. Allerdings bestimmte § 693 Abs. 2 ZPO a. F. ausdrücklich, dass dann, wenn durch die Zustellung des Mahnbescheids (vgl. § 693 Abs. 1 ZPO) die Verjährung unterbrochen werden soll, diese Wirkung bereits mit Einreichung des Mahnantrags eintrete, wenn die Zustellung demnächst erfolge. Der Wortlaut des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. wurde somit der besonderen Konstellation des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB bzw. des § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. gerecht, weil er berücksichtigte, dass nicht der Mahnantrag, sondern der Mahnbescheid zugestellt wird. Im Gegensatz dazu geht § 167 ZPO grundsätzlich von der Zustellung des eingereichten Dokuments aus,119 was bei der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB jedoch nicht der Fall ist. Der Mahnantrag wird nicht zum Zwecke der Zustellung eingereicht, sondern damit auf diesen hin ein Mahnbescheid erlassen wird. Freilich kann dies nicht dazu führen, bei der Zustellung des Mahnbescheids die Rückbeziehung auf den Eingang des Mahnbescheids zu versagen, da Sinn und Zweck des § 167 ZPO und der Wille des Gesetzgebers es erfordern, § 167 ZPO auch im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB anzuwenden. Allerdings sollte diese Anwendung einheitlich erfolgen und eine nachträgliche Korrektur, die unter Geltung der lex specialis des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. noch vertretbar gewesen ist, ausscheiden. Gegenstand der Prüfung im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist daher zunächst der zugestellte Mahnbescheid. Weiterhin ist jedoch erforderlich, dass dieser auf einen Mahnantrag hin ergangen ist, der selbst zu unverjährter Zeit eingegangen war und nicht an einem relevanten Fehler litt.
117 Nach Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 21 ist grundsätzlich Identität zwischen Mahnantrag und Mahnbescheid erforderlich. Da das Gesetz aber in § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO Berichtigungen zulasse, genüge wesentliche Übereinstimmung im Sinne der Streitgegenstandslehre. Gerade bei nicht hinreichender Individualisierung kann aber der Fall eintreten, dass eine Bestimmung des Streitgegenstandes nicht möglich ist. Siehe auch Roth, in: Stein/ Jonas23, § 167 Rn. 15. 118 Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 17. 119 Roth, in: Stein/Jonas22, § 167 Rn. 1: „[…] diejenige Partei, die ein zuzustellendes Schriftstück eingereicht hat […]“; vgl. auch Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 169 Rn. 6; Rn. 17.
D. Zusammenfassung
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D. Zusammenfassung 1. Eine Rechtsverfolgungsmaßnahme ist dann als verfahrensrechtlich fehlerhaft anzusehen, wenn sie Voraussetzungen nicht erfüllt, die in den für sie maßgeblichen Verfahrensvorschriften aufgestellt werden. 2. Erweist sich gemessen hieran eine Rechtsverfolgungsmaßnahme als fehlerhaft, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob die in § 204 Abs. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge eintritt oder nicht. Auch verfahrensfehlerhafte Maßnahmen können die Verjährung des Anspruchs hemmen. 3. Die für die Hemmung erforderlichen Voraussetzungen müssen zu unverjährter Zeit vorgelegen haben. Eine Ausnahme hiervon stellen nur die Zustellung, die Bekanntgabe und die Veranlassung der Bekanntgabe dar, die wegen § 167 Alt. 3 ZPO bzw. wegen § 204 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 14 BGB auch noch demnächst nach Ablauf der Frist erfolgen können. 4. Zudem scheidet die Behebung von – im Einzelnen noch zu bestimmenden – relevanten Verfahrensfehlern mit der Wirkung ex tunc aus. Dies ergibt sich jedenfalls aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB. Im Falle einer unwirksamen Zustellung ist jedoch im Zeitraum demnächst eine Heilung nach § 189 ZPO oder § 295 ZPO möglich. 5. Bezugspunkt der Prüfung ist daher immer die später kundgegebene Rechtsverfolgungsmaßnahme so, wie sie bei Ablauf der Verjährungsfrist vorlag. Im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind der Mahnantrag und der zugestellte Mahnbescheid zu untersuchen.
3. Kapitel
Zweck der Verjährung sowie Zweck von Verjährungshemmung und Verjährungsneubeginn A. Verjährungsrecht als Ausgleich zwischen Schuldnerund Gläubigerinteressen Bei der Ausgestaltung des Verjährungsrechts besteht die Aufgabe des Gesetzgebers darin, die Interessen des Schuldners und die des Gläubigers angemessen zu berücksichtigen und in Ausgleich zu bringen,1 wobei beachtet werden muss, dass sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger grundrechtlich geschützte Positionen innehaben. Für die Bewertung, ob dieser Ausgleich gelungen ist, muss das Verjährungsrecht insgesamt betrachtet werden, das heißt, dass eine Gesamtschau der einzelnen Verjährungsfristen, der Regelungen zum Verjährungsbeginn sowie der Vorschriften über Hemmung und Neubeginn anzustellen ist.2 Dabei kann verallgemeinernd gesagt werden, dass die Verjährung als solche im Interesse des Schuldners und die Vorschriften über Hemmung und Neubeginn der Verjährung im Interesse des Gläubigers bestehen.
I. Vermögensrechtliche Ansprüche als Eigentum nach Art. 14 GG Steht dem Gläubiger ein vermögensrechtlicher Anspruch3 zu, ist dieser Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG und damit vom sachlichen Schutzbereich 1 BGH NJW-RR 2005, 1683, 1686 m. w. N.; Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 342, 349 f.; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 27, 28 ff., insb. S. 29: „Die Anforderung an ein Verjährungsrecht besteht letztlich darin, die Interessen zum Ausgleich zu bringen, um die Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten.“; Peters, ZZP 123 (2010), 321, 342 f.; Zimmermann, JZ 2000, 853, 857. 2 BT-Drucks. 14/6040, S. 95; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 38; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 12; Zimmermann, JZ 2000, 853, 857; Peters, AcP 208 (2008), 37, 46–48. 3 Nichtvermögensrechtliche Ansprüche werden durch Art. 1, Art. 2 und Art. 6 GG geschützt, Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 12; Mansel, in: Ernst/ Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 349 f.;
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
dieses Grundrechts umfasst.4 Indem der Schuldner nach Eintritt der Verjährung die Leistung allein aufgrund von Zeitablauf verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB),5 wird mit Verjährungseintritt dem Anspruch, auch wenn er rechtlich fortbesteht, jedenfalls wirtschaftlich sein Wert genommen,6 da die Realisierung dieses Wertes nunmehr vom Willen des Schuldners abhängt. Die Verjährung von Ansprüchen als solche und die Ausgestaltung des Verjährungsrechts stellen somit eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums „Anspruch“ nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar.7 Bei der Ausgestaltung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen kommt dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum zu,8 er muss jedoch durch eine sachgerechte Abwägung einen Ausgleich zwischen der Garantie des Privateigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) einerseits und dem Sozialgebot (Art. 14
Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 55; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 2. Zu Art. 6 Abs. 1 EMRK siehe Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 17 ff. und EGMR NJW 2018, 527, 528 f. (Rn. 37 ff.). 4 BVerfGE 115, 97, 111; BVerfGE 112, 93, 107; BVerfGE 68, 193, 222; BVerfGE 45, 142, 179 (Anspruch auf Kaufpreiszahlung); BGH NJW 2010, 1948, 1950 f. (Rn. 21 f.); BGH NJW-RR 2005, 1683, 1686; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 57 f.; Axer, in: BeckOK GG, Stand: 15.11.2017, Art. 14 Rn. 48; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 12; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581; Kloepfer, Grundrechte, § 72, Rn. 39; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 9; Peters, AcP 208 (2008), 37, 40; Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 32; Wolf/ Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 2. 5 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5, 11 und Peters, AcP 208 (2008), 37, 44 sprechen von „pauschaler Abwehr“ bzw. „pauschale[m] Abwehrmittel“. Ausführlich zur Einrede der Verjährung Meller-Hannich, JZ 2005, 656 ff. 6 BT-Drucks. 14/6040, S. 100: Die Verjährung führe de facto zu einem Forderungsverlust und stehe so in ihrer Einwirkung auf die Forderung der Erfüllung oder dem Erlass gleich; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271: Verjährung wirke nicht rechtlich aber tatsächlich in erfüllungs- oder erlassähnlicher Weise auf die Forderung ein. Peters, AcP 208 (2008), 37, 40: die Forderung werde durch die Verjährung „nahezu vernichtet“; die Einrede des § 214 Abs. 1 BGB nehme der Forderung „nahezu jeden Inhalt“ (Fn. 5); ebenso Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 2. 7 Peters, AcP 208 (2008), 37, 40, 43, der noch zwischen Bestimmung des Inhalts und der Schranke differenziert: Inhaltsbestimmung insoweit, als die Verjährung die Qualität des Anspruchs von durchsetzbar in erfüllbar umwandelt und Schrankenbestimmung insoweit, als die Verjährung die Forderung „eben im wesentlichen undurchsetzbar macht“; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 28; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 12. Siehe schon Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 286; außerdem Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 8. Vgl. auch Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 9: Verjährungsregeln als Eingriff, da sie die Eigentumsnutzung verkürzen. 8 Peters, AcP 208 (2008), 37, 40 f.; siehe auch Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 314.
A. Verjährungsrecht als Ausgleich zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen
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Abs. 2 GG) andererseits erreichen.9 Das BVerfG fordert in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Rechtsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen müsse. Die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten müsse er in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung stehe mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang.10 Daraus ergibt sich für das Verjährungsrecht, dass sich sowohl eine einseitige Begünstigung des Schuldners zum Nachteil des Gläubigers als auch eine übermäßig lange Belastung des Schuldners verbietet.11 Verjährung darf mithin erst dann eintreten, „wenn der Gläubiger hinreichend Gelegenheit hatte, seine Forderung zu erkennen, zu prüfen und zu verfolgen“12.13 Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete daher beispielsweise die in §§ 477 Abs. 1, 638 BGB a. F. enthaltene Regelung, wonach Gewährleistungsansprüche des Verkäufers bzw. des Bestellers zum Teil in sechs Monaten nach Ablieferung (§ 477 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) bzw. Abnahme (§ 638 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.) verjährten. Aufgrund der kurzen Verjährung und der objektiven Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Ablieferung bzw. Abnahme bestand hier eine besondere Gefahr des Rechtsverlusts.14 9 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 310; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 91; Kloepfer, Grundrechte, § 72, Rn. 32; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 12; Peters, AcP 208 (2008), 37, 43. 10 BVerfGE 98, 17, 37; BVerfGE 91, 294, 308; BVerfGE 87, 114, 138; BVerfGE 81, 208, 220. Weitere Nachweise bei Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 310. 11 BGH NJW-RR 2005, 1683, 1686; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 8; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 12; Peters, AcP 208 (2008), 37, 50. 12 Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 187 f. für schuldrechtliche Ansprüche. 13 BT-Drucks. 14/6040, S. 95; BGH NJW-RR 2005, 1683, 1686; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 9; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 9; Peters, AcP 208 (2008), 37, 45; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 2; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 10; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. Siehe auch M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581: „Die Interessen des Schuldners müssen deshalb ein beachtliches Gewicht aufweisen, um den mit der Verjährung verbundenen Verlust der verfassungsrechtlich geschützten Ansprüche des Gläubigers rechtfertigen zu können.“ Einschränkend aber Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 13. 14 Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 188; Peters, AcP 208 (2008), 37, 41; siehe auch BGH NJW-RR 2005, 1683, 1686 (hierzu Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 15). Eine unangemessen lange Belastung des Schuldners sieht Peters, AcP 208 (2008), 37, 53, 54 f. demgegenüber in der gegenwärtigen Regelung des § 207 Abs. 1 S. 1 BGB, siehe auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
II. Verfassungsrechtlich geschützte Positionen des Schuldners Für den Schuldner resultiert eine verfassungsrechtlich geschützte Position aus Art. 2 Abs. 1 GG: Rechnet der Schuldner mit der Geltendmachung einer Forderung, welche jedoch dauerhaft ausbleibt, ist er dennoch gehalten, sein wirtschaftliches Verhalten hierauf einzurichten, insbesondere indem er Rücklagen bildet, um bei einer möglichen Inanspruchnahme gewappnet zu sein.15 Durch diese Vermögensbindung wird die als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte wirtschaftliche Handlungsfreiheit16 des Schuldners beeinträchtigt. Nach Verjährungseintritt kann der Schuldner die Rücklagen auflösen und das Vermögen anderweitig einsetzen. Die Verjährbarkeit von Ansprüchen dient mithin dazu, die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Schuldners sicherzustellen.17 Zwar schützt das Grundrecht zunächst vorrangig vor staatlichen Eingriffen (Abwehrfunktion der Grundrechte)18 und findet im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner keine unmittelbare Anwendung (Art. 1 Abs. 3 GG). Aufgrund der Schutzdimension der Grundrechte,19 die auch Art. 2 Abs. 1 GG zukommt,20 hat der Gesetzgeber jedoch diese Grundrechtsposition des SchuldRn. 8. Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 13 hält § 477 BGB a. F. hingegen für verfassungsrechtlich unbedenklich. 15 Peters, AcP 208 (2008), 37, 44; Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343. Hierzu unten 3. Kap., B) II. 2. c) (S. 61). 16 BVerfGE 128, 193, 206 f.: Auferlegung einer Unterhaltspflicht greift in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Unterhaltspflichtigen ein; BVerfGE 65, 196, 210 f. u. BVerfGE 50, 290, 366: ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative ist unantastbar; BVerfGE 12, 341, 347; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 6: Geschützt sind Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über das eigene Vermögen, soweit nicht speziellere Grundrechte einschlägig sind (BVerfGE 12, 341, 347; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 80); Murswiek/Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 54 („Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet“). Ausführlich Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 77–81. 17 Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 35 f.; Peters, AcP Bd. 208 (2008), 37, 41, 45, 50 f., der auf die allgemeine Handlungsfreiheit als solche abstellt. Inhaltlich besteht kein Unterschied, da mit der hier vorgenommenen Zuordnung zum Teilbereich der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit kein über die allgemeine Handlungsfreiheit hinausgehender Schutzbereich erreicht werden soll (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 81; Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 35). Die Begriffe „wirtschaftliche Handlungsfreiheit“ bzw. „wirtschaftliche Dispositionsfreiheit“ werden deshalb verwendet, weil sie die betroffene Position des Schuldners konkreter zum Ausdruck bringen, als die vielschichtige allgemeine Handlungsfreiheit. 18 BVerfGE 50, 290, 337; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 27; Dreier, in: Dreier, Vorb. Rn. 84; Kloepfer, Grundrechte, § 48, Rn. 7, 13–17, insb. 15 f. 19 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 61; Sachs, in: Sachs, Vor Art. 1 Rn. 35; Dreier, in: Dreier, Vorb. Rn. 101; Kloepfer, Grundrechte, § 48, Rn. 55 ff. 20 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 61; Lang, in: BeckOK GG, Art. 2 Rn. 27 f.
A. Verjährungsrecht als Ausgleich zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen
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ners vor der Ausübung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrecht des Gläubigers angemessen zu sichern.21 Soweit die Verjährung dazu dient, auf Seiten des Schuldners eine Beweisnot zu verhindern, sichert sie dessen Recht auf ein faires Verfahren, welches durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)22 sowie Art. 6 EMRK geschützt ist.23
III. Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand Bei der konkreten Ausgestaltung des Interessensausgleiches zwischen Gläubiger und Schuldner kommt dem Gesetzgeber ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zu, solange das verjährungsrechtliche Gesamtkonzept beide Grundrechtspositionen noch angemessen berücksichtigt.24 Indem der Gläubiger durch Initiierung der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen die Möglichkeit hat, den Lauf der Verjährung ohne Mitwirkung des Schuldners anzuhalten, was insbesondere eine Verjährung während der Dauer der Rechtsverfolgung verhindert,25 wird – jedenfalls was die Einflussnahme auf den Verjährungslauf betrifft – dem Eigentumsschutz ausreichend Rechnung getragen.26 Das BVerfG hat ausdrücklich festgestellt, dass es Art. 14 Abs. 1 GG nicht widerspreche, wenn der BGH für den Eintritt der Verjährungshemmung etwa in den Fällen § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 11 BGB die Vornahme einer formell ordnungsgemäßen Rechtshandlung verlange.27 Aus Sicht des BVerfG bestehen mithin gegen die gegenwärtige Handhabung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.28 21 Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 35. Vgl. auch Kloepfer, Grundrechte, § 48, Rn. 55: Der Staat hat die Aufgabe „die Freiheit des Bürgers gegen die Angriffe anderer Bürger zu schützen“. 22 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 72–75. 23 EGMR NJW 2018, 527, 528 f. (Rn. 37 ff.); Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 33 f., 45; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 2. 24 Vgl. Peters, AcP Bd. 208 (2008), 37, 41: Die Gestaltungsfreiheit könne „jedenfalls nicht grenzenlos sein”; Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343. Siehe auch Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 350: Im Grundsatz dürften verfassungsrechtliche Grenzen weder durch das geltende noch durch das geplante Verjährungsrecht tangiert werden. Zum Gestaltungsspielraum auch BVerfGE 96, 56, 64; Kloepfer, Grundrechte, § 48, Rn. 65 f., 70–72. 25 Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 75; Brehm, BGB AT, Rn. 631 für § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. 26 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 12, 13, die ausdrücklich auf die Erweiterung der Hemmungstatbestände in § 204 Abs. 1 BGB abstellen. 27 BVerfG NJW-RR 2009, 1148. Hierzu genauer unten 5. Kap., B) III. 4. (S. 189). 28 Kritisch hierzu jedoch ohne Festlegung für den konkreten Fall Piekenbrock, in:
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
B. Zweck der Verjährung I. Die Verjährung als allgemein anerkanntes Rechtsinstitut Der Nutzen der Verjährung wird allseits anerkannt. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Verjährungsrechts, für welche mannigfaltige Optionen bestehen, wird für unabdingbar gehalten, dass – von einigen Ausnahmen abgesehen 29 – nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne Ansprüche nicht mehr realisiert werden können.30 Da die Verjährung die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Schuldners wiederherstellt, lässt sich ihre Existenz wie gezeigt nunmehr unmittelbar verfassungsrechtlich rechtfertigen. Die Bedeutung dieses Instituts war jedoch bereits weit vorher allgemeiner Konsens. Nach Savigny gehört die Klagenverjährung „unter die wichtigsten und wohlthätigsten Rechtsinstitute“.31 Gebhard führt zur Rechtfertigung der Verjährung an: „Der Verkehr erträgt es nicht, daß lang verschwiegene, in der Vergangenheit vielleicht weit zurückliegende Thatsachen zur Quelle von Anforderungen zu einem Zeitpunkte gemacht werden, in welchem der in Anspruch genommene Gegner in Folge der verdunkelnden Macht der Zeit entweder gar nicht mehr oder doch nur sehr schwer noch in der Lage ist, die ihm zur Seite stehenden entlastenden Umstände mit Erfolg zu verwerthen.“32 Insbesondere Gebhards Worte von der „verdunkelnden Macht der Zeit“33 sind zum geflügelten Wort geworden und dienen bis BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 14, der den Eintritt der Verjährung im Wege der verfassungskonformen Auslegung verneinen will, wenn im Einzelfall keiner der Gründe vorliegt, die den Rechtsverlust durch Zeitablauf rechtfertigen. 29 Z. B. § 194 Abs. 2 BGB, § 898 BGB, § 902 BGB, § 924 BGB. Hierzu Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 64 ff.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 194 Rn. 7–9, § 195 Rn. 37; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 103. Siehe zudem Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 186. 30 Vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 8: „Irgendwann muss einmal Schluss sein“; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 20: „Für moderne Rechtsordnungen […] charakteristisch“, bezogen auf die Rechtsänderung durch Zeit allgemein; Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 8; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 18 f.; F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 167 f.; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 19; Gierke, Deutsches PrivatR, § 35 III. (S. 311). Zur Bedeutung des Zeitablaufs im Recht siehe auch den Überblick bei Piekenbrock, Verjährung, S. 1–5. Dennoch wurde im römischen Recht die allgemeine Klagenverjährung erst 424 n. Chr. eingeführt, hierzu unten 4. Kap., A) I. 1. (S. 107). 31 Savigny, System, § 237 (S. 272). 32 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 309. Diese Formulierung wurde wörtlich in die Motive übernommen, Motive, Bd. I, S. 291. 33 Diese Formulierung ist schon in der Vorlage zur Anspruchsverjährung von 1877 (Vorlage Nr. 9) enthalten, Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 751. Siehe schon Kreittmayr, Anmerkungen CMBC, S. 376: „Verdunklung der Rechte, welche sich durch die
B. Zweck der Verjährung
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heute zur Rechtfertigung der Verjährung.34 Spiro hält die Verjährung als solche „in einem entwickelten Recht für unentbehrlich, ihre Ausbildung und Normierung als besonderes Rechtsinstitut“ sei „ein natürliches Postulat“.35 In der Folge werden zunächst die Verjährungszwecke – verstanden als die mit der Verjährung angestrebten Ziele – und die verschiedenen Interessen von Schuldner, Gläubiger und der Allgemeinheit dargestellt. Soweit hiervon zu unterscheiden, wird sodann auf die Rechtfertigung der Verjährung eingegangen.36
II. Zwecke der Verjährung 1. Plurale Zweckbestimmung Bei der Frage nach dem Zweck der Verjährung wird davon ausgegangen, dass mit diesem Institut verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Bereits Savigny37 benannte fünf Gründe für die Einführung der Verjährung.38 Jedenfalls im Grundsatz wird diese „plurale Zweckbestimmung“ auch heute noch anerkannt.39 Da es sich beim Verjährungsrecht um eine „dreipolige Wechselbeziehung zwiLänge der Zeit ganz natürlicher Weise ergeben muß“. Zudem Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 105 (S. 544): „Die Zeit heiligt nicht bloß, sie verdunkelt auch.“; Dernburg, Pandekten, § 144, 1. (S. 335): „Die Verjährung bezweckt also den Schutz der Gegenwart gegenüber der Vergangenheit.“ u. Gierke, Deutsches PrivatR, § 35 III. (S. 311): Zugleich verdunkelnde und heiligende Macht der Zeit. 34 Siehe z. B. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5 (Überschrift); Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 8. 35 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 19. Ebenso Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 8. Diese Aussage stelle kein Bekenntnis zur naturrechtlichen Herkunft der Verjährung dar, sondern solle nur zum Ausdruck bringen, dass der Gesetzgeber ohne die Berücksichtigung des Zeitablaufs nicht auskomme, Piekenbrock, Verjährung, S. 4. Siehe zudem HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 14, Fn. 78 und Kreittmayr, Anmerkungen CMBC, S. 376. 36 Differenzierung zwischen Aufgabe der Verjährung einerseits und Rechtfertigung der Verjährung andererseits auch bei Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8 ff., 24 ff. 37 Zu älteren Vorüberlegungen HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 14 m. Fn. 75; zudem Kreittmayr, Anmerkungen CMBC, S. 376. 38 Savigny, System, § 237 (S. 267–272): (1) Zeitliche Begrenzung der ungewissen Verhältnisse des Rechts (Rechtssicherheit, wichtigster Grund); (2) Die Vermutung, dass ein lange Zeit nicht geltend gemachter Anspruch getilgt ist; (3) Vorwurf der Untätigkeit des Gläubigers; (4) Erschwerung des Beklagten, sich zu verteidigen; (5) Verminderung der Prozesse. Siehe auch die Zusammenfassungen bei Oetker, Die Verjährung, S. 33; Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 112 und HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 14. 39 Oetker, Die Verjährung, S. 34; Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 342; HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 14; Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 10: „Ein einheitlicher Grund
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
schen Berechtigtem, Verpflichtetem und öffentlichem Interesse“40 handelt, erfolgt die Darstellung der Verjährungszwecke hier nach diesen drei Aspekten geordnet.41 Seit jeher von untergeordneter Bedeutung sind dabei Interessen des Gläubigers. Wesentliche Ziele sind vielmehr die Wahrung der Interessen des Schuldners und der Belange der Allgemeinheit. Keine Einigkeit besteht jedoch über die Gewichtung dieser beiden Verjährungszwecke.42 Insgesamt kann jedoch schon vorab festgehalten werden, dass durch das Institut der Verjährung letztlich die Konsequenzen aus den im Laufe der Zeit eingetreten Umständen gezogen werden.43 Ihre Berechtigung findet sie daher nicht im Zeitablauf als solchem, sondern in den während dieser Zeit typischerweise eintretenden Ereignissen. Weil die im Folgenden darzustellenden Umstände regelmäßig mit dem Fortschreiten der Zeit einhergehen, kann der Gesetzgeber in einer generalisierenden Betrachtungsweise nach Ablauf einer bestimmten Frist die Verjährung des Anspruchs eintreten lassen, ohne das im Einzelfall diese Umstände tatsächlich vorgelegen haben müssen. 2. Schutz des Schuldners a) Schutz des Schuldners vor Beweisnot aa) Beweisnot des Schuldners Eine wesentliche Funktion der Verjährung ist es, Individualinteressen des Schuldners zu schützen. Hauptanliegen hierbei ist die Verhinderung von Beweisnot auf Schuldnerseite.44 Die zu Beginn noch vorhandenen Beweismittel verlieren an Kraft und sind schwierig oder gar nicht mehr zu beschaffen.45 ist für die Anspruchsverjährung nach Abs. 1 daher nicht zu finden.“; Büdenbender, JuS 1997, 481, 482. 40 HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 13. 41 Ebenso Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5 –7. Ähnlich auch Piekenbrock, Verjährung, § 18; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. 42 HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 13, 14 m. Fn. 80; Oetker, Die Verjährung, S. 34. 43 Piekenbrock, Verjährung, S. 19 für die Rechtsänderung durch Zeitablauf allgemein. 44 Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 34; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580. Den „Schutz potenzieller Beklagter gegen uralte Ansprüche, denen sie möglicherweise nur schwer entgegentreten können“ benennt auch der EGMR als ein Ziel der Verjährung, EGMR NJW 2018, 527, 528 (Rn. 39). 45 BGH NJW 2018, 950, 951 (Rn. 19, 21); BGH NJW 2017, 2755, 2756 (Rn. 9, 11); Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8: „[D]ie Erinnerung der Beteiligten wie allfälliger Zeugen verblasst und entschwindet, Urkunden und andere Beweisstücke sind nicht mehr aufzufinden, ihre Echtheit fraglich, ein Augenschein vielfach unmöglich […]“. Siehe auch Oetker, Die
B. Zweck der Verjährung
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Der Schuldner muss im Prozess die den anspruchshindernden, -vernichtenden und -hemmenden Normen zugrunde liegenden Tatsachen darlegen und beweisen. Hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen, für die der Gläubiger darlegungs- und beweispflichtig ist, obliegt dem Schuldner der Gegen beweis.46 Weiterhin kann sich aus gesetzlichen Beweislastregeln eine Darlegungs- und Beweislast für den Schuldner ergeben,47 insbesondere muss dieser den Beweis des Gegenteils führen, wenn hinsichtlich anspruchsbegründender Tatsachen zu Gunsten des Gläubigers eine gesetzliche Vermutung besteht, § 292 ZPO.48 Entgegen der häufig vertretenen Auffassung49 kann den Schuldner wegen der zeitlichen Grenze der Rechtskraft auch in den Fällen des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine Beweisnot treffen. So beispielsweise, wenn er die Forderung erfüllt, es aber versäumt, sich den Titel zu verschaffen.50 bb) Beweissicherung durch den Schuldner Da der Schuldner nicht beeinflussen kann, ob, und wenn ja, wann er in Anspruch genommen wird,51 muss er sich Beweismittel beschaffen und diese sichern. Das gilt jedenfalls dann, wenn er sich in irgendeiner Weise gegen eine mögliche spätere Inanspruchnahme verteidigen will. Eine Sicherung von Beweisen wäre nur dann nicht notwendig, wenn der Schuldner gegen den Anspruch keine Einwendungen hat und auch keine Verteidigung mit vorgeschützten Einwendungen beabsichtigt. Ob dies der Fall sein wird, kann jedoch zur Zeit der Anspruchsentstehung noch nicht sicher prognostiziert werden, da Einwendungen sich nicht selten erst im Laufe der Zeit ergeben. Zu Beginn des Schuld-
Verjährung, S. 36 f.; Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 60; Peters, AcP 208 (2008), 37, 44. 46 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115 Rn. 9 f.; Braun, Zivilprozeßrecht, § 46 II. (S. 717–724). 47 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115 Rn. 11; Braun, Zivilprozeßrecht, § 46 IV. (S. 726–728); siehe auch BT-Drucks. 14/6040, S. 96. 48 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 292 Rn. 3, 20 ff., 30 ff.; Braun, Zivilprozeßrecht, § 46 III. (S. 724–726); Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 34. 49 Z. B. Peters, AcP 208 (2008), 37, 47; McGuire, Verfahrenskoordination, S. 230. 50 Siehe hierzu Heßler, in: MüKo-ZPO, § 757 Rn. 7, 23, 40, 41. 51 BGHZ 122, 241, 244; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 6; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 39; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 74; Peters, AcP 208 (2008), 37, 44; Regenfus, NJW 2016, 2977, 2978. Die „flächendeckende“ Erhebung negativer Feststellungsklagen wird zu Recht für unzumutbar gehalten, Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8 f.; Peters, AcP 208 (2008), 37, 44 („Horrorvision“). Jedoch kann sie im Einzelfall ein Mittel sein, einer Inanspruchnahme zuvor zukommen, wenn der Verlust von Beweismitteln droht.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
verhältnisses ist der Schuldner daher gehalten, jedenfalls die vorhandenen Beweismittel zu konservieren.52 (1) Umfang der Beweissicherung Der Aufwand, den der Schuldner hierfür betreibt, wird wesentlich davon abhängen, welche Bedeutung das Ereignis, zum Beispiel der abgeschlossenen Vertrag, für ihn hat und für wie wahrscheinlich er eine spätere Auseinandersetzung hält.53 Da die Parteien bei Ansprüchen, die aus einer vertraglichen Beziehung resultieren, nicht wissen, ob es überhaupt zu einer Auseinandersetzung kommt und ob sie bei dieser auf Schuldner- oder Gläubigerseite stehen werden, findet häufig eine Beweissicherung ohne konkreten Anlass und „ins Blaue hinein“ statt, die sich darauf beschränken wird, die wesentlichen Vertragsunterlagen, wie beispielsweise den Vertrag selbst, Korrespondenz und Gesprächsnotizen, aufzubewahren. Bei deliktischen Ansprüchen, bei denen nicht selten wechselseitig Ansprüche bestehen, werden die Betroffenen versuchen, sich Name und Adresse von Zeugen zu beschaffen und wenn möglich, den Sachverhalt polizeilich aufnehmen zu lassen. Da der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beweismittel noch „frisch“ sind, häufig nicht wissen wird, ob er dieser auch bedarf, wird er die Beweisbeschaffung und die Beweissicherung auf das notwendige bzw. gesetzlich vorgeschriebene54 Maß beschränken. Rechnet einer der Beteiligten aber mit einer Auseinandersetzung oder zeichnet sich eine solche bereits konkret ab, besteht eine gesteigerte Obliegenheit Beweismittel zu beschaffen und zu sichern.55
Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 9 hält es hingegen für unvorstellbar, dass der Schuldner „von Anfang an für alle nur möglichen Eventualitäten Beweismittel sichere und sie unbeschränkt aufbewahre“. Dies greift jedoch zu kurz, da sich der Schuldner jedenfalls während der Verjährungszeit verteidigungsbereit halten muss. Auch die Begründung zum Gesetzentwurf des SchRModG geht davon aus, dass der Schuldner Belege und Beweismittel für eine begrenzte Zeit aufbewahren kann, BT-Drucks. 14/6040, S. 96; dem folgend Niedenführ, in: Soergel, Vor § 194 Rn. 3. Auch BGHZ 17, 199, 208 unterstellt, dass die Beweismittel zunächst vom Schuldner aufbewahrt werden. 53 Vgl. Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 320. 54 Z. B. §§ 238 ff., 257 HGB, §§ 146, 147 AO. 55 Siehe z. B. BGH NJW 1993, 2676, 2677 zur Pflicht eines Rechtsanwalts, Beweise zu sichern. Zur praxisrelevanten Beweissicherungen von Mängeln bei der Erstellung von Bauwerken allgemeine Überlegungen bei Koeble, in: Kniffka/Koeble, Kompendium Baurecht, 2. Teil, Rn. 1–4. 52
B. Zweck der Verjährung
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(2) Beweiserhaltung Bei der Sicherung der beschafften Beweismittel ist der Schuldner in tatsächlicher Hinsicht hauptsächlich mit zwei Schwierigkeiten konfrontiert: Zum Einen muss er dafür Sorge tragen, die Qualität des Beweismittels zu erhalten, damit dieses auch noch in Zukunft geeignet ist, den Beweis für eine bestimmte Tatsache zu erbringen. Das bedeutet insbesondere, dass der Schuldner das Beweismittel vor Verlust und vor Verfälschung schützen muss. Zum Zweiten müssen die Aufbewahrungs- und Sicherungskosten in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Die Beweismittel der ZPO werden daher im Hinblick auf diese beiden Gesichtspunkte näher beleuchtet: Für den Beweis mittels Urkunden (§§ 415 ff. ZPO) bestehen hinsichtlich Sicherung des Beweiswertes und der zu erwartenden Aufbewahrungskosten kaum Schwierigkeiten. Die Urkunde ist ein zuverlässiges Beweismittel, weil in der Urkunde die Gedankenerklärung schriftlich verkörpert wird,56 somit dauerhaft gespeichert und daher die Gefahr eines Informationsverlustes erheblich reduziert ist.57 Zudem ist das Gericht nach § 286 Abs. 2 ZPO in dem in den §§ 415–418 ZPO bestimmtem Umfang an die Beweiskraft echter Urkunden gebunden, wobei die Echtheit der Urkunde unter den Voraussetzungen der §§ 337, 440 Abs. 2 ZPO vermutet wird.58 Es kann daher sicherer als bei den anderen Beweismitteln prognostiziert werden, ob im Prozess durch die Urkunde der Beweis der Tatsache erbracht werden kann.59 Zudem kann der Schuldner aufgrund von handels- 60 oder steuerrechtlichen61 Vorschriften zur Aufbewahrung von BGHZ 65, 300, 301; Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 415 Rn. 1; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 119 Rn. 1. 57 Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 415 Rn. 1; Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, Rn. 245. 58 Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 415 Rn. 1; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 415 Rn. 8; Braun, Zivilprozeßrecht, § 50 III. (S. 791–795); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 119 Rn. 11 ff. 59 Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 415 Rn. 1; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 415 Rn. 1. 60 Kaufleute sind verpflichtet, die in § 257 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 HGB genannten Unterlagen zehn Jahre, die sonstigen in § 257 Abs. 1 HGB aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, § 257 Abs. 4 HGB. Für Kaufleute, die in den Anwendungsbereich des § 241a HGB fallen, ergibt sich aus § 257 HGB keine Aufbewahrungspflicht, siehe Böcking/Gros, in: E/B/J/S, § 257 Rn. 3. Sie haben jedoch die steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten zu beachten, Winkeljohann/Philipps, in: Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 257 Rn. 1. 61 Besteht eine Aufzeichnungspflicht nach § 146 AO oder aufgrund anderer steuerrechtlicher Vorschriften (hierzu Klein/Rätke, AO, § 146 Rn. 28 f., 30), ergibt sich aus § 147 AO auch eine Aufbewahrungspflicht, Klein/Rätke, AO, § 147 Rn. 2. Die Aufbewahrungsfrist beträgt, wenn nichts anderes bestimmt ist, zehn oder sechs Jahre, § 147 Abs. 3 AO, siehe hierzu Klein/Rätke, AO, § 147 Rn. 45. 56
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Unterlagen verpflichtet sein, sodass die Dokumente ohnehin vorgehalten werden müssen. Die Aufbewahrung von Urkunden ist mit überschaubaren Kosten verbunden, da diese platzsparend gelagert werden können62 und im Grundsatz auch keine besonderen Haltbarkeitsvorkehrungen getroffen werden müssen. Probleme bestehen aber, wenn der Schuldner nicht im Besitz der Urkunde ist, da die Vorlagepflichten der §§ 422, 423 ZPO erst im Prozess Anwendung finden. Die vorprozessuale Durchsetzung des materiellen Herausgabeanspruchs63 zur Beweissicherung wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Auch der Beweis durch Augenschein (§§ 371 ff. ZPO) stellt ein besonders zuverlässiges Beweismittel dar, da durch diesen ein unmittelbarer Eindruck von den Umständen erlangt werden kann.64 Soweit es sich um dauerhafte und kleinere Augenscheinsobjekte, insbesondere Bilder und Fotografien,65 handelt, ist dem Schuldner auch hier eine mit wenig Aufwand verbundene Aufbewahrung, zum Beispiel durch digitale Speicherung,66 möglich. Der Sicherung von Augenscheinsobjekten sind jedoch dann Grenzen gesetzt, wenn tatsächlich ein Ortstermin notwendig ist67 oder wenn der Gegenstand des Augenscheins nicht dauerhaft aufbewahrt werden kann.68 Sie scheidet auch dann aus, wenn der Schuldner nicht auf das Augenscheinsobjekt zugreifen kann.69
62 Sind die Informationen auf einem Datenträgern gespeichert, was bspw. im Anwendungsbereich von § 257 HGB und § 147 AO in dem von § 257 Abs. 3 HGB und von § 147 Abs. 2 AO bestimmten Umfang zulässig ist, stellt der später erfolgte Ausdruck eine Urkunde dar, wenn dieser die Originalerklärung ersetzen soll, Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 415 Rn. 9; B/L/A/Hartmann, Übers § 415 Rn. 7; a. A. Zöller/Geimer, Vor § 415 Rn. 2 (Augenscheinsobjekt). Bei dem Datenträger selbst handelt es sich um ein Augenscheinsobjekt, Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 415 Rn. 6. 63 Zu möglichen Anspruchsgrundlagen Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 422 Rn. 6. 64 Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 371 Rn. 1; Huber, in: Musielak/Voit, § 371 Rn. 7; K. Hellwig, System I, § 210, S. 688; Bruns, Zivilprozessrecht, § 34, Rn. 177; Braun, Zivilprozeßrecht, § 49 I. 1. (S. 774); Schreiber, JURA 2009, 269, 270. 65 Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 371 Rn. 4. 66 Siehe aber zu den mit Digitalfotos verbundenen Manipulationsgefahren Knopp, ZRP 2008, 156–159. 67 Statt unmittelbar das Beweisobjekt selbst in Augenschein zu nehmen, kann auch eine von diesem angefertigte Skizze, technische Zeichnung, Fotografie oder ein Film angesehen werden, solange der Gegner keine Unrichtigkeiten am Surrogat behauptet, hierzu Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 371 Rn. 52; Braun, Zivilprozeßrecht, § 49 I. 1. a) (S. 774). 68 Sei es, weil die Sache nicht beim Schuldner verbleibt, verarbeitet oder verändert wird oder nur von begrenzter Haltbarkeit ist. Wenn sich in einem solchen Fall eine Auseinandersetzung abzeichnet, müssen Feststellungen getroffen werden, die in einem späteren Prozess geeignet sind, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, vgl. BGH NJW 1993, 2676, 2677 (Beweissicherung für die Gläubigerin). 69 Die Möglichkeiten der §§ 371 Abs. 2 , 144, 422 ff. ZPO bestehen erst während des Pro-
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Erhebliche Schwierigkeiten bestehen jedoch, wenn es um die Sicherung des in der Praxis bedeutsamen70 Zeugenbeweises geht. Hier besteht zum einen das Problem, dass die Zeugen nicht mehr erreichbar sind und dadurch im Rechtsstreit gar nicht als Beweismittel angeboten werden können.71 Aber selbst dann, wenn der Zeuge im Prozess noch zur Verfügung steht, hat er umso mehr vergessen, je länger der Sachverhalt zurückliegt.72 Zudem kann er sich an Umstände, die er für weniger bedeutend hielt, schon nach kurzer Zeit nicht mehr erinnern. Erinnerungen an Details und an die Reihenfolge des Geschehensablaufs gehen verloren, sodass das Erinnerungsbild immer unklarer wird (Verblassungstendenz).73 Die entstandenen Lücken werden dann mit Erfahrungssätzen aufgefüllt (Anreicherungstendenz).74 Der Zeugenbeweis ist daher, neben der Parteivernehmung,75 ohnehin schon der unsicherste Beweis,76 der sich mit Zeitablauf noch weiter verschlechtert. Für den Fall, dass es im Verfahren zu einer Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) kommt, ist es hilfreich, wenn auch der Schuldner selbst seine Eindrücke dokumentiert hat, um sich vor Erinnerungsverlust und Sachverhaltsverfälschung zu schützen und später im Prozess detaillierte Angaben machen zu können. Die beim Zeugen geschilderte Problematik der Verblassungs- und Anreicherungstendenz besteht bei der Partei mindestens gleichermaßen, möglicherweise wird sie durch die unmittelbare persönliche Betroffenheit sogar noch verstärkt.77 Eine Dokumentation ist insbesondere dann angezeigt, wenn eine zesses, hierzu Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 371 Rn. 40 ff.; Berger, in: Stein/Jonas23, § 371 Rn. 3 ff.; Braun, Zivilprozeßrecht, § 49 II. 2. (S. 778–781). 70 Braun, Zivilprozeßrecht, § 51 III. 1. a) (S. 805); Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, Rn. 107; Prütting, FS Gottwald, 2014, S. 507, 511 f.; Schreiber, JURA 2009, 269, 270. 71 BT-Drucks. 14/6040, S. 96; Peters, AcP 208 (2008), 37, 44. 72 Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung, Rn. 120, 122 ff.; Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 373 Rn. 13 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 54; Bruns, Zivilprozessrecht, § 35, Rn. 183; Schreiber, JURA 2009, 269, 270. Ebenso BGHZ 17, 199, 208: Der Zeugenbeweis verliert durch Zeitablauf an Wert. 73 Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung, Rn. 126; Bruns, Zivilprozessrecht, § 35, Rn. 183. 74 Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung, Rn. 126, 128 ff. 75 Bei dieser wird der Beweiswert der Aussage durch die Nähe der Partei zu den streitigen Geschehnissen beeinträchtigt, Greger, MDR 2014, 313; Braun, Zivilprozeßrecht, § 52 I. 1. a) (S. 810): bedenklichstes Beweismittel der ZPO; Schreiber, JURA 2009, 269, 273. Siehe aber Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 123 Rn. 2. 76 Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 373 Rn. 13; Bruns, Zivilprozessrecht, § 35, Rn. 183; Braun, Zivilprozeßrecht, § 51 III. 1. a) (S. 805); Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, Rn. 107; Schreiber, JURA 2009, 269, 270. 77 Braun, Zivilprozeßrecht, § 52 II. 3. (S. 815) hält die zeugenschaftliche Vernehmung der
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
der Fallgruppen vorliegt, in welchen einer der Parteien eine Beweisnot droht und in denen die Rechtsprechung mit der Anwendung von § 141 ZPO und § 448 ZPO hilft.78 Ist eine solche Konstellation nicht gegeben, ist eine Parteivernehmung wegen deren Subsidiarität79 zwar unwahrscheinlich, die Dokumentation hilft aber ebenso, um bei der häufig angezeigten80 persönlichen Anhörung der Partei nach § 141 ZPO fundierte Angaben machen zu können.81 Bestehen noch keine Anhaltspunkte für eine streitige Auseinandersetzung, scheidet eine Beweissicherung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aus. Da ein Privatgutachten im Prozess kein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO, sondern zunächst82 nur einen urkundlich belegten (qualifizierten) Parteivortrag darstellt,83 wäre dem Schuldner grundsätzlich ohnehin nur mit einem selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO geholfen. Zur Einholung eines Gutachtens ist ein solches zwar unter den Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO schon vor Anhängigkeit des Rechtsstreits zulässig,84 eine anlasslose Begutachtung scheidet jedoch schon wegen der damit verbundenen Kosten aus. Obwohl das nach § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse weit auszulegen ist,85 wird es zu verneinen sein, wenn ein Rechtsstreit noch nicht einmal absehbar ist.86 Zudem dürfte es dem Schuldner schwerfallen,
beweisbelasteten Partei, für das „unzuverlässigste[…] Beweismittel[…], das man sich vorstellen kann“. 78 Berger, in: Stein/Jonas23, § 4 48 Rn. 22 ff.; Völzmann-Stickelbrock, in: Wieczorek/ Schütze, § 448 Rn. 27 ff.; Braun, Zivilprozeßrecht, § 52 II. 3. (S. 814–817); Greger, MDR 2014, 313, 314 ff. 79 Braun, Zivilprozeßrecht, § 52 I. 1. a) (S. 810); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 123 Rn. 8; Greger, MDR 2014, 313; Schreiber, JURA 2009, 269, 272. 80 Stadler, in: Musielak/Voit, § 141 Rn. 1. 81 Zur Abgrenzung zwischen Anhörung (§ 141 ZPO) und Parteivernehmung (§§ 4 45 ff. ZPO) siehe Völzmann-Stickelbrock, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 445 Rn. 25 ff.; Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 445 Rn. 3 ff.; Stadler, in: Musielak/Voit, § 141 Rn. 2; Braun, Zivilprozeßrecht, § 52 I. 1. b) (S. 810 ff.). 82 Zur weiteren Berücksichtigung des Privatgutachtens und zur möglichen Einbeziehung des Gutachters in den Prozess siehe Ghassemi-Tabar/Nober, NJW 2016, 552, 553 f.; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 402 Rn. 71 f.; Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 402 Rn. 79; Koeble, in: Kniffka/Koeble, Kompendium Baurecht, 2. Teil, Rn. 13 ff. 83 BGH NJW-RR 2014, 545 (Rn. 8); Berger, in: Stein/Jonas23, vor § 402 Rn. 74, 77; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 402 Rn. 68; Ghassemi-Tabar/Nober, NJW 2016, 552, 553. 84 Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 485 Rn. 42; Berger, in: Stein/Jonas23, § 485 Rn. 14. 85 BGH NJW-RR 2010, 946 (Rn. 6); BGH NJW 2004, 3488; Ahrens, in: Wieczorek/ Schütze, § 485 Rn. 55; Berger, in: Stein/Jonas23, § 485 Rn. 30. 86 Vgl. BGH NJW-RR 2010, 946 (Rn. 6); BGH NJW 2004, 3488; Berger, in: Stein/Jonas23, § 485 Rn. 31.
B. Zweck der Verjährung
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gemäß § 487 Nr. 2 ZPO die Beweistatsachen zu bezeichnen, wenn er die streitige Tatsache noch nicht kennt.87 Weil sowohl der Zeuge als auch die Partei bei ihren Bekundungen auf ihr Gedächtnis angewiesen sind, was mit den beschriebenen Unzulänglichkeiten der Verblassungs- und Anreicherungstendenz verbunden ist, besteht insbesondere bei diesen beiden Beweismitteln ein hohes Verlust- und Verfälschungsrisiko. Dies kann dazu führen, dass die Aussage lückenhaft und detailarm bleibt oder zu einzelnen Tatsachen gar keine Angaben mehr gemacht werden können. Eine solche Bekundung wird dann kaum geeignet sein, das Gericht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vom Vorliegen der Tatsache zu überzeugen. Vorgebeugt werden kann dem in beiden Fällen nur durch eine möglichst frühzeitigte Dokumentation des Sachverhaltes.88 Diese Dokumentationen müssen dann ebenfalls sicher aufbewahrt werden. Hinsichtlich des Urkunden- und des Augenscheinbeweises ist das Verlustund das Verfälschungsrisiko, von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen, gering. Hier besteht letztlich lediglich eine – überschaubare89 – Aufbewahrungslast. (3) Schlussfolgerung Setzt man Vorstehendes nun in Verbindung zur Verjährung, lässt sich Folgendes feststellen: Im Hinblick auf die Urkunde und den Augenschein schützt die Verjährung weniger vor einer Beweisnot, sondern sie begrenzt die Aufbewahrungslast.90 Ein Schutz vor Verfälschung ist wegen der Beständigkeit der Beweismittel nicht notwendig. Bestehen handels- und/oder steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten, sind die hiervon erfassten Unterlagen ohnehin über die regelmäßige Verjährungszeit (§§ 199, 195 BGB) hinaus aufzubewahren. In Bezug auf den Zeugenbeweis und den Beweis durch Parteivernehmung, bei welchen das Verlust- und das Verfälschungsrisiko erheblich sind, setzt die 87 Vgl. Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 487 Rn. 7 ff.; Huber, in: Musielak/Voit, § 487 Rn. 3. 88 Dem Zeugen ist es erlaubt, Aufzeichnungen zu verwenden, Berger, in: Stein/Jonas23, § 396 Rn. 3; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, § 396 Rn. 2, § 378 Rn. 8. Unter den Voraussetzungen des § 378 Abs. 1 ZPO ist er hierzu sogar verpflichtet. Auch die Partei darf sich Unterlagen und Aufzeichnungen bedienen, vgl. Völzmann-Stickelbrock, in: Wieczorek/Schütze, § 451 Rn. 8. 89 Kritischer Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 29. 90 Vgl. auch Pohlmann, JURA 2005, 1, 2: „Die Verjährung […] befreit das Unternehmen von der Notwendigkeit, sich auf ewige Zeiten mit Beweismitteln auszustatten; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 10: Keine stetige Beweissicherung; Brehm, BGB AT, Rn. 626; Büdenbender, JuS 1997, 481, 482; Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 29.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
jeweilige Verjährungsfrist eine äußere Grenze, ab welcher der Gesetzgeber die formale Verteidigung mit § 214 Abs. 1 BGB zulässt. Verlust und Verfälschung finden jedoch schon weit vor Verjährungseintritt statt, was im Fall einer 30-jährigen Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 BGB besonders offenkundig ist. Die (regelmäßige) Verjährung schützt also nicht tatsächlich vor einem Beweisverlust: Die Erinnerung am 31.12. eines Jahres an ein Ereignis vor drei Jahren wird sich nicht von der des 01.01. des nächsten Jahres unterscheiden. Es kann aber festgehalten werden, dass sich die diesen beiden Beweismitteln ohnehin schon anhaftenden Nachteile mit Fortschreiten der Zeit verstärken. Erfolgt eine Sicherung des Beweismittels somit nicht schon im Laufe der Verjährungszeit, beispielsweise durch eine Dokumentation der Geschehnisse, wird es meist schon während dieser verloren gehen. Der Verjährungseintritt setzt nur eine äußerste Grenze. Die Dokumentation stellt mithin nur dann eine effektive Gedächtnisstütze dar, wenn sie bereits weit vor Ablauf der Verjährungszeit, nämlich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dem maßgeblichen Ereignis, stattgefunden hat. Erfolgt eine Verschriftlichung der Erinnerungen wird mithin das Verlust- und Verfälschungsrisiko reduziert. Hinsichtlich der angefertigten Unterlagen besteht dann wie bei Augenscheins- und Urkundenbeweis eine Last zur Aufbewahrung. Eine Dokumentation wird jedoch meist nur aus konkretem Anlass in Betracht kommen. cc) Zusammenfassung 1. Wirkliche Beweisnot besteht im Hinblick auf nicht dokumentierte Zeugenund Parteiwahrnehmung und bei nicht sicherbaren Augenscheinsobjekten. 2. Die aufgezeigten Nachteile bestehen schon zu Beginn der Verjährungszeit, da sie den jeweiligen Beweismitteln immanent sind. 3. Die Nachteile verstärken sich jedoch, je länger die Tatsache, die bewiesen werden soll, zurückliegt. Mit Eintritt der Verjährung muss der Schuldner diese Beweisverschlechterung nicht mehr hinnehmen und kann sich auf die formale Verteidigung beschränken, § 214 Abs. 1 BGB. 4. Die Verjährung schützt jedoch weniger vor einem Verlust, als vor einer unbegrenzten Last zur Aufbewahrung der Beweismittel, denn der Beweisverlust wird mit Ablauf der Verjährungszeit bereits eingetreten sein, wenn sich der Schuldner nicht schon vorab um eine Beweissicherung bemüht hat. Im Hinblick auf die Beweismittel des Schuldners besteht der Zweck der Verjährung daher in einer Begrenzung der Aufbewahrungslast.
B. Zweck der Verjährung
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b) Vertrauensschutz Der Schuldner soll zudem darauf vertrauen dürfen, dass der Anspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr gegen ihn durchgesetzt wird.91 Er soll somit auch vor der Inanspruchnahme mit „wohlbegründeten Ansprüchen“92 geschützt werden, was vor allem dann eine Rolle spielt, wenn ihm der Anspruch unbekannt ist:93 Weiß der Schuldner nicht, dass er einem Anspruch ausgesetzt ist, kann ihn dessen Geltendmachung in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, da er sich auf die Inanspruchnahme nicht einstellen konnte.94 Dieses Risiko soll durch die Verjährung begrenzt werden. c) Auflösung von Rücklagen und Sicherung von Regressansprüchen Ähnlich verhält es sich mit Ansprüchen, die der Schuldner zwar kennt, mit deren Geltendmachung er aber entweder nicht mehr rechnet oder aber deren Geltendmachung er zwar befürchtet, welche aber bisher ausgeblieben ist.95 In beiden Fällen sollte er auf eine mögliche Inanspruchnahme vorbereitet sein, um nicht in wirtschaftliche Not zu geraten, wenn der Gläubiger die Leistung einfordert. Im Unterschied zur unter b) (S. 61) geschilderten Situation kann der Schuldner hier Vorbereitungsmaßnahmen treffen, da er weiß, dass er – möglicherweise96 – schuldet. Er ist daher insbesondere gehalten für eine mögliche Inanspruchnahme Rücklagen zu bilden, damit ihm bei Geltendmachung der Forderung keine Zahlungsschwierigkeiten drohen.97 Der Schuldner kann zudem nach § 249 HGB zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet sein, welche, ebenso wie Verbindlichkeiten, als Passiva in die Handelsbilanz einzustellen sind (§ 266 Abs. 3 HGB). Hieraus kann wiederum eine Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit oder gar eine Überschuldung (§ 19 InsO) resultieren. 91 BT-Drucks. 14/6040, S. 96; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5. Oetker, Die Verjährung, S. 46 ff., 49 versteht die Verjährung daher als „Ausdruck von Treu und Glauben und damit als Konkretisierung des nach § 242 BGB geschuldeten Verhaltens“, hierzu Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 352. 92 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 11. 93 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 11 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5. 94 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 12. 95 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 12 ff.; BGHZ 128, 74, 82 f. 96 Besteht zwischen den Parteien Streit über Grund und/oder Höhe des Anspruchs, hat der Schuldner dies bei der Berechnung des Rücklagenbetrags zu berücksichtigen. Ggf. muss er auch eine Prozessrisikoanalyse vornehmen. Kennt der Schuldner den Betrag nicht, den der Gläubiger möglicherweise gegen ihn geltend macht, muss er eine Prognose treffen. 97 Vgl. Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 14 f.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Weil der Schuldner gehalten ist, Mittel für die Begleichung einer möglicherweise gegen ihn erhobenen Forderung zurückzuhalten, sind seine Ressourcen insoweit gebunden und stehen damit nicht für andere wirtschaftliche Unternehmungen zur Verfügung.98 Mit Eintritt der Verjährung braucht der Schuldner die Forderung nicht mehr zu erfüllen (§ 214 Abs. 1 BGB) und kann seine Rücklagen nunmehr auflösen99 und anderweitig einsetzten.100 Durch die Verjährung wird daher der Bindung von Ressourcen eine zeitliche Grenze gesetzt. Weiterhin soll der Schuldner davor bewahrt werden, dass ihm wegen der späten Inanspruchnahme Regressansprüche gegen Dritte verloren gehen, beispielsweise weil diese nicht mehr auffindbar oder insolvent sind oder ihrerseits Verjährung einwenden können.101 d) Zusammenfassung: Sicherstellung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und Planungssicherheit des Schuldners Den Schuldner betreffend soll durch die Verjährung erreicht werden, dass dessen wirtschaftliche Dispositionsfreiheit und Planungssicherheit gewährleistet wird.102 Nach Ablauf der Verjährungszeit soll er sich – ohne Rücksicht auf den Gläubiger und ohne dessen Zutun – neu orientieren und mit den vergangenen Geschäften und Verbindlichkeiten abschließen können. Dies gilt auch für den Schutz vor Beweisnot, die sich als Aufbewahrungslast darstellt. Um einer solchen zu entgehen, muss der Schuldner die oben beschriebenen Vorsorgemaßnahmen treffen, wodurch ebenfalls Ressourcen103 gebunden werden. Diese werden wieder frei, wenn der Schuldner nach Verjährungseintritt die Beweismittel 98 BT-Drucks. 14/6040, S. 96; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 14, 16; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 40; Peters, AcP 208 (2008), 37, 44; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. Einschränkend Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 60, da der Schuldner auch freiwillig leisten könne. 99 Die für verjährte Ansprüche gebildeten Rückstellungen müssen aufgelöst werden (§ 249 Abs. 2 HGB), Schubert, in: Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 249 Rn. 21. 100 Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 8; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5; Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 347; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580; Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 30. 101 BT-Drucks. 14/6040, S. 96; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 15, Fn. 13; Mansel/ Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 41; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580; Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 61. 102 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581; einschränkend Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 75 f., insb. bei langen Verjährungsfristen. 103 Insb. ist hier an Lagerkapazitäten zu denken. Bei einer digitalen Speicherung muss zudem entsprechende Hard- und Software aufbewahrt werden, um die Daten auch nach längerer Zeit noch lesen zu können.
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vernichten kann.104 Die Verjährung befreit den Schuldner somit insgesamt von der Last der Vergangenheit und gewährleistet so die allgemeine Handlungsfreiheit des Schuldners.105 Ohne Bedeutung hierfür ist, ob der Anspruch unbegründet, vermutlich unbegründet oder begründet ist.106 3. Interessen der Allgemeinheit an der Verjährung (öffentliches Interesse) a) Rechtssicherheit und Rechtsfrieden Zur Rechtfertigung der Verjährung wird außerdem häufig darauf abgestellt, dass diese nicht nur Individualinteressen dient, sondern auch im öffentlichen Interesse bestehende Zwecke verfolgt. Ganz wesentlich ist dabei der Gesichtspunkt, dass durch das Institut der Verjährung die Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Rechtsfrieden gewährleistet werden. Schon bei der Entstehung des BGB wurde vor allem die Bedeutung für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit betont, da durch die Verjährung „Festigkeit und Dauer in Verhältnisse“ gebracht werden könne, „welche geraume Zeit hindurch bestanden haben“.107 Auch heute wird dieser Aspekt noch als wichtiger Verjährungszweck angeführt:108 Der Rechtsverkehr brauche klare Verhältnisse und solle deshalb vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahrt werden;109 nach Ablauf einer bestimmten Zeit solle über das Bestehen und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs keine Ungewissheit mehr bestehen110. Auch die Rechtsprechung hat die Verjährung häufig unter Rückgriff darauf, dass sie Rechtssicherheit und Rechtsfrieden diene, legitimiert.111 Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. Peters, AcP 208 (2008), 37, 45; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 1 (Schuldner gewinnt Unabhängigkeit). 106 Hierzu genauer unten bei Rechtfertigung der Verjährung 3. Kap., B) III. (S. 71). 107 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 751, vgl. auch S. 794 f. Siehe auch Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 309: Der Verkehr ertrage es nicht, dass lang verschwiegene Tatsachen zur Quelle von Anforderungen gemacht werden. 108 Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 120; F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 168. 109 BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060; RGZ 145, 239, 244; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 7. 110 BT-Drucks. 14/6040, S. 100 („insbesondere bei vertraglichen Ansprüchen“); BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060. 111 BGH NJW 2018, 950, 951 (Rn. 19 f.); BGH NJW 2017, 2755, 2756 (Rn. 9 f.); BGHZ 128, 74, 80, 82 f.; BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060; BGH NJW 1986, 1608, 1609; BGH NJW 1983, 388, 389 f.; BGHZ 77, 215, 222 (kurze Verjährung nach § 477 BGB a. F.); BGHZ 59, 72, 74; BGHZ 17, 199, 206, 207, 208; RGZ 145, 239, 244; RGZ 120, 355, 358 f. Ebenso EGMR NJW 2018, 527, 528 (Rn. 39). 104 Vgl.
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Der Gesichtspunkt des Rechtsfriedens bezieht sich dabei zunächst auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, weil diesen spätestens mit Erhebung der Einrede der Streit in der Sache entzogen ist.112 Ereignisse in der Vergangenheit sollen abgeschlossen werden und ein künftiges Miteinander nicht mehr belasten.113 Sodann wird Rechtsfrieden allgemein durch die Summe dieser einzelnen „Friedensschlüsse“ erreicht, weil der Gläubiger nach Erhebung der Einrede die Sache nicht mehr streitig austragen wird und somit insgesamt weniger Rechtsstreitigkeiten geführt werden. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger auf die Geltendmachung des Anspruchs verzichtet, weil er mit der Erhebung der Einrede rechnet. Auch der Zweck „Rechtssicherheit“ wurzelt zunächst im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner: Da der Gläubiger jedenfalls nach Erhebung der Einrede114 die bestehen Zustände – und damit letztlich auch die tatsächliche Vermögenszuordnung – nicht mehr erfolgreich angreifen kann, können und müssen sich die Beteiligten auf diese neuen Gegebenheiten einstellen und als feststehend akzeptieren. Die Verjährung erlaubt es ihnen, zugleich auf den Bestand der Zustände so, wie sie diese gegenwärtig vorfinden, zu vertrauen.115 Die durch die Verjährung manifestierte Tatsachenlage kann sodann einen gesicherten Ausgangspunkt für neue Initiativen, beispielsweise Investitionen bieten, während Zweifel über die Beständigkeit der Verhältnisse eher hemmend wirken werden, weil sie sich als Risikofaktor darstellen.116 In der Summe führt dies wiederum zu einer allgemeinen Sicherheit des Rechtsverkehrs.
112 Meller-Hannich, JZ 2005, 656, 661: Beseitigung der Ungewissheit über den Bestand des Anspruchs durch Irrelevanz. 113 Kritisch zum Aspekt des Rechtsfriedens aber Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 7: Es erzeuge Verbitterung, wenn ein unstreitig bestehender Anspruch allein aufgrund von Verjährung abgewiesen werde. Ebenso Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 46: Unbilligkeit im Einzelfall. 114 Rechnet der Gläubiger mit der Erhebung der Einrede und macht deswegen seinen Anspruch nicht geltend, tritt auch hier dieser Zustand ein, ohne dass die Einrede tatsächlich erhoben würde. 115 BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060; Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 9; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 120; Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 141; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 10; vgl. auch F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 168. 116 Vgl. für die kurze Verjährungsfrist nach § 477 BGB a. F. BGHZ 77, 215, 222 f. und Mueller, DJZ 1906, 703, 704 (Anm. zu RGZ 53, 200 ff.). Speziell für das Gewährleistungsrecht Leenen, JZ 2001, 552, 558: Entlastung des Verkäufers vom Mängelrisiko.
B. Zweck der Verjährung
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b) Verjährung und Rechtsstaatsprinzip Als Teil des Rechtsstaatsprinzips117 beinhaltet der Aspekt der Rechtssicherheit noch einen weiteren Gesichtspunkt: Durch die Verjährung soll auch die Richtigkeit des richterlichen Urteils gesichert werden.118 Schon in der Vorlage von 1877119 wurde darauf hingewiesen, dass die Anspruchsverjährung der „die Sicherheit und Gerechtigkeit des richterlichen Urtheils gefährdenden Verzögerung der Klaganstellung eine wohlthätige Schranke“ setze. Unter der Geltung des Grundgesetzes kann dies an das Rechtsstaatsprinzip angeknüpft werden:120 Das Prinzip der Rechtssicherheit beinhaltet auch das Gebot, dass die Rechtfindung in einem geregelten Verfahren ablaufen muss und mithin die Anwendung der Norm vorhersehbar ist.121 Dem der Normanwendung innewohnenden Subsumtionsschluss geht aber notwendig die Ermittlung der Tatsachen voraus.122 Bestehen bei der Ermittlung der Tatsachengrundlage Unsicherheiten, wirken sich diese somit über die Subsumtion auf die Normanwendung aus.123 In der Folge ist nicht gewährleistet, dass die Norm das Ziel, welches der Gesetzgeber mit ihr bezweckt, erreicht.124 Die Vermeidung von Beweisverdunkelung besteht damit nicht nur im Individualinteresse des Schuldners, sondern hat zugleich Bedeutung für das Allgemeininteresse der Rechtssicherheit.125 Dies solle auch für den Zivilprozess gelten, da auch dieser von einem vollständig aufgeklärten Sachverhalt ausgehe, welcher jedoch vom Parteivortrag abhängig sei. Sei einer Partei wegen des Zeitablaufs die Sachverhaltsaufklärung nicht mehr möglich, stehe auch im Zivilprozess die materielle Richtigkeit der Entscheidung in Frage.126 Das Streben nach einer materiell richtigen Entschei117 BVerfGE 13, 261, 271; BVerfGE 7, 89, 92; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII. Rn. 50; Oetker, Die Verjährung, S. 39. 118 Vgl. auch EGMR NJW 2018, 527, 528 (Rn. 39); Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 61 f.; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 112. 119 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 751. 120 Zum Folgenden Oetker, Die Verjährung, S. 39 ff. u. Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 119 f., die ergänzend auf Art. 19 Abs. 4 GG abstellt. Siehe auch Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung, S. 41 f. 121 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII. Rn. 69; Oetker, Die Verjährung, S. 39. 122 Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 119; Oetker, Die Verjährung, S. 39. 123 Oetker, Die Verjährung, S. 39; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 30. 124 Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 119; Oetker, Die Verjährung, S. 39; Prütting, FS Gottwald, 2014, S. 507, 511 f. 125 Vgl. Oetker, Die Verjährung, S. 40. 126 Oetker, Die Verjährung, S. 40. Siehe auch Prütting, FS Gottwald, 2014, S. 507, 511: „Den Zivilprozess zu führen bedeutet damit, eine der materiellen Rechtslage entsprechende
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
dung ist im Zivilprozess jedoch von vornherein beschränkt.127 Insbesondere wegen des Beibringungsgrundsatzes kann Bezugspunkt der Richtigkeit der Entscheidung immer nur der von den Parteien zur Entscheidung des Gerichts gestellte Sachverhalt sein,128 wobei diese freilich an § 138 Abs. 1 ZPO gebunden sind. Die Beweisbarkeit spielt überdies erst dann eine Rolle, wenn der schlüssige Vortrag einer Partei durch die jeweils andere Partei erheblich bestritten wird (§ 138 Abs. 3 ZPO).129 Ziel des Zivilprozesses ist es somit nicht, die materielle Wahrheit zu ermitteln.130 Der „Normbefehl“131 kann daher nur das umsetzen, was sich nach Parteivortrag und gegebenenfalls nach richterlicher Feststellung (insb. Beweisaufnahme) – unter Beachtung des § 138 Abs. 1 ZPO und ergänzt durch die nach § 139 Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeiten – als formelle Wahrheit ergibt.132 Dies entspricht der der ZPO zugrunde liegenden Konzeption.133 Die Erreichung des Zieles der materiellen Richtigkeit wird zudem bereits durch das Verjährungsrecht selbst beschränkt, da durch die Hemmungs- und Neubeginnsvorschriften der Zeitraum, in welchem der Anspruch geltend gemacht werden kann, verlängert wird, diese Normen als solche eine Beweisverdunkelung aber nicht verhindern.134
und damit gerechte Entscheidung anzustreben. Dies ist ohne einen der Wahrheit entsprechenden Sachverhalt nicht möglich.“, dies aber sogleich einschränkend (S. 512 f., 515). 127 Prütting, FS Gottwald, 2014, S. 507, 512 f.; auch Gilles, FS Gottwald, 2014, S. 189, 190. Siehe hierzu auch Piekenbrock, Verjährung, S. 69 f. 128 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 6; Becker-Eberhard, in: Yildirim (Hrsg.), Maximen, S. 15, 16, 20 ff.; Prütting, FS Gottwald, 2014, S. 507, 512, 515; Braun, Zivilprozeßrecht, § 6 I. 2. b) (S. 89 f.), S. 90: „[…] der Konsens soll Vorrang vor der Wahrheit haben, die Parteidisposition also über der materiellen Wahrheit stehen.“; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 346. Die formelle Wahrheit muss aber nicht hinter der materiellen Wahrheit zurückbleiben, denn die ZPO geht gerade davon aus, dass die Parteien das beste Mittel zur Wahrheitsfindung sind. Die so ermittelte Parteiwahrheit, die mit der materiellen Wahrheit übereinstimmen kann, aber nicht muss, als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen, ist deshalb gerechtfertigt, weil der Zivilprozess dem Individualrechtsschutz dient, vgl. Becker-Eberhard, in: Yildirim (Hrsg.), Maximen, S. 15, 27 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 6; Braun, Zivilprozeßrecht, § 6 V. (S. 104 f.). 129 Prütting, in: Wieczorek/Schütze, Einl. Rn. 91; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 6, 13 f.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 349 f.; a. A. Gilles, FS Gottwald, 2014, S. 189, 191. 130 Piekenbrock, Verjährung, S. 69. 131 Oetker, Die Verjährung, S. 39. 132 Becker-Eberhard, in: Yildirim (Hrsg.), Maximen, S. 15, 22 ff. 133 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 2 , 3; Braun, Zivilprozeßrecht, § 6 I. 2. b) (S. 89 f.). 134 Oetker, Die Verjährung, S. 42, 53 ff.; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 73.
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c) Entlastung der Gerichte als Interesse der Allgemeinheit Da der Gläubiger nach Eintritt der Verjährung davon absehen wird, den Anspruch einzuklagen,135 weil er damit rechnen muss, dass der Schuldner im Prozess die Verjährungseinrede erhebt oder sich auf die vorgerichtliche Geltendmachung der Einrede beruft, führt der Eintritt der Verjährung dazu, dass bei Gericht weniger Prozesse anfallen.136 Erhebt der Gläubiger dennoch Klage, kann das Gericht diese ohne Prüfung in der Sache abweisen, wenn der Schuldner Verjährung einwendet und erspart sich somit langwierige Verhandlungen. Weitgehend wird die Entlastung der Gerichte nicht als Verjährungszweck, sondern allenfalls als Nebenzweck oder Verjährungsfolge akzeptiert.137 Begründet wird dies zu Recht vor allem mit der Ausgestaltung der Verjährung als Einrede, § 214 Abs. 1 BGB. Soll die Verjährung tatsächlich der Entlastung der Gerichte dienen, müsste sie von Amts wegen138 zu berücksichtigen sein.139 d) Verhaltenssteuerung/Marktsteuerung Teilweise wird zudem eine Verhaltens- oder Marktsteuerungsfunktion als eigenständiger Verjährungszweck genannt.140 Im Gewährleistungsrecht könne der Gesetzgeber durch kurze Fristen und die Regelungen zum VerjährungsbeGuckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 77. Siehe aber Piekenbrock, Verjährung, S. 318 f. unter Verweis auf Motive, Bd. I, S. 300: Befürchtung, dass eine kurze (einjährige) Verjährungszeit zur Häufung von Prozessen führt. 137 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 7; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 8 (kein Verjährungszweck, nur Verjährungsfolge); Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 22; Piekenbrock, Verjährung, S. 318 f.; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581; Leenen, BGB AT, § 18, Rn. 7. Ohne Einschränkung aber Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 43 („Prozessökonomie“); Pohlmann, JURA 2005, 1, 2; Büdenbender, JuS 1997, 481, 482. Auf die Entlastung der Gerichte als Verjährungszweck stellt auch RGZ 79, 268, 269 ab. 138 Die in dieser Formulierung enthaltene Ungenauigkeit – vgl. Meller-Hannich, JZ 2005, 656, 659; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 431 – wird hier wegen ihrer Üblichkeit hingenommen. 139 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 7; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 8; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 22; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 77 f.; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581. A. A. aber Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 344 u. Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 43, da die Einrede regelmäßig erhoben werde und der Richter auf Verjährung hinweisen dürfe, zu letzterem ablehnend Meller-Hannich, JZ 2005, 656, 662 f. Zur Begründung für die Ausgestaltung als Einrede Meller-Hannich, JZ 2005, 656, 658 f. 140 Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 8; Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 345–347; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 47 ff.; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. 135
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ginn Anreize zur Herstellung verschleißanfälliger Waren schaffen, während längere Verjährungsfristen die Qualität von Waren und Dienstleistungen steigern können.141 4. Ansporn des Gläubigers als Legitimation? Teilweise wird zudem angenommen, durch die Verjährung soll der Gläubiger dazu angehalten werden, die Ansprüche zeitnah geltend zu machen.142 Auch hiermit wird eine (mittelbare) Verhaltensteuerung angestrebt, jedoch nicht auf Schuldner-, sondern auf Gläubigerseite. Dieser Gesichtspunkt lässt sich sowohl als Individualinteresse des Gläubigers143 als auch als ein im öffentlichen Interesse bestehender Zweck auffassen. Ein solcher steht im Vordergrund, wenn es um die Erziehung des Gläubigers144 geht. Der Anerkennung eines solchen Allgemeininteresses wird aber zu Recht entgegengehalten, dass Erziehung und Bevormundung nicht Aufgaben des Zivilrechts sind.145 Zudem handelt es sich letztlich um einen Teilaspekt der schon oben thematisierten Gesichtspunkte Rechtssicherheit und Rechtsfrieden: Diese werden auch dadurch verwirklicht, dass dem Gläubiger nur eine bestimmte Zeit für die Geltendmachung eingeräumt wird.146 Soweit neben dem öffentlichen Erziehungszweck ein wohlverstandenes Eigeninteresse des Gläubigers an der raschen Durchsetzung seiner Ansprüche bestehen sollte,147 kann dies allenfalls als Obliegenheit verstanden werden. Für die vorliegende Fragestellung kann dieser Gesichtspunkt außer Be141 Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 8 m. w. N.; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 47, 48; Leenen, BGB AT, § 18, Rn. 6; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2. 142 Motive, Bd. I, S. 298 zur Begründung der kurzen Verjährung; BGHZ 128, 74, 83: Die Verjährung soll den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen; BGH NJW 1986, 1608, 1609: Nötigung der Anspruchsberechtigten, ihre Ansprüche alsbald geltend zu machen; RGZ 79, 268, 269; Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 343; Büdenbender, JuS 1997, 481, 482. Siehe auch Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 7. Zum wirtschaftspolitischen Ziel des BGB-Gesetzgebers, insb. die Warenkreditgabe zu begrenzen, siehe Piekenbrock, Verjährung, S. 319; Spiro, FS Lewald, 1953, S. 585, Fn. 4 („höchstens eine nicht unerwünschte Nebenwirkung“). 143 In diese Richtung Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 20. 144 So wohl BGH NJW 1986, 1608, 1609. 145 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 6; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 20; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 34; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 77. Siehe aber Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 12. 146 BGHZ 128, 74, 82 f. (Rechtsfrieden); Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 7. 147 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 20: Interesse des Gläubigers Beweisschwierigkeiten zu verhindern und Außenstände und Risiken zu vermindern. Hierbei handelt es sich zunächst um Individualinteressen.
B. Zweck der Verjährung
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tracht bleiben, weil der Gläubiger hier innerhalb der Verjährungsfrist tätig wird, dieses Tätigwerden jedoch formal fehlerhaft ist. 5. Schuldnerschutz als Hauptzweck der Verjährung Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, das als einziges der im Allgemeininteresse bestehenden Zwecke noch verbleibt, neben dem Schuldnerschutz eine eigenständige Bedeutung zukommt.148 Teilweise wird von einem Nebeneinander von individuellem Schuldnerschutz einerseits und Gewährleistung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit anderseits ausgegangen.149 Andererseits wird im Anschluss an Spiro150 der Schuldnerschutz betont und ein eigenständiges öffentliches Interesse an der Verjährung verneint.151 Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, ein eigenständiges, von den Individualinteressen des Schuldners losgelöstes, öffentliches Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden nicht anzuerkennen. Hierfür lässt sich zunächst erneut anführen, dass die Verjährung nur auf Einrede des Schuldners 148 Zum Folgenden siehe auch den Überblick und die Nachweise bei Oetker, Die Verjährung, S. 34 mit Fn. 109, 110. 149 BGHZ 128, 74, 82 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 6, 7; Pohlmann, JURA 2005, 1, 2; Büdenbender, JuS 1997, 481, 482. Betonung der Allgemeininteressen bei F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 169, Fn. 171, der aber den Verjährungszweck der Sicherstellung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit des Schuldner nicht berücksichtigt. Ganz wesentlich auf das öffentliche Wohl stellt bspw. Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 5 (S. 16) ab. 150 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 23 f.; siehe auch schon Spiro, FS Lewald, 1953, S. 585; Oetker, Die Verjährung, S. 34, Fn. 110 weist zu Recht darauf hin, dass sich die Betonung der Privatinteressen des Schuldners schon in der älteren Literatur findet, bspw. bei Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 1, § 28 (S. 102). 151 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 7 („[…] jedenfalls keines, das über die Summe der geschützten Einzelinteressen hinausginge und von diesen zu unterscheiden wäre.“); Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 32: Nebeneffekt, wenn auch nicht unerwünscht; M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580 f. (S. 581: Rechtsfrieden und Rechtssicherheit komme neben dem Schutz des Schuldners nur begleitende, aber keine selbständige Bedeutung zu); Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 1; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 9; Regenfus, NJW 2016, 2977; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 171. Vgl. auch bei Bopp, AcP 42 (1859), 91, 98 f.: Die Verjährung bezweckt den Schutz dessen, gegen welchen das Recht in Anspruch genommen wird. Gegen eine eigenständige Bedeutung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 45. Nach Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 62, 65 kommt dem Allgemeininteresse Bedeutung zu, es sei aber weniger gewichtig und trete gegenüber dem Individualinteresse des Schuldners zurück, wenn dieser die Einrede nicht erhebe. Jedenfalls kritisch gegenüber der Anerkennung eines eigenständigen Allgemeininteresses Piekenbrock, Verjährung, S. 326; Oetker, Die Verjährung, S. 41 ff.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
und nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist.152 Die Erreichung der Verjährungszwecke Rechtssicherheit und Rechtsfrieden stehen damit in jedem Einzelfall zur Disposition des Schuldners, was mit der Annahme eines selbständigen Allgemeininteresses nicht in Einklang gebracht werden kann.153 Im Zusammenhang hiermit steht, dass sich durch das Institut Verjährung sowohl Rechtssicherheit als auch Rechtsfrieden erst als Summe der privatautonomen Entscheidungen der einzelnen Beteiligten erreichen lassen.154 Der Rechtsverkehr selbst ist mithin darauf angewiesen, dass die Rechtssubjekte in ihren jeweiligen Rechtsverhältnissen Rechtsfrieden und Rechtssicherheit schaffen. Erfolgt dies, profitiert der Rechtsverkehr hiervon im Sinne eines Reflexes. Die Allgemeinheit kann aber Rechtsfrieden und Rechtssicherheit insoweit nicht selbst herbeiführen. Seit Inkrafttreten des SchRModG kann auch die nunmehr nach § 202 BGB grundsätzlich bestehende Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung155 als Argument für eine untergeordnete Bedeutung der öffentlichen Interessen an der Verjährung angeführt werden: Nach § 225 S. 1 BGB a. F. waren Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Erschwerung der Verjährung grundsätzlich ausgeschlossen, zulässig waren hingegen nach S. 2 verjährungserleichternde Abreden.156 Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass die mit der Verjährung verfolgten (öffentlichen) Ziele von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit tatsächlich erreicht und nicht durch Parteivereinbarungen beeinträchtigt werden.157 Mit der Regelung in § 202 BGB wollte der Gesetzgeber nunmehr im Interesse beider Parteien die Vertragsautonomie stärken, weil es für die Par-
152 Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 32 m. Fn. 78. Siehe ergänzend noch Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 5. 153 Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 1; vgl. auch M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581, der dieses Argument gegen den Verjährungszweck „Entlastung der Gerichte“ anführt. 154 Siehe schon oben 3. Kap., B) II. 3. a) (S. 63). 155 Grothe, in: MüKo-BGB, § 202 Rn. 1, 11; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 202 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 202 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 202 Rn. 1. Siehe aber Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 32. 156 Grothe, in: MüKo-BGB, § 202 Rn. 1; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 225 Rn. 1, 6 (zu Ausnahmen vom Erschwerungsverbot Rn. 5); Niedenführ, in: Soergel, § 202 Rn. 1; Grunsky, NJW 2013, 1336, 1338. Einprägsam schon die Begründung zum TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 393 ff. und S. 378: Die Verjährung müsse dem Privatwillen entzogen werden. 157 RGZ 145, 239, 244; RGZ 79, 268, 269; Grothe, in: MüKo-BGB, § 202 Rn. 1; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 225 Rn. 1, 6; W. Hefermehl, in: Erman10, § 225 Rn. 1; Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 225 Rn. 1. Büdenbender, JuS 1997, 481, 482, 487 stellt zur Begründung dafür, dass die Verjährung sowohl im Schuldner- als auch im Allgemeininteresse besteht, ausdrücklich auf die Regelung des § 225 BGB a. F. ab.
B. Zweck der Verjährung
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teien ein erhebliches praktisches Bedürfnis gibt, Vereinbarungen über die Verjährung zu treffen.158 6. Zusammenfassung Zweck der Verjährung ist ausschließlich der Individualschutz des Schuldners. Dieser soll vor Beweisnot, die sich im Wesentlichen als Aufbewahrungslast darstellt, und vor einer dauerhaften Einschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit geschützt werden. Ein öffentliches Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, verstanden als eigenständiger, neben das Individualinteresse des Schuldners tretender Verjährungszweck, besteht daneben nicht. Hieraus folgt für die weitere Betrachtung, dass ein so verstandener Verjährungszweck bei der Anwendung der Verjährungsvorschriften nicht berücksichtigt werden muss.
III. Rechtfertigung der Verjährung Die Frage nach der Rechtfertigung der Verjährung, verstanden als Begründung für die Existenz dieses Instituts,159 überschneidet sich mit den Verjährungszwecken insoweit, als jeder legitime Verjährungszweck zugleich ein Rechtfertigungselement darstellt. Darüber hinaus wurde schon bei Schaffung des BGB 1900 zur Rechtfertigung der Verjährung darauf abgestellt, dass eine Vermutung dafür bestehe, dass lange Zeit nicht geltend gemachte Ansprüche nicht oder nicht mehr bestehen. 158 BT-Drucks. 14/6040, S. 109 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 202 Rn. 2; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 202 Rn. 1. Kritisch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 202 Rn. 2, 3; Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 13. Siehe aber Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 62 f., der darin, dass eine Erschwerung der Verjährung über 30 Jahre hinaus nicht möglich ist, ein Argument dafür sieht, dass die Verjährung auch im öffentlichen Interesse besteht. 159 Zu unterscheiden hiervon ist die Rechtfertigung im Rahmen des Art. 14 GG. Diese Frage betrifft die konkrete Ausgestaltung des Verjährungsrechts, welche nach Art. 14 GG einen angemessenen Interessenausgleich darstellen muss, siehe oben 3. Kap., A) (S. 45). In diesem Rahmen kann berücksichtigt werden, dass der Gläubiger durch seine Untätigkeit zur Verjährung beigetragen hat, vgl. M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 581; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 9; F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 168 m. Fn. 171. Freilich trägt dieser Aspekt nicht bei den in § 199 Abs. 2 bis Abs. 4 BGB ergänzend bestimmten Höchstfristen, bei denen der Anspruch auch ohne Kenntnis des Gläubigers verjährt, hierzu Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 57; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 112; Leenen, BGB AT, § 19, Rn. 16; Pohlmann, JURA 2005, 1, 3, 4 f. Gleiches gilt, wenn die Verjährung, was häufig der Fall ist, nach § 200 oder nach vorrangigen Sondervorschriften (§ 200 S. 1 Hs. 2 BGB) unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers zu laufen beginnt, hierzu Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 200 Rn. 1 ff.; Leenen, BGB AT, § 19, Rn. 22 ff.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Während in der Vorlage zur Anspruchsverjährung von 1877 dieser Gesichtspunkt lediglich ergänzend angeführt wurde,160 wurde er später gleichberechtigt genannt.161 Dieses Rechtfertigungselement wurde sodann auch in Rechtsprechung162 und Literatur163 aufgegriffen. Damit im Zusammenhang steht auch der in verschiedenen Varianten vorkommende Aspekt,164 der Gläubiger habe durch sein langes Zuwarten den Rechtsverlust zu verantworten.165 Die Säumigkeit des Gläubigers bei der Rechtsverfolgung findet sich insbesondere in der Literatur und der Rechtsprechung vor 1900 als tragender Gesichtspunkt für die Begründung der Verjährung.166 160 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 751: „Als legislatives Moment von unterstützender Bedeutung tritt die Erwägung hinzu, daß begründete Ansprüche in der Regel nicht längere Zeit hindurch unbethätigt bleiben, und daß die Versäumung der Verjährungsfrist in den weitaus meisten Fällen auf Nachlässigkeit des Berechtigten zurückzuführen ist.“. 161 Motive, Bd. I, S. 291: „Anforderungen dieser Art sind der Regel nach innerlich unbegründet oder bereits erledigt [Hervorhebung d. Verf.]. Der Schwerpunkt der Verjährung liegt nicht darin, daß dem Berechtigten sein gutes Recht entzogen, sondern darin, daß dem Verpflichteten ein Schutzmittel gegeben wird, gegen voraussichtlich unberechtigte [Hervorhebung d. Verf.] Ansprüche ohne ein Eingehen auf die Sache sich zu vertheidigen.“; ebenso schon Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 309. 162 BGHZ 122, 241, 244; BGH NJW 1983, 388, 389 f.; BGHZ 59, 72, 74; BGHZ 17, 199, 206 (unter wörtlicher Wiedergabe der Motive). 163 Vgl. Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 6: Es könne davon ausgegangenen werden, dass ein etwaiger Gläubiger die Forderung mittlerweile selbst für unbegründet halte; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 5: „Ansprüche verjähren, weil sie unbegründet sind oder dies sein könnten.“; Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 189; Niedenführ, in: Soergel, Vor § 194 Rn. 16; Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 141. 164 Hierzu Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 24 ff.; Spiro, FS Lewald, 1953, S. 585, Fn. 4. 165 Besonders deutlich die Motive, Bd. I, S. 291: „Geschieht im einzelnen Falle der materiellen Gerechtigkeit Eintrag, geht der Berechtigte seines wohlbegründeten Anspruchs durch die Verjährung verlustig, so ist dies ein Opfer, das der Betroffene dem Gemeinwohle bringen muß. Gegenüber der beharrlichen Nichtbethätigung des Anspruchs, ohne welche die Verjährung nicht möglich, und dem daraus abzuleitenden geringen Interesse des Berechtigten an dem Inhalte des Anspruchs wird dieses Opfer kaum als ein solches angesehen werden können, welches besonders hart empfunden werden dürfte.“, ebenso schon Begründung TEAllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 309. Dem schließt sich BGHZ 17, 199, 206 unter wörtlicher Wiedergabe der Motive an. Siehe auch Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 141: Die Interessen eines Gläubigers, der seinen Anspruch nicht verfolgt, seien nicht schutzwürdig; zudem Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 5. Dies dürfe aber nicht im Sinne einer Bestrafung des Gläubigers verstanden werden: Savigny, System, § 237 (S. 269–271); Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 28 f.; Guckelberger, Verjährung im Öffentlichen Recht, S. 76. 166 Siehe z. B. RGZ 24, 199, 202 („beharrliches Stillschweigen“ und „Saumseligkeit“ des
B. Zweck der Verjährung
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Vereinfacht lässt sich dieser Legitimationsansatz im Anschluss an die Motive167 wie folgt zusammenfassen: Zunächst wird bei lange zurückliegenden Ansprüchen vermutet, dass der Anspruch nicht (mehr) besteht. Sollte diese Vermutung einmal nicht zutreffen, hat der Gläubiger den hiermit verbundenen Nachteil selbst zu verantworten, sodass es auch gerechtfertigt ist, bestehende Ansprüche der Verjährung zu unterwerfen. Dieser Rechtfertigungsansatz ist aber für das Institut der Verjährung als solches weder zutreffend noch erforderlich:168 Zum Ersten ist die empirische Behauptung, dass „alte“ Ansprüche unbegründete Ansprüche sind, nicht belegt.169 Allein aufgrund möglicher Beweisschwierigkeiten wird dem Gläubiger so das Recht zur Beweisführung und damit in der Folge das materielle Recht genommen,170 wenn sich der Schuldner auf die Einrede beruft. Die Beweisbarkeit eines Anspruchs ist aber keine Voraussetzung für dessen Bestehen, sondern nur für dessen erfolgreiche Durchsetzung. Zum Zweiten kann der mit der Verjährung legitimerweise bezweckte Schuldnerschutz nur erreicht werden, wenn von der Verjährung sowohl begründete als auch unbegründete Ansprüche erfasst werden. Die geschilderte Beweisnot bzw. Aufbewahrungslast sowie die Einschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit bestehen unabhängig von der Begründetheit oder Unbegründetheit des Anspruchs und auch unabhängig davon, ob der Schuldner vom Anspruch wusste und mit dessen Geltendmachung rechnete oder nicht. Kennt der SchuldKlägers); RGZ 5, 122, 123; OAG Darmstadt Seuff. Arch. Bd. 9, Nr. 250; Unger, System, Bd. II, § 121 II. 2), Anm. 35 (S. 431); Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 10 (S. 39), § 39 II. (S. 154). 167 Siehe die Zitate im 3. Kap., Fn. 161 (S. 72) u. im 3. Kap., Fn. 165 (S. 72). Die Moti ve geben insoweit die Begründung von Gebhard aus der Begründung zum TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 309 wieder. Siehe auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 25: „Die Verjährung nimmt ihm, wenn überhaupt, so nur etwas, das er selbst aufgegeben hat.“ 168 Kritisch auch Larenz, AT BGB7, § 14 III. (S. 253): Insbesondere bei kurzen Verjährungsfristen sei dies ein Pauschalurteil, das keineswegs immer zutreffe. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ebenfalls kritisch Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 9, die darauf hinweisen, dass Art. 14 GG auch den „unbeaufsichtigten Fortbestand“ des Anspruchs und nicht nur fortlaufend aktivierte Positionen schütze. Das mangelnde Interesse des Gläubigers kann jedoch bei der Rechtfertigung der Fristenlänge herangezogen werden, vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 9. 169 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 11: Die Verjährung beruhe keineswegs geradezu auf einer unwiderlegbaren Vermutung, die Forderung sei entweder nie entstanden oder dann getilgt worden. Auch Piekenbrock, Verjährung, S. 317. 170 Piekenbrock, Verjährung, S. 317; Mueller, DJZ 1906, 703, 704 f. (Anm. zu RGZ 53, 200 ff.); kritisch auch Leenen, BGB AT, § 18, Rn. 5. Nach Piekenbrock, Verjährung, S. 317 zeigt sich hierin ein typischer Fehler des Rechtsvulgarismus, den Bestand eines Rechts mit seiner Beweisbarkeit zu verwechseln.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
ner mögliche Ansprüche nicht, ist eine spezifische Vorbereitung auf eine Inanspruchnahme von vornherein nicht möglich. Aber auch dann, wenn er die Gefahr sieht, dass ein Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird, muss er sich gegen jede Inanspruchnahme verteidigungsbereit halten, weil die Frage, ob der Anspruch begründet oder unbegründet oder, wie so häufig, teilweise begründet ist, vom Schuldner nicht sicher prognostiziert werden kann. Ohnehin lässt sich der Unterscheidung zwischen begründeten und unbegründeten Ansprüchen entgegenhalten, dass diese Frage erst mit der Rechtskraft der richterlichen Entscheidung feststeht.171 Ebenso ohne Relevanz ist es, ob der Gläubiger vorwerfbar die Geltendmachung versäumt hat oder nicht, weil die Stellung des Schuldners hierdurch nicht beeinflusst wird.172 Deshalb bestimmt § 214 Abs. 1 BGB den Eintritt der Verjährung als einzige Voraussetzung für die erfolgreiche Erhebung der Einrede. Der Individualschutz des Schuldners legitimiert die Verjährung somit umfänglich und erschöpfend, ein Rückgriff auf eine nicht gesicherte Vermutung und eine Verantwortlichkeit des Schuldners sind daher entbehrlich. Die Verjährung schützt mithin nicht, wie die herrschende Meinung häufig formuliert,173 vor einer Inanspruchnahme mit unbegründeten und auch nicht vor einer solchen mit unbekannten oder unerwarteten Ansprüchen, sondern vor einer unbegrenzten Aufbewahrungslast und dauerhafter Einschränkung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit. Dieser Schutz wird dadurch realisiert, dass sich der Schuldner nach Ablauf der Verjährungsfrist gegen jegliche Inanspruchnahme pauschal mit der Verjährungseinrede verteidigen kann. Diese Verteidigung hängt aber nicht von der Frage ab, ob und in welchem Umfang der Anspruch besteht oder bestand und ob der Schuldner vom Anspruch wusste und mit einer Inanspruchnahme gerechnet hat. Es muss daher nicht für jede „Variante“ des Anspruchs (unbegründet, nicht mehr begründet, unbekannt, unerwartet, befürchtet) eine Begründung der Verjährung gefunden werden. Vielmehr legitimieren die ge171 Vgl. auch Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 343: „[…] der Verjährungseinwand verhindert gerade die Klärung der Frage, ob der Inanspruchgenommene Schuldner ist oder nicht.“ 172 Zum Vorstehenden ausführlich Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8 –17, der für verschiedene Varianten die Erforderlichkeit der Verjährung zur Erreichung der Verjährungszwecke nachweist. 173 Siehe z. B. Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 8: Die Verjährung schützt vor unbegründeten, unbekannten, unerwarteten und bloß befürchteten Ansprüchen, S. 10: Abwehr nicht oder nicht mehr bestehender Ansprüche; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 29; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 38, 39: Schutz des Nichtschuldners, Rn. 40–42: Schutz des Schuldners; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271; Armbrüster, FS H. P. Westermann, 2008, S. 53, 60 f.; Schmal/Trapp, NJW 2015, 6, 9. Siehe auch BT-Drucks. 14/6040, S. 96 und Peters, AcP 208 (2008), 37, 44.
C. Zweck der Verjährungshemmung
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nannten Zwecke die Verjährung für jede dieser Alternativen, sodass im Folgenden eine Differenzierung nach diesen nicht vorgenommen werden muss.
C. Zweck der Verjährungshemmung Nach dem Vorstehenden dient die Verjährung in der Hauptsache dem Schuldner. Den verfassungsrechtlichen Ansprüchen wird das Verjährungsrecht aber nur dann gerecht, wenn es auch die schützenswerten Interessen des Gläubigers hinreichend berücksichtigt. Neben der Ausgestaltung des Verjährungsbeginns und der Bestimmung der Dauer der Fristen erfolgt dies ganz wesentlich durch die Vorschriften, die den Lauf der Verjährung beeinflussen können, das heißt die Regelungen über die Verjährungshemmung, die Ablaufhemmung und den Verjährungsneubeginn.174
I. Einflussnahme auf den Lauf der Verjährung 1. Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn a) Wirkung von Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn Der Lauf der Verjährungsfrist wird beeinflusst, wenn Hemmungs-, Ablaufhemmungs- oder Neubeginnstatbestände erfüllt sind.175 Liegt einer der in § 212 BGB genannten Neubeginnsgründe vor, entfällt die bisher abgelaufene Verjährungszeit und die für den jeweiligen Anspruch bestimmte Frist beginnt von vorn zu laufen.176 Anders verhält es sich bei der Hemmung der Verjährung nach 174
Vgl. Begründung Gesetzesentwurf SchRModG, BT-Drucks. 14/6040, S. 111: „Es gibt Ereignisse, die den Ablauf einer Verjährungsfrist beeinflussen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass er den Anspruch als bestehend ansieht und nicht bestreiten will. Die Verjährung darf auch dann nicht weiterlaufen, wenn der Gläubiger aus anerkennenswerten Gründen gehindert ist, den Anspruch geltend zu machen. Schließlich muss sichergestellt werden, dass ein Anspruch nicht verjährt, nachdem der Gläubiger angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen hat.“ Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 129; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 272; Piekenbrock, Verjährung, S. 426; Pohlmann, JURA 2005, 1, 6. 175 Pohlmann, JURA 2005, 1, 6; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 115–117. 176 Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 1; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vor §§ 203–213 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 50; Pohlmann, JURA 2005, 1, 7. Auch in den Fällen der regelmäßigen Verjährung beginnt der Lauf sofort, § 199 Abs. 1 BGB findet keine Anwendung, Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vor §§ 203–213 Rn. 2; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 2; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 19.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
§§ 203–208 BGB, deren Wirkung in § 209 BGB dahingehend festgelegt wird, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Für die Dauer der Hemmung ruht die Verjährung, mit Wegfall des Hemmungsgrundes läuft sie mit der vor der Hemmung noch offenen Restfrist weiter.177 Neben dieser, teilweise bildlich als Fortlaufhemmung178 bezeichneten, Hemmung, kennt das BGB in § 210 und § 211 noch die Ablaufhemmung. Bei dieser tritt die Verjährung frühestens sechs Monate nach Wegfall von Gründen ein, die der Geltendmachung des Anspruchs entgegenstehen, es sei denn die Verjährungsfrist ist kürzer als sechs Monate (§§ 210 Abs. 1 S. 2, 211 S. 2 BGB).179 Der Verjährungslauf wird aber nicht wie bei der Hemmung zwischenzeitlich ausgesetzt,180 das Fristende wird vielmehr nur dann hinausgeschoben, wenn der Grund am Ende der Frist eintritt. Im Fall des § 210 BGB muss der Mangel der Vertretung daher in den letzten sechs Monaten der Verjährungsfrist vorgelegen haben. Bestand der Mangel vorher, hat dies auf den Lauf der Verjährung keinen Einfluss.181 Weil die gesamte bisher abgelaufene Verjährungszeit entfällt, ist der Neubeginn im Vergleich zur Hemmung zunächst die intensivere Einwirkung auf den Verjährungslauf.182 Allerdings sind die Neubeginnsgründe des § 212 BGB Augenblickstatbestände, sodass die Verjährung sofort nach Eintritt des Ereignisses erneut zu laufen beginnt.183 Da es für die Dauer der Hemmung keine Höchstfrist gibt, kann die Verjährung weit über die ursprüngliche Verjährungsfrist hinaus gehemmt sein.184
177 Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 1; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 2. 178 Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 22; Bork, BGB AT, Rn. 326a; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 116. 179 BT-Drucks. 14/6040, S. 111; NK-BGB/Budzikiewicz, Vor §§ 203–213 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 210 Rn. 6, § 211 Rn. 2; Bork, BGB AT, Rn. 326a. Einen Fall der Ablaufhemmung stellt zudem § 203 S. 2 BGB dar, Pohlmann, JURA 2005, 1, 7. 180 Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 48. 181 Grothe, in: MüKo-BGB, § 210 Rn. 6; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 210 Rn. 7. 182 Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 176; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 3; Pohlmann, JURA 2005, 1, 7. 183 Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 2; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 19. 184 Grothe, in: MüKo-BGB, § 209 Rn. 1; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 7; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 11, dort auch zu Ausnahmen. Hiervon zu unterscheiden sind die wiederholte Hemmung und der wiederholte Neubeginn, vgl. Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 27, § 8, Rn. 8; NKBGB/Budzikiewicz, Vor §§ 203–213 Rn. 6.
C. Zweck der Verjährungshemmung
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b) Rechtslage bis zum SchRModG und die Neuregelung185 Der mit dem SchRModG eingeführte Begriff des Neubeginns der Verjährung entspricht inhaltlich der in § 217 Hs. 1 BGB a. F. definierten Verjährungsunterbrechung. Die Regelung in § 217 Hs. 2 BGB a. F. ist im Rahmen von § 212 Abs. 1 BGB186 entbehrlich geworden, da es sich bei den Ereignissen, die nach dieser Vorschrift den Neubeginn der Verjährung auslösen, ausnahmslos um Augenblickstatbestände handelt, die Verjährung somit immer sofort neu zu laufen beginnt.187 Seit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts führen allerdings nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB (§ 208 BGB a. F.) nur noch das Anerkenntnis des Schuldners und nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB (§ 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a. F.) die Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungsmaßnahme zum Neubeginn der Verjährung.188 Die übrigen Unterbrechungstatbestände des § 209 BGB a. F. sowie die Unterbrechung nach § 210 BGB a. F. und § 220 BGB a. F. sind zu Hemmungstatbeständen geworden.189 Die Definition der Rechtsfolge der Verjährungshemmung in § 209 BGB ist identisch mit der Regelung in § 205 BGB a. F. Im Grundsatz wurde die gesetzliche Systematik von Hemmung, Ablaufhemmung und Unterbrechung (jetzt Neubeginn) im neuen Verjährungsrecht aber beibehalten.190 c) Insbesondere: Regelungsgehalt sowie Entstehungsgeschichte des § 204 BGB aa) Systematik und Regelungsgehalt von § 204 BGB § 204 BGB regelt seit Inkrafttreten des SchRModG die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung. In Abs. 1 werden zu nunmehr191 15 Ziffern die einzelnen Hemmungstatbestände genannt. Abs. 2 regelt das Ende und damit auch die 185 Ausf. BT-Drucks. 14/6040, S. 112 ff.; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7 u. § 8 (S. 211 ff.); Krämer, Neuregelung des Verjährungsrechts, S. 130 ff. Überblick über die Entstehungsgeschichte des neuen Verjährungsrechts bei Mansel, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 333, 335–341; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 26–29 und Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 1, Rn. 1–12. 186 Zu abweichenden Spezialregelungen siehe Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 27; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 22. 187 BT-Drucks. 14/6040, S. 120 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 2. 188 Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 5. 189 Hierzu genauer sogleich unter 3. Kap., C) I. 1. c) bb) (S. 78). 190 BT-Drucks. 14/6040, S. 111; vgl. auch Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 2. 191 Nr. 6a eingefügt durch Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19.10.2012 m. W. v. 01.11.2012, BGBl. 2012 I, S. 2182.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Dauer der Hemmung. Auf die Dreimonatsfristen von Nr. 6a, Nr. 12 und Nr. 13 sowie auf die Monatsfrist der Nr. 9 Alt. 2 finden gemäß Abs. 3 die §§ 206, 210 und 211 BGB entsprechende Anwendung. Im Vergleich zur Rechtslage vor dem SchRModG gehen mit der Regelung des § 204 BGB gegenüber §§ 209, 210, 220 BGB a. F. zwei wesentliche Neuerungen einher: Zum ersten wurde die Rechtsfolge von der Unterbrechung (bzw. nach neuer Terminologie dem Neubeginn) hin zur Hemmung der Verjährung geändert.192 Zum zweiten wurden in § 204 BGB im Vergleich zu §§ 209, 210, 220 BGB a. F. Tatbestände neu geschaffen oder verallgemeinert.193 Im Einzelnen ergeben sich im Hinblick auf die Einflussnahme auf die Verjährungsfrist durch Rechtsverfolgung folgende Neuerungen: bb) Entstehungsgeschichte des § 204 BGB (1) § 204 Abs. 1 BGB Vorgängervorschrift des § 204 Abs. 1 BGB war § 209 BGB a. F.,194 da dieser bereits sieben Unterbrechungstatbestände enthielt, die als Hemmungstatbestände in § 204 Abs. 1 BGB übernommen wurden. Dabei stellte die in § 209 Abs. 1 BGB a. F. geregelte Verjährungsunterbrechung durch Erhebung der Klage, nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, das gesetzliche Leitbild dar. In § 209 Abs. 2 BGB a. F. wurden sieben weitere Tatbestände der Erhebung der Klage gleichgestellt. Von diesen finden sich sechs, nämlich die Nr. 1 bis Nr. 4 des § 209 Abs. 2 BGB a. F., in § 204 Abs. 1 BGB wieder: die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB195), die Geltendmachung eines Anspruchs durch Anbringung eines Güteantrags bei einer Gütestelle nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 (§ 209 Abs. 2 Nr. 1a BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB196), die Zustellung eines Antrags im verMansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 38. Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 41. 194 Abgesehen von den später eingefügten Nr. 1a und Nr. 1b (Nr. 1a durch Art. IV Nr. 1 a) der Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13.02.1924 m. W. v. 01.06.1924, RGBl. 1924 I, S. 135; Nr. 1b durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz – KindU) vom 06.04.1998 m. W. v. 01.07.1998, BGBl. 1998 I, S. 666) entspricht § 209 BGB a. F. im Wesentlichen § 209 BGB 1900. 195 Die Hemmung durch Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren wurde durch Neufassung von Nr. 3 durch Art. 7 des Gesetzes zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.2008, m. W. v. 12.12.2008, eingeführt, BGBl. 2008 I, S. 2122. 196 Zum gegenüber § 209 Abs. 2 Nr. 1a BGB a. F. geänderten Anwendungsbereich siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 114. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wurde durch Art. 6 Nr. 1 a) des Gesetzes 192 193
C. Zweck der Verjährungshemmung
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einfachten Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt (§ 209 Abs. 2 Nr. 1b BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB), die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozesse (§ 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB) sowie die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt (§ 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F., nunmehr § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Hinsichtlich der Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a. F. wurde die Rechtsfolge des alten Rechts beibehalten, sodass es sich hierbei nunmehr um einen Neubeginnstatbestand handelt, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 12197 und die nach § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB haben ihre Vorgängerregelung in § 210 S. 1 BGB a. F.,198 die nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB in § 220 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F.199. Damit lassen sich zehn Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12, Nr. 13) auf die §§ 209, 210, 220 BGB a. F. zurückführen. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB verallgemeinert den im alten Recht nach §§ 477 Abs. 2, 639 Abs. 1 BGB a. F. für Gewährleistungsansprüche des Käufers oder Bestellers bestehenden Unterbrechungsgrund.200 Die Hemmungstatbestände § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB201 und § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB202 wurden hingegen durch das SchRModG neu geschaffen. Die nunmehr in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB geregelte Verjährungshemmung durch Veranlassung der Bekanntgabe eines zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19.02.2016 m. W. v. 01.04.2016 neu gefasst, BGBl. 2016 I, S. 254. Zur Entstehung von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB auch Fries, JZ 2016, 723, 724, 727 und BGHZ 123, 337, 340 f. 197 Durch Art. 6 Nr. 1 b) des Gesetzes vom 19.02.2016 (siehe 3. Kap., Fn. 196, S. 78) wurde m. W. v. 01.04.2016 das Wort „Gütestelle“ durch das Wort „Streitbeilegungsstelle“ ersetzt, BGBl. 2016 I, S. 254. 198 BT-Drucks. 14/6040, S. 116; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 75–79. 199 Zu § 220 BGB a. F. vgl. im Übrigen BT-Drucks. 14/6040, S. 116. 200 BT-Drucks. 14/6040, S. 112, 114; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 56. 201 BT-Drucks. 14/6040, S. 114 f. Durch das Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) vom 23.10.2008 wurde m. W. v. 01.01.2009 § 641a BGB aufgehoben und entsprechend wurden in Nr. 8 die Wörter „oder die Beauftragung des Gutachters in dem Verfahren nach § 641a“ gestrichen, BGBl. 2008 I, S. 2022. 202 BT-Drucks. 14/6040, S. 112, 115; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 65.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrags203 war in Bezug auf den Prozesskostenhilfeantrag aus verfassungsrechtlichen Gründen 204 schon vor Inkrafttreten des SchRModG in Rechtsprechung und Literatur insoweit anerkannt, als die Unfähigkeit die Kosten des Rechtsstreits selbst aufzubringen unter § 203 Abs. 2 BGB a. F. subsumiert wurde.205 § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB wurde durch das Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19.10.2012 mit Wirkung vom 01.11.2012 eingefügt.206 (2) § 204 Abs. 2 BGB § 204 Abs. 2 BGB regelt für alle in Abs. 1 genannten Hemmungstatbestände einheitlich das Ende der Hemmung. Die Regelungen in §§ 211, 212a, 213, 214, 215 BGB a. F., welche die Dauer der Unterbrechung bestimmten, wurden daher entbehrlich.207 Die Hemmung nach Abs. 1 dauert während des gesamten jeweiligen Verfahrens und darüber hinaus noch sechs Monate nach dessen Beendigung an.208 Diese sechsmonatige Nachfrist ist wegen der Umstellung auf die Rechtsfolge Verjährungshemmung notwendig, da andernfalls dem Gläubiger nur noch die bisher nicht abgelaufene Verjährungszeit209 für weitere Maßnahmen zur Verfügung stünde. Das Einleiten weiterer Maßnahmen ist aber zur Verhinderung der Verjährung erforderlich, wenn das Verfahren nicht mit einer Sachentscheidung endet.210 203 Dass die Hemmungswirkung auch durch Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe eintritt, wurde durch Art. 50 Nr. 4a des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) vom 17.12.2008 m. W. v. 01.09. 2009 eingefügt, BGBl. 2008 I, S. 2586. 204 Hierzu auch BVerfG NJW 2010, 3083, 3084 (Rn. 10). 205 BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BMJ (Hrsg.), Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 83; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 203 Rn. 7 m. w. N.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 66; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 113; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 80. 206 BGBl. 2012 I, S. 2182. 207 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 117; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 84; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 69. 208 BT-Drucks. 14/6040, S. 117; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 85; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 69. 209 Bei Hemmung am letzten Tag der Frist mithin nach Ende der Hemmung nur ein Tag. 210 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 117; BGH NJW 2016, 236, 237 (Rn. 30); Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 85; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 69. Das ist der Fall, wenn in dem Verfahren von vornherein eine Sachentscheidung nicht möglich ist oder die Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vorliegen, Piekenbrock, Verjährung, S. 458 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 119.
