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German Pages [500] Year 2013
Corina Bastian Verhandeln in Briefen
externa Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven Herausgegeben von André Krischer, Barbara Stollberg-Rilinger, Hillard von Thiessen und Christian Windler
Band 4
Corina Bastian
Verhandeln in Briefen Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts
2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Karl Jaberg-Stiftung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Jean Baptiste Siméon Chardin: »Une femme occupée à cacheter une lettre (Femme cachetant une lettre)« (Die Briefsieglerin), 1733. SPSG Berlin-Brandenburg. © akg-images / Erich Lessing
© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst GmbH, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-21042-7
Für Mirko
„Ein Mond erscheint überall in allen Wassern; die Monde in allen Wassern sind in einem Mond enthalten. Dies ist eine Metapher für den einen Geist, der unzählige Dinge hervorbringt, und für die unzähligen Dinge, die einen Geist hervorbringen.“ Mit den Worten von Xueyan Zuqin († 1287) möchte ich meine tiefe Dankbarkeit gegenüber all den Menschen ausdrücken, die mich auf dem Weg zu diesem Buch unterstützt haben. Die Mitarbeitenden des Schweizerischen Nationalfonds, zahlreicher europäischer Archive, Bibliotheken und Pensionen sowie Copy-Shops und Cafés müssen ungenannt bleiben. Persönlich danken möchte ich: Prof. Dr. Christian Windler Prof. Dr. Jean-Claude Waquet PD Dr. Hillard von Thiessen Prof. Dr. Ronald G. Asch Prof. Dr. André Holenstein Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger Prof. Dr. André Krischer Dr. Monika Mommertz Dorothee Rheker-Wunsch Hedy Werthmüller Dr. Eva Dade Nadir Weber Tilman Haug Eva Ott Nadine Amsler Philipp Rössler Kristell Euzenat Hubert Stahl Meike Rademacher Sarah Rindlisbacher Dr. Matthias Köhler Dr. Barbara Ellermeier Carola und Dr. André Berger Sonja Heydorn und Lutz Schneider und ganz besonders Mirko Bastian.
Inhalt Einleitung ................................................................................................. 11 1. Der Ausgangspunkt ............................................................................. 11 2. Forschungslage ..................................................................................... 14 3. Vorgehensweise .................................................................................... 27 I. Die Höfe und ihre Verbindungen ..................................................... 37 1. Position und Vernetzung am Hof ......................................................... 37 1.1. Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles ..................... 38 1.2. Pour le service de mon Roi: Die Princesse des Ursins in Madrid ..... 56 2. Die Korrespondenznetzwerke der beiden Frauen ................................. 78 2.1. Rahmenbedingungen .................................................................... 79 2.2. Korrespondenzräume .................................................................... 88 2.2.1. Kommunikation am Hof .................................................... 89 2.2.2. Netzwerke in Paris und Madrid .......................................... 92 2.2.3. Landesweite Korrespondenzen ........................................... 95 2.2.4. „Feldpost“ ........................................................................... 99 2.2.5. Interhöfischer Austausch .................................................... 106 2.2.6. Fazit..................................................................................... 113 3. Die Beziehungen zwischen dem französischen und dem spanischen Hof ..................................................................................... 115 3.1. L’union des deux couronnes: Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715 .............................................................................. 115 3.2. Die Korrespondenzen zwischen Versailles und Madrid ................ 141 3.2.1. Le canal ordinaire: der „ordentliche“ Weg ............................ 142 3.2.2. Parallele Kanäle .................................................................. 154 3.2.3. Un commerce réglé: Kontext und Anlass der Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins .... 168 II. Die Korrespondenz............................................................................ 176 Kommunikationsabsicht und Strategie – eine Einleitung......................... 176 1. Beziehungen ......................................................................................... 177 1.1. Je suis fort libre avec vous: Die Beziehung zueinander definieren ... 177 1.2. Les nouvelles des personnes: Sich in der Gesellschaft verorten ......... 200 1.3. Les commissions: Das Netzwerk pflegen ......................................... 216 2. Legitimationen ..................................................................................... 234 2.1. La nation espagnole: Schreiben über die spanische Monarchie....... 234
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Inhalt
2.2. Raisonner de guerre: Schreiben über Krieg und Frieden ................ 240 2.3. Se mêler des affaires: Zuständigkeiten definieren ............................ 252 3. Zuschreibungen .................................................................................... 261 3.1. Der Blickwinkel der Madame de Maintenon................................ 264 3.2. Der Blickwinkel der Princesse des Ursins ..................................... 281 3.3. Fremdzuschreibungen ................................................................... 300 3.3.1. Verteidigung ....................................................................... 301 3.3.2. Inakzeptable Einmischung ................................................. 306 3.3.3. Selbstverständliche Integration ........................................... 324 3.3.4. Die Princesse des Ursins als négociatrice?............................. 331 Verhandlungen in der Korrespondenz – ein Fazit .................................... 338 III. Verhandlung ..................................................................................... 341 Die Korrespondenz in den Verhandlungen – eine Einleitung .................. 341 1. „Spanien sich selbst zu überlassen, hieße, Frankreich zu verlieren“: Die Verhandlungen um Truppen (1705–1709) ...................................... 343 2. „Ich sehe schon, dass wir uns künftig weniger zu sagen haben“: Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins (1708–1710) .................................................. 356 3. „Geben Sie uns den Frieden, Madame, wenn Sie wollen, dass der König sein Leben in Ruhe beendet“: Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V. (1711–1714) ................................................ 381 Fazit .......................................................................................................... 418 Schlussbetrachtung .............................................................................. 421 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ 437 Quellen und Literatur ........................................................................... 438 1. Unveröffentlichte Quellen .................................................................... 438 2. Veröffentlichte Quellen ........................................................................ 445 3. Literatur ............................................................................................... 451 Personenregister ................................................................................... 491
Einleitung „Ich glaube nicht, Madame, dass wir eine unterschiedliche Haltung vertreten, wenn ich den Untergang Frankreichs mehr fürchte als den Spaniens; [...] trotzdem sehe ich schon, dass wir uns künftig weniger Dinge zu sagen haben und dass unsere Briefe kürzer und trockener werden.“1
Mit diesen Worten begann Madame de Maintenon ihren Brief vom 2. März 1710 an die Princesse des Ursins – nach einem harten und verlustreichen Winter mitten im Spanischen Erbfolgekrieg, in dem sich eine Allianz um die österreichischen Habsburger und England und eine Koalition unter Führung der französischen Krone gegenüberstanden. In jenem Winter hatte sich die Verhandlungssituation der Kriegsparteien grundlegend geändert. Doch weshalb sollte sich der Verlauf des Krieges auf die Qualität der Briefe zweier adeliger Frauen auswirken? Welcher Zusammenhang bestand zwischen ihrer Korrespondenz und dem Schicksal Frankreichs und Spaniens?
1. Der Ausgangspunkt Vorliegende Arbeit betrachtet die Handlungsspielräume von Frauen in den Außenbeziehungen frühneuzeitlicher Höfe. Ausmaß und Formen ihrer Einflussmöglichkeiten sollen am Beispiel der Beziehung zweier adeliger Frauen aufgezeigt werden, die in der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges an den Höfen von Versailles und Madrid wirkten: Françoise d’Aubigné, Madame de Maintenon (* 1635, † 1719), Ehefrau Ludwigs XIV., und Marie-Anne de la Trémoille (* 1642, † 1722), bekannt als Princesse des Ursins, Erste Kammerdame der jungen spanischen Königin Maria Luisa von Savoyen. Elf Jahre lang korrespondierten diese beiden Frauen beinahe wöchentlich miteinander. Ihre Dauer und ihre Regelmäßigkeit machten die Korrespondenz zu einer Konstanten in den Beziehungen des französischen und des spanischen Hofes in diesem Zeitraum. Die Briefe lassen Kontinuitäten, Wandel und Brüche die
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„Je ne crois pas, Madame, que nous pensions différemment quand je crains plus la perte de la France que celle de l’Espagne [...]. Cependant, Madame, je comprends bien que nous aurons moins de choses à nous dire à l’avenir et que nos lettres seront plus courtes et plus sèches.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 2.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 279. – Im Folgenden werden in den französischen, spanischen und englischen Quellenzitaten Orthographie und Interpunktion grundsätzlich modernisiert. Die Übersetzungen der Zitate stammen sämtlich von der Autorin.
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Einleitung
ser Beziehungen erkennen und dienen der vorliegenden Untersuchung daher zugleich als Quellenbasis und als roter Faden. Obschon weitgehend erhalten, ist der Briefwechsel in seiner Gesamtheit noch nicht ausgewertet und in der Forschung bislang wenig beachtet worden2. Bereits ein flüchtiger Blick in die Korrespondenz der beiden Frauen lässt die Vielfalt der behandelten Themen erkennen: Als Protagonisten stehen der französische König Ludwig XIV., das spanische Königspaar Maria Luisa von Savoyen und Philipp V. nebst Angehörigen beider Hofgesellschaften im Mittelpunkt. Der Alltag bei Hofe wird in den Beschreibungen von Festen, Zeremonien, Theater- und Musikdarbietungen, aber auch von Essgewohnheiten und medizinischen Behandlungsmethoden greifbar. Dominant sind jedoch Nachrichten über die politische und militärische Lage der französischen und der spanischen Krone. Man diskutiert über den Kriegsverlauf, strategische Entscheidungen und die laufenden Verhandlungen. Für eine Analyse dieser Korrespondenz bieten sich daher zahlreiche Ansatzpunkte: Man könnte nach dem Kulturtransfer zwischen den beiden Höfen, nach der Regierungspraxis der späten Jahre Ludwigs XIV., den Verwaltungsreformen Philipps V. oder auch nach der Rolle der Königin Maria Luisa von Savoyen fragen. Ich werde im Folgenden der Frage nachgehen, welche politische Funktion der intensive Austausch der beiden Frauen auf der Ebene der französischspanischen Beziehungen und der europäischen Verhandlungen hatte. Lotet man die Handlungsspielräume der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins aus, eröffnen sich drei große Themenbereiche: Zunächst stellt sich die Frage nach der politischen Kultur der Höfe und – damit verbunden – nach der Gestaltung ihrer Außenbeziehungen; zum Zweiten müssen die Rollen der einzelnen Akteure und die Relevanz ihres Geschlechts (im Sinne von Gender)
2 Aus Editionen der Briefe zitieren Bryant, Marc, Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon: Religion, Power and Politics: A Study in Circles of Influence during the later Reign of Louis XIV, 1684–1715, (Univ. Diss.), [London 2001]; Cermakian, Marianne, La Princesse des Ursins. Sa vie et ses lettres, Paris 1969; Baudrillart, Alfred, Madame de Maintenon. Son rôle politique pendant les dernières années du règne de Louis XIV. 1700–1715, in: Revue des Questions Historiques 24/3 (1890), 101–161 und ders., Philippe V et la Cour de France, 5 Bde., Paris 1889, hier: Bd. 1 (1700–15). – Marcel Loyau nimmt Bezug auf den gesamten Quellenbestand: Loyau, Marcel, Préface, in: Correspondance de Madame de Maintenon et de la Princesse des Ursins. 1709: une année tragique, hrsg. v. dems., Paris 2002, 7–53; ders., La princesse des Ursins. Son rôle en Espagne (1701–1714), in: 1700–2000. Tricentenaire de l’avènement des Bourbons en Espagne. Actes de la VIIième session du Centre d’Etudes Historiques (7 au 9 juillet 2000), hrsg. v. Jean-François Labourdette, Paris 2002, 129–149.
Ausgangspunkt
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hinterfragt werden. Drittens ergibt sich die Frage nach dem politischen Potential von Korrespondenzen im Allgemeinen. Mit Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins hat sich jede Forschergeneration ausgehend von ihren eigenen Fragestellungen beschäftigt3 – jedoch nicht auf der Grundlage ihrer Korrespondenz. Die beiden Frauen wurden bislang stets als Ausnahmeerscheinungen des weiblichen Geschlechts dargestellt. Die Gründe für ihren politischen Einfluss wurden dementsprechend in ihren individuellen Fähigkeiten gesucht. Zu Ausnahmen konstruiert konnten die Frauen in die vorgeblich männlich dominierte Welt der frühneuzeitlichen Diplomatie4 eingeordnet werden, ohne dass dieses Grundkonzept in Frage gestellt werden musste. Es gilt jedoch, sowohl grundsätzlich zu fragen, was überhaupt dem Bereich Politik und Diplomatie zugeordnet wurde, als auch zu prüfen, welche Bedeutung der Kategorie „Geschlecht“ zukam. Der Fall der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins zeigt, was möglich war. Er verweist – so die Grundannahme dieser Arbeit – auf ein strukturelles Phänomen: die Einbindung adeliger Frauen in die Außenbeziehungen frühneuzeitlicher Höfe. In der vorliegenden Arbeit wird die Form ihrer Einflussnahme – das „Wie“ und nicht das „Was“ ihres Wirkens – in den Blick genommen. Auf diese Weise lassen sich die Spielregeln der dahinterstehenden politischen Kultur5, die „Mikrofundierung von Makroprozessen“6, ermitteln, und der hier untersuchte Fall kann Rückschlüsse über die Funktionsweise frühneuzeitlicher Diplomatie und der in ihr geltenden Normen und geschlechterspezifischen Rollenvorstellungen erlauben. Die Arbeit nimmt dazu grundlegende Impulse aus der Geschlechtergeschichte und der Neuen 3 Siehe Kapitel I.1.1. und I.1.2. sowie das Literaturverzeichnis in dieser Arbeit. 4 Im Folgenden wird der moderne Begriff „Diplomatie“, der für das 16. und 17. Jahrhundert einen Anachronismus darstellt, wie in der Forschung neuerdings üblich als Synonym für „Außenbeziehungen“ verwendet. Vgl. etwa: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen / Christian Windler (Externa. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven, 1), Köln u.a. 2010. 5 Rohe, Karl, Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung, in: Historische Zeitschrift 250/2 (1990), 321–346, hier 337. 6 Emich, Birgit, Frühneuzeitliche Staatsbildung und politische Kultur, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 35), Berlin 2005, 191–205, hier 196. – Zur Konzeptualisierung von Mikrogeschichte siehe grundlegend Ginzburg, Carlo, Mikro-Historie. Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, in: Historische Anthropologie 1 (1993), 169–192; Levi, Giovanni, On microhistory, in: New Perspectives on Historical Writing, hrsg. v. Peter Burke, Oxford 1991, 93–113.
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Einleitung
Politikgeschichte auf und versteht sich als Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Außenbeziehungen.
2. Forschungslage Kulturgeschichte des Politischen Die so genannte „Neue Kulturgeschichte“7 oder „Kulturgeschichte des Politischen“8 geht von einem weiten, sozialanthropologischen Kulturbegriff aus, der die Gesamtheit der symbolischen Hervorbringungen des Menschen betrachtet9. Aus einer Perspektive der Fremdheit wirft sie einen „ethnologischen Blick“10 auf scheinbar Selbstverständliches. Damit geht die Dekonstruktion eines überhistorisch-universalisierenden Verständnisses von Politik einher: Was in einer Epoche oder Kultur als „Politik“ gilt, ist stets ein Produkt von Aushandlungsprozessen. Daher muss der klassische Politikbegriff, wie ihn die Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt hat, historisiert werden11. Dieser Politikbegriff, der sich auf den Horizont staatlicher Institutionen und Akteure bezieht, verweist alles, was darüber hinausgeht, in den Bereich des „Unpolitischen“. Darunter fällt auch eine Korrespondenz zweier Hofdamen, wie sie hier untersucht wird. Ein solches Verständnis des Politischen vermittelt jedoch eine Trennung von öffentlicher und privater Sphäre und ihre Zuordnung zu den Geschlechtern, wie sie für den frühneuzeitlichen Hof in dieser Schärfe nicht haltbar ist. Im Folgenden verstehe ich das Politische daher weit gefasst als Handlungsraum, in dem kollektiv verbindliche Entscheidungen gefunden und durchgesetzt werden12. 7 Programmatisch zur Kulturgeschichte: The New Cultural History, hrsg. v. Lynn Hunt (Studies on the History of Society and Culture, 6), Berkeley 1989; einen umfassenden Überblick gibt Daniel, Ute, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselworte, Frankfurt a. M. 2001. 8 Siehe bspw. Landwehr, Achim, Diskurs - Macht - Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), 71–118. 9 Vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. v. ders. (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft, 35), Berlin 2005, 9–24, hier 10 f. 10 Mergel, Thomas, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), 574–606, hier 574 f. 11 Siehe bspw. Blänkner, Reinhard, Historizität, Institutionalität, Symbolizität, in: Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte, 71–96. 12 Vgl. etwa Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte, 14.
Forschungslage
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Ein solcher Politikbegriff ist dazu geeignet, frühneuzeitliche Höfe – die Wirkungsbereiche der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins – als politische Handlungsräume zu begreifen. Politischer Einfluss korrelierte in der höfischen Gesellschaft in erster Linie mit der Nähe der Akteure zum Herrscher. Daher steht der einzelne Akteur auch im Mittelpunkt der jüngeren Hof- und Adelsforschung13, wie dies die Hofforschung seit Norbert Elias14 mit unterschiedlichen Akzenten aufgegriffen hat. Statt von einer starken, „absoluten“15 Stellung des Fürsten auszugehen16, und den Hof als Instrument zur Disziplinierung des Adels zu interpretieren, versteht die neuere Forschung diesen als Ort der Kommunikation und Inszenierung fürstlicher Macht und adligen Status. Da die Durchsetzungskraft frühneuzeitlicher Monarchien beschränkt war, geht sie von einer – nicht immer spannungsfreien – Kooperation 13 Siehe etwa Asch, Ronald G. (Hrsg.), Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchien bis zur Revolution (1600–1789), Köln u.a. 2001. 14 Vgl. Elias, Norbert, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft (Gesammelte Schriften Norbert Elias, 2), Frankfurt a. M. 2002 (erste Ausgabe: 1969). 15 Im Gegensatz zu den Formen puissance absolue und monarchie absolue ist der Begriff „Absolutismus“ nicht zeitgenössisch und erschien erstmals 1797 bei Chateaubriand, der damit ein Regime bezeichnet, in dem die Macht des Fürsten unbegrenzt ist. Der Höhepunkt des Absolutismus wird gemeinhin mit der (persönlichen) Regierung Ludwigs XIV. assoziiert. Die Frage, inwiefern dieses Regime tatsächlich absolut sein konnte, hat zu einer regen Forschungsdiskussion geführt, angestoßen von Henshall, Nicholas, The Myth of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European Monarchy, London u.a. 1992. – Die Dekonstruktion des Absolutismus erfolgte zunächst insbesondere in der angelsächsischen Forschung, teilweise schon vor Henshall: Beik, William, Absolutism and Society in Seventeenth-century France: State Power and Provincial Aristocracy in Languedoc, Cambridge 1985; Bergin, Joseph, The rise of Richelieu, New Haven u.a. 1991; Mettam, Roger C., Power and Faction in Louis XIV’s France, Oxford / New York 1988; Der Absolutismus – ein Mythos. Strukturwandel monarchischer Herrschaft, hrsg. v. Ronald G. Asch / Heinz Duchhardt, Köln u.a. 1996; Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?: eine deutsch-französische Bilanz / L’absolutisme, un concept irremplaçable?, hrsg. von Lothar Schilling (Pariser historische Studien, 79), München 2008. Einen Überblick über die Kontroverse bietet Freist, Dagmar, Absolutismus (Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt 2008. 16 Diese Interpretation wurde Elias immer wieder zugeschrieben, obwohl er sie in dieser Schärfe nie vertreten hat; vgl. etwa: „Mit Hilfe einer systematischen Figurationsuntersuchung kann man zum Beispiel aufzeigen, dass ein Mann in der Position des Königs selbst zur Zeit Ludwigs XIV. durchaus nicht ‚unumschränkt’ regierte, wenn man darunter versteht, dass seinem Handeln und seiner Macht keine Schranken gesetzt waren. Der Begriff des ‚absoluten Herrschers’ gibt, wie man sehen wird, einen falschen Eindruck.“ Elias, Höfische Gesellschaft, 41.
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Einleitung
zwischen Hofadel und Herrscher aus17. So wurde unter anderem gezeigt, dass Ludwig XIV. im Rahmen seiner so genannten Alleinherrschaft vom Jahr 1661 an das „Erbe“ des Günstlingsministers auf wenige ausgewählte Vertrauenspersonen verteilte18. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere die Figur des Günstlings19 und der Mätresse20 als informelle Akteure am Hof untersucht. Die Bezeichnung „informeller Akteur“ lehnt sich an das Begriffspaar „Formalität versus Informalität“ an, das vor allem Niklas Luhmann geprägt hat21. Formale Einflussnahme beruht demnach auf rechtlichen Befugnissen und vollzieht sich in mehr oder weniger festgelegten Strukturen. Informelle Einflussnahme hingegen bezeichnet eine „Aktivität außerhalb, unterhalb oder neben bestehender Vorschriften, Verhaltensweisen, Traditionen, kulturellen Übungen oder etwa Sicherheiten“22. Wie jede analytische Kategorie kann dieses Konzept die frühneuzeitlichen Machtverhältnisse nur in verkürzter Weise beschreiben. Solange darunter jedoch idealtypische Ausprägungen verstanden werden, die in der realen Situation graduelle Abstufungen kennen, kann das Begriffspaar als Analysekonzept dienen. Formale politische Einflussnahme war Frauen in der Frühen Neuzeit nur bedingt möglich23. Zwar wertete der Stand adeliger Frauen ihren geschlech17 Siehe etwa: Duindam, Myths of Power; ders., Vienna and Versailles. The Courts of Europe’s Dynastic Rivals, 1550–1780, Cambridge 2003. 18 Vgl. Horowski, Leonhard, Das Erbe des Favoriten. Minister, Mätressen und Günstlinge am Hof Ludwigs XIV., in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, hrsg. v. Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung, 17), Ostfildern 2004, 77–125. 19 Zu Definition, Rolle und Aufgaben des Günstling-Ministers bzw. Favoriten siehe Asch, Ronald G., „Lumine solis“. Der Favorit und die politische Kultur des Hofes in Westeuropa, in: Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Michael Kaiser / Andreas Pečar, Berlin 2003, 21–38, hier 24 ff. 20 Siehe etwa Weisbrod, Andrea, Von Macht und Mythos der Pompadour. Die Mätressen im politischen Gefüge des französischen Absolutismus, Königstein / Taunus 2000; Dade, Eva K., Die Mätresse und die Diplomatie. Madame de Pompadour in den Außenbeziehungen der französischen Krone (1745–1764) (Externa, Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven, 2), Köln / Weimar / Wien 2010. 21 Vgl. grundlegend Luhmann, Niklas, Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin 51994, insbesondere 73 ff. und 283 ff. 22 Butz, Reinhardt / Hirschbiegel, Jan, Vorwort, in: Informelle Strukturen bei Hof, hrsg. v. dens. (Vita curialis, 2), Berlin / Münster 2009, VII–IX, hier VII. 23 Siehe grundsätzlich Bock, Gisela, Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2000; speziell zum höfischen Kontext: Hirschbiegel Jan / Paravicini, Werner (Hrsg.), Das Frauenzimmer: die Frau bei Hofe in Spätmittelal-
Forschungslage
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terspezifischen Nachteil zumindest teilweise auf24, prinzipiell waren sie jedoch von politischen Ämtern ausgeschlossen und mussten bei ihrer politischen Partizipation auf Sichtbarkeit verzichten. Als Königinnen25, Regentinnen26 und höfische Amtsträgerinnen27 übten Frauen jedoch durchaus formale Herrschaft aus. Eine feste Koppelung der Kategorien „Geschlecht“ und „Formalität“ wäre daher unzulässig, gab es doch gleichermaßen informelle Einflussnahme von Männern wie formale Herrschaft von Frauen. Die Zuordnung weiblicher Einflussnahme zum Bereich des Informellen und Verdeckten geht auf eine Interpretation Elias’ zurück: Der Autor schrieb adeligen Frauen zwar einen indirekten machtpolitischen Einfluss zu, hätten sie am Hofe doch größere Macht als in irgendeiner anderen Formation der Gesellschaft gehabt. Allerdings hätten sie diesen Einfluss lediglich in Form von Intrigen, also auf einer dysfunktionalen Ebene des Herrschaftssystems, ausüben können28. Die politischen Funktionen von Frauen konnten jedoch für den höfischen Kontext in vielerlei Hinsicht nachgewiesen werden29. ter und Früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Dresden, 26.–29. September 1998, Sigmaringen 2000. 24 Siehe bspw. Wiesner, Merry E., Women and Gender in Early Modern Europe, Cambridge 1995, 241; Arndt, Johannes, Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Selbstbehauptung gegenüber männlicher Dominanz im Reichsgrafenstand des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Vierteljahreszeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 77 (1990), 153–174, 173. 25 Siehe bspw. Cosandey, Fanny, La reine de France. Symbole et pouvoir. XVe-XVIIIe siècle, Paris 2000; Jansen, Sharon L., The Monstrous Regiment of Women. Female Rulers in Early Modern Europe, New York u.a. 2002; Schulte, Regina, Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500 (Campus Historische Studien, 31), Frankfurt a. M. 2002; Campbell-Orr, Clarissa, Queenship in Europe 1600–1815. The Role of the Consort, Cambridge 2004. 26 Siehe die Untersuchungen von Puppel, Pauline, Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen. 1500–1700 (Geschichte und Geschlechter, 43), Frankfurt a. M. 2004; Crawford, Katherine, Perilous Performances. Gender and Regency in Early Modern France, Cambridge (Massachusetts) 2004. 27 Siehe Keller, Katrin, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien 2005. 28 Vgl. Opitz, Claudia, Zwischen Macht und Liebe. Frauen und Geschlechterbeziehungen in Norbert Elias’ Höfischer Gesellschaft, in: Zivilisierung des weiblichen Ich, hrsg. v. Gabriele Klein / Katharina Liebsch, Frankfurt a. M. 1997, 77–99, 82. 29 In Auswahl: Kettering, Sharon, The Patronage Power of Early Modern French Noblewomen, in: The Historical Journal 32 (1989), 817–841; Chapman, Sara, Patronage as Family Economy: The Role of Women in the Patron-Client Network of the Phélypeaux de Pontchartrain Family. 1670–1715, in: French Historical Studies 24/1 (2001), 11–35; Horowski, Leonhard, Das Erbe des Favoriten. Minister, Mätressen und Günstlinge am Hof Ludwigs XIV., in: Der Fall des Günstlings: Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, hrsg. v. Werner Paravicini, Ostfildern 2004, 77–125.
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Einleitung
Die Diskussion um die Hierarchie der Geschlechter war in der von Ungleichheiten strukturierten frühneuzeitlichen Gesellschaft allgegenwärtig, inbesondere in der Querelle des femmes30. Die jeweilige Ausrichtung der Querelle-Texte muss jedoch als „Barometer sozialer Spannungen und Konflikte“31 verstanden werden. Dieselben Stereotypen, mit denen im 17. und 18. Jahrhundert weiblicher Einfluss diskreditiert wurde, finden auch heute noch Eingang in den historiographischen Diskurs32. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins sollen im Folgenden vor dem Hintergrund der „interhöfischen“ Beziehungen zwischen Versailles und Madrid betrachtet werden. In der frühneuzeitlichen Fürstengesellschaft (société des princes)33 waren innen- und außenpolitische Angelegenheiten nicht zu trennen. Seit der Dekonstruktion des Absolutismusbegriffs hat sich auch das Verständnis frühneuzeitlicher Außenpolitik gewandelt: Außenbeziehungen in der Frühen Neuzeit werden heute nicht mehr als Verbindungen zwischen in sich geschlossenen Staatswesen betrachtet34. Stattdessen werden stärker die Interaktionen und Interdependenzen einer Vielzahl von Akteuren in den Blick genommen35. Für frühneuzeitliche Verhältnisse bietet es sich daher an, anstelle von „Außenpolitik“ von „Außenbeziehungen“ bzw. „Außenverflechtung“ zu sprechen: Damit ist die Gesamtheit aller bestehenden Beziehungsstränge
30 Zur Querelle des femmes siehe etwa Opitz, Claudia, Gleichheit der Geschlechter oder Anarchie? Zum Gleichheitsdiskurs in der Querelle des Femmes und in der politischen Theorie um 1600, in: Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne. Die Querelles des femmes, hrsg. v. Gisela Engel (Kulturwissenschaftliche Gender Studies, 6), Königstein / Taunus 2004, 307–329. 31 Opitz, Claudia, Streit um die Frauen? Die frühneuzeitliche „Querelle des femmes“ aus sozial- und frauengeschichtlicher Sicht, in: Historische Mitteilungen 8 (1995), 15–27, hier 27. 32 Etwa wenn Lucien Bély die Handlungsmöglichkeiten von Frauen auf ihre erotischen Beziehungen reduziert: Bély, Lucien, Espions et ambassadeurs au temps de Louis XIV, Paris 1992, 175. 33 Diesen Begriff prägte Bély, Lucien, La société des princes. XVIe–XVIIIe siècle, Paris 1999. 34 Ein Überblick zum Forschungsstand findet sich bei von Thiessen, Hillard, Diplomatie und Patronage: die spanisch-römischen Beziehungen 1605–1621 in akteurszentrierter Perspektive, Epfendorf 2010, 4–27; Heidrun Kugeler / Christian Sepp / Georg Wolf (Hrsg.), Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, 3), Hamburg 2006, 9–35. 35 Zum akteurszentrierten Ansatz siehe insbesondere von Thiessen, Hillard, Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Diplomaten, in: ders. / Windler, Außenbeziehungen, 471–503, insbesondere 475–477.
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zwischen zwei Herrschaftsverbänden gemeint36. Wolfgang Reinhard, der die network analysis unter dem Begriff „Verflechtung“ in die deutschsprachige Forschung eingebracht hat37, bezeichnet den Einsatz solcher informeller, persönlicher Beziehungen zu politischen Zwecken als „Mikropolitik“38. Diese Beziehungen seien in erster Linie durch Patronageverhältnisse strukturiert gewesen, also durch gegenseitige, relativ dauerhafte und persönliche Beziehungen, die auf materiellem und symbolischem Gabentausch beruhen39. Der mikropolitische Ansatz wurde erst in jüngerer Zeit auf diplomatiegeschichtliche Fragen angewendet40. Auch im Bereich der Außenbeziehungen muss der Blick sowohl auf die formalen, als auch auf die informellen Einflussmöglichkeiten der einzelnen 36 „Außenverflechtung ist dann die praktische Umsetzung der auswärtigen Beziehungen, die sich in zahlreichen Beziehungssträngen zwischen soziopolitischen Einheiten bzw. Personen äußert.“ Von Thiessen, Patronage, 18; ders., Überlegungen, 477. 37 Programmatisch hierzu: Reinhard, Wolfgang, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen: römische Oligarchie um 1600 (Schriften der Philosophischen Fachbereiche der Universität Augsburg, 14), München 1979. 38 Reinhard, Wolfgang, Amici e creature. Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 76 (1996), 308–334. Der Begriff „Mikropolitik“ impliziert allerdings die Scheidung zwischen einer personellen Mikro- und einer überpersonellen Makroebene. Der enge Zusammenhang der beiden Ebenen ist jedoch evident und wurde meist ohnehin nicht als Dichotomie verstanden. Vgl. Greyerz, Kaspar von, Einführung, in: Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. dems. (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, 68), München 2007, 1–12, hier 1. 39 Reinhard zufolge fällt unter Patronage „jeder dyadische, interpersonale Kontakt formellen oder informellen Charakters, durch den eine Person P, der ‚Patron‘, aufgrund ihrer größeren Chancen einer anderen Person C, dem ‚Klienten‘, relativ dauerhaften Schutz gewährt.“ Reinhard, Freunde und Kreaturen, 38 f. – Patronage ist als „die politische Kultur des frühneuzeitlichen Europa“ bezeichnet worden: Emich, Birgit / Reinhardt, Nicole / von Thiessen, Hillard / Wieland, Christian, Stand und Perspektiven der Patronageforschung. Zugleich eine Antwort auf Heiko Droste, in: Zeitschrift für Historische Forschung 32 (2005), 233–265. 40 Vgl. die Beiträge in Reinhard, Wolfgang (Hrsg.), Römische Mikropolitik unter Papst Paul V. Borghese (1605–1621) zwischen Spanien, Neapel, Mailand und Genua, Tübingen 2004; Windler, Christian, La diplomatie comme expérience de l’Autre. Consuls français au Maghreb (1700–1840), Genf 2002; von Thiessen, Hillard / Windler, Christian, Nähe in der Ferne. Personale Verflechtung in den Außenbeziehungen der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft, 36), Berlin 2005; Droste, Heiko, Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert, Berlin u.a. 2006; Wieland, Christian, Fürsten, Freunde, Diplomaten: die römisch-florentinischen Beziehungen unter Paul V. (1605–1621), Köln u.a. 2004; Metzler, Guido, Französische Mikropolitik in Rom unter Papst Paul V. Borghese (1605–1621) (Schriften der Phi-
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Akteure gerichtet werden. In der vorliegenden Studie werden neben den personalen Bindungen der beiden Frauen auch diejenigen der wichtigsten höfischen Akteure in Versailles und Madrid – Hofadel, Minister sowie Herrscher – in den Blick genommen: formale und informelle „Kanäle“ gleichermaßen. „Geschlecht“ als Kategorie der Diplomatiegeschichte Hinsichtlich der Frage nach der Relevanz des Geschlechts frühneuzeitlicher außenpolitischer Akteure weisen auch neuere Ansätze blinde Flecken auf. Auf die Bedeutung weiblicher Akteure im Bereich der frühneuzeitlichen Außenbeziehungen wurde zwar bereits hingewiesen41, und vereinzelte Fallbeispiele lassen hier ein Forschungsdefizit vermuten42. Katrin Keller bezieht sich allerdings fast ausschließlich auf Königinnen und Regentinnen, also Frauen, die eine formale Herrschaft innehatten43 – eine Einschränkung, die nicht notwendig ist. So konstatiert Nicole Reinhardt, dass Frauen ihre Beziehungsnetze in allen europäischen Gesellschaften des Ancien Régime zur Verfolgung ihrer dynastischen und politischen Interessen nutzten44. Auch Madeleine Haehl bezeichnet das Beispiel einer Kammerdame, die als Informantin der französischen Krone fungierte, als „völlig charakteristisch für die Gebräuche der Zeit“45. Eva Kathlosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 45), Heidelberg 2008; von Thiessen, Patronage. 41 Erstmals wurden informelle Beziehungskanäle von Frauen auf dem Feld der Außenpolitik untersucht von Sánchez, Magdalena S., The Empress, the Queen, and the Nun: Women and Power at the Court of Philip III of Spain, Baltimore 1998. Von Thiessen hat darauf hingewiesen, dass am spanischen Hof Frauen mitunter eigene außenpolitische Beziehungskanäle unterhielten und diese teils in Ergänzung, teils aber auch in Konkurrenz zur den „offiziellen“ Kanälen nutzten: Von Thiessen, Hillard, Außenpolitik im Zeichen personaler Herrschaft. Die römisch-spanischen Beziehungen in mikropolitischer Perspektive, in: Römische Mikropolitik unter Papst Paul V. Borghese (1605–1621) zwischen Spanien, Neapel, Mailand und Genua, hrsg. v. Wolfgang Reinhard, Tübingen 2004, 21–177, hier 160 ff. 42 Für weitere Beispiele von Frauen, die in frühneuzeitlichen Außenbeziehungen politisch tätig waren, wird auf die Schlussbetrachtung dieser Arbeit verwiesen. 43 Vgl. Keller, Katrin, Mit den Mitteln einer Frau: Handlungsspielräume adliger Frauen in Politik und Diplomatie, in: von Thiessen / Windler, Akteure der Außenbeziehungen, 219–244. 44 Reinhardt, Nicole, Les relations internationales à travers les femmes au temps de Louis XIV, in: Revue d’Histoire Diplomatique 3 (2003), 193–230, hier 230. 45 Es handelt sich um das Beispiel der Dame Vantelet, der ersten Kammerdame der Königin Henriette Marie, die für ihre Informationen eine königliche Pension erhielt. Dies sei tout à fait caractéristique de ces usages gewesen. Haehl, Madeleine, Les affaires étran-
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rin Dade hat jüngst die tragende Rolle der Mätresse Ludwigs XV. im Bereich der Diplomatie als Ausdruck der politischen Kultur des Ancien Régime herausgestellt46. Doch die Frage nach der Bedeutung der Kategorie „Geschlecht“ für die Struktur und Aufgabenverteilung in frühneuzeitlichen Außenbeziehungen ist meines Erachtens noch nicht hinreichend beantwortet worden. Als analytische Kategorie ist „Geschlecht“ nach der mittlerweile klassischen Definition von Joan W. Scott „ein konstitutives Element von gesellschaftlichen Beziehungen und gründet auf wahrgenommenen Unterschieden zwischen den Geschlechtern; [...].“47 Nicht überlesen werden darf das Partizip „wahrgenommen“, lenkt es doch das Augenmerk auf die diskursiven Konstruktionsprozesse der Geschlechterordnung. Geschlechtstypisierungen sind immer sozial konstruiert und somit kulturelle Produkte einer Gesellschaft. Für die Formierung der Moderne hat die Geschlechterdifferenz eine konstitutive Rolle gespielt48: Politische Theorie und Konzepte wie Vernunft und Rationalität beruhen ebenso auf der Vorstellung einer Geschlechterpolarität49 wie die Vorstellung von Nation auf der Trennung einer öffentlich-männlichen und einer privat-weiblichen Sphäre50. Die Dichotomie von öffentlich und privat wurde erst von der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts etabliert: Sie stellt der „männlich codierte[n] Öffentlichkeit [eine] weiblich markierte Privatsphäre“51 gegenüber. Die Theorie dieses Strukturwandels basiert
gères au temps de Richelieu: le secrétariat d’État, les agents diplomatiques (1624–1642), Bruxelles u.a. 2006, 296. 46 Vgl. Dade, Pompadour. 47 „[...] a constitutive element of social relationship based on perceived differences between the sexes; [...].“ Scott, Joan W., Gender: A Useful Category of Historical Analysis, in: The American Historical Review 91/5 (1986), 1053–1075. 48 Eine vorzügliche Einführung in die Feministische Geschichtswissenschaft bietet Griesebner, Feministische Geschichtswissenschaft. 49 Bruns, Claudia / Lenz, Claudia, Zur Einleitung, in: Männlichkeiten, Gemeinschaften, Nationen. Historische Studien zur Geschlechterordnung des Nationalen, hrsg. v. Claudia Lenz, Opladen 2003, 9–21, hier 9. Vgl. auch List, Elisabeth, Homo politicus – femina privata? Thesen zur Kritik der politischen Anthropologie, in: Die Präsenz des Anderen. Theorie und Geschlechterpolitik, Frankfurt a. M. 1993, hrsg. v. ders., 155–173. 50 Planert, Ute, Vater Staat und Mutter Germania: Zur Politisierung des weiblichen Geschlechts im 19. und 20. Jahrhundert, in: Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, hrsg. v. ders., Frankfurt a. M. / New York 2000, 15–65, hier 48. 51 Opitz, Claudia, Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung: Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Münster 2002, 17.
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im Wesentlichen auf den Arbeiten von Jürgen Habermas52. Die Französische Revolution wurde in diesem Zusammenhang als Katalysator interpretiert, denn der Wegbruch der höfischen Aufstiegskanäle habe entscheidend dazu beigetragen, dass Frauen von der Teilhabe an der Macht in zunehmendem Maße ausgeschlossen wurden53. Dagegen wird heute eingewendet, dass dieser Prozess weder gradlinig verlief noch auf das 18. Jahrhundert beschränkt werden kann54. In jedem Fall sollte jedoch die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit nicht in die Vormoderne zurückprojiziert werden55. Im 18. Jahrhundert wandelte sich auch die Wahrnehmung der Geschlechter, ein Prozess, den Karin Hausen als „Polarisierung der Geschlechtercharaktere“56 bezeichnet hat. Männer und Frauen wurden zunehmend als gegensätzliche Pole beschrieben: aktiv-passiv, rational-emotional, vernünftig-irrationell, autonomabhängig. Es entstand ein sich selbst reproduzierendes System der Geschlechterordnung, in dem eine Arbeits- und Funktionenteilung selbstverständlich war. Damit wurde, was eigentlich historisch und kulturell hervorgebracht war, als Ausdruck der menschlichen Natur wahrgenommen. Die höfische Gesellschaft des 17. und frühen 18. Jahrhunderts kannte jedoch die antithetische Konstruktion von männlich und weiblich noch nicht in dieser Absolutheit57. 52 Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 102006 (erste Ausgabe: 1962). 53 Siehe hierzu etwa Landes, Joan B., Women and the Public Sphere in the Age of the French Revolution, Ithaca 1988. 54 Siehe zur Kritik an Habermas’ Konzept bspw. Bosse, Heinrich, Die gelehrte Republik, in: „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert, hrsg. v. Hans-Wolf Jäger, Göttingen 1997, 51– 76; Gestrich, Andreas, Absolutismus und Öffentlichkeit: politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 103), Göttingen 1994, 238. Behringer zufolge wird die Habermas’sche Theorie des Strukturwandels „weder in theoretischer noch in inhaltlicher Hinsicht zu retten sein“. Behringer, Wolfgang, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, München 2003, 672. 55 Siehe in Auswahl: Hausen, Karin, Öffentlichkeit und Privatheit. Gesellschaftspolitische Konstruktionen und die Geschichte der Geschlechterbeziehungen, in: Frauengeschichte – Geschlechtergeschichte, hrsg. v. ders. / Heide Wunder (Geschichte und Geschlechter, 1), Frankfurt a. M. / New York 1992, 81–88, hier 85; Wunder, Heide, Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Frauen in der Geschichte des Rechts: von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, hrsg. v. Ute Gerhard, München 1997, 27–54, 31. 56 Vgl. Hausen, Karin, Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerb- und Familienleben, in: Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, hrsg. v. Wolfgang Conze, Stuttgart 1976, 363–393. 57 Bspw.: Griesebner, Andrea / Lutter, Christina (Hrsg.), Die Macht der Kategorien. Perspektiven historischer Geschlechterforschung (Wiener Zeitschrift zur Geschichte der
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Thomas Laqueur hat den Zusammenhang zwischen der zeitgenössischen biologischen und sozialen Definition der Geschlechter aufgezeigt. Hier und da waren die Grenzen eher fließend: Naturwissenschaftlich wurde die Frau als „fehlerhafter Mann“, als „zweites Geschlecht“ begriffen, das jedoch nicht grundsätzlich von dem des Mannes verschieden ist – eine Vorstellung, die erst durch das polarisierende Denken des späten 18. Jahrhunderts abgelöst wurde58. Ein solcher Befund eines „sowohl als auch“ anstelle eines „entweder oder“ korreliert in auffälliger Weise mit den Ergebnissen der Forschung zu frühneuzeitlichen Normen im Allgemeinen: Hier wurde die Vielfalt und Gleichzeitigkeit sich widersprechender Normen beobachtet und eine höhere Akzeptanz solcher Widersprüche als in der Moderne festgestellt59. Geschlechtergeschichtliche Studien kommen daher immer wieder zu dem Ergebnis, die Rollenverteilung sei vielschichtiger und komplexer als es der einfache Gegensatz von männlich und weiblich suggeriert60. Weibliche und männliche Akteure konstruierten demnach ihr gender aus verschiedenen Rollenangeboten und -zwängen. Es gilt, diese unterschwelligen Implikationen von Geschlecht zu ermitteln. Daher soll im Folgenden nicht nach dem „weiblichen“ Aspekt der Einflussnahme der beiden Frauen gefragt werden, sondern vielmehr danach, ob und wie die Kategorie Geschlecht in den Quellen in Erscheinung tritt. Da Geschlecht alle Ebenen der sozialen Realität durchzieht, kann es als „(mehrfach) relationale Kategorie“61 zum Schlüssel für die Deutung historischer Ereignisse und Prozesse werden – in Kombination mit anderen Kategorien wie Klasse, Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, Alter oder Konfession. Anschaulich verdeutlicht diese Interdependenzen ein Bild, das Michaela Hohkamp vorgeschlagen hat, nämlich die verschiedenen relevanten Analysekategorien als in eiNeuzeit, 2), Wien 2002; Held, Jutta, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte und Friedensforschung, in: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Klaus Garber, München 2001, 319–333, hier 325. 58 Vgl. Laqueur, Thomas, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt a. M. 1992. 59 Bspw.: von Thiessen / Karsten, Einleitung, in: Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, Göttingen 2006, hrsg. v. dens., 7–17, hier 12; Engels, Jens Ivo, Korruption in der Moderne, Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 282 (2006), 313–350; Reinhardt, Volker, Normenkonkurrenz an der römischen Kurie, in: Werte und Symbole im Frühneuzeitlichen Rom, hrsg. v. Günther Wassilowsky / Hubert Wolf, Münster 2005, 51–65, insbesondere 58 f. 60 Vgl. bspw. Dinges, Martin, „Weiblichkeit“ in „Männlichkeitsritualen“. Zu weiblichen Taktiken im Ehrenhandel in Paris im 18. Jahrhundert, in: Francia 18/2 (1991), 71–98, hier 98. 61 Griesebner, Andrea / Lutter, Christina, Mehrfach relational: Geschlecht als soziale und analytische Kategorie, in: Die Macht der Kategorien, hrsg. v. Andrea Griesebner, Wien 2002, 3–5.
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nem Kaleidoskop angeordnet zu begreifen: In der Beschreibung einer konkreten historischen Situation kann dann eine oder können mehrere Kategorien als primär ausschlaggebend hervortreten, während andere in den Hintergrund rücken, ohne dabei völlig zu verschwinden62. So kann die historische Bedeutung der Kategorie jeweils neu eruiert werden, bis hin zur Möglichkeit, Geschlecht als bedeutungslos zu konzipieren63. Dieser flexible und situationsangepasste Umgang mit Analysekategorien ermöglicht es meines Erachtens, die Balance zwischen den für methodische Entscheidungen zwangsläufig zu treffenden Vorannahmen und dem „kreativen Recht“ der Quellen zu halten. Briefe als historische Quellen Die wichtigste Quellengrundlage der vorliegenden Arbeit stellen Korrespondenzen dar, die während des Untersuchungszeitraumes von 1700 bis 1715 zwischen dem französischen und dem spanischen Hof geführt wurden. Briefe als historische Quellen zu nutzen, ist heute sicherlich kein Forschungsdesiderat mehr64. Lange Zeit wurde der Brief in der Geschichtswissenschaft jedoch stiefmütterlich behandelt, da er der Sphäre des Privaten zugeordnet wurde65. Als „Ego-Dokumente“66
62 Hohkamp, Michaela, Im Gestrüpp der Kategorien: zum Gebrauch von „Geschlecht“ in der Frühen Neuzeit, in: Griesebner, Die Macht der Kategorien, 6–17, hier 7. 63 Vgl. auch Mommertz, Monika, Geschlecht als „tracer“: Das Konzept der Funktionenteilung als Perspektive für die Arbeit mit Geschlecht als analytischer Kategorie in der frühneuzeitlichen Wissenschaftsgeschichte, in: Nonne, Königin und Kurtisane: Wissen, Bildung und Gelehrsamkeit von Frauen in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Michaela Hohkamp / Gabriele Jancke, Königstein 2004, 17–38, hier 21. 64 Ein Forschungsüberblick findet sich bei Boutier, Jean / Landi, Sandro / Rouchon, Olivier, Introduction, in: Politique par correspondance. Les usages politiques de la lettre en Italie (XIVe-XVIIIe siècle), hrsg. v. dens., Rennes 2009, 7–22, hier 8–12. 65 Diese Kategorisierung findet sich aber auch noch in jüngster Zeit: etwa Maurer, Michael, Briefe, in: Aufriss der historischen Wissenschaften, hrsg. v. dems., Bd. 4: Quellen, Stuttgart 2002, 349–372, hier 349. 66 Schulze definiert Ego-Dokumente zusammenfassend als Texte, die Aussagen über die Selbstwahrnehmung eines Menschen in seinem sozialen Umfeld machen und sein Verhältnis zu diesem reflektieren. Vgl. Schulze, Winfried, Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung „Ego-Dokumente“, in: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, hrsg. v. dems. (Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte, 2), Berlin 1996, 11–33, hier 28.
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oder „Selbstzeugnisse“67, die Einblicke in das for privé68 erlauben, wurden insbesondere Briefe von Frauen als reine Privatdokumente verkannt. Die (Literatur-) Wissenschaften schufen durch die Konzeptualisierung von Briefen als „typisch weibliches Genre“ ein weiteres Stereotyp69. Das Schreiben von Briefen sei für Frauen ein „Ersatz“ für literarisches Schaffen, Selbstverwirklichung oder politische Aktivität gewesen70. Bezeichnungen wie the paradoxical nature of letters71 oder die „Janusköpfigkeit“72 der Briefe weisen jedoch darauf hin, dass frühneuzeitlichen Korrespondenzen die Dichotomie von politisch und privat nicht gerecht wird73. Auch im Fall der Madame de Maintenon und der Princesse des 67 Vgl. die engere Definition von „Selbstzeugnissen“ bei von Krusenstjern: „Um ein Selbstzeugnis handelt es sich also dann, wenn die Selbstthematisierung durch ein explizites Selbst geschieht.“ Von Krusenstjern, Benigna, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie. Kultur – Gesellschaft – Alltag 2 (1994), 462–470, hier 463. 68 Vgl. Foisil, Madeleine, L’écriture du for privé, in: Histoire de la vie privée, Bd. 3: De la Renaissance aux Lumières, hrsg. v. Roger Chartier, Paris 1986, 333–369. 69 Niemeyer spricht von einer „Feminisierung des Genres Brief“: Niemeyer, Beatrix, ‘Angenehme Sittenlehrer‘ – Briefe und Weiblichkeit im 18. Jahrhundert. Kritische Anmerkungen zu Norbert Elias, in: Zivilisierung des weiblichen Ich, hrsg. v. Gabriele Klein / Katharina Liebsch, Frankfurt a. M. 1997, 185–205, 203. Vgl. auch Earle, Rebecca, Introduction, in: Epistolary Selves: Letters and Letter-writers. 1600–1945, hrsg. v. ders., Aldershot u.a. 1999, 1–12, hier 6 f.; Zur Kritik an der Sichtweise des 18. Jahrhunderts als „Goldenes Zeitalter“ der Korrespondenzen von Frauen siehe auch Planté, Christine (Hrsg.), L’épistolaire, un genre féminin?, Paris 1998; Runge, Anita / Steinebrügge, Lieselotte, Einleitung, in: Die Frau im Dialog. Studien zu Theorie und Geschichte des Briefes, hrsg. v. dens., Stuttgart 1991, 7–11, hier 8–10. 70 Vgl. etwa Labouvie, Eva, Zur Einstimmung und zum Band, in: Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Kommunikation, hrsg. v. ders., Köln u. a. 2009, 11–31, hier 14; Correspondence and Cultural Exchange in Europe. 1400–1700, hrsg. v. Francisco Bethencourt et al. (Cultural Exchange in Early Modern Europe, 3), Cambridge 2007, 21 f.; Couchman, Jane / Crabb, Ann, Form and Persuasion in Women’s Letters. 1400–1700, in: Women’s Letters across Europe. 1400–1700. Form and Persuasion, hrsg. v. dens., Aldershot 2005, 3–18, hier 5. 71 Couchman / Crabb, Form and Persuasion, 5. 72 Aichholzer, Doris, Briefe adeliger Frauen: Beziehungen und Bezugssysteme. Ein Projektbericht, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 105 (1997), 477–483, hier 478. 73 Darauf weist auch Ruppel hin (75), nimmt dann jedoch wiederum diese Trennung in ihren Beispielen vor (76–80), Ruppel, Zeitalter. Siehe auch die interpretatorischen Probleme Couchmans, wenn sie das blurring of distinctions between public and private spheres ihrer Autorin beschreibt und dass: „[…] their [the letters’, A.d.V.] ‚public‘ and ‚private‘ dimensions are as inextricably linked as the sentences in which they are expressed.“ Couchman, Jane, „Give birth quickly and then send us your good husband“: Informal
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Ursins hat man gefragt, ob ihre Korrespondenz nun privater oder politischer Natur gewesen sei74. Das Medium Brief muss aber gerade im Spannungsverhältnis zwischen individueller und politischer Bedeutung begriffen werden75. Seine Bedeutung wuchs durch die Impulse der Kommunikationsrevolutionen des 16. bis 18. Jahrhunderts stetig. Dank technischer und infrastruktureller Verbesserungen avancierte der Brief zum Kommunikationsmittel und Handlungsinstrument des europäischen Adels schlechthin. In europaweiten Korrespondenzen wurden Netzwerke etabliert und gepflegt sowie Informationen gelehrter, ökonomischer, kultureller oder politischer Natur ausgetauscht76. Zugleich war der Brief Mittel des Kulturtransfers und der höfischen Unterhaltung77. Für das 16. und 17. Jahrhundert kann von umfangreichen Kommunikationsnetzwerken adeliger Frauen ausgegangen werden78, die von der Geschichtswissenschaft bislang nicht in systematischer Weise ausgewertet wurden79. Political Influence in the Letters of Louise de Coligny, in: Couchman, Women’s Letters, 163–184, hier 175 und 177. So konstatiert auch Earle, dass der „private Charakter“ des Mediums Brief ein Mythos und die Trennung in privat und öffentlich eine „künstliche“ sei; vgl. Earle, Introduction, 4 und 7. 74 So sieht Marcel Loyau die Hauptfunktion des Briefwechsels in der Weiterführung der „intimen Freundschaft“ der beiden Frauen: „[E]lles s’écrireraient chaque semaine afin de prolonger la grâce de cette intimité.“ Die politischen Funktionen für den französischen König und die Princesse stellt er als einen Nebeneffekt dar. Vgl. Loyau, Marcel, Préface, in: Correspondance de Madame de Maintenon et de la Princesse des Ursins. 1709: une année tragique, hrsg. v. dems., Paris 2002, 7–53, hier 9; ähnlich schon bei: Baudrillart, Alfred, Rapport sur une mission en Espagne aux archives d’Alcala de Henarés et de Simancas, in: Archives des Missions Scientifiques et Littéraires XV (1889), 1–164, hier 25. 75 Vgl. Mauelshagen, Franz, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs. Für einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der „neuen Zeitungen“, in: Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Johannes Burkhardt, München 2005, 409–425, hier 420. 76 Ruppel, Zeitalter, 68; vgl. auch Boutier, Politique par correspondance, 8f.; Whyman, Susan, Paper visits. The Post-Restoration Letter as seen through the Verney Family Archive, in: Earle, Epistolary Selves, 15–36, hier 16 f. 77 Vgl. Ruppel, Zeitalter, 70; Bethencourt, Correspondence, 9. – Der Aspekt des kulturellen Austauschs wird im Folgenden nur marginal eine Rolle spielen, auch wenn die hier untersuchten Korrespondenzen reichhaltiges Material bieten. 78 Siehe etwa das Projekt der Universität Wien mit dem Ziel, eine Datenbank mit Briefen adeliger Frauen aus dem 16.-18. Jahrhundert zu erstellen; URL: http://www.univie.ac.at/ Geschichte/Frauenbriefe/index.html [Zugriff: 25.10.2011]; dazu: Aichholzer, Briefe adeliger Frauen, 477–483. 79 Zu erwähnen sind jedoch: Couchman / Crabb, Women’s Letters; Daybell, James, Women and Politics in Early Modern England, 1450–1700, Aldershot 2004; Magnusson, Lynne, A Rhetoric of Request: Genre and Linguistic Scripts in Elizabethan Women’s
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Jüngst wurde vorgeschlagen, Korrespondenzen als Instrument der Beeinflussung und Verhandlung und somit als politisches Instrument zu begreifen80: Mittels Korrespondenzen konnten politische Verbindungen geschaffen und bewahrt werden; sie konnten ein Werkzeug sein, das den politischen Handlungsspielraum eines frühneuzeitlichen Herrschers erweiterte. Schließlich boten sie einen Raum, in dem diskutiert, verhandelt und gestritten wurde, in dem sich Praktiken und Repräsentationen, aber auch Standpunkte und Meinungen herausbilden konnten. Im Folgenden soll überprüft werden, ob diese Beobachtung auch auf die Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins zutrifft.
3. Vorgehensweise Quellen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins schrieben sich von Juli 1705 bis Dezember 1715 etwa wöchentlich. Von ihrer Korrespondenz ist nur noch ein Kopienbuch erhalten, das sich heute im Fonds Gualterio in der British Library in London befindet81. Eine kurze Randbemerkung in einem anderen Bestand der British Library, der ebenfalls Kopien einiger Briefe enthält, verweist auf die Herkunft der Originale: „kopiert von den Originalen, Suitors Letters, in: Daybell, Women and Politics, 51–65; Keller, Katrin, Kommunikationsraum Altes Reich. Zur Funktionalität der Korrespondenznetze von Fürstinnen im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung 31 (2004), 205–230; Labouvie, Schwester und Freundinnen; Aichholzer, Doris, Briefe adeliger Frauen: Beziehungen und Bezugssysteme. Ein Projektbericht, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 105 (1997), 477–483. 80 Vgl. Boutier / Landi / Rouchon, Introduction, insbesondere 17–19; ähnlich auch Bethencourt, Correspondence. 81 British Library, Additional Manuscripts, vol. 20918–20920. Von Januar 1705 bis Mai 1706 liegen nur die Briefe der Princesse, von November 1706 bis Januar 1707 sowie von Januar 1710 bis Mai 1714 nur diejenigen von Madame de Maintenon vor. Aus den Briefen geht jedoch deutlich hervor, dass der Austausch beidseitig war. Ort und Datum werden fast immer aufgeführt: Madame de Maintenon schreibt meist aus Versailles oder St. Cyr – gegebenenfalls auch aus Marly, wo der Hof sich immer wieder längere Zeit aufhielt, oder aus Fontainebleau, wo die Gesellschaft den August und einen Teil des September zu verbringen pflegte. Die Princesse verfasste ihre Briefe meist im Alcázar in Madrid, von August bis November im Palacio del Buen Retiro oder ausnahmsweise in Burgos (Exil im Jahr 1706) oder im Pardo (nach dem Rückzug des Königs im Jahr 1714).
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geschickt vom Duca Lanti an Sr. J. Gray und von Sr. J. Gray an mich“82. Verfasst wurde diese Notiz vermutlich von Kardinal Filippo Antonio Gualterio83. Bei Alessandro de Lanti84 handelt es sich um einen Neffen der Princesse des Ursins, bei Sr. J. Gray höchstwahrscheinlich um einen Diplomat und Antiquar namens Sir James Gray85. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass es sich um Kopien der Originalbriefe aus dem 18. Jahrhundert handelt. Die vorliegende Arbeit basiert auf diesen Beständen aus der British Library sowie für das Jahr 1709 auf einer Edition aus dem Jahr 200286. Die Edition der Brüder Bossanges von 1826, die üblicherweise zitiert wird, weist im Vergleich mit der Londoner Abschrift zahlreiche Ungenauigkeiten auf87. Die Beziehungen frühneuzeitlicher Höfe wurden durch parallel verlaufende Korrespondenzen gestaltet und gesichert: Korrespondenzen zwischen Amtsträgern, Herrschern und Höflingen beiderlei Geschlechts. Um den Briefwechsel der beiden Frauen zu kontextualisieren, wurden diese Korres82 „Letters of Madame Maintenon to the Princesse des Ursins - copied from the originals sent by Duca Lanti to Sr. J. Gray to by Sr. J. Gray to me.“ BL Add. Ms. 34727, f. 235. Die Bemerkung steht zu Beginn von vier Briefen, die sich in exakter Übereinstimmung auch in Add. Ms. 20918 finden lassen. 83 Filippo Antonio Gualterio (* 1660, † 1728): 1700–1706 Nuntius in Frankreich; 1706 Kardinal; als Kronkardinal von England und Schottland war er ein enger Berater der Stuarts. 84 Vgl. Désos, Catherine, L’entourage français de Philippe V d’Espagne (1700–1724). Étude d’une société de cour dans le premier quart du XVIIIème siècle, (Univ. Diss.) [Straßburg, 2007], 735. 85 James Gray (* 1708, † 1773): seine diplomatische Laufbahn brachte ihn unter anderem nach Genua und Neapel und gipfelte 1767 im Botschafterposten in Madrid. Vgl. Cust, L. H., „Gray, Sir James, second baronet (1708–1773)“, rev. S. J. Skedd, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford 2004, online edition, Jan. 2008, URL: http://www. oxforddnb.com/view/article/11340 [Zugriff 27.10.2009]. 86 Correspondance de Madame de Maintenon et de la princesse des Ursins. 1709: une année tragique, hrsg. v. Marcel Loyau, Paris 2002. 87 So beziehen sich die Brüder Bossange in ihrer Edition von 1826 auf eine Kopie der Briefe, die im Auftrag des Duc de Choiseul angefertigt und im Familienarchiv der Choiseul aufbewahrt sein sollte. Von dieser Edition entstand ein Jahr später eine englische Übersetzung: Lettres inédites de Madame de Maintenon et de la Princesse des Ursins, hrsg. v. Frères Bossange, 4 Bde., Paris 1826; The Secret Correspondance of Madame de Maintenon with the Princesse des Ursins from the original documents in the possession of the duc de Choiseul, 3 Bde., London 1827. Die Fehler der BossangeEdition wurden unter anderen von Geffroy nachgewiesen: Maintenon I (Geffroy), Introduction, LXXIV und 83. Cermakian geht davon aus, dass Bossange nicht die Kopien der BL verwendet hat, Cermakian, La Princesse, 644. Eigene Stichproben konnten diesen Befund bestätigen.
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pondenzen zwischen Versailles und Madrid in die Analyse einbezogen88. Für einen Abgleich mit dem Briefwechsel der beiden Frauen ist an erster Stelle die Korrespondenz des französischen Botschafters in Madrid mit Ludwig XIV. bzw. mit dem Staatssekretär für Auswärtiges zu nennen89. Seit dem frühen 17. Jahrhundert war es üblich, dass der Botschafter jeweils parallel einen Bericht für den König und einen für den Staatssekretär verfasste90. Im Untersuchungszeitraum hatten nacheinander sieben Personen das Amt des Botschafters in Madrid inne; weitere elf Personen vertraten den französischen König als Gesandte oder wurden mit einer bestimmten, zeitlich begrenzten Mission betraut91. Ihre Briefe sind in ganz unterschiedlichem Maße informativ, je nach der jeweiligen persönlichen Vernetzung und den spezifischen Aufgaben des Verfassers. Des Weiteren wurden die Instruktionen berücksichtigt, die der Herrscher bzw. der zuständige Staatssekretär für den Gesandten zu Beginn seiner Mission verfasste92. Dem Neuling werden darin ein Überblick über die politischen und sozialen Gegebenheiten seines zukünftigen Arbeitsorts vermittelt sowie
88 Siehe Kapitel I.3.2. (Die Korrespondenzen zwischen Versailles und Madrid) und das Verzeichnis der veröffentlichen Quellen im Anhang. 89 Diese Korrespondenzen befinden sich in den Beständen des Archives des Affaires Étrangères (Paris): MAE CP Espagne, Vol. 83–248 (1700–1715). Kopien ausgewählter Briefwechsel finden sich in den Archives Nationales in Paris und im Archivo Histórico National in Madrid. Publiziert wurde nur eine Auswahl: siehe das Verzeichnis der veröffentlichten Quellen im Anhang. 90 Tischer, Anuschka, Französische Diplomatie und Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongress. Außenpolitik unter Richelieu und Mazarin (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, 29), Münster 1999, 52. 91 Vgl. Bittner, Ludwig / Groß, Lothar (Hrsg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648), Band I (1648–1715), Oldenburg / Berlin 1936, 239 f. Siehe auch die Liste in Kapitel I.3.2.1. (Le canal ordinaire: der „ordentliche“ Weg). 92 Die Instruktionen wurden vom Staatssekretär vorbereitet, vom Herrscher unterschrieben und von Ersterem gegengezeichnet. Vgl. Baillou, Jean, Les affaires étrangères et le corps diplomatique français, 2 Bde., Paris 1984, Bd. 1: De l’Ancien Régime au Second Empire, 225. Die für diesen Zusammenhang interessanten Instruktionen befinden sich in der Correspondance Politique der Archivbestände des französischen Außenministeriums. Sämtliche Botschafterinstruktionen der französischen Herrscher zwischen dem Westfälischen Frieden und der Französischen Revolution liegen in edierter Form vor: Morel-Fatio, Alfred (Hrsg.), Recueil des Instructions donnés aux ambassadeurs et ministres de France depuis les Traités de Westphalie jusqu’à la Révolution Française, Paris 1884–1912, 19 Bde., Bd. 12 (Espagne, 2: 1701–1722), Paris 1898.
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grundsätzliche Weisungen mitgeteilt93. Sie haben somit einen „seminormativen Charakter“94. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins unterhielten selbst auch noch weitere Briefwechsel mit Herrschern, Höflingen und Hofdamen, militärischen Befehlshabern und Kirchenmännern europäischer Höfe95, von denen hauptsächlich jene aus dem Untersuchungszeitraum von 1700 bis 1715 ausgewertet wurden. Neben den Korrespondenzen, die das Hauptquellenmaterial für diese Studie bilden, wurde zeitgenössische Traktatliteratur zum Amt des Botschafters bzw. zur Kunst der Verhandlung herangezogen. So konnten Normund Wertvorgaben mit den Vorstellungen der Akteure in Bezug gesetzt werden96. Aus demselben Grund floss auch eine Auswahl von Schriften der Querelle des femmes in die Auswertung ein97. Als aufschlussreich erwies sich 93 Jaitner, Klaus (Hrsg.), Die Hauptinstruktionen Clemens’ VIII. für die Nuntien und Legaten an den europäischen Fürstenhöfen. 1592–1605, Tübingen 1984, 33. 94 Von Thiessen, Patronage, 32. Hauptinstruktionen, die in Teilen für die Öffentlichkeit bestimmt waren, können als normativ gelten, während die geheimen Nebeninstruktionen stärker auf die gesandtschaftliche Praxis und weniger auf Repräsentation zielten. 95 Siehe das Verzeichnis der unveröffentlichten Quellen im Anhang. Marc Bryant zufolge wurden Maintenons „intimste Briefe“ entweder 1713/14 oder kurz vor ihrem Tod 1719 zerstört. Die übrigen seien in St. Cyr aufbewahrt worden. Etwa zwei Drittel seien ediert worden. Vgl. Bryant, Marquise, 14. Von den Briefen beider Frauen existieren zahlreiche kritische Editionen, die zum Teil für die Untersuchung herangezogen wurden. Siehe die vollständige Auflistung der Briefeditionen (auch der fehlerhaften) im Verzeichnis der veröffentlichten Quellen. Zur Kritik der Editionen siehe auch Baudrillart, Alfred, Philippe V et la cour de France, Bd. 1: Philippe V et Louis XIV. 1700–1715, Paris 1889, 29; Bryant, Marquise, 14–19, sowie Bray, Bernard, Madame de Maintenon épistolière: l’image des manuels éducatifs, in: Niderst, Albineana I, 245–256. 96 Hotman, François, L’ambassadeur (1602); Vera y Zuñiga, Don Juan Antonio de: El enbaxador (1620); Wicquefort, Abraham de, L’Ambassadeur et ses fonctions (1681); Rousseau de Chamoy, Louis, L’Idée du parfait ambassadeur (1697); de Callières, François, De la manière de négocier avec les souverains (1716), von Moser, Carl Friedrich, L’Ambassadrice et ses droits, (1754); siehe das Verzeichnis der veröffentlichten Quellen im Anhang. 97 Hierdeis, Irmgard, „Die Gleichheit der Geschlechter“ und „Die Erziehung der Frauen“ bei Poullain de la Barre (1647–1723), Frankfurt a. M. u.a. 1993. Vgl. hierzu Opitz, Claudia, Staatsräson kennt kein Geschlecht. Zur Debatte um die weibliche Regierungsgewalt im 16. Jahrhundert und ihrer Bedeutung für die Konzipierung frühneuzeitlicher Staatlichkeit, in: Indifferenz gegenüber Differenzen (Feministische Studien, 2/2005), 228–241. Zur geschlechtergeschichtlichen Dimension bei Hobbes und Bodin vgl. Opitz, Claudia, „Gleichheit der Geschlechter oder Anarchie? Zum Gleichheitsdiskurs in der Querelle des Femmes in der politischen Theorie um 1600“, in: Engel, Geschlechterstreit, 307–329.
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zudem die Analyse zeitgenössischer Lexika bzw. einsprachiger Wörterbücher (dictionnaires)98. Einen fremden und daher mitunter unabhängigeren Blick auf den Hof bieten die Berichte auswärtiger Gesandter. Nach venezianischem Modell verfassten die Botschafter jeweils am Ende ihres Aufenthalts am fremden Hof eine Art Abschlussbericht (relation), der einerseits eine Zusammenfassung (und damit auch Rechtfertigung) ihrer Beobachtungen und Betätigungen darstellte und andererseits ihrem Nachfolger zur Vorbereitung diente. Für die vorliegende Untersuchung wurden – sofern ediert – die Relationen über den französischen und spanischen Hof einbezogen99. Zeitgenössische Hofmemoiren bieten einerseits eine Fülle von Informationen zum höfischen Alltag. Andererseits zeigt sich in ihnen, wie Normvorstellungen und politische Praxis in der Darstellung zusammenfließen konnten – und zwar mitunter deutlicher als in den Korrespondenzen, die zeitnahere Absichten verfolgen. Daher müssen der Zeitpunkt der Niederschrift und die soziale Position des Autors ebenso berücksichtigt werden wie die Tatsache, dass sie mit den verwendeten Stereotypen und Topoi in einer bestimmten literarischen Tradition standen100. Die Auswahl unterschiedlicher Quellengattungen aus einem einheitlichen Zeitraum verspricht einen vielschichtigen Blick in die alltägliche Praxis einerseits und die Norm- und Wertvorstellungen der Akteure andererseits. Keine der genannten Gattungen kann dabei eindeutig als Dokumentation politischer Praxis oder als normative Darstellung gesehen werden, da praktisches Han98 Dictionnaire de l’Académie, première édition, Paris 1694, URL: http://visualiseur. bnf.fr/ark:/12148/bpt6k503971; Dictionnaire de l’Académie, troisième édition, Paris 1740, URL: http://visualiseur.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k50401f; Dictionnaire universel, par Antoine Furetière, Paris 1690, URL: http://visualiseur.bnf.fr/ark:/12148/ bpt6k50614b; Zedlers Universalexicon, 1731–1754, URL: http://www.zedler-lexikon. de/. Mittels eines diachronen Vergleichs kann gegebenenfalls der schriftliche Niederschlag eines Werte- und Normenwandels festgemacht werden. 99 Für den französischen Hof wurden die Relationen der Nuntien Angelo Ranuzzi, Primi Visconti und Benjamin Priolo, der venezianischen Gesandten Girolamo Venier, Pietro Venier und Nicolò Erizzo, sowie des brandenburgischen Gesandten Ézéchiel Spanheim konsultiert. Für den spanischen Hof konnte der Bericht des venezianischen Gesandten Mocenigo Alvise II. berücksichtigt werden. Siehe das Verzeichnis der veröffentlichten Quellen im Anhang. 100 Für die vorliegende Untersuchung wurden insbesondere die Memoiren des Marqués de San Felipe, des Duc de Saint-Simon, des Maréchal de Villars, des Marquis de Dangeau, der Comtesse de Caylus, der Madame d’Aumale, der Madame de Montespan, des William Coxe und des Lord Bolingbroke herangezogen. Siehe das Verzeichnis der veröffentlichten Quellen im Anhang.
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deln und Normen sich wechselseitig beeinflussen101. So können sowohl Aussagen über die Lebenswelt, das „Machbare“, als auch über die zeitgenössischen Diskurse, das „Sagbare“ getroffen werden102. Methoden Neben den bereits skizzierten Ansätzen aus der Geschlechtergeschichte und der Neuen Kulturgeschichte schöpft diese Arbeit methodisch aus den Theorien der Historischen Semantik103 und der Historischen Diskursanalyse104. Das Konzept des „Politischen“ wird sprachlich ausgehandelt und immer wieder aufs Neue konstruiert105. Achim Landwehr zufolge konstituiert sich das Politische als symbolische Ordnung „durch Diskurse [...], also durch regelmäßige, strukturierte und sich in einem systematischen Zusammenhang bewegende Praktiken und Redeweisen, die einen gewissen Grad 101 So hat etwa Waquet überzeugend nachgewiesen, dass auch das Botschaftertraktat „De la manière de négocier“ von François de Callières mit politischen Intentionen verfasst wurde. Vgl. Waquet, Jean-Claude, François de Callières: L’art de négocier en France sous Louis XIV, Paris 2005; gleiches gilt für die „Six livres de la république“ von Jean Bodin, vgl. Opitz, Claudia, Das Universum des Jean Bodin. Staatsbildung, Macht und Geschlecht im 16. Jahrhundert (Geschichte und Geschlechter, 53), Frankfurt 2006. 102 Vgl. Steinmetz, Willibald, Das Sagbare und das Machbare. Zum Wandel politischer Handlungsspielräume. England 1780–1867 (Sprache und Geschichte, 21), Stuttgart 1993, insbesondere 13–20. 103 Zur Historischen Semantik, im Deutschen meist als „Begriffsgeschichte“ bezeichnet, programmatisch: Busse, Dietrich, Historische Semantik; Begriffsgeschichte und Diskursgeschichte. Methodenfragen und Forschungsergebnisse der historischen Semantik, hrsg. v. dems. / Fritz Hermanns / Wolfgang Teubert, Opladen 1994. 104 Stellvertretend für die unzähligen Beiträgen zur Historischen Diskursanalyse aus der jüngeren Zeit sei hier verwiesen auf: Landwehr, Achim, Die Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse (Historische Einführungen, 8), Tübingen 2001. 105 Vgl. Steinmetz, Willibald, Neue Wege der historischen Semantik des Politischen, in: „Politik“. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit (Historische Politikforschung, 14), hrsg. v. dems., Frankfurt a. M. u.a. 2007, 9–15, hier 15. Auf den Vorteil eines solchen Politikverständnisses weist Schlögl hin: Es könne ein Politikbegriff entwickelt werden, der auf die strukturbildende Steuerung von Sinnprozessen in der Kommunikation verweist, auf diese Weise historisiert werden kann und den Verzicht auf die Universalisierung der Modelle der Moderne erlaubt. Vgl. Schlögl, Rudolf, Interaktion und Herrschaft. Probleme der politischen Kommunikation in der Stadt, in: Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte, 115–128, hier 128.
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der Institutionalisierung erreicht haben und benennbaren Formationsregeln unterliegen.“106 Die Einflussbereiche, die den beiden Frauen zugestanden wurden bzw. die sie für sich beanspruchten, werden daher in erster Linie über eine Analyse ihrer Sprache bestimmt. Nicht-sprachliche Handlungen und Vorkommnisse werden für die Untersuchung insbesondere dort von Bedeutung sein, wo sie die (infra-)strukturellen Bedingungen der Kommunikation stellen. Dazu gehören der Zugang zur Information, die Wege des Austauschs, die Zustellungsbedingungen der Briefe, kurz: ihr „Entstehungszusammenhang“107. Seine Bedeutung wird etwa in der Situation der „trialogischen Kommunikation“108 deutlich: Wenn Madame de Maintenon an die Princesse des Ursins schreibt, weiß sie um die Tatsache, dass ihr Brief auch dem spanischen Königspaar vorgelesen wird. Daher wird ein besonderes Augenmerk auf der Selbstdarstellung der beiden Frauen in ihren Briefen liegen. Sprache ist nie lediglich Reflex der Wirklichkeit, sondern immer auch Handeln. Daher macht es Sinn, nach der Sprachintention eines Autors, seiner „kommunikativen Absicht“109 zu fragen. Dass mit einem Brief in erster Linie ein bestimmtes Ziel verfolgt wurde, zeigt sich gerade auch in der Begrifflichkeit der zahlreichen zeitgenössischen Schriften zur Briefrhetorik: Die Briefe werden dort üblicherweise nach den mit ihnen verfolgten Absichten kategorisiert: ermutigen, überzeugen, empfehlen, bitten, loben, danken, lieben, sich beklagen, bestärken, erzählen, sich freuen, sich entschuldigen oder scherzen110. Um diesen performativen Aspekt zu berücksichtigen und auf die Analyse von
106 Landwehr, Diskurs-Macht-Wissen, 105. Siehe auch ausführlicher zu diesem Diskursbegriff Landwehr, Geschichte des Sagbaren, 76–80. 107 In Anlehnung an Schraut, Irmtraud, Der Brief als historische Quelle, in: Literaturarchiv und Literaturforschung. Aspekte neuer Zusammenarbeit, hrsg. v. Christoph König / Siegfried Seifert (Literatur und Archiv, 8), München u. a. 1996, 105–116, hier 116. 108 Begriff der „trialogischen Kommunikation“ bei Dieckmann, Walther, Probleme der linguistischen Analyse institutioneller Kommunikation, in: Politische Sprache, politische Kommunikation: Vorträge, Aufsätze, Entwürfe, hrsg. v. dems. (Sprachwissenschaftliche Studienbücher, 1), Heidelberg 1981, 208–245, hier 218 f. 109 Schorn-Schütte, Luise, Einleitung, in: Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie, Res Publica-Verständnis, konsensgestützte Herrschaft, hrsg. v. ders. (Historische Zeitschrift. Beihefte, 39), München 2004, 1–12, hier 5 f. 110 Vgl. Boutier, Politique par correspondance, 11.
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Korrespondenzen zu übertragen, ist eine Erweiterung der klassischen Diskursanalyse nötig111. Die vorliegende Arbeit orientiert sich am kommunikationstheoretischen Ansatz von Niklas Luhmann112. Luhmann unterscheidet im Kommunikationsprozess die Elemente Information, Mitteilung und Verstehen. Kommunikation ist ihm zufolge nicht lediglich Austausch von objektiv gegebenen Informationseinheiten, da deren Bedeutung erst in und durch den Prozess konstituiert wird113. Reine Information existiert nicht, denn sie wird bereits durch die Art, wie man sie weitergibt, zur „Mitteilung“114. Information und Mitteilung sind daher in den Quellen immer in einer einzelnen Aussage zugleich zu finden und können nur im analytischen Zugriff voneinander getrennt werden. Hieraus ergibt sich ein methodisches Vorgehen, in dem die Briefe stets auf zwei Ebenen analysiert werden115. Zunächst wird nach dem Inhalt gefragt: Was wird mitgeteilt? (Information) Sodann wird es um die verwendeten Topoi, rhetorischen Figuren und Diskurselemente gehen, die wiederum auf bestimmte Referenzsysteme verweisen: Wie wird mitgeteilt? (Mitteilung) Die Vorgehensweise wird demnach eine Analyse kommunikativer Handlungen und keine reine Diskursanalyse sein. Es soll gezeigt werden, dass Form und Sprache der Briefe Teil der kommunikativen Strategie des Verfassers sind. Denn Improvisationen und Interpretationen der üblichen Briefkonventionen – etwa im rhetorischen Aufbau und in der Verwendung der Topoi – können die Wirkung der Briefe unterstützen116. 111 So sprachen sich bspw. Marian Füssel und Tim Neu zugunsten eines verstärkten Einbezugs von Akteuren in die Diskursanalyse aus. Vgl. Winnerling, Tobias, Diskursiver Wandel. Internationale Tagung zum Stand der Diskursanalyse in den Geschichtswissenschaften, Düsseldorf, 26.3.–27.3. 2009, URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2599> [Zugriff 20.10.2011]. 112 Unter Kommunikation versteht Luhmann „die autopoetische Operation, die sich selbst produziert und reproduziert und dadurch die Emergenz sozialer Systeme nach sich zieht.“ Luhmann, Niklas, Die Form der Schrift, in: Schrift, hrsg. v. Hans U. Gumbrecht et al. (Materialität der Zeichen, Reihe A/12), München 1993, 349–366, hier 351. Zur generellen Schwierigkeit, Kommunikation zu definieren, siehe Behringer, Im Zeichen des Merkur, 10 f. 113 Vgl. De Berg, Henk, Die Ereignishaftigkeit des Textes, in: Kommunikation und Differenz: systemtheoretische Ansätze in der Literatur- und Kunstwissenschaft, hrsg. v. dems., Opladen 1993, 32–52, hier 35. 114 Luhmann, Die Form der Schrift, 349. 115 Das methodische Vorgehen wird an geeigneter Stelle präzisiert. Siehe Kapitel III. Verhandlung (Die „Ereignishaftigkeit der Briefe – eine Einleitung). 116 Vgl. hierzu Mc Lean, Paul, The Art of the Network. Strategic Interaction and Patronage in Renaissance Florence, Durham u.a. 2007, bspw. 90.
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Die bisherigen Ausführungen dürften das Potential des Mediums Brief deutlich gemacht haben. Die behandelten Objekte (Topoi), die Wahl der Worte (Semantik), die Formulierungen und Positionierungen innerhalb des Briefes (Rhetorik) und die Anlehnung an zeitgenössische Redeweisen (Diskurse) machen in ihrer Gesamtheit das Inszenierungs- und Überzeugungspotential des Briefes als Medium aus. Ist der Brief also nicht nur ein „Ersatz“ für das persönliche Gespräch, sondern vielmehr gerade ein besonders geeignetes Medium, um den mehrschichtigen Ansprüchen einer Verhandlungssituation gerecht zu werden? Ziel und Aufbau der Arbeit Die Notwendigkeit einer Neubewertung der politischen Rolle von Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins ist deutlich geworden. Zugleich kann die Analyse ihrer Korrespondenz dazu beitragen, einen neuen Blick auf die frühneuzeitliche Briefkultur zu werfen. Ich gehe davon aus, dass die Korrespondenznetzwerke adliger Frauen Teil einer spezifischen politischen Kultur waren, deren Charakteristika es zu ermitteln gilt. Dazu werde ich zunächst die strukturellen Rahmenbedingungen ihrer Handlungsspielräume am französischen und spanischen Hof beschreiben: ihren Zugang zum Herrscher, Zeremoniell- und Raumfragen, Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten sowie ihre Vernetzung in der Hofgesellschaft. Sodann wird ein Überblick über das europäische Korrespondenznetzwerk der Frauen gegeben, wobei im Besonderen die Kommunikationskanäle zwischen Versailles und Madrid berücksichtigt werden (Teil I). Im Anschluss wird der Briefwechsel der beiden Frauen inhaltlich analysiert: Welche Themen, welche Diskurselemente und welche Stereotypen tauchen auf und welche Schlussfolgerungen können daraus für die Kommunikationsabsichten der Verfasserinnen gezogen werden? Wie stellten sich die Frauen selbst dar und wie wurden sie von ihren Zeitgenossen wahrgenommen? Welche Rolle spielte dabei ihr Geschlecht? Der Focus wird hier nicht auf dem informativen Gehalt der Briefe, sondern auf performativen und funktionalen Aspekten liegen. Dabei werden die Aussagen in ihren jeweiligen (mikro-)historischen, soziokulturellen und diskursgeschichtlichen Kontext eingebettet (Teil II). Erkenntnisse über die Funktion ihrer Briefe können nur zusammen mit einer möglichst vollständigen Analyse der parallel verlaufenden Korrespondenzen gewonnen werden. Zu diesem Zweck sollen drei zentrale Verhandlungsmomente im Zeitraum von 1705 bis 1715 schlaglichtartig beleuchtet werden. Wer verhandelte hier was und vor allem: für wen? (Teil III).
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Der „Zoom“ der Betrachtung wird also mehrfach verändert: Ausgehend von einem „engen“ Blick auf die Handlungsspielräume von Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins wird der Fokus erweitert und das Verhältnis der beiden Kronen im europäischen Kontext beschrieben. Sodann wird wiederum auf eines der Elemente dieser Beziehungen fokussiert: die Korrespondenz der beiden Frauen. Basierend auf den Erkenntnissen aus dieser Analyse soll daraufhin der Versuch unternommen werden, die komplexe europäische Verhandlungssituation des Spanischen Erbfolgekrieges aus einem veränderten Blickwinkel zu betrachten. Dabei wird sich die Funktion der Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins zeigen. Dieses Ergebnis soll abschließend in allgemeinere Aussagen überführt werden. Thema der vorliegenden Arbeit ist zusammengefasst die Kommunikation der Akteure des französischen und des spanischen Hofs, verstanden als eine „Verhandlung zwischen Abwesenden“117, eine Verhandlung in Briefen.
117 Zur Konzeptualisierung des Briefes als „Gespräch unter Abwesenden“ siehe auch Kapitel II.1.1. (Je suis fort libre avec vous: die Beziehung zueinander definieren).
I. Die Höfe und ihre Verbindungen 1. Position und Vernetzung am Hof Um den Entstehungszusammenhang der Briefe deutlich zu machen, sollen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins zunächst in ihrer Position am Hof betrachtet werden. Der frühneuzeitliche Hof war als politisches und kulturelles Zentrum zugleich das Gravitationszentrum der Macht. Der Versuch einer verbindlichen Definition des Hofes hat die Forschung immer wieder vor Schwierigkeiten gestellt. Einigkeit herrscht zumindest über die grundlegenden Elemente des Hofes, zu denen die materielle Versorgung des Herrschers, die Herausbildung einer zunehmend professionellen Administration und die kulturelle Gestaltung des Herrschaftsmilieus gehörten1. In der „spezifischen Figuration von Menschen“2, wie Elias die höfische Gesellschaft bezeichnet hat, definierte sich der politische Einfluss des Einzelnen über seine „Nähe zum Thron“3, die entscheidender war als das Abstammungsprinzip. Machtpositionen am Hof waren das Ergebnis von Interaktionen, in erster Linie vom Zugang zum Herrscher abhängig und daher in ständigem Wandel begriffen. Bereits bei Elias wird deutlich, dass Macht auch außerhalb von formalen Herrschaftsstrukturen untersucht werden muss. Seine Interpretation des Hofes als „goldener Käfig“, die den Adel als weitgehend unfähig, eigenständig Politik zu betreiben, gefangen in einem Netz von Privilegien und politisch überrundet durch eine neue Schicht nichtadeliger Amtsträger darstellt, gilt heute als überholt. Vielmehr wird der Hof nicht mehr als Domestikationsinstrument des Herrschers, sondern als Ort der Kommunikation und als Patronage-Börse verstanden4, wo Herrschaft als Kompromiss zwischen dem König und den höfischen Faktionen ausgehandelt wurde. Höfische Machtstrukturen waren also aufgrund der fehlenden Trennung einer öffent1 In Anlehnung an das zeitgenössische dreiteilige Verständnis des Hofes bei Furetière, nach dem mit dem Hof erstens der lieu où habite un roi ou un prince souverain bezeichnet wird, weiterhin le roi & son conseil, ou ses ministres sowie tous les officiers & la suite du prince und als dritten Aspekt des manières de vivre à la cour: Furetière, Dictionnaire I (1690), 795. URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 4.7.2010]; vgl. auch Freist, Absolutismus, 45. 2 Elias, Höfische Gesellschaft, 9 f. 3 Vgl. schon bei von Krüdener, Jürgen, Die Rolle des Hofes im Absolutismus, Stuttgart 1973, 58. 4 Vgl. Schwerhoff, Gerd, Zivilisationsprozess und Geschichtswissenschaft. Norbert Elias’ Forschungsparadigma in historischer Sicht, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), 561–605, hier 584 f.
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Position und Vernetzung am Hof
lichen von einer privaten Sphäre genuin politische Machtstrukturen. Daher hatte Madame de Maintenon als königliche Mätresse und von 1683 an morganatische Ehefrau genauso wie die Princesse des Ursins als erste Kammerdame der Königin im höfischen Gefüge eine zentrale politische Rolle inne. 1.1. Auprès du Roi 5: Madame de Maintenon in Versailles „Glauben sie nicht, Madame, dass ich vor meinem großen Fenster Wandschirme anbringen könnte. Man richtet sein Zimmer nicht ein, wie man möchte, wenn der König jeden Tag dorthin kommt […].“6
So erklärte Madame de Maintenon ihrer Briefpartnerin einmal mit leicht sarkastischem Unterton die Kälte ihrer chambre. Aus der Bemerkung geht hervor, dass sie den König täglich in ihren Gemächern erwartete. Um die Hintergründe ihrer außergewöhnlichen Position in der Nähe des Herrschers (auprès du Roi) zu verstehen, lohnt ein Blick zurück. Madame de Maintenon wurde als Françoise d’Aubigné de Surineau am 28. September 1635 in Niort geboren7. Die Familie d’Aubigné gehörte dem niederen, verarmten Landadel an. Françoise wuchs zunächst im protestantischen Umfeld ihrer Tante Louise Arthémise de Villette8 in Mursay auf, erhielt dann jedoch eine Ausbildung in einem katholischen Kloster9. Sie wurde schließlich mit dem um einige Jahre älteren bürgerlichen Dichter Paul Scarron10 nach Paris verheiratet, der wenige Jahre darauf verstarb. Die junge Witwe 5 Sévigné, Madame de, Lettres. 1684–1696, hrsg. v. Émile Gérard-Gailly (Bibliothèque de la Pléiade, 97, 112, 124), 3 Bde., Paris 1953–1963. 6 „Ne croyez pas, Madame, que je pusse mettre des paravents devant ma grande fenêtre. On n’arrange pas sa chambre comme on veut quand le Roi y vient tous les jours […].“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 18.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 189. 7 La Baumelle nennt als Geburtsdatum den 27.11. Vgl. La Beaumelle, Mémoires pour servir à l’histoire de Madame de Maintenon et à celle du Siècle. Remarques critiques de M. de Voltaire, 2 Bde., Paris 1757. Vgl. dazu Lauriol, Claude, Le premier biographe de Madame de Maintenon reévalué: La Beaumelle, in: Autour de Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon. Actes des Journées de Niort, 23–25 mai 1996, hrsg. v. Alain Niderst, Paris 1999, 91–106. Eine Kritik der vorhandenen Biographien zu Madame de Maintenon findet sich bei Bryant: Bryant, Marquise, 21–24. 8 Louise Arthémise de Villette (* 1584, † 1663) versuchte, ihre Nichte Françoise zum protestantischen Glauben zu konvertieren. 9 Vgl. Hastier, Louis, Louis XIV et Madame de Maintenon, Paris 1957, 24 f. 10 Paul Scarron (* 1610, † 1660): 1634 empfing er die niederen Weihen und wurde 1636 Domherr von Le Mans; 1640 siedelte er aufgrund einer fortschreitenden Muskelläh-
Madame de Maintenon in Versailles
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verkehrte in Paris in gelehrten Kreisen wie dem Hôtel d’Albret11, wo sie nicht nur auf Marie-Anne de la Trémoille, Comtesse de Chalais, ihre spätere Briefpartnerin Madame des Ursins traf, sondern auch auf Françoise-Athanaïs de Montespan12, die seit dem Jahr 1669 Mätresse Ludwigs XIV. war. Als eine der „Erben“ des Großgünstlings13 verdankte eine königliche Mätresse ihre hofpolitische Machtstellung einerseits persönlicher Attraktivität, andererseits ihrer Vernetzung in der Hofgesellschaft. Da es am Hof jeweils bekannt war, wer die derzeitige königliche Mätresse war, weist die Position ein gewisses Maß an Formalisierung auf, was sich an dem Titel maîtresse en titre oder maîtresse déclarée zeigen sollte14. Dieser Titel war spätestens von den 1740er Jahren an „eindeutig an politische Funktionen in einem speziellen Herrschaftssystem geknüpft“15. Die maîtresse en titre ist daher auch als „offizielle Politikerin“16 bezeichnet und „im Spannungsfeld zwischen politischem Amt und informeller Macht changierend“17 verortet worden.
mung nach Paris über und widmete sich ganz seinem literarischen Schaffen; das Haus Scarron war eines der literarischen Zentren von Paris. Scarron ist insbesondere für seine satirischen Schriften, seine persiflierenden Romane und Gedichtbände bekannt. 11 César de Miossons, Maréchal d’Albret, war ein Freund Scarrons. Das Hôtel d’Albret zählte neben dem Hôtel de Richelieu zu den ersten Häusern in Paris, wo sich die gesellschaftliche Elite de la cour et de la ville traf. Vgl. Madame de Maintenon d’après sa correspondance authentique, choix de ses lettres et entretiens, hrsg. v. Auguste Geffroy, 2 Bde., Paris 1887, hier Bd. 1, 25. 12 Françoise-Athanaïs de Rochechouart de Mortemart, Marquise de Montespan (* 1641, † 1707): 1674–1683 maîtresse en titre Ludwigs XIV.; 1691 Rückzug nach Paris. Zur Biographie siehe Petitfils, Jean-Christian, Madame de Montespan, Paris 1988. 13 Vgl. Horowski, Erbe des Favoriten, hier 123. 14 Wann die Bezeichnung maîtresse en titre / déclarée zum ersten Mal belegt ist, ist unklar: Oßwald-Bargende findet sie für den württembergischen Hof seit den 1730er Jahren, Weisbrod und Dade für den französischen Hof seit den 1740er Jahren: Oßwald-Bargende, Sybille, Die Mätresse, der Fürst und die Macht. Christina Wilhelmina von Grävenitz und die höfische Gesellschaft, Frankfurt / New York 2000; dies., Die maîtresse. Eine umstrittene Karriere am Hof, in: Frauen bei Hof, hrsg. v. Otto Borst (Stuttgarter Symposion Schriftenreihe, 6), Tübingen 1998, 111–124, hier 113; Dade, Pompadour, 75; Weisbrod, Pompadour, 19. Die Entwicklung zu einer Formalisierung der Figur der königlichen Mätresse verstärkt sich im Laufe des 18. Jahrhunderts. Vgl. Dade, Pompadour, 75–80. Dade verortet die maîtresse en titre „auf halbem Weg zwischen Formalität und Informalität“ (80). 15 Weisbrod, Pompadour, 19. 16 Hoffmann, Gabriele, „Die vollkommenste Frau von Welt“. Die Gräfin von Cosel und andere Mätressen, in: Dies., Frauen machen Geschichte. Von Kaiserin Theophanu bis Rosa Luxemburg, Bergisch Gladbach 1991, 184–208. 17 Weisbrod, Pompadour, 302.
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Position und Vernetzung am Hof
Ein Amt im Hofstaat der Königin diente dazu, die Anwesenheit einer Mätresse bei Hof „legitim“ zu machen, war aber de facto schon vorher eine unverzichtbare Voraussetzung, um überhaupt die Aufmerksamkeit des Königs auf sich zu ziehen18. Damit aus Françoise d’Aubigné die Marquise de Maintenon werden konnte, war zunächst die Protektion der aktuellen Mätresse des Königs, der bereits erwähnten Madame de Montespan, ausschlaggebend: Als Erzieherin der unehelichen Kinder aus dieser Verbindung gelangte Françoise d’Aubigné in die Nähe Ludwigs XIV.19. Im Jahr 1674 schenkte ihr der König ein Stück Land, das zur Grafschaft erhoben wurde (terre de Maintenon); fünf Jahre später wurde sie als seconde dame d’atours de madame la dauphine, ein für sie neu geschaffenes Amt20, in den Hofstaat der Dauphine aufgenommen und nach der Übersiedelung des Hofes im Jahr 1682 im Schloss Versailles untergebracht21. Sie blieb – so lange wie keine der königlichen Favoritinnen zuvor – bis zum Tod des Königs im Jahr 1715 an seiner Seite. Mit ihrer doppelten Kompromittierung durch Armut und bürgerliche Ehe bildet Madame de Maintenon eine Ausnahme unter den Mätressen Ludwigs XIV.; zugleich bildete ihre Macht den Höhepunkt des von Favoritin zu Favoritin wachsenden Einflusses. Nach dem Tod der Königin Maria 18 Vgl. Horowski, Erbe des Favoriten, 99 f. 19 Vgl. Spanheim, Ézéchiel, Relation de la Cour de France en 1690, hrsg. v. Émile Bourgeois, Paris 1900, 84 f.; Diese Kinder wurden wie jene aus der Verbindung mit Madame la Vallière in einem Edikt vom 20.12.1673 legitimiert: Louis-Auguste, Duc du Maine (* 1670, † 1736); Louis-César, Comte de Vexin (* 1672, † 1683); Louise-Françoise de Bourbon, Mademoiselle de Nantes (* 1673, † 1643); Louis Alexandre, Comte de Toulouse (* 1678, † 1737). 20 Madame de Maintenon bekleidete diesen Posten von 1680 bis 1690, also über die ganze Zeit des Bestehens der maison de la dauphine. Zwischen 1661–1715 wurde in den Frauenhofstaaten der Angehörigen der famille royale nur zwei Mal der Posten einer seconde dame d’atour vergeben, einmal im Hofstaat der Dauphine und einmal im Hofstaat von Madame, der Duchesse d’Orléans. Vgl. auch: „Le Roi n’avait donc plus de maîtresse au temps où commencent ces mémoires, mais il avait donné toute sa confiance à Madame la Marquise de Maintenon, […]. Il avait créé une charge tout exprès pour elle, l’ayant fait seconde dame d’atours de Madame la Dauphine; […].“ Mémoires du marquis de Sourches sur le règne de Louis XIV, hrsg. v. Gabriel-Jules de Cosnac / Arthur Bertrand, 14 Bde., Paris 1882, Bd. I., 20. Regina Schleuning vermutet, dass für die Maintenon ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der dann auch auf den Hofstaat von Madame angewandt wurde. Schleuning bereitet derzeit an der Universität Freiburg i. Brsg. eine Dissertation zu den Amtsträgerinnen am Hof Ludwigs XIV. vor. 21 Vgl. Caylus, Madame de, Souvenirs, hrsg. v. Bernard Noël, Paris 21986, 39. Vgl. auch Spanheim (Bourgeois), 85.
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Theresia22 im Jahr 1683 stabilisierte eine „Ehe zur linken Hand“ oder „morganatische Ehe“ mit Ludwig XIV. ihre Machtposition23. Diese wurde zwar kirchlich geschlossen, aber nicht öffentlich deklariert. Abgesehen davon, dass Madame de Maintenon keine standesgemäße Partie gewesen wäre, könnten verschiedene weitere Gründe für diese Form der Verbindung gesprochen haben. Allein die Gerüchte darüber bewirkten eine enorme Stärkung ihrer Stellung, so dass die Vermutung nahe liegt, dass der König die Heirat zur Stabilisierung des Machtgleichgewichts am Hof nutzte. Die kirchliche Eheschließung verhinderte, dass der Klerus hätte Anstoß nehmen können. Zugleich hatte die Heirat keine Auswirkungen auf die Thronfolge, was ein potentieller Grund für Unzufriedenheiten hätte sein können. Darüber hinaus verhinderte sie, dass die Marquise wie im Falle einer Königin aus einem feindlichen Herrscherhaus strukturell „von der Regierung ausgeschlossen“ würde24. Vielmehr war Madame de Maintenon weitaus weniger in das höfische Zeremoniell eingebunden, als es eine deklarierte Königin gewesen wäre, was noch deutlich werden wird. Doch schon vor ihrer Eheschließung hatte sich Madame de Maintenon durch ihre Vernetzung am Hof eine solide Machtbasis geschaffen. Vernetzung am Hof Die Klientel der Maintenon, die so genannte cabale des seigneurs25, beschrieb Louis de Rouvroy, Duc de Saint-Simon26 in seinen Memoiren als die dominante Faktion am Hof. Madame de Maintenon stützte sich auf verschiedene Pfeiler: Einerseits suchte sie die Verbindung mit dem ministeriellen Clan des Ministers Jean-Baptiste Colbert, den sie nach seinem Tod im Jahr 1683 gegen die aufstrebende Faktion um den Minister François Michel Le Tellier, Mar22 Maria Theresia von Spanien (* 1638, † 1683), französisch Marie-Thérèse d’Autriche. 23 Meist wird die Eheschließung auf die Jahre 1683–87 datiert. Horowski gibt das Jahr 1683 an: Vgl. Horowski, Erbe des Favoriten, 102, Anm. 59. Hastier schlussfolgert aus der Quellenanalyse das Jahr 1687, vgl. Hastier, Louis XIV, 221. 24 „Au contraire, écartées au gouvernement […] les reines du XVIIe siècle semblent résolument exclues de toute activité ayant trait au pouvoir.“ Cosandey, La reine, 295. 25 Le Roy Ladurie, Saint-Simon, 193 und 201. Die Auflistung der Mitglieder der drei wichtigsten Hoffaktionen, der cabale des seigneurs, der cabale des ministres und der cabale de Meudon bei Saint-Simon findet sich hier: Saint-Simon III (Coirault) [1709], 517–520. 26 Louis de Rouvroy, Duc de Saint-Simon (* 1675, † 1755). Vgl. Kapitel II.3.3.2. (Inakzeptable Einmischung).
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quis de Louvois protegierte27: „Sie verstand es, Kredit und Einfluss […] im Gleichgewicht zu halten“28, bemerkte der brandenburgische Gesandte Ézéchiel Spanheim29 in seinem 1690 für den Kurfürsten verfassten Bericht über den französischen Hof. Andererseits pflegte Maintenon enge Beziehungen zum höfischen Clan der Familie Noailles und zur Königsfamilie, insbesondere zu Marie-Adélaïde de Savoie, Duchesse de Bourgogne, die 1711 zur Dauphine wurde30. Ebenfalls von Bedeutung war ihre Verbindung zu den legitimierten Kindern Ludwigs XIV. mit seiner früheren Mätresse Madame de Montespan31. Die bâtards genossen als eine neue Gruppe Privilegierter im höfischen Rangsystem eine Zwischenstellung zwischen den Prinzen von Geblüt und den pairs32. Hier ist insbesondere die Beziehung zu ihrem Zögling, dem Duc du Maine, zu erwähnen33. In ihrer eigenen Familie betrieb Madame de Maintenon Patronage mit Zurückhaltung. Sie achtete stets darauf, sich als personne désintéressée34 darzustellen, vor allem aber, den eigenen Ruf und die eigene Gunst durch die Protektion womöglich unfähiger Verwandter nicht in Gefahr zu bringen. So versorgte sie ihren eigenen Bruder zwar mit einer Pension, schien ihn aber vom Hof fernhalten zu wollen, indem sie ihm militärische Ämter und ei27 Die höfische Faktion des Ministers Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay (* 1619, † 1683) stand in Konkurrenz zu der des François Michel Le Tellier, Marquis de Louvois (* 1641, † 1691). 28 „À quoi on peut joindre encore l’adresse particulière avec laquelle elle a su balancer le crédit et l’ascendant du marquis de Louvois sur l’esprit du roi, et empêcher qu’il ne restât seul maître des affaires du gouvernement.“ Spanheim (Bourgeois), 91. Siehe auch Engrand, Charles, Clients du Roi. Les Colbert et l’Etat (1661–1715), in: Un nouveau Colbert: actes du Colloque pour le tricentenaire de la mort de Colbert, hrsg. v. Roland Mousnier / Michel Antoine, Paris 1985, 85–97, hier 91. 29 Ézéchiel Spanheim (* 1629, † 1710). Vgl. Kapitel II.3.3.3. (Selbstverständliche Integration). 30 Marie-Adélaïde de Savoie (* 1685, † 1712): 1697 Heirat mit dem Duc de Bourgogne, dem Sohn des Dauphin. Nach dessen Tod 1711 wurde sie zur Dauphine. Sie gebar 1710 den Duc d’Anjou, den späteren Ludwig XV. 31 Vgl. Horowski, Erbe des Favoriten, 102, Anm. 59. Siehe auch Spanheim (Bourgeois), 337 f. und 384 ff. 32 Vgl. Brocher, Henri, À la cour de Louis XIV. Le rang et l’étiquette sous l’Ancien Régime, Paris 1934, 7. Zur Rangfolge am französischen Hof siehe allgemeiner auch Bluche, François, La vie quotidienne au temps de Louis XIV, Paris 1984, 10–32. 33 Spanheim (Bourgeois), 84 und 208–210. Siehe auch Hilgar, Marie-France, Madame de Maintenon et le Duc du Maine, in: Niderst, Albineana I, 260–267. 34 Ein Beispiel aus der Korrespondenz mit Madame des Ursins: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 15.11.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 61.
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nen Gouverneursposten verschaffte35. Für die Aufhebung der dreizehn Jahre dauernden disgrâce ihrer Nichte, Marthe-Marguerite de Mursay, Comtesse de Caylus36, setzte sie sich nicht ein, ohne ihr vorher genaue Bedingungen zu stellen37. Durch die Förderung von Verwandten und Landsmännern aus ihrem Herkunftsort Niort kam sie landsmannschaftlichen Verpflichtungen nach38. Die Klientel der Maintenon war beispielsweise eine der zahlenmäßig größten und stabilsten in der königlichen Marine39. Es ist davon auszugehen, dass Madame de Maintenon die Vermittlung der königlichen Patronage in den späteren Regierungsjahren weitgehend monopolisiert hatte40, was auch in ihrer Korrespondenz mit der Princesse des Ursins augenscheinlich wird. Marc Bryant hat überzeugend dargestellt, wie Madame de Maintenon sich mit königlicher Unterstützung sorgfältig ein eigenes Netzwerk aufbaute und aufrechterhielt, indem sie Heiraten arrangierte41 und gezielt Karrieren förderte, die dann wiederum ihre eigene Position festigten42.
35 Vgl. Madame de Maintenon et sa famille. Lettres et documents inédits, publiés sur les manuscrits originaux avec une introduction, des notes et une conclusion, hrsg. v. Honoré Bonhomme, Paris 1863, 84–86 und 88. 36 Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de Mursay, Comtesse de Caylus (* 1672, † 1729). 37 Vgl. Caylus, Comtesse de, Souvenirs, hrsg. v. Bernard Noël, Paris 21986, Introduction, 12–19. 38 Vgl. das Konzept bei Reinhard, der vier Typen von Verflechtung unterscheidet: Verwandtschaft, Landsmannschaft, Freundschaft und Patronage: Reinhard, Freunde, 35– 38. 39 Vgl. hierzu Vergé-Franceschi, Michel, La clientèle de Madame de Maintenon dans la marine du roi, in: Niderst, Albineana I, 281–294, hier 283 und 294. 40 Vgl. Bryant, Marquise, bspw. 207–219. Bryant verwendet hier den Begriff des Brokers: Ein Broker vermittelt Ressourcen, die er nicht unbedingt selbst kontrolliert; seine Ressourcen sind seine Bekanntschaften und sein Einfluss bei Menschen mit Ressourcen (Ämter, Macht, Heiratsverbindungen etc.). Zur Funktion des Brokers siehe grundlegend Boissevain, Jeremy F., Friends of Friends. Networks, Manipulators and Coalitions, Oxford 1974; Kettering, Sharon, Patrons, Brokers, and Clients in Seventeenth-Century France. Oxford / New York 1986; dies., Brokerage at the Court of Louis XIV, in: The Historical Journal 36 (1993), 69–87. 41 Vgl. Bryant, Marquise, 83–88. 42 Vgl. Bryant, Marquise, 47–53. Als Beispiele können die Minister Voysin und Chamillart genannt werden. Siehe auch Barros, Le département, 312.
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Raum und Zeremoniell Die Wohnstruktur als Anzeiger gesellschaftlicher Strukturen zu verstehen, geht ebenfalls auf die Forschungen von Norbert Elias zurück43 und verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Raum- und Machtstrukturen. Diese Strukturen dürfen jedoch nicht als statisches Abbild, sondern müssen im dynamischen Wandel begriffen werden44. Die Anordnung und Bewegung von Menschen in gestalteten Räumen diente dazu, die sozialen Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen ihnen sichtbar zu machen45. In den sich stets verändernden Verhältnissen von Rang und Gunst am Hof zeigte die Unterbringung des Einzelnen seine faveur für jeden nachvollziehbar an46; sie stellte zugleich ein „Instrument der königlichen Politik“47 dar und bot dem einzelnen Akteur Gestaltungsmöglichkeiten. Im Fall Madame de Maintenons scheint diese Manifestation ihrer Position genau kalkuliert worden zu sein: Sie wurde nicht, wie es aufgrund ihres Hofamtes üblich gewesen wäre, in der Nähe der Wohnräume der Dauphine im Schloss Versailles untergebracht. Auch bezog sie nicht, wie es die neue königliche Mätresse getan hätte, die prunkvollen Gemächer der vorherigen Favoritin Madame de Montespan48. Stattdessen wurde sie im Flügel der Königin im Zentrum des Schlosses untergebracht, näher am König, als es ihr Hofamt vorgesehen hätte, jedoch in einer Distanz, die es ermöglichte, der Hofgesellschaft ständig ihr nahes Verhältnis zum König zu demonstrieren: Mehrmals am Tag wurde sie vor aller Augen vom premier valet de chambre des Königs in dessen 43 Vgl. Elias, Höfische Gesellschaft, 75–114. 44 Vgl. Oßwald-Bargende, Sybille, Der Raum an seiner Seite. Ein Beitrag zur Geschlechtertopographie der barocken Höfe am Beispiel von Schloss Ludwigsburg, in: Hirschbiegel / Paravicini, Das Frauenzimmer, 205–232, hier 228. 45 Stollberg-Rilinger, Barbara, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 1/4 (2000), 389–405, hier 397. 46 Vgl. Himmelfarb, Hélène, Les logements versaillais de Madame de Maintenon: essai d’interprétation, in: Niderst, Albineana I, 305–335, hier 307. 47 Newton, William Ritchey, L’espace du roi. La Cour de France au château de Versailles. 1682–1789, Paris 2000, 16. Zur Inszenierung des Königs in Versailles, einem Ort ohne symbolischen Wert für die bourbonische Dynastie, als Herrscher aus eigener Kraft und ohne dynastische Vorgeschichte siehe Krause, Katharina, Versailles als Monument Ludwigs XIV., in: Bourbon – Habsburg – Oranien: konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, hrsg. v. Christoph Kampmann et al., Köln 2008, 85–95. 48 Madame de Montespan wurde im Jahr 1685 für den gesamten Hof sichtbar als maîtresse en titre „abgesetzt“, als sie aus ihren Räumen im Obergeschoss des Schlosses ins Erdgeschoss umziehen musst. Vgl. Hanken, Caroline, Vom König geküsst. Das Leben der großen Mätressen, Berlin 1996, 36 f.
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Gemächer geführt. Dass sie weder nur Hofdame der Dauphine noch Mätresse sein sollte, unterstreicht ein weiteres Detail: Ihre appartements bestanden aus vier Räumen, die – wie bei Hochadeligen üblich – sich in ein erstes und zweites Vorzimmer (antichambre), ein Arbeitszimmer (cabinet) und ein Schlafzimmer (chambre) aufteilten. Es fehlte lediglich das traditionelle Ankleidezimmer (vestibule), das sich vor dem ersten Vorzimmer hätte befinden sollen. An seiner Stelle befand sich die prachtvolle Treppe zu den ehemaligen Gemächern der Königin auf der gegenüberliegenden Seite (escaliers de la reine)49: Wer zur Maintenon wollte, musste den triumphalen Aufgang zur Königin nehmen. Nach dem Tod der Königin Maria Theresia im Jahr 1682 wurde dieser Bereich im Versailler Schloss von Grund auf umgestaltet. Einen Teil der Räume bezog die Dauphine; in erster Linie aber wurden die Räume des Königs soweit ausgedehnt, dass sie schließlich an die Gemächer der Madame de Maintenon angrenzten50. Die escaliers de la reine dienten nun beiden als Aufgang, so dass einerseits deutlich wurde, dass Ludwig XIV. eine neue Ehefrau hatte. Andererseits wurde durch die Umgestaltung des Flügels der Königin aber offensichtlich, dass es keine neue „deklarierte“ Königin geben würde. Bis zur chambre der Marquise hatte Ludwig XIV. immer noch einen langen und vor allem indiskreten Weg zu gehen: Seine morgendlichen und abendlichen Besuche waren für den gesamten Hof sichtbar51 und nahmen einen rituellen Charakter an. Madame de Maintenons außergewöhnliche Position wurde so in der „sozialen Logik des Raumes“52 für die Hofgesellschaft unmissverständlich demonstriert. Zeremonielle Aspekte spielten in doppelter Hinsicht eine Rolle53. Zunächst war Madame de Maintenon nicht in dem Maße in zeremonielle Struk49 Vgl. Himmelfarb, Hélène, Les logements versaillais de Madame de Maintenon: essai d’interprétation, in: Niderst, Albineana I, 305–335, hier 314 f. 50 Vgl. die Pläne in Newton, L’espace du roi, bspw. 164. Unpräzise ist die Behauptung Hankens, die Räume der Königin seien unter der Dauphine und Maintenon aufgeteilt worden. Vgl. Hanken, Vom König geküsst, 37 f. Zum Innenausstattung der königlichen Räume und ihrer logique décorative siehe Milovanovic, Nicolas, Les Grands Appartements de Versailles sous Louis XIV (Réunion des musées nationaux, Catalogue des décors peints), Paris 2005. 51 „On voit la longueur et l’indiscrétion de ce cheminement!“ Himmelfarb, Logements, 327. Ähnlich „offensichtlich“ waren ihre Zusammenkünfte in Marly und Trianon; siehe hierzu Ebd., 329–334. 52 Stollberg-Rilinger, Barbara, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 1/4 (2000), 389–405, hier 396. 53 Zeremoniell soll im Folgenden als Handlung mit „eher darstellendem, abbildendem Charakter“, in Abgrenzung zum Ritual als „standardisierte Handlung mit ‚Wandlungscharakter‘“ verstanden werden. Vgl. Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, 397.
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turen eingebunden, wie es eine Königin gewesen wäre54. Der König konnte sich mit ihr sehr viel leichter und häufiger treffen – bis zu einem gewissen Punkt war sogar Spontaneität möglich. Zugleich konnte mittels Änderungen im Zeremoniell auch ihre Position verdeutlicht werden. Madame de Maintenon machte ihren Status deutlich, indem sie unter dem Vorwand ihrer schwachen Gesundheit erfolgreich das Recht einforderte, in Anwesenheit des Königs zu sitzen – ein Privileg, das ansonsten allein der Königin vorbehalten war55. Die Mitglieder der königlichen Familie erhielten in ihren appartements dagegen keinen Stuhl mit Armlehne (chaise à bras), mit der Begründung, dass der König dort sehr häufig anwesend war. Was eigentlich ein Skandal hätte sein müssen, sei zum Ausdruck des königinähnlichen Platzes der Maintenon geworden, so der Duc de Saint-Simon56. In diese Richtung deutet auch die Beschreibung einer weiteren Zeitgenossin: Marie de RabutinChantal, Marquise de Sévigné57 berichtete, dass man die beiden nebeneinander in einem Sessel vorfände58. Madame de Maintenon genösse auf diese Weise den Rang der Königin, ohne eine solche zu sein, beobachtete auch die Schwägerin des Königs59. Das Zeremoniell bildete Herrschafts- und Rangordnungen ab und hatte dadurch eine politische Funktion60. Im Fall der Maintenon zeigen sich seine Bedeutung und Wirkung sowohl daran, dass sie in bestimmten Punkten davon ausgenommen war, als auch daran, dass ganz gezielt Veränderungen vorgenommen wurden. Hinsichtlich der strukturellen Voraussetzungen ihres Verhältnisses zum König verspricht die Darstellung ihres Tagesablaufs aus Maintenons eigener Feder weitere Erkenntnisse61: 54 Zum Zeremoniell der Königin siehe Cosandey, La reine de France, 127–205. 55 Vgl. Duindam, Myths of Power, 101. 56 Vgl. Le Roy Ladurie, Saint-Simon, 47 f. 57 Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné (* 1626, † 1696): 1662 am Hof zugelassen.Vgl. Kapitel II.3.3.1. (Verteidigung). 58 Vgl. Sévigné an Grignan, Rochers, 21.6.1680, Sévigné II (Gérard-Gailly), 753. 59 Vgl. Brocher, Henri, À la cour de Louis XIV. Le rang et l’étiquette sous l’Ancien Régime, Paris 1934, 153. 60 Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, 399. 61 Vgl. Entretien particulier d’une confiance intime avec Madame de Glapion, o.O., 4.4.1705, Madame de Maintenon d’après sa correspondance authentique, choix de ses lettres et entretiens, hrsg. v. Auguste Geffroy, 2 Bde., Paris 1887, Bd. 2, 43–52. Marie-Madeleine de Glapion des Routis (* 1674, † 1729): 1686 Schülerin in St. Cyr, 1695 dame de Saint-Louis; sie sollte nach Maintenons Tod die Direktion des Internats übernehmen.
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Ab halb acht Uhr morgens fänden sich bereits Höflinge und Minister in ihren appartements ein, die wieder gehen müssten, sobald der König selbst käme. Er bliebe bis zur Messe und kehre dann anschließend wieder zu ihr zurück. Während ihres eigenen Mittagessens leisteten ihr die Duchesse de Bourgogne und deren Hofstaat Gesellschaft. Im Anschluss daran kämen weitere Hofdamen und Monseigneur, der Bruder des Königs, bis schließlich wiederum der König selbst mit der gesamten famille royale einträfe. Zwischenzeitlich ginge der König zur Jagd, hernach seien sie beide zu zweit. In dieser Zeit habe sie seine Sorgen anzuhören und seine Tränen zu trocknen. Schließlich kämen die Minister, um mit dem König zu arbeiten, wobei bisweilen die Präsenz der Maintenon als dritte im conseil verlangt würde. Andernfalls zöge sie sich zurück, um zu beten. Danach nähme sie – noch immer in Gegenwart der Minister – ein hastiges Abendessen ein, um dann müde zu Bett zu gehen, jedoch immer bereit, den König erneut in Zweisamkeit bis zu seinem öffentlichen souper zu unterhalten62. Anschließend empfange sie noch den Dauphin, den Duc und die Duchesse de Bourgogne63. Die Quelle gibt in erster Linie Auskunft darüber, wie sich Madame de Maintenon gegenüber einer Klientin darstellen wollte. Sie zeigt, „wie es hätte sein sollen“ und nicht „wie es tatsächlich war“64. Daher sollte der Text auch nicht unreflektiert als „einzigartiger Einblick in ihr Leben am Hof und mit Ludwig“65 gelesen werden. Allerdings können Rückschlüsse darüber gezogen werden, dass Madame de Maintenon in ihrer Selbstdarstellung Wert darauf legte, ihren privilegierten Zugang zum König zu zeigen. In gleichem Maße betonte sie die räumliche Nähe zur Königsfamilie und den Ministern, was Zeitgenossen als unmissverständlichen Hinweis auf ihre Nähe zur Macht verstehen mussten66. Dabei erinnert ihre Selbstdarstellung als passive Zuhörerin, Trösterin oder Betende an Verhaltensmuster des „weiblichen Geschlechtscharakters“67.
62 Vgl. Maintenon II (Geffroy), 43–51. 63 Beim Duc de Bourgogne handelt es sich um Louis de Bourbon (* 1682, † 1712); als ältester Sohn Ludwigs XIV. trug er den Titel Dauphin. 64 Vgl. what ought to have happened vs. what actually happened: Buc, Philippe, The Dangers of Ritual. Between Early Medieval Texts and Social Scientific Theory, Princeton 2001, 248. 65 Wie zuletzt bei Bryant, der die Quelle als a unique insight into her life at court with Louis bezeichnet. Bryant, Marquise, 164. 66 Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, 399. 67 Vgl. die Merkmalsgruppen bei Hausen, Spiegelung, 368. Hausen zufolge wurden diese Charakterschemata erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts „erfunden“.
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Dass ihre appartements dem Königs einerseits als Rückzugsraum, andererseits als Konferenzraum für Besprechungen mit seinen Ministern dienten, wird von weiteren Quellen gestützt. Der König sei die meiste Zeit bei der Maintenon, niemand wisse, was man davon halten solle, wundert sich ein piemontesischer Gesandter68. Bei Saint-Simon ist zu lesen, dass die allabendlichen Empfänge der Königsfamilie, wenn der König „Appartement hielt“ (tenir appartement), immer in ihrem Beisein oder ihren Gemächern stattfanden. Er beschreibt auch die Sitzungen mit seinen Ministern, die in den Räumen der Marquise stattfanden und bei denen sie stets sitzend und mit Handarbeit beschäftigt anwesend gewesen sei69. In den Memoiren des Philippe de Courcillon, Marquis de Dangeau70 finden sich ebenfalls zahlreiche Hinweise darauf, dass der König in ihren Räumen mit den Staatssekretären im so genannten travail du roi arbeitete71, was der Blick in Maintenons Korrespondenz mit der Princesse bestätigen wird. Dem Staatssekretär Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy72 zufolge war Madame de Maintenon bei wichtigen Konferenzen anwesend73, und der conseil 68 Mémoires sur la Cour de Louis XIV. 1673–1681, hrsg. v. Jean-François Solnon, Paris 1988, 150 f. Es handelt sich um Jean-Baptiste Primi Visconti Fassola de Rasa, comte de Saint-Mayol (* 1648, † 1713). 69 Vgl. bspw. Saint-Simon III (Coirault) [1708], 312 f. 70 Philippe de Courcillon, Marquis de Dangeau (* 1638, † 1720). 71 Siehe bspw.: „Le Roi tint le conseil des finances, et aussitôt après son dîner il entra chez Madame de Maintenon, d’où il ne sortit que pour aller souper. Il y travailla le soir avec M. de Chamillart.“ Versailles, 8.1.1709, Dangeau, Philippe de Courcillon de, Abrégé des mémoires ou journal du Marquis de Dangeau. Extrait du manuscrit original avec des notes, hrsg. v. Stéphanie Félicité de Genlis, Paris 1817, 83. Oder: „Le soir, chez Madame de Maintenon, le Roi travailla avec M. de Torcy, Desmarets et Voisin, [...].“ Marly, 25.6.1709, Dangeau III (Genlis), 103. 72 Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy (* 1665, † 1745/46). Zur Biographie Colbert de Torcys siehe Kapitel I.3.2.1. (Le canal ordinaire: der „ordentliche“ Weg) und ausführlich Rule, John, King and Minister. Louis XIV and Colbert de Torcy, in: William III and Louis XIV. Essays 1680–1720 by an for Mark A. Thompson, hrsg. v. Ragnhild Marie Hatton / Marc Alméras Thomson, Liverpool 1968, 213–230, hier 216–219; Mousnier, Roland et al. (Hrsg.), Le Conseil du Roi. De Louis XII à la Révolution, Paris 1970, 176– 195; Journal inédit de Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy, ministre et Secrétaire d’État des Affaires Étrangères pendant les années 1709, 1710 et 1711, publié d’après les manuscrits autographes, hrsg. v. Frédéric Masson, Paris 1884, Introduction, 6–11. 73 „Cela se passait dans la chambre de M[ada]me de Maintenon. De son lit, elle pressa le Roi de songer à finir une affaire aussi importante que l’était celle de la paix.“ Journal de Torcy, 27.1.1710, zitiert nach Baudrillart, Alfred, Madame de Maintenon. Son rôle politique pendant les dernières années du règne de Louis XIV. 1700–1715, in: Revue des Questions Historiques 80/3 (1890), 101–161, hier 111. An anderer Stelle ist zu
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d’en haut tagte häufig in ihren Gemächern74. Dieses exklusive Gremium verdankt seinen Namen der Tatsache, dass es neben den Gemächern des Königs im ersten Stock seiner Residenz mindestens dreimal wöchentlich zusammentrat. Der conseil war in seiner Zusammensetzung variabel, zählte jedoch unter Ludwig XIV. nie mehr als fünf Mitglieder, die so genannten ministres d’État, die nicht notwendigerweise ein Regierungsamt bekleiden mussten. Der Titel bezeichnete somit kein Amt, sondern eine Würde, die – einmal erhalten – ein Leben lang währte. Wer tatsächlich in den conseil geladen wurde, bestimmte dagegen der König für jede Sitzung neu75. In diesem intimen Beraterkreis wurden zentrale politische Fragen und insbesondere auswärtige Angelegenheiten behandelt76 – lesen, dass der König seinen Ministern die Anweisung gab, sich in den Gemächern von Madame de Maintenon einzufinden (111). 74 Zum ersten Mal berichtet Madame de Maintenon von ihrer Anwesenheit beim conseil im Oktober 1698: Maintenon an Noailles, o.O., 22.10.1698, Maintenon V (Langlois), 391 f. Ein anderes Beispiel im Journal de Torcy, 26.3.1710, 152, zitiert nach Baudrillart, Maintenon, 111. Ein Beispiel aus der Korrespondenz mit der Princesse des Ursins: „Je ne fus pas la moins agitée pendant le Conseil où l’on délibérait sur cette affaire [...].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 21.7.1709, in: Correspondance de Madame de Maintenon et de la princesse des Ursins. 1709: une année tragique, hrsg. v. Marcel Loyau, Paris 2002, 229 f. 75 Üblicherweise erhielten diese Einladung immer der Kanzler und der Generalkontrolleur der Finanzen; hinzu konnten Mitglieder der Königsfamilie und der Hofgesellschaft kommen, wenn der König Wert auf ihre Meinung legte. Vgl. Mousnier, Le Conseil, 7. Auch die Staatssekretäre wurden nicht zwangsläufig, sondern auf besonderen königlichen Wunsch in den conseil d’en haut berufen. Der Staatssekretär für Auswärtiges war – obschon nicht zwingend – fast immer auch Mitglied des conseil, die Staatssekretäre der Marine und des Krieges häufig, der Staatssekretär der maison du roi und der Kanzler dagegen nur in Ausnahmefällen. Siehe Barbiche, Bernard, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne. XVIe–XVIIIe siècle, Paris 1999, 288. Zu den Mitgliedern der verschiedenen Ratsgremien siehe ausführlich Mousnier, Le conseil, 23–36. Unter Ludwig XV. und Ludwig XVI. sollte er als conseil d’État bezeichnet werden. 76 Der brandenburgischen Gesandte Spanheim beschreibt die Aufgaben des conseil folgendermaßen: „C’est dans ce conseil du ministère que se traitent toutes les grandes affaires de l’État, tant de paix que de guerre, que les ministres y entrent y font rapport de celles de leur département particulier suivant qu’il en sera bientôt parlé, qu’on lit les dépêches des ministres du Roi dans les cours étrangères, les réponses qu’on y fait et les instructions qu’on leur donne, qu’on y délibère sur les traités, les alliances et les intérêts de la couronne avec les puissances étrangères, enfin qu’on y propose et qu’on y résout tout ce qui regarde le gouvernement et qui peut être de quelque importance pour le Roi, pour la cour, pour l’État, en un mot pour le dedans et pour le dehors du royaume.“ Spanheim (Bourgeois), 296. Vgl. hierzu Malettke, Klaus, Ludwigs XIV. Außenpolitik zwischen Staatsräson, ökonomischen Zwängen und Sozialkonflikten, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg.
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kurz: die Angelegenheiten, die der König als die wichtigsten erachtete77. Zum conseil d’en haut wurde Madame de Maintenon gelegentlich explizit hinzugebeten, meist war sie zumindest als passive Zuhörerin bei den Sitzungen anwesend. Die morganatische Ehefrau Ludwigs XIV. war darüber hinaus als Vermittlerin für auswärtige Gesandte am Hof tätig. Marc Bryant hat herausgearbeitet, dass europäische Höflinge die Marquise als den effektivsten Kanal, um mit dem König zu kommunizieren, seine Patronage zu gewinnen und auf ihn Einfluss zu nehmen, einschätzten78. In Paris weilende Botschafter und Gesandte wandten sich an sie, und Vertreter von Städten suchten ihre Fürsprache79. Aus verschiedenen Nuntiaturberichten geht hervor, dass Maintenon in St. Cyr, dem von ihr gegründeten Internat für Töchter aus dem verarmten Adel, die päpstlichen Nuntien empfing. In diesen Berichten tritt sie als wichtige Ansprechpartnerin am Hof und Beraterin des Königs hervor80. Der Papst selbst nutzte den Weg über die Marquise, um dem französischen König Vorschläge zu unterbreiten81. Dem Duc de Saint-Simon zufolge hielt die Duchesse de Bourgogne, Madame de Maintenons Schützling, allwöchentlich dienstags eine öffentliche Ankleidezeremonie (toilette) für ausländische Gesandte ab82. Ob und in welv. Heinz Duchhardt, Berlin 1991, 43–72, 45 und Roosen, William James, The Age of Louis XIV. The Rise of Modern Diplomacy, Cambridge, Mass. 1976, 51. 77 Siehe Mousnier, Le conseil, 7. 78 „[...] French and European courtiers alike came to regard Maintenon as the most effective channel through which to communicate with, gain the patronage of, and generally influence the aging king.“ Bryant, Marquise, 216. 79 Augustin Florimond, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Dole, war in den Jahren 1692 und 1693 als Gesandter in Paris und sollte dort verschiedene Anliegen seiner Stadt vor den König bringen. Dazu suchte er über Klienten der Maintenon Zugang zum König. Vgl. bspw.: Florimond an den Rat von Dole, Paris, 2.11.1692; Paris, 28.11.1692; Paris, 14.12.1692, Archives municipales de Dole, Cote 1607, n. fol. Siehe hierzu auch Windler, Christian, Städte am Hof. Burgundische Deputierte und Agenten in Madrid und Versailles (16.–18. Jahrhundert), in: Zeitschrift für Historische Forschung 30 (2003), 207–250. 80 Vgl. Blet, Pierre, Les nonces du pape à la cour de Louis XIV, Paris 2002, 155. Während bspw. Ranuzzi und Cavallerini ihre Vermittlung im Streit um den Jansenismus suchen und ihre tragende Rolle am Hof betonen (155 und 179–186), findet die Marquise in anderen Nuntiaturberichten wie etwa dem Gualterios kaum Erwähnung. Ob dieser Befund auf einen fehlenden Kontakt anderer Nuntien mit der Marquise oder vielmehr auf die fehlende Erwähnung in der Korrespondenz des Nuntius zurückzuführen ist, kann nur durch eine systematische Analyse aller Nuntiaturkorrespondenzen ermittelt werden. 81 Siehe hierzu Kapitel I.2.2.5. („Interhöfischer“ Austausch). 82 „[L]e duc du Maine, suivi de Vendôme, arriva donc ce même jour à la toilette de Madame la duchesse de Bourgogne. La rencontre du mardi, jour des ministres étrangers, et de la veille qu’on allait, rendit la toilette fort nombreuse en hommes et en dames.“ Saint-
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cher Form, Madame de Maintenon dort anwesend war, geht aus der Quelle zwar nicht hervor, jedoch kann in Anbetracht der engen Verbindung zwischen der Duchesse und ihrer Betreuerin angenommen werden, dass der Marquise sich hier ein weiterer Zugang zu den auswärtigen Angelegenheiten bot. Weder zeitgenössische Betrachter noch Madame de Maintenon selbst scheinen sich daran gestört zu haben, dass Ludwig XIV. sich mit seinen Ministern in den Räumen der Maintenon traf und dass in ihrer Anwesenheit diplomatische Depeschen vorgelesen wurden83. Dem Staatssekretär Torcy zufolge war der König darauf bedacht, dass Madame de Maintenon auf dem Laufenden gehalten wurde: die Briefe wurden ihr vorgelesen oder Teile für sie exzerpiert84. Anders verhält es sich mit der Frage, ob sie dabei eine aktive oder passive Rolle spielte. Als Beispiel sei die Sitzung des conseil du roi, in der über die Annahme des Testaments Karls II. und damit über Krieg und Frieden entschieden wurde, herangezogen. Es soll hier nicht erneut versucht werden zu rekonstruieren, wer sich für oder gegen die Annahme des Testaments ausgesprochen habe85, sondern lediglich auf eine Auffälligkeit hingewiesen werden. Diese betrifft die zeitgenössischen Darstellungen der Rolle der Marquise. Elisabeth-Charlotte, Duchesse d’Orléans86, eine erklärte Gegnerin der Maintenon, schrieb, man habe ihr versichert, dass Madame de Maintenon bei der Verhandlung anwesend gewesen sei87. Bei Torcy ist hingegen zu lesen, dass jene, die dies behaupteten, sich täuschten oder die Unwahrheit sagten88. Einem weiteren protégé der Simon III (Coirault) [1710], 997. Dieses Zeremoniell sollte unter Ludwig XV. seine maîtresse en titre Madame de Pompadour weiterführen. Siehe Dade, Pompadour, 91. 83 Vgl. Natalie Zemon Davis / Arlette Farge (Hrsg.), A History of Women in the West, Bd. 3: Renaissance and Enlightenment Paradoxes, Cambridge 1991, 174 f.; Duindam, Myths of Power, 122. 84 „Je portai le paquet au Roi sans ouvrir la lettre adressée à S[a] M[ajesté]. Elle me commanda d’en faire la lecture en présence de M[ada]me la duchesse de Bourgogne et de M[ada]me de Maintenon.“ Torcy, 24.5.1710, Torcy (Masson), 186. Oder über die Briefe von Louville: „Le roi, à qui j’en montre régulièrement les passages essentiels, se les fait souvent lire tout entières, et il en fait extraits pour M[ada]me de Maintenon.“ Torcy an Louville, zitiert nach Louville, Mémoires I (du Roure), 16. 85 So zuletzt: Bély, Lucien, L’art de la paix en Europe. Naissance de la diplomatie moderne. XVIe–XVIIIe siècle, Paris 2007, 288–290. 86 Elisabeth-Charlotte, Duchesse d’Orléans, genannt Liselotte von der Pfalz (* 1652, † 1722): Sie war die Tochter des pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig und Gemahlin des Philippe d’Orléans, des Bruders Ludwigs XIV. 87 „On m’a assuré que le Roi a amené hier publiquement la pantocrate [Madame de Maintenon, A.d.V.] au conseil.“ 10.11.1700, zitiert nach Baudrillart, Maintenon, 142. 88 Mémoires de Torcy, zitiert nach Baudrillart, Maintenon, 111.
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Maintenon, Charles-Auguste d’Allonville, Marquis de Louville89, zufolge war sie zwar präsent, äußerte aber keine eigene Meinung. Der Duc de Saint-Simon, wiederum ein Gegner, wollte wissen, dass sie sich zunächst zwar nicht habe äußern wollen, sich auf das Drängen Ludwigs XIV. hin schließlich dann aber für die Annahme des Testaments ausgesprochen habe90. Saint-Simon zufolge war dieses Verhalten Teil einer intriganten Strategie, mit der sie ihren Willen stets durchsetzen konnte: Sie habe die Minister derart auf die Sitzungen vorbereitet, dass diese Maintenons Vorschläge und Ansichten wiedergaben, denen sie selbst dann wiederum in aller Bescheidenheit zustimmte91. Es scheint, dass aus zeitgenössischer Sicht der springende Punkte nicht die Anwesenheit der Ehefrau des Königs war; vielmehr war offensichtlich von Bedeutung, ob sie aktiv oder passiv an der Sitzung teilnahm. Diese Frage wurde vom jeweiligen Autor in seiner Darstellung zur Verteidigung oder Anklage gebraucht. Als Frau und ohne qualifizierendes Amt hätte Madame de Maintenon womöglich Grenzen übertreten. Auf diese Frage wird noch zurückzukommen sein. Das „Rätsel“ 92 Madame de Maintenon Die beschriebenen Verhältnisse zeigen einerseits die Möglichkeiten, die sich der morganatischen Ehefrau des Königs aufgrund struktureller und zeremonieller Voraussetzungen boten. Andererseits liefern sie Indizien für ihre politische Rolle. Zeitgenössische Beobachter wie Historiker beschäftigte gleicher89 „Elle [l’acceptation du testament, A.d.V.] paraissait résolue par la volonté du roi; néanmoins elle resta indécise encore quelques instants à cause de madame de Maintenon qui s’y montrait fort opposée.“ Mémoires secrètes sur l’établissement de la Maison de Bourbon en Espagne, extraits de la correspondance du marquis de Louville, hrsg. v. Comte Scipion du Roure, 2 Bde., Paris 1818, hier Bd. I, 27. Charles-Auguste d’Allonville, Marquis de Louville (* 1668, † 1731): französischer Diplomat unter anderem in Portugal und Spanien. 90 Vgl. Saint-Simon I (Coirault), 772 f. 91 Vgl. Saint-Simon III (Coirault), 718 f. 92 Das Phänomen Maintenon als „Rätsel“ zu bezeichnen, ist zu einem Topos des Wissenschaftsdiskurses geworden. Vgl. bspw.: Une énigme pour le monde: Lavallée, Theodor, Madame de Maintenon et la maison royale de St. Cyr, Paris 1862, Bd. 8, 34; une énigme pour la postérité: Correspondance générale de Madame de Maintenon, Introduction, I; une énigme historique: Aumale, Marie Jeanne de, Souvenirs sur Madame de Maintenon. Les Cahiers de Mademoiselle d’Aumale, hrsg. v. Gabriel P. d’Haussonville / Gabriel Hanoteaux, Paris 1903 (Souvenirs sur Madame de Maintenon, 2), Introduction, IV; Giraud, Victor, La vie énigmatique de Madame de Maintenon, in: Revue des deux mondes, Centième année (15.10.1930), 938–949.
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maßen die Frage, ob Madame de Maintenon nun Einfluss auf die politischen Geschäfte nahm oder nicht, und wenn ja, ob dieser Einfluss schädlich oder günstig war93. Dass sie zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, liegt in den jeweils verschiedenen Konzepten und Normen ihrer Zeit und den verschiedenen Wissenschaftstraditionen begründet. Noch im Jahr 2001 stellt Bryant, der die Marquise als „effektive Vermittlerin, mächtige Patronin und einflussreiche Staatsfrau“94 bezeichnet hat, fest: „Ihre ominöse ‚Rolle‘ ist nicht identifiziert, ihr Nachweis voller Probleme, und das Bild bei weitem nicht klar.“95 Die Einschätzungen der Historiker haben stets eines gemeinsam: Sie versuchen, das Phänomen mit der Dichotomie „privat versus politisch“ zu beschreiben, um schließlich Formulierungen zu (er)finden, die ein „sowohl, als auch“ erlauben. Meist lässt sich dabei – ganz wie bei zeitgenössischen Beobachtern – eine Tendenz zur Anklage oder Rehabilitation der Marquise erkennen96. So war für Alfred Baudrillart Madame de Maintenon eine „diskrete und autorisierte Vermittlerin“97, für Victor Giraud „eher Vertraute, denn Beraterin“98. Jean Cordelier entscheidet sich ebenfalls für einen Kompromiss: „Sie nimmt an den Überlegungen teil und diskutiert über die Angelegenheiten, zwingt aber niemals ihre Entscheidung auf.“99 Sie sei ein „Zeuge, der nicht spricht“ gewesen und habe zuallererst als Ehefrau Ludwigs XIV. gehandelt, die ihre Pflichten erfüllt100. Alain Niderst zufolge habe Madame de Maintenon zwar nur wenige Ratschläge gegeben, ihre „unterwürfige und sanfte Stimme“ beim König sei aber „hartnäckig“ gewesen101. Emmanuel Le Roy Ladurie zieht sich aus der Affäre, indem 93 Siehe die Darstellung der Forschungsdiskussion bei Bryant, Marquise, 20–24; zuletzt Desprat, Jean-Paul, Madame de Maintenon (1635–1719): ou le prix de la réputation, Paris 2003; Le Nabour, Eric, La Marquise de Maintenon. L’épouse secrète de Louis XIV, Paris 2007. 94 „The marquise worked extremely hard and was an effective intermediary, a powerful patroness and an influential stateswomen.“ Bryant, Marquise, 219. 95 „The ominous ‚role‘ is not identified, the evidence is fraught with problems, and the picture is far from clear [...].“Bryant, Marquise, 13. 96 Siehe zu dieser Frage auch Neveux, Jean B., Haïr Madame de Maintenon aujourd’hui comme hier?, in: Niderst, Albineana I, 147–190. 97 Une intermédiaire discrète et autorisée: Baudrillart, Maintenon, 161. 98 Confidante plus que conseillère: Giraud, La vie énigmatique, 949. 99 „Elle participe aux délibérations et discute des affaires mais elle n’impose jamais sa décision.“ Cordelier, Jean, Madame de Maintenon. Une femme au grand siècle, Paris 1959, 316. 100 Vgl. Cordelier, Maintenon, 280 und 281. 101 Niderst, Alain, Madame de Maintenon et la guerre de succession d’Espagne, in: Ders., Albineana I, 269–279, hier 279.
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er Maintenon als „symbolischen Anziehungspunkt“ der Macht bezeichnet102. Ludwigs XIV. Biograph Jean-Christian Petifils will Gemeinschaftsarbeit und keine Konkurrenz mit dem König erkennen103, während Jeroen Duindam sie als Bindeglied zwischen König und Hof104, als informelle Variante des Ersten Ministers und – in Anlehnung an eine Formulierung eines Zeitgenossen der Maintenon105 – als „treue Interpretin der Gedanken des Königs“ bezeichnet106. Bryant schließlich hat Maintenon als „Minister ohne Portfolio“107 beschrieben. Die Problematik solcher Urteile liegt in dem der Analyse zugrunde gelegten Politikbegriff begründet. Die Frage, ob Madame de Maintenon Politikerin oder private Gefährtin war, ist für die Frühe Neuzeit nicht adäquat gestellt, wie bereits deutlich wurde. Wie politisch eine Person oder ihre Handlungen waren, bemaß sich an ihrer Distanz zum Herrscher und zu dem Raum, in dem sich der Herrscher aufhielt oder aufhalten konnte. Je weniger Personen Zutritt zu diesem Raum hatten, desto größer ist deren Einfluss einzuschätzen. Durch die Verknappung des Zugangs wurde also das Intime politisch aufgeladen; der Nahbereich des Herrschers war ein Raum politischer Entscheidung und die Kontrolle seines Zugangs bedeutete politische Macht. Entscheidend waren daher die Kategorien der Nähe und des Zugangs zum Herrscher. Vor diesem Hintergrund kann Madame de Main102 „Sans accorder à cette dame plus d’importance qu’elle n’en mérite (les chercheurs ont beaucoup discuté de son pouvoir réel), disons qu’elle représente au moins un point symbolique autour duquel peuvent s’agréger des groupes d’influence de pression ou de complicité, des lobbies ou des écuries comme nous dirions.“ Le Roy Ladurie, SaintSimon, 193. 103 Petitfils, Jean-Christian, Louis XIV, Paris 1995, 316–18. 104 Vgl. Duindam, Jeroen, Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern European Court, Amsterdam 1995, 140. 105 Es handelt sich um Claude Louis Hector, duc de Villars (* 1653, † 1734); seine Bezeichnung der Maintenon als fidèle interprète des pensées du roi zitiert Baudrillart, Maintenon, 162. 106 „She turned into an informal variant of the premier ministre, the inevitable go-between and‚ fidèle interprète des pensées du roi‘ [...].“ Vgl. Duindam, Vienna and Versailles, 230. 107 Bryant, Marquise, 177. Vgl auch: „In the course of her career Maintenon became an integral, central and then pivotal part of the world of the French court, the private life of Louis XIV, and the political system over which he presided.“ Bryant, Marquise, 28. Auch Bryant versucht, aus der Dichotomie privat - politisch heraus zu erklären und übernimmt verschiedene Konzepte seiner Vorgänger: première ministrice (277), considerable influence in an array of public and private sphere (277). Ähnlich zuletzt auch Buckley, Veronica, The Secret Wife of Louis XIV: Françoise d’Aubigne, Madame de Maintenon, New York 2009.
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tenon eine Teilhabe an den politischen Entscheidungsprozessen am Hof und eine „klare politische Rolle“ zugewiesen werden108. Vor dem Hintergrund der neueren Forschungsansätze ist die Machtposition der Madame de Maintenon nicht mehr rätselhaft, sondern in ihrer Außergewöhnlichkeit aus dem System heraus nachvollziehbar. Im „Kommunikationsraum“109 des frühneuzeitlichen Hofes wurde die soziale Ordnung über Kommunikationsrechte herausgebildet, Kommunikationsmöglichkeiten wurden verknappt, hierarchisiert und mit Machtchancen verbunden. Es ist deutlich geworden, dass Madame de Maintenon im wörtlichen wie im übertragenen Sinne über einen exklusiven Zugang zum König und somit über Kommunikationsmöglichkeiten und die damit verbundene politische Macht verfügte. Ihre räumliche Privilegierung, das tägliche Zusammensein mit dem König und die zeremonielle Sonderstellung waren zugleich Voraussetzung und Demonstration ihres „einzigartigen Platzes“110 bei Hofe. Ihr Geschlecht hatte dabei keineswegs nur eine diskreditierende Wirkung. Denn es waren ihre Aufgaben als Gouvernante der königlichen Bastarde und ihr Amt als Hofdame, die sie erstmals in die Nähe des Königs gebracht hatten, und ihr erhebliche Einflussmöglichkeiten eröffneten, zumal ihre Rolle als erste Favoritin durch keinen Günstlingminister gestört wurde. Als morganatische Ehefrau konnte sie zugleich implizit an eine legitime weibliche Herrschaftsrolle anknüpfen. Die Kategorie „Geschlecht“ hatte somit eine strukturierende Wirkung, die sich hinsichtlich ihrer politischen Einflussmöglichkeiten nicht einschränkend, sondern formgebend auswirkte. Ihre „Nähe zum Herrscher“ war dabei der ausschlaggebende Faktor, der die diskreditierenden Faktoren ihres Geschlechts, ihrer ärmlichen Herkunft und ihrer vorherigen bürgerlichen Ehe mehr als auszugleichen schien. Auf die Grenzen dieses Einflussbereiches wird an späterer Stelle zurückzukommen sein.
108 A History of Women in the West, hrsg. v. Natalie Zemon Davis / Arlette Farge, Cambridge 1991, Bd. 3: Renaissance and Enlightenment Paradoxes, 174 f. 109 Zur Bedeutung von Kommunikation und Interaktion am Hof siehe Schlögl, Hof, 187 f. 110 „Vous m’avez fait un grand plaisir de me parler de Versailles: la place de Madame de Maintenon est unique dans le monde; il n’y en a jamais eu, et il n’y en aura jamais.“ Sévigné an Grignan, Rochers, 27.9.1684, Sévigné III (Gérard-Gailly), 17.
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1.2. Pour le service de mon Roi111: Die Princesse des Ursins in Madrid „[I]ch schlage vor, dass Madame de Bracciano [die Princesse des Ursins, A.d.V.] die Prinzessin von Savoyen begleitet; sie ist eine Frau, die Geist, Sanftmut, Höflichkeit hat, Fremde kennt, immer repräsentiert und sich überall beliebt gemacht hat; sie trägt den Titel grande de España, ist ohne Ehemann, ohne Kinder, und daher ohne störende Ansprüche. Ich sage Ihnen all dies ohne Absicht oder persönliches Interesse, sondern einfach, weil ich sie für das, was Sie wünschen, geeigneter halte als jede andere Frau, die wir hier haben.“112
Mit diesen Worten sprach sich Madame de Maintenon gegenüber dem französischen Botschafter in Madrid für die Wahl der Princesse des Ursins aus, als im Jahr 1701 eine Begleitung für die junge spanische Königin Maria Luisa gefunden werden musste. Das Zitat ist insofern bemerkenswert, als hier aus zeitgenössischer Sicht die Voraussetzungen genannt werden, die zur Begleitung einer Königin befähigen. Zunächst geht es um geistige Fähigkeiten (esprit) und soziale Kompetenzen gemäß dem höfischen Ideal der honnêteté113. Die angedeuteten Bekanntschaften mit Fremden sowie der Hinweis, dass sie sich überall beliebt gemacht hat, verweisen auf ihre Netzwerke in ganz Europa und beinhalten auch, dass die Princesse spanisch und italienisch sprach. In der Tat verbrachte die Princesse nur 37 ihrer insgesamt 80 Lebensjahre in Frankreich. Der Titel der grandeza, dem höchsten spanischen Adelsprädikat, würde ihr auch am spanischen Hof das nötige Ansehen verschaffen. Ihre relativ unabhängige, von Familienverpflichtungen weitgehend freie Stellung als kinderlose Witwe war ebenfalls von 111 Vgl. Ursins an Ludwig XIV., Rom, 21.6.1701, MAE CP Rome 421, f. 433; Zitat in Anm. 357. Zu diesem Kapitel siehe auch Bastian, Corina, Kammerdame und diplomatische Akteurin: Die Princesse des Ursins am Hof Philipps V. von Spanien (1701–1714), in: von Thiessen / Windler, Akteure der Außenbeziehungen, 261–276. 112 „[ J]e propose que ce soit M[adam]e de Bracciano qui vous mène la Princesse de Savoie; c’est une femme qui a de l’esprit, de la douceur, de la politesse, de la connaissance des étrangers, qui a toujours représenté et s’est fait aimer partout; elle est grande d’Espagne, elle est sans mari, sans enfants, et ainsi sans prétentions embarrassantes. Je vous dit tout ceci sans dessein ni intérêt particulier, mais simplement parce que je la crois plus propre à ce que vous désirez qu’aucune femme que nous avons ici.“ Maintenon an Duc d’Harcourt, o.O., 16.4.1701, Maintenon I (Geffroy), 336 f. 113 Zum Konzept der honnêteté siehe Höfer, Annette / Reichardt, Rolf, Honnête homme, honnêteté, honnêtes gens (Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich, 7 / Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, 10), München 1986; siehe hierzu insbesondere Kapitel II.3.3.4. (Die Princesse des Ursins als négociatrice?).
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Bedeutung. Um die Darstellung der Madame de Maintenon einschätzen zu können, bedarf es der Rekonstruktion einiger biographischer Fakten114. Vernetzung Marie-Anne de la Trémoille wurde im Jahr 1641115 als Tochter von Louis de la Trémoille, Duc de Noirmoutier und Julie-Renée d’Aubéry, Dame de Tilleport geboren116. Sie stammte aus einer Familie mit politischem Gewicht, die bürgerliche und adelige Elemente vereinte: Die Trémoille repräsentierten eine der ältesten und ehrwürdigsten Linien Frankreichs, die d’Aubéry hatten einen sozialen Aufstieg aus dem bürgerlichen in das Milieu des finanzstarken Amtsadels hinter sich117. Mit einer Ausbildung in Musik, Tanz, Literatur fand ihre Sozialisation gemäß den Werten der honnêteté, dem vorherrschenden höfischen Persönlichkeitsideal, statt. Prägend, so ihre Biographin Marianne Cermakian, dürfte auch die Erfahrung der Fronde gewesen sein, in der sich ihr Vater gegen den König engagiert hatte118. Durch ihre erste Heirat mit Adrien-Blaise de Talleyrand, Duc de Chalais119, gelangte Marie-Anne wieder in höfische Kreise: Sie frequentierte den Kreis von Madame, der Schwägerin des Königs, sowie die gebildete Pariser Gesellschaft, wo sie im Hôtel d’Albret auch auf Madame Scarron, die spätere Madame de Maintenon, traf120. Als ihr Gatte infolge eines Duells beim König in Ungnade fiel und Frankreich verlassen musste, folgte sie ihm nach Madrid, wo sie Spanisch lernte und Bekanntschaften schloss, die 114 Eine umfangreiche Biographie der Princesse des Ursins wurde bereits im Jahr 1969 vorgelegt: Cermakian, La Princesse. Die Autorin leistet eine erschöpfende Quellenrecherche und -auswertung, lässt jedoch eine kritische Interpretation der Quellen vermissen. Ziel der Arbeit war die Klärung der Frage, „wer Marie-Anne wirklich war“ (bspw. 45). 115 Das Geburtsjahr ist unsicher: 1641 oder 1642. Vgl. Cermakian, La Princesse, 32. 116 Louis de la Trémoille, Duc de Noirmoutier (* 1612, † 1666); Julie-Renée d’Aubéry, Dame de Tilleport (* 1620, † 1679). 117 Vgl. Cermakian, La Princesse, 20–30. 118 Mit dem Begriff der Fronde wird allgemein der französische Adelsaufstand gegen die Obrigkeit zur Zeit der Regentschaft Annas von Österreich, der Mutter Ludwigs XIV. und ihres Ministers Jules Mazarin bezeichnet (* 1648, † 1653). Siehe Malettke, Klaus, Wirtschaftliche, soziale und politische Aspekte der Fronde, in: Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime, hrsg. v. dems. (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, 32), Berlin 1982. Siehe hierzu Cermakian, La Princesse, 34–42 und 47. 119 Adrien-Blaise de Talleyrand, Duc de Chalais († 1670). 120 Vgl. Cermakian, La Princesse, 47–49 und 51–56.
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die Voraussetzungen für ihre spätere Vernetzung am Hof von Madrid boten. Im Jahr 1669 siedelte das Paar schließlich gemeinsam nach Venedig über, wo Chalais an einer Krankheit starb121. Nach einigen unsteten Jahren ließ sich die Witwe einunddreißigjährig in Rom nieder, wo sie auf die Unterstützung der den Chalais freundschaftlich verbundenen Familie Éstrées zählen konnte: Als Kopf der französischen Faktion in Rom war Kardinal César d’Éstrées außerordentlicher Gesandter der französischen Krone bis zur Ankunft seines Neffen, Jean d’Éstrées, Abbé de Saint-Claude122. Mit den D’Éstrées sollte die Princesse später in Madrid wieder zusammenarbeiten. Marie-Anne heiratete ein zweites Mal: Flavio I. Orsini, Principe di Taranto123 stammte als Duca di Bracciano aus einer ebenfalls frankreich-freundlichen Familie. Die Orsini hatten im 16. Jahrhundert vornehmlich die Beziehungen zur französischen Krone und den Medici gepflegt, im 17. Jahrhundert stellten sie sich dann verstärkt als Adelshaus mit europaweiten Beziehungen dar124. Zur Hochzeit, bei der 3000 Gäste anwesend gewesen sein sollen, erhielt das Paar vom französischen Botschafter ein kostbares Porträt Ludwigs XIV., das es an seine enge Bindung an Frankreich und ihre Repräsentationsfunktion erinnern sollte125. Madame de Chalais wurde durch diese Heirat zur Duchessa di Bracciano und der „ersten Dame Roms“126. Verschiedene Reisen führten die Duchessa in den folgenden Jahren immer wieder nach Paris. Von 1676 bis 1683 logierte sie zunächst bei MargueriteLouise d’Orléans127, die durch ihre Heirat mit der Familie Medici verbunden 121 Vgl. Cermakian, La Princesse, 56 f. und 64 f. 122 César, Kardinal d’Éstrées (* 1628, † 1714): 1653 pair; 1671 Kardinal; 1671–1679 als Gesandter in Rom, im Piemont und in München; er war als Vertreter Frankreichs (chargé des intérêts de la couronne de France) von 1680 an in Rom tätig und hatte dort die Princesse protegiert; von 1702-03 war er als außerordentlicher Botschafter in Madrid. Siehe Désos, L’entourage, Répertoire biographique, 765. Jean d’Éstrées, Abbé de Saint-Claude (* 1666, † 1718): Neffe des vorherigen; 1692– 1697 Botschafter in Portugal; er folgte seinem Onkel 1700 nach Rom und wurde 1703–1704 als sein Nachfolger Botschafter in Madrid. Siehe Désos, L’entourage, Répertoire biographique, 765 f. 123 Flavio I. Orsini, Principe di Taranto (* 1621). 124 Vgl. von Thiessen, Patronage, 299–313. 125 Vgl. Cermakian, La Princesse, 71–77. 126 Première dame à Rome: Die Familien Orsini und Colonna, seit 1511 verbunden, hatten als einziges das Recht, rechts des päpstlichen Throns während kirchlicher Zeremonien zu sitzen, was mit dem Titel princes du soglio verbunden war. Vgl. Cermakian, La Princesse, 81. 127 Marguerite-Louise d’Orléans (* 1645, † 1721): nach ihrer Heirat mit Côme III de Médicis, genannt Madame la Grande-Duchesse. Siehe zu ihrer diplomatischen Tätigkeit: Waquet, Jean-Claude, L’ambassadeur, son domestique et son maître. Trois conceptions de la négociation sous Louis XIV, in: Papes, Princes et savants dans l’Europe
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war. Die traditionelle Freundschaft der Familien Orsini und Medici ließ die Duchessa di Bracciano in den Genuss ihrer Patronage und der Einführung am französischen Hof kommen. Da ihr ohne ein Hofamt nur kurze Aufenthalte in Versailles gestattet waren, nutzte sie die Sommerwochen, welche die Hofgesellschaft in Fontainebleau zu verbringen pflegte, um sich eine Audienz beim König zu verschaffen und verschiedene Privilegien zu erbitten128. Bei ihren eigenen Empfängen waren Hochadelige, Geistliche und Minister anzutreffen. Ihre Sprachkenntnisse machten sie außerdem zur Vermittler- und Kontaktperson für die in Paris anwesenden Spanier129. Die in Paris erworbenen königlichen Gunstbeweise bewirkten nach ihrer Rückkehr nach Rom eine Verbesserung ihres sozialen Standes. Sie begann, die soirées der Pariser Salons dort fortzuführen. Jeden Abend versammelten sich in ihrem Palazzo Pasquini viele hundert Personen von überallher – en liberté130, das heißt in zwangloser, zeremoniellfreier Atmosphäre. Hier empfing die Duchessa vier Jahre später auch Colbert de Torcy, den Sohn des damaligen französischen Staatssekretärs für Auswärtiges, Charles François Colbert, Marquis de Croissy131. Zweiundzwanzigjährig war jener von seinem Vater auf eine moderne. Mélanges à la mémoire de Bruno Neveu, hrsg. v. Jean-Louis Quantin / JeanClaude Waquet, Genf 2007, 237–252. 128 Vgl. Cermakian, La Princesse, 125 und 132. Von Rom aus hatte sie beim Staatssekretär Pomponne bereits erfolgreich um den Titel der duchesse à brevet gebeten. Dieser Titel ist im Gegensatz zu dem des duc et pair nicht erblich, beinhaltet aber dieselben Vorrechte: das Recht auf einen Stuhl ohne Lehne in Anwesenheit des Königspaars (tabouret) und das Recht, den Innenhof des Louvre zu betreten (honneurs du Louvre). Ursins an Pomponne, Rom, 2.6.1675, MAE CP Rome 238, f. 22. Siehe auch Cermakian, La Princesse, 89. Sie war erfolgreich, denn zusätzlich zu dem Titel der duchesse à brevet erreichte sie für sich auch die Ehre des pour - erneut mit Hilfe der Familie Éstrées. Vgl. Ursins an Duca di Bracciano, Paris, 22.9.1682 und Ursins an Duca di Bracciano, Paris 20.9.1682, zitiert nach Cermakian, La Princesse, 132 f. Das pour bedeutete, dass vor Titel und Namen, die in Fontainebleau mit Kreide auf die Tür der Gästezimmer geschrieben wurden, ein „pour“ hinzugefügt wurde; diese Ehre war den Prinzen von Geblüt, den Kardinälen und den princes étrangèrs vorbehalten. 129 Die Princesse schreibt von sich selbst „d’avoir soin des espagnols à cause qu’il n’y quasi que moi de françaises qui parlent l’espagnol.“ Und weiter: „Cet avantage m’attire beaucoup d’honnêtetés de toute cette nation et les visites et les préférences que ses deux ambassadeurs me donnent m’attirent quelque espèce de jalousie des dames de cette cour.“ Paris, 19.9.1679, zitiert nach Cermakian, La Princesse, 117 und 118. 130 Vgl. Ursins an Maréchale de Noailles, Rom 15.6.1700, Ursins (Geffroy), 76. 131 Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy (* 1665, † 1746): Neffe des Ministers JeanBaptiste Colbert, secrétaire d’État en exercice nach dem Tod seines Vaters, 1696 secrétaire des affaires étrangères, 1699–1715 Mitglied des conseil d’en haut.
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Bildungsreise nach Italien geschickt worden. Seine Besuche bei der Duchessa di Bracciano wurden regelmäßig: „Sie rühmten sich damals, mein Schüler zu sein“132, würde sie diesen sechzehn Jahre später erinnern. Reisen nach Neapel ließen sie ihr italienisches Netzwerk ausbauen, das für ihre Zeit am spanischen Hof von Bedeutung sein würde133. Seit ihrer Rückkehr aus Paris hatten sich indes die Beziehungen zwischen Ludwig XIV. und dem Papsttum verschlechtert. Die Orsini gehörten traditionell zur französischen Faktion in Rom, was auch die über dem Eingangstor ihres Palastes angebrachten Wappen des französischen Königs symbolisierten134. Gleichzeitig hatten sie aber als römische signori dem Papst loyal zu sein. Der stets latent vorhandene Loyalitätskonflikt forderte im Jahr 1688 eine Entscheidung135, und die Wege der Eheleute trennten sich: Flavio entschied sich für die Seite des Papstes, Marie-Anne kehrte nach Paris zurück, wo sie mit einer königlichen Pension belohnt wurde136. Von nun an war sie auch in der engeren Umgebung des französischen Königs in den Sommerschlössern Trianon und Marly zugelassen und verkehrte bei Madame de Maintenon. An die Ehre dieser Zusammenkünfte würde sie später in ihren Briefen erinnern137. Während dieses erneuten, siebenjährigen Aufenthaltes vertieften sich auch die Beziehungen zur Familie Noailles138 und den lei-
Charles François Colbert, Marquis de Croissy (* 1626, † 1696): Bruder des Ministers Jean-Baptiste Colbert, 1679 secrétaire des affaires étrangères. 132 „Enfin, Monsieur, donnez-moi des conseils sur toutes choses. Vous vous piquiez autrefois d’être mon élève, aujourd’hui je n’ose faire un pas sans vous.“ Ursins an Torcy, Barcelona, 3.4.1702, Ursins II (La Trémoille), 29. 133 Dazu zählte bspw. die Bekanntschaft mit dem Marqués de Cogolludo, dem späteren Duque de Medinaceli: Fernández de Córdoba y Figueroa de la Cerda, Nicolás María, Duque de Medinaceli (* 1682, † 1739), unter Philipp V. gentilhombre de cámara, caballerizo mayor und mayordomo. 134 Das Anbringen des Wappens fremder Herrscher in Rom war eine Praxis, die Außenbindung demonstrieren sollte. Vgl. von Thiessen, Patronage, 309. 135 Ein alter Streit um die Zollprivilegien der spanischen und französischen Botschafter war wieder aufgeflammt. Vgl. Cermakian, La Princesse, 81. 136 Vgl. Cermakian, La Princesse, 161–168. Allenfalls könnte man die Splittung der Eheleute auch als Absicherungsstrategie interpretieren. 137 Beispielweise: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 3.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 298 oder 7.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 283. 138 Anne Jules, Maréchal de Noailles (* 1650, † 1708) und seine Frau Marie-Françoise de Bournonville (* 1656, † 1748), Maréchale de Noailles; unter ihren 21 Kindern: Adrien Maurice, Comte d’Ayen und Duc de Noailles (* 1678, † 1766), der 1698 Mademoiselle d’Aubigné, Duchesse de Noailles, die Nichte Madame de Maintenons, heiratete.
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tenden französischen Ministern139 – Kontakte, die für ihre Zeit am spanischen Hof von Bedeutung sein würden. Als geradezu triumphal beschreibt der Gesandte Ludwigs XIV. in Rom, Kardinal Toussaint Forbin de Janson140, ihre zweite Rückkehr nach Rom141. Um den französischen Einfluss an der Kurie zu sichern, konnte Ludwig XIV. nun nicht mehr auf die Duchessa de Bracciano verzichten. Zwar konnte seine Intervention nicht verhindern, dass das Ehepaar Bracciano aus finanziellen Schwierigkeiten auf den Herzogtitel verzichten und sich mit dem Familiennamen Orsini bezeichnen lassen musste142– nach dem Tod ihres Ehemanns 1698 nannte sich Marie-Anne „Princesse des Ursins“. Doch ihre Stimme hatte in Versailles mittlerweile Gewicht: Der Zusammenhang zwischen ihren Briefen an den französischen Hof und der Neubesetzung des Botschafteramts in Rom ist augenfällig. Weil sich mit Jansons Nachfolger, Kardinal Emmanuel Théodore de la Tour d’Auvergne de Bouillon143, eine Konkurrenzsituation ergeben hatte, die sich in Zeremonial- und Rangstreitigkeiten äußerte144, beklagte sich Marie-Anne bei den Staatssekretären Pomponne und Torcy vehement über die Unfähigkeit des Kardinals145: Er sei kein zuverlässiger Vertreter für den französischen König146. Über die Maréchale de Noailles fand sie die Unterstützung der Madame de Maintenon und das Ohr des französischen Königs147. Bouillon wurde im Juni 1699 durch Louis Grimaldo, Fürst von Monaco148 139 Insbesondere die Bekanntschaft mit Louis, Marquis de Phélypeaux (* 1643, † 1727), Comte de Pontchartrain und seinem Sohn Jérôme Phélypeaux (* 1674, † 1747), Comte de Maurepas, der ihm 1699 als secrétaire d’État de la marine nachfolgte. Des Weiteren traf sie auf Colbert de Croissy und dessen Sohn Colbert de Torcy. 140 Toussaint Forbin de Janson (* 1631, † 1713): Kardinal, Bischof von Beauvais, chargé d’affaires Ludwigs XIV. in Rom bis 1697 und 1701–1706. 141 Vgl. Janson an Ludwig XIV., o.O., 29.11.1695, MAE CP Rome 373, f. 230. 142 Vgl. Cermakian, La Princesse, 85 und 197. 143 Emmanuel Théodore de la Tour d’Auvergne, Cardinal de Bouillon (* 1643, † 1715). 144 Cermakian, La Princesse, 199 ff. 145 Bspw.: Ursins an Torcy, Rom, 16.6.1698, MAE CP Rome Vol. 390, f. 163. Siehe auch die zahlreichen Vorwürfe gegen Bouillon in ihrer Korrespondenz mit Pomponne und dem Maréchal de Noailles von August bis Dezember des Jahres 1698 in Ursins I (La Trémoille), 11–29. 146 Bspw.: Ursins an Maréchal de Noailles, Rom 11.11.1698, Ursins I (La Trémoille), 26–30. 147 Sie bat die Maréchale, Madame de Maintenon zu informieren: Ursins an Maréchale de Noailles, o.O. 24.3.1699, BNF NAF/Fonds fr. 6919, f. 153. Siehe auch Ursins an Maréchale de Noailles, o.O. 1698, Ursins I (La Trémoille), 11 f. 148 Louis Grimaldo (* 1642, † 1701): Herzog von Valentinois, Fürst von Monaco, 1698– 1701 französischer Botschafter in Rom, erreichte Rom erst im Jahr 1699.
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ersetzt, eine Wahl, die die Princesse als vorteilhaft für sich selbst einschätzte, weshalb sie sich bei den französischen Ministern für ihre Entscheidung bedankte149. Gleich nach seiner Ernennung schrieb ihr der neue Amtsträger, und unmittelbar nach seiner Ankunft in Rom suchte er sie auf150. Die Princesse bot ihm einen Teil ihres Palastes als Unterkunft an151. Ihre Rolle in Rom konnte nun wieder das französische Wappen über dem Eingangstor symbolisieren, das während des Loyalitätskonfliktes von 1688 entfernt worden war152. Es schien ihr wichtig gewesen zu sein, ihre Loyalität zum französischen König deutlich zu machen, worauf auch eine Formulierung des Fürsten von Monaco hinweist: Bei dem öffentlichen Konzert, das sie anlässlich der Wiederanbringung des Wappens auf der Piazza Navona gab und bei dem „die vornehmsten Personen der Stadt“ anwesend gewesen seien, habe sich die Princesse „öffentlich als gute und treue sujette des französischen Königs“ dargestellt153. Nun war sie auch als Informantin für die französische Krone am päpstlichen Hof tätig, wie ihre Korrespondenzen aus den Jahren 1699 und 1700 zeigen154. In einem Brief an den französischen König, in dem sie um die Erhöhung ihrer Pension bat, drückte sie ihre Funktion folgendermaßen aus: Es sei richtig, dass sie keine Stimme in einem Konklave habe, doch auch die kleinste Schraube sei wichtig für die großen Maschinen, so die von ihr verwendete Metapher. Sie sei „derzeit die einzige bedeutende Person in Rom.“ Andere Nationen hätten ihre Botschafterinnen (ambassadrices), auf deren Empfänge ihre Ehemänner auf jene bedeutenden Personen träfen, die ohne diesen Anlass nicht in ihre Häuser gekommen wären. Auch wenn sie selbst diesen Titel (caractère) nicht führe, sei ihr Haus dennoch das am meisten frequentierte in Rom155, fasste die Princesse selbstbewusst zusammen. Schon in ihrer Zeit in 149 Vgl. Ursins an Pomponne, Rom, 26.8.1698, Ursins I (La Trémoille), 16 f. 150 So die Princesse später an Maréchale de Noailles, Rom, 23.6.1699, Ursins (Geffroy), 34. 151 Siehe etwa Ursins an Maréchal de Noailles, Rom, 3.1.1699, Ursins I (La Trémoille), 30–32. 152 „Je viens enfin, Monsieur, d’arborer les armes du Roi sur ma porte.“ Ursins an Torcy, Rom, 4.8.1699, Ursins I (La Trémoille), 49. Siehe auch Ursins an Ludwig XIV., Rom, 8.4.1698, Ursins I (La Trémoille), 10 f. 153 „En un mot, Sire, la maison comme la place étaient également remplies du monde le plus distingué de la ville, et je dois rendre cette justice à M[ada]me des Ursins auprès de V[otre] M[ajes]té, qu’elle ressentit un extrême plaisir de se faire connaître publiquement bonne et fidèle sujette de V[otre] M[ajes]té, […].“ Fürst von Monaco an Ludwig XIV., o.O., 4.8.1699, Ursins I (La Trémoille), 53. 154 Siehe ihre Briefe insbesondere an Torcy, Pomponne, Maurepas, an die Duchesse de Bourgogne und den Maréchal de Noailles; Ursins I (La Trémoille), 7–71. 155 „Il est vrai, Sire, que je n’ai pas une voix à donner dans un conclave, et que je ne suis pas assez habile pour entrer dans les affaires de Votre Majesté, mais, Sire, les plus petits
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Rom beanspruchte die Princesse offensichtlich eine bedeutende Funktion in den Beziehungen der französischen Krone mit dem Kirchenstaat und verglich ihre Aufgaben mit denen einer Botschaftergattin. Begleiterin der Königin Im Herbst des Jahres 1700 änderte sich die Situation in Europa grundlegend. Am 27. September starb Papst Innozenz XII.; zu seinem Nachfolger wurde Giovanni Francesco Albani, Clemens XI.156 gewählt. Einen Monat später, am 1. November, verschied auch der spanische König Karl II.157. Er hatte in seinem Testament einen französischen Nachfolger eingesetzt, Philipp von Anjou158, einen Enkel Ludwigs XIV. Letzterer akzeptierte nach intensiven Beratungen das Testament Karls II.159, und der neue spanische König Philipp V. machte sich am 4. Dezember auf den Weg nach Madrid. Es stellte sich die politisch höchst bedeutungsvolle Frage nach einer geeigneten Ehefrau. Man dächte an die savoyardische Prinzessin Marie Louise160, teilte Madame de Maintenon dem französischen Botschafter in Madrid, Henri d’Harcourt 161, einen weiteren Monat später mit162. ressorts ne laissent pas que d’être utiles dans les grandes machines, […]. Je suis, Sire, la seule personne considérable qui soit dans Rome. Les autres nations y ont des ambassadrices, qui attirant le monde chez elles, par quelque amusements qu’elles sacrifient au public, donnent occasion à leurs maris de parler à des gens, qui, sans ce prétexte, ne viendraient pas dans leurs palais. Quoique je ne sois pas honorée de ce caractère et que je sois obligée à quelque économie, ma maison jusqu’à présent, a été la plus fréquentée, […].“ Ursins an Ludwig XIV., Rom, 14.6.1700, Ursins I (La Trémoille), 59 f. 156 Giovanni Francesco Albani (* 1649, † 1721). 157 Karl (* 1661, † 1700) entstammte der zweiten Ehe König Philipps IV. mit Maria Anna von Österreich. Von 1665 an (bis 1675 unter der Regentschaft seiner Mutter) regierte er als König Karl II. von Spanien und Sizilien, Karl V. von Neapel und Sardinien, Herzog von Mailand und Luxemburg und Fürst von Asturien. Seine Ehen mit Marie-Louise d’Orléans und Maria Anna von Pfalz-Neuburg (* 1667, † 1740) blieben beide kinderlos. Er war der letzte Habsburger auf dem spanischen Thron. 158 Philipp V. (* 1683, † 1746): Duc d’Anjou, Sohn des Dauphin Ludwig von Frankreich und Maria Anna von Bayern. 159 Diese Entscheidung löste den Spanischen Erbfolgekrieg aus. Siehe Kapitel I.3.1. (L’union des deux couronnes: Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715). 160 Maria Luisa Gabriela von Savoyen (* 1688, † 1714): Tochter des Victor Amadeus II. von Savoyen und der Anne-Marie d’Orléans. 161 Henri, Marquis de Beuvron, Duc d’Harcourt (* 1654, † 1718): 1697 ambassadeur extraordinaire, Maréchal de France, 1710 pair. 162 Maintenon an Harcourt, St. Cyr, 3.12.1700, Maintenon V (Langlois), 1405.
