Vergemeinschaftung durch Bauen: Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn [1 ed.] 9783428523849, 9783428123841

Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn leitete 1719 in Würzburg einen umfassenden Stadtumbau ein. Am Beispiel d

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German Pages 368 Year 2007

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Vergemeinschaftung durch Bauen: Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn [1 ed.]
 9783428523849, 9783428123841

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Historische Forschungen Band 86

Vergemeinschaftung durch Bauen Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn

Von

Johannes Süßmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Johannes Süßmann Vergemeinschaftung durch Bauen

Historische Forschungen Band 86

Vergemeinschaftung durch Bauen Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn

Von Johannes Süßmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Hilfe eines Zuschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Friedrich-Sperl-Preises zur Förderung der Geisteswissenschaften 2006. Der Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahr 2005 als Habilitationsschrift angenommen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-12384-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Dank Diese Studie ist als Qualifikationsarbeit entstanden: Im Mai 2005 hat der Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main sie als Habilitationsschrift angenommen; für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Ermöglicht hat sie ein ganzer Apparat forschungsfördernder Institutionen, ihre Prägung verdankt sie den Menschen, deren Handeln die Institutionen formt. Wenigstens einige seien hier benannt. Am Frankfurter Historischen Seminar ist die Konzeption entstanden. Ohne das ständige Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Epochen und – dank des Forschungskollegs „Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel“ sowie des Zentrums zur Erforschung der Frühen Neuzeit – auch mit jenen aus anderen Disziplinen wären die Ausgriffe ins Mittelalter, in die Rechts- und Kunstgeschichte, in die Soziologie nicht denkbar gewesen. Das Forschungskolleg und das Zentrum stellten in großzügiger Weise Mittel für Arbeitstreffen bereit, ein Stipendium der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel ermöglichte konzentrierte Recherchen in den gedruckten Quellen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat das Unternehmen durch eine Sachbeihilfe und einen Zuschuß zu den Publikationskosten unterstützt. Der Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität sowie die Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main e.V. haben die Schrift mit dem „Preis zur Förderung der Geisteswissenschaften (Friedrich-Sperl-Preis)“ 2006 ausgezeichnet und damit wichtige Hilfe für den Druck geleistet. Großen Dank schulde ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsarchive Würzburg und Bamberg, des Stadtarchivs Bamberg, der Universitätsbibliothek Würzburg, der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg sowie der Bibliothek des Max-PlanckInstituts für Europäische Rechtsgeschichte (beide Frankfurt am Main). Ohne ihre Hilfe wären wichtige Materialien nicht ins Blickfeld der Untersuchung gelangt. Namentlich Dr. Wilhelm Wagenhöfer und Dr. Ingrid Heeg-Engelhart (Würzburg) haben mir Einstiege eröffnet; durch den Salon, den Dr. Jillian Bepler mit den Stipendiaten der Herzog-August-Bibliothek erschafft, hat sie die Wolfenbütteler Monate zur beschwingtesten Phase der Forschung gemacht. Von den Frankfurter Gutachtern ist an erster Stelle Prof. Dr. Luise SchornSchütte zu danken. Überaus fair hat sie das Vorhaben als Chefin unterstützt, lange Archivaufenthalte und eigenwillige Lehrveranstaltungen geduldet, kostbare Zeit für die Schreibphase eingeräumt. Ihr Rat half viele Klippen vermeiden, ihr hoher

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Dank

Anspruch, ihre bewundernswerte Energie und ihre Unerschrockenheit waren ein wichtiger Ansporn. Auf das Schönborn-Archiv hingewiesen hat mich Prof. Dr. Notker Hammerstein. In stetem Gedankenaustausch mit ihm haben sich Gegenstand und Fragestellung der Studie herausgeschält; ohne seine Erfahrung, seine Kenntnisse, seine noble Haltung sähe das Ergebnis völlig anders aus. Prof. Dr. Ulrich Muhlack half begrifflich-methodische Fragen klären. Von dem, was ich Prof. Dr. Johannes Fried verdanke, können hier nur seine Hinweise zum mittelalterlichen Adel und zum kanonischen Recht erwähnt werden. Prof. Dr. Alessandro Nova (inzwischen Florenz) hat meine Sorgen über das Wildern in kunsthistorischen Bezirken zerstreut. Vielen Experten ist für die großzügige Unterstützung zu danken, die sie der Untersuchung angedeihen ließen. Prof. Dr. Ulrich Oevermann (Frankfurt am Main) öffnete sein Forschungspraktikum, um zwei Schlüsseldokumente zum Würzburger Stadtumbau zu analysieren. Seine Vorgehensweise, seine Begrifflichkeit und seine Leidenschaft für die Sache haben die Arbeit mitgeformt. Prof. Dr. Ronald G. Asch (damals Osnabrück, inzwischen Freiburg), Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger (Münster) und Prof. Dr. Susanna Burghartz (Basel) luden mich in ihre Kolloquiumsveranstaltungen ein – viele Hinweise der Teilnehmer sind in das Buch eingegangen. Die Studierenden meiner eigenen Lehrveranstaltungen haben wichtige Klärungen veranlaßt. Prof. Dr. Johannes Kunisch (Köln) verdankt die Untersuchung ihre Aufnahme in die Historischen Forschungen, Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon und Dr. Florian R. Simon vom Verlag Duncker & Humblot die verlegerische Betreuung. Von den Frankfurter Freundinnen und Freunden müssen Dr. Gundula Grebner und PD Dr. Peter Scholz erwähnt werden. Fast zwei Jahre haben wir in einer Arbeitsgruppe über Adelstheorien geforscht, gemeinsame Lehrveranstaltungen abgehalten, unsere Vorträge und Texte diskutiert. Das hat nicht nur die Anlage dieser Studie mitbestimmt, es hat mich auch über schwierige Anfangsphasen getragen. Was ich Dr. Gisela Engel und Prof. Dr. Renate Dürr (inzwischen Kassel) verdanke, läßt sich an diesem Buch nicht zeigen. Ohne sie aber wäre es nicht in der Welt. In kritischen Momenten entscheidet der Rückhalt, der durch jahrelange Zusammenarbeit mit unbedingt verläßlichen Menschen entsteht. Von Christine Erzepky habe ich das Bilderlesen gelernt an den ungezählten Bildern, die wir miteinander betrachtet, die Leidenschaft für den Städtebau an den ungezählten Städten, die wir gemeinsam durchstreift. Ihr Hauptverdienst um diese Studie ist, daß sie den Verfasser trotzdem schätzt. Daraus hat er beim Schreiben gelebt. Frankfurt am Main, im November 2006

Johannes Süßmann

Inhalt Einleitung: Adelsherrschaft im Zeitalter der Staatsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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„Baupolitik“ als Gegenstand der Untersuchung (11) – Vorgehen (12) – grundsätzliche Fragen im verfassungsgeschichtlichen (16), familiengeschichtlichen (17) und kulturgeschichtlichen Teil (18) – die übergeordnete Frage nach der Entstehung moderner Staatlichkeit (19) – der Blick auf den Adel wird durch die Einstellung zum modernen Staat bestimmt (20) – Otto Brunner (20) – Wolfgang Reinhard (22) – der Standpunkt des Verfassers (22). A. Handlungsbedingungen: Eine Strukturanalyse reichsritterschaftlicher Stiftsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Bischofslande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rhein und seine Nebenflüsse als Verkehrswege (24), Heerstraßen und Handelswege (24), Einfallstore für Ideen (26) – Gründung der Bistümer (26) – Bedeutung für die fränkischen Könige (27) – Königsdienst der Reichskirche (29) – Dualismus bischöflicher Herrschaft (32) und die Frage dieser Arbeit (33) – strategische Bedeutung der Bischofslande (33) – Habsburg und der camino espagn˜ol (34) – Begriff der „Pfaffengasse“ (35).

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2. Senatus episcopi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründung der Kirchen auf Eigentum (36) – Vorführung in den Kathedralen (37) – die „Kanoniker“ nach der Regel des Chrodegang (41) und den Aachener Institutionen (42) – die Kapitel erwarben eigenes Vermögen (44) und teilten es in beneficia – verhinderte das jeglichen Sachbezug? (46) – Selbstverwaltung (47) – Sonderstellung der Domkapitel (49) – Einschränkung ihrer Wahlfreiheit (54) durch Koadjutorie (57) und Bistumskumulationen (58) – Sonderstellung des mittelrheinischfränkischen Bistumssystems (59) – Sedisvakanzregierung (60) und Selbstverständnis der Domkapitel (61) – Konflikte (62).

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3. Hochstifte und Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Domkapitulare Selbstdarstellung in einem Wappenkalender (64) – die Kapitulare als Mitglieder der Korporation und Vertreter ihrer Herkunftsfamilien (70) – deren Konkurrenz wurde durch die Ämterlaufbahn gesteuert (72) – „Simonie“ als Abfindung anderer Amtsanwärter (73) – „Stiftsfähigkeit“ (74) – verschiedene Sozialprofile der Domkapitel aufgrund verschiedener Exklusivierungsstrategien (78) – Domkapitel und Reichsritterschaft (82) – die erfolgreichste Familie darin waren die Schönborn (85).

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4. Stiftsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlkapitulationen (87) – offene Forschungsfragen (88) – haben Papst und Kaiser die Wahlkapitulationen um 1700 abgeschafft? (94) – das untersuchte Quellenkorpus (96) – Vorgehen (99) – Analyse von Benennung (99) und Gliederung (100) –

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Inhalt bis 1700 bezeugten Wahlkapitulationen Rechtsakte (106), nämlich Eidesleistungen (107) – die Forschung zum politischen Eid (110) – politische Eide waren keine Sicherung von Verträgen (111) – nach 1700 entfiel die Eidesleistung (115) – Analyse der Inhalte (118): Herrschaftszersplitterung zersetzte den Begriff des Gemeinwesens (126) – Analyse des Handlungszusammenhangs Bischofswahl (127) – Wahlkapitulationen als Mittel politischer Vergemeinschaftung (138). 5. Resümee: Handlungsoptionen eines Fürstbischofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Der Familienauftrag (139) und warum manche Fürstbischöfe darüber hinausgingen (142).

B. Handlungsgründe: Der Familienhabitus der Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Selbstdarstellung einer Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Die Stiftung der Pfarrkirche in Gaibach: Analyse des Hochaltars (146) – porträtiert sind Amtsträger der Familie Schönborn (153): die Familie definierte sich über ihre Amtstätigkeit (154) – Leitmotiv ihrer „Memorialoffensive“ (155) – über die Hochstiftshistorien (156) prägt es die Forschung bis heute. Exkurs 1: Die Ordnung des „Schönborn-Archivs Wiesentheid“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Es steuert den Blick: durch ungleichmäßige Verzeichnung (159) wie durch die Systematik des Korrespondenz-Archivs (162) – warum hat die Familie es erschließen lassen? (163) – sie hat den Privilegienverlust von 1918 kompensiert und den Topos vom Mäzenatentum der Schönborn geschaffen (165). Exkurs 2: Fragen, Modelle, Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Prämissen (168) – genetischer Strukturalismus (170) – Bestimmung der Begriffe „Habitus“ (172) und „Sozialisation“ (176). 2. Abstammungslinien, Laufbahnentscheidungen, Partnerwahl, Geschwisterreihen und Besitz – die Aufstiegsdynamik der Schönborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Der Familienroman von der Alteingesessenheit (181) – in Wirklichkeit gründeten zwei Halbwaisen die Familie neu (185) – die Konsequenzen: Bewährungsdruck (188), Familienzusammenhalt (189), Leistungsethos (192), zeigen sich an den Partnerwahlen (193) und den Laufbahnentscheidungen der zweiten Generation (195) – mögliches Scheitern (196) – Familienrochade (197) – Ausgangsbedingungen der dritten Generation (198) – Fortpflanzungserfolg (199), Karrierewege (205) und Besitzexpansion (209) enthoben vom Bewährungsdruck. 3. Namengebung in der Familie Schönborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Namengebung als Indikator für gewünschte Sozialbeziehungen (215) und frühkindliche Prägung (217) – die neue Mehrnamigkeit bestätigt die Umorientierung der Schönborn (219) und signalisiert soziale Mobilität – familienfremde Taufpaten werden zu Namenspatronen (223) – ein Vergleich von Namen und Laufbahnen deutet auf ungewöhnlich erfolgreiche Internalisierung von Familienaufträgen (228). 4. Sozialisationsverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Kindheit in Amtshäusern wie Steinheim (230) – Elementarunterricht (234) – Jesuitenschulen (236) – die Residenz als Domizellare (240) – neue Bedingungen für die dritte Generation (243) – Erziehungsziel Weltgewandtheit (245) – Studium am Germanicum und in Leiden (246) – Pflichtethos (250) und Leistungserwartung (251).

Inhalt

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5. Resümee: Wie untypisch waren die Schönborn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Die Aufsteigerfamilie entwickelt ein Selbstbewußtsein (254), das ihre ungewöhnliche Politik ermöglicht (258). C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Prioritäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Unmittelbar nach seiner Wahl leitet Johann Philipp Franz vielfältige Baumaßnahmen ein, mit Militärbauten (261), gezieltem Stadtumbau (265), einer neuen Residenz (266). 2. Der Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Drei Schlüsselquellen verraten das Programm, ein Gutachten Balthasar Neumanns (268), ein Huldigungsblatt zum Thema Stadterneuerung (269), ein Baumandat (277) – sie kennzeichnen die Maßnahmen als umfassende „Baupolitik“ (278) mit dem Ziel, die politische und soziale Ordnung des Gemeinwesens zu verändern (279. 3. Fürstbischöflicher Absolutismus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Antwort auf die Krise der Stiftsherrschaft um 1700 (280) – Herrschaftsverdichtung (280) – durch Bauen tritt der Fürstbischof in ein neues Verhältnis zu Stadt und Domkapitel (284) – ist es als „absolutistisch“ zu kennzeichnen? (287). 4. Gesellschaftliche Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Universelle Regelungsbedürftigkeit des Bauens (290) und historische Unterschiede – vor Johann Philipp Franz gab es in Würzburg keine umfassende Baupolitik (292) – war sie bloßer Anspruch? (293) „Sozialdisziplinierung“? (295) oder Antwort auf gesellschaftliche Erfordernisse? (295) – Demographie und Konjunktur verbreiteten das Bauen (296) – gesellschaftliche Differenzierung verlangte ständeübergreifende Integration (296) – Wandel des Wohnens (298) – Sachlichkeit auch im Verfahren (300). 5. Resümee: Öffentlicher Raum und die Entstehung der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . 301 Absolutistische Baupolitik normiert den öffentlichen Raum, aber beschränkt ihn auch (303). Schluß: Wie reformierbar war Stiftsherrschaft im 18. Jahrhundert? . . . . . . . . . . . . . . . 305 Anti-Schönbornsche Reaktion (306) und das weitere Schicksal der Baupolitik – Konsequenzen für die Diskussion über die Lebensfähigkeit der Stiftsherrschaften (308). Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Quellen: a) ungedruckte (313), b) gedruckte (314) – Literatur (322).