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Auch § 212 BGB a. F., der die Unterbrechung bei Klagerücknahme oder bei rechtskräftiger Abweisung der Klage durch nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil regelte, sowie die hierauf verweisenden Vorschriften, sind in § 204 Abs. 2 BGB aufgegangen.211 In den Gesetzesmaterialien wird dies damit begründet, dass mit der Umstellung von der Unterbrechungs- auf die Hemmungswirkung in deutlich geringerem Maße als bisher auf den Lauf der Verjährung eingewirkt werde. Dies rechtfertige es, den Aufschub, der dem Gläubiger nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB gewährt wird, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens eintreten zu lassen.212 Da nunmehr entgegen § 212 Abs. 1 BGB a. F. die hemmende Wirkung nicht mehr entfallen sollte, war auch die Vorschrift des § 212 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. entbehrlich, nach welcher diese wieder hergestellt werden konnte.213 An dieser Streichung wurde, trotz einer Prüfbitte des Bundesrates,214 in welcher dieser, insbesondere um dem Missbrauch der Hemmungswirkung zu verhindern, die Einführung einer dem § 212 Abs. 1 BGB a. F. entsprechenden Vorschrift befürwortete, im Gesetzgebungsverfahren festgehalten.215 Weil die neue Rechtsfolge Hemmung geringere Auswirkungen auf den Verjährungslauf habe, sei eine dem § 212 Abs. 1 BGB a. F. entsprechende Regelung entbehrlich; zudem würden die Gerichte rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen keine Hemmungswirkung zubilligen.216 Sowohl die Prüfbitte als auch die Antwort der Bundesregierung zielten hierbei inhaltlich auf den Fall der Klage- oder Antragsrücknahme (§ 212 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F.) und nicht auf die für die vorliegende Fragestellung relevante Abweisung der Klage oder des Antrags durch Prozessurteil (§ 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB a. F.) ab. (3) Änderung der Rechtsfolge217 Mit der Änderung der Rechtsfolge von der Unterbrechung hin zur Hemmung der Verjährung218 folgt der Gesetzgeber dem Vorschlag aus dem Gutachten von BT-Drucks. 14/6040, S. 118; Krämer, Neuregelung des Verjährungsrechts, S. 137; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 70. 212 BT-Drucks. 14/6040, S. 118; für die Klage insoweit auch schon BMJ (Hrsg.), Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 86. Ebenso BGHZ 160, 259, 262 f.; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 98; Krämer, Neuregelung des Verjährungsrechts, S. 148 f. 213 Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 282 m. Fn. 59; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 39. 214 BT-Drucks. 14/6857, S. 7 f. 215 Gegenäußerung der BReg., BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4. 216 Gegenäußerung der BReg., BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4. 217 Ausf. Krämer, Neuregelung des Verjährungsrechts, S. 135–137. 218 Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 307 sprechen von einem Herabstufen der Unterbrechungstatbestände auf Hemmungsgründe. 211
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Peters/Zimmermann aus dem Jahr 1981.219 Grund für die Änderung war die Feststellung, dass dort, wo die Unterbrechung praktische Wirkungen habe (z. B. § 212 BGB a. F.220), diese sich wie eine Hemmung auswirkten.221 Es sei daher nicht notwendig, den Maßnahmen des Gläubigers Unterbrechungswirkung beizumessen, der erstrebte Schutz könne auch durch eine Verjährungshemmung erreicht werden.222 Auch bei der in den §§ 211, 212–215 BGB a. F. geregelten Dauer der Unterbrechung handele es sich letztlich um eine Hemmung.223 Praktisch hat die Änderung daher bei kurzen Fristen weniger Auswirkungen als es die unterschiedliche Rechtsfolge vermuten lässt.224 2. Gründe für die einzelnen Tatbestände der Verjährungshemmung Bis zum Inkrafttreten des SchRModG verband die Tatbestände der Hemmung (§§ 202, 203, 204 BGB a. F.)225 und der Ablaufhemmung (§§ 206, 207 BGB a. F.)226 ein Leitgedanke, der mit der Parömie agere non valenti non currit praescriptio227 zusammengefasst werden kann.228 Gegen denjenigen, der nicht klagen kann – und daher seinerseits die Hemmung der Verjährung nicht herbeiführen oder dies von ihm nicht erwartet werden kann –, darf keine Verjährung laufen.229 Indem die Rechtsverfolgungsmaßnahmen nunmehr ebenfalls mit Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 260 ff., 308 f., 321 f. Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 261 f. 221 BT-Drucks. 14/6040, S. 113, dort auch zu Beispielen der „hemmenden Wirkung“ der Unterbrechung; dem folgend Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 2. Siehe auch BMJ (Hrsg.), Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 84; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 1. Ausf. Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 260 ff., 308 f., 321 f. 222 Vgl. Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 40. 223 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vor §§ 203–213 Rn. 3. 224 Vgl. ohne Beschränkung auf die kurzen Fristen Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vor §§ 203–213 Rn. 3: Der Unterschied ist mehr dogmatischer Natur und betrifft weniger das praktische Ergebnis. Ebenso Krämer, Neuregelung des Verjährungsrechts, S. 137. 225 § 205 BGB beruht auf § 202 BGB a. F., § 206 BGB entspricht § 203 BGB a. F. und § 207 BGB geht auf § 204 BGB a. F. zurück. Zu den Änderungen im Einzelnen siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 118 f.; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 110 ff. 226 Nunmehr §§ 210, 211 BGB. Zu den Änderungen im Einzelnen siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 120; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 143 ff. 227 Benke/Meissel/Luggauer, Juristenlatein, S. 40: Für den, der nicht wirksam klagen kann, läuft die Verjährung nicht. Liebs, Lateinische Rechtregeln, S. 32: Die Verjährung läuft nicht gegenüber dem, der nicht wirksam klagen kann. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 27: Der Lauf der Verjährung wird gehemmt, solange der Anspruchsberechtigte seinen Anspruch unverschuldet nicht geltend machen kann. Zur neueren Geschichte des Satzes siehe Spiro, FS Lewald, 1953, S. 585 ff. 228 RGRK/Johannsen, § 202 Rn. 2; Planck/Planck, § 202 Anm. 1; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil, I/2, § 234 II. (S. 1415 f.); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1. 229 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1, § 205 Rn. 1. 219
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Hemmungswirkung ausgestattet wurden, lassen sich die Hemmungs- und Ablaufhemmungstatbestände des neuen Rechts nicht mehr auf einen einheitlichen Grundgedanken zurückführen.230 a) Hemmung nach §§ 205, 206, 207, 208 BGB und Ablaufhemmung nach §§ 210, 211 BGB In den von §§ 205–208, 210 f. BGB erfassten Fällen ist es dem Gläubiger tatsächlich oder rechtlich 231 nicht möglich oder unzumutbar, den Anspruch gegenüber dem Schuldner gerichtlich geltend zu machen, sodass diese Vorschriften noch immer mit dem Grundsatz agere non valenti non currit praescriptio begründet werden können.232 Im Fall des § 205 BGB steht dem Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, sodass dieser aus rechtlichen Gründen an der erfolgreichen Durchsetzung seines Anspruchs gehindert ist.233 § 206 BGB erfasst hingegen tatsächliche Hindernisse der Anspruchsdurchsetzung, soweit es sich bei diesen um höhere Gewalt handelt.234 In den Konstellationen des § 207 BGB ist hingegen eine Geltendmachung des Anspruchs rechtlich und tatsächlich möglich, sie ist dem Gläubiger aber nicht zumutbar, weil durch die gerichtliche Auseinandersetzung der Familienfriede gestört würde. Der Gläubiger soll nicht gezwungen sein, Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzuleiten, um die Verjährung eines Anspruchs zu verhindern, der wegen der familienrechtlichen Bindung sonst nicht geltend gemacht worden wäre.235 Mit dem durch das SchRModG neu geschaffenen § 208 BGB sollen durch S. 1 Minderjährige und junge Erwachsene geschützt 230 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1, § 204 Rn. 3; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 2 und Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 272: Kein gemeinsames Prinzip mehr, lediglich der übereinstimmende Gedanke, dass der Schuldnerschutz von gegenläufigen Gläubigerinteressen überlagert wird. 231 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 205 Rn. 1. 232 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1. 233 Grothe, in: MüKo-BGB, § 205 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 205 Rn. 1; Niedenführ, in: Soergel, § 205 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 45. Eine Hemmung würde zwar auch eine solche, im Ergebnis nicht erfolgreiche, Rechtsverfolgungsmaßnahme bewirken, deren Einleitung ist dem Gläubiger aber nicht zumutbar, Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 205 Rn. 3. Siehe ergänzend BGH NZI 2018, 154, 155 (Rn. 17, 19): Der Altmassegläubiger kann gezwungen sein, zur Verjährungshemmung Feststellungsklage zu erheben. 234 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 205 Rn. 1, § 206 Rn. 1; Niedenführ, in: Soergel, § 206 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, § 206 Rn. 2. 235 Niedenführ, in: Soergel, § 207 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 207 Rn. 1; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 207 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 207 Rn. 1; krit. aber Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 207 Rn. 2 f.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
werden, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Ergänzt wird dieser Schutz durch S. 2, wonach die Verjährung solange gehemmt ist, wie das Opfer mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft wohnt. In beiden Fällen kann es dem Gläubiger unzumutbar sein den Anspruch durchzusetzen, weil das Erlebte noch nicht verarbeitet wurde (S. 1)236 oder weil ihm die für die Verfolgung des Anspruchs erforderliche Ungebundenheit von Zwängen der häuslichen Gemeinschaft fehlt, solange diese besteht (S. 2).237 § 210 BGB trägt sowohl dem Umstand Rechnung, dass die Geltendmachung eines Anspruchs gegen einen nicht voll geschäftsfähigen Schuldner ohne gesetzlichen Vertreter erheblich erschwert ist, als auch, dass die nicht voll geschäftsfähige Person eigene Ansprüche ohne gesetzlichen Vertreter nicht geltend machen kann.238 § 211 BGB beruht auf dem gleichen Rechtsgedanken wie § 210 BGB239 und will die Unwägbarkeiten beheben, die aus der noch nicht geklärten Zuordnung des Nachlasses resultieren.240 b) Hemmung durch Rechtsverfolgung, § 204 BGB Die Zweckrichtung der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nach § 204 BGB unterscheidet sich wesentlich von der der anderen Hemmungsvorschriften des BGB. Nach allgemeiner Auffassung liegt § 204 BGB der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss.241 Während hinter den in §§ 205–208, 210 f. BGB geregelten Hemmungstatbeständen die Überlegung 236
Bei Minderjährigen kann die Geltendmachung des Anspruchs zudem dadurch erheblich erschwert sein, dass der Sorgeberechtigte dessen Durchsetzung nicht betreibt, BTDrucks. 14/6040, S. 119; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 208 Rn. 1. 237 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum SchRModG, BTDrucks. 14/7052, S. 181 f.; Henrich, in: BeckOK BGB, § 208 Rn. 1; vgl. auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 208 Rn. 1–3, der aber hauptsächlich auf die Entschließungsfreiheit als Schutzzweck abstellt, ebenso Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 208 Rn. 1, § 209 Rn. 1. 238 Grothe, in: MüKo-BGB, § 210 Rn. 1; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 210 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 210 Rn. 1. 239 Palandt/Ellenberger, § 211 Rn. 1; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 293. 240 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1, § 211 Rn. 1; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 211 Rn. 1. 241 Siehe nur BGH NJW 2017, 886, 888 f. (Rn. 35) u. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3 jew. m. w. N. Zudem Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 95–97. Ausf. sogleich unter 3. Kap., C) II. (S. 87).
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steht, dass dem Gläubiger die Durchsetzung seines Rechts aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist oder nicht zugemutet werden kann, führt bei § 204 BGB gerade die vom Gläubiger eingeleitete Rechtsdurchsetzung zur Hemmung.242 Nach Peters/Jacoby243 gehören aber einige der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände in den Kontext des Grundsatzes agere non valenti non currit praescriptio. Bei der Streitverkündung (Nr. 6) sei dem Gläubiger der Zweitprozess erst zumutbar, wenn die Basis geklärt sei. Ähnliches gelte für das selbständige Beweisverfahren (Nr. 7). Dem ist zuzugeben, dass in fast allen Fällen des § 204 Abs. 1 BGB eine sofortige Klage für den Gläubiger mit rechtlichen oder tatsächlichen Risiken verbunden wäre und damit diesen Tatbeständen auch eine Komponente der Unzumutbarkeit innewohnt. Bei Nr. 7 und Nr. 8 sind dies vor allem tatsächliche, bei der Streitverkündung tatsächliche und rechtliche Unsicherheiten. Die Klage ist bei Nr. 4, Nr. 11, Nr. 13 möglicherweise, bei Nr. 10, Nr. 12 mit Sicherheit unzulässig und daher eventuell unzumutbar. Bei Nr. 6a, Nr. 9 kann die Klage überflüssig sein; Nr. 14 wurde bis zum Inkrafttreten des SchRModG als Fall der höheren Gewalt gemäß § 203 Abs. 2 BGB a. F. und damit der Unzumutbarkeit behandelt. Allerdings geht der Gläubiger in all diesen Fällen gegen den Schuldner vor, während bei den anderen Hemmungstatbeständen aufgrund der Unzumutbarkeit die Rechtsverfolgung ganz ausbleibt. Damit liegt zum einen der Schwerpunkt auf der Behelligung des Schuldners und nicht darauf, dass der Gläubiger zur Untätigkeit gezwungen ist. Zum anderen bezieht sich in den genannten Fällen des § 204 Abs. 1 BGB die Unzumutbarkeit auf eine bestimmte Art der Rechtsverfolgung, nicht auf die Rechtsverfolgung insgesamt, wie es bei den §§ 205–208, 210 f. BGB der Fall ist. § 204 Abs. 2 BGB verhindert in Verbindung mit Abs. 1 zudem, dass während des Verfahrens, jedenfalls solange es betrieben wird, Verjährung eintreten kann.244 Solange der Anspruch Gegenstand einer in § 204 Abs. 1 BGB genannten Auseinandersetzung ist, darf er nicht verjähren, auch weil der Gläubiger auf die Verfahrensdauer nur eingeschränkt Einfluss hat.245
Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1, § 204 Rn. 3. In: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1. 244 BT-Drucks. 14/6040, S. 112; Pohlmann, JURA 2005, 1, 6; Brehm, BGB AT, Rn. 631 für § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. 245 Aus diesem Grund mussten die §§ 211, 212a–215 BGB a. F. Regelungen über die Dauer der Unterbrechung vorsehen und § 217 Alt. 2 BGB a. F. regelte, dass die neue Verjährung erst nach Beendigung der Unterbrechung beginnen kann. Der „reine“ Neubeginn des Verjährungslaufs hätte nämlich, insb. bei kurzen Verjährungsfristen, eine Verjährung während des Verfahrens nicht sicher verhindert, vgl. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 1. 242 243
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c) Hemmung bei Verhandlungen, § 203 BGB Der Regelung in § 203 BGB246 kann eine Stellung zwischen den herkömmlichen Hemmungstatbeständen und der Regelung des § 204 BGB zugeschrieben werden.247 Zum einen ist es dem Gläubiger nicht zumutbar gegen den Schuldner Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzuleiten, während er mit ihm in Verhandlungen steht. Die Verhandlungen würden dadurch erheblich belastet, wenn nicht gar abgebrochen.248 Zudem würde zur Verhinderung der Verjährung ein Rechtsstreit geführt, dessen es bei erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen überhaupt nicht bedarf.249 Dies ist weder rechtspolitisch gewünscht250 noch kostenbewusst. Insoweit folgt die Norm dem Grundsatz agere non valenti non currit praescriptio.251 Gleichzeitig stellt das Verhandeln über den Anspruch eine Art der Anspruchsdurchsetzung dar, wie sich schon an § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 8 BGB zeigt,252 und rückt § 203 BGB damit in die Nähe des § 204 BGB.253 Der Gläubiger, der seinen Anspruch vorgerichtlich geltend macht und dann mit dem Schuldner in Verhandlungen tritt, bringt ebenfalls zum Ausdruck, dass er seinen Anspruch realisieren will. Der Schuldner ist auch hier gewarnt.254 Weil die vorgerichtliche Mahnung nicht hemmt, muss sich dieser zwar nicht darauf ein246 Zu Entstehung und Regelungsgehalt des § 203 BGB siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 111 f.; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 12 ff.; Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578 f.; ausf. Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 17 ff., 80 ff. 247 Vgl. auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 1: „eigentümlicher Mischtatbestand“. 248 Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 26 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 209 Rn. 1, § 205 Rn. 2, § 203 Rn. 1; Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578, 1579. 249 BT-Drucks. 14/6040, S. 111; Spindler, in: BeckOK BGB, Stand: 01.02.2017, § 203 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 41. 250 BT-Drucks. 14/6040, S. 111; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 273; Fischinger, VersR 2005, 1641. 251 Ausf. Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 26 f. Im Übrigen stellt die Vorschrift eine Konkretisierung von § 242 BGB dar: Es wäre unbillig, wenn der Schuldner, der sich auf Verhandlungen mit dem Gläubiger eingelassen und diesen damit zunächst von der Klageerhebung abgehalten hat, sich später auf Verjährung berufen könnte, Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 273; BT-Drucks. 14/6040, S. 111; Spindler, in: BeckOK BGB, Stand: 01.02.2017, § 203 Rn. 2 f.; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 1; Fischinger, VersR 2005, 1641. 252 Siehe auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 3. 253 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 1. Siehe auch BGH NJW 2016, 236, 237 f. (Rn. 36), wo die Entscheidung, dass für den Beginn der Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB bei Beendigung des Güteverfahrens die Veranlassung der Bekanntgabe der Einstellungsverfügung an den Gläubiger maßgeblich ist, auch damit begründet wurde, dass wie bei § 203 BGB für das Ende der Hemmung ein klares und eindeutiges Verhalten der Partei zu fordern sei. 254 Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 36.
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stellen, nach Ablauf der Frist noch leisten zu müssen, er muss jedoch damit rechnen, dass der Gläubiger, wenn der Schuldner sich nicht auf Verhandlungen einlässt, vor Ablauf der Frist verjährungshemmende Maßnahmen nach § 204 Abs. 1 BGB ergreift. Um in einem späteren Prozess keine Nachteile zu erleiden, wird der Schuldner daher bei der vorgerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs intern die gleichen Maßnahmen treffen wie in den Fällen des § 204 Abs. 1 BGB.255 Freilich kann er diese aufgeben und sich auf Verjährung berufen, wenn Verhandlungen nicht stattfinden und der Gläubiger die rechtzeitige Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB versäumt hat. Der Unterschied zwischen § 203 BGB und § 204 Abs. 1 BGB ist im Fall der vorgerichtlichen Leistungsaufforderung der, dass bei § 203 BGB der Schuldner sich an der Art und Weise, wie der Anspruch realisiert werden soll, beteiligt, während die Rechtsverfolgungsmaßnahme nach § 204 Abs. 1 BGB hemmt, auch wenn sie (zunächst256) einseitig bleibt. Auch die Begründung zum Gesetzesentwurf des SchRModG geht davon aus, dass es sich bei Verhandlungen um eine Form der Rechtsdurchsetzung handelt, da die kurze Frist für die Ablaufhemmung in § 203 S. 2 BGB damit gerecht fertigt wurde, dass der Gläubiger bereits mit der Anspruchsdurchsetzung befasst sei.257
II. Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung, § 204 Abs. 1 BGB 1. Gründe für die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB a) Warnung des Schuldners durch Konfrontation mit einer Rechtsverfolgungsmaßnahme Zur Begründung der Verjährungsunterbrechung durch Rechtsverfolgung stellt Gebhard zunächst fest: „Ohne Zuthun des Verpflichteten bietet dem Berechtigten sich nur ein Mittel, Ungewißheit und Streit über die Existenz des Anspruchs 255 Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 36: Beweise konservieren, Rücklagen bilden, Regressansprüche sichern. 256 Schon §§ 278, 278a ZPO zeigen, dass dies, auch außerhalb von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, nicht so bleiben muss. Vgl. auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 118. 257 BT-Drucks. 14/6040, S. 112; ebenso Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 97. Dass die Frist von ursprünglich zwei Monaten später auf drei Monate verlängert wurde (vgl. BT-Drucks. 14/7052, S. 7, 180), steht dem nicht entgegen, da hierdurch nur die Überlegungszeit verlängert werden sollte, vgl. Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 8; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 36; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 9.
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zu heben: der gerichtliche Austrag.“258 Derselbe sei dann in verschiedener Weise möglich.259 In einem anderen Zusammenhang heißt es, die Erhebung der Klage bekunde den auf Feststellung des Rechtszustandes gerichteten Willen; sie sei das zur Erreichung dieses Zieles geeignete Mittel.260 Der Gesetzgeber des BGB ließ sich bei der Festlegung der Unterbrechungstatbestände des § 209 BGB 1900 von dem Grundsatz leiten, dass nur solche Handlungen des Berechtigten unterbrechen sollten, die auf eine gerichtliche oder dieser gleichstehenden Feststellung des Anspruchs abzielen. An zwei Stellen kommt das in den Motiven besonders zum Ausdruck: Zum Ersten heißt es zum Umfang der Verjährungsunterbrechung: „Die Klagerhebung unterbricht die Verjährung insoweit, als der Anspruch durch sie der richterlichen Entscheidung unterstellt ist. Nur in diesem Umfange kann das Urtheil Rechtskraft und damit Rechtsgewißheit schaffen (C. P. O. § 293 Abs. 1).“261 Zum Zweiten wird zur Begründung dafür, dass die Verwendung des Anspruchs im Wege der Einrede nicht unterbricht, ausgeführt, dass der Berechtigte hier „[…] auf die Betreibung der Feststellung des Anspruchs und damit auf dasjenige, was begrifflich allein geeignet ist, eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen“ verzichte.262 Dies war von der Überlegung getragen, dass dann, wenn der Anspruch rechtskräftig festgestellt ist – wie beim Anerkenntnis263 –, die durch die Zeit eintretende Unsicherheit entfällt und es der Verjährung nicht mehr bedarf.264 Demgegenüber wurde in Recht258 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 363. Siehe auch schon Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 780. 259 § 183 TE-AllgT nennt die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der Klage, die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der Einrede, die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren, die Vornahme einer Vollstreckungshandlung und die Streitverkündung als Unterbrechungsgründe, zudem unterbrach die Anmeldung im Konkursverfahren (§ 13 KO). Ausf. zu den einzelnen Unterbrechungstatbeständen und zur Frage, ob diese als solche anerkannt werden sollten, Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 363 ff. 260 Begründung zu § 188 TE-AllgT (1881), der den Neubeginn der unterbrochenen Verjährung regelte, Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 378. 261 Motive, Bd. I, S. 327. 262 Motive, Bd. I, S. 328. Siehe auch Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 224; Vorkommission RJA, 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1098 f.; Denkschrift, S. 34; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 182. 263 Siehe Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 361. Vgl. auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 296 f. 264 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 364 f. u. Motive, Bd. I, S. 327 für die Klage. Vgl. auch Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 209 Anm. 1; Henckel, JZ 1962, 335, 338. Demgegenüber sieht Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 182 den Grund darin, dass der Gesetzgeber ein Schutzbe-
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sprechung und Literatur des 19. Jahrhunderts verstärkt auf den Gesichtspunkt abgestellt, dass der Berechtigte durch die Rechtsverfolgung seine Untätigkeit beende und deshalb die Gründe für die Verjährung entfallen.265 Der Gesetzgeber des BGB 1900 war sich dabei freilich bewusst, dass der Gedanke der Feststellung nur bei §§ 209 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 210, 220 BGB 1900, nicht aber bei § 209 Nr. 3 und Nr. 4 BGB 1900 greift.266 Die Unterbrechung durch Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess (§ 209 Nr. 3 BGB 1900) und die Unterbrechung durch Streitverkündung (§ 209 Nr. 4 BGB 1900) wurden jedoch aus Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen zugelassen.267 Das der Unterbrechung nach §§ 209 f., 220, 477 Abs. 2, 639 Abs. 1 BGB a. F. zugrunde liegende Prinzip ist daher nicht, dass der Anspruch festgestellt wird, sondern dass der Berechtigte die Feststellung oder Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt.268 Für den nunmehr geltenden § 204 Abs. 1 BGB gilt dies erst recht, weil weitere Hemmungstatbestände geschaffen wurden, die nicht zu einer Feststellung des Anspruchs führen (§ 204 Abs. 1 Nr. 6a, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 14). Die Gerichte sehen daher – in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Auffassung in der Literatur269 – den Grund für die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung in ständiger Rechtsprechung darin, dass der Berechtigte durch die positive Betätigung seines Rechts im Prozesswege unmissverständdürfnis des Schuldners verneint, wenn dieser durch gerichtliche Verfolgung des Anspruchs gewarnt ist. Der Aspekt der Warnung tritt aber in den Gesetzmaterialien zum BGB allenfalls am Rande hervor. Auf die Rechtssicherheit durch Feststellung des Rechts stellen bspw. auch Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 16 f.; Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 116 f. u. Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 3 ab. 265 Siehe z. B. RGZ 24, 199, 202; RGZ 5, 122, 123; OAG Darmstadt Seuff. Arch. Bd. 9, Nr. 250; Nippel, Erläut. ABGB, Bd. 9, § 1497, Nr. 3 (S. 154); Koch/Hinschius, ALR, § 551, Anm. 13 (S. 617); Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 212. 266 Denkschrift, S. 34. Siehe auch Planck/Planck, § 209 Anm. 1, 2; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 3 f. u. BGHZ 72, 23, 28 f. Zudem Piekenbrock, Verjährung, S. 437: Unter geltendem Recht kein zwingender Zusammenhang zwischen der Rechtshängigkeit und dem Einfluss auf den Lauf der Fristen. 267 Denkschrift, S. 34. Ausf. für die Aufrechnung Vorkommission RJA, 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1098 f.; für die Streitverkündung Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 367. Siehe auch Piekenbrock, Verjährung, S. 438 f., 443; Steineker, Verjährungs unterbrechung durch Streitverkündung, S. 183 ff. 268 BGHZ 72, 23, 29; vgl. auch BGHZ 80, 222, 226. 269 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 286; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 277 f.; Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 64; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 43; ebenso schon Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 209. A. A. in Bezug auf die Warnfunktion Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 294, hierzu genauer unten 3. Kap., C) II. 1. c) (S. 93); zweifelnd auch Fries, JZ 2016, 723, 726, Fn. 39.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
lich zu erkennen gebe, dass er sein Recht durchsetzen wolle.270 Den Tatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB liege der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich mache, dass der Schuldner gewarnt werde und sich auf eine Inanspruchnahme noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen müsse.271 Dabei wurde insbesondere in der älteren Rechtsprechung zur Rechtfertigung der Verjährungsunterbrechung hauptsächlich auf das prozessuale Tätigwerden des Gläubigers, die positive Betätigung seines Rechts, abgestellt.272 Später tritt dann die durch diese Rechtsverfolgung beim Schuldner ausgelöste Wirkung, nämlich dass dieser sich auf die Inanspruchnahme einstellen muss, hinzu.273 Erst in jüngeren Entscheidungen ist dann explizit auch von einer Warnung des Schuldners die Rede.274 Dass hiermit auch eine dogmatische Änderung verbunden sein soll, ist nicht ersichtlich. Der Schuldner bedarf des Schutzes der Verjährung nicht mehr, wenn der Gläubiger durch die Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme zum Ausdruck gebracht hat, dass er seinen Anspruch durchsetzen will, weil er sich dann auf die Inanspruchnahme einstellen kann.275 Dass der Gläubiger seinen Rechtsverfolgungswillen ernsthaft und damit in einer Art und Weise zum Ausdruck bringt, die beim Schuldner zu einer Warnung führen muss, wird bei Initiierung der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen vom Gesetzgeber unterstellt.276 270 BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11); BGHZ 104, 268, 273 (bezogen auf § 209 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.); BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060 (ausdrücklich bezogen auf § 209 Abs. 1 BGB a. F. und die in §§ 209 Abs. 2, 210, 220 BGB a. F. sowie in Sonderbestimmungen gleichgestellten Fälle); ebenso BGHZ 122, 287, 294; BGHZ 93, 287, 298; BGH WM 1965, 1181, 1182; KG JW 1938, 45. 271 BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 16); BGH NJW 2017, 886, 888 f. (Rn. 35); BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11); BGHZ 137, 193, 198 (zu § 209 BGB a. F.). Inhaltlich identisch, aber nur indirekt auf die Warnung des Schuldners abstellend der VII. Senat, BGHZ 104, 268, 273: „Der Gläubiger, der die Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt, macht dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich, daß dieser sich darauf einrichten muß, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden.“, ebenso BGHZ 206, 41, 47 (Rn. 18); BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 19); BGHZ 80, 222, 226. Ohne explizite Erwähnung der Warnung des Schuldners BGHZ 123, 337, 343. 272 BGHZ 72, 23, 29; BGH WM 1965, 1181, 1182. In BGHZ 122, 287, 294; BGHZ 93, 287, 298; KG JW 1938, 45 jeweils für § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a. F. mit dem Zusatz, dass die prozessualen oder prozessähnlichen Rechtsverfolgungsakte den unmittelbar auf Zusprechung oder Vollstreckung gerichteten Willen des Gläubigers eindeutig erkennen lassen müssen. 273 BGHZ 104, 268, 273; BGHZ 80, 222, 226. 274 BGH NJW 2017, 886, 888 f. (Rn. 35); BGHZ 137, 193, 198 (zu § 209 BGB a. F.). 275 Vgl. Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 293. 276 BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060 für §§ 209, 210, 220 BGB a. F.; ebenso BGHZ 160,
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b) Setzt die Warnung des Schuldners dessen Kenntnis von der Maßnahme voraus? Die tatsächliche Kenntnis des Schuldners von der Rechtsverfolgungsmaßnahme ist keine Voraussetzung für den Eintritt der Verjährungshemmung. Gleichwohl hat der Gesetzgeber des SchRModG an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass es eine „heimliche Hemmung“, das heißt eine Hemmung ohne Kenntnis des Schuldners, nicht geben soll.277 Zudem leuchtet ein, dass eine Warnung beim Schuldner nur dann eintreten und dieser sich erst dann auf eine Inanspruchnahme einstellen kann, wenn er von der Rechtsverfolgungsmaßnahme weiß.278 In jedem Tatbestand des § 204 Abs. 1 BGB findet sich daher eine Hemmungsvoraussetzung, die darauf gerichtet ist, die Maßnahme dem Schuldner zur Kenntnis zu bringen.279 Bei Nr. 1, Nr. 2 Nr. 3, Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7280 und Nr. 9 ist dies die zum Eintritt der Hemmung erforderliche Zustellung. In den Fällen von Nr. 12 und Nr. 13 wird die Kundgabe durch die sich anschließende Rechtsverfolgung sichergestellt. In Nr. 4 und Nr. 14 soll die Kenntnis des Schuldners mittels der Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags erreicht werden. Durch die Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB erhält der Schuldner Kenntnis von der Rechtsverfolgungsmaßnahme, weil er am Prozess beteiligt ist.281 In § 204 Abs. 1 Nr. 8 wurde die Durchführung eines Begut259, 262: „Allen Fallgruppen der Vorschrift [§ 204 BGB] ist gemeinsam, daß der Gläubiger ernsthaft zu erkennen gibt, seinen behaupteten Anspruch durchsetzen zu wollen.“ 277 Insb. BT-Drucks. 14/6040, S. 114 zu § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB: Es entfalten grundsätzlich nur solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen verjährungsrechtliche Wirkung, die dem Schuldner bekannt werden. Zudem BT-Drucks. 14/6040, S. 114 zu § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB, S. 115 zu § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB, S. 116 zu § 204 Abs. 1 Nr. 12, Nr. 13 u. Nr. 14 BGB. Kritisch hierzu Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 284 ff. 278 Siehe auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51: Es ist Grundgedanke einer Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung, dass der Schuldner vom Durchsetzungswillen seines Gläubigers erfährt und kein Vertrauen auf den ungehinderten Fristablauf ausbilden kann. 279 Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 278: „Ihrer Warnfunktion entsprechend bilden die Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB Kundgabetatbestände.“; vgl. auch Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 284. Siehe schon oben 1. Kap., A) I. (S. 5). 280 Hierzu BGHZ 188, 128 ff. 281 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 192.1.: Anwesenheit des Schuldners in der mündlichen Verhandlung oder formlose Mitteilung des Schriftsatzes (§ 270 ZPO). Auf den Zugang der materiell-rechtlichen Aufrechnungserklärung, die als empfangsbedürftige Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs bedarf (§ 130 Abs. 1 BGB), kann nicht abgestellt werden, weil verjährungshemmend die Geltendmachung der Aufrechnung gegenüber dem Gericht wirkt und damit Verjährungshemmung bereits zu diesem Zeitpunkt eintritt, auch wenn die Aufrechnung erstmalig im Prozess erklärt wird, Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 211; Meller-Hannich, in:
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
achtungsverfahrens unter Beteiligung des Schuldners vereinbart, sodass dessen Kenntnis sichergestellt sein soll.282 Das schiedsrichterliche Verfahren nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB beginnt, wenn nicht anders vereinbart, gemäß § 1044 S. 1 ZPO mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat.283 Im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB weiß der verwaltungs- und verfügungsbefugte Insolvenzverwalter um die Anmeldung. Dies darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass eine solche Kenntnis beim Schuldner tatsächlich eintreten muss. Auch der BGH hat entschieden, dass es für die Unterbrechung der Verjährung nicht stets erforderlich ist, dass der Schuldner zugleich von dem gegen ihn gerichteten Anspruch erfährt.284 Die genannten Voraussetzungen sollen lediglich sicherstellen, dass der Schuldner die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Der Gesetzgeber geht daher nicht von dem Grundsatz aus, dass eine Hemmung der Verjährung nur bzw. erst eintreten kann, wenn dem Schuldner die Rechtsverfolgungsmaßnahme bekannt geworden ist,285 sondern es genügt, wenn der Schuldner sie hätte zur Kenntnis nehmen können. In den Fällen der Zustellung zeigt sich das schon daran, dass durch diese dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme von einem Dokument verschafft werden soll,286 die Kenntnisnahmemöglichkeit also genügt.287 Gleiches gilt für die nichtförmliche Bekanntgabe eines Dokuments. Für eine wirksame Zustellung genügt die Einhaltung der Zustellungsvoraussetzungen; eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht notwendig, im Falle der öffentlichen
BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 192; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 38; a. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 72, die jedoch § 167 ZPO entsprechend anwenden wollen. 282 BT-Drucks. 14/6040, S. 114; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 75; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 49. Dies überzeugt allerdings nur für den Fall, dass die Vereinbarung dem eigentlichen Vertrag über die Leistung nachfolgt. Wenn die Abrede schon in diesem Vertrag enthalten ist, ist nicht sichergestellt, dass der Schuldner zeitnah von dem Beginn des Verfahrens Kenntnis erhält. 283 Zur Notwendigkeit einer Zustellung demnächst i. S. d. § 167 ZPO, wenn die Parteien, was § 1044 S. 1 ZPO ausdrücklich erlaubt, für den Beginn eine abweichende Vereinbarung getroffen haben (Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, D, Rn. 112; Sandrock, FS Böckstiegel, 2001, S. 671, 678) und daher bspw. das Verfahren mit Eingang des Antrags bei der Schiedsinstitution beginnt, siehe einerseits Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 55; Schlosser, in: Stein/Jonas23, § 1044 Rn. 6 und andererseits Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 101; zudem Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 32. 284 BGH NJW 1980, 1458. Ebenso BAG NJW 2018, 1038, 1039 (Rn. 25). 285 So aber Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 284. 286 Zöller/Schultzky, § 166 Rn. 2. 287 Saenger/Siebert, § 166 Rn. 1.
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Zustellung (§§ 185–188 ZPO) sogar recht unwahrscheinlich.288 Die Bekanntgabe im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB289 und des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB ist veranlasst, wenn die Gütestelle oder das Gericht Maßnahmen unternommen haben, durch die das Güteverfahren oder der Antrag dem Schuldner bekannt werden wird. Dies geschieht regelmäßig durch Aufgabe zur Post, die aktenmäßig dokumentiert werden muss.290 Eine Hemmung tritt bei Nr. 4 und Nr. 14 daher auch dann ein, wenn das Dokument auf dem Postweg verloren geht und somit eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme nicht bestand.291 Bei normalem Verlauf der Dinge kann aber auch hier von einer Kenntnisnahmemöglichkeit ausgegangen werden. Die anderen Fälle des § 204 Abs. 1 BGB dürften im Hinblick auf die Kenntnis des Schuldners von der Rechtsverfolgungsmaßnahme keine Schwierigkeiten aufwerfen. Um den Interessen des Gläubigers ausreichend Rechnung zu tragen, ist es notwendig, die Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreichen zu lassen, da andernfalls der Schuldner durch Verweigerung der Kenntnisnahme die Hemmung verhindern könnte. Dem Gläubiger muss es bei § 204 Abs. 1 BGB aber gerade möglich sein, ohne Zutun des Schuldners die Hemmung zu bewirken.292 c) Fehlen der Warnfunktion? Zu weit geht es aber, wenn Toussaint293 aus einer historischen Betrachtung folgert, dass den Rechtsverfolgungsmaßnahmen eine Warnfunktion nicht zukomme und er die Rechtfertigung des § 204 BGB ausschließlich in der vom Gläubiger betrieben Anspruchsdurchsetzung sieht.294 Zwar mag es zutreffen, dass bei 288 Insoweit zutreffend Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 285. Vgl. auch BGH NJW 1980, 1458. 289 Wird die Bekanntgabe aber erst nach Fristablauf veranlasst, kann bei § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB nunmehr nur dann auf den Eingang abgestellt werden, wenn die Bekanntgabe demnächst erfolgt, hierzu oben 2. Kap., A) II. 2. (S. 21). 290 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 175, 176; Mansel/ Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 50. 291 Zu Nr. 4: Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 176; kritisch deshalb NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 80 u. Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 24. Dagegen fordern Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 60 u. Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19 für den Eintritt der Hemmung generell eine tatsächliche Bekanntgabe. Nach Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 117 gilt dies auch für Nr. 14, der Verweis auf BGH NJW 2008, 1939, 1940 (Rn. 11) belegt diese Auffassung aber nicht, BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 10). 292 Vgl. schon Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 363. 293 Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279 ff. 294 Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 289, 294. Die Warnung wird zudem nicht, wie
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
Schaffung des § 209 BGB 1900 nicht die Warnung des Schuldners maßgebend 295 und jedenfalls § 209 Abs. 1 BGB 1900 noch dem Denken der Klagenverjährung verhaftet war.296 Nicht hinreichend berücksichtigt wird dabei aber, dass auch schon vor Windscheid das Klagrecht materiell-rechtlich qualifiziert wurde297 und auch dann, wenn man die Klageerhebung als Ausübung des materiellen Rechts versteht,298 ein Bedarf dafür besteht, dass durch Klageerhebung auf den Lauf der Verjährungsfrist Einfluss genommen werden kann. Ganz wesentlich ist aber, dass diese Betrachtungsweise dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers des SchRModG widerspricht, da dieser bei der Fassung der einzelnen Hemmungstatbestände darauf Wert gelegt hat, dass sie eine Voraussetzung enthalten, durch die eine Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners sichergestellt werden soll.299 Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Warnung des Schuldners tragendes Prinzip des § 204 Abs. 1 BGB ist und hat aus diesem für § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB sogar ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal abgeleitet.300 Schließlich wird eine solche Betrachtung auch den Verjährungszwecken nicht gerecht. Dient die Verjährung wesentlichen Interessen des Schuldners, müssen dessen Interessen bei den Vorschriften, durch die der Verjährungslauf gehindert wird, berücksichtigt werden. Im Fall des § 204 Abs. 1 BGB hat dies der Gesetzgeber dadurch bewerkstelligt, dass der Schuldner von der Rechtsverfolgungsmaßnahme Kenntnis erhalten soll.301 Es bleibt mithin dabei, dass aus Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes eine Hemmung auch dann eintritt, wenn der Schuldner von der Maßnahme erfahren konnte, das heißt die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte. Die Fälle der ErToussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 285 meint, dem Zustellungserfordernis als solchem, sondern der Rechtsverfolgung insgesamt zugeschrieben. 295 Siehe oben 3. Kap., C) II. 1. a) (S. 87). 296 Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 287 f. 297 Siehe oben 1. Kap., B) I. 2. (S. 12). 298 Vgl. Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 287. 299 Siehe Nachweise im 3. Kap., Fn. 277 (S. 91). 300 BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). Genauer siehe unten 7. Kap., B) I. 2. (S. 279). 301 A. A. Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 289, der anführt, dass bei der Hemmung nach § 206 BGB an die Verhältnisse des Gläubigers angeknüpft werde (von denen der Schuldner nichts wissen muss). Wegen der unterschiedlichen Zielrichtung kann § 206 aber nicht als Auslegung für § 204 BGB herangezogen werden. Den Hemmungstatbeständen liegt eben gerade keine einheitliche Wertung zugrunde, siehe oben 3. Kap., C) I. 2. (S. 82). Auch der Verweis auf den subjektiven Verjährungsbeginn des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfängt nicht. Zum einen geht es bei § 204 BGB nicht um den Beginn der Verjährungsfrist, sondern um das Anhalten einer bereits in Gang gesetzten Frist. Zudem dürften die Fälle, insb. in Vertragsverhältnissen, in denen der Schuldner den Fristbeginn nicht bestimmen kann, selten sein. Sollte dies ausnahmsweise doch der Fall sein, gelten die kenntnisunabhängigen Höchstfristen des § 199 Abs. 2 bis Abs. 4 BGB.
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satzzustellung (§§ 178–181 ZPO) und der öffentlichen Zustellung (§§ 185–188 ZPO) sind dabei als Wertung des Gesetzgebers dahingehend zu verstehen, dass in diesen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit eine Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners unterstellt wird bzw. die Schuldnerinteressen die des Gläubigers überwiegen, wenn die Form der Ersatzzustellung eingehalten wird. Durch die in jeder Nummer des § 204 Abs. 1 BGB enthaltenen Kundgabetatbestände will der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Schuldner im Normallfall von der Rechtsverfolgungsmaßnahme Kenntnis erlangt. Wenn im Einzelfall diese Kenntnis nicht eintritt, ist es aufgrund des Gläubigerschutzes dennoch geboten die Hemmung eintreten zu lassen, auch wenn der Schuldner in diesem konkreten Fall nicht oder erst (möglicherweise weit) nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist gewarnt wurde. Das Risiko, nicht oder erst später von der Rechtsverfolgungsmaßnahme zu erfahren, verlagert der Gesetzgeber mithin zugunsten des Gläubiges auf den Schuldner. Dies zeigt sich nicht nur an den Regelungen der §§ 178–181 und §§ 185–188 ZPO, sondern bereits ganz deutlich an § 167 ZPO. Diese den Zeitaspekt betreffende Risikoverschiebung zu Lasten des Schuldners ist aber grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn für diesen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand. Zwar ist zuzugeben, dass in den Fällen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 eine Hemmung ohne Kenntnis des Schuldners und ohne Einhaltung bestimmter, die Schuldnerinteressen sichernder, Vorschriften (wie die der Ersatzzustellung, §§ 178–181 ZPO) möglich ist. Das ist aber als gesetzgeberische Entscheidung, bei der die Gläubigerinteressen höher gewichtet wurden als die des Schuldners,302 zu akzeptieren. Es ist aber in den Fällen der Nr. 4 und Nr. 14 grundsätzlich notwendig, dass der Gläubiger die Voraussetzungen erfüllt hat, die erforderlich sind, damit beim Schuldner die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet ist.303 d) Beschränkung der Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB durch „Beschleunigungsinteresse“ des Schuldners Aus der Rechtsprechung des BGH zum Individualisierungserfordernis bei Güteanträgen304 und aus den Entscheidungen, in denen der BGH dem Gläubiger nach § 242 BGB die Berufung auf den Eintritt der Verjährungshemmung versagt hat, weil dieser sich den Mahnbescheid „erschlichen“ habe305 oder weil der 302
Vgl. BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). Vgl. BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). Genauer unten 7. Kap., B) I. 2. (S. 279). 304 BGHZ 206, 41; BGH NJW 2015, 3297; BGH NJW 2016, 233. Hierzu unten 5. Kap., B) I. 3. c) (S. 158) u. 7. Kap., C) IV. 1. (S. 291). 305 BGH NJW 2015, 3160; BGH NJW 2015, 3162. Hierzu unten 5. Kap., B) III. 3. b) aa) (S. 183) u. 7. Kap., C) III. 2. (S. 288). 303
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Schuldner von vornherein erklärt habe, er werde sich an einem Güteverfahren nicht beteiligen306, hat Regenfus307 ungeschriebene Voraussetzungen der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung abgeleitet, die im Rahmen der Abwägung bei § 242 BGB Berücksichtigung finden sollen.308 Der BGH erkenne „[…] ein – auch über die Gesetzeslage hinausgehendes – legitimes Interesse des Schuldners an, dass der Gläubiger nicht uneingeschränkt den Eintritt der Verjährung durch Ergreifung verjährungshemmender Maßnahmen hinauszögern kann, sondern dass es entweder zu deren Eintritt oder zu einer verbindlichen Klärung durch ein Gericht kommt.“309 Dieser, als Beschleunigungsinteresse bezeichnete, Belang des Schuldners sei § 204 BGB ebenfalls immanent.310 Der Schuldner solle nicht unnötige Zeit der Ungewissheit ausgesetzt sein, ob ein Anspruch besteht. Solange eine endgültige Entscheidung des Gerichts ausbleibe, bestünden erhebliche psychische und finanzielle Belastungen für den Schuldner, dieser müsse Rückstellungen bilden und sei in seinen Dispositionsmöglichkeiten eingeschränkt. Diese Unsicherheiten und Nachteile würden auch nicht dadurch relativiert, dass der Schuldner durch eine wiederholte Manifestation des Rechtsverfolgungswillens gewarnt werde.311 Aufgrund der Regelung des § 204 Abs. 2 BGB und der Möglichkeit, Rechtsverfolgungsmaßnahmen nach § 204 Abs. 1 BGB zu kumulieren, könne der Gläubiger die Zeit bis zum Prozessbeginn erheblich strecken.312 Demgegenüber gebe es keine schützenswerten Interessen des Gläubigers durch wiederholte Hemmung den Eintritt der Verjährung hinauszuschieben und „auf Zeit zu spielen“.313 Der Gläubiger könne sich daher nach § 242 BGB nicht auf Verjährungshemmung berufen, wenn er „eine Rechtsverfolgungsmaßnahme in dem Wissen eingeleitet hat, dass diese nicht zu einem erfolgreichen Abschluss führen wird, oder in denen jedenfalls so
306
BGH NJW 2016, 233. Hierzu unten 7. Kap., C) IV. 3. (S. 293). Regenfus, „Ungeschriebene Voraussetzungen der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung“, NJW 2016, 2977 ff. 308 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980 f. In eine ähnliche Richtung schon Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 82 ff., 98 ff., 124 ff. 309 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980. 310 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981. 311 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980. 312 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980. Zur Begründung führt Regenfus auch Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK an. Zudem könne der Rechtsprechung zum Beginn der Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, der restriktiven Handhabung des § 206 BGB und § 204 Abs. 2 S. 2 BGB das Interesse des Schuldners entnommen werden, „dass der Zeitraum bis zum Verjährungseintritt oder bis zum eigentlichen Prozessbeginn nicht im Belieben des Gläubigers stehen darf.“ 313 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980. 307
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gewichtige Defizite vorliegen, dass deren Erfolg von vornherein nicht erwartet werden konnte.“314 Die Etablierung eines solchen Beschleunigungsinteresses stößt auf erhebliche Bedenken und ist im Ergebnis abzulehnen. Zunächst ist fraglich, ob den Entscheidungen des BGH ein solcher – übergeordneter – Gesichtspunkt überhaupt entnommen werden kann: Im Hinblick auf die Urteile zur Individualisierung von Güteanträgen hält sich der BGH an die bisherige Rechtsprechung zur Verjährungshemmung und -unterbrechung und stellt auch aus diesem Grund auf die Erkennbarkeit für die Gütestelle ab.315 In den Fällen, in denen er dem Gläubiger unter Rückgriff auf § 242 BGB versagt, sich auf die Verjährungshemmung zu berufen, war wohl eher Einzelfallgerechtigkeit als die Durchsetzung eines übergeordneten Prinzips beabsichtigt. Hiervon abgesehen sprechen auch in der Sache selbst mehrere Gründe gegen die Anerkennung eines Beschleunigungsinteresses. Zunächst ist im Ausgangspunkt von einer Gleichrangigkeit der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände auszugehen.316 Dem widerspricht es, wenn bei Regenfus letztlich317 nur die Klage als „risikofreie“ Rechtsverfolgungsmaßnahme übrig bleibt. Das postulierte Beschleunigungsinteresse führt in der Konsequenz dazu, dass eine Pflicht des Gläubigers statuiert wird, eine zügige gerichtliche Klärung herbeizuführen. Damit werden die übrigen Hemmungstatbestände zu „Hilfshemmungen“ herabgestuft, bei denen der Gläubiger ein erhöhtes Risiko trägt, denn auf Hemmung soll er sich nicht berufen dürfen, „wenn er zumindest deren Scheitern vorhersehen musste“.318 Nicht benannt wird, wann die Rechtsverfolgungsmaßnahme als gescheitert zu gelten hat. Die Anwendung des postulierten Beschleunigungsinteresses auf noch nicht entschiedene Konstellationen319 legt Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981. Siehe auch S. 2982: Keine Hemmung, „wenn der Gläubiger [bei der Rechtsverfolgung] die Rücksicht auf den Schuldner in grober Weise vermissen lässt. Dies ist der Fall, wenn er eine Rechtsverfolgungsmaßnahme ergriffen hat, ohne sie zu einem Abschluss führen zu wollen, oder wenn deren Erfolg – insbesondere wegen elementarer Defizite des Antrags – von vornherein ausgeschlossen erscheinen musste.“ 315 Hierzu unten 5. Kap., B) I. 3. (S. 150). 316 BGHZ 160, 259, 262. Genauer unten 6. Kap., A) III. (S. 231). 317 Zwar dürfe der Gläubiger „sich der vom Gesetzgeber wahlweise angebotenen Mittel zur Rechtsverfolgung bedienen und es darauf ankommen lassen, mehrere Eskalationsstufen durchzugehen. Versteht [i. S. v. „Verstünde“] man die Möglichkeiten der Hemmung restriktiv, würde dem Gläubiger genommen, was ihm die Rechtsordnung bewusst gegeben hat. Anderes gilt, wenn er mit der eingeleiteten Maßnahme gar keine Rechtsverfolgung bezweckt, sondern nur Zeit gewinnen will, oder wenn er zumindest deren Scheitern vorhersehen muss.“, Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981. 318 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981. 319 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981 f.: Keine Hemmung, wenn der Wohlhabende Prozesskostenhilfeantrag stellt. Entfallen der Hemmungswirkung, wenn die Klage ohne nachvoll314
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
jedoch nahe, dass der Gläubiger um die Verjährungshemmung fürchten muss, wenn er eine Verzögerung der endgültigen gerichtlichen Entscheidung voraussehen konnte. Selbstverständlich ist die Verjährungshemmung, wie jede andere Rechtsfolge, kein Selbstzweck, sie ist aber auch nicht materielle Nebenwirkung der Rechtsverfolgung.320 Die Rechtsverfolgung ist vielmehr Mittel der Verjährungshemmung. Die Verneinung der Hemmungswirkung kann mithin nicht allein darauf gestützt werden, dass der Gläubiger zunächst die Hemmung erreichen will und die Durchsetzung des Rechts hinter diesem Ziel zurücktritt.321 Verjährungshemmende Maßnahmen sind, wie der Name sagt, dazu da, den Eintritt der Verjährung hinauszuschieben. Sie müssen, wie der Katalog des § 204 Abs. 1 BGB zeigt (z. B. Nr. 4, Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 8, Nr. 9), nicht darauf gerichtet sein, eine endgültige Entscheidung herbeizuführen. Dabei war es Wille des Gesetzgebers, diesen Katalog zu erweitern, um die Gläubigerinteressen hinreichend zu wahren.322 Die Anerkennung eines Beschleunigungsinteresses kann mit diesem gesetzgeberischen Willen nur schwer in Einklang gebracht werden. Im Zusammenhang hiermit steht, dass im angestrebten Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen die Vorschrift des § 204 BGB dazu dienen soll, erstere zu wahren. Der Regelung kann daher auch entnommen werden, dass der Gesetzgeber in der Regel davon ausgeht, dass mit Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme der Schuldner gewarnt wird und damit die Gründe für die Verjährung entfallen. Hiermit geht eine vom Gesetzgeber gewollte Lastenverlagerung auf den Schuldner einher. Generalisierend nimmt dieser an, dass sich der Schuldner nach der Konfrontation mit der Rechtsverfolgung gegen die mit dem Zeitablauf verbundenen Risiken wappnen kann. Dieser angestrebten Lastenverteilung wird man nur dann gerecht, wenn es nun dem Schuldner obliegt, die hiermit verbundenen Nachteile zu beseitigen: Beeinträchtigen ihn im Einzelfall die mit dem Zeitablauf verbundenen Schwierigkeiten trotz der erfolgten Warnung in einer Weise, die eine zügige und endgültige gerichtliche Entscheidung erfordern, dann ist es an ihm, die Klärung durch eine negative ziehbaren Grund erhoben, zurückgenommen und anschließend erneut erhoben wird. Letzteres dürfte mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers nur schwer in Einklang zu bringen sein, siehe BT-Drucks. 14/6857, S. 44. 320 So aber Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980. 321 Ebenso für Verjährungshemmung durch Güteantrag BGH VersR 2016, 907, 908 (Rn. 17); BGH NJOZ 2016, 645 (Rn. 12, für den konkreten Fall jedoch anders); BGH NJW 2016, 236, 237 (Rn. 25); BGH NJW 2016, 233, 235 (Rn. 33, für den konkreten Fall jedoch anders); BGHZ 123, 337, 345. 322 BT-Drucks. 14/6040, S. 91. Siehe auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 12.
C. Zweck der Verjährungshemmung
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Feststellungsklage herbeizuführen.323 Er hat somit ein Mittel an der Hand, sich gegen Verzögerungen zu wehren. In den Fällen, in denen der Gläubiger eine Rechtsverfolgungsmaßnahme wählt, die nicht oder nicht alsbald zu einer endgültigen Entscheidung über den Anspruch führt, und der Schuldner hierdurch besonders belastet wird, weil er sich länger leistungsbereit halten muss, ist der Verweis auf die Erhebung einer negativen Feststellungsklage interessengerechter als eine Verschärfung der Hemmungsvoraussetzungen insgesamt. Nach Regenfus324 soll sich der Gläubiger nicht auf die Hemmung berufen können, „wenn deren Erfolg – insbesondere wegen elementarer Defizite des Antrags – von vornherein ausgeschlossen erscheinen musste“. Dieses Kriterium bedürfte weiterer Konkretisierung, um dem Gläubiger ex ante die Beurteilung zu ermöglichen, ob seine Rechtsverfolgung hemmt oder nicht.325 Allerdings ist fraglich, ob dies gelingen kann, da hierbei zu berücksichtigen wäre, dass sich durch die Einleitung einer Rechtsverfolgungsmaßnahme die Haltung auf Schuldnerseite ändern kann:326 Die Konfrontation mit der Rechtsverfolgungsmaßnahme kann den Schuldner zunächst dazu veranlassen, sich zumindest teilweise auf die Forderung des Gläubiger einzulassen, da er nunmehr sieht, dass dieser es ernst meint. Auch wird er nicht selten den Rat eines Rechtsanwalts einholen. Nach erfolgter Darlegung der Rechtslage durch diesen ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Schuldner nunmehr doch auf eine Verhandlung einlässt oder sich nach Zustellung des Mahnbescheids außergerichtlich mit dem Gläubiger einigt. Die Rechtsverfolgung durch den Gläubiger ändert mithin den Sachverhalt so grundlegend, dass eine zuverlässige Prognosebasis regelmäßig fehlen wird. Im Ergebnis ist das Beschleunigungsinteresse mit der Konzeption des § 204 Abs. 1 BGB nicht in Einklang zu bringen. Die Initiierung einer der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Maßnahmen ist Rechtsverfolgung, welcher der Gesetzgeber Verjährungshemmung beimisst. Weil § 242 BGB in der gesamten Rechtsordnung Anwendung findet, ist damit freilich nicht ausgeschlossen, dass die Verjährungshemmung versagt werden kann, wenn der Gläubiger die ihm in § 204 Abs. 1 BGB eingeräumten Befugnisse entgegen Treu und Glauben zu Lasten des Schuldners ausnutzt, beispielsweise weil er in nicht mehr erträglicher Weise „auf Zeit spielt“.327 Der Verstoß gegen § 242 BGB muss sich jedoch 323 Siehe auch Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980: „[Die] Möglichkeit, selbst für eine zeitnahe Entscheidung zu sorgen, relativiert hier die Schutzwürdigkeit des Schuldners.“ 324 NJW 2016, 2977, 2982. 325 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2981. 326 Ebenso für § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB Riehm, NJW 2017, 113, 117. 327 Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4: Mehrere gleichgerichtete Anträge in halbjährlicher Folge, die stets kurzfristig zurückgenommen werden.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
ergeben, ohne dass ein besonderes Beschleunigungsinteresse des Schuldners anerkannt wird. 2. Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung und der Zweck der Verjährung Leitet der Gläubiger eine Rechtsverfolgungsmaßnahme ein, macht er seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungszeit einstellen muss.328 Der Schuldner bedarf dann des Schutzes der Verjährung nicht mehr in gleichem Maße, sodass es gerechtfertigt ist, die Gläubigerinteressen höher zu gewichten und den Lauf der Verjährung anzuhalten. Weiß der Schuldner, dass er mit einem Anspruch konfrontiert wird – oder hatte er jedenfalls die Möglichkeit dies zu wissen –, ist es ihm nunmehr zuzumuten, Beweise zu sichern, bereits gesicherte Beweise weiterhin aufzubewahren und bei seinen weiteren wirtschaftlichen Tätigkeiten die Inanspruchnahme zu berücksichtigen.329 Er kann somit seine Beweisnot verhindern oder jedenfalls erheblich lindern. Die Last, die gesicherten Beweismittel aufzubewahren, besteht zwar weiterhin, sie erhält jedoch mit der Inanspruchnahme einen konkreten Zweck und erfolgt nicht mehr nur für eine hypothetische Verteidigung. Für die wirtschaftlichen Dispositionen des Schuldners schafft die Inanspruchnahme eine neue Basis. Hinsichtlich der Frage, ob der Gläubiger überhaupt seinen Anspruch verfolgen wird, entfällt die Unsicherheit vollständig. Für den Schuldner ergibt sich eine neue Bewertungsgrundlage, da sich nun nicht mehr die Frage stellt, ob der Gläubiger die Leistung einfordern wird oder nicht, sondern ob und, wenn ja, in welchem Umfang dessen Rechtsverfolgung erfolgreich ist. Hinsichtlich dieser Erfolgsaussichten besteht weiterhin eine Unsicherheit, die auch die wirtschaftlichen Dispositionen des Schuldners beeinträchtigt. Bei dieser Unsicherheit handelt es sich aber nunmehr um das allgemeine Risiko einer Rechtsverfolgung, welches jeder Partei zugemutet werden muss. Dies auch deshalb, weil der Schuldner nunmehr unter Zugrundelegung der Anträge des Gläubigers und der Bewertung seiner Beweismittel eine Analyse der Sach- und Rechtslage vornehmen kann. Deren Resultat bildet eine fundiertere Grundlage für die weitere wirtschaftliche Tätigkeit, als die Einschätzung vor der Inanspruchnahme, da die Frage, ob eine solche erfolgen wird, häufig nur Spekulation sein kann. 328
Siehe nur BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 286: Der Schuldner „kann und muss sich darauf einrichten, dass er die Forderung entweder abwehren, ihren Mangel oder ihre Tilgung beweisen, oder dann erfüllen muss.“; Regenfus, NJW 2016, 2977, 2978; Peters, AcP 208 (2008), 37, 46; Oetker, Die Verjährung, S. 58. 329
C. Zweck der Verjährungshemmung
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Wird der Schuldner mit einem bisher unbekannten Anspruch konfrontiert, hat er nunmehr die Gelegenheit, sich so gut wie möglich gegen die Inanspruchnahme zu wappnen und eine mögliche Leistungspflicht erstmals bei seinen Dispositionen zu beachten. 3. Warnung auch bei unzulässigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen Eine Warnung des Schuldners geht grundsätzlich auch von unzulässigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen aus.330 Entscheidend sei allein, dass der Gläubiger durch die Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme ernsthaft zu erkennen gebe, dass er seinen Anspruch durchsetzen wolle.331 Dieser Rechtsdurchsetzungswille werde grundsätzlich auch bei einer unzulässigen Rechtsverfolgungsmaßnahme deutlich, sodass der Schuldner durch diese ebenfalls gewarnt sein müsse. An dieser Stelle soll die Feststellung, dass die Unzulässigkeit der Maßnahme der Warnung des Schuldners nicht entgegensteht, genügen.332 Soweit vor Inkrafttreten des BGB fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen eine unterbrechende Wirkung zugesprochen wurde, wurde dies teilweise damit begründet, dass auch bei einer solchen der Kläger seine Untätigkeit beendet habe und damit das für die Unterbrechung Erforderliche vorgenommen worden sei.333
III. Neubeginn der Verjährung durch Rechtsverfolgung, § 212 BGB Auch die in § 212 BGB genannten Neubeginnstatbestände beinhalten Elemente der Rechtsverfolgung. Für den Neubeginn durch Beantragung oder Vornahme einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich dies daraus, dass es bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen um die Durchsetzung subjektiver Rechte334 und damit um Rechtsverfolgung geht. Hier bringt der Gläubiger – möglicherweise sogar am intensivsten – zum Ausdruck, dass er seinen Anspruch tatsächlich realisieren will und sich nicht mit
330
BGHZ 160, 259, 262 ff.; BGH NJW 1995, 1675, 1676; BGH NJW-RR, 1994, 514, 515; BGHZ 104, 268, 273; BGHZ 80, 222, 226; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 282; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 315 f., 323; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 36; Tiedtke, BB 1981, 1920; vgl. auch Piekenbrock, Verjährung, S. 433. 331 Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 282. 332 Ausf. unten 4. Kap., C) (S. 136) sowie 5. Kap., A) (S. 143) u. B) III. (S. 170). 333 RGZ 24, 199, 202; RGZ 5, 122, 123; OAG Darmstadt Seuff. Arch. Bd. 9, Nr. 250; Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 212; Nippel, Erläut. ABGB, Bd. 9, § 1497, Nr. 3 (S. 155); Koch/ Hinschius, ALR, § 551, Anm. 13 (S. 617). 334 Lackmann, in: Musielak/Voit, Vor § 704 Rn. 1; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 1 f.
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
dessen Titulierung zufrieden gibt.335 Zudem fand sich dieser Neubeginnsgrund bereits in § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB a. F. und damit in der gleichen Norm wie die jetzt in § 204 BGB geregelten Rechtsverfolgungsmaßnahmen. Die nunmehr abweichend geregelte Rechtsfolge hat hieran nichts geändert.336 Aber auch § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB hat eine inhaltliche Nähe zu den Rechtsverfolgungsmaßnahmen des § 204 Abs. 1 BGB. Wenn hinter § 204 BGB die Überlegung steht, dass der Gläubiger durch seine Rechtsverfolgungsmaßnahme den Schuldner warnt, bedarf es einer solchen Warnung durch den Gläubiger im Fall des Anerkenntnisses nicht, weil der Schuldner durch sein eigenes Tun gewarnt wird.337 Erkennt dieser den Anspruch an, gibt er zu erkennen, dass er schuldet,338 sodass im Umfang der Reichweite des Anerkenntnisses die rechtliche Unsicherheit entfällt.339 Insoweit kommt es auf die Beweismittel nicht mehr an, die Beweisnot besteht nicht mehr.340 An die Stelle der alten Beweismittel treten möglicherweise neue, zum Beispiel die zum Nachweis der bereits erbrachten Erfüllungshandlungen erforderlichen Dokumente. Die Dispositionsfreiheit des Schuldners ist insoweit wiederhergestellt, als er durch das Anerkenntnis zu verstehen gibt, dass er die Leistung erbringen muss. Hierfür muss er dann auch Kapazitäten bereitstellen. Tut er dies nicht, ist er jedenfalls nicht mehr schutzwürdig. Auch wenn durch das Anerkenntnis das Leistungsinteresse des Gläubigers nicht befriedigt wird,341 macht es die Rechtsverfolgung dennoch jedenfalls zunächst entbehrlich, weil deren Zweck im Hinblick auf die Verjährung bereits erreicht ist:342 Soll der Schuldner aufgrund der Rechtsverfolgungsmaßnahme gehalten sein, die Beweismittel weiterhin bereitzuhalten und in seine wirtschaftlichen Dispositionen eine mögliche Leistungspflicht einzustellen, 335 BT-Drucks. 14/6040, S. 120; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 212 Rn. 2; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 52; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 298 („erst recht“); siehe auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 36. 336 Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 7, Rn. 5, 13. 337 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 4, die zudem eine Parallele zur Selbstmahnung beim Verzug ziehen; ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 6. 338 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 371. 339 Vgl. Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 779; Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 361. 340 Siehe auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 348 f. 341 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 349; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 4. 342 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 349 f. Der Gläubiger wird durch das Anerkenntnis daher auch von der Einleitung von Rechtsverfolgungsmaßnahme abgehalten, Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 6; Henrich, in: BeckOK BGB, § 212 Rn. 1; Wolf/Neuner, AT BGB, § 22, Rn. 51. Insoweit besteht auch Ähnlichkeit zu § 203 BGB.
D. Zusammenfassung
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ist dies nicht mehr notwendig, soweit durch das Anerkenntnis die Beweismittel überflüssig werden und der redliche Schuldner die Verbindlichkeit bei seinen Planungen berücksichtigen muss.
IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Durch das neue Verjährungsrecht wurden die Tatbestände, mit denen durch Rechtsverfolgung Einfluss auf den Verjährungslauf genommen werden kann, von Unterbrechungs- zu Hemmungstatbeständen. Dadurch hat die Verjährungshemmung erheblich an Bedeutung gewonnen.343 Wegen der Änderung der Rechtsfolge von Unterbrechung in §§ 209, 210, 220 BGB a. F. hin zu Hemmung in § 204 Abs. 1 BGB kann ein einheitlicher Grundgedanke der Verjährungshemmung nicht mehr benannt werden. Die §§ 205, 206, 207, 208, 210, 211 BGB einerseits und § 204 Abs. 1 BGB andererseits ordnen die gleiche Rechtsfolge für aus Gläubigersicht völlig divergierende Situationen an: Im ersten Fall ist ihm die Durchsetzung seines Anspruchs nicht zuzumuten, weshalb die Verjährung nicht weiterlaufen darf. Im zweiten Fall ist die Hemmung gerade Folge der vom Gläubiger initiierten Rechtsverfolgung. Für den Untersuchungsgegenstand bedeutet dies, dass wegen der unterschiedlichen Zweckrichtungen aus den §§ 205–208, 210 f. BGB eine Erkenntnis für die Handhabung des § 204 BGB nicht hergeleitet werden kann. Diese Normen bleiben daher im Folgenden außen vor. Eine Nähe weist § 204 BGB hingegen zu § 203 BGB und, trotz der unterschiedlichen Rechtsfolge, zu § 212 BGB auf. Auf diese Vorschriften wird daher bei der Bestimmung der Maßstäbe für die Handhabung des § 204 BGB zurückzukommen sein.344
D. Zusammenfassung 1. Zweck der Verjährung ist der Schutz des Schuldners vor Beweisnot und vor einer dauerhaften Beschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit. Die Beweisnot liegt dabei weniger im Verlust- und Verfälschungsrisiko, sondern in der Aufbewahrungslast. 2. Mit Einleitung einer Rechtsverfolgungsmaßnahme wird der Schuldner gewarnt und muss sich auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche VerjähNK-BGB/Budzikiewicz, Vor §§ 203–213 Rn. 2; Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 2. Siehe auch Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 1, die davon ausgeht, dass im alten Verjährungsrecht die Kürze vieler Fristen durch eine Vielzahl von Unterbrechungstatbeständen ausgeglichen wurde. 344 Siehe unten 6. Kap., B) III. 2. (S. 246) u. 6. Kap., C) I. 2. b) (S. 252). 343
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3. Kapitel: Zweck der Verjährung
rungszeit hinaus einstellen. Die Verjährungszwecke verlieren hierdurch an Bedeutung und es ist gerechtfertigt, das Interesse des Gläubigers, die Durchsetzbarkeit seines Anspruchs zu erhalten, höher zu gewichten als das Interesse des Schuldners, sich durch Erhebung der Verjährungseinrede ohne Einlassung auf die Sache verteidigen zu können. 3. Die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung nach § 204 BGB weist eine inhaltliche Nähe zu § 203 BGB und zu § 212 BGB, nicht aber zu den anderen Hemmungs- und Ablaufhemmungstatbeständen (§§ 205–208, 210 f. BGB) auf. Um Grundsätze für die Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen aufzustellen, kann daher auf § 203 BGB und § 212 BGB zurückgegriffen werden.
2. Teil
Einfluss von verfahrensrechtlich fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen auf den Lauf der Verjährung
4. Kapitel
Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG A. Regelungen bis zum Inkrafttreten des BGB 1900 Bevor unter Kap. 4, B) (S. 119) auf die Vorlage Albert Gebhards zur Anspruchsverjährung von 1877 als den ersten Regelungsvorschlag sowie die weiteren Entwürfe für das BGB 1900 näher eingegangen wird, soll zunächst kurz die historische Entwicklung der Verjährungsunterbrechung durch fehlerhafte Rechtsverfolgungsmaßnahmen skizziert und damit dargestellt werden, welche Regelungen Gebhard hierzu vorfand.
I. Unterbrechung durch Klage 1. Grundsatz der Verjährungsunterbrechung durch Klage Die Klage bildet den Grundfall und den Ausgangspunkt der Verjährungsunterbrechung durch Rechtsverfolgung.1 Sucht man nach Ursprüngen im römischen Recht, ist zunächst festzuhalten, dass dort eine Verjährung im Sinne des BGB nicht existieren konnte, da zwischen Anspruch und Klage nicht getrennt wurde,2 die actio vielmehr materiell-rechtliche und prozessuale Elemente vereinigte.3 Die actiones des klassischen Rechts waren grundsätzlich perpetuae,4 erst später unterlagen bestimmte 1 Piekenbrock, Verjährung, S. 427 f. m. Fn. 8. Siehe auch Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 209 Anm. 1: „Wie nach allen bisherigen Rechten so wird auch nach BGB. die Verjährung des Anspruchs unterbrochen durch Klagerhebung“; ebenso Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 316. Zudem Riehm, NJW 2017, 113: „Das Leitbild der Verjährungshemmung ist und bleibt die Klageerhebung.“ 2 Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 8. Siehe auch Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 105 (S. 543 ff.), § 105, Fn. 1a (S. 543 f.): „Die Römer haben für das, was wir Verjährung nennen, eine entsprechende Bezeichnung nicht.“ 3 Weller, Vertragstreue, S. 372; Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 7 („Actio ist Klage und zugleich Anspruch.“); Kaufmann, JZ 1964, 482, 483; Braun, Zivilprozeßrecht, § 3 II. 1. (S. 36 f.). Siehe schon oben 1. Kap., B) I. 2. (S. 12). 4 Savigny, System, § 238 (S. 273: „[…] einzelne Ausnahmen von der alten Regel der ewigen Dauer aller Klagrechte“); Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106 (S. 548); Dern-
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
actiones einer zeitlichen Beschränkung.5 Im Jahre 424 n. Chr. wurde dann aber im Osten6 durch die Kaiser Honorius und Theodosius II. eine allgemeine Klagenverjährung7 eingeführt. Nunmehr unterlagen – von einigen Ausnahmen abgesehen – die Klagen, die nicht bereits vorher einer kürzeren Frist unterworfen waren, einer Frist von grundsätzlich 30 Jahren.8 Die actio, die 30 Jahre lang nicht gerichtlich geltend gemacht wurde, erlosch.9 Der Eintritt der Verjährung führte zum Verlust der actio,10 das heißt zum Untergang des prozessualen Klagrechts, verstanden als gerichtliche Verfolgbarkeit11. Durch Anstellung der Klage konnte der Lauf dieser Frist aber unterbrochen werden.12 Nach römischem burg, Pandekten, § 145 I. 1. (S. 337); Arndts, Pandekten, § 106 (S. 183); Regelsberger, Pandekten, § 182 I. (S. 657); Wächter, Pandekten, § 104 (S. 540); auch Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 (S. 280); Hellmann, AcP 66 (1883), 204. 5 Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 2 , § 256 (S. 303); Savigny, System, § 238 (S. 273 ff.); Regelsberger, Pandekten, § 182 I. (S. 657); Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106 mit Fn. 2 (S. 548); Demelius, Untersuchungen, S. 1–108; Baldus, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 5, 8; Kaser, Röm. PrivatR, § 199 III (S. 71 f.); Kaser/Knütel/ Lohsse, Röm. PrivatR, § 4, Rn. 11 f. 6 Im Westen wurde die allgemeine Klagenverjährung im Jahr 449 n. Chr. durch Kaiser Valentin III. eingeführt. Bereits 452 n. Chr. wurde durch diesen zudem angeordnet, dass der Rechtsstreit nicht nur binnen 30 Jahren begonnen, sondern auch beendet werden sollte, Piekenbrock, Verjährung, S. 64, 70, 456. 7 Diese ist nach Demelius, Untersuchungen, S. 5 f., 51 aber von den zeitlich befristeten actiones zu unterscheiden, siehe aber Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106, Fn. 2 (S. 549). Hierzu sogleich 4. Kap., Fn. 12 (S. 108). 8 Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 2 , § 256 (S. 304); Savigny, System, § 238 (S. 274 f.); Dernburg, Pandekten, § 145 I. 2. (S. 338 f.); Arndts, Pandekten, § 106 (S. 183); Regelsberger, Pandekten, § 182 I. (S. 657); Wächter, Pandekten, § 104 (S. 540); Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 (S. 280); HKK/Hermann, §§ 194–225 Rn. 7. Die Entwicklung fasst Savigny, System, § 238, S. 279 wie folgt zusammen: „Aus dieser historischen Zusammenstellung ergibt es sich, daß ursprünglich alle Klagen unverjährbar, dann ausnahmsweise einzelne verjährbar waren, endlich aber alle verjährbar geworden sind“. Ausf. zur Entstehung der allgemeinen Aktionenpräskription Piekenbrock, Verjährung, S. 61 ff., dort auch zur weiteren Entwicklung und zu den Ausnahmen; vgl. außerdem Demelius, Untersuchungen, S. 1 ff., S. 82 ff. Zu den unterschiedlichen Längen der Fristen Regelsberger, Pandekten, § 185 I. (S. 665); Arndts, Pandekten, § 108 mit Anm. 1, 2 (S. 186 f.). 9 Piekenbrock, Verjährung, S. 63. Zur Wahrung der Frist sollte es im römischen Recht nicht auf die Einreichung des Klaglibells beim Gericht ankommen, sondern auf die Ladung des Beklagten (conventio), Piekenbrock, Verjährung, S. 63. Im gemeinen Recht war die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Unterbrechung eintreten sollte, vor in Krafttreten der CPO sehr umstritten, hierzu ausf. Savigny, System, § 242 III (S. 316 ff.); Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108, Fn. 4 (S. 560); Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 208 f.; siehe auch Dernburg, Pandekten, § 148, 1. (S. 345 f.); Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. a. (S. 473 f.). 10 Demelius, Untersuchungen, S. 3, 61; Savigny, System, § 237 (S. 265). 11 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106 m. Fn. 1 (S. 547). 12 Piekenbrock, Verjährung, S. 66 f.; Kaser, Röm. PrivatR, § 199 III (S. 72); Unterholz-
A. Regelungen bis zum Inkrafttreten des BGB 1900
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Recht war die Klageerhebung grundsätzlich das einzige Mittel der Rechtsverfolgung, mit dem die Verjährung unterbrochen werden konnte.13 Nur wenn diese nicht möglich war, konnte sie durch andere Maßnahmen ersetzt werden.14 Dass durch Klage die Verjährung unterbrochen wird, galt im Anschluss an das römische Recht15 auch im gemeinen Recht16 und fand ebenso Aufnahme in die großen Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts – ALR I, 9, § 551; § 1497 S. 1 Alt. 2 ABGB; Art. 2244 CC – und ebenso in § 163 sächs. BGB
ner, Verjährungslehre, Bd. 2, § 262 (S. 321), Bd. 1, § 124 (S. 440–442); Unterholzner/Schirmer, Verjährungslehre, Bd. 2, § 262 (S. 308); Savigny, System, § 242 (S. 313), § 243 (S. 319); Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 559 f.); Dernburg, Pandekten, § 148, 1. (S. 345). Demelius, Untersuchungen, S. 60 ff., 61 f., 64 – dem Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106, Fn. 2 (S. 548 f.), § 108, Fn. 1a (S. 559: „Die Idee der Unterbrechung gehört erst der späteren Verjährung an.“) insoweit folgen – erkennt eine Unterbrechung der Klagenverjährung erst ab Einführung der theodosianischen Klagenverjährung an. Die Verjährung, verstanden als Untergang des Klagrechts durch dauernde Untätigkeit des Berechtigten, sei erst durch die theodosianische Klagenverjährung in das römische Recht gelangt. Erst für diese habe sich dann die Unterbrechung der Verjährung entwickelt. Bei den früheren Instituten, bei denen bereits dem Klagrecht von vornherein ein „Maß der Dauer“ gesetzt gewesen sei, liege in der Klageerhebung keine Unterbrechung, da der Berechtigte durch die Ausübung des Rechts eine Kraft in Bewegung setze, „welche, nicht an die Zeitbeschränkung gebunden, ihm zur Befriedigung verhilft“ (Demelius, Untersuchungen, S. 61, siehe auch S. 5, 82, 96 ff.). Eine Unterbrechung der Verjährung gebe es nur, wenn diese Untergang des Klagrechts wegen dauernder Untätigkeit des Berechtigten sei; diese Untätigkeit sei eine der Existenz des Rechts ganz selbständig gegenüberstehende Tatsache, Demelius, Untersuchungen, S. 61. Er räumt aber zugleich ein, dass für das spätere Recht ein Unterschied nicht mehr bestehe und daher alle Klagen, auch hinsichtlich der Unterbrechung, gleich behandelt wurden, Demelius, Untersuchungen, S. 64, 104 f., ebenso Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 106, Fn. 2 (S. 548 f.), dort auch zur Kritik an Demelius. Wie Demelius auch Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 204 f., 217. 13 Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168 (S. 380, 382). Die Klage konnte jedoch auch vor einem vereinbarten Schiedsrichter angestellt werden, Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 1. (S. 662); Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 II. B. 3. m. Anm. 52 (S. 291). 14 Hierzu Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 mit Anm. 8 (S. 561); Savigny, System, § 243 (S. 319); Wächter, Pandekten, § 106 (S. 549); Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 II. B. 3. m. Anm. 54 (S. 293); Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 164 (S. 194); vgl. auch Regelsberger, Pandekten, § 184 I. (S. 663). 15 Im älteren deutschen Recht war eine allgemeine Anspruchsverjährung unbekannt, sodass das geltende Recht im Hinblick auf die Klagenverjährung überwiegend vom römischen Recht bestimmt war, Gerber, System Dt. PrivatR, § 55 mit Anm. 7 (S. 99); Gierke, Deutsches PrivatR, § 35 III. 1. (S. 311); Oetker, Die Verjährung, S. 20. 16 Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. a. (S. 473); Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561); Savigny, System, § 242 (S. 313, 316), § 243; Dernburg, Pandekten, § 148, 1. (S. 345); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 1. (S. 662); Arndts, Pandekten, § 110 (S. 189); Wächter, Pandekten, § 106 I 2) (S. 548); Puchta, Pandekten, § 90 2) (S. 138).
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1863.17 Auch die in den Partikularstaaten erlassenen Gesetze über die Verjährung bestimmten für die in deren Anwendungsbereich fallenden Forderungen ausdrücklich, dass die Verjährung durch Klage unterbrochen werden konnte, so zum Beispiel Art. 5 Abs. 1 württ. VerjG 185218 und Art. 23 hess. VerjG 185319. 2. Verjährungsunterbrechung durch fehlerhafte Klage Während sich aus dem Vorstehenden ergibt, dass die Klage grundsätzlich unterbrechende Wirkung hat, wird die Frage, wie mit fehlerhaften Klagen umzugehen ist, unterschiedlich beantwortet. a) Unterbrechung durch fehlerhafte Klage nach gemeinem Recht Für das gemeine Recht leitete die jedenfalls zunächst herrschende Auffassung im Anschluss an Unterholzner20 aus der Stelle C. 7,21,721 ab, dass die Anbringung der Klage vor dem incompetenten Richter nicht die Unterbrechung der Verjährung bewirkt.22 Hiergegen wandte sich Hellmann 23, nach welchem die Zu den diesen Gesetzen jeweils zugrunde liegenden Verjährungsbegriffen siehe Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 21 ff. u. ausf. Piekenbrock, Verjährung, S. 138 ff. 18 Königlich Württembergisches Gesetz, betreffend die Einführung einer kurzen Verjährungsfrist für gewisse Forderungen v. 06.05.1852, RegBl. S. 112, zit. n. Piekenbrock, Verjährung, S. X LV. 19 Großherzoglich hessisches Gesetz bezüglich der Verjährung der persönlichen Klagen vom 19.03.1853, RegBl. Nr. 12 von 1853, in Kraft getreten am 01.01.1854, Angaben nach Müller, Komm. hess. VerjG 1853, S. 16. 20 Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 1, § 124 (S. 4 42). 21 C 7,21. Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur. (Dass das Standesrecht Verstorbener nach Ablauf von fünf Jahren nicht bestritten werden kann.). C. 7,21,7. Die Kaiser Diocletianus und Maximianus an Heliodorus. Wenn dein Vater als Freigeborener gelebt hat, und die Anfechtung seines Standes, als sei er Diener des Fiscus, nicht vor dem Vorsteher der Provinz, der in der Regel über Fragen dieser Art entscheidet, sondern vor einem nicht zuständigen Richter, einem beamteten Pfleger, verhandelt wurde, und nach seinem Tod ein fünfjähriger Zeitraum verflossen ist, so ist dein Status durch die aus dem Senatsbeschluss entspringende Verjährung geschützt. Zitiert nach Haller, Corpus Iuris Civilis. Abrufbar unter http://www.opera-platonis.de/CI/CI_B7.pdf, zuletzt abgerufen am 03.05.2018. 22 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 mit Anm. 6 (S. 561) m. w. N.; Savigny, System, § 243 (S. 321); Arndts, Pandekten, § 110 (S. 189); Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. a. (S. 473); Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 II. B. 3. mit Anm. 53 (S. 291, 293); Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 39 II. (S. 154). Ebenso das von Bopp, AcP 42 (1859), 91, 97–101 referierte Erkenntnis des OAG Darmstadt vom 07.05.1839, in dessen Rahmen eine analoge Anwendung der Stelle C. 7,21,7 befürwortet wurde, sowie die weiteren auf S. 101–102 genannten Entscheidungen. 23 AcP 66 (1883), 204 ff., 209–221 (zu C. 7,21 S. 215 ff.); ebenso Dernburg, Pandekten, 1. Aufl., § 148, 1. m. Anm. 6 (S. 340); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 1. (S. 662 f.) und Pie17
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Stelle nicht geeignet sei, diese Behauptung zu begründen, da sie einen Spezialfall behandle, nicht die allgemeine Klagenverjährung betreffe und daher nichts über die unterbrechende Wirkung der Klageerhebung bestimmen wolle. Dem römischen Recht könne somit nicht entnommen werden, dass die Zuständigkeit des Richters Voraussetzung für den Eintritt der Unterbrechung sei. Auch bei einer unzulässigen Klage werde dem Beklagten die Ernstlichkeit des Verlangens deutlich.24 Die Verjährung werde daher auch dann unterbrochen, wenn die Klage vor dem unzuständigen Gericht erhoben wurde. Dieser Auffassung schloss sich im Jahr 1890 auch das Reichsgericht an. Die Rechtfertigung der Verjährung finde sich nach den Quellen im beharrlichen Stillschweigen des Klägers und seiner Saumseligkeit, dieser Vorwurf entfalle aber auch durch die Erhebung einer unzulässigen Klage.25 Für die Fälle, in denen die beim zuständigen Richter angestellte Klage angebrachtermaßen abgewiesen 26 wurde, nahm die herrschende gemeinrechtliche Auffassung eine Unterbrechung der Verjährung an.27 Nach Unterholzner sollten aus Billigkeitsgründen jedenfalls die Zeitausfälle, welche die fehlerhafte Klage gekostet hätten, nicht mitzurechnen sein.28
kenbrock, Verjährung, S. 433 (Fn. 38). Siehe zudem bereits Schwalbach, AcP 64 (1881), 256, 266 f., Anm. 16. Auch wenn die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs oder wegen mangelnder Sicherheit für die Prozesskosten oder wegen Mangels der Erstattung früherer Prozesskosten abgewiesen werde, führe dies zur Unterbrechung der Verjährung, Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 214. 24 Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 209, 212 ff. 25 RGZ 24, 199, 201 f. 26 Gemeinrechtlich wurde der Begriff Abweisung der Klage angebrachtermaßen nur für die Fälle der ungenügenden Substantiierung der Klageschrift gebraucht, dann aber auch für die Prozessabweisung wegen fehlender Prozessvoraussetzungen verwendet, K. Hellwig, Lehrbuch Civilprozeßrecht, § 22 I., Anm. 5 (S. 145); Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 166 (S. 195); Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 212 Anm. 3. 27 Sintenis, Pract. Gem. CivilR, § 31 II. B. 3. m. Anm. 53 (S. 293), wohl für alle formalen Fehler. Für die Abweisung angebrachtermaßen wegen mangelnder tatsächlicher Begründung RGZ 5, 122, 123; OAG Darmstadt Seuff. Arch. Bd. 6, Nr. 133; OAG Darmstadt Seuff. Arch. Bd. 9, Nr. 250; Erkenntnis OAG Darmstadt bei Bopp, AcP 42 (1859), 91, 103–107, 105 f. Zur Begründung wurde auf die Stelle C. 7,40,3 abgestellt. Unterholzner/Schirmer, Verjährungslehre, Bd. I, § 125 II. 4. (S. 446). A. A. aber OAG Celle Seuff. Arch. Bd. 9, Nr. 251. Weitere Nachweise zu dieser Frage bei Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 mit Anm. 6 (S. 561); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 1. (S. 663). Vgl. auch Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 213 f. 28 Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. I, § 125 II. 4. (S. 4 45). Zweifelnd hieran Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 39 II. m. Anm. 10 (S. 155).
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b) Allgemeines Landrecht Nach I 9 § 551 ALR wurde die Verjährung durch Nichtgebrauch in dem Augenblicke unterbrochen, da jemand seine Klage bei dem gehörigen Richter anmeldet29. Für Klagen vor dem unzuständigen Richter traf das ALR in I 9 §§ 552, 553 ausdrückliche Bestimmungen.30 Im Gegensatz zur herrschenden Ansicht im gemeinen Recht, wonach die Klage vor dem unzuständigen Richter die Verjährung nicht unterbrechen konnte, kam diese Wirkung nach I 9 § 552 ALR einer solchen Klage dann zu, „wenn sie binnen Einem Jahre nach erfolgter Zurückweisung bey dem gehörigen Richter angemeldet“ wurde. Auch ohne Anmeldung einer neuen Klage war aber gemäß I 9 § 553 ALR die Verjährung für unterbrochen zu erachten, wenn „der ungehörige Richter die Klage angenommen, und dadurch den Kläger in seinem Irrthume bestärkt“ hatte.31 Mit Inkrafttreten der CPO32 wurde diese letztere Vorschrift allerdings hinfällig.33 Bei Abweisung der Klage in der angebrachten Art wegen nicht genügender Begründung sollte Unterbrechung eintreten.34 Nach Förster/Eccius entfällt die Rechtshängigkeit und damit die Unterbrechung nicht ex tunc, wenn die Klage trotz fehlender Prozessvoraussetzungen geeignet war, die Rechtshängigkeit zu begründen.35 c) Code Civil Nach Art. 2246 CC unterbrach auch die durch den inkompetenten Richter erlassene Vorladung die Verjährung,36 und zwar ohne dass weitere (Heilungs-)Vor29 Nach Inkrafttreten der CPO war die Erhebung der Klage maßgebend, Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. (S. 381); Koch/Hinschius, ALR, § 551, Anm. 14 (S. 617); ausf. Förster/ Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3. (S. 319 f.). Zur Anmeldung der Klage Förster, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 298 f.). 30 Vgl. zur Entstehung Koch/Hinschius, ALR, § 551, Anm. 13 (S. 617). 31 Förster, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 299); Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3. (S. 321); Koch/Hinschius, ALR, § 552, Anm. 18 (S. 619). Zum Fortbestehen der Rechtshängigkeit nach CPO siehe Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3. (S. 322). 32 Civilprozessordnung vom 30.01.1877, RGBl. No. 6, S. 83 (Nr. 1166), in Kraft getreten am 01.10.1879, vgl. § 1 Gesetz, betreffend die Einführung der Civilprozessordnung vom 30.01.1877, RGBl. No. 6, S. 244 (Nr. 1167) i. V. m. § 1 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.01.1877, RGBl. No. 4, S. 77 (Nr. 1164). 33 Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 321); Koch/Hinschius, ALR, § 553, Anm. 20 (S. 620). 34 Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 324); Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. m. Anm. 9 (S. 382); vgl. aber Koch/Hinschius, ALR, § 557, Anm. 30 (S. 621 f.). 35 Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 323). 36 Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142 (S. 408). Zum Hintergrund dieser Regelung siehe Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. m. Anm. 9 (S. 382). Die Zustellung eines Zahlungsbe-
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aussetzungen erfüllt werden mussten.37 Allerdings war die Unterbrechung gemäß Art. 2247 CC u. a. dann als nicht geschehen zu betrachten, wenn die Vorladung wegen Verletzung der Formvorschriften nichtig war oder die Klage verworfen wurde.38 Die Klage vor dem unzuständigen Richter unterbrach daher, nicht jedoch eine solche, die aus einem anderen Grund erfolglos war.39 d) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Nach § 1497 S. 1 Alt. 2 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn derjenige, der sich auf Verjährung berufen will, vor dem Ablauf der Verjährungszeit „von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird“. Die Vorschrift wurde dahingehend verstanden, dass nur die vor dem zuständigen Gericht angestellte40 Klage unterbrechen konnte.41 Weiterhin war zur Unterbrechung notwendig, dass die Klage dem Beklagten um die Einrede verbeschieden, das heißt nicht sofort von Amts wegen abgewiesen wird.42 Wie mit solchen Klagen umzugehen ist, die beim zuständigen Gericht angebracht, aber wegen eines Formfehlers ohne Mitteilung an den Beklagten abgewiesenen werden, ist im ABGB nicht geregelt. In der Literatur wurde aber teilweise angenommen, dass unter der Voraussetzung, dass „der Richter eine Frist zur Reproducierung der Klage in verbesserter Gestalt vorgeschrieben hat“, die Unterbrechung zurückwirkt, wenn innerhalb der Frist eine verbesserte Klage angestellt wurde.43 Gemäß § 1497 S. 2 ABGB ist die Verjährung jedoch für ununterbrochen zu halten, fehls, vgl. Art. 2244 CC, sollte hingegen nur unterbrechen, wenn der Zahlungsbefehl fehlerfrei ist, Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142, Anm. 8 (S. 406 f.). 37 Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 221. 38 RGZ 10, 290, 292 f.; Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142 (S. 408 f.). Erfasst war hier sowohl die Verwerfung angebrachtermaßen als auch als zur Zeit unstatthaft, Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142 m. Anm. 16 (S. 409). 39 Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 315. 40 Anstellung meint die Einreichung der Klageschrift bei Gericht bzw. Erklärung der Klage zu Protokoll, Unger, System, Bd. II, § 121 II. 2) (S. 426); Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. a. (S. 474). 41 Unger, System, Bd. I I, § 121 II. 2) m. Anm. 27 (S. 427): Mangels einer anderen ausdrücklichen Bestimmung im ABGB gelte nach österr. Recht wie nach gemeinem Recht, dass die vor dem incompetenten Richter erhobene Klage die Verjährung nicht unterbreche. Ebenso Nippel, Erläut. ABGB, Bd. 9, § 1497, Nr. 3 (S. 155); Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 2 (S. 808). Unger, System, Bd. II, § 121 II. 2), Anm. 27 (S. 427) befürwortet aber die Einführung einer dem I 9 § 552 ALR oder Art. 24 hess. VerjG 1853 entsprechenden Regelung. Siehe aber McGuire, Verfahrenskoordination, S. 240: Die Zuständigkeit ist nur Voraussetzung für das nach § 1497 S. 2 AGBG notwendige stattgebende rechtskräftige Urteil. 42 Unger, System, Bd. I I, § 121 II. 2) m. Anm. 28 (S. 427 f.), mit Beispielen. 43 Unger, System, Bd. I I, § 121 II. 2) m. Anm. 28 (S. 427 f.); Nippel, Erläut. ABGB, Bd. 9, § 1497, Nr. 3 (S. 155 f.): Die fristgemäß erneuerte Klage ist als Fortsetzung der (ursprüngli-
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wenn die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt wurde.44 Ein im Ergebnis erfolgloser Rechtsverfolgungsversuch führt daher nicht zur Unterbrechung der Verjährung.45 e) Sächsisches BGB Nach § 163 sächs. BGB 1863 wurde die Verjährung u. a. dann unterbrochen, wenn der Berechtigte die Klage bei Gericht anbrachte. Zur Behandlung einer fehlerhaften Klage fand sich in § 166 sächs. BGB 1863 eine ausdrückliche Bestimmung sowohl für die Klage vor dem unzuständigen Gericht als auch für eine solche, die aus anderen Gründen fehlerhaft war. Die Anbringung der Klage unterbrach dann nicht, „wenn die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen eines anderen verbesserlichen Fehlers zurückgewiesen und nicht binnen drei Monaten von der Zurückweisung an die verbesserte Klage bei Gericht angebracht worden ist“. Die Unterbrechung der ursprünglichen Klage wirkte also fort, wenn der Kläger innerhalb von drei Monaten nach der Zurückweisung eine neue, verbesserte Klage anbrachte. Auch die fehlerhafte oder vor dem unzuständigen Gericht angebrachte Klage genügte daher für die Unterbrechung der Verjährung.46 Wurde die Klage aber deshalb zurückgewiesen, musste der Kläger erneut tätig werden. f) Partikulargesetze über die Verjährung47 Art. 6 S. 2 i. V. m. S. 1 württ. VerjG 1852 bestimmte für die in Art. 1 württ. VerjG 1852 genannten Forderungen, dass die Unterbrechung als nicht geschehen zu betrachten ist, wenn die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder eines anderen zu verbessernden Mangels zurückgewiesen worden ist und nicht binnen der noch übrigen Verjährungsfrist oder, wenn dieser Rest weniger als drei Monate beträgt, binnen drei Monaten entweder dieselbe bei der zuständigen chen) Klage anzusehen. A. A. Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 2, Anm. 3 (S. 808) u. bei Nippel, Erläut. ABGB, Bd. 9, § 1497, Nr. 3 (S. 155 f.). 44 Hierzu Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 3, Anm. 3 (S. 810–813); Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 315; McGuire, Verfahrenskoordination, S. 240, 243. Nach Unger, System, Bd. II, § 121 II. 2) m. Anm. 40 (S. 432–434) bezieht sich § 1497 S. 2 ABGB nur auf die Ersitzung, hiergegen Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 3, Anm. 3 (S. 810– 813). 45 McGuire, Verfahrenskoordination, S. 243, 244, 246; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 315. 46 Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 163 (S. 194). 47 Überblick hierzu in Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 799, bei Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. a., Fn. 96 (S. 473) u. bei Hellmann, AcP 66 (1883), 204, 221.
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Behörde in gehöriger Weise erneuert oder Beschwerde gegen die Zurückweisung ergriffen worden ist. Auch hier tritt daher durch die Klage eine Unterbrechung ein, die mit Zurückweisung der Klage wieder entfällt, wenn nicht die Klage erneut beim zuständigen Gericht in gehöriger Weise neu angebracht wird.48 Erfolgt keine Zurückweisung, obwohl das angegangene Gericht unzuständig ist oder die Klage an einem Formfehler leidet, bleibt es bei der durch die Klage erfolgten Unterbrechung.49 Eine ganz ähnliche Regelung findet sich in Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 hess. VerjG 1853. Danach ist die Unterbrechung als nicht geschehen zu betrachten, wenn die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen eines anderen verbesserlichen Fehlers zurückgewiesen und nicht binnen drei Monaten bei dem zuständigen Gericht in gehöriger Weise erneuert worden ist. Nur wenn die in Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 hess. VerjG 1853 genannten Voraussetzungen, nämlich Zurückweisung und keine Erneuerung der Klage binnen dreier Monate kumulativ vorlagen, entfiel die zunächst eingetretene Unterbrechung.50 g) Dresdener Entwurf51 Art. 411 Abs. 1 Hs. 2 Dresdener Entwurf forderte für die Unterbrechung der Verjährung, dass die Klage vor dem zuständigen Gerichte angestellt wurde.52 Gemäß Art. 411 Abs. 2 Dresdener Entwurf wurde die Verjährung jedoch durch die erste Klage als unterbrochen angesehen, wenn die Klage, nachdem sie wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückgewiesen worden war, „binnen drei Monaten von der Eröffnung der zurückweisenden Verfügung an bei dem zuständigen Gerichte angestellt“ wurde. Die Klage vor dem unzuständigen Gericht unterbrach mithin zunächst nicht, konnte jedoch rückwirkend mit unterbrechender Wirkung versehen werden.53 Eine andere Regelung war für die Zu48 Vgl. Lammfromm, Erläut. württ. VerjG 1852, § 14 2) (S. 59). A. A. Betz, Erläut. württ. VerjG 1852, Art. 6 XV. (S. 89 f.), der von einer Verlängerung der Verjährungsfrist um mindestens drei Monate ausgeht und bestreitet, dass der ursprünglich fehlerhaften Klage durch Anbringung der neuen Klage nachträglich unterbrechende Wirkung verliehen werden kann. 49 Lammfromm, Erläut. württ. VerjG 1852, § 13, 2) (S. 54). 50 Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 39 II. (S. 156 f.), der ausdrücklich davon ausgeht, dass die Verjährung durch die alte, fehlerhafte Klage unterbrochen wird, wenn der Fehler durch die neue Klage behoben wird. 51 Entwurf eines für die deutschen Bundesstaaten gemeinsamen Gesetzes über Schuldverhältnisse, 1866. 52 Dem Wortlaut des Abs. 1 nach musste auch die Geltendmachung durch Vorschützung einer Einrede oder Antrag auf Erlassung eines Zahlungsbefehls vor dem zuständigen Gericht erfolgen. 53 Vgl. Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 783.
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rückweisung der Klage wegen eines verbesserlichen Fehlers vorgesehen. Hier sollte nach Art. 414 Dresdener Entwurf die unterbrechende Wirkung nur entfallen, wenn nicht binnen drei Monaten die verbesserte Klage angestellt wurde. Insoweit entspricht diese Regelung § 166 sächs. BGB 1863, Art. 6 S. 2 i. V. m. S. 1 württ. VerjG 1852 und Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 hess. VerjG 1853. h) Zusammenfassung Überwiegend trat mithin eine Unterbrechung der Verjährung auch dann ein, wenn die Klage vor dem unzuständigen Gericht erhoben oder angebrachtermaßen abgewiesen wurde. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass auch in diesen Fällen die Untätigkeit und Saumseligkeit des Klägers und somit der Grund für die Verjährung entfalle.54 Dass nach gemeinem Recht die Klage vor dem unzuständigen Gericht nicht unterbrechen sollte,55 wurde als unbillig empfunden, sodass, abgesehen vom ABGB56, die dargestellten Gesetze gegenteilige Regelungen enthielten. Diese gingen dahin, dass grundsätzlich auch die Klage vor dem unzuständigen Richter unterbrach. Wurde die Klage aber zurückgewiesen, musste der Kläger binnen einer bestimmten Frist erneut tätig werden, um die Unterbrechungswirkung zu erhalten. Ähnliches gilt für die Abweisung der Klage wegen eines verbesserlichen Fehlers. Soweit hier gemeinrechtlich eine nachträgliche Korrektur anerkannt war,57 wurde dies nunmehr häufig gesetzlich festgeschrieben. Zudem wurde mit der Ausdehnung auf alle verbesserlichen Fehler der Anwendungsbereich erweitert,58 wenn man davon ausgeht, dass die Abweisung angebrachtermaßen nur die Fälle der fehlenden Substantiierung erfasste.
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Vgl. für die Klage vor dem unzuständigen Gericht RGZ 24, 199, 202; Koch/Hinschius, ALR, § 551, Anm. 13 (S. 617); für die Abweisung der Klage angebrachtermaßen RGZ 5, 122, 123; Koch/Hinschius, ALR, § 557, Anm. 30 a. E. (S. 622). 55 Dies war jedenfalls zur Entstehungszeit der Gesetze herrschende Auffassung. 56 Nach McGuire, Verfahrenskoordination, S. 243, 244, 246 normiert das ABGB die Verjährungsunterbrechung als Vorwirkung des Urteils. Damit lässt sich auch begründen, dass jeder (im Ergebnis) erfolglose Rechtsverfolgungsversuch zur Unterbrechung ungeeignet ist, § 1497 S. 2 ABGB. Eine dem § 212 Abs. 2 BGB a. F. entsprechende Regelung ist dem österreichischen Recht unbekannt (S. 243). Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 101 ff. nimmt auch für das BGB a. F. eine solche Vorwirkung an. 57 Hingegen galt nach § 1497 S. 2 ABGB und Art. 2247 CC die Verjährung in diesen Fällen als nicht unterbrochen. 58 Vgl. Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 39 (S. 156): Art. 24 nehme überhaupt alle verbesserlichen Fehler ins Auge.
A. Regelungen bis zum Inkrafttreten des BGB 1900
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II. Unterbrechung durch sonstige Maßnahmen der Rechtsverfolgung Hinsichtlich der Unterbrechung durch sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen zeichnete sich in den verschiedenen Rechtsgebieten kein einheitliches Bild ab.59 Der Klage gleichgestellt war nach allgemeiner Auffassung die Klage vor dem vereinbarten Schiedsrichter.60 Anerkannt war auch, dass die Zustellung eines Zahlungsbefehls unterbricht,61 was nach Einführung der CPO auch mit § 633 CPO begründet wurde.62 Mit Inkrafttreten der KO63 ergab sich aus § 13 S. 2 KO für das gesamte Reich die Unterbrechung durch Anmeldung einer Konkursforderung zur Konkurstabelle.64 Uneinheitlich war insbesondere die Handhabung der Frage, ob die Verwendung des Anspruchs zur Einrede die Verjährung unterbricht.65 Nicht unterbrechen sollte nach überwiegender Auffassung die Streitverkündung.66 Teilweise war auch eine Unterbrechung durch Protestation anerkannt.67 Die Anmeldung der Klage nach I 9 § 551 ALR wurde von der Praxis als 59 Siehe hierzu den Überblick in der Begründung zum TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 363–369; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561– 563); Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 313 ff. Knappe Darstellung bei Roth, System Dt. PrivatR, § 87 III. 2. (S. 475). 60 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561); Dernburg, Pandekten, § 148, 1. (S. 346); Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142, Anm. 7 (S. 407); Betz, Erläut. württ. VerjG 1852, Art. 5 XI. (S. 79); Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 163 (S. 194). 61 Art. 2244 CC; § 163 sächs. BGB 1863; Art. 411 Abs. 1 Dresdener Entwurf. RGZ 17, 277, 281 f.; RGZ 24, 195, 197; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561); Dernburg, Pandekten, § 148, 1. (S. 347); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 2. (S. 663); Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. (S. 384); Betz, Erläut. württ. VerjG 1852, Art. 5 VII. (S. 77); Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 38 (S. 149 f.). 62 Siehe aber Dernburg, Pandekten, § 148, 1., Anm. 11 (S. 347). 63 Konkursordnung vom 10.02.1877, RGBl. No. 10, S. 351 (Nr. 1172), in Kraft getreten am 01.10.1879, vgl. § 1 Gesetz, betreffend die Einführung der Konkursordnung vom 10.02.1877, RGBl. No. 10, S. 390 (Nr. 1173) i. V. m. § 1 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.01.1877, RGBl. No. 4, S. 77 (Nr. 1164). 64 § 1 Gesetz, betreffend die Einführung der Konkursordnung vom 10.02.1877, RGBl. No. 10, S. 390 (Nr. 1173); Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 36. 65 Hierzu ausf. Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 365 f. 66 Siehe RGZ 24, 209, 211; Dernburg, Pandekten, 1. Aufl., § 148, 1. m. Anm. 13 (S. 341); Regelsberger, Pandekten, § 184 I. 3. m. Anm. 6 (S. 663); a. A. Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. m. Anm. 14 (S. 383). Ausf. Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 367, in dem die Streitverkündung mit unterbrechender Wirkung versehen wurde; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 13, 26 ff. 67 Siehe z. B. § 164 sächs. BGB 1863; Art. 411 Abs. 3 Dresdener Entwurf. Für das gemeine Recht z. B. Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 1, § 129 (S. 453–456) u. Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 561). Zur Unterbrechung durch Protestation siehe Begründung TE-
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
Gegensatz zur bloßen außergerichtlichen Mahnung (vgl. I 9 § 561 ALR) dahingehend verstanden, dass „jede beim Richter bewirkte Manifestation der Absicht den Anspruch geltend zu machen“ eine Anmeldung der Klage ist und die Verjährung unterbricht.68 Nach österreichischem Recht sollte zunächst nur die Klage unterbrechen,69 nach Einführung der entsprechenden Gesetze unterbrachen aber auch die Anmeldung im Konkurs und der Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls.70 Zu der Frage, ob diese Maßnahmen auch dann unterbrechende Wirkung haben, wenn sie fehlerhaft sind, lassen sich kaum Aussagen finden. Da gemäß I 9 § 551 ALR „jede beim Richter bewirkte Manifestation der Absicht den Anspruch geltend zu machen“ als Klageanmeldung angesehen wurde,71 kann I 9 § 552 auch auf diese Fälle bezogen werden.72 Nach französischem Recht sollte der Zustellung eines Zahlungsbefehls die in Art. 2244 CC angeordnete Unterbrechungswirkung nur dann zukommen, wenn er fehlerfrei war.73 § 167 sächs. BGB 1863 bestimmte, dass die Geltendmachung eines Rechts durch eine Einrede nicht unterbricht, wenn die Einrede aus formellen Gründen nicht beachtet wurde und nicht drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft wegen des nämlichen Rechts eine Klage angebracht wurde. Die unterbrechende Wirkung konnte daher erhalten werden, wenn das Recht in der genannten Frist gerichtlich geltend gemacht wurde.74 Eine ähnliche Regelung fand sich in Art. 25 Abs. 2 Nr. 2 hess. VerjG 185375 und Art. 415 Dresdener Entwurf.
AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 365; Dernburg, Preuß. PrivatR, § 168, 3. (S. 382). 68 Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3., Anm. 55 (S. 319) mit Bsp., der ebenso wie Förster, Preuß. PrivatR, § 57, 3 (S. 301) selbst jedoch anderer Ansicht ist. Vgl. auch Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 163 (S. 194). 69 Unger, System, Bd. I I, § 121 II. 2) m. Anm. 29–31a (S. 427–429); Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 2 (S. 808). 70 Stubenrauch, Komm. ABGB, § 1497, Nr. 2 (S. 809). 71 Siehe soeben 4. Kap., Fn. 68 (S. 118). 72 Vgl. auch Betz, Erläut. württ. VerjG 1852, Art. 6 I. (S. 84): Klage im Sinne von Art. 6 württ. VerjG 1852 meine die gerichtliche und die außergerichtliche Klage, d. h. Schuldklage, Klage vor Gewerbe- oder Schiedsgericht. 73 Zachariä, HdB Franz. CivilR, § 142 m. Anm. 8 (S. 406 f.). 74 Siebenhaar, Komm. sächs. BGB, § 167 (S. 196). 75 Hierzu Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 40 II. (S. 161 f.). Müller, Komm. hess. VerjG 1853, § 40 II. (S. 161) betont, dass Art. 25 die parallele Bestimmung zu Art. 24 sei, da alles, was für die Klage gelte, auch auf die Einrede angewandt werden müsse.
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen während der Entstehung des BGB I. Die Erste Kommission (1874–1889) In der 1. Kommission76 wurde auf Vorschlag des Vorsitzenden Pape77 der aus Baden stammende und für die badische Regierung tätige Albert Gebhard78 zum 76
Die 1. Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches, konstituierte sich am 17.09.1874, Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 40. 77 Heinrich Eduard Pape (geb. 13.09.1816 in Brilon/Westf., gest. 11.09.1888 in Berlin). Ab Sept. 1856 Appellationsgerichtsrat in Königsberg. 1859 zum Geh. Justizrat und Vortragenden Rat im preuß. Justizministerium ernannt. Beteiligt an der Ausarbeitung verschiedenster Gesetze, insb. Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung eines ADHGB, und damit umfangreiche legislatorische Erfahrung. Ab 1870 Präsident des späteren ROHG. Er wurde von Neubauer (Schriftführer der 1. Kommission) als „Arbeitsmittelpunkt“ der 1. Kommission bezeichnet. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 79 f. Positive Bewertung der Arbeit Papes auch bei Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 46 f. 78 Albert Gebhard wurde am 03.01.1832 in Lahr/Schwarzwald geboren und starb am 23.10.1907 in Heidelberg. Er begann sein Studium der Rechtswissenschaft im Wintersemester 1848/1849 in Tübingen. Zudem studierte Gebhard in Göttingen und Heidelberg. Hier wurde er 1854 auch promoviert. Am 29.11.1856 bestand er die zweite juristische Staatsprüfung. Nach mehreren anderen Stationen wurde er 1864 Gerichtsrat am Kreisgericht in Karlsruhe. Am 17.12.1868 wurde Gebhard zum Ministerialrat im badischen Justizministerium ernannt. Bevor er 1874 in die 1. Kommission berufen wurde, war er für Baden bereits an der „Kommission zur Feststellung des Entwurfs einer deutschen Civilprozeßordnung“ sowie an den Beratungen über den Entwurf einer deutschen Gerichtsverfassung beteiligt. Er verfügte daher bereits über legislative Erfahrungen. Gebhard wurde am 04.12.1890 auch in die 2. Kommission berufen und vertrat später als Reichskommissar den Entwurf im Bundesrat und im Reichstag. Bereits zum 01.01.1890 erhielt Gebhard in Freiburg eine Professur für „Reichscivilrecht“. Allerdings hielt er wegen der Berufung in die 2. Kommission nur von Oktober 1890 bis zum Dezember 1890 Vorlesungen. Nach Beendigung der Arbeiten zur 2. Kommission bat er um die Versetzung in den Ruhestand, welche auch gewährt wurde. Er nahm daher seine Lehrtätigkeit nicht wieder auf. Das Vorstehenden ist den biographischen Darstellungen bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. X IV–XIX; Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 73 f. und Planck, DJZ 1908, 119 f. entnommen. Zu weiteren Angaben siehe dort und die Literaturhinweise bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. X IV, Fn. 20. Planck, DJZ 1908, 119 f. bewertet die Tätigkeit Gebhards in den Kommissionen in seinem Nachruf als bedeutend und segensreich. Er habe das badisch-französische Recht genau gekannt. Im gemeinen Recht, an welchem sich seine juristische Denkweise gebildet habe, sei er aber ebenso bewandert gewesen. Er habe daher auf einem ähnlichen Standpunkt wie Windscheid gestanden. Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. X VIII bezeichnet
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
Redaktor für den Allgemeinen Teil berufen. Diesem wurde mit Karl Heinrich Börner79 ein sächsischer Jurist als Hilfsarbeiter zur Seite gestellt.80 Den Redaktoren oblag es, für den jeweils zugewiesen Teilbereich Vorlagen zu erarbeiten und schließlich einen Entwurf zu erstellen. Gebhard fertigte Vorlagen für die Herbstberatungen der Kommission und legte 1881 einen Teilentwurf für den Allgemeinen Teil vor.81 In der Herbstberatung der Kommission 1876 teilte Gebhard mit, dass sein Hilfsarbeiter Börner einen Entwurf zur Verjährung aufgestellt und diesen eingehend begründet habe, dieser aber noch der Prüfung und Feststellung im Einzelnen bedürfe.82 Nachdem Gebhard diesen Entwurf durchgearbeitet und um die kurze Verjährung ergänzt hatte, konnte er die Vorlage Nr. 9 zur Anspruchsverjährung, ebenso wie die Vorlage Nr. 10 zur unvordenklichen Verjährung, in die Herbstberatungen 1877 einbringen.83
Gebhard als „Vertreter strenger juristischer Logik und Begrifflichkeit“, der zugleich die Bedürfnisse der Praxis kannte und mit den rechtspolitischen Fragen der Zeit vertraut war. Allerdings sei er auch als überaus konservativer Vertreter der Ministerialbürokratie anzusehen, von dem Impulse zu Rechtsreformen kaum zu erwarten gewesen seien. 79 Karl Heinrich Börner wurde am 20.06.1844 in Wilsdruff geboren und starb am 06.11.1921 in Dresden. Er war von Beginn an Hilfsarbeiter in der 1. Kommission. Sodann war er von 1890 bis 1895 Kommissar des Reichskanzlers bei der 2. Kommission und seit 21.03.1895 Mitglied der 2. Kommission. Börner studierte von 1863 bis 1867 Rechtswissenschaft in Leipzig. Nach dem 1872 bestandenen Assessorexamen wurde er nach mehreren Zwischenstationen am 01.07.1876 Landgerichtsrat, ab 01.07.1880 Landgerichtsdirektor, am Landgericht Dresden. 1889 wurde er zum Vortragenden Rat im sächsischen Justizministerium ernannt. Von 1908 bis 1913 war er Präsident des OLG Dresden. Das Vorstehende ist den biographischen Darstellungen bei Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 92 f. und in DJZ 1913, Sp. 1057 f. entnommen. 80 Gebhard sollte neben Gustav Derscheid in der Kommission das französische Recht vertreten, Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 37 f., 41; Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. X V. Dieses kannte jedoch einen Allgemeinen Teil im Sinne des deutschen Pandektenrechts nicht, Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 41. Gebhard sollte daher ein sächsischer Jurist als Hilfsarbeiter zur Seite gestellt werden, da das sächs. BGB über einen Allgemeinen Teil verfügte, Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. X V. Im Bericht des Kommissionsvorsitzenden Pape an den Reichskanzler vom 02.10.1874 heißt es: „Das dem Ministerialrath Dr. Gebhard zugetheilte Redaktionsgebiet läßt die Ueberweisung eines mit dem Rechte des Königreichs Sachsen anvertrauten Hilfsarbeiters besonders erwünscht erscheinen.“, Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 276 f. 81 Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil, I/1, § 12 II. (S. 45). 82 1. Sitzung 1876 vom 18.09.1876, Protokoll bei Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 225. 83 1. Sitzung 1877 vom 17.09.1877, Protokoll bei Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 227 f.