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Die Princesse des Ursins aktivierte ihre Netzwerke in Versailles, Madrid und Turin, um ihre Ansichten ins Spiel zu bringen. Auch sie schlug Marie Louise von Savoyen vor163 und bot sich gleichzeitig an, die erst Dreizehnjährige auf ihrer Reise nach Madrid zu begleiten – eine Aufgabe, die häufig von den Ehefrauen der Botschafter übernommen wurde164. Als Begleiterin wäre sie später auch die wahrscheinlichste Kandidatin für das Amt der camarera mayor, der Ersten Kammerdame der Königin. In den Folgemonaten berichtete sie der Maréchale de Noailles regelmäßig über „ihr Projekt“165 und begründete ihre besondere Eignung für diese Aufgabe ganz ähnlich wie später Madame de Maintenon: Sie sei durch ihre „große Zahl von Freunden“ in Spanien geeigneter als jede andere Kandidatin, sie führe den Titel der grandeza, was zeremonielle Streitigkeiten vermeide, sie spräche außerdem spanisch und sei in Spanien immer beliebt und geschätzt gewesen166. Da man aus Versailles verlauten ließ, die Entscheidung hinge von Turin ab, schrieb die Princesse auch dem Herzog und der Herzogin von Savoyen167. Der Plan der Princesse ging auf: Am 16. April 1701 sprach sich Madame de Maintenon in einem Brief an den französischen Botschafter in Madrid für sie aus – die oben zitierte Begründung ihrer Wahl klingt wie ein Echo auf die Selbstbeschreibung der Princesse gegenüber Madame de Noailles, mit der sich Madame de Maintenon regelmäßig austauschte. Maintenon fügte lediglich noch die Tatsache hinzu, dass die Princesse als kinderlose Witwe eine gewisse Unabhängigkeit genieße. In der Tat konnte 163 Ursins an Maréchale de Noailles, o.O., 17.12.1700, Ursins (Geffroy), 84. 164 Siehe Baillou, Les affaires, 230. 165 „Je ne dois, Madame, vous laisser ignorer aucune des mesures que je prends pour faire réussir mon projet, […].“ Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 29.3.1701, Ursins I (La Trémoille), 74. 166 „[…] et, comme il faut une dame titrée pour conduire cette jeune princesse, je vous supplie de m’offrir, Madame, avant que le Roi jette les yeux sur quelque autre. J’ose dire être plus propre que qui que ce soit pour cet emploi par le grand nombre d’amis que j‘ai en ce pays-là et par l’avantage que j’ai d’être grande d’Espagne, ce qui lèverait les difficultés qu’une autre rencontrerait pour les traitements. Je parle, outre cela, espagnol, et je suis sûre d’ailleurs que ce choix plairait à toute la nation de laquelle je puis me vanter d’avoir toujours été aimée et estimée.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 17.12.1700, Ursins (Geffroy), 89. Als dame titrée wurde die Ehefrau eines pair de France oder eines spanischen Granden bezeichnet. Vgl. Rogister, John, Queen Marie Leszczynska and Faction at the French Court. 1725–1768, in: Queenship in Europe. 1660–1815: the Role of the Consort, hrsg. v. Clarissa Campbell Orr, Cambridge 2004, 186–218, hier 193. 167 Darauf verweist Ursins in ihrem Brief an die Maréchale de Noailles vom 26.4.1701, Ursins I (La Trémoille), 76 f. Antworten des Herzogs und der Herzogin von Savoyen ebenfalls in Ursins I (La Trémoille), 77 f. Der Herzog wiederum verweist auf die Kompetenz des französischen Königs.
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die Witwenschaft aufgrund der juristischen Selbstständigkeit eine zumindest relative Unabhängigkeit bedeuten168. Der Status als kinderlose Witwe machte die Princesse für den Dienst des Königs besonders attraktiv, weil sie damit „interesselos“ (désintéressée) erscheinen konnte, das heißt weitgehend frei von eventuell störenden familiären Verpflichtungen169. Vier Tage später schrieb der Staatssekretär für Auswärtiges, dass Ludwig XIV. die Princesse zur Begleiterin für Maria Luisa von Savoyen bestimmt habe170; im Juni schließlich erhielt Madame des Ursins die Ernennung von Philipp V.171. Ihr Dank ging an den Staatssekretär Torcy172, an die Maréchale de Noailles173 und den französischen König selbst: Endlich sei es soweit, dass sie für den Dienst des König (pour le service de mon Roi) eingesetzt würde174. Als Verpflichtung und Legitimation zugleich war der Ausdruck pour le service du roi für frühneuzeitliche Akteure eine grundlegende Form der Darstellung des eigenen Handelns: Er diente sowohl Amtsträgern als auch adeligen Getreuen beiderlei Geschlechts als vielseitig einsetzbares Argument. Um „der spanischen Nation Respekt für die französische einzuflößen“ und „diesen Leuten beizubringen, wie man dem König zu dienen hat“175, organisierte die Princesse ein außergewöhnlich großes und aufwändiges Gefolge für ihre Reise von Rom nach Nizza, wo sie auf Maria Luisa von Savoyen treffen 168 Vgl. Beauvalet-Boutouyrie, Scarlett, Être veuve sous l’Ancien Régime, Paris 2001, 342 und 390 f. 169 Genau dieser Umstand machte etwa auch Geistliche für derartige Vertrauenspositionen attraktiv, auch wenn diese in der Praxis natürlich trotzdem eifrig Patronage betrieben. 170 Torcy an Harcourt, o.O., 20.4.1701, zitiert nach Saint-Simon IX (Boislisle), 384 f. 171 „[…] y siendo preciso que esta Princesa [Maria Luisa von Savoyen, A.d.V.] haya de venir a esta corte, nos ha parecido al rey mi abuelo y a mi fiar a vuestra representación y cuidado el que la vengais asistiendo, como me persuado lo hará vuestro grande amor y zelo, y que os devere este special y agradable servicio […]“. Philipp V. an Ursins, Madrid, 6.6.1701, Ursins I (La Trémoille), 79. Siehe auch: Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 21.6.1701, Ursins (Geffroy), 107. 172 Ursins an Torcy, Rom, 14.5.1701, MAE CP Rome 421, f. 311–317, vollständig zitiert bei Cermakian, La Princesse, 228. 173 Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 14.5.1701, Ursins (Geffroy), 102 f. 174 „Me voilà enfin parvenue, Sire, à me voir employée une fois en ma vie pour le service de mon Roi et de mon bienfaiteur.“ Ursins an Ludwig XIV., Rom, 21.6.1701, MAE CP Rome 421, f. 433. 175 Siehe die Beschreibung ihres Gefolges an die Maréchale de Noailles: Rom, 28.6.1701, Ursins (Geffroy), 110–112; „[L]a magnificence sied toujours bien à une étrangère et surtout parmi la nation espagnole, à qui je veux inspirer du respect pour la vôtre qui au moins est son ainée, d’ailleurs il faut apprendre à ces gens-là comme on doit servir son roi.“ Ursins an Torcy, Rom, 1.8.1701, MAE Rome 422, f. 68.
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sollte. Die Funktion der Brautfahrt, die der Selbstdarstellung des jeweiligen Landes diente176, wurde von der Princesse gewissermaßen schon vorweggenommen. Die Princesse sollte das Amt der Ersten Kammerdame zunächst „ohne Titel und Lohn“177 ausüben, um nicht die Eifersucht der spanischen Bewerberinnen zu wecken. Der französische König hatte die Princesse schon von Beginn an als zukünftige camarera mayor der Königin ins Auge gefasst: Gegenüber seinem außerordentlichen Gesandten in Madrid, Jean-Denis, Marquis de Blécourt178 betont er, wie wichtig es sei, dass dieses Amt frei bliebe, bis die Princesse ihre Funktion als Begleiterin erfüllt habe179. Ernannt wurde die erste Kammerdame normalerweise vom spanischen König. Da die Voraussetzungen der Titel der grandeza und eine gute Vernetzung am Hof waren, stellte meist ein kleiner Kreis von Familien, die bereits im Dienst des Königs standen, die Kandidatinnen. Häufig handelte es sich um Witwen, da mit diesem Status Reife und Erfahrung gleichgesetzt wurde, und das Hofamt außerdem keine Zeit für die Aufgaben einer Ehefrau ließ180. In den Instruktionen für den neuen Botschafter in Madrid, Ferdinand, Comte de Marsin181 wurden noch einmal die Vorzüge der Madame des Ursins aufgezählt: ihre europäische Vernetzung, ihr hoher adliger Status und ihre besondere Stellung am spanischen Hof: Sie werde dort nicht als Fremde angesehen, sei es aber zugleich in ausreichendem Maße, um nicht in die Machtkämpfe verstrickt zu sein182. Die176 Vgl. Spieß, Karl-Heinz, Unterwegs zu einem fremden Ehemann, in: Fremdheit und Reisen im Mittelalter, hrsg. v. dems. / Irene Erfen, Stuttgart 1997, 17–36, hier 27. 177 Sans avoir le nom ni les appointements: Ursins an Torcy, Rom, 1.8.1701, MAE CP Rome 422, f. 67. 178 Jean-Denis, Marquis de Blécourt (†1719): von Mai bis Dezember 1700 als envoyé extraordinaire in Madrid, blieb bis 1703; von 1709 bis 1711 erneut als envoyé extraordinaire in Madrid. 179 Vgl. Ludwig XIV. an Blécourt, Marly, 28.6.1701, Ursins I (La Trémoille), 81 f. 180 Vgl. López-Cordón Cortezo, M. Victoria, Entre damas anda el juego: las camareras mayores de Palacio en la edad moderna, in: Monarquía y corte en la España moderna, hrsg. v. Carlos Gómez-Centurión Jiménez, Madrid 2003, 123–152, hier 134 f. 181 Ferdinand, Comte de Marsin (* 1656, † 1706): 1701–1702 ambassadeur extraordinaire in Madrid. 182 „Sa Majesté a jugé qu’il ne pouvait être mieux confié qu’à la princesse des Ursins. Le feu duc de Bracciane, son mari, chef de la maison des Ursins, était Grand d’Espagne, elle a passé une partie de sa vie dans les pays étrangers; elle connaît les coutumes d’Espagne, et, joignant à ces avantages beaucoup d’esprit et de politesse, elle paraît plus capable que personne d’instruire une jeune princesse dans l’art de tenir une cour avec dignité. Elle ne sera point regardée comme étrangère en Espagne, et cependant elle l’est assez pour ne prendre aucune part aux intrigues et aux cabales de la cour de Madrid.“ RDI Espagne II (Marsin), 19.
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sen letzten Punkt betont auch Staatssekretär Torcy gegenüber einem anderen langjährigen Vertrauten der Princesse: Ohne eigene Familie in Spanien laufe sie nicht Gefahr, in höfische Intrigen verstrickt zu werden183. Weshalb all diese Eigenschaften so wichtig waren, wird aus der Beschreibung der Aufgaben einer camarera mayor ersichtlich. Die Korrespondenzen zwischen Versailles und den französischen Begleitern Philipps V. lassen von Beginn an keinen Zweifel daran, welche Funktion die Princesse bei der Königin haben sollte. In erster Linie sollte sie das vollständige Vertrauen der jungen Königin gewinnen, ja, sie „regieren“184, um so den französischen Einfluss zu gewährleisten, wie Ludwig XIV. an die Princesse schrieb. Der Quellenbegriff confiance185, häufig kombiniert mit entière, muss unterschieden werden vom analytischen Vertrauensbegriff, der sich für die Beschreibung von Patron-Klient-Beziehungen eignet. Letzterer stellt keine emotionale Kategorie dar, sondern wird mit Niklas Luhmann als ein „Sich-Verlassen“ auf die Erfüllung vorgegebener sozialer Rollen186 oder mit Ute Frevert als „positive Erwartung zukünftigen Verhaltens“187 verstanden. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um ein umfassenderes Vertrauen, das sich aus der Nähe und Verbundenheit der Personen speiste und die bloße Erwartung der Rollenerfüllung überstieg. Die (entière) confiance des Herrschers zu genießen, zeichnete den Favoriten oder die Favoritin aus und stellte soziales und politisches Kapital dar. Dass die Princesse des Ursins die confiance der Maria Luisa gewann, war umso wichtiger, als sich der französische Botschafter über die Princesse einen Zugang zur Königin versprach, die er als starke und fähige Persönlichkeit 183 Es handelt sich dabei um Kardinal Portocarrero, den Erzbischof von Toledo. Vgl. Torcy an Portocarrero, Meudon, 13.7.1701 (Auszug), Ursins I (La Trémoille), 83. 184 „Le Roi me témoigne déjà beaucoup de confiance de m’écrire, Monsieur, de tâcher à la [Maria Luisa, A.d.V.] gouverner.“ Ursins an Torcy, Barcelona, 12.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 136. Dieselbe Formulierung verwendet Torcy gegenüber dem Marquis de Louville: Marly, 29.7.1701, MAE AE 02, f. 407. 185 Aus den lateinischen Begriffen confidentia, fiducia, fides. In Lexika des 18. Jahrhundert v. a. in Zusammenhang mit Gottvertrauen; vgl. Frevert, Ute, Vertrauen. Eine historische Spurensuche, in: dies. (Hrsg.), Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, 7–66, hier 14 f. 186 Siehe Luhmann, Vertrauen, bspw. 40 f. 187 Frevert, Vertrauen, 7–66, hier 8. Dieses Verständnis von Vertrauen, für Luhmann eher Zuversicht, hat sich dabei aber für die Analyse frühneuzeitlicher Verhältnisse als angemessen erwiesen. So verstanden meint Vertrauen den Kredit bspw. des Kaufmanns; Vertrauen und crédit wurden häufig synonym gebraucht.
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einschätzte, die Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nehmen würde188. Der Botschafter und die Princesse wiederholten daher den Begriff der confiance in den Briefen refrainartig189. Damit die Princesse des Ursins nach und nach zur einzigen Ratgeberin der Königin würde, sollte außerdem ihr gesamtes Gefolge zurück an ihren Heimathof geschickt werden190, ein seit dem Mittelalter übliches Verfahren191. Insbesondere die beiden wichtigsten Vertrauenspersonen, ihre Gouvernante und ihr Beichtvater, sollten keinesfalls länger als nötig Einfluss auf die junge Königin nehmen können. Gemeinsam mit dem französischen Botschafter fiel der Princesse die schwierige Aufgabe zu, diese Maßnahme so durchzuführen, dass die junge Königin Maria Luisa nicht verstimmt würde, sondern ihrem neuen Ehemann und ihrer Kammerdame gewogen bliebe192. Man argumentierte mit den Traditionen des spanischen Hofes, und das Unterfangen glückte: die Berichte des Botschafters und der Princesse entbehren nicht eines gewissen Stolzes über den gemeinsamen Erfolg193 und können beispielhaft für weitere Situationen stehen. Denn eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den beiden war für Versailles von Anfang an von oberster Priorität. Beide bekamen regelmäßig Anweisungen, sich miteinander zu beraten und sich gegenseitig zu unterstützen194. Hierin ist eine vorausschauende Maßnahme im Hinblick auf die Konkurrenzsituation von Kammerdame und Botschafter zu sehen. Dies mag erstaunen, da die Funktionen einer Kammerdame und eines Botschafters sich auf den ersten Blick nicht 188 Dies wird bspw. hier sehr deutlich: „Entre nous, Monsieur, toutes les leçons pour l’empêcher d’en être gouverner dans la suite sont inutiles. Il est question de faire en sorte qu’elle le gouverne bien, et pour cela M[ada]me la P[rince]sse des Ursins est auprès d’elle non seulement d’une très grande utilité, mais d’une nécessité absolue, il paraît qu’elle commence à prendre de la confiance en elle ce qui contribue apparemment plus que toute autre chose aux témoignages de ses bontés que je reçois continuellement on ne saurait vous dire à quel point elle est gracieuse […].“ Marsin an Torcy, Barcelona, 21.11.1701, MAE M&D 102, f. 182. 189 Im März glaubte man dieses Ziel erreicht: „Sa confiance en moi ne peut guère aller plus loin, et je crois que je serai toujours assez maîtresse de lui faire faire tout ce que je voudrai, en prenant de certaines mesures.“ Ursins an Torcy, Barcelona, 5.3.1702, Ursins II (La Trémoille), 19; vgl. auch Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 10.3.1702, SHD A1 1598, f. 103. 190 Vgl. bspw. Ludwig XIV. an Marsin, o.O., 12.10.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 42 f. 191 Vgl. Spieß, Unterwegs, 33. 192 Ursins an Torcy, Marseille, 21.10.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 60; oder: Marsin an Torcy, Barcelona, 26.10.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 87. 193 Ursins an Torcy, Barcelona, 12.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 135. 194 RDI Espagne II (Marsin), 4–54, hier 20.
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zu berühren scheinen. Diese Frage soll aber zunächst zurückgestellt und der Aufgabenbereich einer camarera mayor umrissen werden. Camarera mayor Die Hauptverantwortung für den Hofstaat der Königin lag bei der camarera mayor, die der Herrscherin somit unmittelbar und direkt unterstellt war sowie zugleich die Verfügungsgewalt über sämtliche Ehren und Ämter innehatte195. Damit oblagen ihr die Aufsicht und Kontrolle von etwa sechshundert Bediensteten, dem gesamten Haushalt der casa de la reina196, was organisatorische Belange ebenso wie die Wahrung der Etikette197, das „gute Betragen der Damen“, betraf. Ihnen waren keine Kontakte zu Amtsträgern gestattet, genauso wenig wie die Annahme von Geschenken oder Nachrichten. Ähnlich wie im Fall der Madame de Maintenon wurde die privilegierte Position der Princesse dadurch deutlich gemacht, dass sie allein auf einem Stuhl sitzen durfte, während die übrigen Hofdamen mit Sitzkissen vorlieb nehmen mussten198. 195 López-Cordón Cortezo, Entre damas. 129 f. Das Amt bot also große Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme. Beispiele einflussreicher Kammerdamen aus dem 17. Jahrhundert sind die Condesa de Lemos (von Thiessen, Hillard, Herrschen mit Verwandten und Klienten. Aufstieg und Fall des Herzogs von Lerma, Günstling-Minister Philipps III. von Spanien, in: Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, hrsg. v. dems. / Arne Karsten, Göttingen 2006, 181–205, hier 188–196), die Marquesa de Villanueva de Valduezo und die Condesa de Olivares (López-Cordón Cortezo, Entre damas, 132 und 147). Eine biographischer Abriss aller Camareras mayores von 1570 bis 1812 findet sich bei López-Cordón Cortezo, M. Victoria, Entre damas anda el juego: las Camareras mayores de Palacio en la edad moderna, in: Monarquía y Corte en la España Moderna (Cuadernos de Historia Moderna, 2003/II), hrsg. v. Carlos Gómez-Centurión, Madrid 2003, 123–152, hier 145–151. 196 Im Jahr 1696 zählte der Hofstaat der Königin 606 Personen (die caballeriza miteingeschlossen), darunter 107 Frauen. Diese Zahl blieb bis zum Tod der Königin Isabella Farnesio 1766 konstant. Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 128 und 130. Zum Personal und seiner Funktion in der casa de la reina siehe Válgoma Díaz-Varela, Dalmiro de la, Norma y ceremonia de las reinas de la casa de Austria. Discurso leído ante la Real Academia de la Historia el 14 de diciembre de 1958, en la Recepción Pública del Excmo. Sr. D. Dalmiro de la Válgoma y Díaz-Varela. Contestación del Excmo. Sr. D. Juan de Contreras, Marqués de Lozoya, Madrid 1958. 197 Paravicini definiert Etikette als „das Regelwerk, nicht die Sache selbst“ bzw. „die Gesamtheit der Verhaltensvorschriften“: Paravicini, Zeremoniell und Raum, 13. Dahingegen sei das Zeremoniell „ein System, dass eine Kette von Ritualen miteinander verbindet“ (14). 198 Vgl. Brancas an Torcy, Madrid, 30.11.1713, Ursins VI (La Trémoille), 157.
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Der Ersten Kammerdame oblagen die Kontrolle der Türen und die Verwaltung der Schlüssel für den Palastbereich der Königin199. Die Kontrolle des Zugangs zur Königin kann auch im übertragenen Sinne gelten: Sie ernannte die Hofdamen und filterte die Patronageanfragen. Dadurch bot sich ihr die Möglichkeit, Patronage auszuüben und durch das Arrangieren von Heiraten und die Förderung höfischer Karrieren ihre eigene Position zu stärken. Doch schon vor ihrer Ankunft war die Princesse am spanischen Hof gut vernetzt: Kardinal Luis Emmanuel Fernández de Portocarrero200, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten am Hof, und den mayordomo mayor des Königs, Fernández de Córdoba y Figueroa de la Cerda, Duque de Medinaceli hatte sie bereits in Rom zu ihren „Freunden“ zählen können201. Der engere Kreis der Princesse bestand in den ersten Madrider Jahren aus ihrem Neffen, LouisJean-Charles de Talleyrand-Perigord, Prince de Chalais202, ihren Sekretären Hocquart203 und Jean Bouteroue d’Aubigny204, Toussaint de Vento, Chevalier d’Épennes205, der die Eskorte der Königin kommandiert hatte, sowie weiteren höfischen Bediensteten206. Wie Madame de Maintenon konnte die Princesse auf verschiedene Getreue im höfischen Gefüge zählen. 199 López-Cordón Cortezo, Entre damas, 131. 200 Luis Emmanuel Fernández de Portocarrero (* 1635, † 1709): 1669 Kardinal, Vizekönig von Sizilien, 1677 Erzbischof von Toledo, 1678 außerordentlicher Botschafter Spaniens in Rom. Er hatte als Ratgeber Karls II. eine entscheidende Rolle bei der Verfassung seines Testament gespielt. Vgl. Cermakian, La Princesse, 116. 201 „Je serais bien aise d’y [à Madrid, A.d.V.] voir mes amis, et entre autres M. le Cardinal Portocarrero [...].“ Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 27.12.1700, Ursins I (La Trémoille), 70. Gegenüber Torcy bezeichnet Ursins Portocarrero als ihren ami principal: Ursins an Torcy, o.O., 3.4.1702, Ursins I (La Trémoille), 29. Der mayordomo mayor verwaltete und leitete den königlichen Haushalt. 202 Louis-Jean-Charles de Talleyrand-Perigord, Prince de Chalais (* 1680, † 1757): Neffe des ersten Ehemanns der Princesse, 1714 grandeza durch Philipp V. (in Frankreich nicht anerkannt). 203 Hocquart wird 1714 secrétaire du roi, als sich Philipp V. nach dem Tod der Königin in den Palast der Medinaceli zurückzieht. 204 Jean Bouteroue d’Aubigny, Seigneur de Chanteloup (†1732): etwa 1690–1710 Sekretär der Princesse, 1702 écuyer de la reine, verließ Madrid 1711 und vertrat die Interessen der Princesse auf dem Kongress in Utrecht 1713. Siehe Désos, L’entourage, Répertoire biographique, 734. 205 Toussaint de Vento, Chevalier d’Épennes (†1748): Er war ein Neffe des Kardinal de Janson. In Madrid wurde er premier exempt des gardes du corps flamands. 206 Insbesondere sind ihr Knappe (écuyer) Du Peage, eine Kammerdame der Königin, Mademoiselle Emilie (eine Verwandte des königlichen Beichtvaters Père Daubenton) und der Barbier des Königs Henri Vazet (†1729) zu nennen. Vgl. Désos, L’entourage, Répertoire biographique, 734–736.
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Raum und Zeremoniell Wie in Bezug auf den Hof von Versailles lohnt sich bei der Frage nach den Machtverhältnissen auch für Madrid ein Blick auf die Raumstrukturen. Ein „radikaler Bildwechsel“207 sollte im Real Alcázar, dem königlichen Palast, den Neubeginn der bourbonischen Dynastie symbolisieren. Koordiniert wurde er hauptsächlich von der Princesse des Ursins208, ausgeführt von dem Architekten Teodoro Ardemans209. Die Arbeiten beinhalteten eine beinahe vollständige Umgestaltung der königlichen Gemächer nach französischem Vorbild210. Hierfür wurden aufwändige Wanddekorationen in zeitgenössischer französischer Mode angebracht – und zwar nach den Anregungen der Princesse des Ursins, die auf diese Weise auch ihre eigenen Gemächer, das cuarto chico, renovieren ließ211. Neben verschiedenen Umgestaltungen der repräsentativen Räume a la francesa212 war eine der ersten Maßnahmen, dem Königspaar ein gemeinsames Schlafgemach im Zentrum des Palastes einzurichten. Mehrere Zimmer sollten hier unabhängig von den Repräsentativräumen dem Königspaar ein Leben außerhalb der rigiden Etikette erlauben – und wurden durch diese Exklusivität politisch aufgeladen. Dabei genoss die camarera mayor einen unbeschränkten Zugang, da sie die Königin in ihrer „innenhöfischen Isolierung“213 ständig zu begleiten hatte und sogar in ihrem Zimmer schlief – wenn es der König nicht tat214. Die innersten Gemächer des Königspaars stellten dabei zugleich den
207 Sancho, José Luis, El interior del Alcázar de Madrid durante el reinado de Felipe V, in: El Real Alcázar de Madrid: dos siglos de arquitectura y coleccionismo en la corte de los Reyes de España, hrsg. v. Fernando Checa Cremades, Madrid 1994, 96–111, hier 97. 208 Gómez-Centurión Jiménez, Carlos, Etiqueta y ceremonial palatino durante el reinado de Felipe V: el reglamento de entradas de 1709 y el acceso a la persona del rey, in: Hispania LVI/3 194 (1996), 965–1005, hier 982. 209 Teodoro Ardemans (* 1664, † 1726): spanischer Maler und Architekt, unter anderem verantwortlich für Arbeiten an der Kathedrale von Granada, Toledo, dem Rathaus von Madrid und dem königlichen Palast. 210 Diese bestand grob gesagt aus einer Begradigung der verwinkelten Raumfolgen (del laberinto a la alineación) und einer prunkvolleren Ausstattung derselben. Vgl. Sancho, Alcazar, 98. 211 Vgl. Sancho, Alcázar, 97–99 und 105. 212 Siehe bspw. Ursins an Torcy, Madrid, 14.2.1712, Ursins VI (La Trémoille), 5. Für die Details der Innenausstattung der Appartements siehe Bottineau, Yves, L’art de cour dans l’Espagne de Philippe V. 1700–1746, Bordeaux 1960, 275–280. 213 Hofmann, Christina, Das spanische Hofzeremoniell, Frankfurt a. M. 1985, 181. 214 War dies der Fall, schlief sie in einem unmittelbar angrenzenden Raum. Vgl. De la Valgoma y Diaz-Varela, Norma y ceremonia, 33.
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„intimsten“ und „politischsten“ Ort des Hofes dar215. Aufgrund der Zusammenlegung der königlichen Schlafgemächer im Jahr 1701 hatte die Kammerdame dort als Einzige Zugang – da nur ihr der Zutritt zur Schlafstätte der Königin gestattet war216. Der direkte und physische Kontakt mit der Königin verlieh dem Amt der camarera mayor darüber hinaus auf symbolischer Ebene eine außergewöhnliche Würde217. Gewohnheitsmäßig führte die Erste Kammerdame die neue Herrscherin in das Zeremoniell und die Gepflogenheiten des Hofes ein. Ihre Aufgaben waren in Zeremonialbüchern genau definiert, woraus die Forschung irrtümlicherweise geschlossen hat, dass nichts der Improvisation überlassen worden sei218. Dass es sich hier um normative Texte handelt und die Gestaltung des Hofamtes im Gegenteil große Spielräume ließ, wird noch deutlich werden. Auch im Fall der Princesse des Ursins lässt die Beschreibung ihres Alltags aus ihrer eigenen Hand Rückschlüsse auf relevante Kategorien zu: „Ich habe nicht die geringste Ruhepause, und ich finde nicht einmal Zeit, mit meinem Sekretär zu sprechen. Es kommt nicht mehr in Frage, dass ich mich nach dem Essen ausruhe oder esse, wenn ich Hunger habe; ich habe die Ehre, dem König von Spanien den Schlafrock abzunehmen, wenn er zu Bett geht, und ihm seine Pantoffeln zu reichen, wenn er aufsteht. […] niemals würde der König aufstehen, wenn nicht ich die Vorhänge zöge, und es wäre ein Sakrileg, wenn eine andere als ich das Zimmer der Königin beträte, wenn die beiden im Bett sind.“219 Mit dieser Schilderung verfolgte die Princesse die Absicht, gegenüber dem französischen Hof, an den das Schreiben ging, ihre Nähe zum Königspaar und damit ihr eigenes politisches Kapital zu unterstreichen. 215 Vgl. Noel, Charles C., „Bárbara succeeds Elizabeth …“: The Feminization and Domestication of Politics in the Spanish Monarchy. 1701–1759, in: Campbell-Orr, Queenship in Europe, 155–185, hier 161 und 179. 216 Vgl. Hofmann, Hofzeremoniell, 179; Noel, Feminization, 161. 217 Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 130. 218 Etwa: López-Cordón Cortezo, Entre damas, 132. 219 „Dans quel emploi, bon Dieu! m’avez-vous mise, Madame! Je n’ai pas le moindre repos, et je ne trouve pas même le temps de parler à mon Secrétaire. Il n’est plus question de me reposer après le dîner ni de manger quand j’ai faim; […] c’est moi qui ai l’honneur de prendre la robe de chambre du Roi d’Espagne lorsqu’il se met au lit, et de la lui donner avec ses pantoufles quand il se lève. […] jamais le Roi ne se lèverait si je n’allais tirer son rideau, et ce serait un sacrilège si une autre que moi entrait dans la chambre de la Reine lorsqu’ils sont au lit.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Barcelona 12.12.1701, Ursins (Geffroy), 113 f. Aufgrund des ständigen Austausches zwischen Noailles und Maintenon bzw. Ludwigs XIV. kann hier von einer Darstellung „gegenüber dem französischen Hof“ gesprochen werden. Vgl. hierzu Kapitel I.2.2.2. (Netzwerke in Paris und Madrid).
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In Hinblick auf den beschriebenen Aufgabenbereich wäre eine Konkurrenz mit dem mayordomo mayor der Königin denkbar, dem Verwaltungs- und Finanzbelange oblagen220. Allein die ungleiche Bezahlung221 verweist auf eine klare Geschlechterhierarchie, die sich auch darin zeigte, dass die camarera mayor keine schriftlichen Befehle geben konnte222. Da der majordomo mayor jedoch nicht in dem Maße wie die Princesse des Ursins in den Genuss des königlichen Vertrauens kam, stellte er keine Konkurrenz dar. Eines der wichtigsten Ziele der französischen Akteure am spanischen Hof war die Reform der Hofhaltung und die Lockerung der rigiden spanischen Etikette – aus machtspezifischen ebenso wie aus regierungstechnischen Gründen. Die Implementierung des bourbonischen Modells sollte einerseits die Präsenz der Dynastie unterstreichen und andererseits die spanische Monarchie – geprägt vom habsburgischen Hofzeremoniell223 – „regierbarer“ machen224. Um sich von seinen Vorgängern, den „unsichtbaren Monarchen“225 abzugrenzen, sollte Philipp V. sich „erreichbarer“ zeigen, beispielsweise dadurch, dass er „öffentlich“ (en público), das heißt im Beisein des Hofadels, zu Mittag speiste. Die Zeit der Brautfahrt und der Reise des jungen Königs, der seiner zukünftigen Gattin entgegen fuhr, boten sich für Änderungen zeremonieller Art an. Die Princesse galt offensichtlich als die geeignete Person, diese Änderungen einzuführen226. Um ihre eigene Position den Anforderungen des Moments 220 „Del mayordomo mayor de la reina dependía […]‚ principalmente el buen gobierno, administración y disciplina de la Casa, y destribución y buen recado de la hacienda.“ De la Valgoma y Diaz-Varela, Norma y Ceremonia, 27. 221 Die camarera mayor erhielt genau die Hälfte des Gehalts des mayordomo mayor. Durch Lohnakkumulation erreichte die Princesse des Ursins jedoch ein Gehalt in derselben Höhe: Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 143. 222 Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 130 f. 223 Zum bourbonischen Hofzeremoniell siehe Duindam, Jeroen, The Bourbon and Austrian Habsburg Court Numbers, Ordinances, Ceremony - and Nobles, in: Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchien bis zur Revolution (1600–1789), hrsg. v. Ronald G. Asch, Köln u.a. 2001, 181–206; Duindam, Vienna and Versailles; Brocher, Henri, À la cour de Louis XIV. Le rang et l’étiquette sous l’Ancien Régime, Paris 1934. Zum habsburgischen Hofzeremoniell siehe Maquart, Marie-Françoise, L’Espagne de Charles II et la France 1665–1700, Toulouse 2000; De la Valgoma y Diaz-Varela, Norma y ceremonia; Hofmann, Hofzeremoniell. 224 Gómez-Centurión Jiménez, Etiqueta y ceremonial, 967–969. 225 Gómez-Centurión Jiménez, Etiqueta y ceremonial, 970. 226 So Louville, Erzieher Philipps V. an Torcy, Madrid 26.7.1701, MAE M&D Espagne 103, f. 290; ähnlich auch: Ludwig XIV. an Marsin, o.O., 24.10.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 65.
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anzupassen, nutzte man die Gunst der Stunde: Sie sollte schon während der Reise des Königspaars von Barcelona nach Madrid nicht wie für die camarera mayor üblich auf einem Maultier reiten; vielmehr wünsche der König, so Staatssekretär Torcy an die Princesse, „dass Ihr entgegen der Etikette mit dem König und der Königin in ihrer Kutsche fahren solltet, da nichts so wichtig sei, als Euch dort als Dritte zu platzieren.“227 Die Bedeutung dieses Bildes kann nicht überschätzt werden: Der Bruch mit der traditionellen Etikette leitete den Beginn einer neuen Herrschaft in Madrid ein. Darüber hinaus verweist die Präsenz der französischen Kammerdame als Dritte neben dem Königspaar einerseits auf die Intention Ludwigs XIV., in Gestalt der Princesse das Herrscherpaar buchstäblich „auf engstem Raum“ zu führen und zu kontrollieren. Andererseits manifestieren sich in der zeremoniellen Praxis die bereits bestehenden politischen Verhältnisse. Die Princesse des Ursins sicherte sich – ähnlich wie Madame de Maintenon – mit dem Verweis auf ihr hohes Alter dieses Privileg auch für spätere Kutschfahrten, wenn sie mit der Königin den Palast verließ228. Torcy fuhr fort, dass es noch eine andere Gelegenheit gäbe, bei der die Princesse die Regeln der Etikette brechen sollte: in den Audienzen, die die Königin den auswärtigen Ministern gebe. „Der König hält es für sehr wichtig […], dass Ihr immer verstehen könnt, was die auswärtigen Minister dieser Prinzessin sagen könnten.“229 Falls es Kritik an diesem Vorgehen geben sollte, könne das wenig fortgeschrittene Alter der Königin einige Jahre als legitimer Vorwand dienen, riet Ludwig XIV. parallel seinem Botschafter230. Damit erschloss sich der königlichen Kammerdame der Einfluss auf einen zentralen Bereich der Außenbeziehungen: die Audienzen auswärtiger Akteure bei der 227 „[…] que malgré l’étiquette vous deviez aller avec le Roi et avec la Reine dans leur carrosse, rien n’était plus important que de vous y mettre en tiers.“ Torcy an Ursins, Fontainebleau, 13.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 145–146. 228 Wie schon einzelne ihrer (ebenfalls betagten) Vorgängerinnen zuvor; vgl. De la Valgoma y Diaz-Varela, Norma y ceremonia, 35. Als „Triumvirat“ charakterisiert Lynch die Herrschaftszeit Philipps V. und bezieht sich dabei auf die Macht der Königin und ihrer Kammerdame - eine Einschätzung, die durch das Bild der „Kutschenfahrt zu dritt“ gestützt wird; vgl. Lynch, John, Bourbon Spain (1700–1808), Cambridge 1989, 46. 229 „Il y a encore une autre occasion ou vous devez rompre la règle de l’étiquette: c’est dans les audiences que la Reine donnera aux ministres étrangers. […] le Roi croit […] qu’il est très important que vous soyez toujours en état d’entendre ce que le ministres étrangers pourraient dire à cette P[rince]sse.“ Torcy an Ursins, Fontainebleau, 13.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 145–146. 230 „Si l’on dit que ce n’est pas la coutume en Espagne, l’âge peut avancé de la Reine peut servir quelques années de prétexte légitime à ce changement.“ Ludwig XIV. an Marsin, o.O., 14.11.1701, SHD A1 1519, f. 150.
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Königin. Die Princesse konnte dadurch die Arbeit des französischen Botschafters ergänzen, der zu diesem Bereich keinen Zugang hatte. Er war hier selbst an das Zeremoniell gebunden und auf die camarera mayor angewiesen: Wollte er mit der Königin sprechen, musste die Princesse ihm eine Audienz verschaffen231. Noch deutlicher wurde diese Einflussnahme im und durch das Zeremoniell, als die spanische Königin im Jahr 1703 die Regierungsgeschäfte übernahm, da der König seine Armeen persönlich führen wollte. Unter dem Vorwand, dass es nicht angemessen sei, dass sich eine junge Königin allein unter Männern befände, nahm sich die camarera mayor das Recht, den Sitzungen der junta, die das oberste Ratsgremium des despacho in dieser Zeit provisorisch ersetzte, beizuwohnen232. Aus der Beschreibung der ersten Jahre der Amtszeit der Princesse des Ursins als camarera mayor am spanischen Hof können zwei Aspekte festgehalten werden, die für die Machtverhältnisse der folgenden Jahre grundlegend sein sollten: Erstens hatte eine Agentin des französischen Königs qua ihres Hofamtes als camarera mayor233 einen unbeschränkten Zutritt zu den königlichen Gemächern, womit ihr die Voraussetzung geboten war, das Vertrauen des Königspaars zu erwerben. Gezielte Änderungen im Zeremoniell optimierten die Rahmenbedingungen für ihre einflussreiche Position „in der Nähe“ des Königspaares, was die Rolle der Ursins in dieser Hinsicht vergleichbar mit der eines Günstlingministers macht234. Wie schon bei Madame de Maintenon beobachtet, kommt auch in diesem Fall dem Faktor „Geschlecht“ eine strukturierende Bedeutung zu: Als camarera mayor hatte die Princesse des Ursins ein Hofamt inne, das nur von einer Frau bekleidet werden konnte. Aus zeitgenössischer Sicht eignete sich die Princesse 231 Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 19.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 165. 232 Siehe bspw. Torcy an Ursins, Fontainebleau, 13.11.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 145–146. 233 Dieses Hofamt hatte die Princesse des Ursins vom 16. März bis Juni 1704 und von Juli 1706 bis Dezember 1714 inne. Während ihrer Abwesenheit übernahm die Duquesa de Bejar, Dona Maria Alberta de Castro (†1706) diese Funktion. Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 150. 234 Vgl. die Voraussetzungen eines Günstling-Ministers bei von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 183: Der Günstling-Minister hatte eine informelle Stellung, die auf dem Vertrauen des Herrschers basierte, ein formales Amt, das ihm strukturell den Zugang zu diesem ermöglichte. Er benötigte ein stabiles Netzwerk und übte die Funktion eines Patronagemanagers aus.
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für dieses Amt insbesondere deshalb, weil sie aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters die nötige Erfahrung mitbrachte, weil sie dank ihrer familiären Herkunft und den an verschiedenen europäischen Höfen verbrachten Lebensstationen auf ein großes Patronagenetzwerk zurückgreifen konnte und weil sie als Witwe relativ unabhängig war. Der Titel der grande de España verschaffte ihr in Madrid das nötige Ansehen und ließ sie nicht als Fremde erscheinen; gleichzeitig konnte man aber aufgrund ihrer französischen Herkunft davon ausgehen, dass sie dem französischen König loyal sein würde, was sie als seine Agentin in Rom bereits bewiesen hatte. Im zeitgenössischen Sprachgebrauch waren die agents du roi diejenigen Vertreter eines Fürsten, die von ihm „geschickt“ (commis) wurden, seine Geschäfte zu führen235. Dass die Princesse eine commission von Ludwig XIV. erhalten hatte, ist aus einer Formulierung gegenüber dem Staatssekretär zu schließen236. Der Vergleich der Pensionen, die die französischen Akteure in Madrid erhielten, ergab, dass für die Princesse des Ursins die bei weitem höchste Zahlung vorgesehen war237. Auch der von ihr verwendete Ausdruck pour le service du roi weist auf ein solches Selbstverständnis hin. Der hybride Charakter ihrer Position zwischen spanischer Hofdame und Vertreterin des französischen Königs machte sie auch zu einer wichtigen Informantin für den französischen König. Zweitens ergab sich ein besonderes Verhältnis zum Vertreter der französischen Krone von Amts wegen, dem französischen Botschafter. Ein kooperatives Verhältnis zwischen den beiden wurde von Versailles daher von Beginn an explizit gewünscht238; aus der Tatsache, dass während Madame des Ursins’ Präsenz am Hof von 1700 bis 1715 sieben verschiedene Botschafter ihr Amt antraten, wird jedoch deutlich, dass dies nicht immer der Fall war. Dadurch, dass sie von Ludwig XIV. auserwählt und entsandt und von Philipp V. zur Ersten Kammerdame ernannt worden war, ergab sich eine doppelte 235 „Celui qui est commis pour faire les affaires d’un Prince, de quelque corps, ou de quelqu’un en particulier. Ce Prince n’a point d’ambassadeur en cette cour, il n’a qu’un agent, […].“ Furetière, Dictionnaire I (1701) (Hervorhebung im Original), URL: http://gallica.bnf.fr/ark:/ [Zugriff: 10.9.2010]. 236 Ursins an Torcy, Barcelona, 28.11.1701, MAE M&D 105, f. 203; Torcy an Ursins, Versailles, 25.12.1701, MAE M&D 105, f. 312. Der Inhalt dieser commission wird indes nicht präzisiert. 237 200 000 livres sind bei der Princesse für das Jahr 1707 vermerkt, dagegen bekamen der Kardinal d’Éstrées als ambassadeur extraordinaire nur 48.000 livres, der Abbé d’Éstrées nur 16 000, Gramont 45.000, und Amelot als ambassadeur extraordinaire im Jahr 1709 dann 60.000 livres, Noailles für seine mission 100.000. Vgl. État de la dépense que le Roi veut et ordonne […] pour l’année 1702–1709, MAE M&D France 306, f. 166, f. 292, f. 204. 238 Siehe RDI Espagne II (Marsin), 20.
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Loyalität, die aufgrund der dynastischen Einheit der beiden Herrscherhäuser zunächst unproblematisch war. Ihre Position am Hof hing jedoch maßgeblich von der Qualität der Beziehungen zwischen Versailles und Madrid ab. Zeitgenössische Beobachter wie Historiker gleichermaßen haben bei der Einschätzung der Rolle der Princesse des Ursins ähnliche Schwierigkeiten gezeigt wie es bei Madame de Maintenon der Fall war. Die Verfasser höfischer Memoiren bedienten sich in ihren Anklagen meist misogyner Diskurse, um ihr Urteil zu fällen239, das – ähnlich wie im Fall der Maintenon – von der Forschung zum Teil unreflektiert übernommen wurde: Herrschsüchtig, intrigant und ehrgeizig habe sie die Königin und durch diese den König zu dominieren versucht240. Oder aber sie wurde in wissenschaftlichen und biographisch-anekdotischen Darstellungen als Ausnahme ihres Geschlechts beschrieben241. Wie bei Madame de Maintenon zeigt sich dabei das Problem eines nicht angemessenen Politikbegriffs zur Beschreibung einer frühneuzeitlichen Herrschaftssituation. Als „offiziöse Botschafterin Frankreichs in Spanien und Spaniens in Frankreich“, die aber „immer einen Mann brauchte, auf den sie sich stützen konnte“242 charakterisiert ihre Biographin Marianne Cermakian die Princesse. Marcel Loyau sieht in ihr die „heimliche Regentin Spaniens“243. Ein anderer Deutungsversuch ist der der Vermännlichung: Ein „neuer Richelieu“, so François Combes, habe sich hinter dem gewöhnlichen Amt der Kammerdame versteckt244. 239 Siehe Kapitel II.3.3.2. (Inakzeptable Einmischung). 240 So bspw. Bryant: „It soon became apparent that the princesse aspired to dominate affairs and rule through them.“ Oder: „The ambitious princesse continued to make herself indispensable to the young queen.” Bryant, Marquise, 157 und 159. Oder auch Kamen: „Her control over the impressionable royal couple, together with her considerable political acumen, made her and with her the court a centre of political intrigue.“ Kamen, Henry A. F., The War of Succession in Spain. 1700–15, London 1969, 43. Ähnlich Lynch: „[…] a tall, arrogant and imperious woman with a strong sense of superiority […]. She ruled the Spanisch court, though only Camarera mayor, or head of the queen’s household, by making herself indispensable to the young queen, inducting her into politics, influencing the king through her, and thus establishing a kind of royal triumvirate.“ Lynch, Bourbon Spain, 46. 241 Zuletzt Titeux-Thiry, Janine, La Princesse des Ursins (Biographie: Les femmes célèbres), Paris 2006. Siehe Literaturverzeichnis im Anhang. 242 Ambassadeur officieux de la France en Espagne et de l’Espagne en France / toujours besoin d’un homme sur lequel s’appuyer: Cermakian, La Princesse, 613 und 614. 243 Régente secrète de l’Espagne: Loyau, La princesse des Ursins, 129. 244 Vgl. Combes, François, La princesse des Ursins. Essai sur sa vie et son caractère politique d’après de nombreux documents inédits, Paris 1858, 17, 94 und 95. Problematisch ist,
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Lässt man sich auf die politische Relevanz der Gunst-, Zugangs-, und Wohnstrukturen in einer höfischen Gesellschaft ein, statt sie anachronistisch der Sphäre des „Privaten“ zuzuordnen, und erkennt man die Bedeutung von Akten symbolischer Kommunikation innerhalb dieses Geflechtes, dann wird die politische Funktion einer camarera mayor selbstverständlich. Ein Amt, das so nahe an der königlichen Macht lag, war immer politisch. Die Princesse des Ursins war als Frau und Kammerdame am spanischen Hof politisch tätig – als faktische Agentin im Dienste des französischen Königs und zugleich zu ihrem eigenen Nutzen.
2. Die Korrespondenznetzwerke der beiden Frauen Die Aussage der Madame de Maintenon, sie habe ihr Leben mit dem Schreiben von Briefen verbracht, ist nicht belegt245, gehört aber zu jenen Zitaten, die ihre Langlebigkeit der hohen Wahrscheinlichkeit verdanken. Denn obschon man davon ausgehen muss, dass es sich nur um einen Bruchteil handelt246, weist das überlieferte Briefwerk der Madame de Maintenon247 und der Princesse des Ursins248 einen beeindruckenden Umfang auf. Die Bandbreite der Adressaten zeigt, dass die beiden Frauen ein Netzwerk an verschiedenen europäischen Höfen und Kriegsschauplätzen unterhielten. Wer waren ihre Briefpartner, was kann über ihr Geschlecht, ihre Herkunft und ihre Einsatzbereiche gesagt werden? Worüber tauschten sie sich mit den beiden Frauen aus? Im Folgenden soll zunächst auf die Schreibsituation und die strukturellen Rahmenbedingungen des Korrespondierens eingegangen werden. Im Anschluss soll ein Überblick über die europaweiten Korrespondenznetzwerke der dass der Autor pamphlethafte Mémoiren wie etwa die des Duclos oder des FiltzMoritz unkritisch übernimmt. Siehe zu dieser Kritik auch Baudrillart, Philippe V., 35. 245 Bryant zufolge bemerkte Madame de Maintenon dies im Jahr 1713 in einem Brief an die Princesse des Ursins. Bryant, Marquise, 14. 246 So ist von Madame de Maintenon bekannt, dass sie selbst 1713/14 einen großen Teil ihrer Korrespondenz verbrannte und dass nach ihrem Tod 1719 ein weiterer Teil vernichtet wurde. Vgl. Bryant, Marquise, 14. 247 Bryant zählt allein für die Periode 1700–1715 etwa tausend publizierte und etwa zweitausend nicht publizierte Briefe der Maintenon. Vgl. Bryant, Marquise, 154. 248 Cermakian spricht ebenfalls von mehreren tausend Briefen: Vgl. Cermakian, La Princesse, 8–11. Von Madame de Chalais sind keine, von Madame de Bracciano nur jene Briefe an ihren Ehemann erhalten; erst von der Zeit in Rom und dann v.a. aus der Zeit in Madrid sind ihre Korrespondenzen überliefert; vgl. Cermakian, La Princesse, 204.
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Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins gegeben und ihre Briefwechsel verschiedenen Typen zugeordnet werden249. 2.1. Rahmenbedingungen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins verfassten den größten Teil ihrer Briefe weder eigenhändig noch in Abgeschiedenheit, sondern diktierten sie einem Sekretär bzw. einer Sekretärin. Nicht ihre fehlende Schreibkompetenz, sondern Arbeitsökonomie und die höfische Etikette waren die Gründe. Auf die Strapazen des Schreibens und die große Anzahl der zu verfassenden Briefe wiesen sie regelmäßig hin250. Von adligen Autoren – Männern wie Frauen gleichermaßen – wurde jedoch im Sinne eines adligen Standesethos’ erwartet, dass die (Hand-)Arbeit des Schreibens von einem Sekretär übernommen wurde251. Die Verbindung einer weiblichen Autorin und eines männlichen Sekretärs gab häufig Anlass für Diskreditierungen mit sexuellen Beiklängen252, was der besonderen Nähe dieses Verhältnisses geschuldet war: Man verbrachte täglich viele Stunden miteinander und teilte geheime oder intime Informationen. Dieser Umstand hatte in jedem Fall Einfluss auf die Situation des Schreibens und den Stil der Briefe. Diktierte Briefe weisen einen stärker mündlichen Stil auf und sind immer das Produkt einer Kooperation. Zumindest hinsichtlich der Formulierungen und des Aufbaus nahmen die Sekretäre Einfluss auf die Gestaltung der Briefe. Bei Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins liegt der seltene Fall vor, dass die Namen ihrer Sekretäre bekannt sind. Für die Princesse arbei-
249 Dieser Überblick basiert zwar auf einer vollständigen Durchsicht der edierten Briefe und einer umfassenden Archivarbeit, kann aber dennoch keinen Anspruch darauf erheben, die Korrespondenz der beiden Frauen in ihrer Gänze zu beschreiben. Erstens verfolgt die Arbeit eine andere Fragestellung, zweitens ist sie in ihrem Umfang begrenzt und drittens bliebe jede Vollständigkeit aufgrund der lückenhaften Bestände vorbehaltlich. 250 Bspw.: „J’aurais encore bien des choses à vous répondre à votre dernière lettre du 5 de ce mois; mais il n’y a rien de bien pressé; je remets à l’ordinaire qui vient à le faire, ayant eu plusieurs lettres à écrire aujourd’hui en Italie.“ Ursins an Maintenon, Burgos, 17.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 121; siehe auch zum Problem der richtigen Tinte: Maintenon an Ursins, Versailles, 19.1.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 27. 251 Vgl. Couchman, Jane / Crabb, Ann, Form and Persuasion in Women’s Letters. 1400– 1700, in: Women’s Letters across Europe. 1400–1700. Form and Persuasion, hrsg. v. dens., Aldershot 2005, 3–18, hier 9. 252 Vgl. Daybell, James, Women letter-writers in Tudor England, Oxford 2006, 72 f.
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tete von 1690 bis zu ihrem Tod im Jahre 1722 Jean Bouteroue d’Aubigny253. Gegen diese Beziehung wurde von Zeitgenossen immer wieder polemisiert254. Bei Madame de Maintenon lag der ungewöhnliche Fall einer weiblichen Sekretärin vor: Marie Jeanne d’Aumale255, eine ihrer Schülerinnen aus St. Cyr, trat im Jahr 1704 in ihre Dienste. Beide Frauen griffen jedoch zu besonderen Gelegenheiten auch selbst zur Feder. In adeligen Kreisen war es üblich, dass der Verfasser zumindest unterschrieb und eventuell noch ein Post-Scriptum hinzufügte256. Dies bedeutete eine besondere Ehre für den Adressaten, die nur durch das eigenhändige Verfassen eines vollständigen Briefes noch gesteigert werden konnte257 und daher strategisch eingesetzt wurde258. Schreiben und Lesen zu beherrschen, ermöglichte aber auch, das Geschriebene zu kontrollieren und besonders vertrauliche Informationen eigenhändig hinzuzufügen259. Viele Briefe waren ganz offensichtlich nicht allein für den jeweiligen Verfasser und Adressaten bestimmt. So wird beispielsweise in der Korrespondenz der beiden Frauen an vielen Stellen deutlich, dass die Marquise die Briefe Lud-
253 Er war wahrscheinlich ab 1690 Sekretär der Princesse des Ursins. Vgl.: „[...] les longs et difficiles voyages que j’ai fait depuis trente ans à la suite de M[ada]me la Princesse des Ursins.“ Aubigny an Chalais, o.O., 13.8.1720, Ursins (Sénémand), 183. 254 So bspw. in der affaire de l’apostille: Der Abbé d’Éstrées hatte in einer seiner Depeschen behauptet, dass die Princesse ihren Sekretär geheiratet habe, woraufhin sie eine Bemerkung an den Rand geschrieben hatte (Pour mariés - non!). Die Verletzung des Briefgeheimnisses führte zum Eklat. 255 Marie Jeanne d’Aumale (* 1683, † 1755): Sie kam 1690 nach St. Cyr und wurde 1704 Sekretärin der Maintenon. Vgl. Aumale, Marie Jeanne de, Mémoires et lettres inédites, hrsg. v. Gabriel P. d’Haussonville / Gabriel Hanoteaux (Souvenirs sur Madame de Maintenon, 1), Paris 21902; Aumale, Marie Jeanne de, Souvenirs sur Madame de Maintenon. Les Cahiers de Mlle d’Aumale, hrsg. v. Gabriel P. d’Haussonville / Gabriel Honoteaux (Souvenirs sur Madame de Maintenon, 2), Paris 1903. 256 Die Unterschrift mit dem eigenen Namen war dem Adel vorbehalten und somit zugleich Ehr- und Machtbeweis (power through identity). Vgl. Neuschel, Word of Honor, 108 f. (Zitat: 109). 257 Vgl. Couchman / Crabb, Form and Persuasion, 9. 258 Siehe hierzu Kapitel II.1.1. (Je suis fort libre avec vous: die Beziehung zueinander definieren). 259 So bspw. einmal die Marquise: „[V]ous n’êtes point sans un secrétaire de confiance. Et ainsi il faudrait vous réserver pour écrire deux ou trois lignes s’il y avait quelque chose de secret.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 27.11.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 159; oder: „Il faut que je vous dise encore de ma main, Madame, que je suis ravie de ce que vous venez de faire [...].“ Maintenon an Ursins, Marly, 13.11.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 199.
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wig XIV. vorlas, die Inhalte mit ihm besprach260 oder sich bei der Niederschrift in seinen Räumen befand261. Ebenso las die Princesse des Ursins Maintenons Briefe dem spanischen Herrscherpaar vor262. Darüber hinaus hatten beide Frauen Einblicke in die Korrespondenzen der Staatssekretäre263, verschiedener Offiziere264 und des französischen Botschafters265, und jene in die Briefe der Frauen. Auch die Korrespondenz zwischen dem französischen König und seinem Botschafter war den beiden Frauen zugänglich266. Die Princesse hatte ihrerseits Einblick in die Korrespondenzen Philipps V.267 und der spanischen 260 „Je vais porter votre lettre à Versailles, Madame, pour montrer ce soir au Roi ce que vous me mandez sur M. le Duc d’Albe et de M. de Monteleon avec ce que vous ajoutez de M. de Bedmar.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 12.2.1708, BL Add. Ms. 20918, f. 399. Weitere Beispiele: Maintenon an Ursins, Versailles, 20.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 358; Maintenon an Ursins, Meudon, 29.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 109; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.11.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 127. 261 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 10.8.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 310. 262 Philipp V. habe Ludwig XIV. informiert und um Hilfe bei der Niederwerfung der Katalanen gebeten. Sie selbst habe Maintenons Brief diesbezüglich dem spanischen Königspaar vorgelesen: Ursins an Maintenon, Madrid, 19.8.1713, Ursins (Collin), 204 f. (dieser Brief ist nicht im Bestand der BL). An anderer Stelle schreibt sie, dass sie mit Philippe V. gemeinsam den Brief vom 19. August wieder und wieder gelesen habe: Ursins an Maintenon, o.O., 7.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 279–280, woraufhin Maintenon scherzhaft Abschnitte für Philipp V. kennzeichnet: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 24.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 285. 263 Beispiel: „J’ai vu votre lettre; car M. de Torcy est régulier à me montrer tout ce qui vient d’Espagne.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 30.7.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 28. 264 Beispiele: Sie habe Teil eines Briefes von Villeroy an die Princesse gesehen: Maintenon an Ursins, Marly, 13.8.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 182. Ursins hat Einblick in die Briefe Noailles an das Königspaar: Ursins an Maintenon, Madrid, 17.3.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 32. 265 Beispiele: Ursins an Maintenon, Burgos, 12.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 103; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 101. 266 Für Ursins siehe: „Il serait inutile, Madame, que j’entrasse de mon côté dans ces détails puisque vous saurez de quoi il est question par ses dépêches [des Amelot, A.d.V.].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1709, Correspondance (Loyau), 105; siehe auch Ursins an Maintenon, Madrid, 20.-25.2.1709, Correspondance (Loyau), 121; Ursins an Maintenon, Madrid, 4.3.1709, Correspondance (Loyau), 127; Ursins an Maintenon, Madrid, 24.6.1709, Correspondance (Loyau), 209. Für Maintenon siehe: Maintenon an Ursins, Marly, 5.8.1709, Correspondance (Loyau), 240 und Ursins an Maintenon, Madrid, 20.–25.2.1709, Correspondance (Loyau), 117. 267 Bspw.: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 24.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 283; oder auch: Ursins an Maintenon, Retiro, 7.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 256. Auch in die Korrespondenz zwischen dem spanischen Botschafter in Versailles, Duque de Alba, und Philipp V.: Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 328: „Le Duc d’Albe a rendu un très bon compte au Roi Catholique, de la joie qu’il
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Königin268 und umgekehrt269. Madame de Maintenon war darüber hinaus von Philipp V. ausdrücklich autorisiert worden, seine Briefe an Ludwig XIV. zu lesen270, was offensichtlich auch für die Princesse galt, da sie auf diese Schreiben verweisen kann: „[S]ie sehen auch, Madame, in einem Brief, den der König Spaniens an den König [Frankreichs] schreibt, [...].“271 Es war eher der Normalfall, dass der Kreis der beteiligten Personen über den Empfänger hinausging. Dies zeigt sich in dem Umstand, dass explizit darauf hingewiesen wurde, wenn ein Brief ausschließlich für den Adressaten bestimmt war: „Meine Ansichten sind nur für Sie, Madame [...].“272 Es kann also festgehalten werden, dass die beiden Frauen normalerweise weder bei der Niederschrift noch bei der Lektüre ihrer Briefe allein waren, sondern in Gesellschaft ausgewählter Personen. Der Rahmen einer solchen „Kultur des Vorlesens“273 muss in jedem Fall mitbedacht werden, wenn nach der Selbstdarstellung in den Briefen gefragt wird. Eine Auffassung der Briefe als „Spiegel der Seele“ oder als „Ausdruck der weiblichen Identität“,
avait remarquée en toute la maison royale en commençant par le Roi et tout ce qui le suit; [...].“ 268 Beispiele: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 3.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 297; Ursins an Maintenon, Madrid, 30.12.1708, Correspondance (Loyau), 79. 269 Maria Luisa verwies in ihren Briefen an Madame de Maintenon häufig auf die Korrespondenz zwischen den beiden Frauen, bspw.: Maria Luisa an Maintenon, Buen Retiro, 8.5.1705, MAE M&D 128, f. 66. 270 „Je commence par vous demander en grâce que ce que je vais vous dire soit pour vous seul et que vous ne le communiquiez à personne. J’en excepte cependant M[ada]me de Maintenon que je sais qui n’a aucun intérêt particulier, et dont je connais la sagesse.“ Philipp V. an Ludwig XIV., o.O., 18.7.1707, zitiert nach Baudrillart, Philippe V., 115; siehe auch: „Vous verrez par ce que j’écris au Roi mon grand-père [...].“ Philipp V. an Maintenon, Madrid, 8.3.1714, MAE M&D Espagne 106, f. 46. 271 „[A]ussi verrez-vous, Madame, par une lettre que le Roi d’Espagne écrit au Roi, [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 257. Ein anderes Beispiel: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 10.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 3. 272 Beispiel: „Mes opinions ne sont que pour vous, Madame, [...].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 370; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 44. Dass vielmehr die Stellen, die NICHT für andere bestimmt waren, markiert wurden, statt umgekehrt, betont auch Earle, Introduction, 7. 273 Bastl, Beatrix, „Ins herz khan man kein sehen“. Weibliche Kommunikations- und Beziehungskulturen innerhalb der adligen „familia“ der Frühen Neuzeit, in: Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Kommunikation, hrsg. v. Eva Labouvie, Köln u.a. 2009, 305–320, hier 307.
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wie sie bei der Interpretation von Frauenbriefen vorherrschend ist, kann hier nicht sinnvoll sein274. Die Zustellung der Briefe erfolgte in erster Linie über den courrier ordinaire275. Die Entstehung dieses Postsystems war der permanenten Kriegssituation in Europa geschuldet. Seit dem 15. Jahrhundert war aus dem mittelalterlichen Botensystem ein europaweites Postnetz entstanden, das sich in den folgenden Jahrhunderten – und insbesondere während des Spanischen Erbfolgekrieges – weiter ausdifferenzierte276. Diese kulturelle Erneuerung, die auch zu einer Intensivierung der Briefkultur führte, wird als Teil einer umfassenden „Kommunikationsrevolution“277 verstanden. In Frankreich war der courrier ordinaire von Kardinal Jules Mazarin278 und Jean-Baptiste Colbert279 eingeführt, und seine Verwaltung unter der Führung des contrôleur général François-Michel Le Tellier, Marquis de Louvois280, zen-
274 So sucht etwa Ursula Becher in Briefen nach dem Ausdruck weiblichen Identität im 18. Jahrhundert: Becher, Ursula A. J., Weibliches Selbstverständnis in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts, in: Weiblichkeit in geschichtlicher Perspektive: Fallstudien und Reflexionen zu Grundproblemen der historischen Frauenforschung, hrsg. v. ders. / Jörn Rüsen, Frankfurt a. M. 1988, 217–233, hier 219. 275 Courrier wurde definiert als: „Courier: postillon qui fait métier de courir la poste, de porter des dépêches en diligence. Il a été dépêché un courier extraordinaire pour cette affaire, parce que l’ordinaire était parti.“ Furetière, Dictionnaire I (1690), 799; URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 4.7.2010]. Beispiel: „Il est vrai, M[adam]e, qu’il se passe des ordinaires sans que je reçoive de vos nouvelles; mais bientôt après il m’en vient par quelque courrier, et pour moi, je ne sais jamais quand ils partent et quand ils reviennent. J’ai l’honneur de vous écrire régulièrement par l’ordinaire. Je suis sensible au dernier point au soin que vous prenez pour que vos lettres me soient rendues.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 213. 276 Dallmeier, Martin, Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens. 1501–1806 (Thurn und Taxis-Studien, 9/1), Kallmünz 1977, 46–49 und 130–134. 277 Behringer, Wolfgang, Im Zeichen des Merkur: Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 189), Göttingen 2003. Der Autor macht insbesondere den engen Zusammenhang zwischen Infrastruktur, Wahrnehmung und gesellschaftlicher Entwicklung deutlich. 278 Jules Mazarin (* 1602, † 1661): 1640 Kardinal, 1642–1661 erster Minister unter Ludwig XIII. 279 Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay (* 1619, † 1683): 1661 surintendant des finances, 1669 secrétaire d’État à la marine. 280 François-Michel Le Tellier, Marquis de Louvois (* 1641, † 1691): 1666 secrétaire d’État à la guerre, 1668 contrôleur général des postes, 1672 Mitglied des conseil.
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tralisiert worden281. Für die Zustellung der Briefe in andere europäische Länder war ein spezieller Posten eingerichtet worden, der maître des courriers pour l’étranger282. Der Kommunikationsrythmus der beiden Frauen wurde durch diese infrastrukturellen Rahmenbedingungen bestimmt: Um 1700 benötigte ein Brief von Paris nach Madrid etwa vierzehn Tage283. Wenn ihre Route günstig lag, konnten auch Händler oder die persönlichen Boten militärischer Befehlshaber zum Briefträger werden284. Als sich die Princesse mit der spanischen Königin im Exil in Burgos befand, nutzte sie beispielsweise den Brieftransport für die französischen Truppen285. Der courrier ordinaire wurde von der Princesse des Ursins allerdings als unsicher bezeichnet. Bestimmte Informationen wollte sie nur der „sicheren Post“286 anvertrauen. Beispielsweise wollte sie während ihrer Reise nach Madrid nicht in einem ordinaire über das umstürzlerische Potential der Katalanen berichten287, und Nachrichten über die labile Gesundheit des jungen Königspaars erst dem nächsten extraordinaire anvertrauen288.
281 Die Kontrolle erfolgte durch eine doppelte Spitze, dem sogenannten surintendant général und dem fermier général. Siehe auch Goldsmith, Publishing, 157. 282 Vaillé, Eugène, Histoire générale des postes françaises, 6 Bde., Paris 1947–1955, Bd. 5: La ferme générale et le groupe Pajot-Rouillé (1691–1738), 1951, 76–79. 283 Vgl. Baillou, Les Affaires, 212. 284 Beispiel Händler: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 10.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 3; über den Maréchal de Boufflers: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4; Maintenon an Ursins, Versailles, 19.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 172; über den Duc de Noailles: Ursins an Maintenon, Madrid, 16.6.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 54. Die Marquise zog jedoch den courrier ordinaire dieser Möglichkeit vor: „Je n’aime point trop à donner mes lettres à tous ces messieurs qui ont d’autres affaires que celles de les porter, et les voies ordinaires me paraissent toujours les meilleurs.“ Maintenon an Ursins, o.O., 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 280. 285 Vgl. Ursins an Maintenon, Burgos, 15.7.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 70, Ursins (Collin), 154. 286 „J’aurai l’honneur de vous mander des choses que je ne veux confier qu’à des courriers surs; [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11. 287 Ursins an Maintenon, Vitoria, 21.7.1709, BL Add. Ms. 20918, f. 8. 288 Über Maria Luisa: Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 13. Über Philipp V.: „Je vous ai mandé que ces souffrances lui ont données une mélancolie qu’elle n’avait point je me suis aperçue depuis que sa santé est moins bonne aussi mais c’est un article que je réserve pour la première lettre que j’aurai l’honneur de vous écrire par un courrier extraordinaire.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 28.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 12; siehe auch Ursins an Maintenon, o.O., 29.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 13.
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Mit dem courrier extraordinaire waren offensichtlich alternative Zustellungsmöglichkeiten gemeint, die sich zu besonderen Gelegenheiten ergaben und eine höhere Sicherheit versprachen289. Beispielsweise fügten die beiden Frauen ihre Briefe häufig dem paquet der Staatssekretäre290, der Botschafter291 oder der Mitglieder der königlichen Familie bei292. Madame de Maintenon selbst gab vor, keinen Wert auf diese Unterscheidung zu legen, „denn alles, was ich tue, ist, meine Päckchen etwa alle acht Tage an Monsieur de Torcy zu schicken“293. Nicht nur an dieser Stelle wird deutlich, dass ihre Korrespondenz nach Spanien hauptsächlich über das Staatssekretariat für auswärtige Angelegenheiten lief. Madame de Maintenon pflegte ihren Briefpartnern Adressen Dritter zu geben, an die jene ihre Briefe richten sollten294. Auch der Princesse des Ursins, 289 In der einschlägigen Literatur zur Geschichte des französischen Postwesens wird dieser Begriff nicht erläutert. Im „Dictionnaire de l’Académie“ wird er definiert als courrier dépêché pour quelque occasion particulière: Dictionnaire de l’Académie Française (1835), 714; URL: http://books.google.de/books [Zugriff: 22.7.2009]. 290 Über Torcy: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 18.6.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 15; über Pontchartrain: Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 213 oder Ursins an Maintenon, Madrid, 21.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 228; über Chamillart: Ursins an Chamillart, Madrid, 23.12.1706, Ursins (Geffroy), 285. 291 Beispiele für Ursins: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11; Ursins an Maintenon, Madrid, 22.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 208; Ursins an Maintenon, Madrid, 4.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 108. Beispiele für Maintenon: Maintenon an Ursins, Versailles, 14.11.1706, BL Add. Ms. 20918 f. 150; auch über den spanischen Botschafters Duque de Alba: Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 331. 292 Bspw.: „[ J]’ai coutume de mettre celles que j’ai l’honneur de vous écrire dans le paquet de Sa Majesté pour Madame la Duchesse de Bourgogne.“ Ursins an Maintenon, Burgos, 17.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 122. Oder: „Cette lettre ici passe par M. Chamillart; j’ai mis ma dernière dans le paquet de Madame la Duchesse de Bourgogne. Le paquet du Marechal de Villeroy fut oublié; j’y mis une enveloppe et je l’envoyai à M. de Torcy. Vos défiances me donnent de l’inquiétude. Si elles continuent, je serai attentive à me servir de la voie de M. Chamillart qui n’a ni l’envie ni le loisir d’ouvrir vos lettres. J’espère aussi, Madame, avoir l’honneur de vous écrire par M. le M[in]is[tre] de Brancas qui sera une voie assurée. M. le Duc de Noirmoutier ne pourrait-il pas donner quelques unes de vos lettres à M[ada]me de Caylus?“ Maintenon an Ursins, Versailles, 8.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 187. Über Philipp V.: Philipp V. an Maintenon, Madrid, 28.7.1709, MAE M&D Espagne 106, f. 36; über den Duc d’Orléans: Ursins an Maintenon, Madrid, 20.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 246. 293 „[…]; car je ne fais qu’envoyer mes paquets à M. de Torcy environ tous les huit jours.“ Maintenon an Ursins, o.O., 2.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 216. 294 Zum Beispiel schlägt sie d’Aubigné vor, seine Briefe an ihre Sekretärin zu richten: Maintenon an Comte d’Aubigné de Tigny, o.O., 16.7.1709, BNF NAF 13634, f. 22;
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die sich beständig um die Sicherheit ihrer Briefe sorgte295, bot sie eine solche „geheime Adresse“ an296. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für das französische Herrschaftsgebiet von „organisierter Briefspionage“ gesprochen werden kann, die sich während des Spanischen Erbfolgekrieges intensivierte297. Das cabinet noir, ein zentrales Amt zur Briefüberwachung, war eingerichtet worden, um die Briefe aller auswärtiger Akteure und Militärs sowie verdächtiger Personen zu überprüfen. In der Folge entstanden zahlreiche „Filialen“ an wichtigen Knotenpunkten des französischen Postnetzes, das somit nicht nur der Beförderung der Briefe, sondern auch ihrer Überwachung diente298. Konkret bedeutet dies, dass jeder Staatssekretär dem surintendant eine Liste derjenigen Personen geben konnte, deren Korrespondenz ihm verdächtig erschien. Auf diesen Listen waren auch die Mitglieder der Königsfamilie aufgeführt – sowie Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins299. Vaillé zufolge hätten die Agenten des Königs im Ausland indes um die akribische Überwachung ihrer Schreiben gewusst300. Im vorliegenden Untersuchungszeitraum nahm Colbert de Torcy als Staatssekretär für Auswärtiges kumulierend die Ämter des contrôleur général und des Villars schrieb während seiner disgrâce 1703/04 an Maintenon über Madame de SaintGéran, eine Verwandte der Noailles: Villars an Maintenon, o.O., 21.10.1703, in: Villars d’après sa correspondance et des document inédits par le Ministre de Vogüé de l’Institut, 2 Bde., Paris 1888, Bd. I, Kap.V: Villars et Madame de Maintenon, 6 f. 295 Bspw.: Ursins an Maintenon, Burgos, 9.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 119; darauf: Maintenon an Ursins, Versailles, 19.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 172–173; und: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 178. 296 „Si vous voulez quelque adresse plus obscure, je vous en donnerai une.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 8.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 187. Leider ist dies der einzige Verweis auf eine „geheime Adresse“ in der gesamten Korrespondenz, so dass keine detailliertere Aussage möglich ist. 297 Grillmeyer, Siegfried, Habsburg langer Arm ins Reich. Briefspionage in der Frühen Neuzeit, in: Streng. Geheim. Die Welt der verschlüsselten Kommunikation. Ausstellung im Museum für Post und Kommunikation, Frankfurt a. M. (7.10.1999– 27.2.2000), hrsg. v. Klaus Beyrer, Heidelberg 1999, 55–68, hier 55–57. 298 Über die Arbeit des cabinet noir hatten die contrôleurs généraux dem König regelmäßig Bericht zu erstatten. Vgl. Vaillé, Eugène, Le cabinet noir, Paris 1950, 2. Zeitgenössisch sind Vaillé zufolge auch die Bezeichnungen bureau du secret und bureau de dedans. Wenn auch die genaue Organisation der Institution kaum zu klären ist, hält der Autor indes seine Existenz für gesichert. Schon unter Louvois war das schwarze Kabinett intensiv genutzt und seine Amtspacht aufgrund der mit ihm verbundenen Macht von einer Familie monopolisiert worden. Es handelt sich um die Familie Pajot und Roullié, die das Amt des fermier bis 1738 dominierte. Vgl. Vaillé, Le cabinet, 69 und 92. 299 Vgl. ebd., 95. Siehe auch Rule, Colbert, 271. 300 Vgl. Vaillé, Le cabinet, 106–108.
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surintendant wahr301. In seiner Amtszeit wurde das Kabinett besonders intensiv genutzt. Durch eine gute Beziehung zu Torcy konnte offensichtlich vermieden werden, dass die eigene Korrespondenz durch das cabinet noir lief302. Was blieb, war die Kontrolle durch Torcy persönlich: So wies Madame de Maintenon die Princesse einmal darauf hin, dass es unvorsichtig sei, etwas zu schreiben, von dem sie nicht wollten, dass Torcy es lese303. Um die Kontrolle durch das Kabinett zu umgehen, benutzte Madame de Maintenon gelegentlich spezielle Codes304. Unter einem „Code“ ist ein besonderer Fall der verschlüsselten Kommunikation zu verstehen, wobei ein Wort oder Satz durch ein anderes Wort, eine Zahl oder ein Symbol ersetzt wird wie etwa der Begriff solidité, der für „Ludwig XIV.“ stand305. Die Alternative zum Code war die Chiffre, bei der statt ganzer Wörter einzelne Buchstaben ersetzt wurden. Dieses Verfahren war in allen Botschafterkorrespondenzen gängig306. Von einer Chiffre ist in den Korrespondenzen der beiden Frauen zwar nie die Rede, dass sie keine verwendeten, kann indes nicht mit Sicherheit gesagt werden307. Eine weitere Möglichkeit, die Sicherheit zu erhöhen, bestand darin, den Brief einem Boten mitzugeben. Häufig erhielt der Bote dann zusätzlich noch
301 Vaillé, Eugène, Histoire générale des postes françaises, Paris 1947–1955, 6 Bde., Bd. 5: La ferme générale et le groupe Pajot-Rouillé (1691–1738), 1951, 85 f. 302 Vgl. Vaillé, Le cabinet, 122. 303 „Je ne suis pas naturellement défiante, je crois M. de Torcy très fidèle, mais j’ai toujours crû qu’il était très imprudent d’écrire ce que nous ne voudrions pas qu’on vit que nous avons écrit.“ Maintenon an Ursins, Marly, 22.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 256. 304 Geffroy zitiert nach dem Autograph eine Liste von zwanzig Personen, die Madame de Maintenon dem Erzbischof von Paris gab (darunter Ludwig XIV., Monsieur, den Kardinal d’Éstrées und auch sie selbst). Ihre Namen wurden durch verschiedene Ziffern ersetzt. Vgl. Maintenon I (Geffroy), 259 f., Anm. 2. 305 Diesen Begriff verwendete sie vereinzelt auch gegenüber der Princesse, wobei es in diesem Fall eher eine Frage des Stils war: „Ma solidité est très contente de ne pas mander à M. et M[ada]me d’Albe ce que L. M. ont fait. Je la verrai bientôt faire des remerciements bien vifs.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.4.1708, BL Add. Ms. 20918, f. 407. 306 Aufgrund der Masse der eingehenden Briefe, die dechiffriert werden mussten, war die Kryptoanalyse im cabinet noir zu einem regelrechten Gewerbe geworden, das mehrere Arbeitsgruppen beschäftigte. Vgl. Singh, Simon, Geheime Botschaften. Die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bin in die Zeiten des Internet, München / Wien 2000 (übers. v. Klaus Fritz), 12 f. Die monoalphabetische Verschlüsselung der grand chiffre Ludwigs XIV. blieb 200 Jahre lang unentschlüsselt. Ihre Erfinder waren Antoine und Bonaventure Rossignol, Namensgeber des heutigen rossignol (76–78). 307 Die Kopien der British Library sind möglicherweise schon dechiffriert worden; in den vereinzelt erhaltenen Originalen verwendeten die beiden Frauen keine Chiffre.
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eine mündliche Mitteilung308, mit der er erläutern oder ergänzen konnte, was im Brief nur angedeutet wurde. Die Nähe und Verbundenheit des Boten schienen dabei die beste Garantie dafür, dass er als loyaler Vertrauter nichts hinzufügte, veränderte oder verschwieg309. Die ursprüngliche Funktion des Briefes war es, den Boten zu beglaubigen310. Auf diesen „Spannungsbereich von Mündlichkeit und Schriftlichkeit“311 verweist auch die oben beschriebene Praxis des lauten Vorlesens. Auf die Frage des auf diese Weise inszenierten fiktiven Dialogs wird noch zurückzukommen sein. 2.2. Korrespondenzräume In der umfangreichen Traktatliteratur des 17. und 18. Jahrhundert, die sich mit dem Verfassen von Briefen beschäftigte, war eine Aufteilung der Briefe nach Funktionen üblich. Diese Kategorien sagen zugleich etwas über die zeitgenössischen Vorstellungen von Sinn und Zweck der Korrespondenzen aus. Das sprießende Genre der Brieftraktate ging mit einer stärkeren und systematischeren Nutzung des Mediums einher312. Im „Secrétaire à la mode“ des Jean Puget de la Serre von 1648, der als repräsentativ für die umfangreiche Traktatliteratur zu diesem Thema gelten kann313, findet sich eine Aufteilung nach 308 Vgl. Daybell, Women, 127 f. „Das Wichtigste am Brief war im Mittelalter der Bote. […] Oft genug stand in dem Brief bloß Nebensächliches, während die Hauptsache dem Überbringer mündlich anvertraut worden war.“ Hartmut Hoffmann, Zur mittelalterlichen Brieftechnik, in: Spiegel der Geschichte. Festgabe für Max Braubach, hrsg. v. Konrad Repgen / Stepjan Skalweit, Münster 1964, 141–170, hier 145. 309 Wenzel, Horst, Boten und Briefe. Zum Verhältnis körperlicher und nichtkörperlicher Nachrichtenträger, in: Gespräche – Boten – Briefe: Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, hrsg. v. dems., (Philologische Studien und Quellen, 143), Berlin 1997, 86–105, hier 100. Ein Bote kann daher als körperlicher Stellvertreter seines Auftraggebers die Distanz von Raum und Zeit vermittelnd überbrücken, als Vermittler ist er nicht nur Überbringer der Botschaft, sondern zugleich ein Teil der Botschaft selbst (91 f.). 310 Dies blieb sichtbar im Fall der lettres de créance, die einen Botschafter auswiesen, oder der lettres de recommandation, mit denen sich eine Person am Hof vorstellen konnte. 311 Wenzel, Boten, 86. 312 Vgl. Boutier, Politique par correspondance, 11. 313 Chupeau schlussfolgert, dass die verschiedenen Versionen des „Secrétaire de la Cour“ (1625) und des darauf basierenden „Secrétaire à la mode“ (1648) mehr als ein Jahrhundert lang als Modell zum Erstellen von Briefen gedient hat: Chupeau, M. Jacques, Puget de la Serre et l’esthétique épistolaire: les avatars du „Secrétaire de la Cour“, in: Cahiers de l’Association internationale des études francaises 39/1 (1987), 111–126, hier 125.
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Funktionen314. De la Serre betont jedoch auch, dass diese Einteilung künstlich bleibe und die meisten Briefe Mischformen (lettres mêlées) seien. Diese Einschätzung bestätigt der Blick in die Korrespondenzen der beiden Frauen. Wie alle frühneuzeitlichen Adelsbriefe waren sie multifunktional315. Daher soll im Folgenden auch nicht die Funktion, sondern die „räumliche Reichweite“ der Briefe ihrer Einteilung zugrunde liegen. Der Aufenthaltsort der Briefpartner hing nämlich meist auch mit der medialen Form der Briefe und ihrem vorherrschenden Inhalt zusammen. Auf diese Weise ergeben sich folgende Gruppen: (Kurze) Mitteilungen, die am Hof selbst ausgetauscht wurden, so genannte billets; Briefwechsel mit Korrespondenzpartnern aus dem näheren Umfeld, das heißt in Paris oder Madrid; Briefe, deren Reichweite das jeweilige Königreich umfasste; Briefwechsel mit geographisch mobilen Korrespondenzpartnern im Ausland bzw. am Kriegsschauplatz und schließlich Korrespondenzen, die einen kontinuierlichen Kanal zwischen zwei Höfen darstellten. Eine besondere Stellung hat die Gruppe der lettres de compliment, der „Formen sozialer Höflichkeit“316, weshalb sie an anderer Stelle behandelt werden sollen317. 2.2.1. Kommunikation am Hof In sogenannten billets, die Madame de Maintenon mit verschiedenen Personen am Hof austauschte, wurden kurzfristige Verabredungen getroffen oder abgesagt, organisatorische Dinge geklärt oder dringende Nachrichten weiter314 Lettres d’affaires, lettres de conseil, lettres de remontrance, lettres de prière, lettres de recommandation, lettres d’offre, lettres de plainte, lettres de reproche, lettres d’excuse, lettres de compliment. Letztere werden weiter unterteilt in lettres de conciliation, de visites, de congratulation, de remerciement, de railleries. Vgl. Le secrétaire à la mode par le Sieur de la Serre. Augmenté d’une Instruction d’écrire des Lettres, cy devant non imprimée. Avec un recueil de Lettres Morales des plus beaux esprits de ce temps. Plus le devis d’un Cavalier & d’une Demoiselle. Ensemble de nouveaux Complimens de la Langue Françoise, lesquels n’ont eté encor vûs, Rouen 1693, 4–27. 315 Zu diesem Schluss gelangt auch Ruppel: Jedoch ist „[d]er frühneuzeitliche Adelsbrief [...] weder ausschließlich als politische Korrespondenz oder Geschäftsbrief, noch als Freundschafts- oder als Familienbrief klassifizierbar. Er ist dies alles zugleich und damit multifunktional.“ Ruppel, Zeitalter, 80. 316 In Anlehnung an Daybells letters of social courtesy, dessen Einteilung sich – abgesehen von dieser Kategorie – als zu grob erwiesen hat. Daybell unterscheidet vier Funktionen bei den Briefen adliger Frauen des 16. Jahrhunderts: Nachrichten, Formen sozialer Höflichkeit, Geschenke und Formen autobiographischen Schreibens. Vgl. Daybell, James, Women letter-writers in Tudor England, Oxford 2006, 152–174, insbesondere 157–159. 317 Vgl. Kapitel II.1.3. (Les commissions: das Netzwerk pflegen).
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gegeben. Diese kurzen Mitteilungen, in denen Anrede- und Unterschriftsformeln wegfallen konnten, waren eine Möglichkeit, Rangfragen zu umgehen und den Austausch schneller und unkomplizierter zu gestalten, setzten aber ein grundsätzliches Einverständnis der beiden Korrespondenten voraus318. Da die billets unter Personen ausgetauscht wurden, die sich auch persönlich trafen, sind sie zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit anzusiedeln. Beispielsweise ging es in den billets, die Ludwig XIV. an seine morganatische Ehefrau schrieb319, häufig um kurzfristige organisatorische Änderungen: Es sei zu heiß, um zur Jagd zu gehen, er wolle daher mit ihr spazieren gehen; sie würden gemeinsam schauen, wen sie mitnähmen320. In anderen Fällen wollte er ihr eine Nachricht so schnell wie möglich mitteilen: „Die Feinde haben sich zurückgezogen, und der König von Spanien ist Herr von Madrid, ich dachte, dass Sie nicht verärgert wären, diese Neuigkeit zu kennen bis Sie mehr Details erfahren“321. Es war dem König offensichtlich ein Anliegen, Madame de Maintenon zeitnah über bedeutende politische Ereignisse zu informieren322. 318 Ausführlich zu den billets: Sternberg, Giora, Epistolary Ceremonial: Corresponding Status at the Time of Louis XIV, in: Past and Present 204 (2009), 33–88, hier 74–78. 319 Von den kurzen Mitteilungen, die Ludwig XIV. und Madame de Maintenon täglich austauschten, sind nur wenige erhalten. Vermutlich wurde der größte Teil nach dem Tod Ludwigs XIV. verbrannt. In den „Lettres édifiantes“ finden sich sieben dieser billets aus den Jahren 1694–1710, BMV Ms. 1461, vol. P 65–67. Weitere Beispiele in Maintenon III (Lavallée), 293 f., 318, 397 f. Bryant möchte in diesen billets eine Entwicklung der Position Maintenons nachweisen: von der Gefährtin zur politischen Partnerin. Meines Erachtens ist diese Interpretation aufgrund der großen Lücken dieses Quellenbestands problematisch. Vgl. Bryant, Marquise, 147 f. Weitere billets zwischen Maintenon und der Duchesse de Bourgogne, der Duchesse de Dangeau, Voysin und Torcy finden sich in BMV Ms. 1461, vol. P 66, bspw. f. 704–705, f. 907; vol. P 67, f. 8–9, f. 81–82, f. 373–374, f. 523–524, f. 524–525, f. 537–538, f. 550, f. 558, f. 628–629, f. 637. 320 Vgl. Ludwig XIV. an Maintenon, o.O., nicht dat., BMV Ms. 1461, vol. P 66, f. 142. In einer anderen Mitteilung bietet die Marquise dem Maréchal de Villeroy kurzfristig ein Treffen für den nächsten Tag an: Maintenon an Maréchal de Villeroy, o.O., lundi au soir, 17.3.1710, BL Add. Ms. 46357, f. 48. 321 „Les ennemis se sont retirées, et le Roi d’Espagne est maître de Madrid, j’ai cru que vous ne seriez pas fâchée de savoir cette nouvelle en attendant que vous sachiez un plus grand détail. Louis“ Ludwig XIV. an Maintenon, o.O., Dez. 1710, BMV Ms. 1461, vol. P 67, f. 330. 322 So erwähnt die Marquise etwa in einem Brief an Madame des Ursins, dass der écuyer du roi nach St. Cyr gekommen sei, um sie so schnell wie möglich über die Nachricht über eine gewonnene Schlacht in Kenntnis setzen zu können: Maintenon an Ursins,
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In ähnlicher Weise scheint Madame de Maintenon von französischen Ministern und Generälen über wichtige Neuigkeiten in Kenntnis gesetzt worden zu sein323. So bat sie beispielsweise der chancelier Daniel-François Voysin de la Noiraye324, dem König schon etwas über den Inhalt eines Briefpäckchens zu sagen, den er am nächsten Tag dann selbst im Detail erläutern würde. Oder er gab ihr kurz Bescheid, wie die Sitzung mit den Kardinälen am Nachmittag verlaufen sei325. Auf diese Weise kommunizierte die Marquise auch mit ihren Hofdamen. Etwa traf sie kurzfristige Verabredungen oder erkundigte sich nach ihrem Befinden. Der Duchesse de Bourgogne schrieb sie einmal, sie würde sich lieber mit ihr treffen als „hinter dem Rücken Pontchartrains“ im conseil zu sitzen326. Die billets geben einen Einblick in den tagtäglichen gesellschaftlichen Verkehr der Madame de Maintenon. Von Seiten der Minister wie des Königs Versailles, 29.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 22. Maintenon fügte hinzu, dass der courrier des Staatssekretärs Torcy die Princesse dann später über Details informieren würde. 323 Chamillart schickte ihr zusammen mit einem billet ein mémoire mit detaillierten militärischen und finanziellen Programmen: MAE M&D France, 137, f. 251–253. 324 Daniel-François Voysin de la Noiraye (* 1654, † 1712): protégé der Maintenon seit 1692; 1701 Unterstützung von Chamillart bei der Verwaltung von St. Cyr, 1708 conseiller d’État, 1709 secrétaire d’État de la guerre und ministre d’État, 1714 chancelier de France und garde des sceaux. Zur Biographie siehe Barros, Le département, 307–317. 325 „Je reçois en partant pour aller à Versailles, Madame, un paquet de M. le Cardinal de Rohan […], je prends la liberté de vous envoyer le tout, vous jugez peut-être à propos d’en dire un mot en gros au roi, et j’aurai l’honneur de lui en rendre compte demain plus en détail. Voysin“ Voysin an Maintenon, o.O., nicht dat., BMV Ms. 1461, vol. P 67, f. 550. Und: Voysin an Maintenon, o.O., Jan. 1714, BMV Ms. 1461, vol. P 67, f. 523–524. Dem Duc de Noailles gab Madame de Maintenon dagegen im Dezember unmittelbar Bescheid, als klar ist, dass er bei einem eventuellen Krieg gegen Philipp V. nicht wieder an die Front musste: Maintenon an Duc de Noailles, o.O., Freitag (Dez. 1708), Maintenon II (Geffroy), 184. Dem Dauphin teilte sie in einem billet mit, dass sie von der Princesse de Conty von seiner Zufriedenheit erfahren habe, die Nachrichten vom König regelmäßig von ihr geschickt zu bekommen: Maintenon an Dauphin, o.O., n. dat., BL Add. Ms. 15904, f. 11. 326 „Je m’en vais à St. Cyr: j’y ai affaire jusqu’à quatre heures; après cela, Madame, je suis à vous. Venez seul, venez en compagnie; le jardin, les mouches à miel, les petites filles, tout est à vous, la promenade en carrosse, le piquet à Trianon, tout est bon avec vous.“ „Que fait notre aimable princesse? Croyez-vous, que je n’aimerais pas autant être auprès d’elle que derrière le dos de M. de Pontchartrain. Mandez-moi du moins, Madame, comment elle est, et n’oubliez rien pour la consolez. “ Maintenon II (Geffroy), 69 f.
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war es offensichtlich üblich, sie unmittelbar und regelmäßig über den neuesten Stand der Dinge sowohl hof- als auch landesweit zu informieren. Von der Princesse des Ursins sind leider keine Zeugnisse dieser Art überliefert. Angesichts ihrer unmittelbaren Nähe zum Königspaar und ihren regelmäßigen Unterredungen mit dem französischen Botschafter und verschiedenen Ministern kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie sich in einer vergleichbaren Weise mit den Akteuren am spanischen Hof abstimmte und über aktuelle Nachrichten informiert wurde. 2.2.2. Netzwerke in Paris und Madrid In dieser Gruppe werden all jene Briefe zusammengefasst, die die beiden Frauen mit Personen aus der näheren geographischen Umgebung austauschten, die sie also auch regelmäßig persönlich trafen. Als nähere Umgebung ist für Madame de Maintenon Versailles und Paris, für die Princesse der Hof und die Stadt Madrid gemeint. Anders als die „formlosen“ billets gehorchte der Aufbau dieser Briefe formalen Regeln. Madame de Maintenon führte regelmäßige Briefwechsel mit den Damen ihres Kreises, dem so genannten couvent oder petit troupeau. Dazu zählten in erster Linie die Ehefrauen wichtiger Höflinge oder der Minister327. Viele der höfischen Faktionen wurden von Ehefrauen kontrolliert328. Die Stärke ihres Einflusses war dabei am bestehenden Kontakt mit wichtigen Personen ablesbar. Seit ihrer Ankunft bei Hofe unterhielt die Marquise auch Briefwechsel mit der famille royale: Der Duc und die Duchesse de Maine, der Duc de Berry, der Dauphin und die Dauphine waren seit den 1680er Jahren ihre gelegentlichen Korrespondenten. Vertreter und Vertreterinnen des französischen Hochadels, wie die Familien de Villette, de Noailles, d’Huxelles, de Chevreuse, de Beauvilliers und de Ventadour, standen ebenfalls mit der Marquise in regelmäßi
Louis Phelypeaux, Comte de Pontchartrain (* 1643, † 1727): 1689 contrôleur général des finances, 1690 secrétaire d’État à la marine und 1690 secrétaire d’État à la maison du roi: alle drei Ämter kumulierend bis 1699. 327 Zu diesem Kreis zählten Madame de Dangeau, Madame Heudicourt, die Princesse de Soubise, Madame de Montchevreuil, Princesse d’Harcourt, Madame de Montespan, Madame de Thianges, Comtesse de Gramont, Duchesse du Lude, Marquise de Dangeau, Marquise d’O, Marquise de Montgon. Vgl. Maintenon I (Geffroy), 154 und Bryant, Marquise, 95. 328 Vgl. Duindam, Jeroen, Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern European Court, Amsterdam 1995, 155 f.
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gem schriftlichen Kontakt329. Auch mit Maria von Modena, der Königin von England, und ihrem Sohn, dem Thronprätendenten Jakob, die im Schloss von Saint-Germain-en-Laye im politischen Exil lebten, unterhielt sie einen regelmäßigen schriftlichen Austausch330, der immer wieder durch gegenseitige persönliche Besuche ergänzt wurde331. Die Briefe, die mit Personen aus der nächsten Umgebung ausgetauscht wurden, beinhalten in erster Linie Informationen über die eigene Gesundheit und das Befinden Dritter. In einem personalen Herrschaftssystem bedeutete der Tod oder die Krankheit einer einflussreichen Person nicht nur den Verlust eines Menschen, sondern auch die Vakanz eines Amtes und generell machtpolitische Verschiebungen. Genauso lassen Fragen nach dem Befinden nicht unbedingt Rückschlüsse auf eine persönliche Beziehung zu, sondern weisen auf die Gunst hin, in der sich die betreffende Person gerade befand und beschreiben somit die politische Situation am Hof332. Daher finden sich in beinahe allen (längeren) Briefen der Maintenon einige Zeilen über das Befinden des Königs und anderer dem Adressaten bekannter Personen – Höflinge und Hofdamen, Militärs oder Kleriker des Hofes. In diesem Sinne können die Berichte über Hofereignisse gedeutet werden. Solchen „Anekdoten“ hat die Forschung häufig einen „geringen politischen Wert“333 zugeschrieben. Wenn Madame de Maintenon einer befreundeten Marquise von einer Partie trictrac mit Madame d’Heudicourt334 in der Menagerie, einem Lustschloss im Garten von Versailles, erzählt335, so kann 329 Siehe die Korrespondenzen in [Maintenon, Madame de,] Correspondance générale de Madame de Maintenon, hrsg. v. Théophile Lavallée, 4 Bde., Paris 1865–1866, insbesondere Bd. 2 (1677–1697) und Bd. 3 (1698–1695). 330 Bspw.: Maria von Modena an Maintenon, St. Germain, 5.9.1709, BMV P 67 (Lettres édifiantes, VI), f. 212–213.; vgl. auch alle anderen Briefe, passim. Maria Beatrice Eleonora Anna Margherita Isabella d’Este, bekannt unter dem Namen Maria von Modena (* 1658, † 1718): Königin von England, Schottland und Irland, seit der Glorious Revolution 1688 im französischen Exil im Schloss Saint Germain-enLaye mit ihrem Gatten Jakob II. von England (* 1633, † 1701) und ihrem Sohn James Francis Edward Stuart (* 1688, † 1766), seit 1701 Thronprätendent für den englischen und schottischen Thron. 331 Von diesen Treffen berichtet Madame de Maintenon häufig der Princesse des Ursins, vgl. etwa Maintenon an Ursins, Marly, 17.7.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 176. 332 Siehe zu diesem Zusammenhang Kapitel II.1.2. (Les nouvelles des personnes: Sich in der Gesellschaft verorten). 333 Bspw. misst ihnen Roosen little political value bei: Roosen, Functioning, 317. 334 Bonne de Pons, Marquise d’Heudicourt (* 1644, † 1709). 335 Vgl. Maintenon an die Marquise de Dangeau, à la ménagerie, Sept. 1707, Maintenon II (Geffroy), 139. Die ménagerie im Park von Versailles war für die luxuriösen Emp-
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daraus geschlossen werden, dass jene momentan hoch in der Gunst des Königs stand und dass Madame de Maintenon dies mitteilen wollte. Denn wer den König zu einem divertissement oder in seine Jagd- und Sommerschlösser Marly oder Trianon begleiten durfte, konnte sich des hohen symbolischen Kapitals dieser Auszeichnung sicher sein. Informationen über den gesellschaftlichen Verkehr, über gesundheitliche Aspekte oder über Todesfälle müssen daher als politische Informationen gesehen werden. Ihre Briefpartner in Versailles und Paris versorgte die Marquise auch mit militärischen Nachrichten: So informierten sich beispielsweise Maria von Modena und die Marquise gegenseitig über den aktuellen Kriegsverlauf336. Darüber hinaus wurden in diesem Personenkreis konkrete Patronageleistungen vermittelt. So zählte das Haus Stuart auf die Patronage der Marquise337 und in Paris weilende Botschafter und Gesandte wandten sich mit der Bitte um ihre Fürsprache beim König an sie338. Auch in dieser Gruppe von Briefen ist die Quellenlage bei der Princesse des Ursins vergleichsweise dürftig. Ihre Korrespondenz mit dem secretario de Estado José de Grimaldo y Gutiérrez de Solórzano, Marqués de Grimaldo339 ist erst aus dem Zeitraum nach der disgrâce der Princesse erhalten340. Unmittelbar nach ihrer Abreise aus Madrid unterrichtete sie ihn darin über ihre weiteren Pläne, nutzte ihn als Vermittlungsinstanz zu Philipp V., um die Konditionen ihrer Abreise zu mildern, und bat ihn, die an sie gerichteten Briefe von Madame de Maintenon und den französischen Ministern für sie aufzubewahren341. Sie ließ sich außerdem über die Geschehnisse am spanischen Hof (las noticias) unterfänge der Duchesse de Bourgogne ausgebaut worden. 336 Bspw.: „Vous serez étonnée d’apprendre que j’ai été surprise de la prise de Tournai, je suis sûre que vous ne l’avez pas été, mais je vous avoue qu’après les nouvelles qui étaient venues deux jours auparavant, que je ne m’y attendais point du tout si tôt, j’ai bien pensé que la citadelle ne tiendra pas longtemps, et n’ose presque penser à ce qu’il feront après, il faut prier Dieu et s’abandonner à lui […].“ Maria von Modena an Maintenon, St. Germain, 5.9.1709, BMV P 67 (Lettres édifiantes, VI), f. 212–213; vgl. auch alle anderen Briefe, passim. 337 Siehe bspw. Maria von Modena an Maintenon, o.O., 20.3.1696, Maintenon IV (Lavallée), 82 f. 338 Siehe hierzu detailliert Bryant, Marquise, 216–218. 339 José de Grimaldo y Gutiérrez de Solórzano, Marqués de Grimaldo (* 1660, † 1733). Zu Grimaldo vgl. De Castro, Concepción, A la sombra de Felipe V: José de Grimaldo, ministro responsable (1703–1726), Madrid 2004. 340 25 Autographe der Briefe der Princesse des Ursins an Grimaldo und vice versa der Jahre 1714 und 1715 befinden sich in AHN Estado 2850, nummeriert, aber nicht foliert. 341 „[…] de Mad[a]me de Maintenon y de los ministros de Francia“: Ursins an Grimaldo, Burgos, 13.1.1715, AHN Estado 2850, no. 6.
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richten342. Aufgrund zweier Hinweise aus der Korrespondenz des französischen Botschafters des Jahres 1716 an den Regenten Duc d’Orleans kann davon ausgegangen werden, dass der Briefwechsel mit Grimaldo sehr viel umfangreicher war als die überlieferten Briefe den Anschein erwecken343. Dass die Korrespondenz erst nach der Abreise der Princesse beginnt, könnte – neben einem schlichten Überlieferungsdefizit – damit erklärt werden, dass ihre Position am spanischen Hof einen schriftlichen Austausch nicht in dem Maße erforderte. Die ständige Präsenz der camarera mayor beim Königspaar und den Unterredungen mit den Ministern und dem französischen Botschafter erlaubte möglicherweise eine unkomplizierte mündliche Abstimmung. Dies würde auch ihre Verweise auf Inhalte von Grimaldos Berichten in anderen Briefen erklären344. Angesichts des Quellenbefundes ist allerdings gleichermaßen denkbar, dass der Princesse daran gelegen war, ihre Netzwerke in Madrid in ihren Briefen nach Versailles nicht offen darzulegen. Eine allzu starke Vernetzung am spanischen Hof war vom französischen König nicht gewünscht. In den Instruktionen an den französischen Botschafter war die Princesse ja gerade deshalb als geeignet beschrieben worden, da „sie in Spanien nicht als Fremde gesehen [wird], es dabei jedoch in ausreichendem Maße [ist], um nicht an den Kabalen und Intrigen des Hofes von Madrid teilzuhaben.“345 2.2.3. Landesweite Korrespondenzen Madame de Maintenons Korrespondenznetzwerk umfasste neben einzelnen Intendanten346 insbesondere Vertreter und Vertreterinnen des Klerus sowie die Leitungspersonen zahlreicher kirchlicher Institutionen, religiöser Einrichtun-
342 Ursins an Grimaldo, o.O., 12.1.1715, AHN 2850, no. 7. 343 Saint-Aignan an Duc d’Orléans, o.O., 25.11.1716 und Duc d’Orléans an Saint-Aignan, o.O., 14.12.1716, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 39, Anm. I. 344 Bspw. gegenüber dem Duc de Vendôme: Ursins an Duc de Vendôme, Madrid, 8.9.1710, Ursins (Geffroy), 397. 345 „Elle ne sera point regardée comme étrangère en Espagne, et cependant elle l’est assez pour ne prendre aucune part aux intrigues et aux cabales de la cour de Madrid.“ RDI Espagne II (Marsin), 19. 346 So unterrichtete sie bspw. den Intendanten des Languedoc, Nicolas de Lamoignon, Marquis de Bâville (* 1648, † 1724), über die Ereignisse am Hof und ließ sich im Gegenzug über aktuelle Entwicklungen informieren: Vgl. Maintenon II (Geffroy), 74 und 257.
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gen und Orden sowie Schulen und Konvente in ganz Frankreich347. Als Ehefrau des Königs hatte Madame de Maintenon dieselben Befugnisse über die couvents de fondation royale wie eine Königin348. So tauschte sich Madame de Maintenon beispielsweise mit der Äbtissin von Gomerfontaine über politische Ereignisse, Schwierigkeiten bei der Führung des Konvents oder den Stand erbetener Patronage aus349. Die Bischöfe von Auxerre350 und Châlons351 sowie der Erzbischof von Sens352 wurden von ihr ebenso mit Nachrichten aus Versailles und zur militärischen Situation versorgt wie der Erzbischof von Rouen353, mit dem sie die Karriere ihres Neffen, aber auch die wohltuende Wirkung von Schokolade besprach354. Gerade in diesen Briefen zeigt sich das Ineinandergreifen von ministeriellen und adeligen Netzwerken355. Ein besonderer Fall stellt die intensive Korrespondenz der Marquise mit der maison royale de Saint-Louis in St. Cyr dar356. Das Internat für Töchter verarmter Adelsfamilien war von Madame de Maintenon 1686 in der an Versailles an347 Die Forschungsliteratur zur Rolle der Maintenon als institutrice de la maison royale ist umfassend. In Auswahl: Prévot, Jacques, Madame de Maintenon. La première institutrice de France, Paris 1987; Niderst, Alain (Hrsg.), Autour de Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon. Actes des Journées de Niort 23–25 mai 1996, 2 Bde., Paris 1999, hier: Bd. 2: Sixième Partie: St. Cyr, l’éducation et le théâtre, 395–480; Danielou, Madelaine, Madame de Maintenon, éducatrice, Paris 1946. 348 Vgl. Maintenon (Foisset), 646. 349 Vgl. bspw.: Maintenon an Madame de la Viefville, St. Cyr, 1.5.1709, Maintenon II (Geffroy), 205 f. 350 Charles-Daniel-Gabriel de Pestel de Lévi de Thubières, Abbé de Caylus (* 1669, † 1754): 1704 Bischof von Auxerre. 351 François Madot († 1753): 1711 Bischof von Châlons. Siehe Maintenon I (Geffroy), passim. 352 Jean-Joseph Languet de Gergy, Bischof von Soissons, Erzbischof von Sens (* 1677, † 1753). 353 Claude-Maur d’Aubigny (* 1658, † 1719): 1708–1709 Erzbischof von Rouen, pair de France. 354 Maintenon an den Erzbischof von Rouen, St. Cyr, 26.1.1709, BL Add. Ms. 70950, f. 11–12. Siehe bspw. auch: Maintenon an den Erzbischof von Rouen, o.O., 24.7.1710, BNF NAF 13634, f. 31. 355 Etwa wenn die Marquise den Abbé de Caylus um Fürsprache bei seiner Schwägerin, der Comtesse de Caylus, bat, da diese wiederum die Minister Voysin und Pontchartrain protegiere: „Au reste, Monsieur, je vous demande votre protection auprès de Madame de Caylus. Nos deux principaux Ministres sont dans sa main; […].“ Maintenon an Abbé de Caylus, St. Cyr, 26.6.1709, Maintenon II (Geffroy), 215 f. 356 Madame de Maintenon gründete 1682 zunächst in Rueil ein Internat für Mädchen aus dem verarmten Adel, das in St. Cyr 1684 vergrößert wurde. Zum Aufbau und zur Funktion der Stiftung St. Cyr siehe Niderst, Alain (Hrsg.): Autour de Françoise d’Aubigné, Marquise de Maintenon. Actes des Journées de Niort, 23–25 mai 1996, Paris 1999, hier: Sixième Partie: St. Cyr, l’éducation et le théâtre, 395–480.
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grenzenden Domäne St. Cyr gegründet worden. Mit den jeweiligen Leiterinnen tauschte sie allgemeine und speziell die Einrichtung betreffende Nachrichten aus. Neben konkreten Anweisungen zu Verwaltungsfragen, erzieherischen Grundlagen oder den Theateraufführungen in St. Cyr wurden von Madame de Maintenon theologische Fragen und persönliche Gewissenskonflikte – gespickt mit zahlreichen Bibelzitaten – erörtert. Konkrete Patronage leistete sie beispielsweise durch die Vermittlung einer vorteilhaften Heirat. Auch an die Schülerinnen selbst schrieb sie Briefe, die Mahnungen und Ratschläge in den verschiedensten Bereichen beinhalteten. Einzelne wurden als eine Art Leitfaden in St. Cyr archiviert357. Auch in ihnen waren die aktuellen Entwicklungen Thema: Einem kurzer Abschnitt zu den politischen und militärischen Ereignissen358 folgte häufig die Bitte „St. Cyr beten zu lassen“359 – etwa wenn eine wichtige Schlacht anstand. Neben ihren häufigen Besuchen dienten der institutrice de la maison royale de Saint-Louis, wie ihr voller Titel lautete, diese Briefe zur Führung der Einrichtung in verwalterischen, moralischen und theologischen Belangen. In der Korrespondenz der Marquise mit ihren Beichtvätern scheint auf den ersten Blick die Frage zu dominieren, wie sie den König auf den rechten spirituellen Weg führen und begleiten könne360. In diesen sogenannten lettres de direction ging es um theologische und kirchliche Angelegenheiten (affaires écclésiastiques) sowie die Frage ihrer eigenen spirituellen Entwicklung. Insbesondere mit ihrem letzten Beichtvater Jean-Joseph Languet de Gergy tauschte sie sich aber auch über die militärische Lage Frankreichs aus und ließ sich mit Nachrichten aus der Stadt Paris versorgen361.
357 Um die wichtigsten zu nennen: Comtesse de Caylus, Mademoiselle d’Aumale, Madame de Glapion, Madame de Beaulieu, Madame de Montalembert, Madame de Pérou, Madame de la Rouzière, Madame de Fontaine. Siehe Maintenon I und II (Geffroy), passim. 358 Ein Brief an Madame de Pérou, eine Schülerin in St. Cyr, beginnt bspw. mit den Worten: „Les affaires de Flandres ne sont pas en mauvais état; la plupart de nos troupes dispersées sont revenues; peu de gens sont demeurés sur la place, il y a moins de prisonniers qu’on ne disait; […].“ Maintenon an Madame de Pérou, o.O., 28.7.1708, Maintenon II (Geffroy), 173. 359 Bspw. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 9.3.1709, Correspondance (Loyau), 133. 360 Zunächst mit dem Abbé François Gobelin († 1691), von 1687 an auch mit Jacques Bénigne Bossuet (* 1627, † 1704), Bischof von Meaux und Bourdaloue. Siehe bspw.: Maintenon an Bossuet, o.O., 3.4.1698, Maintenon I (Geffroy), 301. 361 Von ihrem letzten Beichtvater Languet de Gergy sind vierzig Briefe erhalten. [Maintenon, Madame de,] Quarante lettres inédites de Madame de Maintenon, hrsg. v. Foisset, in: Le Correspondant Dez. 1859, 641–692, bspw. 646.
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In ähnlicher Weise treten Paul Godet de Marais, Bischof von Chartres und François de Salignac de La Mothe-Fénelon, Erzbischof von Cambrai363 in ihrem intensiven Austausch mit der Marquise zunächst als eine Art „spirituelle Berater“364 hervor. Die behandelten Themen waren jedoch eng mit der höfischen Politik verbunden. So schrieb Fénelon einmal, dass es das Wichtigste sei, keine Gelegenheit zu verpassen, in der Umgebung des Königs Personen zu platzieren, mit denen Maintenon selbst gut zusammenarbeiten könne. Er präzisierte: „Wenn Sie den crédit der Herren Chevreuse und Beauvilliers erhöhen können, werden Sie einen großen Coup landen.“365 In der „Beichtvater“-Korrespondenz wurden also ebenfalls politische Entscheidungen ausgehandelt. Der enge Zusammenhang zwischen religiösen und machtpolitischen Fragen ist indes nicht verwunderlich und zeigt sich auch in dem Umstand, dass zwei der engsten Vertrauten der Marquise, Louis Antoine de Noailles, Erzbischof von Paris366, und Paul Godet de Marais von 1700 an den französischen König monatlich im conseil de conscience367 berieten. Madame de Maintenons tragende Rolle in diesen Diskussionen und den damit verbundenen politischen Verschiebungen hat Bryant nachgewiesen368. Der umfangreiche Briefwechsel der Marquise mit dem Kardinal de Noailles etwa gewährt einen Blick in die zentralen theologischen Strömungen der Zeit 362
362 Paul Godet des Marais (* 1647, † 1709): 1690 Bischof von Chartres. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Briefe von Maintenon an Godet de Marais nicht erhalten. 363 François de Salignac de La Mothe-Fénelon (* 1651, † 1715): 1695 Erzbischof von Cambrai. 364 Siehe bspw. Fénelon an Maintenon, o.O., Jan. 1690, Maintenon III (Lavallée), 210–212. 365 „[…] le capital est de ne perdre aucune occasion pour l’obséder par des gens sûrs, qui agissent de concert avec vous […]. C’est ce qui me persuade que, quand vous pourrez augmenter le crédit de messieurs de Chevreuse et de Beauvilliers, vous ferez un grand coup.“ Fénelon an Maintenon, o.O., Jan. 1689/1690, in: [Fénelon, François de Salignac de La Mothe,] Correspondance de Fénelon, hrsg. v. J. Orcibal, 13 Bde., Paris / Genf 1972–1990, Bd. II, 146. Der Brief wird in ganzer Länge zitiert bei Bryant, Marquise, Appendix I, 279–282. 366 Louis Antoine de Noailles (* 1651, † 1729): 1695 Erzbischof von Paris, 1700 Kardinal. Siehe [Maintenon, Madame de,] Correspondance générale de Madame de Maintenon, hrsg. v. Théophile Lavallée, 4 Bde., Paris 1865–1866, insbesondere Bd. 4 (1695–1705). 367 Gemeinsam mit dem königlichen Beichtvater François d’Aix, genannt Père la Chaise (* 1624, † 1709): Siehe Bryant, Marquise, 220. 368 Vgl. Bryant, Marquise, 101–138.
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und die damit verbundenen machtpolitischen Fragen369. Die Ernennungen in kirchliche Ämter lassen in dieser Zeit deutlich Maintenons Handschrift erkennen370. In den obigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass Madame de Maintenon mithilfe ihrer Korrespondenzen inhaltlich und personell die religiöse Politik der Krone mitgestaltete, indem sie sich an den theologischen Debatten beteiligte und Kirchenämter vermakelte. Die Briefe zeigen ihre Bemühungen in der Führung und Reformierung verschiedener Einrichtungen, ihre karitative Tätigkeit sowie die gezielte Platzierung von Amtsträgern wie Ordensoberen, Äbten und Äbtissinnen. Zwar führte auch die Princesse des Ursins, nachdem sie Rom im Jahr 1701 verlassen hatte, umfangreiche Korrespondenzen mit verschiedenen Kardinälen in Rom. In diesen Briefen war jedoch in erster Linie der Aspekt des „interhöfischen“ Austausches zwischen Madrid und Rom von Bedeutung, weshalb sie der letzten Gruppe zugeordnet werden. 2.2.4. „Feldpost“ Unter dem modernen Begriff „Feldpost“ sollen jene Briefe zusammengefasst werden, die die beiden Frauen mit geographisch mobilen Korrespondenzpartnern wechselten. Neben höfischen Akteuren, die zwischen Versailles und Madrid reisten, handelte es sich dabei in erster Linie um militärische Befehlshaber, deren Namen die Führungsriege des Spanischen Erbfolgekrieges widerspiegeln: Die Maréchaux Villars371, Ville369 Eine vermittelnde Rolle spielte die Marquise bspw. im Streit um den Umgang mit den Strömungen des Jansenismus und des Quietismus, der zugleich ein politischer Faktionskampf war. Die inhaltlich wie politisch führenden Köpfen der Gegner des Jansenismus waren neben Fénelon, Godet de Marais und Bossuet, der als Bischof von Meaux und Mitglied des Grand conseil de l’église als Wortführer der Bischöfe galt. Siehe zur Affaire du quiétisme ausführlich Bryant, Marquise, 101–137. 370 Vgl. Bryant, Marquise, 224–226. Bspw.: „J’entrevis hier M. d’Auxerre [den derzeitigen Bischof ], mais je n’étais occupée que de présenter M. l’abbé Madot au Roi.“ Maintenon an Comtesse de Caylus, 25.5.1704; und: „Je suis véritablement affligée, Monsieur, de la mort de M. l’évêque d’Évreux, non pas pour lui mais pour le Roi qui aura de la peine à le remplacez […] j’espère pourtant que vous serez un peu consulté; il m’avait passé par l’esprit de proposer M. l’abbé Languet, […].“ Maintenon an den Erzbischof von Rouen, o.O., 10.2.1710, zitiert bei Bryant, Marquise, 223, Anm. 10 und 15. 371 Claude Louis Hector, Maréchal de Villars (* 1653, † 1734): Als Maréchal de Villars war er insbesondere im Spanischen Erbfolgekrieg ein sehr erfolgreicher Feldherr. Vgl.
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roy372, Noailles373, Boufflers374, Tessé375, Berwick376, de Catinat377 und Bergeyck378 bedachten die beiden Frauen ebenso mit ihren Briefen wie die Ducs de Noailles379, de Bourgogne, d’Orléans oder der Fürst ’t Serclaes van Tilly380. Die Inhalte dieser Korrespondenzen sind vor allem durch den Umstand bestimmt, dass sie in militärischer Mission unterwegs waren. Die Sicherheit dieser „Feldpost“ war offensichtlich ein Problem. Häufig nutzten die beiden Frauen daher persönliche Boten; auch wollten sie nicht, dass ihre Briefe in andere Hände gelangten381. Vereinzelt finden sich auch Hinweise darauf, dass diese Briefe zum Teil verbrannt wurden382. Im Folgenden sollen die wichtigsten, „korrespondenzübergreifenden“ Themen kurz erläutert werden, um deutlich zu machen, in welcher Form und mit welchen inhaltlichen Anknüpfungen die beiden Frauen in militärische Fragen einbezogen waren. Ziegler, François, Villars. Le Centurion de Louis XIV, Paris 1996; Sturgill, Claude C., Marshal Villars and the War of the Spanish Succession, Kentucky 1965. 372 François de Neufville, Duc de Villeroy (* 1644, † 1730). 373 Anne-Jules de Noailles, Comte d’Ayen, II. Duc de Noailles (* 1678, † 1708): 1693 maréchal de France. 374 Louis-François, Duc de Boufflers (* 1644, † 1711): 1695 Erhebung zum maréchal, 1708 zum duc et pair. 375 Jean-Baptiste René III. de Froulay, Comte de Tessé (* 1648, † 1725): 1703 maréchal de France, 1708 ambassadeur in Rom, 1712 général des galères, 1716 conseil de Marine, 1723 ambassadeur in Madrid. Mit dem Maréchal de Tessé führte die Princesse des Ursins mindestens von 1710 bis 1718 eine regelmäßigen und intensive Korrespondenz: BL Add. Ms. 28787, f. 1–154 (Autographe); 49 Briefe der Princesse an Tessé (und eine Antwort von Tessé an die Princesse) wurden publiziert: Lettres inédites de la Princesse des Ursins au Maréchal de Tessé, hrsg. v. Gustave Masson, in: Annuaire-Bulletin de la Société de l’Histoire de France 1879, 177–248. 376 James Fitz-James Stuart, Duke of Fitz-James and Berwick (* 1670, † 1734). 377 Nicolas III. de Catinat de la Fauçonnerie, Seigneur de Saint-Gratin (* 1637, † 1712). 378 Jean de Brouchoven, Comte de Bergeyck (* 1644, † 1725). 379 Adrien-Maurice, Comte d’Ayen, Duc de Noailles (* 1678, † 1766). 380 Alberto Octavio, Fürst ’t Serclaes van Tilly (* 1646, † 1715). Dass er ihr schreibe, erwähnt die Princesse in: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 218. 381 „[…] des nouvelles de ce pays-ci, si je croyais qu’elle ne passassent pas auparavant en d’autres mains que les vôtres; […].“ Ursins an Villeroy, o.O., 10.1.1707, BL Egerton Man. 27, f. 88–89. 382 Bspw. in einem Brief an Villeroy: Unter ihrer Unterschrift finden sich folgende Zeilen: „En reliant votre lettre avant de la brûler [...].“ Maintenon an Villeroy, o.O., 23.12.1713, BL Add. Ms. 46357, f. 76.
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In erster Linie ging es offensichtlich darum, die beiden Frauen über die Lage am jeweiligen Kriegsschauplatz zu unterrichten. So versorgte beispielsweise Claude Louis Hector, Maréchal de Villars Madame de Maintenon regelmäßig mit detaillierten Berichten, als er von 1705 bis 1707 die Aufgabe hatte, die französischen Truppen am Rhein neu zu ordnen383. Der Dauphin berichtete ihr direkt aus dem Feldlager384 und vom Duc de Noailles hatte die Marquise eine relation über Philipps V. Reise nach Spanien im Jahr 1701 angefordert385. Ihre Korrespondenz mit dem Duc de Bourgogne diente darüber hinaus dazu, militärische Pläne, so genannte mémoires, zu übermitteln386. James Fitz-James Stuart, Duke of Fitz-James and Berwick und der Duc d’Orléans schrieben der Princesse des Ursins, wie sie selbst der Marquise gegenüber einmal erwähnt, „zu jeder Gelegenheit“387 und so sorgfältig wie nur möglich388. Nicht nur dieses Beispiel erweckt den Eindruck, dass es für die Princesse von Bedeutung war, sich als „gut informiert“ zu präsentieren. Im Gegenzug berichteten die beiden Frauen über die jüngsten Ereignisse und Gerüchte (bruits) des Heimathofs389.
385 Siehe: Villars I (Vogüé), Kap. V.: Villars et Madame de Maintenon. 386 Dauphin an Maintenon, Au camp devant Mons, 9.4.1691 und Maine an Maintenon, Au camp devant Mons, 9.4.1691, Maintenon III (Lavallée), 294 f. 385 Relation du voyage d’Espagne, adressée par le Comte d’Ayen à Madame de Maintenon, Maintenon IV (Lavallée), 391–410. 386 Vgl. bspw. „J’ai reçu cette après-diner, Madame, votre lettre d’hier avec le mémoire qui y était joint.“ Duc de Bourgogne an Maintenon, Au camp de Bersée, 15.9.1708, Bourgogne II (Baudrillart), 194; und: „Je joins à cette lettre, Madame, une réponse au mémoire que vous m’avez envoyé.“ Bourgogne an Maintenon, Au camp du Saussois, 18.9.1708, Bourgogne II (Baudrillart), 195. 387 „M. le M[aréch]al de Berwick qui continue à m’écrire dans toutes les occasions […].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 13.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 362; ähnlich auch: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 315; Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 323; Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 328. 388 So berichtete die Princesse der Marquise über die Briefes des Maréchal, in dem er ihr über die Belagerung von Lérida berichtete: „On ne peut pas être plus soigneux qu’il l’est à mon égard de m’apprendre tout ce qui se passe. M. le Duc d’Orléans me fait l’honneur aussi de m’ écrire.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 12.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 346. 389 Ersichtlich etwa in der Korrespondenz zwischen Ursins und Tessé: Ihrem Brief vom 17.7.1713 fügte sie ein Post-Scriptum hinzu, um die Nachrichten des eben frisch eingetroffenen courriers noch hinzuzufügen: die Landung Starembergs mit 8000 Männern, die Belagerung Tarragones, die Kriegserklärung Kataloniens. Ursins an Tessé, Madrid, 17.7.1713, à 5 heures du soir: Ursins (Masson), 53. Wenn sich Tessé in Ver-
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Der Idee einer „Weitergabe von Informationen“ liegt ein funktionales Verständnis von Information zugrunde und muss daher kritisch gesehen werden. Der Austausch von Informationen im Sinne eines do ut des war in erster Linie ein inszenierter: Information war eine Machtressource und wurde als solche bewusst eingesetzt390. Nachrichten und Ereignisse in Europa wurden in den Briefen von den beiden Frauen meistens kommentiert: So tauschten sich François de Neufville, Maréchal de Villeroy und Madame de Maintenon beispielsweise über die veränderte militärische und politische Ausgangslage im Jahr 1710 mit unterschiedlichen Meinungen aus391. Insbesondere in ihren Korrespondenzen mit jüngeren Militärs äußerte sich Madame de Maintenon kritisch über militärische Entscheidungen, Aktionen und mögliche Projekte in Italien, Flandern oder Spanien sowie den Mangel an Geld und Truppen392. Die Princesse des Ursins wurde einmal von einem befreundeten Maréchal gebeten, „ernsthafte Überlegungen“393 darüber anzustellen, welcher General die nächste Schlacht führen könne. Der Übergang zu einer Situation der Verhandlung war dabei fließend: Denn die Princesse nutzte ihre Korrespondenzen zugleich, um die „spanische“ Position beim französischen König zu stärken: „Ich bin sicher, dass, wenn der König Sie um Ihre Meinung fragen würde, Sie ihm raten würden, dem König, seinem Enkel zu helfen, ob zu Wasser oder zu Land.“394 Für ihre Briefpartner fern des Hofes fungierten die beiden Frauen auch als Vermittlerinnen der königlichen Patronage. So vermittelte Madame de Maintenon dem Maréchal de Villars nach seiner zeitweiligen disgrâce im sailles aufhielt, lieferte er ihr die nouvelles de la cour, bspw.: Ursins an Tessé, Madrid, 6.4.1710, Ursins (Masson), 2 f. 390 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel II.2.2. (Raisonner de guerre: Schreiben über Krieg und Frieden). 391 Maintenon an Villeroy, Marly, 4.5.1710, BL Add. Ms. 46357, f. 67. Von der Korrespondenz mit Madame de Maintenon sind nur noch wenige Briefe erhalten. In der British Library in Add. man. 46357 und ein Brief in Stowe 755: Maintenon an Villeroy, St. Cyr, 19.10.1709, BL Stowe 755, f. 42–43. 392 Siehe etwa ihren umfangreichen Briefwechsel mit dem Duc de Noailles zwischen 1701 und 1715 in Maintenon II (Geffroy). Seine Regelmäßigkeit wird bspw. in einem Brief vom 24.07.1706 deutlich, Maintenon II (Geffroy), 92 f. 82 Briefe zwischen Noailles und der Princesse befinden im MAE M&D 125. La Trémoille zitiert die meisten davon. 393 faire des réflexions sérieuses: Ursins an Tessé, Madrid, 7.7.1710, Ursins (Masson), 8. 394 „Vous comprenez, Monsieur, mieux que qui que ce soit, l’importance d’achever de soumettre toute la Catalogne, et je suis sûre que, si le Roi vous en demandait votre avis, vous lui conseilleriez d’aider le Roi son petit-fils, soit par mer et par terre.“ Ursins an Tessé, Madrid, 14.8.1713, Ursins (Masson), 56.
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Jahr 1704 eine Aussprache mit dem Staatssekretär des Krieges Michel Chamillart395 in ihren eigenen Räumen und erreichte schließlich sogar seine Auszeichnung für seine militärischen Verdienste mit dem cordon bleu und dem Herzogtitel396. Ein anderer Maréchal dankte der Marquise in einem Brief explizit für ihren Anteil an seiner Erhebung zum duc et pair nach der Verteidigung von Lille 1708 sowie für die Weiterleitung seines Dankes an den König397. Auch der Dauphin bat in seinen Berichten zugleich um ihre Fürsprache beim König398. Um Patronage handelt es sich ebenfalls, wenn Madame de Maintenon die sentiments des Königs weitergab, das heißt seine Meinung zu militärischen Entscheidungen399 oder seine Zufriedenheit und Kritik, was Aktionen oder Personen betraf. Derartige Informationen von Seiten der Patronin ermöglichte es ihren protégés, gemäß den Wünschen des Königs zu handeln. Interessant ist hier ein Brief des Maréchal de Villars vom Juni 1706, in dem dieser Madame de Maintenon bat, nicht unter der Führung des Duc d’Orléans nach Italien zu müssen. Seine Begründung ist viel detaillierter als diejenige, die er dem Staatssekretär Chamillart darlegte400. Vielleicht versprach er sich mehr von der Fürsprache der morganatischen Ehefrau, weshalb er sie entsprechend besser informierte – vielleicht vertraute er aber auch darauf, dass der Staatssekretär mündlich mit Maintenon Rücksprache nehmen würde. Die Rolle der Marquise als Vermittlerin zum König fällt insbesondere im Fall ihres Neffen, Adrien-Maurice, Comte d’Ayen, Duc de Noailles401 auf: Sie richtete ihm Lob und Tadel aus402 und las dem König die Briefe ihres Neffen
395 Michel Chamillart (* 1654, † 1721) galt als protégé der Maintenon: 1694 Verwaltung der maison Royale de St. Cyr, 1699 contrôleur général des finances, 1700 Mitglied des conseil d’en haut, 1701 secrétaire d’État à la guerre, 1708 Abdankung und 1709 disgrâce. Zur Biographie siehe Pénicaut, Emmanuel, Michel Chamillart, ministre et secrétaire d’état de la guerre de Louis XIV. Faveur et pouvoir au tournant du Grand Siècle, Paris 2004. 396 Vgl. Villars I (Vogüé), 195, 202–206, 208. 397 Siehe Boufflers an Maintenon, Faubourg St. Antoine, 20.3.1711, BMV P 67 (Lettres édifiantes, VI), f. 338–340. 398 Vgl. Dauphin an Maintenon, o.O., nicht dat., BL Add. Ms. 15904, f. 13. 399 So versuchte sie bspw. zu erklären, warum Staatssekretär Desmarets im Jahr 1710 für die Armee keine weiteren finanziellen Mittel bereit stellen würde: Maintenon an Villeroy, Marly, 4.5.1710, BL Add. Ms. 46357, f. 66. 400 Vgl. Villars an Maintenon, o.O., 19.6.1706, Villars I (Vogüé), 212–14. 401 Adrien-Maurice, Comte d’Ayen, Duc de Noailles (* 1678, † 1766). 402 Bspw.: Maintenon an Duc de Noailles, St. Cyr, 22.2.1706, Maintenon II (Geffroy), 75; oder: Maintenon an Duc de Noailles, Marly, 6.2.1711, Maintenon II (Geffroy), 267.
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vor403. Eine Art „Führung“ schien die Marquise dem jungen Duc de Bourgogne gegeben zu haben404. Jener überlässt ihr einmal die Entscheidung, ob und wie sie brisante militärische Informationen an den König weitergebe405. Die Princesse des Ursins fungierte ebenfalls als Vermittlerin zum spanischen Königspaar406, teilte Informationen und Überlegungen mit407, gab mitunter miliärische Pläne weiter408 und protegierte ihre Briefpartner, indem sie sich vor dem Königspaar in vorteilhafter Weise über sie äußerte409. Handelte es sich um einen gemeinsamen Briefpartner der beiden Frauen, so ergab sich bisweilen eine Art Dreiergespräch. In ihren Briefen mit dem Duc de Noailles leiteten sie sich beispielsweise gegenseitig Komplimente und Dank sowie Informationen über die nouvelles de la cour, den Kriegsverlauf und gemeinsame Bekannte weiter410. In ihren intensiven Korrespondenzen mit dem Maréchal de Villeroy waren die affaires d’Espagne zentral. Die Marquise unterrichtete den Maréchal über die „frischen Nachrichten“, die sie von der Princesse erhalten hatte, ein Bericht, der offensichtlich erwartet wurde, da sie stets vermerkte, wenn es nichts Neues zu berichten gab. Der Princesse ging es 403 „En lisant votre lettre au Roi, il me dit que vous ne saviez pas encore ce qui s’est passé en Flandres; […].“ Maintenon an Duc de Noailles, Marly, 15.6.1706, Maintenon II (Geffroy), 86. 404 Bspw. dankt er der Marquise einmal dafür, dass sie im Kompetenzstreit mit dem Duc de Vendôme vom König die „entscheidende Stimme“ (la voix décisive) erreicht habe: Bourgogne an Maintenon, o.O., 24.7.1708, zitiert in: Mémoires politiques et militaires pour servir à l’histoire de Louis XIV et de Louis XV. Composés sur les pièces originales recueillies par Adrien-Maurice, Duc de Noailles, maréchal de France et ministre d’État, par l’Abbé Millot, Paris 1839 (Nouvelle collection des mémoires pour servir à l’histoire de France, 10), 143. 405 Etwa: „On m’a pressé de faire connaître ces choses au Roi; et j’ai cru que je devais vous le dire, Madame, afin que vous en fissiez auprès de lui l’usage que vous jugerez à propos.“ Bourgogne an Maintenon, o.O., 1.8.1708, Noailles (Millot), 149. Dass er der Princesse schreibe, erwähnt er in Duc de Bourgogne an Philippe V., Au camp du Saussoy, 23.9.1708, Bourgogne I (Baudrillart), 259. Einige seiner Briefe an Madame de Maintenon werden in Band II dieser Edition im Appendix zitiert: Bourgogne II (Baudrillart), 151–221. 406 Bspw. für den Duc de Noailles. 407 Ursins an Tessé, Madrid, 17.7.1713, Ursins (Masson), 52. 408 Bspw.: Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 25.6.1710, Ursins V (La Trémoille), 68; von „relation“ spricht sie in Madrid, 27–30.6.1710, Ursins V (La Trémoille), 69. 409 Ursins an Tessé, Madrid, 29.6.1710, Ursins (Masson), 7; Ursins an Tessé, Madrid, 4.6.1713, Ursins (Masson), 47 f. 410 Bspw.: „ Mad[ame] de Maintenon me mande que Milord Marlborough a écrit en Angleterre qu’il se serait bien contenté de faire en quatre ans ce qu’il a fait en quatre jours.“ Ursins an Duc de Noailles, Burgos, 14.7.1706, MAE M&D Espagne 125, f. 57.
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um eine vorteilhafte Darstellung des jungen spanischen Herrscherpaars und ihrer eigenen Position. Damit bezweckte sie, dass dieses positive Bild via Villeroy an die Marquise bzw. den französischen Hof getragen wurde. Bisweilen war man sich in diesem „Trialog“411 auch nicht einig412. Militärische Fragen wurden verhandelt und die eigenen Beziehungen ausgehandelt413. Es kann festgehalten werden, dass die Militärs von den beiden Frauen mit regelmäßigen Nachrichten vom Heimathof versorgt sowie über familiäre und politische Angelegenheiten auf dem Laufenden gehalten wurden. Wie für jeden Gesandten fern vom Hof waren für sie Briefkontakte zum Hof für die Wahrung ihrer Position während der Abwesenheit von existenzieller Bedeutung. Madame de Maintenon fungierte als ihre Maklerin bei Hofe; sie war ihre Vermittlerin und Fürsprecherin beim französischen König. Dominierend sind in diesen Korrespondenzen aktuelle Nachrichten über den Kriegsverlauf, die von den Befehlshabern zeitnah an Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins gesendet und von jenen kommentiert wurden. Neben diesen Korrespondenzen und jenen mit Verwandten am Hof414 hatten die Militärs regelmäßig an die Staatssekretariate in Versailles zu schreiben: Colbert de Torcy stand als Staatssekretär für Auswärtiges und zugleich 411 Bryant bezeichnet die Korrespondenz zwischen Madame de Maintenon und dem Maréchal de Villeroy treffend als triangular discourse with Louis XIV, Bryant, Marquise, 178. 412 Bspw.: „M[ada]me la Princesse des Ursins m’écrit que, bien loin de retirer quatre bataillons d’Espagne, nous devrions les fortifier, finir la guerre en ce pays-là, et recommander le reste à Dieu. Je ne crois pas que vous pensiez de même.“ Maintenon an Villeroy, Marly, 19.5.1711, Maintenon II (Geffroy), 283. 413 In der Art und Weise, wie sich der Maréchal und Madame de Maintenon über die Princesse äußern, wird die Protektion Maintenons deutlich. Die Princesse bezeichnete sie wieder als „großzügige und seltene Freundin“ und hob ihre „guten Dienste“ hervor, womit sie zweierlei erreichte: Sie machte Villeroy gegenüber deutlich, dass sie den Schutz der morganatischen Ehefrau Ludwigs XIV. genoss und verfasste eine Art indirektes Kompliment an ihre Patronin in Versailles, da sie um den engen Kontakt zwischen den beiden wusste; vgl. Ursins an Villeroy, o.O., 10.1.1707, BL Egerton Man. 27, f. 88–89. Die Korrespondenz zwischen Villeroy und Ursins überdauerte deren Aufenthalt in Madrid und den Tod der Madame de Maintenon im Jahr 1719. Beim Tod der Maintenon richtete Villeroy ein compliment an die Princesse: Villeroy an Ursins, Paris, 29.5.1719, BL Add. Ms. 20535, f. 81. 414 Gelegentlich verweist die Marquise auf parallele Korrespondenzen, um sich einen Abschnitt zu ersparen – wie bspw. auf die zwischen dem Duc und seinem Vater, dem Maréchal de Noailles: Maintenon an Noailles, Marly, 15.6.1706, Maintenon II (Geffroy), 86 f.
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surintendant général des postes in ständigem Kontakt mit den jeweiligen militärischen Standorten415. Die Briefe der beiden Frauen liefen hierzu parallel. 2.2.5. Interhöfischer Austausch Über Briefe waren die beiden Frauen auch im Kontakt mit anderen Höfen in Europa. Diese Briefe sind im Allgemeinen durch einen formaleren Stil gekennzeichnet, was mit der geringeren Vertrautheit der Korrespondenzpartner zusammenhängt. Sie beinhalten Mitteilungen zum Befinden des Königs bzw. des Königspaars und bedeutender Personen am Hof, der eigenen Gesundheit, der aktuellen politischen und militärischen Lage sowie Ereignissen am Hof. Häufig waren der Etikette geschuldete compliments eingebunden. Diese Korrespondenzen wurden jedoch auch zur Vermittlung von Patronage genutzt – in beide Richtungen. Madame de Maintenon korrespondierte mit den Höfen von Turin416, Durlach417, London418 und Kurköln419 sowie mit Bayonne, wo die spanische Königin-Witwe Maria Anna von Pfalz-Neuburg im Exil lebte420. 415 Dort waren die chevaucheurs de l’écurie du roi für die Überbringung der Befehle und den Nachrichtenaustausch zuständig. Assistiert wurde ihnen von einem commis und dem directeur des postes à l’armée, die mittels passeports auch in feindlichem Gebiet frei bewegen konnten: Vaillé, Eugène, Histoire générale des postes françaises, 6 Bde., Paris 1947–1955, Bd. 5: La ferme générale et le groupe Pajot-Rouillé (1691–1738), 1951, 77–81 und 85 f. 416 So unterhielt Madame de Maintenon einen Briefwechsel mit dem Herzog und der Herzogin von Savoyen in Turin, in der es insbesondere um das Befinden und die Betätigungen ihrer Tochter, der Duchesse de Bourgogne, ging. Aber auch Patronageanfragen und der Austausch allgemeinerer Nachrichten sind zu finden. Siehe bspw. Maintenon an den Herzog und die Herzogin von Savoyen, o.O., 5. und 6.11.1696, Maintenon I (Geffroy), 279 f. und 281 f.; Maintenon an den Herzog von Savoyen, o.O., 13.4.1698, Maintenon IV (Lavallée), 229 f. 417 Die Prinzessin von Baden versuchte ebenfalls, mit ihr Kontakt aufzunehmen und sie im Jahr 1707 zu bitten, daraufhin zu wirken, die Abgaben ihrer Region an den Maréchal de Villars zu reduzieren. An einem commerce mit ihr hatte die Marquise allerdings kein Interesse. Vgl. Maintenon an Ursins, 10.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 292. 418 Die Formulierung der compliments der Königin von England waren immer mit Bitten um ihre faveur und Vermittlung bei Ludwig XIV. verbunden. Bspw.: Königin von England an Maintenon, BL Add. Ms. 15904, f. 30–40. 419 Bspw. bat der Kurfürst um ihre Patronage: Kurfürst von Köln an Maintenon, Valenciennes, 26.11.1712, BMV P 67 (Lettres édifiantes, VI), f. 445–446. 420 Maria Anna von Pfalz-Neuburg (* 1667, † 1740): Die Marquise war mit ihr über die Erste Kammerdame der Königin-Witwe, die Duchesse de St. Pierre, im Kon-
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Auch im Kirchenstaat wusste man um ihre Position auprès du Roi. Mit Rom führte Madame de Maintenon seit den 1680er Jahren mehrere Korrespondenzen, die sich nach 1700 intensivierten421. Im Jahr 1683 wurde ein Geschenk des Papstes, das eigentlich für die französische Königin Maria Theresia bestimmt gewesen war, nach deren Tod kurzerhand an Madame de Maintenon übergeben422. Rom wünschte sich offensichtlich den Kontakt mit der morganatischen Ehefrau des französischen Königs. Der päpstliche Nuntius Ranuzzi423 hatte zu diesem Zweck vom Staatssekretär in Rom den Auftrag erhalten, sich an die Marquise zu wenden, um ihren Einfluss auf den König zu nutzen und dafür zu sorgen, dass der Kurie dieser Kommunikationskanal erhalten bliebe424. Die Patronage der Marquise war offensichtlich so effizient, dass sich das Kirchenoberhaupt selbst um sie bemühte. Um ihre Vermittlung in wichtigen Angelegenheiten baten die Päpste Alexander VIII.425 und Innozenz XII.426. Clemens XI. ließ Madame de Maintenon kurz nach Beginn seines Pontifikats ein kostbares Geschenk zukommen427 und bat regelmäßig um Fürsprache für takt. Siehe der Hinweis in: Maintenon an Ursins, Versailles, 3.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 7. Vgl. auch: Pontet, Josette, Une reine en exil. Marie-Anne de Neubourg et sa cour à Bayonne, in: Monarchies, noblesses et diplomaties européennes. Mélanges en l’honneur de Jean-François Labourdette, hrsg. v. Jean-Pierre Poussou / Roger Baury / Marie-Catherine Vignal-Souleyreau (Collection Roland Mousnier, 21), Paris 2005, 257–282. 421 Siehe BMV Ms. 1461, vol. P 65–67 und Maintenon II und III (Lavallée), passim. 422 Maintenon an Brinon, o.O., Aug. 1683, Maintenon I (Geffroy), 148. 423 Angelo Maria Ranuzzi (* 1626): 1668 Erzbischof von Damas, Nuntius in Savoyen, 1671 in Polen; 1678 Bischof von Fano. 424 Alderano Cibo (Staatssekretär in Rom) an Ranuzzi, Rom, 18.6.1686, Correspondance du nonce en France Angelo Ranuzzi (1683–1689), hrsg. v. Bruno Neveu, 2 Bde., Rom 1973 (Acta Nuntiaturae Gallicae, 10 und 11).738; und Cibo an Ranuzzi, Rom, 21.10.87, Ranuzzi II (Neveu), 168. Siehe auch Bd. II, 23 f., 36, 151, 157 f., 162, 176, 182. 425 Siehe bspw.: „[…] ayant écrit une lettre de notre propre main pontificale au Roi TrèsChrétien sur une affaire de très grand poids, et qui nous tient fortement au cœur, nous avons cru qu’il était à propos de vous l’envoyer, afin que le Roi la reçût de votre main, et nous ne doutons point que vous n’employez tout ce qui dépendra de vous pour faire réussir l’affaire dont nous traitons […].“ Alexander VIII. an Maintenon, o.O., 20.12.1690, Maintenon III (Lavallée), 255 f. 426 Bspw.: Innozenz XII. an Maintenon, o.O., 30.6.1692, Maintenon III (Lavallée), 341 f. 427 „[…] c’est pourquoi nous avons cru devoir vous faire présente d’une couronne de lapis de la bienheureuse Vierge Marie et d’un médaille d’or, qui représente, d’un côté, l’image de Notre Sauveur [et] de l’autre celle de la bien heureuse Vierge sa Sainte Mère, […].“ Clemens XI. an Maintenon, o.O., Jan. 1701, BMV Ms. 1461, vol. P 65, f. 758–759.
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die päpstlichen Nuntien und Kardinäle in Paris. Letztere waren stets mit einer lettre de recommandation, einem Empfehlungsschreiben ausgestattet, das an Madame de Maintenon gerichtet war428. Auch von verschiedenen Kardinälen lassen sich Korrespondenzen mit der Marquise rekonstruieren429. So informierte sie Kardinal Filippo Antonio Gualterio430, sobald ihm Audienz gewährt wurde, er versicherte ihr, dass man in Rom ihren guten Einfluss auf Ludwig XIV. schätze431, oder er bat um ihre Fürsprache432. Die Princesse des Ursins korrespondierte mit dem Hof von Lissabon433, mit der spanischen Königin-Witwe in Bayonne434, mit London und Rom. 428 So sollte sie dem Nuntius Corneille, Bischof von Cartagena, „ihre guten Dienste erweisen“(rendre de ses bons offices): Clemens XI. an Maintenon, o.O., 30.5.1712, BMV Ms. 1461, vol. P 67, f. 415. Siehe auch BMV Ms. 1461, vol. P 66, f. 588–589, f. 882– 883; vol. P 67, f. 416, f. 412–413, f. 664–665. 429 Siehe ihre Korrespondenz mit dem Kardinal de Janson in BMV, P 65. Mit dem Kardinal de la Trémoille nahm sie Anfang des Jahres 1707 – entgegen ihrer Gewohnheit – einen neuen Briefwechsel auf: „J’ai plus d’une raison, Madame, pour l’excepter de la résolution de ne plus faire de nouvelles connaissances.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 195. Die Princesse erwähnt, dass er sich geehrt fühle: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 220. 430 Filippo Antonio Gualterio (* 1660, † 1728): 1700–1706 Nuntius in Versailles, 1701 Erzbischof von Imola, 1706 Kardinal. 431 Vgl. Kardinal Gualterio an Maintenon, Rom, 20.2.1714, BL Add. Ms. 20316, f. 266– 268. 432 Insbesondere im Jahr 1714, als seine Reputation aufgrund der Affäre um den Kardinal de Noailles in Mitleidenschaft gezogen wurde: Kardinal Gualterio an Maintenon, o.O., 12.5.1714, BL Add. Ms. 20316, f. 269–270; weiteres Beispiel für Protektion: Kardinal Gualterio an Maintenon, Turin, 4.11.1713, BL Add. Ms. 20316, f. 264. Ein Hinweis der Maintenon auf die von ihr geleistete Patronage findet sich in: Kardinal Gualterio an Maintenon, wahrscheinlich 1710, BMV P 67 (Lettres édifiantes, VI), f. 239–240. 433 Aus Lissabon erhielt sie ihren eigenen Worten zufolge Berichte, die zumindest so ausführlich gewesen sein mussten, dass es dem designierten französische Botschafter für Lissabon, im Jahr 1714 auf der Reise zu seinem neuen Arbeitsort eine Station in Madrid wert war. Der Abbé de Mornay habe sich mehrere Stunden tête-à-tête mit ihr unterhalten, teilt die Princesse Madame de Maintenon mit: Ursins an Maintenon, o.O., 20.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 236–237; Ursins an Maintenon, o.O., 24.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 241; tête à tête plusieurs heures: Ursins an Maintenon, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 246. 434 Aus ihren Briefen an den Staatssekretär Torcy ist zu entnehmen, dass sie sich einmal bei ihr für eine Verwandte Torcys verwendete: Ursins an Torcy, Madrid, 4.3.1708, Ursins (Geffroy), 328. Es ging um das Amt des majordomo der Königin-Witwe in Ba-
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Von London aus unterhielt Anna von England selbst eine Korrespondenz mit ihr435. Der englische Minister Robert Sutton, Lord Lexington436, der ihren Einfluss auf Philipp V. hoch einschätzte437, versuchte über sie etwa, den König an ein mémoire zu erinnern438. Wie bei Madame de Maintenon, scheint auch hier der Kanal über die Princesse des Ursins dafür genutzt worden zu sein, Bitten und Anliegen beim König mehr Gewicht zu verleihen. In der umfangreichen Korrespondenz der Princesse mit dem englischen secretary of war and foreign affaires, Henry St. John, Viscount of Bolingbroke439, ging es in erster Linie um die Landesherrschaft, die ihr von Philipp V. versprochen worden war440. Aber auch andere inhaltliche Fragen, welche die Verhandlungen zwischen England und Spanien betrafen, wurden thematisiert441.
yonne für den Duc de Saint-Pierre. Vgl. auch Ursins an Maintenon, Madrid, 7.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 211; Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 218. Auch Hinweise aus ihrer Korrespondenz mit dem Duc de Gramont führen zu diesem Schluss: Siehe bspw.: Ursins an Gramont, Madrid, 14.3.1707, Ursins III (La Trémoille), 193; Ursins an Gramont, Buen Retiro, 29.8.1707, Ursins IV (La Trémoille), 23. 435 Aus einem Brief der Princesse an die Princesse de Vaudemont ist zu entnehmen, dass sie „sehr oft“ – so ihre eigenen Worte – Briefe von der Königin Englands erhalte: Ursins an Princesse de Vaudemont, Madrid, 10.7.1712, BL Add. Ms. 22055, f. 12. Die Briefe selbst konnten nicht mehr aufgefunden werden. 436 Robert Sutton, II. Baron of Lexington (* 1662, † 1723). 437 „Madame la Princesse m’a fait l’honneur de me faire savoir que le Roi a pris son (sic!) résolution sur le traitte de paix, et qu’il sera signe ce soir envoyé à Utrecht dem ce que je crois est du à sa soin.“ (Streichungen im Original) Lexington an Orry, o.O., 5.7.1713 (Entwurf ), BL Add. Ms. 46543 B, f. 77. 438 „Comme ministre d’Angleterre je vous supplie, Madame, d’en faire ressouvenir Sa Majesté, […].“ Lexington an Ursins, o.O., 2.9.1713 (Entwurf ), BL Add. Ms. 46543 B, f. 114. Dem Entwurf für diesen Brief folgte einer, in dem der Dank für eine von der Princesse zugestandenen, nicht weiter präzisierte grâce formuliert wird: Lexington an Ursins, o.O., 2.9.1713 (Entwurf ), BL Add. Ms. 46543 B, f. 116. 439 Henry St. John, Viscount of Bolingbroke (* 1678, † 1751): 1704 secretary of war und secretary of foreign affairs von England; 1712 peer; er war maßgeblich an den Verhandlungen des Friedens von Utrecht beteiligt. 440 In den Verhandlungen von Utrecht fungiert er außerdem als ihr Agent: Er unterrichtete sie über seine Bemühungen für ihre Sache und erläuterte die auftretenden Schwierigkeiten, vgl. bspw.: Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 2.8.1713, Bolingbroke (Parke), 221–226. Vgl. hierzu Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.). 441 So bat er sie bspw. einmal, da das „alte System“ nicht mehr gültig sei, darüber nachzudenken und andere zum Nachdenken zu bringen: Bolingbroke an Ursins, Château de Windsor, 16.9.1713, Bolingbroke (Parke), 280.
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Umfangreiche Korrespondenzen führte die Princesse auch mit verschiedenen Kardinälen in Rom. In ihrem Briefwechsel mit Kardinal Gualterio442 ging es in erster Linie um die Angelegenheiten der europäischen Höfe (affaires de cours européennes), und zwar auch um vertrauliche Informationen, die chiffriert werden mussten oder für deren Überbringung Vertrauenspersonen eingesetzt wurden. Die Akribie, mit der die Ereignisse am Hof und „was über den anderen Hof am eigenen Hof gesprochen wird“, in den Briefen dargestellt werden, verweist auf ihre Bedeutung443. Die beiden Korrespondenten schienen sich „auf Augenhöhe“ zu begegnen und inszenierten ihren Briefwechsel als Informationsaustausch nach dem Prinzip des do ut des444. Mit den „gemeinsamen Bekannten“, auf die sie immer wieder verwiesen, waren andere Kardinäle sowie Staatssekretär Torcy gemeint445. In den Briefen wurde auch Patronage geleistet446. Die Princesse inszenierte sich dabei als Vermittlerin für Gualterio am spanischen Hof447. Über sie lief auch die Korrespondenz zwischen dem Kardinal und Königin Maria Luisa, deren Briefe die camarera mayor durch eigene Kommentare ergänzte448. Flankiert wurden Gualterios Anliegen durch seinen Agenten in Madrid, der ihm immer wieder von Versuchen berichtete, eine Audienz bei der Princesse zu erhalten. Ob der Plan, Gualterio zum Nun442 Die Briefe der Princesse an den Kardinal finden sich in BL Add. Ms. 20532 (1703– 1717), die Entwürfe des Kardinals in BL Add. Ms. 20534 (1708–1719). 443 So teilt der Kardinal etwa mit, dass in Rom verbreitet würde, dass der spanische König mit dem Kaiser über Frieden verhandle und dass die Trennung der beiden Kronen, „an deren union die Princesse so lange gearbeitet habe“, bevor stünde: Kardinal Gualterio an Ursins, Rom, 6.2.1717, BL Add. Ms. 20534, f. 8–9. 444 Dass die Korrespondenz als gegenseitige Information inzeniert wurde, lässt sich deutlich aus den Anfangszeilen eines Briefes erkennen: „Quoique je n’ai rien à pouvoir représenter à V[otre] Altesse de cette cour qui mérite sa connaissance, tout y étant perdu à l’ordinaire parmi les divertissements du carneval, je ne laisserai pas néamoins de me donner l’honneur de lui écrire cette lettre pour l’assurer en premier lieu de mes respects les très humbles, et pour lui parler ensuite de nos affaires de France et de quelque chose qui regarde l’Espagne.“ Kardinal Gualterio an Ursins, Rom, 6.2.1717, BL Add. Ms. 20534, f. 8. 445 Bspw.: Ursins an Kardinal Gualterio, Madrid, 17.8.1710, BL Add. Ms. 20532, f. 80– 81. 446 Ein Beispiel für Patronage: Der Chevalier du Bourk habe ihr von Gualterios Wunsch eines Titel (Minister oder Graf ) für seinen Bruder im Königreich Sizilien geschrieben; sie habe sofort und erfolgreich mit Philipp V. gesprochen: Ursins an Kardinal Gualterio, Buen Retiro, 29.8.1712, BL Add. Ms. 20532, f. 119. 447 Etwa wenn sie betont, was sie für die „Personen, die die Ehre haben, zu ihnen zu gehören“ (les personnes qui ont l’honneur de vous appartenir) getan habe: Ursins an Kardinal Gualterio, Madrid, 16.4.1707, BL Add. Ms. 20532, f. 26–27. 448 Ursins an Kardinal Gualterio, Madrid, 4.2.1708, BL Add. Ms. 20532, f. 40–43.
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tius in Madrid zu machen, gelänge, machte dieser Agent von der camarera mayor abhängig449. Dass der Einfluss der Princesse des Ursins auf die Besetzungen der Kardinalsämter auch nach ihrer Zeit in Rom noch anhielt, zeigt das Beispiel ihrer erfolgreichen Patronage für ihren Bruder450. In den Beziehungen zwischen Madrid und Rom hatte die Princesse eine Schlüsselposition inne, die vermutlich eine Folge der langen Zeit war, die sie in Rom als Agentin des französischen Königs verbracht hatte. Der Blick auf die „interhöfischen“ Verbindungen hat gezeigt, dass die beiden Frauen Korrespondenzen mit verschiedenen europäischen Höfen unterhielten. Dabei war es erneut ihre Position in der Nähe der Herrscher, aus der sich die Exklusivität der Inhalte, ihre Rolle als Vermittlerinnen und die Wirkungsmacht ihrer Patronage ergaben – drei Aspekte, die für ihre Briefpartner diesen Austausch attraktiv machten. Die Briefe der beiden Frauen waren offensichtlich zum Teil parallel zu den ministeriellen Korrespondenzen in den französisch-spanischen Beziehungen vorgesehen und wurden im Allgemeinen im gleichen paquet wie die der Minister zugestellt. Unter sie fällt auch der Briefwechsel zwischen den beiden Frauen. Der Frage nach den Synergien und Konflikten dieser „parallelen Diplomatie“ ist weiter nachzugehen. Abschließend sei noch auf eine Auffälligkeit hingewiesen: Abgesehen von den Herrschern bezeichneten die Frauen alle ihre Briefpartner und Briefpartnerinnen als ami(e)s: Die Maréchale de Noailles, der Maréchal de Villeroy oder der Duc de Noailles waren ebenso „Freunde“, wie die Minister Chamillart und
449 Es handelt sich um den Chevalier du Bourk. Im chiffrierter Teil des Briefes schreibt er über diese Verhandlungen: „Si la Princesse des Ursins le souhaite nous réussirons.“ Du Bourk an Gualterio, Madrid, 17.7.1704, BL Add. Ms. 20307, f. 15. Nicht chiffriert: „Madame la Princesse des Ursins est toujours votre bonne ange, je sais qu’elle vous rend à la cour de France tous les bons offices qui dépendent d’elle, et qu’après M. le Cardinal de la Trémoille elle s’intéresse plus pour V[otre] É[minence] que pour aucune autre.“ Du Bourk an Gualterio, Madrid, 14.7.1710, BL Add. Ms. 20307, f. 30. 450 Joseph-Emmanuel de La Trémoille (* 1659, † 1720): 1702–1706 französischer Botschafter in Neapel, 1706 französischer Minister an der Kurie und Weihung zum Kardinal, 1716 Bischof von Bayeux, 1718 Erzbischof von Cambrai. Zahlreiche seiner Ämter verdankte er der Patronage seiner Schwester. Zu ihrer Patronage siehe auch Torcy an Gualterio, BL Add. Ms. 20319 und Maintenon an Ursins, Versailles, 17.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 99. Dass zwischen Bruder und Schwester ebenfalls ein Briefwechsel bestand, ist zu schließen aus: Ursins an Gualterio, Madrid, 10.4.1713, BL Add. Ms. 20532, f. 126.
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Pontchartrain. Dabei wurden üblicherweise auch Verwandte als Freunde bezeichnet – beispielsweise im Fall des Hauses Noailles oder Trémoille451. Die beiden Frauen schrieben ihren Briefpartnern nicht etwa in ihrer Eigenschaft als Staatssekretär, Kardinal oder institutrice, sondern als Freund bzw. Freundin. Auch die betreffenden Amtsträger führten diese Briefwechsel nicht in ihrer Rolle als ministre, sondern als ami. Man schrieb sich nicht, „weil man musste“ (im Sinne einer Amtspflicht), man schrieb sich vielmehr, „weil man befreundet war“. Freundschaft ist hier nicht als emotionale Beziehung zu verstehen, sondern als eine Bindung, die bestimmten gesellschaftlichen Regeln gehorchte, aber von einer amtlichen verschieden war. Die Stilisierung zu einer Korrespondenz entre ami(e)s spielt – wie wir noch sehen werden – auch in der Beziehung der beiden Frauen zueinander eine wichtige Rolle. Diese Überlegung soll ein letztes Beispiel veranschaulichen: Im Jahr 1714 sorgte sich die Princesse, dass Torcy „nicht mehr ihr Freund sei“, da sie schon lange keine Briefe mehr von ihm erhalten habe. Eine Erneuerung ihrer engen Verbindung sei jedoch gut für den Dienst des französischen Königs und des spanische Königspaars452. Die Princesse verknüpft hier ihre „Freundschaft“ zu Torcy eng mit ihrer politischen Tätigkeit, im Sinne eines Dienstes an den beiden Herrscherhäusern. Möglicherweise hatte diese Inszenierung zugleich einen legitimatorischen Aspekt: Als Frau mischte sie sich – so dargestellt – nicht 451 Daher konnte die Princesse über die Verwandten der Marquise sagen, dass sie keine besseren Freunde als diese habe: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 6.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 262. Dass in der Vormoderne die Kategorien Verwandtschaft, Freundschaft und Bekanntschaft nicht scharf voneinander getrennt werden können, und die Begriffe Freundschaft und Verwandtschaft als soziale Konstruktionen zum Teil synonym gebraucht wurden, haben bereits andere Studien gezeigt. Siehe hierzu grundlegend Teuscher, Simon, Bekannte, Klienten, Verwandte: Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500, Köln u.a. 1998; Reinhard, Freunde; spezifisch für das weibliche Geschlecht jüngst auch Bastl, Beatrix, Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien 2000, 38 f.; dies., „Ins herz khan man kein sehen“. Weibliche Kommunikations- und Beziehungskulturen innerhalb der adligen familia der Frühen Neuzeit, in: Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Kommunikation, hrsg. v. Eva Labouvie, Köln u.a. 2009, 305–320, hier 305. 452 Vgl.: „Il y a longtemps, M., que je n’ai reçu de lettre de vous dont j’aie été plus contente que de votre dernière du 18. juin, parce que j’y ai trouvé ce me semble les mêmes sentiments de confiance dont vous m’aviez honorée autrefois, quelque sujet que j’aie cru avoir en plusieurs rencontres de craindre que vous ne fussiez plus autant de mes amis que vous l’étiez. […] je vous assure que je suis fort sensible à ce que vous me mandez à cet égard d’autant plus que renouvelant une liaison plus étroite entre nous, je suis persuadée que cela ne peut être que bon pour le service du Roi et celui de S[a] M[ajesté] C[atholiqu]e.“ Ursins an Torcy, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 248–249.
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in die Angelegenheiten der Minister, sondern korrespondierte in höfischer Manier mit einem Freund. Auf diese Frage wird noch zurückzukommen sein. 2.2.6. Fazit Der Blick auf die Korrespondenzen der beiden Frauen – ausgehend von ihrem engsten höfischen Umfeld bis hin zu ihren Briefpartnern an den anderen europäischen Höfen – zeigt zunächst, dass beide mittels ihrer Korrespondenzen ihre hof-, landes- und europaweiten Netzwerke pflegten. Ihre Briefpartner stammten sämtlich aus dem Adel, teils aus der noblesse d’épée, teils aus der noblesse de robe. Es waren Männer wie Frauen, höfische Amtsträger genauso wie solche aus der Verwaltung und die Herrscher selbst. Familiär-dynastische, ministerielle und freundschaftliche Netzwerke griffen hier ineinander. Die Korrespondenzen unterscheiden sich untereinander vor allem hinsichtlich ihrer Intensität, die sich aus der Länge der Briefe und der Frequenz des Austauschs ergibt. Sie reichen vom knappen billet bis hin zum seitenlangen Brief mit Erörterungen aktueller politischer Probleme. Mit manchen Korrespondenten unterhielten die Frauen einen regelmäßigen commerce, anderen schrieben sie nur zu bestimmten Gelegenheiten. Die Vertrautheit mit dem Empfänger bestimmte den Grad an Formalität. So gut wie keinen Einfluss hatte offensichtlich das Geschlecht der Adressaten: Weder kann festgestellt werden, dass die Korrespondenznetzwerke vornehmlich weiblich oder männlich waren – bei der Princesse des Ursins waren es mehr Männer, bei Madame de Maintenon etwas mehr Frauen. Ebenso wenig beeinflusste der Faktor Geschlecht den Inhalt der Briefe: Dass der Briefwechsel der Marquise mit Madame Brinon sich inhaltlich von dem mit dem Duc de Noailles unterschied, war dem Umstand geschuldet, dass Madame de Brinon Leiterin des Internats St. Cyr war. Wenn sie sich dagegen mit ihr über militärische Belange austauschte, so unterschied sich die Art und Weise, wie sie die Thematik mit ihr behandelt, nicht von der ihres Austauschs mit Offizieren oder Staatssekretären. Einige der beschriebenen Briefwechsel wurden kontinuierlich geführt, andere nur zu bestimmten Anlässen aufgenommen, so dass der Eindruck eines „virtuellen Netzwerkes“ entsteht, das unterhalten und bei Bedarf aktiviert wurde. „Unterhalten“ (entretenir) ist dabei in seinen beiden zeitgenössischen Bedeutungen zu verstehen453: zum einen im Sinne des höfischen Unterhaltens, 453 Vgl. unter den zahlreichen Bedeutungen: „ENTRETENIR, signifie aussi, conserver des habitudes, des liaisons pour négocier. Les princes entretiennent des ambassadeurs,
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des gepflegten Zeitvertreibs und zum anderen im Sinne des Unterhaltens eines Netzwerkes, wie es bereits Puget de la Serre als das Ziel von Korrespondenzen formulierte454. Briefe sind demnach – wie Kommunikation generell – immer zugleich Mitteilungen und Formen des persönlichen Umgangs455. Mit ihrer Hilfe wurden die „Räder der sozialen Beziehungen geölt“456. In den Korrespondenzen vermakelten die beiden Frauen die königliche Patronage in Form von Ämtern, Ehrentiteln und Informationen. In allen Briefwechseln finden sich Mitteilungen über das Befinden der Herrscher und der höfischen Elite, über gemeinsame Bekannte, über den eigenen Gesundheitszustand, über Ereignisse am Hof. Es wurden aber auch militärische Themen behandelt, ein Bereich, der von der Forschung üblicherweise als „männlich“ gesehen wird. Über diese Themen wurde ebenso wie über politische und persönliche Belange kontrovers diskutiert. Die in der Forschung häufig vertretene Ansicht, dass Madame de Maintenon lediglich eine Vermittlungsrolle zukam, kann leicht zurückgewiesen werden457. Dabei liegt insbesondere beim Briefwechsel der beiden Frauen mit jüngeren Militärs oder Botschaftern – explizit oder implizit – eine Situation der Beratung vor: explizit, wenn sie die Ansichten und Befehle der Herrscher weitergaben, implizit, wenn sie eigene Ratschläge formulierten, da auch diese nie ganz von der Meinung der Herrscher getrennt werden können. Abgesehen von diesen Hinweisen wurden sie von ihren Briefpartnern gebeten, mit ihrer Stimme einer Bitte Gewicht zu verleihen. Die beiden Frauen hatten Einblick in die Korrespondenzen der Herrscher und Minister und galten aufgrund ihrer Nähe zum Thron als besonders gute Auskunftsquelle. Sie können daher auch hinsichtlich des „schriftlichen Zugangs“ zum Herrscher als Scharnierstellen bezeichnet werden. Es ging dabei jedoch nicht um die Verbreitung von Nachrichten oder den Fluss von Indes pensionnaires, des espions dans les cours étrangères. Les banquiers entretiennent des correspondances par toutes les villes, […], signifie aussi, discourir avec une ou plusieurs personnes. Un homme est agréable & divertissant, qui sait bien entretenir une compagnie.“ Furetière, Dictionnaire, URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 4.9.2010, Hervorhebungen im Original]. 454 Vgl. Serre, Puget de la, Le secrétaire à la mode. Augmenté d’une instruction d’écrire des lettres, cy devant non imprimée [...], Rouen 1693, 34. 455 Vgl. Vellusig, Robert, Schriftliche Gespräche: Briefkultur im 18. Jahrhundert (Literatur und Leben, 54), Köln 2000, 22. 456 James Daybell zufolge waren es Briefwechsel, with which the wheels of social relations were oiled: Daybell, Women, 151. 457 So bspw. die Einschätzung von Baudrillart: „Elle a été surtout un intermédiaire discret et autorisé entre Louis XIV. et quelques personnages considérables, en France et en Espagne.“ Baudrillart, Maintenon, 161.
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formationen, sondern um gezielte Weitergabe von Information, ausgewählt und auf eine bestimmte Weise präsentiert458. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins beabsichtigten so, ihren Ruf als „Wissende“ und somit ihre Machtposition zu festigen. Ihre Briefpartner und die Herrscher verfügten über einen zusätzlichen Kanal, mit Hilfe dessen sie die anderen Kanäle kontrollieren konnten. Die Korrespondenzen der beiden Frauen können somit als „politisches Kapital“ bezeichnet werden. Wie sahen aber nun die Beziehungen zwischen den beiden Höfen, um die es hier in erster Linie gehen soll, konkret aus? Welche besonderen Umstände prägten hier den schriftlichen Austausch und von wem wurde er unterhalten? Zur Klärung dieser Fragen werden im Folgenden zunächst die Rahmenbedingungen dieser interhöfischen Verbindung dargestellt.
3. Die Beziehungen zwischen dem französischen und dem spanischen Hof 3.1. L’union des deux couronnes459: Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715 Die Verbindungen des französischen und des spanischen Hofs waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts von den schwierigen Umständen der spanischen Thronfolge geprägt. Das Spezifische dieser Beziehungen wird erst vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklungen verständlich. In diesen ersten beiden Jahrzehnten wurden die politischen Allianzen umgekehrt, Europa geographisch neu geordnet und der bislang vorherrschende Wettstreit um die Vormachtstellung einer Großmacht wich der Idee eines Gleichgewichts der 458 Zu dem Ergebnis, dass Frauen sich am Hof im „Zentrum des Informationstauschs“ befinden konnten und ihre Briefe „politische Informationen höchster Ebene“ beinhalteten, kommen auch Daybell und Couchman: „In fact, women at court were at the very centre of where news was exchanged.“ Daybell, Women, 152. Vgl. zur Thematik des Austauschs von Nachrichten mittels Briefe adliger Frauen, 152–157; und: „These affective lettres often involve political actions at the highest national and international levels.“ Couchman, Jane, Give birth quickly and then send us your good husband: Informal Political Influence in the Letters of Louise de Coligny, in: Women’s Letters across Europe. 1400–1700. Form and Persuasion, hrsg. v. ders., Aldershot 2005, 163–184, hier 184. 459 Dieser Ausdruck findet sich häufig in den Korrespondenzen, bspw.: Ludwig XIV. an Blécourt, o.O., Sept. 1709, MAE CP Espagne 193, f. 9; oder: Philippe V. an Maintenon, Madrid, 10.4.1713, MAE M&D 106, f. 28.
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Die Beziehungen zwischen dem französischem und dem spanischen Hof
Mächte460. Neben der Kriegslage in Europa werden im Folgenden auch die Transformationen innerhalb der spanischen Monarchie461 überblicksartig dargestellt, und vor ihrem Hintergrund sodann die Beziehungen zwischen Versailles und Madrid in den Blick genommen. Auf die Frühe Neuzeit ist die Idee von Staaten als abstrakte Machtblöcke nicht übertragbar. Die Quellenbegriffe France und Espagne verweisen nicht auf ein Staatswesen im modernen Sinne, sondern auf ein Herrschaftskonglomerat unter einem Souverän, von dessen Person sie nicht zu trennen waren462. Die Beziehungen zwischen den Mächten waren in der Regel persönlichdynastische Verbindungen zwischen Herrscherhäusern, das heißt Familienbeziehungen. Für die europäische „Fürstengesellschaft“ (société des Princes)463 stellten Hochzeiten Schlüsselmomente dar, und Krisen waren häufig durch problematische Nachfolgesituationen bedingt464. Dies trifft auch in dem hier untersuchten Zeitraum zu.
460 Vgl. Duchhardt, Heinz, Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, 4), Paderborn u.a. 1997. Zu den europäischen Entwicklungen siehe allgemein Schilling, Heinz, Die neue Zeit: vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. 1250 bis 1750 (Siedler Geschichte Europas), Berlin 1999; Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung Beiheft, 11), Berlin 1991; Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, hrsg. v. Ronald G. Asch, München 2001; Bourbon - Habsburg - Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, hrsg. v. Christoph Kampann, Köln 2008; Bély, Lucien, Les Relations Internationales. XVIIe-XVIIIe siècles, Paris 1992; Ders., L’art de la paix, Paris 2007; Duindam, Vienna; Burkhardt, Johannes, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegende Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für historische Forschung 4 (1997), 509–574. Zu den Beziehungen zwischen Frankreich und Spanien im Besonderen: Legrelle, Arsène, La diplomatie française et la Succession d’Espagne, 6 Bde., Braine-le-Comte 1892–95; Ochoa Brun, Miguel-Angel, Historia de la diplomacia española (Biblioteca diplomática española. Sección Estudios, 6), Madrid 2000; Bérenger, Jean, La France dans le monde au XVIIIème siècle, Paris 1993; Rowlands, Guy, The Dynastic State and the Army under Louis XIV. Royal Service and Private Interest, 1661 to 1701, Cambridge 2002. 461 Zu diesem Transformationsprozess von der monarquía Hispánica zum estado Español siehe Ares, Bernardo, La monarquía hispánica, in: Felipe V, hrsg. v. Pereia Iglesias, 503–518. 462 Vgl. von Thiessen, Patronage, 367. 463 Der Begriff der société des princes wurde von Lucien Bély geprägt: Bély, La société. 464 Vgl. Bély, L’art, 8 f.
Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715
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Im Jahr 1700 verstarb der spanische König Karl II. kinderlos. Das Bestreben des letzten Habsburgerkönigs war es, die Integrität der spanischen Monarchie zu erhalten465. Dieser Konfliktstoff war in Europa schon lange präsent gewesen: Seit den frühen 1660er Jahren wurde der Tag erwartet, an dem das mit Abstand größte Kolonialreich der Epoche zur Disposition stehen würde466 – ein Weltreich, dessen politischer und wirtschaftlicher Niedergang im 17. Jahrhundert sich in dem Begriff der decadencia als Gemeinplatz der zeitgenössischen und historiographischen Beschreibungen wiederfindet467. In seinem Testament hatte Karl II. die Herrschaft dem Bourbonen Philipp von Anjou, Enkel Ludwigs XIV. und Sohn des eigentlichen, 1683 verstorbenen Thronfolgers Ludwig, des Grand Dauphin, übertragen. Parallel dazu erhob aber auch der Enkel des spanischen Königs Philipp IV., der Erzherzog Karl468 als Kandidat des habsburgischen Österreichs Anspruch auf den spanischen Thron469. Diese konkurrierenden Ansprüche wurden im so genannten Spanischen Erbfolgekrieg militärisch ausgefochten470. 465 Zur Verhandlung dieses Testaments siehe Vidal, Josep Juan, La Guerra de Sucesión a la Corona de España. España dividida, in: Felipe V de Borbón. 1701–1746: actas del Congreso de San Fernando (Cádiz), de 27 de noviembre a 1 de diciembre de 2000, hrsg. v. Pereira Iglesias, José Luis, Córdoba 2002, 521–580, hier 521–524. 466 Duchhardt, Balance, 166 f. Zu Entstehung und den Voraussetzungen dieser prekären Situation siehe Maquart, Marie-Françoise, L’Espagne de Charles II et la France 1665–1700, Toulouse 2000; dies., Le réseau français à la cour de Charles II d’Espagne. Jeux diplomatiques de fin de règne. 1696–1700, 2 Bde. (Univ. Diss.), Lille [2003]. 467 Vgl. Kamen, Spain, 13; Duchhardt, Balance, 166. Differenzierter: Kamen, Henry A. F., The Decline of Spain: a Historical Myth?, in: Past and Present 81 (1978), 24–50. Zur Revision dieses Paradigmas jüngst: Storrs, Christopher, The resilience of the Spanish Monarchy. 1665–1700, Oxford 2006. 468 Franz Joseph Wenzel Balthasar Johann Anton Ignaz, Erzherzog Karl (* 1685, † 1740): Er sollte als zweiter Sohn des Kaiser Leopold I. das spanische Erbe der Habsburger antreten, während sein Bruder, Joseph I., die deutsch-römische Kaiserkrone erben sollte. Als Karl III. war er designierter spanischer König; nach dem Tod seines Bruders 1711 wurde er zum Kaiser Karl VI.; außerdem als Karl III. König von Ungarn und Kroatien, als Karl II. König von Böhmen; nach dem Frieden von Utrecht von 1713 bis 1720 als Karl III. auch König von Sardinien. 469 Zur Begründung seines Anspruches auf die Thronfolge und zum dritten Kandidaten Joseph Ferdinand von Bayern, Sohn des Kurfürsten von Bayern Max Emmanuel und Urenkel Philipps IV., siehe bspw.: La transición del siglo XVII al XVIII. Entre la decadencia y la reconstrucción, hrsg. v. Pere Molas Ribalta (Historia de España Menéndez Pidal, 28), 303–305. 470 Zum Spanischen Erbfolgekrieg siehe insbesondere Kamen, War of Succession; León Sanz, Austrias y Borbones; Lynch, Spain; The War of the Spanish Succession. 1702– 1713. A selected Bibliography, hrsg. v. W. Calvin Dickinson / Eloise R. Hitchcock, Westport 1996 (Bibliographies of Battles and Leaders, 16); Potter, David, The Bour-
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Die Beziehungen zwischen dem französischem und dem spanischen Hof
La jalousie de l’Europe471: die Interessen der europäischen Mächte Der Spanische Erbfolgekrieg wurde in erster Linie durch den Konflikt zwischen den Häusern der Bourbonen und der Habsburger angefacht. Die dynastische Frage diente dabei auch als „Vorwand“ für die machtpolitischen und kolonialen Interessen der europäischen Mächte472. Dass es um die Vorherrschaft auf See und den Dreieckshandel mit den amerikanischen Kolonien ging473, bestätigt der Blick in die Quellen: „Das wichtigste Ziel des aktuellen Krieges ist der Handel mit der Neuen Welt und die Reichtümer, die von dort kommen“474, schrieb Ludwig XIV. im Jahr 1709 an seinen Botschafter in Madrid. Auf der Ebene der europäischen Politik ging es um die Frage, ob sich eine bourbonische Suprematie etablieren, oder ein Gleichgewicht der Mächte durchsetzen würde – eine Frage, die naturgemäß Lager bildete: „hier Frankreich, dort der Rest Europas“475. Die Möglichkeit, dass sich die französische und die spanische Monarchie zu einer „bourbonischen Universalmonarchie“476 vereinen könnten, stand den europäischen Mächten drohend vor Augen. Verschiedene Teilungsverträge hatten für diesen Fall daher schon seit 1668 eine Aufteilung des spanischen Erbes vorgesehen477. Am 16. November 1700 traf die Nachricht des Todes Karls II. in Versailles ein. Noch am selben Tag berief Ludwig XIV. seinen engsten Beraterkreis im conseil d’en haut ein. In zwei aufeinanderfolgenden und insgesamt elf Stunden dauernden Sitzungen wurde schließlich die Entscheidung getroffen, das Testament bons: History of a Dynasty, London 2007; und jüngst: Smid, Stefan, Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines vergessenen Weltkriegs (1701–1714), Köln 2011. 471 Die Eifersucht der europäischen Mächte diente häufig als Argument. Bspw.: Instruction du Roi au Sieur Comte de Marsin, lieutenant général de ses armées, allant à Madrid ambassadeur de Sa Majesté, o.O., 7.7.1701, RDI Espagne II, 4–54, 24. 472 Vgl. Vidal, La Guerra de Sucesión, 526 f. 473 Vgl. León Sanz, Austrias y Borbones, 13. 474 „[…] le principal objet de la guerre présente est celui du commerce des Indes [hier: „Indes occidentales“, Bezeichnung für die amerikanischen Kolonien, A.d.V.] et des richesses qu’elles produisent.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 18.2.1709, Amelot (Girardot), 121. 475 So formuliert zugespitzt Duchhardt, Balance, 7. 476 Zum Konzept der Universalmonarchie vgl. Bosbach, Frank, Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff in der frühen Neuzeit (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 32), Göttingen 1988. 477 Vgl. León Sanz, Austrias y Borbones, 11. Zu den Teilungsverträgen siehe Roosen, William J., The Origins of the War of the Spanish Succession, in: The Origins of War in Early Modern Europe, hrsg. v. Jeremy Black, Edingburgh 1987, 151–175.
Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715
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zu akzeptieren478. Neben dem freien Zugang zum spanischen Kolonialreich für die französische Außenwirtschaft spielte sicherlich auch dynastisches Prestige eine Rolle. Mit der Akzeptanz des Testaments verstieß der französische König allerdings gegen die zuvor ausgehandelten Teilungsverträge. Dies bedeutete Krieg zwischen den französischen und spanischen Bourbonen einerseits und einer sich formierenden europäischen Allianz andererseits. Diese „Große Haager Allianz“ umfasste zunächst England, die Generalstaaten, Dänemark, fast alle Reichsstände sowie Österreich479. Der Koalition um Ludwig XIV. und Philipp V. gehörten zu Beginn auch Peter II. von Portugal480, Viktor Amadeus II., Herzog von Savoyen481 sowie Joseph Clemens von Bayern, Kurfürst von Köln482, an. Die Kriegschauplätze waren zunächst Italien, Savoyen, das Rheinland und Flandern; nach dem Seitenwechsel des portugiesischen Königs im Jahr 1703 und dem Fall Barcelonas im Jahr 1705 breitete sich der Krieg auf die iberische Halbinsel aus. Parallel fand ein von England dominierter Krieg zur See statt. Un changement général483: ein Neuanfang in Madrid? (1700–1702) Am 18. Februar 1701 zog Philipp von Anjou als König Philipp V. feierlich in Madrid ein. Abgesehen von der Bedrängnis des Krieges stand der siebzehnjährige spanische König vor der Herausforderung, sich gegen die habsburgfreundlichen Faktionen am Hof durchzusetzen und sich den Rückhalt seiner spanischen Untertanen zu sichern. Die Probleme seiner Regierungszeit müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass hier zwei unterschiedliche sozio-politische Systeme484 aufeinander trafen. Darüber hinaus 478 Siehe ausführlich Saule, Béatrix, La journée de Louis XIV. 16 novembre 1700, Paris 2001. 479 Vgl. Lynch, Spain, 22. 480 Peter II. von Portugal (* 1648, † 1706): genannt „der Friedfertige“. 481 Viktor Amadeus II., Herzog von Savoyen (* 1666, † 1732): seine Tochter Maria Luisa von Savoyen hatte Philipp V. im Gegenzug ohne Mitgift geheiratet. 482 Joseph Clemens von Bayern (* 1671, † 1723): 1688–1723 Kurfürst von Köln. 483 „Enfin, il serait à souhaiter qu’on pût faire un changement général dans tous les différents états de la monarchie.“ RDI Espagne II (Marsin), 8. 484 Zu den sozio-politischen Systemen siehe die Bibliographie in: Monarchies espagnole et française. 1550–1714, hrsg. v. Fanny Cosandey / Isabelle Poutrin, Neuilly 2001, und den Forschungsüberblick bei Désos, L’ entourage, 2–5 und 16–19. Zum Kulturtransfer siehe: Sabatier, Gérard / Torrione, Margarita (Hrsg.), Louis XIV espagnol? Madrid et Versailles, images et modèles (Akten des Kolloquiums, Versailles, 21.–23.10.2004), Paris 2009; Schaub, Jean-Frédéric, La France espagnole. Les racines hispaniques de l’absolutisme français, Paris 2003.
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waren die vergangenen zwei Jahrhunderte durch einen kontinuierlichen französisch-spanischen Antagonismus und mehrere langjährige Kriege zwischen den Monarchien gekennzeichnet. Die Bilder des jeweiligen Anderen waren durch Stereotype wie der leyenda negra und der tyrannie française geprägt485. Angesichts dieses Szenarios schien der junge spanische König – finanziell, militärisch und politisch – der Unterstützung seines Großvaters Ludwigs XIV. zu bedürfen. In seinen Instruktionen betonte der französische König jedoch zugleich, dass es wichtig sei, „die Spanier sich selbst regieren zu lassen“486. Die Darstellungen in den Quellen betonen, dass die entourage français keinen politischen Einfluss nehmen würde. In erster Linie sollte auf diese Weise die Provokation der übrigen europäischen Mächte verhindert werden. Man wollte aber auch den Eindruck vermitteln, die Macht des spanischen Hochadels, der grandes487, die die Regierungsgeschäfte nahezu vollständig kontrollierten488, nicht antasten zu wollen. Die Popularität Philipps V. sollte nicht gefährdet werden, denn die Mehrheit der politischen Akteure am spanischen Hof setzte große Hoffnungen489 in den jungen Bourbonen, der mit Begeisterung empfangen worden war490. Die Präsenz einflussreicher französischer Akteure, der Inhalt ihrer Instruktionen wie auch die gesetzten Symbole zeichnen jedoch ein anderes Bild: Ludwig XIV. würde die Interessen der spanischen Krone von nun an als seine 485 Vgl. Désos, L’ entourage, 24 f. und 38; zur Konstruktion der Stereotypen 53–67. 486 Bspw.: „Elle [Sa Majesté, A.d.V.] avait résolu de laisser aux Espagnols le soin entier de leur gouvernement.“ RDI Espagne II (Marsin), 6; oder: „Elle veut que celui [Marsin, A.d.V.] excite le Roi Catholique à gouverner par lui-même, à s’informer de tout ce qui se passe.“ (10). Hier klingt der Topos der „Alleinherrschaft“ an. 487 Der kastilische Hochadel kannte zwei Stufen: Karl V. distinguierte 25 Adelige mit dem Titel Grande de España, deren Hauptprivileg es war, vom König als cousin angesprochen zu werden und in seiner Präsenz die Kopfbedeckung aufbehalten zu dürfen. Unter ihnen standen die títulos (Duques, Marqueses, Condes). Die Anzahl beider stieg im Laufe des 17. Jahrhunderts beträchtlich an. Vgl. Kamen, Spain, 227. 488 Kamen, Spain, 226. 489 Zur Krise um 1700 siehe Fernández Armesto, Felipe, Visiones del fin del siglo XVII en España, in: Visiones de fin de siglo, hrsg. v. Raymond Carr u. a., Madrid 1999, 65–92; García Cárcel, Ricardo / Alabrús Iglesias, Rosa María (Hrsg.), España en 1700. Austrias o Borbones? (Los Borbones, 1), Madrid 2001, bspw. 7. 490 Désos, L’entourage, 67. Die Beschreibung der positiven Reaktionen auf die Annahme des Testaments findet sich zahlreich in den Korrespondenzen, siehe die Beispiele bei Désos, 73, Anm. 236. Sowohl die Korrespondenzen als auch literarische Darstellungen beschreiben die Begeisterung, mit der Philipp V. bei seiner Reise nach Madrid und seiner Ankunft am 18.2.1701 empfangen wurde. Siehe bspw.: San Felipe, Comentarios, 20.
Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715
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eigenen betrachten, heißt es in den Instruktionen des Botschafters491. Eine der wichtigsten Anweisungen für die französischen Akteure in Madrid war es, die guten Beziehungen zwischen dem französischen und dem spanischen Hof zu fördern. Auch auf der Ebene der Heraldik, der Kleidung und der Etikette war das Programm der union des deux couronnes unmissverständlich492. Es wurde vermittelt, dass ein noch sehr junger und unerfahrener König anfangs der Führung und guter „Ratschläge“493 bedürfe. Die Historiographie hat Philipp V. eine schwache und leicht zu beeinflussende Persönlichkeit attestiert494. Häufig ist er auch als geistig umnachtet und daher zur Regierung unfähig beschrieben worden, ein Bild, das in jüngerer Zeit allerdings kritisiert worden ist495. In jedem Fall war er als Zweitgeborener nicht auf die Regierungsgeschäfte vorbereitet worden und darüber hinaus der spanischen Sprache nicht mächtig. Genau wie in den Anweisungen für die Princesse des Ursins war die gegenseitige confiance zentral496. Der Begriff der confiance erweist sich auch in den Korrespondenzen als Schlüsselkategorie für die Einschätzung für Erfolg und Misserfolg der in Außenbeziehungen tätigen Akteure. Gemeinsam ist diesen Dokumenten eine zweifache Argumentation, die sich aus dem beschriebenen Dilemma ergibt: Einerseits sollte der Einfluss der 491 Vgl. RDI Espagne II (Marsin), 4 f. 492 Siehe Désos, L’entourage, 79–85. Die Übernahme der französischen Mode, die hauptsächlich von der Princesse des Ursins forciert wurde, wurde zu einer politischen Angelegenheit, das Tragen spanischer Kleidungselemente (tontillo bei den Frauen und golille bei den Männern) zu einem Symbol für den Widerstand gegen französische Einflussnahme. Vgl. Désos, 194–201. 493 Gemeint sind die Ratschläge Ludwigs XIV., die wiederum durch seine Botschafter ausgeführt werden sollten. Vgl. RDI Espagne II (Marsin), 6 und 26. 494 Vgl. Castellano, El gobierno, 134. Die Beschreibung bei Baudrillart, Philipp V, 43 und 49–51, diente vielen Historikern als Vorlage. Eine (allerdings unkritische) Zusammenfassung der zeitgenössischen Portraits Philipps V. findet sich bei Désos, L’entourage, 85–90. 495 Labourdette spricht diesbezüglich von einer leyenda negra, geht aber davon aus, dass der König melancholisch war und unter Depressionen litt, vgl. Labourdette, Jean-François, Philippe V., réformateur de l’Espagne, Paris 2001, 439. 496 Siehe bspw. Beauvilliers an Louville, MAE AE 2, 32 f. Philipp V. solle Vertrauen in den Duc d’Harcourt haben: Instruktionen Ludwigs XIV. an Philipp V., 3.12.1700, zitiert nach Noailles II (Petitot et Monmerqué), 5. Auch der Botschafter Marsin solle ihm ein homme de confiance sein: RDI Espagne II (Marsin), 5 und 25. Gramont wird angewiesen, das Vertrauen des jungen Königs zu erwerben: Mémoire pour servir d’instruction au Sieur Duc de Gramont, pair de France, chevalier des ordres du Roi, gouverneur et son lieutenant général en son royaume de Navarre et province de Béarn, allant en Espagne en qualité d’ambassadeur extraordinaire de Sa Majesté auprès du Roi Catholique, o.O., 27.4.1704, RDI Espagne II (Gramont), 92–132, 114.
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Franzosen gering gehalten werden, damit der spanische Hofadel nicht verärgert würde497, andererseits wurde die politische Einflussnahme konkret angewiesen. Schon die königlichen Instruktionen an den Comte de Marsin lassen keinen Zweifel daran, dass Kontrolle und Führung der affaires in Madrid Programm war498. Ein zu erwirkender „genereller Wechsel“499 auf allen Ebenen der Regierung und seine konkrete Umsetzung werden dort detailliert beschrieben. So sollte der Botschafter auch die personellen Entscheidungen am spanischen Hof treffen, damit der junge König nicht von den habsburgfreundlichen Adeligen beeinflusst würde500. Von Versailles aus betonte man, dass die französischen Akteure vor Ort eine Art „Rundumbetreuung“ des jungen Königspaars leisten sollten501. Dabei war ein diskretes Vorgehen oberste Maxime. Etwa 50 Personen – vom Beichtvater über den Leibarzt bis hin zum Barbier – siedelten mit ihren Familien nach Madrid über und bildeten dort einen französischen Mikrokosmos, die maison française502. Einige unter ihnen können als Vertrauenspersonen des spanischen Königpaars bezeichnet werden und sollen daher im Folgenden kurz vorgestellt werden. L’entourage français du Roi: Die französischen Akteure in Madrid Zunächst ist hier der französische Botschafter zu nennen, dessen Position in vieler Hinsicht ungewöhnlich war. Hinsichtlich seines Zugangs zum König war er gegenüber den Botschaftern der anderen Mächte klar privilegiert: Er 497 Zum Problem der jalousie des Espagnol(e)s siehe bspw.: Ursins an Torcy, Barcelona, 19.11.1701, MAE M&D 105, f. 167; Ursins an Torcy, Barcelona, 28.11.1701, MAE M&D 105, f. 203; Ursins an Torcy, Barcelona, 25.2.1702, MAE M&D 106, f. 221; RDI Espagne II (Marsin), 11 und 64; die Anweisungen an Louville, bspw. Beauvilliers an Louville, o.O., 1701, MAE AE 02, f. 161–162. 498 Vgl. RDI Espagne II (Marsin), 6. 499 Un changement général dans tous les différents états de la monarchie: RDI Espagne II (Marsin), 8. 500 Siehe RDI Espagne II (Marsin), 27–44. 501 Vgl. Ludwig XIV. an Harcourt, o.O., 14.1.1700, Hippeau, Correspondance II, 429. Ähnlich auch an Marsin: RDI Espagne II (Marsin), 17. 502 Vgl. Désos, L’ entourage, 85 und 90. Fast alle erhielten allerdings ihre passeports lediglich für drei bis fünf Monate (94). Die Autorin leistet eine vollständige prosopographische Analyse der französischen entourage Philipps V. und macht für den Zeitraum von 1700 bis 1724 260 französische Akteure am spanischen Hof aus. Siehe auch allgemeiner Ozanam, Les étrangers. Siehe auch die liste des personnes destinées à suivre le Roi d’Espagne à Madrid, die vom Beichtvater über den Koch bis hin zum Barbier reicht. MAE CP Espagne 85, f. 547.
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logierte unweit der königlichen Gemächer und begleitete den jungen Monarchen auf all seinen Reisen. Als „Minister des Katholischen Königs“503, wie er von Ludwig XIV. bezeichnet wurde, sollte er auf Wunsch des Königs außerdem an den Sitzungen des despacho universal504 teilnehmen. Der despacho kann als eine Art Beratungsinstanz gesehen werden, die aus Vertrauenspersonen zusammengesetzt wurde und unabhängig vom System der übrigen Räte (consejos) fungierte. Unter der Leitung eines Sekretärs (secretario del despacho) diente er dem König als direkte Vermittlungsinstanz zu anderen Gremien und auswärtigen Akteuren und sollte dadurch die Effizienz der Entscheidungsprozesse erhöhen505. Um die Macht des derzeitigen secretario, Antonio Cristóbal de Ubilla y Medina506, nicht zu groß werden zu lassen, sollten dem despacho von Januar 1701 an außerdem der Präsident des Kastilienrats Juan Manuel Arias507, Kardinal Portocarrero und eben der französische Botschafter beiwohnen. Seine Teilnahme widersprach allerdings schon dem Grundsatz, nach dem ein auswärtiger Botschafter sich nicht in die „inneren Angelegenheiten“ seines Einsatzortes einmischen sollte508. Außerdem wurden die beiden zuvor gesetzten „Regeln“ gebrochen: die Eifersucht der spanischen Granden nicht zu wecken und die europäischen Mächte nicht zu provozieren. Doch die Prioritäten lagen anders: Der erste französische Botschafter unter Philipp V., der 503 RDI Espagne II (Marsin), 21. 504 Baillou, Les affaires, 210 f. Der Begriff despacho kommt vom okzitanischen despeechier (frz. dépêcher): (eine Angelegenheit) behandeln oder lösen. Die Anfänge des despacho universal können mit der Schaffung des secretario del despacho universal (1621), einer Art persönlichem Sekretär des Königs, unter Philipp IV. festgelegt werden. Dieser secretario wurde unter einem der beiden secretarios de estado, die für die Angelegenheiten Norte und Italia zuständig waren, ausgewählt und dann secretario en propriedad genannt. Vgl. Escudero, José Antonio, Los secretarios de Estado y del Despacho (1474–1724) (Publicaciones de la escuela nacional de administración pública), 4 Bde., Madrid 1969, Bd. I, 252, und Kamen, Spain, 28. 505 Vgl. Kamen, Spain, 25. 506 Antonio Cristóbal de Ubilla y Medina (†1726) war hintereinander Sekretär des consejo de Órdenes, des consejo de Aragón und des consejo de Indias; 1698–1705 secretario del despacho universal, secretario del consejo del rey und secretario de Estado; 1701 Marqués de Ribas; 1706 schloss er sich dem Erzherzog Karl an; kehrte 1707 zur Geburt des Prinzen von Asturien aus seinem Exil nach Madrid zurück. Siehe Bernardo Ares, La correspondencia, Biografías, 365 f. 507 Juan Manuel Arias (* um 1637, † 1717): 1699–1703 gobernador del consejo de Castilla; 1701 consejero de Estado; 1702 Erzbischof von Sevilla und 1713 Kardinal. Siehe Bernardo Ares, La correspondencia, Biografías, 333. 508 Bspw.: „L’ambassadeur ne se doit point mêler des affaires domestiques de l’État où il négocie.“ Wicquefort, L’Ambassadeur, II, 37.
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Duc d’Harcourt509, betonte gegenüber Ludwig XIV., „dass [Seine Majestät] eine Gelegenheit verpasse, die sich nicht so bald wiederfände“ und „dass sie niemals wieder eine so schöne Möglichkeit habe, ihre Autorität in Spanien aufrecht zu erhalten“510. Im März 1701 autorisierte Ludwig XIV. daher seinen Botschafter, dem despacho beizuwohnen, was von diesem Zeitpunkt an für alle seine Nachfolger gelten sollte, aber in jeder Instruktion einer erneuten Rechtfertigung bedurfte511. Die Präsenz des französischen Botschafters in diesem Gremium, in dem er bald die „essentielle Stimme“512 haben sollte, machte das Programm der französischen Einflussnahme vor aller Augen Madrids und Europas offensichtlich513. Obwohl sich der Duc d’Harcourt, eine politisch erfahrene Persönlichkeit, bemühte, seine Macht nicht allzu offensichtlich werden zu lassen514, wird sein Einfluss auf die politischen Geschäfte in den Quellen überdeutlich. Nachdem ihn gesundheitliche Probleme zum Rücktritt zwangen, fungierte der Marquis de Blécourt515, bis dato außerordentlicher Gesandter in Madrid, für vier Monate als Interimsbotschafter, bis im August 1701 mit dem Comte de Marsin516 509 Henri Harcourt, Marquis de Beuvron (* 1654, † 1718): nach einer militärischen Karriere war er als außerordentlicher Botschafter erstmals 1698–1700 in Madrid; er begleitete Philipp V. von Paris nach Madrid, konnte aus gesundheitlichen Gründen den Posten des Botschafters nicht wahrnehmen; 1700 Titel des ersten Duc d’Harcourt; 1703 maréchal de France; 1709 pair de France. 510 Vgl. Harcourt an Ludwig XIV., Atienza, 14.2.1701, Hippeau, Correspondance II, 476 f. 511 RDI Espagne II (Marsin), 24 und 29 f.; RDI Espagne II (Gramont), 94 f.; Mémoire contenant plusieurs observation et changements à faire à l’instruction donnée par le Roi au Sieur Comte de Marsin, lorsqu’il partit au mois de juillet de l’année 1701 pour aller en Espagne en qualité de son ambassadeur, l’intention de Sa Majesté étant que ce mémoire serve présentement d’instruction à M. le Cardinal d’Éstrées allant en Espagne avec le Roi Catholique, o.O., Oktober 1702, RDI Espagne II (Éstrées), 57–83, hier 70. 512 El voto más esencial: So der Marqués de San Felipe, San Felipe (Seco Serrano), 140. 513 Siehe bspw. Castellano: „Porque en realidad tal Consejo era la tapadera legal del embajador de Francia, que, en colaboración con la princesa de los Ursinos, actúa de acuerdo con el dictado de su rey.“ Castellano, El gobierno, 135. 514 Seine Korrespondenz an den König geht hervor, dass er häufig Besprechungen in sein Appartement verlegte, um die Granden durch eine allzu regelmäßige Teilnahme am despacho nicht zu verstimmen. Siehe AAE, CP Espagne 88, bspw. Harcourt an Ludwig XIV., 22.3.1701, f. 122. 515 Jean-Denis, Marquis de Blécourt (* 1640, † 1719): Mai-Dezember 1700: envoyé extraordinaire in Madrid; blieb bis 1703, um im Jahr 1709 erneut als envoyé extraordinaire berufen werden. 516 Der Comte de Marsin nahm von September 1701 an am despacho teil, erhielt den Titel des Botschafters jedoch erst am 8. April 1702, und begleitete Philipp V. dann nach Neapel.
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ein Militär für dieses Amt eingesetzt wurde. Seine Hauptaufgabe lag in der militärischen Beratung des jungen Königs; er begleitete Philipp V. nach Italien, wo jener um die Loyalität der italienischen Fürsten warb und sich in personam an die Spitze der Armeen stellte. Anders als seinem Vorgänger gelang Marsin die Gratwanderung einer subtilen Einflussnahme anscheinend nicht, denn er zog den Hass der spanischen Granden auf sich517 und bat schließlich selbst um einen „zweiten Botschafter“, der sich stärker um die politischen Geschäfte kümmern sollte518. In vielerlei Hinsicht erfüllte diese Rolle bereits der Marquis de Louville519. Er hatte Philipp V. zusammen mit dem Marquis de Montviel520 als eine Art Mentor nach Madrid begleitet und führte ab September 1701 die maison Française. Bis zu seiner Entlassung im Jahr 1703 verfügte er dank dieses Amtes wie die Princesse des Ursins über einen freien Zugang zu den königlichen Gemächern. Von Beginn an hatte er in verschiedener Hinsicht die Aufgaben eines Botschafters wahrgenommen: Er führte eine außergewöhnlich informative und dichte Korrespondenz mit Versailles und initiierte die Reformprojekte der ersten Monate521. Was der Botschafter dem König nicht selbst sagen konnte, sollten Louville und Montviel übernehmen, so die Anweisung Ludwigs XIV.522 Louville sollte Philipp V. ständig begleiten und gegen „schlechte Einflüsse“ abschirmen. Insofern war seine Rolle vergleichbar mit jener der Princesse des Ursins bei der Königin. Beide hatten zwar ein Hofamt inne, das ihnen die notwendigen strukturellen Voraussetzungen bot, das heißt vor allem den Zugang zum Königspaar, hatten aber weit darüber hinausgehende Anweisungen erhalten. Da sich der Einflussbereich der Kammerdame jedoch schnell auch auf den jungen König ausgedehnt hatte, ergab sich hier eine Konkurrenzsituation. Louville prophezeite schon vor seiner Rückkehr von der Italienreise, dass er sich unmöglich mit der Princesse einigen könne, bezeichnete sich als
517 So bspw. zu lesen bei Louville an Beauvilliers, Neapel, 31.5.1702, MAE AE 3, 130. 518 Vgl. Marsin an Ludwig XIV., Neapel, 7.5.1702, MAE CP Espagne 104, f. 102. 519 Charles Auguste d’Allonville, Marquis de Louville (* 1664, † 1731): seit 1690 gentilhomme de la manche; als Nachfolger des Duc de Beauvilliers (gouverneur des enfants de France) war er für Philipps V. Erziehung zuständig gewesen. Ab September 1701 wurde er chef de la maison française, im Jahr 1703 fiel er in Ungnade. 520 Jacques de Vassal, Marquis de Montviel (* 1659, † 1744): ab 1702 brigadier Philipps V. Ende des Jahres 1702 war er zur Hassfigur der spanischen Granden geworden und verließ Madrid. 521 Siehe Désos, L’ entourage, 151–155. 522 „[…] et se servir d’eux pour faire dire au Roi d’Espagne les choses qu’il croira ne devoir pas dire lui-même.“ RDI Espagne II (Marsin), 17.
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ihr „Rivale“523 und fordert bereits nach zehn Tagen in Madrid ihren Rückruf524. Da sich die Princesse in Paris auf „mächtige Freunde“525 verlassen konnte, zog allerdings der Marquis den Kürzeren und musste noch im selben Jahr Madrid verlassen. Eine weitere zentrale Person französischer Herkunft war der Beichtvater des Königs, der Jesuit Guillaume Daubenton526, den Ludwig XIV. für seinen Enkel ausgewählt hatte. In den ersten Regierungsjahren Philipps V. spielte er eine bedeutende Rolle in den politischen und religiösen Angelegenheiten. Aufgrund seiner täglichen Unterredungen mit dem König – frühmorgens unter vier Augen oder später am Tag im Beisein der Königin und ihrer camarera mayor – war er eingeweiht in alle relevanten Regierungsfragen, weit über den religiösen Bereich hinaus527. Seine Biographin schreibt ihm die Rolle des Schiedsrichters in den Machtkämpfen zwischen den französischen Akteuren zu; jedoch zog die erste Ungnade der Princesse des Ursins im Jahr 1703 auch seinen Rückruf aus Madrid nach sich528. Für den Hofstaat der Königin kann eine ähnlich starke französische Präsenz festgestellt werden. Man rechnete in Versailles schon im Jahr 1701 damit, dass der Einfluss der jungen Königin ein wichtiger politischer Faktor sein würde: „Da der König von Spanien einen sanften Charakter hat, wird es für die Königin, seine Ehefrau, leicht sein, eine große Macht über seinen Geist zu erlangen“529, heißt es in den Instruktionen an Marsin. Da sie aufgrund ihres jungen Alters noch leicht zu beeindrucken sei, müssten in ihrer unmittelbaren Umgebung Personen mit integren Absichten platziert werden, insbesondere im Fall der camarera mayor, einem Amt, „das niemandem besser anvertraut 523 „[…] que j’étais un espèce de rival pour elle dans la confiance du Roi […].“ Louville an Beauvilliers, Milano, 12.10.1702, MAE AE 3, f. 309. 524 Louville an Beauvilliers, o.O., 12.12.1702, MAE AE 3, f. 409. 525 „[…] à vous parler franchement, M[ada]me des Ursins a des amis puissants ici, M. d’Harcourt, M[ada]me de Maintenon et M. Chamillart.“ Beauvilliers an Louville, Marly, 9.3.1703, MAE AE 3, f. 87. 526 R.P. Guillaume Daubenton (* 1648, † 1723) stammte aus dem niederen Adel der Champagne; 1680 Beichtvater von Maria Anna Christine von Bayern, der Dauphine von Frankreich; 1700–1705 und 1715–1723 Beichtvater Philipps V. Siehe umfassend Désos, Catherine, La vie du R. P. Guillaume Daubenton (1648–1723). Un jésuite à la cour d’Espagne et de Rome (Estudios de historia moderna: Colección minor, 7), Paris 2005. 527 Vgl. Désos, L’ entourage, 291. 528 Dieser Rückruf stellte allerdings keine disgrâce seitens des Königs dar, führte Daubenton doch weiterhin den Titel des confesseur du roi und genoss eine königliche Pension. Vgl. Désos, Daubenton, 73 f. 529 „Comme le Roi d’Espagne est d’un caractère doux, il sera facile à la Reine sa femme d’acquérir un grand pouvoir sur son esprit […].“ RDI Espagne II (Marsin), 18.
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werden könnte als der Princesse des Ursins.“530 Die erste Zimmerdame (première femme de chambre) für Maria Luisa sollte ebenfalls unbedingt eine Französin sein. Darüber hinaus wurde ihr gesamter früherer Hofstaat zurück in den Piemont geschickt531. Als ihren Beichtvater wählte man ebenfalls einen französischen Jesuiten532. Die Regentschaften der Königin in den folgenden Jahren sollten zeigen, dass man in der Einschätzung Maria Luisas als politisch fähig und einflussreich richtig gelegen hatte. Umso wichtiger wurde die Princesse des Ursins für ihre „richtige“ Beratung533. Einfluss auf das spanische Königspaar übten auch eine Reihe französischer Offiziere aus, in deren Händen die militärische Führung beinahe vollständig lag. Einige von ihnen dominierten während des gesamten Krieges die Entscheidungsfindung auf dem Feld und somit zum Teil auch am spanischen Hof, wodurch sie nicht selten in Konflikt mit dem französischen Botschafter gerieten534. Führt man sich die Auswahl der Begleitpersonen des Königspaares vor Augen, so ist es offensichtlich, dass man von Versailles aus Einfluss zu nehmen gedachte: Die erwähnten Personen waren von hohem adligem Stand, verfügten über weitreichende Netzwerke und politische Erfahrung und waren dem Duc de Saint-Simon zufolge beinahe alle protégés der Maintenon535. Die französische Präsenz umfasste jedoch nicht nur diese soziale Elite, sondern 530 „Sa Majesté a jugé qu’il ne pouvait être mieux confié qu’à la Princesse des Ursins.“ RDI Espagne II (Marsin), 19. 531 Vgl. Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 9.10.1701, MAE M&D Espagne 105, f. 38; und bereits schon: Marsin an Ludwig XIV., Madrid, 5.8.1701, MAE M&D Espagne 104, 137. 532 Siehe Marsin an Ludwig XIV., Daroc, 13. 9.1701, MAE M&D Espagne 104, 212; Marsin an Ludwig XIV., Zaragoza, 18.9.1701; MAE M&D Espagne 104, 224; Marsin an Ludwig XIV., Zaragoza, 19.9.1701, MAE M&D Espagne 104, 228. 533 RDI Espagne II (Marsin), 96. Siehe auch Ludwig XIV. an Ursins, o.O., 25.12.1701, MAE CP Espagne 94, f. 279–280: „[…] que votre zèle et votre attention éloigneraient d’elle tous les mauvais conseils. Vous répondez parfaitement à la confiance que j’ai prise en vous […]“. 534 Hier sind insbesondere der Duc de Berwick, Maréchal de Tessé, Duc d’Orléans, Duc de Noailles, Duc de Vendôme zu nennen. Siehe Désos, L’entourage, 318–321. Der Duc de Vendôme hielt bspw. in Abwesenheit Philipps V. den conseil du roi (342). 535 Zu den protégés der Maintenon zählten die Minister Chamillart (Saint-Simon I (Coirault), 802, siehe auch Pénicault, Chamillart, 71–76) und Voysin (Saint-Simon II (Coirault), 898), die Botschafter Harcourt (Saint-Simon II, 158, 369), Amelot (SaintSimon II, 580), Brancas (bspw. Maintenon an Ursins, o.O., 9.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 217) und die Militärs Noailles (Saint-Simon III (Coirault), 90), Berwick (bspw. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 5.12.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 161; Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 213), Tessé (Saint-Si-
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die gesamte spanische Hofhaltung. Die französischen Bediensteten (familia francesa), etwa ein Siebtel des königlichen Haushaltes, zog der junge König vor, so dass sie im Vergleich zur familia española über einen privilegierteren Zugang verfügten536. Da das Königspaar auch untereinander und mit seinen Kindern vorzugsweise französisch sprach, verdrängte in seiner Umgebung die französische Sprache allmählich die spanische537. Das Zeremoniell und die Kleidermode waren ebenfalls Bereiche, in denen der französische Einfluss manifest wurde und zu Widerständen führte, während die Einführung französischer Speisen und des französischen Theaters538 weniger problematisch war. In medizinischer, chirurgischer und pharmazeutischer Hinsicht wurde das Königspaar weiterhin von Versailles aus betreut539. Den spanischen Bediensteten, denen immer der latente Verdacht anhaftete, habsburgerfreundlich zu sein, würde man nie ganz vertrauen540. Wenn die Königin krank war, zog es die Princesse vor, sich über Madame de Maintenon vom Leibarzt Ludwigs XIV. beraten zu lassen541. Changer le système542: Reformen Die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts brachten tief greifende Veränderungen für die spanische Monarchie mit sich, die vielfach schon unter Karl II. mon II (Coirault), 499), Villeroy (Saint-Simon II, 181, 871),Villars (Saint-Simon II, 251),Vendôme (Saint-Simon II, 531). 536 Désos, L’ entourage, 219 und 229 f. Die französischen Angestellten wurden außerdem besser bezahlt (230). 537 Kamen, Philipp, 126. 538 Auf Initiative der Princesse des Ursins wurden ab 1708 beliebte französische Theaterstücke wie Racines „Andromaque“, Molières „Misanthrope“, Corneilles „Cinna“ aufgeführt. Siehe Désos, L’entourage, 212. 539 Bspw. forderte Madame des Ursins für die Niederkunft der Königin den Arzt Julien Clément und die Hebamme Madame de la Salle an; vgl. etwa: Maintenon an Ursins, o.O., 15.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 306. 540 Der Hebamme, die anstelle von Clément in Frage gekommen wäre, lastete man genau dies an: Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 320. 541 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 27. Als der Leibarzt Philipps V. im Jahr 1707 starb, erbat er von Ludwig XIV. eine Empfehlung für seinen Nachfolger mit der Begründung, dass die französischen Ärzte viel besser seien als die spanischen: Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 12.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 345. 542 „Faites changer le système puisqu’on a confiance en vous.“ Gramont an Ursins, Madrid, 29.8.1704, Ursins (Geffroy), 464.
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angedacht und vorbereitet worden waren. Der Transformationsprozess hatte kulturelle, politische und wirtschaftliche Implikationen. In der Phase zwischen dem Vertrag von Rijswijck (1697) und dem Vertrag von Utrecht (1713) wurde die Verwaltung dieser „zusammengesetzten Monarchie“543 schrittweise vereinheitlicht544. Die meisten dieser Reformen wurden in den ersten Regierungsjahren Philipps V. bis 1712 unternommen, also in der Phase, in der die französischen Akteure am spanischen Hof dominierten. Als Orientierung diente Versailles. Im Nebeneinander zahlreicher Ratsgremien (consejos), dem System der „Polysynodie“545 sah man von französischer Seite aus das Hauptproblem. Von 1703 an wurde eine sukzessive Aufteilung in ministeriale Zuständigkeitsbereiche vorangetrieben546, die Staatssekretariate übernahmen parallel zu den consejos zunehmend alle Bereiche bis auf die Justiz und beraubten diese nach und nach ihrer Kompetenzen547. Das Reformprogramm der Nueva planta stieß zum Teil auf große Widerstände im Adel. Angesichts der desaströsen finanziellen Situation der spanischen Krone wurde Jean Orry548 im Juni 1701 nach Madrid geschickt. Für seine Reformen in verschiedenen Bereichen – Steuerwesen, Handel und Verwaltung – konnte er auf die Unterstützung der Princesse des Ursins und der Königin Maria Luisa zählen, und sich so gegen die Widerstände auf Seiten des spanischen Adels durchsetzen549.
543 Siehe grundlegend Elliot, John H., A Europe of Composite Monarchies, in: Past and Present 137 (1992), 48–71. 544 Duchhardt, Balance, 167. Das System der secrétariats d’État wird schließlich am 30.11.1714 eingeführt. Siehe Dedieu, Jean-Pierre, Dinastía y elites de poder en el reinado de Felipe V, in: Los Borbones. Dinastía y memoria de nación en la España del siglo XVIII, hrsg. v. Pablo Fernández Albaladejo, Madrid 2001, 381–399. 545 Castellano, El gobierno, 132: 1701 Schaffung des consejo de despacho, 1702 Auflösung des consejo de Flandes y Borgoña, 1707 Abschaffung der Sondergesetze (fueros) und des consejo supremo de Aragon. 546 Siehe hierzu De Castro, A la sombra, insbesondere 11–20. 547 Siehe hierzu Fayard, Janine, Les membres du conseil de Castille à l’époque moderne (1621–1746), Lille 1982, 551. 548 Jean Orry (* 1652, † 1719): schon sein Großvater war Sekretär der Finanzen des Duc d’Orléans; er selbst erhielt eine juristische Ausbildung an der faculté de Paris; 1700– 1704 war er als conseiller-secrétaire du roi in Madrid, mit dem Auftrag, die Finanzen der spanischen Krone zu regeln; 1705–1706 und 1713–1715 weitere Aufenthalte in Madrid, von Philipp V. zum veedor general ernannt. Siehe ausführlich Hanotin, Guillaume, Jean Orry. Un homme des finances royales entre France et Espagne (1701–1705), Córdoba (Servicios de publicaciones de la Universidad de Córdoba) 2009. 549 Siehe Désos, L’entourage, 163–171.
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Die Präsenz französischer Akteure rief in der spanischen Hofgesellschaft unterschiedliche Reaktionen hervor. Nahmen sie die einen mit Enthusiasmus und großen Erwartungen auf, sahen die anderen ihre eigene Macht gefährdet. Ausschlaggebend war daher, wie man diese „Einmischung“ rechtfertigte. Neben der Unerfahrenheit und der fehlenden Sprachkenntnisse des Königs wurde die vermeintliche Schwäche des spanischen Systems angeführt, um die französische Einflussnahme zu verteidigen550. Fehlender Respekt vor der Autorität des spanischen Königs, zu langsame Abläufe in den Ratsgremien, eine schwache Armee, die mangelhafte Organisation der Finanzen und fehlende Verwaltungsstrukturen sind wiederkehrende Topoi in den Korrespondenzen. Häufig wurde das Argument angeführt, dass die Spanier selbst diese Hilfe wünschten551. Die anfangs noch relativ kleine Gruppe französischer Akteure vergrößerte sich stetig und übte ihren Einfluss immer offener aus552. In der Strenge der Etikette, die den König in seinem Palast „einschloss“553, sah man ein weiteres dysfunktionales Element im bisherigen Hofsystem. Das System des „unsichtbaren Königs“554 sollte durch das Versailler Modell ersetzt werden, in dem der König als Objekt der Aufmerksamkeit des gesamten Hofes idealerweise für jeden Höfling sichtbar und erreichbar ist555. Von Februar 1703 an speiste Philipp V. also zweimal in der Woche vor der Hofgesellschaft und 550 Bspw.: RDI Espagne II (Marsin), 5. 551 Siehe bspw. RDI Espagne II (Marsin), 6; Harcourt an Ludwig XIV., 27.12.1700, Hippeau II, 390; Harcourt an Ludwig XIV., Atienza 14.2.1701, Hippeau II, 476 f.; Harcourt an Ludwig XIV., 23.2.1701, Hippeau II, 504. 552 Vgl. Désos, L’entourage, 113 f. Allerdings ist der Autorin zu widersprechen, dass die französische Einflussnahme nicht von Anfang an geplant war, sondern erst angesichts der Schwäche des Systems notwendig erschien (bspw. 20). Das Bildprogramm und die Auswahl der Begleitpersonen sind klare Anzeichen für Ludwigs XIV. Intentionen, von Anfang an die spanische Politik zu führen. Die Autorin stellt zwar auch fest, dass diese Personen (Harcourt, Louville und Ursins) de personnalités françaises très fortes waren (116), konstatiert dabei aber ein revirement total de la pensée de Louis XIV (116), ohne deutlich zu machen, wann dieser Umschwung hätte stattfinden sollen. Aus dieser Perspektive erscheint die Präsenz des Botschafters im despacho logischerweise als contradiction apparente avec les instructions du Roi de France (118), während sie schlicht ein Teil des französischen Programms war, das auf diskursiver Ebene jedoch eine konforme Darstellung erforderte. Die beschriebenen Diskurse, die auf eine Selbstständigkeit der spanischen Monarchie verweisen, müssen im Kontext der zeitgenössischen Normenvorstellungen von Herrschertugenden gesehen werden. 553 Bspw.: RDI Espagne II (Marsin), 10 f. 554 La famosa invisibilidad del rey de España: Gómez-Centurión Jiménez, Etiqueta y ceremonial, in: Hispania LVI/3 (1996) 965–1005, 976 oder 970. 555 Siehe zur „Öffentlichkeit“ der Person des Königs: Burke, The fabrication; Sabatier, Versailles.
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ließ sich häufiger in der Galerie sehen556. Diese zeremonielle Öffnung machte jedoch eine königliche Leibgarde nach Vorbild der französischen mousquetaires557 unverzichtbar. La cour des cabales558: politische Spannungen (1703–1705) Erste größere Widerstände gegen die französische Einflussnahme regten sich in der Amtszeit des Botschafters Kardinal d’Éstrées, der seinen Posten einnahm, als Philipp V. Anfang 1703 nach Madrid zurückkehrte. Zwischen d’Éstrées und der Princesse des Ursins, die schon in den 1690er Jahren in Rom zusammengearbeitet hatten, entsponnen sich diesbezüglich gegensätzliche Auffassungen. Die Princesse tendierte zu einer behutsamen und vorsichtigen Vorgehensweise und attestierte dem Kardinal mangelndes Taktgefühl559. Königin Maria Luisa erreichte zwar über ihre Briefe nach Versailles, dass der Kardinal durch seinen Neffen, den 37-jährigen Abbé d’Éstrées560 ersetzt wurde, doch das Problem blieb bestehen. Die wechselseitigen Vorwürfe, den König dominieren zu wollen, führten zwischen den zentralen französischen Akteuren d’Éstrées, Ursins, Louville und Daubenton schließlich zu einer politischen Blockadesituation. In ihren Rechtfertigungen mussten die antifranzösischen Ressentiments des spanischen Hofadels genauso wie misogyne Stereotypen gegen die Princesse des Ursins für die Argumentationen herhalten561. Zugleich bat Kardinal Portocarrero, der zwischenzeitlich eine Art Projektionsfläche für die unzufriedenen spanischen Adeligen geworden war562, um seinen Rücktritt. Philipp V. nutzte diese Gelegenheit, um dem neuen Botschafter Abbé d’Éstrées den Eintritt in den 556 Kardinal d’Éstrées an Ludwig XIV., o.O., 8.2.1703, MAE CP Espagne 114, 127. 557 RDI Espagne II (Marsin), 14 f. 558 RDI Espagne II (Gramont), 106. 559 Siehe Ursins an Torcy, o.O., 1.2.1703, Ursins III (La Trémoille), 16. Diese Einschätzung findet sich auch in den Instruktionen an Gramont: RDI Espagne II (Gramont), 103 f. 560 Jean d’Éstrées, Abbé d’Evron, de Préau et de Saint-Claude (* 1666, † 1718): 1692– 1697 Botschafter in Portugal, 1702 Madrid, 1703–1705 ambassadeur in Madrid, 1704 disgrâce in Madrid, aber 1705 Orden des Saint-Esprit von Ludwig XIV., 1716 Erzbischof und Duc de Cambrai. 561 Siehe die Korrespondenzen des Jahres 1703. Ursins an Torcy, bspw. Madrid, 1.2.1703, Ursins III (La Trémoille), 16 f.; Abbé d’Éstrées an Torcy, bspw. am 22.9.1703, MAE CP Espagne 117, 335. 562 Blécourt an Torcy, Madrid, 9.7.1701, MAE CP Espagne 91, 291.
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despacho zu verwehren – mit der Begründung, dass seine Macht ohne das Gegengewicht des Portocarrero zu groß und vom spanischen Hofadel nicht mehr toleriert würde. Dem französischen König, der seine Einflussnahme in Madrid gefährdet sah, bot sich im April 1704 mit der „affaire de l’apostille“563 schließlich ein Anlass, um einzugreifen und die Köpfe der dominanten Faktionen alle zugleich abzuberufen: die Princesse des Ursins, den Marquis de Louville und den Abbé d’Éstrées. Nachfolger des Abbé d’Éstrées wurde Antoine-Charles, Duc de Gramont564, wiederum ein Militär von hochadliger Geburt565. Gramonts Amtszeit war von kurzer Dauer: Weil er sich nicht für die Rückkehr der Princesse des Ursins einsetzte, machte er sich bei Königin Maria Luisa unbeliebt. Spätestens jedoch als diese mit ihren Briefen nach Versailles die Rückkehr der Princesse erreicht hatte und damit ein erneuter politischer Wechsel in Madrid stattfand, musste auch dieser französische Botschafter ersetzt werden. L’union entre les deux couronnes566: die Brisanz der Einheit (1705–1709) Die Rückkehr der Princesse nach Madrid im August 1705 verstärkte ihre Machtposition567: Aus ihrer unehrenhaften Entlassung (disgrâce) war ein Ehrgewinn geworden. Das spanische Königspaar hatte ihre Rückkehr explizit gefordert, Ludwig XIV. seine Ansichten geändert und ihre Präsenz 563 Diese Affäre ist von Saint-Simon detailliert beschrieben worden: die Princesse habe einen Brief des Abbé d’Éstrées an Torcy abgefangen, in dem der Abbé ihre heimliche Vermählung mit ihrem Sekretär behauptet, und eine Bemerkung an den Rand geschrieben. Die Verletzung des Briefgeheimnisses wurde zum Vorwand ihrer disgrâce. Vgl. Saint-Simon II (Coirault), 442–447. 564 Antoine-Charles, Duc de Gramont (* 1649, † 1720): pair de France, chevalier des ordres du roi, toison d’or (1705); lieutenant général, Juni 1704-Mai 1705: ambassadeur extraordinaire in Madrid. 565 Eventuell sollte er ein Gegengewicht zum hochrangigen spanischen Botschafter in Versailles, Antón Martín Álvarez de Toledo y Manrique de Lara, Duque de Alba (* 1668, † 1711), bilden. Siehe Ozanam, Los embajadores, in: Pereia Iglesias, Felipe V, 583–612, 589–591. 566 Die „Einheit der beiden Kronen“ wird häufig in den Botschafterkorrespondenzen beschworen. Beispiel: Mémoire an Blécourt, o.O., Sept. 1709, MAE CP Espagne 193, f. 8. 567 Zu ihrem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Versailles siehe Kapitel I.3.2.3. (Un commerce réglé: Kontext und Anlass der Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins).
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in Madrid in den Instruktionen als notwendig bezeichnet568. Ausschlaggebend waren dabei ihre Zuverlässigkeit (esprit solide) und ihre Kenntnisse der spanischen Angelegenheiten (connaissance des affaires d’Espagne). Sie habe außerdem feierlich versprochen, mit dem Botschafter in „perfekter Übereinstimmung“569 zu agieren, so die Instruktionen an eben jenen Botschafter, Michel-Jean Amelot, Marquis de Gournay570. Letzterer war der Botschafter ihrer Wahl571, der sie gemeinsam mit ihren langjährigen Vertrauten Jean Orry und René-Mans Froullay, Maréchal de Tessé sowie dem Gesandten Chevalier du Bourck572 zurück an den spanischen Hof begleitete. Die enorme Wirkung ihrer Rückkehr, die sich durch die scheinbar willkürliche Herauszögerung ihrer Abreise aus Paris noch verstärkt hatte573, lässt sich in den zeitgenössischen Beschreibungen ihres Einzugs in Madrid erkennen574. Jene Gruppe der „neuen Akteure“575 um die Princesse des Ursins kann als treibende Kraft hinter den Reformen der folgenden Jahre gelten. Die Jahre zwischen 1705 und 1709 waren durch erfolgreiche Reformen gekennzeichnet576. Als Kenner der französischen Verwaltung sollte Amelot bei568 Vgl. Mémoire pour servir d’instruction au Sieur Amelot, conseiller ordinaire du Roi en son conseil d’État, allant en Espagne en qualité d’ambassadeur extraordinaire de Sa Majesté, Marly, 24.4.1705, RDI Espagne II, 138–151, hier 140 f. 569 Vgl. RDI Espagne II (Amelot), 140. 570 Michel-Jean Amelot, Marquis de Gournay (* wahrscheinlich 1655, † 1724): aus der noblesse de robe; er durchlief verschiedene Ämter (u.a. maître de requêtes) und war Botschafter in Venedig (1682), Portugal (1685) und der Schweiz (1688); 1705–1709 ambassadeur extraordinaire in Madrid. 571 Siehe bspw.: Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 1; dies wird von Chamillart bestätigt: Chamillart an Tessé, Versailles, 5.4.1705, SHD A1 1884, 237. 572 Chevalier du Bourck (keine Lebensdaten bekannt): irischer Colonel, envoyé des Jacques III. von England. Er sollte in Madrid die Interessen der Jakobiner vertreten und Chamillart darüber regelmäßig berichten. Siehe Baudrillart, Philippe V., 221. 573 Vgl. Maintenon an Comte d’Ayen, o.O., 12.6.1705, Maintenon II (Geffroy), 59. 574 Vgl. Tessé an Ludwig XIV., Madrid, 5.8.1705, SHD A1 1886, f. 188; Ursins an Torcy, Burgos, 25.6.1705, MAE CP Espagne 151, f. 51; Ursins an Maintenon, Vittoria, 21.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 7. Siehe auch den (propagandistischen) Artikel über ihren triumphalen Einzug im Mercure Galant, zitiert nach Ursins (Geffroy), 192–194. 575 Mit den nouveaux acteurs sind Amelot, Orry, Tessé und sie selbst gemeint: Ursins an Chamillart, Berlanga, 29.7.1705, Ursins (Geffroy), 194. 576 Siehe Baudrillart, Philippe V., 230–234 und 277–282. Eine günstige Gelegenheit zur Verschlankung der Verwaltung ergab sich bspw. im Jahr 1705, als nach dem Fall Barcelonas die kaiserlichen Truppen unter dem Erzher-
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spielsweise den despacho reformieren577 und neu besetzen. In den Instruktionen verwies ihn der König dazu auf ein von der Princesse verfasstes mémoire578 und wies ihn immer wieder an, in allen Belangen ihren Ratschlägen zu folgen579: „Die Princesse hat vorgeschlagen, was ich ihnen schreibe.“580 Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem französischen Botschafter und Ursins wurde seit ihrer Rückkehr nach Madrid beabsichtigt und gefordert581. Die Princesse beschrieb gegenüber Madame de Maintenon ihre Aufgabe wie folgt: sie werde den Botschafter unterstützen und sich „den Geschäften Spaniens“ widmen582. Dass man seit Beginn der Herrschaft Philipps V. die Position des Königs am Hof erreichbarer und sichtbarer zu machen suchte, spiegelte sich auch in den architektonischen Veränderungen, die in Madrid vorgenommen wurden, wider. So wurden in diesen ersten Jahren die Repräsentativräume des königlichen Palastes (alcázar) und die Gartenanlage nach dem Vorbild Versailles’ angelegt – und zwar auch hier auf die Initiative und nach den Plänen der Princesse des Ursins583. Zumindest für die Jahre bis 1709 kann also der Einschätzung John Lynchs zugestimmt werden, dass Madrid weniger als Verbündeter denn als eine Art Satellit Versailles’ gesehen werden müsse584. Diese Einschätzung bestätigt der Blick auf den französischen Hof: Die Vertretung des spanischen Königs in Versailles war nicht symmetrisch zu der zog Karl in Madrid einmarschierten. Nicht alle Hofangestellten folgten dem Königspaar in sein Exil in Burgos, und ihre Abtrünnigkeit wurde in eine Rationalisierungsmaßnahme verwandelt: Ludwig XIV. an Amelot, o.O., 6.9.1706, Amelot (Girardot), 151. Auch die Princesse entließ 300 Hofdamen aus dem Hofstaat der Königin. 577 Er sollte in die Bereiche Krieg und Handel (guerra y hacienda) und „alles Übrige“ aufgeteilt werden. Siehe Castellano, El gobierno, 138. 578 Vgl. RDI Espagne II (Amelot), 150. 579 Bspw.: „[ J]e me rapporte entièrement en tout à ce que la Princesse des Ursins juge de plus à propos, et puisque vous avez discuté cette matière avec elle […], mon intention est que vous vous conformiez entièrement à ses sentiments. […] je crois que vous ne pouvez vous tromper en suivant ses avis.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 21.12.1705, Amelot (Girardot), 213. 580 Mit diesen Worten beschließt er seine personellen Änderungsvorschläge. Ludwig XIV. an Amelot, o.O., 14.6.1705, Amelot (Girardot), 58. 581 Exemplarisch: RDI Espagne II (Amelot), 140; Maintenon an Ursins, o.O., 6.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 184; Torcy an Ursins, Fontainebleau, 5.10.1705, MAE CP Espagne 148, f. 181. 582 „Quand je serai sure que vous penserez de la sorte, je me trouverai dans une tranquillité d’esprit qui me mettra bien plus en état de seconder M. Amelot et de mériter par une application entière aux affaires d’Espagne la confiance dont le Roi veut bien m’honorer […].“ Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 2. 583 Siehe Désos, L’entourage, 216 f. 584 Vgl. Ally or satellite of France?: Lynch, Spain, 46–53.
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des französischen in Madrid. Zwar hatte mit dem Duque de Alba ein Adliger von höchstem Geblüt das Botschafteramt inne, doch sein politischer Einfluss wurde wie jener seines Vorgängers585 von Didier Ozanam als sehr gering eingeschätzt586. Obschon der spanische Botschafter traditionell über einen privilegierten Status am französischen Hof verfügte587, scheint dieser Vorgänger keinen Anteil an der Verhandlung des Testaments Karls II. gehabt zu haben; der Duque de Alba und seine Ehefrau waren bei der Königsfamilie und bei Madame de Maintenon zwar häufig gesehene Gäste588, doch in die zentralen politischen Fragen wurden sie offensichtlich nicht eingeweiht589. Themen, die in den Zuständigkeitsbereich Albas hätten fallen können, wurden entweder in der Korrespondenz zwischen den beiden Herrschern oder mit den französischen Akteuren vor Ort in Madrid verhandelt590. Philipp V. zog es außerdem vor, die Verhandlungen um seinen Verzicht auf den französischen Thron im Jahr 1714 von einem Sonderbeauftragten, einem ambassadeur extraordinaire, führen zu lassen591. Entsprechend setzte er nach Albas Tod im Jahr 1711 zunächst keinen neuen Botschafter ein, sondern ließ die Geschäfte bis 1715 von dessen Sekretär Felix Cornejo weiterführen592. 585 Manuel Sentmenat, Marqués de Castelldosrius (* 1651, † 1710): 1698–1702 spanischer Botschafter in Paris; 1702/07 Vizekönig von Peru; 1703 Grande de España. Siehe Bernardo Ares, La correspondencia, Biografías, 362 f. 586 „[…] no teniendo ningún papel político.“ Ozanam, Didier, Los embajadores españoles en Francia durante el reinado de Felipe V, in: Felipe V de Borbón. 1701–1746. Actas del Congreso de San Fernando (Cádiz), de 27 de noviembre a 1 de diciembre de 2000, hrsg. v. José Luís Pereia Iglesias, Córdoba 2002, 581–613, hier 609 und 584–588. 587 Der spanische Botschafter in Versailles trug den Titel ambassadeur de la famille. Vgl. Ozanam, Los embajadores, 584. 588 Die Marquise erwähnt das Ehepaar Alba häufig und betont positiv in ihren Briefen an die Princesse des Ursins, bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 18.7.1706, BL Add. Man 20918, f. 86; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 6.1.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 48. 589 Der Duque de Alba habe aufgrund seiner Verwendung seinem König nie bemerkenswerte Dienste leisten können: Ludwig XIV. an Amelot, o.O., 10.1.1706, zitiert nach Baudrillart, Philipp V., 24; vgl. auch Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.4.1708, BL Add. Ms. 20918, f. 407. 590 Vgl. Ozanam, Los embajadores, 591. 591 Es handelt sich um Francisco del Giudice (* 1647, † 1725): 1690 Kardinal; inquisidor general; 1714 außergewöhnlicher Botschafter in Paris. Siehe Bernardo Ares, La correspondencia, Biografías, 349. Vgl. hierzu Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.). 592 Vgl. Ozanam, Los embajadores, 585. Felix Cornejo (keine Lebensdaten bekannt) war vorher Sekretär des consejo de Indias gewesen und verblieb nach dem Tod Albas als Interimsbotschafter in Versailles bis 1720. Zu den Korrespondenzen zwischen Alba bzw. Cornejo und dem spanischen Hof siehe Kapitel I.3.2.1. (Le canal ordinaire: der „ordentliche“ Weg).
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Die Beziehungen zwischen dem französischem und dem spanischen Hof
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die französisch-spanischen Beziehungen im Vergleich zum Amtsantritt Amelots im Jahr 1705 stark verändert. Dieser Wandel hing nicht zuletzt mit der militärischen Situation in Europa zusammen. Spätestens vom Sommer 1705 an entwickelte sich der Konflikt auch innerhalb des spanischen Territoriums zu einem Bürgerkrieg. Einige spanische Provinzen, unter ihnen insbesondere Katalonien, waren zum Erzherzog Karl übergelaufen593. Im Jahr 1709 war die Situation der Bourbonen desaströs: Mittlerweise hatten sich alle europäischen Fürsten gegen sie gewandt. Der extreme Winter 1708/1709, der grand hiver594 und der Zusammenbruch der Finanzmärkte in Lyon und Genf brachten die französische Monarchie in eine katastrophale finanzielle Lage, die eine weitere Unterstützung Philipps V. immer unwahrscheinlicher machte595. Im Januar erkannte der Papst zudem unter dem Zwang der Belagerung Roms Erzherzog Karl als spanischen König Karl VI. an. Der darauf folgende Bruch in den Beziehungen zwischen Rom und Madrid596 belastete das „inner-bourbonische“ Verhältnis zusätzlich. Am französischen Hof sah man einen Friedensschluss mit der Großen Allianz in zunehmendem Maße als erstrebenswert an597. Dem spanischen König sowohl sein gesamtes europäisches Territorium als auch die Kolonien zu bewahren, schien angesichts der militärischen Lage utopisch. Schon seit 1706 liefen parallel Verhandlungen mit den Niederlanden und England598. Die Alliierten forderten die Abdankung Philipps V. La séparation des intérêts599: Emanzipation (1709–1715) Mit der Intensivierung der Vorverhandlungen für einen Friedensschluss ging der allmähliche Rückzug der französischen Truppen einher600. Um die Tren593 Zur Dimension des Bürgerkriegs siehe Vidal, La Guerra de Sucesión, 541–580. 594 Lachiver, Les années de misère, insbesondere 268–384. Der Autor schätzt 800 000 Tote aufgrund von Kälte und Hungersnot. 595 Vgl. Kamen, War of Succession, 79. 596 Der Bruch dauerte von 1709 bis 1714. Im März 1709 wurde der päpstliche Nuntius Antonio Felix Zondedari angehalten, Madrid zu verlassen; siehe bspw. Amelot an Ludwig XIV., 11.2.1709 MAE CP Espagne 189, 169. 597 Vgl. Petitfils, Louis XIV, 705. 598 Vgl. Bély, Les relations, 405 f. 599 Der Diskurs um die „Trennung der Interessen beider Höfe“ ist in den Verhandlungen mit der Allianz in Utrecht, Rastatt und Baden und somit in den Korrespondenzen zwischen Madrid und Versailles in diesen Jahren zentral. Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 30.8.1709, MAE CP Espagne 192, f. 249. 600 Siehe Kapitel III.1. (Verhandlungen um Truppen).
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nung der Interessen beider Höfe vor den Alliierten glaubwürdig zu machen, wurde der französische Botschafter Amelot durch einen einfachen Gesandten (envoyé), den Marquis de Blécourt ersetzt601. Blécourt sollte über keine strukturell bedingten außergewöhnlichen Einflussmöglichkeiten mehr verfügen. So war er von diesem Zeitpunkt an wie auch kein anderer französischer Akteur mehr im despacho zugelassen. Die Princesse des Ursins dagegen konnte bleiben602. So sehr man in Versailles auf einen baldigen Frieden hoffte, so sehr setzte man in Madrid auf militärische Erfolge. Spätestens nach der Schlacht bei Malplaquet im September 1709603 lässt sich eine allmähliche Emanzipierung des spanischen Königspaares von der Führung Versailles’ erkennen. Diese Schlacht stärkte Selbstvertrauen und Hoffnung am spanischen Hof: „Bis zum letzten Tropfen seines Blutes“ wollte Philipp V. die spanische Krone verteidigen604. Am deutlichsten klafften die Ziele der beiden Kronen bezüglich des spanischen Territoriums auseinander: Hatte Ludwig XIV. schon seit Beginn der Präliminarien den Holländern die spanischen Niederlande angeboten605, war für das spanische Königspaar die Wahrung der Integrität ihres Reiches oberste Priorität. Die Princesse, die sich in ihren Briefen nach Versailles mehr und mehr für die spanische Seite einsetzte, scheint dabei eine treibende Kraft gewesen zu sein. 601 So ist die „Wertigkeit eines diplomatischen Außenpostens immer auch ein Seismograph für die je bilateralen politischen Beziehungen.“ Duchhardt, Balance, 22. 602 Siehe hierzu Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins). 603 Die Schlacht von Malplaquet am 11. September 1709 gilt als die entscheidende Schlacht des Spanischen Erbfolgekrieges. Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der englisch-niederländischen und der kaiserlichen Truppen unter dem Duke of Marlborough und Prinz Eugen, konnten der Maréchal de Villars und sein Berater Maréchal Louis-François de Boufflers dem Gegner große Verluste zufügen und so eine Invasion in französisches Territorium verhindern. Siehe Corvisier, André, La bataille de Malplaquet 1709. L’effondrement de la France évité, Paris 1997. 604 „Dieu m’a mis la couronne d’Espagne sur la tête; je la soutiendrai tant que j’aurai une goutte de sang dans mes veines; je le dois à ma conscience, à mon honneur et à l’amour de mes sujets.“ Philipp V. an Ludwig XIV., 1709, zitiert nach Baudrillart, Philippe V, I, 341. Ludwig XIV. goutiert den Entschluss, „die der König traf, sich ganz den Spaniern auszuliefern und nur mit seinen consejos zu regieren, da ja einzig von ihnen er Hilfe erhoffen könne, um seine Regierung halten zu können.“ Ludwig XIV. an Amelot, o.O., 3.6.1709, Amelot (Girardot), 145. 605 Ein geheimer Vertrag von 1702 sah vor, dass der Kurfürst von Bayern mit den spanischen Niederlande entschädigt werden könne. Siehe: Mémoire pour servir d’instruction au Sieur d’Iberville allant à Madrid par ordre du roi, Versailles, 17.11.1709, RDI Espagne II, 165–172, hier 168.
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Die Geburt eines Thronfolgers im Jahr 1707 und die unternommenen Reformen hatten am spanischen Hof bereits für eine positive Stimmung gesorgt. Das Jahr 1710 brachte der bourbonischen Seite endlich den lang ersehnten Sieg in Villaviciosa. Nun war lediglich Barcelona noch in habsburgischer Hand. Während die französischen Unterhändler einen schnellen Friedensschluss für das militärisch ausgeblutete Frankreich erstrebten, sahen das spanischen Königspaar und die Princesse des Ursins die Chancen in der Fortführung des Krieges. Aufgrund mehrerer Todesfälle in der französischen Königsfamilie606, die den spanischen König schließlich in gefährliche Nähe zur französischen Thronfolge rückten, forderten die Alliierten schließlich den expliziten Verzicht auf das französische Erbe von Seiten Philipps V. Erst nach zähen Verhandlungen erklärte der spanische König 1712 schließlich vor den Cortes seinen Verzicht auf die französische Krone607. Mit dem Abschluss des Truppenrückzugs im selben Jahr fand die Phase der intensiven französischspanischen Beziehungen ein Ende. Der Tod des Kaisers am 17. April 1711 veränderte die Situation in Europa erneut grundlegend. Mit der Proklamation des Erzherzogs Karl zum Kaiser Karl IV. war die Gefahr einer Hegemonialmacht in Europa plötzlich nicht mehr in Versailles, sondern in Wien zu suchen608. England war im April 1711 zu geheimen Verhandlungen mit Ludwig XIV. bereit, die zu den Präliminarien von London und schließlich zum Kongress von Utrecht (1712–13) führten, der mit den Verträgen von Rastatt und Baden (1714) den Spanischen Erbfolgekrieg beenden sollte609. Hatte Ludwig XIV. zu Beginn der langen Verhandlungsphase noch für seinen Enkel Stellvertreter (pourparleurs) entsandt und die gemeinsamen Bedingungen durch seine Botschafter in Madrid verhandeln lassen610, so wurden die Friedensverträge separat und zu unterschiedlichen 606 1711 Tod des königlichen Bruders, Monseigneur; 1712 Tod der Duchesse und des Duc de Bourgogne sowie ihres Sohn, des Duc de Bretagne; im selben Jahr Tod des Duc de Berry, des letzten Sohns des Grand Dauphin. So blieb als möglicher Thronfolger nur der 1710 geborene Duc d’Anjou, Urenkel Ludwigs XIV. 607 Siehe hierzu Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V. (1711–1714)). 608 Vgl. Vidal, La Guerra de Sucesión, 535. 609 Zum Verlauf und Inhalt der Verhandlungen von 1711 bis 1714 siehe Vidal, La Guerra de Sucesión, 534–541; Bernardo Ares, La Monarquía Hispánica, 503–518; Bély, Les relations, 413–434. 610 Ab 1713 wurde der Marquis de Bonnac aus gesundheitlichen Gründen durch den Marquis de Brancas ersetzt: Louis de Cerest, Marquis de Brancas (* 1672, † 1750): militärische Karriere während des Spanischen Erbfolgekrieges, v.a. auf spanischem Territorium: 1710 lieutenant général, 1713 toison d’or; 1713–1714 ambassadeur in Mad-
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Zeitpunkten unterzeichnet611. Aus verschiedenen Gründen, zu denen auch die zähe Verhandlung einer Landesherrschaft für die Princesse des Ursins gehörte612, zögerte Philipp V. die Vertragsabschlüsse bis ins Jahr 1715 hinaus. Der Tod der Königin Maria Luisa am 14. Februar 1714 und Philipps V. zweite Ehe mit Elisabetta Farnese brachten einen Politikwechsel in Madrid mit sich, der eine stärkere Orientierung nach Italien beinhaltete. Spätestens von diesem Zeitpunkt an mussten die französischen Akteure ihren Einfluss am Hof mit Niederländern, Iren und insbesondere Italienern teilen613. Die französisch-spanischen Beziehungen hatten ihren Charakter nunmehr grundlegend geändert: In Madrid nahm den Posten des französischen Botschafters zunächst dessen bisheriger Sekretär interimsweise wahr614. Mit Paul-Hippolyte de Beauvilliers, Duc de Saint-Aignan615, wurde im Jahr 1714 ein junger und politisch unbedeutender Botschafter an den spanischen Hof geschickt. In Versailles wurde
rid (und erneut 1728–1730); gehörte zum Kreis um den Duc d’Orléans, zog sich 1714 zurück. 611 Den Vertrag von Utrecht unterzeichneten die französischen Vertreter mit denen Englands, Preußens, Portugals, Savoyens und der Generalstaaten am 13.4.1713, bzw. mit denen des Kaiserreichs am 18.9.1714; die spanischen Vertreter mit denen Englands und Savoyens am 13.7.1713 bzw. mit denen der Generalstaaten am 26.8.1714 (Vertrag von Rastatt). Kaiser Karl VI. erkannte Philipp V. erst im Jahr 1719 an. Vgl. Bély, Les relations, 428. 612 Siehe hierzu Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V. (1711–1714)). 613 Désos spricht für die Jahre 1712–1715 von einer monde cosmopolite am Hof von Madrid: Désos, L’entourage, 511. Sie will in der Privilegierung anderer Nationen als der spanischen eine Strategie erkennen, die von der Princesse des Ursins unterstützt worden wäre. Die ausländischen Akteure seien offener für neue Ideen gewesen als die Spanier (535 und 538). M. E. handelte es sich hier, wenn überhaupt, dann um die strategische Überlegung, Personen ohne eigenes Netzwerk am spanischen Hof und dadurch größerer Abhängigkeit zu bevorzugen. Abgesehen davon, dass die Übertragung des Konzepts der „Nation“ für diese Zeit problematisch ist, war die Frage, ob und wie sie mit dem spanischen Hof vernetzt waren, sicherlich ausschlaggebender als ihre „nationale“ Herkunft. 614 Siehe bspw. Torcy an Pachau, 30.4.1714, MAE CP Espagne 229, 110. Jean-Baptiste Pachau (keine Lebensdaten bekannt): 1713 Sekretär des Botschafters Brancas und 1714 Interimsbotschafter; 1715 Assistent des Botschafters Saint-Aignan. 615 Paul-Hippolyte de Beauvilliers, Duc de Saint-Aignan (1684–1776): pair de France; während des Spanischen Erbfolgekriegs Dienst in der französischen Armee (Oudenarde und Malplaquet); 1714 Begleiter der Elisabetta Farnese (ambassade de courtoisie); 1715–1718 französischen Botschafter in Madrid.
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der Posten des spanischen Botschafters nach vier Jahren Interim erst 1715 neu besetzt616. Mit der Regentschaft Philippe d’Orléans’ sollte die Beziehung zwischen den beiden Höfen schließlich einen rivalisierenden Charakter annehmen; im Jahr 1719 kam es sogar zu einer kurzen militärischen Invasion französischer Truppen auf spanischem Territorium617. Spätestens jetzt waren die spanischen Außenbeziehungen nicht mehr die eines „sich im Schlepptau eines größeren Schiffes befindlichen Beiboots“618, sondern folgten seinem eigenen Kurs. Das zentrale Problem der französischen Einflussnahme am spanischen Hof fasste der Staatssekretär Torcy gegenüber der Princesse des Ursins einmal folgendermaßen zusammen: „In Wahrheit, Madame, hat die Uneinigkeit der Franzosen den [politischen] Geschäften in Spanien mehr geschadet als all die Kabalen ihrer Widersacher, die nur darauf abzielen, diese [Uneinigkeit] aufrecht zu erhalten.“619 Unter den französischen Akteuren, die die Ziele der französischen Krone in Madrid verfolgten, ergaben sich immer wieder Kompetenzüberschreitungen und Konkurrenzsituationen. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass die Hofpolitik und die Außenbeziehungen der spanischen Krone untrennbar miteinander verbunden waren. Dies gilt aufgrund der dynastischen Situation in besonderem Maße für die französisch-spanischen Beziehungen. Ausschlaggebende Kategorien für die Eignung und den Erfolg der beteiligten Personen waren das Vertrauen der Herrscher, ihre Vernetzung und ihr Gespür im Umgang mit dem spanischen Hofadel, Erfahrungen im auswärtigen Dienst und spezifische Kenntnisse, insbesondere der spanischen Sprache. Unter ihnen erscheint die Princesse des Ursins als zentrale Figur620. Beinahe alle Reformen gingen auf ihre Initiative und Vorschläge zurück, sie unterhielt die meisten Korrespondenzen und ihr Aufenthalt war länger als der jedes anderen Akteurs. Die Gründe sind bereits genannt worden: Die Princesse genoss das Vertrauen des Königspaars und ei616 Mit Antonio José del Guidice y Papacoda, Príncipe de Cellamare (* 1651): 1700–1712 Dienst in der spanischen Armee; 1715 caballerizo mayor der spanischen Königin Elisabetta Farnese; 1715 außerordentlicher Botschafter in Versailles. 617 Siehe Ozanam, Les embajadores, 593 und Autrand, Diplomatie française, 418. 618 Duchhardt, Balance, 170. 619 „En vérité, Madame, la désunion des Français a fait plus de tort aux affaires en Espagne que toutes les cabales des malintentionnées qui ne songent qu’à l’entretenir.“ Torcy an Ursins, Marly, 14.9.1703, MAE CP Espagne 125, 115. 620 Dies wird bspw. auch in den Instruktion an Amelot deutlich: In den Beschreibungen beinahe aller Akteure am Hof spielt ihr Verhältnis zur Princesse des Ursins und deren Urteil über sie eine zentrale Rolle. Siehe RDI Espagne II (Amelot), 143–146.
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nen unbeschränkten Zugang zu ihm, sie verfügte über die nötigen politischen Erfahrungen und Netzwerke. Ihre Schlüsselposition in der spanischen Politik zeigt sich deutlich in dem Moment, als mit der Ankunft der neuen Königin Elisabetta Farnese 1714/15 ein Politikwechsel am Hof erfolgte: Die erste Maßnahme musste konsequenterweise die Entfernung der Princesse des Ursins sein. 3.2. Die Korrespondenzen zwischen Versailles und Madrid Wie wurden nun die zum Teil gegensätzlichen Interessen des französischen und des spanischen Hofs ausgehandelt? Wie wurden die Beziehungen frühneuzeitlicher Höfe etabliert, aufrechterhalten und gestaltet? Wie begegnete man der Unsicherheit der Reisewege, der Gefahr von Spionage, dem Risiko der Illoyalität des eigenen Agenten, der sich in der Ferne dem direkten Zugriff entzog? Bis zur Einrichtung der ständigen Gesandschaften um 1500 schickten die Fürsten ihre Vertreter nur für eine bestimmte Zeit und einen speziellen Anlass an einem fremden Hof (ad hoc-Gesandtschaften). Der Ausbau der französischen Präsenz in Europa erfolgte Schritt für Schritt und von 1661 an mehr oder weniger konsequent621. Die ständigen Gesandten oder Botschafter fungierten als personale Repräsentanten ihres Fürsten und als Verhandlungspartner am fremden Hof. Zugleich standen sie mit ihrem Heimathof im stetigen schriftlichen Austausch. Dieser Prozess ist als Zeichen eines ersten „Professionalisierungsschubs“ der Außenbeziehungen interpretiert worden622. Wenn es die Situation erforderte, wurden auch weiterhin Gesandte oder Beauftragte persönlich an den jeweils anderen Hof geschickt. Je nach Natur des Auftrags waren dies hochadelige Personen, Minister oder militärische Befehlshaber623. Diese Reisen waren jedoch kostspielig, dauerten lange, und dem 621 Vgl. Duchhardt, Balance, 21. Zu den Rahmenbedingungen der Entwicklung der Diplomatie seit dem Mittelalter siehe von Thiessen, Überlegungen, 477–487. 622 Siehe etwa Anderson, Rise, 2 ff.; Bély, L’invention; Langhorne, Richard / Hamilton, Keith, The Practice of Diplomacy. Its Evolution, Theory and Administration, London u.a. 1995, 22 ff.; Duchhardt, Balance, 21 f.; Mattingly, Garrett, Renaissance diplomacy, New York 1988, 22 ff.; Schaube, Adolf, Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Gesandtschaften, in: MIÖG 10 (1889), 501–552; kritisch dazu: Fubini, Riccardo, La „résidentialité“ de l’ambassadeur dans le mythe et dans la réalité: une enquête sur les origines, in: Bély, L’invention, 27–36. 623 So zum Beispiel die Missionen des d’Iberville (1709) in Madrid, des Prince de Chalais in Versailles (1712 und 1714) und des Marquis de la Fare anlässlich der Hochzeit des Prince d’Asturies mit der Tochter des Regenten im Jahr 1721; siehe Désos, L’entourage,
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Die Beziehungen zwischen dem französischem und dem spanischen Hof
Umfang der Aufträge waren Grenzen gesetzt. Verhandlungen und Information auf schriftlichem Weg spielten daher eine zunehmend bedeutende Rolle. Im Folgenden werden die Kommunikationskanäle zwischen Versailles und Madrid kurz vorgestellt. Nach einem Überblick über die Verwaltungsstrukturen am französischen Hof wird der umfangreichste dieser Kanäle beleuchtet: der Kanal zwischen dem französischen Botschafter und dem Staatssekretariat in Versailles bzw. Ludwig XIV., auch als canal ordinaire bezeichnet. Nur so kann eine angemessende Einordnung der Korrespondenz erfolgen, die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht – diejenige zwischen Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins. 3.2.1. Le canal ordinaire: der „ordentliche“ Weg „Ich werde nicht mehr darüber sagen; der König will, dass all diese Dinge über die ordentlichen Kanäle (canaux ordinaires) laufen und in Wahrheit will ich das auch.“624
So lautete die Begründung Madame de Maintenons, mit der sie die Bitte der Princesse um Vermittlung beim König im September 1710 zurückwies. Was meinte sie mit den canaux ordinaires? Die Historiographie hat für das Ancien Régime allgemein eine anwachsende und sich ausdifferenzierende Verwaltung beschrieben, mit der eine stärkere Zentralisierung einhergegangen sei. Die letzten Jahrzehnte der Regierung Ludwigs XIV. werden häufig als wichtige Phase im Prozess der so genannten Professionalisierung der Außenbeziehungen gesehen – als eine Phase, in der
733 und 766. Die Offiziere Vendôme und Noailles reisten im Jahr 1710 und 1711 nach Madrid, um als Vermittler zwischen Ludwig XIV. bzw. Torcy und Philipp V. die Friedensverhandlungen voran zu bringen (341 f ). Die Princesse des Ursins berichtete, einen gewissen Monsieur du Casse über die affaires de la guerre et de la cour informiert zu haben: Ursins an Maintenon, o.O., Ende Dezember 1705, Ursins (Geffroy), 221 f. (dieser Brief ist nicht im Bestand der BL). 624 „Je n’en dirai pas davantage; le Roi veut que toutes ces choses-là passent par les canaux ordinaires et en vérité, je le veux bien aussi.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 15.9.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 250. Madame des Ursins fürchtete zu diesem Zeitpunkt erneut, die Gunst Ludwigs XIV. zu verlieren. Die Marquise verwies auf die „ordentlichen Kanäle“ (canaux ordinaires), über die der unsichere Verbleib der camarera mayor geregelt werden solle. Zur Funktion dieses Arguments siehe Kapitel II.3.1. (Der Blickwinkel der Madame de Maintenon).
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sich die „Genese der modernen Diplomatie“625 vollzogen habe626. Einerseits lassen sich in den durchgeführten Verwaltungsreformen Aspekte erkennen, die diese Thesen bestätigen. Gegen die Modernisierungsperspektive wurden von der Forschung allerdings Einwände erhoben627: So wurde etwa bezüglich der praktischen Umsetzung dieser Maßnahmen immer wieder darauf verwiesen, wie häufig normative Vorgaben umgangen wurden. Die neu aufkommenden Ideale und die bisher üblichen Praktiken hätten nebeneinander fortbestanden628. Diese komplexen Transformationsprozesse lassen sich exemplarisch an einer Figur darstellen: dem Staatssekretärs für Auswärtiges, Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy. Mit Hilfe des Fokus’ auf seine Person werden im Folgenden die wichtigsten Aspekte der Debatte um die Professionalisierung thematisiert, ohne einen teleologischen Ansatz zu verfolgen629. Dazu werden beide Seiten des canal ordinaire betrachtet: die Verwaltung in Versailles und die französischen Gesandten in Madrid. Colbert de Torcy: Paradebeispiel eines Minister-Bürokraten? Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Torcy war gut vorbereitet, als er im Jahr 1696 mit 24 Jahren das Amt des Staatssekretärs für Auswärtiges (secrétaire 625 Der französische Begriff diplomatie im heute gebräuchlichen Sinn ist nicht zeitgenössisch, sondern taucht wohl erstmals bei dem Publizisten Linguet (1791), der Begriff diplomate erstmals bei Robespierre (1792) auf. Siehe Haehl, Madeleine, Les affaires étrangères au temps de Richelieu. Le secrétariat d’État, les agents diplomatiques (1624–1642), le ministère des affaires Étrangères, Paris 2006, 197. 626 Vgl. bspw. Barbiche, Les institutions, 235; Béchu, Claire, Les ambassadeurs Français au XVIIIe siècle. Formation et carrière, in: Bély, L’invention, 333–348, 334; Bély, Lucien, Espions et Ambassadeurs au temps de Louis XIV, Paris 1990, 13; Ders., L’art, 292 f.; Duchhardt, Balance, 39; mit Vorbehalt Roosen, William J., The Age of Louis XIV. The Rise of Modern Diplomacy, Cambridge 1976, 55; Rule, John, Colbert de Torcy, an Emergent Bureaucracy, and the Formulation of French Foreign Policy, 1698–1715, in: Louis XIV and Europe, hrsg. v. Ragnild Hatton, London 1976, 261–288, bspw. 261. 627 Siehe hierzu von Thiessen, Überlegungen, 472–475. 628 Siehe von Thiessen, Überlegungen, 480; Dade, Pompadour, 279 f. 629 Diplomatiegeschichtliche Arbeiten verfolgen häufig eine teleologische Fragestellung. Bspw. fragt Rule nach der maturity of bureaucratic governments in the Age of Absolutism: Rule, King, 262. Kugeler spricht von einem „frühen Entwurf eines professionellen diplomatischen Dienstes“: Kugeler, Le parfait ambassadeur, 100. Picavet stellt eine institution ébauchée, non terminée fest: Picavet, La diplomatie, 83. Barbiche macht in dieser Zeit die naissance de notre actuel ministère des affaires étrangères aus: Barbiche, Les institutions, 177. Ähnlich auch Autrand, Diplomatie française, hier: Bd. 1: Villepin, Du Moyen Age à l’Empire.
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d’État des affaires étrangères) von seinem Vater übernahm. Dieses Amt sollte er neunzehn Jahre lang innehaben, weshalb er exemplarisch für die Stabilität stehen kann, die die Besetzung der Ministerposten in dieser Regierungsphase kennzeichnet630. Schon Zeitgenossen bezeichneten ihn als premier ministre631 oder first minister after Maintenon632. Torcy hatte eine umfassende Ausbildung in Geschichte, Philosophie und vier Sprachen genossen. Über seinen Vater, der im auswärtigen Dienst tätig war, konnte er schon früh Erfahrungen sammeln. Der König betraute ihn früh mit Missionen an verschiedenen europäischen Höfen, von denen er bald die meisten bereist hatte. Beim Tod seines Vaters im Jahr 1696 übernahm er als jüngster Staatssekretär für Auswärtiges dieses Amt, das er zunächst noch gemeinsam mit dem Vorgänger seines Vaters ausübte633. Um die rivalisierenden Minister-Clans zu verbinden, arrangierte der König eine Ehe mit CathérineFélicité Arnauld634, der Tochter Pomponnes. Torcys Onkel, der Grand Colbert635, und sein Vater Colbert de Croissy636 hatten bereits im Dienst Ludwigs XIV. gestanden. Die Familie der Colbert stellte eine der „Ministerdynastien“637, aus denen sich im 17. und 18. Jahrhundert die ministerielle Elite rekrutierte. Torcys zielgerichtete berufliche Vorbereitung war außergewöhnlich. Daher ist er als Beispiel einer neuen Generation von „Minister-Bürokraten“ im weberschen Sinn herangezogen worden638. Für Torcy gilt jedoch, was Wolfgang 630 In 54 Jahren der „persönlichen“ Regierung Ludwigs XIV. gab es unter den Staatssekretären nur zwei disgrâces: Pomponne 1679 und Chamillart 1709. Siehe Barbiche, Les institutions, 135. 631 Abbé Gaultier, zitiert nach Rule, Colbert, 280. 632 Matthew Prior (* 1664, † 1721): von 1712–1714 Botschafter in Versailles; zitiert nach Rule, John, King and Minister. Louis XIV and Colbert de Torcy, in: William III and Louis XIV. Essays 1680–1720 by an for Mark A. Thompson, hrsg. v. Ragnhild M. Hatton / Marc A. Thomson, Liverpool 1968, 213–230, hier 213. 633 Es handelt sich um Simon Arnauld, Marquis de Pomponne (* 1660, † 1699); er führte die Geschäfte zunächst weiter bis zu seinem Tod 1699: Rule, King, 218. 634 Cathérine-Félicité Arnauld de Pomponne, keine Lebensdaten bekannt. 635 Jean-Baptiste Colbert (* 1619, † 1683): unter anderem Generalkontrolleur der Finanzen (1665), Staatssekretär der maison du roi, der Marine und des Handels (1668 und 1669); zur Familie der Colbert siehe Colbert, François de, Histoire des Colbert du XVe au XXe siècle, Grenoble 2000. 636 Charles Colbert de Croissy (* 1625, † 1696): Bruder des Jean-Baptiste Colbert, des Grand Colbert; Botschafter in Berlin, Rom und England; folgt 1679 Pomponne als secrétaire d’État des affaires étrangères. 637 Neben den Le Tellier (de Louvois) und Phélypeaux (de Pontchartrain) ; vgl. Bély, Dictionnaire, Artikel „Dynasties ministerielles“, 451–453. Mousnier stellte fest, dass sich im conseil du roi Linien über sechs bis neun Generationen hielten. Siehe Mousnier, Le conseil, 205. 638 Siehe Rule, King, 216.
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Reinhard im Allgemeinen festgestellt hat: dass nicht nur für die Erlangung, sondern auch für die Ausübung eines Amtes Familien- und Klientelbeziehungen nach wie vor unerlässlich waren639. Obschon die Bedeutung einer adäquaten Ausbildung zugenommen hatte, so erfolgte sie im Falle Torcys in erster Linie durch seine familiäre Sozialisierung und ist daher weniger auf formale Institutionen denn auf traditionale Strukturen zurückzuführen. Daher steht seine Person beispielhaft für das Ineinandergreifen von Professionalisierungstendenzen und fortbestehenden familiären und klientelären Logiken in den Verwaltungsstrukturen. Verwaltungsstrukturen am französischen Hof Als secrétaire d’État des affaires étrangères war Torcy einer von vier Staatssekretären am Hof Ludwigs XIV.640. Im zeitgenössischen Sprachgebrauch wurden die Staatssekretäre als ministres bezeichnet, obwohl dieser Titel streng genommen den Mitgliedern des conseil d’en haut vorbehalten war, den sogenannten ministres d’État. Die zeitgenössische Bezeichnung ministre verweist auf die ursprüngliche Bedeutung als „Diener“ des Fürsten, zielt also mehr auf die Rolle, in der die Person auftritt, als auf ein konkretes Amt641. Als höchste Regierungsämter galten neben den Staatssekretären der chancelier (Kanzler) und der contrôleur général des finances (Generalkontrolleurs der Finanzen). Im Untersuchungszeitraum war der Comte de Pontchartrain als chancelier für die Justiz zuständig. Die Finanzen oblagen dem contrôleur général 642 Michel Chamillart und von 1708 an Nicolas Desmarets643. 639 Vgl. Reinhard, Staatsgewalt, 430, etwa 164 und 180. 640 Das Amt des Staatssekretärs hatte sich seit dem 16. Jahrhundert schrittweise vom einfachen Sekretär mit notariellen Funktionen hin zum höchsten Amt der Regierung entwickelt. Seit 1559 wurden die Leiter der Staatssekretariate als secrétaires d’État bezeichnet. Siehe Barbiche, Les institutions, 175 f. Das Amt eines secrétaire d’Etat aux affaires étrangères bestand seit 1626; vgl. Baillou, Jean, Les affaires étrangères et le corps diplomatique Français, 2 Bde., Paris 1984, Bd. 1: De l’Ancien Régime au Second Empire, 58. 641 Zur Herkunft der Begriffe ministère, département und bureaux vgl. Barros, Le département, 82 f. 642 Dieses Amt hatte weitreichende wirtschaftliche und steuerliche Kompetenzen: Es brachte einerseits die Kontrolle anderer Departements mittels Kreditvergabe und andererseits eine umfassende Vernetzung mit lokalen Institutionen und den Intendanten mit sich. Vgl. Dictionnaire de l’Ancien Régime, hrsg. v. Anne Conchon et al., Paris 2004, Artikel „contrôleur général des finances“. 643 Nicolas Desmarets (* 1648, † 1721): 1703 directeur des finances, 1706 contrôleur général des finances, 1715 Entlassung durch den Regenten nach dem Tod Ludwigs XIV.
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Die Staatssekretariate waren für verschiedene Bereiche (départements) zuständig: Haushalt des Königs, Krieg, Marine und auswärtige Angelegenheiten (affaires étrangères). Für das übergreifende Ressort der maison du roi, das den Klerus sowie den königlichen Haushalt umfasste und üblicherweise zusammen mit dem Ressort der Marine vergeben wurde, war Pontchartrain zuständig. Als Staatsekretär für Kriegsangelegenheiten wurde Chamillart im Jahr 1709 von Daniel-François Voysin de la Noiraye abgelöst644. Die thematischen Zuständigkeiten der Ressorts hatten sich schrittweise aus einer zunächst geographischen Aufteilung entwickelt645. Die geographischen Zuständigkeiten bestanden jedoch fort, so dass Kompetenzüberschneidungen und die damit verbundenen Rivalitäten unabwendbar waren. Der Posten eines Staatssekretärs konnte darüber hinaus mit anderen Regierungsämtern kumuliert werden646. Als Staatssekretär für Auswärtiges war Colbert de Torcy fast automatisch auch Mitglied im conseil d’en Haut, dem höchsten königlichen Ratsgremium und wichtigsten Regierungsorgan der Monarchie647. Neben diesem conseil existierten weitere Ratsversammlungen, deren Kompetenzen unter Ludwig XIV. eine schärfere Kontur erhielten648. Die meisten Sitzungen wurden in den travaux du roi (auch liasses) vorbereitet, einer Art Arbeitsgespräche zwischen den Staatssekretären und dem König649. In ihnen wurde der König 644 Siehe Barbiche, Les institutions, 178 f. und 246. Daniel-François Voysin de la Noiraye (* 1654, † 1712): protégé der Maintenon seit 1692; 1701 Unterstützung von Chamillart bei der Verwaltung von St. Cyr, 1708 conseiller d’État, 1709 secrétaire d’État de la guerre und ministre d’État, 1714 chancelier de France und garde des sceaux. Zur Biographie siehe Barros, Le département, 307–317. 645 Siehe Barbiche, Les institutions, 175. 646 Pontchartrain und Chamillart waren zugleich contrôleurs généraux des finances, Voysin zugleich chancelier. Siehe Barbiche, Les institutions, 184. 647 Vgl. Barbiche, Les institutions, 291–300. 648 Poncet unterscheidet die conseils de gouvernement (conseil des dépêches, conseil royal des finances, conseil d’État privé finances et direction), die der König selbst leitete und die übrigen, die vom Kanzler präsidiert wurden. Der conseil de conscience stellte zu dieser Zeit nur noch ein Zwiegespräch des Königs mit seinem Beichtvater dar. Siehe Poncet, Olivier, Artikel „conseil du roi“, in: Bély, Dictionnaire, 320–325. Barbiche weist darauf hin, dass in diesen Gremien in der Regel nur der König und die ministres d’État zusammen kamen. Im conseil privé dagegen versammelten sich sämtliche conseillers d’État und maîtres de requêtes, und damit zwischen vierzig und fünfzig Personen. Vgl. Barbiche, Les institutions, 132 und 291–299. Siehe auch Mousnier, Le conseil, 5 f. Zur Ausdifferenzierung der conseils unter Ludwig XIV. siehe Boislisle, Arthur Michel de, Les conseils du roi sous Louis XIV, Paris 1884. 649 Samoyault, Jean-Pierre, Les bureaux du secrétariat d’État des affaires étrangères sous Louis XV, Paris 1971, 22–26; Antoine, Michel, Le conseil du roi sous le règne de Louis XV, Genf / Paris 1970, 439 f.
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zunächst informiert und traf sodann entweder sofort eine Entscheidung oder vertagte die Angelegenheit für eines seiner Ratsgremien650. Für diese Treffen bot jedes Schloss spezielle Räume; häufig fanden sie, wie bereits erwähnt, in den appartements der Madame de Maintenon statt651. Torcy war ständig zwischen seinen verschiedenen Arbeitsstellen unterwegs: von Versailles nach Marly, Meudon, Saint-Cloud, Saint-Germain-en-Laye oder in sein hôtel in Paris, das ihm für Audienzen auswärtiger Gesandter diente652. Unter Ludwig XIV. büßten die conseils ihre Funktion als Beratungsgremien und Orte der Entscheidungsfindung mehr und mehr ein. Der König bevorzugte die Arbeit unter vier Augen mit seinen Ministern. In Torcys Tagebuch ist zu lesen, dass er den König schon vor dem ersten Zeremoniell des lever über jüngst dechiffrierte Briefe informierte. Mehrfach am Tag rief ihn der König dann zu Besprechungen: nach der Messe, nach dem dîner oder später am Abend in den appartements der Madame de Maintenon653. Im Staatssekretariat für Auswärtiges654 liefen die Informationen aus dem Ausland zusammen, bevor sie zum König gelangten. Zugleich nahm ein Großteil der ausgehenden Post den Weg über diese Stelle. Um die Masse der im secrétariat des affaires étrangères ankommenden Briefe zu bewältigen, stand dem Staatssekretär ein Ressort zur Verfügung655. Dieses bestand wiederum aus etwa einem Dutzend Unterabteilungen (bureaux)656, in denen die Erlasse des Königs verschriftlicht und seine Korrespondenzen geführt wurden. Eine erste 650 Da der König erster Richter war, hatten alle Entscheidungen die Form eines Schiedsspruchs: Mousnier, Le conseil, 9. 651 Siehe hierzu den Tagesablauf der Maintenon in Kapitel I.1.1. (Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles); vgl. auch Barros, Le département, 301; Rule, King, 215. Bély bestreitet dies und bezieht sich dabei (einzig) auf die Memoiren des Duc de Saint-Simon: Bély, L’Art, 295. 652 Vgl. Rule, Colbert, 271 und 273. 653 Vgl. Rule, Colbert, 277 f. 654 Da in der vorliegenden Arbeit insbesondere die Abläufe innerhalb des secrétariat des affaires étrangères von Bedeutung sein werden, kann eine Darstellung dieses Departements genügen. Stattdessen sei für die Verwaltungsstrukturen der französischen Monarchie in ihrer Gesamtheit auf Barbiche, Les institutions, verwiesen. 655 Unter der Leitung eines premier commis waren dort eine Reihe von Sekretären und Übersetzern (einfache commis) beschäftigt. Zum Sekretariat des Staatssekretärs und seiner Leitung durch den premier commis siehe Baillou, Les affaires, 92–106. Die Bedeutung der premiers commis wird auch betont bei: Piccioni, Camille / Delavaud, Louis, Les premiers commis des affaires étrangères au XVIIe et au XVIIIe siècles, Paris 1928. 656 Barros definiert bureau als eine subdivision d’un organisme administratif plus vaste: Barros, Le département, 82. Rule macht folgende bureaux mit eigenem Schriftverkehr aus: bureau des postes, archives politiques (modernes), archives anciennes, bureau de la presse, académie politique, trésorier des ambassadeurs, bureau des affaires économiques, bureau des
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Kontrolle der eingehenden Korrespondenz erfolgte im cabinet noir der königlichen Poststelle, wo die Briefe „verdächtiger Personen“ abgeschrieben wurden. Das bureau des chiffres beschäftigte sich vornehmlich mit der Dechiffrierung und Decodierung ausgewählter Briefe657. Der Staatssekretär fasste die eingetroffenen Depeschen der Botschafter zusammen, um dem König und dem conseil d’en haut Bericht zu erstatten. Nur in Ausnahmefällen las er sie in ihrer Gesamtheit vor658. Schon diese Vorauswahl bedeutete eine gewisse Kontrolle. Am Verfassen der Antworten war Torcy inhaltlich und redaktionell ebenfalls maßgeblich beteiligt: Er hatte die königlichen Erlasse schriftlich gegenzuzeichnen und ihre Expedition zu sichern659. Parallel führte er in seinem eigenen Namen Korrespondenzen mit den Agenten des Königs (agents du roi), jenen Akteuren, die im Gegensatz zum Botschafter vom König für die Führung seiner Geschäfte „nur“ entsandt, aber nicht schriftlich akkreditiert worden waren660. Als „zwangsläufige Vermittler“661 erläuterten die Staatssekretäre diesen Agenten die königlichen Befehle und gaben zusätzliche Anweisungen. Hier ist Torcys Korrespondenz mit der Princesse des Ursins einzuordnen. Der Staatssekretär ließ sich von heimgekehrten französischen Gesandten eine Art Abschlussbericht (relation) nach dem Vorbild der Berichte venezianischer Gesandter (relazioni) vorlegen. Ferner hielt er einmal wöchentlich Audienz für auswärtige Akteure am Hof662. chiffres, bureau des passeports und etwa drei bis vier bureaux, die mit Korrespondenzen beauftragt waren. Vgl. Rule, Colbert, 269–272. 657 Vgl. Rule, Colbert, 269 und 271. 658 Siehe Rule, King, 215. 659 Verfasst wurde die königliche Korrespondenz von vier secrétaires du cabinet, von denen einer die Handschrift des Königs imitieren konnte. Dieser Umstand ist auch von Torcy bekannt. Vgl. Barbiche, Les institutions, 134. 660 In zeitgenössischen Dictionnaires wird ein agent definiert als: „[C]elui qui est commis pour faire les affaires d’un prince, de quelque corps, ou de quelqu’un en particulier. Ce prince n’ai point d’ambassadeur en cette cour, il n’a qu’un agent.“ Furetière, Dictionnaire [Hervorhebung im Original], URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 2.9.2010]. 661 Les secrétaires d’État, intermédiaires obligés entre le roi et ses agents: Barbiche, Les institutions, 191. 662 Siehe hierzu Godefroy, Denis, Cérémonial français. Contenant les cérémonies observées en France aux Sacres & couronnement de Roys, & Reynes, & de quelques anciens Ducs de Normandie, d’Aquitaine & de Bretagne, Paris 1649. Etwa die Hälfte der Themen betrafen laufende Verhandlungen, also bspw. Bündnisfragen, strategische Überlegungen, Territorialansprüche oder Religionsfreiheit. Ein weiteres Drittel stellten finanzielle Fragen im weitesten Sinne dar wie etwa Subsidien, Wirtschaft und Handel, und schließlich wurden Fragen hinsichtlich des Zeremoniells und des Alltags auswärtiger Akteure erörtert. Vgl. Le Blanc, Nathalie, Le corps diplomatique étranger en France: ses structures, ses relations et ses pratiques
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Informationen mussten nicht nur eingeholt, sondern auch gezielt verbreitet werden: Torcy koordinierte die französische „Propaganda“663 – am Hof und europaweit. Ihre Effizienz soll in seiner Amtszeit ihren Höhepunkt erreicht haben664. Gedruckte Zeitungen, deren Artikel Torcy bisweilen selbst diktierte, Literatur, Musik und Kunst dienten der Verbreitung der gloire des Königs und der Rechtfertigung seiner Politik665. Insbesondere der Spanische Erbfolgekrieg war aufgrund seines hohen Aufwands und der militärischen Erfolglosigkeit schwer zu vermitteln. Es galt, auch den „psychologischen Krieg, der die militärischen Operationen begleitete“, zu gewinnen – auch in diesem Punkt hat die Forschung Torcy als Schlüsselperson ausgemacht666. Es ist deutlich geworden, dass der Staatssekretär für Auswärtiges ein zentraler „Knotenpunkt“ im Informationsnetzwerk des Hofes war, allein schon aufgrund der Verwaltungsstrukturen, die nach Max Weber die „Herrschaft im Alltag“667 sichern. Allein in der Form der Organisation wird ersichtlich, wie stark diese höchste Verwaltungsebene durch einzelne Personen geprägt wurde. Torcy war durch die direkte Zusammenarbeit mit dem König in hohem Maße an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt und kontrollierte einen Großteil der Informationen. Seine Einflussmöglichkeiten ergaben sich somit einerseits aus den strukturellen Rahmenbedingungen seines Amtes und andererseits aus seiner Nähe zum Herrscher: Er konnte den König „nicht nicht beeinflussen“668. Doch auch Torcys Macht waren Grenzen gesetzt: Die Zuständigkeitsbereiche des Staatssekretärs für Krieg – dem König zufolge der „bedeutendste Posten des Königreiches“669 – und der Auswärtigen Angelegenheiten waren diplomatiques, janvier 1680-septembre 1715, mémoire de DEA, zitiert nach Bély, L’Art, 291. 663 Der Begriff ist zeitgenössisch, auch wenn sich erst im 18. Jahrhundert seine vormals religiöse Bedeutung in eine politische wandelte. Im Folgenden soll er als Analysebegriff im modernen Sinne verstanden werden: „Der moderne Begriff der Propaganda bezeichnet den gezielten Versuch von Personen oder Institutionen, einen bestimmten Adressatenkreis durch Informationslenkung für eigennützige Zwecke zu gewinnen und diese Zwecke zugleich zu verschleiern.“ Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. v. Gert Ueding, Tübingen 1992–2009, Bd. 7, Artikel: Propaganda, 267. 664 Vgl. Klaits, Propaganda, insbesondere 24 f. und 195 f. 665 Vgl. Klaits, Propaganda, 8. 666 Vgl. Klaits, Propaganda, 207 (Zitat: 27). 667 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, bspw. 285. 668 „Sur cette organisation du travail, la personnalité du secrétaire d’État ne peut pas ne pas influencer le Roi […].“ [Hervorhebung d. V.]: Baillou, Les affaires, 73. 669 Ludwig XIV. an den Erzbischof von Reims, o.O., 29.10.1695, zitiert nach Barros, Le département, 90.
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nicht klar voneinander getrennt. Davon zeugen Torcys Rivalitäten mit Chamillart und Voysin, protégés der Maintenon, die als Staatssekretäre des Krieges zum Teil mit denselben Personen korrespondierten, etwa dem Botschafter in Madrid. Umfangreich über die affaires d’Espagne informiert zu sein, bedeutete, den eigenen Kompetenzbereich dorthingehend erweitern zu können. Daher unterhielt nicht nur der Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten Torcy, sondern auch Staatssekretär Pontchartrain seinerseits Korrespondenzen mit dem spanischen Hof670. Ebenso führte der Sekretär für Kriegsangelegenheiten Michel Chamillart seine „eigenen“ Korrespondenzen mit Madrid – bevorzugt mit Jean Orry –, was immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Staatssekretären führte671. Unter Ludwig XIV. waren politische Entscheidungen stärker durch Personen und ihre Beziehungsgeflechte geprägt als durch Amtskompetenz.672 Die Einbindung der Minister in höfische Kabalen und die Kooperation mit der hochadeligen Hofelite stellten wichtige Faktoren im politischen Aushandlungsprozess dar673. Parallele Einflüsse kamen beispielsweise aus der königlichen Familie: So nutzten der Dauphin, Monsieur oder Monseigneur ihren Einfluss im conseil d’en haut, und Madame de Maintenon konnte in zahlreichen Zusammenkünften mit dem König ihre bisweilen gegensätzliche Position in außenpolitischen Fragen erfolgreich vertreten674. Die Vertreter der französischen Krone in Madrid Als Vertreter Ludwigs XIV. waren von 1700 bis 1715 nacheinander sieben ordentliche bzw. außerordentliche Botschafter (ambassadeurs ordinaires et extraordinaires) sowie ein Gesandter (envoyé extraordinaire)675 am spanischen Hof. 670 AN série B7 (Fonds de la Marine), siehe hierzu Désos, L’entourage, 11. 671 SHD, A1. Siehe hierzu Pénicaut, Chamillart. 672 So Tischer für die Zeit des Westfälischen Kongresses: Tischer, Diplomatie, 54. Dies änderte sich bereits unter Ludwig XV., für dessen Regierungszeit Dade von einer strikten thematische Aufgabenteilung zwischen den Ressorts ausgeht; vgl. Dade, Pompadour, 44. 673 Siehe bspw. Petitfils, Louis XIV, 619–625, 647–655; Le Roy Ladurie, Système de la cour, 275–299. 674 Vgl. Rule, Colbert, 262; Bryant, Marquise, 156 und 170–172. 675 Harcourt, Henri de Beuvron, Marquis d’ (* 1654, † 1718): 1700–1701 ambassadeur extraordinaire; Marsin, Ferdinand, Comte de (* 1656, † 1706): 1701–1702 ambassadeur extraordinaire; Éstrées, César, Cardinal d’ (* 1628, † 1714): 1702–1703 ambassadeur; Éstrées, Jean d’, Abbé de Saint Claude (* 1666, † 1718): 1704–1704 ambassadeur;
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Wie bereits deutlich wurde, vertraten daneben zahlreiche weitere Akteure die Interessen Ludwigs XIV. in Madrid: Gesandte, Militärs, Informanten und Personen mit einem zeitlich und inhaltlich begrenzten Auftrag. Inwiefern unterschied sich ihre Position nun von der des Botschafters? Eine zeitgenössische Definition kann hier weiterhelfen: „Der Botschafter ist also eine öffentliche Person (ministre public), die von einem Fürsten oder einem souveränen Staat (État) auserwählt wurde, in seinem Namen zu einem anderen Fürsten oder souveränen Staat zu gehen, die ihm anvertrauten Geschäfte zu verhandeln, und seine Person dort zu repräsentieren, kraft seiner Akkreditierung (lettre de créance), seinen Vollmachten (pleins pouvoirs) und den Instruktionen (instructions), mit denen er ihn beauftragt.“676 Die Akkreditierung gab dem Botschafter also seinen Titel und wies ihn vor dem fremden Fürsten aus, seine Vollmachten ermächtigten ihn juristisch zum Verhandeln und die persönlichen Instruktionen erläuterten ihm seinen Auftrag677. Die Definition zeigt weiter, dass sich der Botschafter in erster Linie von anderen Agenten des Königs durch die Tatsache unterschied, dass er die Person des Souveräns (und nicht auch das Land) als sein alter ego repräsentierte678. Seine Interventionen mussten daher in einem speziellen Zeremoniell geregelt werden, in dem er als ministre public in Aktion trat. Als solcher genoss er kraft des ius gentium (droit des gens) Immunität679. Gramont, Antoine Charles, Duc de (* 1649, † 1720): 1704–1705 ambassadeur extraordinaire; Amelot, Michel Jean, Marquis de Gournay (* 1655, † 1724): 1705–1709 ambassadeur extraordinaire; Brancas, Louis, Marquis de (* 1672, † 1750): 1713–1714 ambassadeur; Blecourt, Jean Denis, Marquis de (†1719): 1700–1703 und 1709–1711 envoyé extraordinaire. Ursprünglich war der ambassadeur ordinaire mit einem permanenten, der ambassadeur extraordinaire dagegen mit einem temporären Auftrag betraut: vgl. Haehl, Les Affaires, 199. Umstritten ist in der Forschung, ob es einen Rangunterschied zwischen diesen gegeben haben soll: Tischer, Diplomatie, 66, insbesondere Anm. 84. 676 „L’ambassadeur est donc un ministre public choisi par un Prince, ou un État souverain pour aller en son nom vers un autre Prince ou État souverain, négocier les affaires qu’il lui commet, et y représenter sa personne en vertu des lettres de créance, des pleins pouvoirs et des instructions dont il le charge.“ Rousseau de Chamoy, Louis, L’idée du parfait ambassadeur, Paris 1697, 12. 677 Siehe Wicquefort, L’ambassadeur I, 203 f. und 215. 678 Vgl. Picavet, La diplomatie, 398 f. 679 Hotman definiert den Botschafter über diese Eigenschaft: „ [...] sont ambassadeurs proprement ceux qui sous la sûreté de la foi publique autorisée par le droit des gens, sont employés pour négocier avec les Princes ou les Républiques étrangères les affaires de leurs maîtres et y représenter avec dignité leurs personnes et leur grandeur pendant la légation.“ Zitiert nach Haehl, Les affaires, 199.
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Von den Botschaftern, die regelmäßig an ihren Heimathof berichteten680, wurde Selbständigkeit erwartet. Allein schon wegen der Dauer der Korrespondenzen mussten sie häufig aus eigenem Ermessen entscheiden681. Die Eigenständigkeit des französischen Botschafters in Madrid während des Spanischen Erbfolgekrieges ist dabei außergewöhnlich: Er war Mitglied des despacho, des höchsten Regierungsorgans am spanischen Hof, vergleichbar mit dem conseil d’en haut und sollte die spanische Politik nach seinem Gutdünken mitgestalten. Der Botschafter wurde von einem Stab an Mitarbeitern und seinem Sekretär unterstützt, der im Falle seiner Abwesenheit oder seines Todes die Geschäfte weiterführen konnte. Dieser Fall lag vor, als im Jahr 1711 der spanischen Botschafter in Versailles, der Duque de Alba, starb und ihn sein Sekretär Cornejo als chargé d’affaires ersetzte682. Weniger präzise definiert als der Titel des Botschafters waren im 17. Jahrhundert jene des envoyé (etwa Gesandter), commissaire (Kommissar) oder ministre plénipotentiaire (bevollmächtigter Minister) sowie des résident. Ferner gab es die députés, die chargés d’affaires und chargés de mission683. Diese Titel hingen von der Bedeutung ihres Auftrags, aber auch von ihrem Stand ab und konnten sich im Laufe ihres Einsatzes verändern684. Immer wieder entsandte Ludwig XIV. loyale Personen als chargés de mission mit bestimmten Aufträgen 680 Ein Botschafter hatte so oft und so viel wie möglich zu berichten, was in der Regel zwei Briefe in der Woche bedeutete. Dabei verfasste er immer mindestens zwei Briefe gleichzeitig: einen an den König, der einem strengen formalen Aufbau folgte, und einen an den Staatssekretär für Auswärtiges, der freier gestaltet werden konnte. Häufig erhielten zusätzlich weitere Minister oder Personen des Hofes seine Berichte; vgl. Roosen, Functioning, 324. 681 Dies sei ersichtlich in den Instruktionen, die auf der Grundlage der Botschafterkorrespondenzen angefertigt wurden: Vgl. Tischer, Diplomatie, 78. Dagegen argumentiert Duchhardt, Balance, 29: „Diplomaten waren im Ancien Régime meist nicht mehr als der verlängerte Arm ihres Souveräns, [...].“ Ihr gelegentlich doch erforderliches selbstständiges Handeln bezeichnet der Autor als einen „Strukturmangel“ (30), eine stark teleologische Interpretation. 682 Das Gegenstück zum beschriebenen canal ordinaire ist die Verbindung zwischen dem spanischen Botschafter in Versailles und dem consejo de Estado in Madrid bzw. dem spanischen Herrscherpaar. Sie wird hier deshalb nicht ausführlich behandelt, da keine vergleichbare Botschafterkorrespondenz existiert. Ferner ist dieser Kanal in der Korrespondenz der beiden Frauen kaum präsent. 683 Die letzteren Begriffe werden in der Forschung gewöhnlich nicht übersetzt. 684 Für die zahlreichen weiteren Bezeichnungen siehe Baillou, Les affaires, 145 f. Auch der Einsatzort spielte eine Rolle: Nur einem souveränen Fürsten oder einer Republik konnte ein ordentlicher Botschafter geschickt werden, so wie lediglich diesen das Recht zustand, einen Botschafter zu entsenden.
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nach Madrid685. Und Philipp V. zog es während der gesamten Amtszeit seines Botschafters Duque de Alba vor, außerordentliche Gesandtschaften nach Versailles zu schicken, um seine Angelegenheiten zu verhandeln686. Als Vertreter des französischen Königs in Madrid und als Informanten für Torcy fungierten also weitere Personen: Neben den erwähnten königlichen Agenten und den Botschaftssekretären Ozon687 und Pachau688 sowie militärischen Befehlshabern, die sich zeitweilig am spanischen Hof aufhielten, ist nicht zuletzt die Kammerdame der Königin, die Princesse des Ursins, zu nennen. Wie wurden diese Akteure nun hinsichtlich ihres Status’ voneinander unterschieden? Eine zeitgenössische Kategorie ist die des caractère, was in etwa Titel, Würde oder „Dienstkompetenz“ entspricht689 und in diesem Sinne vor allem für den Botschafter verwendet wurde. Caractère besaßen lediglich die ministres (publics), was aus den übrigen Agenten Personen sans caractère machte690. Zu den letzteren gehörte auch die Princesse des Ursins. Ebenfalls zeitgenössisch ist eine Einteilung der Akteure in diejenigen, die durch formale Verfahren qualifiziert wurden und jene, die lediglich auf der Grundlage eines Auftrages (commission),
685 Als chargé de mission im Jahr 1700: Saint-Aignan, Paul Hipplyte de Beauvilliers, Duc de (1684, † 1776); Noailles, Anne-Jules, Duc de (* 1650, † 1708); im Jahr 1704: Chateauneuf, Pierre Antoine de Castagnères, Marquis de (* 1644, † 1728); im Jahr 1707: Brancas, Louis, Marquis de (* 1672, † 1750); im Jahr 1708: Mesnager, Nicolas (* 1658, † 1714); von 1705–1709 und 1713: Orry, Jean, Seigneur de Vignory (* 1652, † 1719); im Jahr 1709: Saint-Olon, François Pidou de (keine Lebensdaten bekannt); von 1709–1710 Iberville, Charles François de la Bonde d’ (* 1653, † 1723); im Jahr 1710: Noailles, Adrien Maurice, Duc de (* 1678, † 1766); von 1711–1713: Bonnac, Jean Louis d’Usson, Marquis de (* 1672, † 1738); von 1714–1715: Saint-Aignan, Paul Hipplyte de Beauvilliers, Duc de (* 1684, † 1776). 686 Bspw. um neue Truppenkontingente zur Unterstützung zu verhandeln. Siehe Baillou, Les affaires, 254. 687 Ozon (keine Lebensdaten bekannt): etwa ab 1700 als Informant Torcys in Madrid; 1701–1703 Sekretär und Übersetzer von Marsin und Blécourt; 1704 im Dienst von Puységur und 1711 von Noailles. 688 Pachau (keine Lebensdaten bekannt): 1713 secrétaire d’ambassade des Marquis de Brancas in Madrid, 1714 Interimsbotschafter in Madrid, sodann secrétaire des Duc de Saint-Aignan. 689 „Il signifie encore, titre, dignité, qualité, puissance attachée à certains états [...] caractère d’Ambassadeur.“ (Hervorhebung im Original) Dictionnaire de l’Académie (1694) I, 146. 690 Die Unterscheidung macht bspw. die Princesse: Ursins an Torcy, Villefranche, 23.9,1701, MAE M&D 104, f. 232; Ursins an Kardinal de Noailles, Madrid 07.4.1703, Ursins (Geffroy), 433. Oder auch: Saint-Simon IV (Coirault) [1705], 346–350.
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möglicherweise nur für kurze Zeit, im Dienst des Königs standen691. Auch die Princesse des Ursins hatte eine solche commission erhalten. Darüber hinaus scheint es sinnvoll, die Kategorie „Schriftlichkeit-Mündlichkeit“ bei der Beschreibung der Akteure mit einzubeziehen: Während Amtsträger schriftliche Instruktionen erhielten692, wurde eine commission nur mündlich vergeben. Nur Botschafter verfügten über schriftliche Ausweise wie die lettre de créance. Im Falle der Agenten sans caractère herrschte größere Flexibilität bei zugleich weniger Verbindlichkeit: Im Falle des Scheiterns würde der Auftraggeber sein Gesicht nicht verlieren693. Die „ordentlichen Kanäle“ (canaux ordinaires) zwischen Versailles und Madrid verliefen also zwischen dem jeweiligen französischen Botschafter oder Gesandten in Madrid und den Ministern bzw. dem französischen König in Versailles. Diese Kanäle unterschieden sich von den höfischen Korrespondenzen darin, dass sie in den Verwaltungsstrukturen bis zu einem gewissen Grad organisiert waren, was auch als Beginn einer modernen Bürokratie interpretiert worden ist. Insbesondere für die Depeschen des Botschafters an den König galten genaue Regeln: Aufbau, Frequenz und Inhalt waren in der allgemeinen Traktatliteratur zum Gesandschaftswesen und häufig auch in den jeweiligen Instruktionen des Botschafters festgeschrieben. Die canaux ordiniares konnten den Kommunikationsbedarf zwischen den beiden Höfen jedoch nicht in ausreichendem Maße decken. 3.2.2. Parallele Kanäle „[I]ch halte es heute für sehr schwierig, dass einer einzigen Person nicht ziemlich viele Dinge entgleiten und ich denke, dass es besser ist, wenn wir in Zukunft alle schreiben.“694 691 Das Dictionnaire de l’Académie française von 1694 definiert commission: „Charge qu’on donne à quelqu’un de faire quelque chose [...]. Il se prend aussi quelquefois pour un emploi qu’on exerce comme y ayant eté commis pour un temps; et alors il s’oppose à office, charge. Ce n’est pas une charge, ce n’est qu’une commission, qu’une simple commission.“ [Hervorhebung im Original]. URL: http://portail.atilf.fr/ [Zugriff: 3.8.2009]. 692 Wie die Botschafter erhielten auch die envoyés und chargés de mission königliche Instruktionen: vgl. RDI Espagne II. 693 Darauf weisen auch Picavet, La diplomatie, 386 und Tischer, Diplomatie, 91 hin. 694 „[ J]e considère aujourd’hui qu’il est très difficile qu’il n’échappe bien des choses à une seule personne, et je trouve qu’il sera mieux dans les suites que nous écrivions tous.“ Ursins an Chamillart, Madrid, 20.11.1705, Ursins (Geffroy), 208 f.
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Diesen Vorschlag machte die Princesse des Ursins nach ihrer Rückkehr nach Madrid im Jahr 1705, als Reaktion auf die Klage eines Staatssekretärs, schlecht informiert worden zu sein. Dabei ging es weniger um eine konkrete Maßnahme, denn um die Beschwichtigung des Ministers. Denn tatsächlich wurden bereits viele Korrespondenzen zwischen den beiden Höfen parallel geführt. Der Blick in die umfangreichen Archivbestände zeigt, dass alle französischen Akteure in Madrid in schriftlichem Austausch mit dem französischen Hof standen695. Frequenz und Intensität hingen jeweils vom Charakter der persönlichen Beziehung der Briefpartner und gegebenenfalls dem Anlass der Korrespondenz ab. Diese zum Teil höchst informationsreichen Briefe fanden parallel zur Depesche des Botschafters ihre Verwendung im Sekretariat für Auswärtiges696: So korrespondierte der Marquis de Louville beispielsweise mit dem Duc de Beauvilliers697, aber auch mit Staatssekretär Torcy und zeitweise mit dem französischen König selbst698. Louvilles Briefe konnten genauso als Grundlage für politische Entscheidungen dienen699 wie die Briefe der Princesse des Ursins700. Auch die Beichtväter Philipps V. waren gefragte Informanten701. 695 Die Korrespondenzen der militärischen und politischen Elite sind in den Archiven des Außenministeriums (AAE), des Service Historique de la Défense (SHD) in Vincennes und in den Archives Nationales (AN) in Paris zu finden. Diese Beständen ergänzen sich. In den spanischen Archiven finden sich Korrespondenzen zwischen Madrid und Versailles im Archivo General de Palacio de Madrid (AGP), im Archivo Historico Nacional (AHN) und im Archivo General de Simancas (AGS). Siehe die das Verzeichnis der unveröffentlichten Quellen im Anhang. Alle diese Korrespondenzen konnten gesichtet werden. Im folgenden werden nur ausgewählte Beispiele herangezogen und ihre Archivierung belegt. Ein systematischer Vergleich kann hier nicht geleistet werden und steht auch nicht im Interesse der Arbeit. 696 Zu diesem Ergebnis gelangt bspw. auch Tischer, Diplomaten, 179, für die „eigentlich private Korrespondenz“ Mazarins mit Servien um 1647/48. 697 Paul Hippolyte de Beauvilliers, II. Duc de Saint-Aignan (* 1684, † 1776): 1671 Ehe mit einer Tochter Colberts, 1685 chef du conseil des finances, 1691 ministre d’État, Erzieher der Ducs de Bourgogne, d’Anjou und de Berry gemeinsam mit Fénelon. 698 Vgl. MAE AE 2–5. Darunter ein mémoire von Louville an Torcy (1701), MAE AE 2, f. 281. 699 Bspw.: Torcy an Louville, o.O., 24.5.1701, MAE AE 2, 296. 700 Siehe Torcy an Ursins, Marly, 6.8.1702, Ursins II (La Trèmoille), 78. 701 So suchte der Duc de Gramont den Austausch mit dem Beichtvater Daubenton, während die Botschafter Amelot und Bonnac sich auf die Informationen des Père Robinet stützten. Siehe bspw.: Gramont an Torcy, o.O., 1.9.1704, AAE, CP Espagne 142, 63; Bonnac über die Rolle des Père Robinet: Mémoire concernant l’État présent de la cour d’Espagne, Bonnac an Torcy, Madrid, 7.8.1713, RDI Espagne II (Bonnac), 214–228, hier 218 f.
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Ferner kann davon ausgegangen werden, dass die französischen Hofangestellten in Madrid, die familia francesa, ebenfalls über Briefe mit ihrem Heimathof Kontakt hielten. Wenn der Marquis de Louville den königlichen Mundschenk und den Chef des französischen Weinkellers in Madrid als gute Informanten lobt702, so wird deutlich, dass innerhalb des französischen Mikrokosmos’ am spanischen Hof Informationen weitergegeben wurden und nach Versailles flossen. Militärische Führer leisteten ebenfalls einen wichtigen Dienst für den direkten und indirekten Informationsfluss zwischen den Höfen. Von ihrem jeweiligen Standort aus schrieben sie nicht nur an die Staatssekretäre und die Herrscher, sondern auch an ihre Verwandten oder Vertrauten in Versailles und Madrid, zu denen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins zählten703. Neben der Botschafterkorrespondenz und dem Briefwechsel der beiden Frauen sticht die so genannte Herrscherkorrespondenz zwischen Ludwig XIV. und seinem Enkel Philipp V. heraus. Sie kann im vorliegenden Fall als Ergänzung bzw. Ersatz der Botschafterkorrespondenz gesehen werden704. Der spanische König stellt sich darin als ratsuchender und noch unerfahrener Herrscher dar, der französische König als erfahrener und ratgebender (groß-)väterlicher Herrscher705. Ihr umfangreicher Briefwechsel ist als secret du roi bezeichnet worden706. Damit ist eine Korrespondenz des Königs mit seinen Botschaftern 702 Diese Briefe selbst sind nicht archiviert worden, lediglich derartige indirekte Hinweise lassen diesen Schluss zu. Vgl. Désos, L’entourage, 270, Anm. 1234. 703 Hier sind insbesondere der Duc de Villars, der Duc de Villeroy, der Duc de Berwick, der Marquis de Bezons, der Marquis de Puysegur, der Duc de Noailles, der Maréchal de Tessé und der Duc de Vendôme zu nennen. Siehe Kapitel I.2.2.4. (Feldpost). 704 Der Bestand umfasst etwa 400 Briefe (Autographe) zwischen 1701 und 1715. AHN Estado 2460–2; MAE M&D Espagne Vol. 126. Diese Korrespondenz wurde kürzlich ediert: La correspondencia entre Felipe V y Luis XIV. Estudio histórico, informático y traductológico, hrsg. v. José Manuel Bernardo Ares et al., Cordoba 2006. Weitere Korrespondenzen Philipps V. finden sich in AHN Estado Francia. In den Briefen Ludwigs XIV. an Königin Maria Luisa wurden dagegen nur selten inhaltliche Aspekte behandelt, und wenn, dann waren die Briefen mit denen an ihren Gatten fast identisch. Siehe bspw. Ludwig XIV. an Philipp V., Versailles, 1.2.1705, AHN Estado 2460/2, no. 6, n. fol.; und Ludwig XIV. an Maria Luisa, Versailles, 1.2.1705, AHN Estado 2460/2, no. 7, n. fol.; oder Ludwig XIV. an Philipp V., Versailles, 1.3.1705, AHN Estado 2460/2, no. 10, n. fol.; und Ludwig XIV. an Maria Luisa, Versailles, 1.3.1705, AHN Estado 2460/2, no. 11, n. fol. 705 Bspw. Ludwig XIV. an Philipp V., Fontainebleau, 20.7.1711, AHN Estado 2460/2, no. 14, n. fol.; oder Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 30.4.1714, AHN Estado 2460/2, no. 5, n. fol. 706 Als secret du roi bezeichnen die Korrespondenz Baudrillart, Philippe V, 8 ff.; Rule, Colbert, 280 f.; Legrelle, La diplomatie; Bourgeois, Emile, La diplomatie secrète au XVIIIe siècle, 3 Bde., Paris 1909–1910, Bd. 1: Les débuts.
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oder anderen Fürsten gemeint, die parallel zum formalisierten Schriftverkehr und ohne Befragung, zum Teil sogar ohne das Wissen des Staatssekretärs geführt wird707. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass der Hauptanteil der königlichen Depeschen ins Ausland von Staatssekretär Torcy oder einem seiner Mitarbeiter verfasst wurde: Torcy erstellte einen Entwurf (minute), den der König kontrollierte, ergänzte und unterschrieb708. Zwar handelt es sich bei den Briefen Ludwigs XIV. an Philipp V. um Autographe; da Colbert de Torcy die Handschrift des Königs aber imitieren konnte und durfte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Briefe tatsächlich aus der Feder des Königs stammten709. Dieser Umstand war auch bekannt: Dem französischen Botschafter zufolge war das spanische Königspaar überzeugt, „dass alle Briefe aus der Hand des Königs auch von Ihnen [Torcy, A.d.V.] entworfen wurden; man gibt sogar vor zu glauben, dass es in früheren Zeiten vorgekommen sei, dass der König sie niemals gesehen oder gelesen habe, was nur dazu dient, das auf das Ministerium abzuwälzen, was man nicht dem König zuschreiben will.“710 Darüber hinaus wussten Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins um die Korrespondenz zwischen dem französischen und dem spanischen König711. Die Bezeichnung secret du roi ist daher fragwürdig. 707 Die Bezeichnung wurde jedoch erst in den 1740er Jahren geprägt und kann nach obigen Kriterien nur für die Herrschaft Ludwigs XV. und unter Umständen für die Regentschaft verwendet werden. In den 1740er und 1750er Jahren wurde das secret du roi vom Cousin Ludwigs XV., dem Prince de Conti geleitet. Sein Nachfolger war der Gesandte am Hof Augusts III. in Polen, der Comte de Broglie (1719–1781). Siehe hierzu Antoine, Michel / Ozanam, Didier, Correspondance secrète du comte de Broglie avec Louis XV (1756–1774), Paris 1956; Broglie, Duc de, Le Secret du Roi. Correspondance secrète de Louis XV avec ses agents diplomatiques, Paris 1878; Bourgeois, Émile, La diplomatie secrète au XVIIIe siècle, 3 Bde., Paris 1909–1910. 708 Baudrillart, Philippe V., 9 f. 709 Vgl. Rule, Colbert, 282; Baudrillart, Rapport 49. 710 „[...] qu’on ne soit même persuadé, quelque chose que je puisse dire, que toutes les lettres de la main du Roi sont aussi de votre composition; on fait même semblant de croire qu’il en est venu dans les temps précédents, que le Roi n’a jamais vues, ni lues, ce qui n’est que pour rejeter sur le ministère ce qu’on ne veut pas attribuer au roi.“ Bonnac an Torcy, o.O., 30.5.1712, MAE CP Espagne 214, f. 155, zitiert nach Baudrillart, Rapport, 49. 711 Bspw.: „S[a] M[ajesté] mande au Roi son petit-fils qu’il n’y a pas d’apparence que Milord Marlborough veuille hazarder une bataille.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 24.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 283; oder auch: Ursins an Maintenon, Retiro, 7.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 256; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 257.
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Philipp V. korrespondierte darüber hinaus mit weiteren Mitgliedern der französischen famille royale: mit seinem Vater, dem Dauphin, seinem Onkel, dem Duc d’Orléans712, und dem Bruder seines Großvaters (Monseigneur) sowie mit seinen Brüdern, dem Duc de Berry und dem Duc de Bourgogne713. Das Ehepaar Bourgogne schrieb ihm regelmäßig und detailliert, „um ihn auf dem Laufenden zu halten, was am Hof passiert“714. In diesen Briefen wird deutlich, dass Familien- bzw. dynastische Angelegenheiten nicht von politischen zu trennen sind. Mit seinen Gesandten in Versailles korrespondiert Philipp V. hingegen nur, wenn es die politischen Umstände erforderten715. Madame de Maintenon Auch Madame de Maintenon unterhielt zahlreiche Korrespondenzen mit dem spanischen Hof, und zwar – abgesehen von der Princesse des Ursins – mit dem Königspaar Philipp V. und Maria Luisa sowie mit Kardinal Portocarrero, mit dem Marquis de Louville und in unterschiedlichem Maße auch mit den französischen Botschaftern. In ihrer Korrespondenz mit dem Königspaar selbst716 ging es in erster Linie um die Vermittlung zu Ludwig XIV.; der junge König bat die Marquise, „ihm auch weiterhin ihre guten Dienste beim König zu erweisen und ihm seine Freundschaft zu erhalten“717. Sein Geburtsjahr war 1683, das Jahr der 712 AN, Série K 121 no 42; AHN leg. 2454 (1707–1723). 713 Siehe Baudrillart, Rapports, 71 und 79 f.; ders., Philippe V, 16 f. Zum Teil wurden diese Briefe ediert, zur Kritik der Editionen vgl. ders., Philippe V, 28 f. Siehe das Verzeichnis der veröffentlichten Quellen im Anhang. 714 „[...] pour vous tenir un peu dans le fil de ce qui se passe à la cour.“ Duc de Bourgogne an Philipp V., Versailles, 2.9.1701, Bourgogne (Baudrillart), 7. 715 Die Korrespondenzen mit dem Comte d’Aguilar, dem Kardinal del Guidice, dem Comte de Bergeyck, dem Duque de Osuna und dem Duque de Monteleone befinden sich verstreut in den Beständen des AGS Estado Holanda 6174–6177, Estado Inglaterra 6822–6829 und Estado Francia 4301–4308. Auch der Duc de Noailles berichtete dem spanischen Königspaar regelmäßig, insbesondere während der Kampagne in Katalonien: AHN Estado, leg. 2460–1. 716 Die Kopien von 21 Briefen von Philipp V. an Madame de Maintenon sowie einem Brief des Prinz von Asturien finden sich im MAE M&D Espagne 106 (1701–15). Die Antworten der Marquise sind nicht mehr aufzufinden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie eine regelmäßige und umfangreiche Korrespondenz führte. Siehe auch Baudrillart, Rapport, 37 f. 717 „Je vous prie de vouloir bien continuer toujours vos bons offices pour moi auprès du Roi, et me ménager son amitié, […].“ Philipp V. an Maintenon, Buen Retiro, 21.4.1701,
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morganatischen Eheschließung der Marquise mit dem König. Philipp war am Hof von Versailles aufgewachsen und hatte im Laufe der Jahre vermutlich eine vertrauensvolle Beziehung zur Marquise aufgebaut, weshalb er diesen Kanal von Madrid aus weiterhin als Zugang zu seinem Großvater nutzte. So schickte er Madame de Maintenon gelegentlich seine Briefe zur Weiterleitung an den König718 oder bat sie bisweilen „alles noch einmal zu lesen und darüber nachzudenken“719. Ihren Worten maß er in verschiedenen Belangen Gewicht bei: Im Jahr 1705 sollte sie sich beispielsweise dafür verwenden, dass Ludwig XIV. ihm die Verstärkung der französischen Truppenpräsenz in Spanien zugestehe720. Als im Jahr 1713 ein neuer Botschafter für Madrid gefunden werden musste, legte Philipp V. Madame de Maintenon die Vorzüge seines Wunschkandidaten Amelot dar und bat um ihre Fürsprache beim König721. Sie könne ihm dabei helfen, zu erreichen, worum er Ludwig XIV. bäte722. Der junge König thematisierte in seinen Briefen an die Marquise konkrete Probleme seiner Herrschaftsführung, beispielsweise als in der Anfangszeit seiner Regierung die Finanzen des Königreichs geregelt werden mussten723. Dabei scheint er sich ihrer Diskretion sicher gewesen zu sein: Wohl im Zusammenhang der Angriffspläne gegen Gerona schrieb er im Jahr 1711, dass die Angelegenheit, um die es ginge, sie die Notwendigkeit der Geheimhaltung verstehen lassen würde724. Madame de Maintenon hatte von seinen „geheiMAE M&D Espagne 106, f. 9. Fragwürdig ist m. E., darauf zu schließen, dass Maintenon das matriarchal vacuum created by the death of Marie-Thérèse in 1683 füllte; vgl. Bryant, Marquise, 162. 718 Philipp V. an Maintenon, Buen Retiro, 13.4.1709, MAE M&D Espagne 106, f. 32; oder: Philipp V. an Maintenon, Madrid, 28.7.1709, MAE M&D Espagne 106, f. 36. 719 „Je m’adresse encore à vous pour rendre au Roi deux lettres que je lui écris, comme je ne doute pas qu’il ne vous les communique, vous verrez […] si vous voulez bien, comme je vous en prie, relire tout et faire vos réflexions.“ Philipp V. an Maintenon, o.O., n. dat. (wahrscheinlich April 1709), zitiert bei Baudrillart, Rapport, 33. Ähnlich auch: Philipp V. an Maintenon, Madrid, 10.12.1708, MAE M&D Espagne 106, f. 29. Siehe auch Kapitel III.1. (Die Verhandlungen um Truppen (1705–1709)). 720 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, MAE M&D Espagne 106, f. 20. 721 Philipp V. an Maintenon, Madrid, 10.4.1713, MAE M&D Espagne 106, f. 42. 722 „J’espère, Madame, que vous voudrez bien m’aider à obtenir ce que je lui demande […].“ Philipp V. an Maintenon, Madrid, 16.3.1714, MAE M&D Espagne 106, f. 46. 723 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 28.6.1701, MAE M&D Espagne 106, f. 12. 724 „L’affaire dont il y a question vous fera comprendre l’importance du secret.“ Philipp V. an Maintenon, o.O., 30.1.1711, MAE M&D Espagne 106, f. 36; oder: Im Jahr 1708 teilt er ihr seine militärischen Pläne mit, die der Duc d’Orléans offen kritisiert hatte, weil er sich bei ihr der Geheimhaltung sicher sein könne: „[…] cela va trop loin pour que je n’en avertisse pas le Roi mon grand-père.“ Philipp V. an Maintenon, Buen Retiro, 13.8.1708, MAE M&D Espagne 106, f. 26–27 (Zitat f. 27). In diesem und
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men“ Verbindungen nach Versailles Kenntnis: Mehrmals bat sie Philipp V. darum, dass sein Botschafter in Paris, der Duque de Alba, weder vom König noch von den französischen Ministern erfahre, dass er eine andere Person mit parallelen Verhandlungen beauftragt habe725. Bisweilen schien sie vom König mit der Antwort nach Madrid betraut worden zu sein726. Madame de Maintenon genoss also das Privileg, in den Austausch zwischen den beiden Herrschern eingeweiht zu sein – und zwar in stärkerem Maße als die zuständigen Minister. Ebenfalls eingeweiht war Königin Maria Luisa. Philipp V. verwies häufig auf die Briefe seiner Gattin, etwa um ein langes Schweigen oder einen besonders kurzen Brief zu entschuldigen: Maria Luisa schreibe ja dasselbe727, versicherte er dann. Tatsächlich führte jene eine noch intensivere Korrespondenz mit Madame de Maintenon728, die auffälligerweise im Jahr 1704 und 1705 – als die Princesse des Ursins nicht am spanischen Hof weilte – am ausführlichsten war. In den Briefen ging es in erster Linie um Ereignisse und Nachrichten des spanischen Hofes. Ähnlich wie jener bei Ludwig XIV. inszenierte Maria Luisa sich als Ratsuchende bei der Marquise729. In zwei konkreten Fällen konnte die junge Königin ihre Korrespondenz auch nutzen, um ein Anliegen durchzusetzen: So erreicht sie im Jahr 1704/1705 durch monatelange Bitten die Rückkehr ihrer camarera mayor, der Princesse des Ursins730 und im Jahr 1709 dem darauffolgenden Jahr waren Gerüchte um dessen Ambitionen auf den spanischen Thron sowie einer Verschwörung laut geworden. 725 Vgl. Philipp V. an Maintenon, o.O., 3.6.1709, BMV Ms. 1491 P 67, f. 177–178. Genauso verhielt es sich im Jahr 1714, als Philipp V. wiederum zwei außerordentliche Gesandte mit einer Mission nach Frankreich schickte, die dem spanischen Botschafter nicht bekannt war: Madame de Maintenon war eingeweiht, sollte die Gesandten empfangen, mit ihnen alle Details ihrer commission besprechen und sich sodann bei Ludwig XIV. für das Anliegen des spanischen Königs einsetzen. Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 29.3.1714, MAE M&D Espagne 106, f. 51; und: Philipp V. an Maintenon, Madrid, 11.4.1714, MAE M&D Espagne 106, f. 53. 726 Dies lässt aus folgender Bemerkung schließen: „Le Roi ne me charge point de la réponse, mais j’ai cru devoir dire à V. M. […].“ Maintenon an Philipp V., o.O., nicht dat. (wahrscheinlich 1714), zitiert bei Baudrillart, Rapport, 31 f. 727 Bspw.: Philipp V. an Maintenon, Buen Retiro, 27.4.1703, MAE M&D Espagne 106, f. 17. 728 MAE M&D Espagne 128, f. 55–280. 729 Sie solle ihr offen und ehrlich sagen, was man über sie spräche und was sie tun müsse, um ihre Fehler zu korrigieren: Maria Luisa an Maintenon, Buen Retiro, 8.5.1705, MAE M&D Espagne 128, f. 66. 730 Siehe die 14 Briefe Maria Luisas an Maintenon zwischen September 1704 und September 1705: MAE M&D Espagne 128, insbesondere: Maria Luisa an Maintenon,
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scheinen ihre Briefe ebenfalls die Entscheidung Ludwigs XIV., die Princesse in Madrid zu belassen, beeinflusst zu haben731. Auffällig ist, dass die Briefe der spanischen Königin gelegentlich im Wortlaut denen der Princesse des Ursins an Madame de Maintenon gleichen732. Denkbar ist, dass die Princesse der jungen Königin beim Verfassen ihrer Korrespondenz behilflich war, was auch ihre gelegentlichen Bemerkungen über deren Fortschritte erklären würde. Die Korrespondenz zwischen Madame de Maintenon und dem spanischen Königspaar zeigt in jedem Fall, dass ihren Worten Gewicht zugeschrieben wurde. Anliegen oder Informationen, die von Bedeutung waren, gingen daher nicht nur direkt an Ludwig XIV., sondern parallel auch an Madame de Maintenon733. Zu einem vergleichbaren Ergebnis ist die Forschung im Falle der placets an den König gekommen: Diese gingen ebenfalls parallel und meist in der ausführlicheren Form zusätzlich an Minister und Mätressen734. Madame de Maintenons Rolle gleicht hier der eines Günstlingministers und rückt sie zugleich in die Nähe der Ehefrau des Königs. Denn nach dem Tod Maria Luisas und der disgrâce der Princesse regte Ludwig XIV. selbst indirekt einen Briefwechsel zwischen der neuen spanischen Königin Elisabetta Farnese und Madame de Maintenon an735. Erst nach langem Drängen von verschiedenen Madrid, 19.9.1704, MAE M&D Espagne 128, f. 56–58; Madrid, 4.3.1705, MAE M&D Espagne 128, f. 62–65. 731 Siehe bspw. die Briefe des Jahres 1709: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 30.8.1709, MAE M&D Espagne 128, f. 251–254; Madrid, 16.10.1709, f. 255–257. 732 Bspw. bezeichnete die Princesse die Marquise als „schlechte Verwandte“ (mauvaise parente), als diese einmal ihre Rolle als Patronin nicht erfüllte. Dieser Vorwurf und derselbe Ausdruck wurden von Maria Luisa etwa drei Wochen später wiederholt. Vergleiche: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.12.1709, Correspondence (Loyau), 358; Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 12.1.1710, MAE M&D Espagne 128, f. 262. 733 Bspw. in der Verhandlung um neue Truppen: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 17.6.1709, MAE M&D Espagne 128, f. 249; oder: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 12.1.1710, MAE M&D Espagne 128, f. 262. Zu diesen parallelen Verhandlungen siehe Kapitel III.1. (Die Verhandlungen um Truppen (1705–1709)). 734 Vgl. Engels, Jens Ivo, Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, Bonn 2000, 30. 735 „[…] che il Re di Francia avrebbe un sommo piacere, che la regina scrivesse alla stessa, come appunto praticava la Regina defunta, […].“ Francesco Farnese an Alberoni, Piacenza, 8.2.1715 (Entwurf ). ASN, F, 56/I (già 58), fasc. 1. Der Vorschlag stieß zunächst auf den Widerstand Elisabettas, die sich weigerte, „der Alten“ zu schreiben: „In quanto a Mad[am]a di Maintenon non ho potuto vincere S[ua] M[aestà], avendomi risposto oggi, che in quanto al Re suo avo gli bacierà i piedi se vuole però che non scriverà mai alla vecchia.“ Alberoni an Francesco Farnese, Madrid, 4.3.1715. ASN, F, 56/I, f. 1.
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Seiten willigte sie ein736. Diese „Fortsetzung“ des Briefwechsels deutet auf die „Einrichtung“ einer Korrespondenz zwischen den zwei Ehefrauen der Monarchen hin. Madame de Maintenon korrespondierte auch mit dem jeweiligen französischen Botschafter in Madrid. Mit dem Duc d’Harcourt737 und dem Comte de Marsin existierte offensichtlich ein Briefwechsel, da Philipp V. bisweilen in seinem Brief an die Marquise darauf verweist, dass ihr der Botschafter ja noch genaueres berichten werde738. Dass der Botschafter Amelot de Gournay von Zeit zu Zeit an sie schrieb, lässt sich aus ihrer Korrespondenz mit der Princesse des Ursins herauslesen739. In jedem Fall erreichten sie seine Depeschen indirekt: Der König wollte, dass der Marquise die Briefe der Botschafter oder einzelne Abschnitte daraus vorgelesen wurden740. Es kann festgehalten werden, dass Madame de Maintenon für Madrid ein zusätzlicher Korrespondenzpartner am Hof von Versailles war, neben dem Kanal zum Staatssekretär, zu anderen Familienangehörigen oder dem König selbst. Sie war – offensichtlich ohne Einschränkungen – in die affaires d’Espagne eingeweiht und sollte auf Wunsch des Königs auf dem Laufenden gehalten werden. Für die Bereitstellung dieser Abschriften dankt die Verfasserin Frau Eva Ott herzlich. 736 Vgl. Francesco Farnese an Alberoni, Piacenza, 29.4.1715. ASN, F, 56/I, f. 2. 737 Henri d’Harcourt, Marquis de Beuvron (* 1654, † 1718): 1700 duc, 1703 maréchal, 1710 pair. 738 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Perpignan, 14.12.1702, MAE M&D Espagne 106, f. 16. Aus dem Jahr 1704 ist ein compliment der Madame de Maintenon erhalten, in dem sie ihn zu einer königlichen grâce beglückwünscht, ihm aktuelle militärische Nachrichten mitteilt und ihren Unmut über die schlechte Zusammenarbeit zwischen dem aktuellen Botschafter in Madrid und „unserer Madame des Ursins“ ausdrückt: Maintenon an Marsin, Marly, 11.1.1704, BL Add. Ms. 61567, f. 1. Siehe auch Marsins Bemerkung in Marsin an Torcy, 24.1.1.1701, MAE M&D Espagne 106, 125. 739 Bspw.: „PS: Voici, Madame, une lettre pour vous de M. l’ambassadeur dont j’espère que vous serez contente.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 358. 740 „Je porterai le paquet au Roi sans ouvrir la lettre adressé a S[a] M[ajesté]. Elle me commanda d’en faire la lecture en présence de Madame la duchesse de Bourgogne et de Madame de Maintenon.“ Torcy, o.O., 24.5.1710, Torcy (Masson), 186. Dies galt zum Beispiel auch für die Briefe des Marquis de Louville, der ursprünglich allein Torcy und dem König hatte berichten sollen, dessen Briefe der Marquise jedoch oft vollständig oder in Auszügen vorgelesen wurden: „Le Roi, à qui j’en montre régulièrement les passages essentiels, se les fait souvent lire tout entières, et il en fait extraits pour Madame de Maintenon.“ Torcy an Louville, zitiert in: Mémoires secrètes sur l’établissement de la maison de Bourbon en Espagne. Extraits de la correspondance du marquis de Louville, hrsg. v. Comte S. du Roure, 2 Bde., Paris 1818, Bd. I, 16.
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Die Princesse des Ursins Die Bemerkung der Princesse des Ursins, ihr hätten „tausend Leute“ von der Freude des spanischen Botschafterpaars anlässlich der Geburt des spanischen Thronfolgers berichtet741, ist zwar hyperbolisch, verweist jedoch – wie auch andere Stellen – darauf, dass die Princesse sehr viel mehr Post aus Versailles erhielt, als heute rekonstruiert werden kann742. Unter ihren Korrespondenzen mit verschiedenen französischen Hofdamen743 sind insbesondere die mit Anne Elisabeth d’Elboeuf, Princesse de Vaudemont744 und der Maréchale de Noailles745 zu erwähnen. Mit der ersten führte die Princesse einen regelmäßigen Briefwechsel, der hinsichtlich seines Umfangs mit jenem mit Madame de Maintenon vergleichbar ist746. Mit der Maréchale de Noailles hatte sie schon vor ihrer Zeit in Madrid einen regelmäßigen Briefwechsel geführt und sie als Zugang zu Madame de 741 „Ce n’est pas seulement vous, Madame, qui m’avez fait l’honneur de m’écrire tous les transports de M. et de M[ada]me la Duchesse d’Albe. Mille gens m’ont représenté le mari et la femme ravis jetant tout par les fenêtres et ne trouvant pas qu’ils fassent encore assez pour montrer au public la satisfaction qu’ils avaient d’un si heureux événement; M. de Torcy m’en fait une relation fort longue.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 328. 742 Auch die Nachricht von der siegreichen „Schlacht von Denain“ habe sie, so die Princesse einmal an Torcy, schon aus vielen Briefen aus Paris erfahren, bestätigt habe es ihr allerdings erst der courrier des Staatssekretärs vom Vortag: Ursins an Tessé, Buen-Retiro, 7.8.1712, Ursins (Masson), 28. In der bataille de Denain (Flandern, heute Nordfrankreich) schlug der Maréchal de Villars am 24. Juli 1712 die habsburgischniederländischen Truppen unter Prinz Eugen. 743 Einer von zahlreichen Hinweisen in: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.3.1707, BL Add. Ms. 20918, 233. 744 Anne Elisabeth d’Elboeuf (* 1649, † 1714): 1669 Heirat mit Charles Henri de Lorraine, Prince de Vaudemont (* 1649, † 1723). 745 88 Briefe aus den Jahren 1698 bis 1714 der Princesse an die Maréchale de Noailles finden sich in Ursins (Geffroy), passim. 746 Wenn auch vermutlich nur zu einem Bruchteil erhalten, so geben die Briefe doch einen Hinweis darauf, dass ein regelmäßiger Informationstransfer stattfand und Patronage geleistet wurde. Beispiel für Patronage massiv in: Ursins an Princesse de Vaudemont, Corella, 5.10.1711, BL Add. Ms. 22055, f. 8–9. Beispiel für detaillierte politische und militärischen Information: Madrid, 17.12.1712, BL Add. Ms. 22055, f. 16. Bspw. versprach die Princesse gleich für mehrere gemeinsame Bekannte Posten in Madrid und „korrigiert“ eine falsche Aussage des Comte de Bergeick, der zu dieser Zeit mit den Finanzen der spanischen Monarchie betraut war, über die Pension für den Prince de Vaudemont: Ursins an Princesse de Vaudemont, Corella, 5.10.1711, BL Add. Ms. 22055, f. 7, Madrid, 26.2.1713, BL Add. Ms. 22055, f. 20.
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Maintenon genutzt747. Nach der Aufnahme der Korrespondenz mit der Marquise wurde dieser Briefwechsel sporadischer. Bis zum Jahr 1705 tauschten sich die beiden weiterhin gelegentlich über Hofereignisse und gemeinsame Bekannte aus. Dabei ging es der Princesse insbesondere um die Wahrung ihres Ansehens am französischen Hof: Gegenüber der Maréchale de Noailles wie auch dem Kardinal de Noailles748 rechtfertigte die Princesse immer wieder ihr eigenes Verhalten749. Als die Verständigung mit Madame de Maintenon im Jahr 1708 zeitweilig schwieriger wurde, versuchte die Princesse, über die Maréchale de Noailles am Hof von Versailles für ihren Standpunkt zu werben750. Die Korrespondenz der Princesse des Ursins mit den französischen Staatssekretären ist derart umfangreich und inhaltlich detailliert, dass die Vermutung naheliegt, dass sie in den französisch-spanischen Beziehungen vorgesehen gewesen war. Die Minister schrieben ihr nicht in erster Linie, weil sie ihrem Netzwerk angehörten, sondern weil die Princesse eine Stellung in Madrid inne hatte, die sie für die politischen Geschäfte der französischen Krone unentbehrlich machte. In diesen Briefen ging es zunächst um die politischen Angelegenheiten: Gegenüber dem secrétaire d’État de guerre Chamillart751 kritisierte sie beispielsweise einmal die Tatsache, dass er so wenig über die Details der Geschäfte dieses Landes informiert sei, weshalb sie diesen Missstand beheben wolle. Daraufhin entschied sie, dass die Berichte des Botschafters allein nicht ausreichten und dass in Zukunft besser alle nach Versailles schreiben sollten752. Dieser Überlegung schien zumindest vom Jahr 1705 an, dem Jahr der Rückkehr der Princesse nach Madrid, Rechnung getragen worden sein. Cha747 Vgl. Kapitel I.1.2. (Pour le service de mon Roi: Die Princesse des Ursins in Madrid). 748 Etwa rechtfertigte sie sich in einem langen Brief von 1703 selbstbewusst und wütend bezüglich der Vorwürfe der d’Éstrées: Ursins an Kardinal de Noailles, Madrid, 7.4.1703, Ursins (Geffroy), 453–458. 749 Bspw. nach dem Verlust Barcelonas im Oktober 1705, als sie darauf hinwies, dass es an ihr nicht gelegen hätte, da sie auf den Bedarf an Unterstützung hingewiesen hätte; Ludwig XIV. hatte dem spanischen König die Unterstützung seiner im Roussillon stationierten Truppen verwehrt: Ursins an Maréchale de Noailles, Madrid, Okt. 1705, Ursins (Geffroy), 207. 750 Bspw.: Ursins an Maréchale de Noailles, Madrid, Buen-Retiro, 27.9.1708, Ursins (Geffroy), 351–356. 751 26 Briefe der Princesse an Chamillart der Jahre 1705–1709 finden sich in Ursins (Geffroy), 186–364. 752 „Orry a cru qu’il devait laisser à M. l’ambassadeur tout le soin d’écrire. J’ai pensé la même chose à mon égard; je considère aujourd’hui qu’il est très difficile qu’il n’échappe bien des choses à une seule personne, et je trouve qu’il sera mieux dans les suites que nous écrivions tous.“ Ursins an Chamillart, Madrid, 20.11.1705, Ursins (Geffroy), 208 f.
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millart hatte sie im Moment ihrer Abreise noch Ratschläge für die Besetzung des Amts des mayordomo mayor753 gegeben. Nach ihrer Rückkehr korrespondierte sie mit ihm dann beinahe ausschließlich über militärische Ereignisse. Dabei erscheinen ihre Briefe häufig wie ein Kommentar zur Strategie Philipps V.: So klingen ihre detaillierten Erläuterungen zur Revolte in Katalonien, als wolle sie die Reaktion des Königs rechtfertigen, der von den Planungen des Staatssekretärs abgewichen war754. Ihre ausführlichen Briefe an Chamillart erklärte sie denn auch einmal damit, dass sie ihm „über unsere Art zu denken berichten“755 wolle. Die camarera mayor war dabei in die ministeriellen Korrespondenzen eingeweiht und schrieb in Abstimmung mit dem Botschafter und Orry nach Versailles: „Ich werde sie über nichts informieren, was Wiederholungen von dem wären, was sie in den Briefen von Monsieur Amelot und Monsieur Orry lesen.“756 Dieser zusätzliche Nachrichtentransfer wurde erwartet, wie die Eingangsworte der Briefe vermuten lassen757. Im Gegenzug informierte sie der Staatssekretär auch über seine Projekte – selbst hochvertrauliche wie die affaire d’Ecosse758. Dass die Staatssekretäre Chamillart und Pontchartrain mit Hilfe ihrer Korrespondenzen nach Madrid auch die Kompetenzstreitigkeiten zwischen ihren Ressorts austrugen, war der Princesse bewusst: Chamillart habe ihr einen informativen Brief geschrieben, so die Princesse einmal an Madame de Maintenon, was ein „höchst geistvoller Seitenhieb gegen meinen Freund Monsieur de Pontchartrain“759 gewesen sei. Mit den Staatssekretären Pontchartrain und 753 Ursins an Chamillart, Berlanga, 29.7.1705, Ursins (Geffroy), 194 f. 754 Ursins an Chamillart, Madrid, 20.11.1705, Ursins (Geffroy), 209–211. 755 Ursins an Chamillart, Madrid, 8.12.1705, Ursins (Geffroy), 217. 756 Beispiel: „Je ne vous informerai de rien, ce ne serait que des redites de ce que vous lisez dans les lettres de M. Amelot et de M. Orry.“ Ursins an Duc de Gramont, Madrid, 3.9.1705, Ursins (Geffroy), 197. 757 „Je n’ai rien de bon à vous apprendre de ce pays-ci.“ Ursins an Duc de Gramont, Madrid, 9.10.1705, Ursins (Geffroy), 204. 758 So dankt ihm die Princesse einmal für die detaillierten Berichte darüber. Ursins an Chamillart, Madrid, 31.3.1708, Ursins (Geffroy), 331. 759 „[…] un coup de griffe fort spirituellement à mon ami M. de Pontchartrain qu’il sait que j’aime.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 10.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 344. In einem anderen Zusammenhang hätte ihr Chamillart im Scherz vorgeworfen, dass er militärische Neuigkeiten von ihr erfahren habe: „Ihr Freund Pontchartrain, der über die affaires de terre besser informiert ist als über die affaires de mer, hat Sie bestimmt vorgewarnt…“ seien die Worte Chamillarts gewesen, die der Princesse in ihrem Brief an Madame de Maintenon ein Zitat wert waren: „Votre ami M. de Pontchartrain qui est mieux informé des affaires de terre que de celles de mer, vous aura sans doute averti… (je ne me souviens pas de quoi) vous m’avouerez, Madame,
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Voysin gab es anscheinend keine regelmäßigen Korrespondenzen, wohl aber schrieb die Princesse an die beiden, wenn sich eine Gelegenheit bot760 oder sie sich bei Ludwig XIV. für ihren Standpunkt einsetzen sollten761. Mit Jean Orry tauschte sie sich von dem Zeitpunkt an, da er nicht mehr in Madrid weilte, regelmäßig aus. Sie gab militärische Nachrichten, die in Madrid eintrafen, weiter, unterrichtete ihn detailliert über die politischen Geschäfte und bat um seine Einschätzung762. Mit einigen ehemaligen französischen Gesandten wie dem Comte de Marsin763 führte die Princesse den Kontakt schriftlich fort. Mit dem Duc de Gramont764 etablierte sich ein wöchentlicher Austausch765. Gramont hatte ihr im Jahr 1701 versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten, was die Geschehnisse in Paris beträfe766, ein Versprechen, das er auch während ihrer disgrâce
que c’est un joli coup de griffe; […].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 358. 760 Ein compliment zu seinem Amt, verbunden mit einem Dank für die französische Truppenunterstützung: Ursins an Voysin, Madrid, 5.7.1709, Ursins (Geffroy), 368. 761 Bspw. schrieb sie in der Angelegenheit um den Chevalier d’Espennes gleichzeitig an Pontchartrain, den Duc de Noirmoutier und den Kardinal de Janson: Ursins an Pontchartrain, Madrid, 6.12.1706, Ursins (Geffroy), 264 f.; Ursins an Duc de Noirmoutier, Madrid, 6.12.1706, Ursins (Geffroy), 264; Ursins an Kardinal de Janson, Madrid, 6.12.1706, Ursins (Geffroy), 265. 762 So sendete sie ihm einmal ein mémoire über eine Handelsangelegenheit und bat ihn im Namen von Philipp V. um seine Meinung: Ursins an Orry, Zaragossa, 23.3.1711, Ursins (Geffroy), 404 f. Weitere 11 Briefe der Princesse an Orry der Jahre 1710–1718 finden sich in Ursins (Geffroy), 397–439. 763 Exemplarisch kann ein Brief an Marsin zeigen, wie die Princesse ihr europäisches Netzwerk aufrechterhielt. Sie berichtete ihm darin im Jahr 1704, drei Jahre nach Beendigung seiner Amtszeit, über die Geschäfte in Madrid und die bereits absehbaren militärischen Erfolge des Kurfürsten von Bayern, für dessen Botschafter sie sich am spanischen Hof einsetzte. Mit dem Baron Simeoni unterhielte sie sich häufig und mache seine Meriten hier am Hof bekannt. Einerseits erweist sie damit dem Baron einen Patronagedienst bei Marsin, andererseits zeigt sie jenem ihre gute Vernetzung: Ursins an Comte de Marsin, o.O., 10.1.1704, BL Add. Ms. 61567, f. 1. 764 Antoine V. de Gramont (* 1672, † 1725): duc de Guiche, 1705 envoyé extraordinaire in Madrid; 1712 lieutenant général, 1715 Mitglied des conseil de guerre der Regentschaft, 1724 maréchal de France. Den Titel des Duc de Gramont erhielt er eigentlich erst im Jahr 1702. Im Jahr 1705 wurde er von Ludwig XIV. nach Bayonne geschickt: Vgl. Gramont an Ursins, o.O., März 1706, Ursins (Geffroy), Appendix 495 f. 765 Ursins an Gramont, Buen Retiro, 6.8.1707, Ursins IV (La Trémoille), 13. 766 „Si mes lettres ne vous ennuient pas, je me ferai un plaisir sensible de vous mettre au fait des choses qui se passent dans ce bas monde et que vous ne serez peut-être pas fâchée de savoir; […].“ Gramont an Ursins, Paris, 3.8.1701., Ursins (Geffroy), Appendix 463.
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im Jahr 1705 einhielt767. Nach ihrer Rückkehr kehrten sich die Aufgaben um: Gramont, der von März 1706 an als französischer Gesandter bei der spanischen Königin-Witwe in Bayonne weilte, hatte nun in der Princesse eine Fürsprecherin beim spanischen Königspaar, die ihn regelmäßig und ausführlich über die affaires d’Espagne unterrichtete. So übermittelte sie ihm etwa einen militärischen Strategieplan, diskutierte mit ihm über die zukünftige Rolle eines Generals768, schickte ihm Kopien militärischer Berichte und brachte dabei immer ihre eigenen Kommentare an769. Sie scheint Gramonts wichtigste Ansprechperson in Madrid gewesen zu sein, denn im Vergleich zu ihren anderen Korrespondenzen sind die militärischen Informationen detaillierter, und der sonst übliche Verweis auf die (ausführlicheren) Briefe des Botschafters fehlt. Im Gegenzug ließ Gramont ihr detaillierte militärische Information zukommen770 und schickte gelegentlich Kopien seiner Briefe an Staatssekretär Torcy zur Kenntnisnahme mit, so dass der Eindruck eines Austauschs „auf Augenhöhe“ entsteht. Gramont und die Princesse fungierten hier als Scharnier zwischen der Königin-Witwe in Bayonne und dem spanische Königspaar771. Die umfangreichste und wohl auch bedeutendste Korrespondenz der Princesse des Ursins – neben der mit Madame de Maintenon – ist ihr Briefwechsel mit dem Staatssekretär für Auswärtiges, Colbert de Torcy. In seiner Frequenz und Intensität ist er mit der Botschafterkorrespondenz vergleichbar772, weshalb er auch von der Forschung mit einer „diplomatischen“ Korrespondenz verglichen wurde773. Zwischen 1702 und 1714 berichtete die Princesse ihm zeitweise wöchentlich ausführlich über die affaires d’Espagne, schlug poli767 Vgl. Duc de Gramont an Ursins, 1701–1706, Ursins (Geffroy), Appendix 461–468. 768 Ursins an Gramont, Buen Retiro, 12.8.1707, Ursins IV (La Trémoille), 16 f. 769 Hier der Bericht eines Monsieur de Valle über einen Angriff in Valencia: Ursins an Gramont, Madrid, 17.10.1707, Ursins IV (La Trémoille), 33. 770 Bspw. die von der Aufhebung der Belagerung von Toulon und dem überstürzten Rückzug des Herzogs von Savoyen: Ursins an Gramont, Madrid, 12.9.1707, Ursins IV (La Trémoille), 25. 771 Siehe insbesondere ihre Briefe in Ursins (La Trémoille) III (1704–1707). Als Kontaktperson tritt sie hervor in: Ursins an Gramont, o.O., 20.12.1706, Ursins (La Trémoille) III, 185. 772 Bspw.: „Vous pouvez me parler d’affaires sérieuses dans vos lettres, [...] beaucoup de choses que j’espère apprendre de vous, et qui seront utiles pour le service du roi.“ Torcy an Ursins, Marly, 3.7.1702, Ursins II (La Trémoille), 64. Die Korrespondenz wurde zum größten Teil publiziert in Ursins I-V (La Trémoille). Einige zusätzliche Briefe konnten in MAE CP Espagne 150–183 gefunden werden; sie sind eingeordnet in die Briefwechsel des Staatssekretärs mit den französischen Akteuren in Spanien (am Hof und auf den Kriegsschauplätzen). 773 Vgl. Baudrillart, Philippe V, 27.
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tische Maßnahmen vor und kommentierte die Entscheidungen Versailles’. Der Staatssekretär gab königliche und eigene Anweisungen weiter und holte immer wieder ihre Meinung ein. Torcy erwartete von ihr die nouvelles d’Espagne und übermittelte ihr diesbezüglich die Zufriedenheit des Königs774. Mit dem französischen König selbst gab es offensichtlich nur einen sporadischen Briefwechsel: Von der Princesse des Ursins sind Komplimentschreiben erhalten wie etwa der Dank dafür, dass sie ein Geschenk für den spanischen Thronfolger hatte überreichen dürfen775. Nur in besonderen Momenten, in denen explizite Anweisungen des Königs nötig wurden, erhielt sie einen Brief mit der Unterschrift des Königs776. Zugang zu Ludwig XIV. hatte sie über ihre Korrespondenz mit Madame de Maintenon. 3.2.3. Un commerce réglé777: Kontext und Anlass der Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins „Denn von meiner Seite aus ist nichts geregelter als der Briefwechsel, den ich die Ehre habe, mit Ihnen zu führen.“778
Ihre Korrespondenz mit der Princesse des Ursins stellte Madame de Maintenon als eine geregelte Angelegenheit dar, für die sie sich jeden Sonntag Zeit
774 „Vos lettres seules, Madame, me feraient souhaiter de voir arriver plus souvent des nouvelles d’Espagne […]. Vous avez vu présentement par la dernière que j’ai eu l’honneur de vous écrire, l’approbation que le Roi donne à la conduite, aussi bien qu’aux lettres [der Princesse, A.d.V.].“ Torcy an Ursins, Marly, 6.8.1702, Ursins II (La Trémoille), 78. 775 Ursins hatte ein Geschenk des Königs für den Prinz von Asturien (ein Schwert) übergeben und berichtete ihm dankend, wie viel Freude er daran habe: Ursins an Ludwig XIV., o.O., 14.10.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 297. 776 Dies war bspw. im Jahr 1709 nötig geworden: Ludwig XIV. an Ursins, Versailles, 17.3.10, Ursins V (La Trémoille), 53. Vgl. hierzu Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins). 777 Diesen Ausdruck verwendete Ursins erstmals im Dezember 1699: „Vous me donnez bien de la vanité quand vous m’assurez, Madame, qu’elle [Madame de Maintenon] prendrait du plaisir à avoir un commerce réglé avec moi si elle en avait le loisir.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 12.12.1699, Ursins (Geffroy), 56 f. 778 „Car de ma part rien n’est plus réglé que le commerce que j’ai l’honneur d’avoir avec vous.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 12.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 275. Vgl. auch Maintenon an Ursins, Marly, 2.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 222; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 270.