Einleitung: Adelsherrschaft im Zeitalter der Staatsbildung Die folgende Untersuchung ist der Versuch, die Baupolitik des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg zu verstehen. Daß es sich dabei um eine veritable Politik handelt: ein Unternehmen, das dem Gemeinwesen als ganzem galt; das viele verschiedene Maßnahmen auf ein Ziel orientierte; das sich als Um-Gestaltung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung verstand, wird im dritten Hauptteil der Untersuchung gezeigt. Dort ist das explanandum dieser Arbeit dargestellt, dort werden seine mannigfachen Gesichtspunkte entfaltet. Baupolitik nämlich hieß für Johann Philipp Franz mehr, als repräsentative Bauten in Auftrag zu geben. Baupolitik hieß, in einer Situation akuter politischer Spannungen den barocken Festungsgürtel um die Stadt Würzburg voranzutreiben, hieß, das Fürstbistum durch Festungsbau gegen drohende militärische Angriffe zu sichern und die Hochstiftstruppen durch Kasernenbau zu disziplinieren. Baupolitik hieß, die nötige Infrastruktur für die Verwandlung Würzburgs in eine Festungsstadt zu schaffen, hieß, auf dem Lande die Verkehrswege zu verbessern und die Wirtschaftskraft zu erhöhen. Baupolitik hieß, Hof und Verwaltung neu unterzubringen, um ihr Verhältnis zum Gemeinwesen zu verändern, hieß, die fürstbischöfliche Regierung zu zentrieren und zu versachlichen. Baupolitik hieß, das private Bauen so zu reglementieren, daß die Bauherren auf neue Weise in den öffentlichen Raum und das Gemeinwesen integriert wurden, hieß, der politischen Vergemeinschaftung ästhetisch und rechtlich eine neue Gestalt zu verleihen. Baupolitik, wie sie unter Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg betrieben wurde, war mithin vieles zugleich: Verteidigungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik; sie sollte – so die zentrale These dieser Arbeit – das Fürstbistum Würzburg als politische Vergemeinschaftung neu begründen. Die Baupolitik des Schönborn hat Würzburg stärker verwandelt als alle anderen Maßnahmen seiner Amtskollegen in der Neuzeit. Zwischen 1719 und 1724, in einer Regierungszeit von nicht einmal fünf Jahren, hat sie Weichen gestellt, denen die Politik seines zweiten Nachfolgers und jüngerem Bruders Friedrich Carl von Schönborn ebenso folgte wie die von dessen zweiten und dritten Nachfolgern, die mit den Schönborn teils verwandt, teils assoziiert waren. Bis ins ausgehende 18. Jahrhundert hat sie die Stadtentwicklung bestimmt, bis heute zu wirken nicht aufgehört. Denn hervorgegangen ist aus dieser Politik – wenngleich keineswegs allein – die Würzburger Residenz: ein Bau, der schon von den Zeitgenossen als

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Schlüsselwerk des Dixhuitième im Reich begriffen wurde;1 ein Denkmal, das jeden nach Würzburg zieht, der die Epoche verstehen will. Seinen städtebaulichen Zusammenhang hingegen und das heißt die Prioritäten jener Baupolitik haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wie des modernisierenden Neuaufbaus weitgehend aus der Anschauung getilgt. Entsprechend wurden sie von der Forschung bislang allenfalls pauschal thematisiert.2 Sie zu rekonstruieren, den Residenzbau wieder in seine konkreten politischen und gesellschaftlichen Entstehungszusammenhänge einzurücken, setzt die folgende Studie sich zum Ziel. Ihre beiden ersten Teile bereiten dafür das Fundament. Der Argumentationsgang ist auf die Schönbornsche Baupolitik ausgerichtet, von dieser rückwirkend bestimmt. Wenn Johann Philipp Franz sein Fürstbistum tatsächlich neu erbauen, ihm eine neue politische und gesellschaftliche Ordnung geben wollte, was hat ihn zu einer solch radikalen Politik veranlaßt? Worin bestand das Problem, auf das seine Baupolitik antwortete? Das ist die Leitfrage des ersten Teils. In ihm wird zunächst eine Strukturanalyse der Stifts- oder Kirchenherrschaften im Reich gegeben. Zwischen den Erbfürstentümern auf der einen, den Städten auf der anderen Seite bildeten sie einen besonderen Typ von Gemeinwesen. In der Spätantike aus der Not entstanden, von den fränkischen Herrschern in den Dienst genommen, entwickelten sie sich im Hochmittelalter zu einem wichtigen Instrument kaiserlicher Reichsherrschaft. So unverzichtbar schien die Reichskirche, um die schwächer werdende Stellung der Kaiser im Reich zu stützen, so notwendig, um das prekärer werdende Reichsgebilde zusammenzuhalten, daß sie sogar die Säkularisierungen der Reformationszeit und die Einverleibungsbestrebungen katholischer Fürsten überstand. Bis zuletzt hing das Bestehen des Reichs von den Kirchenherrschaften ab; ihre Aufhebung läutete sein Ende ein. Neben diesem politischen und verfassungsrechtlichen Daseinsgrund wird im ersten Teil der Arbeit der gesellschaftliche analysiert. In der Spätantike war die christliche Kirche auf Eigentum gegründet worden. Als man das Kirchengut teilte, um hohe kirchliche Amtsträger daraus zu alimentieren, entstanden Pfründen. Einmal fest mit dem Amt verbunden, verwandelten sie bestehende Gruppen von Amtsträgern (die Kanoniker) in Korporationen, die ihren Mitgliedern persönliches 1 „Was die Geschichte des Ruhmes betrifft, so kann sich keiner der deutschen Residenzbauten des 18. Jahrhunderts mit dem Würzburger messen.“ (Hubala / Mayer: Residenz, S. 8). Man denke nur an das Urteil eines der klügsten Köpfe der Epoche, David Hume. Von einem Besuch in Würzburg schrieb er am 30. März 1748 an John Home of Ninewells: „But what renders this Town [= Würzburg, J.S.] chiefly remarkable is a Building which surprizd us all, because we had never before heard of it, & did not there expect to meet with such a thing. Tis a prodigious magnificent Palace of the Bishop, who is the Sovereign. Tis all of hewn Stone and of the richest Architecture. I do think the King of France has not such a House. If it be less than Versailles, tis more compleat and finish’d. What a surprizing thing it is, that these petty Princes can build such Palaces? But it has been fifty Years a rearing; & tis the chief Expence of Eclesiastics.“ (Hume: Letters, Bd. 1, S. 124). 2 Die einschlägige Forschung wird in den materialen Teilen der Arbeit angeführt, weil dort zugleich die konkreten Unterschiede zu dem hier entwickelten Ansatz deutlich werden.

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Eigentum zugestanden, den Pründenbesitz unter ihnen aufteilten, gemeinschaftlich wirtschafteten, ihre Belange autonom regelten und durch ihre Tätigkeiten beträchtlichen Einfluß auf die Kirchenverwaltung erlangten. Beides: der persönliche Besitz wie der Einfluß, machten die Stifte für das politische Führungspersonal interessant – zumal die einträglichsten und politisch bedeutsamsten (die Domkapitel) wurden zum Betätigungsfeld nachgeborener Fürstensöhne und des Adels. Mit der Zeit gelang es diesen Gruppen, hier vollständig, dort teilweise, zu bestimmen, wer in die Stifte aufgenommen wurde. Es bildete jene Symbiose von Stiften und Adel sich aus, die für die Entwicklung der Reichskirche so folgenreich geworden ist. Je nachdem, wie weit die Domkapitel sich gegen Eingriffe von außen (durch Kaiser und Papst, Bischof und benachbarte Fürsten) zu verselbständigen vermochten, je nachdem, welche Exklusivierungsstrategie sie bei ihrer Selbstrekrutierung verfolgten, entwickelten sie deutlich verschiedene Sozialprofile. Nur die Gruppe der unabhängigsten, innerhalb der Reichskirche führenden Hochstifte wird hier näher betrachtet. Es handelt sich um die Fürstbistümer am Mittelrhein und in Franken, die fast vollständig von den regionalen Reichsritterschaften in Beschlag genommen wurden. Diesem eigentlich niederadligen, keineswegs reich begüterten Stand boten die rheinfränkischen Stifte Einkünfte und Laufbahnchancen. Wer mehrere Stiftspfründen kumulierte und eins der einträglichen Verwaltungsämter erlangte, vermochte hier deutlich kommoder zu leben als auf den armseligen, durch Erbteilung zersplitterten Rittergütern. Wer sich an der domkapitularen Mitregierung beteiligte, konnte in den Fürstbistümern politischen Einfluß gewinnen, der eigenen Familie weiterhelfen, über den diplomatischen Dienst Beziehungen zum Kaiserhof knüpfen (rekrutierten die Kaiser aus den Hochstiften doch einen Teil ihrer Klientel). Wer über die formalisierte Ämterlaufbahn gar zum Prälaten oder Fürstbischof aufstieg, schwang sich erheblich über seinen Geburtsstand empor. Er gewann Einfluß auf die Reichspolitik, als Kurfürst auf die Kaiserwahlen und die europäische Politik. Die Reichsritterschaft wurde zur Trägerschicht der rheinfränkischen Fürstbistümer, weil sie dort ein Auskommen fand, Aufstiegsmöglichkeiten, Spielregeln für ihre Konkurrenz und – Macht. Über die rheinfränkischen Fürstbistümer hatte diese Adelsgruppe teil an der europäischen Politik, in der Gestalt eines Dalberg, eines vom Stein, eines Metternich reichte ihre Teilhabe gar über das Ende des Alten Reichs hinaus. Das macht die Fürstbistümer als politische Gebilde interessant. Sie können als Herrschaften angesehen werden, in denen der Adel auch im Zeitalter verdichteter Fürstenmacht dominierte, sie können als Testfall angesehen werden, was aus Adelsherrschaft im Zeitalter der Staatsbildung wurde. Das ist die übergeordnete Frage, die anhand der Schönbornschen Baupolitik in Würzburg verhandelt werden soll. Aus den umrissenen Bedingungen ergeben sich die Strukturprobleme der Stiftsherrschaft: der Dualismus von Fürstbischof und domkapitularer Mitregierung mit der daraus folgenden Herrschaftszersplitterung; das komplizierte, von Abhängigkeit wie Selbständigkeitsstreben gekennzeichnete Verhältnis zu Kaiser und Papst; die Verquickung von weltlichem und kirchlichem Regiment, bei der stets das eine

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für das andere instrumentalisiert wurde; der Führungsanspruch trotz politischer Schwäche gegenüber den Nachbarn im Reich. Um 1700 spitzten diese Strukturprobleme sich in bedrohlicher Weise zu. Dies wird am Schluß des ersten Hauptteils gezeigt. Zur Analyse gelangen dort Wahlkapitulationen aus den bezeichneten Fürstbistümern: jene Dokumente, in denen die Domkapitel vor jeder Bischofswahl die politische Ordnung ihrer Hochstifte beschrieben, um sich selbst und den neugewählten Fürsten darauf zu verpflichten. Massive Konflikte zwischen einem Würzburger Fürstbischof und seinem Domkapitel führten damals zu Prozessen vor dem Reichshofrat und der Kurie, gaben Kaiser und Papst Gelegenheit, in die aus ihrer Sicht viel zu selbständig gewordene (Mit-)Regierung der Domkapitel einzugreifen. In scharfen Urteilen hoben sie die Wahlkapitulation jenes Würzburger Fürstbischofs auf; grundsätzlich stand plötzlich das Kapitulationswesen und damit die innere Ordnung der Hochstifte auf dem Prüfstand. Der Eingriff hatte Folgen. Zwar wurden weiterhin Wahlkapitulationen verfaßt, doch erhielten sie einen anderen Status: Aus politischen Eiden verwandelten sie sich in domkapitulare „Monita“ und fürstliche Versprechungen; aus umfassenden Selbstverpflichtungen auf das Gemeinwesen wurden eingeschränkte Verpflichtungen gegenüber einzelnen Ständen und Korporationen. Ein politischer Strukturwandel in den Fürstbistümern kam an den Tag, eine tiefe Krise der politischen Vergemeinschaftung. So wie die konkurrierenden Gewalten sich bislang aufeinander bezogen und in das Gemeinwesen integriert hatten, ging es nicht weiter. Die transzendente Vergemeinschaftung endete, an ihre Stelle traten Verträge, Rechtsansprüche, Papier. Der Angriff von außen hatte eine fundamentale politische Schwäche freigelegt. Das ist die Ausgangslage, vor der die umfassende Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn begriffen werden muß. Was qualifiziert jemanden für eine Aufsehen erregende, Traditionen preisgebende, zukunftweisende Politik? Warum war es gerade ein Schönborn, der sie einleitete? Das ist die Leitfrage des zweiten Teils. Hier wird von dem Erfolg ausgegangen, den die Familie Schönborn in den rheinfränkischen Fürstbistümern hatte. Zwischen 1642 und 1756 besetzten sechs Mitglieder der Familie vierzehn Fürstenthrone (in Würzburg und Bamberg, Trier und Mainz, Worms und Speyer), stellten sie zwei Reichskanzler, einen Reichsvizekanzler und drei Kurfürsten. Bis 1797 kamen über drei Schwesternsöhne weitere fünf Fürstenthrone hinzu, darunter mit Mainz abermals das Erzkanzleramt und die Kurwürde. Mit diesen und zahlreichen kleineren Würden beherrschten die Schönborn die Bistümer an Rhein und Main: Über drei, nimmt man die Schwesternsöhne hinzu, über vier Generationen haben sie sich gegen zahlreiche konkurrierende Adelsfamilien an die Spitze der Reichskirche gestellt; in hohem Maße beeinflußten sie von dort aus die Politik. Was reichsritterschaftlicher Stiftsadel in der europäischen Politik vermochte, führten sie vor. Unter wechselnden politischen Umständen haben sie diese Partizipationsmöglichkeit hundertfünfzig Jahre lang fortentwickelt und bewahrt. Schon von den Zeitgenossen wurden sie als die Repräsentanten der barocken Reichskirche angesehen.