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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1. Die Vorlage zur Anspruchsverjährung von 1877 Ausgangspunkt für die später im BGB 1900 enthaltenen Regelungen zur Unterbrechung der Verjährung bildet die Vorlage zur Anspruchsverjährung aus dem Jahr 1877.84 a) Inhalt der Vorlage zur Anspruchsverjährung betreffend die Unterbrechung durch Rechtsverfolgung85 Die Unterbrechung durch Rechtsverfolgung wird in den §§ 12–15, 18 f. des vorläufigen Entwurfs behandelt. Nach § 12 wird die Verjährung unterbrochen, „wenn der Berechtigte den Anspruch durch Klage, Einrede oder im Mahnverfahren rechtshängig macht“.86 Vorschlag XI. Nr. 187 sah ausdrücklich vor, dass die Klage beim zuständigen Gericht rechtshängig gemacht werden muss, wenn sie unterbrechen soll. Die Regelung des § 12 entspricht daher weitestgehend Art. 411 Abs. 1 Hs. 2 Dresdener Entwurf. Außergerichtliche Mahnung, Streitverkündung und Protestation sollten nach Vorschlag XI. Nr. 4 nicht unterbre-
Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 743–799 (Vorlage No. 9). Die Vorlage besteht aus vier Teilen. Unter „A. Vorschläge.“ werden, unterteilt in 14 Punkte (diese wiederum teilweise mit mehreren Ziffern) thesenartig die Grundzüge des zu schaffenden Verjährungsrechts skizziert. Im Anschluss folgt unter B. eine kurze Begründung, bevor unter „C. Vorläufiger Entwurf.“ die konkreten Regelungen ausformuliert werden. In den Motiven (D.) erfolgt schließlich eine umfangreiche Begründung des Entwurfs. 86 Nach § 18 unterbrach auch die Geltendmachung des Anspruchs vor einem Schiedsgericht oder einem besonderen Gericht, vor einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde; nach § 19 ein Gesuch um Erlass einer Vorentscheidung einer Behörde, wenn eine solche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist, Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 749 f. Bestimmungen über die Unterbrechung durch Zwangsvollstreckung blieben vorbehalten; die zur Ergänzung der Vorschriften der Konkursordnung über den Einfluss des Konkurses auf die Anspruchsverjährung wurden weggelassen, Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 745. 87 Vorschlag XI. lautete: „1. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Berechtigte den Anspruch durch Klage bei dem zuständigen Gerichte, durch Einrede oder im Mahnverfahren durch Zustellung eines Zahlungsbefehls rechtshängig macht. 2. Geltendmachung des Anspruchs vor einem Schieds- oder Sondergerichte, einem Verwaltungsgerichte oder einer Verwaltungsbehörde unterbricht die Verjährung gleichfalls. 3. Bestimmungen über die Unterbrechung des judikatmäßigen Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung sind vorbehalten. 4. Außergerichtliche Mahnung des Verpflichteten, Streitverkündung und Protestation unterbricht die Verjährung nicht.“, Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 745. 84 85
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
chen.88 Gleiches galt für den Sühneversuch nach § 471 C. P. O.89 Die Vorschrift des § 12 wurde dann in den §§ 13–15 weiter ausgestaltet. Für die Klage (§ 13), die Einrede (§ 14) und die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren (§ 15) bestimmt die Vorlage, in welchen Fällen die Unterbrechung als nicht erfolgt gilt (§ 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und Abs. 2, § 15) und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um dennoch eine Unterbrechungswirkung zu erreichen (§ 13 Abs. 2, Abs. 3, § 14 Abs. 2). b) Die Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen Mit der verjährungsunterbrechenden Wirkung einer fehlerhaften Klage befassen sich § 13 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 und Abs. 3 des Entwurfs.90 Nach § 13 Abs. 1 Alt. 2 gilt die Unterbrechung mittels Klage als nicht erfolgt, wenn die Klage durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil, mithin durch sog. Prozessurteil, rechtskräftig abgewiesen wird. Im Umkehrschluss folgt hieraus aber, dass bis zur Rechtskraft des Prozessurteils die Verjährung unterbrochen ist, also auch eine fehlerhafte Klage, die die Sachurteilsvoraussetzungen nicht erfüllt, die Unterbrechung zunächst eintreten lässt. Mit Rechtskraft des abweisenden Prozessurteils gilt die Wirkung aber als nicht eingetreten. Die Möglichkeit, dies rückwirkend zu korrigieren, war nach § 13 Abs. 2 nur für den Fall vorgesehen, dass die Klage wegen der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts abgewiesen wurde. Erhob der Kläger in diesem Fall binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des abweisenden Urteils Klage beim zuständigen Gericht, wurde die Verjährung als durch die erste Klage unterbrochen angesehen.91 In 88 Zur Begründung siehe Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 782. 89 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 782. 90 § 13 des vorläufigen Entwurfs lautet: „[I] Die Unterbrechung mittels Klage gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urtheil rechtskräftig abgewiesen wird. [II] Ist die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts abgewiesen worden und erhebt der Berechtigte dieselbe binnen einer vor [von?] der Rechtskraft des Urtheils laufenden sechsmonatigen Frist bei dem zuständigen Gerichte, so wird die Verjährung als durch die erste Klage unterbrochen angesehen. [III] Hat der Berechtigte im Falle des §. 36 Nr. 6 der C. P. O. binnen einer von der Rechtskraft des letzten Urtheils laufenden dreimonatigen Frist um Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht und nach erfolgter Bestimmung desselben binnen gleicher Frist Klage erhoben, so behält die frühere Klageerhebung vor dem zuständigen Gerichte die Wirkung, welche sie gehabt haben würde, wenn sie nicht abgewiesen worden wäre.“, Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 748 f. 91 § 13 Abs. 3 bestimmte unter etwas anderen Voraussetzungen die gleiche Rechtsfolge für den Sonderfall des § 36 Nr. 6 CPO, hierzu Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 784.
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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den Motiven der Vorlage scheint Gebhard eher der Regelung zuzuneigen, für die Unterbrechung der Verjährung eine Klage vor dem zuständigen Gericht zu fordern. Ein Bedürfnis „zu Gunsten des abgewiesenen Klägers […] besondere Milde walten zu lassen“ erscheine zweifelhaft, insbesondere weil die Wirkungen der Rechtshängigkeit bei einer Verweisung vom unzuständigen an das zuständige Gericht fortbestünden. Da erhebliche praktische Bedenken nicht entgegenstehen würden, habe sich die Vorlage aber „dem weitverbreiteten milderen Rechte angeschlossen.“92 Ergeht das nicht in der Sache selbst entscheidende Urteil nicht wegen der Unzuständigkeit des Gerichts, sondern aus einem anderen Grund, so sollte eine rückwirkende Korrektur entgegen beispielsweise § 166 sächs. BGB, Art. 414 Dresdener Entwurf, Art. 6 S. 2 württ. VerjG 1852 und Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 hess. VerjG 1853 nach der Vorlage nicht möglich sein. Die Fälle, in welchen die Abweisung ohne sachlichen Grund erfolge, gäben zur besonderen Berücksichtigung der Lage des Klägers keinen Anlass.93 Erstreckte sich die Endentscheidung nicht auf die Einrede, entfiel die Unterbrechung – entsprechend Art. 415 Alt. 3 Dresdener Entwurf – nach § 14 Abs. 2, Abs. 1, wenn der Berechtigte nicht innerhalb von sechs Monaten wegen des der Einrede zugrunde liegenden Anspruchs Klage erhob.94 c) Zusammenfassung Da eine rückwirkende Korrektur nur für den Fall der Klage vor dem unzuständigen Gericht, nicht aber für die Abweisung der Klage durch ein aus anderen Gründen nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil vorgesehen war, war die Regelung in der Vorlage deutlich strenger als die meisten der geltenden Rechte und fand ein Vorbild im Wesentlichen nur im Code Civil.95 Zudem zeigt sich, dass die Rechtshängigkeit des Anspruchs als wesentliches Kriterium der Unterbrechungswirkung gesehen wird.96
92 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 783. 93 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 784. 94 Hierzu Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/ Teil 2, S. 784. 95 Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 783 f. 96 Siehe z. B. Vorlage Anspruchsverjährung (1877), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 784; vgl. auch Motive, Bd. I, S. 328.
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
2. Beratungen der Vorlage In der Kommissionsberatung fand der Vorschlag XI. im Wesentlichen Zustimmung.97 Widersprochen wurde jedoch dem Vorschlag XI. Ziff. 4, soweit dort bestimmt wurde, dass auch durch die Streitverkündung eine Unterbrechung nicht eintreten sollte. Es wurde daher mehrheitlich98 beschlossen: „Durch die Streitverkündung wird die Verjährung wie durch Klage unterbrochen.“99 3. Der Teilentwurf eines Allgemeinen Teils von 1881 Im Jahr 1881 konnte Gebhard einen Teilentwurf eines Allgemeinen Teils (TEAllgT)100 vorlegen.101 In diesem befassen sich die §§ 169–196 TE-AllgT mit der Verjährung, die §§ 182–189, 191, 192 TE-AllgT mit der Unterbrechung. Im Vergleich zur Vorlage von 1877 werden die Unterbrechungstatbestände – im Wesentlichen in Ausführung der in den Beratungen getroffenen Beschlüsse – weiter ausgestaltet. Im Hinblick auf die Verjährungsunterbrechung ist auf folgende Regelungen einzugehen: In § 183 TE-AllgT ist bestimmt, durch welche Rechtsverfolgungsmaßnahmen die Verjährung unterbrochen werden kann. In Umsetzung des Kommissionsbeschlusses102 wird nunmehr auch der Streitverkündung unterbrechende Wirkung beigemessen. Gleiches gilt für die Vornahme einer Vollstreckungshandlung.103 Diese beiden Unterbrechungstatbestände werden in § 187 bzw. § 189 TE-AllgT 97 18. Sitzung vom 16.10.1877, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1008–1010, dort auch zu Einzelheiten. Die Beratungen legten hauptsächlich die Vorschläge und nicht die Regelungen des vorläufigen Entwurfs zugrunde. 98 Nach Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 46, Fn. 86 hat, wenn in den Protokollen von einer Mehrheitsentscheidung die Rede ist, immer eine längere Sachdiskussion stattgefunden. 99 18. Sitzung vom 16.10.1877, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1009. 100 Der Teilentwurf des Allgemeinen Theils umfasst die §§ 1–217. Ein Abdruck hiervon findet sich bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. 1–38. Die Begründung zum Dritten Titel „Die Zeit“ (§§ 162–196), in der sich die Vorschriften zur Verjährung befinden (§§ 169–196), ist abgedruckt bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 285–408. Diese Begründung legt eine isolierte Paragraphenzählung zugrunde (abgedruckt bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 275–283, die §§ 8 –35 betreffen die Verjährung). Im Folgenden wird jedoch die Zählung des TE-AllgT angegeben, da auch die Beratungen des TE-AllgT auf diese Bezug nehmen. 101 Siehe zur Entstehung Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 1, S. I X–XIV. 102 18. Sitzung vom 16.10.1877, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1009. 103 Hierzu 18. Sitzung vom 16.10.1877, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1009.
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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näher ausgestaltet. Dabei bestimmt § 187 TE-AllgT, dass die Unterbrechung mittels Vornahme einer Vollstreckungshandlung u. a. dann als nicht erfolgt gilt, wenn die erwirkte Vollstreckungsmaßregel wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen wieder aufgehoben wird. § 189 TE-AllgT enthält hingegen keine Aussagen, wie mit einer fehlerhaften Streitverkündung umzugehen ist.104 Im TE-AllgT findet sich im Übrigen erstmalig die später in § 209 BGB 1900 Gesetz gewordene Einteilung der Unterbrechungstatbestände in zwei Absätze, indem in § 183 Abs. 1 TE-AllgT die Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung festgeschrieben und in Abs. 2 bestimmt wird, dass die Geltendmachung des Anspruchs im Wege der Einrede, die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren, die Vornahme einer Vollstreckungshandlung und die Streitverkündung der Klageerhebung gleichstehen.105 Änderungen und Ergänzungen erfuhr die Vorschrift des § 13 der Vorlage. Während dessen Abs. 1 Alt. 2 vorsah, dass die Unterbrechung mittels Klage als nicht erfolgt gilt, wenn die Klage „durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urtheil rechtskräftig abgewiesen wird“, ordnete § 184 Abs. 1 Alt. 2 TEAllgT106 diese Rechtsfolge für die Abweisung der Klage „wegen Mangels eines wesentlichen Bestandtheils der Klageschrift“ an. Die Heilungsvorschrift des § 13 Abs. 2 der Vorlage für die Klage vor dem unzuständigen Gericht blieb in § 184 Abs. 2 TE-AllgT inhaltlich erhalten, wurde aber durch § 184 Abs. 4 TEAllgT ergänzt, der bestimmte, dass im Fall der Klageabweisung durch ein nicht 104 In der Begründung erfolgt allerdings ein Hinweis zum Umgang mit der Rücknahme der Streitverkündung. Dieser Fall könne eventuell durch die Gleichstellung der Streitverkündung mit der Klageerhebung in § 182 Abs. 2 TE-AllgT als gedeckt erachtet werden, Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 372; siehe auch Motive, Bd. I, S. 331. 105 Zur Unterbrechung durch Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle siehe Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 372–377. 106 § 184 TE lautete: [I] Die Unterbrechung mittels Klage gilt als nicht erfolgt, wenn der Berechtigte die Klage zurücknimmt oder wenn dieselbe wegen Mangels eines wesentlichen Bestandtheils der Klageschrift abgewiesen wird. [II] Wird die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts abgewiesen, so gilt die Verjährung als durch die Klage unterbrochen, wenn der Berechtigte binnen einer von der Rechtskraft des Urtheils laufenden sechsmonatigen Frist bei dem zuständigen Gericht neue Klage erhebt. [III] Hat der Berechtigte im Falle des § 36 Nr. 6 der Civilprozeßordnung binnen einer von der Rechtskraft des letzten Urtheils laufenden dreimonatigen Frist um Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht und nach erfolgter Bestimmung derselben binnen gleicher Frist Klage erhoben, so behält die frühere Klageerhebung vor dem zuständigen Gerichte die Wirkung, welche sie gehabt haben würde, wenn die Klage nicht abgewiesen worden wäre. [IV] Wird die Klage wegen eines sonstigen Mangels durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urtheil abgewiesen, so bleibt die eingetretene Unterbrechung in Kraft, wenn der Berechtigte innerhalb der in Absatz 2 bezeichneten Frist neue Klage erhebt.
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in der Sache entscheidendes Urteil wegen eines sonstigen Mangels „die eingetretene Unterbrechung in Kraft“ bleibt, wenn der Berechtigte innerhalb der Frist des Abs. 2 eine neue Klage erhebt. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur wurde mithin gegenüber der Vorlage zur Anspruchsverjährung erweitert. Der TE-AllgT differenziert bei der Heilung zwischen verschieden Fehlern. Neben dem in Abs. 2 explizit geregelten Fall der Klage vor dem unzuständigen Gericht ergibt sich aus der Zusammenschau von Abs. 1 und Abs. 4, dass erstmals ausdrücklich zwischen wesentlichen Mängeln und sonstigen Mängeln der Klageschrift differenziert wird. Nur bei letzteren (die Begründung nennt hier bspw. § 247 Nr. 3–5 CPO107) soll eine Korrektur möglich sein. Zu dieser Unterscheidung – auf welche die heutige Handhabung zurückgeführt werden kann und die daher eine ganz wesentliche Weichenstellung beinhaltet – sah sich Gebhard aufgrund der Gesetzesmaterialien zu § 230 CPO veranlasst:108 In der Begründung zu § 222 des Entwurfs der CPO (später § 230 CPO; nunmehr, freilich mit inhaltlichen Änderungen, § 253 ZPO), auf die Gebhard ausdrücklich verweist,109 heißt es: „Fehlt es in der Klageschrift an einem der wesentlichen Bestandtheile, so können die Wirkungen, welche der Entwurf an die Erhebung der Klage knüpft, nicht eintreten.“110 Gemeint sind hier die prozessualen Wirkungen, weil nur diese im Entwurf geregelt werden.111 Gebhard folgert hieraus, dass dann, wenn die Klageschrift an einem wesentlichen Mangel leide, die Klage überhaupt nicht erhoben und die Unterbrechung nicht eingetreten sei.112 Dass wesentliche Mängel der Klageschrift im Gegensatz zu sonstigen Fehlern den Eintritt der Unterbrechung hindern, wird somit nicht materiell-rechtlich, sondern mit einem Rückgriff auf die CPO begründet: Wenn, wie in den Materialien zur CPO mitgeteilt, wesentliche Mängel dazu führen, dass prozessualen Wirkungen der Klageerhebung nicht eintreten, müsse das auch für die materiellrechtliche Wirkung der Verjährungsunterbrechung gelten.
107 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 370; siehe auch Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 321. 108 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 371. 109 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 371. 110 Hahn, Materialien CPO, S. 255. 111 Hahn, Materialien CPO, S. 259. 112 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 371. Wörtlich heißt es dort: „Die aus Abs. 1 sich ergebende Beschränkung des Abs. 4 dürfte durch § 230 der C. P. O. (Motive zu § 222 des Entw.) geboten sein. Leidet die Klagschrift an einem wesentlichen Mangel, so ist die Klage überhaupt nicht erhoben und die Unterbrechung nicht eingetreten.“ Siehe auch Förster/Eccius, Preuß. PrivatR, § 57, 3. (S. 323): Bei wesentlichen Mängeln der zugestellten Klage treten die Wirkungen der Rechtshängigkeit nicht ein; ebenso Schwalbach, AcP 64 (1881), 256, 273 f., 282.
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4. Die Behandlung des Teilentwurfs durch die 1. Kommission In den Beratungen waren die Vorschriften § 183 und § 184 des TE-AllgT Gegenstand ausführlicher Diskussion. Unbeanstandet blieb die Regelung des § 183 TE-AllgT soweit die Verjährungsunterbrechung durch Klage, auch durch Feststellungsklage, eintreten sollte und die Zustellung des Zahlungsbefehls im Mahnverfahren, die Vornahme einer Vollstreckungshandlung und die Streitverkündung der Klageerhebung gleichgestellt wurden. Dass der Entwurf darauf verzichtete, auch durch Protestation die Verjährung zu unterbrechen, fand ebenfalls Zustimmung.113 Umstritten war hingegen die Frage, ob auch der Geltendmachung des Anspruchs durch Einrede eine unterbrechende Wirkung zukommen sollte. Im Ergebnis wurde dies für die Einreden allgemein und auch für die Kompensationseinrede verneint.114 Weiterhin wurde entschieden, dass die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel und die Klage auf Erlass des Vollstreckungsurteils unterbrechende Wirkung haben. Zudem sollte die Regelung, dass die Verjährung durch Anmeldung der Forderung im Konkursverfahren unterbrochen wird, in das BGB aufgenommen werden und nicht in der Konkurs ordnung verbleiben.115 Im Hinblick auf § 184 TE-AllgT war zunächst die Frage, wie sich die Abweisung der Klage auf die Unterbrechung auswirkt (§ 184 Abs. 1 Alt. 2 TE-AllgT), Gegenstand einer intensiven Erörterung.116 Dabei ging es zunächst um die Grundsatzfrage des Regel-Ausnahme-Verhältnisses: Soll bei Abweisung der Klage so, wie im TE-AllgT vorgesehen, regelmäßig und von einigen Ausnahmen abgesehen, die unterbrechende Wirkung erhalten bleiben, wenn binnen sechs Monaten eine verbesserte Klage erhoben wird oder soll, wie von Kurlbaum117 beantragt,118 die Abweisung der Klage regelmäßig, vorbehaltlich ge113 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1034. 114 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1034 f. In der Folge wurde auch § 185 TE-AllgT gestrichen, Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1037. Siehe auch Motive, Bd. I, S. 328. 115 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1035; siehe auch Motive, Bd. I, S. 328 f. 116 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036. 117 Karl Dietrich Adolf Kurlbaum (geb. 1829, gest. 25.11.1906 in Stettin). Ab 1872 Geheimer Justizrath und vortragender Rath im preußischen Justizministerium, 1889 Ernennung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts in Stettin. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 77. 118 Kurlbaum hatte beantragt, in § 184 Abs. 1 TE-AllgT die Worte „wegen Mangels – Klageschrift“ zu streichen, sodass Abs. 1 gelautet hätte: „Die Unterbrechung mittels Klage gilt als nicht erfolgt, wenn der Berechtigte die Klage zurücknimmt oder wenn dieselbe abgewie-
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wisser Ausnahmen, zur Aufhebung der Unterbrechungswirkung führen.119 Die Ansichten waren geteilt. Es wurde geltend gemacht, dass das Entfallen der Unterbrechungswirkung gerechtfertigt sei, wenn die Abweisung wegen Mangels einer Prozessvoraussetzung erfolge, nicht aber, wenn die Klage aus sachlichen Gründen nur zur Zeit und nicht endgültig abgewiesen werde. In diesem letzteren Fall müsse die Unterbrechung fortwirken. In der Folge wurde daher beschlossen § 184 Abs. 1 TE-AllgT dahingehend zu ändern, dass die Unterbrechung mittels Klage als nicht erfolgt gilt, „wenn der Berechtigte die Klage zurücknimmt oder wenn dieselbe wegen eines Mangels einer Prozessvoraussetzung abgewiesen wird“120. Maßgebend für den Beschluss war die Erwägung, dass die Abweisung wegen Mangels einer Prozessvoraussetzung ihrer Bedeutung nach dem Fall der Klagerücknahme gleichzustellen und mithin die unterbrechende Wirkung zu verneinen sei. Auch sei aus Billigkeitsgründen kein anderes Prinzip gerechtfertigt, vielmehr genügten die in Abs. 2 bis Abs. 4 vorgesehenen Ausnahmen.121 Das Prinzip erstrecke sich hingegen nicht auf die Fälle der auf sachlichen Gründen beruhenden nicht endgültigen Abweisung der Klage.122 Abs. 4 des § 184 TE-AllgT hatte sich durch Änderung des Abs. 1 erledigt und wurde, dem Antrag von Kurlbaum folgend,123 vollständig neu gefasst.124 Die intensive Diskussion der Frage zeigt, dass unter den Kommissionsmitgliedern keine Einigkeit bestand, wie die Abweisung der Klage im Hinblick auf sen wird.“ § 184 Abs. 2 und Abs. 3 TE-AllgT sollte von kleineren Änderungen abgesehen, beibehalten werden. Abs. 4 sollte vollständig neu gefasst werden und nur eine Heilungsmöglichkeit für den Fall vorsehen, dass die gewählte Prozessart unstatthaft ist. Siehe hierzu Anträge Nr. 3a)–d), bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036. 119 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036. 120 Mit der Formulierung „wegen eines Mangels einer Prozessvoraussetzung“ sind alle Verstöße gegen Prozessregeln, welche es zu einer sachlichen Entscheidung nicht kommen lassen, gemeint. Erfasst wäre hiervon auch die Abweisung angebrachtermaßen wegen ungenügender Begründung, wenn eine solche unter Geltung der CPO als möglich angesehen werde, Motive, Bd. I, S. 330. 121 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036 f.; Motive, Bd. I, S. 330. 122 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036 f.; Motive, Bd. I, S. 330. In diesem Fall sollte die Unterbrechung der Klage bestehen bleiben und bis zur Rechtskraft der abweisenden Entscheidung andauern, Motive, Bd. I, S. 330. 123 Siehe soeben 4. Kap., Fn. 118 (S. 127). 124 Es wurde lediglich die dreimonatige Frist des Antrags durch eine sechsmonatige ersetzt, 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1037. Gemünzt ist diese Vorschrift auf die unstatthaft im Urkundenprozess erhobene Klage, vgl. Motive, Bd. I, S. 331.
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die unterbrechende Wirkung zu behandeln ist.125 Im Ergebnis wurde durch die getroffenen Beschlüsse im Vergleich zum TE-AllgT das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt.126 Nunmehr entfiel – außer wenn die Abweisung der Klage aus sachlichen Gründen nur zur Zeit und nicht endgültig erfolgte – grundsätzlich die unterbrechende Wirkung, ohne die Möglichkeit diese wiederherzustellen. Ausnahmen hiervon waren nur vorgesehen für die Klage vor dem unzuständigen Gericht (Abs. 2), § 36 Nr. 6 CPO und die Unzulässigkeit der gewählten Prozessart (Abs. 4). 5. Der Entwurf erster Lesung (E I) Die §§ 183, 184 TE-AllgT so, wie sie sich nach den beschlossenen Änderungen darstellten, erfuhren im weiteren Verfahren bis zur Fassung im Entwurf erster Lesung (E I)127 fast ausschließlich redaktionelle Änderungen.128 Im E I lauteten die entsprechenden Regelungen wie folgt: § 170 E I (§ 183 TE-AllgT, § 169 KE129) Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruches, auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurtheiles Klage erhebt. Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 131. Siehe auch die möglicherweise in gegensätzliche Richtung abzielenden Anträge Nr. 1 u. Nr. 2 von Planck, 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1036, die sich in Folge der Beratung und der gefassten Beschlüsse aber zunächst erledigten. Planck brachte jedoch weitere Anträge in die Vorkommission des Reichsjustizamts ein, siehe unten 4. Kap., Fn. 135 (S. 131). Gottlieb Karl Georg Planck (geb. 26.06.1824 in Göttingen, gest. 20.05.1910 in Göttingen). Mitglied beider Kommissionen und Kommissar des Bundesrats. 1868–1879 Appellationsgerichtsrat in Celle; 1889 zum ord. Honorarprofessor in Göttingen ernannt. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 81 f. Als Generalreferent der 2. Kommission prägte er deren Arbeit maßgeblich, zuvor war er auch in der Vorkommission des RJA tätig, Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 58 f., 54, siehe auch S. 48, Fn. 95; Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 191. 126 So ausdrücklich 51. Sitzung v. 30.01.1882, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1037. 127 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung. Berlin 1887 (sog. 1. Entwurf, vgl. Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 1. TB, S. I X). Abgedruckt bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, Entwürfe, S. 645–1286 (§§ 170, 171 E I: S. 706 f.). 128 Hierzu Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1072–1075. 129 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Berathung. Berlin 1885 (sog. Kommissionsentwurf, vgl. Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 1. TB, S. I X). Abgedruckt bei Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, Entwürfe, S. 1–328 (§§ 169, 170 KE: S. 53 f.). 125
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Der Klagerhebung stehen gleich: 1. die Zustellung eines Zahlungsbefehles im Mahnverfahren; 2. die Anmeldung einer Konkursforderung im Konkurse; 3. die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt; 4. die Vornahme einer Vollstreckungshandlung und, soweit die Zwangsvollstreckung den Gerichten oder anderen Behörden zugewiesen ist, die Stellung des auf die Zwangsvollstreckung gerichteten Antrages. Die Vorschrift des § 190 der Civilprozeßordnung bleibt unberührt. § 171 E I (§ 184 TE-AllgT, § 170 KE) Die Unterbrechung mittels Klagerhebung gilt als nicht erfolgt, wenn der Berechtigte die Klage zurücknimmt, oder wenn dieselbe wegen Mangels einer Prozeßvoraussetzung abgewiesen wird. Wird die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes abgewiesen und von dem Berechtigten binnen sechs Monaten nach der Rechtskraft des Urtheiles bei dem zuständigen Gerichte neue Klage erhoben, so gilt die Verjährung als durch die erste Klagerhebung unterbrochen. Ist im Falle des § 36 Nr. 6 der Civilprozeßordnung die erste Klage innerhalb der Verjährungsfrist und jede nachfolgende Klage binnen sechs Monaten nach der Rechtskraft des vorausgegangenen Urtheiles erhoben, auch binnen drei Monaten nach der Rechtskraft des letzten Urtheiles die Bestimmung des zuständigen Gerichtes nachgesucht und bei dem bestimmten Gerichte sodann binnen drei Monaten nach der Bestimmung desselben die Klagerhebung erfolgt, so gilt die Verjährung als durch die erste Klagerhebung unterbrochen. Wird die Klage wegen Unzulässigkeit der gewählten Prozeßart abgewiesen und von dem Berechtigten binnen sechs Monaten nach der Rechtskraft des Urtheiles in der zulässigen Prozeßart neue Klage erhoben, so gilt die Verjährung als durch die erste Klagerhebung unterbrochen. Auf die im zweiten bis vierten Absatze bezeichneten Fristen finden die Vorschriften der §§ 164, 166 entsprechende Anwendung.
II. Die Vorkommission des Reichsjustizamts (1890–1893) Von Januar 1891 bis April 1893 – und damit zeitweise parallel zur 2. Kommission – fanden die Sitzungen der Vorkommission des Reichsjustizamts statt.130 Die von dieser beschlossenen Änderungen des E I wurden sodann von den Reichskommissaren als Anträge in die Beratungen der 2. Kommission eingebracht. Dort fanden diese Ergebnisse häufig die Zustimmung der Mehrheit, sodass die in der Vorkommission getroffenen Entscheidungen in großem Umfang Eingang ins BGB fanden.131 Resultat der Beschlüsse war auch ein eigener Ent-
Hierzu Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 169 ff.; Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 53 f. 131 Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 169, 174; Schubert, in: Jakobs/ Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 54. Eine zeitliche Ersparnis war mit dieser Vorgehensweise nicht verbunden, da in der 2. Kommission eine erneute Beschäftigung mit den 130
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wurf des Reichsjustizamts zum Allgemeinen Teil, der von Börner als Antrag Nr. 1 in die 2. Kommission eingebracht wurde.132 Im Hinblick auf § 170 Abs. 2 E I wurde in der Vorkommission auf einen Antrag von Struckmann133 hin beschlossen, dass auch die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess der Klageerhebung gleichgestellt werden sollte.134 § 171 Abs. 1 E I wurde sachlich gebilligt, jedoch dessen Alt. 2 einem Antrag von Börner entsprechend dahingehend geändert, dass die Unterbrechung mittels Klageerhebung als nicht erfolgt gilt, wenn die Klage „durch ein in der Sache selbst nicht entscheidendes Urtheil abgewiesen wird“.135 Für Abs. 2 wurden sodann wesentliche Änderungen beschlossen.136 Zum Ersten sollte die Möglichkeit des Abs. 2, die Unterbrechungswirkung zu erhalten, nicht nur für den Fall der Abweisung der Klage gelten, sondern auch auf die Klagerücknahme erstreckt werden, da sonst der Kläger bei formellen Mängeln gezwungen sei, Problemen erfolgte, Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 186 f.; Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 54. 132 Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 177. 133 Hermann Carl Sigismund Struckmann (geb. 27.07.1839 in Osnabrück, gest. 20.12.1922 in Berlin). 1877 Obergerichtsrat, ab 1879 Landgerichtsrat in Göttingen, ab 1884 Oberlandgerichtsrat in Kiel. Im Juli 1890 als Geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat ins RJA berufen. In der 1. Kommission Hilfsarbeiter von Planck, in der 2. Kommission zunächst als Reichkommissar, ab 1895 als ständiges Mitglied vertreten. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 107 f. 134 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1098 (m. ausf. Begründung), der Antrag von Struckmann (Nr. 47, 14) auf S. 1086. Siehe auch Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 3 f. 135 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1099 f., der Antrag von Börner (Nr. 46, 14) auf S. 1085. Einen inhaltsgleichen Antrag stellte insoweit Planck (Antrag Nr. 1, 68): „[…] oder wenn dieselbe aus prozessualischen Gründen ohne Entscheidung in der Sache selbst abgewiesen wird.“, S. 1084. In die gleiche Richtung auch der Antrag von Struckmann (Nr. 47, 15), Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1087, dem Achilles (Antrag Nr. 53, 6) beitrat, S. 1090. Alexander Georg Achilles (geb. 06.03.1833 in Werben a. d. Elbe, gest. 21.10.1900 in Berlin). Hilfsarbeiter von Johow in der 1. Kommission, in der 2. Kommission Kommissar der Reichsregierung. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 91 f. 136 Zum Folgenden 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1099 f. Die von der Vorkommission RJA festgestellte Fassung entspricht abgesehen von nicht relevanten kleineren Umformulierungen dem Antrag von Börner (Nr. 46, 14), bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1085. Dem Börner’schen Antrag entspricht inhaltlich der Antrag von Planck (Antrag Nr. 1, 68; S. 1084), der jedoch § 171 Abs. 3 E I beibehalten wollte. Der Antrag von Struckmann (Nr. 47, 15; S. 1087), dem Achilles (Antrag Nr. 53, 6; S. 1090) beitrat, entspricht bezüglich der Abweisung der Klage inhaltlich ebenfalls dem Antrag von Börner, sah aber für den Fall der Klagerücknahme keine Möglichkeit vor, die unterbrechende Wirkung zu erhalten.
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den Prozess bis zur Abweisung fortzuführen. Zum Zweiten sollten die in § 171 Abs. 2 bis Abs. 4 E I geregelten Einzelfälle137 durch eine allgemeinere Regelung entbehrlich gemacht werden. Bezüglich § 171 Abs. 5 E I sprach man sich für eine Streichung aus. Es wurde durch die Vorkommission des Reichsjustizamts daher folgende Fassung von § 171 festgestellt, die abgesehen von redaktionellen Änderungen und der später erfolgten Anfügung eines S. 2 in Abs. 2, bereits dem späteren § 212 BGB 1900 entspricht: Die Unterbrechung durch Klagerhebung gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein in der Sache selbst nicht entscheidendes Urtheil abgewiesen wird. Erhebt der Berechtigte binnen sechs Monaten nach der Zurücknahme oder nach der Rechtskraft des Urtheils von neuem Klage, so gilt die Verjährung als durch die erste Klageerhebung unterbrochen.
Eine weitere entscheidende Weichenstellung für die Behandlung fehlerhafter Klagen erfolgte somit in der Vorkommission des Reichsjustizamts, da durch die beschlossenen Änderungen das Regel-Ausnahme-Verhältnis, bei welchem die 1. Kommission im nicht korrigierbaren Entfallen der Unterbrechungswirkung die Regel gesehen hatte, wieder umgekehrt wurde. Zudem geht die im Reichsjustizamt festgestellte Fassung des § 171 insoweit über § 184 TE-AllgT hinaus, als auch bei Klagerücknahme durch Erhebung einer neuen Klage die unterbrechende Wirkung der ersten Klage erhalten werden kann. Auch wenn sich in den Protokollen hierzu keine Aussage findet, kann davon ausgegangen werden, dass auch nach der im Reichsjustizamt festgestellten Fassung der Norm wesentliche Mängel der Klage den Eintritt der Unterbrechung hindern und nicht rückwirkend korrigiert werden konnten, da andernfalls hierzu eine inhaltliche Erörterung zu erwarten gewesen wäre.
III. Die zweite Kommission (1890–1896) und Inkrafttreten des BGB 1900 Die 2. Kommission138 billigte den sachlichen Inhalt von § 170 Abs. 1 und Abs. 2 des E I und ergänzte letzteren entsprechend dem Antrag Nr. 1 von Börner und 137 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1099: „kasuistische Vorschriften“. Abs. 3 konnte auch durch die Einführung des § 170a entfallen, der das Gesuch um die Bestimmung des zuständigen Gerichts selbst mit Unterbrechungswirkung ausstattete, 30. Sitzung v. 10.03.1891, Protokoll bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1100; vgl. auch Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 210 Anm. 3. 138 Die 2. Kommission wurde durch Beschluss des Bundesrats am 04.12.1890 eingesetzt und hielt im Zeitraum vom 01.04.1891 bis zum 08.02.1896 insgesamt 456 Sitzungen ab, Schulte-Nölke, RJA und die Entstehung des BGB, S. 164; Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 57 f.
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dem Antrag Nr. 96, 2 von v. Mandry139 um die Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess.140 Wiederum gemäß den Beschlüssen in der Vorkommission des Reichsjustizamts war beantragt, § 171 E I durch die von dieser festgestellten Fassung des § 171 zu ersetzen.141 Die Kommission billigte den sachlichen Inhalt des § 171 Abs. 1 des E I und überwies die Frage, ob dessen Alt. 2 entsprechend dem Börner’schen Antrag geändert werden sollte, der Redaktionskommission,142 was zeigt, dass eine sachliche Änderung mit der neuen Formulierung nicht verbunden sein sollte. Im Hinblick auf Abs. 2 bis Abs. 4 des § 171 E I war die Kommission der Ansicht, dass diese Regelungen einer Vereinfachung bedürften und genehmigte dem Antrag entsprechend den Ersatz dieser Bestimmungen.143 Dabei wurde ausdrücklich klargestellt, dass die in Abs. 2 und Abs. 4 genannten Sonderregelungen aufgegeben werden „und für alle Fälle eines in der Sache selbst nicht entscheidenden Urtheils die Milderung eintreten [soll], daß bei der Erhebung einer neuen Klage binnen sechs Monaten nach der Rechtskraft des Urtheils die Verjährung als durch die erste Klagerhebung unterbrochen gelte.“144 Auch wenn dies hier ebenfalls nicht ausdrücklich festgehalten wurde, muss davon ausgegangen werden, dass diese Heilungsmöglichkeit bei wesentlichen Mängeln nicht bestehen sollte, da eine solche inhaltliche Erweiterung ausführlich diskutiert worden wäre. Die Ausdehnung der Erhaltung der Unterbrechung durch eine neue Klage auf den Fall der Klagerücknahme wurde mit den
139 Johann Gustav Karl von Mandry (geb. 31.01.1832 in Waldsee/Württ., gest. 30.05.1902 in Tübingen). 1861 Professor für römisches Recht in Tübingen; Mitglied der 1. u. 2. Kommission. Angaben entnommen von Jahnel, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 78. 140 Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 224 f.; Antrag bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1116. § 170 Abs. 3 E I wurde gestrichen. Abgelehnt wurde der Antrag von Rüger (Nr. 103, 1) auch den Antrag auf Zuerkennung einer Buße der Klageerhebung gleichzustellen, Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 225 f. 141 Börner, Antrag Nr. 1, bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1116. Der Antrag war jedoch in Abs. 2 um einen S. 2 ergänzt, der bestimmte, dass auf die Frist des Abs. 2 S. 1 bestimmte Hemmungsvorschriften Anwendung finden sollten. 142 Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 226. 143 Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 226 f. 144 Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 227. Die in § 171 Abs. 2 u. Abs. 4 E I noch enthaltene Einschränkungen, dass die neue Klage vor dem zuständigen Gericht (Abs. 2) bzw. in der zulässigen Prozessart (Abs. 4) erhoben werden musste, hielt man für entbehrlich, weil durch die Anstellung der neuen Klage regelmäßig eine genügende Energie in der Rechtsverfolgung bekundet werde und dass es ungerechtfertigt sei, an dabei vorkommende Versehen neben der Kostenlast auch noch den Verlust des Rechts selbst zu knüpfen, Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 227; siehe hierzu auch Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 5.
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
schon von der Vorkommission des Reichsjustizamts gegebenen Erwägungen angenommen.145 In der Folge erfuhren die Vorschriften, die hier von Bedeutung sind, keine wesentlichen Änderungen mehr146 und hatten in der revidierten Fassung des E II, sog. „Bundesrathsvorlage“147, folgenden Wortlaut:148 § 204 (§ 170 E I, § 175 E II) Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurtheils Klage erhebt. Der Erhebung der Klage stehen gleich: 1. die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren; 2. die Anmeldung des Anspruchs im Konkurse; 3. die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozesse; 4. die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt; 5. die Vornahme einer Vollstreckungshandlung und, soweit die Zwangsvollstreckung den Gerichten oder anderen Behörden zugewiesen ist, die Stellung des Antrags auf Zwangsvollstreckung. § 207 (§ 171 E I, § 178 E II) Die Unterbrechung durch Klagerhebung gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urtheil rechtskräftig abgewiesen wird. Erhebt der Berechtigte binnen sechs Monaten von neuem Klage, so gilt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage unterbrochen. Auf diese Frist finden die Vorschriften der §§ 198, 201, 202 entsprechende Anwendung.
Da diese Normen soweit ersichtlich später weder im Bundesrat noch im Reichstag Gegenstand relevanter Diskussionen waren und daher auch nicht mehr in145 Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 227. Auch die beantragte Änderung des § 180 E I, der als § 170a vor § 171 eingefügt werden sollte und in dem entsprechend dem Beschluss der Vorkommission des RJA auch § 171 Abs. 3 E I aufging (vgl. oben 4. Kap., Fn. 137, S. 132), wurde angenommen, Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 227 f. 146 Siehe hierzu die vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (E I-VorlZust) von Planck bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1125 f.; die Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission (E I-ZustRedKom) bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1130 f. sowie den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, Zweite Lesung, 1894, 1895, sog. 2. Entwurf (E II), bei Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1135. Zu den vorstehenden Bezeichnungen Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 1. TB, S. I X, XVI f. 147 Vgl. Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 1. TB, S. I X. 148 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der Bundesrathsvorlagen, S. 36 f.
B. Die Regelungsentwürfe zu fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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haltlich geändert wurden,149 traten sie am 01.01.1900 als § 209 BGB 1900 (§ 183 TE-AllgT; § 169 KE; § 170 E I, § 175 E II, § 204 E II rev.) und § 212 BGB 1900 (§ 184 TE-AllgT; § 170 KE; § 171 E I, § 178 E II, § 207 E II rev.) in Kraft.150
IV. Zusammenfassung Die Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen ist somit unmittelbar nur für die Klage (§ 212 BGB 1900) und für Vollstreckungshandlungen (§ 216 BGB 1900) geregelt. Zudem erklären § 220 BGB 1900151 und § 477 Abs. 2 S. 2 BGB 1900 die Vorschrift des § 212 BGB 1900 für entsprechend anwendbar. Weiterhin verwies § 210 BGB 1900 auf die Unterbrechung durch Klageerhebung.152 Einer Gesamtschau der Vorschriften lässt sich entnehmen, dass durch die jeweilige Rechtsverfolgungsmaßnahme die Verjährung grundsätzlich zunächst unterbrochen wird. Sodann wird angeordnet, in welchen Fällen die Unterbrechung als nicht erfolgt gilt (§§ 212 Abs. 1, 213, 214 Abs. 1, 215 Abs. 2, 216 BGB 1900), wobei das Entfallen der Unterbrechungswirkung nur bei § 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB 1900 und bei § 216 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Alt. 1 u. Alt. 3 BGB 1900 auf einem Fehler der Rechtsverfolgungsmaßnahme beruht. Daraus kann abgeleitet werden, dass es in den übrigen Fällen bei der einmal eingetretenen Unterbrechung bleibt.153 Entfiel die Verjährungsunterbrechung nach § 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB 1900, bestand sodann nach § 212 Abs. 2 BGB 1900 die Möglichkeit, diese Wirkung zu erhalten.154
149 Vgl. Jakobs/Schubert, Beratung BGB, AT, 2. TB, S. 1139–1143 (Bundesrat) u. S. 1143– 1146 (Reichstag) sowie Mugdan, Gesammte Materialien, S. 1040 (Nachweisungen der auf die einzelnen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches bezüglichen Stellen der Materialien). Eine tiefgreifende Erörterung des Entwurfes war politisch auch nicht gewollt, siehe Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 62 f. 150 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.08.1896, RGBl. No. 21, S. 195 (Nr. 2321). Genauer Schubert, in: Jakobs/Schubert, Beratung BGB, Materialien, S. 68. 151 Der Verweis auf die Vorschriften über die Unterbrechung durch Klage findet sich bereits in der Vorlage zur Anspruchsverjährung (1877), dort § 18 des Entwurfs (siehe Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 749, 788 f.). In der Begründung des TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 386 heißt es, die Vorschriften, auf die verwiesen wird, gälten auch für die in § 191 TE-AllgT (§ 220 BGB 1900) genannten Fälle, „soweit eine entsprechende Anwendung derselben möglich“ ist. Vgl. auch Motive, Bd. I, S. 339: Die Vorschriften müssen entsprechende Anwendung finden. 152 Siehe auch Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 210 Anm. 3. 153 Vgl. zu § 176 Abs. 2 E I (§ 214 Abs. 2 BGB 1900) Prot. 2. Kommission, Bd. I., S. 230. 154 Der Regelungsgehalt des § 212 Abs. 2 BGB a. F. findet seine Vorbilder mithin in Art. 411 Abs. 2 Dresdener Entwurf, § 166 sächs. BGB 1863 sowie I 9 § 552 ALR, Peters/ Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 132.
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Dass wesentliche Mängel der Klageschrift im Gegensatz zu sonstigen Mängeln von vornherein eine Unterbrechung hindern, beruht auf einem Rückgriff Gebhards auf die Materialien zur CPO: Wenn dort bestimmt sei, dass bei wesentlichen Mängeln die prozessualen Wirkungen nicht einträten, müsse dies auch für die materiell-rechtlichen Rechtsfolgen gelten.
C. Rechtslage nach BGB a. F. I. Die Behandlung fehlerhafter Klagen nach § 212 BGB a. F. Zentrale Vorschrift für die Behandlung fehlerhafter Klagen war somit § 212 BGB a. F., insbesondere dessen Abs. 1. Die in § 212 Abs. 1 BGB a. F. getroffene Bestimmung155 – nämlich, dass die Unterbrechung durch Klageerhebung als nicht erfolgt gilt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil rechtskräftig abgewiesen wird – wäre nicht erforderlich gewesen, wenn eine Klage, die durch Prozessurteil abgewiesen werden muss, schon gar nicht geeignet wäre, die Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen. Gleiches gilt für § 216 Abs. 1 und Abs. 2 BGB a. F., wenn dort festgelegt wird, dass die Unterbrechung durch Vornahme einer Vollstreckungshandlung als nicht erfolgt gilt, wenn die Maßnahme wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird (Abs. 1 Alt. 2) und nach Abs. 2 das Gleiche für die Unterbrechung durch Stellung eines Antrags auf Zwangsvollstreckung gilt, wenn diesem nicht stattgegeben (Alt. 1) oder die erwirkte Vollstreckungsmaßnahme nach Abs. 1 aufgehoben wird (Alt. 3). Durch die Regelungen des § 212 Abs. 1 BGB a. F. brachte der Gesetzgeber mithin zum Ausdruck, dass die Verjährung zunächst auch durch eine Klage unterbrochen wird, die nicht geeignet ist, ein Sachurteil herbeizuführen.156 Die zunächst eingetretene 155 § 212 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F. wurde als direkte Konsequenz aus § 271 Abs. 3 CPO angesehen, Planck/Planck, § 212; Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 212 Anm. 1; siehe auch RGZ 33, 394, 396 ff. Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 212 Rn. 1 nennt diese Konsequenz nicht zwingend, aber naheliegend. Dass mit Klagerücknahme wegen § 269 Abs. 3 ZPO die Hemmung der Verjährung entfalle, wurde auch vom Bundesrat gegen die Neufassung des § 204 BGB eingewandt, BT-Drucks. 14/6857, S. 8, hiergegen die Gegenäußerung der BReg., BT-Drucks. 14/6857, S. 44: § 204 Abs. 2 S. 1 sehe ausdrücklich eine von § 269 Abs. 3 ZPO abweichende Regelung vor. 156 BGH NJW 1998, 3486, 3488; BGH NJW 1996, 2152, 2153; BGHZ 78, 1, 5; BGH WM 1974, 353, 354; BGHZ 39, 287, 291; RGZ 115, 135, 140; RGZ 66, 365, 368; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 18 (§ 212 Abs. 1 BGB a. F. setze die Unterbrechung durch eine unzulässige Klage gerade voraus); Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 32; Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 5, § 212 Rn. 2; RGRK/Johannsen, § 212 Rn. 3; Piekenbrock, Verjährung,
C. Rechtslage nach BGB a. F.
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Unterbrechung wird jedoch bei Abweisung der Klage nachträglich mit der Wirkung ex tunc wieder aufgehoben.157 Entsprechendes gilt für eine Vollstreckungsmaßnahme, die die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt oder durch einen Antrag, dem entweder schon gar nicht stattgegeben wird (§ 216 Abs. 2 Alt. 1 BGB a. F.) oder wo die auf diesen hin erlassene Maßnahme später wieder aufgehoben wird (§ 216 Abs. 2 Alt. 3 BGB a. F.).158 Die in § 212 Abs. 2 BGB a. F. eingeräumte Möglichkeit, sich nach Abweisung der Klage gemäß § 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB a. F.159 durch eine neue Klage die unterbrechende Wirkung der abgewiesenen Klage zu erhalten, besaß jedoch kaum praktische Bedeutung, da in den meisten Fällen die Fehler bei der Klageerhebung im laufenden Verfahren korrigiert werden können, weil maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen die letzte mündlichen Verhandlung der jeweiligen Instanz ist.160 Zu einer Abweisung wird es daher nur kommen, wenn ein nicht behebbarer Fehler vorliegt,161 der Kläger trotz eines Hinweises des Gerichts (§ 139 ZPO) eine Sachurteilsvoraussetzung nicht nachholt oder der Kläger meint, die Klage erfülle sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen, das Gericht aber anderer Auffassung ist.162 Trotz § 212 Abs. 1 BGB a. F. vermochte es jedoch nicht jede Klage, eine Unterbrechung auszulösen. Wie schon von Gebhard unter Verweis auf die Motive zur CPO163 angenommen, war – ohne dass ein Verweis auf diese Stelle ersichtlich ist – einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass nur eine S. 432; Tiedtke, BB 1981, 1920; Büdenbender, JuS 1997, 481, 489; Loritz, JR 1985, 98, 99; siehe auch Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 131 f. 157 BGH WM 1974, 353, 354; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 212 Rn. 1; RGRK/Johannsen, § 212 Rn. 5. 158 Vgl. BGHZ 122, 287, 295 f.; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 99, 102, § 216 Rn. 2. 159 Anders der Fall des § 212 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F., siehe z. B. Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 10; Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 212 Rn. 8; RGRK/Johannsen, § 212 Rn. 4. 160 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, Vor §§ 253 ff. Rn. 16. Vgl. für die Klage vor dem unzuständigen Gericht und die Klage in der unstatthaften Prozessart schon Motive, Bd. I, S. 330 f. 161 Dies dürften von den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen sein: fehlende Parteifähigkeit (§ 50 ZPO), fehlende Klagbarkeit des Anspruchs, entgegenstehende Rechtskraft. 162 Siehe z. B. NJW-RR 1989, 508: Abweisung der Klage als im Urkundenprozess unstatthaft. Relevant werden konnte § 212 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 BGB a. F. außerdem bspw. im Fall der Abweisung der neuen Klage bei unzulässiger Klageänderung, Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 212 Rn. 3. 163 Begründung zu § 222 des Entwurfs der CPO (§ 230 CPO 1879): „Fehlt es in der Klageschrift an einem der wesentlichen Bestandtheile, so können die Wirkungen, welche der Entwurf an die Erhebung der Klage knüpft, nicht eintreten.“, Hahn, Materialien CPO, S. 255. Genauer schon oben 4. Kap., B) I. 3. (S. 124).
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wirksame Klage die Verjährung unterbrechen konnte. Unterschieden wurde daher im Grundsatz zwischen der nur unzulässigen Klage, die nach §§ 209 Abs. 1, 212 Abs. 1 BGB a. F. geeignet war, die Verjährung zu unterbrechen und der unwirksamen Klage, der Unterbrechungswirkung nicht beigemessen wurde.164 Eine Klage, die den wesentlichen Formvorschriften des § 253 ZPO nicht entspreche, sei in Wahrheit gar keine Klage im Sinne des Gesetzes und könne daher auch nicht unterbrechen.165 Nach allgemeiner Ansicht war für den Eintritt der Unterbrechung weiterhin notwendig, dass der Berechtigte gegen den Schuldner klagte.166 Ersteres ergab sich bereits aus dem Wortlaut des § 209 Abs. 1 BGB a. F., Zweiteres wurde damit begründet, dass eine Klage gegen den Nichtschuldner keine Warnung für den Schuldner bewirken könne167.168
II. Die Behandlung anderer fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen 1. Entsprechende oder analoge Anwendung des § 212 BGB a. F. In § 477 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. wurde die entsprechende Anwendung des § 212 BGB a. F. auf die Verjährungsunterbrechung durch Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO (§ 477 Abs. 2 S. 1 BGB a. F.) bestimmt, sodass § 212 BGB a. F. insgesamt auch für diesen Unterbrechungstatbestand galt. Dies bedeutet, dass die Unterbrechungswirkung nur dann entfiel, wenn der Antrag zurückgenommen oder aus prozessualen Gründen zurückgewiesen wurde.169 Eine entsprechende Anwendung u. a. des § 212 164 BGH NJW 1996, 2152, 2153; BGH NJW-RR 1989, 508; BGH WM 1974, 353, 354 f.; RG JW 1934, 1494; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 16; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 36; Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 4 f.; RGRK/Johannsen, § 209 Rn. 16, 18, 29. Genauer unten 5. Kap., A) II. (S. 145) u. 5. Kap., B) III. 1. (S. 170). 165 RGZ 84, 309, 311; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 16. Siehe auch RGZ 45, 424, 425: Durch Zustellung einer Klageschrift, die keine ordnungsgemäße Ladung nach § 230 Abs. 2 Nr. 3 CPO 1879 enthalte, werde die Klage nicht erhoben; ebenso Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 209 Anm. 2; zu RGZ 45, 424 auch Piekenbrock, Verjährung, S. 434. BGH NJW-RR 1989, 508: Klageerhebung ist wirksam, wenn sie den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 ZPO entspricht, ebenso Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 4. 166 Siehe nur Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 209 Rn. 6 –8; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 10 f.; W. Hefermehl, in: Erman10, § 209 Rn. 2; Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 9, 12; Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 209 Anm. 1; Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 317. 167 BGHZ 80, 222, 226. 168 Hierzu Teil 3 (S. 311). 169 BGHZ 53, 43 (46 f.); RGZ 66, 365, 368; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 8; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 212 Rn. 8; Palandt61/Heinrichs, § 212 Rn. 4.
C. Rechtslage nach BGB a. F.
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BGB a. F. war zudem in § 220 BGB a. F. angeordnet.170 Soweit eine entsprechende Anwendung des § 212 BGB a. F. vorgesehen war, ergab sich hieraus wie bei der Klage, dass die unterbrechende Wirkung zunächst eintritt und nur in den in § 212 Abs. 1 BGB a. F.171 genannten Fällen wieder entfällt.172 Zudem bestand die Möglichkeit, die Unterbrechungswirkung nach § 212 Abs. 2 BGB a. F. zu erhalten.173 Eine analoge Anwendung des § 212 Abs. 2 BGB a. F. auf die Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 1a174 und Nr. 2175 BGB a. F. wurde überwiegend abgelehnt, da eine Regelungslücke nicht bestehe, was sich daran zeige, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle – eben in §§ 477 Abs. 2 S. 3, 220 BGB a. F. – eine entsprechende Anwendung bestimmt habe.176 Obwohl dieses Argument auch gegen die analoge Anwendung des § 212 Abs. 2 BGB a. F. auf § 216 BGB a. F. sprach,177 wurde eine solche teilweise bejaht.178
Grothe, in: MüKo-BGB4, § 220 Rn. 2, 3. Bei § 220 BGB a. F. zudem noch nach den anderen Vorschriften, auf die dort verwiesen wird, sofern diese einschlägig sind. 172 Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 220 Rn. 12; vgl. auch BGHZ 21, 199, 205 f. (entsprechende Anwendung des § 212 BGB a. F. auf Gebührenfestsetzungsantrag nach § 86a RAGebO). Anders zu § 220 BGB a. F. (Unterbrechung nur bei Zuständigkeit) Niedenführ, in: Soergel (1999), § 220 Rn. 1, nicht eindeutig W. Hefermehl, in: Erman10, § 220 Rn. 1, zutreffend hingegen Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 3; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 220 Rn. 5; Palandt61/Heinrichs, § 220 Rn. 1. 173 Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 220 Rn. 12. 174 BGHZ 123, 337, 346 (Güteantrag); Palandt61/Heinrichs, § 213 Rn. 4, § 212 Rn. 4 (Keine Analogie in allen Fällen des § 209 Abs. 2 BGB a. F.); Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 12; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 212 Rn. 9; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 213 Rn. 4; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, § 108 (S. 562 f.); Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 33. Anders, wenn sich an Mahn- oder Güteverfahren ein Streitverfahren unmittelbar anschloss, in welchem jedoch § 212 BGB a. F. direkte Anwendung fand, vgl. Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 12, § 212a Rn. 4; noch zweifelnd hinsichtlich § 213 BGB 1900 Planck/ Planck, § 213 Anm. 2. 175 Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 11; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 212 Rn. 9; Planck/Planck, § 214 Anm. 2. A. A. Niedenführ, in: Soergel (1999), § 214 Rn. 2, der eine entsprechende Anwendung des § 212 Abs. 2 BGB a. F. auf § 214 Abs. 2 BGB a. F. befürwortet. Siehe hierzu auch Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 169 f. 176 Grothe, in: MüKo-BGB4, § 212 Rn. 11. 177 Grothe, in: MüKo-BGB4, § 216 Rn. 2. 178 BGHZ 122, 287, 296; Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 209 Rn. 36; Palandt61/Heinrichs, § 216 Rn. 1; a. A. Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 216 Rn. 2. Mit Neuschaffung des § 204 BGB ist nach h. M. die Grundlage für eine solche Analogie entfallen, Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 16; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 24; a. A. Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 12. 170 171
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4. Kapitel: Geschichtliche Entwicklung bis zum Inkrafttreten des SchRModG
2. Übertragung der für die Klage geltenden Grundsätze auf die anderen Rechtsverfolgungsmaßnahmen Mit der Nichtanwendung des § 212 Abs. 2 BGB a. F. ist jedoch noch nicht darüber entschieden, welche Wirkung die sonstigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf die Verjährung haben, wenn sie fehlerhaft sind, da mit der Verneinung der Analogie zu § 212 Abs. 2 BGB a. F. lediglich feststeht, dass dann, wenn die Unterbrechungswirkung nach §§ 212a S. 3, 213, 214 Abs. 2, 215 Abs. 2, 216 BGB a. F. entfallen ist, diese nicht rückwirkend wiederhergestellt werden kann.179 Keine Aussage ist aber darüber getroffen, ob durch die fehlerhafte Rechtsverfolgungsmaßnahme die Verjährung zunächst überhaupt unterbrochen worden ist. Dies wurde im Grundsatz im Anschluss an die Handhabung der fehlerhaften Klage bejaht.180 Zur Begründung wurden der Sinn und Zweck der Verjährungsunterbrechung, der auch bei unzulässigen Maßnahmen erreicht werde,181 und, jedenfalls vereinzelt, die in § 209 Abs. 2 BGB a. F. vorgenommene Gleichstellung der dort genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen mit der Klage182 angeführt. Zudem kann hierfür auch auf einen Umkehrschluss aus den §§ 212a S. 3, 213, 214 Abs. 2, 215 Abs. 2, 216 BGB a. F. abgestellt werden: Wenn in diesen explizit bestimmt ist, wann die Unterbrechung als nicht erfolgt gilt, kann davon ausgegangen werden, dass im Übrigen die Unterbrechung eingetreten ist.183 Von diesem Grundsatz wurden jedoch einige Ausnahmen gemacht: So 179
Vgl. BGHZ 123, 337, 346 (Güteantrag): Keine entsprechende Anwendung des § 212 Abs. 1, sodass die Unterbrechung bestehen bleibt. Die entsprechende Anwendung von Abs. 2 war daher gar nicht erforderlich. 180 Für Nr. 1 siehe BGH NJW 1996, 2152, 2153; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 58. Für Nr. 1a siehe Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 22 („korrespondierend zu Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1a“); Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 63. Für Nr. 1b siehe Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 22; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 22a; Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 17a; einschränkend Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 64 f. Für Nr. 3 siehe Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 24 („ebenso wie [bei] der unzulässigen K lage“); Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 24. Für Nr. 5 Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 102, 99. 181 Siehe oben 3. Kap., C) II. 3. (S. 101). 182 BGHZ 123, 337, 342, 343 (Zuständigkeit der Gütestelle nicht erforderlich). Sehr deutlich Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 317: „Da diese Unterbrechungsmittel der Klageerhebung gleichgestellt, gilt für die Voraußetzung ihrer Wirkung alles, was für die Klageerhebung gilt.“, der jedoch bei der Ableitung konkreter Rechtsfolgen aus dieser Gleichstellung zu großzügig ist, vgl. S. 323. 183 Vgl. BGHZ 123, 337, 346; Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 212a Rn. 2 , 5. Anders aber, wenn bspw. nach allg. Ansicht zu § 215 Abs. 1 BGB a. F. angenommen wurde, dass die unterbrechende Wirkung der Aufrechnung oder der Streitverkündung entfällt, wenn die Klage zurückgenommen wird, siehe BGHZ 65, 127, 134; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 215 Rn. 3; W. Hefermehl, in: Erman10, § 215 Rn. 2; Palandt61/Heinrichs, § 215 Rn. 1.
C. Rechtslage nach BGB a. F.
141
forderte die herrschende Meinung für die Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 4 eine zulässige Streitverkündung184 und hielt im Rahmen von § 210 BGB eine Sachentscheidung des Gerichts für notwendig185. Zudem wurde teilweise angenommen, dass eine Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB a. F. nur eintritt, wenn die Anmeldung den Vorschriften der KO entspricht.186 In jedem Fall musste die Rechtsverfolgungsmaßnahme aber zumindest wirksam sein, um die Unterbrechungswirkung auszulösen.187
Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 25; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 25. § 210 Rn. 1; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 210 Rn. 3; Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 210 Rn. 4; W. Hefermehl, in: Erman10, § 210 Rn. 2; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 210 Rn. 3; RGRK/Johannsen, § 210 Rn. 1; Planck/Planck, § 210 Anm. 3; Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 210 Anm. 2; Rehbein, Bürgerl. Gesetzbuch, Bd. 1, S. 317; a. A. Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 210 Rn. 3, 4. Bei § 210 Alt. 2 BGB sollte zudem eine stattgebende Sachentscheidung notwendig sein, vgl. Grothe, WuB IV A. § 204 BGB 1.05; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 64, BGHZ 160, 259, 261. 186 RGRK/Johannsen, § 209 Rn. 33; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 23; vgl. auch Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 23: Ein Vergleich zur unzulässigen Klage lasse sich nicht ziehen. Hiergegen Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 168 f. Siehe auch OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483, wo zu Recht darauf verwiesen wird, dass in RGZ 39, 37, 45 (noch zu § 13 KO) lediglich der Fall der Anmeldung einer unbestimmten Gesamtforderung und damit ein dem § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechender Fall entschieden wurde. Differenzierend Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 66. 187 BGH NJW 1996, 2152, 2153 (Abs. 2 Nr. 1); Peters, in: Staudinger, Neub. 2001, § 209 Rn. 63 (Abs. 2 Nr. 1a). 184
185 Palandt61/Heinrichs,
5. Kapitel
Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB A. Keine Änderung der Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch die Neufassung des Verjährungsrechts I. Weiterführung der zum alten Recht bestehenden Grundsätze auch unter Geltung von § 204 BGB Mit der Neufassung des Verjährungsrechts sind der § 212 BGB a. F. und die vergleichbaren bzw. auf diesen verweisenden Vorschriften der §§ 212a, 213, 214, 215 und 220 BGB a. F. in § 204 Abs. 2 S. 1 BGB aufgegangen.1 Der Gesetzgeber des SchRModG hat darauf verzichtet, entsprechend § 212 Abs. 1 BGB a. F. die Hemmungswirkung rückwirkend entfallen zu lassen, wenn die Klage oder der sonstige Antrag zurückgenommen oder durch Prozessurteil abgewiesen wird. Vielmehr sollte „der bloße Aufschub für die Dauer des Verfahrens und der sechsmonatigen Nachfrist […] unabhängig von dessen [des Verfahrens, Anm. d. Verf.] Ausgang sein.“ Begründet wurde dies damit, dass durch die Umstellung von Unterbrechungs- auf Hemmungswirkung in deutlich geringerem Maß auf den Lauf der Verjährung eingewirkt wird.2 Hieran wurde im Gesetzgebungsverfahren festgehalten,3 obwohl der Bundesrat in einer Prüfbitte angeregt hatte, eine den §§ 212, 212a, 213, 214, 215 und 220 BGB a. F. entsprechende Vorschrift aufzunehmen4. Die nach § 204 Abs. 1 BGB eingetretene Hemmung, deren Dauer nach § 204 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist, sollte daher in ihrem Bestand unabhängig von der weiteren Entwicklung des jeweiligen Verfahrens sein. Ist die Hemmung einmal eingetreten, endet sie gemäß der Bestimmungen in Abs. 2, sie kann aber – entgegen §§ 212 Abs. 1, 212a S. 3, 213, 214 Abs. 2, 215 Abs. 2, 220 BGB a. F. – 1 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 69 f. Hierzu schon oben 3. Kap., C) I. 1. c) bb) (2) (S. 80). § 216 BGB a. F. blieb in § 212 Abs. 2, Abs. 3 BGB erhalten. 2 BT-Drucks. 14/6040, S. 118; BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4. Siehe auch Mansel/Budzikiewicz, Das neue Verjährungsrecht, § 8, Rn. 99. 4 BT-Drucks. 14/6857, S. 7 f.
144
5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
nicht mehr rückwirkend entfallen.5 Ob aber überhaupt, das heißt unter welchen Voraussetzungen, die Hemmung nach Abs. 1 eintritt, kann dem Wortlaut von § 204 Abs. 2 S. 1 BGB hingegen nicht entnommen werden, während sich nach altem Recht aus § 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB a. F. ergab, dass auch die Klage, die durch nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil abgewiesen wird, unterbricht6 und damit diese Wirkung immerhin der unzulässigen Klage zukam. Der Gesetzgeber hat aber an keiner Stelle deutlich gemacht, dass hinsichtlich der für den Eintritt der Hemmung notwendigen Anforderungen von der bisherigen Handhabung abgewichen werden soll.7 Im Gegenteil hat er die sechsmonatige Nachfrist des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB insbesondere deshalb für erforderlich gehalten, damit der Gläubiger in den Fällen, die nicht mit einer Sachentscheidung enden, sich neu orientieren kann8 und daher implizit zum Ausdruck gebracht, dass auch solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen die Verjährung hemmen. Da an dieser Stelle auch die Geltendmachung der Aufrechnung als Beispielsfall angeführt wird, kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen gemeint sein sollten, die von vornherein nicht in eine Sachentscheidung münden können und dass somit auch das Prozessurteil erfasst wird.9 Dies führt letztlich dazu, dass trotz der beschriebenen Änderungen die Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen auch im neuen Recht so gehandhabt wird, wie unter der Geltung des BGB a. F. Weder der Wegfall des Tatbestandsmerkmals „der Berechtigte“ in § 204 Abs. 1 BGB im Vergleich zu § 209 Abs. 1 BGB a. F.,10 noch der Umstand, dass die Rechtsverfolgung die Verjährung nicht mehr unterbricht, sondern nur noch eine Hemmung bewirkt, haben Rechtsprechung und Lehre im größerem Umfang zu einer Diskussion über eine geänderte Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen veranlasst. Bei der folgenden Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage können daher Rechtsprechung und Schrifttum aus der Zeit vor dem SchRModG weiterhin herangezogen werden. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 39. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 25. 7 BT-Drucks. 14/6040, S. 113 ff. Siehe auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 25 u. Piekenbrock, Verjährung, S. 432, jeweils für die Klage. 8 BT-Drucks. 14/6040, S. 117. 9 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 25, 69; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 119. Als Beispiele werden die Aufrechnung, das selbständige Beweisverfahren und der Antrag auf Prozesskostenhilfe genannt, wo zwar bei den beiden letzteren, nicht aber bei der Aufrechnung (§ 322 Abs. 2 ZPO), eine Entscheidung über den Anspruch von vornherein ausscheidet. 10 Hierzu unten 8. Kap., B) I. (S. 317) u. 9. Kap., A) I. (S. 337). 5 6
A. Keine Änderung der Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen 145
II. Grundsätze für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB Lässt man die oben angerissenen11 und später12 im Einzelnen darzustellenden Ausnahmen zunächst außen vor, kann verallgemeinernd gesagt werden, dass Voraussetzung für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 BGB ist, dass (1) der Berechtigte (vgl. § 209 Abs. 1 BGB a. F.) gegen (2) den materiell Verpflichteten eine (3) wirksame Rechtsverfolgungsmaßnahme einleitet. Fordert der Hemmungstatbestand die Kundgabe durch Zustellung, muss diese ebenfalls wirksam sein. Die Frage der Wirksamkeit der Rechtsverfolgung bestimmt sich sodann nach Prozessrecht.13 Für den Eintritt der Verjährungshemmung ist daher notwendig, dass die Rechtsverfolgungsmaßnahme und der Kundgabetatbestand verfahrensrechtlich wirksam waren; wobei letzteres freilich nur im Hinblick auf die Zustellung problematisiert wird. Grundsätzlich nicht erforderlich sind hingegen die Zulässigkeit oder gar die Begründetheit der Rechtsverfolgungsmaßnahme. Die Anwendung dieses Grundsatzes erfolgt unter Geltung des § 204 BGB noch konsequenter als zu § 209 BGB a. F., da er zum Ersten auch für die neuen Hemmungstatbestände § 204 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 9 BGB herangezogen14 und zum Zweiten – teilweise in Abkehr zum früheren Recht – auch auf § 204 Abs. 1 Nr. 10, Nr. 12 und Nr. 13 BGB erstreckt wird.15
11
Siehe Einleitung (S. 1). Siehe unten 5. Kap., B) III. 6. (S. 197) u. 7. (S. 205). 13 RG JW 1934, 1494; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 6; Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 30. Hierzu schon oben 1. Kap., A) II. 1. a) (S. 7). 14 Zu Nr. 7 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 270. Zu Nr. 9 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 297, 299; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51. 15 In BGHZ 160, 259 ff. wurde entscheiden, dass auch bei einer Hemmung nach Nr. 13 – entgegen der bis dahin h. M., Nachweise oben 4. Kap., Fn. 185 (S. 141) – nicht erforderlich ist, dass der Antrag Erfolg hat. Dem folgt die nunmehr h. M., vgl. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 64; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 377 und erstreckt dies auch auf Nr. 12, Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60. Genauer unten 5. Kap., B) III. 13. (S. 215) u. 14. (S. 217). Auch für die Hemmung durch Anmeldung im Insolvenzverfahren wird nunmehr zwischen unwirksamer und unzulässiger Anmeldung unterschieden, Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 325. 12
146
5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung Im Folgenden wird die gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen dargestellt. Zudem wird auf die Zustellung als den wichtigsten Kundgabetatbestand eingegangen, denn nur für diese wird die Auswirkung einer verfahrensrechtlichen Fehlerhaftigkeit auf die Hemmungswirkung bisher näher erörtert. Die in diesem Kapitel aufgezeigten Probleme werden später im Rahmen der Durchführung (Kapitel 7, S. 271) aufgegriffen und es wird versucht, an Hand der in Kapitel 6 (S. 221) entwickelten Maßstäbe eine eigene Lösung aufzuzeigen. Die in allen Fällen notwendige Individualisierung des Anspruchs wird vorab dargestellt. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass die vermeintlich klare Differenzierung zwischen hemmungshindernder Unwirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme einerseits und deren, für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB grundsätzlich unschädlicher, bloßer Unzulässigkeit andererseits weit weniger Rechtssicherheit bewirkt, als es diese Anknüpfung an das formale Verfahrensrecht vermuten lässt. Dieser Befund lässt sich zudem damit belegen, dass auch für die Zeit nach in Kraft treten des SchRModG bereits Rechtsprechungs- und Literaturmaterial in erheblichem Umfang vorliegt.
I. Individualisierung des Anspruchs 1. Allgemeines Es ist einhellige Auffassung, dass in allen Fällen des § 204 Abs. 1 BGB eine Hemmung der Verjährung nur dann eintreten kann, wenn der Anspruch, der gehemmt werden soll, hinreichend individualisiert ist. Denn der Schuldner kann sich nur dann auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus einstellen, wenn er weiß, in Bezug auf welchen Anspruch er Beweismittel sichern und diese aufbewahren muss sowie in welchem Umfang die wirtschaftlichen Belastungen fortbestehen. Der mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgte Zweck der Warnung wird nur dann erreicht, wenn der Schuldner, wie auch der BGH treffend formuliert, erkennen kann, „worum es geht“16. Welche Anforderungen konkret zu stellen sind, damit eine solche hinreichende Individualisierung bejaht werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Der Begriff der Individualisierung17 im Rahmen von § 204 Abs. 1 BGB ist nicht identisch mit der von 16
BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 16); BGHZ 206, 41, 48 (Rn. 18). Die Begriffe „Konkretisierung“ bzw. „Konkretisierungserfordernis“ werden im Folgenden synonym verwendet. Die Bezeichnung „Bestimmtheitserfordernis“ wird vermieden, 17
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 147
der herrschenden Auffassung zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO vertretenen sog. verbesserten Individualisierungstheorie18. Zwar kommt der Unterscheidbarkeit des Anspruchs von Ansprüchen gleicher Art im Sinne dieser Theorie auch für die Individualisierung nach § 204 Abs. 1 BGB ganz wesentliche Bedeutung zu. Die Individualisierung im Sinne dieser Norm geht jedoch in einem ganz wesentlichen Punkt über die Individualisierungstheorie des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO hinaus, da für die Individualisierung nach § 204 Abs. 1 BGB auch der Antrag (vgl. z. B. § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) und damit ein von § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zu unterscheidender Aspekt eine, im Folgenden noch näher darzustellende, Rolle spielt. Zudem sind die Anforderungen an die Abgrenzung des Lebenssachverhalts bei den einzelnen Hemmungstatbeständen nicht identisch, insbesondere bestehen hier Unterschiede, aus wessen Perspektive sie möglich sein muss. Weil sich der Begriff der Individualisierung im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB etabliert hat, wird dieser auch im Folgenden verwendet. Das Erfordernis einer hinreichenden Individualisierung hat seinen Ursprung in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, was dazu führt, dass diese Norm häufig Bezugspunkt für die Inhaltsbestimmung dieses Tatbestandsmerkmals ist.19 Es finden sich jedoch in nahezu allen in Bezug genommenen Verfahrensvorschriften Normen, an welche sich die notwendige Konkretisierung des Anspruchs anknüpfen lässt. Sollte eine verfahrensrechtliche Anknüpfung in einem bestimmten Fall nicht möglich sein, weil beispielsweise die Verfahrensordnung der angerufenen Streitbeilegungsstelle dies nicht vorsieht20 oder weil § 487 Nr. 2 ZPO nicht die Bezeichnung des Anspruchs, sondern nur der Tatsachen verlangt,21 ergibt sich diese Voraussetzung aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB. Fehlt es weil der Begriff „Bestimmtheit“ für die prozessualen Voraussetzungen der Klage nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO reserviert bleiben sollte. 18 Hierzu Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 77; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 52 f. 19 Siehe z. B Meller-Hannich, LMK 2015, 372470; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 526, 527: „[…] eine ordnungsgemäße Klage und somit auch ein ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch [bedürfen] eines bestimmten Antrags sowie einer Begründung […] (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)“. 20 Vgl. Riehm, NJW 2017, 113, 116. Siehe bspw. BGHZ 206, 41, 49 f. (Rn. 22–24, 26), wo die Anforderungen an die Individualisierung losgelöst von den Regelungen des einschlägigen Schlichtungsgesetztes und der Verfahrensordnung der angerufenen Schlichtungsstelle aufgestellt werden u. BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 16 ff.), wo zunächst die Voraussetzungen der einschlägigen Verfahrensvorschriften genannt werden und dann gesagt wird, dass darüber hinaus auch das Konkretisierungserfordernis erfüllt sein müsse, siehe dort aber auch Rn. 21. Borowski, VuR 2015, 467, 469 f. spricht von weiteren, neben den in den Verfahrensordnungen aufgestellten, Voraussetzungen. Vgl. auch Assies/Faulenbach, BKR 2015, 89, 95. 21 So Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47.
148
5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
somit an der hinreichenden Individualisierung, kann dies sowohl als relevanter Verfahrensfehler als auch als Fehlen einer eigenständigen Voraussetzung des § 204 Abs. 1 BGB ohne Verfahrensbezug22 gesehen werden. Im praktischen Ergebnis besteht zunächst kein Unterschied, ob die Verjährungshemmung zu versagen ist, weil es an einer in § 204 Abs. 1 BGB aufgestellten – ungeschriebenen – Voraussetzung fehlt, oder ob eine für den Hemmungseintritt notwendige Mindestanforderung der in Bezug genommenen Rechtsverfolgungsmaßnahme nicht gegeben ist. Da die verfahrensrechtlichen Normen, an die das Individualisierungserfordernis anknüpfen kann, jedoch keinen einheitlichen Inhalt haben, bestehen für die Individualisierung je nach Hemmungstatbestand unterschiedlich hohe Anforderungen, wenn man die jeweilige Verfahrensbestimmung zum Maßstab erhebt.23 Teilweise werden schon jetzt an die für § 204 Abs. 1 BGB notwendige Individualisierung weniger strenge Anforderungen gestellt, als dies für die Erfüllung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gefordert wird. Die verfahrensrechtliche Vorschrift kann dann also eine materiell-rechtliche, für § 204 Abs. 1 BGB maßgebende und eine für die verfahrensrechtliche Zulässigkeit einschlägige Definition haben.24 Zudem wird mitunter davon ausgegangen, dass an die Individualisierung geringere Anforderungen gestellt werden können, wenn sich diese Voraussetzung direkt aus dem materiellen Verjährungsrecht ergibt.25 Das Individualisierungserfordernis hat sich daher schon jetzt jedenfalls teilweise vom Verfahrensrecht gelöst und ist zur eigenständigen Voraussetzung des § 204 Abs. 1 BGB geworden.26 Es wird jedoch wegen seiner (ursprünglichen) verfahrensrechtlichen Anknüpfung in Teil 2 dargestellt. Die hinreichende Individualisierung des Anspruchs ist deswegen von immenser Bedeutung, da ihr Fehlen nach ganz herrschender Auffassung nur mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt werden kann. Verjährungshemmung kann daher nur eintreten, wenn die Anforderungen zu unverjährter Zeit erfüllt werden, eine Rückwirkung kommt mithin nicht in Betracht.27 22 Vgl. auch NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 105 zu § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB: „Dieses Konkretisierungserfordernis ist eine Voraussetzung des materiellen Verjährungsrechts, nicht des Prozessrechts“; ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47. Zu § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB Grothe, NJW 2015, 17: Das Merkmal der Individualisierung verstehe sich als materiell-rechtliche Wertungsparallele zum verfahrensrechtlichen Erfordernis des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. 23 Hierzu z. B. BGHZ 175, 1, 11 (Rn. 31). 24 So für den unbestimmten Antrag einer Klage bspw. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 30. 25 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47 zu § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB. 26 Vgl. NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 105 u. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47 für § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB; Grothe, NJW 2015, 17 für § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB. 27 Für die Klage: Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 23; OLG Celle, Urt. v. 01.02.2012,
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 149
Dass, wie im Folgenden zu zeigen ist, die an die Konkretisierung zu stellenden Anforderungen von Hemmungstatbestand zu Hemmungstatbestand divergieren, bewirkt eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit und hat, insbesondere bei der Verjährungshemmung durch die Zustellung des Mahnbescheids und durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines bei einer Streitbeilegungsstelle gestellten Antrags, zu erheblichen Rechtsverlusten geführt.28 2. Die verfahrensrechtlichen Anknüpfungsnormen des Individualisierungserfordernisses Zentraler Anknüpfungspunkt für das Individualisierungserfordernis ist § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der für die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag erfordert. Den bei den anderen Hemmungstatbeständen einschlägigen Vorschriften können die Anforderungen an die Konkretisierung des Anspruchs mehr oder weniger deutlich entnommen werden. Dass bei einer Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Individualisierung notwendig ist, ergibt sich aus § 250 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6 FamFG. Der Mahnantrag, auf den hin der hemmende Mahnbescheid erlassen wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB), muss nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO den Anspruch unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung bezeichnen. Wird der Anspruch bei einer Streitbeilegungsstelle nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB geltend gemacht, bestimmt meist die einschlägige Verfahrensordnung, dass der Anspruch zu bezeichnen ist. Soll durch die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB) die Verjährung gehemmt werden, gelten für die Gegenforderungen die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da sonst über diese nicht rechtskräftig entschieden werden kann (§ 322 Abs. 2 ZPO).29 Für die Streitverkündung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) ergibt sich aus § 73 S. 1 ZPO, dass der Grund der Streitverkündung anzugeben ist. Die Anmeldung zum Musterverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB) muss nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 KapMuG den Anspruch dem Grund und der Höhe Az. 3 U 168/11, Rn. 34, 37 (zit. n. juris). Für die nachträgliche Individualisierung einer nicht hinreichend genauen Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid: BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 16); BGH, Beschl. v. 31.01.2104, Az. III ZR 84/13, Rn. 17 (zit. n. juris); BGH NJW 2009, 56, 57 (Rn. 19 f.), BGH NJW 2008, 3498, 3499 (Rn. 16); BGH NJW 2001, 305, 307; OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478; OLG Celle NJW 2015, 90, 92; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 62; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 11; Grothe, NJW 2015, 17, 20; a. A. M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 889 ff.; Maniak, MDR 2001, 347, 348. Für den Güteantrag: BGHZ 206, 41, 47 (Rn. 17); BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 19). 28 Hierzu unten 5. Kap., B) I. 3. b) (S. 154) u. c) (S. 158). 29 Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 15; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 22.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
nach bezeichnen. Im selbständigen Beweisverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) sind immerhin die Tatsachen anzugeben, über die Beweis erhoben werden soll (§ 487 Nr. 2 ZPO). Bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB kann sich die Notwendigkeit einer Konkretisierung aus der Parteivereinbarung ergeben. Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB) fordert die Bezeichnung des Arrest- bzw. des Verfügungsanspruchs (§§ 920, 936 ZPO). Bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB) sind nach § 174 Abs. 2 InsO der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB kann sich aus der dem institutionalisierten Schiedsverfahren zugrunde liegenden Schiedsordnung oder der Schiedsvereinbarung (§ 1029 ff. ZPO) ein Konkretisierungserfordernis ergeben; so verlangt zum Beispiel Art. 4 Abs. 3 lit. c) ICC-SchO die Darstellung der anspruchsbegründenden Tatsachen und Umstände sowie der Anspruchsgrundlage, auf die die Ansprüche gestützt werden. Bestehen keine besonderen Anforderungen, gilt § 1044 S. 2 ZPO.30 Soll die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt werden (§ 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB), kann das jeweilige Gesetz bestimmen, dass bei Antragstellung Angaben zum Anspruch zu machen sind.31 Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit (§ 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB) muss ebenfalls grundsätzlich den Anforderungen des § 253 Abs. 2, Abs. 4 ZPO entsprechen.32 Bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB ist gemäß § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO im Antrag das Streitverhältnis darzustellen. 3. Die Anforderungen an die Individualisierung im Einzelnen a) Individualisierung des prozessualen Anspruchs nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB Maßgeblich für die Individualisierung im Rahmen des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, sodass diese Frage im engen Zusammenhang mit der Wirksamkeit der Klage und dem Umfang der Verjährungshemmung steht. Eine eindeutige Grenzziehung zwischen diesen Aspekten ist kaum möglich: Hemmen kann nach allgemeiner Auffassung nur eine wirksame Klage. Um wirksam zu sein, muss diese die Mindestanforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO33 und soRiehm, NJW 2017, 113, 115. Vgl. bspw. zu den Anforderungen an die Geltendmachung des Anspruchs nach § 10 Abs. 1 StrEG BGHZ 108, 14, 19 f. zur Wahrung der Fristen nach §§ 10, 12 StrEG, die freilich keine Verjährungsfristen sind. Zur Wahrung der Klagefrist des § 13 Abs. 1 S. 2 StrEG BGH NJW 2016, 2747, 2748. 32 Heinrich, in: Musielak/Voit, § 37 Rn. 2. 33 Siehe nur BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21. Aus 30 31
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 151
mit auch die in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO34 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen. Notwendig für die Wirksamkeit und damit für die Hemmung ist also, dass die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) sowie einen bestimmten Antrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) enthält. Es wird mehr oder weniger deutlich auf beide Alternativen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Bezug genommen, wenn in der Literatur formuliert wird: (1) für den Eintritt der Verjährungshemmung müsse die Klageschrift das Klagbegehren – unterhalb der Stufe der Substantiierung – individualisieren und den Streitgegenstand bestimmen;35 (2) Die Klagschrift müsse neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Klageantrag enthalten und der Anspruch, dessen Verjährung gehemmt werden soll, eben auf Grundlage dieser inhaltlichen Angaben eindeutig zu identifizieren sein;36 (3) die Klage müsse den Anspruch „in zweifelsfrei identifizierbarer Weise bezeichnen, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO“;37 (4) der Streitgegenstand müsse „als solcher nach Gegenstand (Antrag) und Grund (Lebenssachverhalt) eindeutig identifizierbar und von anderen unterscheidbar sein“;38 oder (5) die Klage müsse „so weit individualisiert sein, dass der Streitgegenstand bestimmt werden“ könne39. Soweit hiernach die Individualisierbarkeit bzw. die Identifizierbarkeit des Anspruchs gefordert wird, werden die Anforderungen umschrieben, welche nach ganz überwiegender Auffassung der sog. verbesserten Individualisierungstheorie an die bestimmte Angabe des Grundes40 des erhobenen Anspruchs im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zu stellen sind.41 Der
dem prozessualen Schrifttum einschränkend für § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 196, 197. Ausf. siehe unten 5. Kap., B) III. 1. a) (S. 171). 34 Siehe bspw. BGH NJW 2016, 2747, 2748 (Rn. 18, 19); Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 5. 35 Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 4. Die Individualisierung betreffend ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 23, der jedoch nicht ausdrücklich die Bestimmung des Streitgegenstandes fordert. 36 NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 31. 37 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 30, 16. 38 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 46. 39 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12. 40 Grund des erhobenen prozessualen Anspruchs ist derjenige Tatsachenkomplex, den der Kläger zur Begründung seines Klagebegehrens anführt; das sind also die tatsächlichen Verhältnisse (§ 130 Nr. 3 ZPO), aus denen er die in Anspruch genommene Rechtsfolge abgeleitet wissen will, Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 75. Allg. Meinung, siehe Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 52; Zöller/Greger, § 253 Rn. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 17. 41 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 77 ff.; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Anspruch ist danach dann individualisierbar42 , wenn er von Ansprüchen gleicher Art unterschieden werden kann. Der Beklagte muss erkennen können, aufgrund welcher Vorgänge er in Anspruch genommen wird.43 Damit diese Unterscheidung getroffen werden kann, muss der Kläger die hierzu notwendigen Tatsachen vortragen.44 Hierzu gehört auch die nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 ZPO erforderliche Bezeichnung der Parteien. Aber auch der Bestimmtheit des Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kommt als Hemmungsvoraussetzung eine wesentliche Bedeutung zu. Wenn für notwendig gehalten wird, dass die Klage den Streitgegenstand bestimmen muss,45 ist hierfür nach dem herrschenden und vorzugswürdigen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff46 auch ein bestimmter Antrag notwendig. Zudem lässt sich ohne ein konkretes Begehren des Klägers der Umfang der Hemmung nicht bestimmen, denn diese bemisst sich ebenfalls, jedenfalls im Grundsatz,47 nach dem Streitgegenstand.48 Es ist daher festzustellen, dass zur Erfüllung des Individualisierungserfordernisses bei § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Schwerpunkt auf der bestimmten Angabe des Grundes nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO liegt und damit Hemmungsvoraussetzung ist, dass der Lebenssachverhalt, aus welchem sich der materielle Anspruch ergeben soll, von anderen abgegrenzt werden kann.49 Gleichzeitig kann allein aus dem Lebenssachverhalt ein Anspruch nicht entnommen werden. Vielmehr ermöglicht es erst das Begehren des Klägers, welches im Antrag zum Ausdruck kommt, aus dem vorgetragenen LebenssachverRn. 52; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 46; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 21. 42 „Konkretisierbar“ und „identifizierbar“ können synonym verwendet werden. 43 BGH NJW 2016, 2747, 2748 (Rn. 19); BGH NJW-RR 2005, 216; BGH NJW 2000, 3492, 3493 f.; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 52; Zöller/Greger, § 253 Rn. 11; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 53; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 25 f. (Unverwechselbare Festlegung des Streits. Hierzu notwendig ist „eine Konkretisierung des Streitstoffs nach Beteiligten, Ort und Zeit, und zwar in dem Maße, das zur Unterscheidung von ähnlichen Begebenheiten nötig ist“.); Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 45; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 19. 44 Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 52; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 80. 45 Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 4; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12. Ausdrücklich einen bestimmten Antrag verlangt NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 31. 46 Siehe nur Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, Vor §§ 253 ff. Rn. 32. 47 Ausf. zum Verhältnis von Streitgegenstand und Umfang der Verjährungshemmung, Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 51 ff. 48 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 49; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 13. 49 Für den Umfang auch Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 54.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 153
halt einen Anspruch abzuleiten; erst der Antrag erhebt aus diesem den Entscheidungsgegenstand des Gerichts. Die Klage muss daher ein Anspruchsziel erkennen lassen. Anders formuliert gibt es ohne ein Klägerbegehren nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO keinen prozessualen Anspruch und ohne einen solchen scheidet auch die Hemmung des materiellen Anspruchs aus. Eine Individualisierung ist daher ohne einen Antrag nicht möglich. Eine hiervon zu trennende Frage ist, wie konkret dieser Antrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO sein muss. Im Schrifttum zu § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB finden sich hierzu kaum explizite Aussagen. Der generelle Verweis auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und den Streitgegenstand lassen vermuten, dass die Auslegung dieser Norm so, wie sie durch das prozessuale Schrifttum und die Rechtsprechung erfolgt, maßgeblich sein soll. Peters/Jacoby lassen hingegen ausdrücklich generell einen unbestimmten Antrag genügen, wenn dieser „nur Richtung und Umfang des klägerischen Begehrens erkennen“ lasse.50 Prozessual ist Voraussetzung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, dass der Antrag erkennen lässt, welchen Rechtsschutz der Kläger begehrt – Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung – und in welchem Umfang dieser Rechtsschutz verlangt wird.51 Bei den vorliegend besonders relevanten Leistungsklagen ist notwendig, dass sie einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, daher sind Zahlungsklagen zwingend zu beziffern und bei Herausgabeklagen der Gegenstand genau anzugeben.52 Der BGH fordert für diese in ständiger Rechtsprechung, dass der Antrag „den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt.“53 Es ist daher davon auszugehen, dass gegenwärtig im Grundsatz die Bezifferung der Zahlungsklage notwendig ist, um die Hemmung auszulösen.54 Gleichwohl werden hiervon jedoch, beispielsweise bei § 254 ZPO und Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 30, 19. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 26; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 26; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 88. 52 BGH NJW 2016, 317 f. (Rn. 9); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 27. Bsp. bei Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 30 ff. 53 BGH NJW 2016, 708, 709 (Rn. 8); BGH NJW 2013, 1367, 1368 (Rn. 12); BGHZ 153, 69, 75; BGH NJW 1999, 954. Ebenso BGH NZA 2012, 501, 502 (Rn. 14); BAG NZA 2011, 1169, 1171 (Rn. 21); BAGE 130, 195, 198 (Rn. 16) und das Schrifttum: Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 88; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 26; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 253 Rn. 57; Foerste, in: Musielak/Voit, § 253 Rn. 29. 54 Vgl. Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 71. 50 51
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bei der Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs, Ausnahmen zugelassen. Bei der Klage auf Feststellung eines Ersatzanspruchs wird der Anspruch insgesamt gehemmt.55 Wegen der Bindung an das Verfahrensrecht haben diese prozessualen Besonderheiten nach der gegenwärtigen Handhabung immer sogleich auch Auswirkungen auf die Verjährungshemmung. Hieraus resultiert auch innerhalb des Hemmungstatbestandes der Nr. 1 im Hinblick auf die Voraussetzungen und den Umfang der Verjährungshemmung ein sehr heterogenes und in sich nicht immer stimmiges Bild.56 b) Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheid, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB Die Frage der hinreichenden Individualisierung des Anspruchs im Mahnantrag und in der Folge im hemmenden Mahnbescheid ist immer wieder Gegenstand von Rechtsprechung und Literatur.57 Im Grundsatz gelten auch hier die Anforderungen, die bei der Klage an die Individualisierung des Streitgegenstandes zu stellen sind.58 § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO fordert die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung. Für Letzteres ist die Angabe eines bezifferten Geldbetrags notwendig; werden Zinsen als Nebenforderungen geltend gemacht, sind der Zinssatz, der zu verzinsende Geldbetrag und der Zeitraum des Zinslaufs anzugeben.59 Erforderlich ist mithin ein bestimmter Antrag. Dieser ist auch Hemmungsvoraussetzung,60 denn auf der Grundlage des Mahnbescheids ergeht der Vollstreckungsbescheid (§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO), welcher Vollstreckungstitel ist und daher dem Bestimmtheitsgebot genügen muss. Wegen der Ausgestaltung des Mahnantragverfahrens werden hier jedoch, jedenfalls in Bezug auf die Hauptforderung, nur selten hemmungshindernde Mängel vorkommen. Trotz des strengen Antragserfordernisses des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegt das Risiko des Gläubigers daher bei der hinreichend konkreten Bezeichnung des Anspruchs. Der BGH fordert in ständiger Rechtsprechung für die Erfüllung 55 Hierzu Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 15 ff.; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 61 ff. 56 Siehe hierzu auch die Einzelfälle bei Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 12 ff. 57 Ausf. Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 84 ff., 211 ff. 58 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 124. 59 Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 24, 25; Saenger/Gierl, § 690 Rn. 33. 60 So ausdrücklich BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 16): „Mangelt es dem Mahnantrag und dem Mahnbescheid an der nach § 690 I Nr. 3 ZPO notwendigen Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs, das heißt an der Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung, tritt keine Hemmung der Verjährung durch den antragsgemäß erlassenen Mahnbescheid ein. Siehe auch BGH NJW 2011, 613, 614 (Rn. 12); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 61; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 32; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 55.
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des Konkretisierungserfordernisses, „dass die im Mahnbescheid genannte Forderung durch ihre Kennzeichnung von anderen Forderungen unterschieden und abgegrenzt werden kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Forderung über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines [der materiellen Rechtskraft fähigen]61 Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen die Forderung zur Wehr setzen will oder nicht.“62 Notwendig für eine ausreichende Individualisierung seien daher „Vollstreckungsfähigkeit und die Erkennbarkeit.“63 Welche Anforderungen hierzu konkret erfüllt sein müssen, könne nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden. Art und Umfang der im Einzelfall erforderlichen Angaben hingen vielmehr von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab.64 Es kann im Mahnbescheid zur Konkretisierung auf außergerichtliche Schreiben (z. B. Rechnungen) oder sonstige Urkunden jedenfalls dann Bezug genommen werden, wenn diese dem Schuldner zugegangen sind.65 61 BGH, Urt. v. 31.01.2014, Az. III ZR 84/13, Rn. 11 (zit. n. juris); BGH NJW 2011, 2423, 2426 (Rn. 32); BGH NJW 2011, 613 (Rn. 9); BGH VersR 2010, 125, 126 (Rn. 18); BGH NJW 2009, 56, 57 (Rn. 18); BGH NJW 2008, 3498, 3499 (Rn. 7); BGH NJW 2008, 1220 (Rn. 13); BGHZ 172, 42, 55 (Rn. 39); OLG München NJW-RR 2010, 647, 648. 62 BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 17); BGH NJW 2013, 3509, 3510 (Rn. 14). Ebenso BGH, Urt. v. 31.01.2014, Az. III ZR 84/13, Rn. 11 (zit. n. juris); BGH NJW 2011, 2423, 2426 (Rn. 32); BGH NJW 2011, 613 (Rn. 9); BGH VersR 2010, 125, 126 (Rn. 18); BGH NJW 2009, 56, 57 (Rn. 18); BGH NJW 2008, 3498, 3499 (Rn. 7); BGH NJW 2008, 1220 (Rn. 13); OLG Stuttgart, Urt. v. 30.01.2017, Az. 9 U 111/13, Rn. 29 (zit. n. juris); OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478 f.; OLG München NJW-RR 2010, 647, 648 und zu § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. BGHZ 172, 42, 55 (Rn. 39); BGH NJW-RR 2006, 275, 276; BGH NJW 2001, 305, 306; BGH NJW 2000, 1420; BGH NJW 1996, 2152, 2153; BGH NJW 1992, 1111. Aus dem Schrifttum Voit, in: Musielak/Voit, § 690 Rn. 6; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 10; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Klose, MDR 2010, 11, 12. Kritisch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 55. 63 Grothe, NJW 2015, 17. 64 BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 17); BGH, Urt. v. 31.01.2014, Az. III ZR 84/13, Rn. 11 (zit. n. juris); BGH NJW 2015, 3228, 3234 (Rn. 63); BGH NJW 2013, 3509, 3510 (Rn. 14); BGH NJW 2011, 2423, 2426 (Rn. 32); BGH NJW 2011, 613 (Rn. 9); BGH VersR 2010, 125, 126 (Rn. 18); BGH NJW 2008, 1221 (Rn. 13); BGH NJW 2000, 1420; OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478 f.; OLG München NJW-RR 2010, 647, 648; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 10; Grothe, NJW 2015, 17, 18; Klose, MDR 2010, 11, 12. 65 BGH MDR 2017, 847 (Rn. 11, 14); BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 18); BGH NJW 2015, 3228, 3234 (Rn. 64); BGH NJW 2013, 3509, 3510 (Rn. 14); BGH NJW 2008, 3498, 3499 (Rn. 7); OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478 f.; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 15; Grothe, NJW 2015, 17, 18. Wird im Mahnbescheid auf eine Anlage Bezug genommen, die der Schuldner nicht kennt, wird das Konkretisierungserfordernis dennoch gewahrt, wenn die übrigen Angaben die Kennzeichnung des Anspruchs ermöglichen, BGH NJW 2011, 613 f. (Rn. 11 ff.).
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Wichtig ist – und hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur Klage66 –, dass es genügt, wenn der Schuldner aus dem Mahnbescheid ersehen kann, welcher konkrete Anspruch geltend gemacht wird. Nicht notwendig ist, dass einem außenstehenden Dritten dies ebenfalls möglich ist.67 Die Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO68 wurden daher bei Bezeichnung des Anspruchs mit „Schadensersatz aus Mietvertrag“ als gewahrt angesehen, da zwischen den Parteien nur ein Mietverhältnis bestand und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bereits in einem vorangegangen Rechtsstreit (mit umgekehrtem Rubrum) angekündigt wurde. Deshalb war für die Schuldnerin erkennbar, auf welchen Lebenssachverhalt sich die Forderung der Klägerin gründet.69 § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verlange nur eine knappe Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs und der verlangten Leistung; umfangreiche Erläuterungen wären mit dem auf schnelle Erledigung ausgerichteten Mahn- als Masseverfahren nicht vereinbar.70 Auch eine falsche Angabe des Rechtsgrundes schadet der hinreichenden Konkretisierung nicht, wenn auf ein vorgerichtliches Schreiben Bezug genommen wird, aus dem sich ergibt, welchen Anspruch der Gläubiger begehrt.71 Nicht genügen soll hingegen die Bezeichnung „Maklerprov./F-Str. 11 München – Rest –“, wenn der Gläubiger aus abgetrete-
66 Vgl. für die Wahrung der Klagefrist des § 13 Abs. 1 S. 2 StrEG BGH NJW 2016, 2747, 2748 (Rn. 22–24). 67 BGH MDR 2017, 847 (Rn. 11, 14); BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 18); BGH NJW 2015, 3228, 3234 (Rn. 64); BGH, Urt. v. 31.01.2014, Az. III ZR 84/13, Rn. 11 (zit. n. juris); BGH NJW 2011, 2423, 2426 (Rn. 32); BGH NJW 2011, 613 (Rn. 9); BGH NJW 2008, 1221 (Rn. 15); BGHZ 172, 42, 57 (Rn. 46); Voit, in: Musielak/Voit, § 690 Rn. 6a; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 10. 68 Weitere Beispiele bei Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 17 ff. 69 BGH NJW 2011, 613: Im Mahnbescheid wurde die Forderung mit „Schadensersatz aus Mietvertrag gem. Aufstellung vom 27.12.2006“ bezeichnet. Diese Aufstellung war dem Mahnantrag auch beigefügt, wurde jedoch nicht mit dem Mahnbescheid übersandt. Für die Kennzeichnung konnte daher nur „Schadensersatz aus Mietvertrag“ herangezogen werden. Als ausreichend angesehen wurde auch „Schadensersatz aus Unfall/Vorfall“ für einen Schadensersatz infolge einer Brandstiftung, wenn sonst keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien bestanden und die Kläger neben dem Beklagten auch den Haupttäter in Anspruch genommen und eine erhebliche Summe gefordert haben, BGH NJW 2000, 1420, 1421 (allerdings fraglich, ob diese Entscheidung nach BGH NJW 2009, 56, 57 [Rn. 20] noch Bestand haben würde). 70 BGH NJW 2011, 613, 614 (Rn. 12). 71 BGH NJW 2008, 1221 (Rn. 18): Geltend gemacht wurde ein Schadensersatzanspruch, im Mahnbescheid der Anspruch aber mit „Mietnebenkosten – auch Renovierungskosten – für die Wohnung in D. gemäß Aufforderungsschreiben vom 19.3.2004 2000 Euro.“ bezeichnet.
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nem Recht vorgeht, weil es sich hierbei im Verhältnis zur Geltendmachung eines (originär) eigenen Rechts um einen anderen Streitgegenstand handele.72 Wird ein einheitlicher Anspruch geltend gemacht, der sich aus mehreren Rechnungsposten zusammensetzt, genügt es für die Verjährungshemmung, wenn im Mahnbescheid die Forderung wie folgt bezeichnet wird: „Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Rechnung vom 17.12.2007, 62 813,36 Euro.“ Damit ist der Anspruch hinreichend individualisiert, die für die Substantiierung erforderliche Aufschlüsselung der Rechnungsposten kann im Laufe des Rechtsstreits nachgeholt werden.73 Anders ist es aber, wenn mehrere selbständige Einzelforderungen geltend gemacht werden.74 So hat beispielsweise das OLG Celle75 einen Mahnbescheid für nicht hinreichend individualisiert gehalten, in dem eine Forderung in Höhe von 200.000 EUR wie folgt begründet wurde: „Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Mängelb.kost. + Ausl. u. Schr. f. Obj. Nahversorg.Zentrum gem. 31.10.2005 vom 16.11.2005“. Zuvor hatte die Klägerin mit Schreiben vom 31.10.2005 zahlreiche Mängel unter Bezugnahme auf beigefügte Gutachten bzw. Mängellisten gerügt. Weil eine Vielzahl von Mängeln geltend gemacht worden seien, die für deren Beseitigung notwendigen Kosten aber nicht einzeln aufgeschlüsselt worden seien, sondern lediglich eine Pauschal summe von 200.000 EUR gefordert worden sei, liege die erforderliche Konkretisierung nicht vor. Im Scheck-Mahnverfahren müssen, obwohl der Wortlaut des § 703a Abs. 2 Nr. 2 Hs. 1 ZPO nur von „sollen“ spricht, die Schecks konkret bezeichnet werden, weil gegen den Scheckverpflichteten nur Zug um Zug gegen Übergabe des Scheckes vollstreckt werden dürfe.76
72 OLG München NJW-RR 2010, 647, 648. Weniger streng OLG Dresden WM 2008, 1273, 1275. 73 BGH NJW 2013, 3509, 3510 (Rn. 16); hierzu auch Grothe, NJW 2015, 17, 19. Ebenso BGH NJW 2011, 613 (nachträgliche Aufschlüsselung einzelner Schadensposten einer einheitlichen Schadensersatzforderung). Siehe außerdem Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 13. 74 Siehe z. B. BGH NJW 2016, 1083, 1084 (Rn. 25: Schadensersatz und Rückzahlung von Vergütung); BGH NJW 2009, 56 (Teilbetrag aus zwei Darlehnsforderungen); BGHZ 172, 42, 57 (Rn. 45 f., mehrere Mängel); Voit, in: Musielak/Voit, § 690 Rn. 6a. Jedenfalls für die Hemmung durch Klage a. A. und an der früheren Rechtsprechung festhaltend Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 29a. 75 NJW 2015, 90 (zust. Bespr. von Grothe, NJW 2015, 17 ff.). 76 BGH NJW 2001, 305, 306.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
c) Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Antrag an die Streitbeilegungsstelle, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB Die Möglichkeit der Verjährungshemmung durch Geltendmachung des Anspruchs bei einer Streitbeilegungsstelle gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wurde in zahlreichen Fällen genutzt, in denen die Gläubiger Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung forderten.77 Hierzu verwendeten sie teilweise Mustergüteanträge78, die ihnen von ihren späteren Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellt wurden. Der BGH hat entschieden, dass diese Musteranträge den begehrten Anspruch nicht hinreichend individualisiert hätten und daher eine Hemmung der Verjährung nicht eingetreten sei. Die bei der Individualisierung eines Mahnantrags (Mahnbescheids) notwendigen Voraussetzungen gälten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Güteverfahrens auch für die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.79 Der Güteantrag müsse daher für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen könne, ob eine Verteidigung erfolgsversprechend sei und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Der eingereichte Antrag müsse mithin einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben, wozu die Streitsache dargestellt werden und das konkrete Begehren erkennbar sein müsse. Der verfolgte Anspruch sei hinreichend genau zu bezeichnen. Weil das Güteverfahren aber anders als das Klage- oder Mahnverfahren auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits abziele und für die Schaffung eines Vollstreckungstitels eine Einigung der Parteien notwendig sei, seien keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Zudem bestehe keine strikte Antragsbindung. Andererseits müsse berücksichtigt werden, dass sich der Güteantrag an die neutrale Gütestelle richte und diese ihre Funktion als Schlichter und Vermittler nur wahrnehmen könne, wenn sie ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert sei.80 77 BGHZ 206, 41 ff. Siehe auch die Parallelentscheidungen vom gleichen Tag mit den Az. III ZR 189/14, III ZR 191/14 und III ZR 227/14; vgl. BGHZ 206, 41, 45 (Rn. 27). Die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 10.09.2015, Az. 1 BvR 1817/15 (zit. n. juris), von einer Begründung wurde gem. § 93d Abs. 1 S. 3 BVerfGG abgesehen. 78 Abgedruckt in BGHZ 206, 41, 43 (Rn. 5). 79 BGHZ 206, 41, 48 (Rn. 20). Ebenso BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 17) und vorher bereits OLG Frankfurt WM 2014, 2361, 2362; OLG Karlsruhe BKR 2015, 128, 128 f. Diese Anlehnung an das Mahnverfahren kritisiert Borowski, VuR 2015, 467, 470, da das Verfahren nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB eher dem Klageverfahren ähnle. 80 BGHZ 206, 41, 49 (Rn. 24). Ebenso BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 21); BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 17); BGH, Urt. v. 03.09.2015, Az. III ZR 347/14, Rn. 16 (zit. n. juris); OLG Celle WM 2016, 205, 206; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 81; Greger, in: Greger/Unbe-
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 159
Für die in Rede stehenden Anlageberatungsfälle81 bedeute dies, dass der Güteantrag regelmäßig die konkrete Kapitalanlage bezeichnen müsse, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben habe und der Hergang der Beratung mindestens im Groben umrissen werden müsse; ferner sei das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich sei. Wegen der Funktion des Güteantrags bedürfe es einer genauen Bezifferung aber grundsätzlich nicht.82 Diese Voraussetzungen waren in den zu entscheidenden Fällen nicht eingehalten, da in den Musteranträgen kein Bezug zu den konkreten Beratungshergängen hergestellt wurde. Eine Konkretisierung erfolgte lediglich durch die Namensangabe der Gläubiger und die Benennung des Anlagefonds. Zeichnungssumme, Beratungszeitraum und sonstige individualisierende Merkmale fehlten. Damit sei es der Beklagten allenfalls unter größeren Mühen möglich gewesen, festzustellen, um welche Anlageberatung es konkret gegangen sei. Zudem werde nicht deutlich, ob die Kläger den vollständigen Zeichnungsschaden oder nur einen Differenzschaden begehrten.83 Indem der BGH für eine ausreichende Konkretisierung fordert, dass auch die Gütestelle erkennen muss, „um was es geht“, weicht er wesentlich von den beim Mahnbescheid bestehenden Konkretisierungserfordernissen ab, da dort die Erkennbarkeit für den Schuldner genügt.84 Es müssen daher bei § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB alle notwendigen Informationen im Antrag selbst enthalten oder diesem beigefügt sein.85 Auf ein „Sonderwissen“ des Schuldners darf bei der Individualisierung nicht zurückgegriffen werden. Begründet wird dies damit, dass sich der Güteantrag in erster Linie an die Gütestelle richte, damit diese als neutrale Schlichterin und Vermittlerin eine gütliche Einigung zwischen den Parteien rath/Steffek, D, Rn. 116; Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 5. Siehe auch Duchstein, NJW 2014, 342, 344. 81 Bei Schadensersatz wegen Aufklärungsmängeln in Folge ungenügender Aufklärung über Besonderheiten eines Versicherungsprodukts sind Policennummer, Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs anzugeben, BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 19); BGH VersR 2016, 907, 908 (Rn. 16). 82 BGHZ 206, 41, 50 (Rn. 25). Ebenso BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 18); BGH, Urt. v. 03.09.2015, Az. III ZR 347/14, Rn. 16 (zit. n. juris); BGH NJW-RR 2016, 372, 373 (Rn. 17); BGH NZG 2016, 355, 356 (Rn. 16); OLG Celle WM 2016, 205, 207. 83 BGHZ 206, 41, 51 (Rn. 27 f.). 84 So schon Gilberg, NJW 2015, 2410, 2411. Ausdrücklich sodann BGH, Urt. v. 03.09.2015, Az. III ZR 347/14, Rn. 16, 19 (zit. n. juris) u. BGH NJW-RR 2016, 372, 373 f. (Rn. 19–21): Vorprozessualer Schriftverkehr kann nicht zur Individualisierung herangezogen werden; OLG Celle WM 2016, 205, 206 f. Ebenso Assies/Faulenbach, BKR 2015, 89, 90, 94 f. 85 Ausreichende Konkretisierung daher in BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 22).
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
herbeiführen könne, was voraussetze, dass diese ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werde. Unterlagen, die nicht vorgelegt würden, fänden in das Verfahren keinen Eingang und könnten keine Berücksichtigung finden.86 Die für die Bezeichnung des Anspruchs geltenden Voraussetzungen sind mithin vergleichbar mit denen der Verjährungshemmung durch Klageerhebung.87 Die Anforderungen an die Konkretheit des „Sachantrags“ dürfen hingegen hinter den zu § 204 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB aufgestellten Erfordernissen, die aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO bzw. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO resultieren, zurückbleiben, da es einer genauen Bezifferung nicht bedürfe und es genüge, wenn ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich sei. Im Hinblick auf die Bezeichnung des Lebenssachverhaltes sind die vom BGH aufgestellten Anforderungen im Schrifttum teilweise als zu streng erachtet worden.88 Eine hinreichende Konkretisierung sei schon erreicht, wenn die Anlage als solche und der Anleger bestimmt bezeichnet werde. Komme dann aus Sicht des Schuldners nur eine Anlageberatung bzw. -vermittlung in Betracht, weil der 86 BGH NJW-RR 2016, 372, 374 (Rn. 21). Kritisch hierzu Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19. 87 A. A. Borowski, VuR 2015, 467, 470: Der BGH stelle für den Eintritt der Verjährungshemmung höhere Anforderungen an den Güteantrag als an eine Klageschrift. Wie hier Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 162.1. Siehe auch noch sogleich 5. Kap., Fn. 88 (S. 160). 88 Borowski, VuR 2015, 467, 470; Lindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. Vereinzelt wird vertreten, dass die Rechtsprechung des BGH zur Individualisierung bei Güteanträgen mit Inkrafttreten des VBSG nicht mehr aufrechterhalten werden könne, da die vom BGH aufgestellten Anforderungen nicht mit Art. 12 ADR-RL vereinbar seien, Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 15 ff.; hiergegen Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 162.1. Jedenfalls das Argument, dass die Rechtsprechung an die Individualisierung des Güteantrags strengere Anforderungen stelle als an die Klageschrift, weil sie sich an den Vorschriften über den Mahnantrag orientiere, so Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 15, trägt die Behauptung eines Richtlinienverstoßes nicht: Es ist davon auszugehen, dass der BGH für die Individualisierung einer Klage die gleichen Anforderungen stellen und einer solchen die Hemmungswirkung ebenso absprechen würde, wenn diese die genannten Angaben nicht enthält (so auch Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 162.1: Die an die Individualisierung zu stellenden Anforderungen entsprechen den Voraussetzungen für die Individualisierung des Streitgegenstandes). Zudem trifft es nicht zu, dass bei der Verjährungshemmung durch Klage eine nachträgliche Individualisierung des Anspruchs mit Wirkung ex tunc möglich ist; möglich ist nur die nachträgliche Substantiierung, welcher aber für die Verjährungshemmung keine Bedeutung zukommt. Ob, von dieser Frage abgesehen, die vom BGH gestellten Anforderungen mit der ADR-RL vereinbar sind, kann hier offen bleiben. Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 162.1 hält die Rechtsprechung für richtlinienkonform. Siehe hierzu BGH NZG 2016, 355, 356 (Rn. 18).