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nahm779. Für die Princesse ging der Brief an Maintenon ihren zahlreichen anderen alltäglichen Aufgaben vor780. Beide entschuldigten sich, wenn sie nicht regelmäßig schrieben781. Was war der Grund für diesen kontinuierlichen und intensiven Austausch782? In welchem Verhältnis stand er zu den übrigen Korrespondenzen, die zwischen Madrid und Versailles geführt wurden? Der Anlass für die Aufnahme des Briefwechsels gibt Aufschluss über seine Funktion. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins kannten einander persönlich seit den 1660er Jahren, als sie beide die Pariser Gesellschaft des Hôtel d’Albret frequentierten. Für die Zeit vor 1701 sind lediglich vereinzelte lettres de compliments überliefert783. Die Princesse hatte sich über die Vermittlung der Maréchale de Noailles jedoch bereits um die Patronage der Marquise bemüht784 und schon im Dezember 1699 den Wunsch nach einer regelmäßigen Korrespondenz mit ihr geäußert: „Damit würde sie [Madame de Maintenon, A.d.V.] mir zeigen, dass sie mich schätzt und mir die Ehre ihrer Freundschaft erweist.“785 Eine solche Korrespondenz – dies wird im weiteren 779 „Je ne me souviens point, Madame, d’avoir passé aucun dimanche sans avoir eu l’honneur de vous écrire.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr 10.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 149; siehe auch: „J’ai l’honneur de vous écrire tous les huit jours, Madame, et vous pouvez compter que je n’y manque jamais.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 307; ähnlich: Maintenon an Ursins, Fontainebleau 19.8.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 34. 780 Von Beginn an bekräftigt sie zu schreiben, wann immer es möglich sei: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 6; Ursins an Maintenon, Madrid 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 14. 781 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid 7.11.1707, BL Add. Ms. 20919, f. 2; oder: Ursins an Maintenon, Madrid 18.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 378. 782 Die Länge der Briefe variiert zwischen 1 und 5 Folio. 783 Bspw. zum Anlass des Todes der Madame de Montchevreuil, einer Vertrauten der Maintenon: Ursins an Maréchale de Noailles, Rom 12.12.1699, Ursins (Geffroy), 55 ff. 784 Bspw. bittet die Princesse um die Erhöhung ihrer Pension: Ursins an Maintenon, Rom, 14.6.1700, Ursins I (La Trémoille), 58. Es ist allerdings nicht, wie Cermakian schreibt, der erste Brief an die Marquise. Vgl. Cermakian, La Princesse, 221, Anm. 143. Schon zuvor hatte sie die Maréchale de Noailles darum gebeten, ihr die bons office der Marquise beim König zu vermitteln: Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 12.6.1700, Ursins (Geffroy), 73. Im Jahr 1698 bat sie um Patronage für ihre Nichte Mademoiselle de Lanti 1698. Die Duchesse de Noailles vermittelte und übergab auch den Dankbrief der Princesse: Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 12.12.1699, Ursins (Geffroy), 55 ff. 785 „C’est me dire proprement qu’elle [Madame de Maintenon, A.d.V.] m’estime et qu’elle m’honore de son amitié. Il suffirait que l’on sût en ce pays qu’elle me trouve digne de cette grâce pour que le sacré collège me regardât avec admiration. Jugez, Madame, de
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Verlauf dieses Briefes deutlich – hätte in Rom einen Zuwachs an Ehre für die Princesse bedeutet. Doch dieser Wunsch wurde der Princesse des Ursins erst im Jahr 1701 erfüllt, als sie ihr Amt als Kammerdame der spanischen Königin antrat. Die Übereinkunft zu korrespondieren war in der höfischen Gesellschaft ein Engagement, das wechselseitige Verpflichtungen mit sich brachte786. Daher hatte es Madame de Maintenon in anderen Fällen immer wieder abgelehnt, einen neuen commerce aufzunehmen. Mit der Princesse aber brach sie die selbst gesetzte Regel787, was auf die besondere Bedeutung dieses Briefwechsels hinweist. Man kann davon ausgehen, dass die beiden Frauen zwischen 1701 und 1705 in unregelmäßigen Abständen Briefe austauschten, da die Princesse in einigen ihrer Briefen an die Maréchale de Noailles auf eine bestehende Korrespondenz mit Madame de Maintenon anspielte788. Zeitgleich verlief sich auch der regelmäßige Austausch mit jener Maréchale, deren Vermittlung die Princesse nun wohl nicht mehr bedurfte. Doch zu einem Austausch, der die Bezeichnung réglé erlaubte, wurde der Briefwechsel der beiden Frauen erst im Jahr 1705. Von diesem Zeitpunkt an gleicht die Korrespondenz in ihrer organisierten und intendierten Regelmäßigkeit den Depeschen des Botschafters oder des Nuntius’, die auch dann zu berichten hatten, wenn nichts Neues vorgefallen war789. Dies galt auch für die beiden Frauen: Gab es keine Neuigkeiten, waren ihre Briefe kurz, fielen aber nicht ganz aus. Fehlte der regelmäßige Brief, so wurde dies moniert790. Madame de Maintenon erwähnte einmal, dass sie nur zweimal einen courrier habe verstreichen lassen, ohne der Princesse zu ce qui arriverait si effectivement j’étais en possession de cet avantage.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 12.12.1699, Ursins (Geffroy), 56 f. 786 Vgl. Earle, Introduction, 8; Goodman, Dena, The Republic of Letters. A Cultural History of the French Enlightenment, Ithaca 1994, 194 f. 787 Ihre Regel, keine neuen Korrespondenzen aufzunehmen erwähnt sich bspw. in: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 195. 788 Zum Beispiel: „Je voudrais, Madame, vous mander des nouvelles de notre cour mais tout y est si stérile que je suis aisément épuisée en écrivant à M[ada]me de Maintenon et à M. le marquis de Torcy.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Barcelona, 16.12.1701, Ursins (Geffroy), 120. Überliefert sind aus diesen Jahren indes keine Briefe zwischen Maintenon und Ursins. 789 „Il doit aussi écrire à toute les occasions, tant ordinaires qu’extraordinaire, en quelque part qu’il se trouve; pour satisfaire la curiosité du Prince, que pour donner des preuves de sa diligence.“ Wicquefort, Abraham van, L’ambassadeur et ses fonctions, 3 Bde., Köln 1690, Bd. I, 103: URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 6.7.2009]. Zum Nuntius siehe Emich, Birgit, Bürokratie und Nepotismus, 91. 790 Beispiele: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 17.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 295; Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 3.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 295.
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schreiben791. Weshalb ihr Briefwechsel zu einem commerce réglé, wurde, wird angesichts der Ereignisse um das Jahr 1705 deutlich. In höfischen Memoiren ist zu lesen, dass es im Januar 1705 im Schloss Marly stundenlange Gespräche zwischen den beiden Frauen und Ludwig XIV. gegeben habe792. Diese Gespräche, die in der chambre obscure stattgefunden hätten, sollten die Frauen in ihren Briefen später zur Basis ihrer Freundschaft stilisieren und in kritischen Momenten als Rückversicherung verwenden793. Aufschlussreich ist, was in den Monaten zuvor geschah und was der Grund für den Aufenthalt der Princesse in Marly war. Machtpolitische Querelen unter den französischen Akteuren in Madrid hatten die politischen Geschäfte blockiert. Im April 1704 wurden der Botschafter Abbé d’Éstrées, die Princesse des Ursins und ihre gesamte entourage aus Madrid abberufen, da der französische König um seinen Einfluss fürchtete. Doch die Princesse aktivierte von ihrem Exil in Toulouse aus ihre Netzwerke und intensivierte ihre Korrespondenzen794. Auch Königin Maria Luisa war nicht gewillt, den Verlust ihrer Kammerdame einfach hinzunehmen und schöpfte ihren Handlungsspielraum aus: Sie schrieb unzählige Briefe nach Versailles, in denen sie ihre Bitte stoisch wiederholte795. Die Frage nach dem Verbleib der Princesse führte zu einem regen Austausch zwischen Versailles und Madrid796. Die Maßnahme immer wieder aufs Neue zu erklären, war Aufgabe der Madame de Maintenon – an der Stelle des Botschafters oder des Königs selbst: Der wichtigste Grund sei, so Maintenon, dass man die Princesse anklage, „dass sie ganz allein habe regieren
791 Maintenon an Ursins, Versailles, 9.3.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 35. 792 Siehe bspw. Saint-Simon II (Coirault), 576 f; Dangeau, Philippe de Courcillon de, Journal de la cour de Louis XIV, hrsg. v. Eudore de Soulié, 19 Bde., Paris 1854–60, Bd. 10, 229–231. 793 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 10.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 294. Siehe Kapitel II.1.1. (Je suis fort libre avec vous: Die Beziehung zueinander definieren). 794 Nach Cermakian, La Princesse, suchten sie der Duc de Gramont (307), der Erzbischof von Aix (310) und der Maréchal de Tessé (315) während ihrer Reise auf. Sie schrieb an die Maréchale de Noailles, an den Duque de Alba, an den Duc de Gramont und Ludwig XIV. selbst (309). 795 Über Madame de Maintenon, Ludwig XIV., aber auch über den Duc de Bourgogne versuchte es das Königspaar: Siehe bspw. Duc de Bourgogne jeweils parallel an Philipp V. und Maria Luisa, Versailles, 11.1.1705, 13.1.1705, 8.2.1705, Bourgogne I (Baudrillart), 68, 71, 76. 796 Neben Ludwig XIV., Madame de Maintenon, und der Maréchale de Noailles waren Tessé, Chamillart, Gramont, Torcy, und selbst der französische Botschafter in Rom Chateauneuf involviert. Vgl. die Rekonstruktion der Monate von Mai 1704 bis Januar 1705 bei Cermakian, La Princesse, 309–323.
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und die Botschafter des Königs nutzlos machen wollen“797, eine Überschreitung ihrer Kompetenzen also. In der intensiven Diskussion, die die Königin und Madame de Maintenon in ihren Briefen führten, wird deutlich, dass Maria Luisa ohne ihre camarera mayor die französische Politik am spanischen Hof nicht weiter unterstützen würde798. Dadurch wäre auch der Einfluss der französischen Krone auf Philipp V. gefährdet worden. Und Maria Luisa verfügte noch über andere Möglichkeiten, die Geschäfte zu blockieren. In den Audienzen des neuen französischen Botschafters, des Duc de Gramont, ließ sie nur dieses eine Thema zu, die Rückberufung ihrer Kammerdame, so dass dieser schließlich Ludwig XIV. bat, die Maßnahme rückgängig zu machen799: Ohne die Princesse, die die Königin und durch sie den König dominiere, könne man in Madrid nichts ausrichten, lautete seine Einschätzung800. Man erreichte schließlich, dass die Princesse des Ursins von Madame de Maintenon und Ludwig XIV. empfangen wurde und sich persönlich rechtfertigen durfte. An verschiedenen Stellen finden sich Hinweise darauf, dass es bei einer dieser Unterredungen in Versailles und Marly eine Art Absprache zwischen der Princesse und Ludwig XIV. bzw. Madame de Maintenon gab: So verwies Madame de Maintenon gelegentlich auf einen „Befehl“, den die Princesse ihr im Laufe ihrer Gespräche in Marly 1705 gegeben haben soll, den Befehl, die Angelegenheiten Spaniens (affaires d’Espagne) zu verfolgen: „[I]ch verfolge die spanischen Angelegenheiten so direkt wie möglich, seit sie die Ehre hatten, es mir in Marly zu befehlen, […].“ Dass die Marquise hier von „Befehl“ (ordre) spricht, ist einer Rhetorik geschuldet, mit der sie ihrer Adressatin Ehre erweist801. Die Verwendung des Begriffs ordre, der auf eine Un797 Bspw.: „[…] que d’avoir voulu gouverner toute seule et rendre les ambassadeurs du Roi inutiles […].“ Maintenon an Maria Luisa, Fontainebleau, 5.10.1704, MAE M&D Espagne 128, f. 58–60. 798 Siehe insbesondere die 14 Briefe Maria Luisas an Maintenon zwischen September 1704 und September 1705: MAE M&D Espagne 128, f. 56–99. 799 Vgl. Gramont an Ludwig XIV., Madrid, 1.10.1704, MAE CP Espagne 142, f. 203. 800 Vgl. Gramont an Ludwig XIV., Madrid, 14.10.1704, MAE CP Espagne 142, f. 231. 801 Dies wird im weiteren Verlauf des Satzes umso deutlicher: „[ J]e suis les affaires d’Espagne le plus près qu’il m’est possible, depuis que vous m’avez fait l’honneur de me l’ordonner à Marly et avec tant d’autorité que je n’oserais y manquer quand j’en aurais envie.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.5.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 7. Diesen Brief zitiert Geffroy in seiner Edition nicht. Baudrillart, der sich auf die Korrespondenz zwischen Maintenon und Ursins nur auf der Grundlage dieser Editionen bezieht, kann nur deshalb vermuten, dass schon seit 1702 ein échange de lettres fréquent et régulier der beiden existierte. Vgl. Baudrillart, Alfred, Madame de Maintenon. Son rôle politique pendant les dernières années du règne de Louis XIV. 1700–1715, in: Revue des Questions Historiques 80/3 (1890), 101–161, hier 133.
Die Korrespondenz zwischen Versailles und Madrid
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terordnung der Marquise anspielt, erzeugt hier einen ironischen Unterton, der auch in ihrem folgenden Hinweis aus dem Jahr 1707 noch deutlich wird: „Ich habe in meiner Kassette noch den Vertrag (traité), den Sie in meinem Zimmer in Marly gemacht haben.“802 Traité wird im „Dictionnaire de l’Académie“ in zweiter Bedeutung als ein Vertrag definiert – allerdings nicht zwischen Personen, sondern zwischen Verbänden803. Diese wie auch immer geartete Absprache ist als Abmachung zwischen dem französischen König und der Princesse im Beisein von Madame de Maintenon804 bzw. als schriftlich festgehaltenes und besiegeltes Versprechen zwischen den beiden, möglicherweise auf Vorschlag des Königs, interpretiert worden805. Was tatsächlich in der chambre obscure geschah, kann nicht mehr rekonstruiert werden. In jedem Fall aber wurde die Absprache zu einem Topos stilisiert, dessen sich Madame de Maintenon in kritischen Momenten warnend oder beschwörend bediente806. Das Resultat der Gespräche in Marly war, dass die Princesse gemeinsam mit einem Botschafter ihrer Wahl nach Madrid zurückkehrte. Ein weiteres Ergebnis war die Korrespondenz, welche die beiden Frauen gleich nach der Abreise der Princesse aufnahmen807. Ihr Briefwechsel sollte offensichtlich eine regelmäßige und direkte Kontrolle der camarera mayor und somit der Faktion der Königin ermöglichen. Man hatte aus den Ereignissen des Vorjahres gelernt: Eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der Kammerdame und dem französischen Botschafter war für Versailles nun von höchster Priorität. Beide erhielten explizite Anweisungen, sich miteinander zu beraten und sich gegenseitig zu unterstützen – der Botschafter erhielt sie vom König808, die Princesse von Madame de Maintenon809 oder vom Staatssekretär: „Sie wissen, Madame, dass ich mit außerordentlicher Freude die Zusammenarbeit und gute Verständigung zwischen Ihnen und dem Botschafter bemerke. 802 „J’ai encore dans ma cassette le traité des articles que vous fîtes dans ma chambre à Marly.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 10.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 338. 803 „Traité, signifie aussi, convention, accomodement sur quelque affaire d’importance.“ Die Beispiele stammen aus formalen Bereichen (traité de paix, traité de commerce, traité d’alliance etc.), nicht aus zwischenmenschlichen Beziehungen: Dictionnaire de l’Académie (1694), 724; URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 7.6.2009]. 804 Cermakian, La Princesse, 334. 805 Vgl. Loyau, Préface, in: Correspondance (Loyau), 9. 806 Zur Verwendung dieses Topos’ siehe Kapitel II.1.1. (Je suis fort libre avec vous: Die Beziehung zueinander definieren). 807 Die Princesse war diesbezüglich schon auf ihrer Reise diszipliniert: „Je continuerai à vous écrire de tous les lieux où je pourrais le faire […].“ Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 5. 808 Exemplarisch: RDI Espagne II (Amelot), 140. 809 Exemplarisch: Maintenon an Ursins, o.O., 6.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 184.
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Die Beziehungen zwischen dem französischem und dem spanischen Hof
Sie ist nötiger denn je in Zeiten, in denen die politischen Angelegenheiten so ernst werden.“810 Stereotypes Lob der harmonischen Zusammenarbeit findet sich in den Korrespondenzen der folgenden Monate zuhauf811. Im Bestand der British Library endet der „geregelte“ Briefwechsel mit dem Jahreswechsel 1714/1715, als die Princesse am spanischen Hof in Ungnade fiel und Madrid verlassen musste. Im Jahr 1715 tauschten die beiden nur noch vereinzelt Briefe aus. Hinweise aus anderen Briefen lassen aber darauf schließen, dass sie in den folgenden Jahren noch gelegentlich miteinander korrespondierten; es sei gar die einzige Korrespondenz gewesen, die Madame de Maintenon nach dem Tod Ludwigs XIV. noch weiterführte812. Ausgangspunkt der Überlegungen war der Begriff commerce réglé, den Madame de Maintenon für ihre Korrespondenz mit der Princesse verwendete. Commerce bezeichnet laut dem „Dictionnaire de l’Académie“ von 1694 in seiner zweiten Bedeutung einen Kontakt, der durch Kommunikation oder Korrespondenz gesichert werden kann813 – für die königlichen Gesandten wurde von correspondance reglée gesprochen814. Die Verbindung zwischen den beiden Frauen war „regel“-mäßig und in einem Gespräch mit dem König im Januar 1705 „geregelt“ worden. Der Blick auf den Zeitpunkt der Aufnahme legt die Vermutung nahe, dass die Korrespondenz dazu diente, die Princesse des Ursins und durch sie das spanische Königspaar am spanischen Hof besser zu kontrollieren. Die Abstimmung zwischen den beiden zu diesem Zeitpunkt einflussreichsten Vertretern Ludwigs XIV. in Madrid, der Kammerdame und dem Botschafter, war aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre von 1705 an prioritär und konnte daher nicht mehr nur über den Kanal des Botschafters koordiniert werden. Auch mit der Kammerdame schien eine direkte und regel810 „Vous savez, Madame, que je vois avec un extrême plaisir le parfait concert et la bonne intelligence qui est entre vous et M. l’ambassadeur. Elle est plus nécessaire que jamais dans un temps ou les affaires deviennent aussi sérieuses.“ Torcy an Ursins, Fontainebleau, 5.10.1705, MAE CP Espagne 148, f. 181. 811 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 32. 812 Einer Bemerkung des Kardinal Gualterio zufolge, der dies als „großes Zeichen der Freundschaft“ wertete: Kardinal Gualterio an Ursins, o.O., n. dat., BL Add. Ms. 20534, f. 16 (aufgrund der darin beschriebenen Ereignisse kann das Jahr 1717 für seine Entstehung angenommen werden). Gegenüber Tessé verweist die Princesse einmal auf Informationen von Madame de Maintenon: Ursins an Tessé, Genua 18.2.1718, Ursins (Masson), 68 f. 813 Die erste Bedeutung liegt im Bereich des Handels. „Commerce, signifie aussi, communication & correspondance ordinaire avec quelqu’un, soit pour la société seulement, soit aussi pour quelques affaires.“ Dictionnaire de l’Académie (1694), Bd. II, 24.: URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 7.6.2009]. 814 Vgl. bspw. Callières (Waquet), 248.
Die Korrespondenz zwischen Versailles und Madrid
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mäßige Verbindung notwendig geworden zu sein. Ludwig XIV. hätte diesen Briefwechsel aus Gründen der Etikette nicht selbst führen können. Madame de Maintenon übernahm die Aufgabe ihren eigenen Worten nach gewissenhaft und diszipliniert und bezeichnet den commerce als ihre „Pflicht“ (devoir)815. Es spricht also vieles dafür, dass die Korrespondenz der beiden Frauen parallel und in Abstimmung mit der Botschafterkorrespondenz eingerichtet wurde. In den vorangegangenen Kapiteln sind die beiden Grundprinzipien frühneuzeitlicher Außenbeziehungen, Multilateralität und Flexibilität, deutlich geworden. Nicht nur auf Botschafter- oder Ministerebene, sondern auch auf anderen politischen und sozialen Ebenen wurden Korrespondenzen geführt, in denen Themen der Außenbeziehungen behandelt wurden. Dass neben den Botschaftern eine Fülle von Akteuren mit und ohne Titel verhandlungstechnisch gute Dienste erwiesen, hat die Forschung bereits gezeigt. Dabei ist jedoch stets der Eindruck vermittelt worden, dass es sich in erster Linie um männliche Akteure handelte. Die Analyse der Korrespondenzen der beiden Frauen hat indes gezeigt, dass ihre Briefe in dieses System paralleler, zum Teil redundanter, sich zum Teil ergänzender und zum Teil miteinander konkurrierender Kanäle integriert waren. Welche Bedeutung hatte in diesem komplexen Gebilde der Briefwechsel, den Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins miteinander führten? Um seine Funktion innerhalb der Beziehungen zwischen dem französischen und dem spanischen Hof einordnen zu können, muss die Korrespondenz nun hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Sprache untersucht und in Bezug zu den parallel geführten Briefwechseln gesetzt werden.
815 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 274; oder: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.11.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 76.
II. Die Korrespondenz
Kommunikationsabsicht und Strategie – eine Einleitung Im Folgenden soll es um die Frage gehen, inwiefern die Korrespondenz, die Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins im Laufe von elf Jahren miteinander führten, als ein „Ort der Verhandlung“ bezeichnet werden kann. Nachdem in Teil I die strukturellen Rahmenbedingungen der Korrespondenz thematisiert wurden, folgt daher nun eine inhaltliche Analyse der Briefe. Die Interpretation der Briefe erfolgt in Anlehnung an Niklas Luhmann auf zwei Ebenen1. Zunächst wird die inhaltliche Ebene in den Blick genommen: Was wird mitgeteilt? (Information) Sodann wird es um die verwendeten Topoi, rhetorischen Figuren und Redeweisen gehen, die wiederum auf bestimmte Referenzsysteme verweisen: Wie wird mitgeteilt? (Mitteilung) In der Variation von Briefkonventionen, der eigenen Interpretation des rhetorischen Aufbaus und der Auswahl der verwendeten Topoi und Diskurselemente bietet sich dem Briefschreiber ein gewisser Spielraum. Daher können durch die Analyse der Briefe die Überzeugungsabsichten der Verfasserinnen und ihre kommunikativen Strategien aufgezeigt werden. Ausgangpunkt ist dabei, dass es sich bei der Verwendung allgemein gebräuchlicher Topoi um habitualisierte Redeweisen handelt, deren Regeln dem Autor implizit klar sind, die er jedoch zumeist unreflektiert verwendet. Sie sind gleichwohl Teil seiner „vorbegrifflichen“ Kommunikationsabsicht2. Der Übergang zum bewussten Einsatz dieser rhetorischen Mittel wie er etwa in einem bewussten Bruch mit konventionellen Redeweisen zu beobachten ist, ist dabei fließend. Die Wirkung
1 Siehe die Einleitung (1. Vorgehensweise, Abschnitt Methoden). 2 „Absicht“ wird hier als ein grundsätzliches Ziel verstanden, das jedem Kommunikationsakt inhärent ist, das dem Autor aber nicht unbedingt bewusst sein muss. Dahingegen meint „Strategie“ ein rekonstruierbares und planvolles Vorgehen, das häufig in mehreren Schritten erfolgt. Diese Überlegung lehnt sich an die Unterscheidung an, die Paul Veyne vorgenommen hat: Gesellschaftliche Regeln sind häufig nur implizit bekannt, was aber nicht zu weniger Handlungssicherheit führt, sondern vielmehr Spontaneität in der Handlung ermöglicht. Veyne spricht von „vorbegrifflichen“ oder „impliziten“ statt unbewussten Strukturen. Vgl. Veyne, Paul, Brot und Spiele. Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike, München 1988, 34–36.
Die Beziehung zueinander definieren
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der Aussage auf das Gegenüber bleibt dieselbe – ob spontan entstanden oder strategisch gewählt. In einem ersten Teil geht es zunächst um das Schreiben über die Korrespondenz, den Akt des Schreibens selbst und die Beziehung der beiden Frauen zueinander. Gemäß der verschiedenen inhaltlichen Elemente der Briefe folgt darauf die Analyse der Nachrichten über Dritte (II.1. Beziehungen). Im Schreiben über die politischen und militärischen Angelegenheiten, die affaires, werden sich insbesondere thematische Zuständigkeitsbereiche und ihre flexiblen Grenzen zeigen (II.2. Legitimationen). Sodann werden die verschiedenen Selbstdarstellungen, wie die Frauen sie in den Briefen konstruieren, und ihre Funktionen aufgezeigt. Zeigen sich schon hier Widersprüche, so ist dies noch viel stärker bei den Darstellungen von Zeitgenossen der Fall, die abschließend behandelt werden (II.3. Zuschreibungen).
1. Beziehungen 1.1. Je suis fort libre avec vous3: Die Beziehung zueinander definieren „Ich werde heute, Madame, auf den Brief antworten, den Sie mir die Ehre erwiesen haben, am 6. diesen Monats zu schreiben, und den ich vor acht Tagen erhalten habe, nachdem ich Ihnen schon geschrieben hatte. Die Post war zwar noch nicht weg, aber ich sah nichts Dringendes mitzuteilen und alles, was wir zurzeit zu verhandeln haben, ist in Wahrheit so trostlos, Madame, dass ich allen commerce mit Spanien beenden würde, wenn ich Ihnen weniger verbunden wäre […].4
So begann Madame de Maintenon ihren Brief vom 26. Mai 1709 an die Princesse des Ursins. In ihren ersten Worten werden drei Aspekte deutlich, die als grundlegend für alle Briefe gelten können: das Schreiben über die Korrespondenz selbst (que je reçue il y a huit jours, après vous avoir écrit), die Bezugnahme auf den erhaltenen Brief (je vais répondre aujourd’hui à la lettre) und ein Hinweis auf den Inhalt des Briefes (tout ce que nous avons à traiter présentement) 3 Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 214. 4 „Je vais répondre aujourd’hui, Madame, à la lettre que vous m’avez fait l’honneur de m’écrire le 6 de ce mois, et que je reçue il y a huit jours, après vous avoir écrit. La poste n’était pas partie, mais je ne vis rien de pressé et tout ce que nous avons à traiter présentement est si triste qu’en vérité, Madame, je cesserais tout commerce en Espagne si je vous étais moins attachée, […].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.5.1709, Correspondance (Loyau), 188.
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Beziehungen
und eine Ehre erweisende Formulierung gegenüber der Princesse (si je vous étais moins attachée). Entlang dieser Aspekte – Thematisierung des Briefwechsels, Strukturierung der Inhalte und die Bedeutung der Ehre – fand die „Einstimmung“ in die Kommunikation statt, auf die im hier folgenden Kapitel über die Korrespondenz eingegangen werden soll. Für frühneuzeitliche Adelsbriefe existierte ein spezielles Briefzeremoniell, das für weibliche wie männliche Autoren an allen europäischen Höfen galt und seinen Ursprung in Frankreich hatte5. Die grundsätzliche Erkenntnis, dass es nicht möglich ist, zwischen Form und Inhalt frühneuzeitlicher Briefe zu unterscheiden, kann in der Forschung als allgemein akzeptiert gelten6. Diese Briefe gaben schon durch ihre materielle Form sowie die Art und das Ausmaß ihrer Formalisierung auch Auskunft über den sozialen Status der beiden Korrespondenten7. Das Zeremoniell ist daher auch hier ein feines seismographisches Instrument, das die Beziehungslage zwischen Sender und Empfänger widerspiegelt. Die formelhaften Wendungen zu Beginn und zum Schluss der Briefe stellten also keineswegs nur rhetorischen Schmuck dar, sondern dienten zum einen der Manifestation des Ranggefälles. Zum anderen stellten sie einen
5 Siehe insbesondere: Le secrétaire à la mode par le Sieur de la Serre. Augmenté d’une Instruction d’écrire des Lettres, cy devant non imprimée. Avec un recueil de Lettres Morales des plus beaux esprits de ce temps. Plus le devis d’un Cavalier & d’une Demoiselle. Ensemble de nouveaux Complimens de la Langue Françoise, lesquels n’ont eté encor vûs, Rouen 1693. 6 Vgl. Kettering, Sharon, Patronage in Early Modern France, in: French Historical Studies 17 (1992), 839–862, hier 851 f.; Neuschel, Kristen B., Word of Honor: Interpreting Noble Culture in Sixteenth-century France, Ithaca (N.Y.) u.a. 1989, 103; und: Couchman, Jane / Crabb, Ann, Form and Persuasion in Women’s Letters. 1400–1700, in: Women’s Letters across Europe. 1400–1700. Form and Persuasion, Aldershot 2005, hrsg. v. dens., 3–18, insbesondere 6; Bakthtin geht davon aus, dass die internal politic of style (how the elements are put together) is determined by its external politics: Bakthin, M.M., The Dialogic Imagination: Four Essays, hrsg. v. Michael Holquist, übers. v. Michael Holquist / Caryl Emerson, Austin 1981, 284. 7 Auch die materielle Form der Briefe ist Abbild des Rangverhältnisses und müsste daher bei ihrer Interpretation beachtet werden, wie die Regeln zu den Größenverhältnissen und der Faltung der Briefe, der Größe des Siegels sowie Aufbau und Reihenfolgen zeigen. Auf all diese formalen Aspekte kann für die Korrespondenz der beiden Frauen leider nicht eingegangen werden, da lediglich Abschriften in Form eines „Briefbuchs“ vorliegen, die keine Rückschlüsse mehr auf die materielle Form sowie die Gestaltung der Anrede (suscription) und den darunter gelassenen Abstand mehr zulassen. Zum Briefzeremoniell als Möglichkeit der Status-Demonstration siehe Sternberg, Epistolary Ceremonial, 33–88, insbesondere 36.
Die Beziehung zueinander definieren
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gemeinsamen kulturellen Hintergrund sicher, der den Aufbau von Vertrauen erst möglich machte8. Der Aufbau der Briefe der beiden Frauen folgte zwar keinem starren Schema, wies jedoch einige Regelmäßigkeiten auf9. Zu Beginn wurde gewöhnlich der Empfang der letzten Briefe mit Nennung des Datums bestätigt oder – wenn ein courrier ordinaire ohne Briefe ankam – sein Fehlen moniert. Dass beide Frauen immer wieder betonten, dass diese Korrespondenz zahlreichen ihrer anderen Verpflichtungen vorging, wurde bereits erwähnt10. Dass sie sich für einen fehlenden Brief – meist mit dem Verweis auf gesundheitliche Probleme11 – entschuldigten, hängt damit zusammen, dass eine ausbleibende Antwort, Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten als mangelnder Respekt hätten interpretiert werden können12. Diese Praxis hatte nicht nur einen pragmatischen Hintergrund, auch wenn hinsichtlich der unsicheren Zustellungsbedingungen und der Angst vor Spionage die Empfangsbestätigungen von großer Bedeutung waren. Eine solche Rückbestätigung hatte darüber hinaus auch eine vertrauensbildende Funktion, da sie dem Gegenüber signalisierte, dass er „verstanden“ wurde: Die Reziprozität bestätigte überhaupt erst, dass Kommunikation stattgefunden hatte13. Die Bestätigung und die Kommentare zu den erhaltenen Briefen dienten darüber hinaus dazu, Respekt zu äußern und Ehre zu erweisen. Hier scheinen sich die beiden Frauen der gesamten Palette der üblichen Formulierungen bedient zu haben und ihre Wahl eher aus 8 Vgl. auch Jucker, Michael, Vertrauen, Symbolik, Reziprozität. Das Korrespondenzwesen eidgenössischer Städte im Spätmittelalter als kommunikative Praxis, in: Zeitschrift für Historische Forschung 2 (2007), 191–213, hier 208. 9 Siehe hierzu zuletzt Furger, Carmen, Briefsteller: das Medium „Brief“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Köln u.a. 2010. 10 „Je ne me souviens point, Madame, d’avoir passé aucun dimanche sans avoir eu l’honneur de vous écrire.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr 10.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 149; siehe auch: „J’ai l’honneur de vous écrire tous les huit jours, Madame, et vous pouvez compter que je n’y manque jamais.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 307; ähnlich: Maintenon an Ursins, Fontainebleau 19.8.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 34. Auch Ursins bekräftigt von Beginn an zu schreiben, wann immer es möglich sei: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 6; Ursins an Maintenon, Madrid 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 14. 11 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid 7.11.1707, BL Add. Ms. 20919, f. 2; oder: Ursins an Maintenon, Madrid 18.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 378. 12 Vgl. Daybell, Women, 160. 13 Jucker, Michael, Vertrauen, Symbolik, Reziprozität. Das Korrespondenzwesen eidgenössischer Städte im Spätmittelalter als kommunikative Praxis“, in: ZHF 2 (2007), 191– 213, hier 207.
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Beziehungen
strategischen, denn formalen Gründen getroffen zu haben14. Man bedankte sich und lobte den Brief der anderen, der besonders elegant formuliert gewesen sei15. Man entschuldigte sich für den eigenen Brief, der zu ausführlich gewesen sei und der anderen die Zeit stehle16 und beteuerte im Gegenzug, dass der empfangene Brief keinesfalls zu umfangreich gewesen sei17. Da aber im Grunde die Länge eines Briefes der dem Adressaten erwiesenen Ehre entsprach18, fand hier etwas statt, das als „Spiel der Ehre“ bezeichnet werden kann. Die Bitte um Entschuldigung für etwas, das dem Gegenüber eigentlich Ehre erwies, nahm der Formulierung den Charakter des Beabsichtigten. Sodann wurde auf die Inhalte der erhaltenen Briefe eingegangen. Typischerweise wurden sie Abschnitt für Abschnitt aufgegriffen19, teils nur wiederholt, teils kommentiert und ergänzt. In der Reihenfolge orientierten sie sich am zu beantwortenden Brief, eine Vorgehensweise, die Botschaftern zur Verfassung ihrer Depeschen anempfohlen wurde20. Auch dies hatte zunächst einen pragmatischen Hintergrund: Es zeigte, dass der richtige, vollständige Brief eingegangen war. Doch durch die Wiederholung des Mitgeteilten fand auch eine Art „gemeinsames Einschwingen“ auf die Konversation, auf das „Gespräch unter Abwesenden“ statt. Eine häufige Formulierung war „es stimmt, dass ...“ (il est vrai que...), woraufhin die Information der Anderen wiederholt wurde, um dann mit „aber ...“ (mais...) fortgeführt zu werden. Dadurch wurde die Beziehung bestätigt und ihre Kontinuität suggeriert. Zugleich verortete man sich selbst und stimmte sich und das Gegenüber auf die Kommunikation 14 Sternberg unterscheidet drei Hauptvarianten, wie der Empfang eines Briefes bestätigt werden konnte, welche die beiden Frauen im Wechsel und angepasst an den weiteren Verlauf des Briefes verwendeten: Vgl. Sternberg, Epistolary Ceremonial, 60 f. 15 Vgl.: Maintenon an Ursins, o.O., 29.4.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 158; oder: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 17.1.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 90–91; umgekehrt auch: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 29.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 63; außergewöhnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 7.1.1709, Correspondance (Loyau), 83. 16 Beispiele: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 41; Ursins an Maintenon, Burgos, 12.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 108; Maintenon an Ursins, o.O., 22.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 268; Maintenon an Ursins, Marly, 13.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 350. 17 Bspw.: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 29.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 63. 18 Vgl. Roosen, The Age, 142. 19 Bisweilen explizit: „Je viens de relire encore vos lettres pour voir si j’ai répondu à tout.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 227. 20 Die formalen und inhaltlichen Regeln der Korrespondenzen waren bereits seit dem 16. Jahrhundert festgelegt und in einer umfangreichen Traktatliteratur niedergeschrieben worden; bspw. bei Wicquefort im Kapitel „X. Des Lettres ou Depesches“: Wicquefort, L’ambassadeur II, 102–113, URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff 6.6.2009].
Die Beziehung zueinander definieren
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ein, denn das Aufgreifen von Inhalten gab häufig bereits Anlass für die Entwicklung neuer Themen und Kommentare. In seltenen Fällen ging man auch unmittelbar in medias res, vermutlich, um die Brisanz einer Mitteilung deutlich zu machen: „Bis jetzt sind die Truppen, die im Sold der Königin Anna stehen, dem Beispiel der englischen nicht gefolgt“21, beginnt Madame de Maintenon beispielsweise ihren Brief vom 15. August 1712. Der Abgleich mit den üblichen, codierten Briefkonventionen lässt einen relativ flexiblen Umgang mit denselben erkennen, was zunächst auf die Gleichrangigkeit der Korrespondenten hindeutet. Darauf weist auch die Verwendung von Madame in der „freien“, durch Kommata abgetrennten Anrede und des schlichten vous in der gebundenen Anrede hin. Auch die so genannten „Korrektive“ wurden relativ frei gehandhabt. Dabei handelt es sich um Formulierungen, mit denen üblicherweise der Rangunterschied demonstriert wurde: Faire l’honneur, prendre la liberté, oser oder gar das unterwürfige supplier wiesen eigentlich auf ganz unterschiedliche Ranggefälle hin, wurden aber von den beiden Frauen variabel eingesetzt22. Bisweilen wurden Konventionen und Standards auch in der Formulierung selbst reflektiert und dadurch in ihrer Wirkung verstärkt: „Ich verpflichte mich sehr gern, Madame, Sie mein ganzes Leben lang zu lieben; der Satz ist zu gewöhnlich, aber er kommt aus tiefstem Herzen.“23 Die höchste Steigerung dieser Art von Ehrbezeugung bestand allerdings darin, sich zu versichern, dass man gerade keine Etikette nötig habe: „Warum, Madame, sprechen Sie mir gegenüber von respektvoller Verbundenheit? Bedeutet das nicht, sich über mich zu moquieren?“24, wunderte sich Madame de Maintenon einmal. Sie würde auch keinen Neujahrswunsch schreiben, wie es am spanischen Hof Sitte sei, schrieb sie an anderer Stelle. Wenn sie überhaupt derartigen Konventionen
21 Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 15.8.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 120. 22 Supplier: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 46; Ursins an Maintenon, Madrid, 4.11.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 65. Faire l’honneur / avoir l’honneur: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 58 ; Maintenon an Ursins, Versailles, 9.3.1711, Add. man. 20920, f. 35. Prendre la liberté: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 4.4.1711, Add. man. 20920, f. 39; Ursins an Maintenon, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 246. 23 Um ein Beispiel unter vielen zu zitieren: „Je m’engage bien volontiers, Madame, à vous aimer toute ma vie; la phrase est trop familière, mais elle vient de l’abondance du coeur.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 12.8.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 40. 24 „Pourquoi, M[adam]e, me parlez vous d’attachement respectueux? N’est-ce pas se moquer de moi?“ Maintenon an Ursins, Versailles, 11.1.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 90.
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gegenüber der Princesse nachkäme, dann nur auf Drängen ihrer Sekretärin25. Sie selbst wolle von der Princesse keine compliments26 und sei gekränkt, wenn diese sie nicht unverfroren um jeden Gefallen bäte27. Die Versicherung, keine Etikette zu brauchen, um sie zugleich in Perfektion zu befolgen, war ebenfalls Teil des „Spiels der Ehre“. Die Schlusspassagen der Briefe gehen häufig elegant aus dem letzten inhaltlichen Punkt hervor und weisen erneut eine große lexikalische Vielfalt auf28: In der Passage zuvor finden sich sowohl das ehrerbietige respect, als auch das auf Gleichrangigkeit verweisende amitié29. Die Schlussformeln selbst reichen vom knappen Adieu, Madame30 bis hin zu mehrere Zeilen langen, kunstvoll gewundenen Formulierungen, für die insbesondere Madame de Maintenon ein breites Variationspotential ausschöpfte. Sie scheinen in erster Linie die momentane Situation oder den antizipierten Leserkreis widerzuspiegeln. Diesbezüglich ist eine Tendenz ersichtlich: Je schwieriger sich das Verhältnis und damit die Korrespondenz zu einem Zeitpunkt gestaltete, desto formaler, formelhafter und ausführlicher gestaltete sich die Schlussformel. So fiel die abschließende Ergebenheitsbezeugung beispielsweise im April 1714, als die Trennung der beiden Höfe und der Abbruch des Briefwechsels unmittelbar bevorzustehen schienen, gänzlich aus dem Rahmen31. Da diese Schlussformel 25 Vgl. Maintenon an Ursins, o.O., premier jour de l’Année 1714, BL Add. Ms. 20920, f. 204. 26 Bei Tod des Maréchal de Noailles schreibt die Princesse, dass sie selbst an Madame de Maintenon kein compliment verfasst habe, da diese es ja nicht wünsche. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 58. 27 Ursins an Madame de Maintenon, Buen Retiro, 23.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 266. 28 Die Bedeutung der lexikalen Variation dieser Schlusspassage im beginnenden 18. Jahrhundert im Vergleich zum eher standardisierten Gebrauch im 17. Jahrhundert beobachtet auch Sternberg, Epistolary Ceremonial, 86 f. 29 Bisweilen auch in ein und demselben Brief: Maintenon an Ursins, Versailles, 11.1.1712, Add. man. 20920, f. 90. 30 Maintenon an Ursins, Marly, 5.1.1711, Add. man. 20920, f. 23. Sehr ausführlich und kunstvoll dagegen: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 5.8.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 37; Maintenon an Ursins, Marly, 29.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 221–222; Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 58; Maintenon an Ursins, Rambouillet, 16.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 232–234. Ob das vollständige Entfallen der Schlussformel, wie es nur in den Briefen des Königs zu finden ist, ein weiteres Anzeichen dieser Flexibilität oder dem Kopieren der Briefe zum Opfer gefallen ist, muss hier offen bleiben. 31 „[…] et ne pouvant vous ouvrir mon coeur, je me réduis à vous assurer que je vous suis toujours très sincérement attachée et que je donnerais de mon sang pour procurer le repos de votre Roi d’Espagne. Il ne peut me soupconner en cela d’aucun intérêt. Je ne verrai rien de tout ce qui peut arriver, mais je sens un grand respect, une singulière
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die wirkungsvollste Möglichkeit der Status-Demonstration im Briefzeremoniell darstellte, verweist ihre flexible Handhabung erneut auf ein relativ egalitäres Verhältnis und zeigt zugleich, dass ihre Auswahl eher strategisch denn formal begründet war. Ein weiterer Einsatz in diesem Ehrspiel war der Verweis auf das eigenhändige Verfassen des Briefes. Es wurde schon erwähnt, dass Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins im Normalfall ihre Briefe diktierten. Gelegentlich griffen sie jedoch selbst zur Feder, was stets mit einem besonderen Umstand erklärt wurde: Der Sekretär sei abwesend oder die Sekretärin krank gewesen32. Dadurch, dass sie sich eigentlich „nicht standesgemäß“ selbst bemühten, erwiesen sie ihrem Gegenüber eine besondere Referenz, die auch strategisch eingesetzt werden konnte. Darauf folgte meist die Bitte, sich zu schonen, den Brief zu vertagen, oder doch wenigstens zu verkürzen. So betont Madame de Maintenon zwar, welche Freude sie habe, die Handschrift der Princesse zu lesen, dass sie es aber vorzöge, wenn jene ihre Augen schonen würde33. Ein weiteres Thema zur Einstimmung aufeinander war das körperliche Befinden. Die Regeln der höfischen bienséance forderten, die Bedeutung des eigenen Befindens herunterzuspielen und die des Gegenübers zu betonen, weshalb die Sorge um die Gesundheit des Gegenübers häufig hyperbolisch formuliert wurde34: „Wenn es schon sein muss, Madame, dass Sie oder ich Fieber haben, ist es viel besser, wenn ich damit belastet werde, denn ich werde darüber nicht éstime et une véritable tendresse pour lui.“ Maintenon an Ursins, Marly, 29.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 221–222; ähnlich: Maintenon an Ursins, Rambouillet, 16.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 232–234. 32 Weil ihre Sekretärin in St. Cyr geblieben sei, schreibe sie selbst: Maintenon an Ursins, Versailles, 12.6.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 168; Maintenon an Ursins, Versailles, 10.6.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 15. 33 Maintenon an Ursins, Versailles, 31.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 287; ähnlich: Ursins an Maintenon, Burgos, 12.8.1706, Add. man. 20918, f. 106; Maintenon an Ursins, St. Cyr, jour de Noël 1706, BL Add. Ms. 20918, f. 169. 34 Ein gutes Beispiel: „Comme je n’ai qu’un moment pour écrire, Madame, j’en profite pour vous marquer la grande inquiétude où je suis depuis la dernière lettre que j’ai reçu de vous par laquelle vous m’apprenez que vous avez eu un accès de fièvre violente dont vous n’étiez pas encore quitte; je vous avoue, Madame, que j’attends avec une impatience extrème le premier ordinaire, car votre santé ne m’est en vérité pas moins précieuse que la mienne propre; […] comment pourrais-je ne pas m’intéresser vivement à votre conservation, ayant l’honneur de vous connaître telle que vous êtes, c’est à dire avec toutes les grandes, solides et aimables qualités qu’on ne trouve presque jamais ensemble et dont la moindre suffirait pour rendre une personne éstimable.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11.
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noch melancholischer und Sie erscheinen mir fröhlicher, wenn es Ihnen gut geht.“35 Die ersten Worte der Briefe dienten also dazu, dem Briefpartner Ehre zu erweisen. Dies geschah mittels konventioneller Redeweisen und Codes, deren Beherrschung man zugleich zeigte. Der gemeinsame Stil der Höflichkeit, mit dem auch die Feinheiten der Rangunterschiede deutlich gemacht werden konnten, war die Voraussetzung für diesen „Prozess des gegenseitigen Abtastens und Taxierens“36, mit dem man sich seiner Gleichheit oder Ungleichheit vergewissern konnte. Freundschaft und Patronage „Ich werde sicherlich keine Mühe haben, Madame, Ihnen die Freundschaft, die Sie fordern, zu bewahren, der Sie nur eine Dauer von fünf Jahren geben. Die meine ist deutlich älter [...].“37
Mit diesen Worte bestätigte die Princesse des Ursins Madame de Maintenon ihre Freundschaft – eines von vielen Beispielen, in denen die beiden Frauen ihre Beziehung zueinander thematisierten. Aufschlussreich ist dabei, in welchen Momenten sie es taten, wie sie ihr Verhältnis beschrieben und auf welche Diskurse sie zurückgriffen. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins bezeichneten sich als amies und ihre Beziehung zueinander als amitié38. Waren sie deshalb auch „Freundinnen“? Für eine Definition von Freundschaft nach frühneuzeitlichen Kriterien sei einmal mehr auf Wolfgang Reinhard verwiesen, der darunter minimalistisch eine „Bindung an einen Menschen, mit dem man vielleicht 35 „S’il est nécéssaire, Madame, que vous où moi ayons la fièvre, il vaut beaucoup mieux, que j’en sois chargée, parce que je n’en suis pas plus mélancolique et que vous me paraissez plus gaie quand vous vous portez bien.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 354–355. 36 Bastl, Tugend, Liebe, Ehre, 167. 37 „Je n’aurai pas de peine certainement, M[adam]e, à vous converser l’amitié que vous me demandez et à laquelle vous ne donnez qu’une date de cinq ans. La mienne est bien plus ancienne, car dès que j’ai commencé à avoir l’honneur de vous connaître j’ai été si frappée de votre merite […].“ Ursins an Maintenon, o.O., 24.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 279 38 Bspw.: „L’idée que vous me faites de l’amitié dont vous m’honnorez et de celle que vous voulez bien recevoir de moi, […].“ Maintenon an Ursins, Marly, 12.5.1713, BL Add. Ms. 20929, f. 162.
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durch Gefühle, vor allem aber durch die Erwartung gegenseitiger Nützlichkeit verbunden ist“39 versteht. Die Princesse war auf die Patronage der Marquise angewiesen, aber auch jene dürfte sich von der Verbindung zur Kammerdame Vorteile versprochen haben. Einmal mehr wird deutlich, dass Freundschaft und Patronage zu dieser Zeit nicht klar voneinander zu trennen sind. Weite Definitionen können zwar viel beschreiben, aber nur wenig erklären. Da jedoch eine engere analytische Definition des Begriffs apriorisch und daher zwangsläufig anachronistisch wäre, soll stattdessen vom Quellenbegriff ami(e) und amitié ausgegangen werden. Dazu wird ein Vorschlag aus der aktuellen Forschung aufgegriffen, der darin besteht, Freundschaft als Beziehung zwischen denjenigen zu definieren, die sich gegenseitig als Freunde anerkannten, indem sie sich als solche bezeichneten40. Die gegenseitige Bezeichnung als „Freund“ sagte im frühneuzeitlichen Kontext weniger über die emotionale Qualität einer Beziehung aus, als vielmehr über ihre Form. Freund oder Freundin41 wurden die meisten Personen genannt, die im Briefwechsel der beiden Frauen erwähnt wurden. Diese Bezeichnung scheinen jene in erster Linie für Personen verwendet zu haben, die etwa denselben sozialen Status hatten. Wich der soziale Stand stärker ab, wie es bei Bediensteten wie dem königlichen Leibarzt der Fall war, wurde dieser Terminus nicht verwendet – auch wenn die Vertrautheit der Beziehung dies aus heutiger Sicht vielleicht nahegelegt hätte. Genauso verhält es sich gegenüber in der Hierarchie höher angesie39 Reinhard, Freunde, 37. Vgl. auch das Konzept der amitié sociale von Aymard, Maurice, Amitié et convivialité, in: Aries, Histoire de la vie privée, Bd. 3, 455–500. Für die umfassende Forschung zum frühneuzeitlichen Freundschaftsbegriff sei hier exemplarisch verwiesen auf: Reinhard, Freunde; Mączak, Antoni, Ungleiche Freundschaft. Klientelbeziehungen von der Antike bis zur Gegenwart, Osnabrück 2005; Oschema, Klaus, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund. Studien zum Spannungsfeld von Institution und Emotion (Norm und Struktur, 9), Köln u.a. 2006; Althoff, Gerd, Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbildungen im frühen Mittelalter, Darmstadt 1990; Freundschaft oder „amitié“? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert), hrsg. v. Klaus Oschema (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte, 40), Berlin 2007. 40 Kühner, Christian, Freundschaft im französischen Adel des 17. Jahrhunderts, in: discussions 2 (2009) - Adel im Wandel (16.–20. Jahrhundert) / La noblesse en mutation (XVIe–XXe siècles), URL: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/discussions/2–2009/kuehner_freundschaft, Absatz , [Zugriff: 20.12.2009]. 41 Im Folgenden wird zugunsten der Leserlichkeit der deutsche Begriff „Freund(in)“ synonym mit dem französischen ami(e) verwendet, auch wenn diese Übersetzung weder den zeitgenössischen, noch viel weniger den modernen Konzepten, die in den beiden Sprachen stark voneinander abweichen, gerecht wird.
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delten Personen: Die Duchesse de Bourgogne, Madame und Monsieur oder die Herrscher selbst werden nicht als ami(e) bezeichnet. In umgekehrter Richtung war dies dagegen möglich: Vom König ami(e) genannt zu werden, stellte für einen Adeligen oder eine Adelige eine Auszeichnung dar42. Der Begriff bezeichnete offensichtlich eine nicht spezifische Sozialbeziehung unter sozial in etwa Gleichrangigen, ohne über ihren emotionalen Gehalt etwas auszusagen. Dass er jedoch auch nicht beliebig eingesetzt wurde, zeigt ein Kommentar der Marquise zu einem Komplimentschreiben des Herzogs von Savoyen an seine Tochter, die Duchesse de Bourgogne. Dass er ihr versichern könne, dass der Krieg, den er gegen Ludwig XIV. führe, „seine Freundschaft für sie nicht im Geringsten mindern könne“, habe sie sprachlos gemacht43. Von „Freundschaft“ zu sprechen, brachte in jedem Fall Regeln, Grenzen und Verpflichtungen mit sich und konnte zugleich auch als strategisches Element eingesetzt werden – um sich von anderen abzugrenzen oder „Freundschaftsdienste“ einzufordern. Das obige Zitat soll noch einmal aufgegriffen und fortgeführt werden: „Ich werde sicherlich keine Mühe haben, Madame, Ihnen die Freundschaft, die Sie fordern, zu bewahren, der Sie nur eine Dauer von fünf Jahren geben. Die meinige ist deutlich älter, denn seit ich die Ehre hatte, Sie kennen zu lernen, war ich so beeindruckt von Ihrem Verdienst und habe Ihnen gegenüber eine solche Ehrfurcht empfunden, dass ich fest geglaubt habe, Sie mein ganzes Leben lang zu ehren.“44
So beschreibt die Princesse des Ursins in einem Brief vom Februar 1710 ihr Verhältnis zu Madame de Maintenon, in einem Moment, in dem ihre Position in Madrid wankte und sie mehr denn je um die Unterstützung der Marquise bangen musste. Die von ihr gewährte Freundschaft erscheint in dieser geradezu aufrechnenden Darstellung als eine Art Einsatz. Durch die Präzisierung ihrer Dauer (Anciennität) erhöhte die Princesse den Wert ihrer eigenen 42 Ab einem gewissen Rang findet sich auch die Verwandtschaftssemantik: cousin(e), frère. 43 „Je ne saurais m’empecher d’etre étonnée qu’un Prince qui a autant d’esprit que le Duc de Savoye puisse faire dire à M[ada]me la Duchesse de Bourgogne que la guerre qu’il lui fait ne diminuer rien de l’amitié qu’il a pour elle. Le respect que j’ai pour lui m’empeche de raisonner sur un tel compliment et me ferme la bouche.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. man. 20918, f. 287. 44 „Je n’aurai pas de peine certainement, M[adam]e, à vous conserver l’amitié que vous me demandez et à laquelle vous ne donnez qu’une date de cinq ans. La mienne est bien plus ancienne, car dès que j’ai commencé à avoir l’honneur de vous connaître j’ai été si frappée de votre merite et senti tant d’inclination pour vous que j’ai bien crû que je vous honnerais toute ma vie.“ Ursins an Maintenon, o.O., 24.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 279.
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Freundschaft. Das Aushandeln der gegenseitigen Loyalität geschieht dabei in vollendeter Sprache und auf spielerische Art und Weise. Die so genannte Sprache der Patronage hat in der Forschung immer wieder zu Kontroversen geführt: Was war „ernst gemeint“ und was nicht? Sharon Kettering geht davon aus, dass das, was geschrieben wurde, nicht in direktem Zusammenhang mit tatsächlichen Handlungen gestanden habe45. Arthur Herman sieht dagegen einen gewissen Grad an Übereinstimmung zwischen dem Gesagten und dem tatsächlich Gemeinten46. Er schlägt daher vor, Sprache als Handlung zu sehen, die für den politischen Kontext eigene Regeln, Rituale, Vokabeln und Zeichen hatte47. Eine neue, den Gegensatz überwindende Perspektive stellt der Ansatz Christian Kühners dar: Am Beispiel des Schreibens über Freundschaft in adeligen Briefen des 17. Jahrhunderts schlägt er vor, die hyperbolischen Formen in den Briefen weder als „ernst gemeint“ und daher zwangsläufig als Heucheleien, noch als „inhaltsleere Ornamente“ zu deuten, wie es Sharon Kettering vorgeschlagen hat. Es handle sich vielmehr um eine codierte Sprache, in der Superlative elativisch gemeint waren: „Wo Treue bis zum Tod versprochen wird, ist wohl eher Loyalität im Rahmen des vernünftigerweise Erwartbaren gemeint. Das adelige Ideal der Freigebigkeit (largesse) verbot es dabei jedoch, die Grenze anzugeben, bis zu der die eigene Loyalität reicht.“48 Wie kann nun das Verhältnis zwischen Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins beschrieben werden? Der flexible Umgang mit den codierten Formen des Briefzeremoniells und die gegenseitige Bezeichnung als amies deuten zunächst auf ein mehr oder weniger egalitäres Verhältnis hin. Die Umstände, wie die Princesse zu ihrem Hofamt in Madrid gekommen war, weisen dagegen auf ein klares Klientelverhältnis, auf eine „ungleiche Freundschaft“49 45 Vgl. Kettering, Patronage, 851. 46 Herman fragt nach den Prinzipien und Strukturen dieser Sprache, um die consistency between their stated intentions and their actions zu bestimmen: was sagt der Autor und was tut er, indem er das sagt? Vgl. Herman, Arthur L., The Language of Fidelity in Early Modern France, in: The Journal of Modern History, 67 / 1 (1995), 1–24, hier: 1–8. Herman lehnt sich an die Speech Act Theory von John L. Austin, John Searle und Quentin Skinner an. Siehe Austin, John L., How to Do Things with Words, Oxford 21975. 47 „Using the language of fidelity was not only saying but also doing something, namely, engaging in a conventional language game.“ Herman, Language, 24. 48 Kühner, Freundschaft, Absatz [Zugriff: 20.12.2009]. 49 Entscheidend für die Frage der ungefähren Gleichrangigkeit scheint zu sein, ob sich beide wechselseitig als amis bezeichnen konnten oder nur eine (die höhere) Person die andere; im letzteren Fall dann kann man mit Mączak von „ungleicher Freundschaft“
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hin. Wenn die Princesse auch auf eine vornehmere Herkunft blicken konnte, so hatte das Kriterium der Herrschernähe Madame de Maintenon sozial über sie gestellt: Als morganatische Ehefrau des König war ihre Patronage von der Princesse im Jahr 1699 über die Maréchale de Noailles gesucht und gefunden worden. Madame de Maintenon protegierte sie weiterhin am französischen Hof und fungierte als ihre Fürsprecherin beim König. Dies tat sie beispielsweise, indem sie die compliments der Princesse an den französischen König weiterleitete und ihr in ungewissen Zeiten sein Wohlwollen50 oder seine Zufriedenheit51 versicherte. Sie pflegte außerdem ihren guten Ruf am Hof, indem sie sich beispielsweise gegenüber einflussreichen Personen über die Princesse „zu ihren Gunsten“ äußerte52. Bereits jetzt kann daher festgehalten werden, dass es sich nicht um eine „Beziehung auf gleicher Ebene“53 handelte, zumindest nicht in politischer Hinsicht. Die Analyse der Korrespondenz wird dies an weiteren Punkten deutlich machen. Zugleich wird aber auch deutlich, dass der Ethos der Patronage, das „informelle Grundgesetz sozialer Beziehungen“54 die Beziehung der beiden Frauen nicht in all ihren Facetten zu erklären vermag. Auf einer anderen Ebene findet sich auch eine Ebenbürtigkeit: Gerade weil man die symbolischen und sprachlichen Umgangsformen kannte, konnte man sich intellektuell und kulturell auf Augenhöhe treffen und mit gesellschaftlichen Codes relativ flexibel umgehen. Das Propagieren der gemeinsamen Freundschaft schuf dabei einen Raum, in dem beide darauf verzichten konnten, ständig ihren Rang
als Bezeichnung für eine Patron-Klient-Beziehung sprechen. Vgl. Mączak, Ungleiche Freundschaft. 50 Beispiel: „Je fais au Roi, Madame, tous les compliments dont vous me chargez […]; il était bien accoutumé à vous, et vous n’avez rien gaté depuis votre retour en Espagne.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 224. 51 Bspw.: „Il m’ordonna donc de vous écrire, Madame, qu’il est très content de vous, que vous ne pouvez faire que ce que vous avez fait, [...]: voilà, Madame, ses propres paroles.“ Maintenon an Ursins, Marly, 30.9.1709, Correspondance (Loyau), 294; oder: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 225; oder: Maintenon an Ursins, Marly, 6.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 204. 52 Beispiel: „J’ai eu une très grande conversation avec M. le Duc d’Orléans que je voulais prevenir en votre faveur; mais je le trouvais dans des sentiments pour vous, Madame, tels que je les pouvais désirer.“ Maintenon an Ursins, Marly, 12.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 208. 53 Vgl. die Einschätzungen von Cermakian, La Princesse, 343; Loyau, Préface, 9. 54 Zu diesem für alle sozialen Beziehungen handlungsleitenden Prinzip, das durch die Handlungskette von Gabe und Gegengabe gekennzeichnet war, siehe von Thiessen, Überlegungen, 484 f., Zitat 485.
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zu behaupten55. Einen solchen Frei-Raum sollte auf einer zweiten Kommunikationsebene der Freundschaftsbegriff im Sinne von „Vertrauen“ (confiance) schaffen, da Freundschaft und Vertrauen sich wechselseitig verstärkten56. Inszenierung des Vertrauens „Adieu, Madame, es ist ein großer Zwang, es nicht wagen zu können, frei gegenüber einer Person zu sprechen, in die man vollständiges Vertrauen hat.“57
Auf die Bedeutung des Vertrauens für die „Vertrauens-würdigkeit“ der Quelle ist bereits hingewiesen worden. Informationen, die aus individuellen Briefwechseln stammten, galten generell als sicherer als gedruckte, „anonyme“ Nachrichten58. Es lag also stark im Interesse der Korrespondenten, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, wenn sie glaubhaft wirken wollten. Einerseits ging es um die eigene Aufwertung als Informationsquelle: „Ich hoffe, dass Sie mir vertrauen, die ich Ihnen immer die Wahrheit sage.“59 Andererseits um das nötige Vertrauen, sich mitzuteilen: „[...] und ich fühle mich auch geschmeichelt, dass Sie genug Vertrauen in mich haben, mir darüber etwas zu sagen.“60 Vertrauen schaffen – dazu diente wie bereits gezeigt schon der erste Abschnitt des Briefes. Der Stil der Briefe der beiden Frauen muss im Kontext der adeligen Briefkultur des 17. und beginnenden 18. Jahrhundert gesehen werden. Mit dem
55 Vgl. van Eickels Klaus, Freundschaft im (spät)mittelalterlichen Europa: Traditionen, Befunde und Perspektiven, in: Oschema, Freundschaft, 23–34, hier 25. 56 Frevert, Vertrauen, 51. 57 „Adieu, Madame, c’est une grande contrainte de n’oser parler librement à une personne en qui l’on a une entière confiance.“ Maintenon an Ursins, Marly, 24.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 105–106. 58 Vgl. Mauelshagen, Netzwerke, 425. 59 „Je sais qu’on a mandé partout beaucoup de choses fausses là-dessus, j’éspère que vous vous fierez à moi qui vous dis toujours la vérité.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 131. Beispiel für die Princesse: Ursins an Maintenon, Madrid, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 190. 60 Als die Princesse ihr eine Nachricht von Duc de Berwick über seinen Zerwürfnis mit dem Duc d’Orléans weitergibt, wundert sie sich, dass der Botschafter nichts darüber schreibt. „Et je me flattais bien aussi que vous avez assez de confiance en moi pour m’en dire quelque chose.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 28.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 314.
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Begriff der „Preziosität“61 wird ein Phänomen bezeichnet, das dem Adel im 17. Jahrhundert zur sozialen Distinktion diente. Um sich abzuheben, zielte man auf eine Veredelung des Geistes, die auf Kultur und dem Streben, sich diese anzueignen, basierte. Als Handlungsgrundlage und zugleich sozialer Habitus war die Preziosität eingebettet in das Persönlichkeitsideal der honnêteté. Der preziöse oder galante Stil zeichnet sich durch typische Stilmittel wie die Periphrase, die Hyperbole, die Metapher und Allegorie, Überraschungen durch Oxymoron, Antithese oder Pointe aus – alles Formen, die in den Briefen omnipräsent sind und als Teil ihrer spezifischen Rhetorik ihre Überzeugungskraft ausmachen. Zugleich sollte diese veredelte Form der Sprache jedoch ganz natürlich, ohne Anstrengung und eben gerade nicht „erarbeitet“ erscheinen62. Unter dem Begriff des „galanten Stils“ wurde ein solcher „relativ formelloser, französischsprachiger, plaudernder Briefstil mit wesentlich kürzeren, weniger umständlichen Sätzen“ im Gegensatz zum so genannten Kanzleistil verstanden63. Die „Natürlichkeit“ eines Briefes, dessen Aufbau nicht starren Regeln, sondern der „natürlichen“ Ordnung der Gedanken folgte, würde Christian Fürchtegott Gellert dreißig Jahre später in seiner „Praktischen Abhandlung von dem guten Geschmack in Briefen“64 fordern. Nicht erst mit Gellerts Abhandlung etablierte sich dabei eine enge Konnotation zwischen den Gattungsmerkmalen des Briefes und der weiblichen Natur. Unterstellt wurde, dass die natürliche, ungezwungene und abwechslungsreiche Form des Briefs einer angeblich genuin weiblichen Natur entspreche und dass die Frau zum Briefeschreiben prädestiniert sei65. Der „natürliche weibliche Stil“ galt nicht erst nach den Arbeiten Gellerts als ideales Modell für das Verfassen eines 61 Zur Preziosität vgl. Lathuillière, Roger, La préciosité. Étude historique et linguistique, Paris 1966; Bray, René, La préciosité et les précieux. De Thibaut de Champagne à Jean Giraudoux, Paris 1948. 62 „Il ne faut pas que la conversation paraisse étudiée, et le plus qu’on la puisse rendre libre et facile, me semble de meilleur.“ schreibt der Chevalier de Méré über das Wesen der honnêteté und die Kunst der Konversation; zitiert bei Steiner, Herbert, Der Chevalier de Méré (Univ. Diss), Zürich 1930, 39. Jean Mesnard hat nachgewiesen, dass Madame de Maintenon zeitweise eine Art Schülerin des Chevalier de Méré (* 1607, † 1684), einer der wichtigsten Brieftheoretiker dieser Zeit, war: vgl. Mesnard, Jean, Françoise d’Aubigné et le Chevalier de Méré, in: Niderst, Albineana II, 193–215, hier 197 f. 63 Ruppel, Stillose Korrespondenzen, 71. Die berühmteste Vertreterin ist Madame de Sévigné. 64 Gellert, Christian F., Briefe, nebst einer Praktischen Abhandlung von dem guten Geschmack in Briefen, Leipzig 1751. 65 Runge, Anita / Steinebrügge, Lieselotte, Einleitung, in: Die Frau im Dialog. Studien zu Theorie und Geschichte des Briefes, hrsg. v. dens., Stuttgart 1991, 7–11, hier 8 f.
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Briefes66. Schon zu Zeiten der beiden Frauen behauptete Jean de la Bruyère67, dass Frauen von Natur über das verfügten, was Männer sich erarbeiten müssten: Natürlichkeit und Authentizität im Schreibstil68. Das Leitbild war die Natur; der Brief sollte nicht Regeln, sondern einem „natürlichen Ablauf“ folgen69. Dieses Phänomen, das im Allgemeinen für den Wandel der Briefkultur im Laufe des 18. Jahrhunderts beschrieben wurde, lässt sich bereits am Stil der beiden Frauen beobachten. Denn auch Madame de Maintenon betonte ihre „natürlichen Worte“ und gab zu verstehen, dass es keine Unaufrichtigkeit (hypocrisie) in ihren Worten gäbe. Die Versicherung ihrer Authentizität und Offenheit und damit die Einladung zum Vertrauen steht auch hinter ihrer Bemerkung, keine Angelegenheiten behandeln zu können, in denen man Geschicklichkeit, Anspielungen und Umschweife bräuchte, da dies nicht ihrer Persönlichkeit entspräche: „Ich kenne keine Vorsicht. Ich gehe geradeaus, ich liebe nur das Gute.“70 Ihren 66 Daher kann Ursula Becher nicht zugestimmt werden: Die Autorin sieht das Problem einer „männlichen Sprache, die Ausdruck männlicher Lebenswelt ist“. Für schreibende Frauen hätte es keine Vermittlung zwischen „beiden Welten – der Welt des männlichen Heroismus und der weiblichen Zurückgezogenheit“ gegeben. Die Autorin fragt, ob „diese Identifikation mit der männlichen Welt, männlich definierten Eigenschaften, männlicher Sprache die Lösung einer exzeptionnellen Frau des 18. Jahrhunderts [ist].“ Becher, Ursula A. J., „Weibliches Selbstverständnis in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts“, in: Weiblichkeit in geschichtlicher Perspektive: Fallstudien und Reflexionen zu Grundproblemen der historischen Frauenforschung, hrsg. v. ders. / Jörg Rüsen, Frankfurt a. M. 1988, 217–233, hier 220. 67 Jean de la Bruyère (* 1645, † 1696): von 1684 an in der entourage des Prince de Condé, 1693 Mitglied der Académie Française. 68 Vgl. Jensen, Katharina A., Male Models of Feminine Epistolarity; or: How to Write like a Woman in Seventeenth-Century France, in: Writing the Female Voice. Essays on Epistolary Literature, hrsg. v. Elisabeth C. Goldsmith, London 1989, 25–45, hier 2 f. und 41. Eine Analyse der präskriptiven Schriften für Briefe von Frauen zeigt, dass die Autoren (durchweg Männer) die Frauen damit kontrollieren wollten, denn Frauen blieben durch ihren spontanen Schreibstil nur die social letters, nicht aber die literary letters; ähnlich argumentiert auch Niemeyer, Beatrix, „Angenehme Sittenlehrer“. Briefe und Weiblichkeit im 18. Jahrhundert. Kritische Anmerkungen zu Norbert Elias, in: Zivilisierung des weiblichen Ich, hrsg. v. Gabriele Klein, Frankfurt a. M. 1997, 185–203, hier 202. 69 Niemeyer, Sittenlehrer, 199. 70 „Je conviens bien, Madame, que j’ai quelque bonté naturelle, mais je n’ai point de prudence. Je vais droit; je n’aime que le Bien. Je n’écris guère de choses que je fusse fachée qu’on lut. J’ai toujours eu une conduite très franche et je ne m’en suis pas mal trouvée. Il me semble qu’il y a autant d’habileté dans la droiture qu’il y a de la vertu. Je comprends pourtant bien que je ne serais pas capable de traiter des affaires où il faudrait de l’adresse, des insinuations, des tours et des détours; ainsi n’est pas mon personnage.“ Maintenon
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Worten – dies ist der Untertitel solcher Zeilen – könne die Princesse vertrauen. „Ich spreche ganz frei zu ihnen“71 versicherte sie ihr häufig. Dieses Argument setzte sie auch strategisch ein: Als die Princesse im Jahr 1707 für die Mätresse des Duc d’Orléans, Mademoiselle de Séry, ein Amt im Hofstaat der spanischen Königin über Madame de Maintenon beim französischen König erwirken wollte, lehnte Ludwig XIV. die Bitte kategorisch ab72. In ihrer Absage stärkte die Marquise mit dem Verweis auf ihre Ehrlichkeit das Vertrauen in die Beziehung: „Ich bin zu ehrlich, um Ihnen zu sagen, Madame, dass ich Ihrer Meinung bin, was die grâce, die Monsieur le Duc d’Orléans wünscht, betrifft; aber ich versichere Ihnen mit derselben Ehrlichkeit, dass der König noch stärker dagegen ist als ich.“73 Auch die Princesse gab vor, ohne jede Verstellung zu schreiben: Es sei ihr unmöglich, nicht ohne Umschweife alles zu sagen, was sie denke, auch wenn es möglicherweise abträglich sei74. Die Marquise stellte in schwierigen Situationen den Sinn der Korrespondez bisweilen sogar gänzlich in Frage: Weil sie die Princesse niemals täuschen wolle und zuviel zu sagen habe, sage sie lieber überhaupt nichts75; oder: weil es nicht möglich sei, frei heraus ihre Meinung zu sagen, würde sie manchmal am liebsten jeden commerce abbrechen76. Das Argument konnte aber auch umgedreht werden, und zwar wenn die Marquise den Umstand beklagte, eben „nicht frei miteinander sprechen zu können“77. Dass man sich nicht en liberté unterhalten könne, lag aus ihrer Sicht nicht am fehlenden Vertrauen, sondern schlicht an der Kommunikationssituation: der Entfernung und den Problemen des Mediums. Insbesondere Madame de Maintenon verwies immer wieder darauf, dass sie aufgrund an Ursins, Versailles, 19.1.1707, BL 20918, f. 172; ähnlich auch: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 252. 71 „Je vous fais peut-être, M[adam]e, des questions imprudentes. Je suis fort libre avec vous, parce que tout ce qui se passe entre vous et moi ne va pas plus loin.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 214. 72 Vgl. die Briefe von Ende September 1707 bis Ende Dezember 1707, BL Add. Ms. 20918, f. 335–377. 73 „Je suis trop sincère pour vous dire, Madame, que je suis de votre avis sur la grâce que M. le Duc d’Orléans désire; mais je vous assure avec la même sincerité que le Roi y est plus opposé que moi.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 377. 74 Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 29.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 63. 75 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 276. 76 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 270. 77 „Adieu Madame, c’est une grande contrainte de n’oser parler librement à une personne en qui l’on a une entière confiance.“ Maintenon an Ursins, Marly, 24.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 106.
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der Unsicherheit der Briefe nicht alles schreiben könne. Die Unsicherheit des Postweges war ein wiederkehrendes Thema in den Briefen: Beispielsweise folgerte die Princesse des Ursins im Jahr 1706 aus dem Umstand, dass die Seiten ihres letzten Briefes in Unordnung eingegangen waren78, dass ihre Briefe an die Marquise geöffnet würden. Letztere winkte zwar ab, bot aber an, die Briefe zu verbrennen: Sie habe sie nur für den Fall behalten, dass sie über ihre Korrespondenz eines Tages Rechenschaft ablegen müsse79. Dass die Marquise die Briefe der Princesse zunächst bei sich aufbewahrte, wird auch an anderer Stelle deutlich80. Als die Princesse sie einmal besorgt an einen ihrer besonders ausführlichen Briefe erinnerte, versicherte ihr ihre Briefpartnerin, keinen „nachteiligen Gebrauch“ (mauvais usage) von ihren Briefen zu machen, sondern sie ihr alle zurück zu schicken81; eine Woche später versicherte sie ihr, alle ihre Briefe verbrannt zu haben82, was als Hinweis darauf gedeutet werden kann, dass die Briefe der Princesse nicht in die Hände Unbefugter gelangen sollten. Zugleich ging es um die Erweisung einer Ehre: Denn die Sorge um die Sicherheit einer Korrespondenz wies auf ihre Bedeutung und die Exklusivität ihrer Inhalte hin. Die Tatsache, dass eine Korrespondenz geöffnet wurde, zeigte zugleich ihre Bedeutung83 und bedeutete eine Ehre für den Verfasser. Diese Ehre bestätigte die Marquise der Princesse des Ursins. Auf die mangelhafte Sicherheit von Briefen verweist auch der Umstand, dass man sich für die Mitteilung höchst vertraulicher Informationen immer noch auf Boten verließ84: Als der Sekretär der Princesse, Aubigny, beispielsweise den Bericht über die Geburt des Thronfolgers nach Versailles brachte, schrieb jene, dass sie selbst und der Botschafter ihn vor seiner Abreise sehr gut über die momentane Situation der spanischen Monarchie informiert hätten: Wenn Madame de Maintenon es wünsche, wäre er imstande, mit ihr die 78 Ursins an Maintenon, Burgos, 9.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 119. 79 Maintenon an Ursins, Versailles, 19.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 172 f. Drei Wochen später bekräftigte sie noch einmal ihre Meinung, dass ihre Briefe sicherlich nicht geöffnet würden: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 178. 80 Vgl. Maintenon an Villeroy, o.O., jeudi 20.3.1710 (billet), BL Add. Ms. 46357, f. 49. 81 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 17.1.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 90/91. 82 „Vous pouvez compter, M[ada]me, qu’on ne trouvera pas chez moi une ligne de votre écriture, je brûle vos lettres dans le moment que j’ai achevé d’y répondre.“ Maintenon an Ursins, Marly, 25.1.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 92/93. 83 Vgl. Roosen, The Age, 135. 84 Vgl. hierzu auch Jucker, Michael, Vertrauen, Symbolik, Reziprozität. Das Korrespondenzwesen eidgenössischer Städte im Spätmittelalter als kommunikative Praxis, Zeitschrift für Historische Forschung 2/2007, 191–213, hier 211.
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Dinge zu vertiefen, die man in den Briefen nur ganz leicht berühren könne, von denen es aber gut sei, dass sie sie wisse85. Abgesehen von den Problemen der Zustellung ging es jedoch ganz grundsätzlich um die Kommunikationssituation des Briefs: So betonte Madame de Maintenon immer wieder, dass, was sie zu sagen hätte, sich sehr von dem unterscheiden würde, was sie schreibe86, und zwar nicht aus Mangel an Vertrauen, sondern wegen der in Briefen erforderlichen prudence87. In fünfhundert Briefen, so die Marquise, könne man nicht schreiben, was man sich in einer einzigen Konversation sagen könne88. „Ich habe Vergnügen daran, Ihnen zu schreiben. Aber das, Sie zu unterhalten, wäre ein noch ganz anderes.“89 Die Princesse würde ihrerseits sich im Zusammenhang mit dem militärischen Erfolg Villars am Oberrhein im Jahr 1707 „deutlicher mit Ihnen erklären, Madame, wenn ich die Ehre hätte, Sie in einem tête-à-tête zu sprechen.“90 Auf das Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit soll an dieser Stelle kurz eingegangen werden. „Die Briefe, die man schreibt, sind Gespräche mit den Abwesenden“91, formuliert Antoine de Courtin in seinem „Traité de la civileté“ von 1671. Dieses Konzept war aus der Antike übernommen und in zahlreichen Briefmanualen beschrieben worden92. Vor diesem Hintergrund ist 85 Siehe: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 335–336. Sechs Wochen später bei seiner Ankunft bekräftigt sie diese Aussage noch einmal: „Je crois, Madame, que M. d’Aubigny que la Reine a envoyé à Paris aura eu l’honneur de vous voir et qu’il aura pu vous dire bien des choses qu’on n’écrit point et qu’il est peut-être à propos que vous sachiez.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 356. 86 „Vous voulez mes lettres, M[ada]me et j’obéis. Elles sont bien différentes de ce que j’aurais l’honneur de vous dire.“ Marly 21.8.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 185; oder: „Je n’ai guère l’honneur de vous écrire, M[ada]me, sans penser à la différence de ce que je vous mande à ce que je vous dirais.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau 11.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 188. 87 Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 24.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 285. 88 Maintenon an Ursins, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 247. 89 „[ J]’ai du plaisir à vous écrire, Madame, mais celui de vous entretenir serait bien différent.“ Maintenon an Ursins, o.O., 6.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 184; ähnlich: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 49. 90 „Je m’en expliquerais plus clairement avec vous, Madame, si j’avais l’honneur de vous parler tête à tête.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 24. 6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 282. 91 „Les lettres que l’on écrit, qui sont le discours des absents.“ Courtin, Antoine de, Nouveau traité de la civileté qui se pratique en France parmi les honnêtes gens, hrsg. v. Grassi, Marie-Claire, Saint-Étienne 1998, 165. 92 Neben Courtin ist hier auch Erasmus von Rotterdam zu nennen, der von einem „Gespräch zwischen abwesenden Freunden“ spricht: zitiert in Furey, Constance M., Erasmus,
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auch erklärt worden, dass im viel zitierten Wandel vom age of the ear zum age of the eye93 Briefe eher den Stil mündlicher Zeugnisse aufwiesen, ganz abgesehen von der Tatsache, dass sie häufig diktiert wurden. Auf der einen Seite stand also der formale Charakter des Briefes, auf der anderen seine Nähe zum Gespräch. Frühneuzeitliche Korrespondenzen standen daher im Spannungsverhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit. Reste dieser Mündlichkeit hat die Forschung auch in der Praxis des lauten Vorlesens der Briefe und der damit einhergehenden Inszenierung eines fiktiven Dialogs erkannt94. Umgekehrt könnte man darin auch eine „Fiktion der Mündlichkeit“ erkennen, eine Art „Re-oralisierung“, die Anwesenheit fingieren sollte, um Vertrauen zu erleichtern. Denn Vertrauen wird aus philosophischer und soziologischer Sicht auf persönliche Beziehungen beschränkt95. Briefe vermögen grundsätzlich zwar die körpergebundene Kommunikation zu ersetzen, bergen aber auch Unsicherheiten und Anlässe zu Misstrauen96. Soll Vertrauen geschaffen werden, gilt es, die zeitliche, räumliche und körperliche Kluft zwischen Absender und Empfänger zu überwinden oder zumindest auszugleichen. Die Struktur der Kommunikation ist immer auch durch das Medium geprägt: Im schriftlichen Austausch wird die Kommunikation zunächst auf das beschränkt, was verbal vermittelt wird97. Schrift wurde Luhmann zufolge erfunden, um die flüchtige und missverständliche mündliche Kommunikation nachweisen zu können. Gleichzeitig eröffne sich durch die Schrift aber ein riesiges Potential an Deutungen und somit wieder Missverständnissen. Luhmann spricht von neuen Systemen, die dadurch generiert würden. Schrift füge also Möglichkeiten hinzu, und das (ursprüngliche) Problem der Ungewissheit würde so zu einem Potential der Ungewissheit98.
Cantarini, and the Religious Republic of Letters, Cambridge 2006, 58; Hannah Wolley spricht von writing to a friend at a distance, in: Dies., The Gentlewoman’s Companion, London 1675, 218. 93 Bspw.: Neuschel, Word, 187. 94 Wenzel, Horst, Boten und Briefe. Zum Verhältnis körperlicher und nichtkörperlicher Nachrichtenträger, in: Gespräche - Boten - Briefe: Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, hrsg. v. dems., Berlin 1997, 86–105, hier 88 f.; Von einer „mündlichen Präsentation“ der Briefe spricht auch Keller, Frühe Neuzeit, 113; Vellusig postuliert eine „Mimesis von Mündlichkeit“: Vellusig, Schriftliche Gespräche, 21. 95 Frevert, Vertrauen, 55. 96 Jucker, Vertrauen, 211. 97 Vgl. Vellusig, Schriftliche Gespräche, 17. 98 Vgl. Luhmann, Form der Schrift, 360.
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Genau das lässt sich beobachten, wenn Madame de Maintenon auf die Vorzüge einer mündlichen Konversation verwies: Nur in einer persönlichen Begegnung könne man sich unmissverständlich ausdrücken und den Konsens finden. Damit zeigt sich, was als „Fähigkeit der Schriftlichkeit in Briefform, Dissens zu kanalisieren“99 beschrieben wurde. Oft konnten nur durch die Fiktion einer konsensualen Mündlichkeit zwischenörtliche Kontakte selbst in einem Klima des Misstrauens aufrechterhalten werden. Die Nachteile schriftlicher Kommunikation als Strategie Der gezielte Einsatz der beschriebenen Verweise auf die Vorzüge der Mündlichkeit zeigt sich noch deutlicher in den Erinnerungen an die gemeinsamen Stunden in der chambre obscure100. Die Hinweise auf die Gespräche, die im Jahr 1705 im Beisein des Königs stattgefunden hatten, dienten der Selbstvergewisserung ihrer Beziehung. Für Beziehungen sind erzählerische Strategien wie der Gebrauch spezifischer Topoi konstitutiv: Weil die Hoffnung auf Kontinuität ein grundlegendes Moment für Freundschaften ist, kann die Mythisierung einer langjährigen Freundschaft mittels einer „Bewährungsgeschichte“ dazu dienen, sich dieser Beständigkeit immer wieder zu vergewissern101. Die Unterhaltungen in der chambre obscure in Marly funktionierten als eine solche Bewährungsgeschichte, als „Gründungsmythos“, der den beiden Frauen in schwierigen Momenten immer wieder als gemeinsamer Nenner diente. Die Fiktion der konfliktfreien Begegnung hatte somit eine reale Basis in der Vergangenheit. Einerseits wirkte der Verweis auf die chambre obscure also vertrauensstiftend, andererseits wurden die vergangenen Gespräche zu einem Topos, dessen sich Madame de Maintenon in kritischen Momenten „warnend“ bediente. Die Gespräche wurden nämlich immer dann erwähnt, wenn der Briefwechsel gefährdet schien: Im Oktober 1707 kam Madame de Maintenon beispielsweise in Bedrängnis, da die Princesse sie wiederholt um ihre Patronage bei Ludwig XIV. ansuchte, der die von ihr erbetene grâce allerdings unter keinen Umständen gewähren wollte. Schließlich erinnerte die Marquise an den schon
99 Jucker, Vertrauen, 211. 100 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 10.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 293; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.5.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 7. 101 Labouvie, Eva, Zur Einstimmung und zum Band, in: Dies., Schwestern und Freundinnen, 11–34, hier 21 f.
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erwähnten „Vertrag“, den sie im Beisein des Königs in ihrer chambre in Marly geschlossen hätten102. Ein anderes Beispiel aus dem Jahr 1712 zeigt ebenfalls deutlich diesen Zusammenhang: Als die Princesse nach einem Kuraufenthalt in Frankreich einen Zwischenhalt bei der Königin-Witwe in Bayonne ihrer Meinung nach unnötig ausgedehnt hatte, zeigt ihre Formulierung wiederum diesen Bezug: Wenn sie die Princesse schon nicht in der chambre obscure sehen könne, wolle sie sie zumindest in Madrid wissen. Sie solle nicht ihre Zeit in Bayonne verlieren103. Zuviel Kontakt mit der Königin-Witwe war von Versailles aus nicht gewünscht. Die Aussage, nicht persönlich miteinander sprechen zu können, diente darüber hinaus der Harmonisierung. Insbesondere Madame de Maintenon evozierte das Problem der Entfernung immer dann, wenn sie einen möglichen oder tatsächlich vorhandenen Dissens glätten wollte, um die Korrespondenz aufrecht zu erhalten. Sie versicherte dann, dass man sicherlich gleicher Meinung sei, wenn man zusammen wäre. So zieht sich im Jahr 1708, in dem sich die Interessen der beiden Kronen immer stärker divergierten, wie ein basso continuo der Verweis auf das „Gemeinsame“104 ihrer Sorgen und die Tatsache, dass „sie genauso dächten“105 durch die Quellen. Ähnlich klingt eine immer wiederkehrende Bemerkung zur Kriegslage im Jahr 1710: Die Interessen seien derart unterschiedlich momentan, so Madame de Maintenon, dass sie am liebsten gar nicht über die affaires schreiben würde. Wenn die Princesse am französischen Hof wäre, dächte sie jedoch sicherlich genauso wie sie selbst106. Dieser Zusammenhang zeigt sich 102 Die Princesse hatte mehrfach um die Zustimmung Ludwigs XIV. gebeten, dass der Mätresse des Duc d’Orléans, Mademoiselle de Séry, der Titel der dame d’atour de la reine vom spanischen Königspaar zuerkannt würde, die aber aufgrund der Unehrenhaftigkeit dieser Person und der Beziehung nicht gewährt wurde. Madame de Maintenon setzte hier eine deutliche Grenze ihrer Patronage: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 10.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 338. 103 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 13.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 132. 104 „[…] tous nos biens et nos maux sont trop commun, Madame.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 14.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 54. 105 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 21.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 59. 106 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.7.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 303. In diesem Jahr hatte ihr Madame de Maintenon auch einmal versichert, dass sie ihren commerce halten würden, auch wenn sie nicht über jedes Kapitel gleich dächten, denn, so die stereotype Begründung, die Princesse wäre ja sicherlich ihrer Meinung, wenn sie hier in Frankreich weilte: Maintenon an Ursins, Versailles, 21.4.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 289; ähnlich auch: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.3.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 147. Die Princesse verwendete diese Formulierung auch in ihren Briefen an
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noch deutlicher, als im Jahr 1714 die Unterstützung Madame de Maintenons für die Princesse des Ursins schwand, vermutlich weil man am französischen Hof die Princesse zum Sündenbock der Entwicklungen in Madrid gemacht hatte. Mit Argwohn vernahm man die Berichte, dass der spanische König abgeschirmt und im Palast eingeschlossen werde. Die Aussage des Briefes der Madame de Maintenon lautete, dass die Interessen der beiden Höfe mittlerweile derart divergierten, dass die Marquise die Princesse in ihrem Bemühen um die ihr versprochene Landesherrschaft nicht unterstützen würde107. Es sei schwierig, sie am französischen Hof für diese Angelegenheit noch zu rechtfertigen108. Eingebettet war diese Information in zwei weitere, implizite Mitteilungen: Weil es nicht möglich sei, so die Marquise, sich über all dies frei zu äußern, spräche man besser gar nicht darüber. Schließlich endet dieser „Absage-Brief“ zwar mit einer Formel der Unterstützung, aber auch mit der Aussage, dass die Princesse zu bedauern sei. Durch den Verweis auf den eigenen Rückzug, die mangelhafte Kommunikationsmöglichkeit und ihr Mitleid mit der Princesse, teilte Madame de Maintenon der Princesse des Ursins auch „zwischen den Zeilen“ mit, dass sie ihr nicht mehr helfen konnte oder wollte109. Schreiben, dass man nicht schreiben kann, ist als ein wiederkehrender Topos der Briefe ausgemacht worden. Der Eindruck, dass er strategisch eingesetzt wurde, bestätigt sich durch die Beobachtung, dass sein Auftauchen mit Absagen unterschiedlichster Art einhergingen: „Nicht ich vergebe die grâces und noch weniger die Bistümer als alle anderen. […] Es gibt einen großen Unterschied, Madame, zwischen Briefen und Konversationen, und wenn ich welche mit Ihnen haben könnte, endeten sie nicht so früh wie dieser Brief, aber immer auch mit ehrlicher Versicherung meiner zärtlichen und respektvollen Verbundenheit.“110 An dieser und anderer Stelle diente Madame de Maintenon das Argument offensichtlich dazu, die eigene Ohnmächtigden Duc de Gramont, vgl. Ursins III (La Trémoille), insbesondere in den Jahren 1705 und 1706. 107 Zu dieser Landesherrschaft (souveraineté) vgl. Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.) 108 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 16.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 219. 109 Wenige Wochen später wiederholte sich dieser Ablauf: Maintenon an Ursins, Versailles, 28.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 228. 110 „Ce n’est pas moi qui donne les grâces et moins les évêchés que toute autre. […] Il y a une grande différence, Madame, des lettres et des conversations, et si je pouvais en avoir avec vous, elles ne finiraient pas si tôt que cette lettre, mais toujours par de sincères assurances de mon attachement tendre et réspecteux.“ Maintenon an Ursins, o.O., 23.12.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 201.
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keit darzustellen111. Als sich im Jahr 1709 die Lage der französischen Krone weiter verschlechtert hatte – nach der endgültigen Kapitulation Lilles und dem erneuten Verlust von Gent und Brügge mehrten sich auch die Ängste um eine Anerkennung des Erzherzogs Karl als spanischen König durch den Papst –, warnte die Princesse vor dem Abschluss eines Schandfriedens, mit dem Spanien fallen gelassen und der Ruhm Frankreichs beschmutzt würde112. Die Antwort der Marquise auf diesen Brief fiel ungewöhnlich kurz aus und sollte der Princesse offensichtlich eine Grenze zeigen113. Ein Verweis auf den König und die gesellschaftlichen Konventionen einerseits, und die bedrohliche Kürze des Briefes andererseits unterstrichen ihre Warnung zwischen den Zeilen. Hinsichtlich der Beziehung der beiden Frauen zueinander lässt sich abschließend festhalten, dass sie die Regeln und Konventionen des Briefzeremoniells in einem „Spiel der Ehre“ nutzen. Dadurch schufen sie die Basis für ihre Kommunikation, indem sie sich gegenseitig Respekt bezeugten und Ehre erwiesen. Zugleich diente die Regelkonformität dem „Einschwingen“ auf die Konversation. Die Variabilität der von ihnen verwendeten Codes verweist dabei zunächst auf ein relativ egalitäres Verhältnis zwischen ihnen, dessen Freiraum es möglich machte, konventionelle Formeln strategisch einzusetzen. Da das klienteläre Verhältnis der beiden an anderen Stellen bereits deutlich geworden ist, handelt es sich dabei um eine Ebenbürtigkeit auf anderer Ebene: Die Bezeichnung ihrer eigenen Beziehung als „Freundschaft“ diente dazu, Vertrauen zu schaffen, Loyalität auszuhandeln, aber auch an Verpflichtungen zu erinnern. Um ihrer Kommunikation Vertrauen als Basis zu geben, bekundeten die beiden Frauen auch immer wieder, natürlich, offen und frei zu schreiben. Diese Topoi entsprachen gänzlich den Anforderungen des gehobenen adligen Konversationsstils114. Im Laufe des 18. Jahrhunderts sollten sie mit dem Brief als „weiblichem Genre“ konnotiert werden. Genau in diesem „frei miteinander sprechen können“ wurden aber auch die Grenzen schriftlicher Kommunika111 Bspw.: Maintenon an Ursins, o.O., 2.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 217. 112 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.12.1708, Correspondance (Layau), 70. 113 Der gesamte Brief lautete: „Je n’ai reçu votre lettre du 23 que sur les six heures, le Roi est dans ma chambre, je ne puis donc, Madame, qu’en accuser la réception et vous assurer que nous aurions moins de disputes en présence que par lettres. Je pense souvent comme vous, Madame, mais il ne convient pas toujours de dire ce qu’on pense. Je suis à vous, Madame, pour toute ma vie.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 6.1.1709, Correspondance (Loyau), 81. 114 Siehe Burke, Peter, The Art of Conversation, Oxford 1993, insbesondere 90–208.
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tion deutlich: Nicht nur aufgrund der unsicheren Zustellungsbedingungen, sondern auch hinsichtlich des grundsätzlichen Charakters dieser Form der Kommunikation: Man kann nicht alles schreiben, was man sagen könnte. Aus diesem Grund versuchte man, durch die Fiktion einer Mündlichkeit Vertrauen zu schaffen. Aber auch die Nachteile schriftlicher Kommunikation konnten wiederum als Strategien ausgemacht werden. So diente der Verweis auf die Gespräche in der chambre obscure, in der allein man „frei“ miteinander habe sprechen können, den beiden Frauen als Rückversicherung, aber auch als Warnung und Ausflucht: Zu betonen, dass man derselben Meinung wäre, wenn man zusammen wäre, war eine Möglichkeit, Dissens zu glätten oder einen Konflikt zu vermeiden. 1.2. Les nouvelles des personnes: Sich in der Gesellschaft verorten „Habe ich Unrecht, Madame, in Details zu gehen, die das Wohlergehen (conservation) der Personen betreffen, die uns so wertvoll sind? Hier also ein sehr langes [Detail], das ich dennoch die Ehre hatte, Ihnen mitteilen zu müssen, damit Sie über alles informiert sind.“115
Im Folgenden soll der Blick darauf gerichtet werden, wie die beiden Frauen über Dritte schrieben. Bei der „wertvollen Person“ im zitierten Beispiel handelt es sich um die Duchesse de Bourgogne, die zu diesem Zeitpunkt mit einer ihrer Hofdamen im Konflikt war. Madame de Maintenon hatte dieses détail ausführlich erläutert. Der Begriff conservation umfasste also nicht nur das körperliche Befinden einer Person, sondern auch ihre Betätigungen und ihren gesellschaftlichen Verkehr – diese Belange nehmen in den Briefen viel Raum ein. Dabei handelte es sich um Personen, die zum gemeinsamen Bekanntenkreis der beiden Frauen zählten oder gesellschaftlich bedeutende Persönlichkeiten waren – meist allerdings beides zugleich. Wie stellten sie ihre Beziehungen zu Dritten dar und welche Wirkung hatte diese Darstellung? Politische Körper
115 „Ai-je tort, Madame, d’entrer dans des détails qui regardent la conservation des personnes qui nous sont si précieuses? En voici un bien long qu’il a pourtant fallu que j’eusse l’honneur de vous faire afin que vous fussiez informée de tout.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 23.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 268.
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„[Der König] zielte gestern 34 Mal und erlegte 32 Fasane. Die Kraft, die Sicht, das Geschick, nichts lässt bei ihm nach.“116
Die Aufmerksamkeit, die dem körperlichen Befinden beigemessen und die akribische Sorgfalt, mit der es dokumentiert wurde, mag zunächst erstaunen. Detaillierte Informationen in gesundheitlichen Belangen sind in den Briefen des 17. und 18. Jahrhunderts jedoch nichts Ungewöhnliches. Informationen zum körperlichen Befinden der eigenen und einer anderen Person können auf (mindestens) zwei Ebenen verstanden werden. Führt man sich die Gesetzmäßigkeiten personaler Herrschaft vor Augen, so wird unmittelbar deutlich, welch außerordentliche politische Bedeutung das körperliche Befinden der Herrscher und der Personen ihres nahen Umfeldes hatte. Ein Todesfall oder eine schwere Krankheit würden unweigerlich zu mehr oder weniger tief greifenden politischen Umwälzungen führen. Insbesondere in politisch oder militärisch unsicheren Zeiten gewannen diese Informationen an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere die regelmäßigen Berichte der Madame de Maintenon über die santé du Roi und diejenigen der Princesse des Ursins über das Befinden des spanischen Königspaars zu sehen. Ihnen wurde in beinahe jedem Brief ein Abschnitt gewidmet. Für Ludwig XIV. galt dies in besonderem Maße, zählte der König im Jahr 1705 doch schon 67 Jahre, ein für damalige Verhältnisse hohes Alter. Gesundheitliche Probleme, Diäten, ständige Aderlasse und Aufsehen erregende Operationen117 führten dazu, dass man sich beständig um seine Gesundheit sorgte und die Frage nach seinem Nachfolger implizit immer präsent war. Vor diesem Hintergrund bekommt die Tatsache, dass Madame de Maintenon in beinahe jedem ihrer Briefe die „extrem gute Gesundheit“ des Königs betonte, politische Bedeutung. Dadurch machte sie ihrem Gegenüber deutlich, dass die Situation am Hof gerade stabil und damit auch ihre eigene Machtposition nicht gefährdet war. Die unverwüstliche Gesundheit des Königs schaffte gewissermaßen politische Stabilität118. Verwundert äußerten sich die beiden Frauen auch immer wieder darüber, wie viel der König essen, wie er all das verdauen und trotzdem bei guter Ge116 „[I]l tira hier trente quatre coups et apporta trente deux faisands. La vigueur, la vue, l’adresse, rien ne diminue chez lui.“ Maintenon an Ursins, Marly, 10.11.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 304. Kontext: Im Jahr 1714 waren die Divergenzen zwischen Versailles und Madrid erneut sehr groß geworden, und der commerce der beiden Frauen wurde mehrfach beinahe beendet. 117 Vgl. bspw. Petitfils, Louis XIV, 687–689; Burke, 108 und 122; siehe hierzu auch Engels, Königsbilder, 198 f. 118 Siehe Engels, 198.
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sundheit bleiben könne119. Damit inszenierten sie das Außerordentliche, das „Über-menschliche“ des Königs. Da die Gesundheit des französischen Königs in ganz Europa von Interesse war, kursierten diesbezüglich Gerüchte und die beiden Frauen informierten sich darüber, was „man hörte“. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass um 1700 durch die veränderten Möglichkeiten des Drucks und der Verbreitung kritischer Schriften ein negatives Bild des Königs nicht nur von feindlicher Seite, sondern auch an den bourbonischen Höfen verbreitet wurde120. Die Marquise konnte dadurch zugleich ihre Position auprès du Roi inszenieren, die allein sie zu vertrauenswürdigen Informationen befähige, beispielsweise wenn sie an die Princesse schrieb, dass über des Königs Gesundheit viel Falsches und Übertriebenes kursiere und sie nur ihr vertrauen könne121. Die zahlreichen falschen, über ganz Europa verbreiteten Gerüchte brächten große Nachteile122. Einmal erwähnte die Marquise beispielsweise einen Kämmerer des Papstes, der von den in Rom kursierenden Gerüchten über die gesundheitliche Konstitution des Königs berichtet habe. Dort hielte man Ludwig XIV. für verrückt, da er mit seinen nunmehr 74 Jahren während der Mittagshitze im Wald „herumrenne“. Tatsächlich, so fügte die Marquise hinzu, sei des Königs Gesundheit überraschend gut und seit den jüngsten Unglücksfällen noch wertvoller und würde daher auch noch genauer beobachtet123. Mit den genannten „Unglücksfällen“ spielte sie auf die vorangegangenen Monate an, in denen in kurzen Abständen die Dauphine, der Dauphin und der Duc de Bretagne verschieden waren124. In den darauf folgenden Monaten, berichtete Madame de Maintenon noch ausführlicher als gewöhnlich über die robuste Gesundheit des Königs, einerseits wohl, da man ihn möglicherweise in der Reihe der Unglücksfälle als Nächsten sah, andererseits, da 119 Beispiel: Maintenon an Ursins, Marly, 21.8.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 183. Einem Kommentar zur Gesundheit des französischen Königs fügte die Princesse beispielweise einmal ihre persönlichen diätetischen Grundsätze an: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 24.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 284–285. 120 Vgl. Klaits, Printed Propaganda, 23. 121 „Je sais qu’on a mandé partout beaucoup de choses fausses là-dessus, j’éspère que vous vous fierez à moi qui vous dis toujours la vérité.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 131. 122 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 20.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 133. 123 Vgl. Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 15.8.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 121; ähnlich: Maintenon an Ursins, Marly, 20.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 133–34. 124 Am 12.2.1712 starb die Duchesse de Bourgogne, am 18.2. desselben Jahres der Duc de Bourgogne und am 11.3. der Duc de Bretagne. Vgl. Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.).
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im Falle seines Ablebens zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nur ein Kleinkind, der damals einjährige (neue) Dauphin Louis d’Anjou als Thronfolger übrig geblieben wäre. Und eine Regentschaft hätte – auch für die französischen Akteure in Madrid – weitreichende politische Folgen gehabt. Dass die Gesundheit des Dauphins infolgedessen ebenfalls von größter Bedeutung war, zeigt sich auch in den Briefen der Marquise125. Den König und den jungen Dauphin bezeichnete sie als die beiden Personen, für die sich die Princesse am meisten interessiere126. Der grundlegenden Studie Ernst Kantorowicz’ zufolge hatte der vormoderne Herrscher in der zeitgenössischen Vorstellung zwei Körper: einen physischen, individuellen, menschlichen und dadurch sterblichen Körper (body natural) und einen politischen Körper, der als Gottes Stellvertreter, als fortdauernde Idee unsterblich war (body politic)127. Auch jene zweite Ebene ist präsent, wenn Madame de Maintenon die Unverwüstlichkeit des königlichen Körpers als Sicherheit und Trost hinstellt. Meines Erachtens ging es in den Briefen jedoch vor allem um den „natürlichen“ Körper des Königs. Jener war „im gleichen Maße ein Phantasiegebilde wie der politische und [ließ] sich für politische Zwecke mobilisieren, [...]“128. Die Marquise verfolgte in ihren Berichten über den Körper Ludwigs XIV. das Ziel, der Princesse Sicherheit zu vermitteln: Ein Ende seiner Regierungszeit sei noch in weiter Ferne, Loyalität lohne sich daher. Das Sprechen über die körperliche Konstitution des Monarchen war demnach eine Dimension des politischen Diskurses. Die zweite Person, deren körperliches Befinden im Mittelpunkt der Korrespondenz stand, war die junge spanische Königin Maria Luisa. Der Körper der Königin war genauso in das politische Konzept der Monarchie eingebunden wie der des Königs: Ihre vornehmliche Aufgabe bestand darin, einen Thronfolger zu gebären. 125 Schon ein Tag, an dem er erkrankt sei, habe alle in Angst und Schrecken versetzt, und sie selbst hätte eine schlechte Nacht gehabt: Maintenon an Ursins, Versailles, 9.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 108. 126 „Les santés où vous prenez le plus d’intérêt ici sont en fort bon état.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 12.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 264; oder auch: Maintenon an Ursins, Versailles, 20.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 227; Maintenon an Ursins, Marly, 10.11.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 304. 127 Vgl. Kantorowicz, Ernst H., The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 1957, 407 f. und 505 f. Bastl stellt fest, dass diese Studie in Deutschland lange Zeit nicht rezipiert worden ist: Bastl, Tugend, Liebe Ehre, 170. Eine Übersetzung erfolgte tatsächlich erst im Jahr 1990. 128 Weil, Rachel, Der königliche Leib, sein Geschlecht und die Konstruktion der Monarchie, in: Der Körper der Königin, hrsg. v. Regina Schulte, Frankfurt a. M. 2002, 99–111, hier 103.
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Die junge Königin verfügte wie ihre Schwester, die Duchesse de Bourgogne, über eine schwache gesundheitliche Konstitution. Sie war häufig krank und sollte schließlich auch sehr jung – im Alter von 26 Jahren – im Jahr 1714 an Tuberkulose sterben129. Zahlreiche Schwangerschaften und Fehlgeburten in jungem Alter hatten sicherlich einen Teil zu ihrer schwachen Gesundheit beigetragen. Der Bericht über das Befinden der Königin gehörte zum festen Bestandteil der Briefe der Princesse des Ursins an Madame de Maintenon, was beispielsweise die häufig zu findende Formulierung zeigt, dass es bezüglich der Gesundheit der Königin „nichts Neues seit dem letzten Mal“ gäbe130. Als Erste Kammerdame der Königin gehörte die Sorge um deren Gesundheit zu ihren wichtigsten Aufgaben. Als die Königin im Jahr 1705 schwer erkrankte, erbat die Princesse zunächst über Madame de Maintenon medizinische Ratschläge von Fagon, dem königlichen Leibarzt. Die Marquise gab häufig die Einschätzungen Fagons sowie ihre eigenen Erfahrungen an die Princesse weiter. Bisweilen nahm dies Formen einer brieflichen Konsultation an131. Krankheitsbeschreibungen sind dabei auch immer als Loyalitätsbekundungen zu verstehen, wie Jens Ivo Engels herausgearbeitet hat132. Anteilnahme zeigt Verbundenheit – und genau diese wollte die Princesse bei der Marquise hervorrufen, um deren Unterstützung sicherzustellen. War die Gesundheit des Herrscherpaars gefährdet, so war dies ein heikles Thema, das hoch politisch aufgeladen war. Die Princesse wollte einmal beispielsweise nur in einem courrier extraordinaire darüber berichten133, da ihr Bericht ein „großes Geheimnis“ beinhalte134. Besonders eindrücklich wird die 129 Von Maria Luisa existiert keine wissenschaftliche Biographie neueren Datums; siehe lediglich Perey, Lucien, Une Reine de douze ans. Marie-Louise Gabrielle de Savoie. Reine d’Espagne, Paris 1905; Biondi Morra, Francisco, María Luisa de Saboya, reina de España, Madrid 1943; Junceda Avello, Enrique, La Saboyana. La reina María Luisa Gabriela de Saboya (1688–1714), biografía de una vida apasionada, Oviedo 1999 (Colección Sirio). 130 „Je n’ai rien de nouveau à vous apprendre, Madame, sur la santé de la Reine [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 24.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 22. 131 Bspw.: „Voici des consultes que j’ai fait faire sur son mal par trois médecins français qui sont ici à qui j’ai demandé un grand secret vous aurez s’il vous plaît la bonté de les remettre à M. Fagon pour qu’il nous dirige.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 15. Weitere Beispiele: Maintenon an Ursins, Marly, 27.4.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 45; Maintenon an Ursins, Marly, 16.5.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 48; Maintenon an Ursins, Marly, 13.7.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 55–56. 132 Engels, Königsbilder, 125 und 196. 133 Über Maria Luisa: Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 13. Über Philipp V.: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 12. 134 Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 15.
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Brisanz des Themas zu Beginn des Jahres 1714, als Maria Luisa das Krankenbett hütete und bis zu ihrem Tod am 14. Februar nicht mehr verlassen sollte. Alle seien an der Gesundheit der Königin sehr interessiert, schrieb Madame de Maintenon und bat diesbezüglich explizit um jede Information135. Überall kursierten die Gerüchte, so die Marquise weiter, alle versuchten, an Informationen zu gelangen, alle seien betroffen136. Als der Tod der jungen Königin nahte, sprach sie die politischen Folgen direkt an: Sie bat die Princesse des Ursins um Instruktionen, was im Falle des Ablebens der Königin zu tun sei – auch hinsichtlich der persönlichen Interessen der Princesse137. Die Sorge um den „natürlichen Körper“ der Königin hing dabei eng mit ihrer Aufgabe zusammen, für einen Nachkommen zu sorgen. Andererseits zeigt sich hier aber auch, dass bei einem Herrscherpaar der Körper der Königin als der natürliche inszeniert wurde. Weiblichkeit war im französischen Hochzeitszeremoniell als sterblich und leiblich konnotiert, basierend auf der jahrhundertelangen westlichen Tradition der Gleichung Frau – Leib138. Auf diese Weise sollte die Sterblichkeit des Königs kompromittiert und auf symbolischer Ebene zur Stärkung der königlichen Macht beigetragen werden139. Insofern trug die Darstellung von Maria Luisas Schwäche zur Stärkung ihres Ehemanns bei. Dies schien auch nötig gewesen zu sein. Denn König Philipp V.140 hatte vermutlich verschiedene psychosomatische Leiden und litt mitunter an starken Depressionen: mélancholie, wie es im zeitgenössischen Sprachgebrauch hieß141. Dies zeigte sich auch an seinem fehlen-
135 Maintenon an Ursins, Versailles, 15.1.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 205–206. 136 Maintenon an Ursins, Versailles, 4.2.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 207. Ein kurzer Brief behandelt nur dieses sujet: Maintenon an Ursins, Versailles, 22.1.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 206. 137 „Quoiqu’il arrive, Madame, rappellez tout votre courage et mandez-moi tout ce qui vous passera par l’esprit sur un si triste et si grand évènement. Personne ne peut mieux que vous nous instruire de ce qu’il y aura à faire et ce que vous imaginerez sur l’avenir.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 29.1.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 207. 138 Vgl. Weil, Königlicher Leib, 101. 139 Vgl. Zanger, Abby E., Scenes from the Marriage of Louis XIV: Nuptial Fictions and the Making of Absolutist Power, Stanford 1997. 140 Zu Philipp V. siehe die nahezu vollständige Bibliographie: Molas Ribalta, Pere / Cerro Narganez, Rafael / Fargas Penarrocha, Maria Adela (Hrsg.), Bibliografía de Felipe V, Madrid 2004. 141 „Je vous ai mandé que ces souffrances lui ont données une mélancolie qu’elle [Sa Majesté, A.d.V.] n’avait point [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 28.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 12.
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den Selbstbewusstsein und seiner Schüchternheit142. Im Jahr 1724 sollte er aus diesen Gründen sogar abdanken, um dann wenige Monate später ein zweites Mal die Regierungsgeschäfte zu übernehmen143. Seine Zurückgezogenheit, Schüchternheit und Tendenz zur Isolierung verbanden die zeitgenössischen Beobachter direkt mit seinen körperlichen Leiden144. Auch hier muss der Bericht über das Wohlbefinden des Königs immer vor dem Hintergrund der politischen Stabilität seiner Regierung verstanden werden. Auf diese Weise inszenierte die Princesse ihre Nähe zum Königspaar. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Gesundheit der Herrscher eine Information von höchster politischer Relevanz war, deren Mitteilung auf symbolischer Ebene ein Bild des Zustands der Monarchie zeichnete. Dabei stellten sich die beiden Frauen als eine sichere, vielleicht die sicherste Informationsquelle dar. Weniger ausführlich, aber ebenso regelmäßig berichteten die beiden Frauen über das Befinden anderer Personen des Hofes. Madame de Maintenon thematisierte in ihren längeren Briefen insbesondere die Gesundheit der Duchesse de Bourgogne, die sich als Großnichte des Königs seiner besonderen Gunst erfreute. Sie war die ältere Schwester der spanischen Königin Maria Luisa. Zur Duchesse de Bourgogne stand Madame de Maintenon in einem ähnlichen Verhältnis wie die Princesse des Ursins zu Maria Luisa. Sie war beinahe täglich mit ihr zusammen und für ihr „Betragen bei Hofe“ und ihre moralische Führung zuständig – nicht zuletzt auch wegen ihres beträchtlichen Altersunterschieds und Erfahrungsvorsprungs145. Auch in ihrem Fall füllten Berichte über eine eventuelle Schwangerschaft die Seiten der Briefe, eine Information, die aufgrund ihrer politischen Dimension für die Princesse des Ursins von Bedeutung war146. 142 Vgl. Labourdette, Philippe V., 439; Baudrillart, Philippe V, 50 f.; Kamen, Henry, Philipp V. The king who Reigned Twice, New Haven / London 2001, 6 f. 143 Vgl. Kamen, Philipp V, 139 ff. 144 Ihre Beschreibungen lassen dabei keine klaren Abgrenzungen zwischen körperlichem und seelischem Befinden erkennen, was mit der zeitgenössischen Vorstellung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen zusammenhängt. Die zu dieser Zeit verbreitete Viersäftelehre der Humoralpathologie besagte, dass die Ausgewogenheit der Säfte für die – physische wie psychische – Gesundheit eines Menschen verantwortlich sei. Melancholie, was in etwa dem heutigen Begriff für Depression entsprechen dürfte, wurde bspw. als eine Folge von schwarzer Galle im Blut gesehen. Vgl. Siegel, Rudolph E., Galen’s System of Physiology and Medicine, New York 1968. 145 Zur Parallelität ihrer Rolle als Gouvernante für die savoyardischen Schwestern siehe Kapitel II.3.1. und II.3.2. (Der Blickwinkel der Madame de Maintenon/ Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 146 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 35.
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Diese politische Dimension erklärt auch den Umstand, dass ebenso Personen der Hofelite in den Briefen der Marquise Erwähnung finden – die Princesse und der Prince de Conti147, das Ehepaar Noailles148 oder die im Exil lebenden Stuarts149 sowie militärische Befehlshaber wie der Maréchal de Noailles150, der Duc d’Harcourt151, der Duc de Villars152, der Duc de Noailles153, der Duc de Vendôme154, um hier nur einige zu nennen. Über die sich verschlechternde Gesundheit des Papstes ließ sich die Princesse im Jahr 1707 von ihrem Bruder, Kardinal de la Trémoille, regelmäßig berichten und teilte die Nachrichten Madame de Maintenon mit155. Im selben Jahr waren auch die ständig eintreffenden, immer wieder gegenteilig lautenden Nachrichten über die schwache Gesundheit des Herzogs von Savoyen – einer der wichtigsten Gegner der bourbonischen Allianz – regelmäßig Thema der Korrespondenz156. Dabei fällt auf, dass in dieser Weise niemals über die Gesundheit eines Ministers geschrieben wurde. Die Staatssekretäre Torcy, Chamillart, der Finanzexperte Orry, der französische Botschafter in Madrid sind in anderer Hinsicht ebenso präsent in den Briefen wie die Herrscher und der Hofadel. Ihre Gesundheit wird indes nie kommentiert. Lediglich, wenn der Tod nahte oder gekommen war, wurde dies mitgeteilt, wobei es vermutlich vor allem um die Information über die Vakanz eines Amtes ging. Diese Beobachtung könnte einerseits darauf zurückgeführt werden, dass die erwähnten Amtsträger häufig aus dem Amtsadel oder dem Bürgertum 147 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.12.1708, Correspondance (Loyau), 73. 148 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.12.1708, Correspondance (Loyau), 73. 149 Bspw.über den Husten der englischen Königin: Maintenon an Ursins, Versailles, 14.1.1709, Correspondance (Loyau), 86. 150 Zur Sorge um Gesundheit des Maréchal de Noailles siehe: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 205. 151 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 10.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 274; siehe auch beinahe alle folgenden Briefe des Jahres 1710. 152 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 275; siehe auch beinahe alle folgenden Briefe des Jahres 1710. 153 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 31.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 287. 154 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 10.8.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 309. Es handelt sich um Louis II Joseph de Bourbon, Duc de Vendôme (* 1654, † 1712). 155 „Le Cardinal de la Trémoille m’écrit sur la mauvaise santé du Pape. Il serait faché qu’il laissât la chaise de St. Pierre vide dans un temps bien embarrassé pour y placer un digne sujet.“ Ursins an Maintenon, Retiro, 7.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 257. 156 Siehe bspw.: „Il m’est revenu par Gênes que le mal de M. le Duc de Savoye n’avait pas été si dangereux qu’on l’avait débité, quoiqu’il ne soit pas bien encore. M[ada]me la Duchesse Royale écrit à la Reine qu’il a la fièvre et qu’il prendra du quinquina.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 290.
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stammten und sich eine solche Bemerkung über eine Person niederen Standes aus Gründen der Etikette nicht schickte. Andererseits kann sie auch vor dem Hintergrund eines sich verändernden Amtsverständnisses am Hof interpretiert werden. Der Dauphin als Thronfolger oder der Bruder des Königs als potentieller Regent waren personale Elemente der höfischen Machtstrukturen. Ihre jeweilige Persönlichkeit und Vernetzung bestimmte maßgeblich ihre Position am Hof und dadurch auch das höfische Machtgefüge insgesamt, welches sich somit im Falle ihres Todes neu definieren musste. Ein Staatssekretär etwa hatte dagegen ein Amt inne, das ein funktionales Element der Regierung darstellen sollte. Auch war er an einen spezifischen Amtseid oder eine Instruktion gebunden, die sich als Extension des monarchischen Willens verstand und seine Befolgung gewährleisten sollte. Er könnte aus diesen Gründen eher als ersetzbar empfunden worden sein: Im Falle seines Todes hätten keine grundlegenden Veränderungen stattfinden, sondern idealerweise lediglich das Amt von einer anderen Person, aber gemäß denselben Amtsinhalten übernommen werden sollen, während es bei Fürsten oder Thronanwärtern dagegen gerade um die Ausgestaltung des königlichen Willens ging. Möglich ist, dass die Tendenz zur Unterscheidung von personalen und funktionalen Machtelementen157 sich in den unterschiedlichen Redeweisen niederschlug. Auch im Fall der Minister war die tatsächliche Ausgestaltung maßgeblich von der Person und ihrer Vernetzung geprägt, wie die Forschung nicht nur für den Fall Torcy gezeigt hat. Dies würde auch den habitualisierten Charakter unterstreichen, den das Thematisieren der Gesundheit Adeliger hat. Strategisch wäre dagegen gewesen, die „personale“ Amtsführung eines Torcy zu berücksichtigen und daher seine Gesundheit ebenfalls zu thematisieren. So ungewöhnlich der Befund ist, er weist in jedem Fall darauf hin, dass das grundsätzliche Verständnis einer stratifizierten Gesellschaft das Schreiben über Dritte prägte: Über Angehörige des Schwertadels schrieb man anders als über jene des Amtsadels. Körper, Seele und die affaires Das eigene Befinden der Briefpartnerinnen war ebenfalls von politischer Bedeutung: Wenn Madame de Maintenon verstürbe, wären die Princesse und das spanische Herrscherpaar ihrer besten Zugangsmöglichkeit zum französischen König beraubt; wenn die Princesse des Ursins aufgrund ihres Augenleidens 157 Auch hinsichtlich des Dienstverhältnisses ist für das 18. Jahrhunderts von einem Wandel von einem eher personal-emotionalen zu einem stärker sachlich-funktionalen Verhältnis gesprochen worden. Vgl. Reinhard, Staatsgewalt, 180.
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handlungsunfähig würde, müsste der französische Hof auf die Möglichkeit, über ihre Person auf die Politik in Madrid Einfluss zu nehmen, verzichten. Dies war jedoch nicht der einzige Grund, weshalb die beiden die eigene Gesundheit ebenfalls regelmäßig in ihren Briefen thematisierten. „Ihr Brief aus Marly vom 6. November, Madame, zeigt mir die Ungeduld, mit der Sie die Eroberung von Lerida erwarten. Sie haben jetzt offenbar davon erfahren, und diese Nachricht wird gerade richtig eingetroffen sein, um Sie von ihrer Erkältung und Ihrem kleinen Fieber zu befreien, denn das beste Heilmittel für Sie ist zu erfahren, dass die Geschäfte (affaires) gut gehen.“158
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass zwischen körperlichem Befinden und Gemütszustand nicht klar getrennt wurde, und daher diese Dinge auch in engem Zusammenhang mit dem aktuellen Geschehen standen. Aussagen zum Befinden und zur allgemeinen Lage folgten in den Briefen häufig unmittelbar aufeinander, so dass ein kausaler Zusammenhang augenfällig wird – nicht nur bezüglich der beiden Frauen159, sondern auch bezüglich des Königs160. Der menschliche Körper galt auch als Symbol für die Gesellschaft und deren Abbild, als Segment der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit161. Sehr deutlich zeigt sich dies etwa im Kontext der militärischen Aktion in Schottland im Jahr 1708, als Madame de Maintenon zeitgleich zu dem desast158 „Votre lettre de Marly du 6. nov., Madame, me marque l’impatience avec laquelle vous attendez la prise de Lérida. Vous la savez déjà apparement et cette nouvelle sera arrivée tout à propos pour vous guerir de votre rhume et de votre petite fièvre; car c’est le meilleur remède de tout pour vous que d’apprendre que les affaires vont bien.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 364. 159 So schreibt Madame des Ursins, sie hoffe, dass Madame de Maintenons Gesundheit sich wiederherstelle, wenn die Belagerung Lilles erfolgreich ausginge: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 56–57; ähnlich: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 10.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 3. 160 Man dürfe nicht zu viel Trauer zeigen, so die Marquise, damit seine Gesundheit stabil bleibe: Maintenon an Ursins, Marly, 27.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 101; oder auch: Maintenon an Ursins, Marly, 11.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 102. 161 Bastl, Tugend, Liebe, Ehre, 172; Zur „Körpergeschichte“ siehe auch Labouvie, Eva, Andere Umstände. Eine Kulturgeschichte der Geburt, Köln 1998; Bumke, Joachim, Höfischer Körper – Höfische Kultur, in: Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, hrsg. v. Joachim Heinzle, Frankfurt / Leipzig 1994, 67–102; Bynum, Caroline Walker, Warum das ganze Theater mit dem Körper? Die Sicht einer Mediävistin, in: Historische Anthropologie. Kultur, Gesellschaft, Alltag 4/1 (1996), 1–33; Porter, Roy, History of the Body, in: New Perspectives on Historical Writing, hrsg. v. Peter Burke, Pennsylvania 1992, 206–232.
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rös verlaufenden Militärmanöver an schweren Fieberschüben litt und der königliche Leibarzt Fagon dieses kurzerhand als fièvre d’Écosse162 diagnostizierte. Der Verfasser eines Briefes, so Michael Stollberg, lässt schon durch die Bezeichnung seiner Krankheit seine eigene Deutung derselben in den Brief einfließen. Vor allem die Erzählung von chronischen, lang währenden Leiden hätten so zu einer Art von sinnstiftendem self-fashioning werden können163. Bei Madame de Maintenon kann eine solche Selbststilisierung hinsichtlich ihrer chronischen Fieberschübe beobachtet werden: Fieber hatte sie meist dann, wenn die affaires nicht gut liefen164. In persönlichen Briefen war es in der Frühen Neuzeit üblich, eine Art permanenten Gesundheitsbericht zu geben, mit Hilfe dessen man sich selbst zu verorten und das eigene Sein zu erklären suchte165. Wenn es um Krankheit und Gesundheit ging, waren die individuelle und die politische Sphäre eng miteinander verbunden: Das Leiden konnte zum Mittel der Distinktion werden: Indem man sich als vom politischen Geschehen stark betroffen darstellte, demonstrierte man auch die eigene Bedeutung: Madame de Maintenon war buchstäblich so nahe am Geschehen, dass sie körperlich involviert war. Der strategische Hintergrund der eigenen Krankheitsbeschreibung zeigt sich auch noch in einem anderen Zusammenhang: Als Madame de Maintenon gegen Ende des Jahres 1714 ihrer Protektion für die Princesse nicht mehr nachkommen konnte oder wollte, stellte sie sich in immer stärkerem Maße leidend dar. Sie sähe nichts mehr, höre noch schlechter, man verstünde sie nicht mehr und ihr Gedächtnis tauge nichts mehr; angesichts all des Unglücks würde sie nur noch weinen und sich vor der Welt verstecken166. Grundsätzlich 162 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 22.4.1708, BL Add. Ms. 20920, f. 1. 163 Vgl. Stollberg, Michael, Patientenbriefe in vormoderner Medikalkultur, in: Krankheit in Briefen im deutschen und französischen Sprachraum. 17.–21. Jahrhundert, hrsg. v. Vincent Barras / Martin Dinges, Stuttgart 2007, 23–34, hier 29. 164 Andere Beispiele: Die Duchesse de Bourgogne und sie selbst hätten nach einer schlechten Nachricht umgehend Fieber bekommen: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 222; oder: Maintenon an Ursins, o.O., 10.8.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 60. 165 Barras, Vincent / Dinges, Martin, Krankheit in Briefen: Einleitung, in: Krankheit in Briefen im deutschen und französischen Sprachraum: 17–21. Jahrhundert, hrsg. v. dens., Stuttgart 2007, 7–22, hier 13. 166 „Si vous me voiez, M[adam]e, vous conviendriez que je fais bien de me cacher. Je ne vois presque plus; j’entends encore plus mal. On ne m’entend plus, parce que la prononciation s’en est allée avec les dents; la mémoire commence à s’égarer: je ne me souviens plus des noms propres: je confonds tous les temps et nos malheurs joint à mon âge me font pleurer comme toutes les vieilles que vous avez vues.“ Maintenon an Ursins, o.O., 9.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 241.
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konnte jedes soziale Verhalten mit dem Hinweis auf den körperlichen Zustand entschuldigt werden, wodurch die Krankheit den Status einer allgemeinen Rechtfertigungsinstanz erhielt167. Ob diese Angaben der Realität entsprachen oder nicht, ist nicht unbedingt relevant. Die Darstellung der Marquise zeigt in jedem Fall, was sagbar war. Gesellschaftlicher Verkehr und Interaktionen „Abgesehen davon, Madame, bin ich umgeben von meinen Verwandten. Madame de Caylus kommt ziemlich häufig nach Versailles und trifft mich oft. Sie war in Trianon mit dem König, der Duchesse de Noailles und häufig auch mit mir spazieren. Beide waren gestern in meinem Zimmer mit Madame de Villette, die eine schöne Frau ist.“168
Über den gesellschaftlichen Verkehr am Hof zu berichten, bedeutete, politische Informationen zu geben, da er die höfische Rangordnung widerspiegelte. Mit Norbert Elias kann von der „politischen Architektur“ des Hofes gesprochen werden, in der die Position des Einzelnen Teil einer ausgeklügelten Ordnung war. Wer mit Madame de Maintenon spazieren ging, wer sie und den König ins Sommerschloss Marly begleiten durfte, wer abends in ihre appartements geladen wurde, der stand zumindest in jenen Momenten hoch in der Gunst der Marquise und damit auch in der des Königs. Denn Rang, Ansehen und Einfluss des Einzelnen hingen aufs Engste mit seiner Position und seinen Privilegien am Hof zusammen169. Wenn Madame de Maintenon also detailliert berichtete, welche der Damen ihr am Nachmittag Gesellschaft geleistet oder wer die königliche Gesellschaft nach Marly oder Trianon begleitet habe170, so beschrieb sie damit 167 Barras / Dinges, Krankheit, 13. 168 „Au reste, Madame, je suis environnée de parentes. M[ada]me de Caylus vient assez souvent à Versailles et me voit souvent. Elle a été se promener à Trianon avec le roi, la Duchesse de Noailles est souvent avec moi. Elles étaient hier dans ma chambre avec Madame de Villette qui est une jolie femme.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 1.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 250. 169 Vgl. Elias, Die höfische Gesellschaft, insbesondere 135–161. 170 „Nous allons mercredi à Marly, Madame la Duchesse d’Orléans ne sait si elle pourra y venir car jamais femme grosse n’a été aussi incommodée qu’elle. Madame la Duchesse n’y viendra pas, Madame la Princesse de Conti n’y peut venir que vers la fin du séjour parce qu’elle prend les eaux. Madame de Courcillon fait comme une autre et vient à Marly, sa grossesse est finie depuis qu’elle est sous les yeux de madame de Dangeau, elle
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die gerade bestehende Hierarchie am Hof. Als beispielsweise der Maréchal de Villeroy in Ungnade fiel, vermerkte die Marquise, dass er „wenig erscheint [...] und [sie] keinen commerce mit ihm habe.“171 Politisch wurde diese Aussage dadurch, als Einfluss am Hof am bestehenden Kontakt mit wichtigen Personen wie der Marquise ablesbar war172. Zu zeigen, mit wem man verkehrt, hatte dabei sowohl eine positive Wirkung für die betreffenden Personen als auch für einen selbst. Berichtenswert waren auch Geburten, Hochzeiten, Todesfälle oder neue personale Allianzen173. Große Feste oder kulturelle Ereignisse174 hatten genauso wie die sogenannten „Intrigen“ und „Kabalen“ hinsichtlich der aktuellen Hierarchie am Hof Bedeutung. Solche Mitteilungen über den französischen Hof wurden von der Princesse des Ursins meist aufgegriffen, im Sinne einer „Empfangsbestätigung“ wiederholt und häufig kommentiert175. Dagegen nahm die spanische Hofgesellschaft in den Briefen vergleichsweise wenig Raum ein. Wenn die Princesse über Personen am Hof berichtete, vomit encore de temps en temps, son ventre est toujours un peu gros.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 10.6.1709, Correspondance (Loyau), 200. Zu den erwähnten Personen: Madame la Duchesse d’Orléans: Françoise Marie de Bourbon (* 1677, † 1759), Ehefrau des späteren Régenten, Duc d’Orléans; Madame la Duchesse: Louise Françoise de Bourbon, Mademoiselle de Nantes, Princesse de Condé (* 1673, † 1743), Tochter des Königs und Madame de Montespan; Madame la Princesse de Conti: Marie Anne de Bourbon (* 1666, † 1739), Tochter von Ludwig XIV. und der Duchesse de la Vallière, Gattin von Louis Armand de Bourbon, Prince de Conti; Madame de Courcillon: geb. Pompadour (* 1694, † 1777), Ehefrau von Philippe-Egon de Courcillon, Sohn des Marquis de Dangeau; Madame de Dangeau: Sophia Maria Wilhelmina von Löwenstein-Wertheim-Rochefort (* 1664, † 1737), Ehefrau des Philippe de Courcillon, Marquis de Dangeau. 171 „M. le Ma[récha]l de Villeroy paraît peu. Il a très souvent la goutte et je suis sans commerce avec lui.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 238. 172 Darauf hat bereits Duindam hingewiesen: Vgl. Duindam, Myths of Power, 155 f. 173 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 1.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 250; Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 1.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 274. 174 Bspw.die Beschreibung des großen Spektakels zu Ehren der Geburt des Thronfolgers: Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 366; oder die Beschreibung von musikalischen Vorführungen auf dem canal, Jagden, abendlicher Kammermusik in ihren appartements oder der Aufführung von Komödien von Molière: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 30.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 289. 175 Bspw. die Kommentare der Princesse über den Tod der Madame d’Heudicourt, die Krankheit de Prince de Conty, die Verdienste de Maréchal de Boufflers, das Appartement für Madame de Mantoue und die grâce, die dem Duc d’Orléans zugestanden wurde: Ursins an Maintenon, Madrid, 15.2.1709, Correspondance (Loyau), 110–112, Kommentar auf die Briefe der Madame de Maintenon vom 27.1.1709 und 3.2.1709, Correspondance (Loyau), 93–96 und 102–104.
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dann rekurrierten ihre Beschreibungen meist auf gängige Stereotypen176. Dies kann einerseits damit erklärt werden, dass die Princesse mit Vertretern der spanischen Hofgesellschaft keine engen Verbindungen pflegte, ein Umstand, mit dem ja auch ihre Eignung als Erste Kammerdame begründet worden war177. Andererseits waren in diesem Fall detaillierte Informationen für ihr Gegenüber auch nicht von der Bedeutung, wie es die Belange des französischen Hofs für sie selbst waren. Die Princesse hatte viele Jahre in Paris und Versailles verbracht und kannte die meisten Protagonisten persönlich. Sie war sujette des französischen Königs und hatte selbst eine Position in dieser höfischen Rangordnung. Es war für sie daher von Bedeutung, den jeweils aktuellen Stand dieser Rangordnung zu kennen, um Verbindungen mit den „richtigen“ Personen eingehen zu können. Sie hatte ein Netzwerk aufrechtzuerhalten, das ihr spätestens nach Beendigung ihres Aufenthaltes in Madrid wieder von Nutzen sein würde. Dass sie demnach stärker als die Marquise auf höfische Nachrichten angewiesen war, ist ein weiterer Grund für den asymmetrischen Charakter ihrer Beziehung. Diese Überlegungen gelten auch für vergleichbare Informationen anderer europäischer Höfe: Hochzeiten, Geburten und Todesfälle der europäischen Fürstengesellschaft fanden daher auch Eingang in die Briefe der beiden Frauen178. Bisweilen wurden Mitteilungen unter dem Begriff der bruits179 zusammengefasst, was mit „Gerüchte“ übersetzt werden kann180. Ihr Wahrheitsgehalt wurde als weniger sicher dargestellt. Dieser Mangel an Sicherheit darf indes nicht mit einer geringeren Bedeutung verbunden werden. Die Wirkung die-
176 Mit Stereotypen sind Werkzeuge gemeint, mit denen die Zeitgenossen wahrgenommene Wirklichkeit erklärten und ausdrückten. Vgl. Engel, Jens I., Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Pariser historische Studien, 52), Bonn 2000, 5–7 und 13–15. 177 Siehe Kapitel I.1.2. (Die Princesse des Ursins in Madrid). 178 Ein anschauliches Beispiel bietet: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 225. 179 So waren der Marquise zufolge die Gerüchte über die Gründe für die Legitimierung des Duc de Maine und des Comte de Toulouse ein „weites Thema unserer Höflinge“: Maintenon an Ursins, Marly, 5.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 261. 180 Def. Furetière, Dictionnaire, 282: 6. Bedeutung: „Se dit aussi des discours, du temps, des nouvelles dont on s’entretien dans le monde. Il court un bruit lourd de peste, mais c’est un faux bruit.“ URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 22.7.2011]. Gestrich definiert Gerüchte als „Nachrichten über unbestätigte Sachverhalte“; Gestrich, Absolutismus, 136.
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ser „unsicheren“ Informationen musste keineswegs geringer ausfallen181, was letzen Endes auch daran ersichtlich ist, wie ernst man jene Mitteilungen und ihre Dementierung nahm182. Die bruits waren insbesondere dann von Bedeutung, wenn sie den eigenen Ruf (réputation) betrafen. So hatten beispielsweise die spanischen Granden eine Woche nach der Rückkehr der Princesse nach Madrid verbreitet, dass sie bei der Königin nicht mehr in derselben Gunst stünde – ein Gerücht, das der Princesse politischen Schaden hätte bringen können. Daher informierte sie Madame de Maintenon sogleich, dass an dem Gerede nichts Wahres sei183. Im Jahr 1709 versuchte sie, über ihren Brief an die Marquise das hartnäckige Gerücht zu zerstreuen, sie habe sich mit dem Duc d’Orléans überworfen und die Gunst Philipps V. verloren. Die „Gazettes de Hollande“184 hatten eine angebliche Verschwörung des Herzogs publiziert, das Gerede sei jedoch das Werk einiger unzufriedener Granden gewesen. Ein langer Brief des Botschafters, so hoffe sie, habe die Sache schon geklärt185. Insbesondere über die Gerüchte einer zweiten disgrâce der Princesse, die am französischen Hof in regelmäßigen Abständen kursierten, hielt sie die Marquise auf dem Laufenden und beruhigte sie damit, dass sie zur Kontrolle die Briefe des Staatssekretärs einsähe186. Über Madame de Maintenon wurde häufig verbreitet, dass ihre Gunst oder Gesundheit – was machtpolitisch gesehen auf dasselbe hinauslief – angeschlagen seien187. Das Gerücht, dass die Princesse samt dem spanischen Königspaar nach Versailles zurückkehren, Madame de Maintenon vergiften 181 Vgl. auch Farge, Arlette, Dire et mal dire. L’opinion publique au XVIIIe siècle, Paris 1992, 289. 182 Darauf weist auch Arlette Farge hin: „La ‚réalité‘ d’une position sociale n’y est que ce que l’opinion juge qu’elle est.“ Farge, Dire, 97 f.; ähnlich auch Gestrich, Absolutismus, 136 f. 183 Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 17–18; Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 19. 184 Die Zeitschrift wurde in Leyden und Amsterdam verlegt und war ein Projekt des Buchhändlers, Druckers und Publizisten Claude Jordan. Vgl. Hatin, Louis Eugène, Les gazettes de Hollande et la presse clandestine aux XVIIe et XVIIIe siècles, Paris 1865. 185 Ursins an Maintenon, o.O., n. dat. (Loyau zufolge 20.-25.2.1709), Correspondance (Loyau), 121. 186 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 1.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 250; Sie ließ sich dazu von Madame de Caylus informieren: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 178; Oder über die in Paris kursierenden Gerüchte, die der Princesse und dem französischen Botschafter schaden könnten: Maintenon an Ursins, o.O., 1.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 93. 187 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 18.
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und ihren Platz am Hof einzunehmen gedenke, gab den beiden indes eher Anlass, sich zu amüsieren, denn sich zu sorgen188. Es gilt festzuhalten, dass die Aussagen über das körperliche Befinden, den Gemütszustand und den gesellschaftlichen Umgang einer Person eng miteinander zusammenhingen. Als solche waren sie für die beiden Frauen, insbesondere was den französischen König und das spanische Herrscherpaar betrifft, von Bedeutung. Der Gesundheitszustand eines Herrschers entsprach nicht nur auf einer symbolischen Ebene dem Zustand der Monarchie; ob seine Verfassung gut oder schlecht war, hatte auch ganz konkrete Auswirkungen auf die politische Stabilität. Daher betonte Madame de Maintenon stets die „Unverwüstlichkeit“ Ludwigs XIV. und daher wollte die Princesse des Ursins ihre Mitteilungen zur schwachen Gesundheit der spanischen Königin und der labilen Psyche ihres Gemahls diskret behandelt wissen. Für diese politisch äußerst relevanten Informationen beanspruchten die beiden Frauen aufgrund ihrer Position in der Nähe der Herrscher, die sicherste Quelle zu sein. Während die hof- und europaweite Elite ebenfalls in dieser Weise Erwähnung fand, wurde das Befinden der Minister nicht regelmäßig kommentiert, sondern lediglich im Falle ihres Ablebens. Erklärt werden kann dieser Umstand mit der wachsenden Tendenz, zwischen funktionalen und personalen Herrschaftselementen zu unterscheiden. Augenfällig ist auch der Zusammenhang zwischen Körper, Psyche und den affaires geworden, was zunächst mit der vormodernen Vorstellungen von der Einheit des Körpers und der Seele begründet werden kann. Zugleich wurden die eigenen Krankheitsbeschreibungen aber auch strategisch verwendet – um sich als buchstäblich „nahe am Geschehen“ zu inszenieren oder sich für Versäumnisse zu rechtfertigen. Dass gesellschaftliche Ereignisse immer auch Abbilder der höfischen Figuration waren, macht ihre Thematisierung in den Briefen plausibel. Dass in diesem Kontext der französische Hof den weit größeren Raum einnahm, wurde damit erklärt, dass die Princesse des Ursins auch weiterhin ihren Platz in der französischen Hofgesellschaft bewahren musste, während die Verhältnisse am spanischen Hof für Madame de Maintenon nicht dieselbe Bedeutung hatten. Für alle beschriebenen Themen gilt, dass sie auch in ihrer „weniger sicheren Variante“, in Form von Gerüchten und Gerede, von der gleichen politischen Relevanz waren. Solche Informationen gezielt und auf bestimmte 188 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 101; dazu: Ursins an Maintenon, Burgos, 12.8.6, BL Add. Ms. 20918, f. 102.
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Weise präsentiert weiterzugeben, kann daher als politisches Handeln verstanden werden. 1.3. Les commissions: Das Netzwerk pflegen Übermittlung von compliments „[I]ch werde ihre Glückwünsche diesbezüglich dem König übermitteln. Aber Madame la Duchesse de Bourgogne und Sie brauchen keinen Dritten.“189
Den „Dritten“ bei der Übermittlung von Glückwünschen, den so genannten compliments, spielten Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins häufig. Gelegentlich bedachten sie sich auch gegenseitig mit den gesellschaftlich üblichen compliments190, in erster Linie übernahmen sie dies jedoch für andere. Die lettres de compliments oder spanisch cartas de pesame waren Briefe, die zu bestimmten gesellschaftlichen Ereignissen verfasst und auch erwartet wurden191. Sie „dien[t]en dazu, die Freundschaft mit jemanden einzugehen oder sie aufrecht zu erhalten“192, wie Jean Puget de la Serre in seinem „Secrétaire à la mode“ von 1693 definiert. Im Vordergrund stand also die Aufrechterhaltung der Beziehung, was auch in ihrer alternativen Bezeichnung der lettres de visites, zu Deutsch „Besuchungs-Briefe“193, zum Ausdruck kommt194. Hier sei auch auf den Ursprung eines jeden Briefes verwiesen, einen persönlichen Be189 „[ J]’en ferai vos compliments au Roi. Mais M[ada]me la Duchesse de Bourgogne et vous n’avez pas besoin d’un tiers.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 308. 190 Bspw. ein compliment der Princesse anlässlich eines Sieges der französischen Truppen in Italien: Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 16–17. 191 Vgl. Puget de la Serre, Secrétaire, 19–27. Neben einer allgemeinen Form, in der Verfasser und Adressat mehr oder weniger austauschbar waren (général), konnte ihr Ausdruck an Vertrautheit formal gesteigert werden und somit die Verbindlichkeit erhöht werden (obligeant). 192 „Les lettres de compliment servent à contracter l’amitié avec quelqu’un, ou à l’entretenir.“ Puget de la Serre, Secrétaire, 19. 193 Die „Besuchungs-Briefe“ sind eine Gattung der Sitten oder Gebühr-Schreiben, „dadurch man abwesend bey seines Gleichen die bißher gepflogene Freundschafft forzusetzen; bei Patronen aber und höheren sich in dero Patrocinio oder gnädigen Andencken zu erhalten suchet.“ Kaspar Stieler in seiner „Teutschen Sekretariats-kunst“ von 1674, zitiert bei: Vellusig, Gespräche, 40. 194 Vgl. Puget de la Serre, Secrétaire, 19–27.
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such oder ein persönliches Gespräch zu ersetzen195. Während die compliments in den meisten Fällen in längere Briefe eingebunden waren, wurden sie zu bestimmten Gelegenheiten in Reinform verfasst: um zu danken, zu gratulieren, zu trösten, zu spotten oder einzuladen. In ihren Formeln und Dispositionstechniken gehorchten sie rhetorischen Stilvorschriften196. Die identische Struktur des Neujahrswunsches und des Trostbriefes weist beispielsweise darauf hin, dass es in erster Linie um soziale Distinktion ging: Der Verfasser konnte zeigen, dass ihm seine Verpflichtung zu diesem compliment bekannt war und dass er den Code beherrschte. Die lettres de compliments stellten somit auch die Basis für die Kommunikation und stifteten Handlungssicherheit und Vertrauen. Daher informierten sich die beiden Frauen über relevante gesellschaftliche Ereignisse, die eine solche der Konvention geschuldete Form der Reaktion erforderlich machten – wiederum eine Gelegenheit zur „Netzwerkpflege“. Wichtig waren in diesem Zusammenhang insbesondere möglichst rasche Informationen über Todesfälle oder Geburten. Sie habe bald ein compliment an Pontchartrain zu verfassen, kündigte Madame de Maintenon einmal in pragmatischer Voraussicht an, denn seine Frau läge im Sterben197. Und wenn sie der Princesse über die Auszeichnungen von Offizieren nach der Eroberung von Bouchain im Oktober 1712 berichtete, so war das für jene auch ein Hinweis darauf, an wen sie compliments zu schreiben hatte, um den gesellschaftlichen Gepflogenheiten nachzukommen198. Diese Aussagen gingen bei Madame de 195 Briefe sind Daybell zufolge vergleichbar mit einer Visite, sie sind eine „textuelle Verkörperung der Schreiber, die den Empfänger besuchen“ (textual embodiment of the writers visiting the addressee): Daybell, Women, 164. Siehe auch Whyman, Paper Visits, 15–36. 196 Vor allem in den Titulaturen, den Formeln der Anrede und des Grußes zeigen sich der unterschiedliche Grad der stilistischen Gestaltung, der wiederum das ständische Verhältnis zwischen Autor und Adressat und das sozialständische Ordnungsgefüge abbildet. Vgl. Vellusig, Robert, Schriftliche Gespräche. Briefkultur im 18. Jahrhundert, Wien 2000, 36–38. 197 „Vous avez bientôt un compliment à lui [Comte de Pontchartrain] faire sur la mort de M[adam]e la Chancelière qui est tous les jours à l’extrémité.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 213. 198 Ein gutes Beispiel hierfür: „Bouchain est pris, M[adam]e, et voilà notre campagne finie bien glorieusement. Le Roi donna hier le gouvernement de Provence à M le Ma[récha]l de Villars, la charge de Général des Galères au Ma[récha]l de Tessé, le gouvernement du pays Messin à M de Saillant, celui de Gravelines au Mi[ni]s[tre] de Broglio gendre de Ma[récha]l Voisins, dont on a augmenté les appointements en faveur du Ministre, le gouvernement de Charlemont au Mi[ni]s[tre] de Vieuxpont bon officier gendre de M[adam]e la P[rince]sse de Montauban, et celui de Nismes à M de
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Maintenon häufig in Ratschläge über: Nach dem Tod der Königin Maria Luisa im Jahr 1714 riet sie der Princesse beispielsweise, Maria von Modena, die im französischen Exil lebende Königin von England, über die Wahl der neuen spanischen Königin in einem persönlichen Brief zu unterrichten199. Den Kontakt der Princesse zu dieser Königin sowie zur ebenfalls am französischen Hof weilenden Königin von Polen hatte die Marquise durch die Weitergabe von Komplimentschreiben erst hergestellt200. Die Briefe der beiden Frauen konnten direkte compliments auch gänzlich ersetzen: Sie baten einander häufig, an ihrer Stelle die Glückwünsche auszurichten oder das Beileid auszusprechen201. Madame de Maintenon pflegte auf diese Weise ihre Verbindung zum spanischen Königspaar202 und dem französischen Botschafter bzw. zu Personen, die sich zeitweise am spanischen Hof aufhielten. So sollte die Princesse beispielweise die carta de pesame an Philipp V. beim Tod seines Bruders, des Duc de Berry, für Madame de Maintenon übernehmen203. Die Princesse nutzte die Korrespondenz diesbezüglich jedoch in viel stärkerem Maße: Sie ließ regelmäßig ihre Glückwünsche an den Duc und die Duchesse de Bourgogne, die Noailles oder die Stuarts und natürlich Ludwig XIV. selbst ausrichten. So bat sie ihre Briefpartnerin zum Beispiel, dem König dafür zu danken, dass er ihrem Bruder eine Abtei gegeben habe. In vollendeter höflicher Redekunst begründete sie die Bitte mit ihrer Angst, womöglich ein „schlechtes Kompliment“ zu verfassen204. Dabei ging es weniger um Arbeitserleichterung – wenn auch Zeitmangel bisweilen als Grund ange-
la Vierne vieux officier et gendre de M de St. André; je ne sais, M[adam]e, si vous vous souvenez assez de l’Hôtel d’Albret pour reconnaître ce nom-là.“ Maintenon an Ursins, o.O., 22.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 128–129. 199 Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., 14.10.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 300. 200 Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 29.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 63; mit der Königin von Polen: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 64. 201 Bspw. bat die Princesse darum, dass ihre Briefpartnerin anlässlich des Sieges Berwicks über das englisch-portugiesische Heer bei Almanza im April 1707 die Glückwünsche an die gesamte königliche Familie für sie übernehme: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 250–251. 202 Wenn bspw. die Princesse des Ursins einen Brief der Marquise dem König vorlas, der voll des Lobes ist: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 353–354; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 365. 203 Maintenon an Ursins, Marly, 6.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 225. 204 Ursins an Maintenon, o.O., n. dat. (vermutl. Ende Dezember 1705), Ursins (Geffroy), 221 f. Dieser Brief findet sich nicht im Bestand der British Library.
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führt wurde205 –, als darum, dem Gruß ein stärkeres Gewicht zu verschaffen206 und sicher zu stellen, dass er auch tatsächlich beim Adressaten ankam. Dies wird besonders deutlich, wenn es um compliments für den französischen König oder das spanische Herrscherpaar ging. Ein von Madame de Maintenon ausgerichtetes compliment zu einem militärischen Sieg fand mit einer größeren Wahrscheinlichkeit das Ohr und die Aufmerksamkeit des Königs, als es ein selbst verfasstes Schreiben getan hätte, das womöglich in der Flut von Briefen an den König in der Annahmestelle des secrétariat untergegangen wäre. Bisweilen bat man sein Gegenüber auch darum, einen beigefügten Brief weiterzugeben. So legte Madame de Maintenon beispielsweise einen Brief der Maria von Modena an die Princesse bei207; jene bat um Weitergabe ihrer Briefe an Madame de Caylus208, die Duchesse de Bourgogne209 oder den Maréchal d’Harcourt210. Beim Tod der Maréchale de Noailles legte die Princesse ihrem Schreiben nach Versailles „unendlich viele Briefe“ für das Haus Noailles bei – darunter auch die compliments des spanischen Königspaars211. Auch in diesem Fall konnte mit höherer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Brief auch tatsächlich seinen Weg zum Adressaten und dessen Aufmerksamkeit fand. Auch Dritte machten diesbezüglich von dem Briefwechsel der beiden Frauen Gebrauch: Die Duchesse de Bourgogne ließ sich über diesen Kanal bei ihrer Schwester, Königin Maria Luisa entschuldigen, dass sie es versäumt habe, ihr persönlich zu schreiben, oder übertrug der Marquise das Verfassen ihrer compliments gleich ganz212. Auch an höchster Stelle nutzte man diese Vorzüge: 205 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 4.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 27; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 317. 206 So versicherte die Princesse bspw. der Princesse de Vaudemont, dass sie ihre compliments zur Geburt des Thronfolgers dem spanischen Königspaar persönlich ausgerichtet habe: Ursins an Princesse de Vaudemont, Madrid, 10.7.1712, BL Add. Ms. 22055, f. 12; oder sie gab die Briefe der Maréchale de Noailles weiter, etwa: Ursins an Maréchale de Noailles, Madrid, 9.12.1708, Ursins (Geffroy), 359–361. Madame de Maintenon gab bspw. ein compliment des Kardinal Gualterio an Ludwig XIV. weiter, indem sie ihm den Brief vorliest: Maintenon an Kardinal Gualterio, St. Cyr, 29.3.1714, BL Add. Ms. 20316, f. 203. 207 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 138. 208 Vgl. Ursins an Maintenon, Burgos, 17.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 204. 209 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 18.4.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 62. 210 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 4.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 27. 211 „[…] une infinité de lettres pour la maison de Noailles […]“. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 58. 212 Compliments von Duchesse de Bourgogne an Königin Maria Luisa und an die Princesse des Ursins: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4.
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Maria Luisa ließ über die Princesse ihre Freude über Maintenons Genesung213, Philipp V. seinen Dank über ihren Brief ausrichten214; die Princesse sollte sie bei Maintenon entschuldigen, wenn sie nicht schreiben konnten215. Ludwig XIV. beauftragte Madame de Maintenon bisweilen damit, der Princesse seine Zufriedenheit auszurichten216. Erneut zeigt sich, dass hier nicht nur zwei Personen miteinander korrespondierten, sondern dass von miteinander kommunizierenden Gruppen ausgegangen werden muss. Der Kreis der nicht nur passiv, sondern auch aktiv am Austausch Teilhabenden muss entsprechend erweitert werden: grundsätzlich um die Herrscherpersonen und von Zeit zu Zeit auch um den Botschafter oder den entsprechenden Minister. Patronage Es ist deutlich geworden, dass Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins durch die Mitteilung bestimmter Informationen eine Art „virtuelles Netzwerk“ aufrecht erhielten, das bei Bedarf aktiviert werden konnte: Denn sie nutzten ihren Briefwechsel auch zur konkreten Ausübung von Patronage. Beide Frauen hatten die Vermittlung der königlichen Patronage zumindest zeitweise monopolisiert. Beide können aufgrund ihrer Nähe zum Thron, als „Maklerinnen“217 der beim Herrscher gebündelten Patronageressourcen gesehen werden. Dabei fällt auf, dass Patronageangelegenheiten – in Form einer Bitte, eines Auftrages oder eines Dankes – häufig erst am Ende eines Briefes stehen, oft in der Form eines Post-Scriptum218. Dabei könnte es sich um den geschickten 213 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 6.12.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 83. 214 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 30.12.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 93. 215 Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11; oder auch: Ursins an Maintenon, Madrid, 24.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 23. 216 So während des Jahres 1709, bspw.: Maintenon an Ursins, Marly, 30.9.1709, Correspondance (Loyau), 294. 217 Die Personen, die Zugang zu königlichen Patronageressourcen haben und diese weiter vermitteln, sind von Sharon Kettering als brokers bezeichnet worden. In Abgrenzung zu Patronage zieht brokerage nicht unbedingt eine persönliche Verbindung nach sich. Vgl. Kettering, Brokerage, 70. Der deutsche Begriff des „Maklers“ wird analog verwendet. 218 Häufig war das Post-Scriptum in Adelsbriefen der einzige Abschnitt, den der Verfasser eigenhändig geschrieben hatte, was auch in diesem Fall vermutet werden kann. Da die Briefe der beiden Frauen nur in Form einer Abschrift vorliegen, kann diesbezüglich jedoch erneut keine letztendliche Aussage getroffen werden.
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Einsatz eines rhetorischen Mittels handeln. Einerseits signalisierte der Verfasser Bescheidenheit, was seine Bitten oder Aufträge angeht. Hinten angestellt, zeugten sie zunächst einmal von geringer Bedeutung. Andererseits bleibt die zuletzt gelesene Information am besten im Gedächtnis haften. Ausgehend von diesem Prinzip wird auch verständlich, weshalb Informationen zum Befinden anderer beinahe immer am Anfang des Briefes standen. Auf diese Weise konnte den betroffenen Personen die Ehre erwiesen werden, zu Beginn genannt zu werden. Um die Bandbreite ihrer Patronage zu verdeutlichen, werden zunächst explizite Bitten (services) bzw. Aufträge (commissions) um Fürsprache für Dritte zuerst von Madame de Maintenon, dann von der Princesse des Ursins gegeben. Darauf folgen Beispiele für verweigerte Patronage und schließlich für die Protektion von Verwandten. Als Madame de Maintenon beispielsweise einer Dame aus Irland219 eine angemessene Stelle am spanischen Hof sichern wollte, verpflichtete sich die Princesse sogleich, ihr Möglichstes zu tun. Zwei Monate später konnte sie dieses Versprechen erfüllen und dem Schützling der Marquise nützlich werden220. In einem anderen Fall betonte Maintenon bei ihrer Bitte, dass sie selbst noch nichts von dem Anliegen ihres protégé gewusst habe, als sie eine Woche zuvor sein schmeichelhaftes Portrait entworfen habe, erst jetzt würde sie „ganz offen“ die protection der Princesse erbitten221 – eine Bemerkung, die der Logik des désinterêt geschuldet ist: Die Marquise wollte auf diese Weise zeigen, dass sie in ihren Briefen von keinerlei Hintergedanken geleitet wurde. Auch für die Duchesse de St. Pierre, die spätere camarera mayor der zweiten Ehefrau Philipps V., Elisabetta Farnese, erbat sie die „guten Dienste“ (bons offices) der Princesse222. Denn die 219 Es handelte sich um eine gewisse Madame d’Ohara, eine Irin, die weder im Indice biográfico de España noch im Index biographique Français zu finden ist. 220 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.2.1709, Correspondance (Loyau), 104; die Anwort: Ursins an Maintenon, Madrid, 20.–25.2.1709, Correspondance (Loyau), 120; und schließlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.4.1709, Correspondance (Loyau), 155. 221 Hier handelt es sich um den Prinzen Ragoski: Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 23.7.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 178; zwei Monate später bedankte sie sich für die bons offices der Princesse: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 18.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 189. 222 Eine zweifache Bitte: Maintenon an Ursins, Versailles, 3.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 7; und: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 17.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 12; schließlich der Dank: Maintenon an Ursins, Versailles, 24.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 13. Weitere Beispiele für Patronage: Maintenon an Ursins, Marly, 27.4.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 45; Maintenon an Ursins, Versailles, 5.12.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 138; Maintenon an Ursins, Versailles, 12.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 212.
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Wünsche, die man an die Princesse habe, so die Marquise, zeigten auch ihre Wirkungen223. Diese Einschätzung der Marquise bestätigte sich mit Blick auf die Patronagetätigkeiten der Princesse: Beispielsweise schlug jene den Marquis de Brancas für die ehrenvolle Aufgabe vor, das compliment des französischen Königs zur Geburt des spanischen Thronfolgers zu übergeben224. Madame de Maintenon, die ihn selbst im Jahr 1705 der Princesse empfohlen hatte225, versprach, den Vorschlag an Ludwig XIV. weiterzugeben226, was schließlich zum gewünschten Ergebnis führte. Sie setzte sich beispielsweise auch für den Maréchal de Berwick ein, wobei sie einen Monat später von der Marquise für ihren kritischen Weitblick gelobt wurde227: „Sie haben sehr recht gehabt, ihn an der Spitze der Armee zu wollen, und Sie sehen, Madame, dass man ihre Ermahnungen diesbezüglich sehr vernünftig gefunden hat.“228 Erfolg hatte auch ihr Vorschlag des Maréchal de Villeroy für den Posten des Erzbischofs von Lyon. Die Princesse stachelte Madame de Maintenon nicht ganz ohne ironischen Unterton an, ob sie, „die sich in nichts einzumischen vorgäbe“, es wagen würde, ihn dem König zu empfehlen. Es handle sich ja schließlich um die Interessen ihrer Freunde und serviteurs229. Zweieinhalb Monate später konnte sie Villeroy tatsächlich zu diesem Amt gratulieren und wählte dazu wiederum den Kanal über die Marquise230. Auch für das spanische Botschafterehepaar Duque und Duquesa de Alba hatte die Princesse sich offensichtlich erfolgreich eingesetzt231. 223 „[...] les intentions chez vous, M[adam]e, sont suivies d’effets.“ Maintenon an Ursins, o.O., 9.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 230–232. 224 Vgl. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 13.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 278. 225 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 21. 226 Vgl. Maintenon an Ursins, o.O., 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 281. Im Brief mit der Nachricht der Geburt des Thronfolgers erinnerte die Princesse noch einmal an ihre Bitte: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 317. 227 Sie erbat gemeinsam mit dem Botschafter bei Philipp V. und Maria Luisa erfolgreich das Herzogtum Liria im Königreich Valencia, verbunden mit dem Titel der grandeza: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 325. 228 „Vous avez grande raison de le vouloir à la tête de l’armée, et vous verrez, Madame, qu’on a trouvé vos remontrances sur ce point très raisonnables.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 376–377. 229 Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 244. 230 Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., 15.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 286. 231 Das folgenden Zitat zeigt den spielerischen Charakter der Höflichkeitsrhetorik: „Si j’avais quelque crédit auprès de vous, Mad[am]e, je recommanderais à votre générosité M[adam]e la Duchesse d’Albe qui est dejà pleine de reconnaisssance de ce que vous avez fait pour elle.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 131.
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Nicht allen Patronageanfragen konnten oder wollten die Frauen nachkommen. Grenzen lagen vor allem dort, wo die Angelegenheit den eigenen Ruf hätte schädigen können. Im Fall einer gewissen Madame d’O232 gab die Princesse beispielsweise an, sich in einer schwierigen Lage zu befinden: Sie könne, wenn sie sich selbst nicht schaden wolle, ihre Patronageverpflichtung nicht erfüllen. Madame d’O habe einen Empfehlungsbrief der Duchesse de Bourgogne für einen ihr befreundeten Spanier gesendet und sie gebeten, sich beim Königspaar für seine Beförderung einzusetzen. Doch Königin Maria Luisa habe nach der Lektüre des Briefes nur gelacht: Männer, die von ihrer Schwester empfohlen würden, hätten bisher nichts getaugt. Die Princesse fürchtete nun, jene Madame d’O zu verärgern und bat Madame de Maintenon um Rat233. An anderer Stelle bat die Princesse für eine Gräfin um einen Platz in einem Pariser Konvent234. Deren réputation war allerdings leidlich235, und Madame de Maintenon verwies darauf, dass der König schon gnädig gewesen sei, ihr überhaupt den Aufenthalt in Lyon zu gewähren. Eine allzu große Nähe zu Paris könne ihren Verwandten am Hof schaden236. Dadurch dass Madame de Maintenon den König ins Spiel brachte, setzte sie eine Grenze des Verhandelbaren. Ob es sich tatsächlich um ein Veto Ludwigs XIV. handelte, oder Madame de Maintenon dies nur vorgab, um nicht weiter gebeten zu werden, spielt dabei keine Rolle, da die Wirkung in beiden Fällen dieselbe war. Ein Beispiel für die Patronage von Verwandten in der Korrespondenz soll im Folgenden herausgegriffen werden, da an ihm die Konkurrenz zweier gegensätzlicher Normkonzepte deutlich wird. Generell war die Familienpatronage der Madame de Maintenon zwar gemäßigt, aber durchaus effektiv237. Einmal stellte sie ihre Fürsprache für einen Verwandten als nicht ganz freiwillig dar: 232 Es handelt sich um Marie-Anne de la Vergne de Guilleraguers, Marquise d’O (* 1657, † 1737). Sie gehörte der cabale der Maintenon an. Vgl. Correspondance (Loyau), 162, Anm. 1. 233 Ursins an Maintenon, Buen-Retiro, 14.4.1709, Correspondance (Loyau), 162 f. 234 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 193. 235 Uranie de la Cropte de Beauvais, Comtesse de Soissons (* 1656, † 1717): Schwägerin des Prince Eugène. Sie wurde nach dem Tod ihres Mannes aus dem Piemont vertrieben, da sie in freundschaftlicher Beziehung zu Franzosen stand. Ludwig XIV. befahl ihr, sich in ein Konvent in Lyon zurückzuziehen. Vgl. Correspondance (Loyau), 193, Anm. 1. 236 Maintenon an Ursins, Marly, 17.6.1709, Correspondance (Loyau), 208 f.; Madame des Ursins modifizierte sogleich ihre Bitte und schlug ein Konvent in der außerhalb von Paris vor: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.7.1709, Correspondance (Loyau), 216. 237 Vgl. Kapitel I.1.1. (Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles).
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Die Maréchale de Noailles habe sie „tyrannisiert“, so Maintenons Erklärung, der Princesse eine Empfehlung für einen ihrer Neffen zu schreiben238. Die Princesse willigte ein, sich für den Baron einzusetzen. Dabei kritisierte sie Madame de Maintenon jedoch sehr direkt wegen ihrer Art, mit jenen, „die die Ehre haben, zu Ihnen zu gehören“, umzugehen239. Sich nicht deutlich genug für ihre Schützlinge einzusetzen, warf die Princesse des Ursins Madame de Maintenon des Öfteren vor240. Der Vorwurf, eine „schlechte Verwandte“ zu sein, schien Madame de Maintenon empfindlich zu treffen, da sie sich an anderer Stelle immer wieder diesbezüglich rechtfertigte241. Ihre Begründung lautete, dass sie von ihrer Regel nicht abweichen würde, für ihre Verwandten nichts beim König zu erbitten und sich in Mäßigung zu üben – in den Augen der Princesse „übertriebene Härte“242. Hier kann die Konkurrenz zweier Normenkonzepte beobachtet werden: die Verpflichtung gegenüber der eigenen Familie und das Gebot des désintérêt. Damit war gemeint, frei von intérêt zu sein, was wiederum bedeutete, einen Vorteil für sich selbst oder verbundene Personen als Handlungsmotiv zu haben243. Diesem Gebot der „Interesselosigkeit“ stand die familiäre Verpflichtung gegenüber: Verwandtschaft muss für die Frühe Neuzeit als „führende Sozialform“244 betrachtet werden; verwandt zu sein, bedeutete zunächst, eine Bindung eingehen zu können, was nicht hieß, dass dies auch immer geschah. Verwandtschaft konnte aber auch zur Grundlage gegenseitiger Verpflichtung werden. Es war ein allgemein akzeptiertes und eingefordertes Ethos, die eigenen Verwandten zu unterstüt-
238 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.4.1709, Correspondance (Loyau), 157 f. Es handelt sich dabei um einen Neffen der Maréchale de Noailles: Michel-Joseph, Baron de Capres, Duc de Bournonville (* 1682, † 1752). 239 „Permettez-moi de vous dire, Madame, qu’elle en userait avec plus d’humanité à votre égard si vous étiez moins inhumaine que vous n’êtes avec elle et avec toutes les autres personnes qui ont l’honneur de vous appartenir.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.5.1709, Correspondance (Loyau), 176. 240 Als für Madame de Caylus das Hofamt der dame du Palais zur Debatte stand, setzte sich die Marquise aus Sicht der Princesse nicht deutlich genug für ihre Nichte ein, weshalb sie sie dann als „schlechte Verwandte“ (mauvaise parente) bezeichnet: Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 193, vgl. auch: Ursins an Maintenon, Madrid, 22.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 200. 241 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 195; vgl. auch: Maintenon an Ursins, Marly, 6.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 204; oder: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 6.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 262; und die Antwort: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 12.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 273. 242 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 218. 243 Vgl. bspw. Höfer, Honnête homme, 32. 244 Vgl. Althoff, Verwandte, 212; von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 9.
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zen. Daher bestand ein moralischer „sanfter Zwang“, familiäre Verpflichtungen wechselseitig zu erfüllen245. Die Princesse des Ursins formulierte Bitten für ihre Verwandten direkter. Ihrem Bruder, dem Kardinal de la Trémoille konnte sie über Madame de Maintenon eine Abtei verschaffen246, während sie im Falle ihres Neffen, des Comte de Chalais247, weniger erfolgreich war: Zweimal wurden ihre Bitten um Patronage abgelehnt. Da dieses Scheitern in verschiedener Hinsicht aufschlussreich ist, soll der Ablauf in aller Kürze dargestellt werden: Zu Beginn des Jahres 1707 bat die spanische Königinwitwe die Princesse um einen majordomo mayor, der zugleich französischer Herkunft und grande de España sein sollte. Die Princesse schlug ihren Neffen Chalais vor, pries seine Vorzüge und argumentierte, dass die Gewährung dieser grâce in Madrid keine nachteiligen Folgen hätte; vielmehr sei es „natürlich“, einem Verwandten der camarera mayor eine solche Gunst zu gewähren. Die Geste wäre auch dem Abbau alter französisch-spanischer Feindseligkeiten und der Einheit der beiden Kronen zuträglich248. Damit stellte die Princesse ihre eigene Person in direkten Zusammenhang mit dem „politischen Programm“ Versailles’: Sie wisse, dass Ludwig XIV. die Anzahl der Chargen am spanischen Hof gerade nicht hatte erhöhen wollen. Nun handle es sich aber um einen „Einzelfall“, der für sie selbst von großer Bedeutung sei. Denn am spanischen Hof würde man eine solche grâce als Zeichen der Zufriedenheit des Königspaars mit seiner camarera mayor interpretieren. Wenn dieser erneute 245 Bourdieu, Vernunft, 173 f. 246 „Le Roi donna hier une abbaye à M. l’Abbé de la Tremoille. Tout ce qui vous touche, Madame, ne m’est point indifférent.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 242; zwei Wochen später dankt ihr die Princesse: Ursins an Maintenon, Retiro, 7.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 258; wenn sie mehr crédit hätte, hätte sie noch mehr für ihn getan: Maintenon an Ursins, Versailles, 12.6.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 168–169. 247 Louis-Jean-Charles de Talleyrand-Perigord, Comte, später Prince de Chalais (* 1680, † 1757): Neffe des ersten Ehemanns der Princesse des Ursins; 1712 mission in Frankreich; 1714 grandeza, die in Frankreich nicht anerkannt wurde. 248 „Cette grâce ne produirait aucun mauvais effet en Espagne étant tres naturel qu’on la fit à une camarera mayor qui ont accoutumé d’en obtenir de semblables pour leurs parents et beaucoup d’autre nature. La modestie avec laquelle j’en ai usé en ne demandant jamais rien pour ma famille à L[eurs] M[ajestés] ne m’ait certainement fait nul mérite ici. Au contraire, je me serais attachée des sujets considérables si j’avais établi de mes parents en Espagne, parce qu’ils auraient éspéré par mon entremise obtenir des grâces pour eux, et l’on m’aurait plus menagé qu’on n’a fait par la crainte de se faire des ennemis de mes créatures. Cela eut pu produire d’ailleurs un bon effet qui eût été d’unir peu à peu par des alliances les deux nations et de commencer à déraciner une vielle haine qui continue à faire du mal.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 212–213.
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Beweis ihrer Protektion möglich sei, solle Madame de Maintenon doch gleich noch eine geeignete Gattin für Chalais auswählen. Knapp drei Wochen später antwortete Madame de Maintenon – abschlägig. Zunächst stellte sie geschickt dar, weshalb sie die Bitte habe weitergeben müssen, ohne vorher über ihre Erfüllbarkeit entscheiden zu können: Der Staatssekretär Chamillart habe ihr den Brief in der Gegenwart des Königs übergeben, der sofort nach seinem Inhalt gefragt und die Bitte abgelehnt habe. Die Angelegenheit würde aber geheim bleiben und die Zurückweisung keine Folgen für das Ansehen der Princesse haben249. Auf die erneute Bitte der Princesse, die sie mehr als ein halbes Jahr später und dieses Mal mit Unterstützung des Botschafters vorbrachte, wurde Madame de Maintenon deutlicher: Die Princesse solle nicht zulassen, dass der Botschafter den König mit seiner Bitte in Bedrängnis bringe250. Im August 1709 wiederholte sich die Sache, als ein erneuter Versuch der Princesse, die grandeza für ihren Neffen zu erwirken251, misslang. In ihrer Formulierung an Madame de Maintenon wird deutlich, dass diese Ehrung auch ihr selbst zugute kommen würde: „Ich flehe Sie an, verweigern Sie mir diesen erneuten Beweis Ihrer Freundschaft nicht.“252 Doch weil Ludwig XIV. keine Auszeichnungen mehr für Franzosen zulassen wollte, um nicht die Eifersucht der spanischen Granden zu erwecken, wurde die Bitte im conseil abgelehnt. Darüber informierte Madame de Maintenon jedoch nur den französischen Botschafter persönlich253, während die Princesse erst einen Monat später von anderer Stelle davon erfuhr. Sie machte keinen Hehl aus ihrer tiefen Kränkung, sich nicht als „Person, die die Gunstbeweise des Königs verdiene“254 betrachten zu können und startete einen neuen Versuch – wiederum vergeblich255. Erst im Jahr 1714 249 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 214. 250 Vgl. Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 24.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 348. 251 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 257 f. 252 „Ne me refusez donc pas, je vous supplie, cette nouvelle preuve de l’amitié dont vous m’honorez.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 258 f. 253 „Le Roi a donné par M. de Torcy conclusion à ce que M[ada]me la princesse des Ursins désirait pour M. de Chalais. Je voudrais bien, Monsieur qu’elle n’en fût pas plus fâchée que vous.“ Maintenon an Amelot, St. Cyr, 24.9.1709, Correspondance (Loyau), Annexe VIII, 401. 254 „[...] je ne puis m’empêcher de vous témoigner la mortification qu’elle [la nouvelle, A.d.V.] m’a donné. Tout concourt en cette occasion à me faire sentir que je ne suis ni heureuse, ni regardée par le Roi comme une personne qui mérite la continuation de ses grâces; car je dois croire qu’il n’y a que mon nom qui ait porté malheur à cette affaire.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 21.10.1709, Correspondance (Loyau), 311. 255 Die Antwort Maintenons lautete, dass der König die Entscheidung dem conseil vorgelegt habe, und dieser dagegen entschieden hätte – um ihren eigenen Ruf bräuchte sie
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sollte ihr Neffe schließlich die grandeza erhalten, die allerdings in Frankreich nie anerkannt werden sollte256. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie sehr die Ämterpolitik in Madrid vom französischen Hof aus gesteuert wurde – die Meinung des spanischen Königspaares schien dabei weniger zu interessieren. Die vorangegangenen Beispiele haben gezeigt, dass auch die Handlungsspielräume der Marquise begrenzt waren. Ob sie sich nun nicht einsetzen konnte oder wollte, muss offen bleiben, ihre Begründung stützte sich jedoch in jedem Fall auf die „Vorgaben“ des Königs. Auch an anderen Stellen zeigen sich ihre Vorsichtsmaßnahmen: Maintenons Warnung, den König nicht in Bedrängnis zu bringen, der Umstand, dass sie für ihre Absage den Kanal über den Botschafter vorzog sowie die Versicherung, dass die Zurückweisung nicht mit der Person der Princesse, sondern mit der des Botschafters in Zusammenhang gebracht würde. Fast scheint es, als ob sie ihre Klientin in Madrid vor einer Grenzüberschreitung schützen wollte. Schreiben über andere Neben diesen Beispielen expliziter Patronage, deren Reihe sich beliebig verlängern ließe, berichten die beiden Frauen auch von den Verdiensten Dritter. Derartige „Empfehlungen“ sind in der Forschung dahingehend interpretiert worden, dass mit ihnen Ansehen und Ehre und somit symbolisches Kapital verhandelt wurde257 – eine Einschätzung, die im Folgenden hinterfragt werden sich allerdings keine Sorgen zu machen, alles sei auf den Botschafter zurückgefallen: Maintenon an Ursins, Marly, 4.11.1709, Correspondance (Loyau), 321 f. Laut SaintSimon hätten Amelot und Ursins für ihren gemeinsamen Plan zwar den spanischen, nicht aber den französischen Hof auf ihrer Seite gehabt. Amelot habe angesichts der großen Zufriedenheit, die Ludwig XIV. über seine Arbeit geäußert habe, diese Belohnung erwartet. Die Princesse habe sich aus der Angelegenheit weitgehend herausgehalten, da sie vielleicht im Geheimen von Madame de Maintenon gewarnt worden sei. Wie oben gezeigt, erfährt Madame des Ursins aber von Madame de Maintenon selbst erst recht spät von der Ablehnung durch den conseil. Hier kann Saint-Simons Einschätzung einer „Komplizenschaft“ zwischen Maintenon und Ursins an einem konkreten Beispiel als Kritik mittels geschlechterspezifischer Stereotypen entlarvt werden. Vgl. Saint-Simon III (Coirault), 1709, 569. 256 Über Madame de Maintenon und Torcy dankte die Princesse dem König für seine Zustimmung, dass ihr Neffe Chalais die grandeza erhielt: Ursins an Maintenon, o.O., 7.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 280. 257 Vgl. hierzu Neuschel: „Negotiation of gain and reward was an everyday matter of noblemen [and noblewomen, Ergänzung d. V.] of all ranks.“ Neuschel, Word, 197.