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Die Schönborn unternahmen einiges, um ihren Führungsanspruch mit Hilfe dieser Gleichsetzung zu festigen. Von ihrer Selbstdarstellung muß daher ausführlich die Rede sein. Gezeigt wird, mit welchen Mitteln sie ein bestimmtes Bild ihrer Familie propagierten, eingehend wird analysiert, wie sie, als ihr Erfolg historisch zu werden begann, ihr Selbstbild für die Nachwelt festzuschreiben suchten. Daß der weltliche Teil der Familie den kirchlichen Amtsträgern, diese aber unmittelbar Gott und der höheren Sache gedient hätten, daß die gesamte Familie durch ihre Amtstätigkeit und politische Mission bestimmt worden sei, war die Botschaft, die von den Schönborn über verschiedene Medien verbreitet wurde. Eine förmliche Memorialpolitik läßt sich bei den Vertretern der dritten Familiengeneration erkennen: Über Porträts und Grabmäler, Leichenpredigten und Biographien ist ihr Selbstbild in die zeitgenössischen Hochstiftshistorien eingegangen, bis heute wird die Überlieferung davon bestimmt, auch negativ, indem es Entlarvungsversuche provoziert. Das andere Stereotyp, das über die Schönborn verbreitet wird, ist ihr Ruf als selbstlose Kunstförderer. Wie keine andere Adelsfamilie der Zeit habe sie sich der Kunst verschrieben, Kunst gesammelt, Kunstwerke in Auftrag gegeben, Künstlern Entfaltungsmöglichkeiten verschafft. Auch dieses Bild ist, wie sich zeigen läßt, Ergebnis familiärer Selbststilisierung. Angeregt durch die kunsthistorische Wiederentdeckung und Aufwertung des Barock, wurde es zum Leitgedanken einer förmlichen Forschungsoffensive, die nach dem Ende des deutschen Kaiserreichs von der Familie durch die Neuordnung und Öffnung ihrer Archive ermöglicht, durch vielfältige Begleitmaßnahmen verbreitet wurde. Mit den damals erstellten Archivgutverzeichnissen arbeitet die Schönborn-Forschung bis heute; unausweichlich wird der Blick auf die Quellen durch diese Wahrnehmungsapparatur gelenkt. Dies bewußt zu machen, das Archiv zu historisieren und – neben den wirkmächtigsten Stereotypen – die Überlieferungsgeschichte zu reflektieren, die den Zugang zu den Quellen bestimmt, ist der Zweck eines Exkurses, der die eigentliche Analyse der Familiengeschichte vorbereitet. In einem zweiten Exkurs werden die Begriffe eingeführt und erörtert, derer die Untersuchung sich bedient, allen voran der des Habitus. Denn so wird die Leitfrage der familiengeschichtlichen Untersuchung ausbuchstabiert: Nicht um das Selbstverständnis geht es, sondern darum, wie es entstanden ist, nicht um die familiären Selbstbilder, sondern um den Prozeß, der sie hervorgebracht hat. Im Wechselspiel von sozialer Stellung und genealogischer Konstellation, Laufbahnentscheidungen und Überzeugungen wird der Aufstieg der Familie analysiert; wie die Schönborn mit ihren Ausgangsbedingungen umgingen, welche Schlüsse sie daraus zogen und wie die Resultate (Ämter, Heiratsverbindungen, Besitzvermehrung) auf sie zurückwirkten, ist das Thema. Objektive soziale Indikatoren und subjektive Handlungsweisen zusammen ergeben den familienspezifischen Habitus, der hier freizulegen versucht wird. Es ist der Habitus einer Aufsteigerfamilie, einer Familie, die sich aufgrund verschiedener Umstände neu orientierte, ihre Vergangenheit hinter sich ließ, in den

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rheinfränkischen Stiftsadel eindrang und sich dort als Neuankömmling beweisen mußte. Es ist der Habitus von Menschen unter Bewährungsdruck, die ihre Aufgaben ernster nehmen und besser vollbringen zu müssen meinten als die Alteingesessenen. Es ist der Habitus von Ehrgeizigen, die, was in der neuen Bezugsgruppe galt, radikalisierten, überboten, es unbelastet von Tradition neu definierten. Drei Generationen lang erneuerte sich dieser Bewährungsdruck, dann waren die Schönborn aus dem rheinfränkischen Stiftsadel herausgewachsen, zu Magnaten geworden, auf Kirchenkarrieren nicht länger angewiesen; nur die Schwestern, die in andere Familien eingeheiratet hatten, gaben den Impuls noch eine Generation weiter. Aus dieser Familiendynamik, aus dem Leistungsethos, das sie Johann Philipp Franz (dem ältesten Sohn der dritten Generation) vermittelte, aus den Erfahrungen und Bildungsmöglichkeiten, die sie ihm bot, ist die Konzeption seiner Würzburger Baupolitik zu erklären. Unterhalb dieses Argumentationszusammenhangs haben alle drei Teile der Arbeit eine Wendung ins Grundsätzliche genommen. Ohne daß es beabsichtigt gewesen wäre, lief jede Einzelstudie auf einen besonders umstrittenen Punkt der aktuellen Diskussionen zu, sucht sie die Forschung über gravierende Unsicherheiten hinauszuführen, schlägt sie neue Perspektiven vor. So folgt der verfassungsgeschichtliche Teil zunächst dem wachsenden Interesse an den performativen Aspekten politischen Handelns.3 Die Wahlkapitulationen werden nicht, wie in der älteren Forschung üblich, inhaltlich analysiert, gefragt wird vielmehr, welche Rechtshandlungen sie bezeugen und wie diese sich änderten, als die Kapitulationen um 1700 eine neue Form annahmen. Dadurch wird sichtbar, daß die Wahlkapitulationen bis ins ausgehende 17. Jahrhundert politische Eide waren, an der Spitze einer ganzen Pyramide von politischen Eiden. Durch die Wahlkapitulationen verpflichteten das Domkapitel und der Fürstbischof sich vor Gott – umfassend und rückhaltlos – auf eine politische Ordnung, die in anderem Wortlaut von allen anderen Amtsträgern und über den Huldigungseid auch von allen Untertanen beschworen wurde: Als politische Schwurgemeinschaft stellte ein Fürstbistum sich bis 1700 dar. Die Analyse knüpft an jüngste Forschungen zum politischen Eid in der Frühen Neuzeit an4 und sucht sie begrifflich weiterzuentwickeln. Zum einen fragt sie, weshalb solche Eide in der Vormoderne überhaupt nötig waren (um die fragmentierten, partikularen Sozialbeziehungen, die sich aus der Rechtezersplitterung des Lehenswesens ergaben, in eine umfassende politische Vergemeinschaftung zu integrieren), zum anderen zeigt sie, daß die Wahlkapitulationen nach 1700 ihren Status als 3 Die Literatur dazu ist in den letzten Jahren, nicht zuletzt dank der Münsteraner Sonderforschungsbereiche, so stark angeschwollen, daß inzwischen sogar von einem „performative turn“ der Geschichtswissenschaften gesprochen wird (s. etwa Martschukat / Patzold (Hg): Geschichtswissenschaft, mit weiterführenden Nachweisen). 4 Vor allem an die Arbeiten von Paolo Prodi. Zur Auseinandersetzung damit s. u. in den Abschnitten zum Status der Wahlkapitulationen.

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politische Eide verloren. Aus Rechtsakten, die Gemeinschaft bildeten, verwandelten sie sich in Verträge. Von der rückhaltlosen Verpflichtung auf das Gemeinwesen blieben spezifisch-beschränkte Rechtsbeziehungen privilegierter Gruppen und Organe. Das Gemeinwesen verwandelte sich in die Rechtsform einer – mit Schlözer zu sprechen – Brandversicherungskasse. Daß dies nicht ausreichte, hat Johann Philipp Franz von Schönborn erkannt. Dagegen trat er mit seiner Baupolitik an. Der familiengeschichtliche Teil besteht im Kern aus einer differenzierten Netzwerkanalyse. Wie in der aktuellen Forschung zum Adel und den neuzeitlichen Eliten üblich,5 werden die sozialen Interessen der Schönborn aus ihren Besitzverhältnissen und Heiratsverbindungen, ihrem Reproduktionsverhalten, ihren Bildungsstrategien und Laufbahnentscheidungen erschlossen. Doch geht die Analyse über diese sozialstatistischen Daten hinaus. Denn nicht Interessen sucht sie freizulegen, sondern die Prinzipien, die das Familienhandeln bestimmen, nicht ein unterstelltes Vorteilsstreben, sondern die tatsächlichen Handlungspräferenzen. In diese aber ist neben den materiellen Ausgangsbedingungen immer schon die besondere Reaktionsbildung eingegangen: Durch die je eigene Verarbeitung der sozialen Ausgangsposition, durch besondere Überzeugungen und Zielsetzungen wird Handeln eben auch bestimmt – das ist die Prämisse des hier verfochtenen Ansatzes.6 5 Zu nennen ist hier in erster Linie Wolfgang Reinhard und seine Schule. Ausgehend von dem Begriff der „Verflechtung“ hat Reinhard ein ganzes Programm entwickelt, um die Klientelbildung frühneuzeitlicher Führungsgruppen (zumal in den Kirchenherrschaften) sichtbar zu machen (grundlegend Reinhard: Freunde). Seiner Meinung nach wird die „große“ Geschichte der Kampagnen und Operationen (die Makropolitik) nur verständlich vor dem Hintergrund der klientelären Verflechtung der Herrschaftseliten (der Mikropolitik) – auf das daraus entspringende Interesse sucht Reinhard ihr politisches Handeln zurückzuführen (s. Reinhard: Amici). Die Qualität seiner Arbeiten erweist sich daran, daß er regelmäßig über dieses Programm hinausgeht. Immer wieder bemerkt er, daß im politischen Ernstfall (etwa bei Papstwahlen) noch andere Faktoren die Entscheidung bestimmten: Werthaltungen, Überzeugungen, politische Programme, auch die Handlungszwänge der Machtpolitik. Klienteläre Verflechtung ist eben nur ein Faktor unter mehreren: Zum Erklärungsmodell hypostasiert, muß sie versagen, weil sie zu allgemein ist; lediglich einen Durchschnittstypus kann die Netzwerkanalyse beschreiben. Ohne sich auf Reinhard zu berufen, aber mit dem gleichen Ansatz hat Alfred Schröcker Aufstieg und Politik der Schönborn zu erklären versucht. Vor allem mit seinen Arbeiten setzt der familiengeschichtliche Teil über die Schönborn sich auseinander. 6 Er steht in einer Tradition, die Otto Gerhard Oexle wie folgt umrissen hat: „Dieser ,Kern‘ soll in einer Weise erörtert werden, welche die ,Realitäten‘ ebensowohl wie die ,Mentalitäten‘, die Denkformen und die aus ihnen resultierenden Verhaltensweisen berücksichtigt. Max Webers Erkenntnis von den ,Weltbildern’, welche ,sehr oft als Weichensteller die Bahnen‘ bestimmten, ,in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegte‘, und Emile Durkheims Erkenntnis, daß ,Ideale‘ ein ,natürliches Produkt des gesellschaftlichen Lebens‘ sind und daß die ,ideale‘, d. h. die ,gedachte‘ Gesellschaft nicht außerhalb der ,wirklichen‘ Gesellschaft steht, sondern vielmehr ,ein Teil von ihr‘ ist, ja, daß eine Gesellschaft ,vor allem‘ durch die Idee konstituiert wird, die sie sich von sich selbst macht, – diese Erkenntnisse sind jene grundlegenden Einsichten, die den Durchbruch der modernen Sozialwissenschaft und eine bis heute ungewöhnlich folgenreiche Erneuerung der kulturwissenschaftlichen Forschung am Beginn unseres Jahrhunderts bezeichnen und deren Wirkungen bis

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Dafür wird in einem Exkurs der Begriff des „Familienhabitus“ eingeführt, wird an den Schönborn ein solcher Familienhabitus exemplarisch freigelegt. Dies ermöglicht zum ersten, die Schönborn nicht wie bislang üblich als typische Vertreter des rheinfränkischen Stiftsadels zu verstehen. Vielmehr wird aufzeigbar, worin sie sich von dieser sozialen Bezugsgruppe unterschieden. Zum zweiten wird die Familiengeschichte erheblich differenziert. Der Familienhabitus war nicht immer schon da: Er entstand aus genau benennbaren Gründen, als die hier interessierenden Schönborn in den Stiftsadel eintraten; er reproduzierte sich aufgrund des Bewährungsdrucks über drei Familiengenerationen; er verging wieder, ebenfalls aus genau benennbaren Gründen. Familie wird als dynamisches, sich selbst nicht nur reproduzierendes, sondern auch veränderndes Bezugssystem zur Anschauung gebracht – ein seit langem angemahnter, kaum je verwirklichter Perspektivwechsel der geschichtswissenschaftlichen Familien- und Sozialisationsforschung. Vor allem aber und zum dritten wird durch diesen Ansatz der soziale Aufstieg der Schönborn und ihr besonderer Politikstil überhaupt erst erklärbar. Über den inhaltlich-deskriptiven Nachvollzug, auf den die Forschung sich bislang beschränkte, führt dies prinzipiell hinaus. Die Pointe des kulturgeschichtlichen Teils schließlich besteht darin, daß es ein „bloß“ kulturgeschichtlicher nicht ist. Baupolitik wird hier nicht primär als Repräsentation von Herrschaftsansprüchen begriffen (wenngleich sie dies auch war), nicht als symbolische Politik:7 als Vorspiegelung oder Ersatz von „realer“ (Macht-) Politik, die einem Fürstbischof nicht möglich gewesen sei. Vielmehr macht die Untersuchung sich anheischig zu zeigen, daß (und warum) die Baupolitik zum vornehmsten Anliegen der fürstbischöflichen Regierung wurde – nämlich weil darüber die wichtigsten Politikfelder neu strukturiert und auf den Fürstbischof ausgerichtet werden konnten, weil die Baupolitik dadurch für Johann Philipp Franz von Schönborn das gleiche Gestaltungspotential entfaltete wie für einen Julius Echter die Konfessionspolitik, für einen Adam Friedrich von Seinsheim die Aufklärung. Bauen wird also nicht, wie man es auch könnte und wie die Forschung es bislang tut, primär semantisch (im Hinblick auf inhaltliche Aussagen) entziffert, es wird vielmehr syntaktisch (sozialstrukturell) gedeutet: als Reformpolitik mit dem Ziel einer neuen, säkularen Gemeinschaftsbildung; als Antwort auf die Krise der Stiftsherrschaft um 1700; als überzeugende Regelung drängender sozialer Fragen. Und das ist der Erkenntnisgewinn, den diese neue Perspektive nach Meinung des Verfassers ermöglicht: Sie führt erstens über die Fixierung auf den fürstlichen Residenzbau hinaus, macht sichtbar, daß dieser in einen Zusammenhang gehört, der das gesamte Gemeinwesen umfaßte. Sie erklärt zweitens das Interesse der Fürsten an dieser Politik mit der Herrschaftsverdichtung, die sie bewirkte, beschränkt heute anhalten. Zu diesen Wirkungen gehört bekanntlich die seit 1930 sich entfaltende ,Mentalitäten-Geschichte‘, deren bedeutende Anregungskraft sich auch darin zeigt, daß sie über die später eingetretenen Deformationen und Verengungen hinweg immer wieder zur Neuformulierung des ursprünglich einmal Gemeinten provoziert.“ (Oexle: Aspekte, S. 19 f.). 7 Wie in der Forschung fast einhellig üblich, s. zusammenfassend Hahn / Schütte: Thesen.