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 161
Anleger diese Anlage nur einmal gezeichnet habe, sei der anspruchsbegründende Lebenssachverhalt eindeutig umschrieben, wenn der Schuldner diesen aus den bei ihm vorhandenen Unterlagen noch rekonstruieren kann.89 d) Individualisierung bei der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB Der Streitverkünder hat nach § 73 S. 1 ZPO einen Schriftsatz einzureichen, in welchem unter anderem der Grund der Streitverkündung anzugeben ist. Notwendig zur Konkretisierung ist deshalb die Angabe des Rechtsverhältnisses, aus dem sich der Rückgriffsanspruch des Streitverkünders gegen den Dritten oder der Anspruch des Dritten gegen den Streitverkünder ergeben soll.90 Hierzu ist das Rechtsverhältnis „unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau zu bezeichnen, dass der Streitverkündungsempfänger – gegebenenfalls nach Einsicht in die Prozessakten (§ 299 ZPO) – prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten.“91 Der im Hinblick auf die Verjährungshemmung verfolgte Zweck werde nur erreicht, wenn „der Streitverkündungsempfänger mit Zustellung der Streitverkündungsschrift Kenntnis davon erlangt, welchen Anspruchs sich der Streitverkündende gegen ihn berühmt.“92 Die Streitverkündungsschrift genüge aber dem Konkretisierungserfordernis, wenn in ihr der Anspruchsgrund in ausreichendem Maße bezeichnet werde, der Höhe nach brauche sie den ihr zugrunde liegenden Anspruch hingegen nicht bereits zu konkretisieren.93 Zur Hemmung erforderlich sei weiterhin die Angabe, ob aus eigenem oder abgetretenem Recht vorgegangen werde.94 Konkret wird gesagt, dass das Individualisierungserfordernis erfüllt werde, wenn der Streitverkünder darlege, welchen Anspruch er im Vorprozess geltend mache bzw. welchem Anspruch er dort ausgesetzt sei, wozu regelmäßig die ÜbersenLindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. BGH NJW 2012, 674, 675 (Rn. 14); BGH WM 2010, 372, 373 (Rn. 9); BGHZ 175, 1, 10 (Rn. 28); BGH NJW 2002, 1414, 1416; OLG Dresden, Urt. v. 02.06.2010, Az. 13 U 1660/09, Rn. 14 (zit. n. juris); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 95. Siehe auch BGH NJW-RR 2015, 1058, 1059 (Rn. 29). 91 BGH NJW 2012, 674, 675 (Rn. 14); BGH WM 2010, 372, 373 (Rn. 9); BGHZ 175, 1, 10 (Rn. 28). Ebenso BGH NJW 2002, 1414, 1416; OLG Dresden, Urt. v. 02.06.2010, Az. 13 U 1660/09, Rn. 14 (zit. n. juris ); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 95; Weth, in: Musielak/Voit, § 74 Rn. 5. 92 BGHZ 175, 1, 10 (Rn. 28); BGH WM 2010, 372, 373 (Rn. 9); BGH NJW 2012, 674, 675 f. (Rn. 14). Ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 03.11.2011, Az. 5 U 46/09, Rn. 37 (zit. n. juris); OLG Dresden, Urt. v. 02.06.2010, Az. 13 U 1660/09, Rn. 14 (zit. n. juris); Weth, in: Musielak/Voit, § 74 Rn. 5. 93 BGH NJW 2012, 674, 676 (Rn. 14); BGH NJW 2002, 1414, 1416; Weth, in: Musielak/ Voit, § 74 Rn. 5 94 BGHZ 175, 1, 11 (Rn. 31); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 95. 89
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
dung der Klageschrift und gegebenenfalls der Klageerwiderung genüge. Es müsse nicht dargelegt werden, woraus sich der Anspruch im Einzelnen ergeben soll. Eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügende Bezeichnung sei nicht erforderlich, es genüge vielmehr eine solche „in gegenständlich zuzuordnender Weise“95. Das Wissen des Streitverkündungsempfängers könne bei der Konkretisierung durchaus berücksichtigt werden.96 Entbehrlich ist demnach ein Begehren des Streitverkünders, das den Umfang der möglichen Inanspruchnahme erkennen lässt. Beispielsweise genügt es daher für die Hemmung von Schadenersatzansprüchen gegen den Rechtsanwalt, wenn in der Streitverkündungsschrift an diesen mitgeteilt wird, dass die Streitverkündung erfolge, weil er es unterlassen habe, in einem vorangegangenen Rechtsstreit für die Aufnahme des Vorbehalts nach § 780 ZPO zu sorgen.97 e) Individualisierung bei der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB § 10 Abs. 3 Nr. 4 KapMuG fordert die Bezeichnung von Grund und Höhe des Anspruchs, der angemeldet werden soll. Nach den Gesetzesmaterialien muss sich aus der Anmeldung der geltend gemachte Anspruch zweifelsfrei ergeben. Der Musterbeklagte solle darüber informiert sein, von wem und in welcher Höhe er auf welcher Grundlage mit Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Musterverfahren konfrontiert werde. Die genaue Bezeichnung des Anspruchs und seines Grundes ermöglichten es dem Gericht, in einem späteren Verfahren zu überprüfen, ob die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB gehemmt worden sei.98 Auch hiermit ist wie bei der Klage eine Individualisierung gemeint, die es erlaubt, den Anspruch von anderen abzugrenzen.99 Die Bezeichnung 95
So auch OLG Brandenburg, Urt. v. 03.11.2011, Az. 5 U 46/09 (Rn. 37, zit. n. juris). Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 77. 97 BGH NJW 2002, 1414, 1416. Werden in der Streitverkündungsschrift einem Rechtsanwalt Pflichtverletzungen vorgeworfen, die sich auf seine Tätigkeit als Korrespondenzanwalt in zweiter Instanz beziehen, sollen hierdurch Ansprüche nicht gehemmt werden, die auf seiner Tätigkeit als Prozessanwalt in erster Instanz beruhen, selbst wenn der Vorwurf (kein schlüssiger Vortrag), der gleiche ist, da das Rechtsverhältnis, aus dem sich der Rückgriffsanspruch ergeben solle, mit dem zweitinstanzlichen Mandat als Korrespondenzanwalt bezeichnet worden sei, BGH WM 2010, 372, 373 (Rn. 10). 98 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/10160, S. 26. 99 Reuschle, in: Kölner Komm. KapMuG, § 10 Rn. 21 f.; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 259; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 43; Söhner, ZIP 2013, 7, 12. Umstritten ist die Frage, was zum Streitgegenstand gehört, und damit die Reichweite der Verjährungshemmung, hierzu Wigand, WM 2013, 1884, 1888 ff.; Halfmeier, DB 2012, 2145, 2147 ff.; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 259. 96
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müsse so präzise erfolgen, dass der Musterbeklagte sein Risiko abschätzen könne, der Streitgegenstand des späteren Verfahrens müsse sich daher schon aus der Anmeldung ergeben.100 § 10 Abs. 3 Nr. 4 KapMuG fordert die Angabe der Höhe des Anspruchs und damit letztlich eine konkrete Bezifferung. f) Individualisierung beim selbständigen Beweisverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB § 487 Nr. 2 ZPO fordert die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll. Die ganz überwiegende Meinung lässt daher für den Eintritt der Verjährungshemmung genügen, wenn die Tatsachen, auf die der materiell-rechtliche Anspruch (später) gestützt werden soll, hinreichend konkret bezeichnet werden. Nicht notwendig ist hingegen die Bezeichnung oder gar Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs selbst.101 Es reicht daher beispielsweise aus, wenn in dem Antrag die Mängel hinreichend spezifisch angegeben werden.102 Hierbei genügt es wiederum, wenn der Antragsteller die Schadstellen und aufgetretenen Schäden beschreibt. Hierdurch macht er den Mangel selbst zum Gegenstand des Verfahrens, sodass es nicht darauf ankommt, was der Antragsteller als Ursache der schädigenden Auswirkung benennt.103 Nicht ausreichend ist hingegen, wenn angegeben wird, der Gegenstand sei mangelhaft oder die Mietsache sei beschädigt.104 Teilweise wird in der Literatur jedoch gefordert, dass durch Zustellung des Antrags im selbständigen Beweisverfahren die Verjährung nur gehemmt werden kann, wenn, über die Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO hinaus, der Anspruch hinreichend individualisiert sei, denn nur ein individualisierter Anspruch könne Gegenstand einer Hemmungswirkung sein.105 Die Anforderungen an die Konkretisierung könnten aber geringer angesetzt werden als bei Klage und Mahnbescheid, da sich dieses Erfordernis aus dem materiellen Verjährungsrecht und nicht aus dem Verfahrensrecht ergäbe.106 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 89 (Der Anspruch werde aber schon aus den festzustellenden Tatsachen hinreichend deutlich.); Meller-Hannich, in: Beck OGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 278. 102 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30. 103 BGH NJW 1992, 913, 914; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 89. 104 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 89; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30. 105 NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 105; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47. 106 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47: Im vertraglichen Mängelrecht seien eine genaue Bezeichnung des Mangels und die Zuordnung zur Leistung des Unternehmers erforderlich, bei Streitigkeiten aus dem Delikts- oder Sachenrecht könne eine Bezeichnung der den 100 101
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Hemmung tritt sodann für alle Ansprüche107 aus denjenigen Tatsachen ein, auf die sich das selbständige Beweisverfahren bezieht. Ansprüche, die auf Mängeln beruhen, die nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, werden hingegen nicht gehemmt.108 g) Individualisierung des Anspruchs bei der Anmeldung zur Tabelle im Insolvenzverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB Nach § 174 Abs. 2 InsO sind bei der Anmeldung der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Grund meint dabei den Klagegrund und damit den Sachverhalt, welcher der Forderung zugrunde liegt.109 Um eine hinreichende Individualisierung der Insolvenzforderung zu erreichen, „hat der Gläubiger bei der Anmeldung den Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt.“110 Die Forderung ist wie bei der Klage so zu beschreiben, dass sie von anderen Forderungen unterschieden werden kann (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO),111 wobei ein Verweis auf beigefügte Unterlagen Anspruch begründenden Umstände genügen. Eine Individualisierung durch Angabe der Tatsachen, über die Beweis erhoben soll, vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 89, ist wohl auch nach dieser Auffassung möglich. 107 BGH NJW 2012, 2263, 2264 (Rn. 10); HansOLG Hamburg MDR 1978, 845; Berger, in: Stein/Jonas23, § 486 Rn. 45. 108 BGHZ 175, 161, 171 f. (Rn. 30); BGH NJW-RR 1998, 1475, 1476; BGHZ 120, 329, 331; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 90; Berger, in: Stein/Jonas23, § 486 Rn. 45: „Gehemmt wird die Verjährung nur solcher Ansprüche, für deren Nachweis die vom Antragsteller zum Gegenstand des beantragten Beweisverfahrens gemachten Tatsachenbehauptungen konkret von Bedeutung sind.“. 109 BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 10); OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483; Krings, NZI 2013, 392 (Anm. zu BGH NJW-RR 2013, 992); Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 123. 110 BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 15). Ebenso BGH NZI 2014, 127 (Rn. 6); OLG Brandenburg, Urt. v. 13.03.2018, Az. 3 U 49/16, Rn. 44 (zit. n. juris). BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 10) fordert die schlüssige Darlegung des Lebenssachverhalts. 111 BGH NZI 2014, 127 (Rn. 6): „Der Begriff des Grundes der Forderung entspricht demjenigen in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Welchen Anforderungen der in § 174 Abs. 2 InsO verlangte Tatsachenvortrag genügen muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz.“; OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483: Es „genügt, daß der Anspruch als einzelner gekennzeichnet (,individualisiert‘) wird und die Gläubiger durch den Inhalt der Anmeldung die Möglichkeit erhalten, den Schuldgrund zu erkennen.“; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2651 (Weil die Forderung so dargestellt werden müsse, dass sie geprüft werden könne, seien die Anforderungen aber höher als beim Mahnbescheid.); Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 329, 329.1; Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 123.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 165
möglich ist112. Begründet werden diese Anforderungen damit, dass die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstelle und der Gläubiger aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung betreiben könne (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO) und daher zur Bestimmung der Reichweite der materiellen Rechtskraft eine eindeutige Konkretisierung der Forderung notwendig sei.113 Daneben diene die Individualisierung dem Zweck, dem Insolvenzverwalter und den übrigen Insolvenzgläubigern eine Prüfung im Termin zu ermöglichen.114 Eine hinreichend konkrete Angabe des Grundes liegt demnach nicht vor, wenn der bei der Anmeldung mitgeteilte Lebenssachverhalt sich auf ein Darlehen bezieht, der Anspruch sich aber auf Bereicherungsrecht gründet.115 Werden mehrere Forderungen angemeldet (Sammelanmeldung), muss jede Forderung für sich hinreichend konkretisiert sein.116 Die Anmeldung muss weiterhin, wie in § 174 Abs. 2 InsO festgelegt, den Betrag der Forderung angeben.117 Notwendig hierfür ist die Bezifferung eines bestimmten Geldbetrags in Euro; die im Zivilprozess anerkannten Fälle, in denen ein unbezifferter Antrag zulässig ist, finden im Rahmen der Forderungsanmeldung keine Anwendung. Es ist daher immer ein bestimmter Betrag anzugeben, der gegebenenfalls geschätzt werden muss.118 h) Individualisierung bei den übrigen Hemmungstatbeständen Für den Antrag im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§ 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB) wird vertreten, dass dieser den Unterhaltsanspruch so wie eine Klage individualisieren müsse.119 Teilweise wird angenommen, dass die notwendige Individualisierung nur dann erreicht werden kann, wenn der Antrag die in § 250 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 6 FamFG geforderten Angaben enthalte. Ohne diese könne die Verjährung daher nicht gehemmt wer-
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BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 11). BGH NZI 2014, 127 f. (Rn. 6); BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 15); BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 10); Krings, NZI 2013, 392 (Anm. zu BGH NJW-RR 2013, 992); Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 123. 114 BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 15); BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 10); OLG Brandenburg, Urt. v. 13.03.2018, Az. 3 U 49/16, Rn. 44 (zit. n. juris); Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 124. 115 BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 17). 116 BGH NZI 2009, 242, 243 (Rn. 11); OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 328. 117 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 328; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52; Krings, NZI 2013, 392 (Anm. zu BGH NJW-RR 2013, 992); Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 138. 118 Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 174 Rn. 32, 35; Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 23 f. 119 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 31. 113
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
den.120 Fehlten andere als diese Angaben, stehe dies der Hemmung aber nicht entgegen. Peters/Jacoby fordern für den Eintritt der Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB die zweifelsfreie Bezeichnung der Beteiligten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Die Angabe der gesetzlichen Vertreter sei entbehrlich, könne aber die (rechtzeitige) Zustellung verhindern. Die Angaben nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 6 seien für den Eintritt der Verjährungshemmung nicht notwendig und könnten nachgereicht werden. Erfolgten diese Angaben, ggf. nachträglich, begrenzten sie die Reichweit der Verjährungshemmung.121 Bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist es notwendig, dass die Gegenforderung bestimmt bezeichnet wird, andernfalls wird deren Verjährung nicht gehemmt. Eine inhaltliche Begründung der Forderung ist hingegen nicht erforderlich.122 Nach gegenwärtiger Handhabung dürften auch hier Alt. 1 und Alt. 2 des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der Maßstab sein, da andernfalls eine rechtskräftige Entscheidung nach § 322 Abs. 2 ZPO ausscheidet.123 Bei der Hemmung durch Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB wird sich die Konkretisierung häufig schon aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. Kommen hiernach mehrere Ansprüche in Betracht, ist davon auszugehen, dass Rechtsprechung und Literatur eine weitergehende Individualisierung fordern würden. Eine Bezifferung des Antrags soll wie bei § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht notwendig sein, weil das Verfahren nur auf die Ermittlung relevanter Tatsachen, nicht aber auf die Bestimmung der Rechtsfolge ausgerichtet sei.124 Im Hinblick auf die Reichweite der Hemmungswirkung ist anerkannt, dass diese, vergleichbar mit dem selbständigen Beweisverfahren, nur die Ansprüche erfasst, die zur Begutachtung gestellt wurden.125 Für eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB ist eine Konkretisierung des materiellen Anspruchs, der gesichert oder im Wege der Leistungsverfügung erfüllt werden soll, notwendig.126 Auch hier ist der Maßstab der des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,127 sodass das oben bei der Klage Gesagte entsprechend gilt. Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 21; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 8. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 49. 122 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 72. 123 Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 15; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 22; ausf. Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 40 ff. 124 Riehm, NJW 2017, 113, 116. 125 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 49; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 31; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 23. 126 OLG Frankfurt, Urt. v. 24.05.2016, Az. 6 U 171/14, Rn. 50 (zit. n. juris); Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 299; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 34. 127 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 299. 120 121
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 167
Die Hemmung durch Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB) tritt ebenfalls nur dann ein, wenn der Streitgegenstand nach § 1044 S. 2 ZPO – oder den vorrangigen Anforderungen der jeweiligen Schieds ordnung128 – hinreichend konkretisiert ist.129 Für § 1044 S. 2 ZPO genüge eine schlagwortartige Kennzeichnung des Lebenssachverhalts; maßgebend sei, „ob sich der Beklagte auf Grund der Kennzeichnung darüber klar werden kann, um welchen Gegenstand es geht“130. Es liege daher eine Parallele zu § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nahe.131 Nicht einheitlich beantwortet wird, ob der Antrag im Sinne des § 1044 S. 1 ZPO einen bestimmten Antrag enthalten muss. Soweit er nicht gänzlich für entbehrlich gehalten wird,132 gilt jedenfalls kein strenges Antragserfordernis. Es genüge, wenn das Begehren dem Vortrag des Klägers eindeutig entnommen werden könne.133 Für den Antrag nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB sollen, mit den notwendigen Änderungen, die für die Klage aufgestellten Voraussetzungen gelten.134 Es wird daher auch hier gefordert, dass der Anspruch hinreichend individualisiert wird. Die Anforderungen können sich aus der jeweils einschlägigen gesetzlichen Regelung ergeben. Es ist daher naheliegend, dass die für die Wahrung der Antragsfrist nach § 10 Abs. 1 S. 1 StrEG an die Bezeichnung des Anspruchs gestellten Anforderungen135 zugleich Voraussetzung für den Eintritt der Verjährungshemmung sind. Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit (§ 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB) muss ebenfalls grundsätzlich den Anforderungen des § 253 Abs. 2, 128 Riehm, NJW 2017, 113, 115. Bei institutionellen Schiedsverfahren sind die Anforderungen regelmäßig strenger als nach § 1044 S. 2 ZPO, Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO, § 1044 Rn. 8.2. 129 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 350, 353; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 101. 130 Voit, in: Musielak/Voit, § 1044 Rn. 2. 131 Voit, in: Musielak/Voit, § 1044 Rn. 2; Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 25 („spürbare Anlehnung“). Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 355 verweist auf die Anforderungen bei der Klageerhebung oder beim Mahnbescheid. 132 Voit, in: Musielak/Voit, § 1044 Rn. 2. 133 Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 21, auch Rn. 20: Keine „blindwütig strenge Handhabung des Antragsgebotes“; Seiler, in: Thomas/Putzo, § 1044 Rn. 1: Angabe, was der Kläger verlange, z. B. Herausgabe, Abgabe einer Willenserklärung, Zahlung, Feststellung. 134 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 106. 135 § 10 Abs. 1 S. 1 StrEG fordert die Geltendmachung des „Anspruchs“. Erforderlich sei es daher, „Art und Umfang der Nachteile, für die eine Entschädigung begehrt wird, konkret und unter Angabe von Beweismitteln […] zu bezeichnen, d. h. der Antrag muß das Begehren so konkret erkennen lassen, daß eine sinnvolle Prüfung durch die Justizverwaltungsbehörde möglich ist“, Schütz, StV 2008, 52; BGHZ 108, 14, 19 f. Eine Bezifferung sei jedoch nicht erforderlich, Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, § 10 StrEG Rn. 4.
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Abs. 4 ZPO entsprechen,136 sodass auch dieser Antrag den Anspruch ausreichend zu konkretisieren hat. Die für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB notwendige Angabe des Streitverhältnisses nach § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO erfordert, dass die zu hemmenden Ansprüche dem Grunde nach identifizierbar sind.137 Der Antrag auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe muss daher die nach § 253 Abs. 2 ZPO notwendigen Angaben enthalten,138 sodass ein reiner PKH-Antrag ohne Klageentwurf nicht genügt.139 i) Zusammenfassung Im Hinblick auf die Bezeichnung des zu hemmenden Anspruchs gilt letztlich für die meisten Hemmungstatbestände, dass dieser durch die Beschreibung des Lebenssachverhaltes so konkret umrissen sein muss, dass er von anderen Ansprüchen abgrenzbar ist. Maßgebend ist daher im Ergebnis zunächst § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO in seinem heute weitestgehend anerkannten Verständnis. Größere Unterschiede zwischen den einzelnen Hemmungsgründen bestehen jedoch darin, aus wessen Sicht zu bestimmen ist, ob eine solche hinreichende Individualisierung des Anspruchs vorliegt. Vor allem beim Mahnbescheid genügt es, dass der Schuldner diese vornehmen kann. Weiterhin sind die Anforderungen an den Antrag unterschiedlich streng. Insbesondere in den Fällen, in denen rechtskräftig über den Anspruch entschieden werden kann (bspw. § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 BGB; auch § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB wegen § 178 Abs. 3 InsO: „wie ein rechtskräftiges Urteil“), muss der Antrag so bestimmt sein, dass der Rechtskraftumfang eindeutig und, abgesehen von § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB, eine Zwangsvollstreckung möglich ist. Schwierigkeiten bei der Analyse der geltenden Rechtslage ergeben sich daraus, dass nicht immer ausreichend zwischen der Bezeichnung des Anspruchs einerseits und den an den Sachantrag zu stellenden Anforderungen andererseits differenziert wird. Zudem wird in der Literatur zu § 204 BGB, ausgenommen § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, häufig auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften Bezug genommen, ohne dass diskutiert wird, welche Auswirkungen verfahrensHeinrich, in: Musielak/Voit, § 37 Rn. 2. NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 136; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 45: Der Antrag müsse hinreichend deutlich erkennen lassen, welcher konkrete Anspruch geltend gemacht werde. 138 OLG Stuttgart FamRZ 2005, 526, 527; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 390, 395; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 99; Fischer, in: Musielak/Voit, § 117 Rn. 15, 8. 139 OLG Stuttgart FamRZ 2005, 526, 527; Fischer, in: Musielak/Voit, § 117 Rn. 8. 136
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B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 169
rechtliche Besonderheiten auf den Eintritt der Rechtsfolge Verjährungshemmung haben.
II. Zustellung und Veranlassung der Bekanntgabe Bei den Hemmungstatbeständen, die eine Zustellung erfordern, tritt eine Hemmung nur dann ein, wenn die Zustellung wirksam erfolgt oder die Unwirksamkeit nach § 189 ZPO oder § 295 ZPO demnächst im Sinne des § 167 Alt. 3 ZPO unbeachtlich geworden ist.140 In den Fällen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 BGB ist es erforderlich, dass der Gläubiger alles Notwendige vorgenommen hat, damit eine Veranlassung der Bekanntgabe erfolgreich sein kann. Der Antrag muss daher in diesen Fällen die richtige ladungsfähige Anschrift des Schuldners enthalten.141 In einem Einzelfall hat der BGH die Wirksamkeit der Zustellung des Mahnbescheids offengelassen und eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB angenommen, obwohl die Zustellung möglicherweise unwirksam war:142 Der geltend gemachte Anspruch verjährte mit Ablauf des 31.12.2006. Der Mahnbescheid wurde am 18.04.2006 und der Vollstreckungsbescheid am 09.05.2006 unter einer Adresse in den Briefkasten eingelegt, an der die Beklagte seit Ende November 2005 nicht mehr wohnte. Zwar hatte diese sich ordnungsgemäß umgemeldet, jedoch die Namensschilder an Tür und Türklingel nicht entfernt. Nachdem die Beklagte vom Gerichtsvollzieher über eine bevorstehende Vollstreckungsmaßnahme unterrichtet worden war, fragte sie beim Mahngericht nach und erhielt von diesem am 27.08.2006 die Mitteilung, dass der Vollstreckungsbescheid am 09.05.2006 zugestellt worden sei. Gegen diesen legte die Beklagte am 02.08.2006 Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist. Das Landgericht wies diesen Antrag mit Urteil vom 06.10.2006 zurück und verwarf den Einspruch als unzulässig. Das OLG gewährte daraufhin Wiedereinsetzung, hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Dieses wies die Klage sodann ab, weil die Zustellung nicht bis zum 31.12.2006 erfolgt und daher mangels rechtzeitiger Hemmung Verjährung eingetreten sei. Die Berufung hiergegen blieb ohne Erfolg. Die Revision führte hingegen zur Aufhebung und Zurückverweisung: Nach Ansicht des BGH kann hier offen bleiben, ob die Zustellung wirk140 BGH NJW 2017, 886, 888 (Rn. 32); BGHZ 204, 268, 272 (Rn. 12); BGH NJW-RR 2010, 1438, 1439 (Rn. 15); BGH NJW 2002, 827, 830 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 32; Jauernig/Mansel, § 204 Rn. 5; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 5. Genauer oben 1. Kap., B) III. 2. (S. 15) u. 2. Kap., B) II. 2. (S. 28). 141 BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). Hierzu unten 7. Kap., B) I. 2. (S. 279). 142 BGH NJW-RR 2010, 1438 ff.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
sam war. Auch bei Unwirksamkeit der Zustellung müsse vorliegend berücksichtigt werden, dass die Wirksamkeit der Zustellung im ersten erstinstanzlichen Verfahren (Urt. v. 06.10.2006) zu unverjährter Zeit geprüft worden ist. Zwar setze die Verjährungshemmung eine wirksame Zustellung voraus, dies bedeute aber nicht, „die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gewahrt sind.“ Dieser bestünde zum einen darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Anspruchsdurchsetzung ergriffen habe. Zum anderen solle der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt werde. Beides werde nicht nur durch die wirksame Zustellung erreicht, sondern auch dann, wenn der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter Zeit von Erlass und Inhalt des Mahnbescheids Kenntnis erlangt hat und die Wirksamkeit der Zustellung in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft worden ist. In einem solchen Fall befänden sich beide Parteien im Hinblick auf den Eintritt der Verjährungshemmung in der derselben Lage, in der sie sich bei einer wirksamen Zustellung befänden. Die nochmalige Zustellung zu verlangen, bedeute dann ein unnötiges Beharren auf der Einhaltung einer Förmlichkeit, die nicht einmal das Gesetz für den Eintritt der Hemmung in jedem Fall verlange.143
III. Die spezifischen Voraussetzungen der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen 1. Hemmung durch Klageerhebung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB Wie schon wiederholt erwähnt, ist für den Einritt der Hemmungswirkung die Wirksamkeit der Klage notwendig; nicht erforderlich sind hingegen deren Zulässigkeit oder gar Schlüssigkeit oder Begründetheit.
143 BGH NJW-RR 2010, 1438, 1439 (Rn. 14–16). Dem folgend Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 34; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 9. Kritisch P. Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2010 Anm. 2, weil hierdurch die Regelung des § 189 ZPO unterlaufen würde. Zudem weist P. Wassermann explizit darauf hin, dass die Entscheidung keine Grundlage für die generalisierende Annahme biete, dass die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung unter Hinweis auf teleologische Erwägungen relativiert werden könnten.
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a) Wirksamkeit der Klageerhebung Notwendig für den Eintritt der Hemmungswirkung ist die wirksame Erhebung der Klage.144 Als Begründung hierfür wird angegeben, dass eine unwirksame Klage nicht als solche im Sinne des Gesetzes angesehen werden könne.145 Die herrschende Meinung fordert für die Wirksamkeit, dass die Klage die wesentlichen Formvorschriften des Gesetzes, insbesondere die des § 253 Abs. 2 ZPO, erfüllt und unterschrieben ist.146 Die sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergebenden Anforderungen sind relevant für die Individualisierung des Anspruchs, sodass deren Bedeutung für § 204 Abs. 1 BGB bereits oben dargestellt wurde.147 Nachstehend wird insoweit ergänzend beleuchtet, wie das prozessuale Schrifttum und die Rechtsprechung Verstöße gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO behandeln. aa) Anforderungen an die Klageschrift nach § 253 Abs. 2 ZPO Eine Unwirksamkeit können nur Verstöße gegen Abs. 2 begründen, da es sich nur bei diesem um eine „Muss-Vorschrift“ handelt. Fehlen hingegen die Angaben, die nach Abs. 3 und Abs. 4 i. V. m. § 130 ZPO in der Klageschrift enthalten sein sollen, oder sind diese fehlerhaft, beeinträchtigt dies die Wirksamkeit der Klage grundsätzlich nicht,148 wenn dies nicht zugleich einen Verstoß gegen Abs. 2 zur Folge hat.149 Die Klage muss mithin nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Parteien und das Gericht eindeutig bezeichnen. Die Bezeichnungen sind der Auslegung fähig.150 Ob es sich beim angegangenen Gericht um das zuständige handelt, ist unerheblich, da es auf die Zulässigkeit nicht ankommt.151 Kein Wirksamkeitsproblem ist 144 BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); BGH NJW 2001, 305, 307; BGH NJW-RR 1997, 1216, 1217; BGH NJW 1996, 2152, 2153; BGH WM 1974, 353, 354; BGH NJW 1959, 1819; OLG Naumburg FamRZ 2001, 1006; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 8; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 31. 145 RGZ 84, 309, 311; BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21. 146 BGH NJW 2016, 2747, 2748 (Rn. 18 f.); BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); BGH NJW-RR 1989, 508; BGH NJW 1959, 1819; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 31–34; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 4; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 6. 147 5. Kap., B) I. 3. a) (S. 150). 148 Zur Problematik des § 130 Nr. 6 ZPO sogleich. 149 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28 f. 150 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 46 (Parteibezeichnung); Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 51 (Gericht). 151 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 33.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
es, wenn die hinreichend bezeichneten Parteien nicht die am materiellen Rechtsverhältnis Beteiligten sind, also der Kläger nicht Berechtigter oder der Beklagte nicht der wahre Schuldner ist. Die Hemmung scheitert in diesem Fall jedoch daran, dass es sich hierbei nach ganz überwiegender Ansicht um ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen handelt, deren Fehlen den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB ausschließt. Verstöße gegen § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind im vorliegenden Kontext insbesondere wegen der Auslegungsfähigkeit der Bezeichnungen kaum von Bedeutung. Fehlt die Angabe der Parteien vollständig, scheidet schon die Zustellung aus; zudem wird es meist an der notwendigen Individualisierung fehlen. Die Bezeichnung des Gerichts ist schon Voraussetzung für den Eingang der Klageschrift.152 Erfüllt die Klage nicht die in § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 und Alt. 2 ZPO aufgestellten Anforderungen und wird sie dennoch zugestellt, ist fraglich, welche Auswirkungen solche Mängel auf die Wirksamkeit der Klage haben. Im prozessualen Schrifttum und in der Rechtsprechung werden Fehler in diesem Bereich häufig nicht unter dem Wirksamkeitsaspekt diskutiert. Vielmehr findet sich lediglich die Aussage, dass die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen sei, wenn der Mangel nicht behoben werde.153 Zum Teil werden die Voraussetzungen des Abs. 2 Nr. 2 aber auch explizit als Wirksamkeitserfordernisse bezeichnet. Seien die Anforderungen nicht erfüllt, sei die Klage unwirksam.154 Teilweise wird sogar angenommen, dass eine Klage, die den Streitgegenstand nicht hinreichend bestimme, keine Rechtshängigkeit begründe.155 Eine weitere Ansicht lässt es für die Wirksamkeit der Klage genügen, dass durch die Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs die Identität des Streitverhältnisses feststeht und damit Klarheit über den Umfang der Rechtskraft herrscht. Sei dies der Fall und fehle es darüber hinaus allein an der Bestimmtheit des Klageantrags, sei die Klage wirksam.156 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 50 f. BGH NJW 2012, 1589 (Rn. 8); BGH NJW 2003, 3406, 3408, jeweils unbestimmter Unterlassungsantrag; Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 22, 61; Saenger/Saenger, § 253 Rn. 31; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 39, Rn. 1, 9, 13. 154 OLG Hamm VersR 2002, 1361, 1362; Grunsky/Jacoby, Zivilprozessrecht, Rn. 297 (Die Klageschrift müsse Parteien, Gericht, Antrag und Sachverhalt enthalten. Fehle es an einer dieser Angaben handele es sich nicht um eine wirksame Klageschrift); Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 217; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 67. 155 OLG Celle, Urt. v. 01.02.2012, Az. 3 U 168/11, Rn. 31 (zit. n. juris); OLG Hamm VersR 2002, 1361, 1362; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 67; Grothe, NJW 2015, 17, 20. A. A. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 196 m. Fn. 767; OLG Dresden, Beschl. v. 21.12.2017, Az. 4 W 1068/17, Rn. 11 (zit. n. juris). 156 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 196, 197. Nach Braun, Zivilprozeßrecht, § 14 I. 1. d) (S. 208) ist auch die nicht individualisierte Klage wirksam. 152 Vgl. 153
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 173
bb) Unterschrift und Postulationsfähigkeit nach § 78 ZPO (1) Unterschrift In der Literatur zu § 204 BGB besteht Einigkeit darüber, dass für den Eintritt der Hemmungswirkung die Klage unterschrieben sein muss.157 Für das Zivilprozessrecht wird jedoch nicht einheitlich beantwortet, ob die Unterschrift für die Wirksamkeit der Klage zwingend notwendig ist.158 Zwar halten es Rechtsprechung und die herrschende Lehre für notwendig, dass die Klage unterschrieben wird, da es sich bei dieser um einen bestimmenden Schriftsatz handle.159 Vereinzelt wird jedoch angenommen, dass es sich beim Unterschriftserfordernis lediglich um eine Ordnungsvorschrift handele und das Fehlen der Unterschrift mithin nicht zur Unwirksamkeit der Klage führe. Begründet wird dies im Wesentlichen mit zwei Argumenten: Zum Ersten wird vorgebracht, dass sich das Unterschriftserfordernis nur aus dem Verweis des § 253 Abs. 4 ZPO auf § 130 ZPO ergebe, dieser aber nur eine „Soll-Vorschrift“ darstelle und somit auch die in § 130 Nr. 6 ZPO geforderte Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, nicht zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung sei.160 Zum Zweiten seien die Ausnahmen, die die Rechtsprechung im Hinblick auf das Unterschriftserfordernis zugelassen habe, so unübersichtlich, dass der Zugang zu den Gerichten erschwert werde.161 Fehle die Unterschrift oder genüge sie nicht den gestellten Anforderungen, stelle dies somit lediglich einen Ordnungsmangel, aber keinen Wirksamkeitsmangel dar. Lasse sich der Urheber aus sonstigen Umständen (z. B. Briefkopf) entnehmen, solle das Gericht die Erklärung als wirksam ansehen und auf Beseitigung des Ordnungsmangels hinwirken.162 Dieser Streit um die Bedeutung der Unterschrift ist soweit ersichtlich auf § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch nicht übertragen worden.163
157 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 3; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 34. Einschränkend aber Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12, 45. 158 Siehe Zöller/Greger, § 130 Rn. 21 f. 159 BGHZ 102, 332, 334 f.; BGHZ 92, 251, 254; BAG 2009, 3596, 3597 (Rn. 19); Kern, in: Stein/Jonas23, § 130 Rn. 14–18; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, § 130 Rn. 22 f.; Fritsche, in: MüKo-ZPO, § 129 Rn. 13–15, jew. m. w. N. 160 Zöller/Greger, § 130 Rn. 21 f.; Stadler, in: Musielak/Voit, § 129 Rn. 8 m. w. N.; Braun, Zivilprozeßrecht, § 14 I. 1. e) (S. 209 f.). 161 Zöller/Greger, § 130 Rn. 21. 162 Zöller/Greger, § 130 Rn. 22. 163 Bei Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12 findet sich lediglich ein Hinweis auf Zöller/Greger, § 130 Rn. 21, 22.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
(2) Postulationsfähigkeit des Unterschreibenden Demnach wird zu § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB übereinstimmend angenommen, dass für den Eintritt der Hemmung die Unterschrift als solche notwendige Voraussetzung ist. Nicht einheitlich wird hingegen die Frage beantwortet, ob diese Unterschrift von einer postulationsfähigen Person vorgenommen werden muss. Nach herrschender Auffassung kann die Klage nur dann hemmen, wenn der Unterzeichner postulationsfähig war, das heißt insbesondere, dass die Klageschrift von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein muss, wenn nach § 78 Abs. 1 ZPO die Vertretung durch einen solchen geboten ist.164 Nach der Gegenansicht ist die Postulationsfähigkeit des Unterschreibenden nicht notwendig, sodass auch im Anwaltsprozess die von der Naturalpartei sowie die im Parteiprozess von einem nach § 79 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht postulationsfähigen Vertreter oder einer nach § 79 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 ZPO nicht postulationsfähigen Partei unterschriebene Klage hemmend auf die Verjährung wirkt.165 Begründet wird dies damit, dass auch in solchen Fällen hinreichend deutlich werde, dass der Gläubiger seinen Anspruch aktiv durchsetzen will.166 Da im Anwaltsprozess die von der Partei selbst oder durch einen nicht (mehr) postulationsfähigen Vertreter vorgenommene Prozesshandlung jedoch unwirksam ist,167 macht diese Auffassung somit aus teleologischen Gründen insoweit eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Klage wirksam erhoben sein muss.168 cc) Zusammenfassung und Bewertung Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die prozessualen Voraussetzungen einer wirksamen Klage keineswegs geklärt sind und damit der von der herrschenden Meinung gewählte Anknüpfungspunkt für den Eintritt der Verjährungshem164 OLG Naumburg FamRZ 2001, 1006; OLG Braunschweig MDR 1957, 425, 426; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 22; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 3; Bork, in: Stein/ Jonas22, § 78 Rn. 19; Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 78 Rn. 69; Riehm, NJW 2017, 113, 114. 165 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 28; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 78 Rn. 93; Gottwald, FamRZ 2001, 1007 (Anm. zu OLG Naumburg FamRZ 2001, 1006). 166 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 12. 167 BGH NJW-RR 2015, 628 (Rn. 5); BGH NJW-RR 2004, 755; BGH NJW 1992, 1700, 1701; BGHZ 111, 339, 342; BGH NJW-RR 1987, 322, 323; BGHZ 98, 325, 327; BGHZ 90, 249, 253; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 78 Rn. 93; Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 78 Rn. 67, 69; Urbanczyk, ZZP 95 (1982), 339, 351. 168 Vgl. Toussaint, in: MüKo-ZPO, § 78 Rn. 69: Wird die mangels Postulationsfähigkeit unwirksame Klage zugestellt, begründet sie die Rechtshängigkeit des Anspruchs. Sie ist jedoch als unzulässig abzuweisen. Es bleibt aber trotz Zustellung dabei, dass die Klage unwirksam ist. Sie ist daher von der „nur“ unzulässigen Klage zu unterscheiden.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 175
mung nicht gesichert ist. Hinzu kommt, dass – wie sich insbesondere bei der Frage der Postulationsfähigkeit zeigt – der Transfer der prozessualen Rechtsfolge in den Bereich des § 204 Abs. 1 BGB nicht einheitlich vorgenommen wird, was wiederum zu Rechtsunsicherheit führt. b) Zulässigkeit Übereinstimmend gehen Rechtsprechung169 und Literatur170 davon aus, dass die Zulässigkeit der Klage für den Eintritt der Hemmungswirkung nicht notwendig ist. Dies habe sich bis zum SchRModG aus § 212 Abs. 1 BGB a. F. ergeben und folge nunmehr aus § 204 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 BGB.171 Peters/Jacoby differenzieren detailliert zwischen den einzelnen Sachurteilsvoraussetzungen.172 Demnach stehen dem Eintritt der Hemmungswirkung nicht entgegen die sachliche oder örtliche Unzuständigkeit des Gerichts,173 die fehlende Parteifähigkeit,174 die fehlende Prozessfähigkeit auf Klägerseite,175 die anderweitige Rechtshängigkeit,176 die entgegenstehende Rechtskraft,177 die Unzu169
BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 13); BGHZ 160, 259, 262 f.; BGH NJW 2000, 1420, 1421; BGH NJW 1998, 3486, 3488; BGH NJW 1996, 2152, 2153; BGHZ 104, 268, 273; BGH WM 1974, 353, 354; RGZ 149, 321, 326; RGZ 100, 149, 150; RGZ 84, 309, 310 f. 170 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21, 25; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 13; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 3; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 9; Jauernig/ Mansel, § 204 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 5. 171 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 14); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 25; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 24. Hierzu schon oben 5. Kap., A) I. (S. 143). 172 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 24–27. 173 Ebenso BGH NJW 1978, 1058 (sachliche Unzuständigkeit); RGZ 115, 135, 140 (örtliche Unzuständigkeit); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 35. Dies selbst dann, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist, BGH WM 1974, 353, 354. 174 Nach Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 25 soll daher hemmen die Klage der Erbengemeinschaft ebenso wie die Klage gegen sie. Da die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig ist, kann sie jedoch nicht Inhaberin eines Anspruchs und auch nicht dessen Schuldnerin sein. Fordert man mit der h. M. für die Hemmung, dass der Berechtigte gegen den wahren Schuldner vorgeht, kann eine Klage, bei der tatsächlich die Erbengemeinschaft auf der Aktiv- oder Passivseite steht und nicht die Auslegung ergibt, dass eine Klage durch die einzelnen Erben bzw. gegen diese gemeint ist, schon aus diesem Grund nicht hemmen. Wie hier Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 37. 175 Ohne Beschränkung auf die Klägerseite BGH WM 1974, 353, 355; RGZ 149, 321, 326. Ebenso für § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 161. 176 Ebenso BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 12 f.); BGH NJW 1996, 2152, 2153. 177 Ebenso BGH NJW 1996, 2152, 2153; a. A. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 26: Die wiederholte Klage trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels führe nicht zur Hemmung. Die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB trete ein, weil durch die
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
lässigkeit des Rechtsweges, das fehlende Rechtsschutzbedürfnis, die fehlende Statthaftigkeit der Klage im Urkundenprozess178 sowie die Einreden der Schiedsgerichtsbarkeit (§ 1032 ZPO),179 der fehlenden Ausländersicherheit (§§ 110–113 ZPO) und der mangelnden Kostenerstattung (§ 269 Abs. 6 ZPO). Die Verjährung wird auch dann gehemmt, wenn der Feststellungsklage das Feststellungsinteresse fehlt180 oder ein vorgeschriebenes Vorverfahren nicht durchgeführt wurde181. Ist der Kläger nicht prozessführungsbefugt, ohne dass ihm zugleich die materielle Verfügungsbefugnis fehlt, hindert diese den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht.182 Hingegen sind nach Peters/Jacoby für den Eintritt der Hemmungswirkung das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit (§§ 18–20 GVG) sowie die Prozessfähigkeit des Beklagten erforderlich.183 Dass die deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18–20 GVG) gegeben sein muss, wird damit begründet, dass der von der deutschen Gerichtsbarkeit Ausgenommene Maßnahmen deutscher Gerichte nicht hinzunehmen brauche. Die Funktion des § 204 BGB werde daher in einem solchen Fall nicht erfüllt.184 Zudem sei ein unter Verstoß gegen §§ 18–20 GVG ergehendes Sachurteil nichtig.185 Letzteres entspricht der herrschenden Meinung, die davon ausgeht, dass gegenüber einem Gerichtsbefreiten gerichtliche Maßnahmen unzulässig sind und ein dennoch ergangenes Urteil nichtig ist.186 Die Gegenansicht hält ein trotz der Immunität ergangenes Urteil für wirksam, aber anfechtbar, da völkerrechtlich die Anfechtbarkeit eines solches Urteils genüge; einen sachlichen Grund für die Wirkungslosigkeit gebe es nicht.187 Nach einer dritten differenzierenden Auffassung ist das Urteil wirksam, aber anfechtKlage das Recht positiv betätigt werde und diese auf das Ziel gerichtet sei, dieses Recht durch das Urteil bestätigt zu erhalten. Hiervon könne aber nicht die Rede sein, „wenn allenfalls noch einmal ausgesprochen werden könnte, was bereits ausgesprochen ist; die Hemmung leitet ihren Sinn von der Klage her, nicht umgekehrt.“ 178 Vgl. BGH WM 1974, 353, 355 u. RGZ 149, 321, 326: Unzulässigkeit der gewählten Prozessart. 179 Ebenso von Bernuth/Hoffmann, SchiedsVZ 2006, 127, 129. 180 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 13); BGHZ 103, 298, 302; BGHZ 39, 287, 291; RGZ 100, 149, 150. 181 BGH WM 1974, 353, 355; BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 13). 182 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 15). 183 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 24, 26. 184 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 24. 185 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 24. 186 BGHZ 182, 10, 16 (Rn. 20); Zimmermann, in: MüKo-ZPO, § 18 GVG Rn. 4 f.; Jacobs, in: Stein/Jonas22, § 18 GVG Rn. 5; Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rn. 6; Zöller/Lückemann, Vor §§ 18–20 GVG Rn. 3. 187 Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 5, Rn. 6; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164, 178 f., 198.
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bar, wenn das Gericht die Immunität geprüft und unzutreffender Weise bejaht hat; es ist hingegen nichtig, wenn das Gericht die Immunität übersehen hat.188 Zustellung und Ladung sind aber jedenfalls dann zulässig, wenn Zweifel über die Immunität bestehen.189 Die Prozessfähigkeit auf Beklagtenseite wird wohl aus Gründen des Schuldnerschutzes gefordert. Im Gegenzug schütze § 210 BGB den Gläubiger.190 c) Schlüssigkeit und Substantiierung sowie Begründetheit Die Schlüssigkeit und Substantiierung des Klagevortrages sind nach allgemeiner Ansicht nicht erforderlich.191 Etwas anders gilt jedoch, wenn die Sachverhaltslücken so gravierend sind, dass es an der notwendigen Individualisierung fehlt.192 Auch die Begründetheit der Klage ist – von der Aktiv- und Passivlegitimation abgesehen,193 die jedoch als eigenständige Voraussetzungen zu prüfen sind – für die Hemmung nach unbestrittener Ansicht nicht notwendig.194 Ergeht ein Sachurteil, erschöpft sich die Hemmungswirkung darin, dass während des Verfahrens keine Verjährung eintreten kann. Im Übrigen scheitert bei Sachabweisung eine erneute Klage an der entgegenstehenden Rechtskraft, § 322 Abs. 1 ZPO. Wird die unbegründete Klage zurückgenommen, bleibt es nach § 204 Abs. 2 BGB bei der Hemmungswirkung, die sich der Kläger bei einer erneuten Klage zu Nutze machen kann.195 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 253 Rn. 38 m. w. N.; Leipold, ZZP 81 (1968), 69, 76. 189 Saenger/Rathmann, § 18 GVG Rn. 4; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, § 19 GVG Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 19 Rn. 14, 20. Für eine Zustellung in allen Fällen Assmann, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 253 Rn. 37; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 5 Rn. 5 m. Fn. 6, § 38 Rn. 19. 190 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 26. 191 BGH NJW 1998, 3486, 3488; BGH NJW-RR 1996, 1409, 1410; BGH NJW 1983, 2813; BGH NJW 1967, 2354; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 23; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 3; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 5; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 41. 192 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 23. 193 BGH NJW 2014, 920, 922 (Rn. 21); BGHZ 104, 268 (273); BGHZ 80, 222, 226. 194 BGH NJW 2014, 920, 922 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); BGHZ 160, 259, 266; BGH NJW-RR 2003, 784; BGH NJW 1999, 2115; BGH NJW 1995, 1675, 1676; BGHZ 104, 268 (273) BGHZ 80, 222, 226; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 41; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 23; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 3; Jauernig/Mansel, § 204 Rn. 2. 195 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 41. Die von MellerHannich a. a. O., Rn. 42 angenommene Änderung des Prüfprogramms ist nur eine Theoretische: Würde eine unbegründete Klage nicht hemmen, müsste das Gericht die Begründetheit dennoch vollständig prüfen, um zur Verneinung der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB zu ge188
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
2. Hemmung durch Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB Die §§ 249 ff. FamFG erlauben auf Antrag die Festsetzung des Unterhalts eines minderjährigen Kindes gegen den Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, im vereinfachten Verfahren, § 249 Abs. 1 FamFG. Die Zustellung dieses Antrags hemmt nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Verjährung, was im Fall von Unterhaltsrückständen Bedeutung erlangt.196 Neben der Zustellung des Antrags kann nach § 251 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 FamFG alternativ197 auch eine Mitteilung über dessen Inhalt zugestellt werden.198 Auch die Zustellung dieser Mitteilung soll die Verjährung hemmen.199 Nicht statthaft ist das vereinfachte Verfahren gemäß § 249 Abs. 2 FamFG, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung des Antrags oder der Zustellung einer Mitteilung über seinen Inhalt über den Unterhaltsanspruch des Kindes bereits ein Gericht entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden ist. Für den Antrag nach §§ 249, 250 FamFG ist wegen § 259 Abs. 2 FamFG zwingend das gemäß § 259 Abs. 1 FamFG bereitgestellte Formular zu verwenden.200 Zunächst gilt bei § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Grundsatz ebenso wie bei der Klage, dass auch fehlerhafte Anträge auf Festsetzung des Unterhalts die Verjährung hemmen, wenn sie dem Antragsgegner zugestellt werden. Bei Fehlerhaftigkeit des Antrags besteht jedoch im besonderem Maße die Gefahr, dass die Zustellung unterbleibt, da der Rechtspfleger (§ 25 Nr. 2 lit. c RPflG) nach § 251 Abs. 1 S. 1 FamFG die Zustellung nur dann verfügt, wenn nach dem Vorbringen des Antragstellers das vereinfachte Verfahren zulässig erscheint, mithin die Voraussetzungen von § 249 FamFG und § 250 Abs. 1 FamFG erfüllt sind sowie § 259 Abs. 2 FamFG eingehalten wurde, § 250 Abs. 2 S. 1 FamFG.201 Sind die langen. Es ist dann aber unerheblich, ob die Klage wegen „sachlicher Unbegründetheit“ oder wegen Verjährung abgewiesen wird. Der Prüfungsumfang des Gerichts ändert sich nicht. 196 Haußleiter/Eickelmann, § 251 Rn. 15. 197 Macco, in: MüKo-FamFG, § 249 Rn. 18. 198 Die Zustellung einer Mitteilung über den Antragsinhalt soll sich dann empfehlen, wenn der Antrag selbst aufgrund von Beanstandungen mehrfach geändert wurde und aus diesem daher nicht eindeutig ersichtlich ist, was der Antragsteller nunmehr beantragt, Nickel, in: BeckOK FamFG, § 251 Rn. 5; Zöller/Lorenz, § 251 FamFG Rn. 1. 199 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 21; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 54; wohl auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 50, 51. 200 Hierzu Haußleiter/Eickelmann, § 259 Rn. 4 –7. Für den Antrag besteht nach wie vor ein Formularzwang, für die Einwendungen nach § 252 ZPO ist dieser zum 01.01.2017 weggefallen, hierzu Nickel, in: BeckOK FamFG, § 252 Rn. 2. 201 Zöller/Lorenz, § 250 FamFG Rn. 12 f.; Nickel, in: BeckOK FamFG, § 250 Rn. 20; Haußleiter/Eickelmann, § 251 Rn. 1.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 179
Angaben unvollständig oder wurde nicht das vorgesehene Formular verwendet, wird der Antrag nicht zugestellt und der Antragsteller hat die Gelegenheit die Angaben zu berichtigten und zu ergänzen (§ 250 Abs. 2 S. 2 FamFG).202 Bessert der Antragsteller nicht oder nicht genügend nach, wird der Antrag zurückgewiesen, § 250 Abs. 2 S. 1 FamFG. Welche Anforderungen ein unzulässiger, entgegen § 251 Abs. 1 S. 1 FamFG aber dennoch zugestellter Antrag im Einzelnen erfüllen muss, wird nicht einheitlich beantwortet. Diskutiert werden hauptsächlich Verstöße gegen § 250 Abs. 1 FamFG. In dieser Norm wird in insgesamt 13 Ziffern der zwingende Inhalt des Antrags festgelegt („Der Antrag muss enthalten:“).203 Überwiegend wird ohne weitere Differenzierung vertreten, dass Verstöße gegen § 250 Abs. 1 FamFG dem Eintritt der Hemmungswirkung nicht entgegenstehen, solange der Anspruch hinreichend individualisiert204 sei. Gleiches gelte für einen Antrag beim unzuständigen Gericht.205 Häufig wird auf die Behandlung der fehlerhaften Klage verwiesen.206 Nicht thematisiert wird, soweit ersichtlich, welche Wirkung einem gegen § 249 Abs. 2 FamFG verstoßenden Antrag beizumessen ist, was in den Fällen von § 249 Abs. 2 Alt. 1 und Alt. 3 FamFG wegen § 197 Abs. 2 BGB praktische Bedeutung erlangen kann.207 Nach den Grundsätzen der herrschenden Meinung dürfte dieser Fehler unbeachtlich sein, da er nicht zur Unwirksamkeit des Antrags führt. Zudem ist eine Falschangabe zu § 250 Abs. 1 Nr. 13 FamFG, wonach erklärt werden muss, dass die Festsetzung nicht nach § 249 Abs. 2 FamFG ausgeschlossen ist, vergleichbar mit den Fällen des erschlichenen Mahnbescheids, in denen die nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erforderliche Erklärung unrichtig abgegeben wurde.208 Wenngleich der BGH hier aufgrund von Besonderheiten des Mahnverfahrens – nach vorliegend vertretener Auffassung zu Un-
Zöller/Lorenz, § 250 FamFG Rn. 11; Macco, in: MüKo-FamFG, § 250 Rn. 16; Haußleiter/Eickelmann, § 251 Rn. 2. 203 Die Aufzählung ist nicht abschließend, die Gerichte haben die Möglichkeit die Ausfüllfelder im Formular zu erweitern, Macco, in: MüKo-FamFG, § 250 Rn. 2. 204 Hierzu oben 5. Kap., B) I. 3. h) (S. 165). 205 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 31; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 17; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 107.2; ebenso, jedoch ohne ausdrücklich eine Individualisierung zu fordern Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 49. 206 Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 17; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 31; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 49. 207 Im Fall von § 249 Abs. 2 Alt. 2 FamFG ist die Verjährung ohnehin nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. 208 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17); BGH NJW 2015, 3160 (Rn. 16); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 8). Hierzu sogleich ausf. unter 5. Kap., B) III. 3. b) aa) (S. 183). 202
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
recht209 – dem Gläubiger die Berufung auf die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB im Ergebnis nach § 242 BGB versagt hat, hatte das Gericht zunächst den Eintritt der Hemmungswirkung bejaht, da die unrichtige Erklärung die für die Hemmung notwendige Wirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme nicht beeinträchtige. Problematisch dürfte bei Anwendung der Grundsätze der herrschenden Auffassung der Fall sein, in welchem, was jedenfalls denkbar ist, ein Antrag zugestellt wird, der nicht, wie in § 259 Abs. 2 FamFG vorgeschrieben, unter Verwendung des eingeführten Formulars gestellt wurde. Hält man einen solchen Antrag für unwirksam,210 müsste der Eintritt der Hemmung verneint werden, wenn man für diesen die Wirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme fordert. 3. Hemmung durch Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB a) Allgemeines Die Zustellung des Mahnbescheids ist seit jeher ein häufig genutztes Mittel zur Hemmung der Verjährung.211 Die Rechtsprechung zur Fehlerhaftigkeit ist daher umfangreich. Für eine exakte Betrachtung ist zwischen Fehlern im vom Gläubiger gestellten Mahnantrag einerseits und im vom Amtsgericht erlassenen Mahnbescheid andererseits zu unterscheiden.212 Freilich setzen sich die meisten im Mahnantrag enthaltenen Fehler im Mahnbescheid fort, wenn das Gericht den Fehler nicht erkennt und den Mahnbescheid erlässt. Bedeutung hat die Frage aber für den nicht unterschriebenen Mahnantrag. Die Verjährungshemmung durch Zustellung des Mahnbescheids unterscheidet sich strukturell von den anderen Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB dadurch, dass nicht die Rechtsverfolgungsmaßnahme des Gläubigers die Hemmung herbeiführt, son209
Hierzu unten 7. Kap., C) III. 2. (S. 288). So Haußleiter/Eickelmann, § 259 Rn. 5, die jedoch keine Aussage zu möglichen materiell-rechtlichen Folgen trifft. Ebenso für Einwendungen des Antragsgegners nach § 252 FamFG, die bis 31.12.2016 einem Formularzwang unterlagen, OLG Köln FamRZ 2012, 1822 (Die Einwendungen, die nicht unter Verwendung des Formulars vorgebracht werden, gelten „als nicht erhoben“.). Anders für einen entgegen § 703c Abs. 2 ZPO nicht unter Verwendung des Vordrucks gestellten Mahnantrag BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323 u. BGH NJW 1999, 3717, 3718 (Rückwirkung nach § 691 Abs. 2 ZPO bzw. § 693 Abs. 2 ZPO möglich). 211 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. Ausführlich zur Bedeutung der Mangelhaftigkeit des Antrags für die Verjährungsunterbrechung Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 134 ff. 212 Anders mglw. Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 149 f.: Die Unzulässigkeit des Mahnantrags sei mit Erlass des Mahnbescheids prozessual überholt. 210
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dern die Zustellung des auf den Antrag hin erlassenen Mahnbescheids.213 Damit wird in § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht, wie sonst, der durch eine bestimmte Institution vermittelten Maßnahme des Gläubigers Hemmungswirkung beigemessen, sondern einer gerichtlichen Maßnahme.214 Es sind daher die folgenden Konstellationen zu unterscheiden: Zunächst kann der Fall eintreten, dass auf einen vor Eintritt der Verjährung eingereichten fehlerhaften Antrag hin ohne vorherige Berichtigung (§ 691 Abs. 1 S. 2 ZPO) ein Mahnbescheid erlassen und (demnächst, § 167 ZPO) zugestellt wird. Das Mahnverfahren wurde hingegen ordnungsgemäß durchgeführt, wenn der zu unverjährter Zeit eingereichte fehlerhafte Antrag vom Gericht moniert wird und daraufhin vom Antragsteller nach Ablauf der Verjährungsfrist der Antrag verbessert und erst auf diesen hin der Mahnbescheid erlassen und zugestellt wird. Eine Hemmung kann in diesem Fall nur eintreten, wenn die Zustellung des Mahnescheids noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt215 und wenn die Korrektur einen nicht relevanten Fehler betroffen hat. Letzteres ist der Fall, wenn ein auf den fehlerhaften Antrag hin erlassener Mahnbescheid gehemmt hätte, denn die Nachholung von Mindestvoraussetzungen nach Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht möglich.216 Gleiches gilt für den Fall, dass der Antrag nach § 691 Abs. 1 S. 1 ZPO zurückgewiesen wird und der Antragsteller eine Rückbeziehung nach § 691 Abs. 2 ZPO erreichen will. Eine solche ist nur dann möglich, wenn ein auf den Antrag hin erlassener Mahnbescheid die Verjährung gehemmt hätte.217 Die Vorschrift des § 691 Abs. 2 ZPO soll sicherstellen, dass dem Gläubiger durch die Wahl des Mahnverfahrens keine Nachteile entstehen.218 Ließe man aber innerhalb der Frist des § 691 Abs. 2 ZPO auch die Korrektur relevanter Fehler zu, würde er jedoch besser stehen, als er bei der Klage stünde. 213
Hierzu schon oben 2. Kap., C) II. (S. 39). Hierauf stellen auch BGHZ 86, 313, 324; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 59 u. insb. Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 149, 228 ff. ab. Siehe auch BGH WM 1979, 786, 788: Wird der Antragsschriftsatz durch das Gericht zum Bestandteil der einstweiligen Verfügung erklärt, dieser beigefügt und dem Gegner zugestellt, kann zur Konkretisierung der Klageschrift auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen werden, auch wenn dieser von einem nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben wurde. 215 Hierin sieht Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 134, 134 ff. ein erhebliches Risiko für den Verlust des „guten Rechts“ des Gläubigers“. 216 Hierzu schon oben 2. Kap., C) II. (S. 39). 217 Für die Individualisierung ebenso Schüler, in: MüKo-ZPO, § 691 Rn. 29a; Voit, in: Musielak/Voit, § 691 Rn. 6; Berger, in: Stein/Jonas22, § 691 Rn. 30. A. A. M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 889; Maniak, MDR 2001, 347, 348; Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 211 ff. Siehe auch Grothe, NJW 2015, 17, 19. 218 Zöller31/M. Vollkommer, § 691 Rn. 5; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 691 Rn. 29a. 214
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
b) Fehlerhaftigkeit von Mahnantrag und Mahnbescheid sind grundsätzlich unbeachtlich Der nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 RPflG zuständige Rechtspfleger (bzw. der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, § 36b Abs. 1 Nr. 2 RPflG) prüft grundsätzlich nicht, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zusteht (vgl. § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).219 Geprüft wird aber gemäß § 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO, ob die Vorschriften der §§ 688, 689, 690, 702 Abs. 2 und 703c Abs. 2 ZPO eingehalten wurden. Ist dies nicht der Fall, hat der Rechtspfleger gemäß § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO vor der Zurückweisung des Antrags den Antragsteller zu hören.220 Liegt ein behebbarer Mangel vor, wird dem Antragsteller eine Frist gesetzt, innerhalb welcher er dem Mangel abhelfen kann. Kommt der Antragsteller dem nicht nach, wird der Antrag zurückgewiesen.221 Für die vorliegende Problematik ist daher der Fall relevant, in welchem der Mahnbescheid erlassen und zugestellt wird, obwohl eine der in § 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO genannten Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Ein Verstoß gegen die in dieser Vorschrift genannten Regelungen ist jedoch nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich unschädlich, da weder die Unzulässigkeit des Mahnverfahrens noch die Unzuständigkeit des Gerichts (§ 689 Abs. 2 ZPO) den Eintritt der Verjährungshemmung hindern. Maßgeblich sei, dass für den Schuldner der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers deutlich werde, was grundsätzlich auch der unzulässige Mahnantrag bzw. Mahnbescheid bewirke.222 Zudem ist es wie bei der Klage unschädlich, wenn, von der Sachbefugnis abgesehen, noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.223 Gefordert wird jedoch auch hier die Wirksamkeit des auf
219 Es wird jedoch weithin angenommen, dass der Rechtspfleger die Pflicht zu einer eingeschränkten Schlüssigkeits- oder Plausibilitätskontrolle habe, siehe hierzu BGH NJW 1984, 242; AG Coburg NJW 2016, 3107 f.; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 691 Rn. 14 ff.; Berger, in: Stein/Jonas22, § 691 Rn. 11 ff.; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 691 Rn. 10 ff. Ebenso BGH NJW 2015, 3162, 3164 (Rn. 29) und BGH NJW 2015, 3161 (Rn. 26): begrenzte Schlüssigkeitsprüfung. 220 BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323; BGH NJW 1999, 3717, 3718. 221 Berger, in: Stein/Jonas22, § 691 Rn. 23, 29; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 691 Rn. 24 f., 28, 29. 222 BGHZ 104, 268, 273; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33; Zöller/Seibel, § 691 Rn. 5, § 693 Rn. 3a; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 10; Berger, in: Stein/Jonas22, § 693 Rn. 6; Voit, in: Musielak/Voit, § 693 Rn. 4. Ebenso, aber ohne explizites Abstellen auf den Durchsetzungswillen, BGHZ 172, 42, 57 (Rn. 43); BGH NJW 1996, 2152, 2153; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 13; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22. 223 BGHZ 172, 42, 57 (Rn. 43); BGH NJW 1999, 2115; BGHZ 104, 268, 273.
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den Antrag hin erlassenen Mahnbescheids.224 Welche Anforderungen des § 690 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzungen sind, ist im Einzelnen umstritten. aa) Unzulässigkeit des Mahnverfahrens, § 688 ZPO Die Abs. 1 bis Abs. 3 des § 688 ZPO regeln die besonderen Voraussetzungen, unter denen ein Mahnverfahren zulässig ist. Nach allgemeiner Ansicht wird die Verjährung des Anspruch aber auch dann gehemmt, wenn auf den Antrag hin der Mahnbescheid erlassen und zugestellt wird, obwohl die Voraussetzungen des § 688 ZPO nicht vorliegen.225 So ist es unschädlich, wenn eine (einfache) Fremdwährungsschuld in Euro umgerechnet wird, damit sie nach § 688 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden kann 226 oder der Mahnbescheid trotz Vorliegens einer der in § 688 Abs. 2 ZPO genannten Ausschlusstatbestände erlassen wurde227. Verjährungshemmung trete somit auch ein, wenn ein Mahnbescheid unter Verstoß gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erlassen werde, weil der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrig228 angegeben habe, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge oder dass die Gegenleistung bereits erbracht sei, da es für die Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des Mahnbescheids ankomme.229 Allerdings hat der BGH in diesen Fällen dem Gläubiger 224 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17); BGH NJW 2015, 3160 (Rn. 16); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 8); BAG NJW 2018, 1038, 1039 (Rn. 24); Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 9; Grothe, NJW 2015, 17, 19. 225 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 7 f.); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 121; Zöller/Seibel, § 693 Rn. 3a. 226 BGHZ 104, 268, 273 ff.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 56; Zöller/Seibel, § 688 Rn. 2; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 693 Rn. 11; Voit, in: Musielak/Voit, § 693 Rn. 4; Berger, in: Stein/Jonas22, § 693 Rn. 6. Siehe auch K. Schmidt, NJW 1989, 65, 68 und P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 26 f. 227 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. Im Fall des § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO scheitert die Hemmung an der fehlenden Zustellung des Mahnbescheids, BGH NJW 2004, 2453, 2454 u. OLG Koblenz, Urt. v. 11.02.2005, Az. 8 U 141/04, Rn. 22 (zit. n. juris). Stellt sich erst nach einem fehlgeschlagenen Zustellungsversuch heraus, dass der Mahnbescheid öffentlich zugestellt werden müsste, kommt eine analoge Anwendung von § 696 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, BGH NJW 2004, 2453, 2454; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 688 Rn. 13–16; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 688 Rn. 23–25. 228 Nach Kähler, NJW 2015, 3164, 3165 genügt grundsätzlich auch eine fahrlässig falsche Angabe für eine Treuwidrigkeit. OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478 fordert explizit eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung. 229 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17); BGH NJW 2015, 3160 (Rn. 16); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 8); OLG Stuttgart WM 2015, 479, 480; OLG Koblenz, Urt. v. 11.02.2005, Az. 8 U
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unter Rückgriff auf § 242 BGB die Berufung auf die Verjährungshemmung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit versagt, da dieser sich den Mahnbescheid er schlichen habe, indem er die von § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geforderte Erklärung falsch abgegeben habe.230 Den Urteilen lagen verschiedene Konstellationen zugrunde, gemeinsam war den Sachverhalten aber, dass die Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben gemacht hatten. In BGH NJW 2015, 3160 (XI. Senat) begehrte der Kläger von der beklagten Bank „großen“ Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Im Mahnantrag gab er an, dass der A nspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge. Tatsächlich bestand der Anspruch aber nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nur Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung der Eigentumswohnung.231 In BGH NJW 2015, 3162 (III. Senat) begehrte die Klägerin ebenfalls „großen“ Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung. Obwohl die Beteiligung am Fonds noch nicht an die Beklagte zurückübertragen worden war, gab die Klägerin im Mahnantrag an, dass der Anspruch von einer Gegenleistung ab hänge, diese aber erbracht sei.232 In BGH NJW 2012, 995 (VIII. Senat) hatte der Verkäufer mit dem Mahnantrag einen Kaufpreisanspruch geltend gemacht und bewusst wahrheitswidrig behauptet, die Kaufsache bereits übergeben und übereignet zu haben. In all diesen Fällen hat der BGH den Eintritt der Verjährungshemmung bejaht, dem Gläubiger aber versagt, sich auf diese zu berufen.
141/04, Rn. 21 (zit. n. juris). Für Hemmung ebenso Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; Voit, in: Musielak/Voit, § 693 Rn. 4; Zöller/Seibel, § 690 Rn. 17, § 693 Rn. 3a; insoweit auch Schüler, in: MüKo-ZPO, § 688 Rn. 12a. A. A. K.-R. Wagner, ZfIR 2005, 856, 857 f., mit dem Argument, dass der Verstoß gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Statthaftigkeit und nicht „nur“ die Zulässigkeit des Mahnverfahrens betreffe und bei einem unstatthaften Mahnverfahren keine Hemmung eintrete. Ein hierauf ergangener Mahnbescheid sei unwirksam. 230 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 18 ff.); BGH NJW 2015, 3160 (Rn. 13, 24 ff.); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 7, 9 ff.); siehe auch OLG Karlsruhe WM 2015, 476, 478; Regenfus, NJW 2016, 2977, 2979. A. A. OLG Koblenz, Urt. v. 11.02.2005, Az. 8 U 141/04, Rn. 21 (zit. n. juris), ohne jedoch die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit zu erörtern; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. Ausführlich zum Ganzen Schatz, VuR 2015, 411 ff., der hinsichtlich der Rechtsfolge zwischen den beiden Varianten des § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO differenziert; Schultz, NJW 2014, 827 ff. u. Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 149 ff., 182 f., 196 ff. Siehe auch BGH NJW 2014, 3435 f. m. Anm. Sujecki. 231 A. A. Schatz, VuR 2015, 411, 412 f.; Schultz, NJW 2014, 827, 828 f. Dem BGH folgend bspw. OLG Stuttgart, Urt. v. 30.01.2017, Az. 9 U 111/13, Rn. 32 f. (zit. n. juris); OLG Stuttgart, Urt. v. 30.08.2017, Az. 9 U 125/14, Rn. 94 (zit. n. juris). 232 Ebenso die Konstellation in OLG Stuttgart WM 2015, 479.
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bb) Fehlerhaftigkeit des Mahnantrags nach § 690 ZPO In § 690 ZPO werden Inhalt und Form des Mahnantrags festgelegt. Abs. 1 bestimmt, welchen Inhalt der Mahnantrag haben muss und Abs. 2 fordert die eigenhändige Unterschrift. Wird der Antrag entsprechend § 702 Abs. 2 S. 1 ZPO in einer nur maschinell lesbaren Form übermittelt, wozu die in § 702 Abs. 2 S. 2 ZPO Genannten verpflichtet sind, bedarf es der handschriftlichen Unterzeichnung nicht, wenn in anderer Weise gewährleistet ist, dass der Antrag nicht ohne Willen des Antragstellers übermittelt wird, § 702 Abs. 2 S. 4 ZPO. Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, welche der in § 690 Abs. 1 ZPO genannten inhaltlichen Anforderungen eingehalten werden müssen, damit der auf den Mahnantrag hin ergangene Mahnbescheid wirksam ist. Trotz des Wortlauts des Abs. 1 („muss […] enthalten“) besteht Einigkeit darüber, dass nicht alle der genannten Anforderungen zugleich Wirksamkeitsvoraussetzungen sind. Teilweise wird angenommen, dass nur bei Einhaltung der Nr. 1 bis Nr. 3 der erlassene Mahnbescheid wirksam ist.233 In der Rechtsprechung des BGH wird hingegen, wenn es um die Wirksamkeit geht, ausdrücklich nur § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO genannt,234 der die für die Individualisierung notwendige Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung fordert. Die praktischen Unterschiede dürften jedoch gering sein, da für eine hinreichende Konkretisierung jedenfalls die Angabe des Antragsgegners nach Nr. 1 erforderlich ist.235 Wird nach Nr. 2 ein unzuständiges Mahngericht bezeichnet,236 kann nach herrschender Meinung auf Antrag237 des Antragstellers eine Abgabe an das zuständige Gericht erfolgen.238 Eine unzutreffende Bestimmung nach Nr. 2 schadet mithin jedenfalls dann nicht, wenn rechtzeitig vom zuständigen Gericht Mahnbescheid erlassen und dieser zugestellt wird.239 Erkennt das angegangene Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 9. BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 17); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 8); BGH NJW 2001, 305, 306. 235 Ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 32: Verjährungshemmung nur, wenn der „Anspruch ausreichend individualisiert ist (§ 690 Abs. 1 Nr. 3, zum Teil aber auch Nr. 1)“. 236 § 690 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist so zu lesen, dass das Gericht zu bezeichnen ist, das den Mahnbescheid erlassen soll, Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 690 Rn. 21; Schüler, in: MüKoZPO, § 690 Rn. 8. 237 Zöller/Seibel, § 689 Rn. 5. 238 Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 689 Rn. 22, m. w. N; a. A. Berger, in: Stein/Jonas22, § 689 Rn. 17. 239 BGHZ 86, 313, 322; BAG NJW 2018, 1038, 1039 (Rn. 24); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. BGHZ 86, 313, 322 f. lässt für diese Konstellation im zu entscheidenden Fall eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung beim unzuständigen Gericht nach § 693 Abs. 2 ZPO a. F. (siehe 2. Kap., Fn. 108, S. 40) zu; a. A. KG NJW 1983, 233
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Gericht hingegen seine Unzuständigkeit nicht und erlässt einen Mahnbescheid, hemmt auch dieser die Verjährung.240 Fehlt nach § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Angabe des Streitgerichts oder ist diese unrichtig, steht dies einer Hemmung ebenfalls nicht entgegen.241 cc) Fehlende Unterschrift ist nach allgemeiner Ansicht unschädlich Fehlt dem Mahnantrag die von § 690 Abs. 2 ZPO geforderte handschriftliche Unterzeichnung, hemmt ein dennoch erlassener Mahnbescheid die Verjährung, wenn keine Zweifel an der Identität und dem Willen des Antragstellers, ein Mahnverfahren in Gang zu bringen, bestehen.242 Begründet hat der BGH dies damit, dass die Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. an die Zustellung des Mahnbescheids und damit einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung anknüpfe. Hierin bestehe der Unterschied zur Unterbrechung durch Klage nach § 209 Abs. 1 BGB a. F., wo ein Schriftsatz der Partei zugestellt werde. Zudem setze, wie § 690 Abs. 3 ZPO a. F.243 zeige, ein Mahnverfahren – wiederum im Gegensatz zum Klageverfahren – nicht notwendig einen schriftlichen Antrag voraus.244 Der BGH hält den nicht unterschriebenen Mahnantrag daher 2709, 2710 und Loritz, JR 1985, 98, 99 f., der jedoch § 212 BGB a. F. analog anwenden will. Vgl. zudem BGH NJW 1990, 1368, 1369. Zur Frage, wann nach dem nunmehr geltenden § 167 ZPO eine Zustellung demnächst erfolgt, Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 34; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. 240 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 18; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 693 Rn. 11. Siehe auch BGHZ 123, 337, 342: In der Rechtsprechung sei seit langem anerkannt, dass auch die Einleitung eines Mahnverfahrens vor einem unzuständigen Gericht geeignet sei, die Verjährung zu unterbrechen. Das Urteil BGHZ 86, 313, 322 kann hierfür allerdings nicht als Beleg dienen, da dort der Mahnantrag zwar an das unzuständige Gericht adressiert war, jedoch nach Abgabe vom zuständigen Gericht erlassen wurde. Entschieden wurde hier darüber, ob in einem solchen Fall die Rückwirkung nach § 693 Abs. 2 ZPO a. F. (siehe 2. Kap., Fn. 108, S. 40) angenommen werden kann. Ausf. zu BGHZ 86, 313 ff. und zum vom unzuständigen Gericht erlassenen Mahnbescheid Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 139 ff., 147 ff. 241 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54. 242 BGHZ 86, 313, 323 f. (Mahnantrag trug nur den Firmenstempel); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 22; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 18; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 690 Rn. 46; Voit, in: Musielak/Voit, § 693 Rn. 4; Berger, in: Stein/Jonas22, § 693 Rn. 6. 243 § 690 Abs. 3 ZPO aufgehoben durch Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017, BGBl. 2017 I, S. 2208, mit Wirkung vom 01.01.2018. Nunmehr § 702 Abs. 2 S. 4 ZPO, eingefügt durch vorgenanntes Gesetz, ebenfalls mit Wirkung vom 01.01.2018. 244 BGHZ 86, 313, 324. Dem folgend Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 59; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 10.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 187
nicht für unwirksam, was sich ebenso daran zeigt, dass er die Rückwirkung nach § 691 Abs. 2 ZPO auch bei einer Zurückweisung wegen fehlender Unterschrift zugelassen hat.245 Während also eine nicht unterschriebene Klage die Verjährung auch dann nicht hemmt, wenn sie zugestellt wird, ist die fehlende Unterschrift unter dem Mahnantrag unschädlich, wenn hierauf dennoch ein Mahnbescheid ergeht. c) Verstoß gegen den Formularzwang, § 703c Abs. 2 ZPO § 703c Abs. 2 ZPO schreibt den Parteien zwingend die Verwendung der nach § 703c Abs. 1 ZPO eingeführten Formulare vor. Ein Verstoß gegen den Formularzwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags.246 Problematisch sind auch hier die Fälle, in denen der Mahnbescheid trotz des Verstoßes gegen § 703c Abs. 2 ZPO247 ohne vorherige Berichtigung des Antrags erlassen und zugestellt wird. Wird der Antrag trotz Hinweis (§ 691 Abs. 1 S. 2 ZPO) nicht ordnungsgemäß eingereicht und daher nach § 691 Abs. 1 S. 1 ZPO abgewiesen, kommt mangels Zustellung nur noch Hemmung durch rechtzeitige Klageerhebung gem. § 691 Abs. 2 ZPO in Betracht. Erfolgt hingegen aufgrund des Hinweises eine Wiederholung des Antrags auf einem zulässigen Formular, kann eine Hemmung noch erreicht werden, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO.248 In der zuerst genannten Variante, dass trotz eines Verstoßes gegen § 703c Abs. 2 ZPO ein Mahnbescheid erlassen wird, soll nach im Schrifttum vertretener Auffassung Verjährungshemmung eintreten.249 Dies ist im Sinne der herrschenden 245
BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323 (Einreichung des Antrags per Telefax). Voit, in: Musielak/Voit, § 703c Rn. 2 unter Berücksichtigung von BGHZ 200, 145 ff., zu dieser Entscheidung Becker-Eberhard, JZ 2014, 961 ff.; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 703c Rn. 14. 247 Ein Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO liegt bspw. vor, wenn ein nicht mehr gültiges Formular verwendet wird (BGH NJW 1999, 3717, 3718) oder wenn das Formular verwendet, aber nicht im Original, sondern als Kopie oder per Telefax (BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323) ans Gericht gesandt wird (Schüler, in: MüKo-ZPO, § 703c Rn. 14; Olzen, in: Wieczorek/ Schütze, § 703c Rn. 12, m. w. N.; a. A. B/L/A/Hartmann, § 703c Rn. 4: Fax genügt). Kein Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO, aber ein fehlerhafter Antrag liegt vor, wenn der ausgedruckte Barcodeantrag entgegen der Anordnung gefaxt wird, ausf. hierzu Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 48; siehe auch Becker, JuS 2008, 1080, 1082. 248 Berger, in: Stein/Jonas22, § 703c Rn. 6. Siehe auch LG Darmstadt NJW 1986, 1695, 1696: Keine Rückwirkung nach § 693 Abs. 2 ZPO a. F. (siehe 2. Kap., Fn. 108, S. 40) möglich, wenn Zurückweisung nach § 691 Abs. 1 ZPO erfolgt ist. Ob dies der Fall ist, wenn das Gericht mitteilt, dass der Mahnantrag wegen Verstoß gegen § 703c ZPO wirkungslos sei und daraufhin ein dieser Vorschrift entsprechender Antrag eingereicht wird, wurde im Fall offengelassen, da jedenfalls die Zustellung nicht demnächst im Sinne von § 693 Abs. 2 ZPO a. F. erfolgte. 249 Schüler, in: MüKo-ZPO, § 703c Rn. 16, für den gefaxten Barcodeantrag § 690 Rn. 48; 246
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Meinung konsequent, wenn man den unter Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO gestellten Antrag als unzulässig, aber wirksam ansieht.250 Auch der BGH geht von einem wirksamen, aber unzulässigen Antrag aus und lässt daher bei einem Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO die Anwendung des § 691 Abs. 2 ZPO oder eine Rückwirkung nach § 167 ZPO zu. Begründet wird dies damit, dass der Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO ebenso wie die anderen Voraussetzungen in § 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO genannt wird und damit wie die dort genannten Fehler zu behandeln ist.251 Daher ist davon auszugehen, dass auch der BGH Verjährungshemmung für den Fall annehmen würde, in welchem der Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO nicht moniert, sondern der Mahnbescheid erlassen und zugestellt wird. Nach der hier vertretenen Auffassung ist für die Frage, ob bei einer formgerechten Wiederholung des Antrags und Zustellung des Mahnbescheids demnächst sowie im Fall des § 691 Abs. 2 ZPO Verjährungshemmung eintreten konnte, zu prüfen, ob Hemmung eingetreten wäre, wenn auf den ursprünglichen, unter Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO gestellten, Antrag hin, der Mahnbescheid erlassen und zugestellt worden wäre. d) Unwirksamkeit des Mahnantrags wegen Beifügung von Anlagen bei Zwang zur Einreichung in maschinell lesbarer Form Nach einem Urteil des Amtsgerichts Hagen ist die Beifügung von Anlagen in Fällen des § 702 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig und führt zur Unwirksamkeit des Antrags.252 Unabhängig davon, ob dieser Entscheidung zuzustimmen ist,253 wird bei rechtzeitiger Klageerhebung auch in diesen Fällen eine Rückbeziehung Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33; differenzierend wohl Zöller/Seibel, § 703c Rn. 12. Siehe auch BGH NJW 1999, 3717, 3718: Rückbeziehung der Verjährungsunterbrechung auf den Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf einem nicht mehr gültigen Formular eingereicht wurde. 250 Schüler, in: MüKo-ZPO, § 703c Rn. 16. Ebenso Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 7: Die ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheids macht diesen wirksam. 251 BGH NJW-RR 2001, 1320, 1323 (§ 691 Abs. 2 ZPO); BGH NJW 1999, 3717, 3718 (§ 693 Abs. 2 ZPO a. F.). 252 AG Hagen NJW-RR 2010, 71 f., dem folgend Saenger/Gierl, § 690 Rn. 32. Auch in dem BGH NJW 2011, 613 zugrunde liegenden Sachverhalt wurde die Anlage nicht mit zugestellt: Die Antragsteller hatten Erlass eines Mahnbescheids beantragt und die Forderung mit „Schadensersatz aus Mietvertrag gem. Aufstellung vom 27.12.2006“ bezeichnet. Diese Aufstellung war dem Antrag auch beigefügt, wurde aber nach Rücksprache des Rechtspflegers mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller nicht zugestellt, da nach Mitteilung des Rechtspflegers im maschinell bearbeiteten Mahnverfahren ein Mahnbescheid nicht unter Beifügung einer gesonderten Anlage erlassen und zugestellt werden könne. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren stand dann die hinreichende Anspruchsindividualisierung im Streit. 253 Dagegen Voit, in: Musielak/Voit, § 690 Rn. 12; Zöller/Seibel, § 690 Rn. 24, 13; kritisch Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 16.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 189
gemäß § 691 Abs. 2 ZPO zugelassen,254 der Antrag ist daher in diesem Fall dennoch tauglicher Rückanknüpfungspunkt. 4. Hemmung durch Veranlassung der Bekanntgabe eines bei einer Streitbeilegungsstelle gestellten Antrags, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB Nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Verjährung auch dadurch gehemmt, dass eine der dort genannten Streitbeilegungsstellen die Bekanntgabe des bei ihr eingereichten Güteantrags veranlasst. Auch bei diesem Tatbestand wird allgemein formuliert, dass der Antrag nicht zulässig oder begründet sein muss, um Hemmungswirkung zu entfalten.255 Hemmung tritt nach ganz herrschender Meinung daher auch dann ein, wenn der Schuldner am Ort der angerufenen Streitbeilegungsstelle keinen Gerichtsstand hat oder diese sachlich unzuständig ist.256 Teilweise wird jedoch bei sachlicher Unzuständigkeit einschränkend die Verjährungshemmung verneint, wenn der Gläubiger wider besseren Wissens handele.257 Andererseits wird für den Eintritt der Hemmungswirkung verlangt, dass bei der Einreichung des Antrags die formalen Anforderungen 258 beachtet werden, die sich aus den für die Tätigkeit der angerufenen Streitbeilegungsstelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften ergeben:259 254
Saenger/Gierl, § 690 Rn. 32. BGHZ 160, 259, 263; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 61. 256 BGH NJW 2017, 1879, 1880 (Rn. 15); BGHZ 123, 337, 342 f., mit. zust. Anm. Peters, JR 1994, 244 f.; OLG Karlsruhe BKR 2015, 128, 129; OLG München WM 2008, 733, 734; OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 117/06, Rn. 148 (zit. n. juris); OLG Celle ZGS 2007, 195, 198; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 173; Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 79; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 23; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, D, Rn. 116; Borowski/Steike, in: HKVSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 10; Friedrich, NJW 2003, 1781, 1782; May/Moeser, NJW 2015, 1637, 1638; a. A. OLG Oldenburg, Urt. v. 24.11.1992; Az. 5 U 62/92 (Vorinstanz zu BGHZ 123, 337, dort mitgeteilt S. 339, 342 f.). Kritisch im Hinblick auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit Staudinger/Eidenmüller, NJW 2004, 23 f., 25 f. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit a. A. K.-R. Wagner ZfIR 2002, 257, 260. 257 Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19; Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 79. 258 Der IV. Senat prüft diese Voraussetzung im Rahmen der Individualisierung, vgl. BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 20 f.: „Dazu […] und“); nicht ganz so eindeutig der III. Senat, vgl. BGHZ 206, 41, 48 (Rn. 20 f.). Deutliche Trennung hingegen bei OLG Celle WM 2016, 205, 206 u. Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, D, Rn. 116. 259 BGH MDR 2016, 1407 (Rn. 3); BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 21); BGHZ 206, 41, 48 (Rn. 21); BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07, Rn. 10 (zit. n. juris); BGH NJW 2008, 506 f. (Rn. 12); OLG Celle WM 2016, 205, 206; OLG Frankfurt WM 2014, 2361, 2362; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 16; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 26; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19; Greger, in: Greger/Unberath/Steffek, D, Rn. 116; Borowski/ 255
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Das OLG Hamm 260 und nachfolgend der BGH261 hatten in drei parallelen Fällen über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Um die mit Ablauf des 31.12.2004 eintretende Verjährung zu hemmen, reichte der Rechtsanwalt der Gläubiger bei einer staatlich anerkannten Gütestelle in Freiburg einen Güteantrag ein. Nach der dort maßgeblichen Verfahrensordnung war, um die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu hemmen, erforderlich, dass der Antrag schriftlich gestellt wird und, wenn der Antrag von einem Bevollmächtigten unterschrieben wird, die Vollmacht schriftlich vorzulegen ist.262 Eine Vollmacht im Original enthielt der eingereichte Antrag nicht; ob eine Vollmachtskopie mitgesandt wurde, blieb streitig. Sowohl das OLG Hamm 263 als auch der BGH264 verneinten den Eintritt der Verjährungshemmung, da der Antrag nicht der von der Gütestelle erlassenen Verfahrensordnung entsprochen habe. Dieser sehe zwingend die Übermittlung einer schriftlichen Vollmacht vor, was durch die Beifügung einer Kopie nicht gewahrt werde. Diese Regelung sei auch verbindlich, da die Verfahrensordnung Gegenstand des staatlichen Anerkennungsverfahrens gewesen sei und nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Das BVerfG hat die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.265 Es stelle keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG dar, wenn der BGH für den Eintritt der Verjährungshemmung, beispielsweise in den Fällen § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 11, die Vornahme einer formell ordnungsgemäßen Rechtshandlung verlange. Der Beschwerdeführer hatte u. a. vorgebracht, der BGH unterwerfe die Stellung eines Güteantrags strengeren Voraussetzungen als die Erhebung einer Klage, da er nur bei § 204 Abs. 1 Nr. 4, nicht
Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 5; Steike/Borowski, VuR 2017, 218, 220; May/Moeser, NJW 2015, 1637, 1639. 260 Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 117/06 (zit. n. juris); Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 129/06 (zit. n. juris). 261 Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07 (zit. n. juris), Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 117/06 (zit. n. juris); Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 87/07 (zit. n. juris), Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 129/06 (zit. n. juris); Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 88/07 (zit. n. juris), Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 130/06. 262 OLG Hamm, Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 117/06, Rn. 155–157 (zit. n. juris). Die Verfahrensordnung wurde mittlerweile geändert und die schriftliche Vollmacht kann nunmehr auch nachgereicht werden, BGH MDR 2016, 1407 (Rn. 2, 7). 263 Urt. v. 26.04.2007, Az. 22 U 117/06, Rn. 155–174 (zit. n. juris). 264 Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07, Rn. 10 (zit. n. juris). 265 BVerfG, Beschl. v. 22.10.2008, Az. 1 BvR 1217/08 = NJW-RR 2009, 1148 (zu BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07); BVerfG, Beschl. v. 22.10.2008, Az. 1 BvR 1218/08 (zit. n. juris, zu BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 87/07); BVerfG, Beschl. v. 22.10.2008, Az. 1 BvR 1219/08 (zit. n. juris, zu BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 88/07). Hierzu auch Piekenbrock, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2018, § 194 Rn. 14.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 191
jedoch bei den übrigen Hemmungstatbeständen an die Einhaltung einer Verfahrensordnung anknüpfe.266 Hierzu meint das BVerfG, die Beschwerdeführer verwechselten die Voraussetzungen einer wirksamen mit der einer zulässigen Rechtshandlung zur Verjährungshemmung. Den Eintritt der Hemmungswirkung von der Vornahme einer formell ordnungsgemäßen Rechtshandlung abhängig zu machen, widerspreche nicht Art. 14 Abs. 1 GG.267 Bereits zuvor hatte der BGH den Eintritt der Verjährungshemmung in einem Fall verneint, in dem der Antrag, entgegen den bei der Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften, per E-Mail eingereicht wurde.268 Grothe269 differenziert, wie bei der Klage, zwischen einem unzulässigen und einem unwirksamen Antrag. Die Abgrenzung habe nach dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB zu erfolgen. Entscheidend sei, ob die jeweilige Maßnahme die geforderte Warnfunktion erfülle. Dazu sei erforderlich, dass der Antrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers kundgebe und der Antrag hinreichend bestimmt sei. Unschädlich sei hingegen, wenn dem Gläubiger bei der Einreichung des Antrags ein Formfehler (z. B. fehlende Schriftform) unterlaufen sei. Ähnlich stellt auch Schwintowski270 für den Eintritt der Hemmungswirkung maßgeblich darauf ab, ob der geäußerte Wille des Gläubigers keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen lässt, dass es ihm um die Hemmung seines Anspruchs geht. Formvorschriften dürften diesen geäußerten Willen nur insoweit reglementieren, als diese Klarheit in die Willensbildung und die Erkennbarkeit dieses Willens bringen sollen. Formvorschriften, die bewirkten, dass der deutlich und ernstlich geäußerte Wille die angestrebte Hemmungswirkung nicht erreiche, führten zu einem verfassungsrechtlich unverhältnismäßigen Schuldnerschutz und in der Folge zu Rechtsunfrieden.271 266 BVerfG, Beschl. v. 22.10.2008, Az. 1 BvR 1217/08, Rn. 3 (zit. n. juris, insoweit in BVerfG NJW-RR 2009, 1148 nicht abgedruckt). 267 BVerfG NJW-RR 2009, 1148 (Rn. 6). 268 BGH NJW 2008, 506–508, ebenso die Vorinstanz OLG Celle ZGS 2007, 195, 197 f. Den fristgemäßen Eingang des schriftlichen Antrags konnte der Kläger im Prozess nicht beweisen. 269 Grothe, WuB IV. A. § 199 BGB 2.08 (Besprechung von BGH NJW 2008, 506–508) und Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 36. 270 BKR 2009, 89, 98. 271 Schwintowski, BKR 2009, 89, 98. Die von Schwintowski vorgenommene Auslegung der §§ 130, 130a ZPO, auf die er seine Ausführungen im Ausgangspunkt gründet, stimmt zwar mit deren Wortlaut („soll“) überein, sie steht aber nicht im Einklang mit der Auffassung des BGH und der herrschenden Lehre, wonach den §§ 130, 130a ZPO trotz ihres Wortlautes zwingender Charakter zukommt, hierzu Zöller/Greger, § 130 Rn. 21 f. und bereits oben 5. Kap., B) III. 1. a) bb) (1) (S. 173). Zudem wird nicht darauf eingegangen, dass der BGH dem Erfordernis der Beifügung einer schriftlichen Vollmacht die Bedeutung beimisst, dass damit der legitime
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Auch durch Einreichung des Güteantrags per E-Mail oder bloße Übermittlung einer Vollmachtskopie könne daher die Verjährung gehemmt werden, wenn sich im Zusammenhang mit anderen Umständen eine hinreichende Gewähr dafür ergebe, wer Urheber sei und dass die Erklärung wirksam in den Rechtsverkehr eingebracht werden sollte.272 5. Hemmung durch Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB Nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB hemmt auch die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess die Verjährung. Rechtsverfolgungsmaßnahme ist hier die Geltendmachung der Aufrechnung, das heißt die Prozesshandlung, mit der die Aufrechnung im Prozess vorgetragen wird. Hemmung tritt daher mit Eingang der Prozesserklärung bei Gericht und nicht erst mit Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners (Bekanntgabe) ein.273 a) Bedeutung der Hemmung im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB Dass der Eintritt der Rechtsfolge vom Erfolg der Rechtsverfolgungsmaßnahme unabhängig ist, wird bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB besonders deutlich, da diese nur dann eine Rolle spielt, wenn die Aufrechnung im Prozess keine Berücksichtigung findet.274 Wird hingegen über die Aufrechnungsforderung (Gegenforderung) entschieden, kommt eine eingetretene Hemmung nicht zum Tragen: Hält das Gericht die Gegenforderung für begründet, erlischt diese in dem Umfang, in dem sie zur Aufrechnung gestellt wurde bis maximal zur Höhe der Klageforderung, § 389 BGB. Gelangt das Gericht hingegen zum Ergebnis, dass die Hauptforderung, nicht aber die Gegenforderung besteht, ist die Gegenforderung bis zur Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, rechtskräftig aberkannt, § 322 Abs. 2 ZPO.275 Weiterhin ist Zweck verfolgt wird, die Frage der Bevollmächtigung bereits bei Antragstellung möglichst außer Streit zu stellen, BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07, Rn. 12 (zit. n. juris). 272 Schwintowski, BKR 2009, 89, 98. 273 BT-Drucks. 14/6040, S. 114; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 86; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 192; Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 211; a. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 72. Siehe schon oben 3. Kap., Fn. 281 (S. 91). 274 BGHZ 160, 259, 263; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 63; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 27; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 20; Stadler, in: Musielak/Voit, § 145 Rn. 21; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 5; Tiedtke, BB 1981, 1920. 275 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 66; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 44; Schreiber, JR 1981, 62, 63; Niedenführ, LMK 2008, 265420.
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zu berücksichtigen, dass die Verjährung der Gegenforderung nur in der Höhe gehemmt wird, als die Forderung zur Aufrechnung gestellt wird, mithin allenfalls bis zur Höhe der Hauptforderung. Darüber hinaus findet eine Hemmung nicht statt.276 Nicht über die Aufrechnung entscheidet das Gericht277 erstens im Fall einer Hilfsaufrechnung, die nicht zum Zug kommt, weil die Klage schon aus anderen Gründen abweisungsreif war;278 zweitens, wenn die Aufrechnung aus anderen prozessualen Gründen unberücksichtigt bleibt, beispielsweise weil sie nach § 296 ZPO verspätet ist; und drittens, wenn ein Aufrechnungsverbot einer Entscheidung über die Gegenforderung entgegensteht.279 b) Unterscheidung zwischen prozessualen und materiell-rechtlichen Fehlern Aus der Formulierung des Hemmungstatbestandes ergibt sich, dass sowohl durch die Prozessaufrechnung, bei der das einheitliche Vorbringen ebenso die materiell-rechtliche Aufrechnungserklärung wie auch die prozessuale Geltendmachung (sog. Doppeltatbestand) darstellt,280 als auch durch den Vortrag einer außerhalb des Prozesses erklärten Aufrechnung die Verjährung des Anspruchs gehemmt werden kann.281 Die Vornahme des materiell-rechtlichen Rechtsgeschäfts (§§ 387 ff. BGB) einerseits und die Prozesshandlung (Geltendmachung in Prozess) andererseits können also, müssen aber nicht, zeitlich zusammenfal-
276 BGH NJW-RR 2009, 1169, 1170 (Rn. 19); BGH NJW 1990, 2680, 2681; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 73; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 38; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 20; Niedenführ, LMK 2008, 265420; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 79 f.; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 179. Eine Hemmung kommt daher nur in dem Umfang in Betracht, als sich der Aufrechnende im Prozess einer gegen ihn gerichteten Forderung ausgesetzt sieht. Eine Hemmung tritt demnach nicht für den die Teilwiderklage übersteigenden Betrag der Gegenforderung ein, BGH NJW-RR 2009, 1169, 1171 (Rn. 21). 277 Hierzu Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 67; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 44; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 27; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 20. 278 BGH NJW 1990, 2680, 2681; BGHZ 80, 222, 225 f.; BayObLGZ 1966, 353, 359; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37. 279 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 67. 280 Fritsche, in: MüKo-ZPO, § 145 Rn. 19; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 31; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 Rn. 13; Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 17. 281 LG Berlin, Urt. v. 29.09.1987, Az. 64 S 85/87, Rn. 17 (zit. n. juris); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 65; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 64; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 20; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 43; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 40 f.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
len. Zudem kann nicht nur die vom Beklagten im Prozess geltend gemachte Aufrechnung, sondern auch die des Klägers die Verjährung hemmen.282 Nach dem Vorstehenden kann bei § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Fehlerhaftigkeit mithin sowohl aus Verstößen gegen prozessuale Vorschriften als auch aus solchen gegen das materielle Recht der §§ 387 ff. BGB resultieren.283 Für diesen Hemmungstatbestand gilt jedoch ebenfalls der Grundsatz, dass die Rechtsfolge auch dann eintritt, wenn die Aufrechnung aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen unzulässig war,284 da der Gläubiger auch in diesen Fällen seinen Rechtsdurchsetzungswillen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringe.285 aa) Prozessuale Fehler Die Fälle der prozessualen Fehlerhaftigkeit sind nicht identisch mit den eben genannten Konstellationen, in welchen die Aufrechnung im Prozess keine Berücksichtigung findet: Die ordnungsgemäße Hilfsaufrechnung kann nicht als prozessual fehlerhafte Erklärung aufgefasst werden, da hier nicht gegen verfahrensrechtliche Vorschriften verstoßen wurde, sondern diese allein deswegen nicht zum Tragen kommt, weil die prozessuale Bedingung nicht eingetreten ist.286 Auch die Fälle, in denen die Aufrechnung an einem Aufrechnungsverbot scheitert, gehören nicht hierher, weil hier aus Gründen des materiellen Rechts, und nicht aus solchen des Prozessrechts, keine Entscheidung über die Aufrechnung ergeht.287 Als prozessual fehlerhafte Aufrechnung kann aber der Fall aufgefasst werden, in welchem eine Berücksichtigung im Prozess ausscheidet, weil der Vortrag zur Aufrechnung verspätet ist (§§ 296, 531 Abs. 1 ZPO, § 530 ZPO). 282 BGHZ 176, 128, 131 ff. (Rn. 15 ff.); OLG Koblenz, Urt. v. 02.03.2000, Az. 2 U 467/99, Rn. 30 (zit. n. juris); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 65; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 27; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 43. 283 Ebenso Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 27: Die Erfolglosigkeit der Aufrechnung könne sowohl auf materiell-rechtlichen als auch auf prozessualen Gründen beruhen; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 19. 284 BGH NJW-RR 2009, 1169, 1171 (Rn. 21); BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 19); BGHZ 83, 260, 270 f.; OLG Köln NJW-RR 1989, 1079; Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 44; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 67; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 194; Althammer, in: Stein/ Jonas23, § 145 Rn. 54; Tiedtke, BB 1981, 1920; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 27, 57. Noch offenlassend und nur für den konkreten Fall bejahend BGHZ 80, 222, 226. 285 BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 19); BGHZ 80, 222, 226; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 20. 286 Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 27; Tiedtke, BB 1981, 1920. 287 Anders Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 37.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 195
Diese Verspätung hindere jedoch den Eintritt der Verjährungshemmung nicht.288 Verneint man bei einer Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung die Entscheidungsbefugnis des Gerichts über die Gegenforderung,289 stehe dies der Hemmungswirkung ebenfalls nicht entgegen.290 Notwendig für die Bejahung der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB sei hingegen die Wirksamkeit der Prozesshandlung, was das Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen, insbesondere der Postulationsfähigkeit, voraussetze, da es andernfalls an der wirksamen Geltendmachung im Prozess fehle.291 Schreiber292 will einer prozessual unzulässigen Aufrechnung entgegen der ganz herrschenden Meinung generell keine Hemmungswirkung beimessen. Zur Verjährungsunterbrechung seien nur solche Maßnahmen geeignet, die vom Gläubiger zur Wahrung seines Anspruchs billigerweise gefordert werden können. Hierzu gehöre die unzulässige Aufrechnung nicht. Vom Gläubiger könne nämlich erwartet werden, dass er den Anspruch auf dem Klagewege verfolgt, wenn die Aufrechnung unzulässig ist.293 Der BGH294 hat Verjährungshemmung auch bei einer Aufrechnungsreplik angenommen: Die Kläger hatten im Vorprozess gegen eine GmbH Zahlungsansprüche geltend gemacht. Gegen diese Ansprüche hatte sich die GmbH mit einer Primäraufrechnung verteidigt, die Gegenforderung war ihr zuvor von der jetzigen Beklagten abgetreten wurde. Daraufhin erklärten die Kläger im Vorprozess hilfsweise die Aufrechnung mit einer ihnen gegen die jetzige Beklagte zustehenden Forderung. Sodann machten die Kläger diese Forderung, über die im ersten Prozess nicht entschieden wurde und auch nicht entschieden werden konnte,295 mit einer neuen Klage geltend. Begründet hat der BGH seine EntMeller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 197. Hierzu Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 387 Rn. 210 ff. 290 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 197.1. 291 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 198. 292 JR 1981, 62, 63, ausgehend von einem Fall, in dem auf die Einrede der Aufrechnung verzichtet wurde. Nach Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 209 Rn. 31 hat die prozessual unzulässige Geltendmachung der Aufrechnung wegen deren Doppelnatur den Nichteintritt der materiell-rechtlichen Wirkungen und damit auch den Nichteintritt der Unterbrechungswirkung zur Folge. Es könne aber § 212 BGB a. F. analoge Anwendung finden, siehe auch Dilcher, JZ 1983, 825, 831. 293 Schreiber, JR 1981, 62, 63. Zudem könne der mit dem Unterbrechungstatbestand des § 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. angestrebte prozesswirtschaftliche Vorteil nur dann eintreten, wenn die Aufrechnung im Prozess Berücksichtigung finde, was nur bei deren Zulässigkeit möglich sei. A. A. Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 56 f., zum Meinungsstand dort S. 51 f. 294 BGHZ 176, 128, 131 f. (Rn. 16–19), VII. Senat. Dieser Rechtsprechung hat sich in NJW-RR 2009, 1169, 1171 (Rn. 21) auch der V. Senat angeschlossen. 295 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 Rn. 9: Bei prozessualer 288 289
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
scheidung mit dem Argument, dass der Gläubiger auch in diesem Fall „in der vom Gesetz geforderten nachhaltigen Weise seinen Rechtsverfolgungswillen“ zeige, „da er bei der Geltendmachung der Gegenaufrechnung ersichtlich, wenn auch fälschlich, davon ausgeht, dass eine Entscheidung über seine Forderung ergehen kann.“296 Dem ist das Schrifttum, teilweise unter Aufgabe der bisher auf eine Entscheidung des OLG Köln 297 gestützten Gegenauffassung, gefolgt.298 bb) Materielle Fehler Es stellt sich weiterhin die Frage, wie Fälle zu behandeln sind, in denen die materiell-rechtliche Wirkung der Aufrechnung an einer der in den §§ 387 ff. BGB aufgestellten Voraussetzungen scheitert.299 Nach Peters/Jacoby300 muss von den materiell-rechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen nur die Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung gegeben sein, da die Aufrechnung mit einer ungleichartigen Forderung allenfalls als Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts angesehen werden könne, welcher keine Hemmungswirkung zukomme.301 Nicht erforderlich für den Eintritt der Hemmung seien hingegen die Erfüllbarkeit der Hauptforderung302 und die Fälligkeit der Gegenforderung303, Relevanz der Aufrechnung des Beklagten kann die hierdurch eingetretene Tilgungswirkung nicht nachträglich wieder entfallen. 296 BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 19). 297 NJW-RR 1989, 1079, 1080: Unterbrechen könne nur die prozessual relevante Aufrechnung. 298 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37 („solange der Gläubiger ernsthaft davon ausgeht, dass die Aufrechnung Erfolg haben kann“), a. A. 5. Aufl. 2006, § 204 Rn. 37; Palandt/ Ellenberger, § 204 Rn. 20, a. A. 67. Aufl. 2008, § 204 Rn. 20; Peters, JR 2009, 110; Niedenführ, LMK 2008, 265420, a. A Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 64; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 103 Rn. 12. 299 Ausführlich hierzu Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 68–71 und Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 27–44. 300 In: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 68. 301 Ebenso Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 33 f.; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 27; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 207. 302 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 68, soweit dort unter b) von der Erfüllbarkeit der Gegenforderung gesprochen wird, handelt es sich wohl um ein Versehen; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 37. 303 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 69. Auch wenn der Gegenforderung eine dilatorische Einrede entgegensteht, soll Hemmung eintreten, Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 35; für die Einreden nach § 205 BGB auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 69. Keine Hemmung aber bei peremtorischen Einreden, Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 35 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 69.
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da in beiden Fällen der Wille zur ernsthaften Durchsetzung der Forderung bekundet werde. Weiterhin müsse die Aufrechnungserklärung selbst nicht wirksam sein. Es genüge vielmehr, wenn überhaupt eine Erklärung vorliege.304 Auch Aufrechnungen, denen ein gesetzliches (§§ 393, 394, 719 Abs. 2 BGB) oder vertragliches Verbot entgegensteht, sollen Hemmungswirkung haben.305 Da allgemein anerkannt ist, dass die Aufrechnung im Prozess auch hilfsweise erklärt werden kann,306 hemmt auch eine Hilfsaufrechnung, was sogar den Hauptanwendungsfall des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB darstellen dürfte.307 Demgegenüber wird teilweise für den Eintritt der Hemmung verlangt, dass der Tatbestand einer Aufrechnung im Sinne von § 387 BGB vorliegt.308 In der älteren Literatur wird vertreten, dass eine Unterbrechung ausscheide, wenn die Unzulässigkeit der Aufrechnung „offenkundig“ sei.309 6. Hemmung durch Zustellung der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB a) Die Sonderstellung der Hemmung durch Streitverkündung Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB hemmt die Zustellung der Streitverkündung die Verjährung. Diesem Hemmungstatbestand wird im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB nicht selten eine Sonderstellung zugeschrieben,310 welche damit begründet 304 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 71; ebenso Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 38. A. A. Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 210, der eine materielle Aufrechnungserklärung gänzlich für entbehrlich hält: Es sei nicht erforderlich, dass eine materiell-rechtliche Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB abgegeben werde, soweit nur ein prozessuales Berufen auf eine Aufrechnung vorliege, was den Rechtsverfolgungswillen in „prozessualer Form“ zum Ausdruck bringe. § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB knüpfe nur an die prozessuale Geltendmachung, also die Prozesshandlung, an. 305 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 71; ausf. Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 58–65. 306 Hierzu Skamel, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.04.2018, § 388 Rn. 40, 40.1. 307 BGHZ 80, 222, 225; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 67, 72; Dilcher, in: Staudinger, 12. Aufl., § 209 Rn. 31; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 18; Althammer, in: Stein/Jonas23, § 145 Rn. 54; Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 209. Kritisch, aber im Ergebnis ebenso, Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 43, 45 ff. 308 Jauernig/Mansel, § 204 Rn. 7. Für den in BGHZ 80, 222 ff. entschiedenen Fall lehnt auch Dilcher, JZ 1983, 825, 831 die Unterbrechung ab. 309 Siber, Compensation und Aufrechnung, S. 129; Oertmann, Aufrechnung, S. 161; hiergegen Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 19. Hierzu auch Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 66 ff. 310 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 367: „Es ist […] nicht verkannt worden, daß die der Streitverkündung durch die C. P. O. (§§. 69–72) – im Gegensatze zu dem preußischen Rechte – gegebene Gestaltung an sich eine andere Ent-
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wird, dass der Gläubiger mit der Streitverkündung nicht seinen Anspruch verfolge, sondern nur die spätere Rechtsverfolgung sichere. Der Anspruch selbst bleibe „schemenhaft“311, der Schuldner wisse nicht, was letztlich auf ihn zukomme.312 Mit der Streitverkündung bringe der Gläubiger noch nicht unmissverständlich zum Ausdruck, dass er den Anspruch durchsetzen wolle.313 Zudem sei die Streitverkündung neben der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB die billigste Art, die Verjährung des Anspruchs zu hemmen.314 Dass die Verjährung des Anspruchs auch durch eine Streitverkündung unterbrochen wird, war daher schon bei der Schaffung des BGB nicht selbstverständlich.315 b) Anforderungen an die Streitverkündung aa) Verjährungshemmung nur bei zulässiger Streitverkündung Diese der Streitverkündung zugeschriebene Sonderrolle hat auch für den Untersuchungsgegenstand erhebliche Bedeutung. Im Unterschied zu fast allen anderen Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB verlangen die Rechtspre-
scheidung erheischen dürfte.“ Zusammenfassend zur Intention des Gesetzgebers Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 115. Sehr deutlich Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b: „Fremdkörper“. 311 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b, auch weil er nicht der Höhe nach bezeichnet werden muss. 312 Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 9: Der gegen den Streitverkündungsempfänger erhobene Anspruch bleibe verschwommen. Dieser stehe im Nebel. S. 188 f.: Die Streitverkündung bleibe noch hinter der außergerichtlichen Mahnung zurück. 313 BGHZ 175, 1, 8 f. (Rn. 25); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b („die Streitverkündung [ist] nicht wie die meisten sonstigen Fälle des § 204 Abs. 1 auf die unmittelbare Durchsetzung des Anspruchs gerichtet“). 314 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 198. Siehe auch Peters, ZZP 123 (2010), 321, 325, 342: Die Streitverkündung ist die am wenigsten aufwendige Möglichkeit der Hemmung des § 204 Abs. 1 BGB. 315 Der Streitverkündung wurde letztlich aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Unterbrechungswirkung zugeschrieben, weil befürchtet wurde, dass insb. bei kurzen Verjährungsfristen Regressansprüche vereitelt würden, wenn der Vorprozess, in dem die Voraussetzungen der Regresspflicht erst festgestellt werden müssen, länger dauert als die für den Re gressanspruch bestehende Verjährungsfrist, Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 367. Hierzu auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b und H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 344 f. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 65 ff. Siehe auch schon oben 4. Kap., B) I. 2. (S. 124) u. 3. (S. 124).