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soll. Verschiedene Abschnitte aus den Briefen der beiden Frauen könnten zwar dahingehend gedeutet werden: So zeichnete die Princesse beispielsweise von ihrem Bruder, dem Kardinal de la Trémoille, ein äußerst positives Bild in einem Moment, in dem sie um seinen Einfluss am päpstlichen Hof fürchtete258. Sie dementierte das Gerücht, er habe um einen anderen spanischen Botschafter gebeten. Im Gegenteil: Er arbeite mit dem derzeitigen Botschafter und den übrigen Kardinälen aufs Beste zusammen und genieße die Gunst des Papstes. Ein anderes Beispiel findet sich bei Madame de Maintenon: Nach dem Tod des spanischen Botschafters lobte sie dessen Gattin in den höchsten Tönen259. Vor dem Hintergrund, dass diese gerade nach Madrid aufgebrochen war, klingen ihre Worte wie ein Empfehlungsschreiben. Die Wirkung einer solchen „Patronage durch Empfehlung“ kann allerdings nicht mehr nachgewiesen werden. Die Tatsache, dass sie in allen untersuchten Korrespondenzen massiv präsent ist, verweist jedoch darauf, dass sie eine wie auch immer geartete, wichtige Funktion gehabt haben muss. Wurden hier nun tatsächlich Ansehen und Ehre Dritter verhandelt oder war der Zweck dieser „Empfehlungen“ ein viel direkterer? Aufschlussreich ist hier die Beobachtung, dass beide Frauen in dieser „empfehlenden“ Art und Weise auch über sozial höherrangige Personen schrieben, die ihrer Protektion gar nicht bedurften. Dies ist der Fall, wenn die Princesse in einem Atemzug Madame de Maintenon, den König und die Duchesse de Bourgogne lobt260, Madame de Maintenon Königin Maria Luisa preist261 oder die beiden sich wechselseitig anerkennend über den Duc und die Duchesse de Bourgogne262 oder das Haus Noailles263 äußern, Personen, die sie als „gemeinsame Freunde“ bezeichneten264. Wird eine andere Person ihrer Vorzüge 258 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 28.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 233. 259 Vgl. Maintenon an Ursins, o.O., 22.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 129. 260 Unter zahlreichen Beispielen fällt auf: Ursins an Maintenon, Madrid, 7.1.1709, Correspondance (Loyau), 83. 261 Bspw.: une reine qui est l’honneur de son sexe et des princesses de son rang: Maintenon an Ursins, Versailles, 23.12.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 167. 262 Beispiele: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4; Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 220; Ursins an Maintenon, Madrid, 13.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 360–361; Ursins an Maintenon, Madrid, 17.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 352. 263 Zwei aus zahlreichen Beispielen: Sie habe dem spanischen Königspaar Maintenons Portrait des Duc de Noailles vorgelesen: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 245; Ursins an Maintenon, Madrid, 25.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 245. 264 Madame de Maintenon empfahl den Maréchal de Villeroy, die Princesse stimmte zu, und erwähnte darüber hinaus, dass sie mit ihm in ihren letzten Briefen über die
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gerühmt, so verweist dies aber immer auch auf die eigene gute Beziehung zu dieser. Zum zweiten konnten so auch Beziehungen hergestellt werden, indem Personen „einander näher gebracht“ (rapprocher)265 wurden. Vor diesem Hintergrund machte es Sinn, wenn Madame de Maintenon die Princesse des Ursins und Königin Maria Luisa lobte, oder wenn die Princesse die Qualitäten der Marquise und der Duchesse de Bourgogne pries266. Die wechselseitige Erhöhung und ihre Bestätigung dienten der Stabilisierung sowohl der eigenen Beziehung und als auch des gemeinsamen Netzwerkes. Als ein weiteres Beispiel kann hier der Botschafter Amelot de Gournay dienen. Bei ihrer Rückkehr nach Madrid hatte die Princesse selbst diesen Botschafter empfohlen und zu seiner Unterstützung den Finanzexperten Orry vorgeschlagen. In den unmittelbar darauf folgenden Wochen pries sie Amelot267 und Orry268 besonders häufig und ausführlich an. Im Jahr 1709 hatten das kontinuierliche Lob des Botschafters und der damit verbundene Hinweis auf ihre gute Zusammenarbeit vor allem den Sinn, ihr selbst zu nutzen269. Denn es war nicht zuletzt die mangelhafte Abstimmung mit seinem Vorgänger gewesen, die zur Ungnade der Princesse im Jahr 1705 geführt hatte. Wenn ihre Rede von „seinem großen Weg zur Perfektion“270 durch Madame de Maintenon aufgegriffen und bekräftigt wurde, die Princesse deren Briefe wiederum dem Botschafter vorlas und schließlich der Marquise über seine Reaktion berichtete271, geschah Folgendes: Mit ihren anerkennenden Worten machte die Princesse ihre gute Beziehung zum Botschafter deutlich. Die darauf folgende Zustimmung der Marquise bestätigte demnach nicht nur die gute Reputation des „Großartigkeit“ der Marquise übereingekommen sei; eines von unzähligen Beispielen: Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 19. 265 Siehe bspw. das Angebot der Marquise, die Princesse und Madame de Caylus einander anzunähern: Maintenon an Ursins, Marly, 6.3.707, BL Add. Ms. 20918, f. 204. 266 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 5.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 116; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 31. 267 Bspw.: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4; siehe auch: Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 1. 268 Bspw.: Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 1. 269 Vgl. bspw. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.1.1709, Correspondance (Loyau), 89; dies. an dies., Madrid, 1.7.1709 (216 f.); dies. an dies., Madrid, 19.8.1709 (252); dies. an dies., Madrid, 26.8.1709 (257). 270 Son grand chemin à la perfection: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 6.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 261; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 17.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 239. 271 Errötend habe er gesagt, dass er, der er sich kenne und für so unvollkommen halte, aus Bescheidenheit ein solches Lob von einer Person wie ihrer kaum annehmen könne: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 24.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 285.
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Botschafters, sondern auch die der Princesse – das wechselseitige Bestätigen, Bekräftigen und Versichern hatte eine stabilisierende Funktion, die im Übrigen auch der Botschafter nutzte, wenn er in anerkennender Weise über die Princesse schrieb272. Durch das „Schreiben über andere“ stabilisierte man die eigene Position bzw. das eigene Netzwerk, und positionierte sich zugleich in einem spezifischen sozialen Feld. Die Normen und Spielregeln dieses Feldes – hier der höfischen Gesellschaft – erkannte man auf diese Weise an und festigte sie ebenfalls. Vergleicht man die Aussagen über Männer und Frauen, so lassen sich geschlechterspezifische Unterschiede feststellen. Bei Männern wurden häufiger die Taten hervorgehoben: Über einen Minister schrieb man anerkennend, dass er „viel arbeite“273, über einen General, dass er „tapfer [und] eifrig“ sei274. Militärische Eigenschaften wie Kampfgeist und Mut sowie Talent und Ehre wurden häufig genannt275. Bei Frauen waren es weniger Taten und Verdienste, als vielmehr Charaktereigenschaften und Attribute, die lobend erwähnt werden. Beispielsweise zählte die Princesse anlässlich einer zeremoniellen Feierlichkeit elf Damen auf, die der Königin folgen dürften. Zunächst nannte sie die Verdienste des jeweiligen Vaters oder Ehemannes, was den engen Zusammenhang zwischen persönlichem Prestige und dem Ansehen der Familie in dieser Epoche widerspiegelt und noch einmal auf den „aktiven“ Aspekt bei den Männern hinweist: Ausschlaggebend für die Familienehre waren die verdienstvollen Taten der männlichen Mitglieder. Die Princesse äußerte sich schließlich anerkennend über die Kleidung der Damen276. Die Frauen erscheinen hier als ehrenvolle, „sehr anmutige“277 Hofdamen, als eine Art Schmuck des Hofes. Auf ähnliche Weise 272 Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 1.1.1709, MAE CP Espagne 189, f. 9; Bonnac an Ludwig XIV., o.O., 21.12.1711, AN K 1359, f. 171. 273 Vgl. exemplarisch: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4. 274 Über den Ministre d’Alegre schreibt sie: „C’est un bon lieutenant général, brave, zelée, et très honnête homme qui mérite des grâces du Roi.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 21. 275 Der Duc de Vendôme habe keine Angst und mache sich über den Gegner (Herzog von Savoyen) lustig: Maintenon an Ursins, o.O., 23.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 300; oder über die courage des Brancas: Maintenon an Ursins, Marly, 17.7.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 176; oder über den gout et talent pour la guerre und den Sinn für die gloire beim Duc d’Orléans: Ursins an Maintenon, Madrid, 13.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 361. 276 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 11.3.1709, Correspondance (Loyau), 136 f. 277 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 9.4.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 55.
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äußerte sich Madame de Maintenon über die Hofdamen in Versailles278, während sie die Dames de Saint Louis, die Schülerinnen des Internats St. Cyr, an einem christlichen Ideal maß279. Die beiden Frauen evozierten demnach ein Bild von den Aufgaben und Rollen der adeligen Frauen, das dem in der Gesellschaft vorherrschenden entsprach: In der höfischen Geschlechterhierarchie waren Frauen den Männern untergeordnet280. An den zitierten Stellen wurde die Frau auf Abstammung und Heirat sowie Aussehen reduziert: Äußere Qualitäten wie Anmut (grâce), ein schöner Teint oder Körperformen281 wurden zwar auch bei Männern erwähnt, scheinen jedoch nicht dieselbe Bedeutung gehabt zu haben. In einigen Bereichen scheinen sich jedoch die als erstrebenswert dargestellten Eigenschaften von Männern und Frauen zu überlappen: Liebenswürdig282, anständig und christlich283 waren auch bei Männern vorteilhafte Eigenschaften; Geist (esprit), Höflichkeit (politesse) und vornehme Zurückhaltung (retenue) wurden bei Männern284 ebenso gelobt wie bei Frauen285. „Angenehme und kunstvolle Konversation“286, Spielen, Tanzen oder Reiten287 278 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 8.7.1709, Correspondance (Loyau), 222; oder: dies. an dies., St. Cyr, 26.8.1709 (254 f.). 279 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 24.11.1710, BL Add. Ms. 20920. f. 14. 280 Vgl. Schraut, Silvia, Frauen an den Höfen der Neuzeit. Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten, in: Frauen bei Hof, hrsg. v. Otto Borst, Tübingen 1998, 9–28, hier 14. 281 Ein gutes Beispiel ist: „Je voudrais fort qu’elle [la Duchesse de Bourgogne, A.d.V.] ne se gatât pas le teint à la chasse comme M[ada]me la Princesse de Conty. Je serais encore plus fâchée si sa poitrine en souffrait. Je me représente cette aimable Princesse à cheval avec sa bonne grâce qu’elle porte partout. Accompagnée de M[ada]me la Princesse d’Angleterre qui est aussi très bien faite, et suivie de plusieurs dames magnifiquement habillées dont les tailles ne déferont point celles de ces Princesses, quand même elles seraient curieuses de mettre des corps.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 13.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 360–361. 282 Über das hübsche Gesicht und die Liebenswürdigkeit der Duchesse de St. Pierre: Maintenon an Ursins, Versailles, 3.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 7; über die Duchesse de Bourgogne: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4. 283 Wie etwa bei der Duquesa de Alba: Maintenon an Ursins, Marly, 13.7.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 57. 284 „On ne peut avoir plus d’esprit, plus de politesse ni plus de retenue, on est ici parfaitement content de lui.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 371. 285 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 220; oder: Maintenon an Harcourt, o.O., 16.4.1701, Maintenon I (Geffroy), 336 f. 286 Agrément de la conversation, l’art de communiquer: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 245. 287 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 21.
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oder die „Fähigkeit zu lieben“288, esprit und sagesse289 sowie Soziabilität290 sind soziale Kompetenzen, die sich unter dem Persönlichkeitsideal der honnêteté zusammenfassen lassen. Bei diesem Konzept, das aus dem des idealen Höflings hervorgegangen war, ging es um die Beherrschung der Leidenschaften, die Wahrung der Ehre und um die Erlangung der königlichen Gunst durch das geschickte Eingehen auf den Fürsten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurden in zunehmendem Maße umfassende Bildung und kulturelle Leistung erforderlich. Auf dieser Grundlage war auch ein entsprechendes Modell für die honnête femme entstanden. Das Konzept fand Eingang in die vornehme und gebildete Gesellschaft der Pariser Salons, in denen auch die Princesse des Ursins und Madame de Maintenon verkehrt hatten291. Der Begriff selbst taucht häufig in den Briefen auf – als Bewertungskriterium für Personen sowohl männlichen292 als auch weiblichen Geschlechts293. Offensichtlich gab es bei Männern und Frauen eine „Schnittmenge“ idealer Eigenschaften, die dem Persönlichkeitsideal des honnête homme bzw. der honnête femme entsprach. Grundsätzlich war dieses Persönlichkeitsideal nicht geschlechterspezifisch, auch wenn es die Frau stärker auf Frömmigkeit und Sittsamkeit verpflichtete294. Es ist deutlich geworden, dass Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins ihre Korrespondenz dazu nutzten, sich gegenseitig über soziale Ereignisse am Hof zu unterrichten und sich dadurch zugleich mitzuteilen, wann die Etikette ein compliment erforderlich machte. Sie übernahmen es ferner, einen Glückwünsch oder eine Beileidsbekundung zu übermittelten, füreinander genauso wie für Personen aus ihrer entourage wie für die Herrscher selbst. Die Princesse des Ursins bat ihre Briefpartnerin dabei in noch 288 So schreibt Madame de Maintenon über die Duquesa de Alba: „Je ne crois pas que le Roi et la Reine d’Espagne aient une sujette plus zélée, plus fidèle et plus respectueuse [...] jamais femme a mieux aimé tout ce qu’elle doit aimer, [...].“ Maintenon an Ursins, o.O., 22.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 129. 289 Vgl. Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4; 290 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 21. 291 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde frühaufklärerisches Gedankengut integriert, wie bspw. die ursprünglich „unadelige“ Tugend des Arbeitsfleiß (zèle). Vgl. Höfer, Honnête homme, 11 und 15–20. 292 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 21; Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 214; Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 214. 293 Vgl. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 288. 294 Vgl. Höfer, Honnête homme, 16.
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stärkerem Maße darum, ihre Briefe an Dritte weiterzuleiten, da sie sich offensichtlich eine bevorzugte Behandlung ihres Schreibens versprach, wenn es durch die Hände der Marquise ging. Auf diese Weise konnte sie ihre Netzwerke am französischen Hof aufrechterhalten. Die Vermittlung von compliments, Informationen und Patronage war wie die bereits beschriebenen Freundschaftsbekundungen ein weiterer Baustein für das Fundament des Vertrauens. Es erscheint zunächst ungewöhnlich, dass es die Patronin Maintenon war, die ihrer Klientin Ursins solche „Dienste“ leistete. Auf diese Weise wollte sie sicherstellen, dass die Princesse über die notwendigen Informationen verfügte, um sich gemäß den höfischen Spielregeln verhalten zu können. Nur so würde sie ihren guten Ruf wahren und ihre Netzwerke aufrechterhalten können, was wiederum auch in Maintenons Interesse lag. Diese Mitteilungen schrieben sich also in die Logik des Gabentauschs von Patronagebeziehungen ein. Bitten und Aufträge für die Vermittlung von Ämtern, Titeln und Ehren sowie vorteilhafte Eheschließungen finden sich meist am Ende der Briefe. Wo diese Patronage unterschiedlichster Art rekonstruierbar ist, scheint es sich um erfolgreiche Vorhaben gehandelt zu haben. Die Verweigerung dieser commissions wurde damit begründet, dass sie der eigenen Reputation geschadeten hätten oder dass – im Fall der Madame de Maintenon – das Anliegen beim König auf Ablehnung stieß. Patronage für Familienmitglieder findet sich in stärkerem Maße bei der Princesse, während sich die Marquise offensichtlich häufiger in einem Normenkonflikt zwischen familiären Verpflichtungen und dem Gebot des désintérêt befand. Einen zweiten Blick verlangten die „Empfehlungen“ Dritter: Sie dienten nicht oder nicht in erster Linie der Patronage der betreffenden Person, sondern stabilisierten die eigene Position und das eigene Netzwerk. Aus diesem Grund machten sie auch im Fall höherrangiger Personen Sinn. Hier zeigten sich geschlechterspezifische Unterschiede: Während bei Männern die „Aktivität“ ausschlaggebend war, wurden Frauen in erster Linie anhand von Eigenschaften und Attributen positiv dargestellt. Insbesondere fällt jedoch die große Schnittmenge an Eigenschaften auf, die für beide Geschlechter zugleich als erstrebenswert galten und die dem frühneuzeitlichen Persönlichkeitsideal der honnêteté zuzuordnen sind. Durch die Art und Weise, wie die beiden Frauen über Dritte schrieben, stabilisierten sie auch die Gesellschaftsordnung, auf der dieser Verhaltenskodex basierte. Die Loyalität des Anderen wurde in der höfischen Gesellschaft anhand seiner Beziehungen gemessen, was die Verweise der beiden Frauen auf ihre gemeinsamen Bekannten erklärt. Die Briefe der beiden Frauen waren somit ein Instrument, mit dem gesellschaftlicher Umgang gepflegt und Netzwerke
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aufrechterhalten, stabilisiert und erweitert werden konnten295. Sie können als „soziale Interaktion unter Abwesenden“ aufgefasst werden.
2. Legitimationen Im vorausgehenden Kapitel wurde das Schreiben über verschiedene Personen am eigenen und an anderen Höfen in den Blick genommen. Da diese Mitteilungen Hinweise auf die jeweilige derzeitige Hierarchie am Hof und die Position der beiden Frauen gaben, war hier in erster Linie der französische Hof von Bedeutung. Anders verhält es sich, was Beschreibungen sozialer Ereignisse sowie politischer Abläufe, Strategien und Entscheidungen betrifft. Hier dominiert der spanische Hof die Korrespondenz der beiden Frauen. In der Diskussion dieser Themen suchten sie ihre Machtpositionen gegenüber der anderen Seite darzustellen, zu festigen und zu „legitimieren“. 2.1. La nation espagnole: Schreiben über die spanische Monarchie „Alle Einrichtungen, Madame, sind in ihren Anfängen schwierig, aber besonders in diesem Land hier, wo man nichts erneuern will, da das Regierungssystem nicht nachteiliger für die Autorität des Königs, und nicht vorteilhafter für einige seiner Untertanen sein könnte. Diese irreguläre Disposition ist einer der Gründe für die Dekadenz dieser Monarchie und wird sie ganz sicher zugrunde gehen lassen, wenn man sie nicht beseitigt.“296
Wenn sich die beiden Frauen über den spanischen Hof austauschten, so waren ihre Aussagen von den zeitgenössischen stereotypen Vorstellungen über die vermeintlichen Volkscharaktere geprägt. Diesen Vorstellungen zufolge galten die Spanier allgemein als langsam, ignorant und unbegabt in Politik und Kriegsführung, die spanische Monarchie mit ihrem polysynodalen System als 295 Dies drückt sich auch in der Bezeichnung der Briefe als paper visits aus. Vgl. Whyman, Susan, „Paper visits“: the post-Restoration letter as seen through the Verney family archive, in: Earle, Epistolary Selves, 15–36. 296 „Tous les établissements sont difficiles, Madame, dans leurs commencements, mais surtout en ce pays-ci où l’on ne voudrait rien innover parce que le système du gouvernement ne saurait être pire pour l’autorité du Roi ni plus avantageux pour quelques uns de ses sujets. Cette disposition irrégulière est une des causes de la décadence de cette monarchie et la ferait périr très assurément si on n’y remédiait.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 16.
Schreiben über die spanische Monarchie
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schwerfällig und umständlich, ja unregierbar297. À la mode d’Espagne298 wurde als geflügeltes Wort gebraucht, um etwas Marodes und Dysfunktionales zu bezeichnen. Die Briefe aller französischen Akteure waren voll solcher Stereotypen, die von den zeitgenössischen literarischen Topoi geprägt waren299. Die daran geknüpften Wertungen waren jeweils situationsabhängig und konnten auch gänzlich ins Gegenteil umschlagen300. In den Briefen der Princesse des Ursins tauchen solche Stereotypen ganz offensichtlich an strategischen Punkten auf, wie im oben zitierten Beispiel aus dem Jahr 1705. Die camarera mayor war maßgeblich an den Reformen des polysynodalen Systems beteiligt, die unter Karl II. angedacht und unter Philipp V. erneut in Angriff genommen wurden. Wie sie immer wieder deutlich machte, wurden diese politischen Veränderungen in enger Zusammenarbeit mit den übrigen französischen Akteuren durchgeführt: Im Jahr 1705 waren dies der Botschafter Amelot, Jean Orry und der Maréchal de Tessé301. Ihre Präsenz sei derart unverzichtbar, so die Princesse damals, dass Philipp V. nicht 297 Franzosen galten als raffiniert, intelligent und von schneller Auffassungsgabe, die Deutschen als einfältig, streitsüchtig und von sprichwörtlicher Plumpheit. Den Spaniern wurde Langsamkeit und Unfähigkeit nachgesagt, durch die rigide Etikette seien sie am Zugang zu ihrem König gehindert worden, der sich durch Schwäche und Abwesenheit auszeichnete (dies wurde insbesondere am Beispiel Karls II. festgemacht). 298 So schrieb die Princesse bspw. anlässlich der Belagerung von Barcelona: „La place était mauvaise et dépourvue à la mode d’Espagne.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 30; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 10.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 237. 299 Zur literarischen Verarbeitung der Topoi, die in den wechselseitigen Darstellungen über Franzosen und Spanier präsent waren, siehe Désos, L’ entourage, 53–58. 300 Daher muss Désos hier entschieden widersprochen werden: Aus den Beschreibungen der spanischen Minister kann mit Sicherheit nicht gefolgert werden, dass sie alle schwierige Charaktere waren (Désos, L’ entourage, 544). Denn nach einem Sieg der spanischen Truppen über die englischen schreibt die Marquise beispielsweise: „J’aime naturellement les Espagnols sans compter ce qu’ils nous sont à l’heure qu’il est. Et je hais les Anglais comme les peuples. Je n’aurais jamais cru être capable d’une telle petitesse; mais véritablement je ne les puis souffrir et je vous montre, Madame, toutes mes faiblesses selon les occasions.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.4.1707, BL Add. Ms. 20918, 234; nach militärischen Erfolgen im Sommer 1710: „Rien n’égale, Madame la perfection des Espagnols; leur courage, leur fidélité, leur secret, sont bien différents de ce que nous voyons ici.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 13.7.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 304. 301 Eines unzähliger Beispiele: „J’ai déjà conferé avec M. l’ambassadeur et avec M. le Ma[récha]l de Tessé; tous les deux ont le même zèle pour le service des deux rois et j’éspère enfin qu’on verra des Français dans un pays étranger agir de concert ensemble et n’avoir d’autre envie que de se signaler chacun dans son emploi.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 19.
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Legitimationen
mehr auf dem Thron wäre, wenn sie nur sechs Wochen später gekommen wären302. Im zitierten Beispiel wollte die Princesse zu Beginn ihres Aufenthaltes in Madrid ihr Vorgehen gegen eine Kabale einiger spanischer Granden erklären. Diese fürchteten, dass die Reformmaßnahmen ihre Macht begrenzen könnten. Die Anweisungen aus Versailles hießen jedoch, den spanischen Hochadel nicht zu verärgern. Mit Hilfe des Topos der dekadenten spanischen Monarchie legitimierte die Princesse ihr Vorgehen und lastete zugleich alle eventuell noch auftauchenden Probleme a priori den spanischen Granden an. Als der Staatssekretär Torcy zwei Monate später die Princesse warnte, dass den französischen Akteuren die in Madrid vorgenommenen Änderungen teuer zu stehen bekämen, wollte die Princesse sich selbst und den Botschafter Amelot rechtfertigen: Sie schickte Madame de Maintenon eine Kopie ihres Briefes an den Staatssekretär, in dem sie detailliert die gemeinsame Entscheidung erläuterte: Man solle in Frankreich die Hintergründe „dieser Nation, die uns nie geliebt hat und die nur an ihre eigenen Interessen denkt“303, kennen. Auch der Rechtfertigung von Reformmaßnahmen diente der Topos des unfähigen Spaniers und des dysfunktionalen Systems als Legitimation304. Die französischen Akteure in Madrid mussten Versailles gegenüber immer wieder begründen, warum sie den spanischen Adel nicht stärker in die Regierungsgeschäfte miteinbezogen. Mit den genannten Stereotypen erklärte man, warum es keine geeigneten Spanier für die zu vergebenden Posten gebe305. Über die spanischen Hofdamen äußerte sich die Princesse ähnlich despektierlich: Sie seien unfähig zur Konversation oder anderem Zeitvertreib wie Kartenspielen, Tanzen oder Musizieren und immer nur darauf bedacht, sich grâces zu verschaffen306. „Die Spanier“ konnten so einerseits zum Sündenbock für allfällige Probleme werden; andererseits diente die Kritik auch der eigenen Profilierung. Dabei zeigt sich auch eine gewisse Flexibilität in der Kombination von natio-
302 Ursins an Maintenon, Madrid, 24.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 23. 303 „[…] afin qu’on sache encore mieux en France le fond qu’on doit faire sur cette nation qui ne nous a jamais aimé et qui ne pense qu’à ses intérêts.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 34. 304 Die Spanier seien von unendlicher Langsamkeit und man stoße überall auf Schwierigkeiten. Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 216; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 18.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 303; Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 14. 305 Bspw.: Ursins an Maintenon, Burgos, 7.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f.132; Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 192. 306 Vgl. bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 228.
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nalen und dynastischen Kategorien: „Spanier“ wurden je nach Argumentation mal mit „Habsburgern“ gleichgesetzt, mal von ihnen abgegrenzt307. Die Princesse des Ursins nutzte verschiedene Elemente des Diskurses um diesen „alten Hass“308 als argumentative Versatzstücke, um politische Ziele zu erreichen oder das eigene Verhalten zu legitimieren. Ihr strategischer Einsatz wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass in den Briefen auch eine Argumentation auftaucht, die ein gegenteiliges Licht auf die nation espagnole wirft, wozu sie aber wiederum von „den Habsburgern“ abgegrenzt werden musste: Um die französische Unterstützung des jungen Königspaars weiterhin sicherzustellen, musste einerseits der Bedarf an französischen Spezialisten, militärischen Befehlshabern und Truppen deutlich gemacht werden. Andererseits sollte aber auch plausibel werden, dass sich die Unterstützung lohnte und die junge bourbonische Monarchie zukunftsfähig war. Daher äußerte sich die Princesse auch immer wieder ausnehmend positiv über die Anfänge der Herrschaft Philipps V. und Maria Luisas. Die Probleme in den politischen Geschäften der spanischen Monarchie schrieb sie dem „spanischen Ministerium“ (le ministère espagnol) und der „vergangenen Regierung“ (le gouvernement passé) zu; in König Philipp V. würde man nun jedoch alle Hoffnungen setzen309. Einerseits fielen erste Erfolge der begonnenen Reformen zunächst auf sie selbst und ihre Mitstreiter Amelot und Orry zurück. Die positiven Bilder, die die Princesse nach ihrer Rückkehr im Jahr 1705 vom spanischen Hof, den politischen Geschäften und der militärischen Situation entwarf, dienten in erster Linie diesem Zweck310. Doch es ging nicht nur um Eigenlob: Auch die spanischen Untertanen würden ihren König mehr und mehr anerkennen, Treue und Loyalität sowie die Liebe des spanischen Volkes zum Königspaar311 wurden sogar hervorgehoben. An dieser Stelle wurden „die Spanier“ nicht mit „den Habsburgern“ gleichgesetzt. Die nation espagnole wurde in diesem Kontext in die neue, bourbonische Dynastie integriert. Auf diese Weise konnte nun auch mit der Treue und Ergebenheit der „Spanier“ argumentiert werden, beispielsweise als die 307 Bspw.: Ursins an Maintenon, o.O., 8.12.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 317. 308 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 7.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 212–213. Hier ging es ihr um die grandeza für ihren Neffen Chalais. 309 Vgl. Ursins an Maintenon, Vitoria, 21.7.1709, BL Add. Ms. 20918, f. 7. 310 Ein besonders gutes Beispiel: Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 1. Vgl. auch: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 10.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 3; oder: Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4; Ursins an Maintenon, Madrid, 11.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 18–19. 311 Ursins an Maintenon, Vitoria, 21.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 7.
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Legitimationen
Princesse die Wahl des Namens „Louis“ für den im August 1707 geborenen Thronfolger, den Prinzen von Asturien312, verteidigte. In Versailles fürchtete man, dass der Name „zu französisch“ sein könnte, eine Idee, die der Princesse zufolge von „habsburgischen Parteigängern“ verbreitet worden sei, während sie vom Volk dagegen sehr positiv aufgenommen würde313. Vor diesem Hintergrund müssen auch die langen und detailgetreuen Beschreibungen der Princesse von öffentlichen Zeremonien in Madrid gesehen werden. Zu Gelegenheiten wie der Geburt des Thronfolgers314, seiner Präsentation vor dem Volk315 oder seiner Taufe316 zeige das Volk von Madrid seine Liebe und Treue. Derartige Loyalitätsbekundungen darzustellen, wurde vor dem Hintergrund der „inneren“ Zerrüttung der spanischen Monarchie umso bedeutsamer. Katalonien stand auf Seiten des habsburgischen Thronprätendenten und sollte sich erst im September 1714 den bourbonischen Truppen ergeben. Die Katalanen waren es auch, die im Laufe der Korrespondenz das „Etikett“ der untreuen Untertanen erhielten317. Der Topos der „Liebe des spanischen Volks“ wird besonders auffällig im Jahr 1709 eingesetzt. Exemplarisch soll auf die Anerkennungszeremonie des Prinzen von Asturien näher eingegangen werden. Schon in der ersten Ankündigung des freudigen Ereignisses berichtete Madame des Ursins zugleich über die militärische Schwäche der Gegner318: Die Kräfteverhältnisse würden sich in Kürze umkehren319. Sie selbst, Amelot und das spanische Königspaar seien voller Zuversicht320. Die Princesse wollte Madame de Maintenons Hoffnung bestärken, dass sich Philipp V. und Maria Luisa „auf dem Thron halten könnten“321. Die Beschreibung der Zeremonie 312 Es handelt sich um Ludwig I., Prinz von Asturien (* 1707, † 1724). 313 Ursins an Maintenon, Madrid, 26.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 333–334. 314 Zu diesem Anlass hätte es eine Opernaufführung und ein Feuerwerk im Theater des Retiro für insgesamt 80 00 Louis gegeben: Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 366. 315 Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 320; siehe auch: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 321–322. 316 Den geplanten Ablauf schilderte sie der Marquise ausführlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 373–376. 317 Bspw.: Ursins an Maintenon, Burgos, 5.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 97; Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 3.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 196. 318 Ursins an Maintenon, Madrid, 14.1.1709, Correspondance (Loyau), 87–89. 319 Ursins an Maintenon, Madrid, 1.2.1709, Correspondance (Loyau), 101. 320 Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1709, Correspondance (Loyau), 105. 321 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 4.11.1709, Correspondance (Loyau), 323–325. Auf drei verzweifelte Briefe der Marquise reagierte sie mit direkten, offensiven Fragen in einem fast mündlichen Stil: „Mais, Madame, pourquoi la perdrions-nous
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selbst sollte die Anbindung der Spanier an Philipp V. zeigen: Nie sei eine Zeremonie majestätischer, geregelter und großartiger verlaufen: „Alle Straßen waren voll und die Balkone und Fenster, von denen man tausend Loblieder für die Katholischen Könige und ihren Prinzen rief. Dies muss überzeugen, Madame, dass die Liebe, die ihre Untertanen für sie haben, eher stärker denn schwächer wird und dass es nur eine kleine Zahl Schlechtgesinnter gibt, um die man kein Aufhebens machen darf.“322 Die Princesse kämpfte in diesen Monaten gegen den Abzug der französischen Truppen. Die Beschreibung der Zeremonie ist daher Teil ihrer gesamten Argumentationsstrategie für eine weitere Unterstützung des spanischen Königspaares. Die Erwähnung ihrer eigenen ehrenvollen Rolle bei der Zeremonie muss nicht näher erläutert werden – natürlich erhöhte sie auf diese Weise ihr eigenes Prestige, was vor dem Hintergrund ihrer in diesen Monaten unsicher gewordenen Position in Madrid Sinn macht. Dass Nacherzählungen des höfischen Lebens weniger aus „informativen“, denn aus strategischen Gründen erfolgten, lässt sich auch daran erkennen, dass auf zeremonielle Ereignisse und gesellschaftliche divertissements am französischen Hof nur selten genauer eingegangen wurde. Über sie berichtete Madame de Maintenon höchstens dann, wenn die allgemeine Lage positiv war, wie etwa im September 1714, als nach der Unterzeichnung des Vertrags von Rastatt der Friede vorerst gesichert schien und sich daher der Briefwechsel mit der Princesse wieder unproblematischer gestaltete. Ihre Beschreibungen von musikalischen Darbietungen auf dem canal, des nun vergrößerten Hofes, Jagden und abendlicher Kammermusik in ihren Gemächern spiegelten die veränderte politische Situation am französischen Hof wider323 und dienten in erster Linie der Verherrlichung des Königs324. [l’espérance, A.d.V.]? N’avons-nous plus de troupes ni de généraux?“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.3.1709, Correspondance (Loyau), 124. 322 „Toutes les rues étaient pleines et les balcons et les fenêtres d’où l’on criait mille louanges pour Leurs Majestés Catholiques et leur prince. Cela doit persuader, Madame, que l’amour que leurs sujets ont pour elles augmente, plutôt que de diminuer et qu’il n’y a qu’un certain nombre de mal intentionnés dont on ne doit faire aucun cas.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 8.4.1709, Correspondance (Loyau), 159. 323 Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 30.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 289. 324 Als Modell der Gesellschaft als Ganze war die Hofgesellschaft in ständiger Repräsentation ihrer Selbst begriffen – was durch Feste, Bälle, entrées, carousells sowie ikonographische Programme geschah. Solche Spektakel, ein grundsätzliches Element des Barockzeitalters, symbolisierten einerseits die Theatralität der Existenz und andererseits die Herrlichkeit des Königs. Vgl. Sabatier, Gérard, Versailles, un imaginaire politique, in: Culture et idéologie dans la genèse de l’état moderne (Collection de l’École Française de Rome, 82), Rom 1985, 295–324, hier 305.
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Legitimationen
Es kann festgehalten werden, dass die Princesse in ihren Briefen nach Versailles einerseits die Probleme der bourbonischen Herrschaft als beinahe unlösbar darstellte. Daran koppelte sie die eigene Unverzichtbarkeit: Nur mit Hilfe der französischen Akteure, und unter ihnen insbesondere Amelots, Orrys und ihrer selbst, könne die Etablierung Philipps V. gelingen. Andererseits achtete sie aber auch darauf, die Erfolge und den wachsenden Rückhalt des Volkes zu betonen und ein positives Bild der jungen Dynastie zu zeichnen. Es sollte deutlich werden, dass sich eine Unterstützung von Seiten Versailles’ lohne. Das Schreiben über die spanische Monarchie folgte daher keinem einheitlichen Muster, sondern variierte je nach Kontext. Wollte die Princesse ein positives Bild der nation espagnole zeichnen, weil sie um die französische Unterstützung warb, so stellte sie die Spanier als treue Untertanen dar, die ihren König liebten. Wollte sie sich selbst oder einen ihrer Mitstreiter rechtfertigen oder Kritik vom Königspaar abwenden, so mussten „die Spanier“ als Sündenböcke herhalten. 2.2. Raisonner de guerre325: Schreiben über Krieg und Frieden „[D]ie großen Ereignisse ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich: Spanien, Frankreich, der Krieg, der Frieden, die Hungersnot, das Befinden der gekrönten Häupter, dies alles, Madame, liefert genug Stoff zum Nachdenken und Besprechen.“326
Der europäische Konflikt nahm in den Briefen der beiden Frauen den größten Raum ein. Zu diesem Themenkomplex gehörten Nachrichten von der Situation an den verschiedenen Kriegsschauplätzen und über erfolgreiche oder gescheiterte militärische Aktionen, die über Boten, Briefe oder Besuche von militärischen Befehlshabern an die Höfe getragen wurden, sowie detaillierte Überlegungen zu Strategien und Entscheidungen. Auch der Stand der Friedensverhandlungen wurde in den jeweiligen Jahren in den Briefen thematisiert. Diese Informationen waren bisweilen so aktuell, dass die Marquise die Spannung, mit der sie den nächsten Brief der Princesse erwartete, einmal mit der Technik eines Feuilleton-Romans verglich, der jeweils dann abbricht, wenn 325 „Je ne veux pas raisonner davantage de guerre avec vous; [...].“ Ursins an Gramont, Buen Retiro, 3.7.1707, Ursins IV (La Trémoille), 6. 326 „[L]es grands événements prennent toute l’attention: L’Espagne, la France, la guerre, la paix, la famine, l’état des têtes couronnées, tout cela, Madame, fournit assez de matière de penser et de parler.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 22.9.1709, Correspondance (Loyau), 288.
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es am interessantesten wird327. Darüber hinaus diskutierten und kritisierten die beiden Briefpartnerinnen getroffene Entscheidungen, wogen militärische Ziele ab und formulierten eigene Einschätzungen. Häufig handelten sie die einzelnen Kriegsschauplätze und Generäle nacheinander ab328 und entschuldigten sich, wenn sie noch nichts „Definitives“ von der militärischen Lage berichten konnten329. Bisweilen gaben sie an, ihre Briefe noch einmal geöffnet zu haben, um die jüngsten Nachrichten von der Front hinzuzufügen330. Madame de Maintenons Brief vom 26. September 1707 ist diesbezüglich exemplarisch: Darin stimmte sie der Princesse zunächst zu, dass man vom Herzog von Savoyen künftig nicht mehr viel zu befürchten habe. Man sage, dass die Deutschen sich mit ihm überworfen hätten und dass er ihnen eine Revolte in der Provence versprochen habe, die nunmehr an der Treue der provenzalischen Bevölkerung scheiterte. Der Duc de Vendôme habe ihr vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass die Feinde dem Erzherzog nicht trauen würden, weshalb sie in Italien eine Armee von 20.000 Mann beließen. Sie fügte noch die neuesten Nachrichten hinzu: Der Maréchal de Villars tue sein Bestes, um sein Winterquartier jenseits des Rheines aufschlagen zu können; der Duke of Marlborough habe seine Truppenstärke bei Arras331 um 500.000 Pferde erhöht, woraufhin Vendôme, bereits vorgewarnt, seinerseits die dort stationierten Truppen aufgestockt habe. Aus Flandern gäbe es nichts Neues zu berichten und viele glaubten, dass sich Marlborough sehr bald von dort zurückziehen werde, andere wiederum mutmaßten, dies geschähe nicht vor dem 12. Oktober 1707, allgemein jedoch sei man der Meinung, dass die campagne bald beendet sein würde332. Gleicht man die Briefe mit den Minister- und Botschafterkorrespondenzen ab, so wird deutlich, dass die beiden Frauen genauestens über die jüngsten Nachrichten und tagespolitischen Entscheidungen informiert waren. Sie be327 Feuilleton (sic!): Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.6.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 301. 328 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 44–46. 329 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 23.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 46. 330 Bspw.: „Comme j’allais cacheter ma lettre, il m’en est venu deux, de S[on] A[ltesse] R[oyale] et de Milord [le Maréchal de Berwick, A.d.V.], qui m’apprennent que l’on va assiéger Morella, que les ennemis avaient abandonné une petite place et qu’on allait rentrer dans la plaine d’Urgell pour la soumettre à l’obéissance de S[a] M[ajesté] Cat[holique] tirer quelques subsistances de ce pays qui est très fertile et lever quelques contributions pour faire vivre les troupes. M. le Duc d’Orléans attendra pour venir à Madrid que Morella soit rendu ou en chemin de l’être. M. le Ma[récha]l sera un peu plus longtemps.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 366–367. 331 Arras ist eine französische Gemeinde im der Region Nord-Pas-de-Calais, etwa 50 km südlich von Lille. 332 Vgl. Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 26.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 326.
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richteten meist zum selben Zeitpunkt wie die Minister über dieselben Ereignisse oder stimmten sich mit diesen ab: Die Princesse verwies auf die Briefe des Botschafters333, Madame de Maintenon ersparte sich einige Zeilen, mit dem Hinweis darauf, dass der Staatssekretär ja dasselbe an Madame des Ursins geschrieben habe334. Meist verwiesen die beiden Frauen für die Details auf die Korrespondenz des Botschafters oder des Staatssekretärs335 und fassten nur knapp zusammen, was sie dem Botschafter auszuführen überließen, um dann noch ihre persönliche Einschätzung hinzuzufügen336. Bisweilen geriet die Korrespondenz zu einem Kommentar des Briefwechsels zwischen Botschafter und König337. Ludwig XIV. hatte seinen Botschafter Amelot explizit autorisiert, die Princesse in Geheimnisse einzuweihen, wenn dieser es für richtig hielt. Beispielsweise gebot der König Stillschweigen, als er seinen Botschafter im Jahr 1707 über geheime Friedensverhandlungen informierte, nahm Madame des Ursins jedoch davon aus338. Gerüchte (bruits), die von Informanten oder über andere Korrespondenzen an die Frauen herangetragen wurden, konnten genauso zur Entscheidungsgrundlage werden339, da sie die politische Stimmung beeinflussten. Dabei 333 Bspw.: „Comme le Roi d’Espagne et M. Amelot manderont au Roi ce que les ministres espagnols pensent sur l’affaire dont il est question [hier: Anerkennung des Erzherzogs durch den Papst], je me dispenserai, s’il vous plaît, d’avoir l’honneur de vous répéter ce que vous verrez dans leurs lettres et je vais seulement répondre à votre dernière.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 20.-25.2.1709, Correspondance (Loyau), 118. 334 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 32. 335 Bspw.: „Nous avons reçu aujourd’hui des nouvelles de Barcelone qui sont fort bonnes comme M. l’ambassadeur sans doute les envoie à la cour, je ne vous en ferai pas le détail.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 11.09.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 19; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.12.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 43; Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 5.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 277; Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 7.8.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 119–120; Maintenon an Ursins, Fontainebleau 22.8.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 122; Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 64. 336 So zum Beispiel bei der affaires des Grands, als sich die spanischen Grandes angesichts des Platzes des capitaine des gardes in der Kapelle empörten: Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 16–17. 337 Bspw.: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 291–292. 338 „Comme il n’y a présentement aucune proposition ni même de relation pour les traités, vous pourriez réserver pour vous seul ce que je vous mande sans aucun ménagement, et en faire usage lorsque vous en jugerez à propos. Je crois Madame des Ursins assez attachée au Roi pour garder le secret si vous lui en faisiez confidence.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 25.7.1707, Amelot (Girardot), 41. 339 In seinem Traktat über den „perfekten Botschafter“ betont Callières, dass Informationen auch interpretiert werden müssten. Interpretieren hieße auch, die Glaub-
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konnte es sich um das Gerücht handeln, dass der Prinz von Darmstadt gefallen sei340, dass der Duke of Marlborough eine geheime Audienz beim schwedischen König gewährt bekommen habe341, oder um das Gerede um eine mögliche Krankheit des Herzogs von Savoyen oder das Befinden des Kaisers342. Es konnten ebenso Nachrichten über den Verlauf der Kaiserwahl in Frankfurt343 wie über den Vormarsch des Prinzen Eugen und des Herzogs von Savoyen auf Toulon im Jahr 1707344 sein wie unterschiedliche Interpretationen der Bewegungen der feindlichen Armee im Juli 1710345. Madame de Maintenon war es stets wichtig, die Exklusivität und „Frische“ ihrer Informationen zu unterstreichen. Im April und Mai des Jahres 1713 ging sie auf die Entwicklungen der Friedensverhandlungen regelmäßig und gewissenhaft ein: „Sie erhalten derzeit Briefe, die ihnen die Nachricht des Friedens bringen; aber ich bin soeben Zeuge eines conseil de guerre gewesen, der mir überhaupt nicht gefällt; […].“346 Die Marquise stellte ihre Informationen als exklusiv und auf dem neuesten Stand dar, um auf diese Weise die Nachricht eines baldigen Friedens zu dementieren. Ist die Korrespondenz der beiden Frauen, deren style de gazettes347 die Marquise einmal bedauert, in erster Linie als Instrument des Nachrichtentauschs zu sehen? Ihre Position bei Hofe gewährte beiden Frauen einen exklusiven Informationsvorsprung. Darüber hinaus scheinen sie über ein Netz an Informanten am eigenen Hof verfügt zu haben. Diese werden zwar nur selten
würdigkeit und Sicherheit von Informationen einschätzen zu können. Die bruits oder faux avis mussten als solche erkannt werden: Callières, zitiert bei Waquet, L’art, 135. 340 Ursins an Maintenon, Madrid, 30.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 23–24. 341 Vgl.: „On dit que Marlborough a eu de grandes audiences du Roi de Suède. On ne sait point encore s’ils ont conclu quelque chose. Peut-être ne sera-t-on pas si secret en Hollande quand il y aura rendu compte de son voyage.“ Maintenon an Ursins, o.O., 15.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 253. 342 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 18.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 303–304. 343 Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 6.9.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 64. 344 Vgl. Maintenon an Ursins, o.O., 23.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 299–300. 345 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.7.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 302. 346 „Vous avez présentement des courriers qui vous auront porté la nouvelle de la paix; mais je viens tout à l’heure d’être témoin d’un conseil de guerre qui me déplait fort, […].“ Maintenon an Ursins, o.O., 29.4.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 159; die Briefe zuvor: Maintenon an Ursins, Versailles, 10.4.1713, BL Add. Ms. 155–156; Maintenon an Ursins, Versailles, 24.4.1713, BL Add. Ms. 158. 347 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 49.
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mit Namen genannt348, sind aber greifbar, wenn sich die Princesse bei der Marquise über sie beschwert349; die Informationen selbst wurden vermutlich mündlich mitgeteilt350. Information und ihre Weitergabe, wie sie in den voran gegangenen Seiten beschrieben wurden, soll hier jedoch nicht rein funktional verstanden werden. Der Begriff selbst ist zwar kein Anachronismus351 und insbesondere der Aspekt der „Neuheit“ einer Information lässt sich, wie bereits gezeigt, in den Briefen finden. Sich gegenseitig „über alles zu informieren“352, war den beiden Frauen zufolge die Absicht ihres Austausches. Das Verständnis des Informationsund Wissensbegriffes hat in der jüngeren Forschung jedoch eine Ausweitung erfahren: Die poststrukturalistische Abkehr von Fragen der Wahrheit führte unter anderem dazu, dass weniger nach dem unmittelbaren Inhalt von Wissen und Information, sondern vielmehr nach seinen mittelbaren Effekten gefragt wird – bewusster und unbewusster, beabsichtigter und unbeabsichtigter Natur. In diesem Kontext wurde Information als „das, was an Repräsentationen der Welt in Hinsicht auf eine Aufgabe verfügbar ist“353 definiert. Die hier angestellten Überlegungen legen zwar diesen weiten Informationsbegriff zugrunde, fokussieren jedoch auf den „nächsten Schritt“ im Prozess des Informierens: den Moment der Auswahl. Nach Luhmann ist Information eine Selektion, die eine Veränderung hervorbringt354, und in genau dieser Veränderung liegt ihr Machtpotential. Sie wird nicht gegeben – sonst bestünde hinterher ein Manko 348 Über Gerüchte, die über die Princesse kursierten, ließ sich die Marquise von M. de Caylus informieren: „J’ai chargé M. de Caylus de m’avertir de tout ce qui vous regarde.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 30.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 178. 349 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 328. 350 Beispiel für die Princesse: „J’appris hier par un homme qui a une correspondance en Italie […].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 18.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 303. 351 Vgl. auch Brendecke et al., die die etymologischen Wurzeln des Informationsbegriffes in einem dreifachen Konzept finden: als Kenntnisgewinnung und -nutzung in der Einholung, dem Bericht und Ziel, der Kenntnis selbst: Brendecke, Arndt / Friedrich, Markus / Friedrich, Susanne, Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom Wissensbegriff, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien, hrsg. v. dens. (Pluralisierung & Autorität, 16), Berlin 2008, 29 f. 352 Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 23.5.1707, BL Add. Ms. 20918, 268. 353 Brendecke et al., Information, 11–44, hier 13 und 16 (Zitat 16). Diese Definition knüpft an ein Bild Peter Burkes an, das Information als das, „was roh, spezifisch und praktisch ist“ im Gegensatz zum Wissen, das das „gedanklich Verarbeitete oder Systematisierte“, das „Gekochte“ meint: Burke, Peter, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2002, 20. Zur Geschichte der „Wissenssoziologie“ siehe insbesondere 27. 354 Luhmann, Systeme, 102–105.
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-, sondern mitgeteilt. Wenn Information derart als Machtressource verstanden wird355, so muss gefragt werden, welche Informationen wann, wie und an wen weitergegeben wurden: mit anderen Worten, welche Selektionen vorgenommen wurden356. In der Korrespondenz der beiden Frauen ging es nicht in erster Linie um einen möglichst unmittelbaren und vollständigen Austausch von Nachrichten – auch wenn es von ihnen bisweilen so dargestellt wurde. Gaben sie das Ziel der vollständigen Information an, so referierten sie auf einen gängigen Diskurs: das Ideal, über alles zeitnah informiert zu sein357. Von Bedeutung waren vielmehr Auswahl und Präsentation der Nachrichten, die bei beiden Frauen in jeweils verschiedene Richtungen zielten. Ein Beispiel aus den Jahren 1707 und 1708 sei ausführlicher dargestellt, da es als repräsentativ für die Diskussionsführung in der gesamten Korrespondenz gelten kann. Am 7. August schrieb die Princesse, sie könne die Sorgen der Marquise verstehen: Der Herzog von Savoyen sei nun tatsächlich mit seiner Armee in der Provence und beabsichtige, Toulon anzugreifen. Allerdings, so versuchte sie zu beschwichtigen, seien all jene, die dieses Gebiet kannten, der Ansicht, dass ihm dies nicht so leicht gelingen und der Maréchal de Tessé ihn mit Leichtigkeit daran hindern würde. Das Beispiel Karls V., der dort seine Armee verloren habe358, habe ihn wohl nicht davon abhalten können, seine Unvorsichtigkeit würde er jedoch noch bereuen359. Hier zeigt sich 355 Dies hat sich im Diktum Francis Bacons konserviert: Nam et ipsa scientia potestas est: Bacon (1597), Meditationes Sacrae 11: De Haeresibus, fol. 13v, zitiert bei: Brendecke et al., Information, 15, Anmerkung 13. Information sollte dabei jedoch nicht in modernem Sinne als Basis für rationales Handeln idealisiert werden: Brendecke et al., Information, 18 f. 356 Einen regelrechten „Krieg der Informationsbestände“ wurde zwischen den rivalisierenden Ministerien Colbert und Le Tellier festgestellt. Vgl. Soll, Jacob, Jean-Baptiste Colberts geheimes Staatsinformationssystem, in: Information, hrsg. v. Brendecke et al., 359–374, hier 368 f. (Zitat 369). 357 Ludwig XIV. etwa schreibt in seinen Memoiren, dass er „über alles informiert“ sei (informé de tout): Mémoires de Louis XIV, hrsg. v. Jean Longnon, Paris 1978. Zum Ideal der vollständigen Informiertheit des frühneuzeitlichen Herrschers vgl. Brendecke, Imperium und Empirie, Kap. I und II. 358 Die Princesse spielt hier auf die Schlacht von Cocherel (1364) an, in der Bertrand von Guesclin für Karl V. einen entscheidenden Sieg über das navarresische Heer erlangte. 359 „C’est avec trop de raison, Madame, que vous êtes inquiète quand vous savez M. le Duc de Savoie en Provence et avec le dessein d’attaquer Toulon, puisque ce serait un des grands malheurs qui put arriver à la France qu’il le prit et que le Roi perdit tous les vaisseaux qui y sont. Tous ceux qui connaissent ce pays-là prétendent qu’il sera bien difficile à son A[ltesse] R[oyale] de réussir dans son dessein et que si M. le Ma[récha]l de Tessé s’avance assez à temps, il pourra l’empêcher et faire périr l’armée de M. le Duc de Savoie. L’exemple de Charles Quint qui y perdit la sienne n’a pas découragé ce Prince, mais
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nicht nur, dass die Princesse über die militärischen Ereignisse genau Bescheid wusste, sondern auch, wie sie die Informationen für ihre Argumentation vorteilhaft präsentierte. Ihr Anliegen war es, bezüglich des Kriegsverlaufs Optimismus zu verbreiten, was auch an dem im selben Brief mehrfach einfließenden stereotypen Herrscherlob ersichtlich wird. Madame de Maintenon vertrat in ihrer Antwort die pessimistische Seite: „Ich sterbe vor Angst, Madame, zu gut über die affaires de Provence geurteilt zu haben.“360 Anders als sie selbst hätten alle anderen einen Rückzug des Herzogs vermutetet; nun verwiesen jedoch die letzten Nachrichten von einer Abspaltung von 5.000–6.000 Mann unter einem so prominenten Befehlshaber wie Prinz Eugen eher darauf, dass er sein Ziel weiterverfolgen würde. Diese Argumentation ist typisch für die Marquise: Sie ging meist vom schlechtesten Fall aus und präsentierte sich dann oft als diejenige, deren Einschätzung schlussendlich richtig war. Die Princesse bemühte sich um Gegenargumente: In Flandern und Deutschland habe man ihres Eindrucks nach nicht dieselben Probleme, aber: „Ich gebe zu, dass beinahe all meine Aufmerksamkeit der Provence gilt.“361 Wenn jedoch der Herzog von Savoyen, so die Princesse weiter, tatsächlich so viele Leute verlöre, dann sei es schlicht unmöglich, dass er sich nicht bald zurückzöge. Die bourbonische Seite sei militärisch überlegen und der Herzog mit Sicherheit bald wieder zurück im Piemont. Die Militärexperten am Hof seien sich einig, dass er sein gewagtes Projekt bereuen würde – „wir werden bald darüber im Bilde sein.“362 Am 28. August 1707 konnte ihr die Marquise dann die freudige Nachricht übermitteln, dass der Maréchal de Tessé „Frankreich den größten Dienst erwiesen habe, der ihm jemals erwiesen wurde“363. quelques fois Dieu permet que l’on se repente de son trop de témérité. Je vous avoue, Madame, que dans cette occasion je ne me flatte pas plus que vous le faites et que je me trouverai dans une grande peine jusqu’à ce que je vois tout ce qui arrivera de cette entreprise.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 310. 360 „Je meurs de peur, Madame, d’avoir trop bien jugé des affaires de Provence.“ Maintenon, St. Cyr, 21.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 311. 361 „Pour la Flandre et l’Allemagne, quoique les ennemis soient en présence de nos armées on n’a point ce me semble la même crainte qu’ils nous puissent faire de nouveaux maux, et je vous avoue que presque toute mon attention est pour la Provence, […].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 321. 362 „[L]es gens de guerre que nous avons ici et qui connaissent les endroits par où S[on] A[ltesse] R[oyale] peut passer, comptent que si les généraux sont alertes, elle aura lieu de se repentir d’avoir fait des projets si hardis; nous en serons bientôt éclaircis.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 322. 363 Die Belagerung von Toulon sei aufgehoben und der Herzog von Savoyen im Rückzug befindlich: „Eh bien, Madame, que dirons nous de nos jugements? M. le Ma[récha]l de
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Insbesondere ab dem Jahr 1708 standen die immer mehr divergierenden Interessen der beiden Höfe im Mittelpunkt der Korrespondenz und wurden zum Teil heftig diskutiert. Durch die Briefe der beiden Frauen ziehen sich wie ein basso continuo die Argumente, mit denen sie versuchten, ihr jeweiliges Gegenüber von der eigenen Perspektive zu überzeugen364. Madame de Maintenon verwies immer auf die Abgeschlagenheit des Landes, die fehlenden Ressourcen, die Schwäche und Müdigkeit der Armee, die Erschöpfung des Volkes und die Grausamkeit des Krieges365. Bereits seit Ende des Jahres 1707 schien sie so den Boden für eine mögliche Trennung der beiden Höfe bereiten zu wollen. Sie ließ keine Gelegenheit aus, um auf die aussichtslose Situation Frankreichs hinzuweisen366. Die Princesse erwähnte dagegen immer wieder die Stärke und den Mut der Truppen, schmückte militärische Siege aus und rief bei jeder Gelegenheit den Beginn der changement des affaires367 aus. Meist bezeichnet die Marquise ihre Ideen jedoch als wenig realistisch, als vision368 oder als Luftschlösser (châteaux en Espagne)369. Inwiefern stellten nun die geäußerten Ansichten die eigenen Meinungen der beiden Frauen dar, inwiefern fielen sie mit der politischen Linie der Monarchie zusammen? Diese Frage kann nicht endgültig beantwortet werden, da sie letztlich auf eine Rekonstruktion dessen zielt, was die Personen tatsächlich dachten. Rekonstruierbar und äußerst aufschlussreich ist jedoch die Art und Weise, wie sich die beiden Frauen diesbezüglich darstellten. Wie im oben zitierten Beispiel deutlich geworden ist, stellte Madame de Maintenon immer wieder ihre eigene Meinung explizit als abweichend von der allgemein ver-
Tessé vient de rendre le plus grand service à la France, qu’elle put recevoir.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 28.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 313–314. 364 Aufgrund der militärischen Situation sah Ludwig XIV. sich zu diesem Zeitpunkt gezwungen, in offene Friedensverhandlungen mit der gegnerischen Allianz zu treten. Philipp V. und Maria Luisa dagegen wollten den Krieg fortführen, um den Thron und die Integrität ihres Reiches zu bewahren. Dementsprechend verbreitete die Princesse des Ursins in ihren Briefen weiter Optimismus, um Madame de Maintenon und durch sie den französischen König davon zu überzeugen, dass sich die Fortführung seiner Unterstützung auszahlen würde. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um die Einheit der beiden Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins). 365 Bspw.: „Quelle cruelle guerre qui arme la sœur contre le frère, le père contre les enfants, les sujets contre leurs Princes légitimes, […].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 20.6.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 74. 366 Bspw.: Maintenon an Ursins, Marly, 15.4.1709, Correspondance (Loyau), 164. 367 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.2.1709, Correspondance (Loyau), 101. 368 Maintenon an Ursins, Versailles, 15.9.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 4. 369 Maintenon an Ursins, Marly, 6.8.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 180.
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breiteten dar: „Ich dagegen denke ...“370. Häufiger noch sind Bemerkungen der Marquise darüber, dass sie selbst mit ihren Einschätzungen entgegen der Meinung der politischen Meinungsführer Recht behalten habe: „Ich bin es ziemlich leid, Madame, besser zu urteilen als unsere klugen Köpfe“371. Auf diese Weise zeigte die Marquise, dass sie eine eigene Meinung hatte und stellte sich selbst als die klügere Alternative zu den Ministern dar. Sie präsentierte sich also nicht nur als die aktuellste und beste Quelle, sondern beanspruchte zugleich auch die Deutungshoheit der Informationen372. Was die Princesse betrifft, so hatte Ludwig XIV. schon im Jahr 1705 seinen Botschafter explizit dazu angehalten, ihre Meinung als Entscheidungsgrundlage zu nehmen; sie sollte ihm „Ratschläge geben“373. Bei der Neubesetzung des despacho im Jahr 1705374 genauso wie bei den personellen Veränderungen im Jahr 1709375 war ihre Ansicht das erste Entscheidungskriterium. Die Marquise erwähnte außerdem gelegentlich, dass der König ihre Meinung begrüße und 370 „Pour moi, je crois qu’ils prendront Lille et qu’il faudra bien que la citadelle se rende.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr 7.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 53 (Hervorhebung d. V.); „Vous croyiez bien que nos raisonneurs raisonnent beaucoup, et Dieu veuille qu’ils raisonnent bien. Pour moi, selon ma bonne coutume, je vois l’Archiduc élu promptement unaniment et confirmant la Ligue contre l’Espagne et la France, je trouve beaucoup de gens qui me contrarient et ils me font grand plaisir.“ [Hervorhebung d. V.] Maintenon an Ursins, Marly 2.5.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 46. 371 „Je suis bien lasse, M[ada]me, de juger mieux que nos bonnes têtes; nous voilà en guerre. Elle commence très bien. On vous en mandera toutes les particularités mieux que je ne saurais faire. Le Ma[récha]l de Villars espère qu’il se conduira si bien et si vivement qu’il nous procurera la paix.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.7.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 171; und zwei Monate zuvor bereits: „Vous avez toutes les ratifications, M[ada]me, et nous avons la guerre, et mes alarmes populaires sont plus justes que les raisonnements de nos bonnes têtes.“ Maintenon an Ursins, o.O., 31.5.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 167. 372 Bspw.: „Je ne sais rien de plus égal au déchainement où l’on est depuis longtemps contre le Ma[récha]l de Villars de ce qu’il ne donne point de bataille, que celui où l’on est présentement de ce qu’il la veut donner pour sauver Landrecy. On ne croirait pas que les maîtres eussent besoin d’autant de patience qu’ils en ont, car je crois que toutes les cours se ressemblent et qu’on crie partout contre ce qui se fait. Après tout ce bruit je crois qu’il n’y aura point d’action les ennemis ont eu le temps de se retrancher.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 25.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 118. 373 „Je me rapporte entièrement en tout à ce que la princesse des Ursins juge de plus à propos, […] mon intention est que vous vous conformiez entièrement à ses sentiments. […]. Enfin, je suis si persuadé de la droiture de ses intentions, que je crois que vous ne pouvez vous tromper en suivant ses avis.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 21.12.1705, Amelot (Girardot), 213. 374 Vgl. RDI Espagne II (Amelot), 150. 375 Vgl. den Auszug aus einer dépêche von Amelot: o.O., 30.4.1709, MAE CP Espagne 195, f. 408.
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ihre Ratschläge befolgt worden seien376. Sie war außerdem der Meinung, dass die Princesse zu nichts gezwungen werden könne, was ihren Ansichten entgegenstünde377. In diesem Zusammenhang muss bedacht werden, dass das zeitgenössische Konzept der Königswürde eine öffentliche Stellungnahme seitens des Königs oder die Diskussion seiner Entscheidungen nicht zuließ. Für die Verbreitung und Verteidigung seiner Ansichten und die kohärente Darstellung seiner Politik378 waren daher nicht zuletzt die jeweiligen außenpolitischen Akteure zuständig, die die notwendigen Informationen über Depeschen oder speziell verfasste mémoires erhielten379. In Torcys Staatssekretariat sollte die Flut an Gazetten, Pamphleten oder Büchern kontrolliert und diejenigen zensiert werden, die der monarchischen gloire nicht zuträglich waren. Da diese Kontrolle nur in Maßen gelang, war es umso wichtiger, gegenläufig zu manipulieren, nicht nur im Bereich der Kunst und Literatur, sondern eben auch über politische Korrespondenzen380. Daher wurde hinsichtlich der Tätigkeit der Botschafter von „Propaganda“381 gesprochen382. Auch zeitgenössische theoretische Schriften heben diesen Aspekt klar hervor383. 376 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1707, BL Add. Ms 20918, f. 376–377. 377 So äußerte sie sich einmal gegenüber dem Maréchal de Villeroy: Maintenon an Villeroy, St. Cyr, 25.6.1709, BL Egerton 23, f. 26. 378 Thomas Kaiser hat diesen Bedarf an kohärenter Darstellung der eigenen Politik als ideological convenience bezeichnet: Kaiser, Thomas E., Rhetoric in the Service of The King: The Abbé Dubos and the Concept of the Public Judgement, in: Eighteenth Century Studies (23/1) 1989, 182–199, hier 183. 379 Vgl. Klaits, Printed Propaganda, 194 f. 380 Man hätte es sich nicht leisten können, so Kaiser, den struggle of the hearts and minds in der eigenen Bevölkerung zu verlieren: Vgl. Kaiser, Rhetoric, 187–189, Zitat 189. 381 Üblicherweise wird Propaganda definiert als das Ziel, „auf dem Wege der Kommunikation Einstellungen und Verhalten von Menschen zielgerecht zu beeinflussen“; vgl.: Pressepolitik und Propaganda. Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg, hrsg. v. Jürgen Wilke, Köln u.a. 1997, VI. Propagandistische Formen der Berichterstattung äußern sich hauptsächlich darin, bestimmte Sachverhalte aus einer politischen Position heraus einseitig darzustellen und daraus folgend den eigenen Standpunkt darzulegen und gegebenenfalls zu legitimieren; vgl. Schultheiß-Heinz, Sonja, Propaganda in der Frühen Neuzeit, in: Sommerakademie des Graduiertenkollegs „Wissensfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der europäischen Informationskultur“, Augsburg, 2.–6. September 2002, hrsg. v. Wolfgang E. J. Weber, Augsburg 2003, 253–278, hier 262. 382 „[...] that Louis’ ambassadors themselves acted as propagandists, [...].“: Klaits, Printed Propaganda, 85. 383 Siehe etwa die Bedeutung der Überzeugung im Volk bei Dubos in „Reflexions sur le Traité signé à la Haye le Septième Septembre 1701“, zitiert bei Kaiser, Rhetoric,189.
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Vor diesem Hintergrund erhält die Korrespondenz der beiden Frauen noch eine weitere Bedeutung: Geht man davon aus, dass die Princesse des Ursins eine der Meinungsführerinnen am spanischen Hof war, lassen sich Madame de Maintenons Erklärungen als gezielte Rechtfertigung französischer Politik lesen, ein Kernelement königlicher Propaganda384. Dies galt in noch stärkerem Maße umgekehrt: Madame de Maintenon war eine der wichtigsten „Multiplikatoren“ am französischen Hof, und das Bild, das man in Versailles von den politischen Geschäften in Madrid hatte, war für das Königspaar und ihre Kammerdame von höchster Bedeutung. Um Herrscher und Hofelite zu erreichen, waren die beiden Frauen der geeignete Kommunikationskanal. Die Redewendungen, Begriffe und metaphorischen Vergleiche, die sie in ihren Briefen verwendeten, stimmen darüber hinaus mit den gängigen Formulierungen zeitgenössischer Zeitungen überein385. Topoi, die in den Darstellungen der Princesse von verschiedenen politischen Maßnahmen auftauchen, sind die Einheit der beiden Kronen (l’union des deux couronnes)386, oder der Ruhm des Herrschers (la gloire de leur maître)387. Madame de 384 In der königlichen Propaganda unter Ludwig XIV. hat Hélène Duccini drei Hauptziele ausgemacht: die Rechtfertigung ihrer Politik in Bezug auf das aktuelle Geschehen, die langfristige theoretische Erklärung der Monarchie und die Verherrlichung der Zugehörigkeit zur nation française, die durch den Kult der Person des Königs funktionierte: Duccini, Hélène, Un aspect de la propaganda royale sous les Bourbons: image et polémique, in: Culture et idéologie, 211–229, hier 211. 385 Siehe die Analyse dreier Zeitungen der 1670er Jahren bei Schultheiß-Heinz, Propaganda, 262–264. Die von der Autorin aufgelisteten Diskurse erscheinen beinahe in ihrer Gesamtheit auch in den Briefen der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins: Beim Feindbild: Verwendung der Adjektive mauvais, malheureux, peu de succès, für die Truppen, Intrigen, Aggressorenvorwurf, Bestechung, Unchristlichkeit, Plünderung, Disziplinlosigkeit, schlecht verpflegte und ausgebildete Truppen, Betonung des desordre, der Krankheiten, Verluste und der Friedensunwilligkeit. Beim Selbstbild: Verwendung der Adjektive glorieux, heureux, fameux, grand, très bon, avec de succès für die eigene Armee, gute eigene Situation (militärisch und politisch), gottgefällige und gerechte Kriegsführung, Vertrags- und Bündnistreue, Disziplin, Verherrlichung, Betonung der eigenen Friedenswilligkeit. Vgl. Schultheiß-Heinz, Propaganda, 265–275. 386 Dieser Diskurs findet sich auch in den Korrespondenzen anderer Akteure, siehe bspw.: MAE CP Espagne 193, etwa f. 9, oder: Philippe V. an Maintenon, Madrid, 10.4.1713, MAE M&D 106, f. 28. 387 Ein Beispiel für die Verwendung beider Topoi: „Il est bien surprenant que les Princes d’Allemagne se voient mangés par M. le Ma[récha]l de Villars et qu’ils ne rappellent point leurs troupes. Il est certain, Madame, qu’il n’y a point de politique en cela et que l’on voit visiblement par un tel procédé la rage que toute la ligue a contre les deux couronnes, et c’est ce qui doit affermir davantage leur Union; mais il faut pour cet effet que les gens qui jouent les principaux rôles n’aient pour but que la gloire de leur maître et
Schreiben über Krieg und Frieden
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Maintenon begründete die Notwendigkeit des Friedens mit der Notwendigkeit der Ruhe des Volkes (le repos du peuple) oder des Königreiches (la tranquillité du royaume)388. Diese Ausdrücke rekurrieren ebenfalls auf den zeitgenössischen Friedensdiskurs und sind in den Depeschen der Botschafter gleichermaßen allgegenwärtig. In einer Zeit, in der Krieg faktisch der „europäische Normalzustand“389 war, galt der Frieden der Christenheit als normatives Ideal. Dieses Spannungsverhältnis wird deutlich, wenn Madame de Maintenon einerseits Frieden predigt, andererseits die Ehre der französischen Monarchie über alles andere stellt. In ihrer Argumentation konnte die Wahrung dieser Ehre dann aber auch eine Fortführung des Krieges rechtfertigen390. Für die Princesse des Ursins kam ein „Schandfriede“ (une paix honteuse), dessen Bedingungen die Ehre der bourbonischen Dynastie verletzt hätten, nicht in Frage391. Frieden zu schließen, konnte ihr zufolge unter bestimmten Umständen sogar gegen den Willen Gottes sein392. Dass Frieden und Krieg zugleich idealisiert wurden, ist gleichermaßen für den Westfälischen Friedenskongress gezeigt worden, wo der Friede der Christenheit zum Argument der Selbstlegitimation aller Kriegsparteien wurde393. „Den Krieg in
c’est ce qui me paraît bien difficile.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 310. 388 Beispiele: Maintenon an Ursins, Marly, 29.5.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 163; Maintenon an Ursins, Marly, 17.7.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 175. 389 Repgen, Konrad, Kriegslegitimationen in Alteuropa. Entwurf einer historischen Typologie, in: Historische Zeitschrift 241 (1985), 27–49, hier 7 f. 390 So schwenkte bspw. ihre Argumentation im Juni 1709 plötzlich um, als die Friedensverhandlungen abgebrochen wurden. Rouillé de Marbeuf hatte für Frankreich vom 5. März an heimliche Verhandlungen geführt, die aufgrund der inakzeptablen Bedingungen der 40 Artikeln abgebrochen worden waren; von nun an wurde wieder Krieg geführt und gepredigt; Pierre Rouillé de Marboeuf (* 1657, † 1712): 1697–1703 ambassadeur extraordinaire in Portugal; 1704–1707 als Vertreter der französischen Krone in Brüssel und 1709 in den Niederlanden. 391 „Pardonnez-moi si j’ai l’honneur de vous dire, Madame, que je ne penserais pas qu’on dût consentir à une paix honteuse quand même je verrais au lieu où vous êtes, ce qui s’y passe; [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 1.4.1709, Correspondance (Loyau), 154; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.2.1709, Correspondance (Loyau), 102. 392 Ursins an Maintenon, o.O., 26.9.1709, Correspondance (Loyau), 290. 393 Vgl. Tischer, Anuschka, Französische Diplomatie und Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongress: Außenpolitik unter Richelieu und Mazarin (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, 29), Münster 1999, 50.
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diesem Land unterstützen, in der Hoffnung, dann doch einen guten Frieden zu schließen“394, formulierte die Princesse des Ursins. Es ist festzuhalten, dass in der Korrespondenz der beiden Frauen die königliche Politik in allgemein gebräuchlichen Redeweisen gerechtfertigt wurde. Damit konnte ihre Verbreitung im „Zielpublikum“ der jeweiligen Hofelite erreicht werden, da die beiden Frauen in engem Austausch mit den Herrschern und den politischen Entscheidungsträgern standen und ihre Briefe in diesen Kreisen gelesen wurden. Neben den Depeschen an den Botschafter, neben zahlreichen anderen Korrespondenzen und ausgefeilten Mitteln der königlichen Propaganda trugen ihre Briefe somit einen wichtigen Teil zur Verbreitung und Rechtfertigung der königlichen Politik bei. 2.3. Se mêler des affaires: Zuständigkeiten definieren „Ich werde warten, bis ich in Madrid bin, Madame, um Ihnen über die affaires d’Espagne zu berichten.“395
Bereits aus einem der ersten Briefe der Princesse des Ursins an Madame de Maintenon vom Juli 1705 wird deutlich, was ein Hauptthema ihres Briefwechsels sein sollte: die affaires d’Espagne. Diese Beobachtung wird von weiteren Aussagen gestützt: Ihre Aufgabe am spanischen Hof bestand der Princesse zufolge darin, den französischen Botschafter in den affaires d’Espagne zu unterstützen396. Ihren Aufenthalt in Madrid seit dem Jahr 1701 beschrieb die Princesse als den Zeitraum „seit [sie] Kenntnis der affaires d’Espagne habe“397. Auch Madame de Maintenon betrachtete die affaires d’Espagne offensichtlich als ihren Aufgabenbereich398. Immer wieder versicherte sie ihrer Korre394 „[I]l [Amelot, A.d.V.] n’a rien négligé pour soutenir la guerre en ce pays-ci dans le désir pourtant qu’on fît une bonne paix.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 19.8.1709, Correspondance (Loyau), 253. 395 „J’attendrai que je sois à Madrid pour vous parler, Madame, des affaires d’Espagne, […].“ Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4. 396 „[…] qui me mettra bien plus en état de seconder M. Amelot et de mériter par une application entière aux affaires d’Espagne la confiance dont le Roi veut bien m’honorer.“ Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 2. 397 „Je n’en ai vu que trois [changements, A.d.V.] depuis que j’ai connaissance des affaires d’Espagne.“ Ursins an Torcy, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 36. 398 Für Bryant ist dieser Bereich der first officially sanctioned political function that Louis assigned to her: Bryant, Marquise, 168. Natürlich handelt es sich um eine politische
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spondentin, dass sie stets mit dem beschäftigt sei, was sich in Spanien abspiele399. Es sei hier auch noch einmal an den „Befehl“ erinnert, den ihr die Princesse im Laufe ihrer Gespräche in Marly im Jahr 1705 gegeben haben soll und der darin bestand, die affaires d’Espagne zu verfolgen400. Das Spektrum an Informationen, das die Briefe der beiden Frauen umfassten, ist bereits deutlich geworden: Vom Befinden und den Betätigungen verschiedener Akteure, Patronage und Netzwerkpflege über Ereignisse am Hof bis hin zur Reform der spanischen Monarchie sowie den militärischen Ereignissen und Verhandlungen des Krieges. Sind nun all diese Themen Teil der affaires und genauer der affaires d’Espagne, um die sich die Princesse des Ursins und Madame de Maintenon explizit kümmern wollten? Das „Dictionnaire universel“ von 1690 führt für den Begriff affaire nach der allgemeinen Bedeutung der „Sache“ oder „Angelegenheit“ zahlreiche Unterbedeutungen auf. Darunter werden mit affaires im Plural auch die „Befehle, Aufgaben, Verhandlungen, die den Staat betreffen“ bezeichnet, und als Beispiel folgender Satz angeführt: „Man spricht von den affaires der Zeit im Sinne der Neuigkeiten bezüglich des Zustands der Welt.“401 Aufgrund der relativ offenen Verwendung des Begriffs scheint eine Übersetzung mit „Angelegenheiten“ geeignet; vor dem Hintergrund des hier verwendeten Politikbegriffes kann in bestimmten Kontexten auch von den „politischen Geschäften“ gesprochen werden. Funktion, die den Außenstehenden offensichtlich war. Die Bezeichnung „offiziell sanktioniert“ ist indes unglücklich, da sie ein offizielles Verfahren und dadurch wiederum eine klare Trennung von offiziellen und inoffiziellen Aufgaben suggeriert. 399 Maintenon an Ursins, Versailles, 23.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 110. 400 „[ J]e suis les affaires d’Espagne le plus près qu’il m’est possible, depuis que vous m’avez fait l’honneur de me l’ordonner à Marly et avec tant d’autorité que je n’oserais y manquer quand j’en aurais envie.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.5.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 7; oder: „C’est un bonheur Madame, que vous vouliez bien prendre la peine de suivre de vue les affaires d’Espagne, ne vous en lassez point, je vous en conjure.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 6.5.1707, BL Add. man 20918, f. 262. 401 Nach den ersten zwei allgemeineren Bedeutungen „Sache“ oder „Angelegenheiten“ interessiert besonders die siebte Bedeutung: „Affaire, se dit des ordres, des soins, des négociations qui regardent l’État. Depuis qu’un tel ministre a pris le timon des affaires, toutes choses vont bien. C’est un homme qui est entré dans les affaires, dans les négociations étrangères. Les affaires de Rome sont brouillées. C’est une affaire d’État, de Religion. On dit en ce sens les affaires du temps, pour dire, les nouvelles d’État des choses du monde.“ Dictionnaire universel, contenant généralement tous les mots françois tant vieux que modernes, et les termes de toutes les sciences et des arts [Reprod.], par feu Messire Antoine Furetière (1619–1688), 1690, 3 Bde., Bd. I, 50. http://gallica. bnf.fr/ [Zugriff 21.9.2009].
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Im folgenden sollen diejenigen Aussagen analysiert werden, in denen die beiden Frauen Inhalt und Funktion ihrer Korrespondenz thematisierten und reflektierten, um die Semantik des Begriffs der affaires in ihren Briefen zu verdeutlichen. Dazu soll zunächst das obige Zitat der Princesse fortgeführt werden: „Ich werde warten, bis ich in Madrid bin, Madame, um Ihnen über die affaires d’Espagne zu berichten; ich weiß grob, dass alles gut aussieht, was den Krieg und die Sicherheit der Personen ihrer Majestäten betrifft […].“402 Themen rund um den Krieg und die Herrscher können also zunächst als zwei Bereiche festgehalten werden, die von Madame des Ursins zu den affaires gezählt wurden. An anderer Stelle schrieb sie, dass Madame de Maintenon, „zu gut über die großen Angelegenheiten (grandes affaires) informiert sei“403, als dass sie über ein Problem der Friedensverhandlungen nicht unterrichtet sein könne. Den Stand der Friedensverhandlungen zählte die Princesse demnach auch zu den affaires. Aussagen der Marquise bieten die Grundlage für eine „Definition“ ex negativo: Im Jahr 1707 schrieb sie, dass es angesichts der schlechten Nachrichten „kein Vergnügen sei, über die ernsten Angelegenheiten (les affaires sérieuses) zu sprechen“ und dass sie keinen Mut habe, der Princesse die „Bagatellen“ (les bagatelles) aus Marly mitzuteilen404. Ein Gegenbegriff zu den affaires (sérieuses) waren demnach die bagatelles405. Ihre kurzen Briefe begründete sie im Jahr 1714 mit dem Umstand, dass am französischen Hof nunmehr nur noch die affaires d’Espagne Thema seien, deren desolater Zustands es ihr unmöglich mache, ihre Briefe mit Todesfällen, Hochzeiten, Geschichten aus Marly, der Jagd und den Hofdamen zu füllen406. Es wird deutlich, dass zu den bagatelles 402 „J’attendrai que je sois à Madrid pour vous parler, Madame, des affaires d’Espagne, je sais en gros que tout se dispose bien pour ce qui regarde la guerre et la sureté des personnes de leurs M[ajes]tés […].“ Ursins an Maintenon, St. Jean de Luz, 14.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 4. 403 „Vous êtes trop bien informée, M[adam]e, des grandes affaires pour ignorer tout ce qui s’est passé sur celle de ma souveraineté; […].“ Ursins an Maintenon, o.O., 24.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 239–241. Die souveraineté war zu einem Hindernis der Verhandlungen geworden; siehe hierzu Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins). 404 „Il n’y a point de plaisir à parler des affaires sérieuses et je n’ai point le courage de vous mander les bagatelles de Marly outre que j’en suis assez mal avertie.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 31.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 302. 405 An anderer Stelle schrieb sie, dass es ihr unerträglich sei, sich mit jemandem über Bagatellen zu unterhalten, mit dem man offen „ernste Themen“ (les matières sérieuses) behandeln würde: Maintenon an Ursins, Versailles, 13.3.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 249. 406 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 29.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 221–222.
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Informationen über Marly oder den französischen Hof, und gesellschaftliche Ereignisse wie die divertissements zählten – Informationen, die man „von allen Seiten“407 erfuhr. Zu den affaires rechnete die Marquise dagegen: Gesundheit und Befinden der Herrscher, die spanische Monarchie, die Kriegssituation oder den Stand der Verhandlungen. Auf einen Schlagabtausch, den sich Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins im Laufe des Jahres 1714 über Sinn und Zweck der Korrespondenz lieferten, soll im Folgenden näher eingegangen werden. In diesem Jahr wurde das Verhältnis der beiden Kronen durch verschiedene Umstände getrübt408: Am 14. Februar starb Königin Maria Luisa, der darauffolgende Rückzug Philipps V., der Infanten und der Princesse des Ursins in den Palast des Duque de Medinaceli wurde scharf kritisiert. Nach dem Friedensschluss zwischen Frankreich und Österreich im April wurde von einer „Abkühlung der Freundschaft“409 zwischen Madrid und Versailles gesprochen. Das Missfallen Ludwigs XIV. erregten auch die lange hinausgezögerte Unterzeichnung der Verzichtserklärung Philipps V. sowie Spaniens verspäteter Vertragsabschluss von Rastatt410. Beide Höfe ließen sich zu diesem Zeitpunkt nur von einem Botschaftersekretär vertreten411. Von Beginn dieses Jahres an zog Madame de Maintenon immer wieder in Erwägung, den Briefwechsel mit der Princesse zu beenden, so auch Ende März412. Drei Wochen später folgte eine offene Kritik: Sie sei nicht mehr zufrieden mit den Briefen der Princesse, die ihrem Eindruck nach ihren Stil geändert habe. Sie bemängelte die „Oberflächlichkeit“ ihrer Briefe und stellte
407 Des bagatelles que vous apprenez de tous cotés: Maintenon an Ursins, Rambouillet, 16.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 232–234. 408 Vgl. auch Kapitel I.3.1. (Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715). 409 Siehe hierzu ausführlich Kapitel III.3. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.). 410 Den Vertrag von Rastatt unterzeichneten die spanischen Vertreter mit den Generalstaaten erst am 26.8.1714. 411 In Versailles führte seit Albas Tod im Jahr 1711 sein Sekretär Felix Cornejo die Geschäfte. In Madrid wurde Jean-Baptiste Pachau, der vorherige Sekretär des Botschafters Brancas im 1714 Interimsbotschafter. Vgl. Kapitel I.3.1. (Versailles und Madrid zwischen 1700 und 1715). 412 „Si le commerce dont vous m’honorez peut vous être agréable, continuons le, M[adam] e, autant qu’il vous plaira; mais s’il vous était à charge dans l’état où vous êtes, croyiez que je m’accommoderais de tout, excepté de la perte de votre amitié; je ne sais plus que languir; j’ai mille incommodités et je suis vieillie de dix ans depuis trois mois, mais toujours la même pour vous, Madame. “ Maintenon an Ursins, Versailles 26.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 216.
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sogar ihre Aufrichtigkeit in Frage413. Ihr außerordentlich langer Brief vom Mai kann auch als Aufkündigung ihrer Patronage gelesen werden: „Sie wollen also, dass ich Ihnen weiterhin schreibe, und warum, Madame, wollen sie das, wo ich doch über die affaires sérieuses nicht schreiben kann und nicht den Mut habe, Ihnen einfach nur die Nachrichten mitzuteilen?“414 In ihrem folgenden Brief wird Madame de Maintenon noch deutlicher: Die Princesse habe zu Recht eine „kleine Abkühlung“ in ihren Briefen bemerkt: Sie hätten so unterschiedliche Ansichten und seien so weit von einander entfernt – und das, ohne sich die Gründe sagen zu können415. Schon würde sie nach „unnützen Dingen“ (des choses inutiles) suchen, um ihre Briefe zu füllen416. Schließlich gab sie vor, in nichts mehr eingeweiht zu werden, was ihr die Princesse allerdings nicht glaubte: „Sie sind zu gut über die großen Angelegenheiten (des grandes affaires) informiert“417. Als das Verhältnis zwischen den beiden Höfen im Jahr 1714 schwieriger wurde, entwickelte sich auch das Schreiben über die affaires zum Problem, zumindest für Madame de Maintenon. Einen Briefwechsel über Bagatellen wollte sie mit der Princesse jedoch nicht führen, da sie gewohnt war, mit ihr die ernsten Dinge (matières sérieuses) zu behandeln – eine Erklärung, die auch
413 „Je ne suis plus guère contente de vos lettres, M[adam]e, il me semble que vous changez de style et que vous n’êtes guère contente de nous.[…] quant au reste des affaires dont je n’entends parler que très superficiellement […], je me sentirais pourtant bien la force de vous entretenir, pourvu que vous voulussiez me parler plus sincèrement que vous ne m’écrivez.“ Maintenon an Ursins, Marly, 16.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 218–219. 414 „Vous voulez donc que je vous écrive toujours, et pourquoi, M[adam]e, le voulez-vous ne pouvant parler des affaires sérieuses et n’ayant pas le courage de vous mander les simples nouvelles, […] .“ Maintenon an Ursins, Marly, 2.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 222–224. 415 „C’est ce grand éloignement où nous sommes qui me tente souvent de n’avoir pas un si fréquent commerce avec vous, quelque honorable qu’il me soit. Mais il me paraît bien fâcheux de s’écrire des bagatelles que vous apprenez de tous cotés et dont vous ne vous souciez guerre et de n’oser traiter les chapitres importants qui tiennent au cœur, et sur lesquels on pourrait s’éclaircir fort aisément. Cependant c’est un mal sans remède.“ Maintenon an Ursins, Rambouillet, 16.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 232–234. 416 „Vous êtes cruelle de vouloir toujours un commerce avec une personne que vous faites étouffer par n’oser vous dire un mot de ce qu’elle sait et de ce qu’elle pense et qui cherche dans sa tête de quoi remplir ses lettres, […] je ne mets pas au nombre des choses inutiles de vous répéter toujours que le Roi et M. le Dauphin se portent à merveille.“ Maintenon an Ursins, Marly, 24.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 234–235. 417 „Vous êtes trop bien informée, M[adam]e, des grandes affaires […] Ursins an Maintenon, o.O., 24.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 239–241.
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in vielen anderen Momenten auftaucht418. Daraus lässt sich folgern, dass die Korrespondenz genau hierfür gedacht gewesen war. Dass die Diskussion über Sinn und Zweck ihrer Briefe immer dann aufflammte, wenn äußere Umstände die Diskussion über die affaires schwierig machte, zeigt dies eindrücklich. Die affaires (d’Espagne) waren also der zentrale Inhalt und das vorrangige Ziel der Korrespondenz, aber auch der Handlungsraum der Princesse in Madrid wurde so beschrieben: Ludwig XIV. zählte gegenüber seinem Botschafter die affaires zum Aufgabenbereich der Princesse419, und Madame de Maintenon zufolge gehörte es nach dem Tod der Königin Maria Luisa im Jahr 1714 zu deren Aufgaben, König Philipp V. in seinen politischen Geschäften (affaires) zu unterstützen420 und sich in diese einzubringen421. Mit dem Begriff wurde aber zugleich die Grenze dessen markiert, was im Handlungsbereich der beiden Frauen gesellschaftlich akzeptabel war. Ein Brief der Madame de Maintenon vom Januar 1710 soll dies verdeutlichen: Die Marquise erwähnte zunächst, dass der Maréchal de Villars nach seiner Rückkehr vom Kriegsschauplatz gestern zwei Stunden „bei [ihr] tête à tête mit dem König“ verbrachte. Und ein paar Zeilen weiter unten: „Es ist richtig, Madame, dass ich mich nicht mehr mit den affaires d’Espagne beschäftige, seit Sie sich nicht mehr einmischen und M. Amelot zurückgekehrt ist: [...].“422 Dies muss kurz erläutert werden: Nach dem Abzug des Botschafters Amelot aus Madrid hatte die Princesse verkündet, sich weder in die großen noch in die kleinen Angelegenheiten mehr einzumischen, um den spanischen Granden keinen Grund zur Klage zu geben423. Von diesem Zeitpunkt an erklärte auch die Marquise eine gewisse Zeit lang, sich nicht mehr in die affaires d’Espagne einzumischen. Im betreffenden Brief folgt eine Rechtfertigung: „Ich hatte sie lediglich 418 Etwa: Maintenon an Ursins, Versailles, 12.1.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 250; Maintenon an Ursins, Marly, 18.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 104–105; Maintenon an Ursins, Versailles, 1.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 106–107; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.6.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 114; Maintenon an Ursins, o.O., 3.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 272. 419 Bspw.: „[Le Roi d’Espagne] me fait prier par le Dauphin de lui accorder le retour de la princesse des Ursins à Madrid, où il regarde la présence de cette dame comme indispensable au bien des affaires.“ Ludwig XIV. an Grammont, o.O., 6.1.1705, zitiert in: Combes, François M., La Princesse des Ursins. Essai sur sa vie et son caractère politique, Paris 1858, 192. 420 Vgl. Maintenon an Ursins,Versailles, 26.2.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 210. 421 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 5.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 211. 422 „Il est vrai, Madame, que je n’ai plus entré dans les affaires d’Espagne depuis que vous ne vous en mêlez plus et que M. Amelot est revenu; [...].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.1.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 271–272. 423 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.9.1709, Correspondance (Loyau), 265.
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verfolgt, um Zeuge Ihrer beider Verhalten zu sein.“ Sie habe Bedenken gehabt, dass die Princesse erneut Zielscheibe von Anschuldigungen würde424. Offensichtlich machte die Marquise einen Unterschied zwischen „sich einmischen“ (se mêler d’affaires) und „verfolgen“ (suivre les affaires). Einmischen würde sie sich nicht mehr; die affaires zu verfolgen, um das Verhalten anderer Personen bezeugen zu können – dies stellte die Marquise dagegen als legitim dar425. Eine weitere Grenzmarkierung findet sich häufig gekoppelt an den Begriff der affaires: der Verweis auf den „ordentlichen Kanal“ der Minister (canaux ordinaires). Im Jahr 1709 versuchte die Princesse immer wieder, von der Marquise eine Einschätzung zu erhalten, wie man in Versailles über ihren Verbleib in Madrid dachte. Doch die Marquise konnte oder wollte sich nicht äußern: Immer wieder versicherte sie der Princesse, dass der König diesbezüglich nichts Neues hinzuzufügen habe, er sei nach wie vor von ihrer Loyalität überzeugt, man stimme in allem überein. Weitere Auskünfte verweigerte die Marquise mit den Worten: „Ich werde darüber nicht mehr sagen, der König will, dass alle diese Dinge über die ordentlichen Kanäle laufen (les canaux ordinaires), und in Wahrheit will ich das auch, […]“426. An anderer Stelle wird deutlich, was die Marquise konkret unter dem canal ordinaire verstand. Sie lobte die Princesse, weil sie über den Staatssekretär Torcy und nicht über sie selbst an den König geschrieben habe, mit den Worten „man muss sich der ordentlichen Kanäle bedienen“427.
424 „[...]; je ne les ai suivies que pour être témoin de votre conduite à l’une et à l’autre.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.1.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 271–272. 425 Vgl. auch Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.5.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 7; Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 6.5.1707, BL Add. man 20918, f. 262. 426 „J’ai montré votre lettre au Roi, Madame, selon votre intention. Il n’y a rien vu de nouveau par rapport à L[eurs] M[ajestés] C[atholiques] et pour ce qui vous regarde, Madame, il est très persuadé de vos droites intentions pour sa personne et pour la France; vous pensez tous de même; vous désireriez les mêmes choses, les intérêts sont communs, la tendresse, la gloire, l’honneur, mais il n’y a qu’une différence qui est cette possibilité dont on vous parle toujours. Je n’en dirai pas davantage; le Roi veut que toutes ces choses-là passent par les canaux ordinaires et en vérité, je le veux bien aussi, […].“ Maintenon an Ursins, Versailles, 15.9.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 3. 427 „Il faut toujours se servir des canaux ordinaires.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 21. In diesem Brief hatte die Princesse des Ursins angekündigt, dass Königin Maria Luisa, die derzeit zur Kur in Banières weilte, selbst in die Hauptstadt der jüngst zurück eroberten Provinz von Aragon reisen würde, um dort gemeinsam mit dem König die bourbonische Machtübernahme zu manifestieren. Siehe auch Ursins an Torcy, Najera, 27.12.1710, Ursins V (La Trémoille), 138 f. sowie ihre beiden folgenden Briefe vom 1.1.1711 und 3.1.1711 (140 f.).
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„Alles läuft hier über die Minister“428, war eine weitere Formulierung, mit der die Marquise ihre eigene Zuständigkeit eingrenzte. Der Gegensatz zu ministre war particulier / particulière, was an verschiedenen Stellen in den Briefen deutlich wird429. Der Kontext solcher Bezeichnungen ist bei der Marquise stets einer des eigenen Rückzugs aus der Verantwortung: Als „ganz unwichtige Privatperson“ (particulière très peu importante)430 bezeichnete sich die Marquise beispielsweise, als sie der Princesse im Jahr 1709 keine Aussage über ihren Verbleib in Madrid machte. Argumentationen dieser Art, mit denen insbesondere die Marquise ihre Beteiligung oder Einmischung in jegliche Angelegenheiten leugnete, sollen als „Rhetorik der Selbstbeschränkung“ bezeichnet werden. Als ein Musterbeispiel kann der folgende Abschnitt gelten: „Dies ist meine Meinung, die ich weder als vernünftig noch als gut begründet garantiere, es kann sehr gut sein, dass ich getäuscht werde, aber ich werde Sie niemals täuschen, Madame. Es gibt weder Raffiniertheit in meiner Rede, noch etwas, das darüber hinaus verstanden werden müsste; im Übrigen bin ich eine sehr unwichtige Einzelperson; [...] ich habe von niemandem einen Auftrag, ich kenne die affaires kaum, man will nicht, dass ich mich einmische und ich mische mich auch nicht ein, man versteckt nichts vor mir, aber ich weiß deshalb trotzdem nicht mehr und ich bin sehr oft sehr schlecht informiert.“431 Der Verweis darauf, eine „Privatperson“ zu sein, diente der Marquise ebenso wie der Verweis auf die Kanäle der Minister als Rückzugsstrategie, mit der sie sich der Verantwortung entzog, wenn es problematisch wurde. Hier geht es weniger um eine Trennung der „öffentlichen“ von der „privaten“ Sphäre, als vielmehr um das ursprüngliche Verständnis des ministre, der als „Diener“ die 428 „Si le Roi pensait autrement, vous l’apprendiez par des gens plus importantes que moi; car tout passe ici par les ministres.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 5.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 211–212. 429 Die Marquise macht zum Beispiel einen Unterschied zwischen den Ministern und ihr selbst: über Villeroy schreibt sie : „[...] mais il est ministre et ces gens-là ne sont pas de loisir comme moi misérable.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 7.10.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 292; oder: „Je ne cherche, M[adam]e, qu’à vous plaire. Vous ne me nommez pas le nom des ministres que vous avez ici. Je ne vous parle que des particuliers.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 20.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 227. 430 Maintenon an Ursins, Versailles, 27.10.1709, Correspondance (Loyau), 314 f. 431 „C’est mon opinion que je ne garantis ni pour raisonnable ni pour bien fondée, je puis fort bien être trompée, mais je ne vous tromperai jamais, Madame. Il n’y a point de finesse dans mes discours ni rien à entendre de plus que je dis; du reste je suis une particulière très peu importante; [...], je n’ai mission de personne, je ne sais point les affaires, on ne veut point que je m’en mêle, et je ne veux point m’en mêler, on ne se cache point de moi, mais je ne sais rien de suite, et je suis très souvent très mal avertie.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 27.10.1709, Correspondance (Loyau), 314 f.
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Legitimationen
Interessen seines Herrn verfolgt, während die „Privatperson“ im eigenen Interesse handelt. Auch gegenüber anderen Korrespondenten begründete Madame de Maintenon auf diese Weise ihre Zurückhaltung. Beispiele aus den 1690er Jahren zeigen einerseits, dass dieser Diskurs sowohl eine zeitliche Kontinuität aufweist, als auch in anderen Kontexten präsent war432. Die affaires, die in der Korrespondenz explizit behandelt werden sollten, umfassten aus der Sicht der beiden Frauen die politische und militärische Situation der beiden Monarchien, das heißt Kriegsverlauf, Stand der Verhandlungen, Befinden der Herrscher sowie politische Stimmungsbilder der Höfe und ihr Verhältnis zu den übrigen europäischen Mächten. Unter dem engeren Begriff der affaires d’Espagne verstand man die Reformen der spanischen Monarchie, die personalen Verhältnisse am Hof von Madrid sowie strittige Punkte in den politischen Beziehungen zwischen den beiden Höfe, das heißt Grundsätze und Ziele ihrer Außenbeziehungen. Ein Blick in die Traktatliteratur zum frühneuzeitlichen Gesandtenwesen macht deutlich, dass dieses Themenspektrum dem entspricht, was ein Herrscher vom Bericht seines formalen Vertreters an einem fremden Hof erwartete. Das Gegenstück zu den affaires waren die bagatelles, unter denen die Marquise „allgemein verfügbare Informationen“ zu gesellschaftlichen Ereignissen am Hof und das höfische Leben generell zusammenfasste433. Mit dem zunehmend angespannten Verhältnis der beiden Höfen bezeichnete Madame de Maintenon es als problematisch, über die affaires zu schrei432 Dem Erzbischof von Paris teilte sie mit, dass der König nur seine Minister über die affaires sprechen lassen möchte und es überhaupt nicht billige, dass sich der Nuntius an sie gewendet habe: Maintenon an den Erzbischof von Paris, o.O., 12.9.1698, Maintenon I (Geffroy), 316. Der Leiterin von St. Cyr, Madame de Brinon, zeigte Madame de Maintenon deutlich die Grenze ihres eigenen Zuständigkeitsbereich zu dem der Minister auf: Der Streit um Präzedenz zwischen der Herzogin von Braunschweig und der Princesse de Bouillon sei nun Staatsangelegenheiten (affaire d’Etat) geworden, in die sich weder Madame de Brinon noch sie selbst einzumischen hätten. Sie müssten von den Ministern behandelt werden: Maintenon an Brinon, o.O., 8.3.1693, Maintenon III (Lavallée), 360 f. Bryant nimmt die Selbstschränkung wörtlich und glaubt die Marquise in einem Dilemma: Vgl. Bryant, Marquise, 77. 433 Dem Befund Elisabeth Kochs, dass sich bildungsbürgerliche und adelige Frauen generell nur sehr selten zu politischen Themen äußerten, muss daher widersprochen werden: Koch, Elisabeth, Maior dignitas est in sexu virili: Das Weibliche Geschlecht im Normensystem des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1991 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 57), 207 f.
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ben. Sie stellte dann den Sinn der Korrespondenz grundsätzlich in Frage, was zeigt, dass diese für die affaires gedacht gewesen war. Zugleich wurde mit dem Begriff eine Grenze markiert. Achim Landwehr zufolge ist das Politische ein besonders wichtiges Feld zur Produktion von Denkkategorien; es seien vor allem Differenzierungen, Kategorisierungen und Grenzziehungen, die eine tragende Rolle spielten, wenn es um Macht ginge434. Wenn der Begriff der affaires an den Begriff des canal ordinaire oder des canal des ministres gekoppelt wurde, die den Zuständigkeitsbereich der Minister meinten, wird eine vage Vorstellung von einer Aufgabenteilung greifbar: Die Mitteilung von Entscheidungen, die die affaires betrafen, wurden dem Aktionsfeld der Minister zugeordnet. In jedem Fall zeigt die Verwendung eines solchen Arguments, dass man davon ausging, dass der Adressat es als plausibel anerkennen würde. Mit den affaires wurde also der zentrale Inhalt der Korrespondenz benannt und – wenn es strategisch sinnvoll war – zugleich die Grenze des eigenen Handlungsspielraumes markiert.
3. Zuschreibungen „Es ist wahrhaftig erstaunlich, Madame, dass Sie unter all den verschiedenen Rollen, die Sie erfüllen, nicht zusammenbrechen. Sie haben alle Angelegenheiten Europas im Kopf; Sie interessieren sich sehr für zwei Könige. Die Wiedereinsetzung des dritten ist Ihnen nicht gleichgültig. Sie sind alle Unterstützung, aller Rat und alle Freude einer großen Königin; Sie leisten ihr und einem wertvollen Kind in allen Details Ihren Dienst.“435
Von „verschiedenen Rollen“ (les différents personnages), die die Princesse des Ursins in ihren vielfältigen Aufgabenbereichen zu erfüllen hatte, schrieb Madame de Maintenon anerkennend. Im Folgenden wird es um die Zuschreibungen und Rollen gehen, die die beiden Frauen in ihren Briefen konstruierten,
434 Landwehr, Diskurs. Macht. Wissen, 110. 435 „Il est vrai, Madame, qu’il est surprenant que vous ne succombiez pas à tous les différents personnages que vous remplissez. Vous avez dans la tête toutes les affaires de l’Europe; vous vous intéressez à deux rois bien vivement. Vous n’êtes point indifférente au rétablissement du troisième [du Roi d’Angleterre, A.d.V.]. Vous êtes tout le secours, tout le conseil et tout l’agrément d’une grande Reine; vous êtes dans tous les détails de son service et de celui d’un précieux enfant.“ Maintenon an Ursins, Marly, 12.10.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 23.
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Zuschreibungen
oder – wie sie in der Forschung bezeichnet wurden – um ihre Identitäten436, personae437 oder selves438. Die ältere Forschung hat Briefe und insbesondere Briefe von Frauen häufig als „Eintritt in die Selbstwahrnehmung der Frauen“439 verstanden – mit anderen Worten als Möglichkeit, das „wahre Selbst“ der Autorin greifen zu können. Mittlerweile ist die Sichtweise des Briefes als „Spiegel der Seele“440 historisiert worden. Sie hing eng mit dem Natürlichkeitspostulat der aufklärerischen Brieflehre seit Gellert zusammen. Die in den Briefen proklamierte Natürlichkeit ist jedoch eine inszenierte. Auch bei einer Selbstdarstellung handelt es sich immer um ein sprachliches, kulturelles und soziales Konstrukt und nicht um eine transparente historische Größe441. Subjektivität wird erst durch Sprache produziert und ist daher historisch und kulturell relativ. Daher sind Selbstdarstellungen immer vor dem Hintergrund kultureller und historischer Konventionen zu verstehen. Durch Faktoren wie Stimmung, Gesundheit, Alter, Aussehen, Erziehung, Fähigkeiten, Geschlecht, Körper, sozialer Status, Nationalität und Religion kategorisieren sich die Autoren442 und konstruieren ein Selbst, das stets neu als Kaleidoskop aus diesen Kategorien entsteht. Von Selbst-„Zuschreibungen“ zu sprechen, bietet den Vorteil, den konstruktiven und zeitlich begrenzten, sowie auf Handlung orientierten Charakter von Selbstdarstellungen zu betonen und diese nicht als überzeitliche Entität einer Person, wie sie im Begriff „Identität“ suggieriert wird, zu verstehen. Zudem wird auf diese Weise dem Umstand Rechnung getragen, dass Männer und Frauen ihren Selbstbezug und ihr Selbstwertgefühl nicht allein „aus sich 436 Von Identitäten spricht Reinlein, Tanja, Der Brief als Medium der Empfindsamkeit. Erschriebene Identitäten und Inszenierungspotentiale (Epistemata, 455), Würzburg 2003, 191. 437 Von personae ist die Rede in: Language, Self and Society. A Social History of Language, hrsg. v. Peter Burke, Cambridge u.a. 1991; Martin-Ulrich, Claudie, La persona de la princesse au XVIe siècle: personnage littéraire et personnage politique, Paris 2004. 438 Vgl. bei Daybell: „A single woman might assume several selves, and present herself in different ways dependent upon with whom she was corresponding, and the circumstances in which the letter was sent.“ Daybell, Women, 168. 439 Entrée into women’s self perception: Wilcox, Private Writing and Public Function, 47–62. 440 Müller, Wolfgang G., Der Brief als Spiegel der Seele. Zur Geschichte eines Topos der Epistolartheorie von der Antike bis zu Samuel Richardson, in: Antike und Abendland 26 (1980), 138–157. 441 Dies haben bereits Peter Burke und Roy Porter herausgearbeitet: Vgl. Burke, Language; Porter, Roy, Introduction, in: Rewriting the Self. Histories from the Renaissance to the Present, hrsg. v. dems., London u.a., 1997, 1–14. 442 Daybell, Women, 168.
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selbst“ heraus, sondern vor allem aus ihrer Einbindung in soziale Gruppen und Kontexte wie Haushalt, Dynastie, Herkunft oder Stand gewinnen443. Der soziologische Begriff der „Rolle“ soll in Abgrenzung dazu als an konkrete Situationen und Kontexte sowie an Verhaltensweisen gebunden verstanden werden. Er betont stärker den Aspekt des Handelns, des „Spielens“ einer Rolle, die auch unabhängig von der Person als eine Art soziales Modell existiert. Zugespitzt ausgedrückt: Der Begriff der „Rolle“ betont stärker das „von außen Vorgegebene“, während der Begriff der „Selbstzuschreibungen“ mehr auf das „von innen heraus Entstehende“ fokussiert. Das Repertoire eines Akteurs ergibt sich aus seiner Sozialisierung und ist daher von gesellschaftlichen Konventionen, Modellen und Diskursen abhängig, nicht aber vollständig determiniert. Erst die Diskrepanz zwischen unterschiedlichen Normen gibt dem Individuum die Möglichkeit, sich auszudrücken und einzubringen. Und genau hier liegen sein Inszenierungspotential und damit die Überzeugungskraft seiner Briefe444. Als Madame de Maintenon die Princesse ob ihrer verschiedenen Rollen (personnages) bedauerte445, verwendete sie den Begriff personnage im übertragenen Sinn, in dem er eine (schauspielerischer) Rolle bezeichnet, aber auch eine Funktion oder zu erfüllende Aufgabe446. Im Folgenden sollen nun die Elemente herausgegriffen werden, die die Zuschreibungen am deutlichsten prägten – in der Selbstdarstellung der beiden Frauen sowie in ihrer gegenseitigen Fremddarstellung. Da es hier einen grundlegenden Unterschied zwischen Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins gibt, werden sie nachfolgend getrennt behandelt.
443 Vgl. Wunder, Heide, „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, 267. 444 Das zur Verfügung stehende Repertoire ist kulturell und historisch bedingt, seine jeweilige Ausgestaltung dagegen situativ und individuell. Sie macht die agency eines Akteurs aus. 445 Siehe Anm. 435; ähnlich auch: „Vous entrez dans toutes les affaires, et vous avez cinq ou six personnages à remplir.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 5.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 211. 446 „[…] On dit dans ce sens [hier: im Sinne der personnage des Theaterschauspielers, A.d.V.] au figuré, qu’un homme joue bien son personnage, qu’il soutient bien son rôle; pour dire, qu’il fait bien ce qu’il doit faire; qu’il remplit bien ses devoirs ou ses fonctions; […] le mot personnage signifie, rôle, fonction, figure, grimace extérieur […].“ [Hervorhebung im Original], Furetière, Dictionnaire (1701/3), 211, URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 25.1.2011].
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3.1. Der Blickwinkel der Madame de Maintenon La confidente: Vertraute des Königs „Der König hat immer den gleichen Mut, die gleiche Ausgeglichenheit und die gleiche Gesundheit; aber ich fürchte, dass sein Inneres aufgewühlt ist.“447
Mit diesen Worten verwies Madame de Maintenon nach der Kapitulation Lilles im Oktober 1708, einem Tiefpunkt der militärischen Entwicklungen, zunächst auf das einzig Positive und Stabile, worauf man sich verlassen könne: den Mut, die Ausgeglichenheit und die Gesundheit des Königs. Dabei fürchtete sie jedoch um sein „Inneres“ (le dedans). Als Vertraute des Königs und Kennerin seines „Inneren“ wies sich Madame de Maintenon selbst die wohl einflussreichste Position am Hof zu, in der größtmöglichsten Nähe zum Herrscher. Auch gelegentliche, fast beiläufige Verweise auf ihre räumliche Nähe mit dem König hatten diesen Effekt: Sie sei bei der Ankunft der Post gerade von Monsieur Desmarets, Staatssekretär für Finanzen, gekommen und nun könne der König selbst jeden Moment eintreffen448. Was eigentlich erklären sollte, warum die Marquise nur den Eingang ihrer Briefe bestätigen, sie aber nicht beantworten könne, zeigt zugleich ihre alltägliche Position in der Nähe der Entscheidungsträger449. Ähnlich einzuordnen sind ihre Bemerkungen, kaum Zeit allein zu haben, da der König häufig bei ihr sei450 oder in ihren appartements mit seinen Ministern arbeitete451. 447 „Le Roi a toujours le courage, la même égalité et la même santé; mais je crains bien que le dedans soit agité.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 28.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 66. 448 „J’arrive de chez M. Desmarets où j’ai diné, et le Roi va venir dans un moment. De sorte, Madame, que je ne puis qu’accuser la réception de votre lettre […].“ Maintenon an Ursins, Marly, 10.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 10; ähnlich: Maintenon an Ursins, Versailles, 11.2.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 208. 449 Vgl. auch: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 96. 450 Bspw.: „Le Roi est souvent chez moi et j’aime fort à être seule dans les temps dont je puis disposer.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 17.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 118; ähnlich: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 135. 451 Aufschlussreich ist auch, wie die Marquise die Umstände beschrieb, unter denen sie vom Sieg des Maréchal de Berwick im Jahr 1707 erfahren hatte: Sie sei allein mit dem König gewesen, als Chamillart mit der Nachricht eingetroffen sei. Die Lebendigkeit der Szene sowie die Spontaneität der Reaktionen und Gefühlsäußerungen sollte erneut die Vertrautheit der Personen und die Intimität der Beziehungen zeigen: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 251.
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Auch die Verherrlichung des Herrschers diente der Zurschaustellung der eigenen Macht, da der Ruhm letztlich auf seine Vertrauten zurückfiel. Dies wird beispielsweise in einem Brief deutlich, der ebenfalls aus dem Kontext der zahlreichen Todesfälle des Jahres 1712 stammt, und den die Marquise mit den Worten beendete: „Ich muss schließen, Madame, mit unserem einzigen Glück, das die Gesundheit, die Frömmigkeit und der Mut des Königs sind, der jeden Ausdruck übersteigt.“452 Gerade in diesen Monaten, in denen ihre Briefe von einer niedergeschlagenen Grundstimmung durchzogen sind, häufen sich derartige Bemerkungen über die robuste Gesundheit, die stabile Psyche, den großen Mut und den außergewöhnlichen Gleichmut des Königs453. Um diesen Zusammenhang zu erklären, muss etwas weiter ausgeholt werden. In personalen Herrschaftsverhältnissen waren Nachrichten über den König per se interessant; jedes Detail, alles, was er tat, wurde als bedeutsam betrachtet454. Der Austausch über den König war Teil einer Geselligkeitsform und schon im 17. Jahrhundert in ein „System des Nachrichtenhandels“ integriert455. Zwar gab es ein Bild des Herrschers, das in politischer und staatsphilosophischer Literatur, in Periodika und Propaganda (re-)produziert wurde und sich durch eine Vielzahl von Stereotypen auszeichnete. Dieses Bild war als eine Art „Hintergrundstrahlung“, wie Engels es nennt, in jedem Reden und Schreiben über den Herrscher präsent. Es zeichnete sich dadurch aus, dass es stets mit dem Idealbild des Herrschers, wie es in der zeitgenössischen Traktatliteratur als Katalog von Herrschertugenden zu finden ist456, übereinstimmte: „Er verkörperte das Ideal“457. Bekanntermaßen 452 „[I]l faut finir, Mad[am]e, par notre seul bonheur qui est la santé, la piété et le courage du Roi qui passe toute expression.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 98. 453 „[E]nfin, M[ada]me, je n’ai rien de bon à vous dire que la santé du Roi et son courage.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 17.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 100; ähnlich: Maintenon an Ursins, Marly, 27.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 100 und Maintenon an Ursins, Marly, 20.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 133–34. 454 Vgl. Engels, Königsbilder, 116 f. Ähnlich auch Farge, Dire, 101. 455 Vgl. Engels, Königsbilder, 112 f.: Eine Grenze zwischen der privaten und der öffentlichen Person des Königs, zwischen der „politischen“ und „unpolitischen“ Wahrnehmung des Königs habe nicht existiert (251 f.). 456 Bspw.: Bossuet, Jean-Bénigne, Sermon sur les devoirs des rois, Carême du Louvre, dimanche des Rameaux, 2.4.1662, in: ders., Sermons et oraisons funèbres, Paris 1997, 159–172. 457 Engels, Königsbilder, 14 (Hervorhebung im Original). Demnach hatte der König ein angenehmes Erscheinungsbild, war gesund und stark, und dabei weise, intelligent, gutmütig, mutig, moralisch integer und zeichnete sich durch Beständigkeit und Stabilität aus.
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erreichte im Fall von Ludwig XIV. dieser Königskult einen Höhepunkt458. In den Briefen der Madame de Maintenon finden sich dieselben Stereotypen: Der König sei gesund und stark und gut zu den Menschen459. Er sorge sich um die Kirche; seine Religiosität sei aufrichtig und habe für ihn mehr Bedeutung als die irdischen Angelegenheiten460. Die Feier des Te Deum461 brachte die Kunde eines militärischen Sieges oder eines Friedensschlusses in alle Kirchen und trug dort zur Legitimierung und Verbreitung eines positiven Königsbildes bei462 – den gleichen Effekt hatte ihre Beschreibung in den Briefen. Dieses Bild vermischte sich jedoch mit anderen, „persönlicheren“ Beschreibungen des Königs. Denn die Marquise zeichnete auch ein ungewöhnliches, ein „menschliches“ Portrait des Königs. Nach den Todesfällen in der Königsfamilie im Jahr 1712 etwa beschrieb sie den König als sehr niedergeschlagen: Er vertraue ihr alle seine Sorgen an, was ihre eigenen natürlich noch vergrößere463. Auf diese Weise stellte sich die Marquise als erste Ansprechperson und emotionale Stütze des Königs dar. Auch ihr Schreiben über den Körper des Königs war nicht nur von den genannten Stereotypen geprägt, sondern konnte „Allzumenschliches“464 zeigen – so sind die extremen Essgewohnheiten und daraus resultierenden Verdauungsschwierigkeiten ebenfalls immer wieder 458 Vgl. Klaits, Printed Propaganda, 12. 459 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 21.8.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 183. 460 „Sa religion est sincère, et il regarde ces affaires-là [den Streit um den Jansenismus, A.d.V.] comme plus importantes encore que celles de la terre.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 15.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 109. 461 Bspw. nach der Unterzeichnung des Friedens von Utrecht: Maintenon an Ursins, Marly, 12.5.1713, BL Add. Ms. 20920 f. 161. 462 Michèle Fogel sieht in der Feier des Te Deums ein Teil des Informationssystems des französischen Absolutismus: Die Monarchien des 17. und 18. Jahrhunderts hätten diese Zeremonie verwendet, um dynastische, diplomatische und insbesondere militärische Neuigkeiten über das gesamte Königreich verbreiten zu können: Fogel, Michèle, Propagande, communication, publication: points de vue et demande d’enquête pour la France des XVIe–XVIIe siècles, in: Culture et idéologie, 325–336; siehe auch: Fogel, Michèle, Les cérémonies de l’information dans la France du XVIe au milieu du XVIIIe siècle, Paris 1989; vgl. auch Klaits, Printed Propaganda, 15 f. Klaits zählt auch derartige Zeremonien zur königlichen „Propaganda“, da mit ihnen „der psychologische Krieg, der die militärischen Operationen vorbereitete und begleitete, gewonnen“ werden sollten: win the psychological war which prepared and accompanied the military operations (6); zum Te Deum (18). 463 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 27.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 100. 464 Engels spricht hier von der „Vermenschlichung des Königs“, vgl. Engels, Königsbilder, 229 ff.
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Thema ihrer Briefe465. Schlussendlich zeigte sie auch dadurch wiederum die Intimität ihrer Verbindung. Als Vertraute des Königs habe sie nur sein Wohlergehen im Sinne: le bien du Roi. In Madame de Maintenons Verständnis fällt es mit dem Gemeinwohl zusammen, was sich auch in der kombinierten Formulierung pour la personne du Roi et le bien de son État zeigt466. Aus zeitgenössischer Sichtweise symbolisierte die Person des Königs das gesamte Herrschaftsgebilde, und sein Wohlergehen stand somit stellvertretend für das „Wohl des Staates“. Bei der Rücksichtnahme auf das Gemeingut klingt die neostoizistische Verhaltensbeschränkung an, die in der zeitgenössischen Traktatliteratur Hofmännern und Fürstendienern aufgelegt wurde467. Die Marquise setzte den Verweis in unterschiedlichen Zusammenhängen ein. Beispielsweise verwendete sie ihre Verpflichtungen als confidente des Königs als Argument, Patronage zu verweigern468. Die Verweigerung von Audienzen begründete die Marquise damit, dass ihr „alles gleichgültig geworden sei“, natürlich bis auf „die Person des Königs und das Wohl seines Staates“469. Diese Einschränkung ließ viel Spielraum: Sich für die Person des Königs zu interessieren, und sein Wohl zu erstreben, damit kann im Grunde fast jede Handlung erklärt und gerechtfertigt werden. Da die Person des Herrschers sakral war, musste auch Kritik vom Herrscher abgehalten werden. Bei der Marquise lässt sich dies beispielsweise im September 1713 beobachten, als die Friedensverhandlungen erneut gescheitert und von den Kriegsschauplätzen keine guten Nachrichten zu vermelden waren. Nicht zufällig erklärte Madame de Maintenon just zu diesem Zeitpunkt, dass 465 Bspw.: „Je vous écris dans la chambre du Roi. Il a eu un petit mal qu’il s’attire par n’être pas si sage que vous et par manger beaucoup de choses plus difficiles à digérer que les épinards.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 10.8.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 310. 466 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 124. 467 Vgl. von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 193. Der Autor meint allerdings, dass Frauen im frühen 17. Jahrhundert von dieser Verhaltensbeschränkung ausgenommen waren. Dazu läge nun im Fall der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins ein Gegenbeispiel für die Zeit um 1700 vor. 468 Auf eine Bitte der Princesse für eine Klientin erklärte die Marquise ihre Ablehnung damit, dass man - einmal auserwählt von den Fürsten - nur noch an diese denken dürfe: Maintenon an Ursins, Marly, 6.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 204. Oder: Gott habe sie nicht an diesen Platz gesetzt, um die Ruhe dessen zu stören, dem sie eine solche schaffen wolle: Maintenon an Ursins, Versailles, 12.10.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 270. 469 So verweigerte sie etwa dem Maréchal de Villars Audienzen: „Je n’ai plus ce qui m’intéressait à tout, qui m’est devenu indifférent excepté ce qui regarde la personne du Roi et le bien de son État.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 124.
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es eines der großen Unglücke der Fürsten sei, dass sie ihre Geschäfte nicht selbst erledigen könnten und somit abhängig seien von jenen, die sie damit beauftragten470. „Wissende“, Beraterin und Patronin „Ich glaube, dass sich kein einziger Umstand meiner Kenntnis entzieht. Das ist ein schönes Thema, um darüber nachzudenken.“471
Madame de Maintenon ließ in ihren Briefen stets durchscheinen, wie gut und umfassend sie informiert sei. Im zitierten Beispiel ging es um die Frage, ob die Princesse am Hof von Madrid bleiben könne. Die Marquise hatte sich in jenem Brief vom 10. Februar 1710 unmittelbar vorher beklagt, dass sie sich in dieser Frage nicht frei ausdrücken könne, da sie zuviel zu sagen habe und die Princesse nicht täuschen wolle. Daher sage sie lieber gar nichts – womit sie den Wert ihres Wissens und somit ihrer Macht noch erhöhte. Mit dem Verweis darauf, dass ihr nichts entginge, inszenierte sich Madame de Maintenon in ihrer Rolle als exklusive Informantin, die durch ihre Nähe zum Herrscher über vollständige, sichere und aktuelle Nachrichten verfügte. „Wissen bedeutet Macht“ – so heißt es, denn der Wissende entscheidet, wie er wann welche Information an wen weitergibt. Achim Landwehr zufolge wird „Wissen“ nicht als ideelle Einheit konzeptualisiert, „sondern als soziales Produkt, das für Gesellschaften eine zentrale Orientierungsfunktion übernimmt. Wissen ist demnach all das, was für sich selbst den Wissensstatus reklamiert und auch reklamieren kann.“472 Um eine solche Definition auf den konkreten Kontext anwenden zu können, sind die Metadiskurse in der Korrespondenz hilfreich: Momente, in denen die Autorinnen über den Inhalt ihres Briefwechsels reflektieren. Fast beiläufig machte Madame de Maintenon immer wieder ihren exklusiven Informationsstand deutlich, etwa wenn sie erwähnte, dass sie in den conseil 470 „Je crois comme vous, M[ada]me, qu’un des grands malheurs des Princes est de ne pouvoir traiter leurs affaires par eux-mêmes, puisque par là ils se trouvent dépendants de ceux qu’ils emploient.“ Fontainebleau 11.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 188; ähnlich: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 56. 471 „Je crois qu’il ne m’en échappe aucune circonstance. C’est une belle matière pour des réflexions.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 10.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 273–274. 472 Landwehr, Achim, Diskurs. Macht. Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), 71–118, hier 114 f.
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du roi gerufen worden sei473, wenn sie von einer Unterredung mit dem Maréchal de Villeroy berichtete474, wenn sie auf die Ansichten der Königin Anne von England verwies475, oder wenn sie mitteilte, dass sie die Generäle Harcourt, Villars und Tessé noch am Abend ihrer Rückkehr sprechen würde476. Um diese buchstäbliche Nähe zu den affaires zu inszenieren, stellte sie, wie bereits deutlich wurde, auch die Auswirkungen militärischer oder politischer Entwicklungen auf Körper und Psyche dar. Dass Madame de Maintenon diese Selbstinszenierung strategisch einsetzte, zeigt sich etwa im Jahr 1714. Weil ihr die Princesse den desolaten Zustand Frankreichs nicht abnahm und ihre Beschreibungen als Vorwand verstand, Madrid nicht mehr unterstützen zu wollen, inszenierte sich die Marquise als „Wissende“: Sie müsse ihr und ihrem treuesten Freund, dem Maréchal de Villeroy Glauben schenken: „Sie sind falsch informiert, Madame, und Sie denken, das ich es noch mehr bin als Sie. Ich kenne sicherlich nicht die kleinen Intrigen, aber ich bin nicht unwissend, was die wichtigen Dinge betrifft.“477 Die wichtigen Dinge – damit waren die großen Linien der politischen und militärischen Strategien gemeint. Mit dieser Anspielung verwies die Marquise aber auch auf ihr wichtigstes Kapital: die Kenntnis der Ansichten des Königs (sentiments du Roi). Dieses Kapital sicherte sie fortlaufend, indem sie von „seinen wahren Gefühlen (ses véritables sentiments)478 und „seinen eigenen Worten“ (ses propres paroles)479 sprach. Sie stellte sich außerdem als die Instanz dar, die die Zufriedenheit des Königs weitergab480. Sehr deutlich wird dies auch bei der Frage um den Verbleib der Princesse im Jahr 1709. Die Princesse bat die Marquise, ihr ein Zeichen zu geben, in welche Richtung die Wünsche des Königs gingen. Immer wieder drängte sie die Marquise, ihr die sentiments du Roi mitzuteilen481. Jene rang sich jedoch 473 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 26.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 376–377. 474 Nach der Unterredung, so die Marquise, sähe er nun genauso schwarz wie sie selbst: Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 3.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 331. 475 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 1.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 106–107. 476 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 131. 477 „Vous êtes mal avertie, M[adam]e et vous croyiez que je le suis plus mal que vous. J’ignore assurément beaucoup de petites intrigues, mais je n’ignore pas les choses principales.“ Maintenon an Ursins, Marly, 29.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 221–222. 478 Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 30.9.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 192. 479 „Il m’ordonna donc de vous écrire, Madame, qu’il est très content de vous, que vous ne pouvez faire que ce que vous avez fait, [...]: voilà, Madame, ses propres paroles.“ Maintenon an Ursins, Marly, 30.9.1709, Correspondance (Loyau), 294. 480 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 225. 481 Bspw.: „Je ne m’adresse qu’à vous, Madame, parce que je ne compte que sur vos bontés. C’est aussi de vous seule que j’attends toute la consolation dont j’aurai besoin dans
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erst zu einer klaren Anweisung durch, als die politische Lage soweit geklärt war, dass der Verbleib der französischen camarera mayor in Madrid gesichert schien482. Explizit gab die Marquise die Meinung des Königs nämlich nur dann weiter, wenn sie sich ihrer ganz sicher sein konnte oder in Fällen, in denen nicht allzu viel auf dem Spiel stand – beispielsweise in Fragen der Etikette483. Bisweilen versuchte die Princesse auch für das spanische Königspaar „vorzufühlen“, wie die Stimmung Ludwigs XIV. war484. Als exklusive Informantin und Kennerin der sentiments du Roi wurde die Marquise von ihrer Briefpartnerin also auch anerkannt. „[Der Maréchal de Villeroy] hat meine Ratschläge partout nicht hören wollen, obwohl sie, wie mir scheint, sehr gut waren.“ 485
Ihre Rolle als Beraterin inszenierte Madame de Maintenon gegenüber verschiedenen Personen in unterschiedlichen Kontexten. Beispielsweise gab sie ihren Freunden Ratschläge, wie diese sich am Hof und gegenüber dem König verhalten sollten. Im zitierten Beispiel ging es um die Situation, als der Maréchal de Villeroy beim König in Ungnade fiel. Mehrfach führte die Marquise seine missliche Lage darauf zurück, dass er auf ihre Ratschläge (conseils) nicht gehört habe486. Die Princesse bekräftigte, dass nur Madame les suites, et à qui j’en demanderai si le Roi approuve que je sorte d’Espagne.“ Ursins an Maintenon, o.O., n. dat. (wahrscheinlich Mitte Januar 1710), Correspondance (Loyau), 368. 482 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 3.2.1710, Correspondance (Loyau), 381; Maintenon an Ursins, Versailles, 9.9.1709, Correspondance (Loyau), 274 f. Siehe hierzu ausführlich Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins). 483 Bspw. in der Frage, wie der Herzog von Savoyen von der Geburt des Thronfolgers unterrichtet werden sollte: Maintenon an Ursins, o.O., 23.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 300; oder: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 305– 306. 484 Als Philipp V. den Duke of Berwick bspw. mit der grandeza belohnen wollte, fragt sie zunächst bei der Marquise an, ob sie glaube, dass dies möglich wäre: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 250–251. Oder: Als die Princesse im Jahr 1705 für einen Bekannten einen königlichen Gunstbeweis erbitten wollte, wollte sie zuerst von der Marquise wissen, ob diese grâce dem König missfallen könnte: Ursins an Maintenon, Madrid, 30.9.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 26. 485 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 238. 486 „M. le Ma[récha]l de Villeroy paraît peu. Il a très souvent la goutte et je suis sans commerce avec lui. Il n’a point voulu écouter mes conseils qui étaient pourtant ce me semble fort bons. Il se croit plus habile que moi je le crois comme lui en toute autre
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de Maintenon den gemeinsamen Freund „auf den rechten Weg zurückholen“ könne487. Die Ansichten des Königs galten per definitionem als wünschens- und erstrebenswert, mit ihnen wurden politische Entscheidungen und der Verlauf persönlicher Karrieren begründet. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Ratschläge der Marquise gesehen werden. Allein aufgrund ihrer Kenntnisse der sentiments du Roi galt sie als eine in dieser Hinsicht kompetente Beraterin. Die Formulierung „man sagt“ (on dit) war dabei typisch für derartige Ratschläge der Maintenon: Auf diese Weise verwies sie auf den königlichen Willen, ohne ihn direkt nennen zu müssen488. Die Ratschläge der Maintenon und die sentiments du Roi waren in jedem Fall aufs Engste miteinander verknüpft – dies war auch der Princesse des Ursins bewusst489. Doch auch der umgekehrte Fall liegt vor: die Marquise als Beraterin des Königs. Die Bedeutung, die ihrer Fürsprache beigemessen wurde, ist in den vorausgegangenen Kapiteln bereits deutlich geworden. Ihren Ruf als Maklerin der königlichen Gunst pflegte sie auch selbst: „Madame de Caylus und ich haben hier den Kanzler von Mailand, der um unsere Fürsprache bei Ihnen bittet, um die Finanzen in Spanien führen zu dürfen, Sie wissen, was meine Empfehlungen bedeuten.“490 Ob Nachdruck verleihend oder drohend – in jedem Fall sollte der Nachsatz ihre Empfehlung hervorheben. Die Korrespondenz war demnach in doppelter Hinsicht ein Ort der Beratung: Einerseits ließ die Princesse sich von Madame de Maintenon fühoccasion.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 238; ähnlich: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 5.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 270–271. 487 „Ainsi ce sera une action de générosité de le remettre dans le chemin qu’il doit suivre, et c’est vous à qui cet ouvrage est du.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 290. Doch zu spät: Villeroy sei nun von allem ausgeschlossen, da er, so die Marquise, ihre Ratschläge nicht für klug genug gehalten habe: Maintenon an Ursins, o.O., 10.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 294. 488 Bspw. riet sie der Princesse im Jahr 1714, mehr Hofämter mit spanischen Granden zu besetzen: Maintenon an Ursins, Marly, 25.11.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 308. Man sage außerdem, dass auch Personen unterhalb des Rangs der Granden eingesetzt werden könnten: Maintenon an Ursins, o.O., 24.12.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 321. 489 Vgl. etwa folgende Formulierung: „Néanmoins, M[adame], il [Philipp V., A.d.V.] a une si grande envie d’avoir une entière approbation du Roi et par conséquent de vous que je crois qu’il n’oubliera rien pour se l’attirer.“ Ursins an Maintenon, Pardo, 20.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 253–254. 490 „Madame de Caylus et moi avons un chancelier de Milan qui veut nos bons offices auprès de vous pour conduire les finances en Espagne, vous savez, Madame, ce que c’est que mes recommandations.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.7.1709, Correspondance (Loyau), 226.
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ren. Andererseits konnten die Briefe der Princesse auch zur Grundlage der Ratschläge Madame de Maintenons werden, das heißt, sie selbst indirekt zur Beraterin der Krone, worauf später zurückzukommen sein wird. Gouvernante „Sie betören mich, Madame, mit der Ehre, die Sie mir erweisen, mir so ausführlich vom guten Herzen der Duchesse de Bourgogne zu berichten. Die Königin war davon sehr berührt. In Wahrheit sind diese beiden großen Prinzessinnen unvergleichlich.“491
Mit den „beiden großen Prinzessinnen“ waren die savoyardischen Schwestern Maria Luisa, die spanische Königin, und Marie-Adelaïde, die Duchesse de Bourgogne und von 1711 an Dauphine de France492 gemeint. Dass Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins beide mit der Führung einer sehr viel jüngeren Person betraut waren – als seconde dame d’atour de la dauphine bzw. als camarera mayor –, spiegelte sich auch in den Themen ihrer Korrespondenz wider. Beide Damen waren unter ähnlichen Umständen an den fremden Hof gekommen: sehr jung und ohne die Begleitung ihrer früheren Vertrauten. Beide waren in die Obhut einer älteren, erfahreneren Frau gestellt worden. Die Duchesse de Bourgogne konnte sich der besonderen Zuneigung des Königs erfreuen und galt als sein „Sonnenschein“. Madame de Maintenon widmete ihr in beinahe jedem Brief einen Abschnitt: Sie lobte ihre Schönheit, sorgte sich um ihre psychische und physische Gesundheit oder sinnierte über eine mögliche Schwangerschaft. Ihr Sohn würde den Titel des Duc d’Anjou tragen und wäre ein möglicher Thronfolger. Daher gab schon das kleinste Anzeichen einer Schwangerschaft Anlass zur Freude493. Im Jahr 1707 wechselten
491 „Vous me charmez, Madame, par tout ce que vous me faites l’honneur de m’écrire du bon cœur de M[ada]me la Duchesse de Bourgogne. La Reine y a été très sensible. En vérité ces deux grandes Princesses sont incomparables.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 31. 492 Als der bisherige Thronfolger, der Grand Dauphin am 14. April 1711 an Windpocken starb, wurde sein Sohn, der Duc de Bourgogne, zum Kronprinzen und seine Gemahlin zur Dauphine. 493 Ursins’ Freude über eine mögliche Schwangerschaft der Duchesse: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 27; erneute Nachfrage: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 31.
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die Interpretationen alle paar Wochen und kurz vor der tatsächlichen Niederkunft, am 16. Februar 1710, erfolgt in jedem Brief eine „Statusmeldung“494. Die Marquise stellte sich auch als Erzieherin der Duchesse dar: „Ich bin völlig zufrieden, wenn denn Madame la Duchesse de Bourgogne in jeder Hinsicht das tut, was sie sollte, und so habe ich nun Grund dazu: Denn man kennt sie nun, sie wird genauso geliebt und geschätzt, wie ich es immer gewünscht habe, aber man muss Geduld haben, und Wunder sind selten.“495 In den Jahren zuvor hatte sie sich mit der Princesse immer wieder besorgt über das „wilde Leben“ ihres Schützlings ausgetauscht496. Eine Mitteilung war es ihr auch wert, als die junge Duchesse im Jahr 1710 das erste Mal selbst Hof hielt und nicht mehr in die appartements der Marquise kam497. Ihr Ansehen könnte nun besser nicht sein498; nach all den Jahren, in denen sie für ihre Erziehungsmaßnahmen kritisiert und die Duchesse gehasst wurde, konnte sich die Marquise nun als perfekte Erzieherin zeigen, und von Erziehung – so bemerkte sie einmal ohne Umschweife an die Princesse – verstünde sie etwas499. Madame de Maintenon inszenierte sich auch als loyale und allzeit besorgte Betreuerin. In ihrer Beschreibung klingt die labile psychische Verfassung der Duchesse nach heutigen Begriffen nach einer Depression500. Ursache sei die 494 Wahrscheinlich nicht schwanger: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 242; sicherlich nicht schwanger: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 12.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 273; höchstwahrscheinlich schwanger: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 371. Von der Geburt des neuen Duc d’Anjou berichtete die Marquise schließlich am 16. Februar 1710, sie sei so schrecklich gewesen, dass alle Männer nach und nach den Raum verließen, da sie es nicht hätten ertragen können: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 16.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 275. 495 „Je suis parfaitement contente pourvu que M[adame] la Duchesse de Bourgogne fasse en tout ce qu’elle doit, j’ai sujet de l’être: car on la connaît présentement, elle est aussi aimée et estimée que je l’ai toujours désiré, mais il faut avoir patience, et les prodiges sont rares.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.8.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 308–309. 496 Die Princesse riet ihrerseits immer wieder, die Duchesse solle nachts schlafen, regelmäßig essen usw.; siehe bspw.: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 290. 497 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 24.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 14. 498 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 15.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 17. 499 „Toutes les fois que vous voudrez me donner des louanges sur ma capacité pour l’éducation des enfants, je les avalerai à longs traits, car je suis véritablement persuadée que j’en sais beaucoup là-dessus.“ Maintenon an Ursins, o.O., 31.5.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 165. 500 Sie sei niedergeschlagen und fände an nichts mehr Freude: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.1.1709, Correspondance (Loyau), 96; ähnlich: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 22.12.1709, Correspondance (Loyau), 355. Ähnlich: Maintenon an Ursins, St. Cyr,
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außerordentliche Sensibilität, die ihr – wie ihrer Schwester Maria Luisa – zueigen sei: „Unsere beiden Prinzessinnen haben ein zu zartes Herz, um glücklich zu sein.“501 Der Tod der Duchesse am 12. Februar 1712 war – abgesehen von Krankheitsgründen – der einzige Grund, weshalb die Marquise in ihrer zehn Jahre dauernden Korrespondenz ihrer „Pflicht“ nicht nachkam und ihren Brief an die Princesse von ihrer Nichte verfassen ließ502. „Weibliche“ Ohnmacht? „Denn wie Sie wissen, Madame, verstehen Frauen überhaupt gar nichts von dem, was Krieg ist, und ich noch weniger als andere.“503
In der Rhetorik der Selbstbeschränkung wurde die eigene Ohnmacht nicht nur, wie oben gezeigt, mit dem Verweis auf die „ordentlichen Kanäle“ über die zuständigen Minister begründet, sondern auch mit dem eigenen Geschlecht. Dies erfolgte auf zweierlei Art: Einerseits mit dem Verweis auf die bestehende Gesellschaftsordnung: „Man“ wünsche nicht, dass Frauen sich in die affaires einmischten. Andererseits mit dem Hinweis auf die eigene Begrenztheit oder Fehlerhaftigkeit aufgrund des Geschlechts, gewissermaßen also die „biologische“ Begründung dieser Ordnung. Grundsätzlich müssen solche Selbstbeschränkungen im Kontext des höflichen und höfischen Stils der honnêteté gesehen werden: Die Beteuerungen der eigenen Unfähigkeit gehörten in wissenschaftlichen, literarischen wie politischen Schreiben unabhängig vom konkreten Anliegen und dem Geschlecht zum guten Stil504. Wenn die Marquise schreibt, dass sie die Bedingungen der Friedensverhandlungen nicht verstünde, da dieses Thema ihre Fähigkeit (ca-
20.6.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 74; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.6.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 302; Maintenon an Ursins, o.O., 1.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 94; Maintenon an Ursins, St. Cyr, 21.11.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 157. 501 „[N]os deux princesses ont le cœur trop tendre pour être heureuses.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 24.7.1709, Correspondance (Loyau), 232. 502 Vgl. Caylus an Ursins, Marly, 14.2.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 95–96. 503 „Car les femmes, comme vous savez, Madame, et moi moins qu’une autre, n’entendons rien du tout à tout ce qui est guerre.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.6.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 99. 504 Vgl. Koch, Elisabeth, Maior dignitas est in sexu virili: Das Weibliche Geschlecht im Normensystem des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1991 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 57), 216.
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pacité) übersteige505 und zwar nachdem die Details jener Bedingungen in den vorausgegangenen Monaten ihre Briefe gefüllt hatten, dann wird deutlich, dass es sich um ein stilistisches Element handelt. Diese Rhetorik findet sich auch bei männlichen Autoren, beispielsweise Klerikern: Kardinal Gualterio verwendete sie in seinen Briefen an Madame de Maintenon506. Und der Beichtvater Philipps V., Père Robinet, drückte sich von 1705 an – dem Zeitpunkt, von dem an er sich nicht mehr in die politischen Angelegenheiten einmischen sollte – ähnlich aus507. Kleriker mussten ebenso eine gesellschaftlich akzeptierte Darstellung für ihre politische Einflussnahme finden wie Frauen. Ein grundlegender Unterschied ist dabei jedoch, dass diese Bescheidenheitsfloskeln bei den Autorinnen häufig an den Verweis auf ihr Geschlecht gekoppelt sind, während Männer sich nur auf ihre individuellen Unzulänglichkeiten, die Umstände oder ihren Klerikerstatus berufen konnten508. Sie sei eine „zu den Geschäften unfähige Frau“ (femme incapable d’affaires) schrieb Madame de Maintenon der Princesse, als sie deren Vorschlag, Kardinal Gualterio in den conseil de Régence mit einzubeziehen, als völlig unvertretbar zurückwies. Dieser Absage folgte jedoch eine Selbsteinschätzung der Marquise, die in ihrer Übertreibung ins Ironische geht und den Gehalt der Aussage relativiert: Viel zu spät sei sie in Berührung mit den affaires gekommen, um darin Geschick erlangt haben zu können; größer noch als ihre Unkenntnis sei ihr Hass auf die affaires509. Auch Patronageanfragen der päpstlichen Nuntien lehnte Madame de Maintenon mit der Begründung ab, derartige Angelegenheiten würden die Fähigkeiten einer Frau übersteigen510. 505 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 13.7.1710, BL Add.man. 20919, f. 305. 506 Er bat um ihre Protektion zu einem Zeitpunkt, zu dem seine Position in Rom instabil war: „J’ai recours, Madame, à votre bonté pour vous supplier de vouloir assurer S[a] M[ajesté] que je ne me suis jamais mêlé et ne me mêlerai point d’aucune affaire qui lui puisse déplaire […].“ Gualterio an Maintenon, o.O., 12.5.1714, BL Add. Ms. 20316, f. 269–270. 507 Vgl. Désos, Beichtvater, 304. 508 Diese Beobachtung macht auch Koch, Maior dignitas, 216. 509 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 17.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 99. 510 Dem päpstlichen Nuntius Ranuzzi zufolge, lehnt die Marquise im Jahr 1687 seine Anfrage, sich beim König für sein Anliegen einzusetzen ab und schrieb, „[...] qu’il lui déplaisait extrêmement que les choses fussent dans l’état où elles sont, mais qu’elle ne pouvait en discourir, parce que ce sont des affaires au-dessus de la capacité d’une femme [...] qu’elle se savait un instrument trop faible pour entrer dans des affaires semblables, et sur ce elle a continué son chemin.“ Zitiert bei Blet, Les nonces, 155. Zu Ranuzzi siehe Kapitel I.2.2.5. (Interhöfischer Austausch). Auch seinen Nachfolger Cavallerini fertigte die Marquise auf diese Weise ab. Giovanni Giacomo Cavallerini (* 1639, † 1699): 1692 Erzbischof von Nikäa (Īznik), 1692
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Ein Beispiel des Jahres 1711 zeigt, wie Darstellung und Praxis auseinander klafften: Madame de Maintenon schrieb, sie verstünde die affaires nicht, würde zu ihnen nicht befragt und wage es nicht, über sie zu sprechen. Doch ihrer Aussage folgte unmittelbar die Negierung in der Praxis: Die Marquise erläuterte, was den nächsten Kommandeur in der Dauphiné erwarte511. Die Aussage widerspricht darüber hinaus dem, was Madame de Maintenon an anderen Stellen deutlich machte: das Gewicht ihrer Ratschläge und ihre Kenntnis der affaires. Folglich sind derartige Erklärungen als flexibel und strategisch einsetzbare rhetorische Versatzstücke zu verstehen, die zugleich auf die von außen gestellten Rollenerwartungen hinweisen. Die Argumentation Maintenons verweist auf zeitgenössische Norm- und Ordnungsvorstellungen. In der Vormoderne galten Frauen generell als das schwache Geschlecht, das der Kontrolle und Anleitung durch den überlegenen Mann bedurfte und insofern keinesfalls selbst Gewalt ausüben sollte512: maior dignitas est in sexu virili – die größere Würde wohnt dem männlichen Geschlecht inne513. Die Vorstellung von der weiblichen Inferiorität ist auf die aristotelischscholastische Auffassung von den überragenden intellektuellen Kräften des Mannes und dem entsprechenden Mangel bei der Frau zurückzuführen, was auch die geringere moralische Kompetenz des weiblichen Geschlechts implizierte514. Wenn Frauen nun aber doch über Macht und Einfluss verfügten, so stellte dies die natürliche, gottgegebene Ordnung in Frage. Gynäkokratie, das heißt Weiberherrschaft, wurde von vormodernen politischen Denkern mit AnNuntius in Frankreich, 1695 Kardinal. Er schrieb 1693 nach Rom: „Elle me répondit [...] qu’elle ne pouvait me promettre que des choses générales, n’étant pas quant à elle au courant de semblables affaires, ni de ce qu’avait résolu une assemblée d’évêques.“ Zitiert bei Blet, Les nonces, 186. 511 „Je n’ose vous parler sur les affaires, je ne les entends point, on ne me les consulte point. Je vois seulement que les plus grands événements nous deviennent inutiles. Je ne doute point que celui qui commande en Dauphiné ne soit bien aise de s’y fortifier dans la crainte où l’on est que M. de Savoie et Peterborough n’y fassent de grands progrès.“ Maintenon an Ursins, Marly, 16.5.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 48. 512 Opitz, Claudia, Weibliche Herrschaft und Geschlechterkonflikte in der Politik des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Frieden und Krieg in der FNZ. Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden: Religion – Geschlechter – Natur und Kultur, hrsg. v. Klaus Garber / Jutta Held, München 2001, 507–520. 513 Vgl. hierzu: Koch, Maior dignitas. 514 Vgl. Gössmann, Elisabeth, Männliche und weibliche Diskurse über Frauen: Frauen, Weiblichkeit und Friede, in: Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, hrsg. v. Klaus Garber, Bd 2: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, hrsg. v. Ronald G. Asch, München 2001, 585–600, hier 588.
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archie gleichgesetzt, denn analog zur „Hausordnung“ mit dem Vater als Haushaltsvorstand hatte in der Gesellschaftsordnung der Mann über die Frau zu herrschen515. So begründete der Staatstheoretiker Jean Bodin in seinen „Six livres de la République“ von 1576 die Geschlechterhierarchie einerseits mit den Gesetzen der Natur, andererseits belegte er seine Thesen mit Beispielen aus Mythologie und Geschichte516. Im „Mundus bavaro-christiano-politicus“ von 1711 werden Frauen als zur positiven Ausübung von Herrschaft unfähig dargestellt, wobei in der üblichen Manier negative Beispiele generalisiert, positive dagegen als Ausnahmeerscheinungen stilisiert werden517. So genannte „Frauenfreunde“ vertraten die Ansicht, dass Frauen besonders gut zum Herrschen geeignet seien, argumentierten allerdings ebenso stark geprägt von stereotypen Vorstellungen von den Geschlechtern518. Grundsätzlich dominierten jedoch die Schriften, die sich ablehnend zur politischen Machtausübung von Frauen äußerten. Wenn diese Ordnung gestört wurde – etwa durch eine einflussreiche Frau – bediente man sich gewisser stereotyper Argumentationen, um diese Einflussnahme den gesellschaftlichen Normvorstellungen wieder anzupassen. Genau wie Madame de Maintenons Äußerungen vor ihrem jeweiligen Kontext gesehen werden müssen und sich keineswegs in ein kohärentes Bild der Geschlechter einordnen lassen, müssen jedoch auch die normativen Schriften der „Querelle des femmes“ – die frauenfeindlichen wie die frauenfreundlichen – in ihren jeweiligen politischen Kontext gestellt werden519. 515 Vgl. bspw. Wiesner, Women and Gender, 242 f.; Puppel, Pauline, Gynaecocratie: Herrschaft hochadeliger Frauen in der Frühen Neuzeit, in: Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne. Die Querelle des Femmes, hrsg. v. Gisela Engel / Heide Wunder u. a., Königstein im Taunus 2004, 152–165. 516 Vgl. Opitz, Jean Bodin, bspw. 42; dies., Weibliche Herrschaft, 508 f. 517 „Mundus christiano-bavaro-politicus“, wahrscheinlich um 1711, als Autor wird meist Franz Kaspar Schmidt angenommen. Vgl. die Zulassungsarbeit von Hain, Veronika, Das Frauenbild am frühneuzeitlichen Hof. Soziale und rechtliche Stellung, Aufgaben und Handlungsspielräume der Frau nach dem Mundus christiano-bavaro-politicus, Eichstätt 2008 (nicht veröffentlicht). 518 Vgl. Hierdeis, Irmgard, „Die Gleichheit der Geschlechter“ und „Die Erziehung der Frauen“ bei Poullain de la Barre (1647–1723), Frankfurt a. M. u.a. 1993; vgl. hierzu Opitz, Claudia, Staatsräson kennt kein Geschlecht. Zur Debatte um die weibliche Regierungsgewalt im 16. Jahrhundert und ihrer Bedeutung für die Konzipierung frühneuzeitlicher Staatlichkeit, in: Indifferenz gegenüber Differenzen, 228–241 (Feministische Studien, 2/2005); Baader, Renate, „L’esprit n’a point de sexe“. Poullain de la Barre, der Cartesianismus und die verschollene Aufklärung des 17. Jahrhunderts, in: Garber et al., Frieden und Krieg, 619–637. 519 Vgl. Opitz, Gleichheit der Geschlechter; dies., Weibliche Herrschaft. So entstand Bodins Traktat bspw. aus der Situation einer ungeklärten Erbfolge nach dem Tod Heinrichs II. heraus, in unmittelbarer Folge der Barholomäusnacht, für die
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Zur Darstellung der eigenen Ohnmacht diente Madame de Maintenon noch ein weiterer Argumentationszusammenhang, der zunächst in keinem Zusammenhang mit dem Geschlecht der Briefschreiber steht: der göttliche Wille und die göttliche Fügung. Dass aber gerade in den Briefen weiblicher Autorinnen Referenzen auf den christlichen Glauben allgegenwärtig sind, ist kaum verwunderlich, war doch die gesellschaftliche Anerkennung im Ancien Régime insbesondere für Frauen eng mit Religions- und Glaubensfragen verbunden520. Es soll hier aber nicht erneut die Frage gestellt werden, wie es die beiden Frauen mit der Religion hielten521. Von Interesse ist vielmehr, wie über die Form und den Zeitpunkt religiöser Aussagen auf etwaige Sprechabsichten geschlossen werden kann. In ihrer Diskussion über den Wandel des Kriegsglücks bedienten sich sowohl Madame de Maintenon als auch die Princesse des Ursins dieses Sprachregisters – allerdings mit gegensätzlicher Zielrichtung. So stellte für die Marquise die desolate Situation Frankreichs im Winter 1708–1709 eine Strafe Gottes dar: Das Ende der campagne sei erbärmlich, teilte sie ihrer Briefpartnerin mit, die Städte Gent und Lille seien beide in Gefahr, die Chancen für die Bourbonen stünden allgemein schlecht. Alles, was geschehe, käme von Gott und: „Unser König war zu ruhmreich, [Gott] will ihn demütigen, um ihn zu retten; Frankreich hatte sich zu weit ausgedehnt, vielleicht unrechtmäßig, er will es in engere Grenzen verweisen, die dann vielleicht beständiger sein werden; unsere Nation war ehrfurchtslos und zügellos, Gott will sie strafen und erniedrigen.“522 Mit solchen Worten machte Madame man Katharina von Medici verantwortlich machte. Vgl. Opitz, Gleichheit der Geschlechter, 316; dies., Weibliche Herrschaft, 513 f. (Zitat 519). 520 Im Allgemeinen galt: to be a good woman was still to be a good Christian: Wiesner, Women and Gender, 249. 521 Loyau urteilt, dass Ursins’ Sprechen von Gott nicht über das Konventionelle hinausginge und eher ein Zugeständnis an ihre Briefpartnerin darstelle. Vgl. Correspondance (Loyau), 51. Ihre Biographin Marianne Cermakian schreibt ihr eine einfache Frömmigkeit zu, die sich in moralischer Festigkeit, nicht aber in Devotion ausdrückt und kirchliche Engstirnigkeiten ablehnt. Vgl. Cermakian, La Princesse, 596 f. Madame de Maintenon dagegen – calvinistisch erzogen – stellte in vielerlei Hinsicht ihre devote Haltung zur Schau: in der Art, mit der sie ihre Schule in St. Cyr führte, in ihren Schriften zur Mädchenerziehung und in ihrer ständigen Sorge um den Glauben und die christliche Lebensweise des Königs und des gesamten französischen Hofes. Siehe Maintenon, Madame de, Lettres historiques et édifiantes adressées aux dames de Saint-Louis, hrsg. v. Lavallée, 1856, Bd. 1 und 2. Vgl. hierzu: Mc Bride, Robert, Madame de Maintenon - pédagogue chrétienne et raisonnable, in: Niderst, Albineana I, 411–424. 522 „Vous avez raison de dire, Madame, qu’il faut regarder tout ce qui nous arrive comme venant de Dieu: notre Roi était trop glorieux, il veut l’humilier pour le sauver; la France
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de Maintenon schon im Dezember 1708 deutlich, wie wenig Spielraum sie den menschlichen Bemühungen zugestand. „Gott, der offensichtlich gegen uns ist“523, sei es, der die Fäden in der Hand halte. Zu ihm ließe sie ihre Schülerinnen in St. Cyr beten524, von ihm müsse man ein Wunder für Philipp V. erbitten525. In den militärischen Niederlagen erkannte sie die Hand Gottes, in der Hungersnot und dem harten Winter seine Geißeln526. Den Menschen bliebe nur, sich seinem trotz allem gerechten Willen zu unterwerfen527. Was geschah hier? Die Marquise bot eine Erklärung der aktuellen Situation an, in der weder dem französischen König, noch den Minister, der Armee, geschweige denn ihr selbst Einflussmöglichkeiten zugestanden werden. Da alles von Gott käme und letztendlich nur er wisse, was gerecht und gut sei, hätten sich die Menschen in ihr Schicksal zu fügen. Diese Darstellung erscheint nur in ganz bestimmten Momenten und steht im Widerspruch zu anderen Argumentationen der Marquise, in denen sie Akteuren ganz deutlich Verantwortung zusprach. Unberührt von der Frage nach ihrer Religiosität, um die es hier nicht geht, dienten die Diskurse über Gottes Allmacht, das von ihm vorherbestimmte Schicksal und die Abhängigkeit von seinem Willen der Marquise ganz offensichtlich als Rückzugsstrategie. So argumentierte sie, wenn sie die sachliche Diskussion abbrechen oder deutlich machen wollte, selbst nichts ausrichten zu können – aus welchen Gründen auch immer. Vor dem Hintergrund des Jahres 1709 wird ihre strategische Absicht offensichtlich: Von Seiten Madrids erbat man weitere französische Truppen und propagierte eine Fortführung des Krieges; Teile der französischen Minister und insbesondere sie selbst zogen einen wie auch immer gearteten Friedensschluss vor. Die Darstellung ihrer eigenen und der generellen menschlichen Ohnmacht angesichts des Schicksals diente somit auch dazu, die Princesse von ihrem Standpunkt zu s’était trop étendue, et peut-être injustement, il veut la resserrer dans des bornes plus étroites et qui en seront peut-être plus solides; notre nation était insolente et déréglée, Dieu veut la punir et l’abaisser.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 23.12.1708, Correspondance (Loyau), 74 f. 523 „Dieu, qui est visiblement contre nous, [...].“ Maintenon an Ursins, Versailles, 29.4.1709, Correspondance (Loyau), 172. 524 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 9.3.1709, Correspondance (Loyau), 133. 525 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 18.3.1709, Correspondance (Loyau), 143. 526 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.2.1709, Correspondance (Loyau), 107 und St. Cyr, 14.7.1709 (225). 527 „Nos ennemies triomphent partout, il n’y a qu’à baisser la tête sous la main de Dieu qui paraît levée sur nous; ses jugements sont impénétrables, nous le voyons soutenir l’hérésie et l’injustice et opprimer trois rois très vertueux et des pays où il est mieux servi qu’ailleurs, cependant il est juste et c’est à nous de nous soumettre.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 17.2.1709, Correspondance (Loyau), 112.
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überzeugen: Die dargestellte Passivität wird somit zu einer aktiven (kommunikativen) Handlung. Wie reagierte Maintenons Briefpartnerin auf eine solche Argumentation? Meist pflichtete die Princesse des Ursins ihrer Briefpartnerin bei, etwa in der Feststellung, dass man um Wunder bitten müsse528. Dabei griff sie Maintenons Argumente jedoch geschickt auf, um dann zu widersprechen: Madame de Maintenon solle um ein Wunder beten, statt ob der Lage zu verzweifeln529. Jeder noch so kleine militärische Erfolg, der im August und September 1709 auf der bourbonischen Seite zu verzeichnen war, konnte zur Grundlage ihrer Argumentation werden, dass ein Friedensschluss zum jetzigen Zeitpunkt gegen den Willen Gottes wäre. Mit harten Worten kritisierte die Princesse die Haltung ihrer Briefpartnerin: Nach dem Wunder, das Gott zu ihren Gunsten habe geschehen lassen, könne man nicht mehr davon sprechen, dass es gegen den Willen Gottes sei, den Krieg fortzuführen: „Wenn Gott uns hätte im Stich lassen wollen, hätte er nicht so viele Dinge für uns getan.“530 Die Princesse drehte also den Spieß um: Nicht nur die Niederlagen seien als Zeichen Gottes zu werten, auch, ja sogar vorrangig die positiven Ereignisse, die trotz der verzweifelten Lage noch geschähen. Es sei undankbar, dies nicht zu erkennen531. Zusammenfassend sind es bei Madame de Maintenon ihr Selbstverständnis als confidente du Roi, als Patronin der Princesse des Ursins und als Gouvernante der Duchesse de Bourgogne, die sie als aktive und einflussreiche Akteurin in Erscheinung treten lassen. Als engste Vertraute des Königs – so die Mitteilung an ihr Gegenüber – verfügte sie über exklusive Informationen, war in die königlichen Entscheidungsprozesse eingeweiht und konnte daher die „richtigen“ Ratschläge geben. Dabei fungierte sie auch als „Filter“ zwischen Ludwig XIV. und dem spanischen Königspaar bzw. der Princesse des Ursins. Das Lob des Königs aus ihrer Feder fiel auf sie selbst zurück und stabilisierte somit zugleich dessen Herrschaft und ihre eigene Position. Die Inszenierung ihrer „Ohnmacht“ erfolgte durch die Zuschreibung zum vermeintlich schwachen weiblichen Geschlecht, durch den Verweis auf ihre Bedeutungslosigkeit als 528 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 1.4.1709, Correspondance (Loyau), 153 f. 529 Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 17.4.1709, Correspondance (Loyau), 166. 530 „[...] si Dieu nous avait voulu perdre, il n’aurait pas fait tant de choses pour nous, [...].“ Ursins an Maintenon, o.O., 26.9.1709, Correspondance (Loyau), 290. Als miracle bezeichnete die Princesse die Schlacht bei Malplaquet am 11. September, bei der auf der feindlichen Seite erstmals mehr Verluste zu verzeichnen waren als auf der bourbonischen. 531 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 11.11.1709, Correspondance (Loyau), 329 f.
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particulière und schließlich durch die Unabwendbarkeit der göttlichen Vorsehung. Strategisch eingesetzt, können derartige Selbstdarstellungen ebenfalls zu (kommunikativem) Handeln werden. 3.2. Der Blickwinkel der Princesse des Ursins „Mein Gott, in was für eine Position haben Sie mich gebracht, Madame! […] ich bin diejenige, der die Ehre zukommt, den Morgenrock des Königs von Spanien entgegen zu nehmen, wenn er ins Bett geht, und ihm denselben mit seinen Pantoffeln zu reichen, wenn er aufsteht. […] Nie würde der König aufstehen, wenn nicht ich ihm seinen Vorhang zurückzöge, und es wäre ein Sakrileg, wenn jemand anderes als ich ins Schlafgemach der Königin einträte, wenn die beiden im Bett sind. Zuletzt war die Öllampe ausgegangen, weil ich die Hälfte verschüttet hatte; ich wusste nicht, wo die Fenster waren, die ich offen noch nicht gesehen hatte, da es Nacht war, als wir dort angekommen waren; ich dachte, mit der Nase gegen die Wand zu stoßen, und wir, der König von Spanien und ich, stießen bei der Suche nach den Fenstern fast eine Viertelstunde lang immer wieder gegeneinander.“532
Diese Anekdote aus der Feder der Princesse des Ursins zeigt exemplarisch, was ihr in ihrer Selbstdarstellung gegenüber Madame de Maintenon zu betonen wichtig war: ihre Nähe zum Königspaar533. Da der Nahbereich des Herrschers ein Raum politischer Entscheidung und somit das Intime politisch aufgeladen war, wird die Mitteilung einer solchen Anekdote zu einer wirkungsvollen Inzenierung der eigenen Machtposition.
532 „Dans quel emploi, bon Dieu! m’avez-vous mise, Madame! […] c’est moi qui ai l’honneur de prendre la robe de chambre du Roi d’Espagne lorsqu’il se met au lit, et de la lui donner avec ses pantoufles quand il se lève. […] Jamais le Roi ne se lèverait si je n’allais tirer son rideau, et ce serait un sacrilège si une autre que moi entrait dans la chambre de la Reine lorsqu’ils sont au lit. Dernièrement la lampe s’était éteinte parce que j’en avais répandu la moitié; je ne savais où étaient les fenêtres, que je n’avais point vues ouvertes parce que nous étions arrivés de nuit dans ce lieu-là; je pensai me casser le nez contre la muraille, et nous fûmes, le Roi d’Espagne et moi, près d’un quart d’heure à nous heurter en les cherchant.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Barcelona, 12.12.1701, Ursins (Geffroy), 113 f. 533 Ein anderes auffälliges Beispiel: Ursins an Maintenon, Madrid, 18.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 330.
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Camarera mayor Wenn Madame de Maintenon die „Freundschaft, die die Königin für [die Princesse des Ursins] und die Verbundenheit, die [diese] für die Königin empfindet“534 preist, so ist dies ein Echo darauf, wie die Princesse ihre Beziehung zur Königin inszenierte: tiefe Verbundenheit (attachement)535 ihrerseits, Freundschaft (amitié) und Liebe (amour)536 von Seiten der Königin. Für ihren Handlungsspielraum als camarera mayor war dies von zentraler Bedeutung. Als Erste Kammerdame inszenierte sich die Princesse beispielsweise dann, wenn sie mit der Marquise strittige Punkte im zeremoniellen Ablauf537 erörterte oder ihre Aufgaben als Begleiterin der Königin beschrieb538. Informationen über das körperliche Befinden der jungen Königin gehörten ebenfalls zu dem, wofür die Princesse des Ursins „von Amts wegen“ zuständig war. Wenn auch nicht in medizinischer Hinsicht, so oblag ihr doch die Organisation ihrer gesundheitlichen Betreuung539. Seitenfüllend sind auch die Berichte über den Verlauf der königlichen Schwangerschaften, auf deren politische Wirkung bereits hingewiesen wurde. Ein bourbonischer Thronfolger würde die Kontinuität und Vitalität der herrschenden Dynastie symbolisieren. Exemplarisch soll auf die (erfolgreiche) Schwangerschaft des Jahres 1707 näher eingegangen werden540. Im Januar berichtete die Princesse nach Versailles, dass das Gerücht um eine mögliche Schwangerschaft der Königin die Stimmung in Madrid verbessere541. Von nun an stellte sie in jedem ihrer folgenden Briefe neue Diag534 „Je souhaite votre conservation et j’ai une si grande idée de l’amitié que la Reine a pour vous et de l’attachement que vous avez pour elle que je ne puis envisager votre séparation.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 11.5.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 291. 535 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 31.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 306. 536 Bspw.: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 12.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 119. 537 Bspw. die Frage, wie sich Maria Luisa gegenüber der Königin-Witwe zu verhalten habe: Ursins an Maintenon, Burgos, 26.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 114; und: Ursins an Maintenon, Burgos, 31.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 118. 538 Von einem Besuch in einem Konvent, den die Etikette gefordert hätte: Ursins an Maintenon, Madrid, 8.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 42. 539 So war bspw. die Frage, wann und wo Maria Luisa Heilbäder bekommen sollte, vom November 1710 bis Januar 1711 ein zentrales Thema des Briefwechsels. Vgl. die Korrespondenz zwischen November 1710 und Januar 1711, bspw.: Maintenon an Ursins, o.O., 12.1.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 24–25. 540 Insgesamt brachte Maria Luisa vier Kinder zur Welt: Louis I. (* 1707, † 1724), Philipp (Emmanuel) (* 2.7.1709, † 9.7.1709), Philipp Peter (* 1712, † 1719), Ferdinand VI. (* 1713, † 1756). 541 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 21.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 182.
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nosen. Madame de Maintenon äußerte sich anerkennend über die Tatsache, dass die Schwangerschaft erst deklariert würde, wenn sie ganz sicher sei. Als verschiedene Anzeichen dies vermuten ließen, verkündete König Philipp am 30. Januar 1707 die frohe Nachricht zunächst im cuarto chico der Princesse vor seinen Ministern, dann vor den Höflingen, woraufhin sich die Freude in der gesamten Stadt verbreitete542. Eine Woche später waren schon die nötigen Vorbereitungen Thema der Briefe: „Dies ist keine kleine Aufgabe für mich, um die ich mich da kümmern muss“543, schrieb die Princesse, das Königspaar verließe sich auf ihren Eifer und ihre Umsicht. Genau dies suchte sie in ihren Briefen mit allen Mitteln zu vermitteln: Sie widme sich mit akribischer Sorgfalt und hoher Motivation den damit verbundenen Aufgaben. Die größte Schwierigkeit stellte sich in diesem Zusammenhang mit der Wahl der Gouvernante und der Amme544, schließlich ging man davon aus, dass die Muttermilch maßgeblich für die körperliche Entwicklung des Thronfolgers sein würde. Weil die Princesse selbst bei der Geburt dabei sein würde, wollte sie beispielsweise lernen, wie man ein Kind dreht, wenn es in Steißlage ist545, und wie gute Muttermilch schmeckt546. Einen französischen Arzt für die Geburt zu bemühen, wie es König Philipp wünschte, verstieß gegen die spanische Etikette, die Männern untersagte, bei einer Niederkunft der Königin im Raum zu sein. Doch spanische Hebammen könnten habsburgerfreundlich sein547. Schließlich trat nach längerem Hin und Her die Hebamme der Duchesse de Bourgogne548 zusammen mit deren Chirurg die Reise nach Madrid an, um 542 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 30.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 186. 543 Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 187. 544 Für den Posten der letzteren seien ihrer Ansicht nach am besten die Frauen aus der Biscaya, einer Region an der Atlantikküste, geeignet, da sie der Princesse zufolge wenig Laster hätten, kalte Luft gewöhnt und von Grund auf fröhlich seien: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 187. Sie habe dazu an verschiedene Autoritäten in Altkastilien, Navarras, Biscaya, Alava und Guipuscoa geschrieben und würde gemeinsam mit dem presidente del consejo de Castilla einen Berater auswählen: Ursins an Maintenon, Madrid, 10.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 237; zur Frage der gouvernante und der sous-gouvernante siehe ausführlicher auch: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 26.6.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 288. 545 Vgl. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 30.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 271. 546 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 29.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 225. 547 Genau dies lastete man schließlich der spanischen Hebamme an: Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 320. 548 Siehe die Briefe Ursins an Maintenon, Dezember 1706 bis Mai 1707, BL Add. Ms. 20918. Madame de Maintenon solle doch ihre Meinung dazu äußern und mit dem französischen König und der Duchesse darüber sprechen: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, f. 187. Die Zusage der Marquise kam erst am 24. April – alle Frauen in
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dort die letzten Monate der Schwangerschaft und die Niederkunft der Königin zu überwachen549. Die Schwangerschaft der Königin eignete sich auch in anderen Zusammenhängen hervorragend als schlagendes Argument. Dass König Philipp seine Armee nicht selbst führen, sondern in Madrid bleiben solle – eine Ansicht, die die Princesse schon seit längerer Zeit vertrat – sei für die Gesundheit der Schwangeren und des Kindes unerlässlich. Wenn dies nicht möglich sei, so ihr Vorschlag, dann wäre sie gezwungen, ihre Präsenz bei der Königin noch zu erhöhen: „Ich muss dann die Ehre haben, in ihrem Zimmer zu schlafen. Ich muss ihr den ganzen Tag zu Diensten stehen, [...]“. Außerdem müsse sie über alles, was in Madrid passiere, informiert werden, da es viele gäbe, die von zweifelhafter Gesinnung seien, und über all das müsse sie dem französischen König und dem Botschafter berichten550. Von den Spaniern könne sie jedenfalls keine Hilfe erwarten551. Die Princesse stellt sich in ihrer Rolle als camarera mayor als unverzichtbar dar. Am Tag der Niederkunft, dem 25. August 1707, verfasste die Princesse unverzüglich einen Brief an Madame de Maintenon552. Ob die Marquise Angst habe, dass es den Kastiliern missfallen könnte, wenn man ihnen zeige, dass ihr Prinz aus französischem Hause sei?553 Zu diesem Anlass wurde eine schon häufig diskutierte Frage wieder aufgriffen: wie die traditionellen spanischen Sitten und die „neuen“ französischen Bräuche miteinander zu vereinen seien554. Die Princesse stellte sich auch hier als unentbehrliche Mittlerin dar. Auf eine akribische und transparente Berichterstattung war die Princesse auch während der Regentschaften der jungen Königin bedacht555. Als Beispiel Versailles waren dagegen, da sie ohne seine Betreuung nicht selbst schwanger werden wollten: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 242. Die Hebamme, Madame de la Salle, und der Chirurg, Julien Clément, brachen schließlich im Mai 1707 nach Madrid auf: Maintenon an Ursins, o.O., 15.5.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 306. 549 Ein weiteres Thema war die Auswahl der Wiege und der Kinderzimmermöbel: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, f. 187. 550 „C’est ce qui m’oblige, Madame, à vous représenter encore que je vais tout appréhender pour la Reine si elle demeure à Madrid sans lui. Mes assiduités auprès d’elle se doubleront. Il faudra que j’aie l’honneur de coucher dans sa chambre. […] j’agisse tout le jour pour son service, […].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, f. 189–190. 551 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 4.2.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 190. 552 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 25.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 317. 553 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 367. 554 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 371. 555 Von April 1702 bis Januar 1703, von Februar bis Juni 1706, von September bis Oktober 1710, wobei Maria Luisa formal nur in den ersten beiden Zeiträumen Regentin war.