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die Erklärung aber nicht darauf. Denn sie zeigt drittens und vor allem, daß es sich keineswegs nur um eine Form von Sozialdisziplinierung handelte, von aufgezwungener politischer Ordnung. Vielmehr gestaltete diese Politik auch einen Strukturwandel, der ihr vorauslag, der Regelungen wie die gefundenen nötig machte, durch sie aufgefangen und in eine Produktivkraft verwandelt wurde. Darin lag – zweite Hauptthese der Arbeit – die Rationalität dieser Politik. Erst das erklärt den barocken Stadtumbau Würzburgs und möglicherweise, was zu prüfen wäre, auch die Baupolitik anderer Barock-Fürsten, erst das läßt sie vernünftig erscheinen. Verfassungsgeschichte, Familiengeschichte und Kultur- bzw. Landesgeschichte sind in dieser Arbeit also nicht Selbstzweck. Jeder Gegenstand wird so grundsätzlich diskutiert, daß er den Charakter eines Fallbeispiels annimmt; als Fallstudien sind die folgenden Untersuchungen zu verstehen. Und auch insgesamt handelt es sich weder um eine familiengeschichtliche, noch um eine landesgeschichtliche Arbeit. Denn auf den epochalen, ganz Europa erfassenden Fundamentalvorgang der Staatsbildung nimmt die Untersuchung durch die übergeordnete Fragestellung Bezug. Wie verhielt die Stiftsherrschaft Würzburg sich im frühen 18. Jahrhundert zu diesem Fundamentalvorgang? Wie ging man in ihr: einer kirchlich und adlig regierten Herrschaft, mit den Herausforderungen dieses Vorgangs um? Nach der Meistererzählung der neuzeitlichen Geschichte war es die Fürstenherrschaft, aus der in einem langen und komplizierten Verdichtungsprozeß moderne Staatlichkeit sich entwickelte.8 Genauer: Es waren die Fürsten, die Herrschaft aus Personenverbänden über das Lehenswesen und die ständische Herrschaft zum modernen Machtstaat verdichteten. Der Adel und die von ihm besetzten Korporationen störten diesen Prozeß, ja, sie waren die Gegner, mit denen die Fürsten sich nach dieser Sicht auseinanderzusetzen hatten. Denn vor allem der Adel hatte die zahllosen Einzelrechte inne, aus denen Herrschaft seit der Ausbildung des Lehenswesens bestand. Auf ihn waren sie verteilt, er verkörperte die Partikularität und Zersplitterung von Herrschaft, die von den Fürsten überwunden werden mußte, damit jene eine, „absolute und ungeteilte“ Gewalt geschmiedet werden konnte, die später „Staatsgewalt“ hieß. Als Bändigung und Einschmelzung des Adels wird die Geschichte der Staatsbildung daher klassischerweise erzählt, als sukzessive Entmachtung und Funktionalisierung, als „Sozialdisziplinierung“.9 So auch in der jüngsten großen Synthese Reinhard: Geschichte. Geprägt von Gerhard Oestreich, ist der Begriff zu einer Fundamentalkategorie der Frühneuzeitforschung geworden, s. etwa Schulze: Begriff; Reinhard: Sozialdisziplinierung. Speziell für den Adel hatte schon Norbert Elias von Disziplinierung gesprochen: Daß der Adel an den absolutistischen Fürstenhöfen entmachtet und „verhöflicht“ wurde, bildet die Kernthese seiner einflußreichen Studie – ein Vorgang, der für Elias zum Paradigma des gesamten Zivilisationsprozesses geworden ist (dazu jetzt Opitz (Hg): Gesellschaft). „Ursprünglich fast überall autarke Herrschaftsträger, die sich allmählich zu den hochprivilegierten Führungsschichten traditionaler politischer Verbände vereinigten; durch die Prozesse der neuzeitlichen Staatsbildung und Sozialdisziplinierung in den entstehenden Herrschaftsapparat von Heer, Verwaltung und Hof eingebunden; in zahlreiche Sonderformen mit 8 9

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Je nachdem, welche Haltung die Forscher zum modernen Staat einnahmen, fiel dem Adel der Part von traditionalen, auf Privilegien und Gewohnheitsrechten beharrenden, verbohrten Finsterlingen zu, die von den Fürsten als den Agenten des Fortschritts überwunden werden mußten.10 Oder er wurde zum feinen, unbeugsamen, tragischen Freiheitshelden stilisiert, der die mittelalterliche, gar die alteuropäische Kultur des Besonderen und der Differenz (vergeblich) gegen die Uniformierung und Egalisierung durch den Leviathan zu verteidigen suchte.11 Auf Strategien, den modernen Staat entweder zu legitimieren oder ihn als zerstörerische Gewaltherrschaft zu kritisieren, laufen die Erzählmuster hinaus – entsprechend negativ oder positiv, immer aber als Kontrastfolie wurde Adelsherrschaft darin geschildert. Ohne zum modernen Staat Stellung zu nehmen, ist Adelsforschung in der Moderne offenbar nicht zu haben. Der Gegenstand setzt eine Position voraus oder zwingt dazu, sich in diesem Streitfeld zu positionieren. Das zeigt sich auch bei dem Historiker, der die deutschsprachige Adelsforschung des 20. Jahrhunderts vermutlich am stärksten bestimmt hat: bei Otto Brunner.12 Der bürgerlichen Verwaltungselite der k. und k. Monarchie entstammend, erlebte er in der Pubertät den Ersten Weltkrieg, als Jugendlicher den Untergang der väterlichen Welt. Wie zahlreiche Altersgenossen – Brunner war 1898 geboren – hat er das den Vätern nicht verziehen. Die Generation radikalisierte sich: Egal, ob man nach rechts ging oder nach links, in der Ablehnung alles Bürgerlich-Liberalen stimmte man überein. Wie die Staatsgewalt künftig gestaltet werden sollte, war für diese Generation eine offene Frage; nur daß es nicht nach den diskreditierten Vorstellungen der Liberalen geschehen könne, schien klar. Besonders drängend stellte sich das Problem in Österreich, dem, vom Reich zum Zwergstaat geschrumpft, in den Pariser Vorortverträgen das Selbstbestimmungsrecht verweigert worden war, krassem Macht- und Prestigegefälle ausdifferenziert, zeitweilig tödlich gefährdet, manchmal abgeschlagen, auf lange Sicht aber durchweg regenerationsfähig auf den Spitzenrängen der soziopolitischen Positionsordnung, in den lokalen Herrschaftsbezirken ohnehin im Genuß überkommener Autonomie – so stellen sich neun Jahrhunderte Adelsgeschichte im Zeitraffer dar.“ (Wehler: Einleitung, S. 10 f.; vgl. Dilcher: Adel, S. 79–86). 10 So die Geschichte, die mutatis mutandis von den bürgerlich-liberalen Historikern des langen 19. Jahrhunderts erzählt wurde. Für sie war – zumal in den deutschen Staaten – der Adel mit seinen politischen und sozialen Privilegien noch ein realer, durchaus mächtiger Gegner, der Fürstenstaat dagegen der umworbene Patron, dessen „Absolutismus“ man gegen den Adel hervorhob, um ihn desto sicherer unter den eigenen Einfluß zu bringen. 11 So das Geschichtsbild, das – oft zusammen mit einer Verklärung von Religion, Kirche und Stiftsadel – Romantiker wie Novalis, Friedrich Schlegel und Chateaubriand entwickelten. Ihr Impuls war zunächst ein kulturkritischer: Sie wandten sich gegen den Rationalismus von Aufklärung und Französischer Revolution, gegen deren Fortschrittsidee, gegen die Ideologisierung des Denkens und der Begriffe. Natürlich konnte sich sich damit auch eine politische Option verbinden. Sie widerstrebte einer Staatsgewalt, die jeder Kontrolle entglitten war und die schlimmsten Exzesse ermöglicht hatte, suchte das Ungeheuer ständestaatlich zu teilen und zu kontrollieren. Zwischen kulturkritischem Gegenbild und einer rückwärts gewendeten Utopie der Reaktion konnte dieses Erzähmuster daher changieren. 12 Das Folgende nach Blänkner: „Staatsbildung“.

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ebenso den beträchtlichen deutschsprachigen Minderheiten in den übrigen Nachfolgestaaten der Monarchie. Brunner optierte in dieser Situation für ein völkischständisches Staatsdenken; dieser Gegenwartsbezug hat seine Untersuchungen über die Feudalherrschaft bestimmt.13 Der mittelalterliche Adel wird von ihm zum Vorbild für einen erst noch heranzuziehenden Herrenstand der Gegenwart stilisiert. Drei Elemente schienen dafür relevant: zum ersten die strikte Koppelung von „Land und Herrschaft“, also die Herleitung der Verfügungsgewalt über Menschen von der Verfügungsgewalt über Boden: eine Lokalisierung und Verwurzelung von Herrschaft, die kulturkritisch gegen die Anonymität, Ubiquität und Kapitalisierung der modernen Staatsgewalt ausgespielt wird; zum zweiten der Beruf zur Herrschaft: ein Ethos, das sich auf ein Verständnis von Herrenrechten als autogenen Freiheitsrechten gegründet habe, die verantwortlich wahrgenommen und verteidigt werden mußten; zum dritten die Exklusivierung und Auslese des „Geblüts“: das völkisch-biologische Element dieses Denkens. Als es, von den Völkermorden der Nationalsozialisten kontaminiert, mit der Niederlage von 1945 und den anschließenden Vertreibungen seinerseits den völligen Bankrott erlebte, formte Brunner die „Volksgeschichte“ zu der bekannten Alt-europa-Konzeption um. Die politische und völkische Vorbildfunktionen des Adels traten in den Hintergrund, betont wurde die ethische: Als wichtigsten Bildungs- und Kulturträger der vormodernen Welt hat Brunner den Adel in seinen Veröffentlichungen nach dem Zweiten Weltkrieg gezeichnet,14 als das Subjekt einer Kultur-epoche „von Homer bis Goethe“, die mit dem Durchbruch der modernen Staatsgewalt im Absolutismus zerstört worden sei. Kulturpessimistisch, wehmütig (von den politischen Implikationen zu schweigen) werden das Tugendethos des Adels und seine Kulturmission beschworen. Wie stark dieses Bild die Generationsgenossen beeinflußt hat, wie verbindlich es für Folgegenerationen festgeschrieben werden sollte, zeigt der Artikel „Adel, Aristokratie“, mit dem die „Geschichtlichen Grundbegriffe“ 1976 programmatisch eröffnet wurden.15 Brunner ist darin nicht nur der wichtigste Gewährsmann, bis in einzelne Formulierungen trägt der Text sein Gepräge. Auch hier wird das Herrschaftsethos des Adels, seine Aufgabe als Kultur- und Bildungsträger zum zentralen Bestimmungspunkt. 13 Vor allem Land und Herrschaft, das zuerst 1939 erschien und ein großer Erfolg wurde. 1943 erschien bereits die dritte Auflage. 14 So vor allem in Brunner: Landleben, ferner in den Aufsätzen, die unter dem Titel Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte versammelt sind. Ähnlich Karl Bosl in seinem Aufsatz „Der ,aristokratische Charakter‘ europäischer Staats- und Sozialentwicklung“ (Bosl: Charakter; s. dazu Dilcher: Adel, S. 62 f.). 15 Conze / Maier: [Artikel] Adel, Aristokratie. Ebenfalls an Brunner orientiert sich Otto Gerhard Oexle, wenn er in seinem vorzüglichen Forschungsbericht „ein volles Jahrtausend“ Adelsgeschichte auf einen „historisch relativ stabilen Kern“ zu bringen sucht (Oexle: Aspekte). Ähnlich, wenn auch mit etwas anderen Akzenten Gerhard Dilcher (Dilcher: Adel; die Anknüpfung an Brunner dort S. 62).

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Dagegen trat in den 1970er-Jahren eine neue Generation von Adelsforschern an. Das scheppernde, die völkisch-ständestaatlichen Implikationen übertönende Tugendpathos sollte dem Adelsbegriff ausgetrieben werden. Vom Kopf eines vermeintlich verlogenen Selbstverständnisses sollte er auf die Füße seiner materiellen Interessen gestellt werden. Auf Brunners ureigenem Gebiet: der Sozialgeschichte, gedachte ihn eine Generation zu korrigieren, die ihm doch zentrale Anregungen verdankte. Schule gemacht hat damit vor allem Wolfgang Reinhard, dessen Konzept der „Verflechtung“ den frühneuzeitlichen Adel als eine Art Mafia erscheinen ließ. Als familiäre und dadurch per se partikulare Interessenverfolgung, als Herrschaft durch Klientelbildung wird die soziale und politische Rolle des Adels seither dargestellt. Wie dieser Stand sich zu anderen Eliten verhielt, ob und inwiefern er sich in eine Funktionselite von Fürstenherrschaft und Staatsgewalt verwandeln ließ, ist das Thema, das sich aus diesem Ansatz ergibt.16 Dazu paßt, daß Reinhard die liberale Sicht auf die „Geschichte der Staatsgewalt“ erneuert hat: Wieder erscheint diese bei ihm als teleologisch-linearer Prozeß hin zum modernen Staat der Gegenwart, wobei allerdings erstmals auch dessen Schwäche und mögliches Ende in den Blick geraten. Adelsherrschaft ist wieder das, was notwendig überwunden werden mußte, damit der moderne Staat entstehen konnte. Ob dies auch dann noch stimmt, wenn man den Adel wieder anders sieht als Reinhard, soll die folgende Studie am Beispiel der Stiftsherrschaft Würzburg klären. Sie unterscheidet sich von Reinhard dadurch, daß sie das Herrschaftsethos des untersuchten Adels ernstnimmt, es nicht als Ideologie betrachtet, um materielle Interessen zu bemänteln, es vielmehr als ein Strukturmoment adliger Stiftsherrschaft begreift. Im Hinblick auf den modernen Staat hingegen ist die Studie der gleichen liberalen Deutungstradition verpflichtet wie Reinhard, wenn auch mit abermals modifizierten Voraussetzungen. Der Verfasser betrachtet es weder als Unglück, daß der moderne Staat entstanden ist, noch hält er diesen für dämonisch, verwerflich, böse. Im Gegenteil scheint ihm darin eine einzigartige politische und kulturelle Leistung zu liegen. Der moderne Staat ist für ihn ein „Kunstwerk“: eine der elaboriertesten menschlichen Hervorbringungen überhaupt. Nichts daran ist naturwüchsig, nichts versteht sich von selbst. Der moderne Staat fiel mit der Amerikanischen und Französischen Revolution nicht vom Himmel, er entsprang auch nicht notwendig irgendwelchen Bedingungen, es gab kein telos, das zu ihm führte – eben darum ist seine Entstehung, ist die Geschichte der Staatsbildung eine der vornehmsten Erklärungsaufgaben der Frühneuzeithistorie überhaupt. Als dämonisch oder böse mag der moderne Staat erscheinen, wenn man ihn auf den Machtstaat reduziert. In der liberalen Deutungstradition ist dies häufig geschehen, auch Reinhard neigt dazu. Es kann hier nicht diskutiert werden, wie sehr diese 16 Kennzeichend für diese Sichtweise im Rahmen einer allgemeinen Eliten-Theorie ist der Sammelband Power Elites and State-Buildung, den Reinhard herausgegeben hat. Kritik an solchen funktionalistischen Ansätzen mit ihren Verkürzungen und Anachronismen übt Dilcher: Adel, S. 57 f.