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chung316 und die herrschende Auffassung in der Literatur317, dass die Streitverkündung zulässig sein muss, um die Verjährung des Anspruchs zu hemmen. Durch diese Anforderung erhalte der Tatbestand die notwendige Begrenzung und es werde verhindert, dass der Streitverkündungsempfänger „willkürlich in einen ihn in keiner Weise betreffenden Prozess hineingezogen“318 werde.319 Diese Ansicht vertrat der BGH bereits zu § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. in ständiger Rechtsprechung,320 jedoch ohne hierauf näher einzugehen.321 Eine ausführliche Begründung erfolgte dann aber in BGHZ 175, 1, 6–9 (Rn. 20–26) zur Neufassung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Auch diese neu gefasste Vorschrift setze „eine zulässige, d. h. den Anforderungen der §§ 72 f. ZPO entsprechende Streitverkündung voraus“.322 Zur Begründung dieser Auffassung geht der BGH zunächst auf den Wortlaut von § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. und die hierzu veröffentlichten Motive ein. Aus dem in § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. noch enthalten Zusatz („in dem Prozesse, von dessen Ausgang der Anspruch abhängt“323) und den Motiven lasse sich schließen, dass nach dem Willen des BGB-Gesetzgebers die Unterbrechung nur bei echter Abhängigkeit des Anspruchs vom Ausgang 316
BGH NJW-RR 2015, 1058 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 674, 675 (Rn. 11); BGH WM 2010, 372, 373 (Rn. 9), 374 (Rn. 18); BGHZ 179, 361, 366 (Rn. 18); BGHZ 175, 1, 3 (Rn. 11, 20 ff.); BGHZ 160, 259, 263 f.; BGH NJW 2002, 1414, 1416; BGH WM 2000, 1764, 1765; BGHZ 116, 95, 98; BGHZ 100, 257, 259; BGH NJW 1979, 264 f.; BGHZ 70, 187, 189; BGHZ 65, 127, 130 f.; BGHZ 36, 212, 214, 217; OLG Brandenburg, Urt. v. 03.11.2011, Az. 5 U 46/09, Rn. 36 (zit. n. juris); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.02.2011, Az. I-23 U 218/09, 23 U 218/09, Rn. 143 (zit. n. juris); OLG Dresden, Urt. v. 02.06.2010, Az. 13 U 1660/09, Rn. 14 (zit. n. juris); KG ZMR 2006, 687, 689 f. (Vorinstanz zu BGHZ 179, 361 ff.); OLG Saarbrücken NJWRR 1989, 1216; OLG Hamm NJW-RR 1986, 1505, 1506; OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 230, 231. A. A. nur KG, Beschl. v. 11.04.1988, Az. 24 W 778/88, Rn. 4 (zit. n. juris, nur teilw. abgedruckt in MDR 1988, 680 f.): entsprechende Anwendung des § 212 BGB a. F. 317 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 76, 77; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 70; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 19; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 29; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21; i. Erg. auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 40 (die aus dem Wegfall von § 215 Abs. 2 BGB a. F. resultierende Missbrauchsanfälligkeit könne nur hingenommen werden, wenn allein die zulässige Streitverkündung hemme); Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 97 f.; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 72 Rn. 16; Weth, in: Musielak/Voit, § 74 Rn. 5; Dressler, in: BeckOK ZPO, § 74 Rn. 14 f.; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 213 f. (Darstellung des Meinungsstandes S. 204–208); Taupitz, ZZP 102 (1989), 288, 307. 318 BGHZ 179, 361, 370 (Rn. 31). 319 BGH NJW 2012, 674, 675 (Rn. 11); BGHZ 179, 361, 370 (Rn. 20, 31); ähnlich auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 40. 320 BGHZ 36, 212, 214, 217; BGHZ 65, 127, 130 f.; BGHZ 70, 187, 189. 321 Ebenso Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 206. 322 BGHZ 175, 1, 6 (Rn. 20). 323 Zur Entstehungsgeschichte dieses Zusatzes Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 91–96.
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des Erstprozesses eintreten sollte.324 Gleichwohl hätten das RG325 und im Anschluss hieran auch der BGH326 darin aber keine Einschränkung gegenüber § 72 Abs. 1 ZPO gesehen und § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. dahingehend ausgelegt, „dass jede den Vorschriften des Zivilprozessrechts entsprechende Streitverkündung die Verjährung unterbrach“327. Es sei hingegen nicht erforderlich gewesen, dass die Entscheidung im Erstprozess die Entscheidung im Folgeprozess präjudiziere oder die tatsächlichen Feststellungen für den Folgeprozess maßgeblich seien.328 Durch den Wegfall des Zusatzes in § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB habe sich die Rechtslage nicht geändert. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich eindeutig, dass dessen Streichung lediglich der Klarstellung diene und damit nicht das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitverkündung abgeschafft werden sollte.329 Auch der Vergleich mit anderen in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbeständen, insbesondere der Hemmung durch Klageerhebung, führe zu keinem anderen Ergebnis.330 Zwar komme es bei dieser für die Hemmung nicht auf deren Zulässigkeit an, gleiches gelte für Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 9, Nr. 5 und Nr. 13. Die Streitverkündung unterscheide sich aber wesentlich von diesen Verfahrensanträgen, da der Streitverkünder keinen sachlich-rechtlichen oder prozessualen Anspruch gegen den Streitverkündungsempfänger erhebe. Die Rechtsverfolgung habe daher noch nicht begonnen. Der Gläubiger 324
BGHZ 175, 1, 6 f. (Rn. 22) unter Hinweis auf Motive, Bd. I, S. 329. Siehe RGZ 58, 76, 79: „Das Bürgerliche Gesetzbuch verlangt aber keine andere Abhängigkeit des später zu erhebenden Anspruches von dem Ausgange des Vorprozesses, als sie in § 72 Z.P.O mit den Worten gekennzeichnet ist ,eine Partei, welche für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt‘.“ und RGZ 58, 76, 80: „Hiernach können zur Auslegung des § 209 Abs. 2 Ziff. 4 B. G. B. lediglich die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Streitverkündung herangezogen werden, und es kann für Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung nicht mehr verlangt werden, als daß eine den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung entsprechende Streitverkündung vorgelegen hat.“ Ausführlich zu diesem Urteil Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 116–121. 326 Siehe BGH NJW 2002, 1414, 1416; BGH WM 2000, 1764, 1765; BGHZ 134, 190, 194 („[§ 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F.] meint […] die in § 72 ZPO bezeichnetet Abhängigkeit“); BGH NJW 1979, 264 f.; BGHZ 36, 212, 214. 327 BGHZ 175, 1, 7 (Rn. 22). 328 BGHZ 175, 1, 6 f. (Rn. 22), m. N. 329 BGHZ 175, 1, 7 (Rn. 23). Wiederholt in BGHZ 179, 361, 366 (Rn. 19); im Anschluss daran ebenso Dressler, in: BeckOK ZPO, § 74 Rn. 14.1. 330 BGHZ 175, 1, 8 f. (Rn. 24, 25). Ergänzung in BGHZ 179, 361, 367 (Rn. 20): Die unzulässige Streitverkündung entfalte im Gegensatz zur unzulässigen Klage keine Warnfunktion, wenn das Thema des Vorprozesses den Streitverkündungsempfänger nicht betreffe oder ihm die Verbindung zu einem möglichen Anspruch in der Streitverkündungsschrift nicht aufgezeigt werde. Im Anschluss daran ebenso Dressler, in: BeckOK ZPO, § 74 Rn. 14.1. 325
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habe noch nicht zum Ausdruck gebracht, dass er gewillt ist, seinen Anspruch durchzusetzen, sodass es an angemessenen und unmissverständlichen Schritten zur Durchsetzung des Anspruchs fehle.331 Wegen dieser Unterschiede könnten aus der Behandlung der unzulässigen Klage und dieser gleichgestellten unzulässigen Verfahrensanträge keine Rückschlüsse auf die Behandlung einer unzulässigen Streitverkündung gezogen werden. Die Wirkungen einer solchen seien vielmehr unabhängig zu prüfen.332 Sinn und Zweck des Tatbestandes sprächen aber gegen eine Ausdehnung, weil eine verjährungsrechtliche Privilegierung des Gläubigers nicht gerechtfertigt sei, wenn von vornherein feststehe, dass der Anspruch gegen den einen Schuldner von dem Anspruch gegen den anderen Schuldner unabhängig sei.333 Die Gegenauffassung wird seit BGHZ 175, 1 ff. nur noch vereinzelt vertreten.334 Diese argumentiert(e) damit, dass die Streitverkündung der Klage erhebung gleichstehe und daher die unzulässige Streitverkündung wie die unzulässige Klage hemmen müsse.335 Zudem erfasse der Wortlaut auch die Zustellung einer unzulässigen Streitverkündung.336 Der durch das Urteil BGHZ 175, 1 ff. bestätigten herrschenden Meinung treten Althammer/Würdinger337 und H. Schmidt338 ausdrücklich entgegen. Neben dem bereits genannten Wortlaut argument und der systematischen Gleichstellung mit der Hemmung durch Klageerhebung ergebe insbesondere die teleologische Auslegung, dass auch die unzulässige Streitverkündung hemme. Der vom BGH behauptete Unterschied 331
Vgl. auch RGZ 82, 170, 172; RGZ 143, 377, 380. BGHZ 175, 1, 8 f. (Rn. 25). 333 BGHZ 175, 1, 9 (Rn. 26). 334 Ausdrücklich Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620, 2621; H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 344 ff.; Schultes, in: MüKo-ZPO, § 74 Rn. 12; Zöller/Althammer, § 74 Rn. 9. An der h. M. jedenfalls zweifelnd Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 51 Rn. 24, Fn. 27. Bis zum Urteil BGHZ 175, 1 ff. für die Gegenansicht noch Henrich, in: BeckOK BGB13, § 204 Rn. 29; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, § 51 Rn. 24. Für die Hemmungswirkung der unzulässigen Streitverkündung auch Schilken, in: MüKo-ZPO2, § 74 Rn. 12; Piekenbrock, Verjährung, S. 445. Siehe ergänzend Taupitz, ZZP 102 (1989), 288, 317 f. 335 Henrich, in: BeckOK BGB13, § 204 Rn. 29; Schilken, in: MüKo-ZPO2, § 74 Rn. 12; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, § 51 Rn. 24; Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620. 336 Schultes, in: MüKo-ZPO, § 74 Rn. 12; Schilken, in: MüKo-ZPO2, § 74 Rn. 12; Alt hammer/Würdinger, NJW 2008, 2620. Insoweit zustimmend auch Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 211. Dass der Wortlaut der Nr. 6 auch die unzulässige Streitverkündung erfassen würde, räumt auch der BGH ein, wenn in BGHZ 179, 361, 366 (Rn. 18) formuliert wird, dass „über den Wortlaut der Vorschrift hinaus“ die Streitverkündung zulässig sein müsse. 337 NJW 2008, 2620 ff. Gegen deren Kritik wiederum BGHZ 179, 361, 366 f. (Rn. 18–21). 338 FS Eichele, S. 341 ff. 332
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zwischen Nr. 6 und Nr. 1 bestehe nicht. Zwar erhebe der Streitverkünder gegen den Dritten noch keinen prozessualen Anspruch, jedoch diene die Streitverkündung unmittelbar der Vorbereitung seiner Inanspruchnahme. Durch die Zustellung der Streitverkündung mache der Streitverkündende deutlich, dass er gegen den Streitverkündungsempfänger vorgehen werde. Diese gelte unabhängig von der Zulässigkeit der Streitverkündung.339 bb) Anforderungen an die Zulässigkeit Die ganz herrschende Meinung verlangt für den Eintritt der Verjährungshemmung mithin, dass die in den §§ 72, 73 ZPO genannten Voraussetzungen erfüllt sind.340 (1) Zulässigkeit der Streitverkündung In Bezug auf § 72 ZPO ist es demnach erforderlich – aber auch ausreichend 341 –, dass die Streitverkündung nach § 72 Abs. 1 ZPO zulässig ist, insbesondere ein anerkannter Streitverkündungsgrund vorliegt.342 Nach herrschender Meinung kann auch bei einer auf § 72 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gestützten Streitverkündung eine Verjährungshemmung eintreten.343 Peters/Jacoby344 und im Anschluss an Peters345 auch Steineker346 lassen selbst nicht jede nach § 72 Abs. 1 Alt. 1 ZPO zulässige Streitverkündung genügen. Vielmehr ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Formulierung von § 209 Abs. 2 Nr. 4 a. F. BGB, dass eine 339 Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620, 2621; in diese Richtung auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 40. Ebenso H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 348, 352. 340 BGHZ 175, 1, 6 (Rn. 20); BGH WM 2000, 1764, 1765; OLG Dresden, Urt. v. 02.06.2010, Az. 13 U 1660/09, Rn. 14 (zit. n. juris); Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21; NKBGB/Mansel, § 204 Rn. 94; Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 98. 341 In § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB ist gegenüber § 72 ZPO keine Einschränkung enthalten, siehe BGHZ 175, 1, 7 (Rn. 22) und soeben 5. Kap., B) III. 6. b) aa) (S. 198). 342 Siehe z. B. BGHZ 179, 361, 367 (Rn. 22); Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 19. Zur Zulässigkeit der Streitverkündung nach § 72 Abs. 1 ZPO siehe Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 72 Rn. 3 –12; Schultes, in: MüKo-ZPO, § 72 Rn. 3 –14. 343 BGHZ 179, 361, 369 (Rn. 28 f.); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 95; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 19; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 28. A. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75a, 76 und Peters, ZZP 123 (2010), 321, 344: Nur die Streitverkündung nach Alt. 1 kann die Verjährung hemmen. Ebenso unter Rückgriff auf die Motive Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 138. 344 In: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 79, 82; ebenso Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343, 345. Hiergegen Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 40: Seit der Geltung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB nicht mehr haltbar. 345 In: Staudinger, 13. Bearb., § 209 BGB Rn. 85 f., 89. 346 Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 141 ff., 200 f., 330.
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Hemmung nur bei Vorliegen von objektiver Präjudizialität, das heißt dann, wenn „objektiv die ungünstige Entscheidung des Vorprozesses conditio sine qua non für jene Ansprüche ist, die zu verjähren drohen und Gegenstand des Folgeprozesses sind“347, eintreten soll. Die Streitverkündung muss in einem anhängigen Rechtsstreit348 gegenüber einem Dritten erfolgen349 und bei ihrer Vornahme müssen die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen erfüllt sein350. (2) Form der Streitverkündung Zudem müssen die in § 73 ZPO genannten formalen Erfordernisse erfüllt sein.351 Auf die notwendige hinreichend konkrete Angabe des Grundes wurde bereits oben eingegangen.352 Teilweise wird vertreten, dass die Angabe, in welcher Lage sich der Rechtsstreit befindet, nur für die Interventionswirkung eine Rolle spiele und daher für den Eintritt der Verjährungshemmung entbehrlich sei.353 Die Interventionswirkung nach §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO greift auch dann ein, wenn die Streitverkündungsschrift zwar nicht den Anforderungen des § 73 ZPO genügt hat, die Mängel aber im Folgeprozess nicht rechtzeitig gerügt und daher nach § 295 ZPO geheilt werden.354 Die prozessuale Wirkung kann daher insoweit auch durch eine erst im Folgeprozess durch Heilung zulässig werdende Streitverkündung eintreten. Dabei wirkt die Heilung letztlich zurück, da der Streitverkündungsempfänger an die Ergebnisse des bereits abgeschlossenen Prozesses gebunden wird. Auf die Verjährungshemmung als materiell-rechtliche Folge kann dies, wenn man die Einhaltung der §§ 72, 73 ZPO für den Eintritt der Verjährungshemmung fordert, nicht übertragen werden.355 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 79. Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 72 Rn. 4 –6. 349 Siehe hierzu OLG Köln NJW 2015, 3317, 3318 (Rn. 3). 350 Schultes, in: MüKo-ZPO, § 72 Rn. 3; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 72 Rn. 3. 351 BGH NJW 2012, 674, 675 (Rn. 14); KG ZMR 2006, 687, 689 f. (Vorinstanz zu BGHZ 179, 361 ff.); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 41; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 19. A. A. wohl Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 209. 352 5. Kap., B) I. 3. d) (S. 161). 353 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 77; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 138. Ausdrücklich offengelassen in BGH WM 2000, 1764, 1765. 354 BGHZ 96, 50, 52 f.; BGH NJW 1976, 292, 293 ([…] „jedenfalls insoweit […], als es sich um eine unvollständige Darstellung des Grundes der Streitverkündung und um die fehlende Angabe über die Lage des Rechtsstreits handelt.“). 355 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 28. A. A. mglw. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 77. Es bleibt hier aber offen, ob Peters/Jacoby über BGHZ 96, 50, 52 f. 347
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cc) Zulässigkeit auch bei Beitritt erforderlich Die Zulässigkeit der Streitverkündung ist selbst dann Voraussetzung für die Hemmungswirkung, wenn der Streitverkündungsempfänger dem Rechtsstreit beigetreten ist.356 Der BGH begründet dies damit, dass Nr. 6 die Zustellung der Streitverkündung verlange, der Beitritt als Nebenintervenient hingegen weder notwendige noch hinreichende Bedingung sei.357 Die prozessrechtliche Interventionswirkung des § 68 ZPO tritt jedoch bei erfolgtem Beitritt auch dann ein, wenn die Streitverkündung unzulässig war, weil sich in diesem Fall das Verhältnis des Streitverkündungsempfängers zu den Prozessparteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention bestimmt, § 74 Abs. 1 ZPO.358 Die Interventionswirkung entfällt daher nur dann, wenn der Beitritt nach § 71 Abs. 3 ZPO rechtskräftig zurückgewiesen wurde.359 Damit kann die Konstellation eintreten, dass den Streitverkündungsempfänger im Folgeprozess die Interventionswirkung trifft, dieser sich aber erfolgreich auf Verjährung berufen kann.360 Hält man mit dem BGH die Zulässigkeit der Streitverkündung für notwendig, ist es aber konsequent, nach dem Beitritt zwischen dieser materiell-rechtlichen Wirkung einerseits und der prozessualen Interventionswirkung andererseits zu unterscheiden. Für die Interventionswirkung sind nämlich nunmehr die §§ 66, 70 ZPO maßgebend und nicht (mehr) die §§ 72, 73 ZPO. Den Eintritt der Verjährungshemmung kann aber nur die Streitverkündung bewirken, für welche die §§ 72, 73 maßgeblich bleiben. Althammer/Würdinger gelangen für den Fall des hinaus die Heilung auch für die materiell-rechtlichen Wirkung der Streitverkündung anerkennen wollen und ob dies auch dann der Fall sein soll, wenn zum Zeitpunkt der Heilung die Verjährungsfrist schon abgelaufen ist. 356 BGHZ 179, 361, 367 (Rn. 21); BGHZ 175, 1, 3 ff. (Rn. 12 ff., Rn. 14); BGHZ 65, 127, 130 f.; BGHZ 36, 212, 217; KG ZMR 2006, 687, 690 (Vorinstanz zu BGHZ 179, 361 ff.); Dressler, in: BeckOK ZPO, § 74 Rn. 14. 357 BGHZ 175, 1, 4 (Rn. 14). 358 BGHZ 175, 1, 3 f. (Rn. 13); OLG Hamm NJW-RR 1988, 155; Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 74 Rn. 7, § 68 Rn. 4. 359 BGHZ 175, 1, 3 f. (Rn. 13). 360 Umgekehrt ist auch der Eintritt der materiell-rechtlichen Verjährungshemmung vom Eintritt der Interventionswirkung unabhängig, BGH NJW 1979, 264, 265 (aufgrund eines rechtskräftigen Feststellungsurteils über die Ersatzverpflichtung dem Grunde nach aus einem vorangegangenen Prozess konnte die Interventionswirkung nur noch hinsichtlich der Höhe des Schadens eintreten). Ähnlich auch BGH WM 2010, 372, 375 (Rn. 18): Die sich aus §§ 74 Abs. 3, 68 Hs. 2 ZPO ergebenden Einschränkungen der Bindung im Folgeprozess betreffen die Wirkung der Streitverkündung, nicht deren Zulässigkeit; ebenso BGH NJW 2015, 559, 560 (Rn. 19) für die Reichweite der Bindung. Grundlegend schon RGZ 58, 76, 80 f.: „Die unterbrechende Kraft der Streitverkündung hängt auch nicht davon ab, dass bestimmte Wirkungen derselben in Gemäßheit von § 74 Abs. 3 und § 68 Z.P.O nachweisbar sind […]“. Siehe auch BGHZ 179, 361, 373 (Rn. 38).
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Beitritts (zudem) durch Anwendung des Rechtsgedankens des § 203 BGB zur Verjährungshemmung, weil der Streitverkündungsempfänger im Falle eines Beitritts verjährungsrechtlich nicht mehr schutzwürdig sei, da er sich mit dem Beitritt eingelassen habe.361 7. Hemmung durch Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB a) Allgemeines Nach der am 01.11.2012 in Kraft getretenen Regelung des § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB362 wird die Verjährung durch Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche gehemmt, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens. Erforderlich ist zudem, dass innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird. Die Hemmung des Anspruchs nach Nr. 6a ist die einzige Wirkung der in § 10 Abs. 2 bis Abs. 4 KapMuG neu geschaffenen Anmeldung eines Anspruchs zum Musterverfahren.363 Mit diesem Institut wird dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, die Hemmung des Anspruchs zu erreichen, ohne sich am Musterverfahren zu beteiligen,364 insbesondere ohne an die Entscheidung (§§ 16, 22 KapMuG) oder einen Vergleich (§ 23 KapMuG) im Musterverfahren gebunden zu sein und ohne ein Kostenrisiko zu tragen (§§ 24, 26 KapMuG).365
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NJW 2008, 2620, 2621. Hiergegen BGHZ 179, 361, 367 (Rn. 21). zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19.10.2012 m. W. v. 01.11.2012, BGBl. 2012 I, S. 2182. 363 BT-Drucks. 17/10160, S. 25; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 43. 364 BT-Drucks. 17/10160, S. 1, 25; Halfmeier, DB 2012, 2145, 2146. 365 Damit sollte zum Ersten den Gläubigern, die wegen des Kostenrisikos eine Beteiligung am Musterverfahren scheuen, die Möglichkeit eingeräumt werden, die Verjährung des Anspruchs zu verhindern, BT-Drucks. 17/10160, S. 26; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 43; Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 102. Zum Zweiten sollte eine erneute Flut von Anträgen bei Gütestellen verhindert werden, BT-Drucks. 17/10160, S. 25; hierzu kritisch Wigand, WM 2013, 1884, 1885 f. Soweit teilweise gefordert wurde, dass dem Musterverfahren für alle betroffenen Ansprüche eine generelle Hemmungswirkung beigemessen werden sollte, wurde dies aus Gründen des Schuldnerschutzes abgelehnt, da dieser nicht übersehen könne, welche Ansprüche gehemmt würden, BT-Drucks. 17/10160, S. 25, Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 102. Zu den dennoch bestehenden Gefahren Wigand, WM 2013, 1884, 1886 f. Insgesamt kritisch von Bernuth/Kremer, NZG 2012, 890, 890–892. 362 Gesetz
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
b) Anforderungen an die Anmeldung nach § 10 KapMuG Wie die Anmeldung des Anspruchs zu erfolgen hat, bestimmen § 10 Abs. 2 bis 4 KapMuG. Nach Abs. 2 S. 1 muss der Anspruch innerhalb von sechs Monaten ab der Bekanntmachung nach § 10 Abs. 1 KapMuG schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht zum Musterverfahren angemeldet werden.366 Hierbei ist nach Abs. 2 S. 3 die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vorgeschrieben.367 Nicht zulässig ist die Anmeldung, wenn wegen desselben Anspruchs bereits Klage erhoben wurde.368 Nach Abs. 3 muss369 die Anmeldung des Anspruchs die Bezeichnung des Anmelders und seiner gesetzlichen Vertreter (Nr. 1), das Aktenzeichen des Musterverfahrens und die Erklärung, einen Anspruch anmelden zu wollen (Nr. 2), die Bezeichnung des Musterbeklagten, gegen den sich der Anspruch richtet (Nr. 3), sowie die Bezeichnung von Grund und Höhe des Anspruchs, der angemeldet werden soll (Nr. 4), enthalten. Nach Abs. 4 ist die Anmeldung den in der Anmeldung bezeichneten (Abs. 3 Nr. 3) Musterbeklagten zuzustellen. Über Form und Frist der Anmeldung sowie über ihre Wirkung ist in der Bekanntmachung (§ 10 Abs. 1 KapMuG) zu belehren.370 § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB beschränkt die Hemmung auf solche Ansprüche, denen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens. Das ist dann der Fall, wenn die prozessuale Geltendmachung des angemeldeten Anspruchs während des Musterverfahrens dazu geführt hätte, dass das Verfahren nach § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG auszusetzen gewesen wäre,371 was wiederum dann gegeben ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt.372 Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 8 KapMuG373 ist diese Abhän366
Zweck der Frist ist nach BT-Drucks. 17/10160, S. 25 f., dass der Beklagte nach deren Ablauf Gewissheit darüber habe, mit welchen Ansprüchen er im Zusammenhang mit dem Musterverfahren konfrontiert werde. 367 Kritisch hierzu Halfmeier, DB 2012, 2145, 2147. 368 Dies soll nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – entgegen § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO (vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d) – auch dann gelten, wenn die Klage zurückgenommen wurde, BT-Drucks. 17/10160, S. 26 369 Die Beschlussempfehlung BT-Drucks. 17/10160, S. 26 spricht vom notwendigen Inhalt der Anmeldung. 370 Die Folgen einer fehlerhaften Belehrung regelt das Gesetz nicht. Nach Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d soll nur ein schwerwiegender Fehler dazu führen, dass die Frist nicht in Gang gesetzt wird. 371 BT-Drucks. 17/10160, S. 28; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21a. 372 Ebenso Reuschle, in: Kölner Komm. KapMuG, § 10 Rn. 20. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85e sprechen von Vorgreiflichkeit ähnlich der Streitverkündung. Vgl. auch BGH NZG 2016, 355, 356 (Rn. 14). 373 BT-Drucks. 17/8799, S. 20. Ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 4 4.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 207
gigkeit abstrakt zu beurteilen. Es genüge, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abhängen kann. Nicht erforderlich sei, dass die Entscheidung nach Klärung sämtlicher übriger Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhänge. Dem Prozessgericht stehe insoweit374 ein gewisser Beurteilungsspielraum zu.375 c) Voraussetzungen der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB Welche dieser Anforderungen die Anmeldung des Anspruchs zum Musterverfahren erfüllen muss, um die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB auszulösen, wird unterschiedlich beurteilt. Zum einen wird vertreten, dass eine Hemmung nur dann eintreten solle, wenn die Anforderungen des § 10 Abs. 2, Abs. 3 KapMuG eingehalten werden.376 Da die Anmeldung eines Anspruchs zum Musterverfahren nur geschaffen worden sei, um dem Gläubiger eine weitere Hemmungsoption einzuräumen, müssten die aufgestellten Anforderungen als Voraussetzung der Hemmungswirkung verstanden werden. Wie bei der Streitverkündung hemme daher nur die zulässige Anmeldung die Verjährung.377 Nach dieser Ansicht tritt demnach Hemmung nur ein, wenn die in § 10 Abs. 2, Abs. 3 KapMuG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, wozu auch die hinreichende Individualisierung des Anspruchs nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 KapMuG gehört.378 Nach anderer Auffassung sollen für die fehlerhafte Anmeldung die gleichen Grundsätze wie für die fehlerhafte Klage gelten.379 Daher entfalte die AnmelKruis, in: Kölner Komm. KapMuG, § 8 Rn. 29. Kruis, in: Kölner Komm. KapMuG, § 8 Rn. 28: Wenn die Entscheidung von der zu klärenden Frage abhängen kann, sie also in einem aufzustellenden Entscheidungsbaum zu berücksichtigen ist; Söhner, ZIP 2013, 7, 10. Zweifelnd Halfmeier, DB 2012, 2145, 2146: Nähme man das Verständnis des BGH vom Gebot des effektiven Rechtsschutzes ernst, dürfte nur ausgesetzt werden, wenn eine Entscheidung ohne die im Musterverfahren zu klärende Frage nicht möglich ist. Siehe auch Wigand, WM 2013, 1884, 1891 f. 376 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d. Ebenso Grothe, in: MüKoBGB, § 204 Rn. 43, mit der Begründung, dass der Gläubiger mit der Anmeldung nicht ernsthaft zu erkennen gebe, den Anspruch durchsetzen zu wollen (anders wohl Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21a: Mit der Anmeldung sei der Anmelder bereits in die Rechtsverfolgung eingetreten). Der Verweis von Grothe auf Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 29a als Begründung trägt jedoch nicht, da in der verwiesenen Stelle von der nicht zugestellten unzulässigen Anmeldung gesprochen wird und ihr daher keine Aussage zur nach § 10 Abs. 2, Abs. 3 KapMuG fehlerhaften aber zugestellten Anmeldung entnommen werden kann. 377 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d. 378 Hierzu schon oben 5. Kap., B) I. 3. e) (S. 162). 379 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20b. 374 Vgl.
375 Ebenso
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
dung keine Hemmungswirkung, wenn sie nicht durch einen Rechtsanwalt erfolge (§ 10 Abs. 2 S. 3 KapMuG) oder nicht den zwingenden Anforderungen des § 10 Abs. 3 KapMuG genüge. Unschädlich sei hingegen, wenn die Anmeldung erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des Abs. 2 S. 1 oder trotz Anhängigkeit einer Klage eingereicht werde, solange nach § 10 Abs. 4 KapMuG die Zustellung erfolge.380 Ob die Anmeldung die Verjährung des Anspruchs gehemmt hat, wird erst in dem sich anschließenden Prozess381 geprüft, wenn der Musterbeklagte des Musterverfahrens Verjährung einwendet.382 8. Hemmung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB wird die Verjährung durch die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, welches in den §§ 485 ff. ZPO geregelt ist, gehemmt.383 Für den Eintritt der Verjährungshemmung genügt es, wenn der Antrag vom Berechtigten gestellt wird und der Antragsgegner, der nach § 487 Nr. 1 ZPO bezeichnet werden muss,384 der Schuldner des Anspruchs ist. Auf die außerdem notwendige Individualisierung (vgl. § 487 Nr. 2 ZPO) wurde bereits oben eingegangen.385 Zudem ist erforderlich, dass der Antrag unterschrieben ist.386 Die Einhaltung der sonstigen in §§ 485 ff. ZPO genannten Voraussetzungen ist hingegen für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, sodass, wie bei der Klage, allgemein gesagt werden kann, dass auch der unzulässige Antrag auf Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20b. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB muss innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben werden. 382 BT-Drucks. 17/10160, S. 28; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 4 4; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20e; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 29a; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21a. 383 Durch das SchRModG wurde diese Hemmungsmöglichkeit, die nach altem Recht nur für die Hemmung von Gewährleistungsansprüchen des Käufers (§ 477 Abs. 2 BGB a. F.) und des Bestellers (§ 639 Abs. 1 i. V. m. § 477 Abs. 2 BGB a. F.) bestand, als allgemeine Regelung übernommen, BT-Drucks. 14/6040, S. 114; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 72; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 45. § 477 Abs. 2 BGB a. F. stellte nicht wie § 204 Abs. 1 Nr. 7 auf die Zustellung, sondern auf die Beantragung ab, sodass die Verjährung bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht unterbrochen wurde, Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 280. 384 Für die Bezeichnung des Antragsgegners gelten die gleichen Anforderungen wie bei § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 487 Rn. 3. 385 5. Kap., B) I. 3. f) (S. 163). 386 RGZ 66, 365, 368 f.; Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 487 Rn. 1; Zöller/Herget, § 487 Rn. 1. 380 381
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 209
Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens die Verjährung hemmt.387 Erforderlich ist jedoch, dass das Gericht trotz des Fehlers an den Gegner zustellt.388 Namentlich schadet es mithin nicht, wenn entgegen § 487 Nr. 3 ZPO die zulässigen Beweismittel nicht bezeichnet werden und entgegen § 487 Nr. 4 ZPO die Glaubhaftmachung der dort genannten Tatsachen nicht erfolgt389 oder der Antrag beim unzuständigen Gericht eingereicht wird 390. Eine Hemmung soll hingegen nicht eintreten, wenn der Antrag als unstatthaft zurückgewiesen wird.391 Wenn die Zurückweisung erfolgt, ohne dass dem Gegner der Antrag zugestellt wird, ergibt sich dies bereits daraus, dass das Zustellungserfordernis als weitere Voraussetzung von § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht erfüllt ist. Wenn aber der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zugestellt und der Antrag später abgewiesen wird – möglichweise weil der Antragsteller einer Aufforderung zur Nachbesserung seines Antrags nicht oder nicht genügend nachgekommen ist oder weil das Gericht die Unstatt haftigkeit oder Unzulässigkeit erst nach Veranlassung der Zustellung erkennt –, dann ist nicht ersichtlich, weshalb der Antrag nicht hemmen sollte. Diese Dif ferenzierung zwischen einem zugestellten und nicht zugestellten Antrag wird jedoch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vorgenommen. Belegt wird die dargestellte Auffassung lediglich mit einem Verweis auf ein Urteil des BGH392. In diesem findet sich jedoch für diese Ansicht ebenfalls keine Begründung, sondern lediglich ein Klammerzusatz, in dem § 212 Abs. 1 BGB a. F. genannt und mit „vgl.“ auf drei Urteile des BGH und ein Urteil des OLG Hamburg 387 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88 („wirksam, aber […] nicht unbedingt zulässig“); Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 73; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 22; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 485 Rn. 28. Nach BGB a. F. ergab sich dies aus § 212 BGB a. F., der gemäß § 477 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. entsprechend anzuwenden war, siehe BGH NJW-RR 2001, 385 (Unterbrechung dauert bis zur Übermittlung des auf Antrag des Unternehmers eingeholten zweiten Gutachtens fort); BGH NJW 1998, 1305, 1306; BGH NJW 1993, 1916; BGH NJW 1983, 1901; RGZ 66, 365, 368; ausf. Schreiber, in: MüKo-ZPO, § 485 Rn. 25. Sehr weitgehend OLG Hamburg MDR 1978, 845: Erkenne das Gericht die Unzulässigkeit des Antrags (im Fall möglicherweise Verstoß gegen § 487 Nr. 2 ZPO a. F.) nicht, bleibe es bei der Rechtsfolge des § 477 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. Ob der Beweissicherungsantrag richterweise hätte abgewiesen werden müssen, sei im Hauptprozess nicht nachzuprüfen. 388 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88. 389 BGH NJW 1983, 1901; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88. 390 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47. Zum alten Recht RGZ 66, 365, 368. 391 BGH NJW 1998, 1305, 1306; BGH NJW 1983, 1901; OLG Hamburg MDR 1978, 845; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 73; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 22. 392 NJW 1983, 1901.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
verwiesen wird. Keines dieser Urteile befasst sich aber mit einem unstatthaften Beweissicherungsantrag. Im Gegenteil heißt es in der in Bezug genommenen Entscheidung BGHZ 39, 287, 291 für die Klage, dass „die Verjährung min destens als solange [Hervorhebung d. Verf.] unterbrochen gilt, wie die Klage nicht wegen ihrer Prozeßrechtswidrigkeit abgewiesen worden ist“. Der BGH verlangt für den Eintritt der Hemmung die förmliche Zustellung des Antrags, dessen formlose Mitteilung genüge nicht.393 Jedoch könne dieser Mangel nach § 189 ZPO geheilt werden. Soweit es um die materiell-rechtliche Frage der Verjährungshemmung gehe, könne eine Heilung nach § 189 ZPO auch dann eintreten, wenn das Gericht eine Zustellung nicht bewirken wollte.394 Nach anderer Auffassung genügt auch eine formlose Übermittlung des Antrags an den Gegner.395 Zustellung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 7 meine nicht den förmlichen Nachweis der Kenntniserlangung aus Gründen der Rechtssicherheit, sondern die unmissverständliche Bekanntgabe, dass der Antragsteller seine Ansprüche weiterverfolgen werde.396 Das Problem hat seine Ursache in der Diskrepanz zwischen der materiell-rechtlichen Verjährungsvorschrift und dem in Bezug genommenen prozessualen Institut:397 Während der Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB eine Zustellung fordert, war bis zur Entscheidung BGHZ 188, 128 ff. ganz herrschende Meinung398, dass ein Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht gemäß § 270 S. 1 ZPO zugestellt werden muss, da es sich nicht um einen Sachantrag handelt.399
393 BGHZ 188, 128, 137 ff. (Rn. 27 ff.); BGH NJW-RR 2013, 1169, 1170 (Rn. 19). Dem folgend Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 87; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 485 Rn. 27; Berger, in: Stein/Jonas23, § 486 Rn. 45. Zu BGHZ 188, 128, 137 ff. siehe ausf. Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 280 ff.; Kratz, in: BeckOK ZPO, § 485 Rn. 4.1; Grothe, NJW 2011, 1970 f.; Schlösser/Köbler, NZBau 2012, 669 ff. 394 BGH NJW-RR 2013, 1169, 1170 (Rn. 19); BGHZ 188, 128, 141 ff., 144 f. (Rn. 40 ff., 46 f.). Kritisch zur Heilung nach § 189 ZPO Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 87; Grothe, NJW 2011, 1970 f.; Schlösser/Köbler, NZBau 2012, 669, 671 ff. 395 OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.11.2008, Az. 6 U 80/08, Rn. 16 (zit. n. juris); OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 402 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 46. Zum Meinungsstand Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 281–283. 396 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 46. 397 Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 280 f. 398 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 270 Rn. 5 m. Fn. 2; Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 281. Der Gesetzgeber ging hingegen davon aus, dass die Zustellung prozessrechtlich erforderlich ist, BT-Drucks. 14/6040, S. 114, vgl. Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 284, 290. 399 OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.11.2008, Az. 6 U 80/08, Rn. 16 (zit. n. juris).
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 211
9. Hemmung durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB Die Möglichkeit, durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens die Verjährung zu hemmen, wurde durch das SchRModG neu geschaffen. Hiermit wird erreicht, dass das außergerichtliche Verfahren nach Nr. 8 hinsichtlich der verjährungsrechtlichen Wirkung dem gerichtlichen Verfahren nach Nr. 7 gleichsteht.400 Die Vereinbarung muss darauf abzielen, eine vertragliche Leistung der Parteien zu begutachten. Diese Abrede kann bereits in dem Vertrag über die Leistung, aber auch noch später, beispielsweise wenn Streitigkeiten aufgetreten sind, getroffen werden.401 Gegenstand eines Begutachtungsverfahrens sind häufig tatsächliche Fragestellungen, es können aber auch rechtliche sein.402 Wann ein solches Verfahren beginnt, hängt von der jeweiligen Parteivereinbarung ab.403 Möglicher Beginn ist beispielsweise die Auftragserteilung an den Gutachter404 oder, wenn dieser nicht vorab bestimmt wurde, die Einigung auf einen solchen405. Ein typischer Anwendungsfall von Nr. 8 ist eine Schiedsgutachtervereinbarung.406 Die Problematik der Fehlerhaftigkeit einer solchen Maßnahme wird, soweit ersichtlich, nicht diskutiert. Da das Begutachtungsverfahren vollständig außerhalb des Gerichts angesiedelt ist, kann der Fehler nicht aus einem Verstoß gegen die ZPO oder gegen andere Verfahrensvorschriften resultieren. Zu einer verfahrensfehlerhaften Maßnahme kann es nur bei Verstößen gegen die jeweilige Parteivereinbarung kommen.407 Denkbar ist zudem, dass aufgrund eines Verstoßes gegen materiell-rechtliche Vorschriften das Begutachtungsverfahren nicht wirksam vereinbart wurde, insbesondere weil die Abrede gegen § 307 BGB verstößt.408 Das AG Leipzig hat in einem solchen Fall dem durchgeführten Begutachtungsverfahren die Hemmungswirkung abgesprochen, da wegen der Un-
400 BT-Drucks. 14/6040, S. 114; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 22; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 49. 401 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 22; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 23. 402 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 91. 403 BT-Drucks. 14/6040, S. 114; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 22. 404 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 49; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 31; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 23. 405 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 91. 406 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 22. 407 Hier ist freilich denkbar, dass vertraglich die Geltung bestimmter verfahrensrechtlicher Normen vereinbart wird, diese also aufgrund der Parteiabrede Anwendung finden. 408 Das Zustandekommen der Vereinbarung kann außerdem bspw. an den Voraussetzungen der §§ 104 ff. BGB oder §§ 164 ff. BGB scheitern.
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
wirksamkeit der Klausel eine Vereinbarung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB nicht vorliege.409 10. Hemmung durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB Seit Inkrafttreten des SchRModG410 wird die Verjährung gehemmt, wenn der Antrag auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung zugestellt wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 1 BGB) oder, wenn keine Zustellung erfolgt, durch die Einreichung des Antrags, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 BGB). Auch bei § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB hemmt grundsätzlich der unzulässige oder unbegründete Antrag.411 Keine Hemmung soll aber eintreten, wenn der Antrag den wesentlichen Erfordernissen der ZPO nicht entspricht.412 Hemmungsvoraussetzung ist zudem auch hier, dass der Antrag hinreichend bestimmt erkennen lässt, welcher Anspruch gesichert oder erfüllt werden soll.413 Im Übrigen wird nicht gesagt, was die wesentlichen (Form-)Erfordernisse sind.414 Auch bei diesem Hemmungstatbestand besteht freilich die Gefahr, dass das Gericht einen Antrag, der beispielsweise Grund und/oder Anspruch nicht hinreichend glaubhaft (§ 294 ZPO) macht, durch Beschluss zurückweist, ohne den Antrag vorher zuzustellen.415 Die Verjährungshemmung scheitert dann bereits an der fehlenden Zustellung. Soll Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 BGB eintreten, ist notwendig, dass der Antrag jedenfalls teilweise begründet ist, da sonst ein Arrestbefehl, eine einstweilige Verfügung oder eine einstweilige Anordnung nicht ergehen und daher auch nicht zugestellt werden können. Die Zustellung eines ablehnenden Beschlusses hemmt die Verjährung nicht. Hemmung nach Alt. 2 409
AG Leipzig NJW-RR 2015, 268, 269. Zum Normzweck und zur alten Rechtslage BT-Drucks. 14/6040, S. 115; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 50; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 93; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 23; Maurer, GRUR 2003, 208, 209; Schabenberger, WRP 2002, 293 ff.; Baronikians, WRP 2001, 121. 411 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 24; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 34; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 78. 412 Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 24. 413 Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 34; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51. 414 Siehe Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 51 und Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 24. Ein genereller Verweis auf die bei der Klage geltenden Grundsätze findet sich bei Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 94. 415 Maurer, GRUR 2003, 208, 210. 410
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 213
tritt daher nur bei und im Umfang der Begründetheit ein, sodass dieser Alternative eine Sonderstellung zukommt.416 11. Hemmung durch Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB Entsprechend der Handhabung der fehlerhaften Klage tritt eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB417 ein, wenn die Anmeldung des Anspruchs wirksam ist, deren Zulässigkeit ist hingegen nicht erforderlich.418 Auf das Bestehen des Anspruchs kommt es ebenfalls nicht an.419 Wirksamkeits- und damit Hemmungsvoraussetzung ist die Einhaltung der in § 174 Abs. 1 S. 1 InsO angeordneten Schriftform.420 Die Angabe von Grund und Betrag der Forderung sind zur Individualisierung des Anspruchs notwendig und damit ebenfalls für den Eintritt der Hemmungswirkung erforderlich.421 Teilweise wird angenommen, dass bei Fehlen dieser Angaben eine Anmeldung im Sinne der InsO gar nicht vorliege, da diese nicht beurteilungsfähig sei.422 Werden hingegen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, nicht beigefügt (§ 174 Abs. 1 S. 2 InsO)423 oder fehlen die weiteren in § 174 Abs. 2 InsO geforderten Angaben424, hindert dies den Eintritt der Verjährungshemmung ebenso wenig wie eine AnMeller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 302; Schabenberger, WRP 2002, 293, 297 f.; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 24. 417 Ausf. hierzu Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 160 ff. 418 BGH NJW 2010, 1284, 1288 (Rn. 43); RGZ 39, 37, 45 (Anmeldung einer unbestimmten Gesamtforderung unterbricht nicht); OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52 („Im Übrigen ist ähnlich wie bei der Klage zwischen unzulässiger und unwirksamer Anmeldung zu differenzieren. Erstere hemmt, Letztere nicht.“); Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 325. A. A. insoweit Wenner/Schuster, BB 2006, 2649 (Fn. 6): Da in den §§ 174 ff. InsO nicht zwischen einer zulässigen und unzulässigen Anmeldung unterschieden werde, sei das Kriterium „Zulässigkeit“ zur Einordnung untauglich. 419 BGH NJW 2010, 1284, 1288 (Rn. 43). 420 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 326, 321; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97 (eine Anmeldung liege sonst gar nicht vor). 421 BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 15); OLG Brandenburg, Urt. v. 13.03.2018, Az. 3 U 49/16, Rn. 44 (zit. n. juris); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 328 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2651. Hierzu schon oben 5. Kap., B) I. 3. g) (S. 164). 422 Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 161. 423 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2650; Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 161. 424 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97. Siehe aber BGH NZI 2014, 127, 128 (Rn. 10): Der Schuldner müsse wissen, welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird. 416
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
meldung nach Ablauf der Anmeldungsfrist425. Gehemmt werden können nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB i. V. m. § 174 InsO nur Insolvenzforderungen, die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB tritt daher nicht ein, wenn eine Masseforderung (§ 55 InsO) angemeldet wird.426 Uneinheitlich wird beantwortet, ob die Verjährung hinsichtlich nachrangiger Insolvenzforderungen (§ 39 InsO) gehemmt wird, wenn diese angemeldet werden, ohne dass hierzu aufgefordert wurde (§ 174 Abs. 3 InsO).427 Deutlich strenger als die vorstehend dargestellten Maßstäbe liest sich zwar eine Aussage des BGH, wonach „[n]ur eine ordnungsgemäße, rechtzeitige und vollständige Forderungsanmeldung“ die Verjährung hemmt. Die Anmeldung müsse den in der InsO insoweit aufgestellten Anforderungen genügen.428 Die im Urteil angegebenen Belege tragen das in dieser Entschiedenheit aber nicht, wie die vorstehende Differenzierung nach einzelnen Fehlern zeigt. Was genau unter ordnungsgemäß, rechtzeitig und vollständig zu verstehen ist, wird in diesem Urteil auch nicht weiter ausgeführt. Die Entscheidung befasst sich vielmehr mit den Anforderungen an die unstreitig notwendige Individualisierung. 12. Hemmung durch den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB Für die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB ist erforderlich, dass der Antrag i. S. d. § 1044 S. 1 ZPO die in § 1044 S. 2 ZPO genannten Voraussetzungen, die Mindestinhalt eines jeden Antrags sind,429 erfüllt.430 Das heißt, es sind die Parteien zu bezeichnen, der Streitgegenstand anzugeben und auf die Schiedsvereinbarung hinzuweisen,431 wobei für letzteres genügen soll, 425 OLG Frankfurt KTS 1982, 481, 483; Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 161. 426 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 97; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 119; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649; ausf. Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 173 ff. Siehe auch BGH NZI 2018, 154, 156 (Rn. 21). 427 Für eine Hemmung Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 320 f.; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2652. Dagegen Riedel, in: MüKo-InsO, § 174 Rn. 3, der jedoch § 206 BGB entsprechend anwenden will. 428 BGH NJW-RR 2013, 992, 993 (Rn. 14). 429 Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 28: „Weitergehende Anforderungen können vereinbart werden – S. 2 ist vertraglich ergänzend „anreicherbar“, aber nicht auch „ausdünnbar“; er benennt den unabdingbaren Minimalgehalt des (Vorlage-) Antrags iSv. S. 1.“; Münch, FS Schlosser, 2005, S. 613, 624. 430 BGH NJW 2014, 2574, 2576 (Rn. 20); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 122; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 38. 431 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 56; Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO, § 1044 Rn. 7; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 101.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 215
dass deutlich wird, dass eben ein Schiedsgericht entscheiden soll432. Im Übrigen sind Mängel des Verfahrens für den Eintritt der Verjährungshemmung grundsätzlich unbeachtlich.433 Nicht notwendig ist insbesondere, dass die Schiedsvereinbarung wirksam ist, es genügt vielmehr, dass die Parteien überhaupt eine Schiedsvereinbarung geschlossen haben.434 Begründet wird dies mit dem gegenüber § 220 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F.435 geänderten Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB und der Vorschrift des § 1032 Abs. 3 ZPO, wonach das Schiedsverfahren auch betrieben werden kann, wenn Streit über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung besteht.436 Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist somit im Grundsatz nicht erforderlich,437 teilweise wird jedoch angenommen, dass eine Klage vor einem Schiedsgericht, dessen Kompetenz völlig aus der Luft gegriffen sei, nicht hemme.438 Zusätzliche Voraussetzungen können sich zudem aus der jeweiligen Schiedsabrede oder der dem institutionalisierten Schiedsverfahren zugrunde liegenden Schiedsordnung, zum Beispiel Art. 4 Abs. 3 ICCSchO, ergeben.439 13. Hemmung durch Einreichung des Antrags bei einer Behörde, § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB Es hemmt nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB auch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 101; vgl. auch BGH NJW 2014, 2574, 2576 (Rn. 20). 433 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 102. 434 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 27; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 26; Schlosser, in: Stein/Jonas23, § 1044 Rn. 5, 7. Vgl. auch BGH NJW 2014, 2574, 2576 (Rn. 20): Keine Hemmung, wenn Schiedsantrag gestellt wurde, obwohl keine Schiedsvereinbarung geschlossen wurde. 435 Aus der dort enthaltenen Formulierung „Ist der Anspruch vor einem Schiedsgericht […] geltend zu machen“ wurde teilweise geschlossen, dass die Kompetenz des Schiedsgerichts tatsächlich gegeben sein muss, um die Verjährung zu hemmen, vgl. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 27. Ausf. Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 102 ff.; Münch, FS Schlosser, 2005, S. 613, 631 ff. 436 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 27; von Bernuth/Hoffmann, SchiedsVZ 2006, 127, 128. 437 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 56; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 26; Wilske/ Markert, in: BeckOK ZPO, § 1044 Rn. 7. 438 Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 35; Schlosser, in: Stein/Jonas23, § 1044 Rn. 7. Ähnlich auch Sandrock, FS Böckstiegel, 2001, S. 671, 690, 693: Keine Unterbrechung, wenn über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung keine Zweifel bestehen. 439 Wilke, RIW 2007, 189, 190 ff.; von Bernuth/Hoffmann, SchiedsVZ 2006, 127, 128; Sandrock, FS Böckstiegel, 2001, S. 671, 679. Zur Frage der Verjährungshemmung bei Verstößen gegen die AAA-, DIS- und ICC-SchO Wilke, RIW 2007, 189, 193 f. 432
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
Behörde abhängt.440 Zudem ist erforderlich, dass innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs Klage erhoben wird. Eine Hemmung kann nur in den Fällen eintreten, in denen das Vorverfahren tatsächlich Sachurteilsvoraussetzung des Klageverfahrens ist.441 Fehlt es hieran, liegt nicht etwa ein verfahrensfehlerhafter Antrag im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB vor, es fehlt vielmehr bereits an einer in diesem Hemmungstatbestand aufgestellten weiteren Voraussetzung. Eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB tritt daher nicht ein, wenn die Vorentscheidung der Behörde Voraussetzung für die Begründetheit der Klage ist.442 Im Anschluss an die zu § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB ergangene Entscheidung des BGH443 ist nunmehr auch zu § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB allgemeine Auffassung, dass das behördliche Verfahren nicht mit einer Sachentscheidung enden muss.444 Hemmung tritt daher grundsätzlich auch dann ein, wenn die Behörde den Antrag als unzulässig zurückweist.445 „In besonders krassen Fällen der Unzulässigkeit“ soll die Hemmungswirkung jedoch wie bei der unwirksamen Klage ausbleiben.446 Wird der Antrag bei der unzuständigen Behörde gestellt, soll dies unschädlich sein, wenn diese der verpflichteten Körperschaft angehört, da diese Situation mit einer Klage vor dem unzuständigen Gericht vergleichbar sei.447 440
Als Anwendungsfälle werden bspw. § 10 StrEG, § 24 SchutzbereichsG (SBG) und §§ 49 ff. BundesleistungsG (BLeistG) genannt, siehe z. B. Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 90. Letztere haben in § 23 SBG bzw. § 34 BLeistG teilweise eigenständige Regelungen auch zur Verjährungshemmung, die jedoch auf das alte Verjährungsrecht gemünzt sind (§ 23 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SBG: „der Klageerhebung [§ 209 des Bürgerlichen Gesetzbuchs] steht die Stellung des Antrags bei der Anforderungsbehörde [§ 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BLeistG: Festsetzungsbehörde] gleich“). Wegen der in den Gesetzen angeordneten kurzen Antragsfristen dürfte die praktische Bedeutung der Anspruchsverjährung gering sein. 441 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 105; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 59; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 31. Siehe auch BVerwG, Beschl. v. 14.04.2011, Az. 2 B 27/10, Rn. 18 (zit. n. juris). 442 BGH WM 1980, 1173, 1174 f. 443 BGHZ 160, 259 ff. 444 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 106; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 27; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 125 f.; Lakkis, in: jurisPK-BGB, § 204 Rn. 122. 445 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 106; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 361. 446 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60. Ähnlich Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 106: Der Antrag müsse, mutatis mutandis, den an die Klage zu stellenden Anforderungen genügen. 447 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60. Werde der Antrag hingegen bei einer Behörde eingereicht, die einer anderen als der verpflichteten Körperschaft angehöre, liege eine Kon stellation vor, die mit einer Klage gegen den falschen Schuldner vergleichbar sei. Eine Hemmung trete in diesem Fall daher nicht ein.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 217
14. Hemmung durch Einreichung des Antrags bei einem höheren Gericht, § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB Nach § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB hemmt auch der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 ZPO. Für den Eintritt der Hemmung ist entgegen der früher herrschenden Meinung448 keine (stattgebende) Sachentscheidung erforderlich, die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB tritt vielmehr auch dann ein, wenn gar keine oder eine negative Sachentscheidung getroffen wird.449 Auch durch einen nicht erfolgreichen Antrag nach §§ 36, 37 ZPO werde deutlich, dass der Gläubiger gewillt sei, seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Zudem bestehe ein Wertungswiderspruch, wenn eine Klage, die ohne vorherige Zuständigkeitsbestimmung gegen alle Streitgenossen vor einem beliebigen Gericht erhoben worden sei, trotz der fehlenden Zuständigkeit hemmen würde, ein nicht erfolgreicher Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit aber nicht.450 Es ist daher für die Hemmung der Verjährung nicht erforderlich, dass der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit zulässig oder begründet ist.451 „In besonders krassen Fällen der Unzulässigkeit“ soll auch hier eine Parallele zu den Grundsätzen über die unwirksame Klage helfen.452 15. Hemmung durch Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe, § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB kann die Verjährung auch durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen453 Antrags auf Gewährung von Prozessoder Verfahrenskostenhilfe gehemmt werden. Um den Unterschied zur bisherigen Hemmung nach § 203 Abs. 2 BGB a. F. deutlich zu machen, wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für den Eintritt der Hemmung nicht mehr erforderlich ist, „dass der Antrag ordnungsgemäß begründet, vollständig, von den erforderlichen Unterlagen begleitet und von der subjektiven Ansicht der Bedürftigkeit getragen ist“.454 Die Frage, welche MinNachweise bei BGHZ 160, 259, 261; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 95, Fn. 254. BGHZ 160, 259, 261; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 64; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 110; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 34; NK-BGB/ Mansel, § 204 Rn. 130, 125; Roth, in: Stein/Jonas23, § 37 Rn. 3; a. A. Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, § 37 Rn. 15. 450 BGHZ 160, 259, 264. 451 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 6 4; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 382. 452 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 6 4. 453 Hierzu bspw. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 37. 454 Zu diesen Anforderungen im Rahmen des § 203 Abs. 2 BGB a. F. OLG Nürnberg 448 449
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5. Kapitel: Gegenwärtige Rechtslage nach § 204 Abs. 1 BGB
destanforderungen an den Antrag zu stellen sind, wird ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen.455 Um zu hemmen muss der Antrag die wesentlichen Erfordernisse des § 117 ZPO erfüllen, ob der Antrag unzulässig oder unbegründet ist, ist hingegen auch hier unerheblich.456 Der Antrag muss daher jedenfalls den Anspruch hinreichend individualisieren (§ 117 Abs. 1 S. 2 ZPO).457 Da für den Eintritt der Hemmungswirkung hingegen nicht notwendig ist, dass dem Antrag die nach § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei beigefügt wird,458 schadet es auch nicht, wenn hierfür die zwingend vorgeschriebenen Formulare nicht verwendet werden.459 Ein Antrag, der von einem offensichtlich nicht bedürftigen Gläubiger gestellt wird, soll nach teilweise vertretener Ansicht hingegen die Verjährung des An ersR 2010, 1468 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 67; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 V Rn. 45. 455 BT-Drucks. 14/6040, S. 116: „Die Vorschrift ist neu im Gesetzestext, wird von der Rechtsprechung aber bereits heute – wie schon erwähnt – als Hemmungstatbestand anerkannt. Nicht erforderlich ist,– wie nach der gegenwärtigen Rechtsprechung – die Hemmung außer von dem bloßen Prozesskostenhilfeantrag davon abhängig zu machen, dass der Antrag ordnungsgemäß begründet, vollständig, von den erforderlichen Unterlagen begleitet und von der subjektiven Ansicht der Bedürftigkeit getragen ist. Diese Einschränkungen sind erforderlich, wenn man die Hemmung durch Antrag auf Prozesskostenhilfe aus dem geltenden § 203 Abs. 2 herleitet und die Unfähigkeit, die erforderlichen Vorschüsse zu leisten, als höhere Gewalt ansieht, die auch durch zumutbare Maßnahmen nicht überwunden werden kann. Im Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung erscheint es nicht angebracht, zum Nachteil des Bedürftigen für den Prozesskostenhilfeantrag besondere Anforderungen gesetzlich vorzugeben. Auf solche Vorgaben wird auch bei den in den übrigen Nummern genannten Hemmungstatbeständen verzichtet und die Frage der Mindestanforderungen der Rechtsprechung überlassen.“ Ebenso schon BMJ (Hrsg.), Abschlußbericht Schuldrechtskommission, S. 85. 456 OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2017, Az. 4 U 26/15, Rn. 202 (zit. n. juris); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 67; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116; Palandt/ Ellenberger, § 204 Rn. 30. 457 OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2017, Az. 4 U 26/15, Rn. 202 (zit. n. juris); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 390, 395; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 45; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 136. Hierzu oben 5. Kap., B) I. 3. h) (S. 165). 458 BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 12); OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2017, Az. 4 U 26/15, Rn. 202 (zit. n. juris); OLG München, Urt. v. 09.05.2012, Az. 3 U 4857/11, Rn. 24 (zit. n. juris); OLG Nürnberg VersR 2010, 1468 f.; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 30; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 67; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116. A. A. Zöller/Geimer, § 117 Rn. 4b. Die Entscheidungen OLG Hamm, Urt. v. 02.02.2012, Az. I-5 U 110/11, 5 U 110/11, Rn. 140 ff. (zit. n. juris) u. OLG Hamm FamRZ 2006, 1616 können jedoch nicht als Beleg für die Gegenauffassung angeführt werden, da diese die Frage behandeln, ob die Bekanntgabe demnächst erfolgt ist. 459 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116.
B. Gegenwärtige Behandlung verfahrensrechtlich fehlerhafter Rechtsverfolgung 219
spruchs nicht hemmen.460 Wie bei den meisten anderen Hemmungstatbeständen gilt auch hier, dass jeder Fehler dazu führen kann, dass das Gericht die Bekanntgabe nicht oder nicht rechtzeitig veranlasst und die Hemmung wegen Nichterfüllung des Kundgabetatbestandes scheitert.461
OLG Oldenburg FamRZ 2010, 1098; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 67; Palandt/ Ellenberger, § 204 Rn. 30. A. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 114; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 391; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 35. Eine Fehleinschätzung des Insolvenzverwalters über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO hindert die Hemmung nach OLG Düsseldorf NZI 2018, 330, 331 f. nicht. 461 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 116; Meller-Hannich, in: Beck OGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 389. Beantragt der Antragsteller aber ausdrücklich die Veranlassung der Bekanntgabe unabhängig von den Erfolgsaussichten des Antrags, muss das Gericht dem nachkommen, BVerfG NJW 2010, 3083, 3084 (Rn. 15 f.); BGH NJW 2008, 1939, 1940 (Rn. 17). 460
6. Kapitel
Neubestimmung der Maßstäbe für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen A. Zusammenfassende Kritik an der gegenwärtigen Handhabung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen Das vorstehende Kapitel hat gezeigt, dass der gegenwärtig geltende verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab trotz der Anknüpfung an die formellen Regelungen des Verfahrensrechts keineswegs eine einheitliche und klare Rechtsanwendung garantiert, wie sie insbesondere für das Verjährungsrecht1 notwendig ist. Dies folgt daraus, dass sich die an die verfahrensrechtliche Wirksamkeit zu stellenden Anforderungen nicht immer eindeutig bestimmen lassen und zudem bereits jetzt die im Verfahrensrecht gefundenen Ergebnisse durch materiell-rechtliche Wertungen modifiziert werden. All dies ist einem der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit verpflichteten Verjährungsrecht abträglich (hierzu unter I., S. 221). Weiterhin steht der verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab der Verwirklichung des mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgten Sinn und Zwecks entgegen (hierzu unter II., S. 226). Schließlich hindert die Anknüpfung an das Verfahrensrecht die Umsetzung der Gleichrangigkeit der Hemmungstatbestände (hierzu unter III., S. 231).
I. Rechtsunsicherheit aufgrund des gegenwärtigen verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes 1. Keine Aussage zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen in § 204 Abs. 1 BGB § 204 Abs. 1 BGB verknüpft zur Bestimmung der materiell-rechtlichen Rechtsfolge Verjährungshemmung das materielle Recht mit dem Verfahrensrecht. Für die materiell-rechtliche Frage des Hemmungseintritts sind somit auch die jeweiBT-Drucks. 14/6040, S. 96; BGHZ 156, 232, 243 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 7 und unten 6. Kap., Fn. 187 (S. 263). 1
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
ligen verfahrensrechtlichen Vorschriften, auf die verwiesen wird, relevant.2 Dem Wortlaut des § 204 Abs. 1 BGB kann jedoch nicht entnommen werden, inwieweit die jeweils einschlägigen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Hemmungstatbestand verwirklicht wird und die Rechtsfolge eintritt.3 Die im Grundsatz allgemein anerkannte Auffassung, die davon ausgeht, dass der Verweis in § 204 Abs. 1 BGB so zu verstehen ist, dass das materielle Recht mindestens eine verfahrensrechtlich wirksame Maßnahme erfordert, um Verjährungshemmung auszulösen, deren Zulässigkeit hingegen nicht notwendig ist, ergibt sich nicht aus § 204 Abs. 1 BGB. Sie kann – allerdings nur bei Kenntnis der alten Rechtslage und der Gesetzesmaterialien4 – für das geltende Recht lediglich an § 204 Abs. 2 S. 1 BGB festgemacht werden; der Regelungsinhalt des Abs. 2 beschränkt sich jedoch auf das Ende der eingetretenen Hemmung. Es müsste mithin für jede Rechtsverfolgungsmaßnahme geprüft werden, welche der jeweils einschlägigen verfahrensrechtlichen Anforderungen erfüllt sein müssen, damit die Verjährung gehemmt wird. Diese Prüfung wird dadurch vereinfacht, dass, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf alle Rechtsverfolgungsmaßnahmen der zur Klage entwickelte Grundsatz – Wirksamkeit notwendig, Zulässigkeit nicht – Anwendung findet. Dieses Schema lässt sich jedoch nicht oder nur mit Mühe auch auf die Nr. 2 bis Nr. 14 des § 204 Abs. 1 BGB übertragen.5 Die zur Klage entwickelten Kategorien stellen daher für die meisten Hemmungstatbestände keinen oder nur einen beschränkt tauglichen Anknüpfungspunkt dar. Dieser Aspekt hat sich noch dadurch deutlich verstärkt, dass durch das SchRModG die Hemmungsmöglichkeiten gegenüber § 209 BGB a. F. erweitert wurden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass eine eindeutige Bestimmung der Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht möglich ist:
2 Zu den mit dem Verweis verbundenen Problemen bei der Geltendmachung des Anspruchs vor einem Schiedsgericht nach § 220 BGB a. F. siehe Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 30 ff. 3 So für § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB auch ausdrücklich der BGH in NJW 2016, 151, 152 (Rn. 12): „Inhaltliche Anforderungen an den Antrag lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen.“ Zudem Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 257; Smid, DZWIR 2012, 267, 271. 4 Siehe oben 5. Kap., A) I. (S. 143). 5 So kann man sich bspw. die Frage stellen, ob die fehlende Statthaftigkeit eines Verfahrens (siehe z. B. § 249 Abs. 2 FamFG) einer unzulässigen oder einer unwirksamen Klage entspricht. Auch wird vertreten, dass das Mahnverfahren bei Verstößen gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unstatthaft sei und diese Unstatthaftigkeit der unwirksamen Klage gleichstehe, vgl. K.-R. Wagner, ZfIR 2005, 856, 857 f. und oben 5. Kap., Fn. 229 (S. 183). Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 149 ff. diskutiert, ob der von einem unzuständigen Gerichts erlassene Mahnbescheid unwirksam ist.
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2. Keine sichere Bestimmung der Wirksamkeitsvoraussetzungen Weil die Kategorisierung Wirksamkeit – Zulässigkeit nur für die Klage umfangreich aufgearbeitet ist, bestehen bei den anderen Hemmungstatbeständen erhebliche Schwierigkeiten, diejenigen Verfahrensvorschriften zu benennen, deren Einhaltung für den Eintritt der Rechtsfolge unabdingbar ist und die somit als Wirksamkeitsvoraussetzungen anzusehen sind. Soweit in der Literatur versucht wird, zwischen Wirksamkeitsanforderungen einerseits und schlichten Zulässigkeitserfordernissen andererseits zu differenzieren, erfolgt immer wieder eine starke Anlehnung an die für die Klage geltenden Bewertungen.6 Häufig fehlt es aber auch an einer klaren Benennung der Wirksamkeitsvoraussetzungen, wenn beispielsweise gesagt wird, die Hemmungswirkung bleibe bei „besonders krassen Fällen der Unzulässigkeit“ aus7 oder der Antrag nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB müsse, mutatis mutandis, den an die Klage zu stellenden Anforderungen genügen8. Auch wird zum Teil nicht hinreichend geprüft, ob es sich bei der verletzten Verfahrensvorschrift tatsächlich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handelt. So hat sich zum Beispiel das BVerfG nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Verfahrensbestimmung, dass bei Einreichung eines Antrags nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Vollmacht im Original vorzulegen ist, eine Wirksamkeits- oder eine bloße Ordnungsvorschrift darstellt.9 Aber selbst für die Klage besteht keine Einigkeit darüber, welche verfahrensrechtlichen Anforderungen überhaupt zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen zu zählen sind.10 So wird im prozessualen Schrifttum das Unterschrifterfordernis teilweise als Wirksamkeitsanforderung, teilweise aber auch als bloße Ordnungsvorschrift angesehen.11 Ebenfalls Uneinigkeit besteht über die Folgen von Klage und Urteil bei fehlender deutscher Gerichtsbarkeit.12
Für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 125 f., S. 168 f.; für die Unterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 BGB a. F. Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 30 ff. 7 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 60, Rn. 6 4 zu § 204 Abs. 1 Nr. 12 bzw. Nr. 13 BGB. 8 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 106; ähnlich in Rn. 94 für § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB. 9 BVerfG NJW-RR 2009, 1148 (Rn. 6), hierzu oben 5. Kap., B) III. 4. (S. 189). 10 Das von Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 222 vorgeschlagene Abgrenzungskriterium, eine Klage sei immer dann unwirksam, „wenn Zweifel an ihrer Rechtsnatur bestehen, wenn also nicht entschieden werden kann, ob es sich tatsächlich um eine Klage oder nicht irgendeine sonstige Eingabe handelt“, ist für eine taugliche Entscheidungsgrundlage ebenfalls nicht bestimmt genug. 11 Siehe oben 5. Kap., B) III. 1. a) bb) (1) (S. 173). 12 Siehe oben 5. Kap., B) III. 1. b) (S. 175). 6
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
3. Modifizierung des verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes durch materiell-rechtliche Wertungen Die Rechtsanwendung des § 204 Abs. 1 BGB wird zudem dadurch erschwert, dass bereits gegenwärtig der verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab aufgrund von materiell-rechtlichen Wertungen, die insbesondere § 204 Abs. 1 BGB und § 242 BGB entnommen werden, modifiziert wird. Diese Modifizierung der verfahrensrechtlich gefundenen Ergebnisse erfolgt jedoch nicht durchgängig, sodass hieraus weitere Rechtsunsicherheit resultiert. So wird teilweise vertreten, dass die Postulationsfähigkeit, die Voraussetzung für eine wirksame Prozesshandlung ist, fehlen könne, weil diese zur Erreichung von Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB nicht notwendig sei.13 Es wird hier also aus Gründen, die sich aus dem materiellen Recht ergeben, punktuell auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Mindestanforderungen verzichtet, die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Rechtsverfolgungsmaßnahme werden mithin abgeschwächt. Andererseits dient das Telos des § 204 Abs. 1 BGB auch zur Verschärfung der verfahrensrechtlichen Anforderungen: Dass nach ganz herrschender Meinung die Streitverkündung (Nr. 6) und nach teilweise vertretener Ansicht die Anmeldung zu einem Musterverfahren (Nr. 6a) nicht nur wirksam, sondern zulässig sein müssen, um die Verjährungshemmung auszulösen, wird nämlich im Wesentlichen damit begründet, dass der Rechtsverfolgungswille bei diesen beiden Maßnahmen noch nicht hinreichend deutlich werde.14 Bei Nr. 6a tritt das Argument hinzu, dass dieser Tatbestand nur deshalb geschaffen worden sei, um dem Gläubiger eine weitere Hemmungsmöglichkeit zu eröffnen, die im KapMuG vorgesehenen Anforderungen an die Anmeldung müssten daher als Hemmungsvoraussetzung aufgefasst werden.15 Bei der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Einhaltung der für die jeweilige Streitbeilegungsstelle angeordneten Verfahrensanforderungen für notwendig gehalten, um die Hemmung auszulösen.16 Jedenfalls was den konkret entschiedenen Fall des fehlenden Vollmachtsnachweises in Schriftform betrifft, werden damit deutlich strengere Anforderungen als bei der Verjährungshemmung durch Klageerhebung aufgestellt.17 Zu § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB hat der BGH für das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung der Bekanntgabe aus dem Telos des § 204 Abs. 1 BGB die ungeschriebene Hemmungsvor13
Siehe oben 5. Kap., B) III. 1. a) bb) (2) (S. 174). Siehe oben 5. Kap., B) III. 6. b) aa) (S. 198) und 5. Kap., B) III. 7. c) (S. 207). 15 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d. 16 Siehe oben 5. Kap., B) III. 4. (S. 189). 17 Nach Änderung der einschlägigen Verfahrensordnung kann die schriftliche Vollmacht nunmehr auch nachgereicht werden, BGH MDR 2016, 1407 (Rn. 2, 7). 14
A. Zusammenfassende Kritik an der gegenwärtigen Handhabung
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aussetzung entwickelt, dass der Gläubiger die richtige ladungsfähige Anschrift des Schuldners anzugeben hat.18 Auch bei den Hemmungstatbeständen, bei welchen es grundsätzlich genügt, dass die Rechtsverfolgungsmaßnahme wirksam ist, soll trotz bestehender Wirksamkeit keine Verjährungshemmung eintreten, wenn der Gläubiger wider besseren Wissens eine unzulässige Streitbeilegungsstelle anruft,19 die Unzulässigkeit der Aufrechnung offenkundig ist,20 die Kompetenz des Schiedsgerichts völlig aus der Luft gegriffen ist,21 oder der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrag von einem offensichtlich nicht bedürftigen Gläubiger gestellt wurde.22 Zudem soll sich der Gläubiger nach § 242 BGB auf die eingetretene Hemmung nicht berufen dürfen, wenn der Mahnbescheid durch Falschangaben erschlichen wurde.23 Bei den Ausführungen zur Individualisierung hat sich gezeigt, dass die verfahrensrechtlichen Anforderungen teilweise nicht genügen, um Sinn und Zweck der Verjährungshemmung sicherzustellen, sodass zusätzliche, ungeschriebene Anforderungen etabliert wurden.24 4. Zwischenfazit Es zeigt sich mithin, dass die Anknüpfung der Verjährungshemmung an das Verfahrensrecht zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung und damit auch zu Rechtsunsicherheit führt. Dies hat letztlich seine Ursache darin, dass der im materiellen Verjährungsrecht angestrebte Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen im, aus Gründen der Rechtssicherheit formalisierten,25 Verfahrensrecht nur eingeschränkt berücksichtigt werden kann.26 Der eigentlich statische Verweis wird daher flexibel gehandhabt, um materiell-rechtliche Wertungen zur Geltung zu bringen. Diese sind daher schon jetzt an einigen Stellen dafür entscheidend, welche Voraussetzungen an die jeweilige Rechtsverfolgungsmaßnahme zu stellen sind. Es erfolgt somit keine konsequente 18
BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 11). So bspw. Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19. 20 Siber, Compensation und Aufrechnung, S. 129; Oertmann, Aufrechnung, S. 161. 21 Münch, in: MüKo-ZPO, § 1044 Rn. 35; Schlosser, in: Stein/Jonas23, § 1044 Rn. 7. 22 OLG Oldenburg FamRZ 2010, 1098; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 67; Palandt/ Ellenberger, § 204 Rn. 30. A. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 114; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 391; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 35. 23 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 18 ff.); BGH NJW 2015, 3160 (Rn. 13, 24 ff.); BGH NJW 2012, 995 f. (Rn. 7, 9 ff.). Ausf. oben 5. Kap., B) III. 3. b) aa) (S. 183). 24 NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 105; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 47. Siehe oben 5. Kap., B) I. 3. f) (S. 163). 25 Braun, Zivilprozeßrecht, § 3 I. 1. a) (S. 31). 26 Vgl. auch Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343. 19
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Übertragung der prozessual gefundenen Ergebnisse in das materielle Recht, vielmehr wird der prozessuale Anknüpfungspunkt teilweise aufgegeben, um ein dem Sinn und Zweck des materiellen Rechts entsprechendes Ergebnis zu erreichen. Da diese Modifizierung der prozessualen Ergebnisse aus Gründen des materiellen Rechts jedoch nicht konsequent durchgeführt wird, die verfahrensrechtlichen Ergebnisse vielmehr nur punktuell korrigiert werden, wird die dem verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstab ohnehin schon anhaftende Rechtsunsicherheit noch verstärkt. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden schließlich auch dadurch beeinträchtigt, dass für die Frage, ob Verjährungshemmung eintritt oder nicht, nicht konsequent auf den Telos der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung abgestellt wird, sondern mehr als notwendig auch andere materiell-rechtliche Wertungen, insbesondere solche, die sich aus § 242 BGB ergeben, berücksichtigt werden.
II. Kein Einklang zwischen dem verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstab und dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB 1. Der Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung und die Anforderungen an deren Eintritt Den Eintritt der Verjährungshemmung von der Erfüllung bestimmter verfahrensrechtlicher Voraussetzungen abhängig zu machen, führt nicht nur zu Rechtsunsicherheit, sondern wird auch dem hinter der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung stehenden Telos nicht gerecht. Die als Maßstab herangezogene verfahrensrechtliche Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme ist kein geeignetes Kriterium dafür, ob das dem § 204 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Ziel, nämlich den Schuldner zu warnen, eingetreten ist oder nicht. Ob bei diesem die Schutzwürdigkeit entfällt, hängt nicht davon ab, ob die Rechtsverfolgungsmaßnahme bestimmte verfahrensrechtliche Anforderungen erfüllt. Entscheidend ist vielmehr, ob diese – trotz des Fehlers – geeignet ist, dem Schuldner den Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers hinreichend deutlich vor Augen zu führen. Der mit § 204 Abs. 1 BGB angestrebte Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteresse wird verfehlt, wenn der Schuldner sich aufgrund einer Rechtsverfolgungsmaßnahme gewarnt fühlt und sich auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus einstellt, der Maßnahme aber dann, weil sie die für sie geltenden verfahrensrechtlichen Anforderungen für eine erfolgreiche Hemmung nicht erfüllt hat, diese Wirkung versagt wird. Im Gegenzug darf eine fehlerhafte Rechtsverfolgungsmaßnahme nicht hemmen, wenn diese zwar die für den Einritt der Hemmungswirkung gegen-
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wärtig geforderten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, der Schuldner jedoch aufgrund des Fehlers nicht hinreichend gewarnt war. Ziel ist es daher, einen Maßstab zu finden, mit dem der Eintritt der Verjährungshemmung unabhängig von der verfahrensrechtlichen Beurteilung der Rechtsverfolgungsmaßnahme bestimmt werden kann. Nur dann ist sichergestellt, dass der mit § 204 BGB beabsichtigte Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen im Einzelfall erreicht wird. 2. Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Klageerhebung und deren Umfang In Bezug auf den Umfang der Unterbrechungswirkung27 haben bereits Wolfram Henckel28 und Manfred Wolf29 kritisiert, dass für deren Bestimmung grundsätzlich30 der prozessuale Streitgegenstand 31 maßgebend ist.32 Beide betonen, dass sich die Bestimmung der Reichweite der Verjährungsunterbrechung bzw. -hemmung an Sinn und Zweck des § 209 Abs. 1 BGB a. F. bzw. § 204 Abs. 1 BGB ausrichten muss. Nach Henckel entspricht es nicht dem Zweck der Verjährung und der Verjährungsunterbrechung, „daß der Anspruchsgegenstand auch das Objekt der Verjährungsunterbrechung abgrenzen muß“.33 Für die Abgrenzung des Objekts der Unterbrechung seien vielmehr das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung Ausf. Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 393 ff. Henckel, Die Grenzen der Verjährungsunterbrechung, JZ 1962, 335–339, zugleich Besprechung von BAG JZ 1962, 357–360. 29 Wolf, Die Befreiung des Verjährungsrechts vom Streitgegenstandsdenken, FS Schumann, 2001, S. 579–594. 30 Zur Erweiterung der Hemmung auf materiell wesensgleiche Ansprüche Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 10 m. Rechtsprechungsnachweisen in Fn. 40; siehe hierzu auch BTDrucks. 14/6040, S. 121 und M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 588 ff. Ausf. Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 51 ff. 31 BGH NJW 2017, 2673, 2674 (Rn. 20); BGH NJW 2016, 2493, 2494 (Rn. 19); BGHZ 206, 41, 46 (Rn. 15); BGH NJW 2009, 56 (Rn. 15); BAG NJW 1960, 838; Motive, Bd. I, S. 327; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 10; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 13a; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 9. 32 Es verjährt der materiell-rechtliche Anspruch, sodass auch dessen Verjährung durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme gehemmt wird, für den Umfang der Hemmung ist aber der prozessuale Anspruch maßgebend, Meller-Hannich, LMK 2015, 372470. Durch eine Kündigungsschutzklage wird die Verjährung der Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers nicht gehemmt, BAG NJW 2018, 1038, 1039 (Rn. 18); siehe auch P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 19 ff., 29 f. 33 Henckel, JZ 1962, 335, 336. Vgl. insoweit auch P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 23: Die Verbindung zwischen Entscheidungsbefugnis des Gerichts und Verjährungsunterbrechung sei nicht logisch zwingend; im Ergebnis (S. 30 f.) folgt P. Arens Henckel aber nicht. 27
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
des Schuldners und der Anspruchsgrund ausschlaggebend. Fordere der Gläubiger mithin aus demselben Anspruchsgrund, auf den er seine erste Klage gestützt habe, nun einen anderen Gegenstand und mute er dem Schuldner dabei keine höhere wirtschaftliche Belastung zu, erstrecke sich die Unterbrechung der ersten Klage auch auf diesen neuen Gegenstand. Da der Schuldner veranlasst gewesen sei, sich gegen die erste Klage zu verteidigen, insbesondere die dafür erforderlichen Beweismittel bereit zu halten, sei er nicht schutzwürdig, wenn nunmehr, auf denselben Tatsachenkomplex gestützt, ein anderer Gegenstand geltend gemacht werde.34 Objekt der Verjährungsunterbrechung im Sinne des § 209 BGB seien mithin „Ansprüche, die einen einheitlichen wirtschaftlichen Erfolg anstreben oder einen einheitlichen wirtschaftlichen Wert verwirklichen sollen, die aus demselben Anspruchsgrund hergeleitet werden können und dem Gläubiger alternativ zur Wahl stehen“.35 M. Wolf meint einleitend, dass „[d] as Abstellen auf die prozessuale Geltendmachung […] jedoch dem Umstand nicht gerecht [wird], daß die Verjährung kein prozessuales, sondern ein materiellrechtliches Institut ist, für dessen sachgerechte Anwendung zumindest auch die materiellrechtlichen Zwecke und Interessen zu berücksichtigen sind.“36 Die Verjährungshemmung könne daher über die erkennbar37 geltend gemachten Ansprüche hinaus auch auf weitere Ansprüche ausgedehnt werden, wenn dadurch der Vertrauensschutz des Schuldners nicht beeinträchtigt werde. Dies sei „vor allem dann anzunehmen, wenn für den konkurrierenden Anspruch dieselben Beweismittel in Betracht kommen wie für den zunächst geltend gemachten Anspruch und wenn der Schuldner wegen des engen Zweckzusammenhangs mit der Geltendmachung des konkurrierenden Anspruchs rechnen musste und deshalb nicht auf den Eintritt der Dis positions- und Planungsfreiheit vertrauen durfte.“38 Eine am Sinn und Zweck der Verjährungshemmung und damit an der Schutzbedürftigkeit des Schuldners Henckel, JZ 1962, 335, 336. Henckel, JZ 1962, 335, 337; a. A. P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 30, der den Gläubiger hier auf eventuelle Klagehäufung verweist. Noch weiter als Henckel geht Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 410 f., der die Unterbrechung des Leistungsanspruchs durch Geltendmachung des vorbereitenden Anspruchs bejaht, weil der Gläubiger seine Absicht bekunde, sein Recht durchzusetzen und der Schuldner wisse, dass er sich auf Abwehr oder Erfüllung des Leistungsanspruchs vorbereiten müsse, a. A. Henckel, JZ 1962, 335, 338; P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 25 ff., 30. 36 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 580. 37 Maßgeblich ist hierfür der Empfängerhorizont des Schuldners, M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 585 f., 594. Insoweit auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 10. 38 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 586. Dem für § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB folgend Halfmeier, DB 2012, 2145, 2148: „Entscheidender Beurteilungsmaßstab bezüglich des Umfangs der Verjährungshemmung ist daher der Vertrauensschutz des Schuldners.“ 34 35
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orientierte Handhabung fordert M. Wolf auch im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob der Antrag hinreichend bestimmt ist.39 Die vorstehende Problematik hat durch Einführung des § 213 BGB, in welchem die in §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB a. F. aufgestellte Regelung verallgemeinert wurde,40 an Bedeutung verloren.41 Die Diskussion zeigt aber, dass die strikte Anknüpfung der Verjährungshemmung an prozessrechtliche Kategorien, hier den Streitgegenstand, bereits in anderem Zusammenhang42 kritisiert wurde und dass durch eine solche die Verwirklichung des Sinn und Zwecks der Verjährungshemmung beeinträchtigt werden kann. Insbesondere M. Wolf betont, dass die nach altem Recht grundsätzlich bestehende Beschränkung der Unterbrechung auf den Streitgegenstand mit einer am Vertrauensschutz des Schuldners orientierten Sicht nicht mehr vereinbar ist.43 3. Bedeutung von Sinn und Zweck der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung bei der Anwendung verjährungsrechtlicher Vorschriften in anderem Zusammenhang Die Bedeutung des Sinn und Zwecks der Verjährung und der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung für den Eintritt der Rechtsfolge hat der BGH bereits in anderem Zusammenhang betont:44 Der Kläger (Vermieter) verlangte von der Beklagten (Mieterin) die Zahlung von Nutzungsausfallschaden, weil diese nach Beendigung des Mietverhältnisses mit der Durchführung von Instandset39 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 582 ff., 585 f. Ähnlich auch Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 53. 40 BT-Drucks. 14/6040, S. 121; Grothe, in: MüKo-BGB, § 213 Rn. 1; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 213 Rn. 1. 41 Vgl. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 10, § 213 Rn. 2. Keine Anwendung soll § 213 BGB jedoch bspw. im Verhältnis von Erfüllungsanspruch und Verzögerungsschaden finden, da beide Ansprüche von vornherein nebeneinander bestehen, BT-Drucks. 14/6040, S. 122; Grothe, in: MüKo-BGB, § 213 Rn. 4. Für eine Erstreckung der Hemmungswirkung des Verzugsanspruchs auf den Erfüllungsanspruch aber M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 593. 42 Siehe zusammenfassend auch P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 18, der für die dort genannten Fälle (Unterbrechung des Zahlungsanspruchs durch klageweise Geltendmachung vorbereitender Ansprüche; Unterbrechung durch Abweisungsantrag bei der negativen Feststellungsklage; Unterbrechung bei fehlender Aufteilung auf den eingeklagten Betrag oder fehlender Festlegung eines Eventualverhältnisses, wenn mit einer Teilklage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden) feststellt, dass die h. M., insb. die Rechtsprechung, sich ursprünglich für die Verjährungsunterbrechung „strikt an die Voraussetzungen des Zivilprozeßrechts gehalten hat, daß aber seit geraumer Zeit die Tendenz zu beobachten ist, von diesen prozeßrechtlichen Voraussetzungen Abstriche zu machen und die Verjährungsunterbrechung an eigenen Voraussetzungen auszurichten.“ 43 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 587, 588 ff. 44 BGHZ 128, 74 ff. Hierzu Peters, JZ 1995, 626 f.; Siegmann, JuS 1996, 290 ff.
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zungsarbeiten in der Mietsache in Verzug und er somit an einer Neuvermietung gehindert sei. Diesen Anspruch auf Zahlung von Mietausfallschaden aus § 286 Abs. 1 BGB a. F. stufte der BGH als Nebenleistung zum auf die Instandsetzung der Mietsache gerichteten Hauptanspruch ein.45 Dieser Hauptanspruch wurde jedoch weder rechtshängig gemacht noch wurden andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen nach § 209 BGB a. F. eingeleitet. Trotz eines Teilanerkenntnisses verjährte der Anspruch auf Instandsetzung, für den die kurze sechsmonatige Frist des § 558 Abs. 1, Abs. 2 BGB a. F.46 (§ 548 Abs. 1 BGB) gilt, damit während des Verfahrens über den Anspruch auf Zahlung des Mietausfalls,47 sodass gemäß § 224 BGB a. F. (§ 217 BGB) auch dieser Anspruch, da er eine Nebenleistung darstellt, verjährt gewesen wäre, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht vollendet war. Der BGH hat hier jedoch die Anwendbarkeit des § 224 BGB a. F. verneint: Er schränkt den Anwendungsbereich dieser Norm unter Rückgriff auf den Telos der Verjährungsvorschriften ein,48 obwohl er zuvor noch betont, dass sich die Auslegung von Verjährungsvorschriften eng an den Gesetzeswortlaut anlehnen muss49 und er zugesteht, dass der Wortlaut von § 224 BGB a. F. auch die Fälle erfasst, in denen die Verjährung des Hauptanspruchs eintritt, nachdem der Anspruch auf die abhängige Nebenleistung rechtshängig geworden ist und die Verjährung dieses Anspruchs somit unterbrochen wurde und diese Unterbrechung noch fortdauert.50 Den Zielsetzungen der Verjährung – genannt werden Schuldnerschutz und Rechtsfrieden – werde genügt, wenn der Gläubiger seinen Nebenanspruch innerhalb der Verjährungsfrist durch Erhebung der Klage geltend mache. Der Schuldner könne sich frühzeitig auf seine Rechtsverteidigung einrichten und entsprechend disponieren, während der Gläubiger seinerseits das zur raschen Klärung des Rechtsverhältnisses Erforderliche veranlasst habe. Es bestehe in einem solchen Fall keine sachliche Rechtfertigung mehr, die Verfolgbarkeit des Anspruchs auf die Nebenleistung von der Verfolgbarkeit des Hauptanspruchs abhängig zu machen. Sinn und Zweck des § 224 BGB a. F. sei es, dem Schuldner, der gegen den Hauptanspruch Verjährung einwenden kann, vor der Ungewissheit zu bewahren, ob er später noch wegen abhängiger Nebenleistungen in AnBGHZ 128, 74, 77 f.; ebenso Siegmann, JuS 1996, 290, 292. § 558 BGB in der bis zum 31.08.2001 geltenden Fassung. §§ 535 bis 580a BGB neu gefasst durch Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19.06.2001, BGBl. 2001 I, S. 1149, in Kraft getreten am 01.09.2001. 47 Für diesen galt ebenfalls die kurze Verjährung von sechs Monaten, durch Einreichung der Klage wurde die Verjährung jedoch unterbrochen, BGHZ 128, 74, 81 f.; Peters, JZ 1995, 626 f.; Siegmann, JuS 1996, 290, 291 f. 48 BGHZ 128, 74, 82 ff. Dem folgend Siegmann, JuS 1996, 290, 292 f. 49 BGHZ 128, 74, 80. 50 BGHZ 128, 74, 82; ebenso Siegmann, JuS 1996, 290, 292. 45
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spruch genommen wird. Dieses Schutzes bedürfe er nicht, wenn die Nebenansprüche bereits rechtshängig seien.51 Im Ergebnis hat der BGH mithin den Anwendungsbereich des § 224 BGB a. F. teleologisch reduziert,52 um das Ziel der Verjährungsvorschriften zur Geltung zu bringen: Weil der Schuldner hier des Schutzes der Verjährung nicht bedarf, ist der § 224 BGB a. F., der diesen Schutz gewährt, in seinem Anwendungsbereich zu beschränken. In der bereits oben53 dargestellten Entscheidung NJW-RR 2010, 1438 hat der BGH die Verjährungshemmung auch bei einer unwirksamen Zustellung eintreten lassen, weil im Einzelfall trotz der Unwirksamkeit der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB gewahrt wurde.54
III. Gleichrangigkeit der Hemmungstatbestände Da für jeden der Hemmungstatbestände andere verfahrensrechtliche Vorschriften maßgebend sind, divergieren die Voraussetzungen für eine fehlerfreie 51 BGHZ 128, 74, 83. Zudem könne der weitere Zweck des § 224 BGB a. F., nämlich Rechtsstreitigkeiten über Nebenansprüche zu verhindern, wenn der Hauptanspruch verjährt sei, ohnehin nicht mehr erreicht werden, wenn der Nebenanspruch schon rechtshängig sei, BGHZ 128, 74, 83 f. Weiterhin wird noch auf § 211 BGB a. F. verwiesen, der die Verjährung eines rechtskräftigen Anspruchs vor rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Erledigung nur zulassen wolle, wenn der Prozess zum Stillstand komme, BGHZ 128, 74, 84. Siegmann, JuS 1996, 290, 293 hält § 211 BGB a. F. insoweit gegenüber § 224 BGB a. F. für spezieller. 52 Ebenso Siegmann, JuS 1996, 290, 293. 53 5. Kap., B) II. (S. 169). 54 Wörtlich heißt es in BGH NJW-RR 2010, 1438, 1439 (Rn. 16): „Aber das [Eintritt der Hemmung nur bei wirksamer Zustellung] bedeutet nicht, die Hemmung der Verjährung im Fall der unwirksamen Zustellung ausnahmslos nicht eintreten zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelfall Sinn und Zweck der Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gewahrt sind. Sie bestehen zum einen darin, sicherzustellen, dass ein Anspruch nicht verjährt, wenn der Anspruchsinhaber angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen, hier also den Erlass des Mahnbescheids beantragt hat. Zum anderen soll der Anspruchsgegner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm in unverjährter Frist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird. Beides wird nicht nur durch die wirksame Zustellung des Mahnbescheids, sondern auch dadurch erreicht, dass der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter Zeit von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird. In einem solchen Fall befinden sich beide Parteien im Hinblick auf den Eintritt der Verjährungshemmung in derselben Lage, in der sie sich bei einer wirksamen Zustellung befänden. Gleichwohl die nochmalige Zustellung des Mahnbescheids zu verlangen, bedeutet ein unnötiges Beharren auf der Einhaltung einer Förmlichkeit, die nicht einmal das Gesetz für den Eintritt der Verjährungshemmung in jedem Fall verlangt.“
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
Rechtsverfolgungsmaßnahme erheblich. Dies resultiert aus der Regelungsstruktur des § 204 Abs. 1 BGB und ist daher Konsequenz der Entscheidung des Gesetzgebers. Gleichzeitig geht aber insbesondere die Rechtsprechung von der Gleichrangigkeit der verschiedenen Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB aus.55 Die Formulierung in § 209 Abs. 2 BGB a. F. („Der Erhebung der Klage stehen gleich:“) brachte die Gleichrangigkeit der Unterbrechungstatbestände deutlich zum Ausdruck, sodass diese auch vor Inkrafttreten des SchRModG anerkannt war.56 Der Gläubiger soll daher nicht gezwungen sein, eine der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Maßnahmen vorrangig zu ergreifen.57 Der Grundsatz der Gleichrangigkeit der einzelnen Hemmungstatbestände hat dabei konkrete Auswirkungen auf die Rechtsanwendung, da die Rechtsprechung diesen bereits mehrfach zur Begründung von Entscheidungen herangezogen hat.58 Aus dem Gleichrang der Hemmungstatbestände kann mithin das Erfordernis einer einheitlichen Handhabung abgeleitet werden.59 Eine solche wird aber aufgrund der für die Beurteilung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen maßgeblichen verfahrensrechtlichen Anknüpfung erschwert, weil diese zu einem weiteren Auseinanderdriften der ohnehin schon heterogenen Hemmungstatbestände60 führt. Zugleich wird der Gläubiger von bestimmten Maßnahmen des § 204 Abs. 1 BGB Abstand nehmen, wenn sich diese für den von ihm verfolgten Anspruch als besonders gefahrträchtig erwiesen haben. So hat sich beispielsweise bei der Individualisierung gezeigt, dass diese vor allem beim Mahnbescheid deutlich schwerer zu realisieren sein kann als bei der Verjährungshemmung mittels Klage. Insbesondere dann, wenn sich die geltend gemachte Forderung aus verschiedenen prozessualen Ansprüchen zusammensetzt oder ihre Darlegung nicht knapp und einfach erfolgen kann, ist von einer Hemmung nach 55 Insb. BGHZ 160, 259, 262. Siehe zudem VGH Kassel, Urt. v. 09.12.2011, Az. 8 A 909/11, Rn. 54 (zit. n. juris); OLG Frankfurt WM 2014, 2361, 2362; Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 174; H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 344, 348 („gleichwertig“). Vgl. auch Kähler, NJW 2006, 1769, 1773; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 40 („m. überzeugender Begr.“); Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 48–100 (Überschrift zu III.: „Der Klageerhebung gleichstehenden Handlungen“). In diese Richtung ebenfalls BTDrucks. 14/6040, S. 91. 56 BGHZ 123, 337, 340, 342 f. Anders insoweit H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 348. 57 BGHZ 160, 259, 262. 58 BGHZ 160, 259, 262; BGHZ 123, 337, 340, 342 f. 59 Vgl. auch Kähler, NJW 2006, 1769, 1773. A. A. AG Hagen NJW-RR 2010, 71, 72. Siehe auch Fischer, LMK 2015, 371715: „Die beste Möglichkeit, die Hemmung der Verjährungsfrist zu erreichen, ist immer noch die Klage.“ 60 Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, JZ 2001, 684, 696. Vgl. auch Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279 m. Fn. 4.
A. Zusammenfassende Kritik an der gegenwärtigen Handhabung
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§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB abzuraten und ein Vorgehen gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu wählen, da dieses den sichereren Weg darstellt.61 Gleiches gilt für den Fall, in welchem eine Verjährungshemmung durch Streitverkündung in Betracht kommt: Besteht die Möglichkeit, dass das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 ZPO verneint,62 ist es ratsam, von dieser Rechtsverfolgungsmaßnahme abzusehen und stattdessen sofort Klage zu erheben. Bei dieser Konstellation wird das Dilemma des Gläubigers besonders deutlich: Während ihm beim Verzicht auf die Hemmungsoption nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur die Möglichkeit einer raschen Titulierung entgeht, kann die an Stelle eines Vorgehens nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB erhobene Klage nutzlos sein und unnötige Kosten verursachen. Damit werden § 204 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 6 BGB als Hemmungstatbestände für bestimmte Ansprüche entwertet. Gegen den Grundsatz der Gleichrangigkeit aller Hemmungstatbestände spricht auch nicht, dass die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Maßnahmen in unterschiedlicher Intensität auf das Vorstellungsbild des Schuldners einwirken: So werden in der Regel eine Klage oder ein Mahnbescheid, die auf die Erlangung eines rechtskräftigen Titels gerichtet sind, dem Schuldner den Rechtsverfolgungswillen des Gläubigers deutlicher vor Augen führen als der Beginn eines Begutachtungsverfahrens oder auch die Zustellung der Streitverkündungsschrift. Gleichwohl hat der Gesetzgeber aber alle diese Fälle in § 204 Abs. 1 BGB zusammengefasst und es für gerechtfertigt gehalten, an sie den Eintritt der Verjährungshemmung zu knüpfen. Er hat hiermit zum Ausdruck gebracht, dass die unterschiedliche Intensität der Rechtsverfolgungsmaßnahme keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt.63 Dem Gesetzesvorschlag von Peters/ Zimmermann, der zwischen solchen Rechtsverfolgungsmaßnahmen, die auf Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels gerichtet sind und solchen, die nicht zur Titulierung führen können, trennte,64 ist der Gesetzgeber nicht gefolgt.65 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 55; Klose, MDR 2010, 11, 12. Hierzu unten 7. Kap., C) VI. (S. 296). 63 BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060: „Das Gesetz hat die Unterbrechung der Verjährung nach § 209 I BGB an die Klageerhebung geknüpft. Der Berechtigte gibt durch eine Prozeßhandlung unmißverständlich zu erkennen, daß er nunmehr sein Recht im Prozeßweg durchsetzen will […]. Diesen ernsthaften Willen des Berechtigten unterstellt der Gesetzgeber in den der Klageerhebung gleichgestellten, in den §§ 209 II, 210, 220 BGB sowie in Sonderbestimmungen (z. B. § 27a UWG) ausdrücklich geregelten Fällen.“ Ebenso H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 348. 64 §§ 205, 206 des Vorschlags einerseits und § 207 des Vorschlags andererseits, siehe Peters/Zimmermann, Gutachten Verjährungsfristen, S. 77, 316 f., Erläuterung zum Gesetzesvorschlag S. 308 f., 321 f. 65 BT-Drucks. 14/6040, S. 113. 61
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
IV. Zusammenfassung Aus dem Vorstehenden folgt nicht, dass jeder fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahme Hemmungswirkung beizumessen ist. Kritikwürdig ist mithin nicht, dass bei bestimmten Fehlern der Eintritt der Rechtsfolge verneint wird, sondern dass der Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob Hemmung eintritt oder nicht, im Grundsatz das Verfahrensrecht mit den dort geltenden Fehlerfolgen ist. Maßgebend muss jedoch vielmehr sein, ob – unabhängig von ihrer verfahrensrechtlichen Bewertung – die fehlerhafte Rechtsverfolgungsmaßnahme geeignet ist, den Schuldner hinreichend zu warnen. Geht von einer Rechtsverfolgungsmaßnahme für den Schuldner eine Warnwirkung aus, die diesen veranlassen muss, sich auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus einzustellen, dann ist es zur Verwirklichung des mit § 204 BGB verfolgten Sinn und Zwecks notwendig, die Hemmung nach Abs. 1 eintreten zu lassen, ohne dass die verfahrensrechtlichen Folgen des Fehlers eine Rolle spielen dürfen.
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes für die Behandlung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen I. Der mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgte Sinn und Zweck als maßgebendes Kriterium Die Handhabung verfahrensfehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen muss dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB gerecht werden. Das bedeutet, dass diesen die Hemmungswirkung nur dann zu versagen ist, wenn sie beim Schuldner nicht zu einer hinreichenden Warnung führen. 1. Die Warnung des Schuldners als tatsächlicher Umstand An die Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB die Rechtsfolge Verjährungshemmung zu knüpfen ist deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner durch die Konfrontation mit der Rechtsverfolgungsmaßnahme gewarnt wird. Dabei ist es eine tatsächliche und keine rechtliche Frage, ob durch die Maßnahme derart auf das Vorstellungsbild des Schuldners eingewirkt wurde, dass bei diesem der Warneffekt eintritt.66 Entscheidend ist, ob er aufgrund der Maßnahme davon ausgehen musste, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungszeit in 66
Vgl. auch Grothe, WuB IV. A. § 199 BGB 2.08: „Für die Abgrenzung zwischen unzu-
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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Anspruch genommen zu werden. Ist dies der Fall, ist es ihm zuzumuten, seine wirtschaftlichen Dispositionen auf diese Inanspruchnahme einzustellen und die Beweismittel weiterhin aufzubewahren.67 Der Zweck des § 204 Abs. 1 BGB ist mithin dann erfüllt, wenn dem Schuldner aufgrund der Rechtsverfolgungsmaßnahme bewusst geworden ist, dass der Gläubiger seinen Anspruch noch realisieren will, er also dessen Rechtsdurchsetzungswillen kennt. Ob der Schuldner diesen Willen des Gläubigers erkennen konnte, ist aber unabhängig von der verfahrensrechtlichen Bewertung der Maßnahme, sondern hängt allein davon ab, welche Wirkungen diese beim Schuldner auslöst oder auslösen musste.68 Wird dem Schuldner beispielsweise eine Klage zugestellt, die, obwohl am Landgericht eingereicht, nur die Unterschrift der Partei selbst enthält, ist für die Frage, ob diese Klage die Verjährung hemmt, entscheidend, ob ihr der Rechtsdurchsetzungswille des Klägers entnommen werden kann oder nicht. Ist dies der Fall, wurde der Schuldner ausreichend gewarnt, sodass der mit § 204 Abs. 1 BGB angestrebte Sinn und Zweck erreicht und daher auch Verjährungshemmung zu bejahen ist. Es kann dann vom Schuldner erwartet werden, dass er sich auf die Inanspruchnahme einstellt. Welche prozessrechtlichen Folgen der Tatsache beizumessen sind, dass nicht, wie nach § 78 Abs. 1 ZPO erforderlich, ein Rechtsanwalt die Klage unterschrieben hat, bleibt hingegen außer Betracht. Löst man sich von der gegenwärtigen Handhabung, zeigt sich, dass die verfahrensrechtliche Bewertung keinerlei Einfluss darauf hat, welche Wirkung die Maßnahme beim Schuldner auslöst. Nur weil die Differenzierung zwischen unwirksamen Rechtsverfolgungsmaßnahmen einerseits und deren Unzulässigkeit andererseits allgemein anerkannt ist, meint der rechtlich informierte Schuldner, dass er sich von einer – unterstellt – unwirksamen Klage nicht gehemmt fühlen muss. Dies resultiert jedoch aus der bisherigen Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen und lässt keinen Rückschluss darauf zu, welche Auswirkungen die Maßnahme in Wirklichkeit auf das Vorstellungsbild des Schuldners hat. Dass es im Wesentlichen auf die beim Schuldner eingetretene Warnung ankommt, ist im Grundsatz auch in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, soweit es um Fehler geht, die nicht zur Unwirksamkeit, sondern nur zur Unzuläslässigem und unwirksamem Antrag kommt es weniger auf verfahrensrechtliche Wertungen als vielmehr auf die Ratio des § 204 Abs. 1 BGB an.“ 67 Siehe oben 3. Kap., B) II. 2. (S. 52) und 6. (S. 71). 68 A. A. für die Klage im Ausland bei Geltung deutschen Sachrechts McGuire, Verfahrenskoordination, S. 226–228, die zwar die Anforderungen des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit „‚Manifestation des Rechtsverfolgungswillens’ seitens des Gläubigers einerseits und ‚Warnfunktion für den Schuldner‘ andererseits“ zusammenfasst, die Warnfunktion aber nur dann als erfüllt ansehen will, wenn die Klageerhebung und die Zustellung wirksam sind. Die verfahrensrechtliche Ordnungsmäßigkeit ist demnach für die Warnung konstitutiv.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
sigkeit führen. Der Schuldner werde auch durch unzulässige Maßnahmen gewarnt, sodass auch diese eine Hemmung auslösen können.69 Erkennt man damit im Ausgangspunkt an, dass der Eintritt der Warnung beim Schuldner der maßgebliche Gesichtspunkt ist, ist es inkonsequent – ohne konkrete Prüfung im Einzelfall, ob diese Warnung wirklich eingetreten ist – unwirksamen Maßnahmen die Hemmungswirkung generell zu versagen, unzulässigen Maßnahmen hingegen diese grundsätzlich zuzusprechen. Trotz der hieran geäußerten Kritik70 zeigt der Beitrag von Regenfus, dass sich die Rechtsprechung des BGH in den dort diskutierten Fällen mit dem im Grundsatz allgemein anerkannten Telos des § 204 Abs. 1 BGB nicht in Einklang bringen lässt: Soll durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme die Warnung des Schuldners erreicht werden, ist nicht begründbar, weshalb für eine hinreichende Individualisierung auch die Erkennbarkeit für die Gütestelle notwendig sein soll.71 Auch entfällt die Warnung des Schuldners nicht, wenn der Gläubiger sich den Mahnbescheid erschleicht72 oder ein aussichtsloses Streitbeilegungsverfahren einleitet. Das Bestreben, einen übergeordneten Gesichtspunkt zu entwickeln, der diese Entscheidungen in einen dogmatischen Zusammenhang bringt, ist daher naheliegend. Regenfus sieht diesen im Beschleunigungsinteresse des Schuldners, welches innerhalb der Abwägung des § 242 BGB Berücksichtigung finden soll. Nach der hier vorgenommenen Kategorisierung könnte das Beschleunigungsinteresse als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, welches zugleich Mindestvoraussetzungen ist, verstanden werden. Die Lösung wäre dann innerhalb des § 204 Abs. 1 BGB auf Tatbestandsebene möglich und ein Rückgriff auf § 242 BGB nicht notwendig. Losgelöst von der Frage, ob die in Bezug genommenen Urteile die Ableitung dieser ungeschriebenen Voraussetzung tragen und ein solches Beschleunigungsinteresse tatsächlich besteht,73 wird durch Anerkennung dieses Schuldnerbelangs eine Rechtsprechung manifestiert, die nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls insoweit verfehlt ist, als sie nach wie vor an die verfahrensrechtliche Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme anknüpft. Sie sollte daher nicht als Grundlage herangezogen werden, um allgemeine Grundsätzen zu entwickeln, die sodann für alle Hemmungstatbestände gelten sollen.
69 BGHZ 160, 259, 262 ff.; BGHZ 104, 268, 273; BGHZ 80, 222, 226; Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 282; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 315 f., 323; Tiedtke, BB 1981, 1920; Hierzu schon oben 3. Kap., C) II. 3. (S. 101). 70 Hierzu ausf. oben 3. Kap., C) II. 1. d) (S. 95). 71 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2979. 72 Regenfus, NJW 2016, 2977, 2979. 73 Dagegen bereits oben 3. Kap., C) II. 1. d) (S. 95).