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soll das Jahr 1706 dienen, in dem die Vertretung des Königs in zwei verschiedenen Zeiträumen jeweils unterschiedlich gehandhabt wurde. Im ersten Fall führte Maria Luisa vom 24. Februar bis 6. Juni formal die Regierungsgeschäfte, während König Philipp V. sich für die Belagerung Barcelonas persönlich an die Spitze seiner Armeen setzte. Als zweites Beispiel dient der Aufenthalt in Burgos: Dorthin mussten die Königin und ihre Kammerdame fliehen, während sich in Madrid der Erzherzog zum König Karl III. proklamieren ließ. Philipp setzte sich erneut an die Spitze seiner Truppen, so dass Maria Luisa und die Princesse de facto erneut die Regierungsgeschäfte führten – diesmal jedoch ohne formale Regentschaft von Seiten der Königin556. Diese beiden unterschiedlichen Formen der Vertretung führten in den Briefen der Princesse zu ganz unterschiedlichen Darstellungen. Über die Form der Regierung in der Abwesenheit des Königs war man sich in Madrid unsicher. Die Königin und sie selbst, so die Princesse, zögen es vor, wenn Maria Luisa „mit nichts beauftragt würde“ (n’être chargée de rien), dies schien ihr allerdings nicht möglich557. In jedem Fall dürfe man nicht das Risiko eingehen, sie gänzlich den Spaniern „zu überlassen“. Näher könne sie in einem Brief, der verloren gehen könnte, auf dieses Problem nicht eingehen. Aus ihrer darauf folgenden Argumentation wird deutlich, dass sie um den französischen Einfluss fürchtete: Ihrer Ansicht nach sei es das Beste, wenn der Botschafter Amelot in Madrid bliebe, denn „die Furcht, die man in Frankreich hat, dass es in der Öffentlichkeit so aussähe, dass die gesamte Autorität bei der Königin liege, wenn man sähe, dass der Botschafter bei ihr bliebe, gründet
Weibliche Regentinnen hatten sowohl in der habsburgischen Familien- und Herrschaftsgeschichte als auch in der Geschichte der französischen Krone eine lange Tradition: „La storia familiare e politica degli Asburgo aveva una lunga tradizione in questo senso. Il sistema imperiale carolino aveva avuto una sua coerenza realizzata anche attraverso una forte cooperazione dell’elemento femminile della dinastia.” Visceglia, Maria Antonietta, Politica e regalità femminile nell’Europa della prima età moderna. Qualche riflessione comparativa sul ruolo delle regine consorti, in: Storia sociale e politica. Omaggio a Rosario Villari, hrsg. v. Alberto Merola et al., Mailand 2007, 425–458, 452. Zu Frankreich vgl. Viennot, Eliane, La France, les femmes et le pouvoir, Bd. I: L’invention de la loi salique (Ve–XVIe siècle), Paris 2006; Bd. II: Les résistances de la société (XVIIe–XVIIIe siècle), Paris 2008, 10–19. 556 Erst im Oktober kehrten sie über Valladolid und den Escorial schließlich nach Madrid zurück. Vgl. Cermakian, 350–365. 557 Nous sommes très embarrassés sur la forme qu’on doit donner au gouvernement pendant le voyage du Roi. La Reine voudrait bien n’être chargée de rien et je suis fort de son sentiment; cependant cela ne me paraît pas possible.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 42.
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auf einem Irrtum“558. Man müsse einen Gouverneur ernennen oder eine Junta aufstellen, so dass die Königin mit Hilfe Amelots die Räte (consejos) leiten könne. Ersatzweise solle der Maréchal de Tessé den König als ambassadeur extraordinaire begleiten. Mit der schon beschriebenen, die Argumentation verstärkenden Formulierung – „sie dächten ganz wie ich, wenn Sie an meiner Stelle wären“559 – beschließt die Princesse ihre Überlegungen. Der Plan, die junge Regentin gemeinsam mit Amelot zu betreuen, muss auch vor dem Hintergrund der Anweisungen Ludwigs XIV. gesehen werden. Ende Dezember hatte er seinen Botschafter angewiesen, sich völlig den Ansichten der Princesse anzupassen. Auch er selbst beziehe sich gänzlich auf das Urteil der Princesse560. Die Hierarchie zwischen der Princesse und dem Botschafter war demnach klar: Der Botschafter hatte der Kammerdame Folge zu leisten und nicht umgekehrt; die Darstellung ihrer guten Zusammenarbeit war der Princesse ein Anliegen561. Ihre Lösungsvorschläge wurden schließlich berücksichtigt: Der Maréchal de Tessé sowie zehn zusätzliche französische Bataillone sollten Philipp V. bei seinem militärischen Unterfangen unterstützen, während Amelot bei der Königin und ihrer Kammerdame blieb. In der Folge betonte die Princesse, wie gut die junge Königin ihre Sache als Regentin machte und wie reibungslos die Zusammenarbeit zwischen ihr, dem Botschafter und der Königin funktionierte: „Die Königin sorgt jeden Tag im despacho für Bewunderung. Der Botschafter ist entzückt von ihr.“562 Die Princesse entwarf das Bild einer fähigen und anerkannten jungen Regentin. 558 „La crainte qu’on a en France qu’il ne paraisse au public que toute l’autorité réside dans la personne de la Reine, dès qu’on verra l’ambassadeur reste auprès d’elle est fondée sur l’erreur où l’on est qu’on a déjà eu cette opinion en Espagne.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.1.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 46. 559 „Vous penseriez tout comme moi, Madame, si vous étiez en ma place.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.1.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 47. 560 „[ J]e me rapporte entièrement en tout à ce que la Princesse des Ursins juge de plus à propos, et puisque vous avez discuté cette matière avec elle et que vous êtes demeurés d’accord sur ce qu’elle a trouvé de meilleur, mon intention est que vous vous conformiez entièrement à ses sentiments. […] Enfin, je suis si persuadé de la droiture de ses intentions, que je crois que vous ne pouvez vous tromper en suivant ses avis.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 21.12.1705, Amelot (Girardot), 213. Seine Antwort bestätigte er, indem er diese Formulierungen über die Integrität der Princesse und ihre gute Zusammenarbeit wieder aufgriff: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 1.1.1706, MAE CP Espagne 163, f. 5. 561 Beispiele: Ursins an Maintenon, Madrid, 6.1.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 47; Ursins an Maintenon, Burgos, 17.8.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 112. 562 „La Reine se fait admirer tous les jours davantage dans le despacho. M. l’ambassadeur en est charmé. Ursins an Maintenon, Madrid, 17.3.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 53.
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Eine gänzlich andere Situation bot sich, als der Fall von Salamanca und Cartagena Philipp V. zwang, am 6. Juni 1706 nach Madrid zurückzukehren. Madame des Ursins und die Königin flüchteten im Juli 1706 nach Burgos563. Maria Luisa hatte nun formal keine Regentschaft inne, und Amelot war dem König gefolgt, so dass die Princesse des Ursins und die Königin „allein“ in Burgos waren. Dieser formale Unterschied wirkte sich anscheinend nicht auf das praktische Handeln aus – Maria Luisa und ihre camarera mayor trieben beispielsweise erfolgreich Subsidien ein564 –, sondern nur auf die Art der Darstellung. Gegenüber der Marquise betonte die Princesse nun fortlaufend, dass sie beide keinen Einfluss auf die Geschäfte nähmen: Da sich „die Königin in keine einzige Angelegenheit, welcher Art sie auch sei, einmischt“ (ne s’y mêle d’aucune affaire), könnten sie die Ruhe genießen565. Offensichtlich ging es der Princesse darum, Maria Luisa unangreifbar zu machen, zumindest gegenüber Versailles: „Weder die Königin noch ich mischen uns in irgendetwas ein. Auf diese Weise darf Ihre Majestät für nichts beschuldigt oder gelobt werden, was der König und sein Rat (conseil) gegenwärtig tun.“566 Doch Madame de Maintenon sah es in diesem Fall ganz anders: Sie könne „die Abneigung, die Sie gegenüber den affaires haben, nicht nachvollziehen. Die Königin und Sie sind geeignet sich einzubringen.“567 Hier sei auf den Widerspruch zu ihren bereits beschriebenen Äußerungen über die Aufgaben von Frauen hingewiesen. Der Umstand, dass Maria Luisa im zweiten Fall nicht die formale Regentin war, schlug sich demnach in der Art nieder, wie die Princesse ihr Handeln gegenüber Versailles darstellte: Weder die Königin noch sie selbst würden sich in die Angelegenheiten einmischen. Die Rolle als Beraterin tritt bei der Princesse des Ursins noch expliziter hervor als es bei Madame de Maintenon der Fall ist. Sie selbst verwendete häufig den Begriff „beraten“ (conseiller)568, wenn sie erklärte, wie sehr Maria 563 Vgl. Ursins an Maintenon, Burgos, 7.7.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 85. 564 Vgl. Ursins an Maintenon, Burgos, 15.7.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 88. 565 „Cependant, parque grâce à Dieu, la Reine ne s’y mêle d’aucune affaire de quelque nature que ce soit on ne laisse pas d’y gouter une tranquillité qui met à son aise, […].“ Ursins an Maintenon, Burgos, 17.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 122. 566 „La Reine, ni moi, ne nous mêlons de rien du tout. Ainsi Sa Majesté ne doit ni être blâmée, ni être louée de tout ce que le Roi et son conseil font dans le temps présent.“ Ursins an Maintenon, Burgos, 30.9.1706, BL Add. Ms. 20918, f 128. 567 „Je ne saurais entrer dans l’opposition que vous avez pour les affaires. La Reine et vous êtes propres à vous en mêler; […].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 2.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 131. 568 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 30.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 34. Sie beriet die beiden auch hinsichtlich militärischer Befehlshaber, so sprach sie sich etwa für
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Luisa und Philipp V. angesichts ihres jungen Alters sie brauchten. Ihr Alter und ihre Erfahrung waren wichtige Kriterien für ihre Beraterrolle, die ausschlaggebende Kategorie war jedoch ihre Nähe zum Königspaar und das damit verbundene Vertrauen. Auf die zentrale Bedeutung der confiance wurde bereits im Zusammenhang ihrer Ankunft bei Hof eingegangen. In den Instruktionen an den französischen Botschafter war explizit formuliert gewesen, dass die camarera mayor der Königin eine Französin sein müsse, damit sie die Ansichten der Königin in Erfahrung bringen und sie nach den Vorstellungen Versailles’ beeinflussen könne569. Mit dem „vollständigen Vertrauen“ (entière confiance), welches das Königspaar der Princesse entgegenbrachte, begründete auch der französische Botschafter, warum die Madame des Ursins in Madrid gebraucht werde570. Daher wurde die Princesse auch nicht müde, auf diesen Umstand sowie auf ihre Verbundenheit (attachement) hinzuweisen571. Genau wie bei Madame de Maintenon war es also ebenfalls maßgeblich ihre Nähe zum Königspaar, auf der sich ihre Rolle als dessen Beraterin gründete. Doch auch der Marquise gegenüber formulierte sie schon in ihren ersten Briefen ohne Umschweife ihre Ratschläge. So schlug sie ihr beispielsweise nach dem Verlust Barcelonas im Oktober 1705 eine neue militärische Strategie vor: Man könne – nun da die feindliche Flotte an der provenzalischen Küste ungefährlich sei, in Aragon zusätzliche Truppen ausheben. „Meine Ansicht wäre“ (mon sentiment serait que), so schreibt sie unmissverständlich, dass mit weiterer Unterstützung französischer Infanterie der spanische König selbst Katalonien unterwerfen könne, man dürfe jedoch keine Zeit verlieren572. Wenige Tage später legte sie der Marquise eine Kopie ihres letzten Antwortschreibens an Torcy bei. Es beinhalte „einige Erklärungen über die gegenwärtige Verfassung der Geschäfte dieses Landes,“ über die die Marquise informiert sein solle573. Bei dem Schreiben handelt es sich um eine klare und detaillierte Analyse der politischen und militärischen Situation der spanischen Monarchie, die auch den Maréchal de Berwick aus: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.9.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 325; oder für den Maréchal de Villeroy: Ursins an Maintenon, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 244; Ursins an Maintenon, o.O., 15.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 286. 569 Vgl. RDI Espagne II (Marsin), 68. 570 Vgl. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 30.4.1709, MAE CP Espagne 189, f. 215. 571 Vgl. bspw. Ursins an Maintenon, Madrid, 10.6.1709, Correspondance (Loyau), 196; Ursins an Maintenon, Madrid, 12.6.1709, Correspondance (Loyau), 203. 572 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 30.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 33–34. 573 „Elle [la lettre à Torcy, A.d.V.] contient quelques éclaircissements sur la constitution présente des affaires de ce pays-ci dont il est bon que vous soyez informée [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 35.
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konkrete Handlungsvorschläge beinhaltet574. Die Princesse machte ihre eigenen Ansichten deutlich: „Ich denke, dass [...] und ich denke auch dass [...].“575 Dass ihre Worte auch den französischen König erreichen würden, war Teil des Spiels. Die Princesse beriet also indirekt auch Ludwig XIV. – via Madame de Maintenon und Staatssekretär Torcy576. Auch in den Briefen der Princesse findet sich der Diskurs des „Herrscherlobs“, der das Königspaar ehren und zugleich etwas von seinem Glanz auf die Princesse zurückwerfen sollte. Häufig nannte sie die Königin eine „gute Christin“ und „liebende Ehefrau“577, oder schlicht die „perfekte Königin“578 – Formulierungen, die die Marquise zumeist aufgriff. Bei Philipp V. galt es, seine Eignung zum Herrschen zu betonen: Die Princesse lobte seinen Mut und seine Entschlossenheit579, seine Autorität580, seine militärische Fähigkeiten581 und seine Klugheit582. Insbesondere als seine Autorität beim spanischen Hochadel noch nicht gesichert war, betonte die Princesse in beinahe jedem Briefe, wie sehr er sich in seinem jungen Alter als König verdient mache: Die großen Qualitäten habe er schon, nun fehle ihm nur noch das Selbstbewusstsein583. Die Marquise erkundigte sich ihrerseits bei der Princesse, ob er Entscheidungen träfe, präsent sei und sich in die Geschäfte einbringe, „mit einem Wort, seine Rolle erfüll[e].“584 Damit griffen die beiden Frauen einen Topos auf, der vor dem Hintergrund der Regierungspraxis der spanischen Könige des 17. Jahrhunderts gesehen werden muss. Diese hatten den Ruf, stets unter 574 Vgl. Ursins an Torcy, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 34–36. 575 „Je crois que [...] et je crois aussi [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 35–36. 576 Bspw. war die Neubesetzung des despacho, die Ludwig XIV. seinem Botschafter im Juni 1705 mitteilte, auf ihren Vorschlag erfolgt: „La Princesse des Ursins a proposé ce que je vous écris.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 14.6.1705, Amelot (Girardot), 58. 577 Beispiel für beides: Ursins an Maintenon, Madrid, 17.3.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 54. Oder: Die Königin sei die Ehre ihres Geschlechts und der Fürstinnen ihres Ranges: Maintenon an Ursins, Versailles, 23.12.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 167. 578 La reine parfaite: Maintenon an Ursins, Versailles, 22.3.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 37. 579 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 215. 580 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 3.9.1705, BL Add. Ms. 20918 f. 18. 581 Bspw.: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 29.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 61–62. 582 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 215. 583 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 353–354. 584 „Vous ne m’avez point répondu sur la question que je vous faisais par rapport au Roi Catholique. Je vous demandais, Madame, s’il continue à parler, à décider, à se montrer, à se mêler de ses affaires, et en un mot à faire son personnage.“ Maintenon an Ursins, o.O., 23.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 300.
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dem Einfluss eines mächtigen Günstlings gestanden zu haben585. Es galt daher, die Selbstständigkeit und die Autorität des Königs zu betonen. Des Weiteren klingt der Topos der „Alleinherrschaft“ an586. Ebenfalls Tradition hatte die Darstellung der „Einheit des Königspaars“, das als perfektes Ehepaar symbolisch für die „Ehe“ zwischen dem Monarchen und seinem Volk stand. Um ein positives Bild der Herrschaft Philipps V. und Maria Luisas zu vermitteln, pries die Princesse des Ursins daher auch die Harmonie zwischen beiden587. Besonders auffällig ist dies im Januar 1707, als sich die Frage stellte, ob Philipp V. sich an die Spitze seiner Armeen setzen sollte. Die Princesse betonte, dass es das erste Mal sei, dass das Königspaar unterschiedlicher Meinung sei, und überließ es der „Klugheit“ der Marquise, wie sie mit dieser vertraulichen Information umginge588. Genau wie ihre Briefpartnerin am französischen Hof bemühte sich die Princesse des Ursins in ihren Briefen nach Versailles, Kritik vom spanischen König abzuwenden, indem sie seinen „untreuen Untertanen“589 die Schuld an militärischen oder politischen Problemen gab. Da Erfolg und Misserfolg des jungen Königspaars aufs Engste mit den Verdiensten der Princesse selbst verbunden waren, ist das Herrscherlob häufig mit der Rechtfertigung des eigenen Verhaltens verknüpft: Den Vorwurf, den König „einzusperren“, der ihr nach dem Tod der Königin angelastet wurde, konterte die Princesse mit einer Beschreibung der „wahrhaftigen Situation unseres Hofes“. Einen nach dem an-
585 Von Thiessen bezeichnet das 17. Jahrhundert als „Zeitalter des Günstling-Minister bzw. Favoriten“ (spanisch: validos). Kein König habe vor Philipp V. auf den „zweiten Mann im Staat“ verzichtet: von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 182. 586 Dieser Topos ist bspw. in den Instruktionen Ludwigs XIV. an Philipp V. zu finden, in denen es im 33. und letzten Artikel heißt: „Je finis par un des plus importants avis que je puisse vous donner: ne vous laissez pas gouverner; soyez le maître; n’ayez jamais de favori ni de premier ministre; écoutez, consultez votre conseil, mais décidez. Dieu, qui vous a fait roi, vous donnera les lumières qui vous sont nécessaires tant que vous aurez de bonnes intentions.“ Louis XIV, Mémoires. Suivi de Réflexions sur le métier de Roi. Instructions au duc d’Anjou. Projet de harangue, hrsg. v. Jean Longnon, Paris 32001, 286. 587 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 17.3.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 54. 588 „Sa M[ajes]té laisse à votre prudence, Madame, de faire tel usage que vous jugerez à propos de ce que j’ai l’honneur de vous confier de sa part.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 10.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 175. 589 „Quelle est la disgrâce des rois de ne pouvoir tant faire par eux-mêmes? S[a] M[ajesté] C[atholique] étant trahie par plusieurs de ses sujets dont elle devoir se promettre le plus de fidélité.“ Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.10.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 56.
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deren entkräftigte sie jeden einzelnen Kritikpunkt590 und schloss mit dem Lob des Königs, in dem die gebräuchlichen Stereotypen anklingen591. Agentin des französischen Königs „Endlich habe ich es erreicht, Sire, mich einmal in meinem Leben als für den Dienst an meinem König und Wohltäter eingesetzt zu betrachten.“592
Als camarera mayor stand die Princesse zwar in den Diensten des spanischen Königspaars, ausgewählt und entsendet worden war sie jedoch vom französischen König.Von ihm war sie abhängig und ihm war sie Rechenschaft schuldig. Ihre Korrespondenz mit Madame de Maintenon stellte dabei den sichersten Weg zu seinem Ohr dar. Die Princesse bezeichnete sich selbst als „treue Untertanin“ (sujette fidèle)593 des französischen Königs, die ihm in höchstem Maße verbunden (attachée)594 sei, in keiner Weise auf eigene Vorteile bedacht (désinteressée)595 und vom spanischen Hochadel wohlgelitten596. Ihr Interesse gelte ausschließlich dem 590 Diese lauteten: Sie habe ihn erstens „auf dem Land festgehalten“ (enfermé dans la campagne), halte ihn dort zweitens von allen bis auf den Duque de Medinaceli fern und habe drittens dafür gesorgt, dass im consejo nur noch Fremde säßen: Ursins an Maintenon, Pardo, 20.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 253–254. 591 „Le Roi d’Espagne est très éclairé et très bon, et sait parfaitement bien ce qui et jusqu’où il doit pousser ses bontés et sa confiance ayant une connaissance entière de ses sujets. Néanmoins, M[adame], il a une si grande envie d’avoir une entière approbation du Roi et par conséquent de vous que je crois qu’il n’oubliera rien pour se l’attirer.“ Ursins an Maintenon, Pardo, 20.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 253–254. 592 „Me voilà enfin parvenue, Sire, à me voir employée une fois en ma vie pour le service de mon Roi et de mon bienfaiteur.“ Ursins an Ludwig XIV., Rom, 21.6.1701, MAE CP Rome 421, f. 433. 593 Als ihr einziger Fehler gelte in Madrid, eine gute französische sujette zu sein, was sie tatsächlich am besten könne: Ursins an Maintenon, Madrid, 1.9.1709, Correspondance (Loyau), 265. 594 Beispiel: „En vérité, Madame, rien n’est plus douloureux, et les personnes qui ont l’honneur de leur être attachées autant que nous le sommes vous et moi, [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 31.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 306; Antwort: „Oui, certainement, Madame, vous et moi souffrons un peu de notre fidèle attachement.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 313. 595 Sie nehme schon lange keine Geschenke mehr an: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 373–374. 596 Bspw.: Ursins an Maintenon, o.O., 22.9.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 291.
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Wohl des Königs und der Nation (pour le bien du Roi/de la nation)597 bzw. dem Dienst an beiden Königen (au service de deux Rois)598. Die Formulierung pour le service du Roi war Verpflichtung und Legitimation zugleich und diente sowohl Amtsträgern als auch adeligen Getreuen beiderlei Geschlechts als vielseitig einsetzbares Argument. Diese Inszenierungen traten meist in Zusammenhang mit der Rechtfertigung des eigenen Handelns auf. Der Ausdruck „Dienst an beiden Königen“ verweist auch auf ein Konfliktpotential, das sich aus der doppelten Loyalität der Princesse ergab. Daher war es ihr stets wichtig, auf die Verbundenheit der beiden Kronen hinzuweisen: „Denn, Madame, der Untergang Spaniens wäre der Untergang Frankreichs.“599 Die Frage der „nationalen“ Zugehörigkeit der Princesse zieht sich wie ein roter Faden durch die Korrespondenz mit Madame de Maintenon. Die Herausforderung war, zugleich „gute Französin und gute Spanierin“600 zu sein. Mit diesen Zuschreibungen konnte indes flexibel argumentiert werden: Mal lobte die Marquise die Princesse als gute Französin, mal erinnerte sie sie warnend an ihre Herkunft. Enttäuscht über das Verhalten der Princesse im Jahr 1710 warf sie ihr vor, dass ihr Frankreich gleichgültig601, schließlich, dass sie „nicht mehr französisch“602 sei. Auch wenn man, so Madame de Maintenon einmal, unterschiedlicher Meinung sei was die militärischen Strategien beträfe, sei die Princesse doch schließlich mindestens ebenso Französin wie Spanierin603. Wie eine Warnung klingt einige Monate später der Hinweis, dass man in Versailles der Princesse vorwerfe, „eher Spanierin als Französin zu sein“604.
597 Vgl. Ursins an Ludwig XIV., Rom, 21.6.1701, MAE CP Rome 421, f. 433. 598 „L’entière application que j’ai au service de deux Rois.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 23.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 44. 599 So geschehen im Jahr 1707: „Ce Prince et la Reine méritent certainement un sort plus heureux que celui qu’ils ont eu jusqu’à cette heure, et que le Roi leur grand-père les soutienne où il les a placés. [...] Car, Madame, la perte de l’Espagne serait celle de la France.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 310. 600 „Les intérêts du Roi et de la Reine d’Espagne me touchent pas moins que ceux de la France, et quoique j’y pense incessamment, je ne comprends pas comment tout cela pourra se démêler. Vous êtes à plaindre, Madame, vous qui êtes bonne Française et bonne Espagnole.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.10.1706, BL Add. Ms. 20918, f. 159. Ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 10.6.1709, Correspondance (Loyau), 196; Ursins an Maintenon, Madrid, 12.6.1709, Correspondance (Loyau), 203. 601 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.5.1710, Add. man. 20919, f. 296. 602 Maintenon an Ursins, Marly, 2.6.1710 Add. man. 20919, f. 297. 603 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 6.7.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 303. 604 „Bien des gens vous blâment d’être plus Espagnole que Française.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 24.11.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 15.
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Diese Rhetorik diente der Marquise auch als Lob und Mahnung605 oder als Druckmittel: Als man davon ausging, dass die hartnäckigen Bemühungen der Princesse um die ihr versprochene Herrschaft den Friedensprozess blockierten, merkte die Marquise drohend an: „Wenn das so ist, hoffe ich, dass Sie sich erinnern, dass sie Französin sind.“606 Die Selbstbeschreibungen der Princesse bei öffentlichen Feiern oder Zeremonien zielten in erster Linie darauf ab, die eigene Würde hervorzuheben. Auf diese Weise ist die Beschreibung ihrer Rückkehr nach Spanien im Jahr 1705 zu verstehen: „[...] schließlich hat man überall unter meinen Fenster getanzt und man hat Feuerwerke gezündet, als ob ich die Königin wäre oder den Frieden nach Spanien gebracht hätte.“607 Jedes Dorf, so die Princesse weiter, habe sein Wappen gezeigt und sie mit einer Eskorte geehrt. Ihre Rückkehr sei nun doch Gottes Wille gewesen, habe den Wünschen „der ganzen Nation“ und „dem Wohl aller“ entsprochen – zur Steigerung der Authentizität ihres Berichtes beließ sie diese Worte auf Spanisch (de toda la nation y para el bien de todos)608. Würde (dignité) und Adel (noblesse) – diese Eigenschaften waren bereits im Jahr 1700 als wichtige Voraussetzung einer camarera mayor hervorgehoben worden609, und in diese Richtung zielten viele Berichte der Princesse des Ursins610. Madame de Maintenon bestätigte die Princesse in ihrer Selbstdarstel605 Nach einer erfolgreichen Verhandlung der Princesse und des französischen Botschafters im Jahr 1711 bestätigte ihr Madame de Maintenon, sie nunmehr wieder als Französin zu erkennen, um sie jedoch unmittelbar danach daran zu erinnern, ihr Werk – die endgültige Unterzeichnung der Friedensverträge – nun auch zu vollenden: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 20.9.1711, BL Add. Ms. 20920. f. 67; ähnlich auch: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 11.10.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 71. 606 „On dit toujours qu’elle [la paix, A.d.V.] dépend de vous. Si cela est, j’espère que vous vous souviendrez que vous êtes Française.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 23.5.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 63. Siehe hierzu ausführlich Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V.). 607 „[E]nfin, Madame, on a dansé partout sous mes fenêtres et on a tiré des feux d’artifice comme si j’avais été la reine ou comme si j’avais apporté la paix en Espagne; [...].“ Ursins an Maintenon, Vitoria, 21.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 7. 608 „[I]l n’y en a aucun qui ne m’ait dit que Dieu avait accordé mon retour a los deseos de toda la nation y para el bien de todos.“ Ursins an Maintenon, Vitoria, 21.7.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 7. Ähnlich triumphal beschrieb sie auch ihren Empfang in Madrid: Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 10. 609 Vgl. Kapitel I.1.2. (Pour le service de mon Roi: Die Princesse des Ursins in Madrid). 610 Etwa ihr Bericht über die Taufzeremonie des spanischen Thronfolgers am 12. Dezember 1707, bei der Erfolg und Kontinuität der bourbonischen Herrschaft wirkungsvoll inszeniert wurden. Der Princesse zufolge sei ihr selbst die Ehre zu gekommen, den Thronfolger während der Zeremonie zu halten. Sie habe lediglich bedauert, schon
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lung: Eine grand personnage611 nannte sie sie bisweilen, ein Begriff, der zeitgenössisch in diesem Sinne nur für Männer verwendet wurde612. Auf diese Weise inszenierte sich die Princesse des Ursins als besonders würdige Untertanin des französischen Königs; die Ehre, die man ihr zuteil werden ließ, fiel auf Ludwig XIV. selbst zurück. In ihrem Selbstverständnis handelte sie als sujette im Dienst des Königs (employée pour le service du Roi). Zugleich stellte sie sich als seine zuverlässigste Informantin in Madrid dar: Man sollte in Versailles, so ihre Worte an Madame de Maintenon, ausschließlich ihr und dem Botschafter und den von ihnen gelieferten Informationen vertrauen613. Wenn die Princesse in ihrem Selbstverständnis also im Dienst des französischen Königs handelte und ihr außergewöhnliche Ehren zukamen, dann stellt sich unweigerlich die Frage, wie sie ihr Verhältnis zum formalen Vertreter des Königs, dem französischen Botschafter, darstellte. „Kollegin“ 614 des Botschafters „Wir [der Botschafter und ich, A.d.V.] würden hundert Jahre zusammen bleiben, und Sie, Madame, müssen nicht ein Mal fürchten, dass wir nicht voll und ganz übereinstimmen. Ich kann Ihnen versichern, dass unsere gegenseitige Zufriedenheit noch zunimmt, je besser wir uns kennen lernen.“615 „alt und hässlich“ zu sein, was sie aber – so die geschickte Umdeutung dieses Makels in eine viel bedeutendere Qualität – mit umso mehr noblesse ausgleichen wolle: Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 29.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 320 und Ursins an Maintenon, Madrid, 12.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 373–374. 611 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 12.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 212. 612 „PERSONNAGE. f.m. Personne. En ce sens il ne se dit que des hommes & point des femmes. […] Alexandre était un grand personnage. […].“ [Hervorhebung im Original], Furetière, Dictionnaire (1701/3), 210. http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 25.1.2011]. 613 Vgl. etwa: „Tout ce long discours pouvait se réduire à deux paroles: N’écoutez que nous, et ne croyiez que nous.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 26.9.1707, BL Add. man. 20918, f. 333–334. 614 In Anlehnung an François de Callières, der in seinem Traktat „De la manière de négocier avec les souverains“ (1716) darauf hinweist, dass ein Botschafter einen habile collègue brauche. Vgl.: Ausgabe in Waquet, Jean-Claude, François de Callières. L’art de négocier en France sous Louis XIV., Paris 2005, Annexe: De la manère de négocier avec les souverains, 175–267, hier 196. Die moderne Bezeichnung „Kollegin“ hat den Vorteil, dass sie auf ein gleichrangiges Verhältnis verweist, etwa im Gegensatz zu „Mitarbeiterin“. 615 Bsp.: „Nous [M. l’ambassadeur et moi, A.d.V.] demeurerions cent ans ensemble que vous ne devez pas appréhender, Madame, que vous ne soyons pas parfaitement d’accord. Je peux vous assurer que notre satisfaction réciproque augmente à mesure que nous nous connaissons d’avantage.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 23.10.1705, BL
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Wenn die Princesse das Loblied auf die Harmonie zwischen ihr und dem Botschafter anstimmte, so ist dies vor dem Hintergrund der Erwartung von Seiten der französischen Krone zu verstehen. Beide bekamen regelmäßig Anweisungen, sich miteinander zu beraten und sich gegenseitig zu unterstützen – der Botschafter vom König bzw. vom Staatssekretär616, die Princesse von Madame de Maintenon oder auch von Torcy: „Sie wissen, Madame, dass ich mit außerordentlicher Freude die Zusammenarbeit und die gute Verständigung zwischen Ihnen und dem Botschafter bemerke. Sie ist nötiger denn je in Zeiten, in denen die politischen Angelegenheiten so ernst werden.“617 In den Anweisungen an den französischen Botschafter Amelot ist zu lesen, dass „Einigkeit und [...] gegenseitiges Vertrauen“618 zwischen dem Botschafter und der Princesse gewünscht seien. Denn die exzellente Zusammenarbeit zwischen den beiden bestimme maßgeblich den Erfolg der französischen Einflussnahme am spanischen Hof. Dementsprechend verwies die Princesse gegenüber Madame de Maintenon häufig auf ihre „Einigkeit“ (union) und die „perfekte Zusammenarbeit“ (concert parfait). Diese rhetorischen Figuren wurden meist als Rechtfertigung gebraucht. Sie treten geballt im Jahr 1705 auf, als die Princesse gerade erst nach Madrid zurückgekehrt war, nachdem sie – unter anderem aufgrund der missglückten Zusammenarbeit mit dem vorherigen Botschafter d’Éstrées – in Ungnade gefallen war. Einerseits betonte sie, wie zufrieden das spanische Königspaar mit dem von ihr ausgewählten Botschafter Amelot und einem weiteren Agenten Jean Orry sei. Andererseits suchte sie die Absicherung der Marquise, um diesen Botschafter „unterstützen“ (seconder) zu können619. Ihre immer wiederkehrenden Verweise auf die Depeschen des Botschafters und die Briefe des Königs sollten die enge inhaltliche Abstimmung Add. Ms. 20918, f. 32; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 25.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 247. 616 Exemplarisch: RDI Espagne II (Amelot), 140. 617 „Vous savez, Madame, que je vois avec un extrême plaisir le parfait concert et la bonne intelligence qui est entre vous et M. l’ambassadeur. Elle est plus nécessaire que jamais dans un temps ou les affaires deviennent aussi sérieuses.“ Torcy an Ursins, Fontainebleau, 5.10.1705, MAE CP Espagne 148, f. 181. 618 „Le sieur Amelot est témoin de la promesse solennelle qu’elle a faite au Roi d’agir en tout d’un parfait concert avec l’ambassadeur de Sa Majesté [...]. Le Roi veut aussi que le sieur Amelot y réponde par une union et par une confiance réciproques.“ Note pour M. Amelot, de la Princesse des Ursins, o.O., n. dat., Amelot (Girardot), 4. 619 „Quand je serai sure que vous penserez de la sorte, je me trouverai dans une tranquillité d’esprit qui me mettra bien plus en état de seconder M. Amelot et de mériter par une application entière aux affaires d’Espagne [...].“ Ursins an Maintenon, Bordeaux, 7.7.1705, f. 1–2.
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zwischen dem französischen Botschafter, dem spanischen Königspaar und der Kammerdame verdeutlichen620. Auch im Jahr 1709 bedurfte es offensichtlich dieser Versicherung. Immer wieder machte die Princesse explizit, dass sie die Briefe des Botschafters kannte und sich mit ihm besprach621. Außerdem fand sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit anerkennende Worte für die Arbeit des Botschafters und hob ihre gute Zusammenarbeit hervor622. Gerade wenn das Verhältnis zu Madame de Maintenon gespannt und der Fortlauf der Korrespondenz in Frage gestellt wurde, häuften sich derartige Bemerkungen. Der drohende Friedensschluss, der einen sofortigen Rückzug der französischen Unterstützung für Madrid bedeutet hätte, brachte sie im April 1709 in die unangenehme Situation, nicht zu wissen, wie sie sich verhalten sollte. In einem ihrer Briefe wies sie zunächst darauf hin, dass die Briefe der Marquise seltener und kürzer würden, um im Anschluss daran verstärkt ihre enge Übereinstimmung mit dem Botschafter hervorzuheben, die den französischen Einfluss am spanischen Hof garantieren sollte623. Diese Möglichkeit der Einflussnahme – dies wird zwischen den Zeilen deutlich – könne sich die Marquise doch nicht entgehen lassen. In ihren Briefen an Madame de Maintenon schrieb die Princesse niemals in einer unvorteilhaften Weise über den französischen Botschafter: Ihre Zusammenarbeit mit Brancas beispielsweise, der von 1711 bis 1713 dieses Amt innehatte und der weder in ihren, noch in den Augen des Königspaars Gnade fand, thematisierte sie schlicht gar nicht. Eine geschlechterspezifische Rückzugsrhetorik, wie sie bei Madame de Maintenon zu finden ist, lässt sich bei der Princesse nur gegenüber anderen 620 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 11. 621 Siehe bspw.: „Comme je crois, Madame, que le Roi d’Espagne et M. l’ambassadeur mandent au Roi [...], je ne vous en ferai point le détail.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 17.12.1708, Correspondance (Loyau), 68; oder: „Il serait inutile, Madame, que j’entrasse de mon côté dans ces détails puisque vous saurez de quoi il est question par ses dépêches [des Amelot, A.d.V.].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1709, Correspondance (Loyau), 105; oder: „Il ne me reste plus, Madame, qu’à vous répondre sur la cabale [...], M. l’ambassadeur l’a fait en ma place, ayant écrit une longue lettre à ce sujet à la cour,“ Ursins an Maintenon, o.O., 20.-25.2.1709, Correspondance (Loyau), 118 und 121; oder: „M. l’ambassadeur est du même sentiment [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.3.1709, Correspondance (Loyau), 127; ähnlich: Ursins an Maintenon, Madrid, 24.6.1709, Correspondance (Loyau), 209. 622 Vgl. bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.1.1709, Correspondance (Loyau), 89; dies. an dies., Madrid, 1.7.1709 (216 f.); dies. an dies., Madrid, 19.8.1709 (252); dies. an dies., Madrid, 26.8.1709 (257). 623 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 28.4.1709, Correspondance (Loyau), 171.
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– männlichen – Briefpartnern finden624, nicht aber gegenüber der Marquise. Wenn die Princesse des Ursins – etwa nach einer ausführlichen Beurteilung der militärischen Situation – die Marquise um Entschuldigung bat, weil sie sich zu einem Thema außerhalb ihrer Reichweite geäußert habe625, dann begründete sie dies nicht mit ihrer Geschlechtszugehörigkeit, sondern schlicht mit ihrer „Reichweite“ (portée). Es handelt sich also um eine geschlechtsunabhängige Bescheidenheitsfloskel626. Vielmehr schien die Princesse des Ursins ihre Briefpartnerin ermutigen zu wollen, sich einzumischen, was durchaus logisch erscheint, wenn man sich vor Augen führt, dass die Marquise ihre beste und direkteste Zugangsmöglichkeit zum König darstellte. So drückte sie im Jahr 1709 ihre Verärgerung darüber aus, dass Madame de Maintenon ein von ihr empfohlenes mémoire, das neue Finanzierungsmöglichkeiten für den Krieg vorsehen sollte, nicht selbst gelesen hatte: „Ich bin verärgert, dass Sie dieses mémoire nicht gelesen haben, es hat nichts an sich, was undurchsichtig wäre oder die Fähigkeit unseres Geschlechts übersteige.“627 Enttäuscht über die kategorische Ablehnung verfasste die Princesse einen langen Brief, der eine präzise und reflektierte Darstellung der Ereignisse seit Anfang des Jahres darstellt628. Daraufhin verwies Madame 624 So schwächte sie bspw. in einem Brief an Torcy nach einer langen und ausführlichen Beurteilung der militärischen Strategie eine mögliche Kompetenzüberschreitung mit den Worten je parle en femme ab: Ursins an Torcy, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 60. Andere Beispiele: Ursins an Chamillart, Madrid, 6.12.1705, Ursins (Geffroy), 221; Ursins an Tessé, Madrid, 29.6.1710, Ursins (Masson), 5; Ursins an Tessé, Madrid, 25.4.1712, Ursins (Masson), 23; Ursins an Tessé, Madrid, 25.2.1713, Ursins (Masson), 39f.; Ursins an Vendôme, Madrid, 8.9.1710, Ursins (Geffroy), 397; Ursins an Villeroy, Madrid, 10.3.1710, Ursins (Léopold-Collin), 101. 625 „Pardonnez-moi, je vous prie, si je me mêle de raisonner sur une matière si fort au dessus de ma portée. Il faut tout mon zèle pour hasarder cet article et je vous prie très humblement de le supprimer s’il peut déplaire.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 27–29. 626 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 21.1.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 182. Oder im Jahr 1708: Sie könne die Verteidigungsstrategie des Maréchal de Boufflers nicht nachvollziehen, würde sich damit aber in ein Thema einmischen, das derart wichtig sei und sie derart überfordere: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.9.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 63–64; ähnlich auch nach der Kapitulation im Jahr 1708: Die Princesse erklärt in ihrem Brief an Madame de Maintenon im Detail, dass die schlechte Verständigung zwischen den Generälen schuld gewesen sei, es jedoch nicht an ihr sei, darüber zu urteilen: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.11.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 66–67. 627 „Je suis bien fâchée que vous n’ayez pas lu ce mémoire, il n’avait rien d’obscur ni qui passât la portée de notre sexe.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 24.11.1709, Correspondance (Loyau), 341. 628 Ursins an Maintenon, Madrid, 11.11.1709, Correspondance (Loyau), 326–333.
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de Maintenon erneut auf die gesellschaftliche Ordnung: Sie würde es nicht wagen, den Brief der Princesse vorzuzeigen, da man es in Frankreich nicht schätze, wenn Frauen über die affaires sprächen629. Offensichtlich sah sie keine Möglichkeiten mehr, sich für das Anliegen der Princesse einzusetzen – oder wollte es schlichtweg nicht. Die Antwort der Princesse soll in ganzer Länge zitiert werden, da sie eines der raren Beispiele darstellt, in denen die Geschlechterordnung in Frage gestellt wird630: „Umso besser, wenn man es in Frankreich nicht schätzt, dass Frauen über die Geschäfte sprechen, wir werden den Männern einige Dinge vorzuwerfen haben, da wir ja keinen Anteil an ihnen gehabt haben werden. Das Unglück ist, dass gewisse Frauen mehr Ehre haben als [die Männer], und dass deren Fehler uns zu Märtyrern dieser Welt machen. [...] Liegt nicht darin der Grund für all unser Unglück? Verzeihen Sie mir diesen schlechten Scherz.“631
Die Princesse des Ursins stellte sich also als zuverlässige und einflussreiche Agentin des französischen Königs dar, die sich trotz ihrer Loyalität zum spanischen Königspaar weiterhin mit Frankreich identifizierte. Sie hob ihren unbeschränkten Zugang zu Maria Luisa und Philipp V. hervor und versuchte, Bedenken um ihre Integration am spanischen Hof rechtzeitig zu zerstreuen. Bei ihr finden sich in der Korrespondenz mit Madame de Maintenon kaum Zuschreibungen zur „Ohnmacht“, was vermutlich damit zusammenhing, dass sie als Agentin des Königs in viel stärkerem Maße legitimationsbedürftig war, als es Madame de Maintenon als dessen morganatische Ehefrau war. Dass allerdings dieselbe Rhetorik wie bei Maintenon in ihren Briefen an Torcy oder Villeroy zu finden ist, weist erneut auf den strategischen Charakter dieser Selbstinszenierung hin.
629 „Je n’oserais montrer votre lettre, on n’aime pas ici que les dames parlent d’affaires, [...].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.11.1709, Correspondance (Loyau), 343. 630 Koch etwa verweist darauf, dass „Zweifel daran, dass die Welt in ihrer geschlechtsspezifischen Hierarchie nicht richtig ist, auch indirekt nirgends geäußert [werden].“ Koch, Maior dignitas, 211. 631 „Tant mieux si on n’aime pas en France que les femmes parlent d’affaires, nous aurons bien des choses à reprocher aux hommes, puisque nous n’y aurons point eu de part. Le mal est que certaines femmes ont plus d’honneur qu’eux, et que leurs fautes nous rendent martyres de ce monde. [...] Ne serait-ce pas cela la cause de tous nos malheurs? Passez-moi s’il vous plaît cette mauvaise plaisanterie.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 16.12.1709, Correspondance (Loyau), 351.
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„Im Ruf von Macht zu stehen ist Macht.“632 Thomas Hobbes’ vielzitierte Worte bringen auf den Punkt, was die beiden Frauen unter anderem mit ihren Briefen bezweckten und was ihren Selbstdarstellungen gemeinsam war: die Betonung ihrer Nähe zu den Herrschenden, dem bedeutendsten Machtfaktor am frühneuzeitlichen Hof. Sowohl Madame de Maintenon als auch die Princesse des Ursins stellten sich als intime Vertrauenspersonen der Herrscher dar, als deren erste Ansprechpartner, Berater und emotionale Stützen. Dadurch machten sie ihrem Gegenüber einerseits die eigene Machtposition, andererseits den Nutzen ihrer Verbindung deutlich: Als Kennerin der sentiments du Roi bzw. de la Reine pflegten sie ihren Ruf als „Wissende“, die über die ausschlaggebenden Informationen verfügten und die richtigen Ratschläge geben konnten. Gemeinsam ist den Zuschreibungen der beiden Frauen auch, dass sie sich in erster Linie über den französischen König definierten: Madame de Maintenon als seine Vertraute und die Princesse als seine Agentin. Für Madame de Maintenon war dabei die persönliche Beziehung zu Ludwig XIV. grundlegend; sie konnte sich daher im Kontext der Außenbeziehungen auch als particulière bezeichnen. Dagegen war für die Princesse ihr Einsatz als Agentin und der Dienst für den König ausschlaggebend. Sie inszenierte sich daher als würdige und von spanischer Seite geschätzte Vertreterin des französischen Königs am spanischen Hof. Kontinuierlich betonten sie auch ihre Verbundenheit gegenüber den ihnen anvertrauten jungen Frauen. Ihre Rollen als gouvernante bzw. camarera mayor waren offensichtlich für Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins konstitutiv – beides zeitgenössisch weibliche Rollen633. Geschlechterspezifische Normen kommen in den rhetorischen Rückzugsstrategien der beiden Frauen zum Vorschein: Bei Madame de Maintenon war „Geschlecht“ eine bestimmende Kategorie in ihrer Selbstdarstellung und erweiterte ihre Argumentationsmöglichkeiten. Bei der Princesse finden sich derartige Aussagen nur in anderen Korrespondenzen, gegenüber der Marquise versuchte sie, gegenzusteuern und sie zur „Einmischung“ zu ermuntern, was das strategische Element dieser Rhetorik unterstreicht. Die Unterschiede in ihren Selbstinszenierungen machen Sinn, wenn man sich vor Augen führt, welchen Nutzen man sich an den beiden Höfen von der Korrespondenz der Frauen versprach. Für Ludwig XIV. war sie ein Instrument der Kontrolle und der Einflussnahme auf die spanische Hofpolitik, weshalb Madame de Maintenon ihren Ruf als Kennerin der sentiments du Roi pflegte: man sollte weiterhin auf sie hören. Zugleich galt es, der Princesse und 632 Hobbes, Thomas, Leviathan, hrsg. v. Iring Fletscher, Frankfurt a. M. u.a. 1996, 66. 633 Vgl.: Furetière, Dictionnaire II (1701), 423. http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 25.1.2011].
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dem spanischen Königspaar die Grenzen der Unterstützung des französischen Königs aufzuzeigen, wofür Maintenon die beschriebenen Rückzugsstrategien nutzte. Für das spanische Königspaar war der Briefwechsel in erster Linie ein direkter Zugang zum französischen König, weshalb die Princesse des Ursins darauf bedacht war, die Korrespondenz aufrecht zu erhalten. Sie selbst war für Versailles eine Informationsquelle, weshalb sie ihre guten Beziehungen zum spanischen Adel betonte. Zudem war sie eine Agentin unter mehreren französischen Akteuren in Madrid – daher verwies sie immer wieder auf die gute Zusammenarbeit mit dem Botschafter und den übrigen französischen Akteuren. Sie garantierte zugleich einen direkten Zugang zu Philipp V. und Maria Luisa und achtete daher darauf, ihre Nähe zum Königspaar zu inszenieren. Nicht zuletzt war sie eine Agentin des französischen Königs, weshalb ihr Ansehen unter den Granden und im Volk von Bedeutung war. Im positiven Schreiben über alle drei Herrscher brachten die beiden Frauen Königsbild, Selbstbild und ihr Anliegen in Übereinstimmung634. 3.3. Fremdzuschreibungen Bis hierher standen die Briefe der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins hinsichtlich ihrer Themen und ihrer Funktion im Zentrum des Interesses. Eine Analyse ihrer verschiedenen Selbstdarstellungen hat gezeigt, dass diese dem unmittelbaren Kontext und der Schreibintention angepasst waren. Einmal war es förderlich, die Nähe zum Herrscher und damit die eigene Macht zu betonen, ein anderes Mal wurde der eigene Einfluss minimiert oder gar geleugnet und eine Einmischung in die affaires bestritten – eine Möglichkeit, sich unangreifbar zu machen. Die Grenzen des eigenen Handlungsspielraums markierte Madame de Maintenon in Bezugnahme auf zwei Kategorien: Zum einen grenzte sie die Korrespondenz mit der Princesse des Ursins von den „ordentlichen“ Kanälen ab (Kategorie „Formalität“); zum anderen konstruierte sie einen Unterschied zwischen weiblicher und männlicher Einflussnahme (Kategorie „Geschlecht“)635. Auf diese Weise wies sie eine „Einmischung“ in die politischen Geschäfte von sich.
634 Vgl. auch Engels, Königsbilder, 36 f. 635 Bei der Princesse des Ursins fanden sich diese Rückzugsstrategien nur im Kontext der Regentschaft der Königin und auf sich selbst bezogen nur vereinzelt in Briefen an andere Personen.
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Wie aber wurde die Einflussnahme der beiden Frauen von Dritten wahrgenommen? Wo sahen ihre Verhandlungspartner die Aufgaben der Frauen, wie bewerteten zeitgenössische Beobachter ihren Einfluss? Welche Rolle spielten in diesen Aussagen die Kategorien Formalität und Geschlecht – spielten sie überhaupt eine Rolle? Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Folgenden einerseits die unmittelbar beteiligten Akteure zu Wort kommen: mittels der bereits vorgestellten Instruktionen und Korrespondenzen. Andererseits werden Gesandtenberichte und zeitgenössische Hofmemoiren hinzugezogen, die eine andere Perspektive versprechen636. Die Auswahl der Autoren und Autorinnen erfolgte nach verschiedenen Kriterien637: zeitliche Nähe, relative Ausgewogenheit der Geschlechter und ein möglichst unterschiedlicher Hintergrund, was Herkunft, „Beschäftigung“ und die Beziehung zu den beiden Frauen betrifft. Ihre Aussagen werden sodann in den Kontext zeitgenössischer normativer Vorstellungen gestellt. Je nach ihrer Grundhaltung gegenüber den beiden Frauen lassen sie sich aufteilen in erstens „Verteidigung“, zweitens „inakzeptable Einmischung“ und drittens „selbstverständliche Integration“. 3.3.1. Verteidigung Madame de Maintenon stünde dem König so nah wie kein anderer und sei doch niemals an den politischen Angelegenheiten beteiligt gewesen, sie habe über einen grenzenlosen Einfluss auf ihn verfügt, den sie jedoch nie missbraucht, sondern immer nur zum Besten von Königreich und Herrscher eingesetzt habe – so lassen sich die Darstellungen aus der Feder von vier Frauen zusammenfassen, die allesamt als Klientinnen der Maintenon bezeichnet werden können638. 636 Nach der Fronde erfreute sich das Genre der Memoiren, das zwischen Geschichtsschreibung und Literatur einzuordnen ist, in Frankreich großer Beliebtheit. Primär Mittel der Selbstdarstellung, konnte das Verfassen von Memoiren auch zum Instrument der Abrechnung mit politischen Gegnern und der Obrigkeit werden. Vgl. Kleber, Hermann, Die französischen Memoiren. Geschichte einer literarischen Gattung von den Anfängen bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. (Studienreihe Romania, 14), Berlin 1999. Memoiren zum spanischen Hof sind dagegen kaum vorhanden. Vgl. Baudrillart, Philippe V, 25. 637 Zu den Auswahlkriterien der Quellengattungen siehe Einleitung. 1. Vorgehensweise. Quellen. 638 Für die Princesse des Ursins existieren keine vergleichbaren Darstellungen von Klienten oder Vertrauten.
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Madame de Sévigné639, die seit dem sozialen Aufstieg der Witwe Scarron von ihrer Patronage bei Hofe profitierte, berichtete in ihren Briefen an ihre Tochter über die morganatische Ehefrau des Königs640. Die Autorin war darauf bedacht, die Tugenden der Marquise zu betonen: ihre tiefe Religiosität, ihr aufopfernder Einsatz für St. Cyr und ihre eher freundschaftlich-partnerschaftliche Beziehung zum König. Sie ließ jedoch auch keinen Zweifel an ihrer außergewöhnlichen Position: „Der Platz der Madame de Maintenon ist einzigartig auf der Welt; niemals hat es einen solchen gegeben, niemals wieder wird es ihn geben.“641 Schon im Jahr 1680 bezeichnete sie die damalige Mätresse des Königs als la machine qui conduit tout642. Das Bild, das sie beschrieb, suggeriert eine gewisse Ebenbürtigkeit: Bei ihren stundenlangen Konversationen fände man den König und Madame de Maintenon in einem großen Sessel sitzend vor643. In ganz ähnlichen Ton sind die „Souvenirs“ der Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de Mursay, Marquise de Caylus644 gehalten, einer Nichte Maintenons, die etwa um 1720 deren Leben und Persönlichkeit beschrieb645. Es verwundert nicht, dass sie, die ihrer Tante alles zu verdanken hatte, jene in durchweg positivem Licht darstellte: als eine moralisch standhafte Person, die das Hofleben ablehnt. Sie schrieb Maintenon den „ersten Platzes im Vertrauen des Königs“646 zu, aufgrund dessen sie auf die Vermittlung von Ehren und 639 Ihre Briefe aus den 1640er bis 1660er Jahren sind weitgehend verloren, während der Corpus der Korrespondenz mit ihrer Tochter aus späteren Jahren vermutlich vollständig erhalten ist und zu den Klassikern der französischen Literatur gezählt wird. Berücksichtigt wurden die Briefe aus den Jahren 1684 bis 1696. Zur Person siehe Kapitel I.1.1. (Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles). 640 Sévigné, Madame de, Lettres. 1684–1696, hrsg. v. Émile Gérard-Gailly, 3 Bde., Paris 1953–1963. Vgl. hierzu: Avigdor, Eva, Madame de Maintenon vue par M[ada]me de Sévigné, in: Niderst, Albineana I, 123–132; vgl. auch Gutwirth, Marcel, Madame de Sévigné, classique à son insu, Tübingen 2004. 641 „La place de M[ada]me de Maintenon est unique dans le monde; il n’y a jamais eu, et il n’y en aura jamais.“ Sévigné an Grignan, o.O., 27.9.1684, Sévigné III (Gérard-Gailly), 17. 642 Sévigné an Grignan, o.O., 7.7.1680, Sévigné II (Gérard-Gailly), 770. 643 Vgl. Sévigné an Grignan, o.O., 21.6.1680, Sévigné II (Gérard-Gailly), 753. 644 Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de Mursay, Marquise de Caylus (* 1672, † 1729) war von Maintenon an den Hof geholt, bekehrt, unterrichtet, verheiratet und ihr Leben lang in unterschiedlicher Weise gefördert worden. 645 Les Souvenirs de Madame de Caylus, hrsg. v. Bernard Noel, Paris 21986. Vgl. dazu auch die Auswertung von Garapou, Jean, M[ada]me de Maintenon d’après les Souvenirs de Madame de Caylus, in: Niderst, Albineana I, 57–67. 646 „[…] la première place dans la confiance du Roi.“ Aumale (Haussonville), 69.
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Heiratsallianzen Einfluss nehmen und Posten mit eigenen Vertrauten besetzen könne647. In den Erinnerungen der Marquise de Montespan648 ist aufschlussreich, was die Autorin über ihre eigene Rolle in den affaires während der 1670er Jahre schrieb, als sie selbst maîtresse en titre Ludwigs XIV. war. Sie habe sich zwar für Politik interessiert, sei vom König jedoch nie eingeweiht worden. „[M]an muss glauben, dass der König mich für unbeständiger hielt, als ich es war, denn, trotz der lebhaften Freundschaft, mit der er mich ehrte, erwies er mir niemals die Gunst, mich in die Geheimnisse des Kabinetts oder des Staates einzuführen.“649 Demnach sah Montespan die Freundschaft des Königs als eine Voraussetzung für die Einweihung in die politischen Angelegenheiten; tatsächlich erfolgte diese jedoch nur, wenn er die Person für geeignet, das heißt, für nicht zu leichtfertig hielt. Wohl mit Hinblick auf Madame de Maintenon nannte es Montespan einen Vorteil, sich nicht eingemischt zu haben: In schlechten Zeiten habe ihr niemand den Vorwurf machen können, falsche Ratschläge gegeben zu haben650. Damit verwies sie genau auf die Strategie der Selbstbeschränkung, die bei Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins in ihren eigenen Briefen festgestellt wurde. Etwas ausführlicher soll auf die zwischen 1721 und 1729 verfassten Memoiren der Marie Jeanne d’Aumale eingegangen werden. Sie sind das Werk einer Protegierten, die ihrer Patronin Dankbarkeit und Loyalität schuldet651. Die Tat647 „Madame de Maintenon plaça encore, dans la maison de Madame la Dauphine, Madame de Montchevreuil, femme de mérite, [...] attachée à Madame de Maintenon, à qui il convenait de produire à la cour une ancienne amie, d’une réputation sans reproche, [...].“ Aumale (Haussonville), 71. Auch bei Sévigné finden sich zahlreiche Hinweise auf Madame de Maintenons Tätigkeiten bei der Vermittlung von Posten und der Protektion von Vertrauten. 648 Madame de Montespan, Mémoires de Madame la Marquise de Montespan, 2 Bde., Paris 1829, hier Bd. 1. Zur Person siehe Kapitel I.1.1. (Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles. Maintenons Ankunft bei Hofe beschreibt die Autorin in neutralem Ton. Sie betont sogar, dass sie angesichts der Adelung der Witwe zur Marquise keine Eifersucht empfunden habe, auch wenn jene sie schließlich von ihrem Platz verdrängen sollte, vgl. Montespan, Mémoires, 172. 649 „Par inclination et par goût, j’aurais assez aimé les entretiens et les spéculations de la politique; il faut croire que le Roi m’a jugée plus folâtre, plus légère que je ne le suis; car, malgré la vive amitié dont il m’honore, jamais il ne m’a fait la grâce de m’initier dans les secrets du cabinet et de l’état.“ Montespan, Mémoires, 137. 650 Vgl. Montespan, Mémoires, 138. 651 Aumale selbst stammte aus dem verarmten Adel und wurde von Maintenon nach St. Cyr geholt. Zur Person siehe Kapitel I.2.1. (Rahmenbedingungen).
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sache, dass Aumale ihre Memoiren erst nach dem Tod der Mätresse verfasste, lässt das Werk als eine Art Nachruf erscheinen. Die langjährige Sekretärin und enge Vertraute der Madame de Maintenon zeichnete das Portrait einer großzügigen, tiefgläubigen Frau, die sich nicht nur als Pädagogin und supérieure laïque des Internats von St. Cyr, sondern auch als weitsichtige Ratgeberin auszeichnete. Aumale dementierte jegliche politische Einmischung von Seiten Maintenons und stellte vielmehr ihre Aufgabe als Gesellschafterin und religiöse Ratgeberin des Königs heraus652. Hier beginnen jedoch die Widersprüche: Aumale zufolge habe Madame de Maintenon zwar „über alles“ entschieden, dies aber immer mit Rücksicht auf den König getan und niemals Druck ausgeübt oder insistiert653. Ihre „ständige Sorge, den König zu betrüben“654 habe sie andererseits aber nicht davon abgehalten, natürlich und unbefangen ihre eigene Meinung zu äußern655. Zugleich heißt es an anderer Stelle, „dass der König absolut nicht wollte, dass sie an den affaires auch nur im Geringsten teil habe, dass er sie niemals um ihre Meinung fragte, dass sie sich niemals einmischte.“656 Alle anders lautenden Gerüchte seien falsch657. Auch hier wird der Bericht widersprüchlich: Behauptet Aumale im Anschluss an diesen Abschnitt, dass die Minister und der König Maintenon niemals um Rat gefragt hätten, so heißt es an anderer Stelle, dass sie immer nur zu „sanften Wegen“ geraten habe, wenn man sie um ihre Meinung gebeten habe658. Auch sei es Aumale zufolge unzweifelhaft gewesen, dass Madame de Maintenon viel Macht über den König gehabt habe, jedoch habe sie ihren crédit nur mit allergrößter Umsicht zu handhaben gewusst659. Fast wie ein Eid klingt ihre Versicherung, dass sich die Ehefrau des Königs weder in die 652 Vgl. d’Aumale, Marie Jeanne, Souvenirs sur Madame de Maintenon. Les Cahiers de Mlle d’Aumale, hrsg. v. Comte d’Haussonville / G. Hanotaux, Paris 1902, 169. 653 Zugleich sei sie von einer natürlichen Autorität gewesen, weshalb ihr selten jemand widersprochen habe. 654 Sa crainte continuelle qu’elle avait de chagriner le Roi: Aumale (Haussonville), 243. 655 Interessanterweise stellt die Autorin Madame de Maintenon auch als la femme d’affaires du clergé dar, die sie auf inständiges Bitten des Bischofs von Chartres und des Erzbischof von Paris geworden sei. Ihre Vorschläge beim König hätten indes meist das Gegenteil bewirkt. Vgl. Aumale (Haussonville), 248 f. 656 „[…] que le Roi ne voulait pas absolument qu’elle prît la moindre part aux affaires, que jamais il ne lui en demandait son avis, que jamais elle ne s’en mêlait. […] Tous les bruits qui ont couru sur cela sont faux.“ Aumale (Haussonville), 174 f. 657 Bei den in ihren Räumen stattfindenden Audienzen habe sie sich stets zurückgezogen und jeweils erst dann, wenn die Entscheidungen getroffen waren, die Erlaubnis bekommen, sich wieder dazu zu gesellen. Daher hätte sie nicht ein Wort von dem, was gesprochen wurde, mitbekommen. Vgl. Aumale (Haussonville), 175 f. 658 „[…], elle n’a jamais conseillé que des voies douces.“ Aumale (Haussonville), 255. 659 Vgl. Aumale (Haussonville), 177.
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affaires de l’Église noch in die affaires d’État jemals eingemischt habe, da dies dem König sehr missfallen hätte. Und wenn die mächtigsten Fürsten Europas sie als Freundin und Patronin gesucht hätten, dann aufgrund der „Idee, die sich die ganze Welt von ihr gemacht habe“: Man habe geglaubt, dass sie in alle affaires eingeweiht und der Weg über sie der sicherste zum König sei660. Und auch hier verliert die Argumentation Aumales an Kohärenz: Sie würde nicht behaupten, dass Madame de Maintenon sich nie etwas erbeten hätte, fährt sie fort, ihre Verwandten und Schützlinge habe sie immer unterstützt – dieser Einwand musste von einer Klientin kommen, denn das Bild der Patronin konnte nur dann perfekt sein, wenn sie auch dem Ethos der Verwandtenprotektion genügte. Doch sie habe den König wegen der richtigen „Dosierung“ ihrer Bitten nie verärgert oder sein Missfallen erregt661. Wie bereits in den Briefen der Maintenon selbst, wird auch hier deutlich, wie die Autorin den Spagat zwischen zwei normativen Vorgaben versuchte: Madame de Maintenon sowohl in das Bild einer guten Patronin und als auch in das Bild einer Person ohne intérêt einzufügen. Wie lassen sich diese Widersprüche erklären? Genau wie in Maintenons Selbstdarstellung ging es Madame d’Aumale darum zu zeigen, dass die Marquise sich nicht eingemischt, die königlichen Entscheidungen nicht beeinflusst und die Gunst des Königs nicht missbraucht habe: keine aktive Partizipation. Zuhören, Plaudern, Unterhalten, wohl dosierte Bitten ohne zu insistieren, Ratschläge zu „sanften Wegen“ dort, wo sie dem König nicht missfielen, passten dagegen in das Bild, dass Madame d’Aumale von ihrer Patronin zeichnen wollte. Diese beiden Darstellungen – die einer „unbefangenen Ratgeberin“, die „kein Missfallen erregte“ und die einer Person, die „keinen Anteil an den affaires hat“ – konnten in den Augen der Zeitgenossen nebeneinander stehen, ohne miteinander zu konkurrieren oder ein „entweder-oder“ zu fordern. Genau wie in den Briefen der beiden Frauen entschied eher der Argumentationskontext über das konstruierte Bild denn eine wie auch immer geartete „Realität“. In diese Reihe ordnen sich auch später verfasste Memoiren von Klienten der Maintenon ein662. 660 Vgl. Aumale (Haussonville), 241. 661 Aumale (Haussonville), 184 und 241–243. 662 Etwa die Memoiren des Languet de Gergy, die zwischen 1740 und 1741 verfasst wurden: Jean-Joseph de Gergy (* 1677, † 1753): 1703 aumonier ordinaire de la duchesse de Bourgogne, 1715 Bischof von Soissons, 1721 Mitglied der Académie Française, 1730 Erzbischof von Sens. Er war ein Klient und großer Bewunderer der Maintenon, seine Memoiren wurden nach seinem Tod an St. Cyr gegeben: Mémoires inédits sur Madame de Maintenon et la cour de Louis XIV., in: La famille d’Aubigné et l’enfance de Madame de Maintenon, hrsg. v. Lavallée, Théophile-Sébastien, Paris 1863. Oder die Memoiren des Maréchal de Villars, zusammengestellt von M. de Vogüé: Madame de Maintenon et le Maréchal de Villars. Correspondance inédite / Villars
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Die bisher vorgestellten Autorinnen leugneten also nicht, dass die morganatische Ehefrau Ludwigs XIV. über großen Einfluss verfügte. Die Tatsache, dass Maintenon als Frau eine solche Machtposition inne hatte, wird von den hier zitierten, allesamt weiblichen protégées nicht thematisiert. Ausschlaggebender Faktor ist laut ihren Beschreibungen die „Nähe zum Herrscher“ – einerseits für die Begründung ihrer herausragenden Position, andererseits für die Legitimation ihres Handelns. 3.3.2. Inakzeptable Einmischung Stellvertretend für die große Zahl zeitgenössischer Autoren, die die Macht der beiden Frauen kritisierten, wurden exemplarisch sieben Autoren ausgewählt, die aus möglichst unterschiedlichen Hintergründen stammten: ein französischer Erzbischof und entfernter Verwandter der Princesse des Ursins, ein adeliger Gesandter aus Irland, ein parmesischer Kardinal, ein sardischer Gesandter und Militär, ein mailändischer Abt im Dienst des spanischen Königs, ein venezianischer Botschafter und die Schwägerin des französischen Königs, eine gebürtige Pfälzerin. Ihre „Anklagepunkte“ gegen die beiden Frauen werden mit jenen des Duc de Saint-Simon abgeglichen, ein weiterer Zeitgenosse, der seine Memoiren jedoch erst um 1740 niederschrieb. Dadurch soll deutlich werden, dass es sich bei den gemeinsamen Themenkomplexen um Topoi handelt, deren Kontinuität sich über spätere Memoirenschreiber bis in die heutige Historiographie weiter verfolgen lässt. Zunächst werden die Autoren und die Autorin in aller Kürze vorgestellt. Daniel de Cosnac663, Erzbischof von Aix und königlicher Berater, war ein Schwager des ersten Ehemanns der Princesse des Ursins und stand zumindest zeitweise in einem klientelären Verhältnis zu ihr, die verschiedene vorteilhafte Verbindungen für seine Familie arrangierte664. Er verfasste seine Memoiren vor 1708665. d’après sa correspondance et des document inédits par le Mis de Vogüé de l’institut, 2 Bde., Paris 1888. 663 Daniel de Cosnac (* 1628, † 1708): Erzbischof von Aix, conseilleur du roi, 1701 ordre de Saint-Esprit. 664 Vgl. Cosnac II (Cosnac), 244 f. Sie protegierte bspw. seine Nichte Angélique de Cosnac: Vgl. Cosnac II (Cosnac), 150–154 und 246. Ob die Patronage aufgekündigt wurde und er die Princesse des Ursins deshalb in negativem Licht darstellte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. 665 Mémoires de Daniel de Cosnac. Archevêque d’Aix, conseiller du Roi en ses conseils, commandeur de l’ordre du Saint-Esprit, hrsg. v. Comte Jules de Cosnac, 2 Bde., Paris
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Monsieur Filtz-Moritz, „ein Edelmann aus Irland“, war als Informant an den französischen Hof geschickt worden666. Während er in seinen Briefen in die Heimat die Princesse des Ursins wertneutral als guten Zugang zum Königspaar einschätzte667, prangerte er ihre Macht am Hof in seinen Memoiren aufs Heftigste an. Vermutlich hängt der Unterschied mit der jeweiligen Funktion des Mediums und der damit verbundenen Kommunikationsabsicht des Verfassers zusammen: Die Depeschen sollten über die Verhältnisse am spanischen Hof informieren, in seinen Memoiren wollte Filtz-Moritz sein Handeln rechtfertigen oder auch schlicht den Leser unterhalten. Der gebürtige Sarde Vicente Bacallar y Sanna, Marqués de San Felipe668 hatte eine militärische und diplomatische Karriere hinter sich, als er nach dem Spanischen Erbfolgekrieg seine Memoiren unter dem Titel „Comentarios de la guerra de España e historia de su Rey Felipe V. el animoso“669 verfasste. Sie wurden zwar zunächst wegen zu großer Freizügigkeit zensiert, zirkulierten jedoch trotzdem. Als Werk eines loyalen Dieners Philipps V. stellen sie auch eine panegyrische Überhöhung der Monarchie und des Monarchen dar670. Der Abbé Mascara Torriani671 weilte im Jahr 1715 während zehn Monaten als Gesandter der spanischen Krone in Versailles. In seinen Briefen an den sec1852. Seine Memoiren sind Autographe und müssen daher vor 1708 niedergeschrieben worden sein; vgl. Avant-propos, II. 666 Berücksichtigt wurden hier seine depeschenhaften Briefe sowie seine „Mémoires sur l’histoire d’Espagne“, die er nach seiner Abberufung im Jahr 1717 verfasste: Lettres de monsieur Filtz-Moritz sur les affaires du temps et principalement sur celles d’Espagne sous Philippe V. et les intrigues de la Princesse des Ursins, übers. v. Carnesai, hrsg. v. Guillaume Plantavit de La Pause, Rotterdam 1718, darin: Mémoires sur l’histoire d’Espagne, depuis 1698, 176 ff. Von Filtz-Moritz sind keine Lebensdaten bekannt. 667 Vgl. Sixième lettre à Milord* * * , Paris, 18.11.1716, Filtz-Moritz (La Pause), 137. 668 Vicente Bacallar y Sanna, Marqués de San Felipe (* 1669, † 1726): hoher Militär in Diensten Karls II., unter Philipp V. grand écuyer pour le royaume de Sardaigne, danach Marqués de San Felipe und Botschafter in Genua. 669 San Felipe, Marqués de, Comentarios de la guerra de España e historia de su rey Felipe V. el Animoso, hrsg. v. Carlos Seco Serrano, Madrid 1957. Französische Übersetzung: Saint-Philippe, Marquis de, Vincent Bacallar y Sanna: Mémoires pour servir à l’histoire d’Espagne, sous le règne de Philippe V., übers. v. Louis Laurent Féderbe, Comte de Maudave, Amsterdam 1756. Die französische Übersetzung von Maudave ist nicht vollständig, vgl.: Baudrillart, Philippe V., 34. 670 Es beinhaltet aber auch andere Elemente wie zum Beispiel die Notwendigkeit guter Ratgeber, auf die der Monarch zugunsten der Ordnung (orden) auch hören sollte; vgl. San Felipe (Seco Serrano), Estudio preliminar, LXVII. 671 Der Abbé Mascara Torriani (keine Lebensdaten bekannt) war Stiftsherr/Domherr/ Kanoniker der Scala in Mailand, Pensionär verschiedener spanischer Höflinge sowie des französischen Hofes. Er wurde Marsin 1702 empfohlen, als dieser Philipp V. nach
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retario de Estado José Grimaldo berichtete er anekdotenhaft über gesellschaftliche Ereignisse und Personen am französischen Hof. Der venezianische Botschafter der frühen 1690er Jahre, Pietro Venier672, weilte von 1688 bis 1695 am französischen Hof und verfasste wie für sein Amt üblich einen Abschlussbericht (relazione). Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist schließlich die Korrespondenz der Elisabeth-Charlotte, Duchesse d’Orléans, genannt Liselotte von der Pfalz673. In den Briefen an ihre Verwandtschaft in Deutschland zeichnete die Schwägerin des Königs ein scharfes und kritisches Bild des französischen Hofes unter Ludwig XIV. Die von der Historiographie wohl am häufigsten und ausgiebigsten konsultierte Quelle der Regierungszeit Ludwigs XIV. sind die Memoiren des Louis de Rouvroy, Duc de Saint-Simon674. Er berichtet ausführlich über das Leben und Wirken am Hof zwischen 1691 und 1723. Was den Reichtum an Detailinformationen über das höfische Leben betrifft, sind seine Erinnerungen eine wichtige Quelle. Der Blick des Autors war jedoch stark durch die Interessen seines Standes, des Schwertadels, und durch den Umstand seiner disgrâce während der Regentschaft geprägt. Seine eigene Zeit maß er an einer verklärenden, von Ritterromanen geprägten Folie eines Ludwig XIII675. Er kompensierte das Scheitern seiner politischen Ambitionen durch die Redaktion seiner Memoiren. Erstaunlicherweise sind seine Memoiren bislang noch nicht mit Blick auf die Geschlechterfrage analysiert worden, obwohl gerade bei Saint-Simon deutlich wird, dass Frauen im höfischen Machtge-
Italien begleitete; erhielt Pensionen vom Marquis de Mejorada und Grimaldo, die er mit Nachrichten versorgte; 1711 von Torcy eine Gratifikation von 3000 livres, dann auch eine Pension von Ludwig XIV. über 1500 livres. Vgl. Baudrillart, Rapport, 42 f. 672 Vgl. Relazione di Francia di Pietro Venier, ambasciatore ordinario a Luigi XIV (1688– 1695), in: Relazioni (Barozzi / Berchet), 493–572. 673 Zur Person siehe Kapitel I.1.1. (Auprès du Roi: Madame de Maintenon in Versailles) und ausführlicher: Helfer, Hannelore, Die Briefschreiberin, in: Liselotte von der Pfalz in ihren Harling-Briefen, hrsg. v. ders. (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 102), 2 Bde., Hannover 2007, hier Bd. 1, 13–29. Siehe auch: Sweetser, Marie-Odile, Madame de Maintenon vue par Madame Palatine et par Saint-Simon, in: Niderst, Albineana I, 133–145. 674 Louis de Rouvroy, Duc de Saint-Simon (* 1675, † 1755): 1702 Scheitern seiner Militärkarriere; 1723–1740 disgrâce; 1729 Kommentar zum „Journal“ des Duc de Dangeau; 1739–1750 Redaktion der Memoiren, die erst 1828 vollständig publiziert wurden. 675 Vgl. Kindlers Literatur Lexikon, hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold, Stuttgart u.a. 32009, Artikel „Saint-Simon. Mémoires“, Bd. 14, 635 f.
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füge eine zentrale Rolle spielten676. Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins treten als die beiden zentralen politischen Figuren weiblichen Geschlechts hervor. Als Referenz dienen in erster Linie die Jahre 1704 und 1705, die Ereignisse rund um die erste disgrâce der Princesse, ihren Aufenthalt in Paris und ihre Rückkehr nach Madrid, da hier sämtliche Topoi exemplarisch aufgezeigt werden können677. Allmacht und Herrschsucht Daniel de Cosnac zufolge sei die Princesse in Madrid „allmächtig“ (toute-puissante) gewesen, habe am Hof ein ministère678 und über die französischen Botschafter ein empire gehabt679. Ihr Handeln ist bei Cosnac stets von Herrschsucht gekennzeichnet: Zu jedem Zeitpunkt seines Lebens habe er ihre starke Sehnsucht (extrême désir) nach Macht gespürt680. So habe sie nach ihrem Aufenthalt in Paris 1705 nur deshalb nicht mehr nach Madrid zurück gewollt, weil sie gehofft habe, Maintenons Nachfolgerin werden zu können: „Sie hätte lieber hier als in Spanien dominiert.“681 Auch über Madame de Maintenon schrieb Cosnac, dass sie vom Wunsch, in Spanien zu regieren, beherrscht gewesen sei: Sie habe es so arrangiert, dass alles, was aus Madrid berichtet wurde, über sie zum König lief – zum Schaden der Minister. Im Jahr 1705 habe sie die Rückkehr der Princesse vorangetrieben, da sie ohne ihren „direkten Bericht“ (compte direct) am spanischen Hof nicht mehr habe herrschen können und
676 Einzige Ausnahme bildet: Muhlstein, Anka, La femme soleil. Les femmes et le pouvoir. Une relecture de Saint-Simon, Paris 1976. Die Autorin reflektiert jedoch „Geschlecht“ nicht als Analysekategorie. Problematisch ist des Weiteren, dass Muhlstein die Aussagen Saint-Simons, der ihre einzige Quelle darstellt, unkritisch als historische Realität übernimmt und die tradierten Stereotypen reproduziert. Der Grund für die Handlungsspielräume von Frauen am Hof liegt ihr zufolge in Ludwigs XIV. Liebe und Achtung der Frauen begründet (172). Dabei hätten sie immer nur indirekt, mit Hilfe eines männlichen Verbündeten, Einfluss nehmen können. 677 Angesichts der Fülle an geeigneten Quellenstellen kann hier nur exemplarisch vorgegangen werden; es liegt jedoch eine systematische Analyse der Memoiren zugrunde. 678 „Elle espérait se maintenir en cet état à l’appui des affaires d’Espagne et de s’en faire un petit ministère qui lui ouvrirait les moyens de l’étendre et d’entrer dans toutes.“ Cosnac II (Cosnac), 253. 679 Vgl. Cosnac II (Cosnac), 249. 680 Vgl. Cosnac II (Cosnac), 255. 681 „Elle eût mieux aimé dominer ici qu’en Espagne.“ Cosnac II (Cosnac), 253.
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auf diese Weise die Geschäfte wieder ihren „natürlichen“ Lauf über den canal naturel des ministres genommen hätten682. Dem Gesandten Filtz-Moritz zufolge sei nach dem Tod der Königin im Jahr 1714 die Princesse des Ursins mächtiger als je zuvor gewesen, habe sich unerhörte Ehren verschafft und zu diesem Zweck vor nichts zurückgeschreckt683. Eine vergleichbare Darstellung der Princesse des Ursins findet sich in den Briefen des Giulio Alberoni684, der in Madrid die Interessen des Herzogs von Parma vertrat: Ihre Gier nach Macht habe die „despotische Herrin der Monarchie“ (padrona dispotica della Monarchia) dazu gebracht, eine erneute Heirat Philipps V. nach dem Tod Maria Luisas so lange wie möglich hinauszuzögern685. Dem Marqués de San Felipe zufolge habe die Princesse des Ursins bereits im Jahr 1703 begonnen, „sich in die schwerwiegendsten Geschäfte einzumischen“, indem sie den Einfluss der Königin, deren Vertrauen sie bereits besaß, bei Philipp V. vergrößerte686. Erfolgreiche Karrieren am Hof erklärte San Felipe mit dem Umstand, dass die Betreffenden Freunde oder Vertrauenspersonen der Princesse gewesen seien687. Sie habe „nicht nur die erste, sondern auch die einzige Rolle am Hof“688 spielen wollen. Ludwig XIV. habe indes einzig 682 „[E]lle ne prenait plus garde qu’il n lui venait que de l’intérêt de M[ada]me de Maintenon, attisé par Harcourt, pour le sien qui était de régner en Espagne, de faire en sorte que tout se passât directement par elle au Roi, et de s’emparer de nouveau, aux dépens des ministres, de cette portion si considérable du gouvernement, que cela même ne se pouvait que par le retour en Espagne de celle qui en y régnant lui rendait un compte direct de tout et l’y faisait régner; qu‘y retournant plus, il ne restait aucun moyen à M[ada]me de Maintenon de rattraper cette précieuse partie des affaires, qui par leur nature ne pourraient que retomber au canal naturel des ministres et l’en laisser dans l’entière privation; […].“ Cosnac II (Cosnac), 254. 683 Vgl. Mémoires de Filtz-Moritz, Neuntes Buch, in: Filtz-Moritz (La Pause), 217f. 684 Giulio Alberoni (* 1664, † 1752): 1706 nach Paris mit dem Duc de Vendôme, 1712 Geschäftsträger des Herzogs von Parma in Madrid, 1717 Kardinal und Minister Philipps V. 685 „È certo, che la Principessa Orsini non darà mano, si non in caso che veda che non si può far di meno, essendo oggi Padrona dispotica della Monarchia.“ Alberoni an den Herzog von Parma, Madrid, 16.4.1714, ASN Archivio Farnesiano, 54, f. 226–228, dechiffriert f. 232–233. 686 „[L]a princesa Ursini [sic!], que ya comenzaba a explicar su poder, ingiriéndose en los negocios más graves y usando las artes posibles para conservar amante del rey a la reina, a la cual enteramente poseía.“ San Felipe (Seco Serrano) [1703], 51. 687 Bspw. den Aufstieg des Conde de Montellano: San Felipe (Seca Serrano) [1703], 43, 51, 102; oder die Tatsache, dass sich Orry so lange halten konnte: el ombre de la mayor confianza de la princesa; San Felipe (Seco Serrano) [1714], 245. 688 „Se había lisonjeado venía no sólo a hacer la primera, pero la única figura en la corte; […].“ San Felipe (Seco Serrano) [1703], 51.
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den Briefen Amelots Glauben geschenkt, welcher nur Lobendes über seine Zusammenarbeit mit der Kammerdame berichtete. Kurz: Ohne Amelot und Ursins sei am spanischen Hof nichts durchführbar gewesen689. Im Jahr 1710 sei es schließlich soweit gekommen, dass bei einer der Regentschaften der Königin im Jahr 1710 „der ganze consejo aus der Princesse des Ursins bestand, deren Befehlen sich niemand widersetzte“690. Dem Abbé Mascara zufolge seien sämtliche affaires mit Madame de Maintenon verhandelt worden: „Alles hängt von Madame de Maintenon, Monsieur Voysin und Père Tellier ab.“691 Torcy, Desmarets und Villeroy hätten nichts mehr zu sagen gehabt692. Geschickt habe sie ihre Einflussnahme zu verschleiern gewusst: „[V]or dem König tut sie so, als ob sie nicht regiere; aber sie regiert durch Voysin.“693 Letzterer habe aufgrund Maintenons Patronage eine Position wie ein premier ministre gehabt. Sie habe sich als Königin aufgeführt, sichtbar beispielsweise daran, dass die Minister ihren Rücktritt vor ihr erklären mussten694, ja es kursiere gar das Gerücht, der König habe sie in seinem Testament als reine et régente eingesetzt695, woran Mascara allerdings selbst nicht glaubte696. Auch Liselotte von der Pfalz verurteilte die Abhängigkeit des Königs von seiner „Hofmeisterin“ Maintenon697, die er zum Erstaunen der Höflinge in den conseil mitgenommen habe698. Auch bei dieser Autorin wird Madame de 689 Vgl. San Felipe (Seco Serrano) [1708], 154. 690 „[P]ero como no podía la reina determinar por sí, y estaba el rey lejos, todo el consejo era la princesa Ursini, a cuyos dictámenes nadie se oponía, y no quería ver su ruina.“ San Felipe (Seco Serrano) [1710], 197. 691 „Tout dépend de M[ada]me de Maintenon, de M. Voisin et du P. Tellier.“ Mascara an Grimaldo, o.O., 26.7.1715, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 45. 692 Vgl. Baudrillart, Rapport, 45 f. 693 „Elle est de tous les conseils généraux et particuliers; devant le Roi elle feint de ne pas gouverner; mais elle règne par M. Voisin.“ Mascara an Grimaldo, o.O., 26.7.1715, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 45. 694 Vgl. Mascara an Grimaldo, o.O., 23.7.1715, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 45 f. 695 Vgl. Mascara an Grimaldo, o.O., 23.8.1715, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 46. 696 Vielmehr würde nach dem Tod des Königs alles nach dem Willen des Duc d’Orléans laufen, den Madame de Maintenon aus tiefstem Herzen hasse, weshalb das Beste für sie wäre, an jenem Tage selbst zu sterben. Vgl. Mascara an Grimaldo, o.O., 27.8.1715, zitiert bei Baudrillart, Rapport, 45 f. 697 „Seine leibliche mutter hatt er vom hof machen gehen, seiner geweßenen hoffmeisterin, der alten Maintenon, zu gefahlen.“ Orléans IV (Holland), 104. 698 „Man hat mir versichert, dass der König die Pantocrate öffentlich gestern mit in den Rat genommen, welches den courtisans ein wenig fremd vorkommen ist [...].“Orléans (Menzel), 245 f.
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Maintenon für die gesamten Probleme der Krone verantwortlich gemacht699: Sie habe die Macht an sich gerissen und gemeinsam mit dem königlichen Beichtvater den König negativ beeinflusst. Madame de Maintenon wird zur Projektionsfläche für Kritik, die eigentlich dem König gilt700: Aus Habgier habe „die alte zot [...] daß königreich muhtwilliger weiß zu schaden gebracht.“701 Es sei das Verhältnis zur Maintenon gewesen, das über das Schicksal des Einzelnen entschieden habe: „Der König hat immer gehasst oder geliebt, wie es die Maintenon gewollt hat.“702 Ihr gab die Autorin die Schuld daran, dass ihrem Sohn, Philippe d’Orléans, und ihr selbst der Zugang zum König verwehrt blieb703. Angestachelt von Madame de Maintenon habe dann auch die Princesse des Ursins, die ihrerseits „ganz Spanien regirt hat“704, das Königspaar davon überzeugt, dass es ihr Sohn, Philippe d’Orléans, auf den spanischen Thron abgesehen habe705. Etwa 25 Jahre später klingt dies beim Duc de Saint-Simon folgendermaßen: „Die Princesse [des Ursins] herrschte auf diese Weise vollkommen, und dachte nur daran, alles fernzuhalten, was ihre Macht nur im Geringsten stören oder aufteilen könnte.“706 Selbst von ihrem Exil in Paris aus habe sie noch über 699 „Aber waß die alte zot undt sie auff ein endt verstanden, ist überall zu sehen, den könig undt sein gantz königreich in den grundtsbotten zu ruinieren; darin haben sie perfect reussirt undt ist ihnen perfect gelungen.“ Orléans IV (Holland), 12. 700 „[A]lso hatt der jesuit undt dass alte weib In geißtlichen sachen undt die minister In weltlichen sachen dem König alles weiß bemacht waß sie gewolt haben, udt die minister wahren meistentheils der alten Zott creaturen, also kann Ich mitt warheit wagen, dass alles waß bößes geschehen, nicht vom König kommen.“ Orléans (Menzel), 222. 701 Orléans IV (Holland), 138. 702 „Le Roi a toujours haï ou aimé, comme la Maintenon l’a voulu.“ Orléans III (Holland), 69; oder: „Mais tous ceux que Madame de Maintenon soutenait finissaient par triompher.“ Orléans III (Holland), 65. 703 Vgl. Orléans II (Holland), 141; Orléans IV (Holland), 386. 704 „Er ist von der alten hexsen, der Maintenon, erzogen, welche ein lebentiger teüffel, hatt ihr leben ahn nichts gedacht, alß dießen bastard auff den thron zu helffen undt mitt ihm zu regieren; drumb hatt sie ihn zu prince du sang erklaren machen undt ihm jetzt die regirung wollen unter der handt spillen machen undt meinem sohn freyheit undt leben nehmen wollen.“ Elisabeth-Charlotte an Louise, Versailles, 11.1.1715, Orléans (Haberl), 389. 705 Vgl. Orléans (Haberl), 389. Nach dem Tod Ludwig XIV. sollte ihr Sohn die Regentschaft übernehmen; seine Unbeliebtheit käme nur von Madame de Maintenon, da diese den Duc de Maine an seiner Statt zum Regenten habe machen wollen: „La vieille Maintenon a voulu faire régent le duc du Maine.“ Orléans I (Holland), 117; Marly, 8.4.1712, Orléans (Haberl), 372 f. 706 „La princesse régnait ainsi en plein, et ne songeait qu’à écarter tout ce qui pouvait troubler ou partager le moins du monde sa puissance.“ Saint-Simon II (Coirault) [1704], 439.
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die Verteilung der Ministerposten in Madrid entschieden707, wie auch im Jahr 1705 über die Wahl des neuen französischen Botschafters, die Rückkehr ihres Vertrauten und Finanzexperten Jean Orry708 und die Auswahl der französischen Generäle709. Alle Veränderungen in den Verwaltungsstrukturen Madrids im Jahr 1709 seien auf die Princesse zurückzuführen710, jeden, der für die affaires d’Espagne geeignet gewesen wäre, habe sie aus Madrid vertrieben711. In Versailles habe Madame de Maintenon ihrerseits „alles über [Ludwigs XIV.] Geist vermocht“712. Beide Frauen seien laut Saint-Simon außerdem von dem Wunsch nach Macht beherrscht gewesen713. Weil es „[Maintenons] Passion war, alles zu wissen, sich überall einzumischen und alles zu regieren“714, sei es für die Princesse ein Leichtes gewesen, ihre Freundin davon zu überzeugen, dass ihr Einfluss in Madrid auch dieser zugute käme: Mit Hilfe der Princesse würde sie selbst noch „absoluter“ am spanischen Hof herrschen als am französischen, da sie ihre Befehle ohne Umwege erlassen könne715. Sie habe die Princesse in Madrid gebraucht, genauso wie ihren direkten Bericht nach Versailles, um sich
707 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1705], 575. 708 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1705], 580. 709 Bspw. sei die Wahl des Duc de Vendôme im Jahr 1710 Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins zuzuschreiben. Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1710], 997 f. 710 Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1709], 568 f. 711 „On croyait, et le Roi l’aurait fort désiré, qu’il [Bergeyck, A.d.V.] aurait grand part aux affaires en Espagne; mais plus on en était capable, et moins on en était à portée tant que la Princesse des Ursins y gouvernait, qui sut barrer et renvoyer bientôt celui-ci, comme elle en avait chassé, puis exclu tant d’autres.“ Vgl. Saint-Simon IV (Coirault) [1711], 31. 712 „[Le Duc de Noailles] nous dit qu’encore qu’il fût vrai, dans l’usage, que M[ada]me de Maintenon pût tout sur son esprit, il ne l’était pas moins que ce n’était presque jamais en droiture, [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1705], 718. 713 „Si on se souvient de ce que j’ai dit de la Princesse des Ursins lorsqu’elle fut choisie pour être camarera-major de la Reine d’Espagne à son mariage, et depuis lors de l’apparente régence de cette Princesse, pendant le voyage du Roi son mari en Italie, on verra que Madame des Ursins voulait régner; [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 364; ähnlich auch: le règne de M[ada]me des Ursins en Espagne: Saint-Simon II (Coirault) [1705], 582. 714 „Madame de Maintenon, dont la passion était de savoir tout, de se mêler de tout, et de gouverner tout, se trouva enchantée par la sirène.“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367. 715 „[…]; que par elle à Madrid, elle à Versailles régnerait en Espagne, plus absolument encore qu’elle ne faisait en France, puisqu’elle n’aurait besoin d’aucun détour, mais seulement de commander; [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367.
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diesen „wertvollen Teil der Geschäfte“ nicht entgehen zu lassen716. Der Pakt zwischen den beiden Frauen sei also geschlossen worden, „um Spanien zu regieren“717. Neben Machtgier schrieb Saint-Simon den beiden Frauen unangebrachten Hochmut in Verbindung mit zerstörerischer Impulsivität zu: Ein despektierlicher Trinkspruch auf Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins aus dem Mund des Duc d’Orléans sei die Ursache für den Hass beider Frauen auf den Neffen des Königs gewesen718. Was nur ein Scherz habe sein sollen, habe Orléans beinahe ins Verderben gestürzt719. Die Gegenüberstellung einer rationalen Erklärung, die den scherzhaften Trinkspruch nachvollziehbar machen sollte, und der überzogenen emotionalen Reaktion der beiden Frauen, die zu „gnadenlosen und grausamen Feindinnen“720 wurden, ist ein gängiger Topos der Kritik an weiblicher Herrschaft und wurde von Saint-Simon häufig zur Begründung ungeliebter königlicher Entscheidungen herangezogen721. Saint-Simon warf den beiden Frauen darüber hinaus nicht standesgemäßes Verhalten vor. Wie Königinnen (reines) hätten sie sich gebärdet: So habe Madame de Maintenon unter dem Vorwand ihrer schlechten Gesundheit sogar in Anwesenheit der Königin von England gesessen722. Die Princesse habe 716 „[…] que cela même ne se pouvait que par le retour en Espagne de celle qui en y régnant lui rendait un compte direct de tout, et l’y faisait régner; que n’y retournant plus, il ne restait aucun moyen à Madame de Maintenon de rattraper cette précieuse partie des affaires, qui par leur nature ne pourraient que retomber au canal naturel des ministres, et l’en laisser dans l’entière privation; […].“ Saint-Simon II (Coirault) [1705], 594. 717 „Ce grand pas fait et l’alliance intime et secrète conclue entre ces deux femmes pour gouverner l’Espagne, il fallut faire tomber le Roi d’Espagne dans les mêmes filets; [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367. 718 Der Duc d’Orléans soll aus Frustration über die von der Princesse miserabel vorbereiteten Feldzug auf die santé du con capitaine et du con lieutenant trinken wollen. Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1708], 182 f. 719 „Jamais elles ne l’ont pardonné à M. le Duc d’Orléans, et nous verrons combien peu il s’en est fallu qu’elles ne l’aient fait périr.“ Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1708], 183. 720 Implacable[s] et cruelle[s] ennemie[s]: Saint-Simon III (Coirault) [1708], 183. Madame de Maintenon habe gar – gemeinsam mit dem Duc de Maine – den König glauben machen wollen, dass das Kronprinzenpaar im Jahr 1712 vom Duc d’Orléans vergiftet worden sei: Vgl. Saint-Simon IV (Coirault) [1712], 449 f. 721 Siehe bspw. die disgrâce des Staatssekretretärs Chamillarts im Jahr 1709, der die haine que M[ada]me la duchesse de Bourgogne et M[ada]me de Maintenon avaient conçue contre ce ministre zugrunde lag: Saint-Simon III (Coirault) [1709], 488 und 514. 722 „Reine dans le particulier, M[ada]me de Maintenon n’était jamais que dans un fauteuil, et dans le lieu le plus commode de sa chambre, devant le Roi, devant toute la famille royale, même devant la Reine d’Angleterre.“ Vgl. Duc de Saint-Simon: Mémoires sur le règne de
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ihrerseits nach dem Tod der Königin Maria Luisa eine Zeit lang die Absicht verfolgt, Philipp V. zu heiraten723 – auch dies ein häufig zu findendes Motiv. Heimlichkeit, Intrige und „Böswilligkeit“ In den Memoiren des Fitz-Moritz ist die Charakterisierung der Princesse des Ursins gekennzeichnet von den Schlagworten Intrige und Skandal, Täuschung und üble Nachrede sowie Ehrgeiz und Größenwahn. Ausführlich berichtete Filtz-Moritz über verschiedene höfische Intrigen, in die sie jeweils verwickelt gewesen sei724. Beispielsweise habe sie dem Duc d’Orléans stets Steine in den Weg gelegt und ihn verleumdet, eine calomnie atroce gegen seine Bediensteten erfunden, und damit das spanische Königspaar hinters Licht geführt. Vergeblich hätten die spanischen Granden ihre Entfernung vom Hof gefordert725. Ihre Intrigen rund um die Wahl einer zweiten Ehefrau für Philipp V. seien allein von der Idee geprägt gewesen, eine Königin zu finden, die sie dominieren könne726. Für Guilio Alberoni war die Princesse des Ursins die dominierende Person am Hof (dominante), deren Protektionen ungeheuerliche Ausmaße (mostruosità)727 angenommen hätten. Auch nach ihrer Vertreibung aus Madrid schob er ihr noch die Schuld an den unterschiedlichsten Dingen zu: So sei beispielweise der Schaden, den das Ansehen des Regenten Orléans bei Philipp V. genommen hatte, auf die Böswilligkeit (malignità) und Verleumdung (calunnia) der Princesse des Ursins zurückzuführen728. Vom venezianischen Botschafter Venier wurde Madame de Maintenon zum Widerpart eines guten Königs und seiner fähigen Minister stilisiert. Sogar für den Tod eines vorbildlichen Ministers machte er sie verantwortlich: Louis XIV. Anthologie suivie, hrsg. v. Francis Kaplan, Paris 2001, 1190; und: comme à un diminutif de reine étrangère à sa première arrivée: Saint-Simon II (Coirault) [1705], 341. 723 Saint-Simon IV (Coirault) [1714], 750. 724 Vgl. Mémoires de Filtz-Moritz, Drittes Buch, in: Filtz-Moritz (La Pause), 193 ff. 725 Ursins sei undankbar gegen Kardinal Portocarrero gewesen und habe ihn deshalb vom Hof vertrieben; die affaire de l’apostille, die disgrâce der Princesse und wie Maria Luisa es erreicht, sie zurück zu gewinnen. Vgl. Mémoires de Filtz-Moritz, Siebtes Buch, in: Filtz-Moritz (La Pause), 209 ff. 726 Vgl. Mémoires de Filtz-Moritz, Neuntes Buch, in: Filtz-Moritz (La Pause), 217 ff. 727 Vgl. Alberoni [al Duca di Parma], Madrid, biglietto vom 14.1.1715, ASN Archivio Farnesiano, 56/I, f. 27. 728 Vgl. Herzog von Parma an Alberoni, Piacenza, 18.3.1715, ASN Archivio Farnesiano, 56/I, f. 169 f.; oder: Alberoni an Herzog von Parma, Madrid, 19.4.1715, f. 242, dechiffriert, f. 238.
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Der König hätte dessen Bitten um Rückzug längst statt gegeben, einzig Madame de Maintenons dreimaliges Insistieren, das Amt fortzuführen, habe ihn aber schließlich in den Erschöpfungstod getrieben729. Erneut trug Madame de Maintenon und nicht der König die Verantwortung. Derselbe Botschafter meinte auch, dass die Ehefrau des Königs zwar nur oberflächlich über die Dinge Bescheid wisse, jedoch Herrin über seinen Geist und seinen Willen sei und insbesondere seine Krankheitsphasen ausnütze, um ihn zu beeinflussen730. Die Darstellung des Botschafters ist eher ungewöhnlich – seine Kollegen stellten Madame de Maintenon meist in positivem Licht dar731. Dies war vermutlich den gespannten Beziehungen zwischen der französischen Krone und der römischen Kurie in diesen Jahren geschuldet732. In Veniers Version gingen auch diese Unstimmigkeiten auf das Konto der Maintenon. San Felipe kritisierte insbesondere, dass sich die Einflussnahme der Princesse im Geheimen (secreto) und Intimen (intímamente)733 vollziehe und nicht am Wohl der Königs, sondern am eigenen Interesse (el propio interés) orientiert sei. Dabei werden die Princesse im Speziellen und die französischen Akteure im Allgemeinen häufig zur Projektionsfläche für Kritik am König: Entscheidungen, die den Herrschern nicht zur gloire reichten, werden der Princesse des Ursins oder auch Madame de Maintenon zugeschrieben. Auch für unrühmliche Konflikte zwischen Hochadeligen beider Kronen werden sie verantwortlich gemacht. Beispielsweise sei die paz infame, die schon seit 1705 zur Debatte stand, niemals die Idee Ludwigs XIV. oder des Dauphins gewesen. Vielmehr habe sich Madame de Maintenon – hier über die Duchesse de Bourgogne – durchsetzen können734. Die Entscheidung Philipps V., den Krieg nicht fortzuführen, sein Verzicht auf die französische Krone und die Unterzeichnung der Friedensverträge – all die Aspekte, die aus der Sicht San Felipes nicht mit einem ruhmreichen Bild des Herrschers vereinbar waren, lastete der Autor den 729 Vgl. Relazione di Francia di Pietro Venier, ambasciatore ordinario a Luigi XIV (1688– 1695), in: Relazioni (Barozzi / Berchet), 493–572, hier 511. 730 Vgl. Relazioni (Barozzi / Berchet), 519. 731 Dies wurde bereits deutlich in Kap. I. 2.2.2. Netzwerke in Paris und Madrid. 732 Vgl. Bergin, Joseph, Crown, Church and Episcopate under Louis XIV, New Haven / London 2004, 241–260. 733 „[…] como gozaba tan íntimamente de la privanza.“ San Felipe (Seco Serrano), [1709], 191. 734 „[…] nunca admitió este bajo dictamen el Rey Cristianíssimo, ni el delfín; todas eran sugestiones del duque de Borgoña, […]. La señora de Maintenon, que no tenía poca parte en el gobierno y había sido en su juventud dama del Rey, no se atreviá a proponerle cosa tan opuesta a su gloria y al gusto del delfín; pero le habia ganado de género la voluntad de la duquesa de Borgoña.“ San Felipe (Seca Serrano) [1705], 83 f.
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beiden Frauen oder anderen Franzosen an: So sei es ihm zufolge eine Idee des Duc de Bourgogne, der Madame de Maintenon und Chamillarts gewesen, die spanische Krone nicht mehr weiter zu unterstützen735. Auch habe Philipp V. selbst Spanien nie aufgeben, sondern bis zum Letzten verteidigen wollen; es sei vielmehr die Princesse des Ursins gewesen, die der Königin diese Ideen „eingegeben“ (inspiraba) habe. Und dass nach dem Tod Ludwigs XIV. zwischen dem Regenten Orléans und Philipp V. immer ein Misstrauen bestehen blieb, sei einzig auf die früheren Intrigen der Princesse des Ursins zurück zu führen736. Die Vorwürfe waren dabei offensichtlich weniger gegen die Princesse als Frau, sondern vielmehr als Französin gerichtet737. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, wie San Felipe die Abberufung des Botschafters im Jahr 1709 darstellt: Amelot habe Philipp V. an dem Tag, an dem dieser an die Front aufbrach, „sich selbst überlassen“ und sei mit einem Großteil der Franzosen abgereist, nachdem er sich zuvor am Indienhandel bereichert habe. Die Macht der Princesse habe sich dadurch noch erhöht738. Im Rückblick wollte der Duc de Saint-Simon eine „intime und geheime Allianz“739 zwischen den beiden Frauen erkannt haben. In den exklusiven Audienzen740, die die Princesse nach ihrer disgrace von 1704 bei Ludwig XIV. und Madame de Maintenon erhielt, sei abgesprochen worden, dass sie nach ihrer Rückkehr das spanische Königspaar indirekt beeinflussen solle741; so musste schließlich auch der spanische König den beiden Frauen „ins Netz gehen“742. 735 Vgl. San Felipe (Seco Serrano), [1709], 168. 736 Vgl. San Felipe (Seco Serrano), [1715], 261. 737 An anderen Stellen wird der Einfluss der Franzosen allgemein als Problem genannt. Bspw. im Kontext der Akzeptanz der Bedingungen der Friedensverträge: „[P]ero los franceses lo gobernaban de forma que se hallase obligado a dejar por fuerza lo que voluntariamente no quería.“ San Felipe (Seco Serrano), [1709], 168. 738 „No la pesaba a ésta [Madame des Ursins, A.d.V.] la ausencia de Amelot, porque crecía su autoridad […].“San Felipe (Seco Serrano), [1709], 182. 739 L’alliance intime et secrète: Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367; ähnlich auch: union si intime. 740 Diese Audienzen seien particuliers gewesen (Saint-Simon II (Coirault) [1705], 567) und hätten „hinter verschlossenen Türen“ (enfermée: Saint-Simon II (Coirault) [1705], 607) stattgefunden. 741 „[O]n verra que madame des Ursins voulait régner; elle n’y pouvait attendre qu’en donnant à la Reine le goût des affaires et le désir de dominer, et de se servir du tempérament de Philippe V et des grâces de son épouse pour un partage du sceptre qui en laissant l’extérieur au Roi, en ferait passer la puissance à la Reine, c’est-à -dire à elle-même, qui la gouvernerait et par elle le Roi et sa monarchie.“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 364. 742 „Ce grand pas fait et l’alliance intime et secrète conclue entre ces deux femmes pour gouverner l’Espagne, il fallut faire tomber le Roi d’Espagne dans les mêmes filets;
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Nach dem Tod der Königin schließlich habe sie es erreicht, Philipp V. vollkommen zu isolieren und ihn für den Hof, die Amtsträger, Minister und Bedienstete unerreichbar zu machen743. Man habe nicht einmal mehr wissen können, ob sie beim König war oder nicht, da sie eine Art „Geheimgang“ habe errichten lassen, der es ihr ermöglichte, vom Hof ungesehen zum König zu gelangen744. Immer wieder erklärte der Autor Sachverhalte auch mit angeblichen geheimen Warnungen der Maintenon an die Princesse745. Täuschung Filtz-Moritz zufolge sei der eigene intérêt für die Princesse des Ursins auch in den (harten) Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V. handlungsleitend gewesen, die insbesondere von ihr und dem englischen Gesandten Lexington geführt worden seien. Darin sei es einzig um die Interessen der Princesse des Ursins gegangen, was Europa beinahe den Frieden gekostet hätte746. Seit ihrer Rückkehr nach Spanien habe sie im Hintergrund daran gearbeitet, sich eine Landesherrschaft zu verschaffen; um den Wortlaut des Vertrages zwischen England und Spanien zu ihrem Vorteil zu verändern, habe sie den britischen Gesandten geschickt getäuscht747. Die Mittel und Wege der Einflussnahme beider Frauen waren für den Marqués de San Felipe „Künste“ (artes) und nicht Kenntnisse748.
[…].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367. 743 „On a vu avec quel art elle avait sans cesse isolé le Roi d’Espagne, jusqu’à quel point elle l’avait enfermé avec la Reine, et rendu inaccessible, non seulement à sa cour, mais à ses grandes officiers, à ses ministres, jusqu’aux valets les plus nécessaires, en sorte qu’il n’était servi que par trois ou quatre, qui étaient français et tout à elle.“ Saint-Simon IV (Coirault) [1714], 750. 744 Vgl. Saint-Simon IV (Coirault) [1714], 750 f. 745 Bspw. in der Verhandlung der grandesse für den Schwiegersohn Amelots und Neffen der Princesse, deren Scheitern letztlich zu Lasten Amelots und nicht der Princesse ging: Saint-Simon III (Coirault) [1709], 568 f. 746 Vgl. Troisième lettre à Milord* * * , Paris, 30.9.1716, Filtz-Moritz (La Pause), 79 f. 747 Sie habe den Satz La Reine de la Grande Bretagne s’oblige à faire avoir une souveraineté à la Princesse des Ursins in den Vertrag eingefügt, obwohl Lexington lediglich die Version La Reine de La Grande Bretagne emploiera ses bons offices pour faire avoir une souveraineté zugestanden hatte. Vgl. Sixième lettre à Milord* * * , Paris, 18.11.1716, Filtz-Moritz (La Pause), 160. 748 Vgl. San Felipe (Seco Serrano) [1708], 154.
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Auch Saint-Simon betont immer wieder das Geschick (adresse)749 und die Kunst (art), mit der insbesondere Madame de Maintenon den König und die Minister hinters Licht führte: Sie habe ihre Machtansprüche hinter Frömmigkeit und Ergebenheit versteckt und immer so getan, also ob sie nicht zuhöre, wenn diese in ihren Gemächern arbeiteten750. Der Topoi der indirekten, verdeckten Einflussnahme zeigt sich, wenn Saint-Simon „Madame de Maintenons Handhabung des Königs“ (manège de Madame de Maintenon auprès du Roi) erklärt: Sie habe niemals auf dem direkten Weg agiert, sondern ihre Wünsche stets von anderen, Ministern oder Höflingen, vorbringen lassen, um diese Anliegen dann lediglich zu unterstützen, wenn sie vom König wie gewöhnlich nach ihrer Meinung gefragt wurde. So sei der König schlussendlich, ohne es zu bemerken, von ihr gelenkt worden751. Daher habe Madame de Maintenon Minister gebraucht, die vollkommen von ihr abhängig waren752. Auf diese Weise hätten die beiden Frauen auch den Empfang der Princesse in Versailles nach ihrer ersten disgrâce im Jahr 1704 erreicht753. Einen Minister zur Verfügung zu haben, war Saint-Simon zufolge der Plan beider Frauen gewesen: Die Princesse habe den Botschafter Amelot auserwählt, damit er sie „unter den Namen seines Titels“ (sous le nom de son caractère) in den affaires unterstütze, wobei er unter ihr tatsächlich nicht mehr als ein besserer Sekretär gewesen sei754. Die Princesse des Ursins habe ihrerseits erreicht, dass die Angelegenheiten außerhalb der Junta besprochen wurden755, während die eigentlichen Entscheidungen „verborgen vor den Ministern des einen und des anderen Hofes verhandelt“756 wurden. Alles sei an den König im „Privaten“ (en particulier) herangetragen worden, und zwar im Beisein der Königin, die ihrerseits nichts auf der Stelle entschieden, sondern ihre Entscheidung erst zusammen mit der 749 Bspw.: Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367. 750 „La dévotion qui l’avait couronnée et par laquelle elle sut se conserver, la jeta par art et par goût de régenter, qui se joignit à celui de dominer, dans ces sortes d’occupations; et l’amour-propre, qui n’y rencontrait jamais que des adulateurs, s’en nourrissait.“ SaintSimon (Kaplan), 1172. 751 „[Le Roi] croyait disposer de tout et seul, tandis qu’il ne disposait, en effet, que de la plus petite partie.“ Vgl. Saint-Simon (Kaplan), Francis, Paris 2001, 1182. 752 Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1710], 718. 753 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1704], 522. 754 „Madame des Ursins ne crut pas pouvoir trouver mieux pour avoir sous elle un ambassadeur sans famille et sans protection ici autre que son mérite, qui, sous le nom de son caractère, l’aidât mieux dans toutes les affaires, et qui en effet ne fût sous elle qu’un secrétaire renforcé, [...] et à l’abri du nom duquel elle agirait avec toute autorité en Espagne, et toute confiance de ce pays-ci.“ Saint-Simon II (Coirault) [1705], 580. 755 Saint-Simon II (Coirault) [1703], 366. 756 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1703], 372–373.
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Princesse des Ursins getroffen habe757. Der rechtmäßige Herrscher, Philipp V., sei so von der Regierung ausgeschlossen worden758. Er habe vielmehr die im despacho besprochenen Angelegenheiten einer kleinen Runde – Maria Luisa, Orry und der Princesse – berichtet und dann in der folgenden Sitzung die von Orry und der Princesse getroffenen Entscheidungen wiederum mitgeteilt. Dass Saint-Simons Kritik auch Orry galt, zeigt, dass der Autor die Einflussnahme außerhalb des zuständigen Gremiums auch im Falle eines männlichen Akteurs für unzulässig hielt. Es ging ihm vielmehr um den Aspekt der détour, des Umgehens des eigentlichen Wegs über Gremien und Minister. Die beiden obersten Vermittlerinnen Frankreichs und Spaniens (les deux modératrices suprêmes de la France et de l’Espagne)759 hätten ihren Vorteil, „direkter und mit aller Freiheit“760 agieren zu können, ausgenutzt und so die Minister und den französischen Botschafter von den Geschäften ausgeschlossen. Durch ihre regelmäßigen Berichte an Madame de Maintenon (und über diese an den König), die sich auf alle Angelegenheiten ausgeweitet hätten, habe sich die Princesse des Ursins unentbehrlich gemacht761. Mit diesem Argument habe Madame de Maintenon wiederum durchgesetzt, dass die Princesse und der französische Botschafter als „Team“ fungieren sollten762 – für sie ein gewonnenes Spiel, da sie auf diese Weise Spanien ohne die Minister (sans moyens de ministres) regieren konnte. Saint-Simon beklagte die Ohnmacht der Minister und des Botschafters in Spanien763. Die Machenschaften der beiden Frauen stellte er stets als „zum
757 „Bientôt la junte devint une représentation; tout se portait en particulier au Roi, ordinairement devant la Reine, qui ne décidait rien sur-le-champ, et qui prenait son parti entre elle et la Princesse des Ursins; cette conduite ne fut point contredite par notre cour.“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 368. 758 „[…] pour un partage du sceptre qui en laissant l’extérieur au Roi, en ferait passer la puissance à la Reine, c’est-à-dire à elle-même [la Princesse des Ursins, A.d.V.], qui la gouvernerait et par elle le Roi et sa monarchie.“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 364. 759 „Telle fut la pierre d’achoppement entre les deux modératrices suprêmes de la France et de l’Espagne, […]. Depuis cet essor de souveraineté, le concert ne fut plus le même entre M[ada]me de Maintenon et M[ada]me des Ursins; [...].“ Saint-Simon IV (Coirault) [1714], 750. 760 Vgl. bspw. Saint-Simon II (Coirault) [1703], 371 f. und 374. 761 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1703], 366. 762 „Ils [Maintenon et Harcourt, A.d.V.] persuadèrent au Roi que Madame des Ursins, associée en tout à l’ambassadeur de France, formerait avec lui un aide et un éclaircissement mutuel, que l’un par l’autre ils l’empêcheraient de tomber dans la dépendance des lumières [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 371. 763 Vgl. Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367.
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Schaden der Minister“764 dar. Dass Ludwig XIV. diesen Weg über die beiden Frauen und die spanischen Königin hin zu Philipp V. dem canal naturel de ses ministres vorzog, war für Saint-Simon eine Schwäche des Königs. Wie bereits Cosnac vor ihm argumentierte auch er, dass dieser Teil der Geschäfte, die Beziehungen zu Spanien, „von ihrer Natur her“ eigentlich im Zuständigkeitsbereich der Minister lägen765. Aus dieser „Widernatürlichkeit“ sei für Frankreich eine Gefahr entstanden, was sein Vergleich mit den spanischen Günstlingministern Lerma und Olivares noch unterstrich: „Auf diese Weise verübten Madame des Ursins und Orry, Herrscher über alles, ohne jeglichen Widerstand den größten Raub von Autorität und Macht, den man seit dem Duque de Lerma und dem Conde-duque de Olivares in Spanien gesehen hatte [...].“766 Den Vergleich mit den spanischen Günstlingministern der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, den Saint-Simon anstellte, ist in verschiedener Hinsicht erhellend: Auch der Günstlingminister verfügte über informelle Macht, die er allein der Gunst des Herrschers und seiner eigenen guten Vernetzung und nicht einem bestimmten Amt zu verdanken hatte767, auch sein Einfluss wurde für das „Verdeckte“, das „Verborgene“ kritisiert, auch er übernahm die Funk764 Au dépens de nos ministres: bspw. Saint-Simon II (Coirault) [1705], 594. Bspw. habe Torcy um seinen Posten fürchten müssen, den Madame de Maintenon dem zurückkehrenden Amelot zuschustern wollte; das Sekretariat der Finanzen wollte sie ohnehin für sich, weshalb es in den Händen ihres protégé Voysin sei: Vgl. Saint-Simon III (Coirault) [1709], 558 f. 765 „[...] cette précieuse partie des affaires, qui par leur nature ne pourraient que retomber au canal naturel des ministres, et l’en [Madame de Maintenon, A.d.V.] laisser dans l’entière privation; [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1705], 594. Vgl. auch: „Cela lui [Madame de Maintenon, A.d.V.] était ôté dès qu’elles [les affaires, A.d.V.] passeraient par le canal naturel des ambassadeurs et des ministres du Roi.“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 370. 766 „Ainsi M[ada]me de Ursins et Orry, maîtres de tout, sans contradiction de personne, prirent le plus grand vol d’autorité et de puissance en Espagne qu’on eût vu depuis le duc de Lerma et le comte-duc d’Olivares, [...].“ Saint-Simon II (Coirault) [1703], 374. Francisco Gómez de Sandoval-Rojas y Borja, Duque de Lerma (* 1553, † 1625) und Gaspar de Guzmán y Pimentel Ribera y Velasco de Tovar, Conde-duque de Olivares (* 1587, † 1645) waren die beiden Günstling-Minister Philipps III. von Spanien. 767 Ein Amt im königlichen Hofstaat war zwar eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung, um in diese Position zu gelangen. Vgl. von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 182. Der Vergleich mit Lerma könnte noch weitergeführt werden: Seine Schwester, Condesa de Lemos, war camarera mayor der spanischen Königin, somit kontrollierte das Geschwisterpaar den Zugang zum Herrscherpaar und makelte die königlichen Patronageressourcen – wie die Princesse des Ursins fast 100 Jahre später. Vgl. von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 182 und 188–193.
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tion des „Blitzableiters“ für den Herrscher768. Beide Monarchen werden in Abhängigkeit von Frauen dargestellt, wie einst ihre Vorgänger von den Günstlingministern769. Zugleich beschwor Saint-Simon durch die Verwendung bestimmter Begriffe die Gefahr der Despotie und des Machtmissbrauchs herauf: despotisch und „absolut“ habe die Princesse geherrscht770, für ihn eine wahre dictatrice771. Die Kritik an den beiden Frauen in den hier vorgestellten Beschreibungen lässt sich unter folgenden Schlagworten zusammenfassen: Allmacht und Herrschsucht, persönliches Interesse, Intrige und Heimlichkeit, Täuschung der Herrscher und Umgehen der Minister. In erster Linie wurde dadurch Kritik, die eigentlich dem Herrscher bzw. den Entscheidungsträgern galt, auf die beiden Frauen projiziert. Ihnen wurden die Entscheidungen angelastet, die aus der Sicht der Autoren falsch oder unrühmlich waren. Dazu mussten Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins allmächtige Positionen konstruiert werden, Positionen, die sie aufgrund nicht kontrollierbarer Faktoren erlangt hatten und von denen aus sie im Geheimen und Intimen agierten. Diese Stereotypen entstammen größtenteils dem Repertoire, mit dem die Günstlinge und Favoriten der Monarchen üblicherweise kritisiert wurden772. Der Umstand, dass es sich um Frauen handelt, wurde nicht explizit thematisiert. Beide Frauen wurden weniger aufgrund ihres Geschlechts, sondern erstens wegen ihrer Herkunft (im Falle Maintenons) und zweitens wegen ihrer verdeckten, nicht nachvollziehbaren und somit auch nicht berechtigten Einflussnahme diskreditiert. Die Autoren griffen jedoch auf stereotype Charakterisierungen zurück, die in der Kritik gegenüber weiblichen Personen üblich waren: gefährlich, von Leidenschaften getrieben und irrational773. Das Geschlecht der Autoren selbst schien wenig an der Art ihrer Darstellung geändert zu haben: Liselotte von der Pfalz schrieb in der gleichen Weise über die beiden Frauen wie die männlichen Autoren. Macht und Einflussnahme der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins wurden weniger aufgrund ihres Geschlechts kritisiert, sondern vielmehr, weil es sich um eine verdeckte, nicht nachvollziehbare und somit auch nicht berechtigte 768 Siehe bspw. von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 183. 769 Etwa: Saint-Simon II (Coirault) [1705], 581. 770 Vgl. bspw. Saint-Simon II (Coirault) [1703], 367. 771 Vgl. bspw. Saint-Simon II (Coirault) [1704], 452 und [1705], 577. 772 Vgl. von Thiessen, Herrschen mit Verwandten, 183. 773 Vgl. bspw. Opitz, Claudia, Das Universum des Jean Bodin. Staatsbildung, Macht und Geschlecht im 16. Jahrhundert, Frankfurt / New York 2006 (Geschichte und Geschlechter, 53), 121 f.
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Einflussnahme handelte – zum Schaden der Herrscher und der Minister, deren „natürlichen“ Kanal sie umgingen774. Die Kontinuität dieser Redeweisen und Topoi zwischen 1680 und 1740, mit denen die Einflussnahme der beiden Frauen diskreditiert wurden, zeigt einmal mehr, dass es sich um gebräuchliche Stereotypen handelt, die wenig mit Tatsachen und viel mit Überzeugungsabsichten zu tun haben. Einerseits stützte sich Saint-Simon also auf die Topoi seiner Vorgänger, andererseits stellte er mit seinen Memoiren ein Repertoire zur Verfügung, aus dem seine Nachfolger und die auf ihm basierende Geschichtsschreibung schöpfen würden. Seine Urteile und Charakterisierungen sind in späteren Darstellungen meist unreflektiert übernommen und auf diese Weise reproduziert und verfestigt worden. Stark beeinflusst sind beispielsweise die Memoiren des Charles Pinot Duclos775, in denen sich dieselben Stereotypen und oft wortgleiche Formulierungen finden. Ähnliches konnte für die Erinnerungen des Duc de Noailles776, die Memoiren des Marquis de Louvilles sowie des Maréchal de Villars festgestellt werden777. Dieselben Stereotypen finden sich auch in den 1813 publizierten „Memoirs of the Kings of Spain“ des Historikers William Coxe778. Er gibt ganze Briefe aus der Botschafter- und Minister774 Auch in anderen literarischen Genres – mit fiktivem Autor und Adressat – wurden diese Bilder konstruiert: Im Brief eines gewissen Chevalier d’A* * an einen Freund in Marseille vom 20.8.1709 erweist sich der Chevalier, der keine Namen nennen möchte, bereits am Anfang des Briefes als ausgesprochener Gegner der M[ada]me de Maintenon, die er der falschen Frömmigkeit und der Gier nach Macht beschuldigt. Vgl. Entretien entre Louis XIV., Roy de France, et M[ada]me la Marquise de Maintenon, Abesse de St. Denis & St. Cyr, sur les affaires présentes & pour la conclusion de leur Mariage, Marseille 1710, 80. 775 Mémoires secrets sur les règnes de Louis XIV et de Louis XV; par feu M. Duclos, de l’Académie Française, historiographe de France, etc., Paris 1791, vgl. insbesondere 64–83. 776 Mémoires politiques et militaires pour servir à l’histoire de Louis XIV et de Louis XV. Composés sur les pièces originales recuillies par Adrien-Maurice, Duc de Noailles, maréchal de France et ministre d’Etat, par l’Abbé Millot (Nouvelle collection des mémoires pour servir à l’histoire de France, 10), Paris 1839. Sie wurden vom Abbé Millot auf der Grundlage der Briefe des Noailles zusammengestellt und stellen im Grunde Interpretationen derselben dar. Siehe bspw. [1702], 98–101, 118–121; [1703], 132–137, 142–144; [1709], 216. 777 Auch diese wurden im Nachhinein auf der Grundlage von Korrespondenzen zusammengestellt, die „Mémoires de Louville“ vom Comte Scipion du Roure, sowie die „Mémoires de Villars“, von denen der Teil von 1701–1723 von Anquetil verfasst wurde; vgl. Baudrillart, Philippe V., 32. 778 So etwa ihr unbeschränkter Einfluss auf den Herrscher, ihre Schauspielerei, ihre Eifersucht und Rivalität sowie ihr Hass als Grundlage ihrer Handlungen: Coxe, William,
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korrespondenz und Abschnitte aus Saint-Simon und Duclos wörtlich wieder. Offensichtlich hatte sich innerhalb des Genres der höfischen Memoiren, seien es französische, englische oder spanische, ein bestimmter Diskurs etabliert, mit dem die Einflussnahme der beiden Frauen beschrieben wurde und der die Historiographie bis heute beeinflusst. Findet sich der abwertende Duktus in jüngeren Arbeiten zwar weniger, so halten sich dagegen die Elemente des Heimlichen, der Intrige, des Inoffiziellen oder Privaten779. Sie stellen Stereotypen dar, mit denen weibliche Herrschaft diskreditiert wurde, und entsprechen den Verhaltensmustern des angeblichen „weiblichen Geschlechtscharakters“, die erst im Laufe des 18. Jahrhunderts aufkamen780. Mit ihrer spezifischen Darstellung verfolgten dabei nicht nur die „Verteidiger“ sondern auch die „Gegner“ der beiden Frauen ganz konkrete Ziele. Neben ihnen lässt sich jedoch auch noch eine dritte Gruppe ausmachen: Diejenigen Akteure, die Macht und Einflussnahme der beiden Frauen schlicht feststellten und neutral darstellten. 3.3.3. Selbstverständliche Integration Unter den Personen, die die Macht der beiden Frauen meist kommentarlos und wie selbstverständlich zur Kenntnis nahmen, sind zunächst die auswärtigen Gesandten zu nennen, die die Machtverhältnisse an einem fremden Hof beobachten und in ihren Abschlussberichten ein möglichst tatsachengetreues Bild zeichnen sollten, auf dessen Grundlage an ihrem Heimathof politische Entscheidungen getroffen werden konnten. Einen solchen Bericht verfasste um das Jahr 1690 der brandenburgische Gesandte und Gelehrte Ézéchiel Spanheim781. Der Autor beschrieb, wie sich Memoirs of the Kings of Spain of the House of Bourbon from the Ascension of Philip the Fifth to the Death of Charles the Third. 1700–1788, London 1813, 5 Bde., hier Bd. I, 152, 168 und 296 f. 779 Vgl. die Analyse der Historiographie über Maintenon und Ursins in Kapitel I.1.1. und I.1.2. (Madame de Maintenon in Versailles / Die Princesse des Ursins in Madrid). 780 Vgl. die Merkmalsgruppen bei Hausen, Spiegelung, 368. Hausen zufolge wurden diese Charakterschemata erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts „erfunden“. 781 Ézéchiel Spanheim (* 1629, † 1710): Professor der Rhetorik in Genf; 1675 und 1678 Vertreter der Kurpfalz bei Karl II.; 1680 Vertreter des Kurfürstentums Brandenburg; als solcher beteilig an den Verhandlungen des Friedens von Rijswijk und von 1697– 1702 als Gesandter am französischen Hof. Spanheim, Ézéchiel, Relation de la Cour de France en 1690, hrsg. v. Émile Bourgeois, Paris 1900. Es handelt sich dabei um eine Auftragsarbeit zur Information des Kur-
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Madame de Maintenon das Spannungsverhältnis der rivalisierenden Ministerialclans in Versailles zu Nutzen machte und sich nach dem Tod des Ministers Jean-Baptiste Colbert im Jahr 1683 um die Wahrung des Mächtegleichgewichts bemühte782, indem sie die königliche Gunst gezielt vermakelte783. Zwar nannte der Autor Madame de Maintenon nicht unter den wichtigsten Akteuren am Hof, zählte sie jedoch zu den Personen, die das volle Vertrauen des Königs genössen784. Der italienische Gesandte Giovanni B. Primi Visconti785 erwähnte in seinem Abschlussbericht des Jahres 1681 Madame de Maintenon nur am Rande. Bei ihrer Ankunft am Hof habe ihre Herkunft aus dem niederen Adel Erstaunen hervorgerufen. Stets seien Gerüchte um mögliche Rivalinnen und Interpretationen ihrer auffälligen Nähe zum König kursiert. War sie den einen zufolge die confidente oder entremetteuse des Königs, so sahen andere ihre Aufgabe darin, den König bei der Niederschrift seiner Memoiren zu unterstützen786. Visconti machte zwar das Außergewöhnliche ihrer Position deutlich, urteilte selbst jedoch nicht und drückte auch keinerlei Verwunderung über diesen Umstand aus. Meist frei von Werturteilen sind auch die Beschreibungen der venezianischen Gesandten aus den 1680er Jahren: Die Gunst der Madame de Maintenon könne höher nicht sein, ihr Urteil wöge mehr als das des Königs selbst, heißt es schon im Jahr 1683787. Daraus schloss der Gesandte pragmatisch, dass fürsten über den französischen Hof und seine Funktionsweise sowie über Stärken und Schwächen desselben. Vgl. Introduction, 35. 782 „A quoi on peut joindre encore l’adresse particulière avec laquelle elle a su balancer le crédit et l’ascendant du marquis de Louvois sur l’esprit du Roi, et empêcher qu’il ne restât seul maître des affaires du gouvernement.“ Relation (Bourgeois), 91. 783 Vgl. Relation (Bourgeois), 88 und 91. 784 „[…] des personnes qui, quoique par différents égards, étaient honorées de tout sa confiance, comme le Marquis de Louvois et Madame de Maintenon.“ Relation (Bourgeois), 62. 785 Giovanni B. Primi Visconti (* 1648, † 1713) kam im Jahr 1687 nach Frankreich, erhielt die lettre de naturalité, heiratete eine französische Adelige. Sein Bericht deckt die Jahre 1673 bis 1681 ab. Da er sich mehrere Jahre lang täglich am französischen Hof aufhielt, war er gut vernetzt und informiert; vgl. Solnon, Einführung, 2–6. Er unterschrieb seinen Abschlussbericht am 21.5.1681: Primi Visconti, Giovanni B., Mémoires sur la Cour de Louis XIV. 1673–1681, hrsg. v. Jean-Francois Solnon, Paris 1988. 786 Auch eine etwaige Vorliebe des Königs für ältere Frauen wird in Betrachtung gezogen. Vgl. Visconti (Solnon), 150. 787 Vgl. Relazione di Francia di Sebastiano Foscarini, ambasciatore ordinario a Luigi XIV (1678–1683), in: Le Relazioni degli Stati Europei lette al senato dagli ambasciatori
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es stets darum ginge, dem König und der Maintenon zu gefallen788. Der Botschafter der späten 1690er Jahre schrieb, dass der Wandel Ludwigs XIV. vom kriegsführenden zum friedensliebenden König auf den Einfluss Madame de Maintenons zurückzuführen sei, die als Instrument Gottes den König in wundersamer Weise religiös gemacht habe789. Interessant sind auch die von ihm verwendete Kategorien: „Schlussendlich war Madame de Maintenon unter dem Anschein der Mäßigung und des privaten Lebens (vita privata) tatsächlich aber die Gebieterin des Königs und des Königreichs von Frankreich.“790 Eine weitere Gruppe von Beobachtern stellen die Akteure, die in unmittelbarem Kontakt mit der Princesse des Ursins und Madame de Maintenon standen und mit ihnen zusammenarbeiteten. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass in den Instruktionen der französischen Botschafter und Gesandten, die nach Madrid geschickt wurden, die Princesse des Ursins eine zentrale Rolle einnahm. Mit ihr sollten die Botschafter aufs Engste zusammenarbeiten, auf ihre Ratschläge sollten sie hören, mit ihr sollten sie sich absprechen. Darüber hinaus wurden ihre Einschätzungen bezüglich der höfischen Akteure zitiert und ihr jeweiliges Verhältnis zu ihnen erläutert. Der Umstand, dass sie eine Frau war, wurde nicht ein einziges Mal thematisiert, ihre Darstellung als politischer Akteur unterschied sich nicht von der ihrer männlichen „Kollegen“. Nicht nur in den Instruktionen, auch in den Briefen an seine Botschafter machte Ludwig XIV. immer wieder klar, Ratschläge der Princesse selbst als Entscheidungsgrundlage genommen zu haben791. All seine Botschafter wies er an, sich von ihr beraten zu lassen und das Vorgehen mit ihr abzusprechen792. veneti, hrsg. v. Nicolò Barozzi / Guglielmo Berchet, Venedig 1865, Serie II. – Francia. Vol. III, 349–438, hier 363. 788 Per compiacere però al re e a madama di Maintenon: Vgl. Relazione di Francia di Girolamo Venier, ambasciatore ordinario a Luigi XIV (1682–1688), in: Relazioni (Barozzi / Berchet), 439–492, hier 469. 789 Vgl. Relazione di Francia di Nicolò Erizzo, ambasciatore ordinario a Luigi XIV (1695–99), in: Relazioni (Barozzi / Berchet), 575–598, hier 582. 790 „In somma sotto un’ apparenza di moderazione e di vita privata, è in effetto madama di Maintenon la padrona del re, e del regno di Francia.“ Relazioni (Barozzi / Berchet), 592. 791 „Je me rapporte entièrement en tout à ce que la Princesse des Ursins juge de plus à propos, et puisque vous avez discuté cette matière avec elle et que vous êtes demeurés d’accord sur ce qu’elle a trouvé de meilleur, mon intention est que vous vous conformiez entièrement à ses sentiments.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 21.12.1705, zitiert bei Girardot 1864, S. 213. Bspw.: Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 14.6.1705, Amelot (Girardot), 3. 792 „[…] mais toute fois avant que de lui parler consultez la Princesse des Ursins et concertez avec elle, ce que vous avez à dire à demander sur une matière aussi capitale. […]
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Der König hob stets ihre Loyalität und ihre Zuverlässigkeit hervor – dies konnte unabhängig vom jeweiligen Botschafter und der Qualität seiner Kooperation mit der Princesse festgestellt werden. Gleiches gilt für die Botschafter selbst: Amelot berichtete dem König, dass er gemeinsam mit der Princesse über politische Fragen nachdenke und entscheide793, genauso wie Marsin794, demzufolge die Princesse unverzichtbar sei795, und Bonnac, der seine Verhandlung mit dem Königspaar mit der Princesse jeweils vor- und nachbesprach796. Blécourt hoffte darauf, von ihr zu erfahren, was er nirgendwo sonst erfahren könne797. Bonnac zufolge war sie die Einzige, die seine Argumentationen verstehen konnte und ihn unterstützte, als er Philipp V. von der Notwendigkeit des Thronverzichts überzeugen musste798. Gegenüber Versailles schien es unproblematisch, darzustellen, dass die Princesse den größten Einfluss auf das Königspaar habe, bei allen Unterredungen des Botschafters anwesend war und dabei engagiert mitdiskutierte799. Torcy schrieb an Marsin, dass er überzeugt sei, dass die Princesse ihm „eine große Unterstützung“ sein werde: Hätte man eine Person genau für diesen Platz machen wollen, so wäre es nach ihrem Modell geschehen800. An keiner Stelle wird ihr Geschlecht als Hinderungsgrund thematisiert. Es ist jedoch nicht so, dass der Umstand, dass sie eine Frau war, ein Tabu gewesen wäre – in
On envoie par mon ordre à la Princesse des Ursins les mêmes copies que je fais joindre à cette dépêche ainsi, conférez de tout avec elle et recommandez lui le secret qu’il est nécessaire que le Roi et la Reine d’Espagne gardent aussi de leur coté.“ Ludwig XIV. an Bonnac, Marly 9.4.1712, AN K 1359 I, f. 277–278. So sollte Amelot auf die „weisen Ratschläge“ der Princesse hören und eng mit ihr zusammenarbeiten: Vgl. Versailles, 3.6.1709, Amelot (Girardot), 185; oder auch: Ludwig XIV. an Bonnac, Versailles, 18.5.1712, AN K 1359 I, f. 340. 793 Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 10.11.1708, Amelot (Girardot), 10 794 Bspw.: Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 1.10.1701, MAE M&D 105, f. 7. 795 Bspw.: Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 13.11.1701, MAE M&D 105, f. 31. 796 Bspw.: Bonnac an Torcy, Madrid, 16.6.1712, AN K 1359 II, f. 368. 797 Bspw.: Blécourt an Ludwig XIV., Madrid, 23.8.1705, CP Espagne 188, f. 23. 798 Bonnac an Torcy, Madrid, 31.12.1711, AN K 1359 I, f. 174; ähnlich auch: Bonnac an Torcy, Madrid, 27.5.1712, AN K 1359 II, f. 383–384. 799 „La Princesse des Ursins qui a été présente à cette conversation a fortifié mes représentations de plusieurs considérations conformes à celles que je viens de rapporter, et a parlé certainement au Roi d’Espagne avec beaucoup d’esprit et de zèle mais rien n’a été capable de l’ébranler.“ Bonnac an Torcy, Madrid, 27.5.1712, AN K 1359 II, f. 347. 800 „Je crois que si l’on avait voulu faire exprès quelqu’un pour occuper cette place il aurait fallu la faire sur son modèle.“ Torcy an Marci, Versailles, 1.1.1702, MAE M&D Espagne 106, f. 7–8.
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bestimmten Zusammenhängen wurde es auch erwähnt801 – doch bezüglich der Frage, ob sie Einfluss nehmen könne auf die affaires, ob und wie sie mit den jeweiligen Botschaftern zusammen arbeiten würde, ob sie in bestimmte Dinge eingeweiht würde oder nicht, scheint das Geschlecht belanglos gewesen zu sein. Ähnliches gilt für die zweite „Grenzmarkierung“, welche die beiden Frauen in ihren Briefen verwendeten: der Verweis auf den Kompetenzbereich der Minister (canal ordinaire). Auch diese Grenze wurde in den Briefen der Herrscher und Minister nicht thematisiert. Die Grenze des Kompetenzbereichs der affaires, wie sie die beiden Frauen markierten, findet sich weder in den Instruktionen, noch in den Korrespondenzen der Akteure zwischen Versailles und Madrid. Im Gegenteil: Nach ihren Ratschlägen sollten die affaires geführt werden802. So bat Philipp V. deshalb um die Rückkehr der Princesse des Ursins nach Madrid, da er, so formuliert der französische König gegenüber seinem Botschafter, „die Anwesenheit dieser Dame zum guten Gelingen der affaires für unerlässlich hält“803. Die Princesse sei für die so genannten affaires plus importantes gedacht: Um sich besser um diese kümmern zu können, habe sie bei ihrer Rückkehr nach 1705 darum gebeten, nicht mehr in das Amt der camarera mayor zurückkehren zu müssen, heißt es in den Instruktionen für Amelot804. Auch Staatssekretär Torcy stellte fest, dass der große Einfluss der Princesse auf die Königin zum Vorteil der affaires sei805. Die Topoi, mit denen üblicherweise die Herrschaft von Frauen kritisiert wurde und die etwa in der Memoirenliteratur zu finden sind, tauchen in den Korrespondenzen nicht auf. Wenn die Princesse kritisiert wurde, dann weil sie eine der wichtigsten Vorgaben verletzt hatte: die Einheit der Kronen oder
801 So schreibt Marsin, dass sie eine distinction verdient habe, dafür sei sie nicht unempfänglich – wie alle Menschen und besonders die Frauen: „[Elle] mérite bien quelques distinctions et quelques agréments, a quoi on n’est jamais insensible, particulièrement les femmes, […].“ Marsin an Torcy, Madrid, 24.1.1701, MAE M&D 105, f. 126. 802 „Je me rapporte aussi de la même manière à ce qu’elle pensera […] sur la manière dont le Roi Catholique gouvernera ses affaires pendant qu’il commandera l’armée.“ Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 21.12.1705, Amelot (Girardot), 213. Vgl. auch Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 14.6.1705, Amelot (Girardot), 3. 803 „[Le Roi d’Espagne] me fait prier [...] de lui accorder le retour de la Princesse des Ursins à Madrid, où il regarde la présence de cette dame comme indispensable au bien des affaires.“ Ludwig XIV. an Gramont, o.O., 6.1.1705, zitiert in: Ursins (Combes), 192. 804 Bspw. RDI Espagne II (Amelot), 140. 805 Torcy an Tessé, Versailles, 29.11.1704, MAE CP Espagne 139, f. 162.
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die Zusammenarbeit mit dem französischen Botschafter806. Keine Spur von geschlechterspezifischer Kritik findet sich, als Philipp V. seinem Großvater darlegte, warum seine neue Gemahlin, Elisabetta Farnese, die Princesse des Hofes verwiesen hat: Es seien die Lektionen gewesen, die sie der jungen Königin gegeben habe, welche von jener als Verachtung ihrer Person und als unwürdig empfunden worden seien. Im letzten Satz fügte er noch hinzu, dass die Autorität der Princesse von den Spaniern ohnehin nicht gern gesehen worden sei – da sie Ausländerin sei807, ein Argument, das in allen Jahren vorher nicht einmal bei ihm aufgetaucht war. Der Blick in die Korrespondenzen der Botschafter, Minister und Herrscher hinterlässt den Eindruck, dass die einflussreichen Positionen der morganatischen Ehefrau des französischen Königs und der Ersten Kammerdame der spanischen Königin kaum Erstaunen erregten und sie als Akteure in den Außenbeziehungen der beiden Kronen wie selbstverständlich integriert wurden. Die Briefe vermitteln den Eindruck, dass die politischen Aktivitäten und die Machtfülle einer Kammerdame und einer morganatischen Ehefrau nicht als ungewöhnlich empfunden wurden. Für einige Zeitgenossen war es offensichtlich selbstverständlich, dass die Kammerdame der Königin wie ein Botschafter oder Premierminister agierte, ohne dass sie dieses Amt jemals hätte bekleiden können. Sie arrangierten sich mit den Machtverhältnissen. Andere dagegen stießen sich, wie deutlich wurde, an der Machtfülle der beiden Frauen und kritisierten ihre Einflussnahme mithilfe geschlechterspezifischer Stereotypen. Dieser Befund kann nicht auf einen Gegensatz zwischen normativen und „pragmatischen“ Quellen, das heißt zwischen Memoiren, die sich möglicherweise stärker an normativen Vorstellungen orientieren, und Korrespondenzen, in denen eine unmittelbare Überzeugungsabsicht verfolgt wird, reduziert werden. Auch Memoiren sind intentional verfasste Schriften, und auch in den „semi-normativen“ Instruktionen wurde die Princesse des Ursins ungeachtet normativer Vorstellungen als politisch einflussreiche Akteurin den Botschaftern zur Zusammenarbeit anempfohlen. Genauso wenig eignen sich Kategorien wie Geschlecht, Stand oder Herkunft dazu, eine Regelhaftigkeit für 806 Bspw. RDI Espagne II (Gramont), 103 f. Oder: Philipp V. bat Ludwig XIV., seinen Botschafter Éstrées rückzurufen, da er sich mit der Princesse verworfen habe: Die Princesse sei jedoch das Beste, was ihm und der Königin habe passieren können: Philipp V. an Ludwig XIV., Madrid, 8.2.1704, MAE CP Espagne 143, f. 87. 807 Philipp V. an Ludwig XIV., Madrid, 29.12.1714, MAE CP Espagne, Suppl. 11, f. 316–317.
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die Darstellungsweise politischer Einflussnahme von Frauen abzuleiten. Die Wahl der Referenzsysteme, der Rekurs auf Normen, kurz die Darstellungsweise scheint einzig an den unmittelbaren Kontext gebunden zu sein – wie es bereits für die Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins festgestellt wurde. Der einzelne Autor passte seinen Umgang mit Geschlechternormen dem jeweiligen Kontext offensichtlich an. Darauf deuten auch zwei der raren expliziten Äußerungen zur Geschlechterfrage hin: Ludwig XIV., der seine Botschafter einerseits anwies, sich der Princesse unterzuordnen, rekurrierte in seinen „semi-normativen“ Anweisungen an Philipp V. auf die geschlechterspezifische Ordnung: „Die Könige sind dem Blick des Publikums ausgesetzt und daher noch mehr verachtet, wenn sie es erdulden, dass ihre Frauen dominieren. Ihr habt vor Euren Augen das Beispiel Eures Vorgängers.“808 Beim Staatssekretär Torcy findet sich eine geschlechterspezifische Bemerkung im Kontext der notwendigen Änderungen am spanischen Hof: Gegenüber dem „Rivalen“ der Princesse, dem Marquis de Louville, schrieb er, dass er daran zweifle, dass die Princesse alle Köpfe in Madrid beherrschen könne. Sie wünsche es sich zwar und sei geschmeichelt von dem ihr angebotenen Platz, doch: „In welchem Land kann eine Frau in Ruhe über andere herrschen?“809 Ob es nun damit zusammenhing, dass Torcy auf Klagen eines Gegners der Princesse eingehen wollte, sei dahingestellt – festzuhalten ist, dass die Bezüge auf die Geschlechterordnung und der Umgang mit Machtverhältnissen auf zwei verschiedene Normengerüste verwiesen, die trotz offensichtlicher Widersprüche nebeneinander bestehen konnten. Auf welche Normen bezog man sich nun im praktischen politischen Geschäft? Welche Wertvorstellungen und Legitimationen lagen den Entscheidungen der Akteure zugrunde? Ähnlich wie oben die zentralen Elemente der diskreditierenden Berichte herausgearbeitet wurden, sollen im Folgenden aus Beschreibungen der Princesse des Ursins als politische Akteurin Leitbegriffe herausgearbeitet werden. Denn Leitbegriffe und Normen geben einen Einblick in die Wertvorstellungen der Zeitgenossen und ihre politischen Handlungsmaßstäbe. 808 „Les rois exposés à la vue du public en sont encore plus méprisé quand ils souffrent que leurs femmes dominent. Vous avez devant les yeux l’exemple de votre prédécesseur.“ Ludwig XIV. an Philipp V., Fontainebleau, 13.11.1701, MAE M&D 105, f. 147. Diese Instruktionen wurde mehrfach ediert, bspw. in: Mémoires du Duc de Noailles, 4 Bde. (Collection des Mémoires relatifs à l’histoire de France, hrsg. v. Petitot et Monmerqué, Band 71–74), Paris 1829, hier Bd. II, 3–7. 809 „Mais en quel pays une femme en gouverne-t-elle d’autres [les esprits] tranquillement?“ Torcy an Louville, Marly, 29.7.1701, MAE AE 02, f. 407.
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3.3.4. Die Princesse des Ursins als négociatrice?810 Welche Faktoren und Kategorien im politischen Alltag Bedeutung hatten, können exemplarisch aus einer bestimmten politischen Entscheidung herausgelesen werden: der Auswahl der Princesse des Ursins als camarera mayor der spanischen Königin. Die Quellenlage erlaubt, die Begründung ihrer Eignung aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dem Botschafter Comte de Marsin wurde die Princesse des Ursins in seinen Instruktionen, die von Torcy verfasst und Ludwig XIV. unterzeichnet worden waren, zur Unterstützung bei seinen zukünftigen Aufgaben am spanischen Hof empfohlen: Weil das spanische Königspaar, so heißt es dort, noch jung und beeinflussbar sei, müssten die Personen in ihrer Nähe mit Bedacht ausgewählt werden; für das Amt der camarera mayor käme nur die Princesse des Ursins in Frage, denn „[i]hr verstorbener Mann […] war Grande de España,“ – weshalb die Princesse dieses höchste spanische Adelsprädikat ebenfalls führte – „sie hat einen Teil ihres Lebens im Ausland verbracht; sie kennt die Gebräuche Spaniens, und ist zusätzlich zu diesen Vorteilen geistreich und höflich […] und da sie zu vielen Gelegenheiten gezeigt hat, dass ihr Eifer den Pflichten ihrer hohen Geburt entspricht, wünscht Seine Majestät […], dass vollkommene Übereinstimmung zwischen der Princesse des Ursins und seinem Botschafter herrsche.“811 In den Instruktionen des Botschafters Amelot de Gournay fünf Jahre später wurde die Rückkehr der Princesse nach Madrid damit begründet, dass der König so zufrieden mit ihrem verlässlichen Charakter und ihren Kenntnissen von den affaires d’Espagne gewesen sei, dass er es für das Beste halte, sie unverzüglich nach Madrid zurückzuschicken812. Als der Duc de Noailles mit 810 Négocier als Quellenbegriff bezieht sich auf eine formale Verhandlung mit bestimmtem konkretem Ziel (z. B. Handelsvertrag). Im Folgenden ist damit der im heutigen Französisch weite Verhandlungsbegriff, der auch das Aushandeln von Beziehungen etc. umfasst, gemeint, wie ihn auch Jean-Claude Waquet als Analysebegriff verwendet. In dieser Verwendung umfasst er sowohl „Verhandeln“, als auch „Aushandeln“. 811 „[…] son mari, […] était grand d’Espagne; elle a passé une partie de sa vie dans les pays étrangers; elle connaît les coutumes d’Espagne, et, joignant à ces avantages beaucoup d’esprit et de politesse, elle paraît plus capable que personne d’instruire une jeune princesse dans l’art de tenir une cour avec dignité. […] et comme elle a fait voir en toutes occasions que son zèle répondait aux devoirs de sa naissance, Sa Majesté […] veut aussi qu’il y ait un parfait concert entre la Princesse des Ursins et son ambassadeur.“ RDI Espagne II (Marsin), 19. 812 „Elle [Sa Majesté] a depuis été si contente de l’esprit solide de la Princesse des Ursins et de la connaissance qu’elle a des affaires d’Espagne, qu’elle a cru ne pouvoir mieux faire que de la renvoyer incessamment à Madrid.“ RDI Espagne II (Amelot), 140.
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einer besonderen Mission betraut im Jahr 1710 nach Madrid reiste, wurde ihm ebenfalls die Princesse empfohlen, da sie den Interessen des spanischen Herrscherpaars und denen des französischen Königs wahrhaft verbunden sei. Dies sei ihr wichtigstes Handlungsmotiv, um den Einfluss auf das Königspaar zum Vorteil des Duc de Noailles zu nutzen813. Der Comte de Marsin hielt die Princesse deshalb für so geeignet für ihren Posten, da sie nicht nur das Vertrauen des Königspaars besäße, sondern auch die nötige Vorsicht und gewinnende Manieren habe814. Aus der Feder der beiden Frauen klingen die Qualitäten der Princesse des Ursins ganz ähnlich. Es sei noch einmal an die Worte der Madame de Maintenon an den französischen Botschafter Harcourt erinnert, mit denen sie begründet hatte, weshalb sie die Princesse für das Hofamt der Ersten Kammerdame empfahl: Sie sei geistreich, sanftmütig und höflich, weit vernetzt und habe sich überall beliebt gemacht hat; sie sei Grande de España, ohne Ehemann, ohne Kinder, und daher ohne störende Ansprüche815. Ihre Worte erscheinen wie ein Echo auf die ebenfalls bereits zitierte Selbstbeschreibung der Princesse an die Maréchale de Noailles, mit der sie sich vier Monate zuvor für die Aufgabe in Madrid angepriesen hatte816. Die zitierten Qualitäten lassen sich nun nach drei Aspekten gliedern: Zunächst ging es um geistige Fähigkeiten wie esprit im Sinne von Intelligenz und Talent817. Zweitens wurden Qualitäten genannt, die im Zusammenhang mit 813 „La Princesse des Ursins est véritablement attachée à leurs intérêts et il y a lieu de croire qu’elle ne l’est pas moins à ceux du Roi […]. C’est la raison principale qui doit faire agir la Princesse des Ursins et la porter à se servir du crédit qu’elle a sur l’esprit de ce Prince et sur celui de la Reine pour seconder les avis du Duc de Noailles.“ RDI Espagne II (Noailles), 213. 814 „Pour cet effet, rien n’était si nécessaire que d’avoir auprès d’elle une personne comme la P[rince]sse des Ursins qui par sa prudence, sa douceur, et ses manières engageantes, saura gagner la confiance dans laquelle elle s’avance chaque jours et a déjà fait beaucoup de progrès.“ Marsin an Ludwig XIV., Barcelona, 21.11.1701, MAE M&D 105, f. 179. 815 „[C]’est une femme qui a de l’esprit, de la douceur, de la politesse, de la connaissance des étrangers, qui a toujours représenté et s’est fait aimer partout; elle est grande d’Espagne, elle est sans mari, sans enfants, et ainsi sans prétentions embarrassantes.“ Maintenon an Harcourt, o.O., 16.4.1701, Maintenon I (Geffroy), 336 f. 816 Sie sei geeigneter als jede andere, da sie Grande de España sei, spanisch spräche und in Spanien eine große Zahl an Freunden habe (grand nombre d’amis) und dort immer geliebt und geschätzt worden sei (aimée et éstimée), vgl. Ursins an Maréchale de Noailles, Rom, 17.12.1700, in: Ursins (Geffroy), 89. 817 Esprit in absoluter Konstruktion: avoir de l’esprit = geistreich sein. Vgl. Le Nouveau Petit Robert. Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue francaise, hrsg. v. Josette Rey-Debove / Alain Rey, Paris 1997 (erste Ausgabe: 1967), Artikel „Esprit“, 815 f.
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der Sozialisierung der Princesse standen: Ihre hohe Geburt und die Tatsache, dass sie Grande de España war, weshalb sie Würde zeigen und sich gemäß den Regeln der Höflichkeit verhalten könne. Sie hatte europaweite Netzwerke, sei in Spanien beliebt, kenne die spanischen Gebräuche und die politischen Geschäfte, womit auch ihre Sprachkenntnisse gemeint waren. Drittens wurde ihre Loyalität genannt: Sie sei den Interessen der spanischen und der französischen Monarchie verpflichtet, sie habe dies durch ihren Arbeitseifer und ihren gefestigten, zuverlässigen Charakter818 gezeigt und habe das Vertrauen des spanischen Königspaars, so dass eine gute Zusammenarbeit mit dem Botschafter möglich sei. Diese „Eignungsbeschreibungen“ sollen im Folgenden dem idealisierten Bild des Gesandten, wie es aus der Traktatliteratur zu erschließen ist, gegenübergestellt werden. Mit seinen Eigenschaften und Aufgaben hat sich seit dem 16. Jahrhundert das wachsende Genre der Traktatliteratur zum Gesandtschaftswesen beschäftigt819. Inspiriert von der Idee des „perfekten Botschafters“ beschrieben die Autoren die Kunst der Verhandlung, die Funktionen des Gesandten, die erforderlichen Voraussetzungen für das Amt sowie Rechte und Privilegien, und gaben ganz konkrete Empfehlungen für die Gestaltung des Amtes820. Der große Erfolg dieses Genres verweist zugleich auf die Sorge und den Bedarf, das Botschaftspersonal besser zu qualifizieren. Durch die zeitgenössische Traktatliteratur ziehen sich wie ein roter Faden die Klagen über mangelnde Vorbereitung und fehlende Ausbildung821. Als unerlässlich bezeichnen die Autoren einstimmig und häufig an erster Stelle eine hohe Ge818 Hier ist esprit im Sinne von ensemble des dispositions, des façons d’agir habituelles = caractère […]. Esprit changeant, aventurière […] zu verstehen: Rey-Debove, Petit Robert, 816. 819 Zwischen 1450 und 1815 entstanden mehr als 50 solcher Traktate, im Untersuchungszeitraum 1648–1763 handelt es sich um etwa 20. Vgl. Kugeler, Heidrun, „Le parfait Ambassadeur“. Zur Theorie der Diplomatie im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden, in: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit: Ansätze und Perspektiven, hrsg. v. ders. et al., Hamburg 2006, 180–211, hier 182. 820 In Auswahl: Hotman, Jean, Sieur de Villiers, L’ambassadeur (1603); de Vera y Figueroa, Juan Antonio, El Enbaxador (Sevilla 1620); de Wicquefort, Abraham, L’Ambassadeur et ses fonctions (Den Haag 1677, 1680); Rousseau de Chamoy, Louis, L’idée du parfait ambassadeur (1697); de Callières, François, De la manière de négocier avec les souverains, de l’utilité des négociations, du choix des ambassadeurs et des envoyés et des qualités nécessaires pour réussir dans ce emplois (1716); von Moser, FriedrichCarl, L’ambassadrice et ses droits (Berlin 1754). 821 Bspw.: Rousseau de Chamoy, L’idée, 17.
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burt822: naissance. Danach wird meist ein Ensemble an persönlichen Fähigkeiten genannt823, die Heidrun Kugeler in ihrer Auswertung der Autoren des 17. Jahrhunderts in vier Leitbegriffen resümiert: confiance, esprit, connaissances und expérience824. Exemplarisch sollen einige Passagen aus einem der bekanntesten Botschaftertraktate aus dieser Zeit angeführt werden: François de Callières war ein Zeitgenosse der Princesse und selbst als außenpolitischer Akteur und Minister unter Ludwig XIV. tätig gewesen. Im Jahr 1716 wurde sein Traktat „De la Manière de négocier avec les souverains“ publiziert825. Der Gesandte eines Fürsten sollte ihm zufolge „einen wachen Geist und […] Geistesgegenwart“ besitzen826. Seine Aufgabe sei mit Würde verbunden827. Eifer und Intelligenz sollten ihm helfen, alles zu beobachten, was sich zutrage828. Wer zu Verhandlungen eingesetzt werden wolle, sollte die wichtigsten europäischen Höfe bereist, Sprachen erlernt und sich Allgemeinwissen angeeignet haben829. Er 822 Adel und Vermögen waren wichtig aus Gründen der Repräsentation und wegen des finanziellen Verlustgeschäfts. Anuschka Tischer hat daher treffend von der „ruinösen Ehre“ dieser Tätigkeit gesprochen: Tischer, Anuschka, Französische Diplomatie und Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongress: Außenpolitik unter Richelieu und Mazarin, Münster 1999 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, 29), 71. 823 Kenntnisse mehrerer Sprachen und eine umfassende Bildung. Dazu kamen persönliche Qualitäten wie Integrität, Loyalität und Arbeitseifer, Intelligenz und Talent. Siehe bspw. Wicquefort, L’ambassadeur I, 132 und 145; ders., L’ambassadeur II, 58 und 91. Dabei fällt auf, dass in dieser Idealvorstellung religiöse Aspekte keine Rolle mehr spielten, es war eine rein säkulare. 824 Vgl. Kugeler, Le parfait ambassadeur, 197. 825 François de Callières, Sieur de Rochelay et de Gigny (* 1645, † 1717): 1697 Bevollmächtigter in Rijswijk; secrétaire du cabinet; sein Hauptwerk über die Kunst der Verhandlung ist dem Regenten Duc d’Orléans gewidmet. Zitiert wird im Folgenden aus der Ausgabe in Waquet, Jean-Claude, François de Callières. L’art de négocier en France sous Louis XIV., Paris 2005, Annexe: De la manière de négocier avec les souverains, 175–267. In der deutschen Übersetzung wurde das Traktat unter dem Titel „Der Staatserfahrene Abgesandte: oder Unterricht, wie man mit hohen Potentaten in Staats-Sachen klug tractiren soll“ publiziert. Die Übersetzungen im Folgenden sind von der Verfasserin. 826 „Ces qualités sont un esprit attentif et […] de la présence d’esprit.“ Callières (Waquet), 188. 827 Vgl. Callières (Waquet), 189. 828 „Son zèle et son intelligence doit s’employer à observer tout ce qui se passe.“ Callières (Waquet), 195. 829 „Il serait donc à souhaiter qu’un homme qui veut être employé dans les négociations eût voyagé dans les principales cours de l’Europe […]. Il serait encore à souhaiter qu’ils apprissent les langues vivantes [et] qu’ils aient une connaissance générale des sciences […].“ Callières (Waquet), 201.
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müsse sich ein Netzwerk von „Freunden“ aufgebaut haben, das sich über alle Höfe Europas erstrecke und ihm Zugang zu denen schaffe, „die an den politischen Geschäften teil hatten“830, um die Geheimnisse ihres Einsatzhofes zu erfahren. Er müsse die Kunst beherrschen, die Glaubwürdigkeit und Gunst der Fürsten zu erlangen, um ihr Vertrauter und Freund zu werden. Dazu müsse er abgesehen von gewinnenden und angenehmen Manieren „das Verhalten und Vorgehen eines honnête homme mitbringen, […].“831 Nicht nur, dass die Princesse des Ursins all diese Voraussetzungen erfüllte, auch finden sich die wichtigsten Leitbegriffe der Traktatliteratur – confiance, esprit, connaissances und expérience – allesamt in den Beschreibungen der Princesse wieder. Demnach glich die Art und Weise, wie die Wahl einer Agentin des Königs gerechtfertigt wurde oder wie sie sich selbst anpries, stark den Vorstellungen von einem idealen Gesandten. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, dass dahinter ein grundsätzliches Leitbild der höfischen Kultur stand: die honnêteté, das höfische Persönlichkeitsideal, das für beide Geschlechter galt. In Callières’ Schrift über die Verhandlungskunst wird es nicht nur explizit genannt, sondern war offensichtlich generell die Hintergrundfolie für das Modell des „perfekten Gesandten“832. Jean-Claude Waquet hat das Traktat daher auch als die „Anwendung der sozialen Praxis der honnêteté in dem politischen Bereich der Beziehungen zwischen Souveränen“ bezeichnet833. Die Regeln des Anstands, der bienséance, betrafen als wichtigste Grundregeln der Kommunikation nicht nur das Zeremoniell selbst, sondern jede Form der Interaktion834. Die Eigenschaften eines honnête homme waren es Callières zufolge auch, die einen Akteur das Vertrauen seines Herrschers gewinnen ließen. Im Fall der Princesse des Ursins zeigt sich demnach keine geschlechterspezifische, sondern eine höfische Form der Verhandlung, die im Kontext des Persön830 „Un négociateur peut découvrir les secrets du pays où il se trouve par ceux qui ont part aux affaires […].“ Callières (Waquet), 212. 831 „[…] l’art de s’acquérir de la créance et du crédit sur l’esprit de ces princes et de devenir leurs confidents et leurs amis. C’est à quoi un habile négociateur doit tâcher de réussir. Il faut pour cela qu’il joigne à des manières engageantes et agréables la conduite et le procédé d’un honnête homme, […].“ Callières (Waquet), 257. 832 Bspw. wenn es heißt, dass der Botschafter ein „ausgeglichenes Gemüt, ungezwungene Manieren, Selbstbeherrschung, Würde und Diskretion mitbringen solle: „une humeur égale, et un naturel tranquille et patient, […] un abord toujours ouvert, doux civil, agréable, des manières aisées et insinuantes […], de pouvoir sur lui-même […] dignité, comédien qui joue de grands rôles, […], retenue, discrétion […].“ Callières (Waquet), 188. 833 „[…] une pratique sociale qui se développe et prospère en France au XVIIe siècle et trouve, avec la Manière, un point d’application au domaine politique des relations entre les souverains.“ Waquet, Callières, 149. 834 Vgl. hierzu auch Waquet, Verhandeln, 121 f.
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Zuschreibungen
lichkeitsideals der honnêteté zu sehen ist. Die Princesse des Ursins ist das weibliche Pendant des négociateur, den Waquet als Gesandtentyp des 18. Jahrhunderts beschrieben hat: eine strategisch handelnde und zugleich mit den höfischen Umgangsformen vertraute Figur, die sich am Ideal der honnêteté orientierte835. Nicht geeignet ist in jedem Fall die Bezeichnung Botschafterin (ambassadrice), mit der im zeitgenössischen Sprachgebrauch die Ehefrau des Botschafters bezeichnet wurde836 und für die ein spezielles Zeremoniell existierte837. In der Ausgabe des Dictionnaire de l’Académie von 1694, das als offizielles Lexikon der Académie Francaise deskriptiv und normativ zugleich war, wird als erste Bedeutung auch eine dame, envoyée en ambassade838 genannt. Dies ist vermutlich auf einen Einzelfall aus dem Jahr 1645 zurückzuführen839. In späteren Ausgaben findet sich entsprechend nur noch die zweite Bedeutung der ambassadrice als Ehefrau des Botschafters840, in der ihn auch Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins verwendeten841. 835 Siehe hierzu Waquet, Verhandeln, 128 f. 836 In dieser Bedeutung findet sich der Begriff in den Traktaten von Abraham van Wicquefort, François de Callières oder Rousseau de Chamoy: Vgl. van Wicquefort, Abraham, L’Ambassadeur et ses fonctions, 2 Bde., Den Haag 1681; Rousseau de Chamoy, L., L’Idée du parfait ambassadeur, hrsg. v. L. Delavaud, Paris 1912 (1697), de Callières, François, De la manière de négocier avec les souverains, Paris 1716. 837 Vgl. von Moser, Carl Friedrich, L’Ambassadrice et ses droits, 1754. 838 „1. Dame envoyée en ambassade. Une telle Dame fut envoyée Ambassadrice en Pologne. 2. On appelle aussi, Ambassadrice, La femme d’un Ambassadeur.“ Dictionnaire de l’Académie I (1694), Artikel „Ambassadrice“, 33. URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 2.10.2011]. 839 Vgl. Tischer, Anuschka, Eine französische Botschafterin in Polen 1645–1646. Die Gesandtschaftsreise Renée de Guébriants zum Hofe Wladislaws IV., in: L’homme 12/2 (2001), 305–321. 840 46 Jahre später, in der dritten Ausgabe von 1740 hingegen findet sich nur noch die zweite Bedeutung: „La femme d’un Ambassadeur. Il s’est dit aussi autrefois d’une Dame qui avoit été envoyée en Ambassade avec le titre d’Ambassadrice.“ Dictionnaire de l’Académie I (1740), 55, URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 2.10.2011]. Auch bei Furetiere, Dictionnaire I (1690), 84, erscheint nur diese Bedeutung; URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff: 2.10.2011]. 841 „Je suis, Sire, la seule personne considérable qui soit dans Rome. Les autres nations y ont des ambassadrices, qui attirant le monde chez elles, par quelque amusements qu’elles sacrifient au public, donnent occasion à leurs maris de parler à des gens, qui, sans ce prétexte, ne viendraient pas dans leurs palais.“ Ursins an Ludwig XIV., Rom, 14.6.1700, Ursins I (La Trémoille), 59 f.; vgl. Kapitel I.1.2. (Pour le service du roi: Die Princesse des Ursins in Madrid). In der Korrespondenz von Maintenon und Ursins kommt der Begriff ambassadrice insgesamt nur einmal, und zwar in der Bedeutung als Ehefrau eines Botschafters vor: Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., 8.12.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 320.
Fremdzuschreibungen
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Die Princesse wäre demnach im Rückblick nicht als ambassadrice, sondern als négociatrice zu bezeichnen. Für die Perspektive der Zeitgenossen soll Staatssekretär Torcy zitiert werden, der dem Botschafter Brancas einmal erklärte, wie er die Princesse des Ursins zu sehen habe: „als gute Französin, erfüllt von Eifer für das Königshaus und besonders verbunden mit der Person Seiner Majestät.“842 Im vorangegangenen Kapitel wurde in einem ersten Schritt untersucht, wie Klientinnen der Madame de Maintenon ihre Patronin beschrieben: Trotz ihres grenzenlosen Einflusses auf den König habe sie sich niemals in die politischen Angelegenheiten eingemischt und stets nur zum Besten von Königreich und Herrscher gehandelt. Sodann wurden die Autoren vorgestellt, für die der Einfluss der beiden Frauen eine „inakzeptable Einmischung“ darstellte und deren Beschreibungen von negativen Stereotypen geprägt waren: zeitgenössische Niederschriften sowie die Memoiren des Duc de Saint-Simon, auf denen ein Großteil der Historiographie zum französischen Hof bis heute aufbaut. Die Topoi Allmacht und Herrschsucht, persönliches Interesse, Intrige und Heimlichkeit, Täuschung der Herrscher und Umgehen der Minister dienten den Autoren in erster Linie dazu, ihre Kritik an den Herrschern auf die beiden Frauen zu projizieren. Indem sie Diskurse reproduzierten, die auf gesellschaftliche Normen rekurrierten, stabilisierten sie diese Normen zugleich. Ausgehend von normativen Vorstellungen haben sich stereotype Charakterisierungen der beiden Frauen herausgebildet und sich über die Memoirenliteratur in den historiographischen Diskurs hinein verfestigt. In einem dritten Schritt wurden Formulierungen und Aussagen derjenigen Akteure betrachtet, die die Rollen und die Einflussnahme der beiden Frauen als selbstverständlich akzeptierten und pragmatisch nutzen: Neben den Instruktionen und Briefen aus Versailles, wurden hier die Korrespondenzen der Botschafter und einige Abschlussrelationen auswärtiger Gesandter berücksichtigt. Die Darstellungen der beiden Frauen weisen starke Kontraste auf, die zeigen, wie sehr die Beschreibungen durch den jeweiligen Standort des Verfassers bzw. den Moment der Niederschrift geprägt wurden. Die Widersprüche verweisen also weder auf eine gespaltene Gesellschaft, noch auf einen Gegensatz zwischen normativen und „pragmatischen“ Schriften. Sie zeigen vielmehr, dass 842 „Vous agirez donc d’un parfait concert avec elle, la regardant comme une bonne Française, remplie de zèle pour la maison royale et particulièrement attachée à la personne de Sa Majesté.“ Torcy an Brancas, Fontainebleau, 9.10.1713, RDI Espagne II (Brancas), 239.
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Zuschreibungen
unterschiedliche Normensysteme parallel bestanden und Referenzsysteme je nach Situation und Kontext gebraucht wurden. Geschlechternormen klingen insbesondere dann an, wenn es den Verfassern darum ging, Grenzen von Handlungsräumen zu markieren, Grenzen, die in anderen Zusammenhängen wiederum nicht markiert wurden. Die Wertvorstellungen schließlich, die für die Eignung der Princesse des Ursins als Akteurin in den Außenbeziehungen sowie für die tägliche Interaktion zwischen Botschaftern, Ministern, Herrschern und den beiden Frauen von Bedeutung waren, ordnen sich in die politische Kultur der höfischen Gesellschaft ein.
Verhandlungen in der Korrespondenz – ein Fazit Der Inhalt der Briefe der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins kann abschließend schematisch zusammengefasst werden: Die Nachrichten bestanden im Allgemeinen aus den beiden Themenbereichen des Hofs und der affaires und wurden entweder als „sicher“ oder als „unsicher“ bzw. als Gerücht präsentiert. Informationen zum körperlichen Befinden, zum Gemütszustand und zum gesellschaftlichen Umgang einer Person waren Indikatoren ihrer faveur und gaben Auskunft über die politischen Kräfteverhältnisse am Hof. Vertrauen schufen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins, indem sie sich gegenseitig Dienste in Form übermittelter Grüße, Informationen und Patronage erwiesen, sich ihre Freundschaft immer wieder aufs Neue versicherten und das eigene Machtverhältnis in einem „Spiel der Ehre“ aushandelten. Teil dieses Spiels war auch das Medium selbst: Die Länge ihrer Briefe gab einen Hinweis auf den jeweiligen Zustand ihres Verhältnisses. Diejenige, die sich in der schwächeren Position befand und etwas erwartete, schrieb ausführlicher. Kurze Briefe wurden auch als Hinweis auf Schwierigkeiten empfunden, welche die Beziehung im Allgemeinen betrafen. Nicht zuletzt trug die vermeintlich inhaltsleere Wiederholung der erhaltenen Nachrichten zum „Einschwingen“ auf die Konversation bei, vergleichbar mit einem gemeinsamen Musizieren, bei dem die Spieler zu Beginn, aber auch immer wieder aufs Neue ihre Instrumente aufeinander einstimmen müssen. Die Briefe der beiden Frauen wurden hier zu einem Instrument, um gesellschaftskonform Beziehungen zu pflegen und um Netzwerke von „Freunden“, darunter ihre eigene Beziehung, aufrechtzuerhalten, zu stabilisieren und zu erweitern. Die Luhmannsche Trennung von Information und Mitteilung ermöglicht es zu decodieren, was die Verfasserin eines Briefes mit einer bestimmten Aussage „auch noch“ sagte, was „hinter der Information“ oder auch „zwischen den Zeilen“ stand. Zusammengefasst ging der Subtext ihrer Aussagen in vier
Ein Fazit
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verschiedene Richtungen: Ihre Aussagen konnten auf die eigene Bedeutung verweisen („wie wichtig ich bin“), ihre Kompetenzbereiche zeigen („was ich tun kann/tue“), die Grenzen dieser Handlungsspielräume markieren („was ich nicht tun kann/will“) und etwas von ihrem Gegenüber zu fordern („was ich von Dir will“). Zugleich konstruierten sie in der eigenen und in der Darstellung Dritter verschiedene Selbstbilder: wahlweise als einflussreiche Akteurinnen oder schwache, unwissende Frauen – je nachdem, wie es ihrer Argumentation dienlich war. Hinsichtlich militärischer Nachrichten stellten sich die beiden Frauen als bestens informiert dar, was den Briefen aus Sicht der Gegenseite eine höhere Bedeutung verlieh. Sie kommentierten und kritisierten die affaires, das heißt die politische und militärische Situation der beiden Monarchien. Dreh- und Angelpunkt ihrer Selbstdarstellung war dabei die Darstellung ihrer Nähe zum jeweiligen Thron: Als Beraterinnen und Vertraute der Herrscher inszenierten sie sich als einflussreiche Akteurinnen. Der Briefpartnerin sollte auch der Nutzen ihrer Verbindung deutlich werden – als Zugang zu einer exklusiven Informantin, Fürsprecherin und Kennerin der sentiments du Roi. Das Lob des Königs bzw. des Königspaars stabilisierte zugleich dessen Herrschaft und die eigene Position. Die Princesse inszenierte sich insbesondere als Agentin des französischen Königs und damit zusammenhängend als „Kollegin“ des Botschafters – Rollen, in denen sie sich kontinuierlich legitimieren musste, was durch die Betonung ihrer Loyalität und der guten Zusammenarbeit mit dem Botschafter erfolgte. Für die bisher vorgestellten Zuschreibungen spielte das Geschlecht der beiden Frauen eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebende Faktoren waren vielmehr die Nähe zum Herrscher, die eigene, auch altersbedingte Erfahrung und – bei der Princesse – der soziale Rang. Gesellschaftskonforme weibliche Stereotypen wie Schwachheit oder (politische) Unwissenheit waren dagegen stets an bestimmte Argumentationszusammenhänge wie die Ankündigung des Rückzugs oder die Bekundung der eigenen Ohnmacht gekoppelt. Grenzen ihres Handlungsspielraumes wurden entlang der Semantik des aktiven Partizipierens an den affaires deutlich: sich einmischen, sich einbringen. Sie waren entweder an den Verweis auf die Kompetenz des canal ordinaire oder auf die Grenzen weiblicher Zuständigkeitsbereiche gekoppelt. Als passive Beobachterinnen, Beraterinnen oder „Nachdenkende“ schienen indes auch Frauen zulässig gewesen zu sein. Die verschiedenen Selbstinszenierungen führten zu einem erweiterten Repertoire an möglichen Argumentationen und eröffneten den Autorinnen neue Handlungsräume im Sinne von Verhandlungsräumen. In der Form der höfischen conversation wurde um die Beziehung zueinander, die eigene Verortung
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Verhandlungen in der Korrespondenz
in der höfischen Figuration, um das Bild der spanischen Monarchie, um Deutungen der kriegerischen Auseinandersetzung sowie um Selbstinszenierungen verbal gerungen und somit Machtfragen ausgehandelt. Den beschriebenen flexiblen und strategisch eingesetzten Selbst- und Fremddarstellungen lagen unterschiedliche Normvorstellungen zugrunde. Das Nebeneinander sich widersprechender Normen – sozialer, politischer und religiöser – ist für die vormoderne politische Kultur als typisch beschrieben worden: Hillard von Thiessen hat vorgeschlagen, diese Form von Normenkonkurrenz als Merkmal der Frühen Neuzeit aufzufassen843. Erst im 19. Jahrhundert sei die Akzeptanz sich widersprechender Normen und Weltbilder geschwunden. Im untersuchten Zeitraum schien die Diskrepanz zwischen dem Sagbaren und dem Machbaren nicht weiter zu stören. Frühneuzeitliche Akteure bedienten sich beider Klaviaturen und wiesen bisweilen ironisch auf die Widersprüche hin. Ein solcher reflektierender Umgang mit gesellschaftlichen Geschlechternormen und dem eigenen Handeln konnte auch bei den beiden Frauen gezeigt werden und weist darauf hin, dass ihnen diese Widersprüche zum Teil bewusst waren. Inwiefern sich ihre Briefe in den Kontext der Verhandlungen zwischen den europäischen Höfen eingliederten und dadurch zu einem „Ort der Verhandlung“ werden konnten, wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein.