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(nach Meinung des Verfassers typisch deutsche) Fixierung auf den Machtstaat eine verständliche Reaktion auf seine (ebenfalls sehr deutsche) Verachtung durch machtgeschützte Innerlichkeit ist. Es muß genügen, darauf zu verweisen, daß auch die liberalen Historiker Erklärungsvorschläge unterbreitet haben, was neben der Eigendynamik der Macht zur Entstehung des modernen Staats führte. Erinnert sei vor allem an Max Webers These von der Rationalisierung und Versachlichung von Herrschaft. Daß dies nicht als Fortschritt allein der technischen Vernunft mißverstanden werden darf, nicht als äußerliche Vermehrung und Effizienzsteigerung der Machtmittel, bildet einen Ausgangspunkt der folgenden Studie. Sie sucht zu zeigen, daß mit der Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg ein innerer, sachlogischer Qualitätssprung der Politik in diesem Gemeinwesen verbunden war, sie sucht einen Ansatz zur Staatsbildung durch Versachlichung der Politik freizulegen. Daß dies auf machtpolitischen Voraussetzungen beruhte und zur Herrschaftsverdichtung des Fürstbischofs beitrug, wird dabei stets mitbedacht. Nur reduziert wird es auf diesen – zweifellos wichtigen – Punkt nicht. Der moderne Staat ruht auf Fundamenten, die er nicht selbst hervorbringen kann. Das gilt nicht nur für Religion und Lebensführung, es gilt genauso für demographische Entwicklungen, die Entstehung neuer gesellschaftlicher Gruppen, wirtschaftliche Konjunkturen, das Verhältnis von Öffentlichkeit, Privatheit, Intimität. Es gilt für die Formen der menschlichen Vergemeinschaftung (Droysens „sittliche Mächte“), am meisten für die der politischen Vergemeinschaftung. Sie liegen dem Staat voraus, sie bedingen ihn, sie entscheiden, was aus ihm wird. Das erzwingt immer neue Versachlichungen der Politik. Und es ist der Grund, warum die Geschichte des Politischen, recht verstanden, Allgemeinhistorie werden muß. Zu dieser Geschichte, in diesem Verständnis, sucht die folgende Untersuchung einen Beitrag zu leisten.

A. Handlungsbedingungen: Eine Strukturanalyse reichsritterschaftlicher Stiftsherrschaft 1. Bischofslande Von jeher waren die Ströme Mitteleuropas zentrale Verkehrsadern – daß Alpenraum und Nordseeküste zusammenhängen, daß sie von Menschen verwandter Sprachen besiedelt, daß sie unter eine Oberherrschaft gebracht wurden, liegt zuerst am Rhein. Als wichtigste Nord-Süd-Verbindung, als Heer- und Handelsstraße, als Magistrale für den Strom der Menschen, Güter, Ideen hat der Rhein mit seinen Nebenflüssen (allen voran dem Main) einen Raum definiert, der dem Wandern und Siedeln der Menschen, ihrem Tauschen und Austauschen, Heerfahrt und Herrschaftsbildung die Richtung wies und die Reichweite. Denn was waren die Alternativen zu den natürlichen Wasserstraßen? Unbefestigte Wege mußten selbst für wichtigste Handelsrouten genügen. Frühjahrs- und Herbstregen verwandelten sie in Schlammgruben ohne Grund, der Winterschnee überdeckte jede Markierung. Selbst wer das Glück hatte, nicht wie die allermeisten Menschen zu Fuß gehen zu müssen, wer sich ein Pferd leisten konnte oder einen Wagen, riskierte auf diesen Straßen häufige Unfälle, erlebte größte Mühsal und kam im günstigsten Fall halb so schnell voran wie ein Schiff flußab.1 Noch schlechter sah es aus, wenn Lasten befördert werden mußten, Waren oder Kriegsgerät. Nicht einmal nachdem man im 16. Jahrhundert mit der drehbaren Vorderradachse die Kurventüchtigkeit verbessert, mit der elastischen Aufhängung des Wagenkastens eine Federung geschaffen hatte, wurde der Lastentransport über Lande so schnell wie die Treidelschifffahrt flußauf (von der Reise mit dem Strom zu schweigen). Diese Verkehrsbedingungen waren es, die den Rhein und den Main zu geschichtsbildenden Faktoren machten, zu Koordinaten ganzer Landschaften. Erst als man Ende des 18. Jahrhunderts die Straßen befestigte, als man im 19. Jahrhundert mit Dampfmaschine und Eisenbahn neue Verkehrsmittel ersann, erst in der Moderne verblaßte diese Bedeutung. Die politischen Vergemeinschaftungsformen der vorausgegangenen Jahrhunderte sind ohne sie nicht zu verstehen. Immer und immer sind über den Rhein und den Main die Kriegsvölker gezogen, stromauf und stromab: Kelten, Römer, Franken, Wikinger, Spanier. Für die Verklammerung der Siedlungsgebiete (die dadurch zu Ober- und Niederdeutschland wurden), für die Beherrschung der Mitte war die Kontrolle über diese wichtigsten 1 Voigt: Verkehr, Bd. 2 / 1, S. 225–240; Münch: Lebensformen, S. 501 f.; Camusso: Reisebuch, S. 47.

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Heerstraßen entscheidend. Militärstützpunkte entstanden, wo Schiffahrtswege zusammenkamen oder von Landstraßen gekreuzt wurden: Leicht war der Verkehr über die Flußmündungen, die Furten und Fähren, später über die Brücken zu kontrollieren. Aus Garnisonen entwickelten sich feste Plätze – die ersten in Mitteleuropa, die bis heute besiedelt sind. Konstanz, das mit der Einfahrt in den Untersee auch die in den Oberrhein kontrollierte; Basel an der Mündung von Birs und Wiese, wo der Rhein auch für schwere Gefährte schiffbar wurde; Straßburg an der Mündung von Breusch und Ill, das die Vorherrschaft über das Elsaß verschaffte; Speyer an der Speyermündung, Worms unweit der Neckarmündung, über der weit gewordenen Rheinebene gelegen; Mainz, die Gelenkstelle zwischen Ober- und Niederrhein, weil es neben seiner Mittellage am Rhein auch den Zugang zur Mainebene und zu Franken kontrollierte; Koblenz an der Moselmündung, in ständiger Beziehung zu Trier; Köln, wo der Rhein von der Handelsstraße zwischen Flandern und Norddeutschland gekreuzt wurde – sie alle waren römische Militärlager, Stützpunkte entlang der Rheingrenze; fast alle sind bis in die Neuzeit Festungen geblieben. Mochten die Befehlshaber kommen und gehen, die Sprachen der Soldaten wechseln, die Blickrichtungen sich umkehren, unverändert blieb die von Kelten und Römern errichtete Militärgeographie bestehen. Mit den Kriegern, unter ihrem Schutz und zu ihrer Versorgung, kamen die Siedler.2 So groß war die Bedeutung der Wasserstraßen, daß die Menschen früh schon ihre Abneigung gegen die überschwemmungsgefährdeten, sumpfigen Flußniederungen überwanden. Militärische Notwendigkeit und die Möglichkeit, sich über die Flüsse zu versorgen, brachten das Wandersiedelwesen in Mitteleuropa zuerst am Rhein zum Stehen. Nicht einmal die Bevölkerungsverluste der Spätantike veranlaßten hier eine Veränderung. Viele Städte im Innern der römischen Provinzen wurden aufgegeben, den Militärstützpunkten am Rhein hingegen wuchs mit dem Ende der römischen Herrschaft eher neue Bedeutung zu. Man denke an Worms, das zum Mittelpunkt der Burgunderherrschaft aufstieg. Soldaten wie Siedler bedurften der Handelsleute, die Heerstraßen wurden zu Handelswegen ausgebaut. Holz, Baustoffe (wie der Sandstein), Wein3 wurden aus Süddeutschland in die Siedlungen an Fluß und Küste verschifft. Jahraus, jahrein sah man nach der Schneeschmelze, wenn die Flüsse Hochwasser führten, mächtige Langholzflöße flußabwärts treiben, um die Werften mit Schiffsholz, die ZimmerZum folgenden Fried: Weg in die Geschichte, S. 29–61. „Jn Ansehung der darauf florirenden Handlung ist der Rhein auch ein wichtiger Fluß, und zwar, wenn man nur allein das einzige Commercium der auf demselben häufig verführten Rhein= und Moselweine betrachtet, so kan man auch hieraus dessen Wichtigkeit zur Gnüge beurtheilen. Zugeschweigen, daß an dem Rheinstrom die wichtigsten Sachen von Belagerungen, Schlachten u. a. m. vorgegangen sind; auch daß kein einiger Fluß irgendswo zu finden sey, welcher soviele hohe Herrschaften und Fürstenthümer durch und umströme, als eben derselbe in seinem Umlaufe bestreichet.“ Dielhelm: Lexicon, S. 483. Vgl. ebd. über den Main: „Was für ein Gewerbe auf diesem Strom getrieben werde, zeigen die sowohl an andern Orten, als auch zu Frankfurt häufig ankommenden Flösse und Schiffe mit allerhand Waaren, wie auch mit Bau und Brennholz, Kohlen, Steinen u. d. gl.“ (S. 335 f.). 2 3

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leute mit Bauholz zu versorgen. Für viele Waldgebiete stellte der Holzhandel den wichtigsten Erwerbszweig dar. An jedem größeren Ort errichteten die Händler Holzhöfe, um das Floßholz zu verkaufen.4 In die Gegenrichtung treidelte man Pelze, Wachs, Tuche vom Niederrhein, später die Produkte des Nordseehandels und die Luxusgüter der niederländischen Städte. Die Garnisonen am Rhein zogen die Waren an, entwickelten sich zu wichtigen Märkten. Stapelrechte begründeten den Reichtum von Köln, Mainz, später Frankfurt, veranlaßten das Zusammenströmen der Menschen auf Jahrmärkten und Messen. Handwerker fanden sich ein. Vermögen entstanden, selbstbewußte Stadtbürger. Die Treidelschiffahrt mit der Sorge für Wege, Pferde, Reisende bot vielen Menschen Auskommen. Zudem dienten die Ströme als Nahrungsquellen.5 Fischfang und Fischhandel setzten manchen in Lohn und Brot. In vielen Städten war die Fischerzunft die erste und älteste. Über die Heer- und Handelsstraßen kamen die Ideen. Von den Strömen aus verbreitete sich die römische Lebensweise, traten die Völker des Nordens und Ostens mit der römischen Zivilisation in Kontakt. Rheinab zogen mit den Legionen die ersten Christen, rheinauf die irischen Missionare. Christliche Gemeinden entstanden an den Knotenpunkten des Systems; die Garnisonsstädte wurden zum Sitz der ersten Bischöfe. Chur, Konstanz, Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Trier, Köln, Utrecht – wie auf einer Perlschnur waren die Bischofssitze entlang des Rheins gereiht.6 Von hier drangen die Missionare vor, etwa über den Main, wo Bonifatius 742 das Bistum Würzburg gründete, Kaiser Heinrich II. 1007 Bamberg zum Bischofssitz erhob: unweit des äußersten Punkts, bis zu dem der Main schiffbar war. Zur verkehrstechnischen und militärischen Mittelpunktsfunktion kam für Mainz die kirchliche. 780 zum Erzbistum erhoben, unterstanden ihm nicht nur die Bischöfe am Oberrhein (bis auf Basel), sondern auch der Würzburger, einige im Donauraum (Eichstätt, Augsburg) und an der Elbe. Als Metropole Germaniens wurde es im Frühmittelalter angesehen. Nur Bamberg wurde als kaiserlicher Stift von dieser Metropolitangewalt dispensiert,7 blieb allerdings über den Main mit Würzburg und Mainz eng verbunden. 4 Mälzer: Der Main, S. 61. Noch auf den Frankfurt-Ansichten des 18. Jahrhundert bilden Flöße und Holzlager den Vordergrund, s. z. B. Klötzer: „Also lustig“, S. 52–57. 5 „Es hat sonst dieser Strom [= der Rhein, J.S.] von allerhand Arten Fischen einen grossen Ueberfluß [ . . . ].“ Dielhelm: Lexicon, S. 480. Vgl. über den Main: „Sonst ist er ein fischreicher Fluß, und von dem allgütigen GOtt mit allerley Arten guter Fische vortreflich gesegnet. [ . . . ] Jnsonderheit führt der Mayn unter [NS] allen fichtelbergischen Wassern die schönsten und leckerhaftesten Forellen bey sich [ . . . ]. Uber dieses hat er schmakhafte Krebse, nebst verschiedenen Arten Wasserschnecken und Muscheln, so die Mahler zu ihren Farben brauchen. Wo dessen Ufer oder die Jnseln mit Gesträuchen von Erlen oder Birken bewachsen sind, giebt es hin und wieder Wasserschnepfen, Bachstelzen und dergleichen Geflügel mehr. Ferner wachsen an dem Maynufer Erlen, Wasserpfeffer, Calmuß, Binsen, Klee, etc. in grosser Menge; absonderlich aber viele Brunnenkresse, welche vielen Leuten statt eines gesunden Salats dienet.“ Dielhelm: Lexicon, S. 334 f. 6 Petri / Droege (Hg.): Rheinische Geschichte, Bd. 1, S. 257. 7 Willoweit: Entstehung exemter Bistümer, S. 184–203.