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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2. Der neue – schuldnerorientierte – Beurteilungsmaßstab Das Telos des § 204 Abs. 1 BGB wird daher bei der Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen nur dann gewahrt, wenn der Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB davon abhängig gemacht wird, ob auf Seiten des Schuldners eine Warnung erreicht wurde. Hierfür genügt es, dass der äußeren Form nach eine Rechtsverfolgungsmaßnahme im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn diese geeignet ist, den Sinn und Zweck der Norm zu verwirklichen. Die Erreichung der Warnfunktion hängt somit nicht von der verfahrensrechtlichen Wirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme ab, sondern die Warnung kann auch dann eintreten, wenn nur der äußere Anschein einer solchen gegeben ist. § 204 Abs. 1 BGB knüpft die Hemmung an die Einleitung der dort genannten förmlichen Verfahren. Sinn und Zweck dieser Vorschrift fordern es, die Betonung auf „Verfahren“ zu legen und es daher ausreichen zu lassen, wenn ein solches eingeleitet und zumindest teilweise durchgeführt wird, wenn hiermit dem mit der Norm verfolgten Ziel genüge getan ist. Zugleich muss nicht jeder zulässigen Rechtsverfolgungsmaßnahme eine Warnfunktion zukommen. Der oder die Fehler können dazu führen, dass die Warnfunktion entfällt. Daher ist die bisher geltende verfahrensrechtliche Beurteilung aufzugeben und durch einen schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab zu ersetzen. Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 BGB tritt daher immer dann ein, wenn die Rechtsverfolgungsmaßnahme aus Sicht eines objektiven Dritten in der Person des Schuldners den Rechtsdurchsetzungswillen hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, sodass der Schuldner gewarnt war oder gewarnt sein musste. Maßstab hierfür ist die Auslegung der Rechtsverfolgungsmaßnahme anhand von §§ 133, 157 BGB analog. Damit kann auf die anerkannten Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden, wodurch das notwendige Maß an Rechtssicherheit erreicht wird. Da, wie im 3. Kapitel (S. 45) herausgearbeitet, die Verjährung ausschließlich dem Individualschutz des Schuldners dient, kann gegen diesen schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab auch nicht angeführt werden, dass Interessen der Allgemeinheit nicht hinreichend gewahrt würden.74 Mit dem schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab ist keine Aufgabe der jeweiligen verfahrensrechtlichen Anforderungen verbunden. Es bleibt auch nach der hier vertretenen Handhabung dabei, dass der Gläubiger gehalten ist, die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen vollständig zu erfüllen. Dies zum EiSiehe oben 3. Kap., B) II. 5. (S. 69) und 6. (S. 71). So auch schon M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 584: „Die primär auf den Schuldnerschutz ausgerichteten Zwecke der Verjährung sprechen entschieden dafür, auch den Umfang des Schutzes und die Voraussetzungen der Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung konsequent an den Schutzinteressen des Schuldners auszurichten.“ 74
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
nen, weil er nur so sicherstellen kann, dass die Warnung auf Schuldnerseite eintritt, da diese Wirkung der Rechtsverfolgungsmaßnahme jedenfalls dann zukommt, wenn sie fehlerfrei ist. Zum Zweiten kann eine Entscheidung in der Sache immer nur dann ergehen, wenn im weiteren Verfahrensverlauf der verfahrensrechtliche Fehler behoben wird. Nur für die Beurteilung der Frage, ob die materiell-rechtliche Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB eingetreten ist, kommt es auf die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht an. Durch den schuldnerorientierten Maßstab werden, jedenfalls insgesamt betrachtet, die Anforderungen an den Eintritt der Verjährungshemmung reduziert. Es wird daher bei fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen öfter als nach der gegenwärtigen Handhabung eine Hemmung der Verjährung eintreten. Dies ist aber geboten, weil hierdurch der mit § 204 Abs. 1 BGB angestrebte Sinn und Zweck zur Geltung gebracht wird und zudem die Reduzierung der Anforderungen auch aus anderen Gründen gerechtfertigt ist.75
II. Die sich aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen an die Rechtsverfolgungsmaßnahme Notwendig für den Eintritt der Hemmungswirkung ist somit, dass die Rechtsverfolgungsmaßnahme die Warnfunktion erfüllt. Hierfür ist zum Einen erforderlich, dass der Schuldner ihr den Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers entnehmen kann, zum Zweiten muss er erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird. 1. Erkennbarkeit des Rechtsdurchsetzungswillens a) Initiierung einer in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahme Zur Dokumentation seines Rechtsdurchsetzungswillens ist der Gläubiger auf die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen sowie die diesen gesetzlich gleichgestellten Akte76 beschränkt. Auch der noch so nachdrücklichen außergerichtlichen Mahnung kommt daher die Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB nicht zu.77 Bedient sich der Gläubiger einer der Maßnahmen des § 204 Abs. 1 BGB ist anhand von §§ 133, 157 BGB analog zu beurteilen, ob durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme der Rechtsdurchsetzungswille des 75
Hierzu unten 6. Kap., C) (S. 251). Z. B. § 404 Abs. 2 StPO. 77 De lege ferenda für eine hemmende Wirkung auch der außergerichtlichen Mahnung Piekenbrock, Verjährung, S. 463. 76
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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Gläubigers hinreichend deutlich wird, der Schuldner also erkennen konnte, dass es dem Gläubiger mit der Realisierung seines Anspruchs ernst ist. b) Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners von der Rechtsverfolgungsmaßnahme Da im Vorstellungsbild des Schuldners eine Veränderung erfolgen muss, kann die Warnung grundsätzlich nur dann eintreten, wenn dieser von der Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme erfährt. Es genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Wahrung schützenswerter Gläubigerinteressen jedoch, wenn der Schuldner die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte.78 Auch hier ist der Eintritt der Warnung als tatsächlicher Umstand grundsätzlich nicht davon abhängig, dass der Kundgabetatbestand bestimmte formale Anforderungen erfüllt, sondern es genügt, dass die tatsächliche Kenntnisnahmemöglichkeit bestand. Etwas anderes gilt im Einzelfall nur dann, wenn der Fehler geeignet ist, der Rechtsverfolgungsmaßnahme die Ernstlichkeit zu nehmen, sodass der Rechtsdurchsetzungswille nicht mehr hinreichend deutlich wird und der Schuldner deshalb nicht gewarnt wurde. 2. Individualisierung des Anspruchs Die Warnung des Schuldners beseitigt die mit der Verjährung verfolgten Zwecke nur dann, wenn dieser weiß, welcher Anspruch konkret gegen ihn geltend gemacht wird: Er kann sich auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus nur dann in der notwendigen Weise einstellen, wenn er abschätzen kann, welche Beweismittel er zur Verteidigung bereithalten muss und auch für seine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit ist es entscheidend, welchen Umfang die streitigen Ansprüche haben.79 Ob der Schuldner weiß, welcher konkrete Anspruch gegen ihn erhoben wird, hängt dabei wiederum nicht von der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (bspw. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 487 Nr. 2 ZPO) oder der Erkennbarkeit für beteiligte Dritte (Gericht, Streitbeilegungsstelle) ab. Maßgeblich ist allein, ob dem Schuldner die vom Gläubiger gemachten Angaben genügen, um festzustellen, welcher Anspruch gegen ihn erhoben wird.80 Auch insoweit ist daher die Maßnahme gemäß §§ 133, 157 BGB analog auszulegen. 78
Hierzu bereits oben 3. Kap., C) II. 1. b) (S. 91) und noch unten 7. Kap., B) I. 1. (S. 277). 79 Ebenso Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 194 f. 80 So schon M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 585 f.: Auslegung der Anträge aus Sicht des Empfängerhorizontes des Schuldners.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
3. Zusammenfassung Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 BGB tritt somit ein, wenn die Auslegung der Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB – trotz des Verfahrensfehlers – ergibt, dass der Gläubiger mit dieser sein Recht durchsetzen wollte und der Schuldner der Maßnahme wenigsten im Wege der Auslegung analog §§ 133, 157 BGB entnehmen kann, welcher Anspruch konkret geltend gemacht wird. Leidet die Rechtsverfolgungsmaßnahme an einem verfahrensrechtlichen Fehler, tritt die Hemmungswirkung nur dann nicht ein, wenn dieser dazu führt, dass der Maßnahme der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers nicht mehr entnommen werden kann oder nicht deutlich wird, welcher Anspruch geltend gemacht wird. Ergibt hingegen die Auslegung der Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB, dass diese trotz eines oder mehrerer Fehler, den Rechtsverfolgungswillen zum Ausdruck bringt und mit ihr auch eine Individualisierung des Anspruchs möglich ist, tritt die Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB ein. Weder jeder einzelne Fehler für sich noch die Kumulation dieser Fehler sind dann relevante Fehler im oben beschriebenen Sinne. Ob es sich bei einem Verfahrensfehler um einen relevanten Fehler handelt, hängt mithin davon ab, ob dieser der Maßnahme die Erkennbarkeit des Rechtsdurchsetzungswillens nimmt oder dazu führt, dass eine Individualisierung des Anspruchs nicht möglich ist. Die Bestimmung kann somit nicht abstrakt, sondern nur konkret für den Einzelfall erfolgen. Damit kann grundsätzlich jeder Fehler ein relevanter Fehler oder – in einem anderen Zusammenhang – ein nicht relevanter Fehler sein. Mindestanforderung sind daher schlicht die Warnung des Schuldners und die Individualisierung des Anspruchs. Dieser auf den Einzelfall abstellende Fehlerbegriff ermöglicht eine Umsetzung des mit § 204 Abs. 1 BGB angestrebten Telos und schafft so die Voraussetzungen für ein im Einzelfall angemessenes Ergebnis. Ein Verlust an Rechtssicherheit ist hiermit nicht verbunden, weil durch die analoge Anwendung der §§ 133, 157 BGB auf gesicherte Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann und für alle Hemmungstatbestände ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab geschaffen wird, sodass gegenüber der bisherigen Handhabung mehr Rechtsklarheit erreicht wird.81
III. Konkretisierung der Anforderungen Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob die Maßnahme des § 204 Abs. 1 BGB die Verjährung hemmt, ist mithin deren Auslegung analog §§ 133, 157 BGB. Die an diese Auslegung zu stellenden Maßstäbe sollen im Folgenden konkretisiert werden. 81
Siehe auch noch unten 6. Kap., C) II. 2. (S. 266).
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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1. Auslegung der fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB a) Auslegung von Prozesshandlungen Abgesehen von § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB werden die Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch Verfahrenshandlungen82 eingeleitet. Diese sind ebenso wie die Willenserklärungen des materiellen Rechts der Auslegung „zugänglich und bedürftig“83. Die Auslegung erfolgt analog §§ 133, 157 BGB, sodass auf die zu diesen Vorschriften entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann.84 Es kommt somit auch hier auf den objektiven Erklärungswert der Äußerung aus Sicht des Empfängers an.85 Bei Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens nach § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB finden die §§ 133, 157 BGB direkte Anwendung. Für die vorliegende Fragestellung ist jedoch eine Ausnahme von den sonst für die Auslegung von Prozesshandlungen geltenden Grundsätze zu machen: Es ist anerkannt, dass auch die objektive Bedeutung der Erklärung für das Gericht für die Auslegung maßgebend ist.86 Die Erkennbarkeit für dieses darf jedoch – soweit es um den Eintritt der materiell-rechtlichen Wirkung der Verjährungshemmung geht – keine Rolle spielen. Es ist vielmehr allein das Verständnis des Verfahrensgegners, das heißt des Schuldners, wesentlich, weil die materiellen 82 Mit Verfahrens- oder Prozesshandlungen sind im Folgenden nur die Handlungen der Parteien, nicht die des Gerichts gemeint, siehe Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 237. Zur Auslegung von Prozesshandlungen, auch zur Geschichte, Henke, ZZP 112 (1999), 397–438. 83 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 18. Jeweils für die Auslegung der Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung: BGH NJW-RR 2013, 394, 395 (Rn. 13); BGH NJW-RR 2013, 458 (Rn. 5); BGH NJW-RR 2008, 582, 583 (Rn. 7). 84 BGH FamRZ 2001, 1703, 1704; BGHZ 22, 267, 269; Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277 (entsprechende Anwendung der zur Auslegung materiell-rechtlicher Rechtsgeschäfte entwickelten Rechtsgrundsätze); Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 431 (entsprechende Anwendung); Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 25 (für die Klageschrift); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 22; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 27; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33 („zumindest ihrem Grundsatz nach entsprechende Anwendung“); Henke, ZZP 112 (1999), 430, 437. 85 BGH NJW-RR 2013, 394, 395 (Rn. 13); BGH NJW-RR 2013, 458 (Rn. 5); BGH NJWRR 2008, 582, 583 (Rn. 7); Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33; Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 431. 86 BGH NJW 2017, 2472, 2473 (Rn. 19, 21); BGH, Urt. v. 03.09.2016, Az. III ZR 347/14, Rn. 16 (auch die Sicht der Gütestelle ist maßgeblich, zit. n. juris); BGH NJW-RR 2013, 394, 395 (Rn. 13); BGH NJW-RR 2013, 458 (Rn. 5); BGH NJW-RR 2010, 278, 279 (Rn. 9); BGH NJW-RR 2008, 582, 583 (Rn. 7); BGH NJW 2003, 3203, 3204 (Maßgeblich für die Auslegung der Rechtsmittelschrift sind die dem Rechtsmittelgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist zugänglichen Umstände); Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33; Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 43.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
Rechtsfolgen nur in diesem Verhältnis eintreten können und für die Frage, ob der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB erreicht wird, nur das Verständnis des Schuldners von Bedeutung ist.87 Ob durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme die Warnfunktion beim Schuldner erfüllt wird, hängt davon ab, ob die Maßnahme geeignet war, in entsprechender Weise auf dessen Vorstellungsbild einzuwirken. Hierbei sind alle dem Schuldner zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen.88 Diese unterschieden sich von denen des Gerichts oder der sonstigen Stelle, da diese, jedenfalls zu Beginn des Verfahrens, keine Kenntnis über die gesamte Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner haben können. Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Informationen bleiben daher hinter denen des Schuldners zurück. Wäre somit auch die Sicht des Gerichts maßgeblich, könnte die Situation eintreten, dass aus dessen Sicht die an die Rechtsverfolgungsmaßnahme zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt sind, der Schuldner hingegen den Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers erkannt hat und auch weiß, welcher Anspruch geltend gemacht wird. In einem solchen Fall den Eintritt der Hemmungswirkung zu verneinen, würde dem Telos des § 204 Abs. 1 BGB nicht gerecht. Diese Unterscheidung dürfte insbesondere bei der Frage der hinreichenden Individualisierung des Anspruchs relevant werden. Anders formuliert ist somit für die Frage des Eintritts der materiell-rechtlichen Hemmungswirkung nicht auch das Gericht, sondern nur der Schuldner Adressat der Prozesshandlung.89 Vorstehendes ist zudem deshalb gerechtfertigt, weil Ziel der Auslegung hier nicht die Ermittlung der gewollten Prozesshandlung als solche ist,90 sondern, ob dieser Prozesshandlung ein bestimmter Wille, nämlich der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers, innewohnt. Zur Auslegung kann daher vollumfänglich auf die zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, Einschränkungen, die sich daraus ergeben, dass auch das Gericht Adressat ist, sind, soweit es um die Feststellung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Individualisierung geht, nicht zu berücksichtigen.
M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 586. Hierzu sogleich 6. Kap., B) III. 1. b) (S. 243) u. c) (S. 245). 89 Vgl. Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 268 f.; Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 43. 90 Bspw. Wiedereinsetzung oder Einspruch, vgl. Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 278; (bedingte) Berufungseinlegung oder PKH-Antrag mit Entwurf einer Berufungsschrift, vgl. BGH FamRZ 2001, 1703, 1704; Antrag auf Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist statt der Berufungsbegründungsfrist, vgl. BGH NJW-RR 1994, 568. 87
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B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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b) Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB Ausgangspunkt der Auslegung ist zunächst der Wortlaut der Erklärung,91 wobei aber nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften geblieben werden darf (§ 133 BGB), sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen ist.92 Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Partei das prozessual Vernünftige anstrebt und das erreichen will, was ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht.93 Der Erklärungsinhalt wird jedoch, wie im materiellen Recht auch,94 nicht allein durch die tatsächlichen Interessen des Erklärenden bestimmt, sondern diese müssen auch äußerlich in Erscheinung treten, um berücksichtigt werden zu können.95 Maßgebend ist hierbei der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden,96 wobei die durch die Formulierung der Erklärung gezogenen Auslegungsgrenzen zu beachten sind.97 Dass für die Auslegung nur solche Umstände herangezogen werden können, die der Schuldner bei Fristablauf, hier der Ablauf der Verjährungsfrist, kannte,98 ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Verjährung und Verjährungshemmung: Aus den gleichen Gründen, aus denen die Rechtsverfolgungsmaßnahme in der 91 BGHZ 195, 126, 131 (Rn. 18); BGH NJW 2010, 2422, 2425 (Rn. 33); BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; BGHZ 124, 39, 44 f.; Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 59; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 23; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 45; Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 14; NK-BGB/Looschelders, § 133 Rn. 30, 68; Wolf/Neuner, AT BGB, § 35, Rn. 5. 92 BGH NJW-RR 2010, 275, 276 (Rn. 9); BGH NJW 2007, 769, 770; BGH NJW 2008, 2702, 2704 (Rn. 30); BGH FamRZ 2001, 1703, 1704; BGH NJW-RR 1989, 508, 509; Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 27; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 19. 93 BGH NJW 2011, 2874, 2875 (Rn. 13); BGH NJW-RR 2010, 275, 276 (Rn. 9); BGH NJW 2007, 769, 770; BGH NJW-RR 2005, 371, 372; BGHZ 147, 220, 224; BGHZ 146, 298, 310; BGH NJW-RR 1994, 568; OLG Dresden NJW-RR 2001, 792; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 19; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 27; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33. 94 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12. 95 BGH NJW-RR 2010, 275, 276 (Rn. 9); BGH FamRZ 2001, 1703, 1704; Kern, in: Stein/ Jonas23, vor § 128 Rn. 277; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 19: Es kommt nicht auf den verborgenen inneren Willen an. 96 BGH NJW-RR 2010, 278, 279 (Rn. 8 f.); Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33. 97 BGH NJW-RR 2010, 275, 276 (Rn. 9); BGH NJW-RR 2005, 371, 372; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33; Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 59; Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 279. 98 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 309, 310 (Rn. 17); BGH NJW-RR 2010, 278, 279 (Rn. 9); BGH NJW 2006, 3777, 3778 (Rn. 18); BGH NJW 2003, 3203, 3204; BGH NJW 1988, 2878, 2879; Wendtland, in: BeckOK BGB, § 133 Rn. 33; Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277; Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 9.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
Gestalt zu bewerten ist, wie sie am letzten Tag der Frist vorlag, können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die dem Schuldner zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Relevant sind dabei aber auch alle Nebenumstände, die der Schuldner kennt.99 Weil es auf die Sicht des Gerichts insoweit nicht ankommt, können auch alle außergerichtlichen Umstände, die nur der Schuldner weiß, zur Auslegung herangezogen werden. Der Gedanke des Verkehrsschutzes verbietet es damit einerseits allein den wirklichen Willen des Erklärenden, das heißt hier des Gläubigers, zum Maßstab der Auslegung zu erheben. Andererseits ist es zur Wahrung des Verkehrsschutzes nicht notwendig, darauf abzustellen, welche Bedeutung die Erklärung für jedermann, das heißt „für einen beliebigen vernünftigen Teilnehmer am Rechtsverkehr hat“.100 Entscheidend ist daher „die Verständnismöglichkeit dessen, für den eine Willenserklärung bestimmt ist, regelmäßig also der Horizont des Erklärungsempfängers“101, hier also des Schuldners. Unter Empfängerhorizont ist wiederum „die Gesamtheit des Materials, das dem hypothetischen Ausleger zugerechnet wird, sowohl das Umstandswissen wie das Regelwissen, also sowohl die Kenntnis der vorausgegangenen Verhandlungen, begleitenden Umstände, als die Kenntnis von Sprache und Verkehrssitte“102 zu verstehen. Unter Berücksichtigung der den Erklärungsempfänger treffenden Anforderungen an Sorgfalt und Aufmerksamkeit103 ist daher für die Auslegung von empfangsbedürftigen Erklärungen darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger diese nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste.104 Dem Erklärungsempfänger ist dabei zuzumuten, auf alle Erkenntnismöglichkeiten, die ihm bei gehöriger Anstrengung zur Verfügung stehen, zurückzugreifen. Den Erklärungsempfänger trifft somit eine Auslegungssorgfalt, wonach er „anhand aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände den Sinn der 99 Vgl. Kern, in: Stein/Jonas23, vor § 128 Rn. 277. Enger mglw. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 19: Berücksichtigung der aus den Akten erkennbaren Umstände. 100 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12, 13. 101 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12. Außerdem BGH NJW 2011, 1666, 1667 (Rn. 11); BGH NJW-RR 2011, 309, 310 (Rn. 17); BGH NJW 2009, 774, 776 (Rn. 25); BGHZ 47, 75, 78; BAG NJW 2011, 1531, 1532 (Rn. 21); Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 14. 102 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12 nach Heck, AcP 112 (1914), 1, 43. 103 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12. 104 BGHZ 195, 126, 132 (Rn. 18); BGH NJW 2011, 1666, 1667 (Rn. 11); BGH NJW-RR 2011, 309, 310 (Rn. 17); BGH NJW 2010, 2422, 2425 (Rn. 33); BGH NJW 2009, 774, 776 (Rn. 25); BGH NJW 2008, 2702, 2704 (Rn. 30); BGH NJW 1990, 3206; BGH NJW 1988, 2878, 2879; BGHZ 47, 75, 78; BGHZ 36, 30, 33; BAG NJW 2006, 2284, 2286 (Rn. 25); Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 12, 28; Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 9; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 18; Wolf/Neuner, AT BGB, § 35, Rn. 11. Siehe auch BGHZ 103, 275, 280.
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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Erklärung zu erforschen“105 hat.106 Der konkrete Sorgfaltsmaßstab hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls, zum Beispiel auch dem geschäftlichen Umfeld, ab.107 Der Schuldner als Erklärungsempfänger muss daher das Gesamtverhalten des erklärenden Gläubigers einschließlich sämtlicher Nebenumstände, die auf den Sinngehalt der Erklärung schließen lassen, berücksichtigen, soweit sie ihm bekannt oder erkennbar waren. In die Auslegung einzubeziehen sind daher der mit der Erklärung verfolgte (wirtschaftliche) Zweck, die Interessen lage der Parteien, die Vertragshistorie, Geschäftsgepflogenheiten, die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse sowie Vorverhandlungen und Vorbesprechungen.108 c) Bedeutung dieser Kriterien für die Ermittlung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Feststellung der Individualisierung Das Verbot der buchstäblichen Auslegung spielt für die Auslegung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen allenfalls dann eine Rolle, wenn es darum geht, ob der Gläubiger eine der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Maßnahmen ergriffen hat. Auch der Grundsatz, dass die Partei das Vernünftige will, also das, was ihre Interessen verwirklicht, kann nur in sehr eingeschränktem Maße zur Auslegung herangezogen werden. Dies schon deshalb, weil dieser Grundsatz eher das Gericht als Adressaten im Auge hat. Zudem wäre der Eintritt der Hemmung als rechtserhaltende Maßnahme für den Gläubiger immer vernünftig und interessenwahrend, sodass die maßgeblichen Interessen des Schuldners nicht hinreichend berücksichtigt würden. Für die vorliegende Frage ist vielmehr entscheidend, ob der Rechtsverfolgungsmaßnahme mit den beschriebenen Auslegungskriterien der Rechtsdurchsetzungswille entnommen und ob mit ihr eine hinreichende Konkretisierung des Anspruchs erreicht werden kann. Ziel der Auslegung ist damit nicht zu ermitteln, welche Prozesshandlung der Gläubiger vornehmen wollte, sondern ob mit dieser Prozesshandlung der ihr in § 204 Abs. 1 BGB zugeschriebene materiell-rechtliche Zweck erreicht wurde. Dies ist immer dann zu bejahen, wenn die Rechtsverfolgungsmaßnahme fehlerfrei ist. Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 28. BGHZ 195, 126, 131 (Rn. 18); BGH NJW 2010, 2422, 2425 (Rn. 33); BGH NJW 2008, 2702, 2704 (Rn. 30); BAG NJW 2006, 2284, 2286 (Rn. 25); Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 18; Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 9; NK-BGB/Looschelders, § 133 Rn. 48; Wolf/Neuner, AT BGB, § 35, Rn. 17. 107 Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 28; Wolf/Neuner, AT BGB, § 35, Rn. 17. 108 BGHZ 195, 126, 131 (Rn. 18); BGH NJW 2011, 1666, 1667 (Rn. 11); BGH NJW 2010, 2422, 2425 (Rn. 33); BGH NJW-RR 2008, 683, 684 (Rn. 7); Busche, in: MüKo-BGB, § 133 Rn. 55; Singer, in: Staudinger, Neub. 2017, § 133 Rn. 8 (Mittel der Auslegung), Rn. 48 ff.; Palandt/Ellenberger, § 133 Rn. 15 ff.; Leenen, BGB AT, § 5, Rn. 65 ff. 105
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
Leidet diese aber an einem Verfahrensfehler, stellt sich die Frage, ob durch sie der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB dennoch erreicht wird. Das wesentliche Auslegungsmittel zur Feststellung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Bestimmung der Individualisierung ist daher zunächst der gesamte Inhalt der jeweiligen Rechtsverfolgungsmaßnahme nebst etwaigen Anlagen.109 Hierauf ist die Auslegung jedoch nicht beschränkt. Es sind vielmehr alle weiteren Begleitumstände zu berücksichtigen, auch wenn diese außerhalb des Verfahrens liegen. Dies ist im Rahmen der Verjährungshemmung auch nicht gänzlich neu, denn schon jetzt kommt vor- oder außergerichtlichen Umständen, wie beispielsweise vorprozessualem Schriftwechsel, bei der Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheid und bei der Offenlegung der Berechtigung des Gläubigers Bedeutung zu.110 2. Die Auslegung des Beteiligtenverhaltens bei § 203 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB Oben wurde dargestellt, dass auch die Hemmung durch Verhandlung nach § 203 BGB und der Neubeginn durch Anerkenntnis Komponenten der Rechtsdurchsetzung beinhalten.111 Ob die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt ist oder nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu beginnt, ist durch Auslegung des Verhaltens der Parteien bzw. des Schuldners zu ermitteln. Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften die Hemmung bzw. der Neubeginn der Verjährung eintritt, können zur Konkretisierung der Auslegungskriterien bei § 204 Abs. 1 BGB ebenfalls herangezogen werden. a) § 203 BGB Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, § 203 S. 1 BGB. Der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne dieser Vorschrift ist weit auszulegen.112 Hat der Gläubiger den Anspruch geltend 109
Vgl. BGH NJW-RR 2008, 582, 583 (Rn. 7): Auslegung der Parteibezeichnung. Zur Individualisierung oben 5. Kap., B) I. 3. b) (S. 154); zur Offenlegung der Berechtigung siehe BGHZ 78, 1, 6 und unten 8. Kap., B) II. 4. (S. 327). 111 Siehe 3. Kap., C) I. 2. c) (S. 86) und 3. Kap., C) III. (S. 101). 112 BGH NJW 2015, 1007, 1008 (Rn. 20); BGH NJW 2012, 3633, 3635 (Rn. 36); BGHZ 182, 76, 80 (Rn. 16); BGH NJW 2007, 587 (Rn. 10); BGH NJW 2004, 1654 (zu § 852 Abs. 2 BGB a. F.); Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 5a; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 5; Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578, 1581. Ausf. Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 103 ff. 110
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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gemacht, genügt im Anschluss jeder ernsthafte Meinungsaustausch der Parteien über den Anspruch oder seine tatsächliche Grundlage, „auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen darf, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird“113. Es reicht daher aus, wenn von einer Partei Erklärungen abgegeben werden, die von der anderen Partei dahingehend aufgefasst werden dürfen, dass der Erklärende bereit ist, die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang zu erörtern.114 Nicht notwendig ist, dass eine Bereitschaft zum Entgegenkommen, eine Vergleichsbereitschaft oder eine Aussicht auf Erfolg bestehen. Es genügt für den Eintritt der Hemmung vielmehr, dass überhaupt ein Meinungsaustausch stattfindet, sofern nicht der Anspruch sofort und eindeutig abgelehnt wird.115 Diese Bekundung der Gesprächsbereitschaft kann auch konkludent erfolgen.116 Wegen der in § 203 S. 2 BGB bestimmten Ablaufhemmung können auch Verhandlungen von ganz kurzer Zeit, die am Ende der ursprünglichen Verjährungszeit geführt werden, zu einem Hinausschieben des Verjährungsendes um bis zu drei Monate führen. Der Gläubiger kann daher auf einfachem Wege den Eintritt der Verjährung für mindestens drei Monate verhindern, wenn der Schuldner unachtsam ist und eine sofortige und eindeutige Zurückweisung des Anspruchs versäumt.117 Da es genügt, über die dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände zu verhandeln, ist es nicht notwendig, den Anspruch zu konkretisieren oder zu beziffern, solange erkennbar ist, um welchen Anspruch es geht.118 Ob Verhandlungen im vorstehend beschriebenen Sinn vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln;119 Gleiches gilt
113 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 7; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 5. 114 BGH NJW 2012, 2435, 2441 (Rn. 63); BGH NJW 2011, 1594, 1595 (Rn. 14); BGHZ 182, 76, 80 f. (Rn. 16); BGH NJW 2007, 587 (Rn. 10); BGH NJW-RR 2007, 1358, 1360 (Rn. 32); OLG Saarbrücken NJW-RR 2014, 917; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 7 f., Rn. 1; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 5a; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 5; Niedenführ, in: Soergel, § 203 Rn. 4; Palandt/Ellenberger, § 203 Rn. 2; Fischinger, VersR 2005, 1641, 1643. 115 BGH NJW 2012, 3633, 3634 (Rn. 36); BGH NJW 2012, 2435, 2441 (Rn. 63); BGH NJW 2011, 1594, 1595 (Rn. 14); BGHZ 182, 76, 81 (Rn. 16); BGH NJW 2007, 587 (Rn. 10); BGH NJW-RR 2007, 1358, 1360 (Rn. 32); BGH NJW 2004, 1654 f. (zu § 852 Abs. 2 BGB a. F.); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 8, 1; Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578, 1581. 116 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 10, 16; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 5. 117 Vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 203 Rn. 11. 118 BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BGHZ 189, 365, 376 (Rn. 51); Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 3; Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 7. 119 Vgl. BGH NJW 2011, 1594, 1595 (Rn. 15 f.); Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578, 1581
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
für deren Gegenstand.120 Es ist daher aus Sicht des Gläubigers zu beurteilen, ob dieser berechtigterweise annehmen durfte, der Schuldner lasse sich auf eine Erörterung ein.121 Es genügt hierbei, wenn der Gläubiger aufgrund der Reaktion des Schuldners den Eindruck gewinnt, dass dieser den Sachverhalt prüft.122 b) § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt. Ein solches Anerkenntnis muss nicht durch Rechtsgeschäft erfolgen;123 auch eine besondere Form ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr jedes, auch ein rein tatsächliches, Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger.124 Aus diesem muss sich klar und unzweideutig ergeben, dass dem Schuldner bewusst ist, dass der Anspruch, wenigstens dem Grunde nach, besteht und der Gläubiger deshalb darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen wird.125 Nach Peters/Jacoby126 gehört der Vertrauenstatbestand auf Gläubigerseite hingegen nicht zum Begriff des Anerkenntnisses. Dieses Vertrauen könne nur Folge des Anerkenntnisses sein, es sei aber nicht dessen Wesensmerkmal. Bestimmt man Sinn und Zweck des Neubeginns durch Anerkenntnis dahingehend, dass der Gläubiger zum Ersten von eigenen Maßnahmen absieht, den Eintritt der Verjährung zu verhindern, und dass zum Zweiten aufgrund des Aner(§§ 133, 157 BGB analog). Für das Ende von Verhandlungen BGH NJW 2017, 949, 952 (Rn. 20). 120 Palandt/Ellenberger, § 203 Rn. 3; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 173. 121 Fischinger, VersR 2005, 1641, 1643; Boemke/Dorr, NJOZ 2017, 1578, 1581. 122 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 5a; vgl. auch BGH NJW 2008, 576, 577 (Rn. 13). 123 Insb. ist kein Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB notwendig, Grunsky, NJW 2013, 1336; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 6. 124 Siehe Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 7, 28; Grothe, in: MüKoBGB, § 212 Rn. 6; Grunsky, NJW 2013, 1336. 125 BGH NJW 2015, 1589 (Rn. 8); BGH NJW 2012, 3633, 3634 (Rn. 29); BGH NJW 2012, 3229, 3230 (Rn. 11); BGH NJW 2012, 2180, 2183 (Rn. 29); BGH NJW 2012, 1293 (Rn. 10); BGH NJW-RR 2009, 455, 458 (Rn. 22); BGH 2007, 2843 (Rn. 12); BGH NJW 1981, 1955, 1956; OLG Celle NJW-RR 2007, 403, 404; Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 6; Henrich, in: BeckOK BGB, § 212 Rn. 2; Jauernig/Mansel, § 212 Rn. 2. 126 In: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 7. Dem folgend OLG Schleswig FamRZ 2013, 1973, 1974 f., dort auch w. N. Auch BGH WM 1970, 548, 549; Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 2; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 6; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 6 lassen für das Anerkenntnis genügen, dass sich aus dem Verhalten des Gläubigers das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt, ohne sich jedoch mit der Frage des Vertrauenstatbestandes auseinanderzusetzen.
B. Neubestimmung des Beurteilungsmaßstabes
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kenntnisses die mit dem Zeitablauf verbundene Unsicherheit entfällt, spricht dies dafür, für ein Anerkenntnis ein eindeutiges Verhalten des Schuldners, aus dem sich ergibt, dass die Schuld besteht, genügen zu lassen. Tritt jedoch infolge dieses Verhaltens beim Gläubiger ein entsprechender Vertrauenstatbestand nicht ein, muss aber gefragt werden, ob es nicht aus diesem Grund an einer zweifelsfreien Bestätigung der Schuld fehlt.127 Eine endgültige Klärung dieser Frage kann vorliegend dahinstehen. Entscheidend ist vielmehr, dass nach beiden Auffassungen anhand einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls durch Auslegung analog §§ 133, 157 BGB128 zu klären ist, ob im Verhalten des Schuldners ein Anerkenntnis liegt.129 Es kommt für die Frage des Neubeginns der Verjährung daher darauf an, ob der Gläubiger das Verhalten des Schuldners redlicherweise unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände als Anerkenntnis werten durfte.130 Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger aus dem Verhalten des Schuldners unzweifelhaft auf dessen Bewusstsein von seiner Leistungspflicht schließen durfte.131 Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind auch die außerhalb des Schuldnerverhaltens liegenden Begleitumstände, wie beispielsweise die Vorkorrespondenz der Parteien, wenn sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen, sowie deren Interessenlage zu berücksichtigen.132 Auch die Reichweite des Anerkenntnisses bestimmt sich durch Auslegung analog §§ 133, 157 BGB.133 c) Schlussfolgerung Zur Beantwortung der Frage, ob die in § 203 S. 1 BGB bzw. in § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB angeordnete Rechtsfolge eingetreten ist, muss das Handeln der Parteien ausgelegt werden. Weil auch diesen Tatbeständen Rechtsverfolgungselemente innewohnen, zeigt dies, dass es den §§ 203 ff. BGB nicht fremd ist, auch für die Einflussnahme auf den Lauf der Verjährung durch Rechtsverfolgung auf eine Auslegung des Parteihandelns nach §§ 133, 157 BGB analog zurückzugreifen. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 7. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 7; Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 2: §§ 133, 157 sind anzuwenden; Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 138. 129 BGH NJW 2015, 1589 (Rn. 7); BGH NJW 2012, 3633, 3634 (Rn. 30); BGH NJW 2012, 3229, 3230 (Rn. 12). 130 BGH NJW 2002, 2872, 2873; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 12. 131 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 22. 132 BGH NJW 2002, 2872, 2873 f.; BGH NJW 2015, 1589, 1590 (Rn. 10); Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 2. Zur umfangreichen Kasuistik Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 15 ff.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 22 ff. 133 Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 5. Die Vorschriften finden analoge Anwendung, da es sich beim Anerkenntnis um ein geschäftsähnliches Verhalten handelt, Grothe, in: MüKoBGB, § 212 Rn. 6; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 8. 127
128
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
3. Zusammenfassung 1. Ziel der Auslegung ist es zu ermitteln, ob mit der Rechtsverfolgungsmaßnahme der ihr in § 204 Abs. 1 BGB zugeschriebene materiell-rechtliche Zweck erreicht wurde. Dies ist immer dann zu bejahen, wenn diese verfahrensrechtlich fehlerfrei ist. 2. Leidet die Rechtsverfolgungsmaßnahme hingegen an einem oder an mehreren verfahrensrechtlichen Fehlern, tritt die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 BGB trotz der Fehlerhaftigkeit ein, wenn der Schuldner nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte der Rechtsverfolgungsmaßnahme den Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers entnehmen und den begehrten Anspruch individualisieren konnte, §§ 133, 157 BGB analog. 3. Das wesentliche Auslegungsmittel zur Feststellung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Bestimmung der Individualisierung ist zunächst der gesamte Inhalt der jeweiligen Rechtsverfolgungsmaßnahme nebst etwaigen Anlagen. Zudem sind alle weiteren Begleitumstände zu berücksichtigen, auch wenn diese außerhalb des Antrags oder des Verfahrens liegen. 4. Wie bei der Bestimmung der Rechtsfolge des § 203 S. 1 BGB und des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist daher auch bei § 204 Abs. 1 BGB nicht die rechtliche Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme maßgebend, sondern es sind die tatsächlichen Umstände: Bei § 203 S. 1 BGB muss sich aus diesen ergeben, dass sich die Parteien über die Forderung ausgetauscht haben, bei § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB müssen sie den Schluss zulassen, dass dem Schuldner bewusst war, dass die Schuld besteht und im Rahmen von § 204 Abs. 1 BGB sind sie nach der hier vertretenen Auffassung heranzuziehen, um zu beurteilen, ob der Schuldner anhand der Rechtsverfolgungsmaßnahme den Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers erkennen konnte und ihm erkennbar war, welcher Anspruch geltend gemacht wird. 5. Damit zeigt sich, dass die hier zugrunde gelegten Beurteilungsmaßstäbe für die Frage, ob der Lauf der Verjährung gehemmt wurde oder gar neu begonnen hat, im geltenden Verjährungsrecht bereits verankert sind. 6. Mit der Aufgabe des verfahrensrechtlichen Maßstabes geht einher, dass es für den Hemmungseintritt genügt, dass der äußerlichen Form nach eine Rechtsverfolgungsmaßnahme nach § 204 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn mit dieser die Warnung des Schuldners und die Individualisierung des Anspruchs erreicht wird.
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
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C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes I. Weitere Gründe für den schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab Durch die Loslösung von den verfahrensrechtlichen Maßstäben wird das Telos des § 204 BGB zur Geltung gebracht. Hierin liegt bereits die wesentliche Rechtfertigung des neuen schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes. Darüber hinaus ergeben sich folgende weitere Vorteile: 1. Einheitliche Handhabung der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände Die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände stehen gleichrangig nebeneinander, der Gläubiger ist mithin nicht gezwungen, eine der Maßnahmen vorrangig zu ergreifen.134 Diese Gleichrangigkeit kann durch die Aufgabe der verfahrensrechtlichen Beurteilung und die Einführung eines schuldnerorientierten Maßstabes konsequent verwirklicht werden, da nun für alle Rechtsverfolgungsmaßnahmen ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab gilt. Die Frage, ob Verjährungshemmung eintritt, hängt nicht mehr unmittelbar von der Erfüllung der jeweils notwendigen, teilweise stark divergierenden, verfahrensrechtlichen Vorschriften ab, sondern diese spielen für die materielle Rechtsfolge nur noch eine mittelbare Rolle, als bei Verstößen gegen diese Anforderungen die Warnung des Schuldners und die Individualisierung des Anspruchs ausbleiben kann. Weiterhin entfällt die bisher bestehende Ungleichbehandlung soweit für bestimmte Maßnahmen deren Zulässigkeit gefordert wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 6a BGB) oder einfache Verfahrensvorschriften (Übersendung der Vollmacht im Original) als Wirksamkeitsvorschriften eingestuft werden (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Zudem wird es entbehrlich, die verfahrensrechtlichen Anforderungen der einzelnen Hemmungstatbestände nach dem Schema Wirksamkeitsvoraussetzung – Zulässigkeitsvoraussetzung zu kategorisieren. 2. Einheitliche Handhabung der Tatbestände mit Rechtsdurchsetzungscharakter, §§ 203, 204, 212 BGB a) Einheitliche Handhabung von § 204 BGB einerseits sowie § 203 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anderseits Sowohl bei § 203 S. 1 BGB als auch bei § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für den Eintritt der Rechtsfolge darauf an, ob eine umfassende Würdigung der Ge134
BGHZ 160, 159, 262 ff. Ausf. oben 6. Kap., A) III. (S. 231).
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
samtumstände analog §§ 133, 157 BGB ergibt, dass aus Sicht des Gläubigers Verhandlungen vorlagen oder der Schuldner anerkannt hat. Da diese beiden Vorschriften wie oben gezeigt ebenfalls Elemente der Rechtsdurchsetzung enthalten, kann dem insoweit bestehenden Zusammengang zwischen den Vorschriften §§ 203 S. 1, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB einerseits und § 204 Abs. 1 BGB andererseits dadurch Rechnung getragen werden, dass mit der hier befürworteten Auffassung für den Hemmungseintritt auch bei § 204 Abs. 1 BGB die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgebend sind. Dem ließe sich entgegengehalten, dass für die Hemmung nach § 203 S. 1 BGB und den Neubeginn nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ein Zutun des Schuldners erforderlich ist und damit diese Vorschriften mit § 204 Abs. 1 BGB nicht vergleichbar sind, da bei diesem der Gläubiger einseitig die Hemmung erreichen kann. Allerdings würde dann der inhaltliche Zusammenhang zwischen diesen Normen nicht hinreichend berücksichtigt: Bei §§ 203 S. 1, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Vorgehen des Gläubigers nach § 204 Abs. 1 BGB entbehrlich, denn die Gründe für die Notwendigkeit der Verjährung entfallen aufgrund des Schuldnerverhaltens. Die Verjährung tritt nicht ein, weil dessen Verhaltensweise es rechtfertigt, eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus zuzulassen. Ergibt sich aus seinem Verhalten analog §§ 133, 157 BGB, dass er verhandelt oder anerkannt hat, muten ihm die §§ 203 S. 1, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu, sich länger leistungsbereit zu halten, da er nicht mehr schutzwürdig ist. Inhaltlich ist dies mit § 204 Abs. 1 BGB vergleichbar, da auch dessen Rechtsfolge auf einem Entfallen der Schutzwürdigkeit gründet. Damit besteht der Unterscheid zwischen §§ 203 S. 1, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB einerseits und § 204 Abs. 1 BGB andererseits nur darin, auf welche Art und Weise die Schutzwürdigkeit des Schuldners entfällt. Dies rechtfertigt es, für die Frage, ob die vom Gesetz vorgeschriebenen Anforderungen für den Hemmungs- bzw. Neubeginnstatbestand erfüllt sind, auf einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab abzustellen. b) § 204 Abs. 1 BGB und § 212 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB Dass auch von einer verfahrensrechtlich unwirksamen Maßnahme eine Einwirkung auf den Lauf der Verjährung ausgehen kann, zeigt die allgemein anerkannte Handhabung des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB: Die Vornahme oder die Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung führen zum Neubeginn der Verjährung. Der infolge einer Vollstreckungshandlung bewirkte Neubeginn gilt jedoch in den in § 212 Abs. 2 und Abs. 3 BGB genannten Fällen als nicht eingetreten. Ein Umkehrschluss zu diesen Vorschriften ergibt, ebenso wie der zu § 212 Abs. 1 BGB a. F., dass die Rechtsfolge Neubeginn zunächst eintritt, da sonst die Anordnung des Entfallens in Abs. 2 und Abs. 3 über-
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
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flüssig wäre. Gemäß § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB gilt der Neubeginn nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB gilt als nicht erfolgt, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder wenn die durch diesen erwirkte Vollstreckungshandlung später nach Abs. 2 aufgehoben wird (§ 212 Abs. 3 Alt. 3 BGB). Nach allgemeiner Meinung liegt aber nicht in jedem denkbaren Fehler ein Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen in diesem Sinne, sondern ein solcher ist nur dann gegeben, wenn es an den Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung schlechthin fehlt. Erfasst werden daher nur Fälle, in denen eine Vollstreckung ohne Titel, ohne Klausel oder ohne Zustellung erfolgt ist.135 Auch eine Vollstreckung, der kein Gläubigerantrag zugrunde liegt, wird hier einzuordnen sein. Der Neubeginn der Verjährung bleibt hingegen beispielsweise erhalten, wenn die Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO oder § 771 ZPO für unzulässig erklärt wird.136 Ein Vollstreckungsakt ist jedoch nach allgemeiner Auffassung nicht nur anfechtbar, sondern nichtig137, wenn die Zwangsvollstreckung erfolgt, obwohl es schon der äußeren Form nach an einem Titel fehlt. Grund hierfür ist, dass das Titelerfordernis die wesentliche Grundlage der Zwangsvollstreckung darstellt.138 Von einem solchen nichtigen Vollstreckungsakt kann daher keine pro135
BT-Drucks. 14/6040, S. 121; OLG Jena NJW-RR 2001, 1648; OLG Saarland, Beschl. v. 20.07.2011, Az. 9 W 1/11, Rn. 25 (zit. n. juris); Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 25; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 16; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 48; Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 12; Henrich, in: BeckOK BGB, § 212 Rn. 15. Für § 212 Abs. 3 Alt. 1 BGB ist umstritten, ob der Neubeginn ebenfalls nur dann als nicht eingetreten gilt, wenn dem Antrag nicht stattgeben wird, weil es an den Vollstreckungsvoraussetzungen schlechthin fehlt (so Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 17; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 48) oder ob auch die Ablehnung aus anderen Gründen zum Entfallen des Neubeginns führt (so Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 26). 136 Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 25. Nach OLG Jena NJW-RR 2001, 1648 entfällt die Neubeginnswirkung nicht, wenn die Klausel auf Erinnerung des Schuldners wegen Unbestimmtheit des Titels aufgehoben wird (zu § 216 Abs. 1 BGB a. F.). 137 Ausf. zur Frage, ob der jeweilige Fehler zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit des fehlerhaften Vollstreckungsakts führt, siehe Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 31 Rn. 17 ff. 138 BGHZ 121, 98, 101 f.; BGHZ 112, 356, 361; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 31 Rn. 19; Becker, in: Musielak/Voit, § 803 Rn. 10; Gruber, in: MüKo-ZPO, § 803 Rn. 35. Einzelheiten bei Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 31 Rn. 20 ff. Wird vollstreckt, obwohl die Klausel fehlt oder der Titel nicht zugestellt wurde, führt diese nicht zur Nichtigkeit der Zwangsvollstreckung, sondern diese ist nur anfechtbar, gleiches gilt bei Fehlen des Antrags, hierzu Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 31 Rn. 22–25.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
zessrechtliche Wirkung ausgehen.139 Überträgt man nun die gegenwärtige Handhabung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen nach § 204 Abs. 1 BGB auf § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB, dürfte daher bei einer Vollstreckung ohne Titel auch kein Neubeginn der Verjährung eintreten. Diese Parallelbetrachtung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei § 212 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB um die Nachfolgeregelungen zu §§ 209 Abs. 2 Nr. 5, 216 BGB a. F. handelt. Da aber § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB hier zunächst den Neubeginn eintreten lässt, kann nach allgemeiner Auffassung auch ein nichtiger Vollstreckungsakt die Rechtsfolge auslösen, was zeigt, dass mit der prozessualen Unwirksamkeit nicht zwingend auch die materiell-rechtliche Wirkungslosigkeit einhergehen muss. Nach allgemeiner Auffassung genügt somit für den Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Durchführung einer förmlichen Vollstreckungsmaßnahme.140 Dass zunächst die Rechtsfolge eintritt, obwohl es am elementaren Titelerfordernis fehlt,141 wird damit begründet, dass andernfalls nicht sicher beurteilt werden könne, ob die Verjährung neu begonnen habe.142 Maßgeblich sind somit Erwägungen der Rechtssicherheit. Bei dem zunächst eingetretenen Neubeginn bleibt es auch dauerhaft, wenn keiner der in § 212 Abs. 2, Abs. 3 BGB genannten Entfallenstatbestände eintritt.143 Es ist zutreffend, für den Neubeginn die förmliche Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme genügen zu lassen, da auch mit einer solchen dem Schuldner der Rechtsverfolgungswille des Gläubigers deutlich vor Augen geführt und dieser damit gewarnt wird.144 Wünschenswert wäre daher auch eine dem § 212 Abs. 2 BGB a. F. nachgebildete Regelung, wonach der Gläubiger die NeubeginnswirGaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 31 Rn. 41. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 16, die jedoch bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne von § 212 Abs. 2 BGB von einer unzulässigen Vollstreckungshandlung spricht. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 sprechen in Rn. 38 insoweit von einem unzulässigen Antrag, in Rn. 41 heißt es dann, die Maßnahme müsse nur überhaupt wirksam sein. Siehe auch Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 19: Abs. 2 bringe zum Ausdruck, dass es genüge, wenn wegen eines vermeintlich titulierten Anspruchs vollstreckt werde. 141 BGHZ 122, 287, 295 f.; OLG Köln WM 1995, 597, 600; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 38. 142 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 16. 143 Siehe auch Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 38: Die Unzulässigkeit eines Antrags ist unschädlich, wenn er im Ergebnis zu Vollstreckungsmaßnahmen führt. 144 Vgl. BGHZ 122, 287, 295. Dass auch § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Warnfunktion beinhaltet, betont Grothe, in: MüKo-BGB, § 212 Rn. 20. Er leitet hieraus für den Neubeginn durch Antragstellung nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB ab, dass dieser nur dann eintreten dürfe, wenn der Schuldner vom Neubeginnstatbestand Kenntnis erlange, da andernfalls eine Wertungsdiskrepanz zu den anderen „verjährungsbeeinflussenden Rechtsverfolgungsmaßnahmen“ bestehe, a. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 38. 139
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C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
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kung erhalten kann, wenn er innerhalb einer bestimmten Zeit (bspw. sechs Monate) nachdem der Neubeginn nach Abs. 2, Abs. 3 entfallen ist, einen neuen Antrag stellt oder eine neue Vollstreckungshandlung vornimmt. Zwar wurde zu § 216 BGB a. F. teilweise eine Analogie zu § 212 Abs. 2 BGB a. F. bejaht,145 auf § 204 Abs. 2 BGB kann eine solche aber nicht mehr gestützt werden,146 sodass dem Gläubiger bei abgelaufener Frist keine Heilungsmöglichkeit zusteht, wenn der Neubeginn nach Abs. 2, Abs. 3 als nicht eingetreten gilt. Die Verjährung beginnt daher nicht neu, obwohl der Sinn und Zweck des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB erreicht wurde. Die vorstehende Betrachtung zeigt, dass es dem gegenwärtigen Verjährungsrecht nicht fremd ist, auch an prozessual unwirksame Maßnahmen den Eintritt einer materiell-rechtlichen Wirkung zu knüpfen. Es besteht daher auch bei § 204 Abs. 1 BGB kein Grund, verfahrensrechtlich unwirksamen Maßnahmen von vornherein die Hemmungswirkung zu versagen. 3. Rechtshängigkeit und rechtskräftige Feststellung des Anspruchs sind keine leitenden Gesichtspunkte der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung Die Rechtshängigkeit und die Möglichkeit der rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs dienten und dienen im Rahmen der Verjährungsunterbrechung bzw. -hemmung durch Rechtsverfolgung als leitende Gesichtspunkte. Durch die Trennung der verfahrensrechtlichen Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme von der materiell-rechtlichen Frage des Eintritts der Rechtsfolge wird aber auch deutlich, dass weder die Rechtshängigkeit noch die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs tragende Prinzipien des § 204 Abs. 1 BGB sind.147 Sie sind daher als Bezugspunkt aufzugeben und durch den Aspekt der Warnung des Schuldners zu ersetzen. a) Warnung des Schuldners als tragender Gesichtspunkt des § 204 Abs. 1 BGB Die Rechtshängigkeit und insbesondere die Möglichkeit einer rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs wurden als wesentliche Begründung für den Eintritt 145
Siehe oben 4. Kap., C) II. 1. (S. 138). Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 212 Rn. 16; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 24; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 212 Rn. 38, 49; a. A. Palandt/Ellenberger, § 212 Rn. 12; für Abs. 3 auch Niedenführ, in: Soergel, § 212 Rn. 33. 147 A. A. Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 116 f.: Die Verjährungsunterbrechung rechtfertige sich kumulativ aus der Dokumentation der Rechtsdurchsetzungsabsicht und der zu erwartenden Rechtsgewissheit u. Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 17: Die Verjährungsunterbrechung verlange Handlungen, die nach Rechtsgewissheit durch gerichtliche Feststellung strebten. 146
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
der Verjährungsunterbrechung durch Rechtsverfolgung angeführt.148 Dieser Begründungsansatz erfasste aber schon nicht alle Fälle des § 209 Abs. 2 BGB 1900 und verlor durch die Einführung des § 209 Abs. 2 Nr. 1a BGB a. F. noch weiter an Überzeugung. Jedenfalls mit Inkrafttreten des § 204 BGB hat er seine Berechtigung verloren. Eine Verknüpfung der Verjährungshemmung des materiell-rechtlichen Anspruchs mit der Rechtshängigkeit des prozessualen Anspruchs besteht nur in den Fällen des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (§§ 253 Abs. 1, 261, 262 ZPO) und bei § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. §§ 253 Abs. 1, 261, 262 ZPO), wenn man bei letzterer Ziffer davon ausgeht, dass im vereinfachten Verfahren Rechtshängigkeit eintreten kann149. In allen anderen Fällen wird die Verjährung ohne die prozessrechtliche Wirkung der Rechtshängigkeit gehemmt.150 Für die weit überwiegende Zahl der Rechtsverfolgungsmaßnahmen spielt die Rechtshängigkeit für die Auslösung der Verjährungshemmung somit keine Rolle. Sie kann daher im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB nicht als allgemeiner Begründungsgesichtspunkt herangezogen werden.151 Auch die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs stellt keinen tragenden Aspekt des § 204 Abs. 1 BGB dar, da weniger als die Hälfte der Hemmungstatbestände – nämlich nur § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (§ 322 Abs. 1 ZPO), § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB (§§ 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 322 Abs. 1 ZPO), § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB (§§ 700 Abs. 1, 322 Abs. 1 ZPO), § 204 Abs. 1 Nr. 10 (§§ 201 Abs. 2, 178 Abs. 3 InsO) und § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB (§ 1055 ZPO) –152 unmittelbar auf die Erlangung eines rechtskräftigen Titels gerichtet sind. Die Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 6, Nr. 6a, Nr. 7,153 Nr. 8, Nr. 13 und Nr. 14 BGB zielen nicht einmal auf die Erlangung eines Vollstreckungstitels ab.154 Tragender Gesichtspunkt ist daher nicht die
148 Siehe oben 3. Kap., C) II. 1. a) (S. 87). Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 182 weist letztlich nur den Unterbrechungstatbeständen Warnwirkung zu, die auf gerichtliche oder eine dieser gleichstehende Feststellung des Anspruchs abzielen. 149 Für Rechtshängigkeit Keidel/Giers, FamFG, § 251 Rn. 4; Nickel, in: BeckOK FamFG, § 251 Rn. 6. Gegen Rechtshängigkeit BGH NJW 2008, 2710, 2712 (Rn. 17). 150 Roth, in: Stein/Jonas23, § 262 Rn. 7 f., der aber § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erwähnt; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 262 Rn. 2; Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 42. § 696 Abs. 3 ZPO bzw. der Eingang der Akten beim Prozessgericht (vgl. Schüler, in: MüKo-ZPO, § 696 Rn. 21) bestimmen den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, nicht des Mahnverfahrens (Voit, in: Musielak/Voit, § 696 Rn. 4). Siehe auch Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 4. 151 Ebenso Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 67. 152 Siehe hierzu auch Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 64 f. 153 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 584. 154 Zu § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB siehe Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 70 f.
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
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rechtskräftige Feststellung des Anspruchs,155 sondern die Warnfunktion, die von allen in § 204 Abs. 1 BGB genannten Maßnahmen ausgeht.156 b) Rechtshängigkeit und Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB fordert für den Eintritt der Hemmung die Erhebung der Klage, durch welche wiederum die Rechtshängigkeit begründet wird (§ 261 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Nimmt man den Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ernst, ist für den Hemmungseintritt mithin der Eintritt der Rechtshängigkeit nicht notwendig, sondern eben die Erhebung der Klage,157 das heißt deren Zustellung (§ 253 Abs. 1 ZPO) oder Vornahme der in § 261 Abs. 2 ZPO genannten Möglichkeiten. Es kann daher schon zwischen dem Akt der Klageerhebung einerseits und der Rechtsfolge Rechtshängigkeit andererseits getrennt werden.158 Knüpft man hingegen den Eintritt der Verjährungshemmung mit der allgemeinen Meinung an die Rechtshängigkeit, stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Unwirksamkeit der Klage einerseits und dem Eintritt der Rechtshängigkeit andererseits. Überwiegend wird diese dahingehend beantwortet, dass auch eine unwirksame Klage ein Prozessrechtsverhältnis begründet und zum Eintritt der Rechtshängigkeit führt.159 Die möglichen Unwirksamkeitsgründe – wie zum Beispiel, dass die Klage nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, unter einer Bedingung erhoben wurde, keine Parteibezeichnung enthält, nicht unterschrieben ist oder die Postulationsfähigkeit fehlt – hindern daher den Eintritt der Rechtshängigkeit nicht, wenn die Klage trotz dieses Fehlers zugestellt wird.160 Ist die Klage zugestellt, ist sie auch als solche zu behandeln.161 Nur bei Fehlen der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Siehe auch Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 76: Verjährungshemmung muss nicht mit bindenden Ergebnissen einhergehen. 156 A. A. Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 112. 157 Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 42, 65 ff., insb. S. 67: „Die Verjährungsunterbrechung ist keine materiellrechtliche Wirkung der Rechtshängigkeit“. Auch Münch, FS Schlosser, 2005, S. 613, 616: „Rechtshängigkeitseintritt hat mit Verjährungsunterbrechung nur mittelbar etwas gemeinsam: alle beide setzen Klageerhebung tatbestandlich voraus.“; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 262 Rn. 2. Ausf. hierzu Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 88 ff. 158 Vgl. auch Art. 152 S. 1 EGBGB, der zwischen Klageerhebung und Rechtshängigkeit differenziert. Siehe für die Schiedsklage Münch, FS Schlosser, 2005, S. 613, 617. 159 Hierzu Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 175, 196. 160 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 174 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 51; BGH NJW-RR 1987, 322, 323 (fehlende Postulationsfähigkeit); OLG Dresden, Beschl. v. 21.12.2017, Az. 4 W 1068/17, Rn. 11 (zit. n. juris). 161 OLG Dresden, Beschl. v. 21.12.2017, Az. 4 W 1068/17, Rn. 11 (zit. n. juris); Roth, in: Stein/Jonas23, § 253 Rn. 59; Zöller/Greger, § 253 Rn. 22. 155
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Grundes des erhobenen Anspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) wird teilweise der Eintritt der Rechtshängigkeit verneint.162 Im Übrigen begründet aber auch eine unwirksame Klage die Rechtshängigkeit. Diese soll dann aber nur die prozessualen, nicht jedoch die materiell-rechtlichen Wirkungen auslösen.163 Das ist aber inkonsequent, da die §§ 261, 262 ZPO eine solche Differenzierung nicht vorsehen.164 Letztlich wird hierdurch über das Erfordernis der Klageerhebung bzw. Rechtshängigkeit hinaus ein weiteres Hemmungserfordernis aufgestellt. Weiterhin kann jedenfalls für § 204 Abs. 1 BGB angenommen werden, dass der Gesetzgeber des SchRModG165 die materielle Rechtsfolge von der Rechtshängigkeit entkoppelt hat: Der Bundesrat hatte in einer Prüfbitte geltend gemacht, dass die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei Rücknahme der Klage wegen § 269 Abs. 3 ZPO rückwirkend entfallen solle, denn § 269 Abs. 3 ZPO erfasse auch die materiell-rechtlichen Wirkungen.166 Die Bundesregierung ließ in ihrer Gegenäußerung ausdrücklich offen, ob eine Klagerücknahme wegen § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO auch zum Wegfall der materiell-rechtlichen Wirkung führe,167 jedenfalls stelle § 204 Abs. 2 S. 1 BGB eine Sonderregelung dar, aus der sich ergebe, dass die Klagerücknahme eine Beendigung des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB darstelle und die Hemmung sechs Monate nach der Beendigung ende.168 Der Gesetzgeber hat damit 162 BGH NJW 1959, 1819, 1820 (keine Rechtshängigkeit mangels ordnungsgemäßer Begründung der Klage); OLG Celle, Urt. v. 01.02.2012, Az. 3 U 168/11, Rn. 31 (zit. n. juris); OLG Hamm VersR 2002, 1361, 1362; Schellhammer, Zivilprozess, Rn. 67; Grothe, NJW 2015, 17, 20; a. A. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 196. Siehe schon oben 5. Kap., B) III. 1. a) aa) (S. 171). 163 BGH NJW-RR 1987, 322, 323; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 175, 196, § 262 Rn. 17; Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 149, Fn. 63. A. A. wohl Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 95 Rn. 51, der § 204 Abs. 2 BGB entsprechend anwenden will. 164 Vgl. Bacher, in: BeckOK ZPO, § 262 Rn. 1. 165 Als Argument dafür, dass auch nach altem Recht die Klagerücknahme als solche nicht zum Wegfall der Unterbrechung geführt hat, lässt sich anführen, dass andernfalls der Regelung des § 212 Abs. 1 Alt. 1 BGB a. F. kein eigenständiger Anwendungsbereich zugekommen wäre. Diese wurde als direkte Konsequenz des § 269 Abs. 3 ZPO gesehen, was dahingehend verstanden werden kann, dass § 269 Abs. 3 ZPO die Verjährunterbrechung gerade nicht entfallen ließ, vgl. oben 4. Kap., Fn. 155 (S. 136). Ebenso Merschformann, Umfang der Verjährungsunterbrechung, S. 88. 166 BT-Drucks. 14/6857, S. 8. 167 Für ein Entfallen auch der materiell-rechtlichen Wirkungen, sofern deren Folgen nicht wie in § 204 Abs. 2 S. 1 BGB anderweitig geregelt sind, Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 269 Rn. 40, § 262 Rn. 4; Foerste, in: Musielak/Voit, § 269 Rn. 10. 168 BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4. In § 204 Abs. 2 S. 1 BGB-RE lautete die Regelung noch „[…] sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des eingeleiteten Verfahrens.“ Der Begriff „Erledigung“ wurde durch „Beendigung“ ersetzt,
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jedenfalls den Fortbestand der Verjährungshemmung vom Fortbestand der Rechtshängigkeit gelöst. Zudem erstreckt sich unter den Voraussetzungen des § 213 BGB die Hemmung auch auf nicht streitgegenständliche und damit nicht rechtshängige Ansprüche.169 Insgesamt kann daher von einer Selbständigkeit der Hemmungswirkungen gegenüber der Rechtshängigkeit ausgegangen werden. Für § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB genügt es daher, dass Klage erhoben wurde.170 c) Aufgabe des an der Klage entwickelten Wirksamkeitserfordernisses Dass nach allgemeiner Ansicht für den Hemmungseintritt eine wirksame Rechtsverfolgungsmaßnahme notwendig ist, beruht ebenfalls auf der Verknüpfung dieser Rechtsfolge mit der Rechtshängigkeit. Die geschichtlichen Ausführungen und die Darstellung der gegenwärtigen Behandlung fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahmen haben gezeigt, dass die bisherige Handhabung von der Behandlung der fehlerhaften Klage dominiert ist. Für diese wurde in der Begründung zum TE-AllgT von 1881 ausgeführt, dass die Unterbrechung als materielle Wirkung der Klageerhebung nur eintreten könne, wenn diese wirklich erhoben wurde. Daran fehle es aber bei Verstößen gegen § 253 Abs. 2 ZPO.171 Aus dem soeben Gesagten ergibt sich aber zum Ersten, dass nach heute überwiegender Auffassung die Rechtshängigkeit und die mit dieser verbundenen prozessualen Wirkungen auch bei Vorliegen schwerwiegender Mängel eintreten und dass zum Zweiten gute Gründe dafür sprechen, die Frage der Verjährungshemmung von der prozessualen Rechtsfolge Rechtshängigkeit zu trennen. Wenn damit schon im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dem Wirksamkeitserfordernis der Boden entzogen ist, kann dieses auf die Hemmungstatbestände, die keine Rechtshängigkeit begründen können, erst Recht nicht übertragen werden.
weil manche Verfahren ohne einen besonderen Erledigungsakt enden. Eine sachliche Änderung war hiermit nicht verbunden, BT-Drucks. 14/7052, S. 181. Siehe auch Zimmermann/ Leenen/Mansel/Ernst, JZ 2001, 684, 696. 169 BT-Drucks. 14/6040, S. 121; Grothe, in: MüKo-BGB, § 213 Rn. 2; Roth, in: Stein/Jonas23, § 262 Rn. 9a. 170 Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 40. Als Argument hierfür können auch die Fälle angeführt werden, in denen der Anspruch zwar rechtshängig wird, aber keine Verjährungshemmung eintritt, wie dies nach h. M. bei der negativen Feststellungsklage der Fall ist, vgl. Roth, in: Stein/Jonas23, § 262 Rn. 12; Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 48 f. 171 Begründung TE-AllgT (1881), Schubert, Vorentwürfe Redaktoren, AT/Teil 2, S. 371; ausf. oben 4. Kap., B) I. 3. (S. 124) u. 4. Kap., B) IV. (S. 135).
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4. Änderung der Rechtsfolge und Reduzierung der Dauer der Regelverjährung Indem vorliegend für den Eintritt der Hemmung für genügend erachtet wird, dass der Gläubiger mit der Rechtsverfolgungsmaßnahme den Rechtsdurchsetzungswillen dokumentiert und den Anspruch individualisiert und sich dies analog §§ 133, 157 BGB bemisst, wird die Hemmung der Verjährung häufiger als bisher bejaht werden können. Die hier befürwortete Lösung ist daher gläubigerfreundlicher als die gegenwärtige Handhabung. Die Absenkung der Hemmungsvoraussetzungen im Rahmen des § 204 BGB führt jedoch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Schuldners. Vielmehr erlauben es die mit dem SchRModG einhergegangen Änderungen, den Eintritt der Hemmung zu erleichtern: Durch eine Rechtsverfolgungsmaßnahme nach § 209 BGB a. F. wurde die Verjährung unterbrochen, was bedeutete, dass nach Beendigung der Unterbrechung dem Gläubiger die komplette Verjährungszeit noch einmal zur Verfügung stand, § 217 BGB a. F. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrug zudem nicht drei Jahre (§§ 195, 199 BGB), sondern 30 Jahre (§§ 195, 198 BGB a. F.). Indem durch das SchRModG die Rechtsfolge von der Unterbrechung hin zur Hemmung geändert und die Regelverjährungsfrist von 30 auf drei Jahre reduziert wurde, sind die für den Schuldner aus § 204 Abs. 1 BGB resultierenden verjährungsrechtlichen Folgen deutlich geringer als nach altem Recht, was es erlaubt, die Schwelle für den Eintritt der Rechtsfolge Verjährungshemmung niedriger anzusetzen.172 Dieser Gedanke findet sich auch ausdrücklich im Gesetzgebungsverfahren wieder, denn der Verzicht auf eine dem § 212 Abs. 1 BGB a. F. entsprechende Vorschrift wurde damit begründet, dass durch die Umstellung der Rechtsfolge „in deutlich geringerem Maße als bisher auf den Lauf der Verjährung eingewirkt“ wird.173 Dass es nach dem SchRModG insgesamt einfacher sein soll, auf den Lauf der Verjährung Einfluss zunehmen, zeigt sich auch daran, dass der Katalog des § 204 Abs. 1 BGB gegenüber §§ 209, 210, 220 BGB a. F. erweitert und die Hemmung durch Verhandlungen in § 203 BGB zum allgemeinen Hemmungstatbestand erhoben wurde.174
II. Einwände und Grenzen Die Ausführungen im 3. Kapitel (S. 45) haben gezeigt, dass das Verjährungsrecht einen angemessenen Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldner Oppenborn, Verhandlungen und Verjährung, S. 106; siehe auch Zimmermann, JZ 2000, 853, 857. 173 BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4; BT-Drucks. 14/6040, S. 118. 174 Vgl. Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620 f.: Mit dem SchRModG wurden die Anforderungen an eine Verjährungshemmung abgesenkt. 172 Ebenso
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interessen schaffen muss. Die konkrete Ausgestaltung bestimmt dabei der Gesetzgeber. Die vorstehend befürwortete Auslegung der Rechtsverfolgungsmaßnahmen und der Kundgabetatbestände analog §§ 133, 157 BGB, die deren verfahrensrechtliche Bewertung nicht berücksichtigt, ginge aber über den Regelungsbereich des § 204 Abs. 1 BGB hinaus, wenn diese Norm für den Eintritt der Hemmung eine verfahrensrechtliche Mindestqualität fordern würde. Zudem wäre ein Gewinn in der Rechtsanwendung nicht gegeben, wenn mit dem hier vertretenen Ansatz ein Verlust an Rechtssicherheit einherginge. 1. Anforderungen des materiellen Rechts an die Rechtsverfolgungsmaßnahme Es ist daher zu fragen, ob die hier befürwortete Handhabung des § 204 Abs. 1 BGB, nach der auch die bloße äußere Form einer Rechtsverfolgungsmaßnahme genügen kann, sich noch als Auslegung dieser Vorschrift darstellt oder ob die Auslegung der Norm ergibt, dass für den Eintritt der Hemmungswirkung eine verfahrensrechtliche Mindestqualität zu fordern ist. Wäre dies der Fall, würde es sich bei der hier vertretenen Handhabung nicht mehr um die Anwendung des § 204 Abs. 1 BGB, sondern um eine Rechtsfortbildung im Wege der Analogie handeln,175 da damit letztlich neue Hemmungstatbestände geschaffen würden.176 Im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB ist aber aus den genannten Gründen eine planwidrige Regelungslücke grundsätzlich zu verneinen, sodass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung nicht gegeben wären. Die hier befürwortete Lösung kann daher nur dann Bestand haben, wenn sie sich als Auslegung des § 204 Abs. 1 BGB darstellt. a) Wortlaut und Systematik des § 204 Abs. 1 BGB Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Norm.177 Der Wortsinn des Gesetzes ist zugleich die Grenze der Auslegung. Die Anwendung der Norm auf einen Fall, welcher auch von einem weiten Begriffsverständnis nicht mehr gedeckt ist, stellt eine Analogie und keine extensive Auslegung mehr dar.178 Wie die gegenwärtige Handhabung, die auf die Systematik des alten Verjährungs175 Vgl. Honsell, in: Staudinger, Neub. 2013, Einl. BGB Rn. 114; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 143; Leipold, BGB I, § 5 Rn. 12; Schäfers, JuS 2015, 875, 877. Zur Abgrenzung siehe auch Kramer, Methodenlehre, S. 57 ff. 176 Vgl. McGuire, Verfahrenskoordination, S. 227. 177 Honsell, in: Staudinger, Neub. 2013, Einl. BGB Rn. 114; Kramer, Methodenlehre, S. 61, 84 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163; Staake, JURA 2011, 177, 179; Schäfers, JuS 2015, 875, 877. 178 BGH NJW-RR 2013, 235, 236 (Rn. 17); Honsell, in: Staudinger, Neub. 2013, Einl. BGB Rn. 114, 156 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163 f.
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rechts zurückgeht, zeigt, sind vom Wortlaut jedenfalls unzulässige Rechtsverfolgungsmaßnahmen erfasst. Dies gilt auch für die Verjährungshemmung durch Streitverkündung, weswegen es nach Althammer/Würdinger179 eine nicht gerechtfertigte teleologische Reduktion des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB darstellt, wenn für den Hemmungseintritt von der herrschenden Meinung eine zulässige Streitverkündung gefordert wird. Es stellt sich daher die Frage, ob § 204 Abs. 1 BGB eine verfahrensrechtlich wirksame Rechtsverfolgungsmaßnahme bzw. die Wirksamkeit des Kundgabetatbestandes erfordert. Für die Bestimmung des Wortsinns ist der allgemeine Sprachgebrauch oder der besondere Sprachgebrauch maßgebend, wenn ein solcher feststellbar ist.180 Der Wortlaut der einzelnen Hemmungstatbestände beschränkt sich auf die Benennung der jeweiligen Rechtsverfolgungsmaßnahme. Es hemmt die Erhebung der „Klage“, die „Zustellung“ der „Streitverkündung“ usw. Gefordert wird mithin, dass überhaupt eine Klage, eine Streitverkündung, ein selbständiges Beweisverfahren, eine Zustellung, usw. vorliegt. Dies könnte verneint werden, wenn die verfahrensrechtliche Unwirksamkeit dazu führen würde, dass ein „Nichtakt“ vorliegt, die unwirksame Klage also beispielsweise völlig ohne Wirkungen bliebe und daher ein rechtliches Nullum181 darstellen würde. Dies ist aber wie bereits dargestellt,182 nicht der Fall, da spätestens mit Zustellung an den Beklagten ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird und bei Nichtbehebung des Fehlers eine Klageabweisung mit Kostenfolge erfolgt. Dennoch findet sich in Rechtsprechung und Literatur die Aussage, dass die prozessual unwirksame Klage keine Klage im Sinne des Gesetzes sei.183 Was das Gesetz in § 204 Abs. 1 BGB unter Klage versteht, muss jedoch erst anhand der zur Verfügung stehenden Auslegungskriterien ermittelt werden. Dass das Wortverständnis auch eine unwirksame Rechtsverfolgungsmaßnahme erfasst, findet eine Bestätigung außerdem in der Systematik des alten Verjährungsrechts: § 212 Abs. 1 Alt. 2 BGB a. F. ließ die Unterbrechung nämlich entfallen, wenn die Klage „durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes 179
NJW 2008, 2620 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141; Honsell, in: Staudinger, Neub. 2013, Einl. BGB Rn. 139. 181 So bspw. für die Klage vor dem unzuständigen Gericht das Erkenntnis des OAG Darmstadt vom 07.05.1839 bei Bopp, AcP 42 (1859), 91, 99: „Ein incompetenter Richter entbehrt der richterlichen Eigenschaft.“. 182 Siehe oben 5. Kap., B) III. 1. a) aa) (S. 171) u. 6. Kap., C) I. 3. b) (S. 257). 183 RGZ 84, 309, 311 („Nur eine Klage, die den wesentlichen Formvorschriften des § 253 ZPO. nicht entspricht, die also in Wahrheit keine Klage im Sinne des Gesetzes ist, wird nicht als geeignet zur Unterbrechung der Verjährung gelten können.“); BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21; Schwalbach, AcP 64 (1881), 256, 273 f. 180
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Urteil rechtskräftig abgewiesen wird.“ Ein solches liegt vor, wenn die Klage ohne Entscheidung darüber abgewiesen wird, ob der streitige Anspruch besteht oder nicht besteht. Dies trifft auch auf Klagen zu, die an schweren Mängeln leiden, denn diese werden ebenfalls durch Prozessurteil abgewiesen, wenn der Mangel nicht behoben wird. Dieses kann insoweit auch in Rechtskraft erwachsen.184 Die Systematik des alten Rechts stützt mithin ein Verständnis, dass § 209 Abs. 1 BGB a. F. auch unwirksame Klagen erfasst. Der Gesetzgeber des SchRModG wollte dies jedenfalls nicht beschränken, wenn die Hemmungswirkung und die Nachfrist unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sein sollten.185 Von den anderen Rechtsverfolgungsmaßnahmen gehen bei deren verfahrensrechtlicher Unwirksamkeit ebenfalls Rechtswirkungen aus, auch wenn diese nicht so deutlich zu Tage treten wie bei der Klage. So kann bspw. gegen einen unwirksamen Mahnbescheid Widerspruch eingelegt und somit der Übergang ins streitige Verfahren ermöglicht werden (§ 696 Abs. 1 ZPO). Ebenso kann der unwirksame Mahnbescheid Grundlage des Vollstreckungsbescheids sein (§ 699 Abs. 1 ZPO) und somit zu einem, wenn auch möglicherweise mit der Titelgegenklage analog § 767 Abs. 1 ZPO angreifbaren,186 Vollstreckungstitel führen. Die fehlerhafte Rechtsverfolgungsmaßnahme kann zudem immer Bezugspunkt für eine mögliche Korrektur des Fehlers sein, außerdem wird sie in den meisten Fällen kostenrechtliche Folge haben. Der unwirksame Antrag im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB kann zu einem Vergleichsvorschlag der Streitbeilegungsstelle führen, die unwirksame Streitverkündung (Nr. 6) zum Beitritt des Streitverkündungsempfängers. Auch wenn es sich bei den beiden letztgenannten Beispielen um tatsächliche und weniger um rechtliche Folgen handelt, zeigen diese, dass bereits die Kundgabe der Rechtsverfolgungsmaßnahme an den Schuldner dazu führt, dass von dieser Wirkungen ausgehen. Der Wortsinn des § 204 Abs. 1 BGB umfasst mithin auch die verfahrensrechtlich unwirksame Maßnahme. Dem steht auch nicht die häufig zu findende Forderung nach einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung der verjährungsrechtlichen Vorschriften entgegen. Eine solche sei geboten, weil es sich bei den Verjährungsnormen um formale Regelungen handele, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellt worden seien.187 Dennoch folgt auch die Auslegung dieser Vorschriften den allgemeinen Grundsätzen; eine besondere Auslegungs184 Genauer OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1735, 1736; Gottwald, in: MüKo-ZPO, § 322 Rn. 27; Zöller/G. Vollkommer, § 322 Rn. 1a. 185 BT-Drucks. 14/6040, S. 118. 186 K. Schmidt/Brinkmann, in: MüKo-ZPO, § 767 Rn. 6; Gaul, in: Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 11 Rn. 9. 187 BGH NJW-RR 2005, 1044, 1046; BGHZ 156, 232, 243 f.; BGHZ 128, 74, 80; BGHZ 123, 337, 343; BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060; BGH NJW 1980, 1458; BGHZ 59, 323, 326;
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
methodik ist nicht notwendig.188 Auch der BGH hat klargestellt, dass das Erfordernis, sich bei der Auslegung eng an den Wortlaut zu halten, weder eine Berücksichtigung des Gesetzeszwecks noch eine analoge Anwendung von Verjährungsvorschriften ausschließt.189 Das Erfordernis der engen Wortlautauslegung kann daher auch nach dessen Ansicht und dem ihm folgenden Schrifttum allenfalls dahingehend verstanden werden, das diesem Auslegungskriterium im Verhältnis zu den anderen ein höheres Gewicht zukommt als in anderem Zusammenhang.190 Da hier aber die Auslegung vom Wortlaut der Verjährungsvorschrift umfasst wird, steht dieser einer Auslegung, die den Sinn und Zweck der Vorschrift verwirklichen will, nicht entgegen. Danach ist die hier vorgeschlagene Handhabung von Wortlaut und Systematik des § 204 Abs. 1 BGB nicht nur gedeckt, beide Kriterien sprechen sogar eher für die Einbeziehung verfahrensrechtlich unwirksamer Maßnahmen. b) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers Gegen die Aufgabe des verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes könnte sprechen, dass jedenfalls der Gesetzgeber des BGB 1900 davon ausging, dass der unwirksamen Klage keine Unterbrechungswirkung zukommen sollte. Dass hieran und an der allgemein anerkannten Handhabung verfahrensrechtlich unwirksamer Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch das SchRModG etwas geändert werden sollte, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien hierzu nicht entnehmen. Aus der schon mehrfach angesprochenen Stelle, die besagt, dass der durch die Hemmung erfolgte Aufschub unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sein soll,191 kann insoweit unmittelbar nichts abgeleitet werden, da sich diese mit dem Bestand der einmal eingetretenen Hemmung befasst, hier aber die Frage zu beantworten ist, ob diese Rechtsfolge zunächst überhaupt ausgelöst wurde. Die Materialien zeigen aber insgesamt, dass der Gesetzgeber bei Eintritt und Bestand der Rechtsfolge Verjährungshemmung gegenüber der nach altem Recht BGHZ 53, 43, 47; BGHZ 48, 125, 134; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 7; Toussaint, FS Leenen, 2012, S. 279, 293. 188 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 47; Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 30 f.; Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 12. 189 BGHZ 156, 232, 244 (besonders strenge Anforderungen für eine Anwendung über den Wortlaut hinaus, das heißt für eine Analogie); BGH NJW-RR 1993, 1059, 1060; BGHZ 72, 23, 28. Vgl. auch BGHZ 95, 238, 242, 244; BGHZ 98, 59, 63 f. u. BGHZ 93, 278 ff. 190 Vgl. BGHZ 156, 232, 243 u. BGH NJW-RR 2005, 1044, 1046: „Bei der Anwendung von Verjährungsvorschriften kommt dem Wortlaut des Gesetzes besondere Bedeutung zu.“ Gegen einen Vorrang des Gesetzeswortlautes Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, Vorb. zu §§ 194–225 Rn. 47. Zum Verhältnis der Auslegungskriterien zueinander Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 163 ff. 191 BT-Drucks. 14/6040, S. 118; BT-Drucks. 14/6857, S. 4 4.
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
265
eintretenden Unterbrechung großzügiger sein wollte. Hinzu kommt, dass die Forderung nach der verfahrensrechtlichen Wirksamkeit der Rechtsverfolgungsmaßnahme daraus resultiert, dass der Gesetzgeber des BGB 1900 davon ausging, dass bei Verstößen gegen § 253 Abs. 2 ZPO die Klageerhebung weder prozessuale noch materiell-rechtliche Wirkungen haben könne. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies jedenfalls für die prozessualen Wirkungen nicht gilt, sodass das Argument seinen Anknüpfungspunkt verloren hat. In der Gesamtschau lassen diese beiden Aspekte den Schluss zu, dass der Wille des Gesetzgebers jedenfalls nicht gegen die hier vorgenommene Auslegung spricht. c) Entgegenstehen der Verjährungszwecke Dass die hier befürwortete Handhabung dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB eher gerecht wird als der verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab, wurde bereits dargelegt. Die Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung darf aber nicht isoliert betrachtet, sondern sie muss im Kontext der verjährungsrechtlichen Vorschriften insgesamt und daher auch im Einklang mit dem Verjährungszweck gesehen werden. Dieser wurde oben dahingehend festgestellt, dass die Verjährung im Schuldnerinteresse besteht und ein davon zu trennender übergeordneter Zweck der Rechtssicherheit nicht anzuerkennen ist. Mit der hinreichenden Warnung des Schuldners und der Individualisierung des Anspruchs entfallen aber die schützenswerten Interessen des Schuldners. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Verjährung der Rechtssicherheit dient, indem sie eine Normanwendung auf unsicherer Tatsachengrundlage verhindern und somit eine materielle Richtigkeit der Entscheidung erreichen will, steht dies dem hier befürworteten Beurteilungsmaßstab nicht entgegen. Dass dieser Grundsatz im Zivilprozess Einschränkungen erfährt, wurde bereits erörtert.192 Für die vorliegende Problematik spielt er aus einem weiteren Grund nur eine untergeordnete Rolle: In allen hier diskutierten Fällen wird die Maßnahme vor Eintritt der Verjährung bei der jeweiligen Stelle angebracht. Die Darlegungs- und Beweislage verschlechtert sich daher nicht, sondern ist – wenn das Gericht die Klageabweisung nicht auf Verjährung stützt, sondern das Verfahren weiterbetreibt – identisch mit der bei fehlerfreier Anbringung. Die Fehlerhaftigkeit führt mithin nicht zu einer Verschlechterung der Entscheidungsgrundlage, da die Aufklärung des Sachverhalts im gleichen Maße möglich ist wie bei einer ordnungsgemäßen Initiierung der Rechtsverfolgungsmaße.
192
Siehe oben 3. Kap., B) II. 3. b) (S. 65).
266
6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
d) Ergebnis Der Wortlaut der in den einzelnen Hemmungstatbeständen genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen sowie der der Kundgabetatbestände lässt beide Auslegungsmöglichkeiten zu. Die Systematik kann dahingehend verstanden werden, dass auch prozessual unwirksame Maßnahmen erfasst sein sollen. Nach Ansicht des historischen Gesetzgebers sollte die prozessual unwirksame Klage keine Unterbrechungswirkung haben, wobei dieser aber davon ausging, dass von einer solchen auch keine prozessualen Wirkungen ausgehen, was der heutigen Sichtweise nicht entspricht. Den Materialien zum SchRModG kann eine Stellungnahme hierzu nicht entnommen werden. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass durch die Neufassung des Verjährungsrechts eine Änderung der allgemein anerkannten Handhabung nicht vorgenommen werden sollte. Letztlich verhält sich der Gesetzgeber zu dieser Frage aber nicht. Den Materialien kann jedoch eine gewisse Großzügigkeit im Hinblick auf die Rechtsfolge der Verjährungshemmung und eine Betonung der mit der Rechtsverfolgung verbundenen Warnfunktion entnommen werden. In solch einer Konstellation kommt dem mit der Vorschrift verfolgten Sinn und Zweck eine ganz wesentliche Bedeutung zu, da dieser, auch im Verjährungsrecht,193 bei der Auslegung vorranging zu berücksichtigen ist.194 Das Telos des § 204 Abs. 1 BGB kann aber bei Aufgabe des verfahrensrechtlichen Bewertungsmaßstabes effektiver umgesetzt werden; dass für die Hemmung die äußere Form der Rechtsverfolgungsmaßnahme genügen kann, wird diesem eher gerecht. Damit ist diese Auslegung nicht nur gleichwertig, sondern gegenüber der bisherigen Handhabung vorzugswürdig, weil für sie die besseren Argumente sprechen.195 2. Verlust an Rechtssicherheit Durch den hier vorgeschlagenen schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab darf es im maßgeblichen Verhältnis des Gläubigers zum Schuldner nicht zu einer gegenüber der bisherigen Handhabung größeren Rechtsunsicherheit über den Eintritt der Rechtsfolge kommen. Insoweit lässt sich der hier befürworteten
193
Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 194 Rn. 12: Vorrang Gesetzeszweck gegenüber Gesetzeswortlaut. 194 Honsell, in: Staudinger, Neub. 2013, Einl. BGB Rn. 153: „Eine allgemein anerkannte Reihenfolge oder Hierarchie gibt es nicht. Gleichwohl ist heute der Vorrang der teleologischen Interpretation grundsätzlich anzuerkennen.“; Leipold, BGB I, § 5 Rn. 9; Medicus/Petersen, AT BGB, Rn. 308: Die ratio legis bildet das wichtigste Auslegungskriterium. 195 Vgl. Staake, JURA 2011, 177, 183 f. Siehe auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 166 f.
C. Rechtfertigung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
267
Lösung entgegenhalten, dass die verfahrensrechtliche Beurteilung196 durch wertende Gesichtspunkte ersetzt wird, bei welchen der Spielraum für den Rechtsanwender größer ist als bei klar abgegrenzten Tatbeständen.197 Ein Verlust an Rechtssicherheit ist jedoch zu verneinen: Zum Ersten hat die Darstellung der gegenwärtigen Handhabung gezeigt, dass der verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab keineswegs zu einer Rechtsklarheit führt, wie es die Anknüpfung an das formale Verfahrensrecht vermuten lässt. Weiterhin kommt es zu einer gehäuften Anwendung des § 242 BGB, was ebenfalls zur Rechtsunsicherheit beiträgt. Der Rückgriff auf die analoge Anwendung der §§ 133, 157 BGB ermöglicht es außerdem, dass das hierzu umfangreich bestehende Rechtsprechungs- und Literaturmaterial herangezogen werden kann. Die Auslegung erfolgt daher auf rechtlich gesichertem Boden. Zum Zweiten sind dem gegenwärtigen Verjährungsrecht unbestimmte Rechtsbegriffe mit Wertungsspielräumen nicht fremd. Hier ist zunächst noch einmal auf die oben angesprochenen §§ 203, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB hinzuweisen, wo zur Bestimmung des Eintritts der Rechtsfolge eine umfassende Prüfung des gesamten Verhaltens analog §§ 133, 157 BGB vorzunehmen ist.198 Bei § 203 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden, Beginn und Ende der Verhandlungen zu regeln und stattdessen eine möglichst formfreie Regelung gewählt, die den vielschichtigen Alltagssituationen Rechnung tragen soll.199 Zudem wird auch für den Beginn der Verjährung und damit an einer für das Verjährungsrecht zentralen Stelle auf einen Rechtsbegriff mit Wertungsspielräumen zurückgegriffen:200 Der Beginn der Regelverjährungsfrist ist unter anderem gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB da196 Dass die Rechtssicherheit gerade aus der Bezugnahme auf das Prozessrecht resultiert betont P. Arens, FS K. H. Schwab, 1990, S. 17, 31 für den Umfang der Verjährungsunterbrechung. 197 Vgl. Wolf/Neuner, AT BGB, § 7, Rn. 27 f.; Leipold, BGB I, § 3 Rn. 15; Staake, JURA 2011, 177, 180 f. Ausf. zu Nachteilen und Vorzügen von Generalklauseln Kramer, Methodenlehre, S. 72 ff. 198 Siehe auch Schwab, JuS 2015, 458, 460: „Die Entscheidung zeigt, dass selbst im Bereich der Verjährung manchmal reine Wertungsfragen über Sein oder Nichtsein entscheiden.“ In dieser Entscheidung (BGH NJW-RR 2014, 981 f.) hatte der BGH angenommen, dass die angemessene Reaktionsfrist auf ein Schreiben der Gegenseite zwei Wochen nach Ur laubsende betrage. Das LG hatte diese lediglich mit einer Woche bemessen. Hierdurch dauerten die Verhandlungen eine Woche länger, was dazu führte, dass die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 2 S. 3 BGB noch rechtzeitig erfolgte. 199 BT-Drucks. 14/6040, S. 112; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 203 Rn. 6, Grothe, in: MüKo-BGB, § 203 Rn. 8. 200 Siehe aber Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343: „Über § 199 I Nr. 2 BGB hinaus kann die Beantwortung von Fragen der Verjährung nicht von subjektiven Gegebenheiten bei den Beteiligten abhängen.“ Die vorstehenden Ausführungen haben jedoch bereits gezeigt, dass das Verjährungsrecht nicht nur in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Wertungsfragen abstellt.
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6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
von abhängig, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangt haben müsste. Für letzteres ist die Frage zu beantworten, ob die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt wurde,201 was Wertungsspielräume in erheblichem Umfang enthält.202 3. Die Befürwortung des verfahrensrechtlichen Beurteilungsmaßstabes in der Literatur Jedenfalls für die Verjährungshemmung durch Klage sprechen sich Peters/Jacoby ausdrücklich für einen rein objektiven Maßstab aus. Entscheidend sei, ob ein gleichwohl ergehendes Sachurteil wirksam wäre.203 Es könne weder auf die Schwere des Mangels noch auf die subjektiven Gegebenheiten beim Schuldner abgestellt werden. Ebenso wenig dürfe es darauf ankommen, ob sich der Beklagte zur Abwehr der Klage herausgefordert fühlen durfte oder musste. Gegen das Kriterium des wirksamen Sachurteils spricht zunächst, dass dieses nur im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB überhaupt Anwendung finden kann. Zudem wird hier nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich insbesondere bei der Klage, aber auch bei den meisten anderen Maßnahmen des Abs. 1,204 um ein Verfahren handelt, welches dynamisch ist und sich entwickelt.205 Auf die Klage ergeht nicht das Sachurteil, sondern es werden vorab Schriftsätze gewechselt, das Gericht kann durch Verfügungen das Verfahren beeinflussen und im Grundsatz findet auch eine mündliche Verhandlung statt. Es ist daher schon aus prozessualer Sicht nicht notwendig, dass die Klageschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO) geeignet ist, ein wirksames Sachurteil herbeizuführen. Erst recht muss dies für die materiell-rechtliche Folge der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung gelten, deren Zweck sich bereits in der Einleitung und Kundgabe der Klage realisiert. Dass die Hemmung gemäß § 204 Abs. 2 BGB andauert, ist gerade eine
Grothe, in: MüKo-BGB, § 199 Rn. 31. Wolf/Neuner, AT BGB, § 7, Rn. 28. 203 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 25. Als Beispiel wird eine erstinstanzliche Klage vor dem BGH diskutiert, die Ausführungen beziehen sich aber ausdrücklich auf alle Sachurteilsvoraussetzungen. Siehe auch Peters, JR 1994, 244, 245: Wenn man zu Recht unzulässige Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung genügen lasse, „dann wird es zu einer äußerst heiklen Frage, welches Ausmaß an Unzulässigkeit denn erreicht sein muß, um der Maßnahme die Unterbrechungswirkung zu versagen.“. 204 So auch Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 126: „Anmelde-, Prüfungs- und Feststellungsverfahren sind ebenso wie das Zivilverfahren werdende, also sich entwickelnde Prozesse.“. 205 Hierzu genauer noch unten 7. Kap., A) I. (S. 271). 201
202 Vgl.
D. Zusammenfassung und Ergebnis
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Folge davon, dass sich an die Einleitung der Rechtsverfolgung ein Verfahren anschließt. Ausdrücklich gegen die Relativierung der „gesetzlich normierten Voraussetzungen für eine Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgungsmaßnahmen […] unter Hinweis auf teleologische Erwägungen“ wendet sich P. Wassermann in einer Anmerkung zur Entscheidung BGH NJW-RR 2010, 1438, in welcher der BGH die Hemmung der Verjährung unter den dort genannten Voraussetzungen trotz Unwirksamkeit der Zustellung angenommen hat.206 Was die gesetzlichen Voraussetzungen der Verjährungshemmung sind, muss aber, insbesondere unter Berücksichtigung des Telos des § 204 Abs. 1 BGB, erst ermittelt werden. Es stellt sich mit anderen Worten die – zu verneinende – Frage, ob die wirksame Zustellung Tatbestandsvoraussetzung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist. Entsprechendes gilt für die Auffassung, dass nur eine wirksame Klage eine solche im Sinne des Gesetzes sei.207 Die Auslegung hat vielmehr ergeben, dass von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch unwirksame Klagen erfasst werden. Dies führt nicht dazu, wie Grothe meint, dass die vom Gesetzgeber in Abs. 1 vorgenommene Aufzählung der Maßnahmen hinfällig ist und dieser sich mit einer Klausel hätte begnügen können, wonach jede ernsthafte Kundgabe eines Rechtsverfolgungswillens zur Verjährungshemmung führt.208 Der Benennung der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen kommt vielmehr die Bedeutung zu, dass eine Hemmung nur dann eintreten kann, wenn der Rechtsverfolgungswille in einer Weise kundgetan wird, die der äußeren Form einer der genannten Maßnahmen entspricht.
D. Zusammenfassung und Ergebnis 1. Der Eintritt der Verjährungshemmung ist von der verfahrensrechtlichen Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme oder des Kundgabetatbestandes unabhängig. 2. Entscheidend ist vielmehr, dass der Schuldner durch die Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme gewarnt wurde und er den geltend gemachten Anspruch individualisieren konnte. 206 P. Wassermann, jurisPR-BGHZivilR 9/2010 Anm. 2. Zu dieser Entscheidung ausf. oben 5. Kap., B) II. (S. 169). 207 RGZ 84, 309, 311; BGH NJW 2014, 920, 921 (Rn. 21); BGH NJW 2012, 2180, 2181 (Rn. 17); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21. Für § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 161. 208 Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 21. Ebenso McGuire, Verfahrenskoordination, S. 227.
270
6. Kapitel: Neubestimmung der Maßstäbe
3. Um zu bestimmen, ob der Schuldner gewarnt und der Anspruch individualisiert wurde, ist die Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB auszulegen. 4. Danach ist einerseits auch eine verfahrensrechtlich unwirksame Maßnahme, die nur der äußeren Form nach einer der Rechtsverfolgungsmaßnahmen des § 204 Abs. 1 BGB entspricht, grundsätzlich geeignet, die Verjährung zu hemmen. Entsprechendes gilt für die Kundgabetatbestände, insbesondere die Zustellung. Anderseits kann auch bei bloßen Zulässigkeitsfehlern die Hemmung ausbleiben, wenn der Fehler der Maßnahme die Warnwirkung nimmt oder der Schuldner den Anspruch nicht individualisieren kann. 5. Die verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit ist für die Frage, ob die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB eingetreten ist, nur insoweit von Bedeutung, als aufgrund des Fehlers die Warnwirkung der Rechtsverfolgungsmaßnahme entfallen kann.
7. Kapitel
Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes auf die Nr. 1 bis Nr. 14 des § 204 Abs. 1 BGB Nach dem Vorstehenden ist es eine Frage des jeweiligen Einzelfalles, ob der Schuldner durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme gewarnt wird und eine hinreichende Individualisierung des Anspruchs gegeben ist. Generalisierende Aussagen sind daher nur eingeschränkt möglich. Auch um eine Konkretisierung der Maßstäbe zu erreichen, sollen jedoch im Folgenden die bisher in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Verfahrensfehler aufgegriffen und dargelegt werden, wie diese unter Heranziehung der hier festgelegten Maßstäbe gelöst werden können.
A. Individualisierung des Anspruchs Es werden hier zunächst allgemein die an die Individualisierung zu stellenden Anforderungen beschrieben. Die für die einzelnen Hemmungstatbestände geltenden Besonderheiten werden dann unter C. (S. 283) angesprochen.
I. Das Individualisierungserfordernis ist Tatbestandsmerkmal des § 204 Abs. 1 BGB Die Notwendigkeit, den zu hemmenden Anspruch hinreichend genau zu bezeichnen, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB: Der Schuldner kann die notwendigen Maßnahmen zur Beweissicherung nur treffen und seine wirtschaftlichen Dispositionen auf die Inanspruchnahme nur dann ausrichten, wenn er weiß, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird. Voraussetzung einer sinnvollen Beweissicherung ist es, den Lebenssachverhalt zu kennen, aus dem die Ansprüche hergeleitet werden, denn nur dann weiß der Schuldner, welche Beweismittel er weiter aufbewahren muss und welche ver-
272
7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
nichtet werden können (Aufbewahrungslast).1 Die wirtschaftlichen Dispositionen hängen wesentlich vom Begehren des Gläubigers, insbesondere dem Anspruchsumfang, ab. Das Individualisierungserfordernis ist mithin ausschließlich der materiell-rechtlichen Norm des § 204 Abs. 1 BGB zu entnehmen. Es ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift und hat keinen verfahrensrechtlichen Bezug. Dies hat zur Konsequenz, dass die Inhaltsbestimmung dieses Merkmals sich ausschließlich am Telos des § 204 Abs. 1 BGB ausrichten muss und nicht die Anforderungen der verfahrensrechtlichen Bezugsnormen 2 für die Begriffsbestimmung maßgebend sind.3 Es ist daher insbesondere nicht notwendig, dass ein auf die Klage ergehendes Urteil, beispielsweise ein Versäumnisurteil (§§ 331 Abs. 3, 276 ZPO), oder ein auf der Grundlage des Mahnbescheids erlassener Vollstreckungsbescheid (§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO) der materiellen Rechtskraft fähig wären oder einen vollstreckungsfähigen Inhalt hätten. Für die Warnung des Schuldners und damit zur Erreichung des Sinn und Zwecks des § 204 Abs. 1 BGB genügt es, wenn dieser den geltend gemachten Anspruch identifizieren kann. Den Eintritt der materiell-rechtlichen Verjährungshemmung von den prozessualen Fragen der Vollstreckbarkeit und der Fähigkeit zur materiellen Rechtskraft abhängig zu machen, lässt sich mit dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB nicht vereinbaren, sodass es sich hierbei um abzulehnende überschießende Hemmungsvoraussetzungen handelt.4 Weiterhin wird hierdurch die Gleichrangigkeit der Hemmungstatbestände beeinträchtigt, weil nur einige der Rechtsverfolgungsmaßnahmen überhaupt in einen Vollstreckungstitel münden können. Schließlich sind Fragen nach der Vollstreckbarkeit und Rechtskraftfähigkeit des Titels zu Beginn des Verfahrens ohnehin nur hypothetische: Die in § 253 Abs. 2 ZPO aufgestellten Anforderungen sind Sachurteilsvoraussetzungen, die in der mündlichen Verhandlung vorliegen müssen, auf die das Urteil ergeht. Die Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dient dazu, den Streitgegenstand festzulegen, wodurch zugleich der Umfang der materiellen Rechtskraft bestimmt wird (§ 322 Abs. 1 ZPO); der bestimmte Antrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist zudem Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung. Die Bedeutung dieser Institute ist bei Einleitung des Verfahrens aber gering und wird erst im Laufe des Verfahrens sowie bei und nach dessen Ende wesentlich, sodass kein prozessualer Grund erkennbar ist, an den Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO den Nichteintritt der Rechtsfolge Verjährungshemmung Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 166. Hierzu siehe oben 5. Kap., B) I. 2. (S. 149). 3 Siehe auch Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 166. 4 So schon M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 583. Ebenso Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 170. 1 Ebenso 2
A. Individualisierung des Anspruchs
273
zu knüpfen. Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts muss am Ende, nicht am Anfang des Verfahrens feststehen, gleiches gilt für den Umfang der Rechtskraft.5 Ein vollstreckungsfähiger Antrag muss spätestens in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, auf die das Urteil ergeht. Weiterhin genügt es, wenn sich die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten, entsprechend der vom Kläger vorgenommenen weitergehenden Substantiierung, im Laufe des Verfahrens erweitern und konkretisieren. Von der Einreichung der Klage bis zu diesen relevanten Zeitpunkten besteht daher die Möglichkeit die Klage, insbesondere auf richterlichen Hinweis (§ 139 ZPO), nachzubessern. Es ist somit festzuhalten, dass es prozessual genügt, wenn die in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestellten Anforderungen während des Verfahrens erfüllt werden.6 Für die Frage der Verjährungshemmung ist hingegen der Anfang des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung, denn der Beklagte muss wissen, welchen konkreten Anspruch der Kläger geltend macht, wenn er sich auf die Inanspruchnahme einstellen können soll. Ob ein direkt auf den Antrag ergehendes, stattgebendes Sachurteil vollstreckbar oder rechtskraftfähig wäre, spielt hierfür keine Rolle. Entsprechendes gilt für den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.7 Wird Widerspruch oder Einspruch eingelegt, kann die fehlende Bestimmtheit insbesondere in der Anspruchsbegründung (§§ 697 Abs. 1, 700 Abs. 3 ZPO) nachgeholt werden. Wird der Vollstreckungsbescheid formell rechtskräftig, ohne dass der Umfang der Rechtskraft klar wäre, kann sich der Schuldner immer noch mit einer Titelgegenklage analog § 767 Abs. 1 ZPO wehren.8 Weil sich das Individualisierungserfordernis unmittelbar aus § 204 Abs. 1 BGB ergibt, ist auch bei der Hemmung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) eine Individualisierung des Anspruchs im hier beschrieben Sinne notwendig, auch wenn in § 487 Nr. 2 ZPO prozessual nur die Angabe der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, gefordert wird.
5
A. A. BGH NJW 2001, 305, 307. Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 67. Für die Hemmung durch Zustellung eines Mahnbescheids M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 893 f. 7 Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 168. Insoweit zutreffend daher auch M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 894; Maniak, MDR 2001, 347, 348. 8 Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 168; K. Schmidt/ Brinkmann, in: MüKo-ZPO, § 767 Rn. 6; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 20; Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 11 Rn. 9, § 40 Rn. 31 f. § 767 Abs. 2, Abs. 3 ZPO gelten dann nicht, Lackmann, in: Musielak/Voit, § 767 Rn. 9b. 6
274
7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
II. Die Anforderungen an das Individualisierungserfordernis 1. Abgrenzung des Lebenssachverhaltes Das Individualisierungserfordernis ist erfüllt, wenn der Schuldner erkennen konnte, auf welchen Lebenssachverhalt der Gläubiger seinen Anspruch stützt. Hierbei hat er analog §§ 133, 157 BGB alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen, zu denen er sich aufgrund der Rechtsverfolgungsmaßnahme veranlasst sehen musste. Die Konkretisierung erfolgt somit durch Bezugnahme auf den dem materiellen Anspruch zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. Insoweit bestehen Parallelen zum Grund des prozessualen Anspruchs im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO. Diese Beschreibung muss sich jedoch nicht allein aus der Rechtsverfolgungsmaßnahme selbst ergeben.9 Es genügt hierzu auch eine Bezugnahme auf andere Dokumente, wobei es, wie bei der Konkretisierung im Mahnbescheid, nicht erforderlich ist, dass diese der Rechtsverfolgungsmaßnahme beigefügt sind. Es reicht aus, wenn der Schuldner diese kennt.10 Zur Abgrenzung des Lebenssachverhaltes sind daher alle weiteren Umstände heranzuziehen, die dem Schuldner bekannt sind. Es genügt dabei, wenn der Schuldner mittels der Angaben in der Rechtsverfolgungsmaßnahme feststellen kann, aus welchem Lebenssachverhalt der Schuldner seinen Anspruch herleitet. Es können daher auch Umstände, die in der Maßnahme selbst nicht erwähnt sind, zur Konkretisierung herangezogen werden, wenn der Schuldner diese aufgrund der Angaben in der Maßnahme mit dem dort geschilderten Lebenssachverhalt in Verbindung bringt (z. B. ein zwischen den Parteien geführtes Telefonat). Für die Erfüllung des Individualisierungserfordernisses reicht daher die Bestimmbarkeit durch den Schuldner aus.11 Je umfangreicher die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem 9 Für § 220 Abs. 2 BGB a. F. ebenso Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 90. 10 Zu weit geht es aber, wenn dem Gläubiger hinsichtlich Unterlagen, auf die Bezug genommen wird, die er aber nicht kennt und die sich nicht in seiner Sphäre befinden, eine Erkundigungsobliegenheit aufgebürdet wird, a. A. M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 885, für eine dem Antragsgegner im Mahnverfahren unbekannte Rechnung. 11 Anders jedoch die h. M. siehe z. B. BGHZ 206, 41, 51 (Rn. 27), wo es der Schuldnerin mit den Angaben der Gläubiger „allenfalls unter größeren Mühen möglich [war] festzustellen, um welche Anlageberatung es im vorliegenden Fall geht“ und OLG Celle WM 2016, 205, 207: Der Güteantrag selbst müsse dem Individualisierungserfordernis genügen, diese Anforderung entfalle nicht, wenn der Antragsgegner durch Nachforschungen möglicherweise den Gegenstand des Güteverfahrens ermitteln könne. Weniger streng aber für den Fall, dass die Ermittlung einer Tatsache „ohne Weiteres“ möglich ist, BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 29): Ermittlung des Zeitpunktes der Antragstellung durch die Beklagte aufgrund der mitgeteilten Policennummer.
A. Individualisierung des Anspruchs
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Schuldner sind, aus denen sich Ansprüche ergeben können, desto konkreter muss der Sachvortrag sein, da eine Abgrenzung sonst nicht möglich ist. Ist aber beispielsweise das einzige zwischen den Parteien bestehende Verhältnis ein Kaufvertrag, dann genügt zur Konkretisierung die Angabe „Kauf“; hat der Gläubiger dem Schuldner nur einmal eine Sache vermietet, kann „Herausgabe“ genügen, wenn aus Sicht des Schuldners nur die Herausgabe dieser Sache gemeint sein kann. Wenn die Individualisierung der Abgrenzung von anderen Ansprüchen dient, reduzieren sich die zu stellenden Anforderungen erheblich, wenn es nichts abzugrenzen gibt, weil zwischen den Parteien nur eine Anspruchsbeziehung besteht. Zudem genügt es, wenn allein der Schuldner die Abgrenzung des Lebenssachverhaltes vornehmen kann.12 Es ist – für die Frage der Verjährungshemmung – nicht erforderlich, dass das Gericht, die Streitbeilegungsstelle oder ein sonstiger Dritter weiß, aus welchem Tatsachenkomplex der Gläubiger den Anspruch herleitet. Dies ist zur Konkretisierung des Anspruchs im Mahnbescheid allgemein anerkannt,13 muss aber für alle Hemmungstatbestände gelten: Der Schuldner – und nicht das Gericht oder die Streitbeilegungsstelle14 – soll sich auf die Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungsfrist hinaus einstellen können. Es genügt daher, wenn dieser weiß, „worum es geht“. Zudem geht es bei § 204 Abs. 1 BGB nur darum, den Schuldner zu warnen. Es ist daher auch unerheblich, ob dieser darüber hinaus aufgrund der Angaben entscheiden kann, ob er sich gegen die Inanspruchnahme verteidigen will15 oder ob der Insolvenzverwalter die Forderung prüfen kann16. 2. Angaben zum Anspruchsziel, insbesondere zum Umfang des Anspruchs Weil der Schuldner seine wirtschaftlichen Dispositionen nur dann auf die Inanspruchnahme einstellen kann, wenn er weiß, in welcher Höhe er in Anspruch genommen wird, ist weiterhin notwendig, dass er das Anspruchsziel und den Umfang des Gläubigerbegehrens feststellen kann. Hierzu ist eine genaue Angabe zur Anspruchshöhe jedenfalls dort notwendig, wo sie dem Gläubiger mit den
12 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 585 f.; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 53. Für § 220 Abs. 2 BGB a. F. auch Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 89 f. 13 Siehe nur Grothe, NJW 2015, 17, 18. Ausf. hierzu oben 5. Kap., B) I. 3. b) (S. 154). 14 In diese Richtung BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 29): Die Gütestelle sei für einen möglichen Einigungsvorschlag ohnehin auf die Stellungnahme der Beklagten angewiesen gewesen, der sie entnehmen könne, welchen der geltend gemachten Pflichtverletzungen die Beklagte mit welchen tatsächlichen Behauptungen entgegentreten wolle. 15 Dies wird insb. bei § 204 Abs. 1 Nr. 3 u. Nr. 4 BGB für die Konkretisierung gefordert. 16 Hierzu unten 7. Kap., C) XI. 2. (S. 305).
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
ihm zur Verfügung stehenden Informationen möglich ist.17 Der Umfang der Inanspruchnahme kann sich dabei freilich auch hier aus den Umständen ergeben. Haben die Parteien nur einen Kaufvertrag geschlossen und verlangt der Gläubiger „Zahlung des Kaufpreises“, genügt dies für eine hinreichende Konkretisierung, wenn der Schuldner die Höhe des Kaufpreises kennt oder aus dem Vertrag ersehen kann. Anders kann dies sein, wenn die Höhe des Kaufpreises zwischen den Parteien streitig ist und der Schuldner nicht weiß, in welcher Höhe der Gläubiger den Anspruch gegen ihn geltend macht. Hemmung tritt dabei nur insoweit ein, als der Schuldner erkennbar vom Gläubiger in Anspruch genommen wird, weil der Umfang der Hemmung mit dem Umfang der Warnung korrespondieren muss. Es wird daher der gesamte Anspruch gehemmt, wenn sich für einen objektiven Dritten in der Person des Schuldners aus den Umständen durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) ergibt, dass der gesamte Anspruch geltend gemacht wird. Macht der Gläubiger seinen Anspruch hingegen nur teilweise geltend, tritt Hemmung nur in diesem Umfang ein. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass bei einer auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klage eine Bezifferung nicht notwendig ist und der Anspruch insgesamt gehemmt wird. Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall, der rechtlich seine Ursache im Grundsatz der Schadenseinheit hat und daher nicht verallgemeinert werden darf.18 In den Fällen, in denen eine exakte Angabe zum Anspruchsumfang nicht möglich ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7, Nr. 8 BGB), ist vom Gläubiger Sachvortrag zu fordern, aus dem sich für den Schuldner ergibt, in welcher Höhe mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist.19 Wird beispielsweise Schadensersatz begehrt, sind die einzelnen Schadenspositionen zu beschreiben, werden Mängel behauptet, sind diese möglichst genau zu schildern, sodass der Schuldner die Kosten für deren Beseitigung abschätzen kann. Im Fall von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist eine Bezifferung zu fordern, wenn der Gläubiger die Höhe des Anspruchs kennt. Nur dann, wenn der Anspruchsumfang noch unklar ist, genügt die Mitteilung der diesem zugrunde liegenden Tatsachen.20 Diese Anforderungen gehen über diejenigen hinaus, die bisher an die Konkretisierung des An17 Für § 220 Abs. 2 BGB a. F. verlangt Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 90 eine „annähernd genaue Bezifferung“. 18 Rein praktisch geht hiermit freilich auch eine Beweiserleichterung einher, da die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach später nicht mehr bewiesen werden braucht. 19 Für § 220 BGB a. F. wie hier Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 166. Anders Peters, JR 2016, 654, 655 f., der die Großzügigkeit zudem mit § 213 BGB begründet. 20 Vgl. BGH NJW-RR 2016, 372, 373 (Rn. 19): „Angabe der (zumindest: ungefähren) Größenordnung der Schadensersatzforderung“ bei § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB erforderlich.
B. Weitere verallgemeinerbare Fallgestaltungen
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spruchs bei Nr. 6 und Nr. 7 gestellt werden. Zur Erreichung der mit § 204 Abs. 1 BGB angestrebten Warnfunktion sind diese jedoch unerlässlich, auch wenn sie prozessual (§§ 72, 73 ZPO bzw. § 487 ZPO) nicht gefordert werden.21 Wie bereits oben thematisiert,22 liegt bei der Individualisierung der Schwerpunkt auf der Abgrenzung des Lebenssachverhaltes. Ohne Angaben zum Anspruchsumfang kann der Schuldner das wirtschaftliche Ausmaß seiner Inanspruchnahme aber nicht abschätzen, was aber zur Erreichung des Telos des § 204 Abs. 1 BGB unverzichtbar ist. Die Schuldnerinteressen machen es daher notwendig, vom Gläubiger konkrete Angaben zur Forderungshöhe dort zu verlangen, wo er sie leisten kann. Die Gläubigerinteressen werden aber gewahrt, wenn man möglichst genauen Sachvortrag zum Anspruchsumfang dort genügen lässt, wo eine exakte Bezifferung noch nicht möglich ist.
B. Weitere für mehrere Rechtsverfolgungsmaßnahmen in Betracht kommende Fallgestaltungen I. Zustellung und Veranlassung der Bekanntgabe 1. Zustellung Fordert der Wortlaut des Hemmungstatbestandes eine Zustellung, muss eine solche vorgenommen werden und analog § 167 ZPO demnächst erfolgt sein, damit Verjährungshemmung eintreten kann. Es ist jedoch entgegen der allgemeinen Auffassung nicht notwendig, dass die Zustellung wirksam war, zu unverjährter Zeit ordnungsgemäß wiederholt wurde oder der Mangel nach § 189 ZPO oder § 295 ZPO in unverjährter Zeit oder demnächst im Sinne des § 167 ZPO (i. V. m. § 295 ZPO: § 167 ZPO analog)23 unbeachtlich geworden ist. Es genügt im Grundsatz vielmehr, dass formal eine Zustellung vorgenommen wurde, mithin der äußere Anschein einer solchen vorliegt, und dem Schuldner das Dokument im Sinne des § 189 ZPO „tatsächlich zugegangen ist“, das heißt, „dass er es in den Händen hält“. Für den tatsächlichen Zugang im Sinne des § 189 ZPO ist daher nach überwiegender Auffassung mehr erforderlich als für den Zugang nach materiellem Recht gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.24 Vorliegend 21 Für § 220 BGB a. F. wie hier Hauck, Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, S. 166. 22 5. Kap., B) I. 3. a) (S. 150). 23 Hierzu oben 2. Kap., B) II. 2. b) bb) (S. 31). 24 Hierzu BFH (Gr. Senat) NJW 2014, 2524, 2527 f. (Rn. 62 ff.); Häublein, in: MüKoZPO, § 189 Rn. 8; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, § 189 Rn. 26; nicht eindeutig Roth, in: Stein/ Jonas23, § 189 Rn. 7.