843 Von Thiessen, Diplomatie und Patronage, 26. Zwischen Weltbildern, Werten und Normen je nach Kontext hin- und herzuschalten, sei Ausdruck vorkausaler Denkweisen, wie sie für die vormoderne politische Kultur typisch waren. Zur Fähigkeit frühneuzeitlicher Akteure, zwischen Weltbildern hin- und herzuschalten siehe auch: Engels / von Thiessen, Glauben, 349 ff.
III. Verhandlung Die Korrespondenz in den Verhandlungen – eine Einleitung In den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Korrespondenz der beiden Frauen dem gezielten Austausch von Informationen und ihrer Präsentation, dem Aufbau und der Stabilisierung von Netzwerken sowie der Beratung und Kontrolle der Briefpartnerin und ihrer jeweiligen Umgebung diente. Nun wurde aber eingangs die Frage gestellt, welche Funktion die Korrespondenz innerhalb der französisch-spanischen Beziehungen hatte. Daher macht es Sinn, die Briefe vor dem Hintergrund dieser Außenbeziehungen zu betrachten. Verhandlung, verstanden als „friedliche, ergebnisoffene Praxis“1, meinte mehr als nur das Aushandeln von Verträgen: Es ging um die gesamte Palette an außenpolitischen Zielen, die sich ein Herrscher gesetzt hatte, also gute Beziehungen zu schaffen und zu halten, loyale Personen an wichtigen Posten zu platzieren und die eigene Reputation zu verbessern2. Der französische Begriff der négociation kann im Deutschen differenziert werden in das „Verhandeln“ über einen festgelegten Gegenstand und mit einem bestimmten Ziel und das „Aushandeln“ von Beziehungen, Machtverhältnissen oder Identitäten. In diesem Sinne sind in der Korrespondenz bereits zahlreiche Verhandlungssituationen beschrieben worden. Einige betrafen eher einmalige Angelegenheiten, andere wurden kontinuierlich oder „ohne Unterlass“ (sans cesse)3 über Jahre hinweg geführt. Noch offen ist die Frage, ob und wie die beiden Frauen in ihren Briefen konkrete politische und militärische Fragen verhandelten – im Sinne der zeitgenössischen Begriffe traiter und négocier, Begriffe, die sie selbst auch verwenden. In welchem Verhältnis stand ihre Korrespondenz zu den übrigen, parallel geführten Briefwechseln zwischen Versailles und Madrid? Die Analyse in Teil II hat 1 Waquet, Jean-Claude, Verhandeln in der Frühen Neuzeit: Vom Orator zum Diplomaten, in: Akteure der Aussenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen / Christian Windler, Köln 2010, 113–131, hier 113. 2 Vgl. Roosen, Rise, 164 f. 3 Ein weiteres Mal sei das bonmot Richelieus zitiert, das er zur „Staatsmaxime“ erhob: „[N]égocier sans cesse, ouvertement ou secrètement, en tous lieux, encore même qu’on n’en reçoive pas un fruit présent et que celui qu’on en peut attendre à l’avenir ne soit pas apparent.“ Richelieu, Testament Politique II, 6, hrsg. v. Françoise Hildesheimer, Paris 1995, 265.
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Die Korrespondenz in den Verhandlungen
gezeigt, dass Rhetorik, Semantik und Topik der Briefe auf bestimmte Kommunikationsabsichten, wenn nicht sogar -strategien schließen lassen. Inwiefern ist das, was die beiden Frauen mit ihren Briefen „taten“, Teil der Verhandlungen zwischen den beiden Höfen? Die Bandbreite der Verhandlungen, die aus der Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins rekonstruiert werden konnten, reicht von der Frage, ob Philipp V. seine Armee an der Front persönlich anführen sollte oder nicht, welchen Status Maria Luisa während ihrer Regentschaften im Jahr 1705 und 1707 haben sollte4, ob die Mätresse des Duc d’Orléans protegiert werden sollte5 bis hin zur Bitte, den Finanzexperten Jean Orry oder den erfolgreichen Maréchal de Berwick nach Spanien zu schicken6. Bisweilen wurde die Deutung eines Ereignisses wie der affaires des Grands7 im Jahr 1705 oder des Konflikts der französischen Generäle im Kampf um Lille8 ausgehandelt, bisweilen wurden ganz konkrete Vorhaben wie zusätzliche Getreidelieferungen für spanische Gebiete oder die Entscheidung für eine zweite Ehefrau für Philipp V. nach dem Tod der Maria Luisa verhandelt9. Drei besonders prägnante Beispiele sollen im Folgenden herausgegriffen und auf breiterer Quellenbasis kontextualisiert werden. 4 Vgl. Kapitel II.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 5 Kontext: Im Jahr 1707 wollte der Duc d’Orléans für seine Mätresse, Mademoiselle de Séry, das Amt der dame d’atours de la Reine d’Espagne erwirken. Die Princesse versuchte, dieses Anliegen über Madame de Maintenon beim französischen König zu verhandeln. Der spanische Hof war einverstanden, doch Ludwig XIV., der letztlich darüber zu entscheiden hatte, lehnte die Bitte kategorisch ab, auch als zwei Jahre später ein zweiter Versuch gestartet wurde: Vgl. die Briefe von Ende September bis Ende Dezember 1707, BL Add. Ms. 20918, f. 335–377. Auf Wunsch Orléans’ setzte sich die Princesse im Jahr 1709 noch einmal dafür ein: Ursins an Maintenon, Madrid, 6.1.1709, Correspondance (Loyau), 82 f. Doch Madame de Maintenon lehnet die Bitte in Überstimmung mit dem König ab: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 27.1.1709 (95 f ). Die Princesse gab sich schließlich damit zufrieden, dass man die Dame ersatzweise mit einen anderen Titel bedachte: Ursins an Maintenon, Madrid, 15.2.1709 (112). 6 Vgl. Kapitel II.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 7 Siehe die Briefe von September bis Oktober 1705, BL Add. Ms. 20918, f. 22–30. 8 Kontext: Nach der Kapitulation schrieb die Princesse an Maintenon, dass man am Hof sich gewundert habe, wie alles vonstatten ging. Die Trennung zwischen den Generälen sei schuld gewesen, was sie im Detail erklärt, um daraufhin beschwörend zu berichte, dass sich das Herrscherpaar in einem état violent befände und dass nur Ludwig XIV. helfen könne: Ursins an Maintenon, Madrid, 12.11.1708, BL Add. Ms. 20919, f. 66–67. 9 Die Diskussion wurde maßgeblich von Madame de Ursins geführt: Vgl. ihre Briefe an verschiedene Adressaten am französischen Hof in BL Add. Ms. 20920, ab Juli 1714.
Eine Einleitung
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Als erstes Beispiel dient eine Verhandlung, die in der Korrespondenz immer wieder aufgegriffen wurde: die der Unterstützung der spanischen Krone durch französische Truppen. Hier zeigt sich, dass die Princesse ihre Korrespondenzen nach Versailles – und unter ihnen jene mit Madame de Maintenon – zur Verhandlung konkreter militärischer Modalitäten verwendete. Dies tat sie parallel und in Abstimmung mit den anderen französischen Akteuren in Madrid. Das zweite Beispiel ist eine Verhandlung sans cesse: die Problematik um die Trennung der Interessen der beiden Höfe, in deren Kontext über die gesamte Dauer der Korrespondenz verschiedene Teilaspekte ausgehandelt wurden. Diese Frage zeigte sich konkret im Abzug des französischen Botschafters und der Frage nach dem Verbleib der Princesse des Ursins im Jahr 1709. Als sichersten und direktesten Weg zum Ohr des französischen Königs hielt die Princesse den Kanal über Madame de Maintenon für die beste Möglichkeit, die königlichen Wünsche zu erfahren – besser als den Kanal über den Botschafter oder den Staatssekretär Torcy. Das dritte Beispiel wird die Verhandlung um den Verzicht Philipps V. auf die französische Thronfolge sein. Im Jahr 1711 und 1712 rangen der französische Botschafter Marquis de Bonnac und die Princesse des Ursins dem spanischen König diese Forderung von Seiten der Alliierten und Ludwigs XIV. ab. Eng mit der Verhandlung der renonciation hing eine mögliche Zerstörung Barcelonas zusammen, die von Madrid als eine Art „Gegenleistung“ gefordert wurde. In ähnlicher Weise geriet die Herrschaft, die Philipp V. der Princesse des Ursins versprochen hatte, zu einem Unterpfand, und die Princesse wurde so selbst Gegenstand der Verhandlungen. Umso verwunderlicher ist es, dass diese Angelegenheit in der Korrespondenz der beiden Frauen kaum erwähnt wird. Möglicherweise stießen die beiden Frauen hier an Grenzen, deren Art und Wirkung zu untersuchen sind.
1. „Spanien sich selbst zu überlassen, hieße, Frankreich zu verlieren“10: Die Verhandlungen um Truppen (1705–1709) Seit Kriegseintritt wurde die spanische Krone durch französische Truppen unterstützt. Da jedoch die militärische, politische und finanzielle Situation der französischen Monarchie immer problematischer wurde, zog Ludwig XIV. diese Truppen sukzessive zurück. Von Seiten Madrids versuchte man immer wieder, dem französischen König neue Einheiten abzuringen oder zumindest zu ver10 „[...] ce serait perdre la France d’abandonner l’Espagne [...].“ Ursins an Gramont, Madrid 02.12.1708, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 391 f.
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„Spanien sich selbst zu überlassen, hieße, Frankreich zu verlieren“
hindern, dass weitere abgezogen wurden. Die Korrespondenzen zeigen, dass der Versuch, um französische Truppen zu verhandeln, offensichtlich über alle verfügbaren Kanäle lief, und dass die Beteiligten sich gut miteinander abstimmten. Die Strategie war dabei einerseits, über eine offene, logische Argumentation die Notwendigkeit weiterer Unterstützung zu demonstrieren. Andererseits lassen sich auf sprachlicher Ebene bestimmte Topoi und Diskurse ausmachen, die auf subtile Weise in dieselbe Richtung wirkten. Auf der argumentativ-rationalen Ebene ging es in der Hauptsache darum zu zeigen, wie wenig man auf die spanischen Akteure setzen könne, wie zerfahren die Situation der spanischen Monarchie sei, wie gut dagegen die französischen Akteure zusammenarbeiteten und wie sehr sich eine Unterstützung des jungen Königspaars lohnen würde. In diesen Argumentationen finden sich vermehrt die Topoi der „schlechten“ Spanier mit ihren unlauteren Absichten, der Langsamkeit des spanischen Systems und der Einigkeit der Akteure und des Herscherlobs. An drei „Schlaglichtern“ soll nun verdeutlicht werden, wie die Verhandlung um französische Truppen zwischen Versailles und Madrid vonstatten ging: Oktober bis Dezember 1705, Januar bis November 1707 und Februar bis Juli 1709. Das Jahr 1705 Am 28. August 1705 schrieb die Princesse an Madame de Maintenon, dass die Situation alarmierend sei: Die feindliche Flotte sei vor Barcelona erschienen, in Katalonien sei eine Revolte zu befürchten, die auch nach Aragon und Valencia überschwappen könne, und in der Extremadura stünde eine Schlacht gegen einen übermächtig erscheinenden Feind bevor, kurz: man befände sich „in einer ebenso gewaltigen wie gefährlichen Krise“11. Diese Argumentation war mit dem Botschafter Amelot abgestimmt, der am selben Tag in einem chiffrierten Abschnitt dem König die katastrophale Lage darlegte12. Um Barcelona zu halten, benötige es seine Unterstützung. Auch Königin Maria Luisa und König Philipp V. machten in beinahe jedem ihrer Briefe an Madame de Maintenon diesbezüglich Druck, wobei sich ihre Argumentationen häufig mit derjenigen der Princesse des Ursins deckten13. Je schwieriger die militärische Situation wurde, desto stärker wurde die 11 Ursins an Maintenon, Madrid, 28.8.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 13; ähnlich auch: Madrid, 14.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 28. 12 Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 28.8.1705, MAE CP Espagne 149, f. 28–29. 13 Beispiele: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 4.3.1705, MAE M&D Espagne 128, f. 62; inhaltlich gleich mit dem Brief der Princesse vom 28.8.: Maria Luisa an Main-
Die Verhandlungen um Truppen (1705–1709)
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strategische Bedeutung Barcelonas hervorgehoben14. Gleicht man die Briefe der Princesse mit denen Amelots ab, so wird deutlich, dass der beim Botschafter chiffrierte Abschnitt zwar jeweils etwas ausführlicher, in der Aussage jedoch identisch war: Philipp V. wäre allein nicht imstande, diese Revolte zu bekämpfen, und wenn nicht rechtzeitig Hilfe käme, müsse Spanien ganz aufgegeben und ein sicherer Rückzug geplant werden15. Die Princesse versuchte es parallel über den Staatssekretär Chamillart – stets mit dem Hinweis darauf, sich mit dem Botschafter abgestimmt zu haben16. Gegenüber der Maréchale de Noailles betonte sie insbesondere ihre persönliche Betroffenheit: Sie sei aufgrund der affaires völlig niedergeschlagen. Wenn man zu Beginn der Revolte nur zwei- oder dreitausend Mann über den Roussillon geschickt hätte, wäre es nie zum Verlust Barcelonas gekommen. An ihr habe es indes nicht gelegen, denn: „[I]ch habe an Ihren Hof geschrieben, dass diese kleine Unterstützung absolut notwendig ist“17. Die Maréchale war eine enge Vertraute der Madame de Maintenon und traf sie regelmäßig, um sich unter anderem über die affaires d’Espagne auszutauschen. Da dies der Princesse bekannt war, kann davon ausgegangen werden, dass sie ihre Zeilen auch für das Ohr der Maintenon verfasste. Im conseil du roi in Versailles sah man unterdessen zwei Möglichkeiten: eine Belagerung Barcelonas aufzunehmen und damit möglicherweise die kriegerischen Auseinandersetzungen zu intensivieren oder die Bedingungen der Alliierten für einen Frieden zu akzeptieren. Die Mitglieder des Rates waren darüber geteilter Meinung18. In Madrid zog man ein neues Register: Amelot teilte Ludwig XIV. mit, dass ein Gesandter geschickt werde, der in Versailles die Lage im Detail erklären und den conseil beschwören solle, Spanien nicht aufzugeben. „Madame des Ursins und ich haben für diesen Auftrag keine bessere Wahl treffen können“19,
tenon, Madrid, 28.8.1705, MAE M&D Espagne 128, f. 93–94; Philipp V. an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, f. 20, MAE M&D 106, n. fol. 14 Bspw.: Ursins an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 28–29. 15 Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 2.11.1705, MAE CP Espagne 149, f. 35–37. 16 Ursins an Chamillart, Madrid, 24.9.1705, Ursins (Geffroy), 199; Ursins an Chamillart, Madrid, 9.10.1705, Ursins (Geffroy), 204. 17 „[...], car j’ai écrit à votre cour que ce petit secours était absolument nécessaire.“ Ursins an Maréchale de Noailles, Madrid, Okt. 1705, Ursins (Geffroy), 206 f. (Zitat 207). 18 Vgl. Baudrillart, Philipp V., 240. 19 „[N]ous n’avons pas crû, Madame des Ursins et moi, qu’on put faire un meilleur choix pour cette commission [...].“ Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 6.11.1705, MAE CP Espagne 149, f. 41–43. (Zitat f. 43).
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„Spanien sich selbst zu überlassen, hieße, Frankreich zu verlieren“
lauteten seine empfehlenden Worte für den Conde de Aguilar20, einen engen Vertrauten der Princesse. Am Tag seines Aufbruchs nach Versailles analysierte die Princesse des Ursins in einem langen Brief an Staatssekretär Torcy im Detail die derzeitige Situation der spanischen Monarchie, legte die neue militärische Strategie Philipps V. dar und malte ein Schreckensszenario aus für den Fall, dass Frankreich nicht vor April des kommenden Jahres Hilfe schickte21. Es muss jener Brief sein, auf den der französische König in seiner Depesche vom 26. November an Amelot verwies: Dank eines Schreibens der Princesse des Ursins habe er schon vor der Ankunft Aguilars vom „Projekt“ Philipps erfahren, das unter anderem eine Verschiebung der Truppen und seine persönliche Führungsübernahme der Armee beinhaltete22. Hier wird erneut deutlich, dass keine Einzelpersonen, sondern Personengruppen miteinander korrespondierten, die wechselseitig Einblick in die Briefe hatten. Zwar fiel am 15. November eine positive Entscheidung Ludwigs XIV., doch bis diese in Madrid bekannt war, sollten noch zwei Wochen vergehen. Am 4. Dezember wusste man noch nichts und die Princesse nannte Madame de Maintenon konkrete Zahlen: Mit sieben- oder achttausend Männern, die der Maréchal Tessé im März aus Aragon überführen könne, und weiteren fünftausend aus der Maison Royale bräuchte es lediglich 15 Bataillone und 12 Schwadrone23 des französischen Königs unter der Führung von Louis d’Aubusson, Duc de la Feuillade24. Allerdings müssten diese viel früher als angekündigt ankommen, um – so formulierte sie dramatisch – „dem Duc de la Feuillade die Mittel zu geben, Europa Frieden zu geben.“25 Ihre Argumentation fußt nun auf einer gegenteiligen Ausgangslage als noch ein paar Tage zuvor: Nicht die Katastrophe, sondern der Sieg stünde kurz bevor. Die aktuelle Angriffsstrategie Philipps V. sei „die einzige, die Spanien retten kann“ – dieselben Worte hatte auch der Botschafter verwendet26. Seither, so die Princesse, habe sich das Blatt vollkommen gewendet. Man werde Katalonien nun ge20 Inigo de la Croix Manrique de Lara, Conde de Aguilar (* 1673, † 1733): 1709 capitaine général, 1713 disgrâce. 21 Ursins an Torcy, Madrid, 6.11.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 35–39. Siehe Kapitel II.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 22 Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 26.11.1705, MAE CP Espagne 149, f. 163. 23 Bataillone (bataillons) sind Verbände von Streitkräften unterschiedlicher Art und umfassen zwischen 300 und 1200 Mann. Schwadrone (escadrons) sind die kleinsten Kavallerieeinheiten, nicht zu verwechseln mit Geschwader (escadre) aus der Marine. 24 Louis d’Aubusson, duc de La Feuillade (* 1673, † 1725): 1705 lieutenant général, 1724 maréchal de France. 25 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 4.12.1705, Ursins (Geffroy), 212 f. 26 Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 6.11.1705, MAE CP Espagne 149, f. 127.
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nauso schnell wieder zurück gewinnen, wie man es verloren habe, wenn nur Ludwig XIV. sie zu Wasser und zu Lande unterstütze27. Daraufhin malte sie aus, wie diese Erfolge konkret aussehen würden. Offensichtlich sollte man in Versailles erkennen, wie gut sich eine Unterstützung auszahlen könnte. Etwa zeitgleich erklärte die Princesse auch dem Staatssekretär Chamillart die geplante militärische Strategie und bat ihn um einen französischen General zur Unterstützung des Maréchal de Tessé. Hier zeigt sich, dass die Princesse auch an der Verhandlung der Personalia beteiligt war28. Die Bemühungen waren von Erfolg gekrönt: Ludwig XIV. sicherte zu, einige Truppen aus dem Languedoc zu schicken29. Auch Madame de Maintenon hatte ihren Teil dazu beigetragen: Aguilar zufolge war der Druck von ihrer Seite ausschlaggebend gewesen30. Wie zum Dank legte die Princesse in ihrem Brief an Maintenon den eigenen Verhandlungssieg für die gloire des französischen Königs aus31. Das Jahr 1707 Im Jahr 1707 war Frankreich auf allen Kriegsschauplätzen an der Grenze seiner militärischen Kapazität. Zwischen den politischen Zielen des französischen und des spanischen Hofs machten sich vermehrt grundsätzliche Unterschiede bemerkbar, die sich beispielsweise in der Frage ausdrückten, ob man für die Bewahrung der spanischen Teilreiche in Italien weiter kämpfen würde oder nicht32. Ludwig XIV. setzte im Januar mit der Evakuierung der französischen Truppen aus der Gegend von Mailand diesbezüglich ein Zeichen. Diese Entscheidung teilte er seinem Enkel zunächst nicht mit, wo27 „Le parti que le Roi d’Espagne a pris d’aller au plutôt attaquer l’archiduc est le seul qui pouvait sauver l’Espagne. Depuis que cette résolution s’est publiée les affaires ont entièrement changé de face. Vous verrez dans les suites, Madame, que la Catalogne reviendra aussi facilement qu’elle s’est perdue et si le Roi peut nous aider et par mer et par terre dans le temps que Sa Majesté Cath[olique] s’approchera de Barcelone [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 42. 28 Einverstanden wären sie in Madrid nur mit dem Duc de la Feuillade und dem Duc de Berwick: Ursins an Chamillart, Madrid, 6.12.1705, Ursins (Geffroy), 215–221. 29 Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 15.11.1705, MAE CP Espagne 149, f. 39; Ludwig XIV. an Philipp V., o.O., 15.11.1705, MAE M&D Espagne 126, f. 27. 30 Aguilar an Philipp V., Paris, 22.11.1705, 3.12.1705 und 13.12.1705, AGS Estado 4301, Nov.–Dez. 1705. 31 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 8.12.1705, BL Add. Ms. 20918, f. 42. 32 Vgl. Baudrillart, Philipp V., 296 f.
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rüber jener sich erst sechs Monate später beschwerte – in dem bereits zitierten Brief, über den er Geheimhaltung erbat, Madame de Maintenon jedoch davon ausnahm33. Hinter den Fragen um Truppenverschiebungen stand die viel grundsätzlichere, ob Frankreich Philipp V. auf dem spanischen Thron halten könne oder ob die Friedensverhandlungen mit den Alliierten dazu führen würden, das spanische Herrschaftsgebiet zu teilen. Dieser Umstand erklärt die Vehemenz und das Engagement, mit der die Bitten vorgetragen und die Diskussionen geführt wurden. In der Korrespondenz der beiden Frauen wurden Sinn und Form der französischen Unterstützung beständig ausgehandelt. Im März stellte die Princesse die Situation der spanischen Krone relativ positiv dar: Spanische Galionen34 aus Mexiko seien vor Brest gelandet, was neue finanzielle Spielräume eröffnete, und die Reformen des französischen Botschafters und Jean Orrys trügen erste Früchte35. Parallel malte Maria Luisa an Madame de Maintenon dasselbe Bild36. Ein Vorschlag des Duc de Noailles, den er dem Staatssekretär Chamillart unterbreitet hatte, fand die Anerkennung der Princesse: Dabei handelte es sich um eine Strategie, wie das abtrünnige Valencia zurück gewonnen werden könnte, ein wichtiges militärisches Ziel Philipps V.37. Entscheidend war schließlich der Sieg des Maréchal de Berwick gegen die englisch-portugiesischen Truppen bei Almanza am 25. April. Die Princesse und der französische Botschafter konnten die frohe Botschaft drei Tage später nach Versailles berichten; beide sprachen sie von einem Sieg, der Philipp V. „zum wahren König von Spanien“38 mache. In der Folge kehrten die Königreiche Valencia und Aragon zurück zum bourbonischen König. Dieser Erfolg sei allein mithilfe der Truppen Frankreichs zustande gekommen, betonte Königin Maria Luisa in ihrem Brief an Ludwig XIV.39. Die Truppen waren nicht zuletzt von der Princesse des Ursins verhandelt worden: Kontinuierlich hatte sie 33 Philipp V. an Ludwig XIV., o.O., 18.7.1707, AGS 2460, n. fol. 34 Dabei handelt es sich um ein im 16.–18. Jh. vor allem in Spanien und Portugal gebräuchliches hochbordiges Kriegs- und Handelsschiff mit mehreren Masten und Decks (auch Galeone). 35 Ursins an Maintenon, Madrid, 15.3.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 220. Zu den Reformen Orrys siehe im Detail: Dubet, Anne, Jean Orry et la réforme du gouvernement de l’Espagne (1701–1706), Clermont-Ferrand 2009. 36 Siehe ihre Briefe des Jahres 1707; bspw.: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 11.4.1707, MAE M&D Espagne 128, f. 204–205. 37 Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 24.4.1707, MAE M&D Espagne 125, f. 73–77. 38 Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 28.4.1707, MAE CP Espagne 167, f. 236; parallel dazu: Ursins an Maintenon, Madrid, 28.4.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 248. 39 Maria Luisa an Ludwig XIV., Madrid, 29.5.1707, MAE M&D Espagne 172, f. 260.
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in den Wochen zuvor an den Duc de Gramont40 geschrieben, wie wichtig der secours in Form von Truppen sei41, um ihm schließlich dann auch für seinen effektiven Einsatz beim König zu danken42. Am 18. April traf der Duc d’Orléans in Madrid ein, um den Maréchal de Berwick bei der Belagerung Léridas zu unterstützen. Diese militärischen Pläne diskutierte die Princesse über Wochen in ihren Briefen mit dem Duc de Gramont. Das Unterfangen würde immer unsicherer, so die Princesse: „[...] Sie kennen die Gründe genauso gut wie ich, Monsieur, ich verstehe vollkommen, was Sie wollen, dass ich verstehe; [...].“43 Ihre darauf folgenden Einschätzungen zur Lage vor Lérida berührten dann aber offensichtlich einen Bereich, in dem sie sich ihrer Zuständigkeiten nicht sicher war. Daher sicherte sie sich auf der Darstellungsebene immer wieder in der bereits beschriebenen Weise ab: „Ich will nicht noch mehr mit Ihnen über Krieg diskutieren; das ist nicht mein Metier, und man äußert sich falsch über das, was man nicht weiß, ich würde kaum besser über Politik schwadronieren, ich scheine geeigneter dafür zu sein, die Eigenschaften einer guten Amme zu beurteilen; [...].“44. Die Besorgnis, die sie Gramont gegenüber geäußert hatte, sollte sich als richtig erweisen: Am 8. Juli teilte sie Gramont – parallel zu ihrem Brief an Madame de Maintenon – mit, dass der Duc d’Orléans Lérida aufgrund fehlender Truppen nicht hatte angreifen können45. Gegenüber der Marquise beklagte sie sich heftig, dass die Artillerie aus Frankreich nicht wie geplant eingetroffen sei, denn aus diesem Grund habe der Duc d’Orléans vor Lérida
40 Der Duc de Gramont war ambassadeur extraordinaire in Madrid gewesen und zu diesem Zeitpunkt als Gouverneur von Bayonne und Vizekönig von Navarra. Seine Stimme hatte in Versailles Gewicht. 41 Bspw.: Ursins an Gramont, Madrid, 5.1.1707, Ursins III (La Trémoille), 180 f. 42 Vgl. Ursins an Gramont, Buen Retiro, 29.5.1707, Ursins III (La Trémoille), 214 f. 43 „[...] vous en savez les raisons aussi bien que moi, Monsieur, j’entends parfaitement ce que vous souhaitez que j’entende; [...].“ Ursins an Gramont, Buen Retiro, 3.7.1707, Ursins IV (La Trémoille), 6. 44 „Je ne veux pas raisonner davantage de guerre avec vous; ce n’est pas mon métier, et on parle mal de ce qu’on ne sait pas, je ne discourrais guère mieux de politique, il me semble que je suis plus propre à juger des qualités qu’il faut pour une bonne nourrice; [...].“ Ursins an Gramont, Buen Retiro, 3.7.1707, Ursins IV (La Trémoille), 6. Zeitgleich hatte sich die Princesse nämlich um die Auswahl der Amme für die Königin zu kümmern, siehe Kapitel II.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 45 Ursins an Gramont, Buen Retiro, 8.7.1707, Ursins IV (La Trémoille), 8. Erneut über diese Thematik: Ursins an Gramont, o.O., 3.10.1707, Ursins IV (La Trémoille), 30.
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„keine gute Figur machen“ können, was wiederum auf Philipp V. zurückfalle – hier argumentierte sie mit der gloire des spanischen Königs46. Madame de Maintenon versteckte sich in ihrer Antwort zunächst hinter Gemeinplätzen: Das Problem sei, sich um zu viele Angelegenheiten zu lange kümmern zu müssen. Daraufhin stieg sie in die Diskussion ein: Was die Princesse des Ursins denn sagen würde, wenn man sie jetzt um Truppen für die Provence bäte47; schließlich sollte immer dem geholfen werden, der es am nötigsten habe48. Und in einem dritten Schritt flüchtete Maintenon sich in eine religiöse Argumentation: Man müsse auf Gott hoffen, denn die Truppen aus der Belagerung von Denia stünden für die der Stadt Lérida nicht zur Verfügung – den entsprechenden Vorschlag der Princesse lehnte sie also ab. Damit ging Madame de Maintenon mit der Haltung Ludwigs XIV. konform, der seinem Enkel in jenen Monaten immer wieder weitere Truppenunterstützung verweigert hatte49. Doch auch hier sollten die Bemühungen von Seiten Madrids trotz allem Früchte tragen: Ludwig XIV. schickte den Maréchal de Berwick zur Unterstützung des Duc d’Orléans. Amelot berichtete am 5. September von der Freude des Königspaars50, und die Princesse bedankte sich am 12. September bei Torcy51. Die Mitteilung erhielt nicht nur der französische Botschafter, sondern auch die Princesse vom Duc d’Orléans persönlich aus dem Lager52. Doch noch war die Sache nicht erledigt. Im Oktober beklagte sich die Princesse gegenüber dem Duc de Noailles, der mit seiner Tante, Madame de Maintenon, in regelmäßigem Austausch stand: Der Duc d’Orléans hätte gleich nach der Einnahme der Stadt Lérida noch weitere Eroberungen machen können, wenn ihm nicht Munition gefehlt hätte. Schuld trug wie immer Frankreich: 46 „M. le Duc d’Orléans n’a pas pu attaquer Lérida parce que l’artillerie qu’on lui avait promis de France n’est point arrivée. Ainsi, la figure que fait S[on] A[ltesse] R[oyale] n’est pas celle qu’on le souhaiterait pour elle et pour le Roi d’Espagne.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 18.7.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 303: 47 Dort war im Juli der Herzog von Savoyen eingefallen; vgl. Baudrillart, Philippe V., 300. 48 „Nous en sommes aussi fâchés que vous, Madame, c’est le malheur d’avoir trop d’affaires à soutenir et trop longtemps [...]. Que direz-vous donc quand on vous demandera des troupes pour venir en Provence, il faut bien, Madame, courir au plus pressé.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.8.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 307–308. 49 Vgl. Baudrillart, Philippe V., 301, insbes. Anm. 2. 50 Amelot an Ludwig XIV., o.O., 5.9.1707, MAE CP Espagne 270, f. 4–5. 51 Ursins an Torcy, Madrid, 12.9.1707, MAE CP Espagne 270, f. 45. 52 Am 19. September berichtete Amelot, dass Berwick am 13. auf Orléans gestoßen sei und sie nun vor Lérida auf den richtigen Moment warteten: Vgl. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 19.9.1707, MAE CP Espagne 270, f. 83. Der Brief der Princesse an Torcy vom selbem Tag zeigt, dass der Duc auch an die Princesse selbst aus dem Lager berichtete: Vgl. Ursins an Torcy, Madrid, 19.9.1707, MAE CP Espagne 270, f. 98.
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„Was die Unternehmungen immer scheitern lässt, ist, dass man das, was man von Frankreich braucht, nicht hat. In diesem Land hier fehlt auch einiges, aber wir versuchen, nur das zu versprechen, was wir glauben auch halten zu können.“53 Madame de Maintenon wurde das Problem jedoch auch direkt geschildert, von der Princesse und von Königin Maria Luisa, jeweils mit derselben Argumentation54: Zunächst lobte man den Duc d’Orleans für seine militärischen Verdienste; Nach der Einnahme von Lérida stünden die Eroberung der dazugehörigen Burg und einer weiteren Stadt nun kurz bevor. Die Strategie bestand darin zu zeigen, dass es sich lohnen würde, Spanien zu unterstützen: „Eine ruhmreiche Rückkehr“ sah die Princesse für den Neffen des Königs voraus. Auch an der katalanischen Front sähe sich der Erzherzog bereits von der französischen Armee bedrängt: Warum man denn nicht französische Truppen aus der Gegend von Neapel nach Spanien verschiebe, wo man sie dringender benötige? Von der Situation der Königreiche Sizilien und Valencia kannte die Princesse die genauen Zahlen der feindlichen Verluste. Sie schloss ihre Überlegungen mit der Umwandlung eines beliebten Arguments der Maintenon: „Wir haben das Glück alles gedeihen zu sehen: Gott will uns weiterhin seine Gunst schenken.“55 Unterstützt wurde sie durch die Briefe des Botschafters an den König56. Wie der Duc de Gramont und der Chevalier du Bourk in ihren Berichten an den Staatssekretär Torcy57 verwies auch Amelot auf fehlendes Material58. Der Botschafter beschränkte sich jedoch auf eine „neutrale“ Berichterstattung der Zustände vor Lérida, Verhandlung um Truppen führte er nicht. Die Briefe der Princesse dagegen sind voll von Kommentaren und persönlichen Einschätzungen – häufig jedoch gefolgt von einer rhetorischen Selbstbeschränkung. So diskutierte sie beispielsweise mit Gramont über die zukünftige Rolle des Maréchal de Berwick59, der im November, als die Kämpfe wegen des 53 „C’est toujours ce qui fait manquer les entreprises, que de ne pas avoir ce qu’on an besoin de France. Bien des choses manquent aussi en ce pays-ci; mais nous essayons à ne promettre que ce que nous croyons pouvoir tenir.“ Ursins an Comte d’Ayen, Madrid, 25.11.1707, Ursins IV (La Trémoille), 42; auch in: Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 25.11.1707, MAE M&D Espagne 125, f. 84. 54 Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 13.11.1707, Ursins IV (La Trémoille), 39. 55 „Ainsi, Madame, nous avons le bonheur de voir tout prospérer: Dieu veuille nous continuer ses grâces.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 17.10.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 351. 56 Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., o.O., 24.10.1707, MAE CP Espagne 270, f. 261–262. 57 Torcy an Gramont, Marly, 8.11.1707, MAE CP Espagne 270, f. 280; Torcy an Chevalier du Bourk, o.O., 14.11.1707, MAE CP Espagne 270, f. 281. 58 Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 4.7.1707, MAE CP Espagne 169, f. 4. 59 Ursins an Gramont, Buen Retiro, 12.8.1707, Ursins IV (La Trémoille), 16 f.
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fehlenden Materials unterbrochen werden mussten, dem Duc d’Orléans nach Versailles folgen wollte. Die Princesse hielt es für ungünstig, die Truppen ohne General zurückzulassen und legte Gramont ihre Argumentation ausführlich dar. Dann schloss sie mit den Worten: „Vielleicht, Monsieur, spreche ich als Frau, und das heisst mit Unwissenheit; ich erlaube Ihnen daher sich über mich lustig zu machen, wenn es Sie ein wenig unterhält.“60 Ihre strategischen Überlegungen nahm sie also unmittelbar im Anschluss zurück und relativierte ihre Aussage durch den Hinweis auf ihre Unwissenheit als Frau und den Unterhaltungscharakter ihres Briefes. Am 12. November 1707 glückte schliesslich die vollständige Eroberung Léridas trotz aller vorherigen Schwierigkeiten. Die Freude darüber findet sich in den Briefen sowohl der Princesse als auch des Botschafters – auf ganz unterschiedliche Weise: Der König würde die Details der Kapitulation und des Rückzugs der feindlichen Armee sicher schon kennen61, heißt es nüchtern beim Botschafter, während die Princesse den Ruhm des Duc d’Orléans pries, der ihm für die Einnahme dieses wichtigen Standortes gebühre. Dass die affaires gut gingen, sei doch die wichtigste Vorraussetzung, um Maintenons Gesundheit wieder herzustellen – so verband sie ihre Nachricht geschickt mit Ehrerweisung und Beziehungpflege. Und wie um das eigene Verhalten zu rechtfertigen, fügte sie hinzu: „Was sicher ist, Madame, ist, dass man nichts erreicht, wenn man nichts unternimmt.“62 Das Jahr 1709 Bereits im Februar 1709 hatte Ludwig XIV. seinem Enkel Philipp V. unter dem Gebot des Stillschweigens mitgeteilt, dass es wahrscheinlich keine andere 60 „Peut-être, Monsieur, parlez-je en femme, et c’est à dire avec ignorance; je vous permets donc de vous moquer de moi, pour peu que cela vous divertisse.“ Ursins an Gramont, Madrid, 4.12.1707, Ursins IV (La Trémoille), 44. Ein weiteres Beispiel: „Je suis très peu capable de juger sur pareille matière; mais néanmoins, je ne puis m’empêcher de croire que je pense bien, quand je souhaite qu’on s’en tienne, à présent de se rendre maître des places que vous marquez [Valencia und Aragon, die Pläne in Portugal wurden zunächst auf Eis gelegt, A.d.V.], car elles me paraissent très importantes pour ce qui peut arriver dans les suites; [...].“ Ursins an Gramont, Buen Retiro, 6.8.1707, Ursins IV (La Trémoille), 15. 61 Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 21.11.1707, MAE CP Espagne 271, f. 59. 62 „Ce qui est de sur, Madame, c’est qu’on ne fait rien quand on n’entreprend rien, [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 19.11.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 364–365; Antwort: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 10.12.1707, BL Add. Ms. 20918, f. 370.
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Möglichkeit gebe, als einen Friedensschluss zu unvorteilhaften Bedingungen zu akzeptieren63, was unter anderem die vollständige Trennung der Höfe bedeutete. Dies würde für den spanischen König Konsequenzen haben, stellte der französische Botschafter klar: Die Unterhaltung der spanischen Truppen sei nur mit französischer Unterstützung machbar64. Bei einem sofortigen Abzug der französischen Truppen würde sich das spanische Volk zudem von Frankreich im Stich gelassen fühlen, wodurch die Gefahr des Überlaufens zu den Habsburgern groß würde65. Doch die Entscheidung des französischen Königs, um jeden Preis Frieden zu schließen, stand fest und wurde am 15. April publik gemacht. Als Zeichen der Trennung der Interessen beider Kronen musste Ludwig XIV. seine Truppen vollständig aus Spanien abziehen66. Amelot erlaubte sich daraufhin etwas Ungewöhnliches, nämlich dem König in einem chiffrierten Abschnitt seine „persönlichen Gedanken“ (en mon particulier une réflexion) mitzuteilen: Wenn Ludwig XIV. seine Truppen vollständig abzöge, hätte Philipp V. keine Möglichkeit mehr, Katalonien zu halten67. Der französische König begründete lediglich von neuem seine Entscheidung: Schon kleine Hilfen für Spanien seien ein sicherer Vorwand für die Alliierten, seine Bereitschaft, die Interessen beider Höfe zu trennen, nicht anzuerkennen68. Am 28. April fand in Versailles eine Sitzung des conseil statt, in der man sich einig war, dass die finanzielle Situation des Hofes einen Frieden unausweichlich mache. Torcy wurde beauftragt, in Den Haag die Verhandlungen weiter voranzubringen, deren Ausgang die Princesse schon mit Ungeduld erwartet hatte69. Die Alliierten legten einen Monat später ihre Forderungen in Form der „40 Artikel der Präliminarien“ vor. Darin wurden zwar alle Zugeständnisse von Seiten Frankreichs aufgegriffen; Artikel 4 schuf jedoch eine neue Situation: Er lautete, dass Ludwig XIV. in Abstimmung mit den Alliier63 64 65 66 67
Vgl. Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 28.2.1709, MAE CP Espagne 189, f. 188. Bspw.: Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 8.2.1709, MAE CP Espagne 189, f. 142. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 18.2.1709, MAE CP Espagne 189, f. 191. Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 15.4.1709, MAE M&D Espagne 126, f. 41. „J’ai fait d’ailleurs en mon particulier une réflexion qui est que si Votre Majesté retirait ses troupes d’Espagne le Roi votre petit-fils qui n’a que dix sept battants des siennes dans les royaumes d’Aragon et de Valence n’avait pas de quoi garantir les places de cette frontière pour peu qu’il en fit passer en Estrémadure moins encore pour opposer à l’armée d’ennemis qui est en Catalogne.“ Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 20.5.1709, MAE CP Espagne 190, f. 87. 68 Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 10.6.1709, MAE CP Espagne 190, f. 116–117 (nicht in der Ausgabe von Girardot). 69 Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.4.1709, Correspondance (Loyau), 169.
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ten Maßnahmen treffen solle, wenn Philipp V. sich den Vereinbarungen nicht freiwillig unterwerfe. Eine Verweigerung hätte ein militärisches Vorgehen gegen Spanien zur Folge. Der conseil befand am 2. Juni diese Bedingungen für nicht erfüllbar70. Doch die Tatsache, dass es vorerst keinen Frieden geben sollte, bedeutete nicht, dass Ludwig XIV. seinen Enkel weiterhin militärisch unterstützen konnte. Am 3. Juni teilte der französische König seinem Botschafter die Entscheidung mit, sämtliche französischen Truppen aus Spanien abzuziehen71. Schon eine Woche später nahm die Princesse in ihrem wöchentlichen Schreiben an die Marquise Bezug auf einen Brief des Königs an seinen Enkel, in dem er diese Maßnahme ebenfalls ankündigt hatte72. Eine weitere Woche später wurden in Madrid gleich mehrere Briefe in derselben Absicht verfasst: Man bat um 20 oder 50 Bataillone, die in Aragon gelassen werden sollten, bis spanischer Nachschub käme. Die Princesse schrieb sowohl Torcy73 als auch Madame de Maintenon74 und Chamillart75. Amelot informierte den französischen König76, und der secretario del despacho Grimaldo den spanischen Botschafter in Versailles, den Duque de Alba77. Königin Maria Luisa78 und Philipp V. versuchten es über Madame de Maintenon79. Doch vergebens: Ludwig XIV. teilte seinem Botschafter mit, dass der Zustand des französischen Königreiches eine solche Unterstützung nicht mehr erlaube80. Frieden sei für Frankreich nur möglich, wenn in den Augen der Alliierten die französische Unterstützung für Spanien beendet werde. Perfekt abgestimmt mit dem König verfasste Madame de Maintenon parallel einen Brief an die Princesse, der sich wie eine Aufkündigung ihrer Patronage liest: „Sie sind wütend auf uns, Madame, und man muss es Ihnen verzeihen; trotz70 Vgl. Bély, Les relations, 409 f. 71 Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 3.6.1709, Amelot (Girardot), 144. 72 Das spanische Königspaar hätte geopfert werden müssen, damit, wie Ursins ironisch bemerkt: tout le monde sera bien content où vous êtes et la joie reviendra dans votre cour: Ursins an Maintenon, o.O., 10. oder 11.6.1709, Correspondance (Loyau), 201. 73 Vgl. Ursins an Torcy, Madrid, 12.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 161–162. 74 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 12.6.1709, Correspondance (Loyau), 202 f. 75 Vgl. Ursins an Chamillart, Madrid, 12.6.1709, Ursins (Geffroy), 364. 76 Vgl. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 13.6.1709, CP Espagne 191, f. 163–164. 77 Vgl. Grimaldo an Alba, Madrid, 13.6.1709, AGS Estado Francia, n. fol. 78 Vgl. Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 17.6.1709, MAE M&D Espagne 128; und: Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 12.1.1710, MAE M&D Espagne 128. 79 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 14.10.1705, MAE M&D Espagne 106, n. fol., Brief Nr. 20. 80 Vgl. Ludwig XIV. an Amelot, Marly, 24.6.1709, Amelot (Girardot), 148.
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dem werden wir keinen Frieden haben [...]. Wir müssen Sie und die Spanier daher sich selbst überlassen, denn wir können Sie nicht mehr unterstützen und haben ziemliche Schwierigkeiten, uns selbst zu halten.“81 Doch die Princesse machte unbeeindruckt weiterhin Druck. In ihren Briefen an den Duc de Noailles und Madame de Maintenon machte sie sich den Umstand zu Nutze, dass diese beiden ebenfalls miteinander im Austausch standen: An Noailles schrieb sie, dass es an Versailles und Maintenons Schwarzseherei liege, dass er so lange keine ausreichenden Truppen zur Verfügung habe82. Jene wiederum fragte die Princesse, ob sie nicht den Nutzen erkenne, den eine schlagkräftige Armee unter Noailles auch für Frankreich hätte83. Die von Seiten der Princesse, des Königspaars und des Botschafters84 vorgetragene Bitte wurde schließlich doch noch erhört85. Eine Arbeitssitzung des Königs mit den Ministern Torcy, Desmarets und Voysin in den Räumen der Maintenon scheint zu dieser Meinungsänderung beigetragen zu haben, wie aus dem Journal Dangeaus zu erfahren ist86. Dass Madame de Maintenon dieses Ergebnis der Princesse nicht sofort in ihrem darauf folgenden Brief mitteilte, gab jener Anlass zu Vorwürfen87. Der neu berufene Staatssekretär Voysin dagegen hatte der Princesse die königliche Entscheidung unverzüglich mitgeteilt88. Diese drei Momentaufnahmen zeigen, dass die verschiedenen Akteure die Verhandlung um Truppen parallel führten und ihre Argumentation häufig miteinander absprachen. Die Princesse tritt dabei als einer der wichtigsten „Verhandlungsführer“ hervor, sie schrieb meist gleichzeitig an mehrere Entscheidungsträger in Versailles. Sie kommentierte die Entwicklungen und brachte 81 „Vous êtes fâchée contre nous, Madame, et il faut vous le pardonner; cependant nous n’aurons point la paix. [...] Il faut donc vous laisser avec les Espagnols, puisque nous ne pouvons plus vous soutenir, et que nous avons bien de la peine à nous soutenir nous mêmes.“ Maintenon an Ursins, Marly, 17.6.1709, Correspondance (Loyau), 206 f. 82 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 20.7.1709, Ursins V (La Trémoille), 31 f. 83 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 1.7.1709, Correspondance (Loyau), 214–216. 84 Vgl. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 24.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 206–207. 85 25 Bataillone und die Garnisonen, die in Grenzgebieten stationiert waren, wurden in Spanien belassen – allerdings nur für einen guten Monat; vgl. Ludwig XIV. an Amelot, Marly, 26.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 194. 86 „Le soir, chez Madame de Maintenon, le Roi travailla, avec M. de Torcy, Desmarets et Voisin, et l’on croit présentement que les ordres pour faire revenir toutes les troupes d’Espagne vont être un peu changés.“ Marly, 25.6.1709; und: Marly, 26.6.1709, Dangeau III (Genlis), 103 f. 87 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 5.7.1709, Correspondance (Loyau), 219 f. 88 Vgl. Ursins an Voysin, Madrid, 5.7.1709, Ursins (Geffroy), 368.
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„Spanien sich selbst zu überlassen, hieße, Frankreich zu verlieren“
eigene Einschätzungen vor, während der Botschafter eine eher „neutrale“ Berichterstattung leistete. Er fungierte in erster Linie als Geschäftsträger des französischen Königs, während die Princesse auch als Vertreterin des spanischen Königspaars auftreten konnte, wie es in den beschriebenen Verhandlungen der Fall war. Madame de Maintenon schrieb ihrerseits konform mit den Ansichten des französischen Königs und wurde als Zugang zu ihm genutzt. In diesem Fall verhandelten die beiden Frauen somit stellvertretend für die beiden Kronen.
2. „Ich sehe schon, dass wir uns künftig weniger zu sagen haben“89: Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen und den Verbleib der Princesse des Ursins (1708–1710) Welche Form die Beziehungen der beiden Kronen haben sollten, war der Kern dessen, worum es im gesamten Untersuchungszeitraum in allen Verhandlungen letztendlich ging. Für die holländischen, englischen und habsburgischen Vertreter sollte dieser Aspekt in den Friedensverhandlungen von Utrecht und Rastatt entscheidend werden. Diese Frage spitzte sich im Jahr 1709 zu und eine konkrete Folge war der Abzug des französischen Botschafters aus Madrid. Was die Princesse des Ursins betraf, so herrschte Unklarheit. Die wachsenden Differenzen zwischen den beiden Höfen waren nicht zuletzt auch eine Folge äußerer Faktoren: Der harte Winter 1708/09 hatte einen Ernteausfall und eine Hungersnot verursacht90, und die entmutigenden Kriegsniederlagen des vorigen Jahres hatten in Versailles politische Entscheidungen nach sich gezogen, die mehr und mehr mit den Interessen Madrids divergierten. Kritisch sah man den Konflikt Philipps V. mit dem Kirchenstaat sowie seine mangelnde Bereitschaft, Friedensverhandlungen aufzunehmen und darin den spanischen Thron zum Verhandlungsgegenstand zu machen91. Schon seit Beginn des Jahres 1708 hatten sich Gerüchte um einen definitiven Abzug des Maréchal de Berwick92 verbreitet. Im März 1708 war Pierre 89 „Je ne crois pas, Madame, que nous pensions différemment quand je crains plus la perte de la France que celle de l’Espagne [...]. Cependant, Madame, je comprends bien que nous aurons moins de choses à nous dire à l’avenir et que nos lettres seront plus courtes et plus sèches.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 2.3.1710, BL Add. man. 20920, f. 34. 90 Siehe hierzu Lachiver, Marcel, Les années de Misères. La famine au temps du Grand Roi, Paris 1991, insbesondere 268–384. 91 Vgl. hierzu Baudrillart, Philipp V., 319–327. 92 Berwick, Jacob Fitz James, Duke of (* 1670, † 1734): nach dem Fall der Stuarts kam er nach Frankreich und hatte während des Spanischen Erbfolgekrieges den Befehl über das französische Heer.
Die Verhandlungen um die Einheit der Kronen
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Rouillé, Seigneur de Marbeuf et Saint-Seine93 zu ersten geheimen Vorverhandlungen (préliminiares) nach Den Haag geschickt worden. Damit signalisierte man von französischer Seite die Akzeptanz der von den Niederländern gestellten Bedingungen, die unter anderem darin bestanden, die spanischen Gebiete auf der iberischen Halbinsel, das Herzogtum Mailand, die spanischen Niederlanden sowie die Kolonien in Amerika (les Indes) abzutreten. Philipp V. hatte seinem Großvater jedoch mehrfach zu verstehen gegeben, dass er seinen Thron lebend nicht verlassen würde94. In Madrid herrschte außerdem eine andere, eine positive Stimmung: Die Erwartung eines weiteren Königskindes stabilisierte die Herrschaft Philipps V. und Maria Luisas95. Des Weiteren griffen die von Orry und Amelot unternommenen Reformen96, und die militärischen Siege in Tortosa, Gent und Brügge ließen neue Hoffnung aufkommen97. In den Korrespondenzen zwischen den beiden Höfen ist ein Klima des Misstrauens spürbar. In Hunderten von Briefen nach Versailles wiederholte die Princesse des Ursins ihre Argumente gegen einen ihrer Ansicht nach „schändlichen Frieden“ (paix honteuse). Insbesondere aber der Briefwechsel zwischen den beiden Frauen spiegelt die Ereignisse wider. Während Madame de Maintenon in ihren Briefen die Position des kriegsmüden Frankreich einnahm, das beinahe um jeden Preis Frieden anstrebte, vertrat die Princesse des Ursins die Ziele des sich immer stärker emanzipierenden spanischen Königs, der um seinen Thron kämpfte. Mit Hilfe ihrer Korrespondenzen verfolgte die Princesse vor allem zwei Ziele. Sie versuchte zum einen ein positives Bild der spanischen Monarchie zu zeichnen, um die französische Unterstützung so lang wie möglich zu erhalten und zum anderen sich selbst und den Botschafter Amelot in ein gutes Licht zu rücken. Als sich der Rückruf des französischen Botschafters abzeichnete, war das erste Anliegen der camarera, verlässliche Informationen bezüglich ihres eigenen Verbleibs zu erhalten, um sich den königlichen Wünschen entsprechend verhalten zu können. Dies stellte sich jedoch als nicht ganz so einfach heraus. 93 Rouillé, Pierre, Seigneur de Marbeuf et Saint-Seine (* 1657, † 1712): französischer Diplomat unter anderem in Portugal. Er verhandelte für Ludwig XIV. in den Niederlanden und riet ihm, die Artikel der Vorverhandlungen zu akzeptieren. 94 Vgl. bspw. Philipp V. an Ludwig XIV., o.O., 6.8.1708, AGS 2460, n. fol.; o.O., 12.11.1708, AGS 2460, n. fol. 95 Der Infant Philippe wurde am 2.7.1709 – zu früh – geboren und starb wenige Tage später, am 18.7.1709. 96 Zu den Reformen bezüglich der Stellung der Grandes und der staatlich-administrativen Strukturen siehe Kamen, War of Succession, 86–92. 97 Tortosa wurde am 11.7., Gent am 4.7. und Brügge am 6.7.1708 erobert. Vgl. Cermakian, La Princesse, 387.
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„Ich sehe schon, dass wir uns künftig weniger zu sagen haben“
Im Folgenden soll deutlich werden, wie in diesem Kontext einer der grundlegenden Unterschiede zwischen der Position des Botschafters und der Princesse hervortritt, wie Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins in ihren Briefen um den Verbleib der letzteren verhandelten und wie unmittelbar dieser Umstand mit dem Verlauf der Friedensverhandlungen zusammenhing. Die Trennung der beiden Höfe „Indem Sie mir sagen, Madame, dass Sie es nicht wagen, mir zu sagen, was Sie in einer solchen Lage befürchten, teilen Sie mir mehr mit, als es bräuchte, um mir die Brust zuzuschnüren.“98
Mit diesen Worten nahm Madame des Ursins Bezug auf die Niederlage der bourbonischen Truppen in Lille am 22. Oktober 1708, um dann auf die bevorstehenden Friedensverhandlungen zu sprechen zu kommen. Weder sie noch der Duc d’Orléans würden verstehen, wie man bereit sein könne, einen Friedensschluss so teuer zu erkaufen. Gegenüber dem Duc de Gramont wird sie etwa zur selben Zeit schon etwas deutlicher: „Spanien aufzugeben, würde bedeuten, Frankreich zu verlieren.“99 Doch die Lage Frankreichs verschlechterte sich weiter: Nach der endgültigen Kapitulation Lilles und dem Verlust von Gent und Brügge am 9. Dezember mehrten sich außerdem die Ängste, der Papst könnte den Erzherzog Karl als spanischen König anerkennen. Drei Wochen später sprach die Princesse auch gegenüber der Marquise erstmals von dem „Fehler“, den Frankreich begehen könnte, wenn es Spanien durch einen solchen Vertrag opfern würde100. Die Princesse malte jedoch nicht nur ein bedrohliches Szenario aus, sondern gab auch gleich konkrete strategische Ratschläge und kritisierte die bisherige militärische Strategie101. Sie wusste, dass ihr Brief auch Ludwig XIV. vorlie98 „En me disant, Madame, que vous n’osez me dire ce que vous craignez dans une pareille conjoncture, c’est m’en apprendre plus qu’il n’en fait pour me serrer le cœur.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 26.11.1708, Correspondance (Loyau), 60. 99 „Ce serait perdre la France d’abandonner l’Espagne.“ Ursins an Gramont, Madrid, 2.12.1708, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 391 f. 100 „[C]ar il est certain que si on abandonnait l’Espagne par un traité, chose inouïe, et à quoi Sa Majesté Catholique aimerait mieux mourir que de consentir, la France deviendrait, après, la victime de la faute qu’elle aurait faite, puisque la ligue augmentant son pouvoir par la vaste monarchie qu’on lui aurait cédée, deviendrait en état de lui donner la loi.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 21.12.1708, Correspondance (Loyau), 70. 101 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 21.12.1708, Correspondance (Loyau), 70 f.
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gen würde, was einerseits deutlich macht, was für sie dem König gegenüber sagbar war, andererseits aber auch zeigt, wie existenziell diese Frage für sie war. Ohne die französische Unterstützung für den spanischen König wäre ihre Präsenz am spanischen Hof gegenüber ihren Gegnern in Madrid nicht mehr haltbar. Madame de Maintenons Antwort fiel ungewöhnlich kurz aus und gleicht fast einer Warnung: Sie könne nur den Empfang bestätigen, da der König in ihrem Zimmer sei. Sie denke oft genau so wie die Princesse, „aber es geziemt sich nicht immer zu sagen, was man denkt.“102 Mit dem Verweis auf ein persönliches Gespräch, in dem die Differenzen weniger groß erscheinen würden als in der Korrespondenz, versuchte sie, der Auseinandersetzung die Schärfe zu nehmen. Zugleich suggerierten der Hinweis auf den König und die gesellschaftlichen Konventionen sowie die bedrohliche Kürze des Briefes, dass die Princesse einen Schritt zu weit gegangen war. Jene gab sich in diesen ersten Monaten des Jahres 1709 hingegen auch in ihren Briefen an Torcy betont optimistisch: Noch habe sie die Hoffnung auf neue militärische Erfolge nicht aufgegeben. Sie pries einerseits ihre gute Zusammenarbeit mit dem Botschafter, zugleich versicherte sie, sich nicht in militärische oder finanzielle Angelegenheiten einzumischen. Angesichts der Möglichkeit, sich aus Madrid zurückziehen zu müssen, schien es umso wichtiger, eventuell schädliche Gerüchte zu zerstreuen und die eigene Interesselosigkeit (désintérêt) zu bekunden. So teilte sie ihm auch mit, dass ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse „ruiniert“ seien103. Torcy vermied es, in seiner Antwort die Sache beim Namen zu nennen, und beschränkte sich auf Anspielungen: „Nichts tröstet angesichts dessen, was Sie seit einiger Zeit durch meine Briefe haben verstehen können.“ Er wisse, dass sie von anderer Stelle deutlicher instruiert worden sei. Dieser anderen Stelle – es kann sich nur um Madame de Maintenon handeln – stimme er nun grundsätzlich zu: Der Zustand der französischen Monarchie sei mittlerweile so bedenklich, dass man sich „erschreckender Gedanken“ nicht mehr erwehren könne104. Die Princesse antwortete ähnlich kryptisch: Sie könne ihm die Probleme erst im Detail erklären, wenn die Zeit dazu gekommen sei: „Dazu muss man warten, was Sie wissen und wovon Sie ausgehen, dass ich es ebenso weiß.“105 102 „Je pense souvent comme vous, Madame, mais il ne convient pas toujours de dire ce qu’on pense.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 6.1.1709, Correspondance (Loyau), 81. 103 Ursins an Torcy, Madrid, 26.1.1709, MAE CP Espagne 190, f. 78–82. 104 „[R]ien ne console de ce que vous avez pu comprendre depuis quelque temps par mes lettres.“ Torcy an Ursins, o.O., 20.2.1709, Ursins V (La Trémoille), 7 f., Zitat 7. 105 „[I]l faut pour cela attendre encore ce que vous savez et que vous prétendez que je n’ignore pas.“ Ursins an Torcy, Madrid, 4.3.1709, MAE CP Espagne 190, f. 25–26.
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„Ich sehe schon, dass wir uns künftig weniger zu sagen haben“
Doch noch galt es, den französischen Hof davon zu überzeugen, dass sich eine Unterstützung der Herrschaft Philipps auszahlen würde. Nicht nur sie selbst, so die Princesse an Maintenon, auch der Botschafter und das spanische Königspaar erwarteten für den nächsten Feldzug neues Glück106. Die Beschreibung der feierlichen Anerkennung des Thronfolgers diente ihr ebenfalls dazu, ein positives und optimistisches Bild des spanischen Hofes zu zeichnen107. Torcy hatte ihr mitgeteilt, dass man in Versailles glaube, ganz Spanien sei zur Revolte bereit108. Die Princesse versuchte mit allen Mitteln, diese Gerüchte zu entkräftigen109; mal rekurrierte sie auf einen Diskurs über Mut und Vaterlandsliebe110, mal schöpfte sie die rhetorischen Mittel aus, von ermutigenden, motivierenden Fragen111 bis hin zu beschwörenden Warnungen112. Doch Madame de Maintenon flüchtete sich in Selbstbeschränkungen und den Verweis auf Gottes Willen113. Am französischen Hof würden außerdem mittlerweile alle königlichen Berater die absolute Notwendigkeit eines Friedensschlusses erkennen114. Unterdessen war in Versailles die Entscheidung gefallen. Mitte April teilte Ludwig XIV. seinem Enkel die Entscheidung mit, um jeden Preis Frieden zu schließen, da seinem Königreich keine Ressourcen mehr zur Verfügung stünden. Die Bedingungen seiner Verhandlungspartner müsse er nun akzeptieren115: Die Forderung der Niederlande war der gänzliche Verzicht Philipps V. auf die spanische Krone. Madame de Maintenon verfasste an dem Tag, an dem Ludwig XIV. den Truppenrückzug ankündigte, einen Brief an die Princesse, in dem die Darstellung ihrer Hoffnungslosigkeit einen Höhepunkt erreichte. Sie begann mit einem Hinweis auf die Unzulänglichkeit des Schriftverkehrs: Schreiben könne sie ihr nur mit so viel Vertrauen, wie es die Vorsicht (prudence) erlaube; auf dieses Vertrauen könnte man in einem gemeinsamen 106 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 7.2.1709, Correspondance (Loyau), 105. 107 Ursins an Maintenon, Madrid, 14.1.1709, Correspondance (Loyau), 87–89. Die Beschreibung der Anerkennungszeremonie erfolgt dann am 7. April und soll die Anbindung der Spanier an die neue Dynastie zeigen: Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 8.4.1709, Correspondance (Loyau), 159. 108 Torcy an Ursins, o.O., 7.1.1709, zitiert bei: Cermakian, La Princesse, 392, Anm. 68. 109 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 1.2.1709, Correspondance (Loyau), 10. 110 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 17.1.1709, Correspondance (Loyau), 89 f. 111 „Mais, Madame, pourquoi la perdrions-nous [l’espérance, A.d.V.]? N’avons-nous plus de troupes ni de généraux?“ Ursins an Maintenon, Madrid, 4.3.1709, Correspondance (Loyau), 124. 112 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 3.4.1709, Correspondance (Loyau), 127 f. 113 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 18.3.1709, Correspondance (Loyau), 146. 114 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 18.3.1709, Correspondance (Loyau), 144. 115 Vgl. Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 15.4.1709, MAE M&D Espagne 126, f. 41.
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Gespräch natürlich viel stärker bauen116. Der Verweis auf die Probleme der schriftlichen Kommunikation diente hier der vorsorglichen Entschuldigung, ihrer Briefpartnerin nicht alles mitteilen zu können. Im weiteren Verlauf des Briefes bezog sich Madame de Maintenon auf die Unabwendbarkeit des göttlichen Willens: Gott habe sich gegen sie gestellt. Diesen Brief kannte die Princesse zwar noch nicht, als sie am 28. April nach Versailles schrieb, doch sie musste von der Entscheidung Ludwigs XIV. erfahren und sich mit Amelot abgestimmt haben. Denn ihr veränderter Tonfall zeigt, dass ihr die völlig neue Situation bewusst war: Sie brachte keine Vorwürfe oder Anklagen mehr, sondern betonte ihre Ergebenheit als „gute Französin“ und bat demütig um königliche Anordnungen, wie sie sich in dieser neuen Ausgangslage zu verhalten habe117. Doch Madame de Maintenon wich in ihrer Antwort aus118, ein Spiel, das sich im Laufe des Jahres 1709 noch mehrfach wiederholen sollte. Die Möglichkeit einer baldigen Trennung der beiden Höfe ist auch daran erkennbar, dass die „nationale“ Zugehörigkeit der Princesse in dieser Zeit wieder verstärkt thematisiert wurde. Madame de Maintenon warf der Princesse vor, keine Französin mehr, „Frankreich gegenüber indifferent“ und schließlich „nicht mehr französisch“ zu sein119. Das Argument wurde von der Princesse aufgegriffen: Sie rechtfertigte sich mit dem Hinweis, von den Alliierten sogar als „zu gute Französin“120 gesehen zu werden. Diese Zugehörigkeiten konnten also rhetorisch eingesetzt werden. Ende April fand in Versailles schließlich jene Sitzung des conseil statt, in der ein Friedensschluss angesichts der finanziellen Situation des Königreichs für unausweichlich befunden wurde. Im Mai wurde der Staatssekretär Torcy nach Den Haag geschickt, um dort die Verhandlungen weiter voranzubringen, deren Ausgang die Princesse bei ihrer Briefpartnerin immer wieder ungeduldig erfragte121. Erste Anzeichen wiesen darauf hin, dass die Forderungen der Gegner, die durch das „Trio“ aus dem Pensionär Anton Heinsius, John Churchill, Duke of Marlborough und dem Herzog von Savoyen vertreten wurde, zu
116 „J’ai l’honneur de vous écrire, Madame, avec toute la confiance que la prudence peut permettre; elle irait plus loin dans les conversations que je voudrais avoir avec vous.“ Maintenon an Ursins, Marly, 15.4.1709, Correspondance (Loyau), 164. 117 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 28.4.1709, Correspondance (Loyau), 171. 118 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.5.9 Correspondance (Loyau), 186. 119 Vgl. Kapitel II.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 120 Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., wohl Mitte Januar 1710, Correspondance (Loyau), 368. 121 Vgl. bspw. Ursins an Maintenon, Buen Retiro, 22.4.1709, Correspondance (Loyau), 169.
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weit gingen122. Madame de Maintenon berichtete in einem leicht bissigen Ton über den schlechten Verlauf der Verhandlungen, erstickte dabei aber auch jede anderweitige Hoffnung im Keim123. In auffällig unterwürfigen Ton erneuerte die Princesse ihre Bitte um klare Anweisungen124 und arbeitete weiterhin beinahe stoisch daran, ein positives Bild von Philipps V. Herrschaft zu zeichnen, beispielsweise in der Beschreibung eines Sieges über die Portugiesen125. Wie wichtig es den Akteuren in Madrid war, derartige Hoffnung weckende Informationen nach Versailles zu tragen, zeigt der Umstand, dass Madame de Maintenon über jenes Ereignis am selben Tag in ähnlichem Wortlaut auch von Königin Maria Luisa126 und König Philipp V.127 berichtet wurde. Loyalitätskonflikte Weiterhin fehlte bezüglich des Verbleibs der Kammerdame jede klare Aussage von Seiten Ludwigs XIV. Offensichtlich sollten die Ergebnisse der Verhandlungen in Den Haag abgewartet werden. Madame de Maintenon schien die Princesse unterdessen beruhigen zu wollen: Man wolle Frankreich und Spanien trennen, „aber“, so versichert sie, „unsere beiden Könige kann man nicht auseinander bringen“128. Die Unterscheidung zwischen Land und Herrscher, 122 Vgl. hierzu detailliert Baudrillart, Philippe V, 353–356. John Churchill, I. Duke of Marlborough (* 1650, † 1722): 1701–1713 Oberbefehlshaber der englischen Truppen. Anton Heinsius (* 1641, † 1720): ab 1689 Ratspensionär der Grafschaft Holland (grand pensionnaire de Hollande); 1702 schloss er sich Prinz Eugen von Savoyen und dem Duke of Marlborouh gegen Frankreich an. 123 „Eh bien! Madame, vous serez contente, nous n’aurons point la paix: Dieu veuille confondre l’orgueil des ennemis. Vos sentiments sont admirables, ils ne leur manquent que la possibilité.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.4.1709, Correspondance (Loyau), 169. 124 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 6.5.1709, Correspondance (Loyau), 176 f. 125 Unter Alexandre Malitre, Marquis de Bay (* 1650, † 1715), capitain général beider Kastillien, siegten die bourbonischen Truppen über die Liga an der portugiesischen Grenze; vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 10.5.1709, Correspondance (Loyau), 178 f. 126 Vgl. Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 10.5.1709, MAE M&D Espagne 128, f. 247. 127 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 10.5.1709, MAE M&D Espagne 99, f. 23. 128 „Votre situation est fâcheuse, Madame, et il faut du courage pour s’y tenir, mais elle n’est point délicate: on veut désunir la France et l’Espagne par une suite d’infortunes qu’on ne peut prévoir, mais on ne peut désunir nos rois, et le nôtre regardera toujours les services que vous rendrez à Leurs Majestés Catholiques comme rendus à lui-même.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.5.1709, Correspondance (Loyau), 188.
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die die Marquise hier vornahm, sollte eine Trennung der Interessen beider Länder denkbar werden lassen, ohne die Princesse in einen Loyalitätskonflikt zu bringen. Die doppelte Loyalität der Princesse sollte also (noch) kein Problem darstellen – dies suggerierte zumindest Madame de Maintenon129. In ihrer Antwort erklärte die Princesse ihr Dilemma: Unliebsame Regierungsentscheidungen würden die Spanier immer auf den von ihr ausgehenden „Geist Frankreichs“ (l’esprit de la France) zurückführen130. Daher sei es für sie nicht möglich, am spanischen Hof zu bleiben, wenn sie nicht eine erneute Legitimation von französischer Seite erhielte. Der Rückhalt beim spanischen Königspaar erschien ihr offensichtlich nicht sicher genug. Im Juni versuchte es die Princesse mit einer neuen Argumentation. Ihrer Meinung nach handle es sich um eine Verschwörung gegen Ludwig XIV.: Claude Louis Hector, Maréchal de Villars131 habe die französischen Truppen in einem besseren Zustand aufgefunden als zuvor verbreitet wurde. Nicht der Mangel an Geld und Personal sei das Problem, sondern die fehlende Einheit unter den Feldherren und dass nicht alles, was möglich sei, auch unternommen würde132. Die Princesse wollte Madame de Maintenon klarmachen, dass die Entscheidung Versailles’, um jeden Preis Frieden zu schließen, auf falschen Informationen basiere. Gleichzeitig bot sie sich selbst als „sicherere“ Informantin an, womit sie ihre Position erneut zu legitimieren hoffte – eine Strategie, die sie ebenfalls in den kommenden Monaten weiter verfolgen sollte133. Unterdessen waren die Alliierten der Forderung Torcys, ihre Bedingungen darzulegen, nachgekommen und präsentierten ihm am 27. Mai die „40 Artikel der Vorverhandlungen“. Darin wurden alle französischen Zugeständnisse aufgegriffen; zwei zusätzliche Artikel schufen jedoch eine neue Situation: Artikel 4 beinhaltete, dass Ludwig XIV. in Abstimmung mit den Alliierten Maßnah129 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 194. Diese Argumentation brachte sie erneut im Jahr 1714, um es zu ermöglichen, die dynastischen Verbindungen nicht brechen zu müssen, obwohl die Interessen der Höfe getrennt waren: Maintenon an Ursins, Marly, 2.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 222–223; ähnlich: Maintenon an Ursins, Marly, 14.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 226. 130 „[…] la défiance qu’auraient les Espagnols, me voyant si honorée de la confiance de Leurs Majestés, dépendante du Roi comme je le suis. Ils prendraient prétexte, quand tout n’irait pas à leur gré, de se plaindre que ce serait toujours l’esprit de la France qui gouvernerait par mes insinuations.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 196. 131 Villars, Claude Louis Hector, duc de (* 1653, † 1734): maréchal de France. Er führte entscheidende Schlachten im Spanischen Erbfolgekrieg und war mitbeteiligt an den Friedensverhandlungen in Rastatt. 132 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 190. 133 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 3.6.1709, Correspondance (Loyau), 191.
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men treffen solle, wenn Philipp V. sich den Übereinkünften nicht freiwillig unterwerfe, während Artikel 37 eine Verlängerung des Waffenstillstands um zwei Monate vorsah, wenn die Absprachen erfüllt würden. Für den französischen König bedeutete dies: kein Waffenstillstand ohne Ausführung der Artikel sowie militärisches Vorgehen gegen seinen Enkel im Falle dessen Verweigerung. Der conseil du roi befand am 2. Juni in Versailles diese Bedingungen für unerfüllbar134. Ludwig XIV. ließ daraufhin einen Brief an die Provinzgouverneure verfassen, in dem er seinen Untertanen erklärte, sein Möglichstes für den Frieden getan zu haben. Die Bedingungen eines Abkommens mit den Allierten seien jedoch gegen die Ehre Frankreichs und somit nicht erfüllbar. Er müsse daher von seinem Volk „neue Anstrengungen“ (des nouveaux efforts) fordern. Dieser so genannte „Appell des 12. Juni“ (appel du 12 juin) hatte durchschlagende Wirkung: Die Armee fand zu neuer Motivation, mehrere adelige Financiers unterstützten die Krone durch private Spenden und am französischen Hof wurden personale Änderungen vorgenommen: Chamillart, der ein glühender Verfechter des Friedensschlusses gewesen war, wurde zum „Sündenbock“ stilisiert und zuerst als contrôleur général durch Desmarets und schließlich auch als Staatssekretär des Krieges durch Voysin ersetzt135. Dass der französische König trotzdem an dem Plan festhielt, Spanien sich selbst zu überlassen, zeigte sich in dem Umstand, dass er seine Truppen vollständig vom spanischen Territorium abzog136. Doch nicht nur militärisch, sondern auch politisch, so die Worte es Königs an seinen Botschafter, müsse die Trennung zwischen Versailles und Madrid glaubhaft gemacht werden, was bedeutete, dass keine Franzosen dem despacho mehr beiwohnen dürften. Amelot solle – der Ehre halber unter gesundheitlichen Vorwänden – nach Frankreich zurückkehren, das Königspaar aber über den wahren Grund seiner Abreise in Kenntnis setzen. Die Princesse dagegen solle selbst entscheiden, welches Verhalten für sie angemessen sei, da er ihre Ratschläge weiterhin für nützlich erachte137. Letztere kündigte daraufhin Madame de Maintenon ihre sofortige Abreise an138. Diese frühe Ankündigung zog weder eine Reaktion von Seiten Maintenons noch Konsequenzen der Princesse nach sich. Welchem Zweck diente sie also? Denkbar wäre, dass die Princesse sich einen 134 Vgl. Bély, Les relations, 409 f. 135 Vgl. Baudrillart, Philippe V, 329–333. Dieses „Opfer“ sollte auch das aufrührerische Potential des kriegsmüden Volkes beruhigen. Maintenon berichtet Ursins über genau diese Tatsachen: Versailles, 10.6.1709, Correspondance (Loyau), 198–200. 136 Vgl. Kapitel III.2. (Die Verhandlungen um Truppen). 137 Vgl. Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 3.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 41–44. 138 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 12.6.1709, Correspondance (Loyau), 203 ; Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 13.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 163–168.
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gegenteilig lautenden Befehl erhoffte, der ihre Anwesenheit in Madrid legitimiert hätte. Diesen versuchte sie nämlich auch über Noailles139 und Amelot zu erhalten. Doch immer noch nichts Neues aus Versailles: Der König wollte, dass sie selbst beurteile, welches Verhalten angebracht sei140. Es scheint, als ob Ludwig XIV. der Princesse bewusst keine klare Anweisung gab. Zwar wurden die Bitten um französische Truppen schließlich gewährt141, zugleich klärte der König seinen Botschafter jedoch über die Kurzfristigkeit dieser Maßnahme auf. Zeitgleich formulierte es Madame de Maintenon an die Princesse weniger direkt: „Ich gebe zu, dass meine Befürchtungen nicht dahin gingen vorauszusehen, dass wir so erniedrigt würden, uns zu wünschen, den König und die Königin von Spanien abgesetzt zu sehen [...].“142 Dieser Satz sollte wie ein Stachel in der Wunde Anlass für wochenlange Vorwürfe und Rechtfertigungen zwischen den beiden Frauen geben143. Die veränderte Situation schlug sich auch in einem anderen Tonfall der Princesse nieder. Wo bisher ein vorwurfsvoller Ton vorgeherrscht hatte, waren ihre Aussagen nun in schmeichelndere Worte gekleidet144. Die Princesse brauchte die Unterstützung Versailles’ und speziell Maintenons zu diesem Zeitpunkt mehr denn je. Am 3. Juni ordnete Ludwig XIV. an, dass der „spanischen Regierung eine neue Form“ (une nouvelle forme de gouvernement) gegeben werden müsse145. Dies beinhaltete unter anderem, dass der französische Botschafter den Hof verlassen musste. Er wurde durch einen einfachen Gesandten, den Marquis de Blécourt, ersetzt. In dessen Instruktionen heißt es, dass sich die Princesse 139 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 10.7.1709, Ursins V (La Trémoille), 24. 140 „[E]lle est elle-même en état de leur donner sur cet article de meilleurs conseils que personne.“ Ludwig XIV. an Amelot, Marly, 24.6.1709, MAE CP Espagne 191, f. 174– 177; ähnlich auch: Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 3.6.1709, Amelot (Girardot), 145. Siehe auch Maintenon an Ursins, Marly, 17.6.1709, Correspondance (Loyau), 208 oder Maintenon an Ursins, Versailles, 9.9.1709, Correspondance (Loyau), 274 f. 141 Siehe hierzu Kapitel III.1. (Die Verhandlungen um Truppen). 142 „J’avoue que toutes mes craintes n’avaient pas été jusqu’à prévoir que nous serions réduits à désirer de voir le Roi et la Reine d’Espagne détrônés [...].“ Maintenon an Ursins, Marly, 24.6.1709, Correspondance (Loyau), 213. 143 Zunächst hielt ihn Ursins für eine ihrer „üblichen Übertreibungen“ (Madrid, 5.7.1709, Correspondance (Loyau), 220). Maintenon leugnete ihre Aussage daraufhin (St. Cyr, 21.7.1709, 230). Ursins kündigte daraufhin ihren Aufbruch an (Madrid, 26.7.1709, 233–235); sie könne ihr den Satz sogar abschreiben (Madrid, 5.8.1709, 238). Maintenon rechtfertigte sich: Sie wünsche Philipps V. Absetzung nur dann, wenn Frankreich selbst auf dem Spiel stünde (St. Cyr, 10.8.1709, 242). Denn dies sei ein Opfer, das nicht erbracht werden könne (St. Cyr, 18.8.1709, 248). 144 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 5.8.1709, Correspondance (Loyau), 239. 145 Vgl. Ludwig XIV. an Amelot, Versailles, 3.6.1709, CP Espange 191, f. 41–42.
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vermutlich bald aus Madrid zurückziehen werde, um deutlich zu machen, dass das Königspaar nunmehr allein von spanischen Beratern geleitet würde. Der König habe ihr indes die Entscheidung selbst überlassen146. Diese neuen Umstände veranlassten die Princesse schließlich dazu, am 26. August ein zweites Mal das „Opfer“ ihrer Abreise anzukündigen147. Parallel bestätigte der Botschafter Amelot gegenüber dem französischen König die Ernsthaftigkeit ihrer getroffenen Entscheidung. Es handle sich dabei nicht, wie die Gegner der Princesse verlauten ließen, um eine Täuschung (artifice). Die Stimmung am Hof sei indes nicht einheitlich gegen die camarera gerichtet: Es gäbe auch Stimmen, die davor warnten, dass, wenn Madame des Ursins sich zurückzöge, bestimmte Granden die Macht an sich reißen könnten148. Königin Maria Luisa zeigte sich in zwei aufeinanderfolgenden Briefen an Madame de Maintenon verzweifelt über die Entscheidung ihrer Kammerdame. Maintenon solle für ihr Anliegen beim König wirken, da sie auf ihre camarera nicht verzichten könne149. Es sei doch bekannt, dass Philipp V. in seinem nunmehr gänzlich spanisch besetzten consejo über alles allein entscheide und dass die Princesse sich weder in Kriegs- noch in Finanzfragen einmische – auch in den Briefen der Königin diente diese Darstellung dazu, sich, das heißt in diesem Fall die Princesse aus der Schusslinie zu nehmen. Doch auch die Fürsprache von höchster Stelle bewirkte keine klare Anweisung aus Versailles. Madame de Maintenon wiederholte weiterhin unablässig, dass der König seine Zufriedenheit ausrichten ließe und die Entscheidung dem Königspaar bzw. der Princesse des Ursins überließe150. Offensichtlich wollte Madame de Maintenon die Princesse in Madrid halten, ohne sich in ihrer Aussage festzulegen. Frankreich befand sich mitten in komplizierten Friedensverhandlungen, bei denen der französische Einfluss am spanischen Hof ein ebenso zentrales wie empfindliches Thema darstellte. Für einen erfolgreichen Verlauf dieser Gespräche musste man zeigen können, dass von französischer Seite alles für eine Trennung der beiden Kronen getan wurde, sichtbar insbesondere im Abzug des Botschafters. Zugleich wollte man die Möglich146 Vgl. Mémoire pour servir d’instruction au Sieur de Blécourt, brigadiers des armées du roi, gouverneur de Navarrens, allant en Espagne en qualité d’envoyé extraordinaire de Sa Majesté, Versailles, 21.7.1709, RDI Espagne II (Blécourt), 156–164, hier 163. 147 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 255 f.; Ursins an Maintenon, Madrid, 30.8.1709, Correspondance (Loyau), 259. 148 Vgl. Amelot an Ludwig XIV., Madrid, 26.8.1709 und Madrid, 30.8.1709, MAE CP Espagne 192, f. 237–243 und f. 248–256. 149 Vgl. Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 30.8.1709, MAE M&D Espagne 128, f. 102–105; Madrid, 16.10.1709, f. 106–108. 150 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 9.9.1709, Correspondance (Loyau), 274 f.
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keit der Einflussnahme in Madrid offensichtlich noch nicht völlig aufgeben – auch für den Fall, dass die Verhandlungen erneut scheiterten. Denn noch war alles offen: In Flandern wurde eine neue militärische Aktion vorbereitet, die am 11. September 1709 in der Schlacht bei Malplaquet, eine der brutalsten und verlustreichsten Kampfhandlung des gesamten Krieges, gipfelte. Zwar war der Ausgang unentschieden, doch die französischen Truppen hatten angesichts ihrer beträchtlichen zahlenmäßigen Unterlegenheit ihre Stärke erneut unter Beweis gestellt151. Eine „ruhmreiche und unglückliche Aktion“152 nannte sie die Marquise drei Tage später in ihrem Bericht an die Princesse. Doch es waren insbesondere die militärischen Ereignisse in Spanien, die die Princesse des Ursins dazu veranlassten, sich erneut mit aller Wortgewalt für die „spanische Sache“ einzusetzen. Sie prangerte die Untätigkeit des Maréchal Bezons an, der Befehlen aus Madrid zum Trotz militärische Konfrontationen gemieden habe153. Am 31. August 1709 ließ er die Habsburger mit Zustimmung des französischen Königs kampflos den Segre überschreiten und sich des Forts Balaguer bemächtigen. Das spanische Königspaar, so die Princesse an Madame de Maintenon, könne nicht glauben, dass diese „Laschheit“ (lâcheté) auf Befehl Ludwigs XIV. zustande gekommen sei154. Auch dem Duc de Noailles und seiner Mutter, der Maréchale de Noailles gegenüber verlieh sie ihrer Entrüstung über diese „Schande für die Franzosen“ (la honte des Français) Ausdruck155 – wissend, dass diese beiden mit Madame de Maintenon im Austausch standen156. Madame de Maintenons Reaktion auf diesen Brief, den sie „Feuer- und Blutsbrief“ (lettre à feu et à sang) nannte, zeigt, wie diese zu vermitteln versuchte: Sie habe über den Staatssekretär Voysin in Erfahrung gebracht, dass der Maréchal de Bezons in seiner Entscheidung frei gewesen sei. Damit entband sie Ludwig XIV. von jeder Schuld, und zerstreute den Verdacht, dass hinter dem Vorfall eine Strategie Versailles’ gestan151 Vgl. Bély, Les relations, 411. 152 Action glorieuse et malheureuse: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.9.1709, Correspondance (Loyau), 277. 153 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 24.8.1709, Ursins V (La Trémoille), 34 f.; und 9.9.1709, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 401, Anm. 126 und 127; Ursins an Maréchale de Noailles, 2.9.1709, Ursins (Geffroy), 373. Jacques Bazin, Marquis de Bezons (* 1646, † 1733): 1709 Auszeichnung mit dem cordon bleu und Maréchal de France, Gouverneur de Cambrai. 154 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 1.9.1709, Correspondance (Loyau), 263. 155 Bspw.: Ursins an Duc de Noailles, Madrid 9.9.1709, Ursins V (La Trémoille), 37 f.; Ursins an Maréchale de Noailles, 2.9.1709, Ursins (Geffroy), 373. 156 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid 28.10.1709, Ursins V (La Trémoille), 43 f., Zitat 44.
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den habe. Abgesehen davon glaube sie aber, dass Philipp V. mittlerweile ohne französische Unterstützung besser dastünde157. Diese Aussage zog einen der schärfsten Briefe der Princesse nach sich. Wütend äußerte sie sich über die „Sanftheit“ der Maintenon, „die mich zum Schweigen bringt, obwohl sie meinen Zorn noch mehr schürt. Ich erkenne an Ihrer Mäßigung, dass Sie sich schuldig fühlen, uns die Kehle durchschneiden zu wollen [...].“158 Hinter dieser offen gezeigten Wut stand ein sich schon länger breit machendes Klima des Misstrauens. Mehrfach hatte die Princesse die Vermutung geäußert, dass der französische König seine Pläne nicht mehr offen darlege159. Eines der grundlegenden Elemente der Beziehung zwischen den beiden Frauen, das Vertrauen, schien nicht mehr gewährleistet. Neue Strategien Abgesehen davon hatte der Vorfall am Segre aber auch ganz direkte Folgen für die Princesse des Ursins. Angesichts der Verwirrung in der Armee beschloss Philipp V., sich selbst an die Front zu begeben. Das Königspaar habe sie deshalb gebeten, so die Princesse an Madame de Maintenon, gemeinsam mit der jungen Königin die Stellung in Madrid zu halten. Von diesem Zeitpunkt an erscheint in den Briefen der Princesse wie in denen der Königin Maria Luisa die „Rückzugs-Rhetorik“, die auch für die zweite, nicht formale Regentschaft der Königin im Jahr 1707 beobachtet wurde160: Beide verkündeten den Rückzug der Princesse aus den politischen Geschäften, den affaires161. Die Tür ihres cuarto chico, schreibt sie beispielsweise an den Duc de Noailles, würde von nun an selbst ihren engsten Freunden nicht mehr offen stehen162. Erneut wird 157 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.9.1709, Correspondance (Loyau), 276. 158 „Mais il ne faut pas toujours que vous receviez de mes lettres à feu et à sang que vous me reprochez avec une douceur qui me fait taire quoiqu’elle échauffe ma bile encore davantage. Je connais, par cette modération, que vous vous sentez coupable de vouloir nous couper la gorge [...].“ Ursins an Maintenon, o.O., 26.9.1709, Correspondance (Loyau), 290. 159 So hatte sie bspw. den Verdacht, dass der Maréchal de Boufflers nicht nach Tournai geschickt worden sei, um Villars beizustehen, sondern dass er von Anfang an andere Befehle hatte, nämlich im Geheimen neue Verhandlungen aufzunehmen: Ursins an Maintenon, Madrid, 15.9.1709, Correspondance (Loyau), 282. Dieser Verdacht wird jedoch von Madame de Maintenon sofort dementiert: St. Cyr, 29.9.1709 (292). 160 Vgl. Kapitel I.3.2. (Der Blickwinkel der Princesse des Ursins). 161 „J’ai déclaré hautement que je ne voulais entrer ni en grandes ni en petites affaires.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 1.9.1709, Correspondance (Loyau), 264 f. 162 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 9.9.1709, Ursins V (La Trémoille), 37 f.
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deutlich, wie in Krisenmomenten die eigene Inszenierung dazu diente, sich unangreifbar zu machen. Während all dieser Monate schien sich die Princesse zusätzlich absichern zu wollen. Der Briefwechsel mit dem Maréchal de Villeroy, mit dem auch Madame de Maintenon einen regelmäßigen commerce führte und gelegentlich Briefe der Princesse austauschte163, diente der Princesse dazu, ihr Vorgehen zur rechtfertigen164 – nicht nur vor Villeroy, sondern auch vor Maintenon. Bisweilen lesen sich die Briefe an Villeroy wie eine Antwort auf die der Maintenon165. Mitte September erwähnte die Princesse gegenüber Madame de Maintenon zum ersten Mal, dass sie von einer angesehenen Person den Rat erhalten habe, Madrid so schnell wie möglich zu verlassen. Nun bat sie explizit um einen schriftlichen Befehl (ordre par écrit), den sie Punkt für Punkt ausführen könne166. Doch auch dieses Mal ohne Erfolg; Madame de Maintenon zog in ihrer Antwort sogar zum ersten Mal in Erwägung, dass es eines Tages anderweitige Anweisungen geben könnte, die ihr „das Herz brechen“ würden, womit sie die Trennung Ursins‘ von der Königin meine167. Vergleicht man diese vorsichtigen Umschreibungen mit den klaren Worten, die Maintenon schon Monate zuvor gegenüber dem Duc de Noailles gefunden hatte168, wird deutlich, wie stark der Austausch mit der Princesse von höfischen Umgangsformen und politischer Strategie geprägt war. Ende des Jahres 1709 nahm das Ansehen der Princesse aufgrund dreier Umstände Schaden. Dabei ging es um eine Verschwörung des Duc d’Orléans, an deren Aufdeckung sie beteiligt war, um die Zurückweisung eines von ihr propagierten mémoire financier und um die Ablehnung eines Ehrentitels für ihren Neffen.
163 Tatsächlich schickte die Marquise gelegentlich die von der Princesse erhaltenen Briefe an den Maréchal weiter und ließ sich die zeigen, die er von derselben erhalten hatte: Maintenon an Villeroy, Versailles, 19.3.1710, BL Ms. Egerton 23, f. 47.; Maintenon an Villeroy, o.O., 25.6.1709, BL Ms. Egerton 23, f. 26. 164 Vgl. Ursins an Villeroy, o.O., n. dat. (zwischen August 1709 und Februar 1710), Ursins (Léopold-Collin), 80–90. 165 Zum Beispiel: Ursins an Villeroy, Madrid, 27.7.1709, Ursins (Léopold-Collin), 71–73. 166 „J’ose donc supplier très humblement le Roi, par votre moyen, Madame, de m’envoyer un ordre par écrit de ce qu’il veut que je devienne. Je l’exécuterai de point en point, [...].“ Ursins an Maintenon, Madrid, 16.9.1709, Correspondance (Loyau), 286. 167 „Il faudra peut-être vous arracher le cœur, car j’appelle ainsi votre séparation d’avec la Reine.“ Ursins an Maintenon, Marly, 30.9.1709, Correspondance (Loyau), 295. 168 Bspw.: „Si nous faisons la guerre au Roi d’Éspagne, vous n’en serez point chargé.“ Maintenon an Duc de Noailles, Freitag (wohl Dez. 1708), Maintenon I (Geffroy), 184.
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Die Beziehung zwischen dem Duc d’Orléans und der Princesse des Ursins war in den vorangegangenen Jahren von gegenseitiger Unterstützung geprägt gewesen169. Im Laufe des Jahres 1708 verstärkten sich die latent vorhandenen Spannungen zwischen Philipp V. und seinem Onkel, was sich auch an den kursierenden Gerüchten zeigte: Man bezichtigte den Duc, eine Liaison mit der spanischen Königin zu suchen170. Seit Beginn des Jahres 1709 war nun ein weiteres Gerücht im Umlauf: Nicht nur den Platz des Ehemanns, auch den des Herrschers, würde der Duc beanspruchen171. Angesichts des Verdachts auf Majestätsverrat konzentrierte sich die Princesse nun auf die Rettung der eigenen Haut: Sie habe mit der Angelegenheit nichts zu tun, versicherte sie Madame de Maintenon172. Sich richtig zu verhalten, erwies sich indes als Gratwanderung. Einerseits musste deutlich werden, dass sie in eine Verschwörung gegen den König nicht verwickelt war, andererseits durfte sie sich auch nicht zu sehr von einem Mitglied der Königsfamilie distanzieren. Tatsächlich bestätigte sich der Verdacht der Intrige durch einen Ende März abgefangenen Brief; die Verhöre seiner Diener ergaben, dass der Duc d’Orléans vorgehabt hatte, den spanischen Thron zu besteigen, wenn Philipp V. sein Königreich aufgäbe173. Madame de Maintenon sah keine Gefahr für die Princesse174. Damit schien die Angelegenheit zunächst erledigt, doch im August schickte d’Orléans seinen Adjutanten zurück nach Madrid, um dort nun tatsächlich seine Thronansprüche zu verteidigen. Madame de Maintenon spielte die Angelegenheit erneut zunächst herunter175, und Ludwig XIV. ordnete Stillschweigen über die Affäre an176. Madame de Maintenon riet der Princesse in den kommenden Wochen denn auch, über die Angelegenheit zu 169 Als Orléans im Jahr 1707 für seine Mätresse Mademoiselle de Séry das Amt der dame d’atours de la Reine d’Espagne hatte erwirken wollte, hatte sich die Princesse bei Madame de Maintenon für ihn verwendet. Ihre Patronage scheiterte schließlich an der kategorischen Ablehnung von Seiten des Königs. Vgl. Kapitel II.1.1.3. (Les commissions: Das Netzwerk pflegen). 170 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 19.12.1708, BM 20919, f. 70. 171 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 21.1.1709, Correspondance (Loyau), 93 und Maintenon an Ursins, St. Cyr, 3.2.1709, Correspondance (Loyau), 104. 172 Ursins an Maintenon, o. O., wohl 20.–25.2.1709, Correspondance (Loyau), 121 f. 173 Vgl. Cermakian, La Princesse, 410. Die Intrige um den Duc d’Orléans wird übereinstimmend mit der Korrespondenz beschrieben bei: San Felipe (Seco Serrano) [1709], 185 f. 174 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 9.3.1709, Correspondance (Loyau), 133 f. 175 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.7.1709, Correspondance (Loyau), 225. 176 „[…] que le seul parti qu’il y ait à prendre est celui de l’assoupir au plus tôt et de finir les recherches dont la découverte animera les malintentionnés.“ Ludwig XIV. an Amelot, Marly, 5.8.1709, MAE CP Espagne 192, f. 131–133.
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schweigen177, um dem König „Sorgen zu ersparen“178. Ihre Beschwichtigungen und ihre Selbstbeschränkung sind also vor der Absicht des Königs zu sehen, einen Skandal innerhalb der Königsfamilie zu verhindern. Doch die Verhaftungen der Gefolgsleute eines Neffen des Königs sorgten in Paris für Aufsehen, und die Familie d’Orléans machte die Princesse des Ursins zur Verantwortlichen179. Erneut erbat sich Madame des Ursins die Protektion der Marquise180. Diese versichert ihr zwar, dass man an ihre Unschuld glaube, aber nur „auf die Kraft der Wahrheit hoffen könne“181, mit anderen Worten: Im schlimmsten Fall könnte sie ihr auch nicht mehr weiterhelfen. Gegenüber dem gemeinsamen Freund Villars machte sie die Grenzen ihrer Patronage deutlich: Trotz ihrer Hochachtung für die Princesse könnte diese fallen gelassen werden, worüber sie selbst „ziemlich verärgert, aber gar nicht überrascht“182 wäre. In den Briefen Ursins wird zur selben Zeit die Angst vor Verleumdung deutlich: Sie schöpfte die gesamte Bandbreite der klientelären Rhetorik aus, um aus der Rolle des „Sündenbocks“183 wieder herauszukommen. In diesen Monaten zeigt der Briefwechsel, wie Madame de Maintenon der Princesse mehr und mehr ihre Unterstützung entzog – ihre eigene réputation sollte keinen Schaden nehmen. Die Princesse war aber angesichts ihrer immer prekärer werdenden Stellung am spanischen Hof auf die Unterstützung ihrer Briefpartnerin und Patronin angewiesen. Daher musste ihre Loyalität deutlich und ihre Lage nachvollziehbar werden. Zugleich setzte die Princesse weiterhin alle Mittel ein, um einen „Schandfrieden“ zu vermeiden. Hier aber musste sie eine weitere Niederlage einstecken. Die missliche finanzielle Lage der französischen Monarchie war schon häufi177 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 29.7.1709, Correspondance (Loyau), 237. 178 Ursins an Maintenon, Marly, 5.8.1709, Correspondance (Loyau), 240. 179 Vgl. bspw.: „Es ist kein bößer weib in der welt, alß die princes des Ursin; wen Ihr wüstet alle boßheit, so sie gegen mein sohn geübt, die haar würden Euch drüber zu berg stehen.“ Brief an die Raugräfin Louise, Versailles, 1.2.1715, Orléans (hrsg. v. Holland), Band 3, 514. Vgl. auch den Brief an die Raugräfin Louise, Versailles, 11.1.1715, Orléans (hrsg. v. Holland), 680 f. 180 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 11.8.1709, Correspondance (Loyau), 247. 181 Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.8.1709, Correspondance (Loyau), 254. 182 „Madame la Princesse des Ursins pourra bien être abandonnée malgré l’estime que j’ai et que je montre pour elle, j’en serai bien fâchée, mais point surprise [...].“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.10.1709, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 411. 183 „[ J]e ne sais pourquoi je suis toujours en butte à toutes les personnes qui veulent faire de mauvaises actions où je n’ai pas la moindre part.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 6.10.1709, Correspondance (Loyau), 300.
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ger ein Thema in der Korrespondenz der beiden Frauen gewesen184; nun schlug Ursins ein mémoire financier vor, auf dessen Grundlage man Abhilfe schaffen könne. Der Princesse zufolge lag es an der Organisation und nicht an den Möglichkeiten, dass der Krieg weiterhin finanziert werden könne185. Dieser Plan, der von einem Finanzexperten am spanischen Hof erstellt worden war, sah vermutlich eine Geldanleihe bei wichtigen französischen Geschäftsleuten vor186. Ende August schickte die Princesse das Dokument nach Versailles, und zwar nicht an Madame de Maintenon, sondern an den Maréchal de Villeroy mit der Bitte, es an den zuständigen Staatssekretär weiterzuleiten, denn „man macht den Herren Ministern nicht gut den Hof, wenn man nicht über ihren Kanal geht“187. Dass sie es wenig später auch Madame de Maintenon schickte, lässt deren Bericht an Villeroy vermuten188.
184 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 28.1.1709, Correspondance (Loyau), 97. Ursins zufolge hätten die französischen Geschäftsleute noch nie über so viel Geld verfügt wie in dieser Zeit (Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1709, 139). Maintenon verwies auf fehlende Kredite aufgrund des mangelnden Vertrauens in die Regierung (Maintenon an Ursins, Versailles, 24.3.1709, 149). Doch die Princesse ging nicht darauf ein: Klagen über fehlende Ressourcen habe es schon zu Zeiten gegeben, in denen man – wie im nachhinein sicher sei – noch darüber verfügte (Ursins an Maintenon, Madrid, 6.5.1709, 177). Bezüglich des Ernteausfalls und der Hungersnot verstünde sie nicht, warum man nicht Weizen aus Griechenland importiere, wie es die Italiener täten (dies. an dies., Madrid, 19.5.1709, 180 f.). Selbst die Tatsache der schlechten Ernte in Frankreich stellt sie in Frage: ein Bote habe ihr von ertragreichen Weizenfeldern berichtet (dies. an dies., Madrid, 3.6.1709, 190). Sie frage sich, was man mit der Ausbeute des Indienhandels gemacht habe, derer sich wohl einzelne Privatpersonen bemächtigt hätten; im letzten Jahr habe es sogar einen Ernteüberschuss gegeben, den man irrtümlicherweise exportiert habe (dies. an dies., Madrid, 26.7.1709, 233). 185 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.3.1709, Correspondance (Loyau), 139. Diese Ansicht schien verbreitet zu sein. Vgl. den Marqués de San Felipe: „No faltaba en la Francia dinero, y nunca había habido más, porque tantos años, tenía como libre el comercio de las Indias, que no lograban otras naciones; pero no estaba el Real Erario en buena fe ni crédito alguno [...].“ San Felipe (Seco Serrano) [1709], 167. 186 Das mémoire konnte weder aufgefunden, noch sein Autor bestimmt werden. Vgl. Cermakian, La Princesse, 412. 187 „L’auteur qui sait fort bien qu’on fait mal sa cour à Messieurs les ministres, lorsque l’on ne passe pas par leur canal n’a pas voulu cependant s’adresser à d’autre qu’à vous.“ Annexe V, Madrid, 30.8.1709. Interessant ist hier auch die Verbindung von Inhalt und Sprache („den Ministern den Hof machen“), die eventuell auf einen ironischen Ton hinweist. 188 Die Princesse habe ihr ein mémoire (financier) geschickt, das sie dem König gezeigt und an Desmarets weitergegeben habe: Maintenon an Villeroy, St. Cyr, 24.9.1709, BL Ms. Egerton 23, f. 42.
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Einen Monate später – das mémoire war offenbar nicht in Versailles angekommen – bat die Princesse Madame de Maintenon um ihre Fürsprache, damit es bis zum König gelange189. Doch deren Antwort fiel kurz und negativ aus: Es sei nicht praktikabel190, worüber Villeroy sie selbst bereits einige Tage zuvor unterrichtet habe191. Damit gab sich die Princesse nicht zufrieden. Sie setzte offensichtlich große Hoffnungen in den Finanzierungsplan, dessen Inhalt ihr bekannt war192. Madame de Maintenon solle es selbst lesen, so die Princesse: „Ich bin sehr verärgert, dass Sie dieses mémoire nicht gelesen haben, es hat nichts, was unklar ist oder die Kapazität unseres Geschlechts übersteigen würde.“193 Ende November schien es zumindest bis zu Desmarets vorgedrungen zu sein. Geistreich, aber unpraktikabel, lautete Maintenons Urteil. Man verändere nicht von einem Tag auf den anderen die Form der Regierung eines großen Königreiches, und man erledige eine Angelegenheit finanzieller Art nicht ohne den Generalkontrolleur194, erläuterte sie ihre unmissverständliche Absage. Man meint aus ihren Worten den Anspruch einer Ministerriege auf ihre Zuständigkeits- und Kompetenzbereiche herauszuhören. Anscheinend konnte oder wollte Madame de Maintenon sich nicht für das mémoire einsetzen und verwies deshalb auf die Grenzen ihres Einflusses – hier durch den Hinweis auf die Kompetenzen des Ministers195. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Angelegenheit weder von ihr noch von der Princesse ein weiteres Mal erwähnt. Letztere war erneut deutlich 189 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 28.10.1709, Correspondance (Loyau), 318 f. Die völlig neuartigen Methoden, von denen ihr der Autor schon berichtet habe, so die Princesse, verdienten die Aufmerksamkeit Ludwigs XIV. und dürften keinesfalls an geringen Hindernissen scheitern (319). Eine Woche später hakte sie bereits nach: Ursins an Maintenon, Madrid, 4.11.1709, Correspondance (Loyau), 323. 190 „J’ai eu l’honneur de vous répondre sur le mémoire qui a passé par votre ami: il n’a pas paru praticable à ceux qui auraient dû l’exécuter.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 17.11.1709, Correspondance (Loyau), 335. 191 Vgl. Maintenon an Villeroy, St. Cyr, 10.11.1709, BL Ms. Egerton 23, f. 237. 192 Siehe die Details in: Ursins an Maintenon, Madrid, 16.12.1709, Correspondance (Loyau), 352. 193 „Je suis bien fâchée que vous n’ayez pas lu ce mémoire, il n’avait rien d’obscur ni qui passât la portée de notre sexe.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 24.11.1709, Correspondance (Loyau), 337 f., Zitat 338. 194 „Enfin, Madame, on ne change pas d’un jour à l’autre la forme du gouvernement d’un grand royaume, et on ne fait pas une affaire de finances sans le contrôleur général, et il ne peut agir sans être persuadé qu’il réussira, il est bien difficile de prendre d’autres voies.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.11.1709, Correspondance (Loyau), 341. 195 „Vous voulez qu’on se serve du mémoire que vous m’avez envoyé? Peut-on en faire usage sans le ministre des finances? Et que faire s’il le trouve impraticable, puisque c’est à lui à le mettre en pratique? Faut-il changer de ministre tous les mois? En voit-on quelqu’un dont on soit assuré? Un Roi renverse-t-il aisément la forme du gouverne-
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in ihre Grenzen verwiesen worden. Ihrem Ärger machte sie nur indirekt in ihrem Brief an den Duc de Noailles Luft196. Die Princesse musste in diesen letzten Monaten noch eine dritte Niederlage einstecken, die bereits im Zusammenhang der Patronagetätigkeiten der beiden Frauen beschrieben wurde197. Das Vorhaben, für ihren Neffen, den Comte de Chalais, die Würde der grandeza zu erwirken, misslang. Die Vergabe der grandeza erfolgte zwar durch das spanische Königspaar; Philipp V. und Maria Luisa trafen derartige Entscheidungen jedoch nicht ohne die Zustimmung des französischen Königs. Eine Anerkennung von höchster Stelle würde einer erneuten Legitimierung ihrer Position gleichgekommen und hätte die Princesse gewissermaßen von dem Verdacht freigesprochen, aus persönlichem Interesse und eben nicht für das Wohl des Königspaares in Madrid zu bleiben. Madame de Maintenon zeigte sich jedoch machtlos angesichts einer Entscheidung des conseil du roi. Wieder einmal verwies Maintenon auf ihre eigene unbedeutende Stellung in einem Moment, in dem sie für ihre protégée nichts mehr tun konnte bzw. wollte198. Die drei beschriebenen Vorfälle – die Verschwörung des Duc d’Orléans, die Ablehnung des mémoire financier und die Verweigerung der grandeza für Chalais – verstärkten die prekäre Lage der Princesse und brachten ihre Korrespondenz mit Madame de Maintenon an einen Wendepunkt. Veränderte Bedingungen Im Sommer wurde die Präsenz der camarera mayor ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen. Der Maréchal de Bergeyck riet der Princesse „als Freund“ in mehreren Briefen zur Abreise199. Seiner Meinung nach würden die Feinde ment qu’il tient depuis soixante ans?“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 8.12.1709, Correspondance (Loyau), 347. 196 Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 13.12.1709, Ursins V (La Trémoille), 46 f., Zitat 47. 197 Vgl. Kapitel II.1.3. (Les commission: Das Netzwerk pflegen). 198 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 4.11.1709, Correspondance (Loyau), 321 f. 199 In ihnen bat sie Bergeyck zunächst um Verschwiegenheit bezüglich seiner Person und stellte sich als ein Freund dar, der ob der Brisanz der Situation ihr gegenüber ehrlich sein müsse: Bergeyck an Ursins, Versailles, 12.8.1709, Correspondance (Loyau), Annexe IX, 403. Im Juli 1709 bezeichnete er Ursins noch als Ausnahme, da sie als einzige von den französischen Akteuren in Madrid bleiben dürfe: Bergeyck an Ursins, Versailles, 13.7.1709, Correspondance (Loyau), Annexe IX, 403. Dagegen vertrat er im August bereits die Meinung, dass sie sich für einige Monate entfernen und dabei ihre definitive Abreise bereits ankündigen solle, um den Verhandlungspartnern die Tren-
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„weiterhin glauben, dass der Geist Frankreichs Spanien regiere“, so lange die Princesse des Ursins in Madrid bliebe200. Verunsichert und zusätzlich alarmiert kehrte sie zu ihrem Vorhaben zurück, Spanien zu verlassen. Nun allerdings konfrontierte sie ihre Briefpartnerin mit so genannten „Beweisen“ (preuves), wie sie selbst die Briefe Bergeycks nannte, von denen sie Abschriften beifügte201. Erneut bat sie um einen persönlichen Befehl des französischen Königs202. Doch auch ihre schriftliche „Beweislegung“ änderte nichts an Maintenons ausweichenden und undeutlichen Aussagen und einer noch verstärkten Rückzugs-Rhetorik203. Dem Maréchal de Villeroy gegenüber thematisierte Madame de Maintenon ein paar Monate später ihre unangenehme Lage204: Sie wisse nicht, was sie der Princesse raten solle205. Villeroys Briefe könnten die Princesse indes „trösten“206. Fast scheint es, als wolle Madame de Maintenon ihre Klientin abgeben. Auch die Princesse hatte sich an Villeroy gewendet und auf diese Weise einen weiteren Weg zum Ohr des Königs genutzt, um ihr Dilemma zu schildern. Sie argumentierte, dass in Madrid ihr Rückzug den „Schlechtgesonnenen“ Auftrieb geben und den „Wohlgesonnenen“ den Eindruck vermitteln könnte, sie ginge deshalb, weil sie ohnehin alles für verloren halte – ein ganz falsches Signal207. Villeroy war ein Vertrauter Maintenons und des Königs: Die nung der Interessen Philipps V. und Ludwigs XIV. zu beweisen: Bergeyck an Ursins, Versailles, 12.8.1709, Correspondance (Loyau), Annexe IX, 403. 200 „[La Princesse des Ursins, A.d.V.] devrait faire ce sacrifice et prendre ce parti promptement avec joie et si elle comprend bien combien il est nécessaire, et qu’il pourrait être décisif dans cette situation pour les intérêts de Votre Majesté, à cause que ses ennemis croiront toujours que le même esprit de la France gouvernant l’Espagne si longtemps qu’elle sera à Madrid ils ne peuvent accéder à rien.“ Bergeyck an Philipp V., o.O., n. dat., Correspondance (Loyau), Annexe IX, 405. 201 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.10.1709, Correspondance (Loyau), 303 f. 202 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 14.10.1709, Anmerkung zum Artikel Bergeycks an Philipp V., Correspondance (Loyau), Annexe IX, 405. 203 Bergeyck äußere in seinen Briefen nur seine persönliche Meinung, es sei möglich, dass einige Leute am Hof ihm zustimmten und dass selbst der König sich einmal dahingehend geäußert habe. Sie selbst glaube aber weiterhin, dass sich der König der Princesse jederzeit offen mitteilen würde: Maintenon an Ursins, Versailles, 27.10.1709, Correspondance (Loyau), 314 f. 204 Vgl. Maintenon an Villeroy, Versailles, 17.2.10, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 419. 205 Vgl. Maintenon an Villeroy, Versailles, 19.3.1710, BL Ms. Egerton 23, f. 47. 206 „J’ai lu, Monsieur, votre belle et très belle lettre à M[ada]me la Princesse des Ursins; elle est bien propre à la consoler et à la soutenir [...]“. Maintenon an Villeroy, o.O., 24. 1.1710, BL Ms. Egerton 23, f. 44. 207 Bergeyck schreibe ihr jedoch, dass die Alliierten sie als „eine Frau, die Frankreich ganz ergeben sei“, ansähen, und daher in ihrer Präsenz am spanischen Hof einen Grund sähen, die weiteren Verhandlungen zu blockieren. Vor diesem Hintergrund müsse sie
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Worte der Princesse waren daher auch für Madame de Maintenon bestimmt. Das Dilemma erreichte seinen Höhepunkt Mitte Januar 1710, was einer der längsten Briefe der Princesse veranschaulicht208. In den ihm beigefügten Briefausschnitten nahm Bergeyck Bezug auf das Schreiben eines niederländischen Gesandten, das deutlich machte, dass die Engländer die Trennung der beiden bourbonischen Höfe nicht für glaubwürdig hielten, solange die Princesse des Ursins in Madrid bliebe209. Die Princesse stand vor einer Entscheidung, die man als existenziell bezeichnen kann. Bliebe sie ohne französische Anordnung in Madrid, wie es Königin Maria Luisa wünschte, könnte sie zum Hindernis eines Friedensvertrags und auf der europäischen Bühne zum „Sündenbock“ werden. Verließe sie Spanien jedoch ohne einen ausdrücklichen Befehl des französischen Königs, so riskierte sie – wie im Jahr 1704 geschehen – ihr Ansehen und ihren gesellschaftlichen Stand: Sie selbst hatte darum gebeten, dass ein eventueller Rückruf auf keinen Fall wie eine „zweite Ungnade“ aussähen dürfe210. Bereits hier wird deutlich, dass ihr der Rückhalt des spanischen Königspaares wohl nicht genügte, es brauchte einen wie auch immer lautenden Befehl von Ludwigs XIV., um sich abzusichern211. gehen. Auf der anderen Seite sei sie überzeugt, dass die Minister Frankreichs, die Aliierten und die Spanier, die den Erzherzog wünschten, zusammen arbeiteten, um Bergeyck zu täuschen: Ursins an Villeroy, Madrid, 10.3.1710, Ursins (Léopold-Collin), 101. Um eine Entscheidung treffen zu können, frage sie ihn daher um Rat. Da sie sich eine angemessene Residenz nicht würde leisten könne, könnte ihr Rückzug als erneute disgrace erscheinen und ihrem Ansehen schaden. Daher würde sie es vorziehen, sich nach Rom zu begeben: Ursins an Villeroy, Madrid, 10.3.1710, Ursins (Léopold-Collin), 98–105. 208 Es scheine ihr, schrieb sie an ihre Briefpartnerin, dass die Zeit gekommen sei, da sie die königlichen Anordnungen absolut nötig habe. Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., n. dat., Correspondance (Loyau), 364. 209 Bergeyck an Philipp V., o.O., 16.12.1709, Correspondance (Loyau), 369. In einem Schreiben an Madame des Ursins betonte Bergeyck außerdem, wie wichtig eine schnelle Abreise sei, da er so noch vor dem ersten Feldzug von den neuen Verhältnissen in den Verhandlungen profitieren könne: Bergeyck an Ursins, o.O., 20.12.1709, Correspondance (Loyau), 371–374. 210 „Si Sa Majesté juge qu’il convient que je sorte d’Espagne, j’emploierai la confiance dont Leurs Majestés Catholiques m’honorent à leur en faire comprendre la nécessité; mais en ce cas, je supplie très humblement le Roi que mon rappel ne paraisse pas dans le monde une seconde disgrâce.“ Ursins an Maintenon, o.O., wohl Mitte Januar 1710, Correspondance (Loyau), 365. 211 Ursins an Villeroy, Madrid, 10.3.1710, Ursins (Léopold-Collin), 98–105. Möglicherweise hatte es die Princesse sogar eher auf einen Rückruf als auf eine Bestätigung abgesehen. Die Strapazen des Amtes der camarera mayor, ihre Probleme mit der spani-
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Die ambivalenten Aussagen der Madame de Maintenon waren im Grunde eine Folge der Uneinigkeit, die in Versailles zwischen den höfischen Faktionen und den Ministern bezüglich Frankreichs Strategie in den Verhandlungen herrschte. Unterschiedliche Ansichten gab es innerhalb der cabale des Seigneurs und der cabale de Meudon ebenso wie zwischen dem König und einigen seiner Minister212. Der König schloss auch die Möglichkeit ein, bei einem inakzeptablen Verhalten der Gegenseite den Krieg wieder aufzunehmen. Dies erklärt nicht nur Madame de Maintenons ausweichende Antworten und das Herabspielen ihrer eigenen Person: Sie wusste um die Regierungskonflikte in Versailles und konnte sich weder offen gegen die Minister stellen, noch entgegen der Meinung des Königs schreiben. Daher flüchtete sie sich in eine Rhetorik, mit der sie sich als unbedeutende, schlecht informierte „Privatperson“ inszenierte. Es erklärt zugleich aber auch die fehlenden Anweisungen des Königs, denn im Fall einer Fortführung des Krieges bräuchte Ludwig XIV. sie „vor Ort“213. Dass sich die Princesse des Ursins in zunehmendem Maße um ihre Existenz sorgte, zeigt auch der Umstand, dass sie im Februar 1710 erstmals in der Korrespondenz mit Maintenon ihre problematische finanzielle Lage ansprach: Sowohl die Pension des französischen Königs als auch die des spanischen seien bisher nur zu einem kleinen Teil ausgezahlt worden214. Ihr crédit beim Staatssekretär für Finanzen, so antwortete Madame de Maintenon ausweichend, reiche nicht aus215 – eine Aussage, die nur als rhetorisch betrachtet werden kann. Sie liest sich parallel zu Maintenons Mitteilung, sich nun gänzlich aus den spanischen Angelegenheiten zurückzuziehen und ihrem Hinweis, dass Frauen sich nicht in die Politik einmischen sollten216. Maintenons Argumentationen zeigen eindrücklich, wie es frühneuzeitlichen Akteuren möglich war, sich verschiedener, auch widersprüchlicher Darstellungen zugleich zu bedienen. So schreibt sie im Februar 1710 schließschen Hofelite und ihr Wunsch nach einer ehrenvollen retraite wurden in der Korrespondenz der beiden Frauen immer wieder thematisiert. 212 Vgl. Baudrillart, Philippe V., 329 f.; Torcy (Masson), 24. und 25.1.1709, 355–361. 213 Vgl. auch das Argument Bergeycks: Die Princesse sei nur deshalb nicht aus Madrid zurück gerufen worden, da man für den Fall, dass die Verhandlungen erneut scheiterten, aufgrund ihrer „absoluten Macht“ über das spanische Königspaar den französischen Einfluss in Madrid weiterhin garantieren könne: Ursins an Maintenon, Madrid, 16.12.1709, Correspondance (Loyau), 351. 214 Vgl. Ursins an Maintenon, o.O., wohl Mitte Januar 1710, Correspondance (Loyau), 366 f. Und erneut vier Wochen später: Ursins an Maintenon, o.O., 24.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 278. 215 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 10.2.10, Correspondance (Loyau), 383. 216 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 25.1.10, Correspondance (Loyau), 379 f.
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lich, dass die Dienste der Princesse insofern beendet seien, als es keine neuen Dienstanweisungen gebe: Der französische König überlasse ihr als „Herrin Ihres Verhaltens“ (maîtresse de votre conduite) die Entscheidung, was für die affaires du Roi am vorteilhaftesten sei – sie solle jedoch bedenken, dass Frankreich am Boden liege217. Sie könne ihr keinen Rat geben. In Details wolle sie sich nicht einmischen, denn: „hier ist Krisenzeit“. Die Princesse zeigte sich „verletzt angesichts einer solchen Indifferenz“218 und entschied sich schließlich – ein drittes Mal – für die Abreise. Sie setzte Madame de Maintenon219, den Maréchal de Villeroy220 und Torcy über ihren Entschluss in Kenntnis. Ein letztes Mal versuchte sie über den Staatssekretär Torcy, eine ausdrückliche Billigung dieses Schrittes vom König zu erlangen221, bevor sie die nötigen Vorbereitungen für ihre Abreise veranlasste. Doch die Briefe der Princesse trafen in Versailles gleichzeitig mit den ersten Berichten der Verhandlungen in Geertruidenberg ein. Die Forderungen der Alliierten wurden von französischer Seite erneut als inakzeptabel betrachtet, so dass beschlossen wurde, den Krieg fortzuführen. Am 17. März erhielt die Princesse in logischer Folge dann auch die so lange erbetene Anordnung Ludwigs XIV., bei der spanischen Königin zu bleiben222. Parallel dazu fand der französische König auch seinem Enkel gegenüber erstmals klare Worte in dieser Angelegenheit: Es sei unnötig, dass sich die Princesse zurückziehe, da ihr Verbleib für den Ausgang der Friedensverhandlungen nicht von Interesse sei: Die Feinde lehnten die Herrschaft Philipps V. ohnehin kategorisch ab223. Die unmissverständliche Stellungnahme des Königs erlaubte nun auch Madame de Maintenon, sich zu positionieren. Ebenfalls an jenem 17. März ver217 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 3.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 272. 218 Auch wenn man auf das Gerede ihrer Feinde keinen Glauben schenken sollte, könnte sich Maintenon wenigstens dazu herablassen, ihr einen Rat zu geben und ihre zu sagen, was der König denke: „Je suis touchée comme je dois d’une telle indifférence.“ Ursins an Maintenon, o.O., 24.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 278–279. 219 Die Marquise bezeichnet daraufhin die bevorstehende Trennung von der Königin als sehr schmerzhaft: Maintenon an Ursins, Versailles, 9.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 283. 220 Der Rückzug aus den affaires sowie der Entschluss, den spanischen Hof zu verlassen: Ursins an Villeroy, Madrid, 1.2.1710 und Madrid, 4.3.1710, Ursins (Léopold-Collin), 91–93 und 95–97. 221 L’approbation du Roi par votre moyen: Ursins an Torcy, Madrid 2.3.1710 und Madrid, 4.3.1710, Ursins (La Trémoille), 49 und 51. 222 Vgl. Ludwig XIV. an Ursins, Versailles, 17.3.10, Ursins V (La Trémoille), 53. Dies teilte sie auch dem Maréchal de Villeroy mit: Ursins an Villeroy, Madrid, 10./13.4.1710, Ursins (Léopold-Collin), 106–110. 223 Vgl. Ludwig XIV. an Philipp V., Versailles, 17.3.17010, MAE M&D 126, f. 42–46.
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sicherte sie der Princesse, dass der König ihre Abreise überhaupt nicht billige; die Princesse könne nun auch sehen, dass sie selbst besser informiert gewesen sei als Bergeyck. Bedenkt man, dass sie monatelang keine Richtungsangabe gemacht hatte, wird der strategische Gehalt ihrer Worte deutlich. Offensichtlich hatte Madame de Maintenon sich erst äußern wollen, als sie sich der Meinung des Königs hundertprozentig sicher sein konnte224. In demselben Brief gab sie Ursins’ Ankündigung außerdem eine signifikante Umdeutung: „Wie können Sie wollen, Madame, dass der König ihnen zeigt, was Sie zu tun haben, wenn Sie ohne seine Erlaubnis und ohne ihm Ihre Gründe zu nennen, aus Spanien abreisen?“225 Madame de Maintenon stellte hier die Ankündigung der Princesse als eigenmächtige Entscheidung dar226. Nun, da das Schicksal (providence) anders entschieden habe, könne sie auch sagen, dass sie von ganzem Herzen wünsche, dass die Princesse „ihre“ Königin niemals verlassen werde227. Bei der Königin zu bleiben – so hatte auch die Anordnung Ludwigs XIV. gelautet: Offensichtlich bestand die „sagbare“ Rolle der Princesse in Madrid darin, die Königin als deren camarera mayor zu betreuen. Dies passt mit der Beobachtung zusammen, dass man sich seit dem Abzug des Botschafters am spanischen Hof bemüht hatte, den Rückzug (retraite) der Kammerdame aus den Geschäften zu inszenieren: So hatte die Princesse es gegenüber Madame de Maintenon228, dem Duc de Noailles229 und Torcy230 dargestellt, so hatte es der Chevalier du Bourk gegenüber Torcy231 und Königin Maria Luisa gegenüber Madame de Maintenon232 beschrieben.
224 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 17.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 28. Dass sie recht gehabt habe, darauf beharrt sie in der Folge noch häufiger: Maintenon an Ursins, Versailles, 21.4.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 288. 225 „Comment pouvez vous vouloir, M[adam]e, que le Roi vous marque ce que vous avez à faire en sortant d’Espagne quand vous en sortez sans sa permission ou sans lui dire les raisons qui vous y déterminent?“ Maintenon an Ursins, Versailles, 21.4.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 284. 226 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.3.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 285. 227 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.5.1710, Add. man. 20919, f. 292; ähnlich auch: Maintenon an Ursins, Versailles, 7.4.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 287. 228 „J’ai déclaré hautement que je ne voulais entrer ni en grandes ni en petites affaires.“ Ursins an Maintenon, Madrid, 1.9.1709, Correspondance (Loyau), 264 f. 229 Vgl. Ursins an Duc de Noailles, Madrid, 28.10.1709, Ursins V (La Trémoille), 43 f., Zitat 44. 230 Vgl. bspw.: Ursins an Torcy, Madrid, 7.4.1710, Ursins V (La Trémoille), 55. 231 Vgl. Du Bourk an Torcy, Madrid, 14.4.1710, Ursins V (La Trémoille), 56. 232 Vgl. Maria Luisa an Maintenon, o.O., 30.8.1709, zitiert bei Baudrillart, Philippe V., 128.
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Der Verlauf der Verhandlungen, die Möglichkeit eines Friedensschlusses und die Frage nach dem Verbleib der Princesse des Ursins waren im Jahr 1709 in der Korrespondenz der beiden Frauen zentral. Der wöchentliche Brief an Madame de Maintenon war das direkteste und sicherste Mittel der Princesse, um den französischen König zu erreichen und so den Abschluss des „Schandfriedens“ möglicherweise noch zu verhindern. Vorschläge zu militärischen und finanziellen Strategien wechselten sich mit eindringlichen Bitten ab. Madame de Maintenon versuchte lange, die Meinung der Princesse zu beeinflussen, um sie selbst und das spanische Königspaar von der Notwendigkeit des Friedens zu überzeugen. Ihre Äußerungen divergierten dabei nie von denen des Königs, sondern schienen im Gegenteil seine Anweisungen an den Botschafter zu ergänzen. Wurde die Auseinandersetzung jedoch zu stark, wich sie der Konfrontation aus. Möglicherweise war sie von Ludwig XIV. angewiesen worden, den commerce mit der Princesse zu halten, um deren Präsenz in Madrid zu sichern. Die beiden Frauen standen in unmittelbarem Austausch mit den Herrschern, beiden war bewusst, dass der Inhalt des eigenen Briefes das Ohr des jeweils anderen Herrschers erreichen würde. Daher kann ihr Schlagabtausch stellvertretend für den Konflikt zwischen Ludwig XIV. und Philipp V. gesehen werden. Das Problem der Princesse war dabei ihre doppelte Loyalität – gegenüber Ludwig XIV., als dessen Agentin sie nach Madrid geschickt worden war und gegenüber Philipp V., dem sie als oberste Kammerdame der Königin formal unterstellt war. Aus Angst vor einer erneuten Ungnade und dem gesellschaftlichen Fall bat sie um klare Befehle und eine Legitimation ihrer Position. Die Unterstützung der spanischen Königin schien ihr dabei nicht genug Sicherheit geboten zu haben, ein expliziter Befehl Ludwigs XIV. sollte es sein. Als Beweis für die Trennung der Interessen beider Höfe hatte dieser seinen Botschafter bereits zurück gerufen. Für den Fall einer Fortführung des Krieges zog er es offensichtlich vor, die Princesse des Ursins möglichst lange am spanischen Hof zu halten. Diese Möglichkeit scheint dabei zunächst weniger mit der Tatsache, dass sie eine Frau war, zusammen zu hängen, sondern vielmehr damit, dass sie kein französischer Amtsträger wie der Botschafter war. Doch auch dies wurde von den verschiedenen Akteuren kontrovers gesehen: Die Bedeutung ihrer Präsenz in Madrid für die Alliierten wurde genau wie ihre Zuordnung als „Französin“ oder „Spanierin“ immer wieder neu ausgehandelt. Hier muss auch die strategisch eingesetzte Rhetorik des „Rückzugs aus den affaires“, die Königin Maria Luisa und die Princesse nach der Abreise des französischen Botschafters pflegten, eingeordnet werden. Am Beispiel des Schicksals der Princesse des Ursins, das zu diesem Zeitpunkt maßgeblich vom Verlauf der Verhandlungen abhing, wird die enge Verknüpfung von „Makro-“ und „Mikro-Ebene“ deutlich. Die Beziehung der
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beiden Frauen zueinander entwickelte sich parallel zu den französisch-spanischen Beziehungen im Gesamten. Wie Madame de Maintenon selbst einmal ausdrückte, wurde ihr commerce mit der Princesse in dem Maße schwieriger, wie es das Verhältnis zwischen den beiden Höfen wurde. Dass die Aufrechterhaltung ihres Briefwechsels dabei offensichtlich prioritär war, weist ebenfalls auf die Funktion der Princesse als letztes „Eisen im Feuer“ hin.
3. „Geben Sie uns den Frieden, Madame, wenn Sie wollen, dass der König sein Leben in Ruhe beendet“233: Die Verhandlungen um den Thronverzicht Philipps V. (1711–1714) Auch wenn die im Titel zitierten Worte der Madame de Maintenons an die Princesse des Ursins nicht eines gewissen Pathos’ entbehren, so geben sie doch einen Hinweis auf deren zentrale Rolle in den Verhandlungen der Jahre 1712– 1714 – zwischen Madrid und Versailles wie auch zwischen den europäischen Mächten. Im Verlauf dieser drei Jahre sollte sich aus der bisherigen engen Abstimmung der beiden Höfe (union des deux couronnes), bei der Madrid eine Art Satellit Versailles’ darstellte, ein neues Verhältnis herausbilden: ebenbürtiger, unabhängiger und somit rivalisierend. Am 19. März 1713 verzichtete Philipp V. formal auf seine Rechte auf den französischen Thron (renonciation), was wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen war; am 6. März 1714 unterzeichnete er die Friedensverträge von Rastatt ohne Berücksichtigung einer Bedingung, die er noch wenige Monate zuvor als „unverzichtbar“ bezeichnet hatte: die Reservierung einer Landesherrschaft für die Princesse des Ursins. Die zentrale Rolle der camarera in diesen beiden Verhandlungen – einmal als verhandelndes „Subjekt“ und einmal als zu verhandelndes „Objekt“ – sowie die unterschiedlichen Funktionen der Korrespondenzen zwischen Versailles und Madrid zeigen eines ganz deutlich: dass die affaires particulières der Princesse eng mit den Verhandlungen zusammenhingen, deren Ausgang über Krieg und Frieden in Europa entscheiden sollte. Über diese Verhandlungen sollte Lord Bolingbroke in seinen Memoiren schreiben, dass die Mittel, den Frieden zu erzeugen, schwach und zu verachten gewesen seien, während die, die man anbrachte, um die Verhandlungen zu
233 „Le temps y est bien propre; donnez nous la paix, M[adam]e, si vous voulez que le Roi achève sa vie en repos.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 14.9.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 67.
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stören, mächtig und vortrefflich gewesen seien234. Sie sollen Gegenstand des folgenden Kapitels sein235. Kammerdame und Botschafter Seit im Jahr 1709 die französische Krone in Madrid nicht mehr von einem außerordentlichen Botschafter vertreten wurde, hatten sich die Machtverhältnisse am spanischen Hof und zwischen den beiden Höfen verändert. Die stärkere Trennung der beiden Kronen – nach außen demonstriert durch den Rückruf des Botschafters – zeitigte auch in Madrid selbst Folgen. Amelots Nachfolger sollten als formale französische Repräsentanten nicht mehr den gleichen Status haben. So nahmen sie beispielsweise nicht mehr an den Sitzungen des despacho teil, der von diesem Zeitpunkt an nur noch aus spanischen Ministern zusammengesetzt war236. Von französischer Seite versuchte man, den schwindenden Einfluss und eine damit möglicherweise einhergehende unzuverlässige Information dadurch zu überbrücken, dass man hochrangige Adelige mit außerordentlichen Missionen betraute und an den spanischen Hof schickte. Die Existenz dieser missions extraordinaires weist darauf hin, dass man den in Madrid verbliebenen französischen Akteuren – Ursins und Orry – diese Aufgaben nicht mehr allein zutraute und ihnen möglicherweise auch nicht mehr vertraute. Die französischen Akteure waren sich aber zugleich einig, dass am spanischen Hof die politischen Entscheidungen weitgehend von der Princesse und Königin Maria Luisa getroffen wurden237. Die Überlegungen, wie man in Madrid weiter Einfluss nehmen könnte – selbst über die Einset234 „Si les moyens de procurer la paix furent faibles et, dans un sens, méprisables; ceux qu’on mit en œuvre pour rompre la négociation, furent puissants et formidables.“ Mémoires secrets de Mylord Bolingbroke, sur les affaires d’Angleterre depuis 1710 jusqu’en 1716 et plusieurs intrigues à la cour de France, 3 Bde., London 1754, Bd. I, 61. 235 Dabei wird es nicht um eine erneute Rekonstruktion der Verhandlungen gehen; diese hat Baudrillart im Detail geleistet: Vgl. Baudrillart, Philipp V., 415–595. Der Fokus soll vielmehr auf die Form der Verhandlung zwischen den beiden Höfen und die Rolle der Princesse darin gelegt werden. 236 Im August 1713 nahmen an den Sitzungen Francesco Ronquillo, der Duque de Medina-Sidonia, der Conde de Frigiliana, der Marqués de Bedmar und gelegentlich der Comte de Bergeyck teil. 237 Vgl. bspw. Bergeyck an Torcy, o.O., 31.5.1711, MAE CP Espagne 207, f. 122. Zu Orrys Reformen zwischen 1711 und 1713 siehe im Detail Désos, L’ entourage, 545– 559. Auch diese Autorin geht davon aus, dass alle Maßnahmen in Absprache mit der Princesse durchgeführt wurden (548).
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zung eines premier ministre dachte man nach – führten im Jahr 1711 schließlich zu der Entscheidung, einen französischen Vertreter auszuwählen, der politisches Gewicht und Erfahrung mitbrachte: Jean-Louis d’Usson, Marquis de Bonnac238. In seinen Instruktionen wird deutlich, dass man in Versailles zu diesem Zeitpunkt überzeugt war, den „wahren“ Zustand der spanischen Monarchie nicht mehr zu kennen, sondern stets beschönigte Beschreibungen zu erhalten. So wurde denn auch von einer der außerordentlichen Missionen berichtet, dass die tatsächliche Situation der jungen spanischen Monarchie desaströs sei – ein Bericht, der lediglich dem König, Madame de Maintenon und dem Duc de Bourgogne vorgelesen wurde239. Absolute Priorität seiner ambassade sei es, so Ludwig XIV. an den neuen Botschafter Bonnac, Philipp V. dazu zu bringen, die Friedensverträge zu unterschreiben. Dazu mussten zunächst Vollmachten für die französischen Vertreter verhandelt werden, damit diese bei den Friedenskongressen im Namen des spanischen Königs verhandeln konnten240. Dieser Umstand ließ in Madrid die alten Feindseligkeiten gegen „die Franzosen“ aufkommen. Sein Vorgehen sollte Bonnac des Weiteren stets mit der Princesse des Ursins abstimmen, und zwar bevor er mit dem Königspaar spräche241. Von Versailles wurde ihm die Princesse des Ursins also von Beginn an als Beraterin anempfohlen. Bonnac berichtete, dass die Princesse des Ursins die Einzige sei, die effektiv Einfluss auf das Königspaar nehmen und so insbesondere den häufig kompromisslosen Standpunkt der jungen Königin ausgleichen könne. Wenn man sie nicht vor den Kopf stoße, so könne man sich ihres Einflusses bedienen. Er sei guter Hoffnung, mit ihrer Hilfe das spanische Königspaar leichter als erwartet für die französische Sache zu gewinnen242. 238 Jean-Louis d’Usson, Marquis de Bonnac (* wahrscheinlich 1672, † 1738): nach verschiedenen militärischen Posten begleitete er seinen Onkel, den Botschafter François d’Usson de Bonrepaus nach Kopenhagen und wurde im auswärtigen Dienst in den Niederlanden, beim Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, in Schweden und Polen eingesetzt; 1711–1713 ambassadeur in Madrid. Vgl. Schärer, Irene, Der französische Botschafter Marquis de Bonnac und seine Mission bei der Eidgenossenschaft. 1727– 1736, Spiez 1948. 239 Torcy an Duc de Noailles, o.O., 22.6.1711, MAE CP Espagne 207, f. 206. 240 Im November 1711 hatte Philipp V. Francisco María de Paula Téllez-Girón y Benavides, Duque de Osuna (* 1678, † 1716), den Comte de Bergeyck und Isidro Casado de Acevedo y Rosales, Marqués de Monteleón (* 1663, † 1733) als Bevollmächtigte für die Verhandlungen von Utrecht ausgewählt. Von Februar 1712 an warteten sie in Paris auf die dafür nötigen passeports, die sie erst im März 1713 erhalten sollten. Zwischenzeitlich hielt sich Monteleón in London (Oktober 1712), Bergeyck in Madrid (Herbst 1712) auf. 241 Vgl. RDI Espagne II (Bonnac). 242 Vgl. Bonnac an Ludwig XIV., o.O., 21.12.1711, AN K 1359 I, f. 171.
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Die von der Princesse arrangierte Audienz mit dem Königspaar und Bergeyck brachte die erwünschten Ergebnisse: Bereits nach vier Tagen konnte Bonnac dem französischen König die Vollmachten (lettres patentes) zur Unterzeichnung der Vorverhandlungen senden243. Diesen Erfolg lobte Madame de Maintenon in ihrem wöchentlichen Brief an die Princesse unter Verwendung eines Großteils der bereits beschriebenen stereotypen Formulierungen244. Doch nun müsse sie ihr Werk vollenden: „Geben Sie uns den Frieden, Madame, wenn Sie wollen, dass der König sein Leben in Ruhe beendet“. Diese Formulierung erhält über die rhetorische Ebene hinaus Bedeutung, wenn man sich die Einschätzung des Botschafters vor Augen führt, demzufolge die Princesse die Einzige war, die effektiv Einfluss nehmen konnte. Maintenon fuhr fort: „Ich wage nicht zu sagen, dass ich dann [nach dem Friedensschluss, A.d.V.] zufrieden sterben würde, denn es scheint mir, dass Sie nicht wollen, dass ich sterbe. Ich verspreche Ihnen also zu leben und ich glaube sogar, dass ich noch ein wenig Freude empfinden werde.“245 Indem Madame de Maintenon Krieg und Frieden in Europa in einen direkten Zusammenhang mit dem eigenen Leben und Sterben brachte, gab sie einer politischen Frage Bedeutung auf der persönlichen Ebene und integrierte sie dadurch in die Pflichten der Freundschaft: Hier wird die Princesse nicht als Agentin des Königs, sondern als loyale Freundin angesprochen. In den folgenden Monaten des Jahres 1712 wiederholte Madame de Maintenon stoisch, wie notwendig der Frieden sei und wie sehr sie ihn herbeisehne. Wie ein subtiler Druck erscheint es, wenn Madame de Maintenon die guten Eigenschaften der Princesse lobt – ihre Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit, Würde, Geradheit und Güte246. 243 Die von den Engländern gestellten Bedingungen bestanden in der Abtretung von Gibraltar, Port-Mahon, des asiento-Handels und eines Gebiets in den amerikanischen Kolonien. Zu den Einzelheiten vgl. Baudrillart, Philipp V., 453. 244 Sie und der König seien erfreut über die Antworten aus Spanien, doch der Frieden sei unverzichtbar und – so verlieh sie ihrer Bitte Nachdruck – wenn die Princesse mit eigenen Augen sähe, was hier geschähe, dächte sie genauso. Ja, sie erkenne sie noch als Französin. Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 20.9.1711, BL Add. Ms. 20920. f. 67. 245 „Oui, Madame, je suis très contente de vous, et je vous reconnais pour Française, je ne vous gronderai plus. Mais, M[adam]e, il faut achever l’ouvrage; car il est absolument nécessaire. Le Roi ne peut plus animer ses armées, et les malheurs qui nous sont arrivés rendent tout difficile. Enfin, M[adam]e, il n’y a que la paix qui puisse rétablir toutes choses. Je n’ose dire qu’après cela je mourrai contente, car il me semble que vous ne voulez pas que je meure. Je vous promets donc de vivre et je crois même que je sentirai encore quelque joie.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 20.9.1711, BL Add. Ms. 20920. f. 67. 246 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 11.10.1711, BL Add. Ms. 20920, f. 71.
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Die bereits verschickten Vollmachten für die Vorverhandlungen mussten aufgrund von Formfehlern geändert werden247, was wegen der mangelnden Kooperationsbereitschaft Philipps V. mehrere Wochen Verhandlungen benötigen sollte248. Auch angesichts dieser neuen Aufgabe führte Bonnac zunächst eine „sehr lange und sehr ernste Unterredung mit der Princesse des Ursins“249. Die Berichte des Botschafters machen deutlich, welche Rolle die Princesse in diesen Verhandlungen spielte: Er besprach sein Vorgehen meist zunächst mit ihr oder ließ dem Königspaar Dinge über sie ausrichten250. Sie teile die Ansichten Ludwigs XIV. und verwende sich in seinem Sinne beim Königspaar251. Bisweilen habe aber auch ihr Einfluss Grenzen: Beispielsweise wenn die spanische Königin, die in manchen Angelegenheiten „schwierig zu führen“ sei, auf ihrer Position beharre252. Der Zugang über die Kammerdame muss hier erneut im doppelten Sinne verstanden werden: Über sie ließ der Botschafter sich Audienzen vermitteln, über sie nahm er Einfluss auf die Ansichten (sentiments) des Königspaars253. Ludwig XIV. äußerte gegenüber seinem Botschafter Zufriedenheit; parallel dazu versicherte Madame de Maintenon der Princesse, dass die Interessen Philipps V. beim französischen König in den besten Händen seien254. In Madrid jedoch empfand man das Auftreten und die Verhandlungsweise des französischen Botschafters in zunehmenden Maße als „Erpressung“ und weigerte sich, ihn zu empfangen: Auch die Princesse könne ihm momentan keine Audienz vermitteln, teilte Bonnac im Februar 1712 dem König mit255. In Versailles fragte man sich, ob die Formfehler nicht eventuell gemacht wurden, um mit Absicht Verzögerungen herbeizuführen, und Staatssekretär Torcy 247 Die Abtretungsurkunde war zugunsten des französischen Königs und nicht des Kurfürsten von Bayern ausgestellt worden. Die daraus entstandenen erneuten Verzögerungen verärgerten Ludwig XIV. Siehe bspw. Ludwig XIV. an Philipp V., o.O., 18.1.1712, MAE M&D Espagne 126, f. 60. 248 Vgl. Baudrillart, Philippe V., 458–462. 249 „J’eus ensuite une très longue et très sérieuse conversation avec la P[rince]sse des Ursins, […].“ Bonnac an Torcy, Madrid, 21.12.1711, AN K 1359 I, f. 185. 250 Bspw.: Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 28.12.1711, AN K 1359 I, f. 188; Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 1.2.1712, AN K 1359 I, f. 214. 251 Bspw.: Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 28.12.1711, AN K 1359 I, f. 188. 252 Vgl. Bonnac an Torcy, Madrid, 11.1.1712, AN K 1359 I, f. 202–203. 253 Bspw.: Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 1.2.1712, AN K 1359 I, f. 214; ähnlich: Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 22.2.1712, AN K 1359 I, f. 229. 254 „J’ai eu bien de la joie de voir arriver les pouvoirs du Roi d’Espagne. Je ne saurais croire ses intérêts en meilleures mains qu’en celles du Roi son grand-père; […].“ Maintenon an Ursins, Versailles, 11.1.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 89. 255 Bonnac an Ludwig XIV., o.O., 22.2.1712, AN K 1359 I, f. 229–230.
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äußerte seine Zweifel an der Verschwiegenheit seiner amie, der Princesse des Ursins256. Wie um das aufkeimende Misstrauen auszugleichen, beschwor man umso mehr das gegenseitige Vertrauen und die grundsätzliche Übereinstimmung in der Sache257. Die Notwendigkeit des Thronverzichts In den Jahren 1711 und 1712 ereignete sich in der französischen Königsfamilie eine Folge von Sterbefällen. In diesem „tragischen Schauspiel“258 verschied am 14. April 1711 zuerst der Grand Dauphin (Louis de Bourbon), ebenso unerwartet wie drei Tage später Kaiser Joseph I. in Wien – ein Ereignis, das „ohne Zweifel den affaires in Europa ein neues Gesicht geben würde“259, wie es der Duc de Bourgogne an Königin Maria Luisa formulierte. Als Nachfolger wurde am 12. Oktober der Erzherzog Karl zum Kaiser Karl VI. gekrönt. Im Jahr darauf starben unmittelbar nacheinander die Dauphine (Duchesse de Bourgogne), der Dauphin (Duc de Bourgogne) und schließlich auch ihr ältester Sohn (Duc de Bretagne)260. Damit blieb als französischer Thronfolger nur noch der (neue) Dauphin Ludwig261, ein Zweijähriger, von offenbar schwacher Gesundheit. Tatsächlich lag in Europa nun eine ganz neue Situation vor. Die Möglichkeit, dass Philipp V. eines Tages auch König von Frankreich werde könnte, schien plötzlich greifbar nahe und lediglich abhängig vom Überleben eines Kleinkindes. Man betrachtete den spanischen König in Europa daher nun als Erbe der französischen Krone, was die Verhandlungen mit den Alliierten erheblich schwieriger machte262. Allerdings hatte die Kaiserkrönung des Erzherzogs Karl zugleich die Unterstützung der übrigen Alliierten für dessen 256 „La discrétion de la P[rince]sse des Ursins n’est nullement approuvée.“ Torcy an Bonnac, o.O., 8.2.1712, AN K 1359 I, f. 231. Der Botschafter nimmt die Princesse jedoch in seiner Antwort in Schutz: Bonnac an Torcy, o.O., 22.2.1712, AN K 1359 I, f. 231. 257 Bspw.: Maintenon an Ursins, Versailles, 7.2. 1712, BL Add. Ms. 20920, f. 94–95. Vgl. auch: Duc de Bourgogne an Philipp V., Versailles, 11.1.1712, Bourgogne II (Baudrillart), 138. 258 Bspw.: Baudrillart, Philippe V., 463. 259 Duc de Bourgogne an Maria Luisa, Marly 26.4.1711, Bourgogne II (Baudrillart), 90. 260 Am 15.4.1711 starb der Grand Dauphin, am 17.4. Kaiser Joseph I., am 12.2.1712 die Duchesse de Bourgogne, am 18.2.1712 der Duc de Bourgogne und am 11.3.1712 der Duc de Bretagne. 261 Der spätere Ludwig XV. (* 1710, † 1776): 1710–15 Duc d’Anjou, 1715–1776 König von Frankreich und Navarra. 262 Ludwig XIV. an Philipp V., Versailles, 11.3.1712, MAE M&D Espagne 126, f. 61.
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Prätentionen auf den spanischen Thron schwinden lassen, was sich zumindest für Philipp V. als günstig herausstellen sollte. Diese Ereignisse gaben „Anlass zu Überlegungen und sehr traurigen Projekten“263, wie es Madame de Maintenon der Princesse gegenüber formulierte, ohne zu präzisieren, worum es sich bei diesen Projekten handelte. Vom Staatssekretär Torcy erhielten der französische Botschafter und die Kammerdame etwa zur gleichen Zeit neue, aufeinander abgestimmte Anweisungen. Darin wird deutlich, was mit den „sehr ernsten und entscheidenden Maßnahmen“264, wie es in der Depesche an den Botschafter hieß, gemeint war: Um die Möglichkeit einer Vereinigung der spanischen und der französischen Krone auszuschließen, würde von Philipp V. der formelle Verzicht auf den französischen Thron (renonciation) verlangt. In den darauf folgenden Monaten wurden in den Briefen zwischen Frankreich, Spanien und England unterschiedliche Varianten dieses Verzichts durchgespielt – von der Abdankung Philipps V. und seiner Rückkehr nach Frankreich „als Privatperson“ (en particulier) bis hin zum Austausch ganzer Teilreiche der spanischen Krone mit den Alliierten265. Man diskutierte, ob die Verzichtserklärung eines Menschen überhaupt das göttliche Recht der königlichen Erbfolge aufheben könne und nicht konträr zu den Grundgesetzen (lois fondamentales) der französischen Monarchie stünde. Auch in die schriftlichen Verhandlungen zwischen Versailles, Madrid und dem Vertreter der englischen Krone, Lord Bolingbroke266, war die Princesse des Ursins inhaltlich miteinbezogen267. Ein grundsätzliches Problem bestand zunächst darin, dass Philipp V. sich die Option offen halten wollte, zwischen den beiden Königreichen zu wählen, während England eine sofortige und unwiderrufliche Entscheidung verlangte 263 „La mort de M[ada]me la Dauphine a attendri tout le monde, celle de M. le Dauphin a accablé; celle du Duc de Bretagne donne lieu à des raisonnements et à des projets fort tristes.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 14.3.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 98. 264 Ludwig XIV. an Bonnac, o.O., 11.3.1712, MAE CP Espagne 212, f. 231; Torcy an Ursins, o.O., 11.3.1712, MAE CP Espagne 212, f. 231. 265 Vgl. detailliert Baudrillart, Philipp V., 472–501. 266 Henry St. John, 1. Viscount of Bolingbroke (* 1678, † 1751): 1701–1708 secretary at war, 1710 secretary of state (Northern departement), in dieser Funktion war er massgeblich an den Verhandlungen des Friedens von Utrecht 1713 beteiligt; 1712 wurde er secretary of State (southern departement), das höchste Regierungsamt. 267 Siehe bspw. Ludwig XIV. an Bonnac, o.O., 28.3.1712, MAE CP Espagne 213, f. 48; Torcy an Ursins, o.O., 4.4.1712, MAE CP Espagne 213, f. 60; Bolingbroke an Torcy, Whitehall 29.4.1712, Letters and Correspondence. Public and private of the right honourable Henry St. John, Lord Visc. Bolingbroke; during the time he was secretary of state to Queen Anne; with state papers, explanatory notes and a translation of the foreign letters, hrsg. v. Gilbert Parke, 4 Bde., London 1798, Bd. 2, 280–293.
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und den Verzicht Philipps V. auf die französische Krone als unverhandelbar ansah. Ziel Ludwigs XIV. war es daher, seinen Enkel zu diesem Verzicht zu bewegen268. Sein konkretes Vorgehen sollte der Botschafter zuvor mit der Princesse absprechen und ihren Rat einholen. Zu diesem Zweck erhielt sie dieselben Abschriften wie der Botschafter269. Madame de Maintenon hielt sich inhaltlich zurück. So fiel ihr Brief eine Woche später außergewöhnlich kurz aus und zeigt die beschriebene Rhetorik der Selbstbeschränkung mit dem Verweis auf Gottes Wille und die eigenen Grenzen: Niemals habe es ein wichtigeres Thema gegeben, doch es zu behandeln, stünde ihr nicht zu270. Das Thema, auf das sie anspielte, kann aus der königlichen Depesche desselben Tages erschlossen werden: Im Zweifelsfall, kündigte der König seinem Botschafter an, werde er ohne Rücksicht auf seinen Enkel mit England Frieden schließen271. Parallel informierte Torcy die Princesse des Ursins und ermahnte sie, ihren Einfluss geltend zu machen272. In dieser Verhandlung wurde der Princesse die Aufgabe zugedacht, „den Geist des Königs und der Königin vorzubereiten“ (préparer l’esprit), wozu sie vom Staatssekretär Torcy schriftlich instruiert wurde und der Botschafter mehrmals am Tag ihr Gespräch suchte273. Dass die Princesse hier zugleich als Vermittlerin zum Königspaar und als dessen Stellvertreterin fungierte, zeigt sich eindrücklich in der Formulierung Ludwigs XIV.: Der Botschafter solle „Madame des Ursins und durch sie dem König und der Königin von Spanien klar zu verstehen geben“ 274, wie ernst die Lage sei. Zugleich blieb die Princesse 268 Vgl.: Bonnac an Ludwig XIV., o.O. 20.9.1711, MAE CP Espagne 209, f. 125; und erneut: Bonnac an Torcy, o.O., 31.12.1711, AN K 1359, f. 175. 269 „J’envois exprès un courrier pour vous mettre en état de lui en rendre compte incessamment, mais toute fois avant que de lui parler consultez la Princesse des Ursins et concertez avec elle, ce que vous avez à dire à demander sur une matière aussi capitale. […] On envoie par mon ordre à la Princesse des Ursins les mêmes copies que je fais joindre à cette dépêche ainsi, conférez de tout avec elle et recommandez lui le secret qu’il est nécessaire que le Roi et la Reine d’Espagne gardent aussi de leur coté.“ Ludwig XIV. an Bonnac, Marly, 9.4.1712, AN K 1359 I, f. 277–278. 270 „Si ma lettre d’aujourd’hui n’est pas longue, Mad[am]e, ce n’est pas faute de matière; il n’y en eut jamais de plus pressante ni de plus importante, mais il ne m’appartient pas de la traiter. Je prie Dieu d’inspirer L[eurs] M[ajestés] Cat[holiques].“ Maintenon an Ursins, Marly, 18.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 104–105. 271 Vgl. Ludwig XIV. an Bonnac, o.O., 18.4.1712, MAE CP Espagne 213, f. 102. 272 Vgl. Torcy an Ursins, o.O., 18.4.1712, MAE CP Espagne 213, f. 109. 273 Vgl. Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 22.4.1712, AN K 1359 I, f. 287–288. 274 „Faites donc connaître nettement à M[ada]me des Ursins et par elle au Roi et à la Reine d’Espagne que […].“ Ludwig XIV. an Bonnac, o.O., 18.4.1712, AN K 1359 I, f. 293–294.
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jedoch auch die Verbündete des Botschafters, vor der dieser nichts verbergen und mit der er in jeder Hinsicht in Übereinstimmung handeln sollte. Aufschlussreich sind hier auch die Briefe des britischen Staatssekretärs Viscount of Bolingbroke. In seiner Korrespondenz mit Torcy und dem Gesandten der englischen Königin in Madrid wird deutlich, welche Position er der Princesse am spanischen Hof zusprach275. Sie wird stets als dritte neben dem spanischen Königspaar genannt: „The King, the Queen, and the Princess“276. Bolingbroke korrespondierte auch direkt mit der Camarera, die er seine protectrice nannte und die er über Details „bezüglich der Interessen der beiden Höfe“277 informierte. Stets versuchte er sie dafür zu gewinnen, die Verhandlungen voranzutreiben278. Anders die Korrespondenz zwischen Ursins und Maintenon: Diese Materie konnte oder wollte Madame de Maintenon ihrer eigenen Aussage zufolge nicht behandeln. Tatsächlich findet sich keine inhaltliche Diskussion der Angelegenheit – zumindest nicht in den Briefen jener Monate, von denen allerdings lediglich die der Maintenon überliefert sind. Möglicherweise hatte sie die Princesse zurückgewiesen. Denn die Formulierungen, mit denen Madame de Maintenon für gewöhnlich Diskussionen abblockte, finden sich zuhauf: Verweise auf den göttlichen Willen und das Schicksal, auf die Grenzen der eigenen Kompetenz, auf die Gespräche in der chambre obscure sowie auf den Umstand, dass man in Briefen nicht offen sprechen könne279. Auf inhaltlicher Ebene begnügte sie sich damit zu wiederholen, wie schädlich es sei, dass sich die Verhandlungen in die Länge zögen280. Zugleich signalisierte sie der Princesse, dass sie weiterhin als Kontaktperson wertvoll war – indem sie versicherte, stets mit dem beschäftigt zu sein, was sich in Spanien abspiele, die
275 In erster Linie ging es in seinen Briefen um die Modalitäten der Friedensverträge zwischen England und Frankreich bzw. Spanien: Bolingbroke III (Parke). 276 Hier: Bolingbroke an Lord Lexington, Whitehall, 1.8.1713, Bolingbroke III (Parke), 213. 277 A l’égard des intérêts des deux cours: Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 25.1. vermutlich 1712 oder 1713, Bolingbroke III (Parke), 345. 278 Vgl. bspw. Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 8.5.1713, Bolingbroke IV (Parke), 89–94. 279 Bspw.: „Il faudrait pour cela être dans cette chambre obscure de Marly où j’avais un si grand plaisir à vous entretenir. […] Adieu, Madame, c’est une grande contrainte de n’oser parler librement à une personne en qui l’on a une entière confiance.“ Maintenon an Ursins, Marly, 24.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 105–106. 280 Bspw.: Maintenon an Ursins, Marly, 24.4.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 105–106; Maintenon an Ursins, Versailles, 1.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 106–107; Maintenon an Ursins, Versailles, 9.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 108.
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Stunden bis zur Ankunft des courrier ordinaire ungeduldig zu zählen281 oder wegen der affaires „sehr aufgeregt“ zu sein282. Post aus London veränderte im Mai 1712 die Verhandlungssituation grundlegend. Die französischen Angebote wurden ausgeschlagen und Philipp V. ein Austausch angeboten: Um seine Krone zu behalten, solle er sich mit dem Königreich Sizilien und den Territorien des Herzogs von Savoyen begnügen. Jener bekäme im Gegenzug die spanischen Gebiet auf der iberischen Halbinsel und die Kolonien283. Ludwig XIV. wies seinen Botschafter an, den spanischen König dazu zu bringen, den Vorschlag zu akzeptieren. Die Princesse des Ursins sollte ihn wie üblich dabei unterstützen284. In einem anderen Punkt nahm der französische König die Princesse, die der Botschafter für gewöhnlich in alles einweihen sollte, erstmals aus seinem Vertrauen aus: Er legte seiner Depesche ein Schreiben an den spanischen König bei, das Bonnac nur übergeben sollte, wenn sich Philipp V. weiterhin nicht für eine der beiden Optionen entscheide. In diesem Fall würde sich Ludwig XIV. für den Frieden und gegen die Zusammenarbeit der beiden Kronen entscheiden285. Für diesen äußersten Fall schien dem französischen König die Loyalität der Kammerdame nicht gesichert. Madame de Maintenon erhöhte zeitgleich den Druck: Die Schuld für die Verzögerungen der Verhandlungen läge beim spanischen Hof. Ihr veränderter Ton korrespondierte mit dem geschwächten Vertrauen des Königs286. Auch in Madrid schwand das Vertrauen. Bonnac zufolge mache sich das Misstrauen des spanischen Königspaars gegenüber Versailles umso stärker bemerkbar, je sicherer die Trennung der beiden Kronen erscheine287. Daher würde er selbst seit einiger Zeit nur noch äußerst vorsichtig vorgehen. Sein Bericht vom 29. Mai 1712 ist diesbezüglich, aber auch was die Rollenvertei281 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 23.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 110. 282 „Il est vrai, Mad[am]e, que les affaires qui se traitent présentement sont bien importantes. Vous ne doutez pas que je n’en sois agitée.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 9.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 108. 283 Vgl. Ludwig XIV. an Bonnac, Versailles, 18.5.1712, AN K 1359 I, f. 339. 284 Vgl. Ludwig XIV. an Bonnac, Versailles, 18.5.1712, AN K 1359 I, f. 340. 285 Ludwig XIV. an Philipp V., o.O., 18.5.1712, MAE CP Espagne 218, f. 223–224; dazu: Ludwig XIV. an Bonnac, o.O., 18.5.1712, AN K 1359 I, f. 336–341. 286 Bspw. in einer außergewöhnlichen Variante einer Schlussformel: „Adieu Madame, je ne vous aime pas tant qu’à l’ordinaire.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 30.5.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 110–111. 287 „Ce n’est pas d’aujourd’hui, Monseigneur, que vous vous apercevez que la défiance de Roi et de la Reine d’Espagne sur la conduite de la France à son égard est extrême […]. Plus la séparation des deux couronnes sera prochaine et paraîtra assurée plus cette méfiance se fera sentir […].“ Bonnac an Torcy, Madrid, 23.5.1712, AN K 1359 I, f. 328.
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lung in den Beziehungen der beiden Höfe angeht, aussagekräftig, weshalb er im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt werden soll. Er habe damit begonnen, so der Botschafter, die Princesse des Ursins am Morgen des 27. Mai über die Inhalte der königlichen Depesche (der von England angebotene Tausch) in Kenntnis zu setzen und sie daran erinnert, dass der französischen König auf sie zähle. Dessen Briefe habe er Philipp V. nach der Sitzung des despacho überreicht. Die Princesse habe ihm am Tag danach mitgeteilt, dass der König seine Entscheidung auf der Stelle getroffen habe: er zöge es jeder anderen Lösung vor, Spanien und die Kolonien zu bewahren und habe seine Antwort an Ludwig XIV. bereits verfasst. Die darauf folgende lange Erläuterung der Gründe und Ansichten Philipps V. wird gänzlich in der indirekten Rede wiedergegeben – und zwar der Rede der Princesse: „Madame la Princesse des Ursins hat mir gesagt, dass… Ich habe ihr geantwortet, dass... Madame la Princesse gab zu, dass...“288. Bei den Aussagen handelt es sich jedoch immer um die Meinung des spanischen Königs, wodurch die Princesse gewissermaßen zu seiner Stimme wird und daher in diesem Fall nicht wie zuvor an der Seite des Botschafters, sondern als sein Gegenüber verhandelt. So gibt der Bericht über weite Teile die mündliche Verhandlungssituation wi288 „J’aurai donc l’honneur de dire à V[o]tre Majesté qu’ayant commencée par voir la P[rince]sse des Ursins le 27 au matin […]. M[ada]me la Princesse des Ursins que j’ai vu encore hier au matin m’a dit que le Roi d’Espagne avait pris son parti sur le champ qu’il avait déjà sa lettre pour V[o] tre Maj[esté] et qu’il préférait la conservation de l’Espagne et des Indes à toute autre considération qu’elle lui avait représenté en vain qu’il ne fallait pas aller si vite dans une résolution de cette importance, mais que rien n’avait été capable de le détourner de son premier sentiment, qu’il ne croyait pas que sur des espérances incertaines et qu’il souhaitait très sincèrement n’est jamais accomplies, il peut abandonner un État comme l’Espagne pour devenir Roi de Sicile et duc de Savoie qu’il appuyait son sentiment sur l’intérêt royal que connaissant comme il faisait le Duc de Savoie il le regardait comme un voisin très dangereuse pour la France que s’il lui avait causé tant d’embarras avec les petits États qu’il possédait, on pouvait juger de ce qu’il ferait s’il était le maître d’Espagne. Qu’en un mot, l’honneur de la maison royale était engagé à se maintenir dans la possession des deux couronnes, qu’il faisait pour cela le plus grand sacrifice qu’on pouvait attendre d’un prince de son rang que le Roi d’Espagne prétendait qu’on devait reconnaitre à cette conduite son amour pour V[o]tre Majesté, son zèle pour la gloire de la maison royale, et son attention aux propres intérêts de la France. J’ai répondu à la Princesse des Ursins que je ne pouvais pas convenir de ces principes […]. M[ada]me la P[rince]sse des Ursins m’a avoué naturellement que cela était vrai qu’il lui avait paru que le Roi d’Espagne ne se croyait pas propre à gouverner les Français et qu’il ne se trouvait pas les qualités nécessaire pour soutenir dignement l’état que V[o] tre M[ajes]té avait donné à cette couronne, qu’il était accoutumé aux Espagnols […].“ Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 29.12.1712, AN K 1359 II, f. 343–344.
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der: Einschübe und rhetorische Fragen transportieren die Lebhaftigkeit der Unterhaltung: „Aber, habe ich erwidert, denkt die Königin wie der König? Sie antwortete mir, ich versichere ihnen nicht, das sie völlig denkt wie er [...].“289 Schließlich wird auch noch der ebenfalls anwesende Aubigny in die Diskussion mit einbezogen. Nach der wörtlichen Wiedergabe der Unterhaltung stellt Bonnac in einem zweiten Schritt die Meinung der Princesse dar: Sie glaube nicht, dass der König seine Meinung ändern würde, könne ihm aber trotzdem eine Audienz verschaffen290. Daraufhin schildert Bonnac auch noch die Audienz mit dem König im Detail und bemerkt abschließend, dass die Princesse des Ursins, welche die ganze Zeit anwesend gewesen sei, seine Argumentation bestärkt habe und äußerst geistreich auch selbst noch mit Philipp V. gesprochen habe, doch nichts habe den König von seinem Standpunkt abbringen können291. Bonnac stellt die Princesse also in seinem Brief in wechselnden Rollen dar: Zunächst spricht durch sie die Stimme des Königs, daraufhin beurteilt sie als „Kennerin der sentiments du roi“ die Verlässlichkeit seiner Aussage, und zu guter Letzt schlüpft sie in die Rolle der „Kollegin“ des Botschafters, um ihn bei seiner Verhandlung zu unterstützen. Ihre Zusammenarbeit war erneut von 289 „Mais ai-je répliqué, la Reine de Espagne pense t’elle comme le Roi? Elle m’a répondu je ne vous assumerai pas qu’elle soit entièrement de son sentiment, mais je puis vous dire avec vérité qu’autant qu’elle a témoigné de vivacité et de fermeté quand il s’est agi d’abandonner entièrement l’Espagne autant fait t’elle voir d’indifférence présentement qu’il est question de décider entre les deux couronnes, l’honneur du Roi d’Espagne lui paraît à couvert quelque parti qu’il prenne, elle ne veut point d’ailleurs le contraindre sur le goût qu’il peut avoir pour l’une plutôt que pour l’autre. Mais ai-je repris compte t’elle pour rien dans cette occasion l’avantage de la maison dont elle est sortie, la P[rince]sse des Ursins m’a répondu qu’elle croyait que la Reine d’Espagne n’y était pas insensible, mais que uniquement attachée au Roi d’Espagne sa satisfaction allait dans son esprit par dessus tout autre considération qu’ils avaient résolu l’une et l’autre pour prendre ce parti avec plus de circonspection de faire leurs dévotions et de consulter avec Dieu une chose de si grande importance ne voulant d’ailleurs prendre conseil de personne, mais qu’elle croyait que le Roi d’Espagne ne changerait rien à sa résolution.“ Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 29.12.1712, AN K 1359 II, f. 344. 290 „La Princesse des Ursins a répondu que ces considérations faisaient aucune impression sur son esprit [de Philippe V., A.d.V.] que le seul désir de plaire à V[o]tre M[ajes]té la faisait agir, mais qu’elle connaissait le Roi d’Espagne qu’elle doutait qu’il changeât de sentiment, qu’elle l’allait prier cependant de m’écouter encore.“ Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 29.12.1712, AN K 1359 II, f. 345. 291 „La Princesse des Ursins qui a été présente à cette conversation a fortifié mes représentations de plusieurs considérations conformes à celles que je viens de rapporter, et a parlé certainement au Roi d’Espagne avec beaucoup d’esprit et de zèle mais rien n’a été capable de l’ébranler.“ Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 29.12.1712, AN K 1359 II, f. 347.
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Erfolg gekrönt: Philipp V. teilte seinen Entschluss dem französischen König noch am gleichen Tag mit292 und erklärte seinen Verzicht auf die Krone Frankreichs einen Monat später feierlich vor dem despacho293 und schließlich auch vor der Stadt Madrid294. Strategisches Schweigen Madame de Maintenons Briefe an die Princesse des Ursins wurden in diesen Wochen immer kürzer, beschränkten sich bisweilen auf die bloße „Abhandlung“ von Nachrichten. Dem Duc de Noailles, ihrem gemeinsamen Briefpartner, teilte sie mit, dass sie mit der Princesse die „großen Angelegenheiten“ (grandes affaires) nicht mehr behandeln würde, vermutlich aufgrund ihrer unterschiedlichen Meinungen im Vorfeld der Entscheidung Philipps V.295 Der Verzicht auf den Thron wurde in diesem Brief nicht direkt benannt – offensichtlich war beiden ohnehin klar, worum es sich handelte. Der Princesse gegenüber gab sich Madame de Maintenon resigniert und nannte es gar nutzlos, ihr zu schreiben, was sie denke296. Sie betrachte Spanien derzeit mit Unmut, sie habe keine Kraft mehr, über „all diese Themen“ zu schreiben, man müsse sich nun von Gott führen lassen297. Solche Verweise auf die göttliche Vorsehung nahmen in diesen Monaten weiter zu298. Wohl auf eine Beschreibung hin, die ihr die Princesse von dem feierlichen Akt des Verzichts im despacho gegeben hatte, nahm sie bezeichnenderweise die Position einer weit entfern292 Philipp V. an Ludwig XIV., o.O., 20.5.1712, MAE CP Espagne 218, f. 255. 293 Vgl. Baudrillart, Philippe V., 500 f. Baudrillart zitiert die französische Übersetzung dieser Erklärung. 294 Vgl. Bonnac an Ludwig XIV., Madrid, 8.7.1712, AN K 1359 II, f. 399. 295 „Mon commerce avec M[ada]me la Princesse des Ursins continue toujours. Nous n’entrons point dans les grandes affaires; mais elle me fait sentir délicatement qu’elle désire la vie du petit Dauphin et qu’elle ne comprend point la politique de ceux qui désirent sa mort.“ Maintenon an Duc de Noailles, Marly, 1.4.1712, Maintenon II (Geffroy), 303. 296 „Il est inutile de dire ce qu’on pense sur le parti que L[eurs] M[ajestés] Cat[holiques] ont pris. Il faut vouloir tout ce que Dieu veut, mais elles ne doivent pas savoir mauvais gré aux Français d’être pour eux comme ils sont.“ Maintenon an Ursins, Marly, 13.6.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 112. 297 „Je n’ai plus la force de vous parler sur toutes ces matières-là. Il faut, M[adam]e, se laisser conduire à Dieu, il nous a mis dans un état que nous ne pouvions prévoir. Il nous en tirera quand il lui plaira.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 26.6.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 114. 298 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 14.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 115; oder: Maintenon an Ursins, Marly, 11.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 116.
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ten Betrachterin ein, um ihre Distanz zu verdeutlichen: „Unser Jahrhundert liefert [Szenen], die man in einem Roman als zu fabelhaft empfunden hätte [...].“299 Von nun an würde sie über die renonciation kein Wort mehr verlieren, über die sie genau wie die anderen dächte: in Frankreich gäbe es „vom Kabinett bis zur Markthalle keine zwei Meinungen“300. Damit teilte sie der Princesse zugleich mit, dass sie in alles eingeweiht war und die Dinge überblickte. Zugleich zeigte sie ihren Missmut und eine größere Distanz zu den affaires d’Espagne. Die wechselseitigen Verzichtserklärungen – Philipps V. auf den französischen Thron und der Ducs de Berry und d’Orléans auf den spanischen Thron – wurden von einer spanischen Junta unter der Führung des Kardinal del Giudice301, einem Vertrauten der Princesse des Ursins, vorbereitet. Verschiedene Fragen – beispielsweise wie man mit Gibraltar oder Sizilien verfahren würde – erregten jedoch Widerstand von englischer Seite, weshalb Lord Lexington an den Hof von Madrid geschickt wurde302. Der britische Gesandte versuchte über die Kammerdame, deren einflussreiche Position am Hof in Europa bekannt war, den Abschluss verschiedener Handelsabkommen zu beschleunigen. Lexington hatte ihr im Gegenzug in Aussicht gestellt, dass die englische Königin Anne die ihr versprochene Landesherrschaft zur Bedingung der Friedensverträge mit dem Kaiser mache303. In den Verhandlungen mit Lexington spielte die Princesse einen aktiven Part304. Auch von französischer Seite bevorzugte man den von den Engländern vorgeschlagenen Austausch, und stellte sich daher erneut die Frage, wie man Philipp V. umstimmen könne. Aus den Berichten des Botschafters geht hervor, dass die Princesse bei all seinen Audienzen präsent war und ihn nach Kräften unterstützte. Häufig berichtete er auch von einer Art „Nachbesprechung“ mit der Kammerdame, bei denen sie
299 „Notre siècle en [de scènes, A.d.V.] fournit qu’on aurait crû trop fabuleuses dans un roman [...].“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 17.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 118. 300 „Je ne parle plus sur la renonciation; car je ne crois pas qu’il y ait rien de plus imprudent que de tenir là-dessus les discours qu’on tient ici. Du reste, je pense comme les autres pour le moins, et il n’y a pas deux avis depuis le cabinet jusqu’à la halle.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 17.7.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 118. 301 Francesco del Giudice (* 1647, † 1725): 1690 Kardinal. 302 Vgl. Ludwig XIV. an Bonnac, Fontainebleau, 22.8.1712, AN K 1359 II, f. 472. 303 Vgl. Anne an die Bevollmächtigten von Utrecht, 3.3.1713, zitiert bei Cermakian, La Princesse, 471, Anmerkung 208. 304 Dies wird besonders in ihren Briefen an den Maréchal de Tessé deutlich; siehe bspw. Ursins an Tessé, Madrid, 5.4.1713, Tessé (Masson), 42.