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Schon Konstantin hatte die Bischöfe an der Reichsverwaltung beteiligt. Als die Verbindung nach Rom und Byzanz immer häufiger gestört wurde, übernahmen sie die Aufgaben der Zentrale. Aus senatorialem Adel stammend, genossen sie nicht nur höchstes Ansehen, mit der Kirchenorganisation verfügten sie auch über eine Infrastruktur, die den Zusammenbruch der säkularen Verwaltung überdauerte. Nach dem Ende der römischen Herrschaft bildeten die Bischöfe ein entscheidendes Moment der Kontinuität. Sie waren es, die (neben den Klöstern) in ihren Verwaltungen Schriftkunde, Buchwissen, Gesetzestexte bewahrten. Auf sie stützen sich die neuen Herren: Alemannen, Burgunder, Franken, die Stammesfürsten und späteren Könige. Schlagetots traten zum Christentum über, die Bischofsstühle wurden von den jüngeren Brüdern und Söhnen der Kriegsführer besetzt. Auf das engste durchdrangen sich Kriegshandwerk und kirchliche Hierarchie.8 Die fränkischen und römisch-deutschen Könige blieben auf die Bischöfe angewiesen. Mochte Karl der Große versuchen, ihnen die weltliche Macht wieder zu nehmen, mochte er wichtige Bischofsstühle jahrzehntelang unbesetzt lassen, mochte er die Kirche in seinem Reich wie eine Eigenkirche behandeln,9 auf die bischöflichen Abgaben, ihre Truppen für den Heerbann, ihren Einsatz für die karolingische Bildungsoffensive konnte er nicht verzichten. Gerade die Straffheit seiner Kirchenpolitik zeigt deren Wichtigkeit. Auch waren die Zügel so kurz auf Dauer nicht zu halten. Schon daß die Kriege statt von der Gemeinschaft der Freien immer häufiger von den Aufgeboten der Grafen, Bischöfe, Äbte, vassi dominici geführt wurden, erzwang eine Feudalisierung, die auch von der energisch geförderten Schriftlichkeit profitierte. Die Bischofsherrschaft verfestigte sich zu einer Institution. Karls Nachfolgern war dies anfangs nur recht. Anders als auf die weltlichen Kronvasallen, die mit der Vererbbarkeit ihrer Lehen widerspenstig wurden, schien auf die Bischöfe Verlaß. Aus den königlichen Familiaren rekrutiert, an der Hofkapelle ausgebildet, von den Kaisern eingesetzt, sicherten sie dem Reichsoberhaupt Einkünfte und Truppen, verschafften sie ihm Spielraum gegenüber den weltlichen Großen. Warum also sollten die Ottonen Besitz und Einkünfte der Bischöfe nicht mehren? Warum sollten sie ihnen nicht – zögerlich anfangs, systematisch unter Heinrich II. – das Zollrecht verleihen für den Flußverkehr? Das Stapelund Marktrecht für die Bischofsstädte? Das Münzrecht? Warum sollten sie die Bischöfe nicht von der Gerichtsbarkeit der weltlichen Herren befreien? Ihnen zur Immunität schließlich auch die ehemaligen Grafschaftsrechte übertragen? Von den solcherart gesteigerten Einkünften profitierten die Kaiser doch unmittelbar. Gerade die Ausweitung, Stärkung, Institutionalisierung der Bischofsherrschaft wurde zum Movens ihrer Verselbständigung. Ein Indiz dafür sind die Domkapitel, Fried: Weg in die Geschichte, S. 101–103, 194–198. Zum folgenden ebd. S. 315–317. Auf die im Anschluß an Julius Ficker lange und kontrovers diskutierte Frage, ob alle unter Karolingern und Ottonen gegründeten und von ihnen mitausgestatteten Bistümer „Eigentum des Reichs“ gewesen seien bzw. wieviel vermögensrechtliche und institutionelle Eigenständigkeit ihnen bereits zugekommen sei, kann hier nicht eingegangen werden. 8 9

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die sich zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert zu selbstbewußten Korporationen entwickelten.10 Ohne einen Stab von gut ausgebildeten Klerikern waren die mannigfachen Aufgaben eines Bischofs nie zu bewältigen gewesen. Aus diesem Presbyterium schälte sich – davon wird noch die Rede sein – eine geregelte Dienst, Lebens- und Vermögensgemeinschaft heraus. Über sie meldete der regionale Adel seinen Wunsch nach Mitregierung an. Die Forderung nach „freier“ Bischofswahl bedeutete faktisch, daß der Lokaladel die Schlüsselpositionen der Bischöfe besetzen wollte, anstelle der Könige.11 Das war die innere Voraussetzung für den Investiturstreit. Das Ergebnis dieser Richtungsentscheidung ist bekannt. Um die Bischöfe weiterhin für die Verwaltung des Reichs in Anspruch nehmen zu können, akzeptierten die Könige die Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Gewalt, spiritualia und regalia. So wichtig erachteten sie es, die Bischöfe wenigstens noch über die (nachgeordnete) Regalienverleihung in ihr Herrschaftssystem einzubinden, daß sie dafür die (vorgeordnete) kanonische Wahl durch die Domkapitel zugestanden, allerdings in ihrer Anwesenheit.12 Die Folgen dieser Weichenstellung können kaum überschätzt werden. Im Bündnis mit dem Papsttum setzte der in den Domkapiteln vertretene Adel sich gegen die Könige durch.13 Die Bischofswahl wurde zum vornehmsten Recht der Domkapitel,14 die Rekrutierung der Bischöfe aus den eigenen Reihen möglich. Die Kirche im Reich, von den letzten Ottonen und den Saliern zum mächtigen Herrschaftsinstrument ausgebaut, ging in die Hände des Adels über. Die Könige wurden zum Ausgleich mit dem regionalen Adel, zur Klientelpolitik gezwungen. Soweit ging der Machtverlust allerdings nicht, daß die Reichshäupter jeglichen Einfluß auf die Bischöfe verloren. Im Gegenteil schrieb das Wormser Konkordat Schieffer: Entstehung. Vgl. unten Abschnitt 2. Fried: Formierung Europas, S. 99. 12 Vgl. „Ego Heinricus [ . . . ] dimitto deo et sanctis dei apostolis Petro et Paulo sancteque catholice ecclesie omnem investituram per anulum et baculum, et concedo in omnibus ecclesiis, que in regno vel imperio meo sunt, canonicam fieri electionem et liberam consecrationem.“ (Weinrich (Hg.): Quellen, Nr. 49 a, S. 182) mit „Ego Calixtus [ . . . ] concedo electiones episcoporum [ . . . ] in presentia tua fieri, absque simonia et aliqua violentia; ut si qua inter partes discordia emerserit, metropolitani et comprovincialium consilio vel iudicio saniori parti assensum et auxilium prebeas.“ (Weinrich (Hg): Quellen, Nr. 49 b, S. 184). Die juristische Präzisierung, was die Investitur bedeutete und ihre Isolierung aus einer ganzen Sequenz von Symbolhandlungen „gehört zu den Anzeichen, welche die deutlichere Scheidung von königlicher und priesterlicher Gewalt, die rechtliche Differenzierung zwischen staatlicher und kirchlicher Organisation ankündigte“ (Keller: Investitur, S. 65 f.). Auch der Begriff der Regalien erhielt dadurch seine spezifische Bedeutung, vgl. Benson: BishopElect, S. 203 ff.; Fried: Regalienbegriff. Zu den langfristigen Folgen des Investiturstreits für die Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Ordnung s. auch Böckenförde: Entstehung, S. 44–46. 13 Fried: Laienadel und Papst. 14 Below: Entstehung. Neuerdings Schreiner: Wahl mit weiterer Literatur. 10 11

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deren Königsdienst ausdrücklich fest.15 Weiterhin hatten die Bischöfe den wandernden Königshof zu beherbergen und zu verpflegen. Weiterhin hatten sie jährliche Abgaben zu leisten, weiterhin Truppen zu stellen (die als zweiter Heerschild zum festen Bestandteil der Lehensordnung wurden). Weiterhin übernahmen sie wichtige Ämter bei Hofe, dienten als Gesandte, setzten auf Reichsversammlungen die kaiserliche oder königliche Politik ins Werk. Das römisch-deutsche Königtum blieb auf die Bischöfe angewiesen. Ja, wenn Konflikte mit weltlichen Fürsten die Könige lähmten, wenn für minderjährige oder abwesende Könige regiert werden mußte, wenn eine Herrscherfamilie ausstarb, andere um die Nachfolge konkurrierten, waren es häufig die Kirchenhäupter: die rheinischen Erzbischöfe, die das Königtum aufrechterhielten. Je öfter die Dynastien wechselten, je schärfer die weltlichen Großen sich bekämpften, desto deutlicher wuchsen jene in die Rolle von Maklern und Königsmachern hinein. Im Kurfürstenkolleg wurde diese Rolle institutionalisiert, durch die Reichsreform unter Führung eines Mainzer Kurfürsten erneuert, im Westfälischen Frieden garantiert.16 Und auch der Königsdienst der nachgeordneten Bischöfe wurde umso bedeutsamer, je mehr von dem übrigen Reichsgut verloren ging;17 in verschiedenen Institutionen formte er sich seit dem Hochmittelalter aus. Aus den Bischofskirchen im Reich wurde die „Reichskirche“: ein reichsunmittelbares, dem Reichsoberhaupt zugeordnetes Kirchenwesen, das fest in der Reichsverfassung verankert war.18 Zwischen den hierarchischen Bestrebungen der Kaiser (denen es zu dienen hatte) 15 „Electus autem regalia per sceptrum a te recipiat et, que ex his iure tibi debet, faciat.“ Weinrich (Hg.): Quellen, Nr. 49 b (S. 184). Die Bischöfe erhielten die Regalien als Szepterlehen, weltliche Große ihren Besitz als Fahnlehen – damit begründet Eike von Repgow im Sachsenspiegel, warum erstere höherrangig seien, in der Heerschildordnung nach dem Kaiser, aber vor den weltlichen Großen den zweiten Platz einnähmen. 16 „Was von Wiederbelebung und Erhaltung der Wißenschaften gesagt worden, gilt auch von Erhaltung, Rettung und Bewahrung der politischen Verfaßung von Deutschland, welche wir in ältern und neuern Zeiten den geistlichen Chur= und Fürsten so sehr, als immermehr den weltlichen, zu verdanken haben.“ (F. K. v. Moser: Regierung, S. 135). Dem Urteil des Reichspublizisten hat die Forschung sich weitgehend angeschlossen, vgl. etwa Gotthard: Säulen des Reiches; Willoweit: Verfassungsgeschichte, S. 75–82; Duchhardt: Verfassungsgeschichte, S. 32–36; Oestreich: Verfassungsgeschichte, S. 389. 17 Die Regalia galten als Eigentum des Reichs, ihre Verleihung verpflichtete zu den servitia regis (vgl. Borgolte: Mittelalterliche Kirche, S. 19, 31). Im Kern funktionierte die Reichskirche also wie eine Stiftung, der die Kaiser Reichsgut übertrugen, um von den Erträgen dauerhaft unterstützt zu werden. Wegen des Eigentumsprinzips, auf das die Kirche gegründet war und des dadurch institutionalisierten Konservatismus erwies sich das langfristig als eine ausgesprochen erfolgreiche Anlagestrategie: Gerade indem die Kaiser der direkten Verfügungsgewalt über das Reichsgut entsagten, vermochten sie es langfristig zu sichern und davon zu profitieren. 18 Zum folgenden Willoweit: [Artikel] Reichskirche; Raab: Wiederaufbau; Greipl: Weltliche Herrschaft; Jedin: Reichskirche; Becker: Reichskirche und vor allem den aktuellen Forschungsbericht von Braun: Geistliche Fürsten. Wie stark dieses Gebilde in ottonischer und salischer Zeit institutionalisiert war, wird seit einiger Zeit diskutiert (s. Reuter: „Imperial Church System“), nicht allerdings seine langfristige Verfestigung.

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und den föderalistischen des Adels (aus dem seine Sachwalter stammten) war seine Vermittlung unverzichtbar. Unter den Reichsfürsten, denen die geistlichen Herren im Gefolge des Wormser Konkordats gleichzogen,19 stellten sie lange Zeit die Mehrheit;20 im späteren Fürstenrat des Reichstags gaben ihre Stimmen den Ausschlag. In der Reichsmatrikel von 1521 übernahmen sie mit rund dreißig Prozent einen weit höheren Teil der Reichsausgaben, als ihrer Territoriengröße oder Bevölkerungszahl entsprochen hätte. In den aktiven Reichskreisen stellten sie das Direktorium (zuweilen im Wechsel mit weltlichen Fürsten), finanzierten sie einen überproportionalen Teil der Truppen, die als regionale Erzwingungsgewalt fungierten und zur Reichsverteidigung beitrugen. Reichskammergericht und Reichshofrat wurden maßgeblich von ihnen getragen und in Anspruch genommen. Sogar die Pflicht zur Gastung wurde erinnert. Mochte sie nach dem Ende des Wanderkönigtums an praktischer Bedeutung eingebüßt haben, symbolisch rückten die geistlichen Reichsstände sie in Gestalt prunkvoller Kaisersäale im 18. Jahrhundert wieder ins Zentrum ihrer neuen Residenzbauten – pars pro toto signalisierten sie das Nahverhältnis zu den Kaisern und legitimierten die stiftische Herrschaft.21 Auch das Kaiserrecht, bei den Bischofswahlen vertreten zu sein, wurde im 18. Jahrhundert von kaiserlichen Publizisten wiederentdeckt und über Wahlkommissare wahrgenommen.22 Solange das Reich existierte, suchte jeder neu gewählte Bischof um kaiserliche Belehnung nach; zuletzt waren es nur noch die geistlichen Reichsstände, die diese Rechtsbeziehung am Leben erhielten.23 Wenn das Reich bis 1806 als Lehensverband vorgestellt wurde, wenn die Legitimierung der komplizierten Classen: Wormser Konkordat, S. 445. Zweiundneunzig geistliche Reichsfürsten hat Julius Ficker im 13. Jahrhundert gezählt (einschließlich der Äbte, Äbtissinnen und Pröbste); neunundachtzig von ihnen hatten bis zur Reformation Bestand (Ficker: Reichsfürstenstand, Bd. 1, S. 270–376, hier: S. 372–376). Ein Sechstel oder Siebtel des Reichsgebiets stand im Spätmittelalter unter geistlicher Herrschaft (Moraw: [Artikel] Fürstentümer, Geistliche, S. 711). Das politische Gewicht hinter diesen Zahlen hat Peter Moraw für das Spätmittelalter an der Zahl der Höfe und am Erscheinen auf königlichen Tagen zu messen versucht. Er kommt zu dem Ergebnis, von den etwa achtzig handlungsfähigen Reichsfürsten im Reich um 1375 seien neunundzwanzig weltliche, siebenundvierzig bischöfliche gewesen; allerdings hätten die Initiativmöglichkeiten eher bei den Erzbischöfen und Kurfürsten gelegen (Moraw: Fürstentum, S. 122 f., vgl. Schubert: Fürstliche Herrschaft, S. 6). Säkularisationen und Mediatisierungen im Gefolge der Reformation haben dieses Gewicht gemindert (Wolgast: Hochstift und Reformation; Schindling: Reichskirche und Reformation), doch keineswegs beseitigt, da auch die säkularisierten Bistümer noch Sitz und Stimme am Reichstag besaßen: Unter den dreihundert Reichsständen waren am Ende des 18. Jahrhunderts immer noch vierundsiebzig geistliche Fürsten, allen voran die drei Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier, danach dreiundzwanzig Fürstbischöfe (einschließlich der erst 1752 bzw. 1794 zu Bischöfen erhobenen Fürstäbten von Fulda und Corvey; vgl. Feine: Besetzung, S. 1–4; Aretin: Konfessionen, S. 197). „Mit Hilfe der geistlichen Fürsten wahrte sich der Kaiser die Mehrheit im Fürstenkollegium, doch war mit dieser Mehrheit keine Macht verbunden.“ (Aretin: Großmächte, S. 67). 21 Matsche: Kaisersäle; Müller: Kaisersäle. 22 Christ: Praesentia Regis, S. 151–157; Gotthard: Das Alte Reich, S. 113. 23 Vgl. Schönberg: Recht der Reichslehen mit Noël: Geschichte der Reichsbelehnungen. 19 20