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
wird der strengere Maßstab des § 189 ZPO, also das „in den Händen halten“ gefordert, weil dieser als Kompensation dafür dient, dass die den Adressaten schützenden Formvorschriften, insbesondere die der Ersatzzustellung, nicht eingehalten sein müssen.25 Zudem muss dieser tatsächliche Zugang analog § 167 ZPO demnächst erfolgt sein. Die Einhaltung der §§ 166 ff. ZPO ist ebenso wenig erforderlich wie ein Zustellungswille des Gerichts oder der Geschäftsstelle, solange der äußeren Form nach eine Zustellung vorliegt. Fehlender Zustellungswille schadet schon deshalb nicht, weil dies der Zustellung nicht anzusehen ist und daher deren Warnwirkung nicht beeinträchtigt. Wenn man den Anwendungsbereich des § 189 ZPO so weit fasst wie der BGH,26 wird häufig schon nach dieser Vorschrift eine Heilung vorliegen, sodass aufgrund der Fiktion des § 189 ZPO eine wirksame Zustellung anzunehmen ist, welche immer für eine Hemmung genügt. Die Frage der Verjährungshemmung sollte jedoch nicht vom im Einzelnen streitigen Anwendungsbereich 27 des § 189 ZPO abhängig gemacht werden, wenn der im Rahmen von § 204 Abs. 1 BGB mit der Zustellung verfolgte Zweck – nämlich sicherer Kenntnisnahmemöglichkeit28 des Schuldners von der Rechtsverfolgungsmaßnahme – erreicht wurde. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass bei unwirksamer Zustellung zunächst keine Rechtshängigkeit eintritt, denn die Darstellung hat gezeigt, dass die Rechtshängigkeit jedenfalls seit Inkrafttreten des § 204 BGB keine tragende Voraussetzung der Verjährungshemmung mehr ist. Es schadet daher nicht, wenn der Zustellungsvorgang fehlerhaft ist oder eine einfache, statt wie erforderlich eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift zugestellt wird 29. Bei der Zustellung an einen prozessunfähigen Schuldner tritt Hemmung nur ein, wenn das zuzustellende Dokument demnächst dem gesetzlichen Vertreter tatsächlich zugeht,30 da andernfalls nicht sichergestellt werden kann, dass auf 25
Vgl. hierzu BFH (Gr. Senat) NJW 2014, 2524, 2528 (Rn. 71–73). Vgl. BGHZ 208, 255, 259 f. (Rn. 14 ff.); BGHZ 204, 268, 272 f. (Rn. 12 ff.); BGHZ 188, 128, 141 (Rn. 40 ff.). Siehe auch BGH NJW 2017, 2472, 2475 (Rn. 38 f.). Eine Heilung nach § 189 ZPO scheidet aber aus, wenn sich der Zustellungswille nur auf den Scheinbeklagten, nicht aber auf den mit der Klageschrift gemeinten (tatsächlichen) Beklagten bezieht, BGH NJW 2017, 2472, 2475 ff. (Rn. 40 ff.); BGH NJW-RR 2017, 1086, 1087 (Rn. 13). 27 Hierzu Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 11–16; Häublein, in: MüKo-ZPO, § 189 Rn. 5 –7 und auch BGH NJW 2017, 2472, 2475 ff. (Rn. 40 ff.). 28 Eine tatsächliche Kenntnis ist auch bei § 189 ZPO nicht erforderlich. Der Adressat, der sich der Kenntnis verschließt, muss sich nach § 189 ZPO behandeln lassen, Häublein, in: MüKo-ZPO, § 189 Rn. 8. 29 BGHZ 208, 255, 259 (Rn. 13). Für eine Heilung nach § 189 ZPO in einem solchen Fall BGHZ 208, 255, 259 f. (Rn. 14 ff.), hiergegen bspw. Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 16. 30 Für einen Heilung nach § 189 ZPO in diesem Fall BGHZ 204, 268, 272 f. (Rn. 14 ff.). 26
B. Weitere verallgemeinerbare Fallgestaltungen
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Schuldnerseite eine Warnung erreicht wird oder die notwendigen Maßnahmen getroffen werden.31 Fehlt eine Zustellung gänzlich, weil sie beispielsweise nicht angeordnet wurde, fehlt es an einer Voraussetzung des § 204 Abs. 1 BGB und Hemmung kann nicht eintreten. Möglich bleibt dann nur eine demnächstige32 (§ 167 ZPO analog) Heilung nach § 295 ZPO. Damit liegt die materiell-rechtliche notwendige Zustellung zwar immer noch nicht vor, dem Schuldner ist jedoch aus prozessualen Gründen verwehrt, sich auf deren Fehlen zu berufen.33 2. Veranlassung der Bekanntgabe Lässt es das Gesetz in § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 BGB genügen, dass die Bekanntgabe veranlasst wird, ist es zur Wahrung der Kenntnisnahmemöglichkeit auf Seiten des Schuldners notwendig, dass der Antrag die Angaben enthält, die erforderlich sind, dass dieser den Schuldner überhaupt erreichen kann. Er muss also insbesondere eine ladungsfähige Anschrift enthalten.34 Die Veranlassung der Bekanntgabe mit einer unzutreffenden Schuldneradresse kann daher, weil der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB von vornherein nicht erreicht werden kann, die Verjährung nicht hemmen. Es besteht aber kein Anlass, hier eine nachträgliche Korrektur so, wie sie bei der Zustellung ebenfalls möglich ist, zu versagen. Der Gesetzgeber hat bei diesen Hemmungstatbeständen vom Erfordernis der Zustellung abgesehen, weil eine solche verfahrensrechtlich nicht vorgesehen ist. Es war jedoch nicht beabsichtigt, dem Gläubiger strengere Maßstäbe als bei der Zustellung aufzuerlegen. Wird der Antrag daher vor Ablauf der Verjährung eingereicht, können die Angaben auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist noch korrigiert werden, wenn mit diesen sodann
31 Im Ergebnis ebenso Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 162 f. 32 Weil die Parteien auf die Terminierung und damit auf den Zeitpunkt der Heilung keinen Einfluss haben, treten in diesem Zusammenhang Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 174 u. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 253 Rn. 184 für eine weite Auslegung des Merkmals „demnächst“ ein. Es sollte jedoch bei den in Rahmen von § 167 ZPO entwickelten Grundsätzen bleiben, weil andernfalls über einen zu langen Zeitraum die Frage, ob Verjährungshemmung eingetreten ist, offen bleiben kann, was wiederum nicht mit berechtigten Schuldnerinteressen vereinbar ist. Die zu § 167 ZPO entwickelte Auslegung des Merkmals „demnächst“ versucht einen angemessenen Ausgleich zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen. Diese gelten auch bei der analogen Anwendung des § 167 ZPO im Rahmen des § 295 ZPO und sollten nicht einseitig zu Gunsten des Gläubigers ausgeweitet werden. 33 Vgl. Thole, in: Stein/Jonas23, § 295 Rn. 4 4; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 295 Rn. 10. Siehe noch oben 2. Kap., B) II. 2. b) bb) (S. 31). 34 BGH NJW 2016, 151, 152 (Rn. 9 ff.).
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die Veranlassung der Bekanntgabe (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB)35 oder die Bekanntgabe selbst (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB)36 noch demnächst erfolgt. Eine Hemmung ist zudem wie bei der Zustellung zu bejahen, wenn trotz fehlerhafter Adressangabe dem Schuldner der Antrag demnächst (§ 167 ZPO analog) tatsächlich zugeht, da auch dann der Zweck des Kundgabetatbestandes erreicht ist. Für den Eintritt der Verjährungshemmung ist zudem auch hier erforderlich, dass die Veranlassung der Bekanntgabe bzw. die Bekanntgabe selbst die verfahrensrechtlich vorgesehene äußere Form einhält. Fordert daher beispielsweise die Verfahrensordnung der angerufenen Streitbeilegungsstelle, dass die Veranlassung der Bekanntgabe entsprechend der Zustellungsvorschriften der ZPO37 oder per Einwurfeinschreiben38 erfolgen soll, kann Hemmung nur eintreten, wenn diese äußere Form gewahrt wird, sodass in diesen Fällen die Veranlassung der Bekanntgabe mittels einfachen Briefs die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB nicht auslösen würde. Auf die Wirksamkeit kommt es freilich auch hier nicht an. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB lässt sich nicht Gegenteiliges entnehmen, weil dieser nur den Zeitpunkt der Hemmung vorverlegt, die Festlegung bestimmter Formen der Bekanntgabe in den Verfahrensordnungen jedoch nicht ausschließt.
II. Einleitung der Maßnahme ausschließlich zur Verjährungshemmung Eine Hemmung tritt auch dann ein, wenn der Gläubiger die Rechtsverfolgungsmaßnahme gerade deswegen eingeleitet hat, um die Verjährung zu hemmen.39 Gerade bei kurz vor Ende der Verjährung ergriffenen Maßnahmen wird dieser 35
BGH NJW 2016, 151, 153 (Rn. 14 ff.). Die Veranlassung der Bekanntgabe vor Ablauf der Frist mit einer falschen Adresse kann aus den genannten Gründen nicht hemmen. Wird der Antrag nach Fristablauf von der Streitbeilegungsstelle an den Schuldner versandt, ist für die Hemmung ohnehin eine Bekanntgabe notwendig, die nur mit der richtigen Adresse möglich ist. 37 Z. B. § 6 Abs. 3 der Verfahrensordnung der Gütestelle Rechtsanwältin Angela WehrtSierwald, Stand: 08.12.2015. Abrufbar unter https://www.wehrt-hahn.de/Guetestelle/, zuletzt abgerufen am 03.05.2018. 38 Z. B. § 3 Nr. 1 S. 1 der Verfahrensordnung der staatlich anerkannten Gütestelle für privates Wirtschaftsrecht mit dem Schwerpunkt Bank-und Kapitalmarktrecht (Rechtsanwalt Dr. Christofer Hebel, zugleich Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht), Stand 01. Mai 2013. Abrufbar unter http://www.christofer-hebel.de/files/verfahrensordnung.pdf, zuletzt abgerufen am 03.05. 2018. 39 So im Grundsatz auch der BGH für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB: BGH NJW 2016, 233, 235 (Rn. 33, im konkreten Fall aber anders); BGH VersR 2016, 907, 908 (Rn. 17); BGH NJOZ 2016, 645 (Rn. 12, für den konkreten Fall jedoch anders); BGH NJW 2016, 236, 237 (Rn. 25); BGHZ 123, 337, 345. Allgemein OLG Celle WM 2016, 205, 210 (für den konkreten Fall jedoch ebenfalls anders). Für § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 95. 36
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Aspekt zunächst im Vordergrund stehen. Aber auch dann, wenn es dem Gläubiger später nicht auf eine zeitnahe Rechtsverwirklichung ankommt, besteht kein Grund, die Hemmungswirkung zu versagen. § 204 Abs. 1 BGB beinhaltet keine Pflicht zur zügigen Rechtsdurchsetzung,40 vielmehr steht auch dem Gläubiger, der nur eine spätere Anspruchsdurchsetzung sichern will, die Möglichkeit des § 204 Abs. 1 BGB offen, da auch in diesem Fall der Zweck der Vorschrift erreicht wird: Der Schuldner weiß, dass er sich über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus leistungsbereit halten und Beweismittel aufbewahren muss, denn es wird jedenfalls das Interesse des Gläubigers an einer späteren Rechtsdurchsetzung sichtbar. Diese kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Verjährung des Anspruchs jetzt gehemmt wird. Eine übermäßige Belastung des Schuldners ist hiermit nicht verbunden, weil die Rechtsverfolgung nicht zu einem Neubeginn, sondern nur zu einer Hemmung führt, und diese Wirkung nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB endet, wenn der Gläubiger das Verfahren nicht betreibt. Die Gegenauffassung41 berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Verjährungshemmung nicht Nebenfolge der Rechtsverfolgung oder gar der Rechtshängigkeit ist und diese daher auch nicht von der „Hauptsache“ Rechtsverfolgung in dem Sinne abhängt, dass dann, wenn (zunächst) kein Interesse an dieser besteht, eine Hemmung ausscheidet. Vielmehr sind die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände Mittel der Verjährungshemmung. Sie sind vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellt worden, damit der Gläubiger einseitig auf den Lauf der Verjährung Einfluss nehmen kann. Wählt er eine solche Option, tritt daher Hemmung unabhängig davon ein, ob ein Interesse an der Fortführung des Verfahrens oder, dort wo sie möglich ist, der Titulierung besteht.42 Denn die Bewirkung der Verjährungshemmung ist notwendige Voraussetzung für eine spätere erfolgsversprechende Rechtsverfolgung. A. A. Regenfus, NJW 2016, 2977, 2980 f., ausf. hierzu oben 3. Kap., C) II. 1. d) (S. 95). Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3, 26 (Einer solchen Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis), Rn. 51 (für § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB); Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 144. Zudem RGZ 66, 412, 414 f.: Diese, zu § 477 Abs. 2 BGB in der bis zum 30.03.1991 geltenden Fassung (geändert durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz v. 17.12.1990, BGBl. 1990 I, S. 2847) ergangene und von BGHZ 123, 337, 345 als Ausnahmefall bezeichnete, Entscheidung begründet die Verneinung der Unterbrechungswirkung aber ganz wesentlich damit, dass der Antrag des Klägers, den Antrag auf gerichtliche Beweisaufnahme nicht zu verfügen, dazu führe, dass der Gegner vom Beweissicherungsantrag keine Kenntnis erlange und daher seinerseits nicht die notwendigen Vorkehrungen treffen könne. Dieses Argument trägt jedoch für die gegenwärtige Rechtslage nicht, da die Hemmungstatbestände nunmehr alle einen Kundgabetatbestand enthalten. Wie hier Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 4, die zudem darauf hinweisen, dass die Rechtsfolge Verjährungshemmung unabhängig vom Willen des Gläubigers eintritt. 42 Schwintowski, BKR 2009, 89, 97; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 4. 40
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III. Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit; Vollmacht 1. Partei- und Prozessfähigkeit Die fehlende Parteifähigkeit kann nur dann relevant werden, wenn im Einzelfall auch Rechtsverfolgungsmaßnahmen des Nichtberechtigten oder gegen den Nichtschuldner hemmen können, da die Hemmung sonst schon wegen Fehlens dieser Voraussetzungen ausscheidet. Berechtigter und Verpflichteter kann nur sein, wer jedenfalls teilweise rechtsfähig ist. Mit dieser partiellen Rechtsfähigkeit geht dann insoweit aber auch Parteifähigkeit einher.43 Fehlt dem Gläubiger die Prozessfähigkeit, wird dies nicht dazu führen, dass die Warnwirkung entfällt, weil der Schuldner dies der Maßnahme, zum Beispiel der Klageschrift, regelmäßig nicht entnehmen kann. Anders kann es sein, wenn der Beklagte weiß, dass dem Kläger die Prozessfähigkeit fehlt und ihm beispielsweise vom gesetzlichen Vertreter kurz vor Ablauf der Frist mitgeteilt wurde, dass der Anspruch nicht klagweise geltend gemacht werden soll. Problematisch kann hingegen das Fehlen der Prozessfähigkeit auf Schuldnerseite sein. Vereinfacht kann aus § 52 ZPO geschlossen werden, dass bei fehlender Prozessfähigkeit im Zweifel auch keine unbeschränkte Geschäftsfähigkeit besteht.44 Besteht eine gesetzliche Vertretung, tritt dennoch Hemmungswirkung ein, da der Vertreter die infolge der Warnung notwendige Beweissicherung vornehmen und Vorkehrungen für die Inanspruchnahme treffen kann. Ist die Partei hingegen ohne gesetzlichen Vertreter, ist nicht sichergestellt, dass die notwendigen Maßnahmen getroffen werden. Die Hemmungswirkung ist daher in der Regel zu versagen. Bei natürlichen, nicht aber bei juristischen Personen,45 hilft dem Kläger jedoch § 210 BGB. Bei letzteren und bei parteifähigen Gebilden bleibt dem Gläubiger aber (nur) die Möglichkeit des § 57 ZPO.46 2. Fehlende Vollmacht Lässt sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Anspruchs vertreten und fehlt dem Vertreter die Vollmacht, hindert dies den Hemmungseintritt in der Regel nicht, denn der Schuldner wird der Rechtsverfolgungsmaßnahme die fehlende Vertretungsbefugnis in der Regel nicht ansehen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Schuldner nach den Umständen des Einzelfalls die Maß-
Lindacher, in: MüKo-ZPO, § 50 Rn. 23. Lindacher, in: MüKo-ZPO, § 52 Rn. 3; Schmitt-Gaedke/Arz, JA 2016, 770. 45 Grothe, in: MüKo-BGB, § 210 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 210 Rn. 2. 46 Zöller/Althammer, § 57 Rn. 1a; Lindacher, in: MüKo-ZPO, § 57 Rn. 2. 43
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C. Besonderheiten der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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nahme nicht als solche des Gläubigers verstehen musste. Dies kann der Fall sein, wenn keinerlei sinnvolle Verbindung zwischen dem Gläubiger und dem Vertreter, der die Maßnahme einleitet, denkbar ist.
IV. Allein die Kenntnis des Schuldners vom Mangel führt nicht zur Verneinung der Hemmungswirkung Vorstehend unter III. (S. 282) und auch im Folgenden unter C) (S. 283) wird zur Begründung, dass der Mangel nicht zum Entfallen der Hemmungswirkung führt, in einigen Fällen darauf abgestellt, dass der Schuldner diesen Mangel aus der Rechtsverfolgungsmaßnahme nicht ersehen kann und dieser daher nicht geeignet ist, die Warnwirkung entfallen zu lassen. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Umkehrschluss, dass immer dann, wenn der Schuldner den Mangel erkennt, der Eintritt der Verjährungshemmung zu verneinen ist. Die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB tritt vielmehr nur dann nicht ein, wenn die Kenntnis des Schuldners vom Mangel zugleich dazu führt, dass aus Sicht eines objektiven Dritten in der Person des Schuldners (§§ 133, 157 BGB analog) die Warnwirkung der Rechtsverfolgungsmaßnahme entfällt. Solange trotz dessen, dass dem Schuldner der Mangel bekannt ist, der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers deutlich wird, tritt Verjährungshemmung ein.
C. Besonderheiten der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 14 BGB Die Warnung tritt nur dann nicht ein, wenn der verfahrensrechtliche Fehler dazu führt, dass der Rechtsverfolgungsmaßnahme der Rechtsverfolgungswille nicht mehr entnommen werden kann. Zur Ermittlung dessen ist die Maßnahme analog §§ 133, 157 BGB auszulegen. Hierbei sind auch alle Umstände außerhalb der Maßnahme zu berücksichtigen, wenn sie dem Schuldner bekannt sind oder bekannt sein mussten.
I. Erhebung der Klage, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB 1. Unterschriftserfordernis Ist die Klageschrift nicht unterzeichnet, kann dies dazu führen, dass mit der Klageerhebung nicht der notwendige Rechtsdurchsetzungswille zum Ausdruck kommt, denn die Unterschrift dient auch dazu, die Klage vom bloßen Entwurf
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zu unterscheiden.47 Eine hinreichende Dokumentation des Rechtsverfolgungswillens wird man jedoch in den Fällen annehmen müssen, in denen die Klage zwar eine Namenszeichnung trägt, diese aber den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen nicht genügt, wie beispielsweise bei einem Namensstempel.48 In diesen Fällen und insbesondere in denen, in welchen ein Namenszug gänzlich fehlt, kommt den sonstigen Umständen wesentliche Bedeutung zu. So kann auch bei fehlender oder ungenügender Unterschrift der Rechtsverfolgungswille deutlich werden, wenn der Gläubiger vorgerichtlich die Klage angekündigt hat, vor allem dann, wenn die Ankündigung mit einem Hinweis auf die baldige Verjährung verbunden ist49 oder vor Fristablauf der Gerichtskostenvorschuss eingezahlt wurde.50 An der Dokumentation des Rechtsdurchsetzungswillens kann es hingegen fehlen, wenn zur fehlenden Unterschrift noch weitere Verfahrensfehler hinzutreten, so wenn ein abwegiger Rechtsweg beschritten wird. Es genügt daher, wenn unmissverständlich Klage erhoben werden sollte. Diese Unmissverständlichkeit kann sich auch aus den Umständen ergeben und auch bei fehlender Unterschrift gegeben sein.51 2. Postulationsfähigkeit Fehlt bei Klageerhebung die Postulationsfähigkeit, hindert dies den Eintritt der Hemmungswirkung in der Regel nicht.52 Der Kläger hat in diesen Fällen zum Ausdruck gebracht, dass er den Anspruch geltend machen will, er hat sich nur BAG NJW 2009, 3596, 3597 (Rn. 17); Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 11. Weitere Beispiele bei Fritsche, in: MüKo-ZPO, § 129 Rn. 16. 49 Z. B.: „Sollte bis zum 15.12. kein Zahlungseingang zu verzeichnen sein, sehen wir uns gezwungen, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten.“ Vgl. auch OLG Dresden WM 2008, 1273, 1275. 50 Vgl. BVerfG NJW 2005, 814, 816. 51 Für § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wie hier Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 45, weniger deutlich in Rn. 12 für die Klage. Siehe auch BVerfG NJW 2005, 814, 815 f., in der das BVerfG für die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG a. F. (siehe 2. Kap., Fn. 35, S. 26) fordert, dass sich die Bestimmung der an das Unterschriftserfordernis zu stellenden Anforderungen am materiell-rechtlichen Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 S. 1 VVG a. F. orientieren muss. Weil es der BGH aber „bei seiner vornehmlich prozessrechtlichen Betrachtungsweise bewenden“ ließ, hat das BVerfG einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gebots des effektiven Rechtsschutzes bejaht und das Urteil aufgehoben. Obwohl es sich bei § 12 Abs. 3 S. 1 VVG a. F. um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelte, ist die Entscheidung auf die Frage der Verjährungshemmung übertragbar, weil auch hier die prozessualen Aspekte zunächst in den Hintergrund treten und für den Eintritt der Rechtsfolge entscheidend ist, ob die materiell-rechtlichen Zwecke des § 204 Abs. 1 BGB erreicht werden. 52 A. A. bspw. Riehm, NJW 2017, 113, 114; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 22. Wie hier allerdings Grothe, in: Remien (Hrsg.), Verjährungsrecht in Europa, S. 271, 282. 47
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nicht des erforderlichen Vertreters bedient. Der Schuldner sieht hier, dass der Gläubiger ernsthaft fordert, auch weil er das Prozess(kosten)risiko auf sich genommen hat. Dass es auf die Postulationsfähigkeit nach § 78 ZPO nicht ankommen kann, ergibt sich zudem aus einer wertenden Vergleichsbetrachtung mit der Klage vor dem sachlich unzuständigen Gericht: Erhebt die Partei beim Amtsgericht eine Klage, die erstinstanzlich in die Zuständigkeit der Landgerichte fällt, tritt nach allgemeiner Auffassung Hemmung der Verjährung ein. Bestimmt die Partei hingegen das sachlich zuständige Gericht zutreffend und reicht die Klage beim Landgericht ein, würde ihr diese Rechtskenntnis zum Nachteil gereichen, wenn in diesem Fall die Hemmung versagt würde. 3. Zulässigkeit Zulässigkeitsfehler sind in der Regel ebenfalls nicht geeignet, die Warnwirkung der Klage entfallen zu lassen. Wird einem Gerichtsbefreiten eine Klage zugestellt, was nach einer Ansicht immer, nach anderer Ansicht jedenfalls in den Fällen erfolgen soll, in denen die Immunität zweifelhaft ist,53 hemmt diese Zustellung die Verjährung, weil der Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erreicht wird. Der Beklagte weiß, dass der Kläger von ihm die Erfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs verlangt. Dass der Gläubiger dies in diesem Verfahren nicht erreichen kann, wenn auf die Immunität nicht verzichtet wird,54 steht der von der Klage ausgehenden Warnung nicht entgegen. Eine Verletzung der Immunität ist hiermit nicht verbunden, da sich diese nur auf die unmittelbare gerichtliche Tätigkeit bezieht,55 die materielle Wirkung der Verjährungshemmung nach der hier vertretenen Auffassung aber auch an die äußere Form der Rechtsverfolgungsmaßnahme anknüpfen kann. Auch dann, wenn über den erhobenen Anspruch schon rechtskräftig entschieden wurde, kommt einer wiederholten Klage Hemmungswirkung zu, was in den Fällen des § 197 Abs. 2 BGB relevant werden kann.56 Der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB ist erreicht, wenn der Schuldner sich auf die Inanspruchnahme einstellen kann, was auch dann der Fall ist, wenn nicht noch einmal über die Sache entschieden werden darf. Dass die Geltendmachung des Anspruchs zur Bestätigung des Rechts durch Urteilsspruch führt, ist eine mögliche, aber keine notwendige Fol-
53 Vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 253 Rn. 37 und oben 5. Kap., Fn. 189 (S. 177). 54 Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rn. 21, 23. 55 Zimmermann, in: MüKo-ZPO, Vor §§ 18 ff. GVG Rn. 5; Kissel/Mayer, GVG, § 18 Rn. 3, 7. 56 A. A. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 26.
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ge des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wie schon die Möglichkeit des Prozessvergleiches (§ 278 ZPO) zeigt. Wird eine Insolvenzforderung entgegen § 87 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend gemacht, scheitert eine Hemmung nicht am Vorrang der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB gegenüber § 204 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 BGB.57 Wird der Anspruch gegen die Masse geltend gemacht und die Klage an den Insolvenzverwalter zugestellt, tritt Hemmung der Verjährung ein. Bei einer Zustellung an den Schuldner scheitert eine Hemmung durch Klage auch nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, sondern allenfalls daran, dass nach herrschender Ansicht zur Hemmung eine Klage gegen den Schuldner notwendig ist und dem Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung die passive Prozessverfügungsbefugnis fehlt.58 § 87 InsO dient dem Zweck, dass Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens stattfindet, denn nur so kann eine gemeinschaftliche (§ 1 S. 1 InsO) und gleichmäßige Befriedigung erreicht werden. Hierfür genügt es aber, wenn einer Rechtsverfolgung außerhalb des Insolvenzverfahrens der sachliche Erfolg versagt wird. Es besteht kein Grund, auch die Hemmungswirkung zu verneinen.
II. Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB Auch für die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB genügt es, dass das Unterhaltsbegehren deutlich wird und dieser Anspruch individualisiert ist. Ist dem in Anspruch genommenen Elternteil seine Elternschaft bekannt, genügt es für die Individualisierung, dass das Kind als Anspruchsteller aus dem Antrag hervorgeht und ab wann Unterhalt (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) verlangt wird.59 Eine Hemmung tritt dann jedenfalls in Höhe des Mindestunterhalts (§ 1612a BGB) ein, wenn aus dem Antrag keine Beschränkung deutlich wird. Darüber hinaus wird man eine Hemmung in Höhe des 1,2fachen des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB (vgl. § 249 Abs. 1 FamFG) annehmen müssen, wenn im Antrag zum Ausdruck kommt, dass der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt im ihm zustehenden Umfang geltend machen will und der Unterhaltsschuldner mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen – gegebenenfalls durch Einholung fachkundigen Rats – die Höhe des geschuldeten Unterhalts ermitteln kann. Dies genügt, damit der Anspruchsgegner seine wirtschaft57 A. A. BGH NJW-RR 2013, 992, 994 (Rn. 21, 24 ff.); RGZ 129, 339, 343 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 26; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 98. 58 Hierzu unten 9. Kap., C) III. (S. 349). 59 Nickel, in: BeckOK FamFG, § 250 Rn. 5.
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lichen Dispositionen auf die Nachzahlung des Unterhalts einstellen kann. Die Angabe nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 FamFG ist dann entbehrlich. Die zur Individualisierung notwendigen Angaben müssen nicht im Antrag selbst enthalten sein, sondern sie können sich auch aus anderen Umständen, zum Beispiel einem vorgerichtlichen Schriftsatz oder der vorgerichtlichen Kommunikation der Eltern ergeben. Falschangaben nach § 250 Abs. 1 Nr. 13 FamFG hindern die Hemmung nicht, weil auch ein solcher Antrag den Rechtsdurchsetzungswillen dokumentiert. Dass wegen § 249 Abs. 2 FamFG der Anspruch im vereinfachten Verfahren nicht geltend gemacht werden darf, nimmt dem Antrag nicht die Warnung.60 Dem Eintritt der Hemmung steht es auch nicht entgegen, wenn für den Antrag nicht das zwingend vorgesehene Formular (§ 259 Abs. 2 FamFG) verwendet wird, da auch der formlos gestellte Antrag dem Schuldner deutlich macht, dass der Gläubiger seinen Anspruch realisieren will. Freilich wird in diesen Fällen zunächst keine Zustellung erfolgen, sodass die Hemmung scheitert, wenn die Zustellung nach Korrektur des Fehlers nicht noch demnächst vorgenommen wird. Nicht um einen verfahrensrechtlichen Fehler handelt es sich, wenn nach § 251 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht der Antrag selbst, sondern die Mitteilung über seinen Inhalt zugestellt wird. Das Verfahren nach §§ 249 ff. ZPO ist hier korrekt, es fehlt jedoch an der von § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderten Zustellung des Antrags. Dennoch ist in diesem Fall der Eintritt der Verjährungshemmung zu bejahen, weil der Gesetzgeber in § 251 Abs. 1 S. 1 FamFG die Zustellung der Mitteilung über den Inhalt des Antrags der Zustellung des Antrags selbst gleichgestellt hat. Die Verfahrensvorschrift erweitert mithin die Regelung des § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB.61
III. Zustellung des Mahnbescheids oder des Europäischen Zahlungsbefehls, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB 1. Verstöße gegen §§ 688, 689, 690, 702 Abs. 2, 703c Abs. 2 ZPO grundsätzlich unbeachtlich Für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB genügt es, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Mahnantrag gestellt wird, der den Anspruch hinreichend individualisiert und auf den hin ein Mahnbescheid erlassen und zugestellt wird, wobei auch die äußere Form der Zustellung genügt. Einzelne Verstöße gegen 60 Zum Parallelproblem des erschlichenen Mahnbescheids sogleich unter 7. Kap., C) III. 2. (S. 288). 61 Zum Parallelproblem bei § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB siehe unten 7. Kap., C) VIII. (S. 302).
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§§ 688, 689, 690, 702 Abs. 2, 703c Abs. 2 ZPO werden nicht geeignet sein, dem Mahnbescheid die Warnwirkung zu nehmen. Denkbar ist aber in Einzelfällen, dass durch eine Kumulation von Fehlern der Rechtsdurchsetzungswille verloren geht. Unter der Voraussetzung, dass der Mahnbescheid demnächst zugestellt wird, schadet daher die Einreichung des Antrags unter Verstoß gegen § 703c Abs. 2 ZPO oder gegen § 702 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht. Die Unterschrift unter den Mahnantrag ist entbehrlich, weil sie sich ohnehin nicht auf dem Mahnbescheid wiederfindet und ihr daher im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB kein Warn aspekt zukommt. Zu Recht geht die Rechtsprechung zudem davon aus, dass Falschangaben nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den Eintritt der Verjährungshemmung nicht hindern. Grund hierfür ist aber nicht, dass davon die Wirksamkeit des Mahnbescheids nicht berührt wird, sondern dass auch aus einem solchen Mahnbescheid deutlich wird, dass der Gläubiger die Leistung begehrt und sich der Schuldner auf eine Inanspruchnahme einrichten kann.62 Der Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB wird daher in diesem Fall erreicht. Ein Berufen auf diese Hemmungswirkung ist mithin auch nicht treuwidrig: 2. Berufung auf die Hemmungswirkung bei Verstößen gegen §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist nicht treuwidrig Dass die Rechtsprechung sodann dem Gläubiger unter Rückgriff auf § 242 BGB die Berufung auf die Hemmungswirkung versagt, ist insoweit ein Aspekt der verfahrensrechtlichen Fehlerhaftigkeit, als zur Begründung der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB auf die Verstöße gegen §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgestellt wird: Das Mahnverfahren scheide nach dem Willen des historischen Gesetzgebers für alle Ansprüche aus, die nur Zug um Zug zu erfüllen seien.63 Durch die Falschangabe überspiele der Antragsteller „zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte Schlüssigkeitsprüfung […] zu Gunsten des Antragsgegners“ vorsehe.64 Der Schwerpunkt dieser Problematik liegt jedoch im Anwendungsbereich des § 242 BGB und damit nicht bei der verfahrensrechtlichen Fehlerhaftigkeit, sondern im materiellen Recht. Zuzugeben ist, dass die Treuwidrigkeit nicht allein deswegen ausscheidet, weil auch ein unter Verstoß gegen §§ 688 Abs. 2 Nr. 2, 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergangener Mahnbescheid den Sinn und Zweck des § 204
62 Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 200 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 54; insoweit auch Regenfus, NJW 2016, 2977, 2979. 63 BGH NJW 2015, 3162, 3163 (Rn. 21); Schüler, in: MüKo-ZPO, § 688 Rn. 12a. 64 BGH NJW 2015, 3160, 3161 (Rn. 24); BGH NJW 2015, 3162, 3164 f. (Rn. 23).
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Abs. 1 BGB erfüllt.65 Dennoch trägt die Begründung, mit der die Anwendung des § 242 BGB bejaht wird, nicht, denn diese beruht auf einer nicht gerechtfertigten Verknüpfung von Verjährungshemmung einerseits und Erlangung eines Vollstreckungstitels andererseits. Es ist vielmehr zwischen der Erschleichung eines Titels und der Erschleichung der Hemmungswirkung zu unterscheiden: Der Vorwurf, der dem Antragsteller möglicherweise zu machen ist, richtet sich allein gegen die Verschaffung des Titels in dem Sinne, dass das Gesetz eine Titulierung bei begrenzter Schlüssigkeitsprüfung nur unter den Voraussetzungen von §§ 688, 689, 690 ZPO zulassen will. Dies fordert es aber nicht, nach § 242 BGB auch die materiell-rechtliche Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB zu versagen. Der Mahnbescheid, dessen Zustellung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung hemmt, ist kein Vollstreckungstitel. Legt der Antragsgegner Widerspruch ein, kann er seine Rechte im streitigen Verfahren ausreichend wahren. In diesem Fall ist das Mahnverfahren letztlich nur eine besondere Form der Verfahrenseinleitung. Dass der Schuldner in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise gewarnt wurde, erfordert es nicht, ihm im streitigen Verfahren die zusätzliche Verteidigung des § 214 Abs. 1 BGB an die Hand zu geben. Der Mahnbescheid kann, muss aber nicht, in einen Vollstreckungstitel münden, sodass dem Antragsteller auch nicht unterstellt werden kann, er wolle sich einen Titel erschleichen. Möglicherweise kommt es ihm gerade darauf an, zunächst die Verjährung zu hemmen. Der Vollstreckungsbescheid ergeht nur auf Antrag, welcher erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden kann (§ 699 Abs. 1 S. 2 ZPO). Auch wenn der Gläubiger diesen Antrag nicht stellt und den Mahnantrag66 oder den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens (§ 696 Abs. 4 ZPO) zurücknimmt, ist ihm wegen § 204 Abs. 2 BGB bereits geholfen, da er wenigstens sechs Monate Zeit hat, eine Klage zu formulieren. Der Gläubiger ist also keineswegs gezwungen, sich nach Einleitung des Mahnverfahrens einen materiell unrichtigen Titel zu verschaffen, um sich die Wirkungen des § 204 Abs. 1 BGB zu sichern. Aber auch dann, wenn ein Vollstreckungsbescheid ergeht, ist dies für sich genommen kein Grund, die Verjährungshemmung zu verneinen. Wird Einspruch eingelegt (§§ 700 Abs. 1, 338 ZPO), gilt im Ergebnis das Gleiche wie nach Einlegung des Widerspruchs: Der Beklagte kann seine Rechte im streitigen Verfahren geltend machen. Vollstreckt der Kläger aus dem Vollstreckungsbescheid, trägt er hierfür das Risiko (§ 717 Abs. 2 ZPO). Auch dass im Einzelfall ein materiell unrichtiger Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden könnte, rechtfertigt es nicht, die Berufung auf die Hemmungswirkung zu versagen. Gegen einen erschlichenen Titel steht dem SchuldSchüler, in: MüKo-ZPO, § 688 Rn. 12a. Hierzu Schüler, in: MüKo-ZPO, § 690 Rn. 55.
65 Vgl. 66
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ner in extremen Ausnahmefällen, jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung, § 826 BGB zur Verfügung.67 Die Erschleichung des Titels ist aber unabhängig von der Erlangung der Hemmungswirkung. Die Verjährungshemmung dürfte daher nur dann verneint werde, wenn sich der Gläubiger eben diese „erschlichen“ hätte. Dies ist aber vollkommen unabhängig von der unrechtmäßigen Erlangung eines Titels zu beurteilen und wird ausscheiden, wenn der Schuldner wegen der Zustellung des Mahnbescheids damit rechnen musste, in Anspruch genommen zu werden. Dass der BGH in den beschriebenen Fällen die Berufung auf die Verjährungshemmung versagt, steht zudem nicht im Einklang mit seiner Entscheidung zur Aufrechnungsreplik.68 Dort wurde eine Verjährungshemmung angenommen, obwohl in dem Prozess, in dem die Aufrechnung erklärt wurde, von vornherein eine Entscheidung über die Gegenforderung nicht möglich war. Zwar besteht hier insoweit ein Unterschied zu den Fällen von Falschangaben im Mahnantrag, als hier nicht die Gefahr besteht, dass der Gläubiger unrechtmäßig einen Titel erlangt. Gemeinsam ist aber beiden Fällen, dass der Gläubiger zur Verjährungshemmung ein Mittel des § 204 Abs. 1 BGB wählt, was für den Anspruch, der gehemmt werden soll, untauglich ist: Im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wegen der Beschränkung in § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB, weil eine Gegenaufrechnung des Klägers nicht zulässig ist. 3. Rückbeziehung der Hemmungswirkung nach § 691 Abs. 2 ZPO Nach § 691 Abs. 2 Alt. 3 ZPO tritt die Hemmungswirkung mit der Einreichung oder Anbringung des Mahnantrags ein, wenn innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zurückweisung des Antrags Klage eingereicht und diese demnächst zugestellt wird. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass demjenigen, der das Mahnverfahren zur Anspruchsdurchsetzung wählt, keine Nachteile entstehen. Er soll jedoch auch nicht besser gestellt werden, das heißt § 691 Abs. 2 ZPO darf nicht als besondere, nur für das Mahnverfahren geltende, Möglichkeit der Verlängerung der Verjährungszeit verstanden werden. Die Vorschrift ist daher im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass die binnen Monatsfrist erhobene Klage nur hemmen kann, wenn auf den Mahnantrag hin ein Mahnbescheid hätte erlassen werden können, der trotz seiner Rechtswidrigkeit (vgl. § 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) gehemmt hätte. Dies gilt für die
67 Hierzu Wagner, in: MüKo-BGB, § 826 Rn. 226 ff., zu Vollstreckungsbescheiden Rn. 234 ff. 68 BGHZ 176, 128 ff., hierzu oben 5. Kap., B) III. 5. b) aa) (S. 194).
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Individualisierung69 aber auch für alle anderen Fehler, die dem Mahnbescheid die Warnwirkung genommen hätten.70
IV. Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB 1. Individualisierung Im Anschluss an das oben Gesagte71 genügt für die Erfüllung des Individualisierungserfordernisses, wenn der Schuldner mit den Angaben des Gläubigers die Konkretisierung zweifelsfrei vornehmen kann, auch wenn hierzu auf Schuldnerseite noch weitere Maßnahmen notwendig sind. Es reicht mithin aus, wenn der dem Anspruch zugrunde liegende Tatsachenkomplex für den Schuldner bestimmbar ist. Wenn die Bestimmung im Einzelfall beim Schuldner größeren Aufwand erfordert, weil dieser sich mit einer Vielzahl parallel gelagerter Fälle konfrontiert sieht,72 geht dies nicht zu Lasten des Gläubigers. Entscheidend ist, dass dem Schuldner Gelegenheit gegeben wird, sich auf die Inanspruchnahme einzustellen. Welche Maßnahmen er hierzu intern treffen muss, ist seiner Sphäre zuzuordnen.73 Weil die Verjährungshemmung das Verhältnis des Gläubigers zum Schuldner betrifft, ist es auch unerheblich, ob die Gütestelle die Individualisierung vornehmen konnte. Für die Erfüllung ihrer Aufgabe, nämlich insbesondere die Unterbreitung eines geeigneten Vergleichsvorschlages,74 genügt es, wenn für sie der Sachverhalt im Laufe des Verfahrens konkretisiert wird.75 Damit die Streitbeilegungsstelle ihre Aufgabe wahrnehmen kann, wird es in der Regel ohnehin nicht ausreichen, den Anspruch zu individualisieren. Ein sachlich ge69 Siehe Schüler, in: MüKo-ZPO, § 691 Rn. 29a; Grothe, NJW 2015, 17, 19 und oben 5. Kap., B) III. 3. a) (S. 180). A. A. M. Vollkommer, FS G. Lüke, 1997, S. 865, 889; Maniak, MDR 2001, 347, 348. 70 Für die Berechtigung Thüringer OLG MDR 1998, 1468. 71 7. Kap., A) (S. 271). 72 Vgl. BGHZ 206, 41, 51 (Rn. 27). 73 Wie hier Lindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. Insoweit zutreffend daher auch Borowski/Steike, in: HK-VSBG, Art. 6 VSBGEG, § 204 BGB Rn. 18. In diese Richtung zudem mglw. BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 29, IV. Senat). A. A. BGHZ 206, 41, 51 (Rn. 27, III. Senat); OLG Celle WM 2016, 205, 207. 74 BGHZ 206, 41, 52 (Rn. 28); Lindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. 75 Wie hier Lindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. In diese Richtung mglw. auch BGH NJW 2016, 233, 234 (Rn. 29, IV. Senat). A. A. BGHZ 206, 41, 49, 52 (Rn. 24, 28, III. Senat); BGH NJW 2015, 3297, 3298 (Rn. 17, 18, 22); OLG Celle WM 2016, 205, 207; Regenfus, NJW 2016, 2977, 2978 f. Zum Ablauf des Verfahrens Borowski, in: HK-VSBG, § 17 Rn. 18 ff.
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rechtfertigter Lösungsvorschlag wird vielmehr nicht ohne eine – für die Frage der Verjährungshemmung unerhebliche – Substantiierung des Anspruchs möglich sein.76 Bei der Lösung der im Rahmen der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB auftretenden Probleme wird in der Diskussion zu Unrecht das Gewicht zu stark auf die mit dem Güteverfahren bezweckten weiteren Ziele gelegt.77 Es ist aber notwendig, bei der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung den materiell-rechtlichen Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB in den Mittelpunkt zu stellen. Dahinter zurück treten die mit den einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen verfolgten verschiedenen prozessualen oder rechtspolitischen Zwecke.78 2. Verstoß gegen die Verfahrensordnung der Streitbeilegungsstelle Im Rahmen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist insbesondere relevant, ob es für den Eintritt der Verjährungshemmung notwendig ist, dass die für die jeweilige Streitbeilegungsstelle geltenden Verfahrensvoraussetzungen eingehalten wurden. Dies ist entgegen der herrschenden Meinung im Grundsatz zu verneinen und kann, wie auch bei den übrigen Hemmungstatbeständen, nur dann angenommen werden, wenn der Verstoß gegen die Verfahrensordnung der Streitbeilegungsstelle zum Verlust der Warnfunktion führt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Antrag durch einen Vertreter eingereicht wird und die Vollmacht nicht in der geforderten Form oder überhaupt nicht beigefügt wird. Wird die Bekanntgabe veranlasst, wird der Zweck des § 204 Abs. 1 BGB erreicht. Die vom BGH79 als Argument angeführte Notwendigkeit der raschen Prüfung der Vertretungsberechtigung verfolgt zwar einen legitimen Zweck, sie beeinträchtigt aber nicht die mit der Rechtsverfolgungsmaßnahme verfolgte Warnung und kann auch dadurch sichergestellt werden, dass die Vollmacht in der vorgeschrieben Form nachgefordert wird. Freilich trägt der Antragsteller hier das Risiko, dass die Streitbeilegungsstelle zunächst die Vollmacht in entsprechender Form verlangt, sodann erst die Bekanntgabe veranlasst und die Bekanntgabe deshalb nicht mehr demnächst erfolgt. Die Entscheidung des BVerfG80 steht dieser Auslegung Lindner, jurisPR-BGHZivilR 20/2015 Anm. 1. Z. B. Duchstein, NJW 2014, 342, 343; Assies/Faulenbach, BKR 2015, 89, 94. Hierzu auch noch sogleich unter 7. Kap., C) IV. 3. (S. 293) u. unten 7. Kap., C) VI. (S. 296). 78 Für die Streitverkündung im Ausgangspunkt ebenso Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 186: „Denn prozeßrechtliche Erwägungen können für die im materiellen Recht geregelte Unterbrechung der Verjährung keine Bedeutung haben.“. 79 BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 86/07, Rn. 12 (zit. n. juris); BGH, Urt. v. 22.02.2008, Az. V ZR 87/07, Rn. 12 (zit. n. juris). 80 BVerfG NJW-RR 2009, 1148. Hierzu oben 5. Kap., B) III. 4. (S. 189). 76
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nicht entgegen, da dieses nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts prüft und nicht die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts einer Überprüfung unterzieht.81 Das Gericht hat mithin lediglich festgestellt, dass die vom BGH vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB mit Art. 14 GG in Einklang steht. Der Entscheidung lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass die Norm zwingend so ausgelegt werden muss. Dass der BGH die Vorlage einer Vollmachtskopie für den Eintritt der Hemmung nicht genügen lässt, wenn die Verfahrensordnung eine schriftliche Vollmacht verlangt, zeigt überdies, dass dessen Rechtsprechung zu verfahrensrechtlich fehlerhaften Rechtsverfolgungsmaßnahmen in sich nicht konsistent ist, was bei einer Parallelbetrachtung zur Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB deutlich wird: Zwar kann der Vergleich nicht zur fehlenden Vollmachtsvorlage gezogen werden, weil § 80 S. 2 ZPO die Nachreichung explizit zulässt. Der Fall ist aber vergleichbar mit der Situation, in der die Klage nicht unterschrieben ist, die mit der Unterschrift bezweckten Funktionen sich aber aus sonstigen Umständen ergeben.82 Bei der Unterschrift handelt es sich wie bei der Forderung nach Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nach der Rechtsprechung um ein Wirksamkeitserfordernis. Es hätte daher – auch vom Standpunkt des BGH aus – eine Prüfung nahegelegen, ob nicht die Hinzuziehung weiterer Umstände den sicheren Schluss darauf zugelassen hätten, dass dem Vertreter eine Vollmacht erteilt wurde.83 3. Fehlende Bereitschaft des Antragsgegners zur Mitwirkung an einem Güteverfahren Obwohl es grundsätzlich legitim und nicht rechtsmissbräuchlich ist, wenn die Gütestelle ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung angerufen wird, versagt der BGH dem Gläubiger nach § 242 BGB die Berufung auf die Hemmungswirkung, „wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.“84 Be81
BVerfGE 75, 302, 313 f.; BVerfGE 28, 151, 160; BVerfGE 18, 85, 92 f. Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 160 ff. 83 Schwintowski, BKR 2009, 89, 98. 84 BGH NJW 2016, 233, 235 (Rn. 34). Ebenso BGH NJOZ 2016, 645 (Rn. 12). Dem folgend Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 04.08.2016, Az. 5 U 2/16, Rn. 27 (zit. n. juris); OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2016, Az. 6 U 90/16, Rn. 19 (zit. n. juris); OLG München BKR 2017, 345, 352 (Rn. 100); OLG München, Urt. v. 19.10.2017, Az. 23 U 1961/16, Rn. 115 (zit. n. juris); OLG München, Urt. v. 20.11.2017, Az. 21 U 3798/16, Rn. 52 (zit. n. juris, für den konkreten Fall jedoch anders). 82 Vgl.
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gründet wird dies damit, dass in einer solchen Konstellation von vornherein sicher sei, dass die Zwecke des außergerichtlichen Güteverfahrens, die der BGH in einer Entlastung der Justiz und einem dauerhaften Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen sieht, nicht erreicht werden könnten. Deshalb sei die dennoch erfolgte Anrufung der Gütestelle rechtsmissbräuchlich.85 Gegen diese Rechtsprechung lassen sich zwei wesentliche Gesichtspunkte anführen:86 Zum Ersten berücksichtigt die Entscheidung – auch wenn man den Zweck des Güteverfahrens so bestimmt wie der BGH – nicht hinreichend, dass die Einleitung einer Rechtsverfolgungsmaßnahme, zumal wenn dies durch einen Rechtsanwalt erfolgt, es dem Schuldner deutlicher als ein außergerichtlicher Schriftwechsel der Parteien vor Augen führt, dass der Gläubiger es ernst meint. Die Formalisierung, die der Streit durch die Inanspruchnahme der Gütestelle erfährt, wird nicht selten geeignet sein, den Schuldner zu einer ernsthaften Beschäftigung mit den Gläubigerbegehren zu veranlassen. Die tatsächliche Einleitung eines Güteverfahrens kann die Vergleichs- und Gesprächsbereitschaft befördern, auch wenn der Schuldner zunächst etwas anderes behauptet hat.87 Zudem ermuntert diese Rechtsprechung dazu, bereits in den Vertrag entsprechende Abwehrklauseln aufzunehmen oder jedenfalls nach Entstehung der Streitigkeit (vgl. § 37 VSBG) standardisierte Ablehnungshinweise zu erteilen,88 wodurch der Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB dauerhaft entwertet werden könnte89. Zum Zweiten ist schon die vom BGH vorgenommene Zweckbestimmung für die hier zu entscheidende Frage unzutreffend: Es dürfen nicht die allgemein mit dem Güteverfahren bezweckten Absichten als Maßstab für den Eintritt der Rechtsfolge Verjährungshemmung herangezogen werden. Vielmehr ist es auch hier notwendig, gerade das Telos der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung in den Mittelpunkt zu stellen. Die Rechtsfolge tritt daher ein, 85 BGH NJW 2016, 233, 235 (Rn. 34). Ebenso BGH NJOZ 2016, 645 (Rn. 12); OLG Celle WM 2016, 205, 210. 86 Ablehnend auch Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 68 f.; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 180; Peters, JR 2016, 654 ff.; May/Röder, NJW 2016, 235 f. Kritisch auch Riehm, NJW 2017, 113, 117. Peters, JR 2016, 654, 655 weist zudem darauf hin, dass sich aus § 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) BGB ergebe, dass Ausgangspunkt der einseitig gestellte Güteantrag sei und sich die vom BGH vorgenommene Einschränkung dem Wortlaut des § 204 Abs. 1 BGB nicht entnehmen lasse. Nach Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 68 f. und BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 180.1 kann jedenfalls im Anwendungsbereich der ADR-Richtlinie nicht auf eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung abgestellt werden. 87 May/Röder, NJW 2016, 235; Riehm, NJW 2017, 113, 117. 88 Siehe Steike, in: HK-VSBG, § 37 VSBG Rn. 7. 89 Ebenso Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 180. Siehe auch May/Röder, NJW 2016, 235, 236; Peters, JR 2016, 654, 656.
C. Besonderheiten der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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wenn durch die Einleitung des Güteverfahrens der Rechtsverfolgungswille des Gläubigers zum Ausdruck kommt. Dieser tritt aber auch dann zu Tage, wenn sich der Schuldner von vornherein einem solchen Verfahren verschlossen hat. Ob daneben noch die mit dem Güteverfahren bezweckten sonstigen Ziele erreicht werden können, ist für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB ohne Bedeutung.
V. Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB Rechtsverfolgungsmaßnahme bei § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist die Geltendmachung der Aufrechnung, das heißt die Prozesshandlung, mit der die Aufrechnung im Prozess vorgetragen wird, wobei die materiell-rechtliche Aufrechnungserklärung mit der prozessualen Geltendmachung zusammenfallen kann (Doppeltatbestand). Für den Eintritt der Verjährungshemmung muss dabei weder die Prozesshandlung wirksam sein, noch ist es erforderlich, dass die materiell-rechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen der §§ 387 ff. BGB erfüllt sind, solange der Maßnahme der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers entnommen werden kann. Kann über die Aufrechnung nicht entschieden werden, weil der zugrunde liegende Vortrag präkludiert ist (§§ 296, 531 Abs. 1 ZPO, § 530 ZPO), hindert dies die Hemmungswirkung nicht,90 weil die Entscheidung über die Präklusion erst im Urteil erfolgt91 und damit erst zu einem Zeitpunkt feststeht, der für die Frage, ob die Warnung des Schuldners erreicht wurde, nicht mehr relevant ist. Auch in den übrigen Konstellationen, in denen aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen über die Aufrechnung nicht entschieden werden kann (Aufrechnungsreplik, Aufrechnungsverbote), hemmt die erklärte Aufrechnung die Verjährung der Gegenforderung, weil § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB daran anknüpft, dass mit der Geltendmachung der Aufrechnung der Rechtsverfolgungswille dokumentiert wird.92 Ob die Rechtsdurchsetzung im gewählten Verfahren erfolgreich möglich ist, ist eine hiervon zu trennende Frage. Hemmung tritt daher auch ein, wenn die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung geltend gemacht wird. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob „der Gläubiger ernsthaft davon ausgeht, dass die Aufrechnung Erfolg haben kann“.93 EntPeters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 67. Prütting, in: MüKo-ZPO, § 296 Rn. 178. 92 Anders wohl Schreiber, JR 1981, 62, 63. 93 So aber für die Aufrechnungsreplik Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37. Der BGH verlangt wohl, dass der Gläubiger davon ausgeht, „dass eine Entscheidung über seine Forderung ergehen kann“, BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 19). 90 Ebenso 91
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
scheidend für die Warnung ist die Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Schuldners, nicht die subjektiven Voraussetzungen beim Gläubiger. Auch das Vorliegen der in den §§ 387 ff. BGB aufgestellten Anforderungen ist grundsätzlich entbehrlich, da es sich bei diesen ebenfalls um Voraussetzungen für den Erfolg der Aufrechnung handelt, die Warnwirkung aber wie gezeigt vom Erfolg in der Sache unabhängig ist. Notwendig ist jedoch, dass überhaupt eine Aufrechnungserklärung abgegeben wurde,94 da der Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Geltendmachung der Aufrechnung verlangt und dies so zu verstehen ist, dass wenigstens der äußeren Form nach eine Aufrechnung existent sein muss. Es schadet aber nicht, wenn die Erklärung nicht oder noch nicht wirksam ist, letzteres beispielsweise, weil es noch am Zugang fehlt (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB), was insbesondere bei der Prozessaufrechnung der Fall sein wird95. Auch die fehlende Gleichartigkeit der Forderungen schließt die Hemmungswirkung nicht von vornherein aus.96 Der Gläubiger macht bei der Aufrechnung mit einer nicht gleichartigen Forderung eben nicht nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend, sondern er bedient sich eines Mittels des § 204 Abs. 1 BGB, dem der Gesetzgeber Warnwirkung zugeschrieben hat, das heißt, er kleidet seinen Rechtsverfolgungswillen in die notwendige Form. Dass es sich dabei um eine nicht vorgesehene Form handelt, nimmt der Maßnahme für sich genommen noch nicht die Warnwirkung. Anders kann dies freilich bei offensichtlich fehlender Gleichartigkeit sein.97 Die Frage der Gegenseitigkeit beinhaltet die Frage, ob der Berechtigte gegen den Schuldner vorgeht.98
VI. Zustellung der Streitverkündung, § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB Wie bei allen anderen Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB tritt auch bei der Zustellung der Streitverkündung Verjährungshemmung ein, wenn in der Streitverkündungsschrift der Anspruch hinreichend konkretisiert wird und aus ihr deutlich wird, dass der Streitverkünder später einen möglichen Anspruch 94 A. A. Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 210. Siehe auch BGH WM 1965, 1181, 1182. 95 Vgl. insoweit Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 211. 96 A. A. die allg. Ansicht im Schrifttum: Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 68; Junglas, Forderungsmehrheiten in der Prozessaufrechnung, S. 211; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 33. 97 Zu den Einzelfällen Schlüter, in: MüKo-BGB, § 387 Rn. 34. Die Warnwirkung entfällt daher nicht, wenn gegen einen Zahlungsanspruch mit einem Freistellungsanspruch aufgerechnet wird oder bei Aufrechnung einer Brutto- gegen eine Nettoforderung. Anders aber möglicherweise, wenn gegen einen Zahlungsanspruch mit dem Anspruch auf Herausgabe einer Sache aufgerechnet wird. 98 Siehe daher unten 8. Kap., C) I. (S. 331).
C. Besonderheiten der einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen
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gegen den Streitverkündungsempfänger durchsetzen will. Ob diese Wirkung beim Schuldner eintreten kann, ist von der verfahrensrechtlichen Beurteilung, insbesondere von der Einhaltung der §§ 72, 73 ZPO unabhängig. Es hemmt daher auch eine unzulässige oder gar unwirksame Streitverkündung, wenn für den Streitverkündungsempfänger deutlich wird, dass er bei ungünstigem Prozess ausgang mit einer Inanspruchnahme durch den Streitverkünder rechnen muss.99 Die in der Entscheidung BGHZ 175, 1 ff.100 enthaltenen Argumente veranlassen nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar gibt der BGH in Rn. 21 die Intention des historischen Gesetzgebers und in Rn. 22 die gegenwärtige ganz herrschende Meinung zutreffend wieder. Diese Ausführungen befassen sich aber nicht mit der Frage, wie mit einer unzulässigen Streitverkündung umzugehen ist.101 Vielmehr wird hier zunächst nur festgestellt, dass die Rechtsprechung sich von dem wohl restriktiveren Verständnis des historischen Gesetzgebers102 gelöst und in den Fällen einer zulässigen Streitverkündung im größeren Umfang eine Unterbrechung zugelassen hat, als von diesem ursprünglich beabsichtigt war, und die Rechtsprechung damit in dem in § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. enthaltenen Zusatz („in dem Prozesse, von dessen Ausgange der Anspruch abhängt“) keine materiell-rechtliche Einschränkung des in Bezug genommenen prozessualen Instituts der Streitverkündung gesehen hat.103 Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber des SchRModG diese von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Abhängigkeit des Erstprozesses vom Zweitprozess vorgenommene Auslegung des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. durch die Streichung des genannten Zusatzes, der in den Materialien als „irreführend“ bezeichnet wird,104 gebilligt hat.105 Jedenfalls mit Wegfall dieses Zusatzes besteht keine materiell-rechtliche Einschränkung mehr. Die in Rn. 23 zitierte Stelle aus den Gesetzesmaterialien des SchRModG befasst sich jedoch gar nicht mit der Frage der unzulässigen Streitverkündung.106 Unzutreffend ist auch die weitere Behauptung, dass die Vgl. auch Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620, 2621. Hierzu oben 5. Kap., B) III. 6. b) aa) (S. 198). 101 So auch Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620 und H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 345 f. 102 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 75b. 103 Gegen diese Auslegung des § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a. F. Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 141 ff., 200 f., 330 und – auch für die Neufassung in § 204 Abs. 1 Nr. 6 – Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 76, 79. Schon oben 5. Kap., B) III. 6. b) bb) (1) (S. 202). 104 BT-Drucks. 14/6040, S. 114. 105 Insoweit zutreffend BGHZ 179, 361, 366 (Rn. 19). Ebenso Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 40. 106 Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620; H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 347, allerdings mit dem Hinweis, dass der Gesetzgeber in der Begründung (abgesehen von der Ände99
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Gegenauffassung in der Literatur mit dem Wegfall des Zusatzes begründet wird, da keiner der in Rn. 23 genannten Autoren auf dieses Argument abstellt.107 Damit verbleiben als Argumente noch der behauptete systematische Unterschied zwischen der Streitverkündung einerseits und den anderen Hemmungstatbeständen andererseits sowie das teleologische Argument. Gegen letzteres lässt sich anführen, dass der BGH insoweit in seiner Argumentation nur auf die nach § 72 Abs. 1 ZPO fehlerhafte Streitverkündung abstellt.108 Zudem ist zweifelhaft, ob in jedem Fall von vornherein feststeht, dass die Ansprüche voneinander unabhängig sind.109 Gerade weil der BGH für § 72 Abs. 1 ZPO genügen lässt, dass der Streitverkünder glaubt110 einen Anspruch gegen einen Dritten erheben zu können, kann Unsicherheit darüber entstehen, wann der Streitverkünder dies glauben durfte. Dass der BGH hier großzügig ist,111 verhindert nicht, dass der Streitverkünder das Risiko trägt, dass – im Folgeprozess – festgestellt wird, dass er dies eben nicht glauben durfte und damit die Streitverkündung keine hemmende Wirkung hatte.112 Im Hinblick auf den in Rn. 25 behauprung der Rechtsfolge von der Unterbrechung hin zur Hemmung) von einer grundsätzlichen Fortführung der bisherigen Rechtslage auszugehen scheint. 107 In BGHZ 179, 361, 366 (Rn. 19) aber erneut als Argument angeführt, obwohl auch Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620 in ihrer Begründung nicht auf den Wegfall des Zusatzes abstellen. Vielmehr heißt es dort, dass die Umformulierung ohne Blick für die Frage, ob nur die zulässige Streitverkündung hemme, vorgenommen wurde. 108 Auf die Anforderungen aus § 73 S. 1 ZPO, insb. die Angabe des Grundes der Streitverkündung, wird dann erst unter c) in den Rn. 27 ff. eingegangen. 109 Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620, 2621. Siehe z. B. BGHZ 8, 72, 81 f.; BGHZ 65, 127, 131 ff., 133. 110 BGHZ 36, 312, 314: „Es ist also nicht nötig, daß die Entscheidung des Prozesses einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung begründet oder feststellt, sondern es kommt auf den Glauben und die Besorgnis der Partei an, also auf ihre Vorstellungen im Augenblick der Streitverkündung. Dafür genügt ein Sachverhalt, der es nahelegt, daß bei einem ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits mit einiger Sicherheit Ersatzansprüche entstehen, erkannt oder geklärt werden.“ Ebenso BGH NJW 2015, 559, 560; BGHZ 70, 187, 189; BGHZ 65, 127, 131. Hiergegen Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343, 345. 111 BGH NJW 2015, 559, 560 (Rn. 17): In Fällen der alternativen Haftung müsse das Alternativverhältnis nicht von vornherein feststehen. Es genüge, „wenn die Partei im Zeitpunkt der Streitverkündung aus in diesem Augenblick naheliegenden Gründen“ glaube, bei ungünstigem Ausgang des Rechtsstreits einen Anspruch gegen einen Dritten geltend machen zu können. Dies sei der Fall, „wenn der Sachverhalt eine alternative Schuldnerschaft nahelegt“. Siehe z. B. auch BGHZ 179, 361, 368 (Rn. 24 f., 36 f.); BGHZ 70, 187, 191 f.; BGHZ 65, 127, 131 ff., 133; BGHZ 8, 72, 81 f. 112 H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 351. Bspw. hat das OLG Hamm NJW-RR 1986, 1505, 1506 die Zulässigkeit der Streitverkündung in einem Fall verneint, in dem eine nach Erhebung der Klage aber vor der Streitverkündung erfolgte Rechtsprechungsänderung dazu geführt hat, dass der Beklagte des Ausgangsprozesses und die Streitverkündungsempfängerin nicht mehr alternativ, sondern nunmehr gesamtschuldnerisch haften. Das OLG verneint hier
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teten systematischen Unterschied, mit dem letztlich die Ungleichbehandlung begründet wird, befasst sich der BGH zudem nicht mit der Frage, ob die Fassung von § 204 Abs. 1 BGB eine solche Typisierung überhaupt noch zulässt. Nicht nur § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB, sondern auch andere Hemmungstatbestände (Nr. 4, Nr. 6a, Nr. 7, Nr. 8, Nr. 9,113 Nr. 12, Nr. 13, Nr. 14) fordern für die Hemmung keine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs, sondern lassen auch vorbereitende Maßnahmen genügen.114 Tragendes Prinzip des § 204 Abs. 1 BGB ist daher wie beschrieben die Warnung des Schuldners, die auch durch die Streitverkündung erfolgen kann, weil der Gesetzgeber sie in den Katalog des § 204 Abs. 1 BGB aufgenommen hat.115 Für den Empfänger der Streitverkündung wird mit Zustellung der Streitverkündungsschrift deutlich, dass sich der Streitverkünder vorbehalten will, bei ungünstigem Prozessausgang Ansprüche gegen ihn geltend zu machen,116 was zur Erreichung des mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgten Zwecks genügt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Streitverkündung,117 denn auch hier ist für die Frage, ob Verjährungshemmung eintritt, der Zweck des § 204 Abs. 1 BGB und nicht der des prozessualen Instituts der Streitverkündung maßgebend. § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB ist nicht, wie der BGH meint, eine verjährungsrechtliche Privilegierung, sondern wie alle anderen Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB ein Mittel der einseitigen Verjährungshemmung durch den Gläubiger. Liegen die Voraussetzungen der Streitverkündung nicht vor, trifft den nicht beigetretenen Streitverkündungsempfänger
im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH die Zulässigkeit der Streitverkündung, da die Ansprüche „nach Lage der Dinge von vornherein sowohl gegenüber dem Bekl. des Vorprozesses als auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für [diese] also aus der Sicht des Streitverkünders zu dem Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Bekl. und des Dritten in Betracht kommt.“ Siehe auch OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 230 ff. 113 BGHZ 175, 1, 9 (Rn. 25) nennt zwar als Beispiel für die Geltendmachung „eines sachlich-rechtlichen oder prozessualen Anspruchs“ auch § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB, geht aber nicht darauf ein, dass im einstweiligen Rechtsschutz nicht der Hauptsacheanspruch, sondern der Sicherungsanspruch Gegenstandstand des Verfahrens ist, Drescher, in: MüKo-ZPO, Vorb. § 916 Rn. 12 f.; Huber, in: Musielak/Voit, § 916 Rn. 3 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 50; BT-Drucks. 14/6040, S. 115. 114 Kritisch ebenso H. Schmidt, FS Eichele, S. 341, 348–350 unter Auseinandersetzung mit Nr. 7, Nr. 9 und Nr. 13. Siehe auch Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343. 115 A. A. Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 331, 344: Durch die Streitverkündung erfolgt keine Warnung. 116 Althammer/Würdinger, NJW 2008, 2620, 2621; insoweit auch Peters, ZZP 123 (2010), 321, 343. 117 So aber BGHZ 175, 1, 9 (Rn. 26).
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im Folgeprozess keine Interventionswirkung.118 Damit sind dessen Interessen aber ausreichend gewahrt. Es ist nicht notwendig, ihm überdies noch die Verjährungseinrede als Verteidigungsmittel an die Hand zu geben, obwohl er sich auf eine Inanspruchnahme einstellen konnte. Dass die Streitverkündung nur der (unmittelbaren) Vorbereitung der Anspruchsdurchsetzung dient, ist diesem Institut ebenso immanent wie beispielsweise auch dem selbständigen Beweisverfahren und rechtfertigt keine einschränkende Handhabung. Zur Verdeutlichung der hier vertretenen Auffassung sei als Beispiel der Fall angeführt, in welchem dem gesetzlichen Vertreter der Partei der Streit verkündet wird:119 Weil nicht geklärt ist, ob es sich beim gesetzlichen Vertreter der Partei um einen Dritten im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO handelt und damit offen ist, ob eine Streitverkündung an diesen zulässig erfolgen kann,120 würde, wenn man der Ansicht des BGH folgt, die Frage, ob durch diese Streitverkündung die Verjährung gehemmt wurde, erst in der Revisionsinstanz des Folgeprozesses entschieden. Die Entscheidung dieser Rechtsfrage hat aber keinerlei Auswirkungen darauf, ob der gesetzliche Vertreter durch die Zustellung der Streitverkündung gewarnt wurde oder nicht. Der Eintritt der Warnung ist von der rechtlichen Bewertung der Maßnahme gelöst, was sich schon daran zeigt, dass der gesetzliche Vertreter nunmehr gehalten ist, Beweismittel zu sichern und die erforderlichen sonstigen Maßnahmen zu treffen, da er nicht ausschließen kann, dass der BGH die Zulässigkeit der Streitverkündung bejaht und die Verjährung daher wirksam gehemmt wurde.
VII. Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB Die Einhaltung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 2, Abs. 3 KapMuG sind für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB nicht erforderlich.121 Es schadet daher nicht, wenn wegen desselben Anspruchs bereits Klage erhoben wurde (§ 10 Abs. 2 S. 2 KapMuG) oder der Gläubiger sich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt (§ 10 Abs. 2 S. 3 KapMuG)122 , da beide Fehler regelmäßig nicht geeignet sind, die Dokumentation des Rechtsverfolgungswillens entfallen zu lassen. Die Anmeldung muss den Anspruch im oben beschriebenen Sinne 118
BGH NJW 2015, 559 (Rn. 13); BGHZ 116, 95, 98, 102. Vgl. OLG Köln NJW 2015, 3317 f. 120 Offengelassen für die Nebenintervention von BGH NJW-RR 2013, 485 (Rn. 9, m. w. N.), hierzu Jacoby, in: Stein/Jonas23, § 66 Rn. 12, § 72 Rn. 7. 121 A. A. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 85d u. Grothe, in: MüKoBGB, § 204 Rn. 43, die eine zulässige Anmeldung fordern. 122 Insoweit a. A. Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20b. 119
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individualisieren.123 Fehlen die Angabe des Aktenzeichens (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG) oder die Bezeichnung der Musterbeklagten (§ 10 Abs. 3 Nr. 3 KapMuG), schadet das nicht, wenn sich aus den Umständen ergibt, zu welchem Musterverfahren der Anspruch angemeldet werden soll und gegen welche Musterbeklagten sich der Anspruch richtet. Die Anmeldung ist nach § 10 Abs. 4 KapMuG zuzustellen,124 wobei es hier ebenfalls genügt, wenn die Zustellung formal vorgenommen wurde. Daraus, dass die Verjährungshemmung die einzige Rechtsfolge der Anmeldung ist, ergibt sich nichts anderes, da dies nichts daran ändert, dass die Warnwirkung von der formalen Durchführung der Maßnahme und nicht von der Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängt. Eine Einschränkung der Hemmungswirkung müsste dem § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB selbst zu entnehmen sein, was insoweit nicht der Fall ist. Die Maßnahme unterscheidet sich mithin insoweit nicht von den anderen Hemmungstatbeständen. Ein Unterschied zu den sonstigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen besteht aber darin, dass im Tatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB die Ansprüche beschrieben werden, für die eine Hemmung nach dieser Norm eintreten kann. Mit dem Mittel der Anmeldung zu einem Musterverfahren können nur solche Ansprüche gehemmt werden, denen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens. Die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB wird daher nur ausgelöst, wenn eine Klage über diesen Anspruch nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzten wäre. Hierfür genügt es, wenn die Entscheidung über den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängt.125 Weil die Beschränkung auf solche Ansprüche in § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB explizit vorgesehen ist, kann eine Hemmung bezüglich anderer Ansprüche daher auch dann nicht eintreten, wenn die Anmeldung zur Warnung des Musterbeklagten geführt hat. Der Anmelder trägt somit ein nicht unerhebliches, aus dem materiellen Recht resultierendes, Einschätzungsrisiko.126 Eine teleologische Reduktion kommt hier nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber die Verjährungshemmung ausdrücklich auf die in § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB beschriebenen Ansprüche beschränkt wissen wollte.127 123
7. Kap., A) (S. 271). Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20d. 125 Hierzu genauer oben 5. Kap., B) III. 7. b) (S. 206) und Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 20c; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 44. Ob das Verfahren nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzen gewesen wäre, entscheidet das Gericht erst in dem nach § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB binnen drei Monaten einzuleitenden Verfahren, Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 44; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 29a. 126 Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 264 f. 127 BT-Drucks. 17/10160, S. 28. 124
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VIII. Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB Auch wenn der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens die Anforderungen der §§ 485 ff. ZPO nicht erfüllt, tritt Hemmungswirkung ein, wenn eine hinreichende Konkretisierung vorgenommen wurde, der Fehler dem Antrag nicht die Warnwirkung nimmt und eine Zustellung erfolgt ist, die nach dem oben Gesagten jedoch nicht wirksam zu sein braucht. Wird der Antrag zurückgewiesen, weil der Beweisantrag unzulässig ist oder weil es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung für das selbständige Beweisverfahren fehlt,128 steht auch dies einer Hemmung nicht entgegen, wenn, was regelmäßig der Fall sein dürfte,129 vor der Zurückweisung der Antrag dem Gegner zugestellt wurde.130 Durch die Zurückweisung entfällt die Hemmung mithin nicht rückwirkend, sondern sie endet nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB.131 Weil der Tatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB eine Zustellung fordert, kann eine Hemmung nur eintreten, wenn der äußeren Form nach eine solche vorliegt. Eine formlose Bekanntgabe genügt somit nicht, auch wenn diese im Einzelfall die gleiche Warnwirkung entfalten kann wie die Zustellung. Fehlt es schon äußerlich an einem Zustellungsverfahren, kann daher entgegen dem BGH132 auch keine Heilung eintreten, denn auch wenn es sich bei § 189 ZPO um eine „Zweck erreichungsvorschrift“133 handelt, reicht diese nicht so weit, dass sie materiell- rechtlich bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen ersetzen kann. Die Auslegung des Merkmals „Zustellung“ ergibt zudem, dass diese durch das Gericht veranlasst sein muss,134 sodass eine durch die Partei beauftragte Zustellung nicht zur Hemmung führt. Weiterhin fordert § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB die Zustellung des Antrags selbst, sodass die Zustellung des Beweisbeschlusses nicht hemmt.135 Die im Vergleich zu § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterschiedliche Behandlung ergibt sich daraus, dass die Zustellung einer Mitteilung über den Inhalt des Antrags in § 251 Abs. 1 S. 1 FamFG der in § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderten Zustellung ausdrücklich gleichgestellt wird, während es für § 204 Abs. 1 Nr. 7 128
BGH NJW 2000, 960, 961; Saenger/Pukall, § 490 Rn. 5, 10. Vgl. zum Gang des Verfahrens Pukall/Kießling, Zivilprozess, Rn. 1434–1438. 130 Hierzu schon oben 5. Kap., B) III. 8. (S. 208). 131 Hierzu Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 99. 132 BGHZ 188, 128, 139 (Rn. 33 ff., 46). 133 Vgl. BGH NJW 2017, 2472, 2475 (Rn. 38); BGHZ 208, 255, 261 f. (Rn. 21); BGHZ 204, 268, 273 (Rn. 17); Roth, in: Stein/Jonas23, § 189 Rn. 1. 134 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 114, wo, wenn auch zu Unrecht, auf § 270 Abs. 1 S. 1 ZPO und damit auf die Zustellung durch das Gericht verwiesen wird. 135 Insoweit zutreffend daher BGHZ 188, 128, 138 (Rn. 30); a. A bspw. Grothe, NJW 2011, 1970, 1971. 129
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BGB keine entsprechende Vorschrift gibt. Für die Zukunft hat dieses Problem seine Relevanz verloren, da die Gerichte nach der Rechtsprechung des BGH nunmehr gehalten sind, den Antrag förmlich zuzustellen.
IX. Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB Haben die Parteien ein Begutachtungsverfahren vereinbart, hemmt der Beginn eines solchen auch dann, wenn die Vereinbarung aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam ist. Der Schuldner hat sich formal auf dieses Hemmungsinstrument eingelassen, und er wird gewarnt, wenn der Gläubiger sich dieses Mittels bedient. Es genügt daher wie bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB,136 dass überhaupt eine Abrede getroffen wurde, wirksam braucht diese nicht zu sein. Geht man mit der herrschenden Meinung von einem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aus,137 ist hiervon aber eine Ausnahme zu machen, wenn die Unwirksamkeit der Vereinbarung des Begutachtungsverfahrens auf §§ 307 ff. BGB beruht. Weil nach der hier vertretenen Ansicht die äußere Form einer Vereinbarung genügt, würde auch die unwirksame Klausel Rechtswirkungen nach sich ziehen, was dem Schutzzweck der §§ 307 ff. BGB widerspräche.138
X. Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB Eine Hemmung der Verjährung tritt in der Regel auch dann ein, wenn der Antrag beim unzuständigen Gericht gestellt wird oder sonstige allgemeine Prozessvoraussetzungen fehlen. Die Zustellung eines ablehnenden Beschlusses kann nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 BGB nicht hemmen, weil die Auslegung des Tatbestandes ergibt, dass wenigstens teilweise positiv über den Antrag entschieden werden muss, weil sonst ein Arrestbefehl, eine einstweilige Verfügung oder eine einstweilige Anordnung nicht vorliegen. Damit sich der Gläubiger sicher sein kann, dass Hemmung eintritt, sollte er daher die Zustellung des Antrags beantragen.139
136
Hierzu siehe unten 7. Kap., C) XII. (S. 306). Hierzu Basedow, in: MüKo-BGB, § 306 Rn. 13 f.; H. Schmidt, in: BeckOK BGB, § 306 Rn. 16. 138 Im Ergebnis zutreffend daher AG Leipzig NJW-RR 2015, 268, 269. 139 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 96. 137
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
XI. Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB 1. Allgemeines Bei der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB ist wesentlich, dass Hemmungstatbestand nicht die Eintragung der Forderung in die Tabelle, sondern die Anmeldung der Forderung ist.140 Allein daraus, dass die Anmeldung nicht geeignet ist, den Verwalter zur Eintragung zu veranlassen, kann daher nicht geschlossen werden, dass eine Hemmung nicht eingetreten ist. Die beiden Fragen, ob die Anmeldung zurückzuweisen ist und ob die Anmeldung gehemmt hat, sind daher strikt zu trennen.141 Fehlt es der Anmeldung an den Voraussetzungen der §§ 174 ff. InsO kann der Anmeldende, gegebenenfalls nach Hinweis des Verwalters,142 die Mängel beheben.143 Die Schaffung dieser „Eintragungsfähigkeit“ ist aber nicht Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB. Um die Verjährungshemmung bejahen zu können genügt es daher auch hier, dass der Verwalter als zuständige Stelle mit dem Rechtsverfolgungswillen des Schuldners konfrontiert wird. Erfolgt eine Zurückweisung, sei es zu Recht oder zu Unrecht, beginnt die Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB zu laufen.144 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Insolvenzverfahren nicht nur die Interessen des jeweiligen Gläubigers und des Schuldners, sondern auch die der anderen Beteiligten zu berücksichtigen sind.145 Hieraus folgt insbesondere nicht, dass das Telos des § 204 Abs. 1 BGB bei Nr. 10 anders zu bestimmen ist oder an die Verjährungshemmung höhere Anforderungen zu stellen sind. Die Interessen der sonstigen Beteiligten werden dadurch hinreichend gewahrt, dass fehlerhaft angemeldete Forderungen nicht in die Tabelle aufgenommen werden und nicht in einen Vollstreckungstitel münden können (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO). Wollte man darüber hinaus schon den Eintritt der Verjährungshemmung verneinen, führte dies zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des Anmeldenden und die übrigen Gläubiger erlangten einen (Quoten-)Vorteil, der deshalb ungerechtfertigt ist, weil die Gründe für den Eintritt der Verjährung weggefallen sind, indem der Gläubiger seinen Rechtsverfolgungswillen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 180. Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 47; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2651. 142 Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 184. 143 Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 42; Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 174 Rn. 18; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649; Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 160. 144 Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 47. 145 Vgl. insoweit Smid, DZWIR 2012, 267, 270. 140
141 Vgl.
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2. Individualisierung Das oben allgemein zur Individualisierung Gesagte gilt grundsätzlich auch für die Anmeldung des Anspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB, jedoch mit der Besonderheit, dass maßgebend die Warnung des Insolvenzverwalters und nicht die des Schuldners ist. Für die Auslegung sind dabei jedoch alle Umstände heranzuziehen, die dem Verwalter bekannt waren oder bekannt sein mussten (vgl. §§ 97, 98 InsO, § 148 InsO). Zudem ist, wie bereits eingangs dargestellt, für eine hinreichende Konkretisierung nicht notwendig, dass der Verwalter die Forderung prüfen kann, denn die Hemmung erfolgt durch Anmeldung, nicht durch die Eintragung. Für die Warnung genügt es, wenn der Verwalter weiß, auf welcher Tatsachengrundlage und in welcher Höhe der Anspruch begehrt wird. 3. Sonstige Verfahrensfehler Wie bei der Klage ist auch bei der Forderungsanmeldung nicht zwingend erforderlich, dass diese die prozessuale146 Schriftform erfüllt. Hemmung tritt daher auch dann ein, wenn trotz der fehlenden Unterschrift der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers erkennbar wird. Werden nachrangige Forderungen (§ 39 InsO) angemeldet, ohne dass das Insolvenzgericht hierzu aufgefordert hätte, tritt für diese Ansprüche Hemmung ein, weil der Verwalter sich auf die Inanspruchnahme einstellen und entsprechende Dispositionen treffen, das heißt insbesondere Beweismittel sichern kann. Eine Hemmung scheitert auch nicht daran, dass bei der Anmeldung entgegen § 45 S. 2 InsO eine Insolvenzforderung in ausländischer Währung nicht in Euro umgerechnet wurde,147 da auch dann, wenn eine Fremdwährungsforderung angemeldet wird, der Verwalter weiß, was auf ihn zukommt. Weiterhin hemmt entgegen der ganz herrschenden Auffassung auch die Anmeldung einer Masseforderung. Entscheidend ist, dass dem Verwalter der Rechtsdurchsetzungswille auch hinsichtlich dieser Forderung erkennbar wird, womit dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB genüge getan ist.148 InsbeWenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2650; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 321. 147 Ebenso Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 161; in diese Richtung auch Wenner/Schuster, BB 2006, 2649, 2651. 148 Im Ergebnis wie hier Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 47.1. Siehe auch Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 174 f., die die Hemmungswirkung aber deshalb verneint, weil die Anmeldung einer Masseforderung nicht der für diese vorgesehene Rechtsverfolgungsakt sei. Werde eine Masseforderung angemeldet, handele es sich letztlich nur um eine Rechnung an den Insolvenzverwalter mit dem Ziel einer Vorabbefriedigung. Einer solchen Maßnahme komme aber nach § 204 Abs. 1 BGB keine Hemmungswirkung zu. 146 Vgl.
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
sondere in Zweifelsfällen149 haben dann Gläubiger und Verwalter Gelegenheit sich über die Rechtsnatur der Forderung klar zu werden. Ergibt sich, dass es sich um eine Masseforderung handelt, wird die Anmeldung zurückgewiesen und der Gläubiger kann innerhalb des ihm in § 204 Abs. 2 S. 1 BGB eingeräumten Zeitraums die Forderung anderweitig durchsetzen. Eine solche Handhabung wird den Interessen aller Beteiligten eher gerecht als das in der Literatur vorgeschlagene zweigleisige Vorgehen, das heißt Anmeldung zur Tabelle und Klageerhebung.150 Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem zu § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB gefundenen Ergebnis, denn dort ergibt sich die Beschränkung auf bestimmte Ansprüche aus dem Tatbestand der Nr. 6a selbst, was bei § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB nicht der Fall ist. Erfolgt die Anmeldung bereits im Eröffnungsverfahren, kann zu diesem Zeitpunkt keine Hemmung eintreten, weil eine Anmeldung nur im eröffneten Verfahren möglich ist.151 Das Verfahren, in dem die Wirkung des § 204 Abs. 1 BGB eintreten kann, existiert noch nicht. Wird diese Anmeldung aber vom endgültigen Verwalter als Anmeldung zur Tabelle behandelt, kann bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen ab diesem Zeitpunkt Hemmung eintreten; eine nochmalige Anmeldung ist nicht notwendig.152
XII. Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB Für den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB ist wie bei § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB notwendig, aber auch ausreichend, dass die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben, nicht erforderlich ist, dass diese auch wirksam ist. An der Erkennbarkeit des Rechtsverfolgungswillens kann es jedoch im Einzelfall fehlen, wenn der Anspruch vor einem Schiedsgericht geltend gemacht wird, dessen Anrufung der Schuldner nicht als Anspruchsdurchsetzung verstehen musste. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, weil die Parteien mit der Schiedsvereinbarung diesen Hemmungsgrund erst geschaffen haben 149 Siehe z. B. Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 174 Rn. 4; Wenner/Schuster, BB 2006, 2649. 150 Wenner/Schuster, BB 2006, 2649; Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, § 174 Rn. 63; Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 174 Rn. 4. 151 Jungmann, in: K. Schmidt, InsO, § 174 Rn. 61; Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 314, 317; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 52. 152 Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 174 Rn. 14. A. A. Zenker, in: BeckOK InsO, § 174 Rn. 12, der jedoch eine Heilung durch Aufnahme in die Tabelle zulässt. Nach Kiesbye, Verjährungshemmung durch Forderungsanmeldung, S. 163 ist eine Neuanmeldung dann notwendig, wenn der vorläufige nicht der endgültige Verwalter wird.
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und dieser daher nicht beliebig ausgedehnt werden soll, sondern sich im geplanten Rahmen halten muss.
XIII. Einreichung des Antrags bei einer Behörde, § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB Die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB hemmt die Verjährung, wenn durch diesen der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers deutlich geworden ist und eine Individualisierung des Anspruchs möglich war. Eine Hemmung kann auch nach der hier befürworteten Handhabung nur in den Fällen eintreten, in denen die Zulässigkeit der Klage objektiv von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt,153 da es sich hierbei um eine materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB handelt, deren Fehlen zur Verneinung der Hemmungswirkung führt.154 Es kommt im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal auch keine teleologische Reduktion des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB in Betracht, da andernfalls jede Antragstellung bei einer Behörde hemmen würde. Der Gesetzgeber wollte jedoch mit § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB keine allgemeine Hemmungsmöglichkeit bei Behörden statuieren, sondern den Gläubiger davor bewahren, zur Verjährungshemmung Rechtsverfolgungsmaßnahmen ergreifen zu müssen, die noch unzulässig sind.155
XIV. Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung, § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB Weil es nach dem hier vertretenen Ansatz für die notwendige Individualisierung und die Erkennbarkeit des Rechtsverfolgungswillens auf das Verständnis des Schuldners analog §§ 133, 157 BGB ankommt, muss geprüft werden, ob, wenn er den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung gekannt hätte, aus seiner Sicht der Anspruch hinreichend konkretisiert war und der Antrag als Beleg des Rechtsdurchsetzungswillens aufgefasst werden musste.156 Dass es sich bei § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB, ebenso wie bei § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, um einen zweiteiligen Hemmungstatbestand handelt und der Schuldner möglicherweise157 erst 153
Siehe oben 5. Kap., B) III. 13. (S. 215). Hierzu oben 1. Kap., A) II. (S. 7). 155 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 104; Meller-Hannich, in: Beck OGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 360, 367 f. 156 Gleiches gilt für § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, wenn nicht die Körperschaft, der die Behörde angehört, sondern ein Dritter Schuldner ist (siehe z. B. §§ 20, 28 BLeistG). 157 In der Regel wird der Gegner bei einem Antrag nach § 36 ZPO vorher angehört: 154
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
vom zweiten Teil, nämlich der dem Antrag nachfolgenden Maßnahme Kenntnis erhält, führt nicht dazu, dass an diesen Hemmungstatbestand andere Maßstäbe anzulegen wären. Könnte der Schuldner aufgrund des Antrags keine Konkretisierung vornehmen oder würde aus diesem für ihn der Rechtsdurchsetzungswillen nicht deutlich, kann dieser Mangel nicht durch eine den Anforderungen entsprechende nachfolgende Rechtsverfolgungsmaßnahme korrigiert werden, wenn zu diesem Zeitpunkt die Verjährungszeit bereits abgelaufen ist, denn § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB soll verjährungsrechtlich den Nachteil ausgleichen, dass der Gläubiger an der erfolgreichen Einleitung einer anderen Rechtsverfolgungsmaßnahme, insbesondere einer Klage gehindert ist, und will nicht per se eine zusätzliche Verjährungszeit einräumen. § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB formuliert im Anschluss an § 210 S. 1 Alt. 2 BGB a. F., dass Hemmung eintritt, wenn das höhere Gericht das zuständige Gericht zu bestimmen hat. Dies ist als materiell-rechtliche Hemmungsvoraussetzung zu verstehen,158 sodass der Gerichtsstandsbestimmungsantrag mindestens zulässig sein müsste, um eine Hemmung zu bejahen, denn nur in diesem Fall hat das höhere Gericht eine Sachentscheidung zu treffen.159 Allerdings ist der Hemmungstatbestand insoweit teleologisch zu reduzieren, da dieses Merkmal dessen Warnwirkung nicht erhöht160 und der Gesetzgeber mit dieser tatbestandlichen Einschränkung auch keine anderweitigen Ziele verfolgte. Vielmehr sollte nach den Gesetzesmaterialien die Verjährungshemmung unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sein.161 Die Formulierung des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB resultiert daher aus einer Übernahme des in § 210 S. 1 Alt. 2 BGB a. F. enthaltenen Normtextes, ohne dass der Gesetzgeber hiermit eine Einschränkung verbunden wissen wollte.
BGHZ 160, 259, 265; Patzina, in: MüKo-ZPO, § 37 Rn. 5. Zu § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB siehe z. B. § 51 BLeistG. 158 A. A. BGHZ 160, 259, 262: Der Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB beziehe sich nur auf den Gegenstand des Antragsverfahrens, nicht darauf, dass der Bestimmungsantrag Erfolg habe. Dem folgend Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 64. 159 So auch die bis BGHZ 160, 259 ff. h. M., die für den Hemmungseintritt darüber hinaus eine stattgebende Sachentscheidung forderte, siehe BGHZ 160, 259, 261; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 64 und oben 5. Kap., B) III. 14. (S. 217). Begründet wurde das Erfordernis einer stattgebenden Sachentscheidung damit, dass andernfalls nicht von einer „Erledigung des Gesuchs“ gesprochen werden könne, Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 95; Grothe, WuB IV A. § 204 BGB 1.05. 160 Vgl. BGHZ 160, 259, 264. 161 BT-Drucks. 14/6040, S. 118; BGHZ 160, 259, 262.
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XV. Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe, § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB Für die Hemmung genügt es, wenn aus dem Antrag deutlich wird, dass der Antragsteller für die Geltendmachung eines bestimmten Anspruchs Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe begehrt und die Bekanntgabe veranlasst wird. Die Individualisierung des Anspruchs kann auch durch außerhalb des Antrags liegende Umstände erfolgen, solange der Schuldner aufgrund des Antrags ermitteln kann, welcher Anspruch gemeint ist. Weil es bei § 204 Abs. 1 BGB um die Warnung in Bezug auf den geltend zu machenden Anspruch geht, sind bei Nr. 14 grundsätzlich alle diejenigen Voraussetzungen entbehrlich, die für die Prüfung der Bedürftigkeit der Partei relevant sind. Es ist daher unschädlich, wenn dem Antrag die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege nach § 117 Abs. 2 ZPO nicht beigefügt sind, da diesen für die Warnung des Schuldners im Hinblick auf den Anspruch keinerlei Bedeutung zukommt, was sich auch daran zeigt, dass diese nach § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO dem Antragsgegner ohnehin nur im Ausnahmefall zugänglich gemacht werden162. Da die Erklärung für die Hemmung überhaupt entbehrlich ist, schadet es selbstverständlich auch nicht, wenn diese beigefügt, hierzu aber nicht das eingeführte Formular verwendet wird.163 Entbehrlich für die Hemmung ist auch die Angabe von Beweismitteln (§ 117 Abs. 1 S. 2 ZPO), da diese lediglich für die Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg nach § 114 Abs. 1 ZPO erforderlich und damit für den Erfolg des Antrags relevant sind. Fehlen diese, wird dadurch die Ernsthaftigkeit der Rechtsdurchsetzung nicht beeinträchtigt, auch weil die Frage, ob Beweis erhoben werden muss, zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden kann.164 Fehlen Zulässigkeitsvoraussetzungen, hindert dies den Eintritt der Hemmung in der Regel ebenfalls nicht: Für die fehlende Prozessfähigkeit gilt das zur Klage Gesagte; die Unterschrift ist dort, wo sie Zulässigkeitsvoraussetzung ist, entbehrlich, wenn ihr Fehlen nicht zu der Annahme führt, dass dem Antragsteller der Rechtsdurchsetzungswille fehlt. Weiterhin schadet es nicht, wenn das Gericht, bei dem der Antrag gestellt wird, nicht das zuständige Prozessgericht ist. Veranlasst das Gericht, bei welchem der Antrag gestellt wurde, OLG Nürnberg VersR 2010, 1468, 1469. Ebenso Piekenbrock, Verjährung, S. 442. A. A. Fischer, in: Musielak/Voit, § 117 Rn. 8, die als Beleg angeführte Entscheidung des OLG Dresden, Beschl. v. 25.11.2009, Az. 3 U 1317/09 (zit. n. juris) betrifft aber einen Fall der Wiedereinsetzung und nicht der Verjährungshemmung. 164 Fischer, in: Musielak/Voit, § 117 Rn. 8. 162
163
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7. Kapitel: Anwendung des schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstabes
die Bekanntgabe, wird der Rechtsverfolgungswille hinreichend deutlich, auch wenn das angegangene Gericht über den Antrag nicht entscheiden kann und das Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeverfahren auf Antrag analog § 281 ZPO zu verweisen ist.165 Auch ein Antrag, der gestellt wird, obwohl der Antragsteller offensichtlich nicht bedürftig ist, hemmt, denn die fehlende Bedürftigkeit kennt der Schuldner in der Regel nicht, sondern kann diese allenfalls vermuten, sodass die Warnwirkung hinsichtlich der Anspruchsdurchsetzung nicht entfällt. Die mögliche Skepsis des Schuldners wird sich also auf die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeberechtigung und nicht auf den Rechtsdurchsetzungswillen beziehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Missbrauchsmöglichkeit erkannt hat und daher nur dem erstmaligen Antrag Hemmungswirkung zubilligt. Diese Regelung ist als abschließend zu verstehen, sodass insoweit eine Versagung der Hemmungswirkung unter Rückgriff auf § 242 BGB nur in extremen Ausnahmefällen möglich ist, praxisnahe Beispiele hierzu sind kaum vorstellbar.
165
Hierzu Zöller/Geimer, § 114 Rn. 22a.
3. Teil
Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner – Inhaltsbestimmung der ungeschriebenen Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 BGB
8. Kapitel
Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner A. Grundsätze I. Einleitung Neben den in den einzelnen Tatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen gibt es nach nahezu einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zwei weitere für alle Ziffern gleichermaßen geltende Anforderungen, die im Wortlaut des § 204 Abs. 1 BGB nicht zum Ausdruck kommen. Eine Rechtsverfolgungsmaßnahme hat demnach nur dann hemmende Wirkung, wenn sie vom Berechtigten1 vorgenommen wird und sich gegen den Schuldner2 richtet. Diese beiden – ungeschriebenen – Voraussetzungen werden für die Klage ausführlich diskutiert, gelten jedoch für alle in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände gleichermaßen. Im Folgenden wird zunächst die aktuelle Rechtslage dargestellt. Im 9. Kapitel (S. 337) wird sodann, wiederum unter Rückgriff auf den Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB, eine eigene Begriffsbestimmung für die Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ vorgenommen.
II. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Berechtigung des Gläubigers und der Schuldnerstellung des Gegners Fehlt dem Gläubiger bei der Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme die erforderliche Berechtigung, kann Verjährungshemmung nicht eintreten, bevor 1
Siehe bspw. NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 36 (Nr. 1); BGH NJW 1999, 3707 f. (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.); Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 69 (Nr. 6); Jauernig/Mansel, § 204 Rn. 9 (Nr. 7); Jauernig/Mansel, § 204 Rn. 11 (Nr. 9); Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 145; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 8 f. 2 Siehe bspw. Riezler, in: Staudinger, 3./4. Aufl., § 209 Anm. 1 (Nr. 1); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 12 (Nr. 1); Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 29 (Nr. 1); OLG Brandenburg, Urt. v. 06.02.2013, Az. 4 U 50/12, Rn. 31 (Nr. 3, zit. n. juris); BGHZ 80, 222, 226 (Nr. 1, Nr. 5); Saerbeck, FS Thode, 2005, S. 139, 145.
314 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner er diese erlangt hat. Zudem ist es häufig notwendig, dass er die Tatsachen, auf die er seine Berechtigung stützt, vorträgt und damit deren Ursprung offenlegt.3 Da nur die noch laufende Verjährung gehemmt werden kann, muss beides vor Ablauf der ursprünglichen Frist erfolgen. Der Mangel der fehlenden Berechtigung lässt sich mithin nach allgemeiner Ansicht nur für die Zukunft beheben.4 Eine Genehmigung durch den Berechtigten mit der Wirkung ex tunc kommt nicht in Betracht; die §§ 185 Abs. 2 S. 1, 184 Abs. 1 BGB finden keine analoge Anwendung.5 Dass eine rückwirkende Heilung ausscheidet, ergibt sich nach hier vertretener Auffassung bereits aus dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB.6 Leitet der Gläubiger eine Rechtsverfolgungsmaßnahme zunächst gegen den falschen Schuldner ein, wird die Verjährung gegenüber dem wirklichen Schuldner erst dann gehemmt, wenn sich die Maßnahme – nach Vornahme der entsprechenden Prozesshandlung, beispielsweise einem Beklagtenwechsel – nunmehr gegen diesen richtet.7 1. Berechtigung des Gläubigers Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine Klage des Berechtigten vorliegt, wenn die Anspruchsinhaberin Klage einreicht, aber vor Zustellung ihre materielle Berechtigung infolge einer Abtretung des Anspruchs wieder verloren hat.8 Er bejahte die materielle Berechtigung der Klägerin und stellte zur Begründung auf § 167 ZPO ab: Die Einreichung der Klageschrift in unverjährter Zeit habe gemäß § 167 ZPO in Verbindung mit § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hemmung geführt. Die Abtretung des Anspruchs vor der Zustellung der Klage ändere hieran nichts. Für die Verjährungshemmung sei es nicht erforderlich, dass die ma3
Hierzu unten 8. Kap., B) II. 4. (S. 327). BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 33 ff., Nr. 1) für die nach h. M. notwendige Offenlegung der gewillkürten Prozessstandschaft; BGH NJW 1995, 1675, 1676 (Nr. 1); BGH NJWRR 1989, 1269 f. (Nr. 1); BGH WM 1972, 1062, 1063 (Nr. 1); BGHZ 46, 221, 229 f. (Nr. 1); OLG Schleswig FamRZ 2003, 1696 (Nr. 1); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 20 (Nr. 1); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 11 (Nr. 1); Meller-Hannich, in: Beck OGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 35 f. (Nr. 1); NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 38 (Nr. 1); Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 11 (Nr. 1). 5 BGH JZ 1958, 245, 246; BGHZ 46, 221, 229 f.; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 20; Althammer, NJW 2011, 2172, 2174; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 9. 6 Hierzu oben 2. Kap., B) I. (S. 23). 7 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 12 (Nr. 1). 8 BGH NJW 2013, 1730–1732: Der Anspruch wurde am 29.03.2006 von der N, einer Tochtergesellschaft der Klägerin, an diese abgetreten. Die Klägerin reichte die Klage am 01.08.2006 ein. Am 28.09.2006 wurde der Anspruch an die N zurückabgetreten. Zustellung der Klage erfolgte am 27.10.2006. Ohne rechtzeitige Hemmung wäre der Anspruch zum 16.12.2006 verjährt. 4
A. Grundsätze
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terielle Berechtigung auch noch zum Zeitpunkt der Klagezustellung fortbestehe.9 Für die Beteiligten einer Forderungsübertragung sei nicht ohne weiteres erkennbar, wer bei Zustellung der Klage Forderungsinhaber sei. Käme es ungeachtet der Regelung des § 167 ZPO auf die Berechtigung im Zeitpunkt der Zustellung an, wäre der Zessionar, welcher dem klagenden Zedenten keine Einziehungsermächtigung erteilt habe, zur Vermeidung der Verjährung genötigt, ins Ungewisse die Forderung selbst gerichtlich geltend zu machen. § 167 ZPO liege aber die Wertung zugrunde „das Verjährungsinteresse des Schuldners gegenüber dem Interesse des Anspruchstellers auf Rechtsdurchsetzung unter den Voraussetzungen des § 167 ZPO zurückzustellen“10. Die Entscheidung ist abzulehnen, weil sie den Anwendungsbereich des § 167 ZPO zu weit fasst.11 Fordert man mit der ganz herrschenden Meinung die Berechtigung des Klägers, muss diese zu dem Zeitpunkt, in welchem die Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB eintritt, noch gegeben sein. Dies ist in dem Augenblick der Fall, in welchem die letzte im jeweiligen Hemmungstatbestand aufgestellte Voraussetzung erfüllt wird, in aller Regel ist dies der Kundgabetatbestand. Fällt die Berechtigung daher nach Einreichung der Klage aber vor der nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB notwendigen Klageerhebung weg, tritt keine Verjährungshemmung ein. Dem Kläger hilft in dieser Konstellation weder § 265 ZPO noch, entgegen der Ansicht des BGH, die Vorschrift des § 167 ZPO. Für den Zeitraum zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit findet § 265 ZPO keine Anwendung,12 sodass eine Bejahung der Berechtigung nicht auf § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO gestützt werden kann. Auch eine Vorverlagerung nach § 167 ZPO erfolgt im Rahmen von § 265 ZPO nicht, vielmehr ist für die Anwendung des § 265 ZPO immer der Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung maßgebend.13 Beide Gesichtspunkte werden vom BGH daher zu Recht auch nicht erwähnt. Entgegen dessen Ausführungen lässt sich die Entscheidung aber auch nicht mit § 167 ZPO begründen, denn die vom Gericht behauptete Wertung des § 167 ZPO, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift das Verjäh9 BGH NJW 2013, 1730, 1731 (Rn. 26). A. A. OLG Brandenburg, Urt. v. 02.04.2008, Az. 3 U 83/07, Rn. 27 (zit. n. juris). 10 BGH NJW 2013, 1730, 1731 (Rn. 27). 11 Dem BGH folgen ohne Auseinandersetzung mit der Begründung Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 7; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 4; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 17. Wie hier NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 37, Fn. 96, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH. 12 OLG Brandenburg, Urt. v. 02.04.2008, Az. 3 U 83/07, Rn. 27 (zit. n. juris); Becker- Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 265 Rn. 68; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 265 Rn. 14, 14.2; Foerste, in: Musielak/Voit, § 265 Rn. 2; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, § 265 Rn. 53. 13 Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 265 Rn. 66; Foerste, in: Musielak/Voit, § 265 Rn. 8; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 265 Rn. 14.1.
316 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner rungsinteresse des Schuldners hinter dem Interesse des Gläubigers auf Rechtsdurchsetzung zurückstehen müsse, überspannt den Regelungsgehalt des § 167 ZPO. Die Vorschrift befreit den Gläubiger lediglich davon, dass die Zustellung zu unverjährter Zeit erfolgen muss, weil er auf die Dauer des Zustellungsverfahrens keinen Einfluss hat und weil er die Möglichkeit haben soll, die Verjährungsfrist vollständig auszunutzen.14 Die Vorschrift schützt vor Rechtsverlusten, die daraus resultieren würden, dass die für die Rechtserhaltung notwendige Zustellung nach Fristablauf erfolgt. Sie befreit aber nicht generell davon, dass die anderen Voraussetzungen bis zu dem Zeitpunkt fortbestehen müssen, zu welchem Hemmung eintritt. Der Gläubiger ist daher gehalten, seine Berechtigung bis zur vollständigen Erfüllung des Hemmungstatbestandes zu erhalten. Dies liegt auch in seiner Sphäre, sodass sich der Schutz des § 167 ZPO hierauf nicht erstreckt. 2. Schuldnerstellung des Gegners Für die Schuldnerstellung des Gegners der Rechtsverfolgungsmaßnahme kann hingegen auf den Rechtsgedanken des § 167 ZPO zurückgegriffen werden: Es genügt deshalb, dass dieser bei Einreichung der Rechtsverfolgungsmaßnahme der materiell-rechtlich Verpflichtete des Anspruchs ist. Fällt die Schuldnerstellung nach Einreichung weg,15 hindert dies den Eintritt der Hemmung nicht. Da der Gläubiger die Dauer des Zustellungsverfahrens nicht beeinflussen kann, würde es vom Zufall abhängen, ob die Zustellung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu welchem der ursprüngliche Schuldner diese Stellung noch inne hat oder nicht. Die Regelung in § 167 ZPO zeigt aber, dass der Gläubiger dieses Risiko nicht tragen soll.16
14
Hierzu ausf. oben 2. Kap., A) II. 1. (S. 18) u. 2. Kap., A) III. (S. 21). Denkbar ist bspw. eine Vertrags- oder Schuldübernahme, der der Gläubiger schon bei Vertragsschluss zugestimmt hatte, vgl. § 309 Nr. 10 BGB, hierzu bspw. Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 97 ff. Zur Zustellung an den Insolvenzschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens siehe unten 9. Kap., C) III. (S. 349). 16 A. A. RGZ 129, 339, 345 f.: Keine Rückbeziehung nach § 693 Abs. 2 ZPO a. F. (siehe 2. Kap., Fn. 108, S. 40), wenn zwischen dem Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls und der Zustellung an den Schuldner das Konkursverfahren eröffnet wird. 15
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten I. Berechtigung des Klägers als Voraussetzung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB? Während § 209 Abs. 1 BGB a. F. noch ausdrücklich die Klage des Berechtigten forderte, ist diese Voraussetzung im Normtext des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr enthalten.17 Gleichwohl ist nach ganz herrschender Meinung auch nach neuem Recht notwendig, dass auf Klägerseite der zur Verfolgung des Anspruchs Berechtigte handelt.18 Dies ergebe sich zwar nicht mehr aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Gesetzgeber habe aber ausweislich der Materialien die Rechtslage nicht dahingehend ändern wollen, dass nunmehr auch die Klage des Nichtberechtigten die Verjährung hemmt.19 Demgegenüber meint Kähler20 insbesondere unter Verweis auf den geänderten Wortlaut und den Telos des Verjährungsrechts, dass auch die durch den Nichtberechtigten erhobene Klage die Verjährung hemmt. Fordere man auch unter der Geltung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass der Berechtigte klage, handele es sich um eine teleologische Reduktion der Norm. Eine solche lasse sich aber im Ergebnis nicht begründen.21 Ein sich möglicherweise aus den Gesetz17 Dass nur die Klage des Berechtigten unterbrach, war daher nach altem Recht allgemeine Meinung, siehe nur BGH NJW 1958, 338, 339; BGHZ 78, 1, 3 f.; BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGH NJW 1999, 3707 (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.); OLG Düsseldorf NJW 1994, 2423, 2424; Grothe, in: MüKo-BGB4, § 209 Rn. 13; W. Hefermehl, in: Erman10, § 209 Rn. 2; Palandt61/Heinrichs, § 209 Rn. 5, § 209 Rn. 9; Niedenführ, in: Soergel (1999), § 209 Rn. 10; Maniak, Verjährungsunterbrechung durch Mahnbescheid, S. 164 f. Anders aber bereits Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 320 f., 421 ff., der bei fehlender Berechtigung § 212 BGB a. F. analog anwenden (S. 321) bzw. eine Genehmigung mit Wirkung ex tunc gestatten (S. 422 f.) will. Es sei nicht einzusehen, „warum Fehler des Vorgehens so verschieden behandelt werden sollen, Verstösse gegen prozessuale Regeln mir grosser Nachsicht, andere mit grosser Strenge“ (S. 320). 18 BGH NJW 2013, 1730, 1731 (Rn. 24 ff.); BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 9); BGH NJW 2010, 2270, 2271 (Rn. 38); OLG Brandenburg, Urt. v. 02.04.2008, Az. 3 U 83/07, Rn. 27 (zit. n. juris); Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 65; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 6; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 17; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 36; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 4; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 9; Althammer, NJW 2011, 2172, 2173; Steike/Borowski, VuR 2017, 218, 219; ausf. Rabe, NJW 2006, 3089 ff.; Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 179. 19 Eingehend Rabe, NJW 2006, 3089 ff. 20 NJW 2006, 1769–1774. Der Beitrag legt die Konstellation zugrunde, dass der ursprünglich Nichtberechtigte im Laufe des Verfahrens die Berechtigung erlangt, vgl. S. 1771 f. 21 A. A. Althammer, NJW 2011, 2172, 2173 f., der die teleologische Reduktion u. a. damit rechtfertigt, dass, auch durch Einführung des § 213 BGB, eine Hemmung über den Streitge-
318 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner materialien ergebender Wille, die bisherige Regelung fortgelten zu lassen, sei nicht verbindlich, da dieser aufgrund der vollständigen Streichung des Wortes „Berechtigter“ in der Formulierung der Norm keinen Ausdruck gefunden habe und daher nach der Rechtsprechung des BVerfG unverbindlich sei.22 Auch die Ziele des Verjährungsrechts rechtfertigten keine teleologische Reduktion des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Der mit der Verjährung angestrebte Zweck des Rechtsfriedens sei nicht beeinträchtigt, da durch die Klage deutlich werde, dass die Vergangenheit noch nicht abgeschlossen sei. Der Beklagte müsse mit einer Verurteilung auch dann rechnen, wenn der zunächst Nichtberechtigte klage, da dieser den geltend gemachten Anspruch im Laufe des Verfahrens noch erwerben könne.23 Auch aus dem Verjährungszweck der Vermeidung von Prozessen über lange zurückliegende Sachverhalte mit zunehmend schlechter werdender Beweislage ergebe sich nichts anderes, da jede Partei ausreichend Anlass zur Beweissicherung habe, wenn bereits ein Verfahren laufe. Sei Klage erhoben, gebe es daher keinen Grund mehr, bestehende Ansprüche allein aufgrund des Zeitablaufs abzuerkennen. Da die Berechtigung des Klägers keinen Einfluss auf die Beweislage habe, könne es auf diese nicht ankommen.24 Fordere man hingegen die Berechtigung, führe dies zudem zu einem Widerspruch, da es in anderen Fällen für den Eintritt der Verjährungshemmung auch nicht auf die Begründetheit der Klage ankomme und auch fehlende Prozessfähigkeit nicht schade. Wenn es im Hinblick auf Letzteres daher irrelevant sei, ob der Kläger überhaupt Prozesshandlungen wirksam vornehmen könne, könne kaum plausibel seine Berechtigung verlangt werden.25 Dieser Auffassung trat Rabe26, selbst Mitglied der Schuldrechtskommission, entgegen. Zur Erforschung des Willen des Gesetzgebers könnten, da die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB als § 203 Nr. 1 bereits im Diskussionsentwurf (DiskE)27 enthalten gewesen sei, als Gesetzesmaterialien nur die Begründung zu diesem Diskussionsentwurf sowie der Vorschlag der Schuldrechtskommission und dessen Begründung herangezogen werden. Aus dem Vorschlag der Schuldrechtskommission sowie der Begründung zum Diskussionsentwurf ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass nur die Klage des Berechtigten genstand hinaus möglich sei und die materielle Berechtigung des Klägers daher als begrenzendes Parameter beibehalten werden müsse. 22 Kähler, NJW 2006, 1769, 1770. 23 Kähler, NJW 2006, 1769, 1771. 24 Kähler, NJW 2006, 1769, 1771. 25 Kähler, NJW 2006, 1769, 1771. 26 NJW 2006, 3089–3091. 27 „Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes“ des BMJ vom 04.08.2000. Text der Regelungen abgedruckt bei Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 613 ff.