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ihm die Ansichten des Königs erläuterte und gemeinsam mit ihm verschiedene Möglichkeiten eruierte305. Die sich in die Länge ziehenden Verhandlungen erregten in Versailles Ärger, was sich in Madame de Maintenons Briefen an die Princesse „zwischen den Zeilen“ lesen lässt: Der Friede sei so nah und „Nur Ihr könnt noch eine Verzögerung verursachen“ – ob mit „vous“ die Princesse allein oder zusammen mit dem Königspaar gemeint war, muss offen bleiben306. Als ein weiteres Druckmittel diente Maintenon der Verweis auf die Gesundheit des Königs, die unter alldem leide307. Das Thema sollte jedenfalls endgültig aus der gemeinsamen Korrespondenz verbannt werden: „Sprechen Sie nicht mehr über die renonciation, ich beschwöre sie, ich verdamme mich zu einem ewigen Schweigen darüber, ich könnte nur unangemessene Dinge dazu sagen, [...].“308 Am 12. November 1712 legte Philipp V. schließlich, in Anwesenheit des französischen Botschafters und des englischen Gesandten, das Dokument auch der Ständeversammlung (cortes) vor309. Um die Möglichkeit auszuschließen, dass aufgrund ungünstiger Konstellationen – etwa durch Heirat oder Todesfälle – das spanische Reich an das Haus Habsburg fallen könnte, wurde darüber hinaus auf Anraten Ludwigs XIV.310 das spanische Thronfolgerecht geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Primogenitur ausschlaggebend gewesen – unabhängig vom Geschlecht des Thronfolgers. Nun glich man dieses Recht dem in Frankreich geltenden Salischen Gesetz (loi salique) an: Von nun 305 Vgl. bspw.: „M[adame] la P[rince]sse des Ursins que je vis ensuite en particulier me dit que le Roi d’Espagne parlait encore tous les jours avec complaisance du dernier parti qu’il avait pris sur l’alternative proposée, qu’elle croyait pourtant que si la proposition des Anglais avait été plus étendue et qu’on eut joint aux États de Savoie et à la Sicile le Milanais ou le Royaume de Naples, le Roi d’Espagne aurait été peut être plus embarrassé à se déterminer, mais que l’objet lui avait semblé trop petit.“ Bonnac an Torcy, Madrid, 16.6.1712, AN K 1359 II, f. 368; Bonnac an Torcy, Madrid, 27.5.1712, AN K 1359 II, f. 383–384. 306 „Il n’y a que vous qui puissiez y apporter quelque retardement par la longueur inévitable d’une négociation qui se fait par des lettres dont il faut pour le moins trois semaines pour avoir la réponse.“ Maintenon an Ursins, Fontainebleau, 22.8.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 122. 307 Vgl. Maintenon an Ursins, o.O., 22.10.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 129. 308 „Ne me parlez plus de renonciation, je vous en conjure; je me condamne à un éternel silence là-dessus, je ne pourrais que dire des choses mal à propos, […].“ Maintenon an Ursins, Marly, 20.11.1712, BL Add. Ms. 20920, f. 133–134. 309 Vgl. Baudrillart, Philippe V., 504–514. Der Autor zitiert die Hauptpassagen des Dokuments im Wortlaut. 310 Vgl. Ludwig XIV. an Bonnac, Versailles, 18.7.1712, MAE CP Espagne 215, f. 30. Das Gesetz wurde schließlich am 10. Mai 1713 verkündet; siehe: „Copia de la ley de 10 de mayo de 1713“, AHN Estado 2556, n. fol.
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an würden die männlichen Nachkommen Philipps allen weiblichen Infanten vorgezogen, was eine Art abgeschwächte Form der loi salique darstellte. Auch in diesem Fall wurde also eine (Miss-)Interpretation dieses Teils des Salischen Gesetzes zu dynastischen Zwecken instrumentalisiert311. Am 19. März 1713 fand schließlich auch in Versailles die Zeremonie statt, in der die Prinzen von Geblüt auf die spanische Krone verzichteten312. Aus den hier analysierten Korrespondenzen ist ersichtlich geworden, dass die Princesse des Ursins voll in die Verhandlungen zwischen Versailles und Madrid integriert war. Auch in ihren eigenen Briefen an den Staatssekretär Torcy sowie an den Duque de Osuna in Paris bzw. Utrecht313 und den Maréchal de Tessé314 war die renonciation Philipps V. das zentrale Thema. Madame de Maintenon hingegen versuchte, eine Auseinandersetzung darüber zu vermeiden – ihre Korrespondenz war nicht mehr der geeignete Ort für diese Verhandlung. Unabhängigkeit für die Princesse? Ähnlich verhält es sich mit einem Thema, das etwa seit August des Jahres 1712 als weiterer Grund für die Verzögerungen der Verhandlungen genannt wurde: eine Landesherrschaft (souveraineté), die das spanische Königspaar der Princesse des Ursins als Anerkennung ihrer Dienste einst versprochen hatte: „[E]in so unwichtiger Gegenstand darf nicht den Frieden ganz Europas verhindern“315, so der französische König, und doch hinge nach drei Mona311 Eliane Viennot konnte zeigen, dass die „Wiederentdeckung“ der loi salique im 14. bzw. 15. Jahrhundert dazu diente, Thronprätendenten anderer Familien auszuschließen. Ein Teil des überlieferten Gesetzestextes wurde isoliert und dahingehend interpretiert, dass weibliche Nachkommen von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. So entstand laut Viennot un nouveau mythe national (571), der kritisch hinterfragt werden müsse. Vgl. hierzu Viennot, Eliane, La France, les femmes et le pouvoir (V ième–XIIième siècles), 2 Bde., Paris 2006, Bd. 1: L’invention de la loi salique, insbesondere 347–390 und 570–574. 312 Siehe den Bericht des spanischen Botschaftssekretärs Cornejo: Cornejo an Grimaldo, o.O., 20.3.1713, AGS Estado Francia 4314, n. fol. 313 Siehe bspw. Ursins an Osuna, Buen Retiro, 31.7.1712, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 314 Ihm berichtete sie regelmäßig über die Entwicklung der Verhandlungen, über die Berichte der spanischen Vertreter Monteleón, Osuna und Aubigny und über die Unterredungen mit Lord Lexington in Madrid. Beispiel: Ursins an Tessé, Madrid, 17.7.1713, Tessé (Masson), 52 f. 315 „Vous avez raison de dire qu’un si faible sujet ne doit pas empêcher la paix de toute l’Europe. […]
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ten Konferenzen der Frieden von den Interessen Philipps V. und denen der Princesse des Ursins ab – wie konnte es dazu kommen? Bei dieser Herrschaft, die ein Zeichen der Dankbarkeit des spanischen Königspaars für ihre camarera mayor sein sollte, handelte es sich um eine Landeshoheit in den Niederlanden mit einer Rente von 30.000 Écu316. Für Philipp V. und Maria Luisa stellte die souveraineté in den gesamten Friedensverhandlungen zwischen 1711 und 1714 eine unverhandelbare Bedingung dar317. Ludwig XIV., der diese Form der Belohnung der Kammerdame zunächst befürwortet hatte, verlangte schließlich die Streichung der Klausel, da sie der Grund für die andauernden Verzögerungen der Verhandlungen sei. Im Vertrag von Utrecht zwischen Frankreich und den Generalstaaten wurde die Abtretung der spanischen Niederlande im Artikel VII. noch unter der Bedingung festgehalten, dass der Princesse in Luxemburg oder Limburg eine solche Herrschaft reserviert und später zum Fürstentum erhoben würde318. Im Frieden von Rastatt ein Jahr danach tauchte dieser Artikel jedoch nicht mehr auf319. Zur Klärung der Frage nach den Gründen für die Vertragsänderung sollen im Folgenden wiederum nicht die einzelnen Verhandlungsschritte rekonstruiert werden320, sondern vielmehr aus verschiedenen Perspektiven die unterschiedlichen Bedeutungen herausgelesen werden, die diese Angelegenheit für die jeweiligen Akteure erlangt hatte.
Ainsi vous voyez qu’après environ trois mois de conférences, la paix dépend et de vos intérêts et de ceux de la P[rince]sse des Ursins.“ Ludwig XIV. an Philipp V., Versailles, 19.2.1714, MAE M&D Espagne 126, f. 67. 316 Zur komplexen Vorgeschichte der Abtretung der spanischen Niederlande an den Kurfürsten von Bayern vgl. Cermakian, 449, Anmerkung 63. 317 Baudrillart zufolge gäbe es keinen Brief vom spanischen König zum Thema der Verhandlungen, in dem diese Klausel nicht erwähnt wird, Vgl. Baudrillart, Philippe V., 543. 318 „[…] une terre, située dans le Luxembourg ou le Limbourg, et produisant trente mille écus de rente, laquelle devait être érigée en principauté pour M[ada]me des Ursins et ses successeurs […].“ Vertrag vom 11.4.1713, Baudrillart, Philippe V, 534. 319 Vgl. die bereits beschriebenen Originaldokumente aus Archiven in Den Haag bei Geffroy, an denen die wechselnde Chancen auf Erfolg abgelesen werden können: Ursins (Geffroy), Appendice, 479–498. Die Princesse gab auch nach dem Frieden von Utrecht nicht auf und versuchte in der Folge über Aubigny im Austausch eine souveraineté in Touraine zu verhandeln, die nach ihrem Tod wieder an die französische Krone zurückgefallen wäre. Sie ließ ihn bereits ein Schloss (Résidence de Chanteloup) errichten. Mit ihrer zweiten disgrâce am Jahreswechsel 1714–1715 hatte sich auch diese Angelegenheit erledigt. Vgl. hierzu: Ursins (Geffroy), 410, Anmerkung 1. 320 Vgl. hierzu ausführlich Cermakian, La Princesse, 477–508.
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Die souveraineté als Pfand der Engländer Von der souveraineté, die die Princesse des Ursins für ihre Dienste beim spanischen Königspaar erlangen sollte, wurde schon seit dem Jahr 1706 gesprochen, die Schenkungsurkunde Philipps V. ist auf September 1711 datiert321. Auf diesen Wunsch des spanischen Königs war auch der französische Gesandte Marquis d’Iberville322 in seinen Instruktionen hingewiesen worden. Von November 1709 bis Februar 1710 war er als Vertreter des Kurfürsten von Bayern und zugleich für Ludwig XIV. in „geheimer Mission“ in Madrid. In seine Mission, die Zustimmung Philipps V. zur Abtretung der Niederlande an den Kurfürsten zu verhandeln, waren ausschließlich die Princesse des Ursins323 und nach seiner Rückkehr Madame de Maintenon eingeweiht worden324. Von 1713 an war das Thema der souveraineté in den Korrespondenzen beinahe aller beteiligten Akteure präsent. Aus Utrecht berichteten die beiden bevollmächtigten spanischen Minister Duque de Osuna und Marqués de Monteleón325 so-
321 Acte de donation de la souveraineté pour la P[rince]sse des Ursins, 28.9.1711, MAE CP Espagne 211, f. 358–363. Die Urkunde ist von Philipp V. unterzeichnet; ediert in: Ursins (Geffroy), Appendix 280–286. 322 Charles-François de la Bonde d’Iberville (* 1653, † 1723): 1709–1710 chargé de mission in Spanien, 1713–1717 envoyé in London. 323 Mémoire pour servir d’instruction au Sieur d’Iberville allant à Madrid par ordre du roi, Versailles, 17.11.1709, RDI Espagne II (Iberville), 165–172, 172. Siehe auch die Verhandlungen zwischen Max Emanuel, Kurfürst von Bayern bwz. dem Comte de la Mark und Ludwig XIV. bzw. Torcy des Jahres 1711 in MAE CP Bavière 63. 324 Vgl. RDI Espagne II (Iberville), 165. 325 Monteleón verhandelte 1713 mit den Vertretern Englands, im März 1713 bestätigte die Königin Anne Monteleóns Vorschläge, die auch die souveraineté im Herzogtum Luxemburg beinhalten und versprach, sich dafür einzusetzen: Vgl. Propositions faites par le Marquis de Montéleon, ministre plénipotentiaire de Sa Majesté Catholique, AGS Estado Ingalaterra, leg. 6822, n. fol., no. 3 und bspw.: Grimaldo an Monteleón, Madrid, 28.3.1713, AGS Estado Ingalaterra, leg. 6822, n. fol., no. 22. Aus seiner Korrespondenz der Folgejahre ist deutlich abzulesen, wie sich diese Bemühungen seit dem Tod der Königin am 1. August 1714 und insbesondere dann nach der disgrâce der Princesse des Ursins am Jahreswechsel 1714/1715 verliefen: Vgl. bspw.: Monteleón an Tawnshend, London, 26.8.1714, AGS Estado Inglaterra 6827, n. fol., no. 5; mit Verweis auf die diferencia de los tiempos und dass England gegenüber Wien wenig Bedingungen zu stellen habe: bspw. Monteleón an Grimaldo, o.O., 20.11.1714, AGS Estado Inglaterra 6827, n. fol.; erst im Januar 1715 verzichtete man auf diese Bedingung: Grimaldo an Monteleón, Madrid, 6.1.1715, AGS Estado Inglaterra 6827, n. fol., no. 64.
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wie der Baron de Capres326 und von 1714 an auch der Kardinal del Giudice327 nach Madrid. In fast jedem ihrer Briefe an das secretario de Estado teilten sie den neuesten Stand der Verhandlungen um die soberanía der Princesse des Ursins mit328. Insbesondere wenn Probleme mit den Verhandlungspartnern auftauchten, wurde die Angelegenheit im Detail dargestellt329. In diesem Fall scheint eine Unterscheidung in „ordentliche“ und „nicht-ordentliche“ Kanäle und eine wie auch immer geartete Zuordnung von Themen also nicht stattgefunden zu haben. In Utrecht konnte die vorgeschlagene Herrschaft nicht durchgesetzt werden. Die Bedingungen, die der Kaiser stellte, und die Weigerung der Holländer, eine Garantie zu geben, machten die Verhandlungen länger und komplizierter. Eine angebotene Alternative lehnte die Princesse des Ursins ab. Der neue französische Botschafter in Madrid, Marquis de Brancas330, wurde in 326 Der Baron de Capres sollte die Abtretung des Herzogtums von Limburg beim Kongress von Baden verhandeln. 327 Vgl. bspw. seine Instruktionen: Instruccion que ha de observar el Em[inenci]a S[eño]r Cardenal del Giudice, en la comision y encargo a que de orden del Rey, pasa su Em[inenci]a la Corte de Francia, Madrid, 2.4.1714, AGS Estado Francia, 4316, n. fol. 328 Die Korrespondenzen, die die Verhandlungen um die souveraineté der Princesse betreffen, befinden sich verstreut in den Beständen Estado Holanda 6174–6177, Estado Inglaterra 6822–6829, Estado Francia 4301–4308 und Otro 8121: De la Princesa de los Ursinos sobre la soberania de Limburg de 1711 a 1714. Año desde 1711 hasta 1714. Fechos de la correspondencia de la Princesa de los Ursinos. Sobre la soberanía de Limbourg. Siehe bspw. Ursins an Aubigny, Madrid, 12.6.1713; Osuna an Grimaldo, Utrecht, 19.5.1712; Grimaldo an Baron de Capres, Madrid, 6.11.1713; Entwurf zum „Patente de donación“ von Philipp V. für die Princesse des Ursins; Monteleón an Grimaldo, Utrecht, 12.10.1713; Ursins an Osuna, Madrid, 11.12.1713; 12.6.1713; Informe firmado por Don José de Grimaldo y dirigido al Duque de Osuna sobre el establecimiento de la soberanía de la Princesa de los Ursinos en el ducado de Limbourg con toda la extensión de la donación que le ha hecho el rey de España, Madrid, 6.9.1713; AGS Estado Francia-Otro 8121, n. fol. 329 Zu den Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit den Holländern siehe in AGS Estado Holanda 6174–6177, bspw. Monteleón an Grimaldo, Utrecht, 22.7.1713, AGS Estado Holanda 6174, n. fol.; vgl. im selben Bestand den Wechsel von Limburg auf Chiny, bspw.: Monteleón an Grimaldo, Den Haag, 10.8.1713; Grimaldo an die plenipotenciarios, Madrid, 14.8.1713; Grimaldo an Monteleón und Osuna, Madrid, 17.9.1713; Osuna an Grimaldo, Utrecht, 20.10.1713; ders. an dens., Utrecht, 21.11.1713; genaue Anweisungen zu neuem Vorgehen, nachdem der Friedensvertrag zwischen Spanien und Holland geschlossen war, da man von Seiten Madrids bereit war, auf die Garantie zu verzichten: Grimaldo an Osuna, Madrid, 3.12.1713; ab Oktober 1714 wird weniger darüber berichtet: AGS Estado Holanda 6176, n. fol. 330 Louis de Brancas, Comte de Forcalquier, Marquis de Céreste (* 1672): 1689 mousquétaire, er war während des bisherigen Krieges in Spanien stationiert; 1711 gouverneur de Girone, 1713 toison d’or, 1713–1714 ambassadeur in Madrid.
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seiner Instruktion vom Oktober 1713 darauf hingewiesen, dass diese spezielle Forderung des spanischen Königspaars nunmehr der einzige Punkt sei, der den allgemeinen Frieden noch verhindere331. Aus diesem Grund müsse Ursins nun die als Ersatz angebotene Grafschaft in Chiny akzeptieren oder ganz verzichten332. Dies lehnte Philipp V. zunächst ab333, ließ sich dann aber Ende November auf den Ersatzvorschlag ein, so dass der Vertrag zwischen den Niederlanden und Spanien geschlossen werden konnte334. Lord Bolingbroke hatte der Princesse im Januar 1713 berichtet, dass er von Monteleón über ihre Angelegenheit unterrichtet worden sei und dass er diese Instruktionen an die englischen Bevollmächtigten weitergeleitet habe – seine Formulierungen blieben jedoch vage und breit interpretierbar335. In der Folge berichtete er der Princesse regelmäßig, sobald er die affaire neu vorangebracht hatte336. Mit ihrem Vertreter Aubigny und Monteleón arbeite er eng zusammen337. 331 „On attend les réponses d’Espagne, et cet article se peut considérer présentement comme le seul qui retarde la paix entre cette couronne et les Provinces-Unies.“ Ludwig XIV. an Brancas, Fontainebleau, 24.9.1713, RDI Espagne II (Brancas), 236. Dieser Brief ist Teil der Instruktionen für Brancas, die sich aus vier aufeinander folgenden Briefen zusammensetzen: „Lettres servant d’instruction au Marquis de Brancas“, RDI Espagne II (Brancas), 232–243. 332 Vgl. Ludwig XIV. an Brancas, Fontainebleau, 19.10.1713, RDI Espagne II (Brancas), 242. In der British Library findet sich eine Abschrift des Abkommens der Generalstände mit dem Kurfürst von Bayern; darin wird die Princesse voor absolute en independente Souveraine van het voors (f. 275) erklärt: Extract uit het register derresolutien vande Ho. Ma. Heeren Staten Generael der Verenigde Nederlanden, Veneris, den 6 October 1713, BL Add. Ms. 31148, f. 274–276. 333 Der angebotene Ersatz sei aus verschiedenen Gründen nicht äquivalent zur versprochenen Grafschaft Limburg, hätten los que conocen al pais eingeschätzt. Vgl.: Informe, Madrid, 6.9.1713; AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 334 Vgl. Torcy an Monteleón, Marly, 12.11.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol., beigelegt in Monteleón an Grimaldo, Utrecht, 12.11.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol.; vgl. auch Châteauneuf an Monteleón, o.O., 16.11.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. Der Marquis de Châteauneuf war französischer Botschafter in Den Haag. 335 „Je ne veux point douter que les soins que ces ministres apporteront n’affermissent à cette occasion leur effet entier.“ Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 25.1.[V.S. 1712– 13], Bolingbroke III (Parke), 345. 336 So schrieb er bspw. im Januar 1713–14, dass er die Angelegenheit vor den council gebracht habe, und Count Stafford nun die Aufgabe habe, sie mit den Generalständen zu verhandeln. Es hinge nun nicht mehr von der englischen Königin Anne ab, die in jedem Fall die von ihr gegenüber dem spanischen König getroffenen engagements einhalten würde: Vgl. Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 14.1.1713–14, Bolingbroke III (Parke), 426–427. 337 Vgl. Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 8.5.1713, Bolingbroke IV (Parke), 91.
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Im Juni hatte die Princesse des Ursins dem Maréchal de Tessé noch berichten können, dass sie guter Dinge sei338. Doch als der Artikel zu ihrer souveraineté in der spanischen Fassung des Friedensvertrags schließlich nicht erwähnt wurde, musste Bolingbroke um ihre Geduld bitten: Man habe sich lediglich nicht auf die Begrifflichkeiten einigen können, lautete seine Erklärung. Königin Anne verwende sich für die Princesse, wichtig sei jetzt vor allem, dass die Vertreter Spaniens weiterhin in Abstimmung mit denen Großbritanniens handelten. Abschließend verwies er noch auf einen Handelsvertrag, welcher der Königin sehr am Herzen läge, und den der spanische König „im Gegenzug“ (en revanche) doch endlich unterzeichnen solle339: Hier wird deutlich, dass Bolingbroke die souveraineté als „Pfand“ einsetzte. Monteleón teilte er parallel wiederholt mit, dass die Königin alles für die Angelegenheit der Princesse täte, sich aber über das mangelnde Vertrauen der Princesse gewundert habe340. Gegenüber dem designierten Botschafter Spaniens in Frankreich schob er die Schuld den Niederländern in die Schuhe: Es sei nicht sehr galant, Schwierigkeiten zu machen, wenn es sich nur um die „Interessen einer Dame“ drehe341. Ganz gleich um welchen der Vertreter Philipps V. es sich handelt, allen gegenüber wurde die Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss der Angelegenheit aufrechterhalten. Es wurde schließlich deutlich, warum man von Seiten Englands einen erfolgreichen Abschluss der Angelegenheit der Princesse bewusst zurückgehalten hatte: Die Königin von England wollte etwas von Philipp V.342, und zwar seine Zustimmung zu dem erwähnten Handelsvertrag. Indem Bolingbroke der Princesse den guten Willen der Königin in einer Sache versicherte, die eigentlich impracticable sei, indem er all die auftretenden Probleme den Niederländern anlastete und dabei in jedem Brief abschließend auf den noch immer nicht unterzeichneten Handelsvertrag verwies, an dem sie 338 „Pour moi, j’ai tout lieu de l’être [contente, A.d.V.] de la manière dont il [Monteleón, A.d.V.] a conduit l’affaire de ma souveraineté, que j’éspère qui aura une heureuse fin.“ Madrid, 4.6.1713, Tessé (Masson), 47 f. 339 Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 5.7.1713, Bolingbroke IV (Parke), 185–188, Zitat 186. 340 Vgl. bspw. Bolingbroke an Monteleón, Whitehall, 12.7.1713, Bolingbroke IV (Parke), 189–191. 341 „Messieurs les ministres d’Hollande sont à la vérité très peu galants de former tant de difficultés dans une affaire qui ne regarde que les intérêts d’une dame. J’espère qu’ils reviendront de cette opiniâtreté, et montreront, à notre exemple, plus de politesse.“ Bolingbroke an Marqués de Montego, Whitehall, 14.7.1713, Bolingbroke IV (Parke), 196. 342 „[…] and the Queen depends on the Catholic King, […]“. Bolingbroke an Lord Lexington, Whitehall, 1.8.1713, Bolingbroke IV (Parke), 212–221.
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doch bitte „letzte Hand“ anlegen solle343, gab er ihr implizit zu verstehen: Eine Hand wäscht die andere. Bis ins Jahr 1714 stellte Bolingbroke der Princesse und den übrigen spanischen Vertretern den Erfolg der Angelegenheit, für die seine Königin eine Garantie gegeben hatte, in Aussicht344. Die Princesse des Ursins war für ihn einerseits seine Verhandlungspartnerin – auf die „Unfähigkeit“ der formal ernannten Vertreter der spanischen Krone verwies er ihr gegenüber immer wieder – und andererseits war die ihr versprochene Herrschaft sein Verhandlungs-„Joker“. Die souveraineté als Pfand Ludwigs XIV. Auch im Jahr 1714 blieb die Herrschaft der Princesse einer der Hauptgegenstände der Verhandlungen in Den Haag345. Ludwig XIV. hatte seinem Enkel stets signalisiert, sich dafür einzusetzen; doch auch er forderte jeweils eine Gegenleistung346. Beispielsweise nutzte er die affaire de souveraineté in den Verhandlungen um die Unterwerfung Barcelonas im Jahr 1714 als „Pfand“: 343 Siehe Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 2.8.1713, Bolingbroke IV (Parke), 221–226; und parallel: Bolingbroke an Lord Lexington, Whitehall, 1.8.1713, Bolingbroke IV (Parke), 212–221. 344 Im September gab er der Princesse zu verstehen, dass die Situation, in der Königin Anne ihre engagements getroffen habe, eine ganz andere gewesen sei als die jetzige, um ihr zu erklären, weshalb sie auf einigen Punkten beharre; noch immer stellte er ihr allerdings den Erfolg ihrer affaire in Aussicht: Vgl. Bolingbroke an Ursins, Whitehall, 16.9.1713, Bolingbroke IV (Parke), 279–282. Noch einmal versicherte er dem Marqués de Monteleón die Bemühungen der Königin im April 1714: Vgl. Bolingbroke an Monteleón, Whitehall, 27.4.1714, Bolingbroke IV (Parke), 519–522. 345 Zu Beginn des Jahres 1714 war die Angelegenheit in jedem Bericht Thema: Die Bevollmächtigten betonten ihre Bemühungen, aber auch die auftretenden Probleme: siehe bspw. Osuna an Grimaldo, Den Haag, 11./12.1.1714, AGS Estado Holanda 6177, n. fol.; im selben Bestand: Osuna und Monteleón an Grimaldo, Den Haag, 12.1.1714; Monteleón an Grimaldo, Den Haag, 9.4.1714; Monteleón an Bolingbroke, Den Haag, 26.4.1714 und 14.5.1714; De Laules an Grimaldo, Den Haag, 8.6.1714 und 2.7.1714; siehe auch in AGS Estado Holanda 6176 bspw. den Bericht über den unterzeichneten Friedensvertrag zwischen Prinz Eugen von Savoyen und Spanien: Monteleón an Grimaldo, Utrecht, 2.8.1714; Baron de Capres an Grimaldo, Baden, 15.8.1714; ders. an dens., Baden, 9.9.1714; Erläuterungen zur neuen Verhandlungsstrategie: Grimaldo an Osuna, Madrid, 3.12.1714. 346 Vgl. Ludwig XIV. an Philipp V., Fontainebleau, 20.7.1711, MAE M&D Espagne 126, f. 57; und immer noch: Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 13.11.1713, MAE M&D Espagne 126, f. 72.
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Die militärische Unterstützung, die er für Barcelona zugesagt hatte, werde er so lange zurückhalten, bis Philipp V. den Frieden mit den Niederlanden unterzeichnet habe, und zwar ohne Berücksichtigung der Garantie für die Princesse. Seine Verhandlungspartner gingen nämlich davon aus, so die Erläuterung Ludwigs XIV., dass Philipp V. auf das Wort seines Großvaters höre und würden daher seine Weigerung zum Anlass nehmen, dem französischen König zu misstrauen. Aufgrund der „Abkühlung der Freundschaft“347 zwischen Madrid und Versailles nach dem Friedensschluss zwischen Frankreich und Österreich wurde im April der Kardinal del Giudice als außerordentlicher Gesandter an den französischen Hof geschickt348. In seiner Audienz beim König ging es unter anderem auch um den Vorschlag des kaiserlichen Vertreters Eugen Franz, Prinz von Savoyen-Carignan, bekannt unter dem Namen Prinz Eugen349, einen Ausgleich zwischen der souveraineté der Princesse und der Wiederherstellung der Privilegien der Katalanen zu schaffen: Philipp V. sollte das eine, im Gegenzug sollte der Erzherzog Karl, nunmehr Kaiser Karl VI., das andere zugestehen350. Diese Frage stellte Inhaber und Prätendenten der spanischen Krone einander gegenüber. Für Philipp V. war Katalonien dabei das Symbol für den Aufstand des Volkes gegen die Nueva Planta, seine Reformbestrebun347 „Le Roi d’Espagne craignant quelque refroidissement dans l’amitié que le Roi lui a toujours témoigné a voulu s’en éclaircir par le moyen d’un homme honoré de la confiance de ce Prince […].“ Motifs du voyage de M. le Cardinal del Giudice, AGS Estado Francia, 4316, n. fol. 348 Vgl. die Instruktionen für den Kardinal del Giudice: Instrucción que ha de observar el Señor Cardenal del Giudice, en la commisión y encargo a que de orden del rey para su Em[inenci]a a la corte de Francia, Madrid, 2.4.1714, AGS Estado Francia, 4316, n. fol.; vgl. im selben Bestand sein Bericht nach der ersten Konferenz mit dem Marquis de Torcy: Giudice an Philipp V., Paris, 23.4.1714; Bericht über seine Audienz bei Ludwig XIV.: Motifs du voyage de M. le Cardinal del Giudice. In diesem Text, einer Art „Protokoll“ der Audienz, sind die plaintes du Roi d’Espagne den reponses du Roi gegenübergestellt. Die spanische Übersetzung: Resumen del papel que el Marqués de Torcy remitió al Cardenal Giudice con carta a Su M., Marly, 23.4.1714. Siehe auch: Philipp V. an Giudice, Pardo, 10.6.1714; Noticia de lo executado por el Cardenal del Giudice en Paris desde el día 16 de abril en que llegá hasta el 26. 349 Eugen Franz, Prinz von Savoyen-Carignan (* 1663, † 1738): im Spanischen Erbfolgekrieg von 1700 an Oberbefehlshaber in Italien; 1703 Generalleutnant, d.h. Oberkommando der kaiserlichen Armee; 1707 Rechsfeldmarschal und Generalgouverneur von Mailand; 1712 kaiserlicher Gesandter bei der englischen Königin Anne. 350 „Enfin le P[rin]ce Eugène offrit de la mettre dans la même balance avec la restitution des privilèges de la Catalogne, proposant d’accorder l’un, si le Roi d’Espagne voulait consentir à l’autre […].“ Motifs du voyage de M. le Cardinal del Giudice, AGS Estado Francia, 4316, n. fol.
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gen, die Monarchie nach „kastilischem“ Vorbild zu einen; für Karl VI. war die Region „sein“ spanisches Volk, hatte er doch fünf Jahre in Barcelona verbracht und den Katalanen viele ihrer alten Privilegien zurückgegeben. Je mehr Philipp V. die Bedeutung erkennen ließ, die diese Frage für ihn hatte, umso deutlicher sei die Ablehnung des Kaisers zu spüren, so der Bericht Giudices. Der Kardinal verwies auch darauf, dass Ludwig XIV. nun auf jeden Fall die „Ruhe des Volkes“ (le repos du peuple) diesem speziellen Anliegen des spanischen Königs voranstellen würde und daher den Artikel der souveraineté aus dem Friedensvertrag habe nehmen lassen. Hielte Philipp V. an dieser Bedingung fest, könne der französische König sein Versprechen gegenüber den Niederlanden nicht einhalten – eine Frage der Ehre. Daher müsse er seine Unterstützung bei der Belagerung Barcelonas zurückziehen, damit die Verzögerungen des Friedensschlusses nicht wie ein gemeinsames Projekt des spanischen und des französischen Königs, womöglich sogar wie ein „geheimes Komplott“ (complot secret) mit England, aussähen. Philipp V. solle sich keine falschen Hoffnungen machen, heißt es weiter in dem Bericht, England würde für diese souveraineté auf keinen Fall einen Krieg gegen den Kaiser beginnen351. Am 17. Mai 1714 unterzeichnete Philipp V. schließlich den Verzicht auf die spanischen Niederlande352. Erst dann schickte Ludwig XIV. seine Truppen nach Barcelona353. Eine Woche später ließ der spanische König von Grimaldo ein formales Schreiben an seine Bevollmächtigten in den Niederlanden verfassen, in dem er ihre Verhandlungsgrundlage änderte: Von jetzt an sei die bisher unverzichtbare Garantie einer unabhängigen Herrschaft für die Princesse verhandelbar: der König verzichte auf die Bedingung, „von der er niemals geglaubt hat, absehen zu können“, und das aus zwei Gründen: zum einen, um sein Volk zu entlasten, zum anderen, um das rebellische Barcelona nun endlich niederschlagen zu können354. Der Plan Ludwigs XIV. war aufgegangen. Gegenüber England hatte der französische König noch im Jahr 1712 versucht, die Bedeutung dieser Frage herabzuspielen. Der Entwurf für den von französischer Seite verhandelten Vertrag zwischen England und Spanien, der „General Plan for Peace. Pour la Grande Bretagne“, listet nebeneinander die Vorschläge und Zugeständnisse Frankreichs, die Kommentare der Alliierten, 351 Vgl. AGS Estado Francia, 4316, n. fol. 352 Philipp V. an Ludwig XIV., o.O., 17.5.1714, MAE CP Espagne 230, f. 26. 353 Vgl. Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 9.4.1714, 2460, n. fol. und MAE M&D Espagne 126, f. 74; Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 4.6.1714, MAE M&D Espagne 126, f. 77. 354 Vgl.: Ordre du roi, à l’attention à ses plénipot[entiaires] à Utrecht pour signer la paix avec la Hollande sans faire mention de la Princesse des Ursins, o.O., 23.5.1714, BL Add. Ms. 31149, f. 44.
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sowie den erneuten Antworten des französischen Königs auf. Die Entgegnung auf die Forderung der Alliierten, die Klausel der souveraineté zu streichen, lautet, dass die Angelegenheit der Princesse „in Nichts die öffentlichen Angelegenheiten (affaires publiques) beträfe“355. Man versuchte also, ihre Bedeutung herabzuspielen, indem man sie als die Angelegenheit einer einzelnen Person darstellte. Dazu wurde ein Gegensatz zwischen „öffentlichen“ Angelegenheiten (publiques) und den Angelegenheiten einer Einzelperson konstruiert. Gegenüber seinem Botschafter hingegen bezeichnete Ludwig XIV. die Angelegenheit als das einzige unüberwindbare Hindernis für den Frieden zwischen Spanien und den Niederlanden356. Welche Bedeutung dieser Artikel für Philipp V. erlangt hatte, darauf weisen die Formulierungen der spanischen Akteure hin. Sie nannten die souveraineté als zweiten Verhandlungsgegenstand direkt nach dem Friedensschluss. Sie solle eine „Bedingung des Friedens von Utrecht“ sein, auch wenn die Gefahr bestünde, so der Marqués de Monteleón, „die Freundschaft mit der Königin von England gegenüber dem König, meinem Herrn, platzen zu lassen“357. Noch im Juni 1714 bekam der Marqués Anweisungen, wie er im Friedensvertrag von Baden möglicherweise noch Änderungen im Vergleich zur Version von Utrecht anbringen könnte358. Für Philipp V. war die Sache zum „Ehren-
355 Unter dem Absatz „Pour les États Généraux“ ist zu lesen: „(2) La barrière sera formée des Pays-Bas Espagnols, tels que les alliés, les occupent aujourd’hui, auxquels on ajoutera Luxembourg, en réservant la principauté de trente mille écus de rente, donné par le Roi d’Espagne à Madame la Princesse des Ursins […].“ Die Bemerkung der Engländer und Alliierten: „[O]n refuse de convenir de la principauté accordée ou réservée à la Princesse des Ursins […].“ Die Bemerkung Ludwigs XIV. dazu: „Comme la reservée par la Princesse des Ursins, n’intéresse en rien les affaires publiques, le Roi souhaite que la difficulté sur cet article puisse être levée.“ General Plan for Peace. Pour la Grande-Bretagne, zitiert in: Bolingbroke II (Clarke), 286–299, hier 297–299. 356 „Cet article seul forme présentement un obstacle invincible à la paix entre le Roi d’Espagne et la République de Hollande.“ Ludwig XIV. an Brancas, Versailles, 19.10.1713, MAE CP Espagne 226, f. 188. 357 „Que lad[ite] souveraineté ne soit établie comme une condition de la paix d’Utrecht […] de faire éclater l’amitié de la Reine [d’Angleterre, A.d.V.] envers le Roi mon maître.“ Monteleón an Bolingbroke, Den Haag, 26.4.1714, AGS Estado Holanda 6177, n. fol. 358 Vgl. Copia del papel escrito por el Cardenal del Giudice, Mi[ni]s[tre] Principe de Chelamar, Baron de Capres, y Monsieur Aubigny sobre la dependencía de Madama la Princesa de los Ursinos el cual se le remitió al Marqués de Monteleón en 21 de junio 1714 para su inteligencía, AGS Estado Francia 4316, n. fol.
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pfand“ (empeño de honor)359 und zum Symbol seiner Unabhängigkeit geworden. Erst nach der Androhung seines Großvaters, ihn bei der Niederschlagung des aufständischen Barcelona nicht zu unterstützen, war er bereit, von der Garantie durch die Niederlande abzusehen, nicht ohne zu betonen, dass es seiner Ehre (honneur) und seinem Ruhm (gloire)360 entgegenstünde; und erst nach der disgrâce der Princesse war er bereit, ganz auf diese Bedingung zu verzichten. Was aber bedeutete dieses problematische Geschenk des spanischen Königspaars der Princesse selbst? Ihre Biographin Cermakian verweist zu Recht auf einen Umstand, den bereits Madame de Maintenon erkannt hatte361: Die Position der Princesse in Madrid basierte auf ihrem Hofamt als Kammerdame der Königin. Sollte diese irgendwann einer ihrer schweren Krankheiten erliegen, bräche ihre wichtigste Stütze am Hof weg. Feinde hatte die Princesse im spanischen Hochadel genug. In Paris hatte sie mit dem Haus Orléans ebenfalls einen Gegner, in Rom lastete man ihr den Abbruch der spanisch-römischen Beziehungen an, so dass der Wunsch nach räumlicher und finanzieller Unabhängigkeit nicht zuletzt auch angesichts ihres hohen Alters nur allzu plausibel erscheint362. Auch ihre problematische finanzielle Lage363 und die Erfahrung der konfliktreichen Doppelloyalität der vergangenen Jahre lassen den Wunsch nach einer Lebensweise, die dem klassischen Ideal des Adels entspricht, als logische Folge erscheinen. Der Umstand, dass die Princesse in diesen Monaten zum ersten Mal eine auffällige Familienpatronage betrieb364, weist in dieselbe Richtung: Die Princesse wollte sich absichern. 359 „[P]ero Su Eminencia [el Cardenal del Giudice, A.d.V.] le había declarado que la dependencia de la soberanía de mi S[eño]ra la Princessa era un empeño de honor del rey de España, y que debía el Marqués de Torcy dar cuenta a S[u] M[ajestad] [Cristianíssi] ma a cuya primera audiencia sería S[u] Em[inenci]a.“ Monteleón an Grimaldo, Den Haag, 26.4.1714, AGS Estado Holanda 6177, n. fol. 360 Vgl. Philipp V. an Ludwig XIV., o.O. 17.5.1714, MAE CP Espagne 230, f. 26. 361 Vgl. Maintenon an Ursins, Marly, 9.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 230. 362 Vgl. Cermakian, La Princesse, 444. 363 Auf sie hatte die Princesse gegenüber Torcy und Madame de Maintenon immer wieder hingewiesen; vgl. bspw.: Ursins an Torcy, Corella, 14.7.1711, Ursins V (La Trémoille), 203; Ursins an Maintenon, o.O., wohl Mitte Januar 1710, Correspondance (Loyau), 366 f.; Ursins an Maintenon, o.O., 24.2.1710, BL Add. Ms. 20919, f. 278. 364 Sie holte ihre Nichte, die Princesse de Lanti, aus Rom als Hofdame der Königin nach Madrid und verheiratete sie mit dem Duc d’Havré: Ursins an Princesse de Condé, Zaragoza, 30.3.1714, ACh Tome III, f. 38. Deren Bruder, Alexandre de Lanti, erhielt einen Posten als garde im corps Italien und wurde mit einer Spanierin aus wohlhabender Familie verheiratet; ihr Neffe, der Prince de Chalais hatte bereits 1711 einen
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Auch die Princesse selbst kämpfte an allen „schriftlichen Fronten“ für ihr Anliegen. Ihren langjährigen Sekretär Aubigny hatte sie mit der Verhandlung ihrer affaire 1710 in Versailles und erneut 1713 in Paris und Utrecht beauftragt365. Gelegentlich fungierte er auch als Bote zwischen der Princesse und dem spanischen Bevollmächtigten Osuna366, mit dem die Princesse aber auch selbst in regem Austausch stand367. Gegenüber Osuna formulierte sie zwar unmissverständlich die Dringlichkeit der Angelegenheit, betonte zugleich jedoch stets, dass es ihr nur um die Erfüllung des königlichen Willens ginge368. Auch mit dem Gesandten des Kurfürsten von Bayern korrespondierte sie diesbezüglich369. Als der britische Gesandte Lord Lexington in Madrid weilte, verhandelte sie über seine Person mit London370. Für die Schlussverhandlungen in Baden gab sie dem Prince de Cellamare den Auftrag, er solle „ihre Angelegenheit in Baden zum Erfolg führen“371.
Posten in der Compagnie des Duc de Bournonville erhalten; im Jahr 1714 kam ihm die Ehre zuteil, die zweite Hochzeit Philipps V. in Versailles anzukündigen, wofür er die grandeza erhielt, die jedoch in Frankreich nie anerkannt wurde. Ein Heiratsprojekt für ihn sollte an der disgrâce der Princesse am Jahreswechsel 1714/15 scheitern. Vgl. Désos, L’ entourage, 517. 365 Vgl. das mémoire von Aubigny vom 22.7.1713 über den Stand der Verhandlung mit den Generalstaaten, beschrieben in Ursins (Geffroy), Appendice, 479 f. 366 Vgl. bspw. Ursins an Osuna, Madrid, 24.4.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 367 Siehe die Autographe der Princesse an Osuna, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. Abgesehen von der Angelegenheit ihrer souveraineté wurden Informationen zu den nouvelles de la cour (Versailles und Madrid) ausgetauscht. Sie gab ihm keine direkten Anweisungen, äußerte nur ihre „Hoffnungen“ und verfolgte vielmehr das Ziel, sich selbst und ihre Angelegenheiten regelmäßig in Erinnerung zu rufen. Dabei betont sie immer wieder, wie dankbar sie ihm sei (und erhöhte so den Druck): vgl. bspw. Ursins an Osuna, Madrid, 4.7.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 368 Siehe bspw.: „Sa M[ajes]té, Monsieur, vous fait savoir par un long mémoire ses intentions sur l’affaire de ma souveraineté. Comme je n’ai qu’à me soumettre respectueusement à ses ordres, je n’aurai point l’honneur d’en entretenir V[otre] E[xcellence].“ Ursins an Osuna, Madrid, 6.9.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol; ähnlich: Ursins an Osuna, Madrid, 4.7.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 369 Es handelt sich um Graf Albrecht; siehe eine Bemerkung in: Ursins an Osuna, Madrid, 2.9.1713, AGS Estado Francia-Otro, 8121, n. fol. 370 Zu schließen aus: Ursins an Maintenon, Madrid, 19.8.1713, Ursins (Léopold-Collin), 202–207 und Ursins (Geffroy), 202–206. Diese Briefe sind nicht in im Bestand der BL, der für das Jahr 1713 nur Briefe der Maintenon beinhaltet. 371 Réussir mon affaire à Bade: Ursins an Cellamare, Pardo, 13.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 266–267.
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Um das Ohr Ludwigs XIV. zu erreichen, wählte sie nicht den Weg über Madame de Maintenon, sondern über Villeroy372, Tessé373 und Torcy. Sie habe schon lange keine Briefe mehr von ihm bekommen und sorge sich um ihre Freundschaft, schrieb sie letzterem im Juli 1714. Eine Erneuerung ihrer Verbindung sei indes für den Dienst der beiden Herrscher und die Einheit der beiden Kronen von Nutzen. Torcy gegenüber erlaubte sie sich auch Kritik am Engagement des spanischen Königs374. Im Anschluss an eine wahre Lobeshymne des Ministers375 kam sie schließlich auf ihre Bitte zu sprechen, sich für die Angelegenheit ihrer souveraineté einzusetzen376. Die Rolle der Madame de Maintenon Und der zuverlässigste Zugang zum französischen König, die mächtige Maklerin der königlichen Patronage, die sämtliche auswärtige Gesandte zu empfangen pflegte? Madame de Maintenon taucht in den Briefen rund um das Thema Friedensverhandlungen auffallend selten auf. Die spanischen Akteure am französischen Hof erwähnen sie fast nie377. Dies hat vermutlich auch damit zu tun, dass Maintenon selbst darauf bedacht war, sich in der Wirkung „nach außen“ aus den Verhandlungen herauszuhalten. Ein gutes Beispiel hierfür ist ihr Kommentar zum ersten Besuch Aubignys in Versailles im Jahr 1710. Vermutlich hatte er wegen der souveraineté der Princesse eine Audienz bei Madame 372 Vgl. Ursins an Villeroy, Zaragoza, 24.2.1711, Ursins (Léopold-Collin), 124.; oder: Ursins an Villeroy, Corella, 5.8.1711, Ursins (Léopold-Collin), 128. 373 Im Juni 1713 war sie noch guter Hoffnung: Ursins an Tessé, Madrid, 4.6.1713, Ursins (Masson), 47 f. Im November 1714 machte sie ihrem Ärger Luft: Sie habe nicht berichtigen können, was man verdorben habe: Ursins an Tessé, Madrid, 3.11.1714, Ursins (Masson), 168. 374 Wenn der König tatsächlich nicht von seinem Engagement für die im Vertrag von Utrecht festgelegte Bedingung absehen würde, wie er ihr versichert habe, so wäre es doch wünschenswert gewesen, dass er gegenüber den Holländern eine solche Erklärung abgegeben hätte, bevor Philipp V. den Frieden mit ihnen geschlossen hatte: Ursins an Torcy, o.O., 12.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 253. 375 Vgl. Ursins an Torcy, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 249. 376 Vgl. Ursins an Torcy, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 250. 377 Lediglich der Kardinal del Giudice erwähnte sie zwei Mal: Einmal, als er ihr den Brief Philipps V. übergab und erläuterte, und ein weiteres Mal bei der Beschreibung einer Audienz, bei der sie angeblich diejenigen, die den „allgemeinen Frieden“ wünschten, unterstützte. Siehe: Noticia de lo executado por el Cardenal del Giudice en Paris desde el día 16 e abril en que llegá hasta el 26, AGS Estado Francia, 4316, n. fol.
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de Maintenon erbeten. Betont unbedarft berichtete sie von der Unterhaltung, bei der sie „nichts Neues“ besprochen hätten, da sie ja ohnehin nicht fähig sei, über die affaires zu sprechen. Was als gemeinsame matière angemessen gewesen sei, seien Nachrichten über die Königin, den Principe de Asturias und die Beschäftigungen der Princesse. Der darauf folgende Hinweis auf die bald folgenden Audienzen Aubignys bei Torcy und dem König können als Hinweis darauf gelesen werden, wo die affaires zu besprechen waren378. Unbeeindruckt von diesen Signalen nutzte das spanische Königspaar den Kanal über Madame de Maintenon. Philipp V. bat sie – wie immer, wenn eine Sache besonders wichtig war – um ihre Unterstützung beim König379. Und als im März 1714 die Bemühungen von Seiten Madrids noch einmal verstärkt wurden und Kardinal del Giudice persönlich nach Versailles geschickt wurde380, ließ ihn der König seine Briefe an Maintenon übergeben und erläutern381. Königin Maria Luisa wandte sich sowohl direkt an Ludwig XIV. als auch an Madame de Maintenon. Am 4. Juli 1711 erklärte sie ihr in unmissverständlicher Weise, dass sie und die Duchesse de Bourgogne sich dafür einsetzen müssten, schließlich hinge der Erfolg ja vom französischen König ab, auf den die beiden Frauen den größten Einfluss hätten. Sie argumentierte mit dem Ruhm Philipps V., und dass es „schändlich“ wäre, wenn er sein Wort nicht halten könne. Zusätzlich zählte sie die Verdienste ihrer camarera ma-
378 „J’ai vu et entretenu M. d’Aubigny, mais il me semble que nous n’avons rien eu à nous dire de nouveau, je ne suis point capable de parler d’affaires. Il ne me paraît pas qu’il y ait rien de secret dans celles qui nous occupent présentement. Nous avons un peu disputé sur l’argent; mais je me suis rendue bientôt, ces matières passant beaucoup ma capacité. J’ai eu grand plaisir de l’entendre parler de la Reine et de M. le Prince des Asturies et de vous. Il m’a conté le détail de vos journées qui ne sont pas remplies de beaucoup de plaisirs. M. d’Aubigny doit voir M. de Torcy aujourd’hui ou demain, et je crois qu’ensuite, il verra le roi.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 20.12.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 18. 379 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 21.3.1714, MAE M&D Espagne 99, f. 49. 380 Siehe: Noticia de lo executado por el Cardenal del Giudice en Paris desde el día 16 de abril en que llegá hasta el 26, AGS Estado Francia, 4316, n. fol., und: „Esa es la situación, que sobre el referido asumpto, encontré, quando llegué a Paris, y de lo cual S[u] M[ajestad] [Cristianíssi]ma había antecedentemente informado a S[u] M[ajestad] y se me confirmó por S[u] M[ajestad], en voz, […]. y no me ha sido posible de lograr, que a lo menos se moderase con algun expediente, oponiéndoseme (a la reserva del Marqués de Torcy) el dictamen contrario, apoyado de Madama de Maintenon, y de los que solicitan la paz general.“ Giudice an Philipp V., Paris, 26.5.1714, AGS Estado Francia, 4316, n. fol. 381 Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 29.3.1714, MAE M&D Espagne 99, f. 51.
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yor noch einmal in epischer Länge auf382. In diesem Fall kann eine direkte Wirkung der Bitten rekonstruiert werden: Ludwig XIV. versicherte Philipp V. drei Wochen später, dass er den Kurfürsten von Bayern über die erwünschte Gebietsabtretung in Kenntnis gesetzt habe383. Madame de Maintenon äußerte sich jedoch nicht selbst zu diesem Thema. In der Korrespondenz zwischen Ursins und Maintenon wurde die Angelegenheit erst sehr spät offen thematisiert – dann erst, als es klar war, dass sie scheitern würde. Zwar hatte Madame de Maintenon der Princesse noch im Mai 1713 zu ihrer souveraineté gratuliert, mit dem beiläufigen Vorwurf, dass die Princesse ihr niemals ein Wort darüber gesagt habe384. Als die souveraineté sich dann zum Bremsklotz der gesamten Verhandlungen entwickelte, wurden aus den Glückwünschen heftige Vorwürfe. Zugleich gab Madame de Maintenon an, von nun an keine auswärtigen Akteure mehr zu empfangen, auch nicht die, die im Auftrag der Princesse kämen. Die verweigerte Patronage in diesem Anliegen korreliert mit der generellen Tendenz des Briefwechsels: Die beiden Frauen entfernten sich, parallel zu den beiden Höfen, immer weiter voneinander. Maintenons Briefe zeigen, wie sie sich allmählich aus der Pflicht dieses commerce herauszunehmen versuchte, ihren Einfluss auf die Princesse jedoch noch nicht ganz aufgeben wollte. Von der Princesse sind aus dem Jahr 1713 im Bestand der British Library keine Briefe enthalten. Die zwei Exemplare, die in der Ausgabe von LeopoldCollin zitiert werden, lassen vermuten, dass die Princesse versuchte, über ihre Briefpartnerin an zuverlässige Informationen über die Stimmung am französischen Hof bezüglich ihrer souveraineté zu gelangen. So schrieb sie, dass Lexington ihr berichtet habe, dass man in London davon ausgehe, sie habe die Unterzeichnung des Handelsvertrages hinausgezögert. Sie bat ihre Patronin um den „Freundschaftsbeweis“, ihr ehrlich darüber zu berichten385.
382 Vgl. Maria Luisa an Maintenon, Madrid, 4.7.1711, MAE M&D Espagne 128, f. 273– 275. 383 Ludwig XIV. an Philipp V., Fontainebleau, 20.7.1711, MAE M&D Espagne 126, f. 55. Er versicherte seinen Einsatz für die affaire trotz der auftretenden Schwierigkeiten erneut im November: Ludwig XIV. an Philipp V., Marly, 13.11.1711, MAE M&D Espagne 126, f. 66. 384 „Comme vous ne m’avez jamais dit un mot de votre souveraineté, Madame, je n’avais encore osé vous en faire mon très sincère et très respectueux compliment, j’en suis ravie; […].“ Maintenon an Ursins, Marly, 12.5.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 162. 385 Vgl. Ursins an Maintenon, Madrid, 19.8.1713, Ursins (Léopold-Collin), 202–207 und Ursins (Geffroy), 202–206. Diese Briefe sind nicht in im Bestand der BL, der für das Jahr 1713 nur Briefe der Maintenon beinhaltet.
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Mit Staunen und Bestürzung reagierte Madame de Maintenon dann aber, als man in Madrid den von den Engländern angebotenen Ersatz im Herbst 1713 zunächst kategorisch ablehnte: Die Princesse solle um Gottes willen all das, was sie verdorben habe, wieder in Ordnung bringen386. Im Januar 1714 schlug sie dann warnende Töne an: Die souveraineté der Princesse verursache mehr denn je Schwierigkeiten387. Im März drückte sie ihre Freude darüber aus, dass der Friedensvertrag – hier war der Friede von Rastatt gemeint – nun endlich unterzeichnet sei und sie in Zukunft nicht mehr hören müsse, dass die Interessen der Princesse das einzige Hindernis darstellten388. Nun, da die Sache offensichtlich entschieden war, konnte sie sogar die Absicht der Princesse, sich abzusichern, als „nicht unvernünftig“ bewerten389. Maintenons Brief vom 16. April 1714 kann man schließlich als „Aufkündigung“ ihrer Patronage lesen. Sie könne über die Kabale gegen Ursins nichts sagen, außer: „Ich bin Ihnen zu sehr verbunden, um Ihnen nicht zu sagen, dass es schwierig ist, Sie für das, was momentan in Spanien geschieht, zu rechtfertigen: Monsieur Bergeyck entfernt, Monsieur de Brancas in Ungnade gefallen, Monsieur de Berwick zurückgewiesen, Orry an der Spitze aller affaires, wenige Spanier im conseil, viele der wichtigsten Posten nicht besetzt, die Form der Regierung völlig verändert, der König von allem ferngehalten: Dies alles, Madame, ist es, womit man sich an unserem Hof momentan mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen beschäftigt. Der Maréchal de Villeroy und ich hören es mit Schmerz.“390
386 „Dieu veuille que vous raccommodiez tout ce que vous avez gâté. Il m’est impossible de vous parler d’autre chose.“ Maintenon an Ursins, Marly, 20.11.1713, BL Add. Ms. 20920, f. 199. 387 Maintenon an Ursins, o.O., am Neujahrstag 1714, BL Add. Ms. 20920, f. 203. 388 „Nous reçûmes hier au soir, M[adam]e, par M. de Contades le traité de paix bien signé en bonne forme et dont le Roi est content; ce qui redouble la joie qu’on en a. La mienne serait grande si vous aviez la paix avec la Hollande, et que je n’entendisse plus dire que c’est votre seul intérêt qui l’empêche.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 12.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 212. 389 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 19.3.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 214. 390 „Vous êtes blessée d’une cabale qui n’est pas telle que vous croyiez; mais, M[adam]e, il n’est pas possible de s’expliquer librement sur tout cela; c’est pourquoi il vaut mieux n’en point parler. Je vous suis trop attachée pour ne vous pas dire qu’il est difficile de vous justifier sur ce qui se passe présentement en Espagne: M. de Bergeyck éloigné, M. de Brancas disgracié, M. de Berwick refusé, Orry à la tête de toutes les affaires, peu d’Espagnols dans le conseil, beaucoup de charges principales point remplies, la forme du gouvernement absolument changée, le Roi très renfermé: tout cela, M[ada] me, est ce qui occupe présentement notre cour avec des sentiments très différents. M. le
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Der offene Konflikt unter den französischen Akteuren hatte Philipp V. dazu gebracht, Bergeyck, Brancas und Berwick des Hofes zu verweisen. Die Zurückweisung des französischen Botschafters und seines Favoriten Bergeyck hatte Ludwig XIV. verstimmt391; vor diesem Hintergrund konnte Madame de Maintenon die Princesse zumindest nicht mehr offen unterstützen. Auffallend ist auch die Schlussformel des Briefes: Sie würde ihre grand personnage häufig bemitleiden392. Ohne konkret zu werden, machte Maintenon ihr damit deutlich, dass aus ihrer Sicht die Lage der Princesse bemitleidenswert sei. Gleichzeitig bot sie sich weiterhin als zuverlässige Informantin an: „Ich kenne sicherlich die kleinen Intrigen nicht, aber ich weiß Bescheid über die wichtigen Dinge.“393 Die Grenzen der Korrespondenz Spätestens von diesem Zeitpunkt an war die sich abzeichnende Trennung der Interessen beider Höfe auch in der Korrespondenz der beiden Frauen offengelegt. Madame de Maintenon verkündete, sich von nun an in keine einzige Angelegenheit mehr einzumischen. Sie wundere sich, weshalb die Princesse wolle, dass sie ihr weiterhin schreibe – „obwohl sie nicht über die ernsten Dinge (affaires sérieuses) sprechen könnten“394. In ihrem Brief eine Woche später ließ sie sich eines der wenigen Male in jenen Monaten auf eine inhaltliche Argumentation ein: Die Princesse räsoniere auf falscher Basis, wenn sie glaube, dass Frankreich imstande sei, den Kaiser zu bezwingen, so dass am Ende jener um Frieden bitten müsse: „Sie glauben mir nicht; aber ich sage ihnen die Ma[récha]l de Villeroy et moi l’entendons avec douleur.“ Maintenon an Ursins, Marly, 16.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 219. 391 Vgl. Torcy an Brancas, Versailles, 14.2.1714, MAE CP Espagne 228, f. 117. 392 „J’ai toujours crû, M[adam]e, que vous n’étiez pas trop bien dans vos affaires; ce que l’on a souvent regardé en moi comme un effet de la simplicité qu’on me reproche en tout. Mais je n’ai jamais vu que vous fussiez occupée de vos intérêts. […] Il faut donc se réduire à vous assurer que je m’intéresse toujours à ce qui vous touche, et que votre grande personnage ne m’empêche pas de vous plaindre souvent.“ Maintenon an Ursins, Marly, 16.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 219; ähnliche Argumentation in: Maintenon an Ursins, Marly, 2.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 222–224. 393 „J’ignore assurément beaucoup de petites intrigues, mais je n’ignore pas les choses principales.“ Maintenon an Ursins, Marly, 29.4.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 221–222. 394 „Vous voulez donc que je vous écrive toujours, et pourquoi, M[adam]e, le voulez-vous ne pouvant parler des affaires sérieuses et n’ayant pas le courage de vous mander les simples nouvelles, car pour les traits de gaieté je n’en suis pas capable […].“ Maintenon an Ursins, Marly, 2.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 224.
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Wahrheit.“395 Sie wisse nun, was die Belagerung Barcelonas verzögere; damit spielte sie auf die souveraineté der Princesse an. Doch auch hier folgte ein klares Signal, dass sie ihr nicht helfen würde: Ludwig XIV. wünsche zwar ebenfalls die Unterwerfung der Katalanen, habe sich aber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Philipp V. den Vertrag mit den Generalstaaten unterschreibe: „Sie sehen, Madame, wo wir momentan stehen.“396 Darauf folgte der übliche Rückzug: Sie würde Kardinal del Guidice nicht empfangen und auch nichts mehr darüber schreiben, da die Princesse das, was sie sage, ohnehin nicht ernst nehme. Sie würde daher von nun an nur noch über „Einzelpersonen“ (particuliers)397 schreiben. Doch weit gefehlt: In ihren folgenden Briefen versuchte Madame de Maintenon noch einmal, für die Unterzeichnung des Vertrags mit den Niederlanden zu argumentieren und klagte, dass sie es einfach nicht schaffe, sich aus den affaires herauszuhalten. Sie könne es nicht mehr hören, dass alle Welt sage, dass es nur das Interesse der Princesse sei, das die Unterzeichnung verhindere398. Dass Maintenons Patronage für die Princesse beendet war, zeigt sich auch in der Tatsache, dass sie ihren Neffen Chalais nicht persönlich empfing399, sondern sich seinen Brief über Madame de Caylus zustellen ließ400. Man müsse sorgfältig die Personen vermeiden, die in die affaires verwickelt seien, um sich nicht selbst zu schaden, lautete ihre Begründung. Hier formulierte Madame de Maintenon klare Regeln: „Sie wollen nicht hören, dass man es hier nicht will,
395 „Vous ne me croirez pas; mais je vous dis pourtant la vérité.“ Maintenon an Ursins, Marly, 14.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 226. 396 „Voilà, M[ada]me, où nous en sommes présentement.“ Maintenon an Ursins, Marly, 14.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 226. 397 „Vous ne me nommez pas le nom des ministres que vous avez ici. Je ne vous parle que des particuliers.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 20.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 227. 398 Vgl. Maintenon an Ursins, Versailles, 28.5.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 228. 399 Der Prince de Chalais, Neffe der Princesse des Ursins, sollte die Frage nach der zweiten Ehefrau für Philipp V. klären; zur Debatte standen die Tochter des Königs von Portugal, die Tochter der Königin von Polen oder die Nichte des Herzogs von Parma. In einer Art lettre de créance, die er von Philipp V. erhielt, heißt es, dass seine Mission dans la dernière réserve bleiben solle. Madame de Maintenon bat Philipp V. parallel, den Prince zu empfangen, seinen Verhandlungsauftrag jedoch geheim zu halten. Vgl. Philipp V. an Maintenon, Madrid, 11.4.1714, MAE M&D Espagne 99, f. 53. 400 Ihr Begründung ist aufschlussreich: „[ J]’aurais reçu la sienne bien volontiers [la visite, A.d.V.], M[adam]e, si j’étais maîtresse de ma conduite. Mais il faut éviter ici avec soin tout ceux qui sont dans les affaires, tant pour ne leur pas nuire que pour ne se pas nuire à soi même.“ Maintenon an Ursins, o.O., 9.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 230.
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dass sich irgendjemand in die affaires einmischt, außer die Minister,...“401. Und ein paar Wochen später wurde sie noch deutlicher: „[A]ber noch einmal: Man will es hier nicht, dass Frauen sich mit den affaires beschäftigen, und ich bin überhaupt nicht verärgert darüber, dass sie mir verboten sind; denn abgesehen davon, dass ich sie nicht mag, würde ich sicherlich Unvorsichtigkeiten begehen, ohne all die zu zählen, die man mir anlastet.“402
Doch die Princesse ließ sich nicht mehr auf die Rhetorik ihrer Briefpartnerin ein: Sie glaube ihr nicht, dass Maintenon nicht „Herrin Ihres Verhaltens“ sei, es sei lediglich „ein Vorwand, um die Leute nicht zu treffen, wenn Sie keine Lust dazu haben.“ Sie selbst dagegen wolle den Briefwechsel fortführen, und zwar gerade wegen der Kontroversen zwischen ihnen beiden, ohne die er fad wäre. „Sie sind zu gut informiert, Madame, über die großen affaires, um nicht alles, was bezüglich meiner souveraineté passiert ist, zu kennen; daher wäre es nutzlos, Ihnen alles noch einmal zu wiederholen, […].“403 Im Gegensatz zu Maintenon schrieb die Princesse in jenen Monaten besonders lange und detaillierte Briefe, was ebenfalls auf ihre untergeordnete Position hindeutet. Madame de Maintenon widersprach ihr vehement: Sie sei tatsächlich nicht Herrin über ihr Verhalten, was die affaires beträfe. Darauf folgt die höchste Stufe an Selbstbeschränkung in all ihren Briefen: „Ich sehe fast nichts mehr, ich höre noch schlechter. Man versteht mich nicht mehr, da ich die Aussprache mit den Zähnen verloren habe, allmählich verlässt mich mein Gedächtnis, ich erinnere mich nicht mehr an Eigennamen; ich bringe alle
401 „Vous ne voulez pas entendre qu’on ne veut point ici que qui que ce soit entre dans les affaires excepté les ministres, […].“ Maintenon an Ursins, o.O., 9.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 231. 402 „[M]ais encore une fois on ne veut point ici que les femmes entrent dans les affaires, et je ne suis point fâchée qu’elles me soient interdites; car outre que je ne les aime pas, j’y ferais certainement des imprudences, sans compter toutes celles qu’on m’imputerait.“ Maintenon an Ursins, Marly, 1.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 237. 403 „Je ne puis m’accoutumer, M[adam]e, à ce que vous voulez que je crois que vous n’êtes pas maîtresse de votre conduite, et je serais plus disposée à croire qu’aimant autant que vous faites à vivre retirée, vous vous servez de ce prétexte pour ne pas voir le gens quand il vous plait. […] notre commerce deviendrait fade s’il n’était mêlé de tout ce qui nous passe par la tête de différent, […]. Vous êtes trop bien informée, M[adam]e, des grandes affaires pour ignorer tout ce qui s’est passé sur celle de ma souveraineté; ainsi il serait inutile de vous répéter tout ce qui s’est fait, […].“ Ursins an Maintenon, o.O., 24.6.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 239–241.
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Daten durcheinander und meinem Alter entsprechend bringt mich unser Unglück zum Weinen wie all die Alten, die Sie gesehen haben.“404
Geballt erscheinen in diesem Brief die Redeweisen, mit denen sich Madame de Maintenon üblicherweise aus der Verantwortung zog: das Problem, sich nicht alles schreiben zu können und die Nutzlosigkeit der Diskussionen, der Verweis auf die Kompetenz der Minister, die Grenzen weiblicher Handlungsräume und die eigene angebliche Unfähigkeit, die sie bisweilen, aber nicht immer geschlechterspezifisch begründete. Madame de Maintenon führte die Korrespondenz jedoch fort – unter der Prämisse, nur noch über „unbedeutende Dinge“ (de choses indifférentes) zu schreiben405, einen Vorsatz, den sie mehr als einmal brach406. Doch weil sie ihre Ansichten nicht mitteilen könne, wünsche sie sich oft, den commerce mit der Princesse abzubrechen407: „Ich suche keinen Trost mehr in Ihnen, Madame, da Sie uns nicht mehr lieben, und Sie ganz und gar mit einem einzigen Interesse beschäftigt sind, ohne auch nur einen Moment von dem Zustand, in dem wir sind, betroffen zu sein.“408 Trotz vieler hundert Briefe, die zwischen den Vertretern der verschiedenen Mächte diesbezüglich ausgetauscht wurden, scheiterte das lang als unverhandelbar dargestellte Anliegen des spanischen Königspaars, die Landesherrschaft für ihre Kammerdame. Als Erklärung boten die Zeitgenossen verschiedene Möglichkeiten an. Die spanischen Bevollmächtigten sprachen von „Uneinigkeit und gänzlich fehlender Übereinstimmung“ (desunion y ninguna concordancia). Der secretario Grimaldo wies darauf hin, dass die Gegner genau davon profitiert hatten409, was die Lektüre der Briefe bestätigt. Die Schuld wurde dabei dem Duque de Osuna in die Schuhe geschoben, mit dem die anderen Bevollmächtigten 404 „Je ne vois presque plus, j’entends encore plus mal. On ne m’entend plus, parce que la prononciation s’en est allé avec les dents, la mémoire commence à s’égarer, je ne me souviens plus de noms propres; je confonds tous les temps et nos malheurs, joint à mon âge, me font pleurer comme toutes les vieilles que vous avez vues.“ Maintenon an Ursins, o.O., 9.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 241. 405 Maintenon an Ursins, o.O., 2.7.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 247. 406 Vgl. bspw. Maintenon an Ursins, Versailles, 12.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 264. 407 Vgl. Maintenon an Ursins, St. Cyr, 19.8.1714, BL Add. Ms. 20920, f. 270. 408 „Je ne cherche plus de consolation en vous, Madame, parce que vous ne nous aimez plus, et que vous êtes toute occupée d’un seul intérêt sans être touchée un moment de l’état ou nous sommes.“ Maintenon an Ursins, St. Cyr, 24.8.1710, BL Add. Ms. 20920, f. 1. 409 Vgl. bspw. Grimaldo an Osuna und Monteleón, Madrid, 17.9.1713, AGS Estado Holanda 6174, n. fol.
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aufgrund seiner extravagancias Abstimmungsprobleme zu haben schienen410. Ludwig XIV. befand, dass die Angelegenheit „schlecht geführt“ (mal conduite) worden sei und man nicht im richtigen Moment zugegriffen habe411. Madame de Maintenon hatte versucht, das problematische Thema der souveraineté aus ihrer Korrespondenz mit der Princesse weitestgehend herauszuhalten. Indem eine prekäre Angelegenheit nicht thematisiert wird, kann Kommunikation aufrechterhalten werden, ohne dass die Beteiligten ihr Gesicht verlieren412. In diesem Falle hatte es nicht funktioniert. Die einschlägige Forschung zur Princesse des Ursins hat die Ursache des Scheiterns dieser Angelegenheit stets in ihrer Person gesucht: Für Baudrillart war es der Hass des Kaisers gegen die Princesse413. In den Augen ihrer Biographin Cermakian widerspricht das Verhalten der Princesse vollkommen dem, was sie in der Vergangenheit gezeigt hatte: Stolz und der Geschmack der Unabhängigkeit hätten sie dazu gebracht, ihre eigenen Interessen vor jene des Königspaars zu stellen414. Auch Combes „kann Madame des Ursins in dieser ganzen Angelegenheit wirklich nicht mehr verstehen“415, sie, die vormals stets nobel gehandelt habe, sei plötzlich von Selbstsucht geprägt gewesen. Loyau meint, in ihrem Verhalten den „Geist der Fronde, den sie von ihrem Vater hatte“ zu erkennen und sieht den Ursprung des Übels in ihrer Leidenschaft416. Stolz, Eigeninteresse und Leidenschaft sind jedoch in erster Linie stereotype Zuschreibungen, die schon die Zeitgenossen dazu nutzen, unliebsame Personen zu diskreditieren. Möglicherweise treffen sie sogar zu, eine Erklärung dafür, dass die Angelegenheit von verschiedener Seite in dem Maße aufgebauscht wurde, liefern sie indes nicht.
410 Vgl. bspw. Monteleón an Grimaldo, Den Haag, 7.9.1713, AGS Estado Holanda 6174, n. Fol.; Grimaldo an Osuna und Monteleón, Madrid, 17.9.1713, AGS Estado Holanda 6174, n. fol. 411 Ludwig XIV. an Brancas, Versailles, 19.10.1713, MAE CP Espagne 226, f. 188. 412 „La continuité de la communication diplomatique reposait sur la volonté réciproque de permettre à l’interlocuteur de sauver la face. Quand les interlocuteurs attachaient différentes significations aux situations de communication, le non-dit permettait à tous de sauver la face.“ Windler, La diplomatie, 557. 413 Vgl. Baudrillart, Philipp V., 543. 414 Vgl. Cermakian, La Princesse, 483 f. 415 „On ne comprend vraiement plus Madame des Ursins dans toute cette affaire, elle, jusque-là si noble, si portée à la grande politique, si avisée, si pleine de tact.“ Combes, La Princesse, 501. 416 Vgl.: Esprit de frondeur qu’elle tient de son père: Correspondance (Loyau), Préface, 52.
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Meines Erachtens sollte die affaire de souveraineté nicht auf das Anliegen einer einzelnen Person reduziert, sondern im Kontext der gesamten Verhandlungssituation gesehen werden. Die Princesse des Ursins war in den Verhandlungen zu einer zentralen Figur geworden, die als Vermittlerin zum spanischen Königspaar, als Kollegin des französischen Botschafters, als Informantin und als Kontaktperson für den englischen Gesandten verschiedene Rollen erfüllte417. Zugleich wurde ihr Anliegen zu einem der wichtigsten Gegenstände der Verhandlungen instrumentalisiert und zu einem ausschlaggebenden Faktor konstruiert. Vermutlich liegt das Scheitern ihrer Angelegenheit darin begründet, dass die Angelegenheit für diejenigen Befürworter, die jeweils etwas zu entscheiden hatten, immer nur temporär von Bedeutung war – als Pfand im Fall von Königin Anne, als Patronageleistung im Fall der Maintenon, als Gegenleistung im Fall von Ludwig XIV. und für Philipp V. schließlich als Symbol seiner Unabhängigkeit und Emanzipation von seinem Großvater. Dass der spanische König so lange und vehement auf der Bedingung beharrt und damit letzten Endes sogar seine Krone aufs Spiel gesetzt hatte, zeigt einmal mehr die große Bedeutung, die symbolischen Werten beigemessen wurde. Zugleich wurde die Landeshoheit von der Allianz zunehmend zu dem Hindernis stilisiert, an dem sich die gesamte Frage nach Krieg und Frieden entscheiden würde. Die Princesse des Ursins fungierte also auch als „Sündenbock“. Den Frieden in Europa wollten Ludwig XIV. und schließlich auch Philipp V. nicht gefährden – soviel war ihnen die Versorgung einer hochadeligen Witwe doch nicht wert. Die Princesse des Ursins ging es in dieser Angelegenheit um eine Sicherung und Mehrung ihres Kapitals – und zwar ganz wörtlich des finanziellen, aber auch des sozialen und des symbolischen. Ohne die Patronage Ludwigs XIV. konnte sie nur wenig ausrichten. Ihr bislang verlässlicher Zugang zum König, Madame de Maintenon, war aus verschiedenen Gründen nicht mehr verfügbar: Zum einen hatte für jene der Friede in Europa schon lange Priorität. Zum anderen war angesichts der stark divergierenden Interessen der beiden Höfe der commerce mit der spanischen Kammerdame problematisch geworden. Einer Person, die mittlerweile allzu sehr polarisierte, allmählich die Protektion zu entziehen, lag vermutlich ohnehin in ihrem Interesse. Dass Madame de Maintenon ihre Patronage aufgekündigt hatte, sollte sich spätestens am Jahreswechsel 1714/1715 zeigen, als die Princesse des Ursins in
417 Zum „Normalfall“, dass der frühneuzeitliche négociateur verschiedene Rollen zugleich erfüllen musste, siehe auch Waquet, Verhandeln, 119.
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der viel beschriebenen418 Nacht auf den 1. Januar von der neuen Königin Elisabetta Farnese in wörtlichem Sinne „verjagt“ wurde (coup de Jadraque). Nicht um Rangstreitigkeiten zwischen zwei Frauen, sondern um einen von der neuen Königin beabsichtigten vollständigen Politikwechsel am Hof ging es dabei. Dazu mussten die wichtigsten französischen Akteure und ihr „Kopf“ Madrid verlassen419. Von Seiten Versailles’ kam für die Princesse keine Unterstützung mehr; auch ihr Empfang am französischen Hof war problematisch geworden, da er die Beziehungen zu Madrid hätte trüben können. Madame de Maintenon, mit der die neue Königin bald einen Briefwechsel aufnahm420, gab in ihren Briefen an die Princesse unmissverständliche Hinweise darauf, dass sie nichts mehr für sie tun könne421. So riet sie ihr beispielsweise im Februar 1715: „Sie müssen schweigen und versuchen, Ihr so bewegtes Leben in Frieden zu verbringen.“422
Fazit Die Kontextualisierung der Korrespondenz hat deutlich gemacht, dass in den meisten Fällen parallel über mehrere Kanäle verhandelt wurde. Die zum Teil fast wörtlichen Übereinstimmungen weisen darauf hin, dass die Argumentationen jeweils abgesprochen wurden: Es korrespondierten nicht einzelne Ak418 Siehe etwa den Briefwechsel zwischen Ursins und Grimaldo: AHN Estado 2850; die Briefe des Aubigny, Orry, Pachau und Saint-Aignan in Ursins VI (La Trémoille), 272, 274 f., 277–279; San Felipe, Commentarios, 257; Labourdette, Philippe V, 310–315; Cermakian, La Princesse, 522–526; Désos, L’ entourage, 580–584; Baudrillart, Philippe V, Bd. I, 610–614; Armstrong, E., The Influence of Alberoni in the Disgrace of the Princess des Ursins, in: English Historical Review 5 (1890), 760–767. 419 Orrys disgrâce erfolgte am 7. Februar 1715, dem das gesamte Personal der Princesse folgte. Im März verließen dann der französische Beichtvater des Königs, Père Robinet, und die Vertrauten der Ursins, Aubigny, Hocquart und Pèage, Madrid. Die Neffen der Princesse, Chalais und Lanti, durften nach Madrid zurückkehren, nachdem sie ihre Tante nach Paris begleitet hatten. Vgl. Désos, L’ entourage, 586–588. 420 Siehe der Hinweis in: Maintenon an Ursins, Marly, 14.7.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 332 und Kapitel I.3.2.2. (Parallele Kanäle). 421 Etwa der Hinweis, dass sie über keine courriers verfüge und ihr nichts zu sagen habe: Maintenon an Ursins, o.O., 12.1.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 326; oder dass man sie nicht mehr einweihe: Maintenon an Ursins, o.O., 20.1.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 327; oder dass sie ihren Neffen Lanti nicht empfange: Maintenon an Ursins, Versailles, 3.2.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 328; oder dass sie für die Klienten der Princesse nichts tun würde: Maintenon an Ursins, Marly, 14.7.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 332. 422 „Il faut se taire et tacher que vous passiez en paix une vie si traversée.“ Maintenon an Ursins, Versailles, 3.2.1715, BL Add. Ms. 20920, f. 328.
Fazit
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teure, sondern Personengruppen miteinander. Insbesondere von Madrid aus zeigte man gegenüber dem französischen Hof ein geschlossenes Auftreten, wenn es darum ging, beim König, Madame de Maintenon oder den Ministern etwas zu bewirken. Um ein Ziel zu erreichen, schlug man stets mehrere Wege ein: Parallelität und Redundanz scheinen grundlegende Prinzipien dieser schriftlichen Verhandlungen gewesen zu sein. Parallele Vorgehensweisen erhöhten die Chancen auf Erfolg, zusätzliche Kanäle minderten das Risiko, dass die Kommunikation fehlschlug. Als mögliche Risiken mussten stets der Verlust von Briefen oder die Unzuverlässigkeit oder Illoyalität eines Akteurs bedacht werden. Wie verhandelt wurde, ist deutlich geworden. Doch wer verhandelte und vor allem für wen? Hinsichtlich der Rollenverteilung lassen die drei beschriebenen Verhandlungssituationen folgende Schlüsse zu: Ihre Verhandlung um weitere französische Truppen führten Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins stellvertretend für die Herrscher und in Abstimmung mit ihnen – über ihren gemeinsamen Briefwechsel genauso wie über weitere Kanäle. Parallel dazu verhandelten das spanischen Herrscherpaar und der französische Botschafter mit Ludwig XIV. sowie den französischen Ministern und Madame de Maintenon. An letztere schrieb man häufig zusätzlich; von ihren Briefen erhoffte man sich offensichtlich eine Art „katalysatorische“ Wirkung. Die Verhandlung um den Verbleib der Princesse des Ursins in Madrid im „Krisen-Jahr“ 1709 zeigt eine andere Situation: Hier bemühte sich die Princesse um Informationen und Unterstützung von Seiten des französischen Königs, verhandelte also zugleich in eigener Sache und für das spanische Königspaar. Ihre doppelte Loyalität wurde zum Problem – sie hatte nicht nur Ludwig XIV., der sie nach Madrid geschickt hatte, loyal zu sein, sondern auch Philipp V. und Maria Luisa, denen sie als oberste Kammerdame formal unterstellt war. Nach dem Rückruf des Botschafters war die camarera mayor für Ludwig XIV. sein „letztes Eisen im Feuer“. Madame de Maintenon blieb in ihren Argumentationen stets konform mit dem königlichen Willen einerseits und der gesellschaftlichen Ordnung der Geschlechter andererseits. In dem Maße, in dem die Position der Princesse gefährdet schien, zog Maintenon ihre Unterstützung sukzessive zurück. Zugleich sollte ihr commerce réglé offenbar aufrechterhalten werden. In der Angelegenheit um den Thronverzicht Philipps V. zeigt sich die gute Zusammenarbeit des neuen Botschafters mit der Princesse. Hier verhandelte die Princesse einerseits für den französischen König mit dem spanischen Herrscherpaar und andererseits für letzteres mit dem französischen Botschafter.
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Fazit
In eigener Sache schrieb die Princesse des Ursins parallel an verschiedene einflussreiche Personen, um die Angelegenheit ihrer Landeshoheit voranzubringen, ein Vorhaben, in dem sie vom spanischen Königspaar unterstützt wurde. Die Zustimmung von Seiten Versailles’ schien zunächst gesichert, jedoch nur solange, wie die französischen Interessen nicht in Gefahr gerieten. Die affaire de souveraineté war für alle beteiligten Verhandlungspartner zu einem strategisch einsetzbaren Instrument geworden: mit der Funktion eines Pfands, einer Gegenleistung, eines Jokers oder eines Sündenbocks. Da es letztendlich keinem der Beteiligten tatsächlich um einen erfolgreichen Abschluss dieser Angelegenheit ging, musste sie zwangsläufig irgendwann die Funktion des Druckmittels verlieren. Ohne diese Einsatzmöglichkeit wurde sie alsbald fallengelassen. Letzten Endes wurde in diesem komplexen Gebilde von parallelen Strängen vor allem Eines ver- und ausgehandelt: die Unterstützung Ludwigs XIV., die den wichtigsten Aspekt der französisch-spanischen Beziehungen zu jenem Zeitpunkt darstellte. An der Gestaltung dieser Beziehungen wirkten Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins aktiv mit.
Schlussbetrachtung Eingangs wurde die Frage gestellt, welche Rollen Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins in den französisch-spanischen Beziehungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts spielten. Der Fokus sollte auf ihre politischen Handlungsspielräume und die Funktion ihres Briefwechsels gerichtet werden. Darüber hinaus sollte aufgezeigt werden, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang ihr Geschlecht spielte und wie sich der Umstand, dass sie kein Amt innehatten, auf ihr politisches Handeln und ihre Darstellung auswirkte. Im ersten Teil dieser Arbeit ist deutlich geworden, dass sowohl Madame de Maintenon als auch die Princesse des Ursins als Vertraute der Herrscher über einen exklusiven Informations- und Machtzugang verfügten. Ihre Vernetzung in der französischen Hofgesellschaft und in die Ministerriegen hinein trug zu ihrer Rolle und ihrem Ruf als Vermittlerinnen der königlichen Gunst und Beraterinnen der Herrscher bei. Mittels gezielter Patronage hatten sie sich ein geeignetes Handlungsfeld geschaffen. Zeremonielle Freiräume und die Anpassungen, die in diesem Bereich vorgenommen wurden, dienten bei beiden Frauen dazu, ihren Zugang zum Herrscher noch zu erweitern und der Hofgesellschaft ihren Status unmissverständlich mitzuteilen. Ihre Korrespondenzen waren Instrumente der Information, der Selbstinszenierung und der Netzwerkpflege. In diesen Netzwerken entre ami(e)s, die sich über die europäischen Höfe erstreckten, spielte das Geschlecht der Akteure keine Rolle – weder hinsichtlich der Form, noch hinsichtlich der Inhalte: Die Themen der Briefe entsprachen Kompetenzbereichen, die sich nicht aus dem Geschlecht, sondern aus dem spezifischen Einsatz oder der Rolle des jeweiligen Briefpartners ergaben. Die beiden Frauen wurden einerseits als Vermittlerinnen zum Herrscher und andererseits in ihrer Rolle als Multiplikatorinnen in der jeweiligen höfischen Elite angeschrieben: Hier standen Personengruppen und keine Einzelpersonen miteinander im Austausch. Die Beziehungen zwischen Versailles und Madrid erforderten während des Spanischen Erbfolgekrieges besondere Maßnahmen. Die dynastische Einheit der französischen und der spanischen Krone bedingte, dass sich die politischen Räume der beiden Höfe überlagerten. Ein feinfühliges Vorgehen von Seiten der französischen Akteure in Madrid war notwendig, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden konnten, das junge Königspaar zu kontrollieren und von Philipp V. zugleich das Bild eines selbstbewussten und beliebten Herrschers zu etablieren. Zudem galt es, bei den übrigen europäischen Mächten den Eindruck einer drohenden bourbonischen Übermacht zu verhindern. Dies erforderte eine Kommunikation auf mehreren Ebenen. Daher nahmen Madame
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Schlussbetrachtung
de Maintenon und die Princesse des Ursins im Jahr 1705 einen Briefwechsel auf, dessen Modalitäten sie im Beisein des französischen Königs abgesprochen hatten. Die beiden Frauen waren aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen besonders geeignet, die Kommunikationskanäle der Höfe um eine Ebene zu ergänzen, die andere Akteure nicht hätten abdecken können. Was zeichnete nun aber konkret den Kanal der beiden Frauen gegenüber den „ordentlichen Kanälen“ (canaux ordinaires) aus, worin bestand der Unterschied zwischen der Princesse des Ursins und dem französischen Botschafter? Die Agentin des französischen Königs und sein formaler Repräsentant sollen im Folgenden noch einmal systematisch verglichen werden. Sowohl die Princesse des Ursins als auch der französische Botschafter hatten am spanischen Hof eine privilegierte Position inne, die es ihnen erlaubte, die Interessen der französischen Krone zu vertreten und zugleich Einfluss auf die höfische Politik zu nehmen. Der Botschafter hatte als „Minister“ des spanischen Königs einen Platz im despacho erhalten, während die Princesse des Ursins als camarera mayor den Zugang zum Königspaar im wörtlichen wie im übertragenen Sinn monopolisieren konnte: Sie verfügte über die Schlüssel zur gemeinsamen chambre des Herrscherpaares, dem politischen Zentrum des Hofes, und kontrollierte die königliche Patronage. Gemeinsam war Kammerdame und Botschafter demnach ihre zweifache Rolle als hofferner und höfischer Akteur – hoffern, da sie von einem „fremden“ Hof geschickt waren, höfisch, da sie am spanischen Hof Hofämter innehatten. Das Problem der doppelten Loyalität stellte sich indes nur bei der Princesse, die als Kammerdame der spanischen Königin und als sujette des französischen Königs beiden Kronen zugleich verpflichtet war. Im Vergleich zum Botschafter hatte die Princesse aufgrund ihres Hofamtes strukturell und „beziehungstechnisch“ den direkteren Zugang zum Herrscherpaar. Schon bald nach ihrer Ankunft am spanischen Hof im Jahr 1701 bestimmte sie maßgeblich die Politik und die Ämterverteilung und bald auch die Wahl des französischen Botschafters. Aufgrund ihrer hybriden Position als Kammerdame der spanischen Königin und Agentin Ludwigs XIV. vermochte sie, zwei politische Handlungsfelder zu verbinden: die spanische Hofpolitik und die Außenbeziehungen beider Kronen. Vor diesem Hintergrund waren Konkurrenzsituationen zwischen Botschafter und Kammerdame vorprogrammiert. Die Princesse des Ursins „überlebte“ während ihres (mit Unterbrechungen) 14-jährigen Aufenthaltes in Madrid acht verschiedene französische Botschafter bzw. Gesandte. Sie war demnach die Person, welche die Kontinuität der französischen Einflussnahme garantierte. Vermutlich wurde sie auch aus diesem Grund von 1705 an, also während ihrer zweiten „Amtszeit“, von Versailles stets nach ihrer Meinung
Schlussbetrachtung
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bezüglich eines neuen Botschafters befragt: Amelot, Blécourt und Bonnac waren ihre Wahl. Eine harmonische Abstimmung und, wenn man so will, eine „Arbeitsteilung“ zwischen Kammerdame und Botschafter waren zwar explizit gewünscht worden. Die tatsächliche Qualität ihrer Zusammenarbeit variierte jedoch stark, wie der folgende Rückblick zeigt. Mit dem Offizier Comte de Marsin stellte sich die Herausforderung der Zusammenarbeit noch nicht, denn während der ersten Monate der Princesse des Ursins in Madrid begleitete dieser Philipp V. auf einen Feldzug. Außerdem war der Handlungsbereich der Kammerdame noch im Entstehen begriffen. Mit den Kirchenmännern Éstrées, erfahrenen Botschaftern und „alten Bekannten“ der Princesse aus ihrer Zeit in Rom, ergab sich dagegen bald eine Konkurrenzsituation, so dass die Kammerdame den spanischen Hof in Ungnade verlassen musste. Ein Aufenthalt der Princesse in Versailles bzw. Marly und zahlreiche Briefe des spanischen Königspaares hatten jedoch zur Folge, dass schließlich die Kammerdame vorgezogen und Onkel und Neffe Éstrées aus Madrid abberufen wurden. Den Éstrées folgte zunächst interimsweise der Duc de Gramont, mit dem die Princesse in den darauf folgenden Jahren eine rege Korrespondenz führte. Er war jedoch nur so lange in seinem Amt, bis – zeitgleich mit der Rückkehr der Princesse – Amelot de Gournay, der Botschafter ihrer Wahl, in Madrid eintraf. Ihre reibungslose Zusammenarbeit war offensichtlich nicht nur eine Frage der Darstellung gegenüber Versailles: Amelot konnte mit vier Jahren die längste Amtszeit aller französischer Botschafter verbuchen. Dabei handelt es sich zugleich um die politisch stabilste Phase am spanischen Hof. Es war ein Zugeständnis an die gegnerische Allianz, als er im Jahr 1709 abberufen und durch einen einfachen Gesandten, den Marquis de Blécourt, ersetzt wurde. Dieser hatte sich der Princesse des Ursins aufgrund seines Ranges klar unterzuordnen, so dass sich die Frage nach der Konkurrenz gar nicht erst stellte. Mit seinem Nachfolger, dem Marquis de Bonnac, einem erfahrenen Botschafter mit politischem Gewicht, gelang eine fruchtbare Zusammenarbeit, in der unter anderem der Verzicht Philipps V. auf den französischen Thron erfolgreich verhandelt wurde. Der letzte Botschafter, der sich mit der Princesse des Ursins arrangieren musste, war der Marquis de Brancas, wiederum ein Militär ohne Erfahrungen im diplomatischen Dienst. Er war dem Wunschkandidaten der Princesse vorgezogen worden1 und wurde weder von der camarera mayor noch vom spanischen Königspaar akzeptiert. 1 An seiner statt hatte die Princesse den Maréchal de Tessé vorgeschlagen: Ursins an Torcy, Madrid, 28.1.1713, Ursins VI (La Trémoille), 87.
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Schlussbetrachtung
Was waren nun die ausschlaggebenden Kriterien für die Qualität der Zusammenarbeit zwischen dem Botschafter und der Princesse des Ursins? Außer im Fall der Éstrées wirkte es sich positiv aus, wenn die Gesandten bereits Erfahrungen im Verhandlungsmetier gesammelt hatten. Mit den Gesandten, die sich der Princesse des Ursins aufgrund ihres Alters, ihres Ranges oder ihrer Herkunft ohnehin unterzuordnen hatten, scheint es keine Konflikte gegeben zu haben: Bei Marsin, Amelot und Bonnac war dies aufgrund ihres jüngeren Alters, bei Blécourt aufgrund seines Ranges der Fall. Diese Überlegungen bleiben jedoch spekulativ. Angemessener ist es, auch von individuellen und persönlichen Faktoren auszugehen, die die Qualität der Zusammenarbeit bestimmten. Der Marquis de Brancas stellte treffend fest, dass „ein Botschafter, der nicht nach dem Geschmack der Madame des Ursins ist, in diesem Land niemals Erfolg haben und dem König nützlich sein kann […].“2 Hinsichtlich der Kompetenzen ist zunächst festzuhalten, dass die Aufgaben des Botschafters in seinen Instruktionen und seiner Akkreditierung festgeschrieben waren, wenn sie ihm in der Praxis auch Gestaltungsmöglichkeiten ließen. Der Auftrag der Princesse (commission) war indes an keiner Stelle schriftlich präzisiert worden und konnte in ihrer Korrespondenz mit Torcy und Maintenon immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden3. Darüber hinaus sind weitere Vorteile deutlich geworden, die sich aus der Tatsache ergaben, dass sie den französischen König nicht in personam – wie der Botschafter – repräsentierte: Die Princesse konnte das spanische Königspaar aufsuchen, ohne sich eine formale Audienz verschaffen zu müssen. Sie konnte sich in den Verhandlungen gegebenenfalls auch auf die Seite von Philipp V. und Maria Luisa stellen und sich so deren Vertrauen bewahren. Und sie konnte im Jahr 1709, als der formale Vertreter Ludwigs XIV. den spanischen Hof verlassen musste, in Madrid bleiben. Die Kompetenzen waren jedoch bei beiden nicht klar definiert und weder der Botschafter noch die Kammerdame blieben in ihren Aufgaben im „vorgegebenen“ Rahmen ihres jeweiligen Amtes. Beide wurden individuell und bedarfsorientiert eingesetzt. Eine Ausdifferenzierung oder Funktionenteilung ist hier schwerlich erkennbar; vielmehr zeigen sich die situativ angepasste Po2 „[…] qu’un ambassadeur qui ne sera pas du goût de Madame des Ursins ne réussira jamais en ce pays-ci et n’y pourra pas servir le Roi utilement […].“ Brancas an Torcy, Madrid, 30.11.1713, MAE CP Espagne 224, f. 59. 3 In einem ihrer Berichte an Torcy merkt die Princesse fragend an: „[T]out ceci dépasse peut être ma commission, Monsieur.“ Ursins an Torcy, Barcelona, 28.11.1701, MAE M&D 105, f. 203. Torcy antwortet, dass der König mit ihr zufrieden sei und: „[O]n ne veut point réduire vôtre commission dans les bornes étroits que vous voulez y mettre.“ Torcy an Ursins, Versailles, 25.12.1701, MAE M&D 105, f. 312.
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litik Ludwigs XIV. und die flexible Gestaltung der Außenbeziehungen sowie das Gestaltungspotential der einzelnen Akteure. Um den normativen Kontext deutlich zu machen, soll der Vergleich der Aktionsfelder der Princesse des Ursins und des Botschafters entlang der drei Kernaufgaben eines Gesandten erfolgen, wie sie in der zeitgenössischen Traktatliteratur übereinstimmend genannt werden: Informieren (informer), Repräsentieren (représenter) und Verhandeln (négocier). Informieren Die Autoren der zeitgenössischen Traktatliteratur zum Gesandtschaftswesen sind sich einig: tout ce qui se passe4 – alles, was geschehe, sei es wert, berichtet zu werden. Es gebe nichts, was nicht in den Zuständigkeitsbereich eines Botschafters fallen würde, schrieb auch Ludwig XIV. einmal an einen seiner Gesandten5. Daher sollte sich der Gesandte crédit beim Herrscher und den „wichtigen Personen“ am Hof verschaffen und sich am fremden Hof gut vernetzen, um Zugang zu „lokalen“ Nachrichten zu haben6. Nicht zuletzt hier sei der Amtsträger auf die Unterstützung weiterer Akteure angewiesen7 – so auch der französische Botschafter in Madrid. Auf diesen Diskurs der „vollständigen Information“ und der „exakten Wahrheit“ rekurrierten auch die beiden Frauen in ihrer Korrespondenz, genauso wie ihn die Gesandten als Anspruch ihrer Depeschen formulierten8. Vor dem Hintergrund dieser normativen Vorstellungen wird der Vorgang des Informierens zu einer Form der Selbstdarstellung und damit zu strategischem Handeln. Militärische Nachrichten, politische Entscheidungen und alles, was die französisch-spanischen Beziehungen betraf, wurde in den untersuchten Brie4 Callières (Waquet), 195, 211 f., 239; Wicquefort II, 6; Rousseau de Chamoy (Delavaud), 34. 5 Ludwig XIV. an Comminges, o.O., 22.2.1663, zitiert bei Jusserand, Jean-Jules, A French Ambassador at the Court of Charles the Second, New York 1892, 198 f. 6 Dafür verfügte er über ein gewisses Kontingent an königlichen Pensionen, die er an Informanten auszahlen konnte. Er hatte weiterhin ein Budget, um Empfänge und Essen zu veranstalten, wofür er einen repräsentativen Palais bewohnen musste. Da Botschaftern häufig der Kontakt zur Bevölkerung verboten war, lag hier die Grenze zu dem, was als unrechtmäßige „Spionage“ und „Korruption“ empfunden werden konnte: Roosen, Rise, 150–152. Analog hatte man bei der Princesse des Ursins positiv hervorgehoben, dass sie in der spanischen Hofgesellschaft keine allzu störenden Verpflichtungen hatte. 7 Callières (Waquet), 263; Wicquefort II, 111; Rousseau de Chamoy (Delavaud), 34, 36 f., 40. 8 Dies hat Waquet anhand italienischer Traktatliteratur gezeigt: siehe Waquet, La lettre diplomatique, 47.
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Schlussbetrachtung
fen unter den affaires d’Espagne subsumiert und findet sich gleichermaßen in der Korrespondenz der beiden Frauen und des Botschafters. Häufig verwies man ergänzend auf den jeweils anderen Kanal. Was ausschließlich bei Maintenon und Ursins auftaucht, sind die ausführlichen Berichte über Königin Maria Luisa und die Duchesse de Bourgogne. Die Gesundheit der Herrscher, ihre divertissements oder ihre persönliche Entwicklung – diese Bereiche rund um die Herrscherpersonen waren offensichtlich den beiden Frauen vorbehalten. Hingegen waren die Depeschen des französischen Botschafters hinsichtlich militärischer Themen ausführlicher9. Dieser Umstand lässt sich einerseits damit begründen, dass die beiden Frauen im Gegensatz zu den meisten Botschaftern keine militärische Ausbildung genossen hatten. Andererseits war es gemäß der adligen Etikette verpönt, in höfischen Konversationen in Details zu gehen. In den Briefen der Princesse finden sich stattdessen strategische Überlegungen und mögliche zukünftige Szenarien – von Madame de Maintenon bisweilen als „Luftschlösser“ bezeichnet. Der Stil der beiden Frauen war von der höfischen Kunst der conversation geprägt, ihre Briefe im Aufbau freier als die Depeschen des Botschafters, und es war viel eher möglich, die Themen zu variieren und die eigene Meinung zu äußern. Repräsentieren Der Botschafter repräsentierte in seiner Person den französischen König und die gloire du roi, weshalb sein Agieren in zeremoniellen Abläufen genauestens geregelt sein musste. Repräsentation funktionierte jedoch nicht nur über den formal ernannten Botschafter, sondern auch über weitere Agenten des Königs, die in seinem Namen unterwegs waren. Die Tatsache, dass die Princesse vom französischen König ausgewählt und mit einer commission nach Madrid geschickt worden war, machte sie zu einer solchen Agentin. Darüber hinaus reklamierte sie für sich, im Dienst des Königs zu handeln (pour le service du roi). Die Art und Weise, wie sich die Princesse in den Briefen an Madame de Maintenon und damit auch gegenüber Ludwig XIV. inszenierte, zeigt, dass sie den König in gewisser Weise zu repräsentieren beanspruchte und dass man ihr 9 Dies lässt sich auch der umgekehrten Richtung beobachten, was ein stichprobenhafter Vergleich von Maintenons Briefen mit jenen des spanischen Botschafters Duque de Alba an den secretario de Estado in Madrid ergab. Siehe beispielsweise im Vergleich: Maintenon an Ursins, Meudon, 29.8.1706, BL Add. man. 20918, f. 109–111 und Alba an Grimaldo, Paris, 29.8.1706, AGS Estado Francia 4303, n. fol. Oder: Maintenon an Ursins, St. Cyr, 7.8.1707 und 21.8.1707, BL Add. man. 20918, f. 309–312 und Alba an Grimaldo, Paris, 14.8.1707, AGS Estado Francia 4304, n. fol.
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eine solche Funktion auch zugestand. Es sei hier an ihre Rolle bei der Anerkennungszeremonie des spanischen Thronfolgers und ihre „königinähnliche“ Rückkehr nach Madrid im Jahr 1705 erinnert. Dass die hiermit verbundenen Ehren die für eine Grande de España üblichen bei weitem überstiegen, lässt vermuten, dass die Princesse zum Zeichen der Verbundenheit der beiden Kronen nicht nur als Erste Kammerdame, sondern auch als Vertreterin des französischen Königs geehrt wurde. Spätestens in den Verhandlungen um ihren Verbleib im Jahr 1709 wird erneut deutlich: Ob die Princesse bleiben konnte oder gehen musste, hing mit der Frage zusammen, in welchem Maße sie die französische Krone repräsentierte. Man kann von hier von Repräsentation im weiten Sinne sprechen. Repräsentieren im engeren Sinne10 konnte dagegen nur der Botschafter, da allein ihm die Stellvertretung des Königs im Zeremoniell zukam: Nur bei ihm war die „körperliche“ Dimension der Repräsentation vorhanden. Diese Differenzierung wird auch in der entsprechenden Traktatliteratur gemacht: Der öffentliche Raum der Repräsentation wurde unterschieden vom Raum der Verhandlung, in dem „geeignete“ Individuen für die königlichen Ziele wirkten11 – eine solche Eignung wies die Princesse des Ursins auf. Verhandeln Im zeitgenössischen Sinne von négocier verhandelte ein Botschafter in erster Linie für seinen Herrscher. Darüber hinaus konnte er in seiner Korrespondenz mit diesem auch „interne“ Fragen aushandeln, da er als Diener seines Herrschers immer zugleich das Ziel verfolgte, sich dessen Gunst zu bewahren und die eigene Interessen zu verfolgen12. 10 Représenter hat in der zeitgenössischen Verwendung zahlreiche Bedeutungen; nach der ursprünglichen Bedeutung von bildlichem und schriftlichem sowie schauspielerischem „Darstellen“ wurde es im politischen Kontext im Sinne von „repräsentieren, stellvertreten“ verwendet. Vgl.: die 6. Bedeutung: „Signifie aussi tenir la place de quelcun, avoir en main son autorité. [...] Les Ambassadeurs representent le Prince. Les magistrats representent le Roi [...].“ In seiner weiteren Bedeutung von „überzeugen“ bzw. „deutlich machen“ passt er auch auf die Princesse, von der die Marquise sagte, dass sie „immer repräsentiert“ habe. Vgl. die 4. Bedeutung : „Signifie aussi remontrer, tâcher à persuader ; faire voir. Un confesseur doit representer a son penitent l’horreur de son vice. Le Parlement a representé au Roi, a remontré les consequences de cet édit [...].“ URL: http://gallica.bnf.fr/ [Zugriff : 26.7.2011]. 11 Vgl. Waquet, Verhandeln, 118. 12 Vgl. Waquet, La lettre diplomatique, 54.
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Schlussbetrachtung
Diese double négociation wurde gleichermaßen für die Princesse festgestellt: Als Informantin, Beraterin und Vertreterin des französischen Königs war sie einmal die, die für ihn verhandelte; als Vertraute und zugleich Vertreterin des spanischen Herrscherpaars war sie die, die mit ihm verhandelte. Die Verhandlung mit dem spanischen Königspaar war in dem hier untersuchten Fall sogar vorrangig die Aufgabe der Princesse des Ursins. Wie der Botschafter gegenüber dem König – handelte sie mit Madame de Maintenon und Ludwig XIV. ihre Deutung der Wirklichkeit und somit ihre eigenen Interessen aus13. Der Blick auf die drei Kernaufgaben des Botschafters hat die synergetischen Effekte der Zusammenarbeit zwischen ihm und der Princesse des Ursins, seiner Kollegin (collègue), aufgezeigt. Im Idealfall ergänzten sich die beiden mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen, Handlungsspielräumen und Einflussmöglichkeiten. Ihre beste Einflussmöglichkeit stellte für die Princesse des Ursins zweifellos ihre Korrespondenz mit Madame de Maintenon dar. Dieser Kanal war für die beiden Frauen, aber auch für die Herrscher selbst ein zentrales Handlungsinstrument in den Beziehungen der beiden Höfe. Die Qualität ihres Austauschs war direkt von der Qualität dieser Beziehungen geprägt: Unstimmigkeiten, Konflikte, aber auch militärische Erfolge auf bourbonischer Seite spiegelten sich in den Briefen der beiden Frauen. Sie jedoch lediglich als Abbild oder Indikator der französisch-spanischen Beziehungen zu sehen, wäre zu kurz gegriffen. Dass die Briefe auch eine gestaltende Kraft für das Verhältnis der beiden Kronen darstellten, wurde im zweiten Teil der Arbeit anhand der Verhandlungen in der Korrespondenz und in ihrem dritten Teil anhand der Korrespondenz innerhalb der Verhandlungen gezeigt. In der Korrespondenz handelten die beiden Frauen ihre Beziehung zueinander aus: Hier wurde deutlich, dass mit dem Konzept der Patronage nicht alle Aspekte der Beziehung erklärt werden können. Auf der Ebene der Diskussion, des verbalen Ringens um Inhalte und Darstellungsweisen, war das Verhältnis der beiden Frauen ein vollkommen egalitäres. Neben der Patronage als Grundregel sozialer Beziehungen in der Frühen Neuzeit existierten andere „Grundgesetze“, wie etwa die Regeln der höfischen Kultur und Konversation. In der Art und Weise, wie man versuchte, sein Gegenüber zu überzeugen14, zeigt sich die Kunst der höfischen conversation. Bei der Betrachtung der Korrespondenz innerhalb der Gesamtheit aller Beziehungsstränge zwischen Versailles und Madrid ist deutlich geworden, dass der Briefwechsel der beiden Frauen in dieses System von parallelen, sich 13 Vgl. Waquet, La lettre diplomatique, 49f. und 53. 14 Vgl. Waquet, Verhandeln, 131.
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ergänzenden und miteinander konkurrierenden Kanäle integriert war, und zwar nicht verborgen oder heimlich, sondern allen Beteiligten bekannt und von ihnen wie selbstverständlich als ein besonders effizienter Kanal genutzt. Die drei vorgestellten Beispiele – die Verhandlung um Truppen, um den Verbleib der Princesse des Ursins und um den Thronverzicht Philipps V. – haben gezeigt, dass es in den Briefen der beiden Frauen primär darum ging, die Unterstützung Ludwigs XIV. für Philipp V. zu verhandeln und somit die französisch-spanischen Beziehungen wesentlich mitzugestalten. Soweit die Ergebnisse zur Rolle der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins im Kontext der französisch-spanischen Beziehungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Wie und weshalb können diese Ergebnisse nun in allgemeinere Aussagen überführt werden? In den legitimatorischen Diskursen und der Selbstinszenierung der beiden Frauen treten die Norm- und Wertvorstellungen der höfischen Gesellschaft hervor. Diese Selbstdarstellungen waren flexibel, aber nicht willkürlich: flexibel, da sie situativ eingesetzt werden konnten, nicht willkürlich, da sie auf gesellschaftliche Normensysteme referierten, um glaubhaft und somit effektiv zu sein. Im diesem höfischen Wertesystem stellte die Nähe zum Thron den wichtigsten politischen Machtfaktor dar. Die Selbstdarstellung der beiden Frauen erfolgte daher in erster Linie über diese Nähe zum Herrscher. Damit konnte dem Gegenüber die eigene Bedeutung suggeriert werden. Die eigene Bedeutungslosigkeit hingegen wurde, wenn es die Verhandlungssituation erforderte, anhand der Kategorie „Geschlecht“ inszeniert: Je parle en femme. Rhetorische Selbstbeschränkung war wiederum ein höfisches Element, das zum Persönlichkeitsideal der honnête homme / femme gehörte, und über verschiedene Kategorien erfolgen konnte wie Herkunft oder Stand. Sie ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu finden. Bei letzteren funktionierte sie lediglich nicht über „Geschlecht“. Dass weibliche Selbstbeschränkung an die Kategorie „Geschlecht“ gekoppelt wurde, verweist wiederum auf ein Element der höfischen Kultur, die stets latent vorhandene Querelle des femmes15. Madame de Maintenons Verweis auf die canaux ordinaires ist ein Beispiel für eine solche Selbstbeschränkung mittels einer anderen Kategorie: Der König wünsche, dass die affaires über den Kanal der Minister liefen. Die Kategorie „Amtlichkeit“ war dabei nicht zwangsläufig an die Kategorie „Geschlecht“ gebunden, konnte es aber sein. In Ansätzen zeigt sich hier die Tendenz zu einer 15 Dies wurde bereits für das 16. Jahrhundert festgestellt: „Women letter-writers utilized gender as a rhetorical tool, manipulating to their own advantage stereotypes of female incapacity….“ Daybell, Women, 269.
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Ausdifferenzierung von Kompetenzbereichen – in erster Linie stellten solche Aussagen jedoch ein probates rhetorisches Mittel dar, den eigenen Rückzug aus der Verantwortung glaubhaft und akzeptabel zu machen. Der Stil der Briefe verweist auf die Kunst der conversation, die ihre Blütezeit in der höfischen Kultur fand. Dieser Kommunikationsstil, der klaren Regeln folgte, dabei aber stets mühelos erscheinen sollte, war dem Bedarf nach Ver- und Aushandlung geradezu entsprungen: Bei Hof galt es stets, die eigene Reputation, die als soziales Kapital die Grundlage allen Einflusses darstellte, immer wieder aufs Neue auszuhandeln. Die „höflichen“ Konversationsregeln dienten der steten Aktualisierung und Austarierung personaler Beziehungen. In der Korrespondenz der beiden Frauen wurden Bilder und Deutungen, wie die der Herrscher und ihrer Politik ausgehandelt und konkrete Fragen der Außenbeziehungen verhandelt – im höfischen Konversationsstil. Damit zeigt sich erneut, dass „Höflichkeit“ als sinnvolles Handeln begriffen werden muss, und zur Lösung von Machtfragen instrumentalisiert werden konnte16. Es macht daher Sinn, das Wirken der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins vor dem Hintergrund einer „höfischen Kultur der Außenbeziehungen“ zu sehen. Diese kennzeichnet sich durch das Handeln in Netzwerken und durch die Parallelität von Kommunikationskanälen, die zwischen Männern und Frauen gleichermaßen bestanden. Aufgrund ihrer mehrfachen Loyalitäten hatten die außenpolitischen Akteure verschiedene Rollen einzunehmen, orientierten sich jedoch in erster Linie an einem höfischen Persönlichkeitsideal. Ihre Verhandlungspraxis entsprang dem höfischen Konversationsstil, dessen symbolische Formen für die Situation der Verhandlung geradezu prädestiniert waren17. In diesem Zusammenhang kann das jüngst von Hillard von Thiessen vorgeschlagene Konzept der „Diplomatie vom type ancien“18 aufgegriffen werden. Gedacht für den ambassadeur erhebt es den Anspruch, im weiteren Sinne auch für Gesandte und Agenten zu gelten19. Von Thiessen betont, dass Diplomaten in der höfischen Gesellschaft agierten und weniger über berufs- als vielmehr über standesspezifische Qualifikationen verfügten. Der „Diplomat vom type 16 Vgl. die Erkenntnisse in: Engel, Gisela et al. (Hrsg.), Konjunkturen der Höflichkeit in der Frühen Neuzeit (Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit, H. 13, 3/4), Frankfurt a. M. 2009. Im auf Fernand Braudel zurückgehenden Konzept der „Konjunkturen der Höflichkeit“ sei um 1700 ein Höhepunkt zu erkennen (167). 17 Inwiefern diese Beobachtungen auf den Fall der frühneuzeitlichen Republiken übertragen werden können, ist eine andere – lohnenswerte – Frage. 18 Von Thiessen, Überlegungen, 484 f. 19 Ebd., 487.
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ancien“ zeichnete sich unter anderem durch seinen höfischen Verhaltensstil aus20. Dies ließ sich in der vorliegenden Untersuchung sowohl hinsichtlich des Verhandlungsstils als auch hinsichtlich der in den Briefen hervortretenden Wertvorstellungen zeigen. Die „Arbeitsteilung“21 zwischen Botschaftern, niederrangigen Funktionsträgern und weiteren Akteuren, die von Thiessen beschreibt, fand aber genauso zwischen Botschaftern und höfischen Akteuren weiblichen Geschlechts statt – und zwar auf gleichrangiger Ebene. Auf diese Weise können auch Akteure wie die Princesse des Ursins dieser engeren Sphäre der Diplomatie zugeordnet werden. Frauen waren aufgrund ihres Geschlechts zwar von der Bekleidung von Ämtern in den Außenbeziehungen ausgeschlossen. Da aber der „ordentliche“ Kanal nur einer von mehreren war und auf parallele, höfische Kanäle angewiesen blieb, bedeutet dies nicht, dass Frauen dieser politische Handlungsraum generell verschlossen blieb. Im Gegenteil: Das Informelle gehörte zum System. Informelle (im Sinne von nicht amtliche) Wege waren nötig, ja, sie waren funktionaler Bestandteil der Außenbeziehungen. Informelle Akteure unterlagen keinem speziellen Zeremoniell, wie es der Botschafter als alter ego des Königs tat. Vieles gestaltete sich dadurch einfacher und direkter und war mit weniger Risiko und weniger Verbindlichkeit verhaftet. Als informelle Akteurinnen konnten Frauen im Gegensatz zu ihrem männlichen Pendant nicht zu Kandidatinnen für das formale Amt werden, was die Chance einer reibungslosen Zusammenarbeit vielleicht noch erhöhte. Weil sich Macht nicht in erster Linie aus Amtsinhabe generierte, sondern von anderen Faktoren wie Anciennität, Rang oder Vernetzung (also höfischen Faktoren) abhing, war es möglich, dass diese „zweiten Männer“ und „zweiten Frauen“ schlussendlich mehr Macht hatten als die eigentlichen Amtsträger – wie im Fall der Princesse des Ursins. Um die hier postulierte generelle Integration adliger Frauen in die Außenbeziehungen frühneuzeitlicher Höfe breiter zu verorten, sind nur wenige Fallbeispiele zur Hand. Ich gehe davon aus, dass dies mit einem Quellenproblem in dreifacher Hinsicht zusammenhängt: Erstens hat die Einstufung des Briefes als „typisch weibliches Genre“ im Laufe des 18. Jahrhunderts die Korrespondenzen von Frauen in den Bereich des „Privaten“ gerückt, weshalb sie nicht als politisches Handlungsinstrument erkannt wurden. Damit hängt zusammen, dass zweitens diese Briefe häufig in persönlichen Nachlässen und nicht in den nationalen Archiven aufbewahrt wurden, dem Ort, an dem lange ausschließlich nach 20 Dieses System weise Kontinuitäten auf, die erst mit der Entstehung der modernen Fachdiplomatie mit professionellen Verwaltungen grundlegende Änderungen erfuhren. Vgl. Ebd., 485 f. und 488 f. 21 Von Thiessen, Ebd., 496.
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Schlussbetrachtung
den „diplomatischen Quellen“ gesucht wurde22. Drittens muss davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil der Briefe adliger Frauen vernichtet wurde. Wie bei Maintenon und Ursins finden sich auch in anderen Fällen immer wieder Hinweise darauf, dass Frauen selbst ihre schriftlichen Hinterlassenschaften verbrannten23. Dennoch wird immer wieder auf beträchtliche Lücken bei der Erschließung dieser Korrespondenzen hingewiesen24. Diese Quellen müssten nur auf diplomatiegeschichtliche Fragen hin gelesen werden25. Einige wenige rekonstruierte Fallbeispiele können aber auch hier schon kurz skizziert werden. Abgesehen von Königinnen und Fürstinnen, die einen legitimen Zugang zur höfischen Politik und dadurch auch zu den Außenbeziehungen hatten, können vier unterschiedliche Gruppen politischer Akteurinnen ausgemacht werden: Begleiterinnen oder Hofdamen von Herrscherinnen, Ehegattinnen von Botschaftern (ambassadrices), Agentinnen mit unterschiedlichem formalen Status und einem spezifischen Auftrag, sowie Frauen, die in einer persönlichen Beziehung mit einem Akteur der Außenbeziehungen standen, wie etwa Mätressen oder Ehrendamen. Unter den Begleiterinnen ist Freiin Sophie von Danckelman (* 1718, † 1790), eine Hofdame am preußischen Hof Friedrichs II., zu nennen. Als Hofmeisterin reiste sie mit Prinzessin Wilhelmine zu deren Hochzeit mit dem Statthalter Wilhelm V. von Oranien in die Niederlande. Von dort unterhielt sie einen wöchentlichen Briefwechsel, aus dem ihr diplomatisches Wirken für den preußischen König klar hervorgeht26. Die Duchesse d’Angoulême beglei22 So fällt die Gründung des französischen staatlichen dépôt des archives des affaires étrangères unabhängig von privaten Adelsarchiven erst in den hier untersuchten Zeitraum. Siehe Barbiche, Les institutions, 17 und 130. 23 Der Aspekt der Schriftlichkeit könnte per se von Bedeutung zu sein: die fehlende schriftliche Erläuterung des Auftrags der Princesse, die Vernichtung ihrer Briefe, die Madame de Maintenon ihr versprochen hatte – es scheint, als ob „schriftliche Beweise“ ihrer Einflussnahme als problematisch empfunden wurden, eine Beobachtung, die auch in anderen Zusammenhängen bereits gemacht wurde; vgl. Dade, Pompadour, 229 f. 24 Zuletzt etwa für die Herrschaftszeit Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (* 1676, † 1732): Tagungsbericht „Frauen am Gothaer Hof“, 4.6.2009–5.6.2009, Gotha, in: H-Soz-u-Kult 24.7.2009. URL: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2705, [Zugriff: 10.8.2011]. 25 Ich gehe davon aus, dass Analysen der Korrespondenzen der Princesse des Ursins mit Colbert de Torcy, Cardinal Gualterio oder der Princesse de Vaudemont sowie von Madame de Maintenon mit dem Maréchal de Villars oder Villeroy vergleichbare Ergebnisse brächten. 26 Diese Informationen basieren auf einem Vortrag von Lotte van de Pol bei der 12. Schweizerischen Tagung für Geschlechtergeschichte („Gender in Trans-it“. Transkulturelle und transnationale Perspektiven, Basel 6.9.–8.9.2007).
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tete Marguerite-Louise de Bourbon-Orléans (* 1645, † 1721) zu Cosimo III. de Medici, wo sie großes Verhandlungsgeschick bewies27. Das Beispiel der Renée du Bec-Crespin, Gräfin von Guebriant (* 1614, † 1659) scheint bislang das einzige zu sein, in dem eine Frau formell mit dem Amt der Botschafterin (ambassadrice extraordinaire) betraut wurde. Die Witwe begleitete die französische Prinzessin Louise-Marie zu ihrer Heirat an den polnischen Hof, wo sie als Botschafterin der französischen Krone tätig war28. Weder ihr Handeln noch ihr Titel, den sie sich im Übrigen selbst erbeten hatte, stießen bei den Zeitgenossen auf Erstaunen29. Unter den ambassadrices, die mit ihren Ehemännern in einem „Arbeitspaar“30 wirkten, findet sich Marguerite-Thérèse Colbert de Croissy, Duchesse de Saint-Pierre (* 1682), camarera mayor der spanischen Königin-Witwe in Bayonne31. Ähnlich wie die Princesse des Ursins war sie zugleich hofferne und hofinterne Akteurin. Marie Gigault de Bellefonds, Marquise de Villars (* 1624, † 1706) ist ein weiteres Beispiel einer ambassadrice, die zugleich als Begleiterin einer Königin bzw. Fürstin fungierte: Sie reiste mit Charlotte Aglaé, Duchesse d’Orléans zum Herzog von Modena. Als Ehefrau des Boschafters Henri de Villars spielte sie eine wichtige Rolle im Dienst der französischen Krone32. Ähnlich gelagert scheint der Fall der Catharina Gräfin von Wackerbarth (* 1670, † 1719), die eine bedeutende Position in den Beziehungen zwischen Dresden und Wien inne hatte33. Als Ehefrau des Gesandten des Kurfürsten 27 Vgl. Waquet, Jean-Claude, L’ambassadeur, son domestique et son maitre. Trois concepitions de la négociation sous Louis XIV, in: Papes, Princes et savants dans l’Europe moderne. Mélanges à la mémoire de Bruno Neveu, hrsg. v. Jean-Louis Quantin / JeanClaude Waquet, Genf 2007, 237–252. 28 Sie sollte auch eine Hochzeit am Kaiserhof verhandeln, wurde dort aber nicht zugelassen – nicht aufgrund ihres Geschlechts, sondern wegen der politischen Situation, wie Tischer herausgearbeitet hat. Vgl. Tischer, Anuschka, Eine französische Botschafterin in Polen 1645–1646. Die Gesandtschaftsreise Renée de Guébriants zum Hofe Wladislaws IV., in: L’Homme 12/2 (2001), 305–321; vgl. auch die Zusammenfassung von Tischers Forschung bei Bély, L’invention, 213–224. 29 Vgl. Tischer, Diplomaten, 77, Anm. 142. 30 Im Sinne von Heide Wunder; vgl. Wunder, Er ist die Sonn’, 144. 31 Delavaud, Louis, Une grande dame au XVIIIe siècle. Marguerite-Thérèse Colbert de Croissy, duchesse de Saint-Pierre, in: Revue du 18ième siècle 1 (janvier-mars) (1913), 93–115. 32 Siehe Perkins, Wendy, Marie de Villars: A Political Woman?, in: Ethics and Politics in Seventeenth Century France. Essays in Honour of Derek A. Watts, hrsg. v. Keith Cameron / Eliszabeth Woodrough, Exeter 1996, 139–148; und den Hinweis bei Baillou, Les affaires, 230. 33 Vgl. Pons, Rouven, „Die Dame ist romanesque und coquet... Catharina Gräfin von Wackerbarth (* 1670, † 1719) als kursächsische Gesandtin in Wien“, in: MIÖG 114 (2006), 65–95.
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Schlussbetrachtung
von Sachsen in Wien war sie eine wichtige Informantin für König August den Starken von Polen, von dem sie während der Abwesenheiten ihres Ehemannes schriftliche Instruktionen erhielt. Sowohl vom Nuntius als auch von den Ministern des Wiener Hofs wurde sie wie selbstverständlich in die diplomatischen Verhandlungen einbezogen. Ein Beispiel für den pfälzischen Hof ist der Fall der Maria Gertrud von Berlepsch (* 1654, † 1723), die als Hofdame das Vertrauen der Prinzessin Maria Anna gewann. Sie vermittelte deren Audienzen und folgte ihr schließlich nach Madrid, wo der kaiserliche Botschafter jedoch wenig später ihre Entfernung erwirkte. Er hatte sie offensichtlich als Konkurrentin empfunden34. Als Beispiel für Agentinnen, die vom König geschickt worden waren (de la part du roi), ist Catharina Stopia, eine schwedische Agentin in Moskau, zu nennen35. Die Dame Vantelet, erste Kammerdame der Königin Henriette Marie von England (* 1609, † 1669), erhielt eine Pension von der französischen Krone und wurde in den Instruktionen an den Botschafter als einflussreiche Person genannt36. In den für die vorliegende Arbeit analysierten Korrespondenzen taucht immer wieder eine gewisse Dame d’Elvas (†1707) auf. Sie fungierte offensichtlich für den französischen Hof als Informantin in Lissabon37. Der französische Botschafter Amelot empfahl sie Torcy im Jahr 1705 und bezahlte sie bis zu ihrer Verhaftung, die vermutlich dem Vorwurf der Spionage geschuldet war. Isabelle-Angélique de Montmorency-Bouteville, verwitwete Duchesse de Châtillon (* 1612, † 1695), kam aufgrund ihrer zweiten Ehe mit Christian von Mecklenburg in Berührung mit den Außenbeziehungen. Sie profitierte in ihrer selbst ernannten diplomatischen Mission in erster Linie von ihrem guten Netzwerk in Europa und stellte ihre Verhandlungen stets als „Besuche von Freunden“38 dar. Diese „doppelte Diplomatie“, in der sich schließlich der Botschafter ihr unterzuordnen hatte, wurde vom Staatssekretariat in Versailles koordiniert. Die Duchesse d’Arco, um noch ein weiteres Beispiel
34 Vgl. López-Cordón Cortezo, Entre damas, 149; Arndt, Möglichkeiten und Grenzen, 168. Auch Berlepsch wurde von der Historiographie als machthungrig und habgierig verurteilt. 35 Vgl. den Hinweis bei Tischer, Botschafterin, 305. 36 Vgl. Haehl, Les affaires, 296. Das Beispiel sei laut der Autorin tout à fait caractéristique de ces usages gewesen. 37 Siehe MAE CP Espagne 147, 150; MAE CP Espagne 148, 28 und 284; MAE CP Espagne 167, 36; MAE CP Espagne 168, 53; MAE CP Espagne 171, 35. Vgl. auch Labourdette, Jean-François, La Nation Française à Lisbonne de 1669 à 1790. Entre colbertisme et libéralisme, Paris 1988, 278 f.; Désos, L’ entourage, 216. 38 Reinhardt, Les Relations internationales, 225.
Schlussbetrachtung
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zu bringen, vermittelte maßgeblich zwischen Kurfürst Max Emmanuel von Bayern und der französischen Krone39. Die letzte Gruppe stellen Mätressen und adlige Frauen dar, die aufgrund ihrer persönlichen Beziehungen Zugang zur Macht hatten. Die zentrale Rolle der Marquise de Pompadour (* 1721, † 1764), maîtresse en titre Ludwigs XV. in den Außenbeziehungen der französischen Krone ist bereits erwähnt worden. Nicht nur bei der Vermittlung von Kontakten, auch bei richtungweisenden Entscheidungsfindungen war sie während zwanzig Jahren als engste Vertraute des Königs unverzichtbar. Sie stellte für fremde Akteure den besten Zugang zum König dar, der eine Alternative zu dem sich ausdifferenzierenden Behördenapparat bot40. Ein ähnlicher Fall liegt bei Sarah Churchill (* 1660, † 1744), bekannt als Herzogin von Marlborough, vor. Sie war eine enge Vertraute der Königin Anna von England. Ihre eigene Rolle in Politik und Diplomatie und die ihres Ehemannes John Churchill, Herzog von Marlborough, sind nicht voneinander zu trennen41. Als die wichtigste Gemeinsamkeit aller beschriebenen Fälle lässt sich festhalten, dass alle Frauen als Adlige von der politischen Kultur der Frühen Neuzeit profitierten. Sie kannten die Spielregeln der europäischen Adelsgesellschaft, aktivierten bei Bedarf ihre Netzwerke, arrangierten sich mit den Amtsträgern und verhandelten parallel, ergänzend und manchmal in Konkurrenz zu ihnen, nicht aber prinzipiell verdeckt oder heimlich. Von ihren Zeitgenossen wurde ihr Einfluss genutzt und vom Herrscher oder den Amtsträgern am Heimathof koordiniert. Mit Ausnahme von Guebriant, die ein Amt in den Außenbeziehungen innehatte, erfolgte der Zugang der Frauen zu diesem politischen Bereich über ein Hofamt, ihren Ehemann oder ihre besondere Beziehung zu einem Herrschaftsträger oder durch alle drei Faktoren zugleich. Gemeinsam ist den beschriebenen Frauen auch, dass sie sich meist an der Schnittstelle zwischen zwei höfischen Einflussbereichen bzw. Kulturen befanden. Wo die Quellenbestände die Aussage zulassen, kann von umfangreichen Korrespondenzen ausgegangen werden – genug Material in jedem Fall, um das Verständnis davon zu erweitern, wie Diplomatie in der Frühen Neuzeit funktionierte. 39 Vgl. die Korrespondenz zwischen Max Emmanuel und der Duchesse d’Arco, in Auszügen publiziert bei: Paulus, Richard, Max Emmanuel und die französische Kunst, in: Altbayerische Monatsschrift 11 (1912), 143. 40 Vgl. Dade, Pompadour, 275–278. 41 In Auswahl: Harris, Frances, A passion for government. The life of Sarah, duchess of Marlborough, Oxford, 1991; Falkner, James, Churchill, Sarah, duchess of Marlborough (* 1660, † 1744), in: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004; Green, David, Sarah, duchess of Marlborough, London 1967.
436
Schlussbetrachtung
Die Frühe Neuzeit war eine Epoche des Übergangs, in der die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen an vielen Stellen festgestellt werden kann. Auf ein „bürokratischeres“ Denken verweist beispielsweise die Aufwertung der „Profession“ des Botschafters, wie sie in der Traktatliteratur gefordert wurde: Zu einer höfischen Sozialisation sollten auch Erfahrung und spezielle Kenntnisse hinzukommen. In dem hier untersuchten Zeitraum wurde die „Académie politique“ zur Ausbildung von Botschaftersekretären gegründet (1712). Durch das Aufkommen eines bürokratischen Ethos’ wurde politische Einflussnahme, die neben dem Weg über den Amtsträger verlief, in zunehmendem Maße als unpassend wahrgenommen und gegebenenfalls auch kritisiert. In den untersuchten Briefen zeigen die Verweise auf die „ordentlichen“ Kanäle der Minister, dass hier eine Vorstellungswelt Eingang in die Köpfe fand, die sich von den Regeln der personalen Herrschaft unterscheidet. Die höfische Kultur war jedoch immer in Veränderung gewesen und hatte sich stets den Herausforderungen der jeweiligen Generation angepasst. Verschiedene Normensysteme existierten und funktionierten gleichzeitig, und der Verweis auf sie wurde stets auch strategisch eingesetzt. Die Untersuchung hat gezeigt, wie Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins als négociatrices zwischen der Interaktion vor Ort und dem „Verhandeln in Briefen“ hin- und herwechselten. Als integraler Bestandteil der französisch-spanischen Beziehungen ist ihre Korrespondenz ein Beispiel für eine höfische Form der Diplomatie, wie sie zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht in Konkurrenz, sondern in Synergie mit bürokratischen Elementen funktionierte.
Abkürzungsverzeichnis MAE ACh AE AGS AHN AN APM ASN, F BA BHStA BL BMV BNF BNE CP M&D SHD
Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Paris Archives du Château de Chantilly Acquisitions Extraordinaires Archivo General de Simancas Archivo Histórico Nacional de España Archives Nationales de France Archivo del Palacio Real, Madrid Archivio di Stato di Napoli, Archivio Farnesiano Bibliothèque de l’Arsenal, Paris Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München British Library, London Bibliothèque municipale de Versailles Bibliothèque Nationale de France Biblioteca Nacional de España Correspondance Politique Mémoires et Documents Service Historique de la Défense, Vincennes
Quellen und Literatur 1. Unveröffentlichte Quellen DEUTSCHLAND Bayrisches Hauptstaatsarchiv, München Kasten blau: – Nr. 12/24 (Briefe Philipps V., 1710–1714) – Nr. 58/1 (Briefe des Fracini aus Madrid, 1701–1702) – Nr. 60/50 (Briefe Philipps V., 1706–1707) Kasten schwarz: – Nr. 6482 (Korrespondenz des Max II. Emanuel mit Torcy und Chamillart, 1704) – Nr. 6793 (Verhandlungen des Baron Simeoni am Hof von Madrid, 1690–1705) – Nr. 6801 (Briefe des Prince des Berghes aus Madrid, betr. die spanische Thronbesteigung des Herzogs von Anjou, 1708, 1712) – Nr. 6803 (Zeremoniell der Ambassadeurs; Prince de Berghes, 1707) – Nr. 8285 (Brief an Maximilian II. Emanuel, 1705) – Nr. 8300 (Französische Briefe ohne Namensunterzeichnung aus Wien, Madrid, Rom und London, 1702–1705) – Nr. 9360 (Princesse des Ursins, 1705, 1714) – Nr. 17690–17694 (Briefe des Bertier aus Madrid, 1700–1701) – Nr. 15260 (Max II. Emanuel mit Torcy, Voysin, Monasterol, Chamillart, Louis XIV, 1703) – Nr. 15261/1 (Max II. Emanuel mit Torcy, Voysin, Monasterol, Chamillart, Louis XIV, 1711)
FRANKREICH Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Paris Acquisitions Extraordinaires – Vol. 02-06 (Papiers du marquis de Louville, autographe de la correspondance, 1702-04 und 1716) – Vol. 175–176 (Duc d’Aumont, ambassadeur de France en Angleterre, négociation du traité d’Utrecht)
Unveröffentlichte Quellen
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Correspondance politique Bavière – Vol. 63 (1711) Correspondance politique Espagne Vol. 83–248 (1700–1715) Insbesondere: – Vol. 134 (Mémoires politiques divers) – Vol. 138–139 (1704) – Vol. 143 (1704) – Vol. 145 (1704–1705) – Vol. 146–197 (1705–1710) – Vol. 203 (1710) – Vol. 209 (1711) – Vol. 210 (1711–1712) – Vol. 223 (1713) – Vol. 224 (1713–1714) – Vol. 227 (1713) – Vol. 230–232 (1714) Correspondance politique Espagne. Supplément – Vol. 9 (1700–1703) – Vol. 10 (1702–1707) – Vol. 11 (1708–1716) Correspondance politique Gênes – Vol. 33 (1701) Correspondance politique Sardaigne – Vol. 107 (1701) – Vol. 109 (1701) Mémoires et documents Angleterre – Vol. 75 (Copie d’une lettre du duc de Villeroy à Madame de Maintenon, 1715) Mémoires et documents Espagne – Vol. 12 (Catafalque en l’honneur de Charles II, 1700; Mémoire sur la cour d’Espagne, par Le Maingre de Bouciquault, 1721) – Vol. 49 (Mémoires relatifs à la succession d’Espagne, par Le Dran, 1697–1714) – Vol. 51 (Mémoires relatifs aux questions de ceremonial de l’étiquette entre les deux cours de France et d’Espagne, 1700–1729)
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Quellen und Literatur
– Vol. 92 (Portrait de la Cour d’Espagne, 1701–1702; négociations par Le Dran, 1711– 1713; Mémoires sur les conseils d’Espagne en 1713 par le duc d’Éstrées, 1722) – Vol. 94 (Histoire de l’avènement du prince Philippe de France, duc d’Anjou, à la couronne d‘Espagne par Le Dran, vol. 1, 1718). – Vol. 99 (Lettres de Philippe V à Madame de Maintenon, 1701–1715) – Vol. 101 (Histoire de l’avènement du prince Philippe de France à la couronne d’Espagne, par Le Dran, vol. 2, 1718) – Vol. 101–116 (Correspondance entre Marsin, Blécourt, Montviel, d’Éstrées, Louville, Beauvilliers, Torcy, le roi d’Espagne, la reine d’Espagne, Louis XIV, la princesse des Ursins, le cardinal Portocarrero etc., 1701–1703) – Vol. 125 (Lettres de la princesse des Ursins au duc de Noailles, 1701–1714) – Vol. 126 (Correspondance de Louis XIV et de Philippe V (1703–1714); précis historique par Le Dran,1721) – Vol. 128 (Lettres de la reine Marie-Louise à Madame de Maintenon, 1702–1712) – Vol. 203–206 (Histoire de ce qui s’est passé par rapport à la succession d’Espagne, 1697– 1739) – Vol. 139 (Analyse et résumé historique des négociations entre la France et l’Espagne, par Bruny, 1714–1715) – Vol. 368 (Mémoire de Joachin Legrand sur la lutte du cardinal d’Éstrées contre Madame des Ursins et Orry, vers 1715) Mémoires et documents France – Vol. 306 (Expeditions et papiers politiques, 1701–1704) – Vol. 137 (Lettres de M. Desmarets et M. Chamillart à Louis XIV et à Madame de Maintenon, Mémoires financiers par M. Desmarets)
Archives Nationales de France Série K. Monuments Historiques – K 121/38 (Carta de Felipe sobre la vuelta de la Princessa de los Ursinos, 1705) – K 323 (Décret du Roi d’Espagne) – K 326 (Mémoire par M. de Blécourt) – K 902 (Extracto de una relación enviada a la Princessa de los Ursinos, 1704) – K 905 (Notes sur le règne de Philippe V et Alberoni) – K 906 (Relation de cérémonies) – K 1332–26 (Rénonciation du roi Philippe à la couronne, 1713) – XIX 3580 (Notes et documents sur Madame de Maintenon) – K 1339 (2 Lettres à Madame de Maintenon) – K 1452 (Mémorial de la gouvernante des Enfants de France, 1704–1744)
Unveröffentlichte Quellen – – – – – –
K 1333 (Espagne, Histoire étrangère, 17ème-18ème siècle) K 1340 (Ambassades en divers États: instructions, mémoires, notes, 1596–1791) K 1359/8 (Ambassade d’Usson Bonrepaus en Espagne, 1711–1712) K 1359/9–10 (Memorias sobre el estado de la corte, 1713) K 1712 (Ceremonial, 1560–1806) K 1719/4 (Réception des ambassadeurs. Extraits des Registres des Ceremonies)
Série KK – KK 1452 (Livre qui contient tout ce qui peut interesser Madame la Gouvernante) Minutier Central – Etude XCII 330 (Princesse des Ursins, 1705–1723)
Bibliothèque de l’Arsenal, Paris – – – –
Ms. 2738 (Lettre de la Princesse des Ursins à la duchesse de Ventadour) Ms. 3202 (Lettres de Madame de Maintenon à Madame d’Huxelles) Ms. 6599 (Trois pièces de vers contre Louis XIV et Madame de Maintenon) Ms. 8328 (Consulto de la Princesa de los Ursinos, pamphlet)
Bibliothèque Nationale de France Fonds français: – Ms. 23214 (Lettres de l’Abbé d’Éstrées au Cardinal de Noailles, 1703) – Vol. 6919 (microfilm) (Lettres de la Princesse des Ursins, 1705)
Service Historique de la Défense, Vincennes Correspondances. Série A. Ancien Régime – A1 1519 (1701) – A1 1598–99 (1701) – A1 1695 (1703) – A1 1733 (1701) – A1 1786 (1702) – A1 1884 (1705) – A1 1890 (1705) – A1 2051 (1707)
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Quellen und Literatur
Archives du Château de Chantilly – S XVII (Lettres de la Princesse des Ursins au duc de Vendôme, 1710–1711) – T II (Lettres de la Princesse des Ursins au Prince et à la Princesse de Condé, 1700– 1709) – T III (Lettres de la Princesse des Ursins à la Princesse de Condé, 1710–1713) – T IV (Lettres de la Princesse des Ursins à la Princesse de Condé, 1714)
Bibliothèque municipale de Versailles – Ms. 3015 (56 M) (Lettres de Madame de Maintenon à la duchesse de Ventadour et l’inverse) – Ms. 3194 (F 629–630) (Madame de Pérou: Memoire de la maison de St. Louis) – Ms. 1469 (F 729) (Lettres de la Princesse des Ursins) – Ms. 301bis: 65 P (Lettres édifiantes de Madame de Maintenon, 1694–1703) 66 P (Lettres édifiantes de Madame de Maintenon,1703–1708) 67 P (Lettres édifiantes de Madame de Maintenon, 1708–1709) 68 P (Lettres édifiantes de Madame de Maintenon, 1715–1720)
GROSSBRITANNIEN British Library Additional Manuscripts – Ms. 20918: Correspondence of Madame de Maintenon and the Princesse des Ursins, Vol. 1 (1705–1708) – Ms. 20919: Correspondence of Madame de Maintenon and the Princesse des Ursins, Vol. 2 (1708–1710) – Ms. 20920: Correspondence of Madame de Maintenon and the Princesse des Ursins, Vol. 3 (1710–1715) – Ms. 20532: Letters of the Princesse des Ursins and of Flavio Orsini, Duke of Bracciano to Cardinal Gualterio, Vol. 1 (1703–1724) – Ms. 20533: Letters of the Princesse des Ursins and of Flavio Orsini, Duke of Bracciano to Cardinal Gualterio, Vol. 2 (1703–1724) – Ms. 20534: Drafts of letters of Cardinal Gualterio to the Princesse des Ursins (1708– 1719)
Unveröffentlichte Quellen
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ITALIEN Archivio di Stato di Napoli Carte Farnesiane: – Busta 54 (Minute di lettere all’Abbate Guilio Alberoni, 1714) – Busta 56/I (Lettere del Abbate Guilio Alberoni, 1715)
SPANIEN Archivo Histórico Nacional de España Estado Francia – Legajo 271 (Correspondencia de Extremadura y Castilla, 1705) – Legajo 275 (Cartas de Casteldosrios a Grimaldo, 1705) – Legajo 373/112 (Carta del Duque de Noailles, 1709) – Legajo 399 (Duque de Alba, 1709) – Legajo 373 (Duque de Alba, cartas, 1709–1710) – Legajos 828–829 (Minutas de despachos: Casteldosrios a Grimaldo, Felipe V, Portocarrero etc., 1703) – Legajo 848 (Breve de Clemente XII al Rey con motivo de su matrimonio) – Legajo 1294 (Cartas del Duque de Alba, 1703) – Legajo 1605 (Consejo de Estado, Correspondencia del Duque de Alba, 1704) – Legajos 1651–61, 1669, 1685–86, 1691–92 (Consejo de Estado: Negociación de Francia, 1700–1715) – Legajos 1685–86 (Consejo de Estado: Negociación de Francia, 1702) – Legajo 1669 (Consejo de Estado, 1713–1718) – Legajo 2074 (Duque de Alba, 1705) – Legajo 2122 (Duque de Alba, 1706) – Legajo 2131 (Duque de Alba, 1706) – Legajo 2480 (Comunicación del Duque de Alba, 1707) – Legajo 2514 (Cartas de Felipe V al corte de Francia, 1703–1714) – Legajo 2530 (Cartas del Conde de Bergeick a Felipe V, 1712) – Legajo 2531 (Duque de Alba, 1706) – Legajo 2627 (María Luisa; su enfermedad, 1713) – Legajos 2733 (Cartas de Berwick et de Marcillac a Felipe V, 1714–1727) – Legajos 2555–56 (Papeles de Felipe V, renuncia, 1712–1715) – Legajo 2574 (Cartas de Felipe V a Luis XIV, 1706–1711, al Conde de Bergeick, 1709– 1710; Cartas de la Reina María Luisa, 1708–1712)
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Quellen und Literatur
Legajo 2793 (Consultas de Consejo de Estado, 1701) Legajos 2454 (Cartas de Felipe de Orleans, 1707–1723) Legajos 2555–56 (Papeles sobre la renuncia de Felipe V) Legajo 2460.1 (Correspondencia del Duque de Noailles, 1710–1712; Cartas del Duque de Vendome, 1711) Legajo 2460.2 (400 Cartas originales de Felipe V y Luis XIV, 1701–1715) Legajo 2460.3 (Cartas de Felipe V a Luis XIV, Madama de Maintenon, Torcy, Bergeick, Elisabetta Farnesio, 1714) Legajo 2480 (Baptismo del Principe de Asturias Don Luis, 1707) Legajo 2484 (Cartas de Juan Orry, 1711–1714) Legajos 2819/1–8 (Correspondencia del Conde de Bergeick con Felipe V, 1711) Legajo 2819 (Correspondencia de Felipe V, 1711–1718; Correspondencia del Conde de Bergeick, 1711–18) Legajo 2850 (Cartas de la Princesa de los Ursinos al Marqués de Grimaldo, Minuta de carta al Rey de Francia, 1714–15) Legajo 2864 (Correspondencia entre Grimaldo, Popoli, Brancas, Felipe V, 1703–1714) Legajo 4004 (Correspondencia del Duque de Alba y de M. Amelot, 1709) Legajo 3279 (Consulta de la Princesa des los Ursinos en el gavinete del Rey Christianíssimo en presencia de Madama Maitenon (sic), traducida de francés en español) Legajo 4838 (Carta al Marqués de Castelldosrius) Legajo 6394 (Cartas de Felipe V, 1707–1715) Libro 278 (Registro de cartas y despachos de Felipe V, 1706–14)
Archivo del Palacio Real, Madrid Sección Histórica – Embajadas, Felipe V. Recepción y hospedaje de embajadores: caja 41–47 (1701–1715) – Correspondencia familar y diplomática: caja 34/1–26 (1701–1714) – Ministerios. Felipe V: caja 94/130 (1705–1706) Sección Reinados. Fondo: Felipe V, Casa de la Reina – Legajo 255 (1701–1714) – Legajo 274–275 (1701–1715) Sección Reinados. Fondo: Felipe V. Jornadas y Viajes – Legajo 179 (1701–1704) Sección Personal – Caja 1052/42 (Cuentas del gasto ocurrido en el viaje de la Princesa de los Ursinos, 1701–1702, 1705)
Veröffentlichte Quellen
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Biblioteca Nacional de España – –
Ms. 10907 (Cartas copiadas de los Grandes, 1710) Ms. 11242 (Conducta de la Princesa de los Ursinos en el gabinete del Rey Christianíssimo en presencia de Madame de Mayntinon (sic). Traducida de francés en español), das gleiche Dokument in ms. 22035 und ms. 7762
Archivo General de Simancas – Estado Francia: legajos 4301–4308 (Correspondencia del Duque de Alba, 1705–1709) – Estado Francia: legajos 4309–4315 (Correspondencia del Duque de Ossuna y del Marqués de Monteleon, 1709–1713) – Estado Holandia: legajos 6174–77 (Correspondencia desde Utrecht: Monteleon, Ossuna, d’Aubigny, de Laules, de Capres, 1713–1714) – Estado Inglaterra: legajo 6822 (Fechos de Correspondencia con el Marqués de Monteleón, 1713) – Estado Inglaterra: legajo 6827–6829 (Fechos de Correspondencia con el Marqués de Monteleón, 1714–1715) – Estado Roma: legajos 4751–55 (Correspondencia del Duque de Uceda, 1701, 1705– 1708) – Estado: legajo 8121 (Fechos de la correspondencia de la Princesa de los Ursinos sobre la soveranía de Limburg, 1711–1714)
Archivo Histórico Nacional/seccion nobleza, Toledo Osuna – Caja 3620/1 (Carta de Luis XIV a la Duquesa de Bejar, 1704) – Caja 163/1–2 (Cartas de la Princesa de los Orsinos al Duque de Gandía, 1705)
2. Veröffentlichte Quellen Argenson, René Louis de Voyer d’, Mémoires et Journal inédit, hrsg. v. Edmé Jacques Benoît Rathery, 9 Bde., Paris 1859–1867. Aumale, Marie Jeanne de, Mémoires et lettres inédites, hrsg. v. Gabriel P. d’Haussonville / Gabriel Hanoteaux (Souvenirs sur Madame de Maintenon, 1), Paris 21902. Dies., Souvenirs sur Madame de Maintenon. Les Cahiers de Mlle d’Aumale, hrsg. v. Gabriel P. d’Haussonville / Gabriel Hanoteaux (Souvenirs sur Madame de Maintenon, 2), Paris 1903.
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Quellen und Literatur
Barozzi Nicolò / Berchet Guglielmo (Hrsg.), Le Relazioni degli Stati Europei lette al senato dagli ambasciatori veneti nel secolo decimosettimo, Serie II: Francia, Bd. 3, Venedig 1863. Berwick, James Fitz-James Stuart, Duke of Fitz-James and Berwick, Maréchal de, Mémoires, avec une suite abrégée depuis 1716, jusqu’à sa mort en 1734, hrsg. v. Fitz-James Stuart / Duc de Jaques (Collections des Mémoires Relatifs à l’Histoire de France, 65–66), Paris 1828. [Bolingbroke, Henry St. John], Letters and Correspondence. Public and Private of the Right Honourable Henry St. John, Lord Visc. Bolingbroke; during the Time He Was Secretary of State to Queen Anne; with State Papers, hrsg. u. bearb. v. Gilbert Parke, 4 Bde., London 1798. [Ders.], Mémoires secrets de Mylord Bolingbroke, sur les affaires d’Angleterre depuis 1710 jusqu’en 1716 et plusieurs intrigues à la cour de France, 3 Bde., London 1754. Bossuet, Jean-Bénigne, Sermons et oraisons funèbres, hrsg. v. Michel Crépu, Paris 1997. Bourgogne, Louis de Bourbon, Duc de, Lettres à Madame de Maintenon, Paris 1900. [Ders.], Lettres du Duc de Bourgogne au Roi d’Espagne Philippe V et à la Reine, hrsg. v. Alfred Baudrillart, Paris 1912–1916. Callières, François de, De la manière de négocier avec les souverains (1716), in: François de Callieres. L’art de négocier en France sous Louis XIV, hrsg. v. Jean-Claude Waquet, Paris 2005, Annexe, 175–268. Caylus, Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de Mursay, Comtesse de, Madame de Maintenon, Louis XIV et la cour. Souvenirs de Madame de Caylus, Paris [1887]. [Dies.], Souvenirs, hrsg. v. Bernard Noël, Paris 21986. Coignard, Jean B. (Hrsg.), Le dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy, 2 Bde., Paris 1694. (Digitale Version: http://gallica.bnf.fr) Ders. (Hrsg.), Nouveau dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy, 2 Bde., 2Paris 1718. (Digitale Version: http://gallica.bnf.fr) Ders. (Hrsg.), Le dictionnaire de l’Académie françoise, dédié au Roy, 2 Bde., 3. Ausgabe: Paris 1740. (Digitale Version: http://gallica.bnf.fr) [Cosnac, Daniel de], Mémoires de Daniel de Cosnac. Archevêque d’Aix, conseiller du roi en ses conseils, commandeur de l’ordre du Saint-Esprit, hrsg. v. Comte Jules de Cosnac, 2 Bde., Paris 1852. Courtin, Antoine de, Nouveau traité de la civilité qui se pratique en France parmi les honnêtes gens (1671), hrsg. v. Marie-Claire Grassi, Clermont-Ferrand 1998. Coxe, William, Memoirs of the Kings of Spain of the House of Bourbon from the Ascension of Philip the Fifth to the Death of Charles the Third. 1700–1788, 5 Bde., London 1813. Dangeau, Philippe de Courcillon de, Abrégé des mémoires ou journal du Marquis de Dangeau. Extrait du manuscrit original avec des notes, hrsg. v. Stéphanie Félicité de Genlis, Paris 1817. Ders., Journal de la cour de Louis XIV, hrsg. v. Édmond de Soulié, 19 Bde., Paris 1854– 60.
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Personenregister Die Stichworte Maintenon, Ursins und Ludwig XIV. entfallen. A Aguilar, Inigo de la Croix Manrique de Lara, Conde d’ 346, 347 Alba, Antón Martín Álvarez de Toledo y Manrique de Lara, Duque de 132, 135, 152, 153, 160, 171, 222, 255, 354 Alberoni, Guilio 161, 310, 315 Amelot, siehe Gournay, Michel-Jean Amelot, Marquis de 76, 81, 127, 133, 134, 136, 137, 140, 155, 159, 165, 227, 229, 235, 236, 237, 238, 240, 242, 252, 257, 285, 286, 287, 295, 296, 311, 317, 318, 319, 321, 327, 328, 344, 345, 346, 350, 351, 353, 354, 357, 361, 364, 365, 366, 382, 423, 424, 434 Anna, Königin von England 109, 181, 435 Arias, Juan Manuel 123 Asturien, Ludwig I., Prinz von 123, 168, 238 Aubéry, Julie-Renée d’ 57 Aubigny, Jean Bouteroue d’ 70, 80, 193, 194, 392, 396, 397, 400, 405, 407, 408, 409, 418 Aumale, Marie Jeanne d’ 31, 80, 303, 304, 305 Ayen, Adrien-Maurice, Comte de, siehe Noailles, Adrien-Maurice, Comte d’Ayen, Duc de 60, 100, 101, 103 B Barbiche, Bernard 143, 146 Baudrillart, Alfred 53, 172, 382, 393, 397, 416 Bély, Lucien 18, 116, 147
Bergeyck, Jean de Brouchoven, Comte de 100, 158, 313, 374, 375, 376, 377, 379, 382, 383, 384, 411, 412 Berlepsch, Maria Gertrud von 434 Berwick, James Stuart, Duke of FitzJames and 100, 101, 127, 156, 189, 218, 222, 241, 264, 270, 288, 342, 347, 348, 349, 350, 351, 356, 411, 412 Bezons, Jacques Bazin, Marquis de 156, 367 Blécourt, Jean-Denis, Marquis de 66, 124, 137, 153, 327, 365, 366, 423, 424 Bolingbroke, Herny St. John, Viscount of 31, 109, 381, 387, 389, 400, 401, 402 Bonnac, Jean-Louis d’Usson, Marquis de 138, 153, 155, 327, 343, 383, 384, 385, 390, 391, 392, 423, 424 Bossuet, Jacques Bénigne 97, 99 Boufflers, Louis-François, Duc et Maréchal de 100, 137, 297, 368 Bouillon, Emmanuel Théodore de la Tour d’Auvergne, Cardinal de 61 Bourbon-Orléans, Marguerite-Louise de 433 Bourgogne, Louis de Bourbon, Duc de 42, 47, 100, 101, 104, 138, 158, 171, 202, 218, 228, 272, 317, 383, 386 Bourgogne, Marie-Adélaïde de Savoie, Duchesse de 42, 47, 50, 51, 85, 91, 94, 106, 162, 186, 200, 202, 204, 206, 210, 216, 218, 219, 223, 228, 229, 231, 272, 273, 280, 283, 305, 314, 316, 386, 409, 426 Bracciano, Flavio I. Orsini, Principe di Taranto, Duca de 58
492 Bracciano, Marie-Anne de la Trémoille, Duquesa de 11, 39, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 78 Brancas, Louis de Cerest, Marquis de 85, 127, 138, 139, 151, 153, 222, 255, 296, 337, 399, 400, 411, 412, 423, 424 Bryant, Marc 30, 43, 47, 50, 53, 54, 78, 90, 98, 105, 252, 260 Burke, Peter 244 C Callières, François, Sieur de Rochelay et de Gigny 32, 242, 294, 334, 335, 336 Castelldosrius, Manuel Sentmenat, Marqués de 135 Caylus, Marthe-Marguerite Le Valois de Villette de Mursay, Marquise de 31, 43, 85, 96, 97, 211, 214, 219, 224, 229, 271, 302, 413 Cellamare, Antonio José del Guidice y Papacoda, Prince de 140, 407 Cermakian, Marianne 28, 57, 77, 169, 278, 406, 416 Chalais, Adrien-Blaise de Talleyrand, Duc de 57, 58 Chalais, Louis-Jean-Charles de Talleyrand-Perigord, Comte, später Prince de 70, 141, 225, 374, 406, 413 Chalais, Louis-Jean-Charles de Talleyrand-Perigord, Comte, später Prince de 226, 227, 237, 374, 413, 418 Chamillart, Michel 48, 85, 91, 103, 111, 126, 127, 133, 144, 145, 146, 150, 164, 165, 171, 207, 226, 264, 314, 317, 345, 347, 348, 354, 364 Churchill, Sarah, Duchess of Marlborough 435 Clemens XI., Papst 63, 107 Colbert, Charles François, Marquis de Croissy 59, 60, 61, 144
Personenregister Colbert, Jean-Baptiste, Marquis de Seignelay 41, 42, 59, 60, 83, 144, 325 Colbert, Jean-Baptiste, Marquis de Torcy 48, 51, 59, 61, 65, 67, 70, 74, 81, 85, 86, 87, 91, 105, 108, 110, 112, 132, 140, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 153, 155, 157, 162, 163, 167, 168, 170, 171, 207, 208, 226, 227, 236, 249, 258, 288, 289, 295, 297, 298, 308, 311, 321, 327, 328, 330, 331, 337, 343, 346, 350, 351, 353, 354, 355, 359, 360, 361, 363, 378, 379, 385, 387, 388, 389, 396, 398, 406, 408, 409, 424, 432, 434 Conty, Louis François I. de Bourbon, Prince de 212 Cosnac, Daniel de 306, 309, 321 Couchman, Jane 25, 115 Coxe, William 31, 323 D Dade, Eva K. 21, 39, 150 Danckelman, Freiin Sophie von 432 Dangeau, Philippe de Courcillon, Marquis de 31, 48, 212, 308, 355 Dangeau, Sophia Maria Wilhelmina von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Marquise de 92, 211, 212 Daubenton, R.P. Guillaume 70, 126, 131, 155 Desmarets, Nicolas 48, 103, 145, 264, 311, 355, 364, 372, 373 Désos, Catherine 139 Duclos, Charles Pinot 323, 324 Duindam, Jeroen 54 E Elias, Norbert 15, 17, 37, 44, 211 Engels, Jens Ivo 204, 265, 266 Épennes, Toussaint de Vento, Chevalier d’ 70
Personenregister Éstrées, César, Cardinal d’ 58, 76, 87, 124, 131, 150, 423, 424 Éstrées, Jean d’, Abbé de Saint Claude et d’ 58, 76, 80, 131, 132, 150, 171, 295, 329, 423, 424 Eugen Franz, Prinz von SavoyenCarignan 137, 163, 243, 246, 362, 403 Eugen, Herzog von Savoyen, siehe Eugen Franz, Prinz von Savoyen 361, 390 F Fénelon, François de Salignac de La Mothe 98, 99, 155 Filtz-Moritz, Monsieur 307, 310, 315, 318 Frevert, Ute 67 Friedrich II. von Preußen 432 Furetière, Antoine 37 G Geffroy, Auguste 28, 87, 397 Giudice, Francisco, Cardenal del 135, 394, 399, 403, 404, 405, 406, 408, 409 Glapion, Marie-Madeleine de 46, 97 Gobelin, François, Abbé 97 Godet des Marais, Paul 98, 99 Gournay, Michel-Jean Amelot, Marquis de 133, 151, 162, 229, 331, 423 Gramont, Antoine-Charles, Duc de 76, 121, 132, 151, 155, 166, 167, 171, 172, 349, 351, 352, 358, 423 Grimaldo, José de Grimaldo y Gutiérrez de Solórzano, Marqués de 94, 95, 308, 354, 404, 415 Gualterio, Filippo Antonio, Cardinal de 28, 50, 108, 110, 174, 219, 275, 432 Guebriant, Renée du Bec-Crespin 433, 435
493 H Habermas, Jürgen 22 Harcourt, Henri, Marquis de Beuvron, Duc d’ 63, 121, 124, 126, 127, 130, 150, 162, 207, 219, 269, 310, 320, 332 Hausen, Karin 22, 47, 324 Heinsius, Anton 361, 362 Henriette Marie von England 20, 434 Henshall, Nicholas 15 Heudicourt, Bonne de Pons, Marquise d’ 92, 93, 212 Hohkamp, Michaela 23 Hotman, Jean, Sieur de Villiers 151 I Iberville, Charles-François de la Bonde d’ 141, 153, 398 J Jakob II., König von England 93 Janson, Toussaint Forbin, Cardinal de 61, 70, 166 Joseph Clemens von Bayern, Kurfürst von Köln 119 Joseph Ferdinand, Kurfürst von Bayern 117 K Kantorowicz, Ernst Hartwig 203 Karl, Franz Joseph Wenzel Balthasar Johann Anton Ignaz, Erzherzog 117, 123, 134, 136, 138, 199, 358, 386, 403 Karl III., Kaiser, siehe Karl, Franz Joseph Wenzel Balthasar Johann Anton Ignaz, Erzherzog 117, 285 Karl II., König von Spanien und Sizilien, siehe Karl, Franz Joseph Wenzel Balthasar Johann Anton Ignaz, Erzherzog 51, 63, 70, 117, 118, 128, 135, 235, 307, 324
494 Keller, Katrin 20 Kettering, Sharon 187, 220 Kugeler, Heidrun 143, 334 L La Chaise, François d’Aix, Père 98 Landwehr, Achim 32, 261, 268 Languet de Gergy, Jean-Joseph 96, 97, 99, 305 Lanti, Alessandro, Duca de 28, 418 Leopold I., Kaiser 117 Lerma, Francisco Gómez de Sandoval-Rojas y Borja, Duque de 321 Le Roy Ladurie, Emmanuel 53 Lexington, Robert Sutton, II. Baron of 109, 318, 394, 396, 407, 410 Liselotte von der Pfalz, siehe Orléans, Elisabeth-Charlotte, Duchesse de 51, 308, 311, 322 Louville, Charles Auguste d’Allonville, Marquis de 52, 67, 125, 131, 132, 155, 156, 158, 162, 323, 330 Louvois, Francois Michel Le Tellier, Marquis de 42, 83, 86, 245, 325 Loyau, Marcel 26, 77, 278, 416 Ludwig XV., König von Frankreich 21, 42, 49, 51, 150, 157, 386, 435 Luhmann, Niklas 16, 34, 67, 176, 195, 244 Lynch, John 74, 134 M Maine, Louis-Auguste, Duc de 40, 42, 50, 213, 312, 314 Maria Anna von Pfalz-Neuburg 63, 106 Maria, Königin von England 93, 94, 218, 219 Maria Luisa von Savoyen, Königin von Spanien 11, 12, 56, 63, 65, 67, 68, 84, 110, 119, 127, 129, 131, 132, 139, 156,
Personenregister 158, 160, 161, 171, 172, 203, 204, 205, 206, 218, 219, 220, 222, 223, 228, 229, 237, 238, 247, 255, 257, 258, 272, 274, 282, 284, 285, 287, 288, 290, 298, 300, 310, 315, 320, 342, 344, 348, 351, 354, 357, 362, 366, 368, 374, 376, 379, 380, 382, 386, 397, 409, 419, 424, 426 Maria Theresia, Königin von Spanien 41, 45, 107 Marie-Thérèse d’Autriche, siehe Maria Theresia Königin von Spanien 41 Marlborough, John Churchill, Duke of 137, 241, 243, 361, 362, 435 Marsin, Ferdinand, Comte de 66, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 150, 153, 162, 166, 307, 327, 328, 331, 332, 423, 424 Mascara Torriani, Abbé de 307, 311 Max Emmanuel, Kurfürst von Bayern 117, 398, 435 Mazarin, Jules, Cardinal 57, 83, 155 Medici, Cosimo III. de 433 Medina, Antonio Cristóbal de Ubilla y Siehe Ubilla y Medina, Antonio Cristóbal de Medinaceli, Fernández de Córdoba y Fugueroa de la Cerda, Duque de 60, 70, 255, 291 Mesnager, Nicolas Le Baillif, Comte de Saint-Jean 153 Monaco, Ludwig Grimaldi, Fürst von 61, 62 Monteleón, Isidro Casado de Acevedo y Rosales, Marqués de 383, 396, 398, 400, 401, 402, 405 Montespan, Françoise-Athanaïs de Rochechouart de Mortemart, Marquise de 31, 39, 40, 42, 44, 92, 212, 303 Montmorency-Bouteville, IsabelleAngélique, Duchesse de Châtillon 434
Personenregister N Nantes, Louise-Françoise de Bourbon, Mademoiselle de 40, 212 Noailles, Adrien-Maurice, Comte d’Ayen, Duc de 91, 100, 101, 104, 111, 113, 127, 153, 156, 158, 207, 313, 323, 331, 332, 348, 350, 355, 365, 367, 368, 369, 374, 379, 393 Noailles, Louis Antoine de, Cardinal de 98, 100, 108, 164 Noailles, Marie-Françoise de Bournonville, Maréchale de 60, 61, 64, 65, 111, 163, 164, 169, 170, 171, 188, 219, 224, 332, 345, 367 Noirmoutier, Louis de la Trémoille, Duc de 57, 85, 166 O Olivares, Gaspar de Guzmán y Pimentel Ribera y Velasco de Tovar, Conde-duque de 321 O, Marie-Anne de la Vergne de Guilleraguers, Marquise d’ 92, 223 Orléans, Elisabeth-Charlotte, Duchesse de 51, 308 Orléans, Philipp II., Duc d’ 51, 100, 101, 103, 127, 129, 139, 140, 158, 159, 188, 189, 192, 197, 212, 214, 230, 241, 311, 312, 314, 315, 317, 334, 342, 349, 350, 352, 358, 369, 370, 374, 394 Orry, Jean 129, 133, 150, 153, 164, 165, 166, 207, 229, 235, 237, 240, 295, 310, 313, 320, 321, 342, 348, 357, 382, 411, 418 Oßwald-Bargende, Sybille 39 Osuna, Francisco María de Paula Téllez-Girón y Benavides, Duque de 158, 383, 396, 398, 399, 407, 415
495 P Peterborough, Milord 276 Philipp V., König von Spanien 12, 63, 65, 67, 70, 73, 74, 76, 81, 82, 84, 91, 94, 101, 109, 110, 119, 120, 121, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 142, 153, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 165, 166, 172, 205, 214, 218, 220, 221, 222, 235, 237, 238, 239, 240, 247, 255, 257, 270, 271, 275, 279, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 298, 300, 307, 310, 315, 316, 317, 318, 320, 321, 327, 328, 329, 330, 342, 343, 344, 345, 346, 348, 350, 352, 353, 354, 356, 357, 360, 362, 364, 365, 366, 368, 370, 374, 375, 378, 380, 381, 383, 385, 386, 387, 388, 390, 391, 392, 393, 394, 395, 396, 397, 398, 399, 400, 401, 403, 404, 405, 407, 408, 409, 410, 412, 413, 417, 419, 421, 423, 424, 429 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, Marquise de 51, 435 Pomponne, Simon Arnauld, Marquis de 59, 61, 144 Pontchartrain, Louis, Comte de Phélypeaux, Marquis de 61, 91, 92, 96, 112, 145, 146, 150, 165, 166, 217 Portocarrero, Luis Emmanuel Fernández Boccanegra de, Cardinal de 67, 70, 123, 131, 132, 158, 315 R Reinhardt, Nicole 20 Reinhard, Wolfgang 19, 43, 145, 184 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Duc et Cardinal de 341 Robinet, Pierre, Père 155, 275, 418 Roosen, William James 93 Rouillé, Pierre, Seigneur de Marbeuf et Saint-Seine 251, 357
496 Rousseau de Chamoy, Louis 336 Rule, John 143, 147 S Saint-Aignan, Paul Hipplyte de Beauvilliers, Duc de 98, 125, 139, 153, 155 Saint-Pierre, Marguerite-Thérèse Colbert de Croissy, Duchesse de 433 Saint-Simon, Louis de Rouvroy, Duc de 31, 41, 46, 48, 50, 52, 127, 132, 147, 227, 306, 308, 309, 312, 313, 314, 317, 319, 320, 321, 322, 323, 324, 337 Salle, Madame de la 128, 284 San Felipe, Vicente Bacallar y Sanna, Marqués de 31, 124, 307, 310, 316, 317, 318, 372 Scarron, Paul 38, 39 Schlögl, Rudolf 32 Serre, Jean Puget de la 88, 89, 114, 216 Sévigné, Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de 46, 190, 302, 303 Spanheim, Ézéchiel 31, 42, 49, 324 Stopia, Catharina 434 Stuart, James Francis Edward 93 T Tessé, Jean-Baptiste René III. de Froulay, Comte de 100, 101, 127, 133, 156, 171, 174, 217, 235, 245, 246, 247, 269, 286, 346, 347, 396, 401, 408, 423 Tischer, Anuschka 150, 334, 433 Torcy, Jean-Baptiste Colbert, Marquis de. Siehe Colbert, Jean-Baptiste, Marquis de Torcy Toulouse, Louis Alexandre, Comte de 40, 213 Trémoille, Joseph-Emmanuel de la 111, 207, 225, 228 ‘t Serclaes von Tilly, Alberto Octavio, Fürst 100
Personenregister U Ubilla y Medina, Antonio Cristóbal de 123 V Valois, Charlotte Aglaé, Duchesse d’Orléans, Mademoiselle de, siehe Orléans, Elisabeth-Charlotte, Duchesse de 433 Vantelet, Dame 20, 434 Vaudemont, Anne Elisabeth d’Elboeuf, Princesse de 109, 163, 219, 432 Vellusig, Robert 195 Vendôme, Louis II., Joseph de Bourbon, Duc de 50, 104, 127, 128, 142, 156, 207, 230, 241, 310, 313 Vera y Figueroa, Juan Antonio de 333 Viktor Amadeus II., Herzog von Savoyen 63, 119, 167, 186, 207, 241, 243, 245, 246, 270 Villars, Claude Louis Hector, Maréchal de 31, 54, 99, 101, 102, 103, 106, 137, 156, 163, 194, 207, 217, 241, 248, 250, 257, 267, 269, 323, 363, 371, 432 Villars, Henri de 433 Villars, Marie Gigault de Bellefonds, Marquise de 433 Villeroy, François de Neufville, Duc de, Maréchal de 85, 90, 100, 102, 104, 105, 111, 128, 156, 212, 222, 228, 249, 259, 269, 270, 271, 298, 311, 369, 372, 373, 375, 378, 408, 411, 412, 432 Villette, Louise Arthémise de 38, 211 Visconti, Giovanni B. Primi 31, 325 Von Thiessen, Hillard 20, 290, 340, 430, 431 Voysin, Daniel-François de la Noiraye 43, 91, 96, 127, 146, 150, 166, 311, 321, 355, 364, 367
497
Personenregister W Wackerbarth, Catharina, Gräfin von 433 Waquet, Jean-Claude 32, 331, 335, 336, 425
Wicquefort, Abraham van 336 Wunder, Heide 433
EXTERNA GESCHICHTE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN IN NEUEN PERSPEKTIVEN HERAUSGEGEBEN VON ANDRÉ KRISCHER, BARBARA STOLLBERG-RILINGER, HILLARD VON THIESSEN UND CHRISTIAN WINDLER BISHER ERSCHIENEN
BD. 3 | MATTHIAS KÖHLER STRATEGIE UND SYMBOLIK BD. 1 | HILLARD VON THIESSEN,
VERHANDELN AUF DEM KONGRESS
CHRISTIAN WINDLER (HG.)
VON NIMWEGEN
AKTEURE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN
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carOline arni, regina schulte, xenia vOn tippelskirch (hg.)
botengänge (histOrische anthrOpOlOgie, BanD 20,1)
Bis ins späte 19. Jahrhundert wurden den Überbringern von Briefen zusätzlich mündliche Instruktionen anvertraut. So konnten sie dazu beitragen, private Kontrollmechanismen wie öffentliche Zensurvorschriften zu umgehen. In diesem Heft wird nun die informelle Nachrichten- und Wissenszirkulation in der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Differenzen untersucht. Die Beiträger/innen fragen nach der Bedeutung, der Rolle und dem Geschlecht von Vermittlern oder »Go-betweens«. Dazu gehören Überlegungen, ob und wie sich diese entlang etablierter Geschlechtergrenzen bewegten bzw. darüber hinwegsetzten. Auch wird herausgearbeitet, wie Nachrichten, Wissen und Gerüchte zirkulierten, mit Hilfe unterschiedlicher Medien übermittelt und zuweilen grundlegend verändert wurden. 2012. iv, 153 s. Br. 170 x 240 mm. | isBn 978-3-412-20900-1
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Carmen Furger
Briefsteller Das Medium »Brief« im 17. und frühen 18. Jahrhundert
Als Briefsteller werden Bücher bezeichnet, die Anleitung zum Schreiben von Briefen geben. Sie vermitteln eindrücklich, wie vielfältig die Formen des schriftlichen Austausches in der Frühen Neuzeit waren. In ihren BriefMustersammlungen sind Kondolenzbriefe neben Kauf- und Handelsbriefen aufgeführt, Liebes- und Frauenzimmerbriefe neben Bericht- oder Visitbriefen. Briefsteller zeichnen den Verlauf der Briefsprache nach, der seit dem späten 17. Jahrhundert vom Zeremoniell-Formelhaften hin zu einer freieren » galanten« Unterhaltung und zu »natürlichen« Ausdrucksweisen führt. Schließlich lassen sie sich mit Blick auf Norbert Elias als eine Art »Benimmbücher« der Frühen Neuzeit und somit als Medium des »Zivilisationsprozesses« lesen.
2010. 233 S. Mit 23 s/w-Abb. Gb. 155 x 230 mm. ISBN 978-3-412-20420-4
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