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Verhältnisse offenbar in keiner anderen Form möglich war, scheint das nicht zuletzt der wechselseitigen Abhängigkeit von Kaisertum und Reichskirche geschuldet. Wechselseitig war diese Abhängigkeit, weil auch die Bischofsherrschaften ohne die Kaiser keinen Bestand gehabt hätten. Umgeben von weltlichen Nachbarn, mit denen sie um Herrschaftsrechte konkurrierten, in einem Wettlauf um Herrschaftsverdichtung begriffen, in dem sie seit dem Spätmittelalter immer weiter zurückfielen, durch die Reformation in ihrer Daseinsberechtigung in Frage gestellt, eine begehrte Beute für Mediatisierer oder Säkularisierer, aber auch für jene Fürstengeschlechter, die sie in Sekundogenituren zu verwandeln trachteten, waren sie je länger je mehr auf den Schutz des Reiches, sprich: ihres kaiserlichen Vogts, der Reichsverfassung, der Reichsinstitutionen, angewiesen. Nicht kaiserlicher Schwäche allein ist es geschuldet, daß die Bischöfe nach dem Investiturstreit zu Reichsfürsten wurden, auch jahrhundertelanger kaiserlicher Protektion. Das Wormser Konkordat schrieb die Symbiose von Kaisertum und Reichskirche fest. Allem Wandel der Umstände zum Trotz erwies keine Seite sich danach mehr in der Lage, sie aufzulösen. Es hätte die eigenen Herrschaftstitel gekostet.24 Errungen worden war die Aristokratisierung der Reichskirche im Investiturstreit durch die Unterscheidung von spiritualia und regalia – da die Bischöfe die Regalien aber behielten, ja, im Gefolge des Investiturstreits überhaupt erst zur Fürstenherrschaft ausbauten, fiel in ihrer Herrschaft (wie in der Neuzeit sonst nur noch im Kirchenstaat) das Unterschiedene weiterhin zusammen. In ihr Amt gelangten sie durch kanonische Wahl und anschließende Weihe; die spiritualia für die Ausübung der Hirtenpflichten sollten jederzeit den Vorrang haben. Zugleich aber beförderte die Wahl sie zu Reichsfürsten.25 Als Bischöfe waren sie Teil der römischen Kirche 24 So schon Ranke: „Die hierarchische Verfassung blieb auch im 17. und 18. Jahrhundert eine der vornehmsten Stützen des Kaisertums.“ (Ranke: Mächte, S. 32). Vgl. „Der Bestand dieser Staaten [= der geistlichen, J.S.] war geradezu eine Lebensfrage für das alte Reich.“ (Merkle: Bedeutung, S. 469). „Mit der Säkularisation brach in der Tat die tausendjährige Verfassung des Deutschen Reiches zusammen. Die geistlichen Fürsten waren Jahrhunderte hindurch die festesten Stützen des Kaisers gewesen. Viele hatten ihm ihre Erhebung verdankt und suchten durch Treue gegen ihn sich seinen Schutz gegen die Begehrlichkeit weltlicher Nachbarn zu sichern.“ (ebd., S. 470). Ähnlich: „Seit den Tagen Ottos des Großen war die Kirche eine der wichtigsten Stützen der Reichsverfassung. Trotz der Reformation blieb ihr diese Aufgabe, wenn auch in abgewandelter und beschränkter Form, bis 1803.“ (Aretin: Konfessionen, S. 181); „Sie [= die Säkularisation, J.S.] ist [ . . . ] mit dem Ende des Reichs weitgehend identisch.“ (ebd., S. 234); „Es ist nahezu ein Gemeinplatz, die Existenz der geistlichen Staaten von dem Fortbestand des deutschen Reiches nicht zu trennen, dessen Auflösung die notwendige Konsequenz der Aufhebung der Stiftslande war.“ (Wende: Geistliche Staaten, S. 7); „Wie sehr die Reichskirche jedoch wirklich eine Kirche des Reiches war, erwies sich um 1800, als beide gleichzeitig zusammenbrachen.“ (Maurer: Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 24). Neuerdings Andermann: Geistliche Staaten, S. 617. 25 Eindringlich hat Ernst Schubert vor den Anachronismen gewarnt, die durch den Begriff der Landesherrschaft in die spätmittelalterlichen Verhältnisse eingeschleppt werden (Schubert: Fürstliche Herrschaft, S. 52–61). Bis ins 16. Jahrhundert sei Herrschaft keineswegs auf Territorien bezogen gewesen, sei sie durchaus nicht, wie dies am einflußreichsten Otto

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und dem Papst verpflichtet, als Reichsstände dem Kaiser. Der Investiturstreit hat die Bischofsherrschaft den Kaisern nicht völlig entwunden, er hat sie auf Dauer in den Dualismus der abendländischen Universalgewalten hineingestellt; als „persona duplex“ wurde ein Fürstbischof angesehen.26 Daß niemand zwei Herren zugleich Brunner verfochten hat, allein aus der Landgerichtsbarkeit erwachsen. Vielmehr habe es sich um ein Konglomerat höchst disparater Rechtstitel gehandelt (hoch-, aber auch niedergerichtlicher Jurisdiktionsgewalt, verliehener Königsrechte (Regalien), Vogteirechte über Kirchen und Klöster, lehensherrlicher Rechte, Grundherrenrechte); hinzugekommen seien die faktischen Einflußmöglichkeiten durch den allmählichen Aufbau von Zentralbehörden und einer Verwaltung vor Ort (durch Amtsleute). Ein territorium clausum hätten diese disparaten Rechte und Gewalten nicht ergeben, einzig von dem (mehr oder weniger institutionalisierten) Fürstenamt seien sie zusammengehalten worden. Konsequenterweise spricht Schubert für das Spätmittelalter und das 16. Jahrhundert nur von „Fürstenherrschaft“ – von „Landesherrschaft“ könne erst nach dem Westfälischen Frieden und selbst dann nur für einzelne Fälle die Rede sein. Erst von den Juristen des 17. Jahrhunderts wurde Herrschaft an die Vorstellung eines Territoriums geknüpft, bereits von diesen allerdings auch auf die spätmittelalterlichen Verhältnisse zurückprojiziert (vgl. Willoweit: Territorialgewalt und Störmer: Landesherrschaft). Was Schubert allgemein formuliert, gilt für die Bischofsherrschaften in besonderem Maße – erstens weil ihre geistliche Gewalt auf Bistümer bezogen war, die den Umfang der weltlichen Bischofsherrschaft beträchtlich übertrafen, sich also auch auf Stifte und Klöster erstrecken konnte, die reichsrechtlich längst selbständig geworden waren (um von den Kirchen benachbarter weltlicher Herrschaften zu schweigen); zweitens weil die Bischofssitze an Rhein und Main in herrschaftlich ausgesprochen zersplitterten Landschaften lagen: Regionen einer prinzipiell „ungeschlossenen Staatlichkeit“, wie Hanns Hubert Hofmann das genannt hat (Hofmann: Adelige Herrschaft, S. 97). In ihnen konnte das Territorialprinzip offenbar nirgendwo wirklich durchgesetzt werden, blieb Herrschaft bis zum Ende des Reiches Kumulation disparater Einzelrechte (vgl. Hofmann: Mittel- und Oberfranken, S. 2) – eine wesentliche Erkenntnis aus der Arbeit am Historischen Atlas für Bayern (Riedenauer: Atlas; Ziegler: Atlas; Schuh: Anspruch, S. 36 f.). 26 „Habent nimirum Episcopi Germaniæ, ut verbis S. Bernardi [ . . . ] duplex dominium: habent potestatem clavium in Ecclesia, quibus claudent, et nemo aperit; aperiunt, et nemo claudit; habent et regalia, quia domini sunt urbium et oppidorum, ut merito eis dicatur: quid ultra debui facere et non feci? Duplex igitur Principatus in una eademque persona absque confusione considet pulchro ordine; Sacer unus, alter Regalis [ . . . ].“ (Barthel: Regale sacerdotium, S. 313). Der Geistliche und berühmte Professor des Kirchenrechts an der Würzburger Universität Johann Caspar Barthel (1697–1771) kann 1737 keinen Konflikt zwischen beiden Bestandteilen erkennen, vielmehr sieht er in ihrer Verbindung geradezu einen Idealfall von Herrschaft (zu Barthel s. Hammerstein: Jus und Historie, S. 305, neuerdings Stephan: Glanz, S. 60–62). Kritischer äußert sich der Bibliothekar der Jenaer Universitätsbibliothek und spätere Staatsrechtler Christian Gottlieb Buder (1693–1763) in seiner Dissertation von 1725: „Principes Germaniæ Ecclesiastici, qui a temporibus maxime Henrici V. & Calixti II. P.R. duplicem personam ferunt, Praesulis Sacri & Principis Secularis, duos quoque habent Superiores, in Sacris potissimum Episcopum Romanum, in Profanis Imperatorum Augustum, geminique huius muneris ratione duplici Iurisiurandi vinculo [ . . . ] ex pactis, legibus publicis ac moribus deuinciuntur.“ (Buder: Diatriba, S. 1). Beide Abhandlungen (und die darin zitierte Literatur) beweisen, daß die Doppelgesichtigkeit geistlich-weltlicher Herrschaft unter den Juristen des Alten Reichs breit diskutiert wurde. Aufgearbeitet ist diese Debatte bisher nicht. Lediglich ihren Ausklang im 18. Jahrhundert hat Peter Wende untersucht (Wende: Geistliche Staaten). Erste Schneisen durch das Material schlägt Wolfgang Weber (Weber: „Aus orientalischem Schnitt“). Weitere Hinweise bei Raab: Bischof und Fürst, S. 315, Anm. 1 u. ö.

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dienen könne, für die Bischöfe des Reichs sollte es siebenhundert Jahre lang nicht gelten. Und daß geistliche und weltliche Gewalt unterscheidbar wurden, daß man sie in der Neuzeit getrennt dachte, ja ihre Trennung zum Prinzip erhob, sollte lange Zeit von der Reichskirche ebenfalls konterkariert werden. Das macht sie herrschaftssoziologisch interessant. Welche Folgen waren mit ihrer Doppelgesichtigkeit verbunden? Hatte sie trotz oder wegen ihrer Doppelgesichtigkeit so lange Bestand? Oder ist diese Doppelgesichtigkeit ganz unerheblich, um zu erklären, warum die Reichskirche so langlebig war? Schließlich könnte ihre Existenz durch die angedeuteten Funktionszusammenhänge auch von außen erzwungen worden sein, unabhängig von den Legitimationsquellen der Bischofsherrschaft. Denkbar wäre ferner, daß es noch andere Kräfte gab, die ein Interesse an den geistlichen Fürstentümern hatten, die deshalb neben den angedeuteten Funktionszusammenhängen für ihre Erhaltung sorgten. Nach solchen Kräften wird im folgenden Ausschau zu halten sein. Auch für sie ist allerdings zu fragen, wie und wodurch sie sich legitimierten. Möglicherweise spielten die geistlichen Legitimationsquellen doch eine größere Rolle, als die moderne Forschung ihnen zugestehen will?27 Am Beispiel eines kurzen historischen Moments: für die Reichskirche des beginnenden 18. Jahrhunderts, sollen diese Fragen Gegenstand der folgenden Untersuchung sein. So komplex die Institutionen sind, in denen die Symbiose von Kaisern und Bischöfen sich ausgeprägt hat, ihre fortdauernde Abhängigkeit voneinander läßt sich am Detail der Verkehrswege handfest verdeutlichen. Seit die Kaiser ihre Herrschaft neben Reichsgut und Personenverbänden immer mehr auf Eigenbesitz gründeten, haben sie sich um Einflußzonen entlang der Ströme bemüht. Wer die Hauptschlagadern kontrollierte, beherrschte das Reich. Um Worms und Speyer, deren Dome als Grablegen dienten, erstreckten sich die Besitzungen der Salier. In Schwaben, aber auch im Elsaß waren die Staufer begütert, 1125 übernahmen sie das salische Hausgut, durch zähe Territorialpoltik kamen Besitzungen in Mainfranken, Thüringen und andernorts hinzu. Die Luxemburger gingen von Gütern an der Mosel aus, ehe sie Böhmen und Brandenburg erwarben, die Habsburger vom Hochrhein und vom Elsaß, ehe sie über die Herzogtümer Österreich und Steiermark auf den Donauraum verwiesen wurden. Ausgereicht hat das nie. Das Hausgut mochte Stützpunkte bieten, Zugänge zu den zentralen Verkehrswegen eröffnen; wer sie weiträumig nutzen wollte, blieb stets auf die Mächte angewiesen, die an den Knotenpunkten saßen. Das waren die Bischöfe. 27 Mit dieser Doppelgesichtigkeit tut die Forschung sich schwer. Schon von den Kirchenreformern, dann von den Protestanten, später von den Aufklärern war der geistlich-weltliche Doppelcharakter fürstbischöflicher Herrschaft mit einem prinzipiellen Verdikt belegt worden – die Forschung des 19. Jahrhunderts stand ganz in seinem Bann. Um über diese lähmende Verurteilung hinauszugelangen, hat die neuere Forschung sich zumeist auf eine der beiden Seiten beschränkt, die andere hingegen aus ihren Fragestellungen ausgeblendet (s. z. B. Wolgast: Hochstift, S. 11; Christ: Selbstverständnis, S. 257). Demgegenüber soll hier wieder stärker nach der Wechselwirkung beider Herrschaftsformen gefragt werden.