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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hemmen solle.28 Im Diskussionsentwurf sei festgestellt worden, dass abgesehen davon, dass die Klage nunmehr hemme und nicht mehr unterbreche und die Formulierung „Klage auf Befriedigung“ durch „Klage auf Leistung“ ersetzt worden sei, der § 203 Nr. 1 des DiskE dem bisherigen § 209 Abs. 1 BGB a. F. entspreche.29 Der „Berechtigte“ sei der sprachlichen Straffung zum Opfer gefallen, welche durch die Zusammenfassung der Hemmungstatbestände in einem Absatz erreicht worden sei. Indirekt ergebe sich dieses Erfordernis aber noch aus der Begründung zu § 203 Nr. 1 DiskE, wenn es dort heiße, dass das eingeleitete Verfahren zur Befriedigung des Berechtigten führen könne.30 Der Wegfall des Tatbestandsmerkmals könne damit erklärt werden, dass es andernfalls auch in den anderen Ziffern hätte genannt werden müssen; dieser liege daher letztlich in der Gesetzestechnik begründet.31 Zudem stellt Rabe auf die Begründung im Diskussionsentwurf zur Hemmung durch Beginn des Schiedsverfahrens, § 203 Nr. 13 DiskE ab.32 Aus dieser ergebe sich eindeutig, dass nur der Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens durch den Anspruchsberechtigten die Hemmung herbeiführe, obwohl dies im Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB, im Gegensatz zum früheren § 220 Abs. 2 BGB a. F., ebenfalls nicht mehr erwähnt sei. Bei der Klage könne es dann nicht anders sein.33 Diesem Willen des Gesetzgebers könne auch Rechnung getragen werden, obwohl sich für diese Auslegung im Wortlaut der Norm kein Anhaltspunkt finde.34 Der BGH hat unter Rückgriff auf die Materialien zum SchRModG35 entschieden, dass auch nach dessen Inkrafttreten nur die Klage des Berechtigten die Verjährung hemmt. Der Gesetzgeber habe aus systematischen Gründen lediglich die in § 209 Abs. 1 BGB a. F. vorgesehene Unterbrechung in eine Hemmung umwandeln wollen. Ein Verzicht auf das sachliche Erfordernis der Berechtigung sei hingegen nicht beabsichtigt gewesen.36
Rabe, NJW 2006, 3089 f. Rabe, NJW 2006, 3090. 30 Begr. Diskussionsentwurf, S. 269. 31 Rabe, NJW 2006, 3090. 32 Begr. Diskussionsentwurf, S. 274. Zitiert wird von Rabe, NJW 2006, 3089, 3090 aber BT-Drucks. 14/6040, S. 115 f. 33 Rabe, NJW 2006, 3090. 34 Rabe, NJW 2006, 3090 f. Zur Begründung rekurriert er auf die vom BGH in NJW 2003, 290 ff. vorgenommene Auslegung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG. 35 BT-Drucks. 14/6040, S. 113. 36 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 9); BGH NJW 2010, 2270, 2271 (Rn. 38). Zustimmend bspw. Althammer, NJW 2011, 2172, 2173. Noch offenlassend BGH NJW-RR 2008, 860, 865 (Rn. 34). 28 29
320 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner
II. Wer ist Berechtigter im Sinne der Norm? Folgt man dem von der ganz herrschenden Meinung postulierten Erfordernis, dass der Berechtigte klagen muss, ist noch nicht entschieden, wer als Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB zu behandeln ist. Im Anschluss an F. Baur37 ist ganz überwiegend 38 anerkannt, dass es sich bei dieser Frage um eine solche des materiellen Rechts handelt.39 Maßgebend ist dabei aber nicht die Rechtsträgerschaft, sondern die materielle-rechtliche Verfügungsbefugnis.40 Entscheidend ist mithin, „wer nach materiellem Recht zur Geltendmachung des Rechts in eigenem Namen befugt ist“.41 Dies hat einerseits zur Folge, dass derjenige Berechtigter ist, der nicht Rechtsträger, aber materiell-rechtlich verfügungsbefugt ist. Hingegen hemmt die Klage des Rechtsträgers, der seine Verfügungsbefugnis verloren hat, nicht. Zudem ist auch der als materiell Berechtigter anzusehen, der aufgrund einer Einziehungsermächtigung zur Geltendmachung einer fremden Forderung befugt ist.42 Obwohl nach dem Vorstehenden für die Frage der Berechtigung auf die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis abzustellen ist, lassen es Rechtsprechung und Literatur auch genügen, wenn der Kläger den Anspruch in gesetzlicher oder gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht, ohne dass dieser eine materielle Einziehungsermächtigung zugrunde liegen muss (sog. isolierte Prozessstandschaft).43 Hieran anknüpfend lassen sich für die Frage der Berechtigung drei Grundkonstellationen unterscheiden, die im Folgenden näher dargestellt werden: Als Erstes der Fall, in dem der nicht verfügungsbeschränkte Inhaber des Anspruchs klagt. In der zweiten Konstellation ist der Kläger zwar Anspruchsinhaber, ihm F. Baur, JZ 1958, 246. Siehe aber Berger, LM H. 8/1999 § 209 BGB Nr. 90, unter 2. d), der kritisiert, dass man dem materiellen Parteibegriff verhaftet bleibe, wenn man für die Bestimmung des „Berechtigten“ auf materielle Kriterien abstelle. Auschlaggebend solle vielmehr die Prozessführungsbefugnis sein. Wohl ebenso Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 9: Entscheidend sei die Befugnis zur klagweisen Geltendmachung des Anspruchs. 39 BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGHZ 78, 1, 5; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 17. 40 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 10); BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGHZ 78, 1, 4; BGHZ 46, 221, 229; OLG Schleswig FamRZ 2003, 1696; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 36; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 17; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 17; Deppenkemper, in: P/W/W, § 204 Rn. 3; F. Baur, JZ 1958, 246. 41 F. Baur, JZ 1958, 246. Dem folgend BGHZ 78, 1, 5. 42 BGH NJW 1999, 3707; BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGHZ 78, 1, 4 f.; BGH JZ 1958, 245, 246; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10; F. Baur, JZ 1958, 246. 43 BGHZ 94, 117, 120; BGH NJW 1981, 678, 679; BGHZ 78, 1, 4; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 36; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 17; Roth, in: Stein/Jonas23, § 262 Rn. 10; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 9. Wohl auch BGH NJW 2010, 2270, 2271 (Rn. 39). 37 38
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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fehlt aber die materielle-rechtliche Verfügungsmacht. Bei Fallgruppe drei ist der Kläger nicht Inhaber des Anspruchs, sondern macht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend. 1. Kläger ist verfügungsbefugter Anspruchsinhaber Dem Rechtsträger eines Anspruchs steht grundsätzlich auch die Befugnis zu, über diesen zu verfügen. Ist der Kläger also materiell-rechtlich Inhaber des Anspruchs, ist er nur dann nicht Berechtigter, wenn er ausnahmsweise keine Verfügungsbefugnis besitzt.44 Maßgebend ist allein die objektive materielle Rechtslage. Daher wird nach erfolgter Abtretung die Verjährung nicht durch die Klage des Zedenten gehemmt.45 Ist die Abtretung unwirksam, hat die Klage des Scheinzessionars keine Hemmungswirkung.46 Dem Zessionar, welchem die Forderung nach Rechtshängigkeit abgetreten wurde, fehlt hingegen nicht die materielle Berechtigung, da § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO zwar dessen Prozessführungsbefugnis ausschließt, jedoch nicht verhindert, dass die materielle Verfügungsbefugnis auf ihn übergeht. Der vom Zessionar angestrengte Parallelprozess hemmt daher, auch wenn er wegen fehlender Prozessführungsbefugnis und wegen § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig ist, ebenso wie der Vorprozess des Zedenten die Verjährung.47 Bei Gesamtgläubigerschaft im Sinne des § 428 BGB kann gemäß § 428 S. 2 BGB jeder Gläubiger die ganze Leistung an sich fordern und auch allein klagen. Aus § 429 Abs. 3 S. 1 BGB i. V. m. § 425 Abs. 2 BGB ergibt sich aber, dass die Hemmung nur für ihn und nicht auch zu Gunsten der anderen Gläubiger wirkt.48 Dass es unter dem gegenwärtigen Begriffsverständnis für die Frage der Berechtigung allein auf die Rechtsinhaberschaft und nicht auf subjektive Gesichtspunkte des Schuldners – und damit auch nicht darauf ankommt, ob dieser sich durch die Klage eben dieses Gläubigers gewarnt fühlen musste – zeigt sich zudem deutlich daran, dass nach Auffassung des BGH auch die Klage desjenigen hemmt, der dem Schuldner die Abtretung des Anspruchs nach § 409 Abs. 1 44
BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 10). BGH VersR 1965, 610, 611; RGZ 85, 424, 429; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 18. 46 OLG Düsseldorf NJW 1994, 2423, 2424; OLG Düsseldorf VersR 1997, 1094, 1095; Meller-Hannich, FS Prütting, 2018, S. 63, 65; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 7, 10. 47 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 8 ff., 15); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10. Da die Hemmung im Vorprozess nach § 204 Abs. 2 BGB geendet hatte, kam es in BGH NJW 2011, 2193 f. auf die Hemmung durch den Parallelprozess des Zessionars an. 48 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 7; Hefelmann, Verjährungsunterbrechung, S. 12. 45
322 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner BGB angezeigt hat, tatsächlich aber noch Inhaber der Forderung ist (Schein zedent).49 Da eine Abtretung nicht erfolgt sei, sei die Klägerin Rechtsträgerin und daher Berechtigte geblieben und könne somit die Unterbrechung wirksam herbeiführen.50 Zum gleichen Ergebnis kommt der BGH für den Fall, dass die Forderung zunächst wirksam abgetreten wurde, der Zessionar die Abtretung dem Schuldner angezeigt hat und der Zedent nach stillschweigender Rückabtretung der Forderung, die dem Schuldner nicht angezeigt wurde, Klage erhebt.51 2. Kläger ist Anspruchsinhaber, aber nicht verfügungsbefugt Nach dem eingangs Gesagten ist der Rechtsträger nicht berechtigt, wenn ihm die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis über den Anspruch fehlt.52 Mangels Berechtigung haben daher keine hemmende Wirkung wegen § 80 InsO die Klage des Insolvenzschuldners, wegen § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB die Klage des Erben bei Geltendmachung eines Anspruchs, der der Nachlassverwaltung unterliegt53 oder wegen § 2212 BGB die Klage, in welcher der Erbe ein der Testamentsvollstreckung unterliegendes Recht geltend macht.54 Hingegen soll die Pfändung und Überweisung der Forderung dem Vollstreckungsschuldner nicht die Berechtigung nehmen.55 Betrachtet man zunächst den Fall, dass nur gepfändet und nicht überwiesen wird, lässt sich dies damit begründen, dass diesem trotz des sich aus § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO ergebenden Verfügungsverbotes eine Erhaltungskompetenz zusteht, welche es ihm erlaubt, die zur Erhaltung der Forderung notwendigen Maßnahmen vorzunehmen. Zu einer solchen Maßnahme wird auch die Erhebung der Klage zur Hemmung der 49 BGHZ 64, 117–120. Dem BGH folgend Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 7; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 18. Ausweislich der Gründe des Revisionsurteils war das Berufungsgericht (OLG Hamm, Urt. v. 28.11.1973) hingegen der Auffassung, dass der Gläubiger die Anzeige der Abtretung nach § 409 Abs. 1 BGB gegen sich gelten lassen muss. Bis zur wirksamen Rücknahme der Anzeige nach Abs. 2 müsse er sich daher so behandeln lassen, als habe er die Forderung tatsächlich abgetreten. In diesem Fall habe eine Klage nicht unterbrechen können, gleiches gelte für die Zustellung des Zahlungsbefehls, siehe BGHZ 64, 117, 118. 50 BGHZ 64, 117, 119 f. 51 BGH NJW 1986, 977. 52 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 10); BGHZ 64, 117, 120; BGHZ 46, 221, 229; Peters/ Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 8; F. Baur, JZ 1958, 246. 53 BGHZ 46, 221 ff. 54 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 8. 55 Für die Überweisung zur Einziehung BGH NJW 1986, 423; BGH NJW 1986, 977, 978; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 19. Ohne Differenzierung zwischen Überweisung zur Einziehung und der Überweisung an Zahlungs statt Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 8.
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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Verjährung gezählt.56 Gleiches gilt im Ergebnis nach der Überweisung der Forderung zur Einziehung gemäß § 835 Abs. 1 Alt. 1 ZPO.57 Die sich hieraus i. V. m. § 836 Abs. 1 ZPO ergebende Befugnis des Pfändungspfandgläubigers, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen, hindere eine eigene Klage des Vollstreckungsschuldners, gerichtet auf Leistung an diesen, nicht, da er andernfalls keine Möglichkeit habe, dem Verlust seiner Rechte entgegen zu wirken, wenn nicht der Pfändungsgläubiger selbst Maßnahmen zur Verjährungshemmung ergreife.58 Obwohl demnach eine Klage auf Leistung an sich selbst nicht von der Erhaltungskompetenz des Schuldners erfasst ist,59 wird einer solchen dennoch die hemmende Wirkung nicht abgesprochen.60 Etwas anderes muss jedoch für die Überweisung an Zahlungs statt nach § 835 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gelten, da diese gemäß § 835 Abs. 2 ZPO dazu führt, dass die Forderung auf den Pfändungsgläubiger übergeht. Der Vollstreckungsschuldner verliert somit die Inhaberschaft an der Forderung und damit zugleich die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis.61 Eine Verfügungsbefugnis kann sich daher auch nicht aus seiner Erhaltungskompetenz ergeben, da für eine solche die Forderungsinhaberschaft Voraussetzung wäre. Zudem ist der Vollstreckungsschuldner bei der Überweisung an Zahlungs statt auch nicht schutzbedürftig, da er, soweit die Forderung besteht, von seiner Verbindlichkeit befreit wird. Die Klage des Pfändungsgläubigers selbst hat hemmende Wirkung, da ihm wegen § 835 Abs. 1 ZPO die materielle Verfügungsbefugnis zusteht.62 56 Smid, in: MüKo-ZPO, § 829 Rn. 49, 56 mit Fn. 245; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 Rn. 11. 57 Smid, in: MüKo-ZPO, § 835 Rn. 19; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 Rn. 36 m. w. N. 58 BGH NJW 1986, 977, 978; BGH NJW 1986, 423. 59 Smid, in: MüKo-ZPO, § 835 Rn. 19; Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 Rn. 11, 36. 60 BGH NJW 1986, 423; BGH NJW 1986, 977; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 8. 61 Smid, in: MüKo-ZPO, § 835 Rn. 24. 62 BGH NJW 1978, 1914 (Überweisung zur Einziehung); Schilken, in: Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55, Rn. 37, 61; Schmitt-Gaedke/Arz, JA 2016, 770, 772. Bei der Überweisung an Zahlungs statt (§ 835 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) ergibt sich die Berechtigung aus der Inhaberschaft an der Forderung, § 835 Abs. 2 ZPO. Bei der Überweisung zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) ist es für die vorliegende Fragestellung unerheblich, ob der Pfändungspfandgläubiger ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht und mithin als gesetzlicher Prozessstandschafter tätig wird (so bspw. Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55, Rn. 39) oder ob er aus eigenem Recht (so bspw. Seiler, in: Thomas/Putzo, § 835 Rn. 3; siehe noch Würdinger, in: Stein/Jonas23, § 835 Rn. 25) vorgeht, da ihm auch im ersten Fall eine materiell-rechtliche Einziehungsbefugnis zusteht.
324 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner 3. Der Kläger macht ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend Macht der Kläger ein fremdes Recht geltend, ist er nicht Rechtsinhaber und ihm steht daher nach materiellem Recht im Grundsatz auch nicht die Befugnis zu, den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen, sodass er nicht materiell Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB ist. Ihm kann aber vom Rechtsinhaber oder durch Gesetz die Befugnis zur Geltendmachung des fremden Rechts im eigenen Namen eingeräumt werden.63 Dabei ist zwischen der materiell-rechtlichen Befugnis zur außerprozessualen Geltendmachung des Rechts einerseits (Einziehungsermächtigung) und der Befugnis, einen Prozess über das fremde Recht zu führen andererseits (Prozessführungsermächtigung), zu unterscheiden. Letzteres ist eine Frage nach der Prozessführungsbefugnis und mithin auch nach dem Vorliegen der Voraussetzungen der gewillkürten oder gesetzlichen Prozessstandschaft.64 a) Befugnis aufgrund gesetzlicher Regelung Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB ist derjenige, der seine Befugnis, über ein fremdes Recht zu prozessieren, aus dem Gesetz ableitet, sodass eine durch diesen erhobene Klage die Verjährung wirksam für den Anspruchsinhaber hemmt. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen mit dieser gesetzlichen Prozessstandschaft auch eine materiell-rechtliche Einziehungsbefugnis einhergeht, wie dies insbesondere bei den praktisch wichtigen Fällen der Parteien kraft Amtes der Fall ist.65 Aber auch dann, wenn wie beispielsweise im Fall des § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO eine isolierte gesetzliche Prozessstandschaft des Zedenten vorliegt, ist eine Berechtigung zu bejahen. Daran, dass nach allgemeiner Ansicht wegen § 265 Abs. 2 ZPO die Hemmung nicht endet, wenn der Kläger seinen Anspruch nach Rechtshängigkeit abtritt,66 zeigt sich, dass für die Berechtigung im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB auch eine Prozessstandschaft genügt, der keine materiell-rechtliche Einziehungsbefugnis zugrunde liegt, denn § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO verschafft dem Zedenten eben nur die Prozessstandschaft, die Norm erhält ihm hingegen nicht die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis, welche vielmehr auf den Zessionar übergeht.67 F. Baur, JZ 1958, 246. F. Baur, JZ 1958, 246 und BGHZ 78, 1, 5. 65 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 6, 30, Beispiele Rn. 6 –30; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 9. 66 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 9; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 37. Siehe auch BGH NJW 1984, 2102, 2104. 67 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 15); Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 265 Rn. 69, 71; Althammer, NJW 2011, 2172, 2174. 63 Vgl.
64 Siehe
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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b) Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft Der Anspruchsinhaber kann einem Dritten aber auch rechtsgeschäftlich die Befugnis einräumen, den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Hierbei ist noch einmal auf die Differenzierung zwischen materiell-rechtlicher und prozessualer Ermächtigung hinzuweisen: Der Rechtsträger kann dem Dritten, dem Ermächtigten, einerseits gemäß § 185 Abs. 1 BGB i. V. m. § 362 Abs. 2 BGB eine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung erteilen. Hierbei handelt es sich um ein abgespaltenes Gläubigerrecht, welches dem Ermächtigten68 die Sachbefugnis verschafft, außerprozessual die Forderung wirksam im eigenen Namen einzuziehen, das heißt Leistung an sich selbst zu verlangen.69 Hiervon ist andererseits die rein prozessual wirkende Prozessführungsermächtigung zu unterscheiden, welche, als eine Voraussetzung der gewillkürten Prozessstandschaft, erforderlich ist, um den Anspruch zulässig im eigenen Namen einzuklagen.70 Diese Unterscheidung ist notwendig, auch wenn der Rechtsinhaber im Zweifel beides erteilen will.71 Die Erteilung der Einziehungsermächtigung führt dazu, dass der Ermächtigte die für die Berechtigung im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB notwendige materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis erlangt, sodass daher eine durch diesen erhobene Klage die Verjährung des Anspruchs hemmt.72 Wurde die materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung wirksam erteilt, tritt Verjährungshemmung auch dann ein, wenn die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht vorliegen, weil es als beispielsweise am rechtlichen Interesse des Prozessstandschafters an der Erhebung der Klage im eigenen Namen fehlt.73 Begründet wird dies damit, dass die materiell-rechtliche Frage der Berechtigung nicht mit der prozessrechtlichen Frage der Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft vermengt werden dürfe.74 Letzteres sei allein eine Frage der Zulässigkeit, auf die es für die Frage der Ver68
Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Ermächtigte berechtigt ist, selbst einen weiteren Dritten zur Einziehung der Forderung („Untereinziehungsermächtigung“) zu ermächtigten siehe Thüringer OLG MDR 1998, 1468, 1469. 69 BGHZ 82, 283, 288; BGH NJW 1999, 2110, 2111; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 18; Jacoby, in: Stein/Jonas23, vor § 50 Rn. 59; Weth, in: Musielak/Voit, § 51 Rn. 32; Rohe, in: BeckOK BGB, § 398 Rn. 91; Schmitt-Gaedke/Arz, JA 2016, 770, 771. 70 Jacoby, in: Stein/Jonas23, vor § 50 Rn. 56, 59. 71 Weth, in: Musielak/Voit, § 51 Rn. 32; Jacoby, in: Stein/Jonas23, vor § 50 Rn. 59. 72 BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGHZ 78, 1, 4 f.; BGH NJW 1978, 698, 699; F. Baur, JZ 1958, 246. 73 BGH NJW 2011, 2193, 2194 (Rn. 10); BGHZ 78, 1, 4 f.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 19; F. Baur, JZ 1958, 246. Siehe auch BGH NJW 1999, 3707, 3708. 74 BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGHZ 78, 1, 5; ebenso schon F. Baur, JZ 1958, 246 f.
326 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner jährungshemmung nicht ankomme.75 Zudem seien Verjährungsfragen solche des materiellen Rechts und hätten sich daher primär an diesem zu orientieren.76 Eine Einziehungsermächtigung erhält der Zedent insbesondere im Rahmen von stillen Sicherungsabtretungen. Hierdurch bleibt der Sicherungsgeber, obwohl er nicht mehr Rechtsträger ist, befugt, die Forderung wirksam im eigenen Namen einzuziehen. Verbunden ist dies zudem meist mit der Ermächtigung, den Anspruch auch prozessual geltend zu machen, sodass er als gewillkürter Prozessstandschafter auftreten kann.77 Die Erteilung einer Einziehungsermächtigung kommt statt einer Inkassozession zudem in Betracht, wenn der Gläubiger eine originär eigene Forderung nicht selbst, sondern durch einen Dritten einziehen lassen will.78 c) Gewillkürte Prozessstandschaft ohne Einziehungsermächtigung Da zwischen der materiellen Einziehungsermächtigung und der Prozessführungsermächtigung kein zwingender Zusammenhang besteht, ist es möglich, dass der Kläger zwar prozessual ermächtigt ist, den fremden Anspruch im eigenen Namen durchzusetzen, ihm aber, da der Rechtsinhaber keine Einziehungsermächtigung erteilt hat, materiell keine Verfügungsbefugnis zusteht (sog. isolierte Prozessstandschaft). Ist die Prozessstandschaft zulässig, tritt Verjährungshemmung auch in diesem Fall ein.79 Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB ist daher auch der nur zur prozessualen Geltendmachung befugte Kläger. Eine solche Konstellation ist regelmäßig bei einer offenen Sicherungszession gegeben.80 Trotz fehlender materieller Berechtigung hemmt hier eine Klage des Zedenten, wenn Leistung an den Zessionar verlangt wird.81
BGHZ 78, 1, 5; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 10. 77 Rohe, in: BeckOK BGB, § 398 Rn. 83; BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGH NJW 1978, 698, 699. 78 Vgl. BGH WM 1972, 1062, 1063. 79 BGHZ 78, 1, 4; BGH JZ 1958, 245, 246; Berger, LM H. 8/1999 § 209 BGB Nr. 90, unter 2. d). 80 Rohe, in: BeckOK BGB, § 398 Rn. 83. Siehe auch Jacoby, in: Stein/Jonas23, vor § 50 Rn. 59 m. Fn. 223: In Fällen der offenen Sicherungszession sei es regelmäßig unnötig nach einer Einziehungsermächtigung zu suchen, denn wer eine wirksame Prozessführungsermächtigung besitze, könne auch ohne materielles Einziehungsrecht Leistung an den Rechts inhaber fordern. 81 BGH NJW 1999, 2110, 2111; BGH NJW 1981, 678, 679; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 18. 75
76
B. Rechtsverfolgung durch den Berechtigten
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4. Kenntnis des Beklagten von der Berechtigung des Klägers? Die Hemmungswirkung tritt grundsätzlich nur dann ein, wenn der Beklagte weiß, wessen Recht geltend gemacht wird. Wenn der Kläger nicht aus eigenem Recht vorgeht, genügt daher die materielle Berechtigung als solche nicht, sondern es muss „ebenso wie [Hervorh. d. Verf.] bei der Prozeßstandschaft noch hinzukommen, daß für alle Beteiligten klar ist, welches Recht geltend gemacht ist“82 ,83 denn nur dann könne sich der Beklagte auf dieses prozessuale Vorgehen einstellen und seine Verteidigung hierauf einrichten.84 Die erforderliche Klarheit kann sich dabei entweder daraus ergeben, dass der Kläger im Rechtsstreit ausdrücklich die ihm erteilte Ermächtigung offenlegt und damit zu erkennen gibt, wessen Rechte er einklagt. Es genügt aber auch, wenn sich diese Klarheit aus den Umständen ergibt,85 die auch außerhalb des Prozesses, zum Beispiel in einem vorprozessualen Schriftwechsel, liegen können.86 Etwas anderes gelte aber bei der stillen Sicherungszession, da deren Wesen gerade sei, dass der Zedent die Forderung auch prozessual im eigenen Namen ohne Offenlegung der Abtretung geltend machen dürfe.87 Den wesentlichen Unterschied sieht der BGH darin, dass im Falle der stillen Sicherungszession der ursprüngliche Gläubiger klagt und es daher weder zur Klarstellung des Prozessrechtsverhältnisses noch aus Gründen des Schuldnerschutzes notwendig sei, dass deutlich gemacht wird, wessen Recht eingeklagt wird.88 Nach der Rechtsprechung kann ebenfalls offenbleiben, ob der Kläger aus abgetretenem Recht vorgeht oder ob er aufgrund einer Ermächtigung ein fremdes Recht geltend macht, da in beiden Fällen für den Gegner klar sei, dass eine jedenfalls ursprünglich einem Dritten zustehende Forderung eingeklagt werde. Dies genüge für eine sachgerechte Verteidigung.89 82
BGHZ 78, 1, 6. BGHZ 94, 117, 122; BGH WM 1972, 1062, 1063; siehe auch BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 35). 84 BGH WM 1972, 1062, 1063, mit Beispielen zu Verteidigungsmöglichkeiten, zudem könne nur bei Offenlegung der Umfang der Rechtskraft bestimmt werden; Thüringer OLG MDR 1998, 1468, 1469. 85 Vgl. BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 34 f.); BGH NJW-RR 2002, 20, 22. Ebenso BGH NJW 1999, 3707, 3708, in dieser Entscheidung und in BGH NJW-RR 2005, 504 hat der erkennenden VII. Senat aber ausdrücklich offengelassen, ob daran festzuhalten ist, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung erst in dem Augenblick eintrete, in dem die gewillkürte Prozessstandschaft offengelegt werde oder offensichtlich sei. 86 BGHZ 94, 117, 122; BGHZ 78, 1, 6. 87 BGH NJW 1978, 698, 699; BGH NJW 1999, 2110, 2111. 88 BGH NJW 1978, 698, 699; BGH NJW 1999, 2110, 2111. 89 BGH NJW 1999, 3707, 3708. Noch weiter gehend BGH NJW-RR 2005, 504 f. für die Verjährungsunterbrechung nach § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F., wonach es für die Unterbrechung sogar genüge, wenn der Kläger eine Abtretung behaupte, sich die Berechtigung aber 83
328 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner Klagt der Kläger eine an ihn abgetretene Forderung ein, ist er Rechtsinhaber und müsste daher für den Eintritt der Verjährungshemmung die Abtretung eigentlich nicht offen legen. Allerdings droht ihm hier anderweitig dadurch Gefahr, dass sein Vortrag ohne Darlegung der Abtretung unschlüssig ist und er diese für die Schlüssigkeit noch nachträglich in den Prozess einführen muss. Da nach Auffassung des BGH die Klage aus abgetretenem Recht gegenüber der Klage aus einem originär eigenem Recht eine Klageänderung darstellt,90 hemmt die aus eigenem Recht erhobene Klage nicht die Verjährung des Anspruchs aus abgetretenem Recht, wenn der Vortrag zur Abtretung und damit die Klageänderung erst nach Ablauf der Verjährungszeit erfolgt.91 Erhebt der Kläger als Nichtberechtigter Klage und erwirbt er den Anspruch im Laufe des Verfahrens vor Ablauf der Verjährungsfrist durch Rückabtretung, ist für die ex nunc eintretende Hemmung nicht erforderlich, dass der Kläger die eingetretene Berechtigung offenlegt.92 Da es nach Kähler nicht darauf ankommt, dass der Kläger von Anfang an Berechtigter war, ist es in der Folge konsequenter Weise auch unerheblich, ob der Beklagte Kenntnis von der Berechtigung hatte.93 In den Fällen, in denen der BGH die Offenlegung der Berechtigung gefordert habe, sei dies erfolgt, um den Beklagten zu schützen. Dieser müsse wissen, wenn der Kläger ein fremdes Recht geltend mache, damit er sich wirksam verteidigen könne. Dieser Schutz des Beklagten werde aber bereits dadurch bewirkt, dass bei Klageerhebung der Streitgegenstand genau anzugeben sei. Eine darüber hinaus gehende Offenlegung der Berechtigung sei nicht notwendig.94
III. Berechtigung des Gläubigers bei den anderen Hemmungstatbeständen Dass die Rechtsverfolgung vom Berechtigten ausgehen muss, gilt nach ganz herrschender Auffassung nicht nur für die Hemmung durch Klageerhebung, sondern für alle in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahrichtigerweise aus einer Ermächtigung ergebe. Hierzu genauer sogleich unter 8. Kap., B) III. (S. 328). 90 BGH NJW 2005, 2004, 2005; Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 263 Rn. 16. 91 BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 36); BGH NJW 2005, 2004, 2005. Siehe aber BGH NJW 1999, 2110, 2111 f.: Keine Klageänderung, wenn bei einer stillen Sicherungszession die gewillkürte Prozessstandschaft erst nach Ablauf der Verjährungsfrist aufgedeckt wird und auf eine Leistung an den Zessionar umgestellt wird, da in diesem Fall von Anfang an der Anspruch des Zessionars Streitgegenstand gewesen sei. 92 BGH NJW 1995, 1675, 1676. 93 Kähler, NJW 2006, 1769, 1772. 94 Kähler, NJW 2006, 1769, 1772.
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men. Unter Geltung des § 209 BGB a. F. ergab sich dies bereits daraus, dass die Berechtigung für die Unterbrechung durch Klageerhebung in § 209 Abs. 1 BGB ausdrücklich gefordert wurde und die übrigen Unterbrechungstatbestände in § 209 Abs. 2 BGB a. F. der Klageerhebung gleichgestellt wurden.95 Da nach ganz überwiegender Auffassung die Neufassung durch das SchRModG hieran nichts ändern wollte, besteht diese Voraussetzung auch unter der Geltung des § 204 Abs. 1 BGB fort.96 Im Einzelnen ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Auch bei § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB muss der Antrag vom Berechtigten gestellt werden.97 Wird ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht, muss dies ebenfalls, wenn es nicht anderweitig erkennbar ist, vor Eintritt der Verjährung offen gelegt werden,98 eine Ausnahme hiervon gilt wiederum für den Fall der stillen Zession.99 Zudem soll Hemmung eintreten, wenn der Antragsteller behauptet, aus abgetretenem Recht vorzugehen, sich die materielle Berechtigung aber aus einer Einziehungsermächtigung ergibt.100 Begründet wird dies damit, dass durch den Hinweis, dass die Forderung ursprünglich für einen anderen (im Mahnbescheid genannten) Gläubiger entstanden war, deutlich werde, dass sich der Antragsteller auf eine abgeleitete Berechtigung stütze, und der Schuldner somit alle für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Angaben erhalte, wodurch das Ziel des Offenlegungserfordernisses sichergestellt werde.101 Auch die Zustellung der Streitverkündung hemmt nur dann, wenn der Streitverkünder Inhaber des Anspruchs war, der im Folgeprozess durchgesetzt werden soll.102 Die Berechtigung sei dabei materiell-rechtlich in Bezug auf den An-
95 Siehe auch Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 17: Nur der Berechtigte könne die Zuerkennung eigenen Rechts begehren; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 138: Dies folge aus der Gleichstellung der Streitverkündung mit der Klage. 96 Siehe z. B. Meller-Hannich, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.03.2018, § 204 Rn. 380 (für § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB); Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 19 (für § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB). 97 Thüringer OLG MDR 1998, 1468; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 11. 98 BGH NJW 1999, 3707, 3708; BGH WM 1972, 1062, 1063; Thüringer OLG MDR 1998, 1468, 1469; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 14; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 59; Schüler, in: MüKo-ZPO, § 693 Rn. 11. Geht der Antragsteller aus abgetretenem Recht vor, muss er dies ebenfalls bereits im Mahnantrag angeben, LG Berlin, Urt. v. 26.02.2014, Az. 10 O 173/13, Rn. 31, 33 (zit. n. juris). 99 BGH NJW 1978, 698, 699; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1327, 1328; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 11. Siehe auch Thüringer OLG MDR 1998, 1468, 1469. 100 BGH NJW-RR 2005, 504 f. (zu § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F.); Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 18; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 33. 101 BGH NJW-RR 2005, 504, 505. Dies selbst dann, wenn wie in BGH NJW-RR 2005, 504 die Einziehungsermächtigung nicht durch den ursprünglichen Gläubiger, sondern durch die Sicherungszessionarin erteilt wurde. 102 OLG Köln VersR 1992, 334, 335; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204
330 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner spruch zu verstehen, um dessen Verjährungsunterbrechung es gehe.103 Für die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB ist die Berechtigung des Antragstellers ebenfalls Hemmungsvoraussetzung.104 Ist der Antragsteller bei Stellung des Antrags Nichtberechtigter und erlangt er die Berechtigung beispielsweise im Wege der Abtretung zu einem Zeitpunkt, in dem der Anspruch noch nicht verjährt ist, dann soll eine Hemmung ex nunc eintreten, auch wenn der Erwerb der Berechtigung (hier die Abtretung) nicht offen gelegt wird.105 Damit sind die Anforderungen hier weniger streng als bei der Hemmung durch Klageerhebung, bei welcher nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Gegner wissen müsse, ob der Kläger aus einem eigenen oder einem fremden Recht vorgehe.106 Der BGH hat diese unterschiedliche Behandlung damit begründet, dass die Anforderungen des § 487 ZPO hinter denen des § 73 ZPO und damit auch des § 253 Abs. 2 ZPO zurückbleiben.107
IV. Zusammenfassung Für die Frage der Berechtigung ist gegenwärtig allein die objektive Rechtslage maßgebend. Keine Bedeutung kommt daher dem Umstand zu, ob der Schuldner durch das Vorgehen des als Gläubiger Auftretenden gewarnt wurde. Auch wenn keinem der Beteiligten die Unwirksamkeit der Abtretung bewusst ist, tritt daher Rn. 77; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 21; Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 138. 103 Steineker, Verjährungsunterbrechung durch Streitverkündung, S. 138. 104 BGH NJW-RR 2013, 1169 (Rn. 12); BGH NJW 2009, 2449, 2450 (Rn. 14); BGH NJW 2003, 3196; BGH NJW-RR 2001, 385; BGH NJW 1993, 1916; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 73, Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 46; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 21; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 22; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 485 Rn. 28. 105 BGH NJW 1993, 1916; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 87; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 46; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 22; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 485 Rn. 28. 106 In dem der Entscheidung BGH NJW 1993, 1916 zugrunde liegenden Sachverhalt bestanden zwischen Antragsteller und Antragsgegner keinerlei vertragliche Beziehungen. Die vertraglichen Gewährleistungsansprüche standen vielmehr einem Dritten zu und wurden von diesem erst im Laufe des Beweissicherungsverfahrens an den Kläger abgetreten. Es lag hier also auch nicht wie in BGH NJW 1995, 1675, 1676 ein Fall der Rückabtretung vor. Vgl. hierzu auch Kähler, NJW 2006, 1769, 1773. 107 BGHZ 175, 1, 11 (Rn. 31): Im konkreten Fall ging es um die unterschiedliche Behandlung von selbständigem Beweisverfahren und Streitverkündung, die damit begründet wurde, dass § 73 ZPO im Gegensatz zu § 487 ZPO die Angabe des Grundes verlange. Zwar gälten die strengen Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO für die Streitverkündung nicht. „Ein so wesentlicher Umstand wie das Vorgehen aus abgetretenem Recht muss jedoch deutlich gemacht werden.“
C. Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner
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beispielsweise keine Hemmung ein, wenn der Schuldner vom Scheinzessionar in Anspruch genommen wird. Obwohl von dieser Rechtsverfolgungsmaßnahme eine den Gesetzeszweck des § 204 Abs. 1 BGB erfüllende Warnwirkung ausgeht, kann sich der Schuldner, wenn später die Unwirksamkeit der Abtretung zu Tage tritt, auf Verjährung berufen, wenngleich er sich auf eine Inanspruchnahme eingestellt hat.108 Zudem bestehen zwischen den einzelnen Rechtsverfolgungsmaßnahmen teilweise Unterschiede bezüglich der an die Offenlegung zu stellenden Anforderungen.
C. Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner I. Grundsatz Obwohl weder im Wortlaut des § 204 Abs. 1 BGB noch des § 209 BGB a. F. ausdrücklich gefordert, muss sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme, um die Hemmungswirkung auszulösen, gegen den richtigen Schuldner richten, da ihr andernfalls diesem gegenüber nicht die warnende Wirkung zukomme, die die Hemmung rechtfertige.109 Auch hier gilt eine rein formale Betrachtungsweise.110 Eine Hemmung tritt daher beispielsweise nicht ein, wenn an eine nicht endvertretende Behörde zugestellt wird.111 Wird an den Schuldner eine Rechtsverfolgungsmaßnahme zugestellt, nachdem über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, soll eine Hemmung nicht eintreten, da wegen § 81 Abs. 1 InsO die Zustellung an den Schuldner gegenüber der Masse keine Wirkung habe.112 108
Siehe z. B. OLG Düsseldorf NJW 1994, 2423: Unwirksamkeit der Abtretung einer zahnärztlichen Honorarforderung wegen § 134 BGB. Diese Problematik gesteht auch Althammer, NJW 2011, 2172, 2174 zu. 109 BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 21); BGH NJW 1995, 1675, 1676; BGH NJW-RR 1991, 1033, 1034; BGHZ 104, 268, 273; BGHZ 80, 222, 226; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 18; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3; Palandt/Ellenberger, § 204 Rn. 12. 110 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 12. Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 3 fordert wenigstens eine „aktive Beteiligung“ des Schuldners. Wann eine solche vorliegt, wird nicht gesagt. 111 BGH WM 2004, 1647, 1648: Zustellung des Mahnbescheids an eine nicht endvertretende Behörde hemmt nicht und auch keine Rückwirkung der Unterbrechung nach § 693 Abs. 2 a. F. ZPO durch Zustellung der Anspruchsbegründung, da diese jedenfalls nicht mehr demnächst erfolgt sei. Siehe auch OLG Brandenburg, Urt. v. 06.02.2013, Az. 4 U 50/12, Rn. 40 ff. (zit. n. juris). 112 Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 11; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 81 Rn. 7. Windel, in: Jaeger, InsO, § 81 Rn. 6 begründet die Unwirksamkeit der Zustellung mit der fehlenden Empfangszuständigkeit des Schuldners. Im Anschluss an RGZ 129, 339, 344 ver-
332 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner Bei § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist die Voraussetzung, dass sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner richten muss, zugleich Bestandteil des materiell-rechtlichen Gegenseitigkeitserfordernisses, § 387 BGB.113 Grundsätzlich ist auch hier notwendig, dass der Aufrechnungsgegner Schuldner der Gegenforderung ist.114 Der BGH hat aber auch einer Aufrechnung des Beklagten unterbrechende Wirkung zugesprochen, die sich gegen die von den gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftern geltend gemachte Klageforderung einer GbR richtete, deren Schuldner aber nicht die GbR, sondern nur einer der Gesellschafter war.115 Ob der BGH auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR an dieser Rechtsprechung festhält, ist fraglich, denn nunmehr fehlte es nicht nur an der materiell-rechtlichen Gegenseitigkeit, sondern auch an der formalen Parteistellung des Schuldners.116 Wegen § 406 BGB wird die Forderung des Aufrechnenden gegen den Zedenten gehemmt, wenn die Aufrechnung im Prozess, in dem der Zessionar die abgetretene Forderung geltend macht, diesem gegenüber erklärt wird.117 Das Erfordernis, dass sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den richtigen Schuldner richten muss, bedeutet für § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB, dass der nach § 487 Nr. 1 ZPO zu bezeichnende Antragsgegner materiell-rechtlich der Schuldner des Anspruchs sein muss. Ein Beweissicherungsverfahren gegen Unbekannt, welches unter den Voraussetzungen von § 494 ZPO zulässig ist, hemmt daher nach einhelliger Auffassung die Verjährung mithin nicht.118 Wenn der Auftraggeber nicht wisse, neint auch BGH NJW-RR 2013, 992, 994 (Rn. 21, 26) eine Verjährungshemmung, zur Begründung wird jedoch darauf abgestellt, dass ab Insolvenzeröffnung wegen § 87 InsO nur noch die Anmeldung zur Tabelle taugliches Mittel der Verjährungshemmung sei. Siehe noch unten 9. Kap., C) III. (S. 349). 113 Gleiches gilt für die Berechtigung des Aufrechnenden. Vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 70; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 31. 114 BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 21); Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 70; NK-BGB/Mansel, § 204 Rn. 85; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 18; Tiedtke, BB 1981, 1920, 1921. 115 BGHZ 80, 222, 226 f. Dem folgend Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; a. A. Tiedtke, BB 1981, 1920, 1924; Dilcher, JZ 1983, 825, 831; Koch, Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung, S. 33. 116 Siehe Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 18: Dieser Ausnahme sei mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR der Boden entzogen. 117 BGHZ 176, 128, 132 (Rn. 22); Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 37; SchmidtRäntsch, in: Erman, § 204 Rn. 18; Peters, JR 2009, 110 (Anm. zu BGHZ 176, 128). 118 BGH NJW 1980, 1458; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 46; Niedenführ, in: Soergel, § 204 Rn. 73; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 21; Henrich, in: BeckOK BGB, § 204 Rn. 30; Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 88, die darauf hinweisen, dass bei einem selbständigen Beweisverfahren gegen Unbekannt die Verjährungshemmung
C. Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner
333
welcher von mehreren Auftragnehmern der Schuldner des Gewährleistungsanspruchs sei, müsse er den Antrag mithin gegen alle richten, um die Verjährung zu unterbrechen.119
II. Ausnahmen Die formale Betrachtungsweise hat in einigen Fällen zu Ergebnissen geführt, die als ungemessen empfunden wurden. Die Rechtsprechung hält aber dennoch an dieser fest und greift im Einzelfall zur Korrektur auf § 242 BGB zurück und versagt es dem Schuldner wegen Rechtsmissbräuchlichkeit, sich auf die Verjährung zu berufen.120 In BGH NJW-RR 2011, 1453 ff. hatte der Kläger vor der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der WEG zutreffend die einzelnen Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner auf Werklohnzahlung für Arbeiten am Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen. Nach Inkrafttreten von § 10 Abs. 6 WEG wurde die Klage, da ein Parteiwechsel nicht erfolgte, wegen fehlender Passivlegitimation abgewiesen. Schuldner seien (nun) nicht mehr die Wohnungseigentümer, sondern die Gemeinschaft. Der Kläger musste daher die Wohnungseigentümergemeinschaft in Anspruch nehmen. Wie der Kläger sich gegen die zu erwartende Verjährungseinrede verteidigen soll, entschied der BGH nicht, meinte aber „es liegt nahe, sofern nicht § 206 BGB Anwendung finden könnte, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nach Treu und Glauben daran gehindert ist, sich auf die Verjährung zu berufen.“121 Peters/Jacoby nehmen für diesen Fall eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB an, da dessen Zweck, nämlich dem Schuldner deutlich zu machen, dass der Anspruch verfolgt werden soll, genüge getan sei.122 Schon eher hatte der BGH123 erwogen, für eine Unterbrechung der Verjährung auch eine Klage gegen den falschen Schuldner genügen zu lassen, wenn der richtige Schuldner durch die Rechtsverfolgung hinreichend gewarnt und damit der Sinn und Zweck des § 209 Abs. 1 BGB a. F. erfüllt werde: Die Klägerin vermietete eine Lagerhalle an die H-KG. Später wurde die H-GmbH gegründet, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der H war. H war zugleich persönlich haftender Gesellschafter der H-KG. Da in der Folge nur noch die H-GmbH nach außen auftrat und für die Klägerin der Eindruck entstand, die H-GmbH schon daran scheitert, dass eine Zustellung unterbleibt; Berger, in: Stein/Jonas23, § 486 Rn. 45; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 485 Rn. 28. 119 BGH NJW 1980, 1458. 120 Vgl. BGH NJW 2011, 1453, 1455 (Rn. 19); BGH NJW-RR 1991, 1033, 1034. 121 BGH NJW 2011, 1453, 1455 (Rn. 19). 122 Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 12. 123 NJW-RR 1991, 1033–1035. Siehe auch OLG Düsseldorf OLGZ 1972, 205 ff.
334 8. Kapitel: Rechtsverfolgungsmaßnahme des Berechtigten gegen den Schuldner sei als Mieterin in das Mietverhältnis eingetreten, nahm die Klägerin diese auf Zahlung von Nutzungsentschädigung und Schadensersatz in Anspruch. In der Berufungsinstanz nahm die Klägerin einen Parteiwechsel vor und richtete die Klage nunmehr gegen die H-KG. Diese erhob die Einrede der Verjährung, woraufhin das Berufungsgericht die Klage abwies. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Dabei erwog er zunächst, ob im vorliegenden Sachverhalt an dem Grundsatz, dass eine Klage gegen den falschen Schuldner die Verjährung nicht unterbricht, festgehalten werden kann. Der Rechtsgrund für die Unterbrechungswirkung des § 209 BGB a. F. bestehe darin, „daß der Gläubiger, der die Durchsetzung seines Anspruchs aktiv betreibt, dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, daß dieser sich darauf einrichten muß, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden“.124 Dies zugrunde gelegt, sei vorliegend denkbar, auch eine Klage gegen die H-GmbH für die Unterbrechung gegenüber der H-KG genügen zu lassen, da die KG, weil H sowohl Geschäftsführer der GmbH als auch Komplementär der KG war, von der Absicht der Klägerin, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, Kenntnis gehabt habe und somit hinreichend gewarnt gewesen sei. Somit sei der Rechtsgrund der Regelung des § 209 BGB a. F. erreicht.125 Der BGH hat diese Frage aber im Ergebnis offengelassen und seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Erhebung der Verjährungseinrede nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sei, weil der H durch sein Verhalten die Klägerin dazu gebracht habe, zunächst nicht gegen die H-KG, sondern die H-GmbH vorzugehen und er diese somit von einer rechtzeitigen Klageerhebung gegen die H-KG abgehalten habe.126 Weiterhin hat der BGH – wegen des § 129 Abs. 1 HGB zugrunde liegenden Prinzips der prinzipiellen Übereinstimmung von Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung – erwogen, ob eine Klage gegen den persönlich haftenden Gesellschafter gleichzeitig auch die Verjährung gegenüber der Gesellschaft unterbricht, dies jedoch im Ergebnis ebenfalls offengelassen.127
124
BGH NJW-RR 1991, 1033, 1034 unter Verweis auf BGHZ 80, 222, 226. BGH NJW-RR 1991, 1033, 1034. 126 BGH NJW-RR 1991, 1033, 1034 f., wird näher ausgeführt. 127 BGHZ 104, 76, 81 f. (Klage gegen den Komplementär). Gegen eine Verjährungshemmung auch der Gesellschaftsschuld aus Gründen der Rechtssicherheit K. Schmidt, in: MüKo-HGB4, § 129 Rn. 9; ebenso Hillman, in: E/B/J/S, § 129 Rn. 4; für eine Hemmung wohl Peters/Jacoby, in: Staudinger, Neub. 2014, § 204 Rn. 12. In NJW 2012, 3087, 3088 (Rn. 11) hat der BGH offengelassen, ob eine Streitverkündung an die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät auch gegenüber der Sozietät insgesamt hemmen würde. 125
C. Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen den Schuldner
335
III. Fazit Obwohl der BGH bereits mehrfach eingeräumt hat, dass beim Schuldner eine dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB genügende Warnung auch dann eintreten kann, wenn sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme nicht formal gegen ihn richtet, hält er an der formalen Betrachtungsweise fest und sucht die Lösung im Rahmen des § 242 BGB. Hierdurch wird aber nicht sichergestellt, dass bei Erreichen des Telos des § 204 Abs. 1 BGB auch die Verjährungseinrede des Schuldners ausgeschlossen ist, denn die Bejahung der Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ist nur bei Hinzutreten weiterer Umstände möglich,128 weil die Erhebung der Verjährungseinrede für sich genommen nicht zu missbilligen ist.129 Es kann daher von einer eingetretenen Warnung nicht zugleich darauf geschlossen werden, dass die Berufung auf die Verjährung auch rechtsmissbräuchlich ist.
128
Wie z. B. dass der Schuldner den Gläubiger davon abgehalten hat, den Anspruch rechtzeitig gegen ihn durchzusetzen, Olzen/Looschelders, in: Staudinger, Neub. 2015, § 242 Rn. 552–558; Grothe, in: MüKo-BGB, Vor § 194 Rn. 17. Zu subjektiven Tatbestandsmerkmalen Schubert, in: MüKo-BGB, § 242 Rn. 215 f. 129 Olzen/Looschelders, in: Staudinger, Neub. 2015, § 242 Rn. 545; ausf. dort Rn. 531 ff.
9. Kapitel
Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ A. Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ gemäß dem Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB Die Inhaltsbestimmung der ungeschriebenen Anforderungen des § 204 Abs. 1 BGB, die ein Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner fordern, muss ebenfalls vom Sinn und Zweck dieser Vorschrift her erfolgen. Die für beide Tatbestandsmerkmale geltende formale Betrachtungsweise wird dem jedoch nicht gerecht. Maßgeblich für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB ist daher auch hier, ob beim Schuldner eine Warnung eingetreten ist, sodass sich dieser auf eine Inanspruchnahme über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus einstellen musste. Entgegen der herrschenden Meinung hindert es den Eintritt der Hemmungswirkung daher nicht immer, wenn nicht der materiell Berechtigte vorgeht oder nicht der wirkliche Schuldner in Anspruch genommen wird.
I. Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner als legitime Voraussetzungen der Verjährungshemmung Dass der Berechtigte gegen den Schuldner vorgehen muss, ist im Grundsatz mit der ganz herrschenden Meinung als Voraussetzung der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung anzuerkennen. Es ist notwendig, dass sich die Maßnahme gegen den Schuldner richtet, denn nur dann kann die für § 204 Abs. 1 BGB erforderliche Warnung eintreten, weil sich diese daraus rechtfertigt, dass der Schuldner gemäß der in dieser Vorschrift vorgesehenen Form mit der Geltendmachung des Anspruchs konfrontiert wird. Im Einzelfall kann aber, wie oben gezeigt,1 eine Warnung des wirklichen Schuldners auch bei einem Vorgehen gegen den Nichtschuldner gegeben sein. Dieser Umstand muss bei der Definiti1
8. Kap., C) II. (S. 333) u. III. (S. 335).
338
9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
on der Voraussetzung „Schuldner“ im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden, da nur auf diesem Wege der mit dieser Norm angestrebte Sinn und Zweck verwirklicht werden kann. Zudem ist auf diese Weise eine Lösung innerhalb des Tatbestandes der Norm möglich und der unbefriedigende Rückgriff auf § 242 BGB wird vermieden.2 Nicht so klar auf der Hand liegt die Legitimation des Erfordernisses, dass der Berechtigte die Rechtsverfolgungsmaßnahme einleiten muss, denn der Schuldner wird zunächst jeder gegen ihn gerichteten Rechtsverfolgungsmaßnahme Aufmerksamkeit schenken. Allerdings kann eine für den Eintritt der Verjährungshemmung notwendige Warnung nicht jeder Inanspruchnahme zugeschrieben werden. Die Konfrontation mit dem Anspruch durch einen beliebigen Dritten, den der Schuldner nicht in einen Bezug zum geltend gemachten Anspruch bringen kann, muss diesen nicht veranlassen, sich über die Verjährungszeit hinaus leistungsbereit zu halten. Dass eine solche Rechtsverfolgung die Hemmung nicht auslösen darf, ergibt sich zudem daraus, dass durch die Einleitung der Maßnahme einseitig auf die Verjährung des Anspruchs eingewirkt wird, in dem sich deren Eintritt nach hinten verschiebt. Diese Änderung des Rechtsverhältnisses muss auf Grund der Privatautonomie jedoch grundsätzlich demjenigen vorbehalten bleiben, der Inhaber der Forderung ist.3 Weiterhin spricht nach dem oben Dargestellten einiges dafür, dass das Merkmal „Berechtigter“ im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens versehentlich aus dem Normtext verschwunden ist.4 Auch am Merkmal des Berechtigten ist daher festzuhalten, es ist aber ebenfalls inhaltlich neu zu bestimmen.5
II. Warnung des Schuldners als maßgebender Gesichtspunkt für die Definition 1. Warnung des Schuldners als maßgebendes Kriterium für beide Tatbestandsmerkmale Das dem § 204 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Prinzip ist die Warnung des Schuldners.6 Dieses muss daher auch für die Bestimmung der Tatbestandsmerkmale „Berechtigter“ und „Schuldner“ maßgebend sein. Diese Voraussetzungen, die über den Wortlaut der Norm hinaus für den Einritt der Hemmung zu fordern 2
Zur Neubestimmung des Merkmals „Schuldner“ unten 9. Kap., C) I. (S. 345). Berger, LM H. 8/1999 § 209 BGB Nr. 90, unter 1.: Die Änderung könne nur ein am Rechtsverhältnis „Beteiligter“, nicht ein vollkommen außenstehender Dritter herbeiführen. 4 Siehe oben 8. Kap., B) I. (S. 317). 5 Zur Neubestimmung des Merkmals „Berechtigter“ unten 9. Kap., B) I. (S. 340). 6 Siehe oben 6. Kap., C) I. 3. a) (S. 255). 3
A. Auslegung der Tatbestandsmerkmale gemäß Sinn und Zweck
339
sind, sind solche des materiellen Rechts, sodass deren Bestimmung auch in dessen Rahmen erfolgen muss.7 Ob der Gläubiger tatsächlich der Berechtigte im Sinne der ganz herrschenden Meinung ist, lässt sich aber nicht anhand der Rechtsverfolgungsmaßnahme ermitteln, sondern kann allenfalls durch ein später ergehendes Sachurteil, einen Vollstreckungsbescheid oder einen Schiedsspruch zwischen den Parteien für die Zukunft verbindlich festgestellt werden. Die Rechtsfrage, ob der Gläubiger objektiv materiell-rechtlich Berechtigter war und/oder zurecht als Prozessstandschafter vorgegangen ist, ist daher ebenso wenig ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Frage der Warnung wie der verfahrensrechtliche Beurteilungsmaßstab zur Bewertung der Rechtsverfolgungsmaßnahme, da es für die Warnung auch hier auf die tatsächliche Änderung im Vorstellungsbild des Schuldners ankommt.8 2. Vorteile der Orientierung am Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB Durch die Ausrichtung der Tatbestandsmerkmale Berechtigter und Schuldner am Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 BGB wird – im Gegensatz zur bisherigen Handhabung – sichergestellt, dass Hemmung in den Fällen eintritt, in denen eine Warnung des Schuldners tatsächlich erreicht wurde. Hiermit wird gewährleistet, dass der Normbefehl in den vom Gesetzgeber vorgesehenen Fällen eintritt und das Telos der Norm zur Geltung gebracht wird. Demgegenüber ist der Eintritt der Rechtsfolge zu verneinen, wenn der Schuldner nicht gewarnt sein musste. Weiterhin können die an die Offenlegung zu stellenden Anforderungen, die nach gegenwärtiger Handhabung teilweise divergieren, weitestgehend vereinheitlicht werden, wodurch die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesteigert wird. Schließlich ermöglicht es die Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale, die Frage nach dem Eintritt der Rechtsfolge im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB zu beantworten, sodass eine Korrektur des Ergebnisses unter Rückgriff auf § 242 BGB nicht notwendig ist. Hierdurch wird wiederum die Rechtssicherheit gesteigert, denn die Frage, ob die Berufung auf die Verjährung im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt, ist für den Rechtsanwender mit einem immensen Prognoserisiko verbunden.
7 Jedenfalls insoweit a. A. Berger, LM H. 8/1999 § 209 BGB Nr. 90, unter 2. d), der für die Berechtigung auf die Prozessführungsbefugnis abstellen will. 8 Siehe schon oben 6. Kap., B) I. 1. (S. 234).
340
9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
B. Vorgehen durch den Berechtigten I. Neubestimmung des Tatbestandsmerkmals „Berechtigter“ Verjährungshemmung tritt ein, wenn das Vorgehen des Anspruchstellers aus Sicht des Schuldners analog §§ 133, 157 BGB als Warnung zu verstehen ist, welche diesen dazu veranlassen muss, sich auf die Inanspruchnahme mit dieser Forderung einzurichten. Es ist daher im Ausgangspunkt jeder Berechtigter, von dessen Rechtsverfolgung eine Warnung für den Schuldner ausgeht oder ausgehen musste. Nach dem soeben Gesagten, kann dies aber nicht jeder beliebige Dritte sein.9 Notwendig ist, dass der Anspruchssteller einen Bezug zur geltend gemachten Forderung aufweist und dieser Bezug für den Schuldner auch erkennbar ist. Die Verbindung des Anspruchstellers zur Forderung liegt auf der Hand, wenn der Schuldner von seinem ursprünglichen Gläubiger in Anspruch genommen wird, da er diesen jedenfalls dann zur Durchsetzung der Forderung berechtigt halten muss, wenn ihm eine Übertragung des Anspruchs nicht angezeigt wurde (§ 409 Abs. 1 BGB).10 1. Inanspruchnahme durch den ursprünglichen Gläubiger Geht der ursprüngliche Gläubiger gegen den Schuldner vor, ist dieser daher grundsätzlich als Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB anzusehen, und zwar ohne dass es auf seine materielle Berechtigung ankommt. Hat der ursprüngliche Gläubiger jedoch seine Forderungsinhaberschaft verloren, gilt dies nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass objektiv ein Sachverhalt gegeben ist, der ihn legitimiert, den Anspruch weiterhin geltend zu machen. Wurde dem Schuldner die Abtretung nicht angezeigt, ist dies für die Erreichung der Warnung zwar nicht erforderlich, denn dieser hat keinen Grund an der Gläubigerstellung zu zweifeln. Die Einschränkung ist jedoch geboten, weil andernfalls der ehemalige Gläubiger Einfluss auf das Rechtsverhältnis zwischen Zessionar und Schuldner nehmen könnte, obwohl er keinen Bezug mehr zum Anspruch hat, was mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar ist. Der ursprüngliche Gläubiger ist dann zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt, Anders Kähler, NJW 2006, 1769, 1772, der wohl die Behauptung einer Berechtigung genügen lassen will. Großzügiger auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 319 f., 421 ff., da die Gefahr einer schikanösen Einmischung Dritter weit geringer sei „als die Gefahr, dass ernstgemeinte Unterbrechungshandlungen, auf die er [der Gläubiger] vertraute, sich später als unwirksam erweisen.“ Jedenfalls dann, wenn der Irrtum über die Berechtigung nicht grob fahrlässig ist, solle daher analog § 212 BGB a. F. eine Nachfrist gewährt oder eine Genehmigung zugelassen werden, siehe schon oben 8. Kap., Fn. 17 (S. 317). 10 Vgl. Berger, LM H. 8/1999 § 209 BGB Nr. 90, unter 2. a). 9
B. Vorgehen durch den Berechtigten
341
wenn er aufgrund einer Einziehungs- und/oder Prozessführungsermächtigung tätig wird. Es genügt für die Berechtigung, wenn objektiv ein Sachverhalt vorliegt, aus dem sich ergibt, dass der Zessionar dem Zedenten diese Befugnisse einräumen wollte. Darauf, ob die Erteilung der Einziehungs- und/oder der Prozessführungsermächtigung wirksam erfolgt ist, oder die Prozessstandschaft insgesamt zulässig war, kommt es dabei nicht an. Es genügt, dass nach dem Willen der Parteien der anfängliche Gläubiger weiter gegen den Schuldner vorgehen sollte. Dass der anfängliche Gläubiger nicht mehr Forderungsinhaber ist, muss im Verfahren nicht offen gelegt werden und sich auch nicht aus den Umständen ergeben, denn der Schuldner sieht sich mit der Person konfrontiert, für die der Anspruch entstanden ist, und deren Vorgehen er grundsätzlich als Warnung verstehen muss. 2. Inanspruchnahme durch einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger Ist der Anspruchsteller hingegen nicht der ursprüngliche Gläubiger, kann er nur dann als Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn für den Anspruchsgegner Klarheit darüber besteht, wessen Anspruch eingefordert wird und weshalb der Anspruchsteller den Anspruch im eigenen Namen geltend machen darf, denn nur dann muss der Schuldner das Vorgehen eines ihm bisher unbekannten Dritten als Warnung verstehen. Der Schuldner muss sich mithin einen Sachverhalt vorstellen, aus welchem sich ergibt, dass der Anspruchsteller aus abgetretenem Recht vorgeht oder diesem durch den anfänglichen Gläubiger eine Einziehungs- oder Prozessführungsermächtigung oder beides erteilt wurde. Auch hier genügt es, wenn ein Lebenssachverhalt gegeben ist, nach welchem der ursprüngliche Gläubiger dem Anspruchssteller diese Befugnisse einräumen wollte. Ausreichend ist somit beispielsweise der äußere Rahmen einer Abtretung. Ob die Legitimation rechtlich wirksam eingeräumt wurde, spielt für die Frage der Berechtigung keine Rolle, denn der Schuldner muss die Konfrontation mit einem Anspruch durch einen Dritten, der eine der beschriebenen Berechtigungen für sich in Anspruch nimmt und dies auf einen Lebenssachverhalt stützen kann, als Warnung verstehen. Er ist dann gehalten, sich auf eine Inanspruchnahme einzustellen. Auch kommt es nicht darauf an, ob die rechtliche Einordnung der behaupteten Berechtigung zutrifft. Es ist daher unerheblich, wenn der Anspruchsteller vorträgt, ihm sei die Forderung abgetreten worden, tatsächlich aber eine Einziehungsermächtigung erteilt worden ist.11 Geht nicht der anfängliche Gläubiger gegen den Schuldner vor, kommt dem Vortrag zum zugrunde liegenden Lebenssachverhalt für den Hemmungseintritt 11
Dies entspricht der herrschenden Meinung: BGH NJW 1999, 3707, 3708; BGH NJWRR 2005, 504, 505.
342
9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
somit wesentliche Bedeutung zu. Zwar ist nicht notwendig, dass der Anspruchsteller in der Rechtsverfolgungsmaßnahme ausdrücklich offengelegt, wessen Recht er auf welcher Grundlage geltend macht, denn es genügt auch hier, wenn dies dem Schuldner aufgrund aller ihm bekannten Umstände klar wird.12 Die Auslegung der Maßnahme analog §§ 133, 157 BGB muss jedoch nicht nur ergeben, wessen Recht geltend gemacht wird, sondern auch, warum der Anspruchssteller meint, diesen Anspruch im eigenen Namen geltend machen zu dürfen.13 Letzteres ist Voraussetzung dafür, dass für den Schuldner der Bezug des Anspruchsstellers zum Anspruch deutlich wird, was wiederum für die Warnung erforderlich ist. Der Anspruchsteller und der Gläubiger tragen daher das Auslegungsrisiko, wenn nicht ausreichend Lebenssachverhalt vorgetragen wird. Wurde die Abtretung dem Schuldner nach § 409 Abs. 1 BGB angezeigt und macht dennoch der anfängliche Gläubiger den Anspruch geltend, ist dies mit der soeben beschriebenen Inanspruchnahme durch einen Dritten vergleichbar, sodass für den Schuldner klar werden muss, weshalb der ursprüngliche Gläubiger noch zur Geltendmachung des Anspruchs befugt ist. 3. Definition Gemessen daran ist Berechtigter, wer Anspruchsinhaber ist oder sein Vorgehen gegen den Schuldner auf einen Lebenssachverhalt stützen kann, aus welchem sich ergibt, dass ihm der Anspruchsinhaber eine Berechtigung zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen einräumen wollte. Ist der Antragsteller nicht der ursprüngliche Gläubiger oder ging der Inanspruchnahme durch den ursprünglichen Gläubiger eine Abtretungsanzeige (§ 409 Abs. 1 BGB) voraus, muss dieser Lebenssachverhalt für den Schuldner deutlich werden, wofür es genügt, dass er für diesen analog §§ 133, 157 BGB erkennbar ist. Geht der anfängliche Gläubiger gegen den Schuldner vor, ist eine solche Offenlegung hingegen nicht notwendig. Mit der vorstehenden Definition wird zunächst dem Einwand begegnet, dass bei Aufgabe des Kriteriums der materiellen Berechtigung die Hemmung durch jeden beliebigen Dritten möglich sei.14 Soweit angeführt wird, dass auf die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis nicht verzichtet werden könne, weil diese ein begrenzendes Parameter zu § 213 BGB darstelle,15 veranlasst dies ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar führt § 213 BGB zu einer 12
Siehe BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 34 f.); BGH NJW-RR 2002, 20, 22 und oben 8. Kap., B) II. 4. (S. 327). 13 Nicht eindeutig Kähler, NJW 2006, 1769, 1772. 14 So Althammer, NJW 2011, 2172, 2174. 15 Althammer, NJW 2011, 2172, 2174. Siehe schon oben 8. Kap., Fn. 21 (S. 317).
B. Vorgehen durch den Berechtigten
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Hemmung über den Streitgegenstand hinaus, der Umfang der Hemmung nach § 213 BGB lässt sich jedoch anhand des Streitgegenstandes bestimmen, weil nur solche Ansprüche gehemmt werden, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an dessen Stelle gegeben sind. Der Umfang der Hemmung ergibt sich wegen § 213 BGB zwar nicht mehr vollständig aus der Klageschrift, er kann aber anhand dieser ermittelt werden. Weil nur solche Ansprüche erfasst werden, die im Kern auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet sind,16 ist eine hinreichende Warnung des Schuldners auch im Hinblick auf diese Ansprüche gegeben.17
II. Anwendung der Definition auf Einzelfälle Es ist mithin nach dem Vorstehenden danach zu differenzieren, ob Anspruchsteller der ursprüngliche Gläubiger oder ein Dritter ist. Für den praktisch wichtigen Fall einer stillen Sicherungszession tritt, weil der ursprüngliche Gläubiger vorgeht, daher Hemmung ein, ohne dass es einer Offenlegung der Abtretung bedarf und ohne dass die Einziehungs- und Prozessführungsermächtigung wirksam erteilt sein muss. In Letzterem besteht ein Unterschied zur gegenwärtigen Handhabung, wobei Fälle unwirksamer Ermächtigungen aus der Rechtsprechung nicht ersichtlich sind. Bei der offenen Sicherungszession muss der Zedent angeben, warum er den Anspruch im eigenen Namen geltend machen darf. Das Vorliegen einer Prozessführungsermächtigung wird dabei regelmäßig schon dadurch deutlich werden, dass er Leistung an den Zessionar verlangt. Begehrt er Leistung an sich, muss dem Schuldner der Grund hierfür klar sein, der in einer ebenfalls erteilten Einziehungsermächtigung oder einer Rückabtretung liegen kann. Klagt der Zessionar, muss sich die Abtretung wenigstens aus den Umständen ergeben. Grund hierfür ist nicht der im Vergleich zum Vorgehen aus eigenem Recht unterschiedliche Streitgegenstand,18 sondern dass andernfalls seinem Vorgehen keine Warnwirkung zukommt. Ob die Abtretung, zum Beispiel wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB unwirksam war, ist unerheblich.19 Gleiches gilt für die Einziehungs- und/oder Prozessführungsermächtigung beim Vorgehen eines vom ursprünglichen Gläubiger verschiedenen Prozessstandschafters, solange die Einräumung dieser Befugnisse gewollt war und sich aus den Umständen ergibt, wessen Rechte geltend gemacht werden sollen. BGH NJW 2018, 387, 387 f. (Rn. 18 ff.); Grothe, in: MüKo-BGB, § 213 Rn. 3; Henrich, in: BeckOK BGB, § 213 Rn. 2; Roth, in: Stein/Jonas23, § 262 Rn. 9a. 17 BT-Drucks. 14/6040, S. 121; Grothe, in: MüKo-BGB, § 204 Rn. 1. 18 So aber die h. M., vgl. BGH NVwZ 2011, 1150, 1152 (Rn. 36). 19 Anders die h. M., siehe z. B. OLG Düsseldorf NJW 1994, 2423, 2424. 16
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9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
Besteht zwischen den Parteien Streit über die Wirksamkeit der Abtretung, weil der Zedent beispielsweise fehlende Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrages einwendet, können nach den oben dargestellten Grundsätzen beide den Anspruch mit hemmender Wirkung geltend machen. Der Zessionar kann sich auf einen objektiven Sachverhalt berufen, nach welchem ihm die Forderungsinhaberschaft eingeräumt werden sollte. Aber auch der Zedent steht noch in einem hinreichenden Bezug zur Forderung, denn er ist möglicherweise noch Inhaber des Anspruchs. In dieser Konstellation muss dem Schuldner jedoch der Streit um die Wirksamkeit der Abtretung bekannt sein. In beiden Fällen wird der Schuldner gewarnt und es ist ihm zumutbar, die Beweise weiterhin aufzubewahren und sich wirtschaftlich auf die Inanspruchnahme einzustellen. Fehlt dem Forderungsinhaber die materiell-rechtliche Verfügungsmacht, hat sein Vorgehen keine hemmende Wirkung, denn er hat insoweit nicht (mehr) den notwendigen Bezug zur Forderung. Anders ist dies nur, wenn ihm ausnahmsweise eine Erhaltungskompetenz zukommt (z. B. § 744 Abs. 2 BGB, Vollstreckungsschuldner nach Überweisung der Forderung zur Einziehung). Macht der Erbe den Anspruch geltend, müssen seine Erbenstellung und deren Grund (z. B. gesetzlicher oder testamentarischer Erbe) deutlich werden. Ob er tatsächlich Erbe geworden ist, ist unerheblich. Unterliegen die Parteien einem gemeinschaftlichen Irrtum über die Gläubigerstellung, tritt Hemmung ebenfalls ein, denn der Schuldner wird von demjenigen in Anspruch genommen, den er für den Gläubiger hält und mithin gewarnt. Der notwendige Bezug des Scheingläubigers zum Anspruch wird über die in diesen Fällen bestehende Identität der handelnden Personen sichergestellt. So zum Beispiel, wenn der Anspruch nicht der klagenden GmbH, sondern dem Geschäftsführer persönlich zusteht. Geht nicht der anfängliche Gläubiger vor, sind die hier geforderten Angaben zugleich Bestandteil des Individualisierungserfordernisses, denn aus welchem Lebenssachverhalt der Anspruchsteller den Anspruch herleitet, wird der Schuldner in diesen Fällen nur bestimmen können, wenn der Anspruchsteller Informationen dazu mitteilt, weshalb er den für einen anderen entstandenen Anspruch geltend machen darf.20
III. Verlauf und Ausgang des Verfahrens In den Fällen, in denen nach den vorstehenden Ausführungen eine Verjährungshemmung trotz fehlender materieller Berechtigung des Anspruchstellers 20 Vgl. auch Kähler, NJW 2006, 1769, 1772; Reinthaler, Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid, S. 176 f. u. LG Berlin, Urt. v. 26.02.2014, Az. 10 O 173/13, Rn. 31, 35 (zit. n. juris, wobei es entgegen Rn. 35 nicht darauf ankommt, ob der Schuldner prüfen kann, „ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht“).
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möglich ist, kann dessen Rechtsverfolgung in der Sache freilich keinen Erfolg haben, wenn sich während des Verfahrens die fehlende Aktivlegitimation herausstellt. Der wirkliche Gläubiger kann sich jedoch die eingetretene Verjährungshemmung zu Nutze machen, indem er, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen,21 durch Klägerwechsel den Prozess übernimmt oder er dem Kläger die materielle Berechtigung verschafft22. In beiden Fällen kann sich der Beklagte nicht erfolgreich auf Verjährung berufen, denn die Klage hat von Anfang an gehemmt.
C. Vorgehen gegen den Schuldner I. Neubestimmung des Tatbestandsmerkmals Richtet sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme gegen einen anderen als den tatsächlichen Schuldner, kann eine Warnung im Hinblick auf diesen nur im Ausnahmefall angenommen werden.23 Grund hierfür ist, dass die von § 204 Abs. 1 BGB ausgehende Warnwirkung ganz wesentlich daraus resultiert, dass sich der Schuldner aufgrund der Maßnahme in der formalen Stellung eines Beklagten oder eines Antragsgegners wiederfindet oder wenigstens in Person mit der Forderung konfrontiert wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 10 BGB).24 Seine Parteistellung im Verfahren ist für die Warnung und damit für den Eintritt der Hemmung somit grundsätzlich konstitutiv. Belangt der Gläubiger daher einen anderen, muss der richtige Schuldner dies grundsätzlich nicht als Warnung verstehen, denn das Vorgehen richtet sich nicht gegen ihn.25 Zur Recht hat der BGH daher entschieden, dass eine Unterbrechung analog § 209 BGB a. F. von vornherein ausscheidet, wenn der wirkliche Schuldner am Verfahren überhaupt nicht beteiligt ist.26 Für die Bejahung einer Warnung im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB und einer Hemmungserstreckung auf den wirklichen Schuldner genügt es daher nicht, wenn dieser von der Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme Kenntnis erlangt. Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolge auch gegenüber dem echten Schuldner ist daher, dass dieser, ohne Partei zu sein, ähnlich wie diese in die Förmlichkeit dieses Verfahrens eingebunden ist, denn nur dann Hierzu Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 263 Rn. 70 ff. Kähler, NJW 2006, 1769, 1772. 23 Vgl. auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 321, 430. 24 M. Wolf, FS Schumann, 2001, S. 579, 582. 25 BGH WM 1988, 1030, 1031. Vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BGH NJW 1980, 1458 f. 26 BGH WM 1988, 1030, 1031. 21
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9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
kann die die Warnung begründende Verfahrensförmlichkeit27 auch ihm gegenüber bejaht werden. Wegen der engen Verbindung, die zwischen dem als Schuldner Inanspruchgenommenen und dem tatsächlich Verpflichteten bestehen muss, kommen hier vornehmlich Konstellationen in Betracht, in denen der gesetzliche Vertreter schuldet, sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme aber gegen die Gesellschaft richtet sowie die umgekehrte Variante, in der diese schuldet, aber der Vertreter in Anspruch genommen wird. Zudem ist an Fälle zu denken, in denen der Inanspruchgenommene und der wirkliche Schuldner den gleichen gesetzlichen Vertreter haben oder die verantwortlichen Personen anderweitig identisch sind. Allein das Eingebundensein in das förmliche Verfahren eines anderen genügt für die Hemmungserstreckung aber noch nicht, denn mit diesem Erfordernis wird nur kompensiert, dass der echte Schuldner nicht formal Beklagter oder Antragsgegner ist. Hinzukommen muss, dass der wirkliche Schuldner der Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB entnehmen kann, dass diese sich eigentlich gegen ihn richten würde, wenn sich der Gläubiger über die Person des Schuldners nicht im Irrtum befinden würde. Dem tatsächlichen Schuldner muss aus allen ihm bekannten Umständen deutlich werden, dass mit der Maßnahme nicht der Inanspruchgenommene, sondern in Wirklichkeit er gemeint ist. Einschränkend ist zudem zu fordern, dass es aufgrund der zwischen dem tatsächlich Verpflichteten und dem Gläubiger bestehenden Beziehungen einen anerkennenswerten Grund für die Falschbestimmung des Schuldners gab und der tatsächliche Schuldner dies erkennen konnte.28 Letzteres kann anzunehmen sein, wenn der wahre Schuldner selbst beim Handeln nach außen nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Rechtssubjekten differenziert. Das kann der Fall sein, wenn seine Angestellten für beide Unternehmen handeln, die gleichen Geschäftsräume bestehen oder gar die Telekommunikationsdaten identisch sind. Schuldner im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB ist daher nicht nur der materiellrechtlich Verpflichtete, sondern auch derjenige, der ebenso wie der Inanspruchgenommene in das gegen diesen gerichtete Verfahren eingebunden ist und der den aus dem Verhältnis der Parteien begründbaren Irrtum des Gläubigers über die Person des Schuldners erkennen musste (Hemmungserstreckung). Unter diesen Voraussetzungen ist der tatsächliche Schuldner auch gehalten, da er ohnehin in den meisten der in Betracht kommenden Anwendungsfälle für die Beweissicherung und -aufbewahrung beim Inanspruchgenommenen zuständig ist, 27
Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 112; BGH WM 1988, 1030, 1031; BGH NJW 1980, 1458 f. Auf einen entschuldbaren Irrtum des Gläubigers stellt auch Spiro, Begrenzung privater Rechte, S. 449 ff. ab. 28
C. Vorgehen gegen den Schuldner
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die ihm selbst zur Verfügung stehenden Beweise zu konservieren und auch seine wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend auszurichten. Trotz dessen, dass es sich beim Inanspruchgenommenen und dem wirklichen Schuldner um unterschiedliche Rechtssubjekte handelt und damit unterschiedliche Vermögensmassen betroffen sind,29 muss sich letzterer veranlasst sehen, gerade auch für sein Vermögen die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
II. Anwendungsfälle einer Hemmungserstreckung Problematisch sind die Fälle, in denen tatsächlich der falsche Schuldner verklagt wurde und nicht bloß eine Falschbezeichnung vorliegt, die mit einer Parteiberichtigung korrigiert werden kann.30 Für die der Entscheidung BGHZ 104, 76, 81 f. zugrunde liegende Konstellation, für welche der BGH erwogen hatte, der Klage gegen den persönlich haftenden Gesellschafter auch hinsichtlich der Gesellschaftsschuld hemmende Wirkung zuzusprechen,31 ist gemessen an den vorstehend genannten Grundsätzen eine Hemmung zu verneinen, wenn der Gläubiger bei Kenntnis der relevanten Umstände von vornherein nur den akzessorisch haftenden Gesellschafter und nicht zugleich die Gesellschaft verklagen wollte und sich somit bewusst dafür entschieden hatte, diese Vermögensmasse nicht in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsverfolgung würde sich in diesem Fall nur gegen den Gesellschafter, nicht auch gegen die Gesellschaft richten. Damit tritt hinsichtlich der Gesellschaftsschuld Verjährung ein, mit der Folge, dass die nicht in Anspruch genommenen Gesellschafter sich nach § 129 Abs. 1 HGB auf Verjährung berufen können.32 Anders kann dies sein, wenn der Gläubiger versehentlich den Falschen in Anspruch nimmt. Hält der Gläubiger eine bestimmte Gesellschaft für seine Schuldnerin und geht gegen diese vor, Schuldnerin ist in Wirklichkeit aber eine andere Gesellschaft mit ähnlicher Firma, aber anderer Rechtsform und bestehen Überschneidung hinsichtlich der verantwortlichen Personen, kann eine Hemmungserstreckung in Betracht kommen, wenn die Klage gegen den Falschen aufgrund der Umstände, wie beispielsweise in dem der Entscheidung BGH NJW-RR 1991, 1033 ff.33 zugrunde liegenden Sachverhalt, nachvollziehbar ist: Abgeschlossen war der Mietvertrag mit der H-KG, später trat nur noch die da29 Hierauf stellt wesentlich Tiedtke, BB 1981, 1920, 1924 ab: Durch die Erhebung der Gesamthandsklage werde nicht zum Ausdruck gebracht, dass auch der Gesellschafter persönlich in Anspruch genommen werden solle. 30 Zur Parteiberichtigung Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 253 Rn. 180–182. 31 Hierzu oben 8. Kap., Fn. 127 (S. 334). 32 Vgl. K. Schmidt, in: MüKo-HGB4, § 129 Rn. 9; Hillman, in: E/B/J/S, § 129 Rn. 4. 33 Hierzu schon oben 8. Kap., C) II. (S. 333). Siehe auch OLG Düsseldorf OLGZ 1972,
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9. Kapitel: Neubestimmung der Tatbestandsmerkmale
nach gegründete H-GmbH nach außen auf, sodass der Vermieter davon ausging diese sei Mieterin und verklagte diese. Für den Geschäftsführer der in Anspruch genommenen GmbH, der zugleich Komplementär der H-KG war, war somit ersichtlich, dass die Klägerin ihre Mieterin in Anspruch nehmen will. Er wäre daher gehalten gewesen, auch hinsichtlich der H-KG die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. In BGH NJW 2011, 1453 ff.34 hatte die Werkunternehmerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Werklohn für Arbeiten am Gemeinschaftseigentum erhalten wolle. Diese Warnung trifft die aus den verklagten Wohnungseigentümern bestehende WEG ebenso wie die Eigentümer selbst. Die Kenntnis von der Rechtsverfolgung ist insoweit nicht teilbar.35 Dass die WEG ein von den Eigentümern verschiedenes Rechtssubjekt ist und damit unterschiedliche Vermögensmassen betroffen sind, kann dem nicht entgegengehalten werden, denn auch vor Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit hatte der Verwalter diese Verbindlichkeiten mit den gemeinschaftlichen Geldern zu erfüllen.36 Als weiteres Beispiel sei noch der folgende Sachverhalt angeführt:37 Die Klägerin verlangte restlichen Werklohn von der S-Real-Estate-GmbH. Ihre Vertragspartnerin war jedoch die S-Projektentwicklung-GmbH. Die Klägerin ging gegen die S-Real-Estate-GmbH vor, weil sie diese für die Rechtsnachfolgerin der S-Projektentwicklung-GmbH hielt. Tatsächlich existierten aber beide Gesellschaften, sie hatten den gleichen Geschäftsführer und die gleiche Anschrift. Eine Hemmungserstreckung auch auf die S-Projektentwicklung-GmbH wäre hier gerechtfertigt, wenn die Klägerin vor Ablauf der Verjährung mitgeteilt hätte, dass sie die S-Real-Estate-GmbH in Anspruch nimmt, weil sie diese für die Rechtsnachfolgerin hält und Umstände vorlagen, die diese Annahme plausibel erscheinen lassen, wie zum Beispiel, dass die S-Real-Estate-GmbH mit der Durchführung des Vertrages beauftragt war. Dann hätte, weil sie den gleichen Geschäftsführer hat, auch für die S-Projektentwicklung-GmbH festgestanden, dass die Klägerin letztlich von ihr als ihrer wirklichen Schuldnerin den Restwerklohn erlangen will. Sie hätte die Rechtsverfolgung gegen die S-Real-Estate-GmbH als eine solche gegen sich selbst verstehen müssen, sodass der mit § 204 Abs. 1 BGB verfolgte Zweck ebenfalls erreicht worden wäre. Eine positive Sachentscheidung kann der Gläubiger, der gegen den falschen Schuldner vorgeht, wegen der fehlenden Passivlegitimation freilich nicht erlan205: Mieterin war die S-GmbH, nach außen trat aber die Einzelfirma S auf, die von der S-GmbH lediglich durch den fehlenden GmbH-Zusatz unterschieden werden konnte. 34 Hierzu schon oben 8. Kap., C) II. (S. 333). 35 Vgl. Tiedtke, BB 1981, 1920, 1923. 36 Vgl. BGHZ 163, 154, 164 f. 37 BGH NJW-RR 2013, 394.
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gen. Er hat jedoch die Möglichkeit, den Beklagten auszuwechseln38 oder die Klage zurückzunehmen und eine neue Klage gegen den wirklichen Schuldner zu erheben. Weil schon die Klage gegen den Nichtschuldner gehemmt hat, kann der nunmehr verklagte tatsächliche Schuldner nicht erfolgreich Verjährung einwenden.
III. Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geht der Insolvenzgläubiger gegen einen Schuldner vor, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, richtet sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme zwar nicht gegen den falschen Schuldner, allerdings können nach § 87 InsO die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur noch nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dem Schuldner fehlt die passive Prozessführungsbefugnis.39 Hier gilt Folgendes: Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist der der Einleitung der Rechtsverfolgungsmaßnahme.40 Wenn zu diesem Zeitpunkt das Verfahren noch nicht eröffnet ist, führt die Zustellung an den Schuldner zur Hemmung der Verjährung, auch wenn nach Einreichung aber vor Zustellung das Verfahren eröffnet wird.41 War das Verfahren vor der Einreichung eröffnet, muss an den Verwalter zugestellt werden.42 Die Zustellung an den Schuldner wird analog § 189 ZPO wirksam, wenn das Dokument dem Verwalter tatsächlich zugegangen ist. Erfolgt diese Heilung demnächst im Sinne des § 167 ZPO, tritt hierdurch Hemmung ein. Eine Beschränkung auf die Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB besteht auch nach Eröffnung des Insolvenz verfahrens nicht.43
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Vgl. BGH NJW-RR 1991, 1933 f. Zu den Voraussetzungen des Beklagtenwechsels Becker-Eberhard, in: MüKo-ZPO, § 263 Rn. 77 ff. 39 BGH NJW-RR 2013, 992, 994 (Rn. 21). 40 Siehe oben 8. Kap., A) II. 2. (S. 316). 41 A. A. BGH NJW-RR 2013, 992, 994 (Rn. 26); RGZ 129, 339, 344; Olzen, in: Wieczorek/Schütze, § 693 Rn. 11; Schmidt-Räntsch, in: Erman, § 204 Rn. 14; Grothe, in: MüKoBGB, § 204 Rn. 34. Siehe schon oben 7. Kap., C) I. 3. (S. 285). 42 Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 81 Rn. 7; Windel, in: Jaeger, InsO, § 81 Rn. 6. Siehe zudem oben 8. Kap., Fn. 112 (S. 331). 43 A. A. die allg. Meinung, vgl. BGH NJW-RR 2013, 992, 994 (Rn. 20 f., 26). Siehe schon oben 7. Kap., C) I. 3. (S. 285).
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Alle Hemmungstatbestände des § 204 Abs. 1 BGB beruhen auf dem Gesichtspunkt der Warnung des Schuldners, nicht hingegen auf der Rechtshängigkeit oder der gerichtlichen Feststellung des Anspruchs (6. Kap., B) I., S. 234; 6. Kap., C) I. 3., S. 255). Wird der Schuldner mit einer der in § 204 Abs. 1 BGB genannten Rechtsverfolgungsmaßnahmen konfrontiert, ist es ihm zuzumuten, sich über die ursprüngliche Verjährungszeit hinaus auf eine Inanspruchnahme einzustellen. Die Verjährungszwecke (3. Kap., B), S. 50) verlieren in diesem Fall an Bedeutung und es ist gerechtfertigt, das Interesse des Gläubigers, die Durchsetzbarkeit seines Anspruchs zu erhalten, höher zu gewichten als das Interesse des Schuldners, sich durch Erhebung der Verjährungseinrede ohne Einlassung auf die Sache verteidigen zu können (3. Kap., C) II. 2., S. 100). Maßgebliches Kriterium für den Eintritt der Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung gemäß § 204 Abs. 1 BGB ist daher, ob der Schuldner durch die Rechtsverfolgungsmaßnahme gewarnt wurde oder gewarnt sein musste (6. Kap., B) I., S. 234). Ob eine Warnung des Schuldners zu bejahen ist, hängt dabei, entgegen der bisherigen Handhabung (4. Kap., C), S. 136; 5. Kap., A), S. 143), nicht von der verfahrensrechtlichen Beurteilung der Maßnahme ab, sondern bemisst sich allein danach, ob (1) die Auslegung der Rechtsverfolgungsmaßnahme analog §§ 133, 157 BGB erkennen lässt, dass der Gläubiger mit dieser sein Recht durchsetzen wollte, und ob (2) der Schuldner, ebenfalls analog §§ 133, 157 BGB, erkennen kann, welcher Anspruch konkret geltend gemacht wird (Individualisierung). Es kann daher genügen, dass der äußeren Form nach eine Rechtsverfolgungsmaßnahme bzw. ein Kundgabetatbestand im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB vorliegen, wenn diese geeignet sind, den Sinn und Zweck der Norm zu verwirklichen. Leidet die Rechtsverfolgungsmaßnahme an einem verfahrensrechtlichen Fehler, tritt die Hemmungswirkung mithin nur dann nicht ein, wenn dieser dazu führt, dass der Maßnahme der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers nicht mehr entnommen werden kann oder nicht deutlich wird, welcher Anspruch begehrt wird (6. Kap., B) II., S. 238). II. Für die Frage der Erkennbarkeit des Rechtsdurchsetzungswillens und der Individualisierung ist die später kundgegebene Rechtsverfolgungsmaßnahme so, wie diese am letzten Tag der Frist vorgelegen hat, maßgeblich. Nach Ablauf
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
der Verjährungsfrist können Mindestanforderungen der Verjährungshemmung nicht mehr nachgeholt werden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Telos des § 204 Abs. 1 BGB als auch aus den verfahrensrechtlichen Heilungsvorschriften (2. Kap., B), S. 22). Etwas anderes gilt wegen § 167 ZPO nur für die Zustellung und wegen § 204 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 14 BGB für die Bekanntgabe bzw. deren Veranlassung (2. Kap., A), S. 18). III. Das wesentliche Auslegungsmittel zur Feststellung des Rechtsdurchsetzungswillens und der Bestimmung der Individualisierung ist zunächst der gesamte Inhalt der jeweiligen Rechtsverfolgungsmaßnahme nebst etwaigen Anlagen. Zudem sind alle weiteren Begleitumstände zu berücksichtigen, auch wenn diese außerhalb des Antrags oder des Verfahrens liegen. Die Erkennbarkeit des Rechtsdurchsetzungswillens und die Frage der Individualisierung des Anspruchs bestimmen sich allein aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Person des Schuldners, §§ 133, 157 BGB analog. Ob einem außenstehenden Dritten oder der Institution, an die sich die Rechtsverfolgungsmaßnahme richtet (Gericht, Streitbeilegungsstelle), eine Individualisierung möglich oder für diese der Rechtsdurchsetzungswille erkennbar ist, spielt für den Eintritt der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 BGB keine Rolle (6. Kap., B) III., S. 240; 7. Kap., A) II., S. 274). Das Interesse des Schuldners, den Umfang seiner Inanspruchnahme möglichst genau zu kennen, macht es notwendig, vom Gläubiger konkrete Angaben, insbesondere zur Forderungshöhe, dort zu verlangen, wo er sie leisten kann. Die Schuldnerinteressen werden aber gewahrt, wenn man einen möglichst genauen Sachvortrag zum Anspruchsumfang dort genügen lässt, wo eine exakte Bezifferung noch nicht möglich ist. (7. Kap., A) II. 2., S. 275). IV. Dieses für die Verjährungshemmung notwendige Individualisierungserfordernis ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 204 Abs. 1 BGB und hat keinen verfahrensrechtlichen Bezug. Die Inhaltsbestimmung dieses Merkmals hat sich daher ausschließlich am Telos des § 204 Abs. 1 BGB auszurichten. Die Anforderungen der verfahrensrechtlichen Bezugsnormen (5. Kap., B) I. 2., S. 149) sind für die Individualisierung mithin nicht relevant (7. Kap., A) I., S. 271). V. Interessen der Allgemeinheit stehen diesem schuldnerorientierten Beurteilungsmaßstab nicht entgegen, denn Zweck der Verjährung ist ausschließlich der Individualschutz des Schuldners (3. Kap., B) II. 5., S. 69). Dieser soll vor Beweisnot und vor einer dauerhaften Einschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit geschützt werden. Die Verjährung schützt dabei weniger vor einem Verlust als vor einer unbegrenzten Last zur Aufbewahrung der Beweismittel, denn der Beweisverlust wird mit Ablauf der Verjährungszeit bereits eingetreten sein, wenn sich der Schuldner nicht schon vorab um eine Beweissiche-
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rung bemüht hat (3. Kap., B) II. 2. a), S. 52). Wird der Schuldner mit einer Rechtsverfolgungsmaßnahme konfrontiert, der er den Rechtsdurchsetzungswillen des Schuldners entnehmen kann und aufgrund welcher ihm eine Individualisierung des Anspruchs möglich ist, ist es ihm – unabhängig von der verfahrensrechtlichen Bewertung der Maßnahme – zuzumuten, die Beweismittel weiterhin aufzubewahren und bei seinen wirtschaftlichen Entscheidungen eine mögliche Leistungspflicht zu berücksichtigen (3. Kap., B) II. 5., S. 69; 3. Kap., C) II. 2., S. 100). VI. Die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 BGB ist nicht bloße Nebenfolge der Rechtsverfolgung oder gar der Rechtshängigkeit. Vielmehr sind die in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände Mittel der Verjährungshemmung. Sie sind vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellt worden, damit der Gläubiger einseitig auf den Lauf der Verjährung Einfluss nehmen kann. Wählt er eine solche Option, tritt Hemmung daher unabhängig davon ein, was der Gläubiger mit der Verfahrensmaßnahme bezwecken möchte (7. Kap., B) II., S. 280). VII. Die Warnung des Schuldners ist auch bei der Bestimmung der beiden ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 204 Abs. 1 BGB, wonach ein Vorgehen des Berechtigten gegen den Schuldner notwendig ist, der maßgebliche Aspekt. Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 BGB ist daher, wer Anspruchsinhaber ist oder sein Vorgehen gegen den Schuldner auf einen Lebenssachverhalt stützen kann, aus welchem sich ergibt, dass ihm der Anspruchsinhaber eine Berechtigung zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen einräumen wollte. Ist der Antragsteller nicht der ursprüngliche Gläubiger oder ging der Inanspruchnahme durch den ursprünglichen Gläubiger eine Abtretungsanzeige (§ 409 Abs. 1 BGB) voraus, muss dieser Lebenssachverhalt für den Schuldner deutlich werden, wofür es genügt, dass er für diesen analog §§ 133, 157 BGB erkennbar ist. Geht der anfängliche Gläubiger gegen den Schuldner vor, ist eine solche Offenlegung hingegen nicht notwendig (9. Kap., B), S. 340). Schuldner ist nicht nur der materiell-rechtlich Verpflichtete, sondern auch derjenige, der ebenso wie der Inanspruchgenommene in das gegen diesen gerichtete Verfahren eingebunden ist und der den aus dem Verhältnis der Parteien begründbaren Irrtum des Gläubigers über die Person des Schuldners erkennen musste (Hemmungserstreckung) (9. Kap., C), S. 345).
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Sachregister Ablaufhemmung 75 f., 77, 82–84 – Wirkung 76 – Zweck 84 Actio 12 f., 107 f. Agere non valenti 82 f., 83 f., 85, 86, 103 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) 109 f., 113 f., 116, 118 Allgemeines Landrecht (ALR) 109 f., 112, 116, 117 f., 135 Allgemeininteressen 63–68 – siehe auch Verjährungszweck – Entlastung Gerichte 67, 70 (Fn. 153) – Rechtsicherheit und Rechtsfrieden 51 (Fn. 38), 63 f., 65 f., 68, 69 f., 71, 88 (Fn. 264), 265, 318 – Rechtsstaatsprinzip 65 f., 265 Anerkenntnis 88, 102 f., 248 f. – siehe auch Neubeginn – Auslegung 249, 251 f. – Neubeginn 77 – Rechtsverfolgung 102 f., 246, 248 f., 252 Anmeldung zur Insolvenztabelle 6 f., 9, 16, 39, 79, 92, 286, 349 – Masseforderung 214, 305 f. – Verjährungshemmung 145, 164 f., 213 f., 304–306 Antrag bei Behörde 5, 6 f., 9 f., 13, 38 f., 79, 85, 91 – Verjährungshemmung 145, 167, 215 f., 223, 307 Antrag bei höherem Gericht 5, 6 f., 9 f., 13, 38 f., 79, 91, 256 – Verjährungshemmung 145, 167 f., 217, 307 f. Arrest, siehe Einstweiliger Rechtsschutz Aufbewahrungslast 59, 62, 71, 73–75, 271 f. Aufrechnung, siehe Geltendmachung der Aufrechnung
Auslegung 240–250 – Auslegungskriterien 243–245 – Bedeutung für Verjährungshemmung 237, 238–240, 241 f., 245 f., 249, 251 f., 274–277, 307 f., 342 f., 346 – bei Verhandlungen und Anerkenntnis 246, 247 f., 249, 251 f. – Prozesshandlungen 241 f. Begründetheit 15, 145, 170, 177, 212 f., 216, 217 Begutachtungsverfahren 6 f., 9, 18, 79, 85, 89, 98, 241, 256 – Beginn 6 f., 39, 91 f., 211 – Verjährungshemmung 166, 211 f., 303 Bekanntgabe 5 f., 21, 38, 39, 279 f. Berechtigung – Anwendung 343 f. – gegenwärtige Anforderungen 320–331 – Hemmungsvoraussetzung 9, 171 f., 175 (Fn. 174), 313, 317–319, 338 – maßgeblicher Zeitpunkt 313 f., 314–316, 327 f. – Neubestimmung 337, 340–343 – Offenlegung 314, 327 f., 329 f., 331, 339, 342, 342 f. Beschleunigungsinteresse 95–100, 236, 281 Beurteilungsmaßstab, schuldnerorientierter 227, 227–229, 234, 237, 240, 271–310 – Anforderungen 238–250 – Begründung 234–238 – Einwände 252, 260–269 – Inhalt 234, 237, 240 – Rechtfertigung 251–269 – Rechtssicherheit 237, 240, 266–268 Beurteilungsmaßstab, verfahrensrechtlicher 143–219, 268 f. – Inhalt 8, 136–141, 145
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Sachregister
– Kritik 221–234, 236 – Modifizierung 224–226 – Rechtsunsicherheit 146, 149, 174 f., 221–226 – Telos § 204 Abs. 1 BGB 226–231 – Ursprung 126, 132, 136, 136–141, 143 f., 175, 222, 264 Beweisnot 52–60, 100 f., 102 – siehe auch Beweissicherung durch Schuldner – siehe auch Schuldnerschutz Beweissicherung durch Schuldner 53–60, 100 f., 146, 235, 239, 271 f., 281, 282, 318, 346 f. Code Civil (CC) 109 f., 112 f., 116, 117 f., 123 Dresdener Entwurf 115 f., 117 f., 121, 123 Einstweilige Anordnung, siehe Einstweiliger Rechtsschutz Einstweilige Verfügung, siehe Einstweiliger Rechtsschutz Einstweiliger Rechtsschutz 6 f., 9, 38 f., 79, 85, 299 – Verjährungshemmung 145, 166, 212 f., 280 f. (Fn. 39, 41), 303 Erhebung der Klage 6 f., 9, 25–28, 38 f., 78 f. – siehe auch Verjährungsunterbrechung – Berechtigung 317–319, 320–328, 343 f. – Rechtshängigkeit 255 f., 257–259, 278 – unzuständiges Gericht 110–116, 121, 122 f. – Verjährungshemmung 150–154, 170–177, 283–286 – Vorrang § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB 286, 331 (Fn. 112), 349 – Wirksamkeit 170, 171–175, 222, 223, 259, 262–266, 268 f. – Zulässigkeit 170, 175–177, 285 f. Fehlerbehebung, nachträgliche 22–38 – siehe auch Heilung (§§ 189, 295 ZPO) – siehe auch Neuvornahme – Wirkung 23, 38 Feststellung des Anspruchs 88 f., 255–257
Geltendmachung der Aufrechnung 6 f., 9, 39, 79, 91, 256 – Bedeutung 192 f. – Fehlerhaftigkeit 193–197, 295 f. – Geschichte 89, 127, 131, 132 f. – Verjährungshemmung 166, 192–197, 225, 290, 295 f., 332 Gemeines Recht 11 (Fn. 19), 13, 108 (Fn. 9), 109, 110 f., 116, 117 Genehmigung 35–38, 314 Gerichtsbarkeit, deutsche 176 f., 223, 285 Gerichtsstandsbestimmung, siehe Antrag bei höherem Gericht Geschichtliche Entwicklung – Rechtslage BGB a. F. 136–141 – Regelungen vor BGB 1900 107–118 – Regelungsentwürfe zum BGB 119–136 – SchRModG 77–82 Gläubiger 16, 45–47 Gütestelle, siehe Streitbeilegungstelle Heilung (§§ 189, 295 ZPO) 24, 25–28, 30–32, 34 f., 203, 210, 302 f. Hemmung der Verjährung, siehe Verjährungshemmung Hemmungserstreckung 345–349 Hemmungstatbestände 238 – einheitliche Handhabung 251–255 – Gleichrangigkeit 41, 97, 231–233, 251, 272 Hemmungsvoraussetzungen 7–10, 97, 99, 145, 146, 169, 238–240, 313, 337 f. – siehe auch Berechtigung – siehe auch Schuldnerstellung – siehe auch Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung – teleologische Reduktion 10, 262, 301, 307, 308, 317 f. – Zeitpunkt 18–21, 38–42, 313–316 Individualisierung 15, 17, 146–169, 271–277 – Anforderungen 146–149, 168 f., 245 f., 274–277 – Anknüpfungsnormen 149 f. – Anmeldung zur Insolvenztabelle 150, 164 f., 168, 305 – Antrag bei Behörde 150, 167
Sachregister – Antrag bei höherem Gericht 150, 167 f., 307 f. – Begutachtungsverfahren 150, 166, 276 – Einstweiliger Rechtsschutz 150, 166 – Erhebung der Klage 149, 150–154, 168 f., 272 f. – Geltendmachung der Aufrechnung 149, 166, 168 – Hemmungsvoraussetzung 146, 239, 271 f. – Mahnbescheid 149, 154–157, 168, 185, 272 f. – materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal 147 f., 271–273 – Musterverfahren 149 f., 162 f. – Nachholung 28, 40 (Fn. 109), 41 (Fn. 113), 148, 160 (Fn. 88) – Prozesskostenhilfeantrag 150, 168 – Schiedsrichterliches Verfahren 150, 167 – Selbständiges Beweisverfahren 147 f., 150, 163 f., 273, 276 f. – Streitbeilegungstelle 149, 158–161, 275 (Fn. 15), 276 f., 291 f. – Streitverkündung 149, 161 f., 276 f. – Vereinfachtes Verfahren Unterhalt Minderjähriger 149, 165 f., 286 f. Insolvenzverfahren, siehe Anmeldung zur Insolvenztabelle Klageerhebung, siehe Erhebung der Klage Klagenverjährung 12 f., 50, 94, 107–109, 111 Kundgabetatbestände 5 f., 6 f., 7 f., 9, 10 f., 15 f., 145, 260–266, 315 – siehe auch Bekanntgabe – siehe auch Veranlassung der Bekannt gabe – siehe auch Warnung des Schuldners – siehe auch Zustellung – Bedeutung 95, 239, 268 f. – Begriff 14 – Zeitpunkt 18–21, 23 f. Mahnantrag – Berechtigung 329 – fehlende Unterschrift 180, 186 f., 288 – Fehlerhaftigkeit 180 f., 185 f., 287 f. – Formularzwang 187 f., 288
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– Rückbeziehung § 691 Abs. 2 ZPO 40 (Fn. 109 f.), 181, 186 f., 187 f., 188 f., 290 f. – Unzulässigkeit Mahnverfahren 182, 183 f. Mahnbescheid 6 f., 9, 39–42, 78 f., 232 f., 286 – Fehlerhaftigkeit 180 f., 182–189, 287 f. – Rechtsmissbräuchlichkeit 179 f., 183 f., 225, 287, 288, 288–290 – Verjährungshemmung 154–157, 180–189, 287–291, 329 Musterverfahren 6, 8, 9 f., 77 (Fn. 191), 80, 205–208, 251 – Anmeldung 206 f. – Verjährungshemmung 162 f., 205, 207 f., 224, 300 f., 306 Neubeginn 75 f., 76, 77, 79 – siehe auch Anerkenntnis – siehe auch Vollstreckungshandlung – Rechtsverfolgung 14, 101–103, 246 Neuvornahme 24 Öffentliches Interesse, siehe Allgemein interessen Partei- und Prozessfähigkeit, fehlende 36, 175, 176 f., 278 f., 282, 309 Partikulargesetze Verjährung 10, 114 f., 117 f., 123 Postulationsfähigkeit, fehlende 11, 35, 36, 174, 224, 257, 284 f. Prozesskostenhilfeantrag 6 f., 10, 38 f., 79, 85, 198 – siehe auch Veranlassung der Bekannt gabe – Verjährungshemmung 168, 217–219, 222 (Fn. 3), 225, 284 (Fn. 51), 309 f. Prozessvollmacht, fehlende 37 f., 282 f. Rechtsdurchsetzungswille 26 f., 84, 90 f., 96, 100 f., 101, 158, 182, 191, 194, 196, 255 (Fn. 147) – Erkennbarkeit 224, 233, 235, 237, 238 f., 240, 242, 245 f., 254, 283 – Hemmungsvoraussetzung 226 f., 238 f., 269, 283, 283 f., 287, 288, 295, 296, 300, 304, 305, 306, 307, 309 f., 334
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Sachregister
Rechtshängigkeit 31, 89 (Fn. 266), 112, 123, 126, 172, 175, 255–259, 278, 281 Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, siehe Allgemeininteressen Rechtsverfolgung 14, 101–103, 252 Rechtsverfolgungsmaßnahme – ausschließlich zur Verjährungshemmung 280–281 – äußere Form genügt 237, 250, 254, 261–266, 277 f., 280, 285, 296, 303 – Begriff 13 f. – materiell-rechtliche Anforderungen 261–266 – Mittel Verjährungshemmung 98 f., 281, 299 f. Rechtsverfolgungsmaßnahme, fehlerhaft – siehe auch Beurteilungsmaßstab, schuldnerorientierter – siehe auch Beurteilungsmaßstab, verfahrensrechtlicher – siehe auch Fehlerbehebung, nachträg liche – siehe auch Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit – Begriff 8 f. – Rechtsfolge 14 f., 81, 135 f., 136–141, 145, 234, 237, 240, 283 Rechtsverfolgungswille, siehe Rechtsdurchsetzungswille Römisches Recht 11 (Fn. 19), 12 f., 107–109, 110 f. Sächsisches BGB 109 f., 114, 116, 117 f., 123, 135 Schiedsrichterliches Verfahren 6 f., 9, 18, 39, 79, 85, 256, 319 – Beginn 6 f., 92 – Verjährungshemmung 167, 214 f., 225, 306 f. Schlüssigkeit 15, 170, 177, 328 Schuldner 16, 48 f. Schuldnerschutz 52–63, 73–75, 94 – siehe auch Verjährungszweck – Auflösung Rücklagen, Sicherung Regressansprüche 48, 61 f., 87, 96 – Dispositionsfreiheit, Planungssicherheit 48 f., 62 f., 71, 96, 100 f., 102, 228, 234 f., 239, 271 f., 275–277, 346 f.
– Vertrauensschutz 61, 228 f. – vor Beweisnot 49, 52–60, 62, 71, 100 f., 102 Schuldnerstellung – Ausnahmen 333 f. – gegenwärtige Anforderungen 331–333 – Hemmungserstreckung 346, 347–349 – Hemmungsvoraussetzung 9, 171 f., 175 (Fn. 174), 216 (Fn. 447), 331, 337 f. – maßgeblicher Zeitpunkt 313 f., 316, 349 – Neubestimmung 337, 345–347 Selbständiges Beweisverfahren 6 f., 9, 79, 85, 299 – Verjährungshemmung 145, 163 f., 208–210, 302 f., 330, 332 f. – Zustellung 31 (Fn. 70), 210, 302 f. Streitbeilegungstelle 6, 9 f., 38 f., 49, 78 f., 251, 263 – siehe auch Bekanntgabe – siehe auch Veranlassung der Bekannt gabe – fehlende Bereitschaft 293–295 – Verfahrensordnung 189–192, 292 f. – Verjährungshemmung 189–192, 223, 224 f., 280, 291–295, 329 Streitverkündung 6 f., 9, 79, 85, 233, 263 – Erfordernis der Zulässigkeit 198–205, 224, 251, 262, 296–300 – Geschichte 89, 121 f., 124 f., 127, 197 f. – Sonderstellung 197 f., 200 f. – Verjährungshemmung 25 (Fn. 28), 161 f., 197–205, 296–300, 329 f. Substantiierung 111 (Fn. 26), 116, 151, 157, 177, 273, 292 Teilentwurf Allgemeiner Teil (1881) 124–129, 259 Unterbrechung der Verjährung, siehe Verjährungsunterbrechung Unterschriftsmängel 41, 223 – siehe auch Fehlerbehebung, nachträg liche – siehe auch Wirksamkeitserfordernis – Heilung 21 (Fn. 22), 25–27 – Verjährungshemmung 173, 186 f., 208, 283 f., 288, 293, 305, 309
Sachregister Veranlassung der Bekanntgabe 6, 21, 38, 39, 91, 93, 95, 169, 224 f., 279 f. Vereinfachtes Verfahren Unterhalt Minderjähriger 256, 302 f. – Verjährungshemmung 78 f., 165 f., 178–180, 222 (Fn. 5), 286 f. Verfahrenskostenhilfeantrag, siehe Prozesskostenhilfeantrag Verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit 14–16, 234, 237, 240 – siehe auch Rechtsverfolgungsmaßnahme, fehlerhaft – Kundgabetatbestand 15 f. – Rechtsverfolgungsmaßnahme 14 f. Verhandlungen 246 f. – Auslegung 246, 247 f., 251 f., 267 – Rechtsdurchsetzung 14, 86 f., 246, 252 Verjährung – siehe auch Verjährungszweck – Bedeutung 50 f. – Begriff 11 f. – materielles Recht 12 f. – Rechtfertigung 71–75 Verjährungshemmung 16 – Wirkung 75 f., 77 – Zweck 82–87 Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung – siehe auch Beurteilungsmaßstab, schuldnerorientierter – siehe auch Beurteilungsmaßstab, verfahrensrechtlicher – siehe auch Rechtsverfolgungsmaßnahme, fehlerhaft – siehe auch Verjährungsunterbrechung – siehe auch Warnung des Schuldners – Ende 80 f., 143 f. – kein rückwirkendes Entfallen 143 f. – Normgeschichte § 204 BGB 77–82 – Struktur 5–7, 221 f., 231 f. – Umfang 8 (Fn. 11), 88, 150 f., 152–154, 162 (Fn. 99), 164, 166, 193, 227–229, 276 f., 342 f. – Voraussetzungen 7–10, 145, 146, 169, 238, 313, 337 f. – Zweck 84 f., 87–90, 170, 226 f., 227–229, 229–231, 234–238, 292, 294 f., 299 f. – Zweck der Verjährung 100 f., 226 f.
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Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung, Zweck 84 f., 87–90, 170, 226 f., 227–229, 229–231, 234–238, 292, 294 f., 299 f. Verjährungsrecht als Interessenausgleich 45–49, 75, 94 f., 98 f., 100 f., 225 f., 226 f., 260, 260 f. Verjährungsunterbrechung 16, 77 – siehe auch Geschichtliche Entwicklung – Änderung Rechtsfolge 77, 78, 81, 81 f., 103, 144, 260, 264 f. – durch Erhebung der Klage 107–110, 121, 129, 134 – durch fehlerhafte Klage 110–116, 122 f., 125 f., 127–129, 130, 131 f., 133 f., 136–138 – durch sonstige Rechtsverfolgungsmaßnahmen 117 f., 121, 124 f., 127, 130, 134, 138–141 Verjährungszweck 230 – siehe auch Allgemeininteressen – siehe auch Schuldnerschutz – Allgemeininteressen 63–68, 68, 69 f., 237 – Gläubiger 68 f. – plurale Zweckbestimmung 51 f. – Schuldnerschutz 52–63, 69–71, 73–75, 191 f., 227–229, 237 – Schuldnerschutz ist Hauptzweck, 69–71, 237, 265 Vollstreckungsbescheid 154 f., 263, 272 f., 289 f. Vollstreckungshandlung 14, 101 f. – siehe auch Neubeginn – Geschichte 121 (Fn. 86 f.), 124 f., 127, 130, 134, 135, 136 f. – Neubeginn bei Unwirksamkeit 252–255 Vorlage Anspruchsverjährung 72, 121–124, 126 Warnung des Schuldners – Anforderungen 235 (Fn. 68), 241 f., 243–245 – bei fehlerhafter Rechtsverfolgungsmaßnahme 101, 170, 182, 191 f., 196, 200 (Fn. 330), 201 f., 217, 226 f., 235 f., 237, 240, 251 – durch Rechtsverfolgungsmaßnahme 89 f., 100 f., 170, 226 f., 233, 234, 237
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Sachregister
– Entfallen der Verjährungszwecke 90, 100 f., 102 f., 226 f., 230 f., 234 f., 265, 304 – Individualisierung 146, 239, 240, 271–277 – Kenntnis von Rechtsverfolgungsmaß nahme 91–93, 239, 277–280 – Neubestimmung Berechtigung 330 f., 337–343 – Neubestimmung Schuldnerstellung 335, 337–339, 345–347 – tatsächlicher Umstand 234–236, 239, 300, 339 – tragender Gesichtspunkt des § 204 Abs. 1 BGB 89 f., 94, 234, 234–238, 255–257, 276, 299 – Warnfunktion der Rechtsverfolgung 93–95
Wirksamkeitserfordernis – Hemmungsvoraussetzung 1, 145, 146, 171–175, 182 f., 185, 195, 216, 217, 222, 223, 225, 259, 262–266 – Unterbrechungsvoraussetzung 126, 137 f., 140 f. Zustellung 6, 28–34, 92 f., 177, 302 f. – Ersatzzustellung 94 f., 277 f. – Heilung 30–32, 349 – nach Eröffnung Insolvenzverfahren 286, 331, 349 – Rückwirkung 18–20, 21 f., 39 – Wirksamkeit 8, 15 f., 28–30, 145, 169 f., 231 (Fn. 54), 269, 277–279