3 Süßmann

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Niemandem war dies klarer als den Habsburgern. Das burgundische Erbe trug ihnen die die Gegnerschaft der französischen Könige ein. Schon Flandern, Brabant, die nördlichen Niederlande konnten nur behauptet werden, indem man sie auf das engste mit den Besitzungen am Oberrhein verklammerte. Der Rhein wurde zur Achse der Habsburgerherrschaft, immer wieder haben die französischen Könige sie zu durchtrennen versucht. Als Habsburg dann zur europäischen Vormacht aufstieg, als mit Kastilien und Aragon auch die Besitzungen in Reichsitalien in das Herrschaftssystem der Familie einbezogen wurden, allen voran Mailand, verwandelten die daraus entspringenden Kriege den Rhein in einen camino espagn˜ol. Geld, Lebensmittel, Truppen wurden über ihn an die jeweiligen Kriegsschauplätze verschifft. Während des Aufstands der Niederlande hing die spanische Herrschaft an diesem Nachschubweg.28 Noch die großen habsburgischen Kriege des 18. Jahrhunderts: der Spanische und der Österreichische Erbfolgekrieg, der Siebenjährige Krieg, wurden nicht zuletzt an Rhein und Main entschieden.29 Immer wieder hat dies die Bedeutung der Bischofssitze in den „vorderen“ (grenznahen) und „armierten“ Reichskreisen erneuert,30 immer stärker aber auch die Bischöfe in Abhängigkeit von ihren Schirmherren getrieben. Denn längst hatten die Kriege eine Dimension erreicht, die Stifte und Festungen zu bloßen Schauplätzen, Kreise und Truppen zu bloßem Spielmaterial europäischer Koalititonen machte. Die Hochstifte an Rhein und Main müssen zu den „königsnahen Landschaften“ gerechnet werden.31 Die Zeitgenossen haben für diesen Sachverhalt einen Begriff geprägt. Im 16. Jahrhundert war er, den Wörterbüchern zufolge, bereits verbreitet. Aventin gebraucht Parker: Army of Flanders. Dazu die Karten „Bayern als Kriegsschauplatz“ Nr. 29 a–d und die Erläuterungen S. 94– 97 in Spindler: Geschichtsatlas. 30 Um nur ein Beispiel zu nennen: „Karl V. ebenso wie Philipp II. wollten die Ausbreitung der Reformation in den geistlichen Anrainerstaaten ihrer Niederlande nicht dulden, und sie sicherten Köln sowie die westfälischen Stifte für den Katholizismus. Hier stand das habsburgische Machtzentrum Brüssel als das stärkste Bollwerk gegen Veränderungstendenzen. Köln, Münster und Osnabrück waren gewissermaßen binnenländische Außenwerke der von Karl V. und Philipp II. projektierten burgundisch-niederländischen Festung der alten Kirche.“ (Schindling: Reichskirche und Reformation, S. 94). 31 „Bis zum Ende des Alten Reiches fand der König / Kaiser besonderen Rückhalt an einzelnen Personengrupppen, die sich sozial, regional und nach sachlichen Gesichtspunkten sinnvoll als kohärent bestimmen lassen. Ihre Mitglieder waren durch die besondere Beziehung zum Reichsoberhaupt von ihresgleichen abgehoben. Sie konnten als Klientel unter sein Patronat treten [ . . . ]. Sie sind möglicherweise wesentliche ,informelle‘ Bausteine einer modern aufgefaßten Verfassungsgeschichte, das heißt der Geschichte des ganzen inneren Gefüges eines Gemeinwesens, nicht nur seines formal institutionalisierten Teils. Im Hinblick auf den König / Kaiser sind vor allem Gruppen aus hohen und niederen Klerikern, aus Grafen und Herren, aus Rittern und Stadtbürgern zu untersuchen, u. a. im Hinblick auf ihre Herkunft aus bestimmten königsnahen Landschaften, auf ihre Stellung und Tätigkeit am Hofe, auf die Technik der herrschaftlichen Einflußnahme gegenüber diesen Gruppen.“ (Press / Moraw: Probleme, S. 101; vgl. Moraw: Königliche Herrschaft, S. 189; Aretin: Großmächte, S. 67). 28 29

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ihn 1529, ohne ihn eigens zu erklären.32 Zincgref schreibt ihn Kaiser Maximilian I. zu33 und charakterisiert damit die Haltung, die sich in der Begriffsbildung ausspricht: Den Rhein als „Pfaffengasse“ zu bezeichnen, verrät großräumiges Denken; im gleichen Geist wird Napoleon später die Würzburger Residenz als schönstes Pfarrhaus Europas bezeichnen. In der Verkleinerung des Rheinstroms zur „Gasse“ (was zugleich das Gedrängte, kleinteilig Besiedelte, dicht Befahrene anklingen läßt), der vornehmsten deutschen Bischöfe zu „Pfaffen“, ist Spott unüberhörbar. Als Verkehrsweg, so bekundet die Bennennung, ist der Rhein geprägt, überwacht, beherrscht von den Geistlichen, die an ihm wohnen. Und das weckt Aggression. Nicht zufällig erklärt ein anderer Wörterbuchverfasser: „ist im Krieg aufgekommen, wo die Soldaten mehr als anderswo gefunden“.34 Die Lage an den wichtigsten deutschen Verkehrswegen machte die Bischofssitze wohlhabend. Um 1400 bezog der Mainzer Erzbischof aus seinem Zoll zu Oberlahnstein ebensoviel Einnahmen wie aus den dreißig Städten seines Stifts.35 Das ließ die Stifte als lockende Beute erscheinen, exponiert und gefährdet. Im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts erneut populär gemacht, wird der Ausdruck Pfaffengasse von den Lehrbuchautoren auf den Main ausgeweitet36 – eine Verwendung, die den Einfluß von Kurmainz, Würzburg 32 „Maister Hans Liechtenberger hat wol vor 40 jaren und lenger dem pfalzgraven weisgesagt, der Türk sol in die pfaffengassen komen an Rhein biß geˆn Cöln.“ (Aventinus: Warnus, S. 196). 33 „Keyser Sigismundum / weil er das Concilium zu Costantz außgeschrieben vnd angeordnet / nente er [= Kaiser Maximilian I., J.S.] / der Pfaffen Büttel: den Rheinstrohm aber / wegen der vielen Bistummen / Stifft vnd beyderseits daran gelegenen Klöster / die Pfaffengaß.“ (Zincgref: Apophthegmata, S. 82). Vgl. Hübner: Conversations-Lexikon, Sp. 1207: „Pfaffengaß, wird zuweilen die Landschafft am Rhein wegen der Bißthümer, so daran gelegen, genennet, worunter das Bißthum Chur das oberste heißt, weil es am Ursprung des Rheins liegt, Basel das lustigste, Straßburg das edelste, Speyer das andächtigste, Worms das ärmste, Mayntz das würdigste, Trier das älteste, und Cölln das reichste.“ Wörtlich übernommen von Zedler, Bd. 27, Sp. 1222, der lediglich hinzufügt: „Doch soll diese Gegend von Straßburg bis gen Coblentz den Rhein=Strom hinab diesen Namen hauptsächlich von Kayser Maximilian I bekommen haben, als welcher solche wegen der vielen darinnen gelegenen Bißthümer, Stiffte und Klöster, nur die grosse Pfaffen=Gasse zu nennen pflegen.“ Einen Vergleich und eine politische Wertung sattelt F. K. v. Moser auf die Metapher: „Die höhnisch präcidirte Pfaffen=Gaße machte die vor Deutsche Menschheit unschäzbare und ewigen Danks würdige Pyrenäen, daß nicht wie in Frankreich und Spanien, Monarchen=Macht alles in seine Ketten schlug und diese Alpen können bleiben, wenn auch Fürst nur Fürst bleibt und Bischof wieder nur Bischof wird.“ (F. K. v. Moser: Regierung, S. 163, unter Weglassung der Hervorhebungen). 34 Frisch: Teutsch=Lateinisches Wörter=Buch, Bd. 2, S. 46. 35 Schubert: Fürstliche Herrschaft, S. 63. Vgl. die Karte der „Mainzölle vom Spätmittelalter bis 1803“ in Spindler: Geschichtsatlas, Nr. 38 c und die Erläuterungen ebd. S. 111: „Darüberhinaus aber war der untere und mittlere Main Teilstück der Fernhandelsstraße von Flandern und vom Niederrhein zur Donau, von Antwerpen und Köln nach Augsburg, Nürnberg, Regensburg und Wien. Er blieb es, trotz der gewundenen Länge seines Laufs, solang der Warentransport zu Schiff billiger und sicherer war als der Transport zu Land, und das scheint bis ins 17. Jahrhundert der Fall gewesen zu sein – trotz der enormen Belastung durch die Zölle, wie die Karte sie zeigt.“

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und Bamberg über das Maingebiet ebenso veranschaulicht wie deren Verbindung mit den rheinischen Hochstiften. Ohne polemische Absicht, als Quellenbegriff, der verschiedene historische Zusammenhänge prägnant zusammenfaßt, wird der Begriff für die Stiftslandschaft an Rhein und Main hier aufgegriffen. In erster Annäherung umschreibt er das Gesichtsfeld der folgenden Untersuchung.37 2. Senatus episcopi Was Kirche bedeutete und wie sie verfaßt werden konnte, wenn nicht mehr täglich mit Christi Rückkunft zu rechnen war, wenn die Gemeinden verfolgt oder von den Caesaren instrumentalisiert wurden, entschied sich in der Spätantike; als hilfreicher Pate erwies sich dabei das römische Recht. Von ihm übernahmen die Kirchenlehrer die Figur der juristischen Person: Eine Anstalt, die Rechtsgeschäfte tätigen, Eigentum erwerben, ihre Aufgaben selbständig bestreiten konnte, sollte jede einzelne Kirche sein.38 Auf Eigentum wurden die Kirchen gegründet – das sollte sie unabhängiger machen von stockenden Gemeindeleistungen wie von den Grundherren, die Kirchen auf ihrem Eigengut errichteten, um Kapital anzulegen. Unabhängigkeit durch eigenes Vermögen aber hatte zur Folge, daß die Verfügungsberechtigten über dieses Vermögen (wenn es sich nicht um Eigen- oder Stiftskirchen handelte, waren das die Bischöfe) und seine Nutznießer sich verselbständigen, daß sie zu einem eigenen Stand werden konnten. Seit der Spätantike hatten die Bistümer am Rhein Grundbesitz erster Güte erworben. Wertvolle Weinlagen, ertragreiche Felder, kostbar werdender Wald bildeten den Kern bischöflichen Besitzes. Die Säkularisationen in der Karolingerzeit wurden durch neue Ausstattungen in ottonisch-salischer Zeit wettgemacht, hinzu kamen immer neue Schenkungen, Nachlässe, Stiftungen, auch Zukäufe, systematische Erwerbungen. Da Kirchengut nicht veräußert werden durfte, mußte bereits die Dauer der Institution ihren Besitz mehren,39 selbst wenn Verliehenes entfremdet wurde. Mehr als tausend Jahre hatten die rheinischen Bistümer Zeit. 36 Z. B. Gehl: Geschichte für sächsische höhere Lehranstalten, S. 121: „Im Siegeszuge durch Mitteldeutschland gelangte Gustav Adolf durch die Pfaffengasse am Main bis Frankfurt und Mainz.“, vgl. Teubners geschichtliches Unterrichtswerk, S. 176. 37 Im gleichen Sinne wird der Begriff heute in den einschlägigen Handbüchern verwendet, s. z. B. Schubert: Fürstliche Herrschaft, S. 39; Raab: Wiederaufbau, S. 158; Endres: Adel, S. 15. Einen unzureichenden, weil auf der Fiktion des Territorialprinzips beruhenden Eindruck von den Herrschaftsverhältnissen in diesen Gebieten am Ende des alten Reichs vermitteln Jedin / Latourette / Martin (Hg.): Atlas zur Kirchengeschichte, S. 59* und 83; Spindler: Geschichtsatlas, S. 30–32; Hölzle: Südwesten; Wagner: Rhein-Main-Gebiet; Fabricius: Karte; Hofmann: Mittel- und Oberfranken; Hofmann: Unterfranken. 38 Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 429; Feine: Rechtsgeschichte, S. 30, 131–133. 39 „Kirchengut hat eiserne Zähne“ lautete ein altes Rechtssprichwort: „Man will damit anzeigen, daß keine Hofnung zu der Wiedererhaltung derjenigen Güter vorhanden sey, so

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Anders als ihre zweite Einnahmequelle: die Zoll-, Markt- und Münzrechte, die den Bischöfen verliehen wurden, um sie für den Königsdienst in Anspruch nehmen zu können, sollte die Güterbegabung Gottesdienst ermöglichen. Das Christentum verbreiten, die Kleriker ausbilden, einen Ort ständigen Gebets definieren: ein spirituelles Zentrum, sinnfällige Stätte der Heiligenverehrung und des Heils, die ausstrahlte auf ganze Regionen, dazu sollten die Stiftungen für die Bischofssitze dienen. Frömmigkeit war ihr Motiv, Glaubensbezeugung ihr Prinzip. Das ist der Grund, warum der wachsende Reichtum der Bischofssitze nie versteckt oder kapitalisiert werden durfte, warum er immer aufs neue verwandelt werden mußte in Monumente der Transzendendenz; den Pomp der Ausstattungen und Zeremonien; in demonstrativen Prunk. Was in der Neuzeit zunehmend als Provokation empfunden wurde, als Verschwendung oder zumindest Stillstellung wertvoller Kapitalien, was immer stärker die Raubgier weckte und die Kritik der Beobachter, hat seine Ursache in der prinzipiellen Wertrationalität kirchlichen Stiftvermögens. An den Bischofssitzen mußten die Einkommen zur Mehrung des Heils verwendet werden, wie man es verstand. So kam es, daß an den Ufern von Rhein und Main momumentale Gotteshäuser in die Höhe wuchsen, „Kathedralen“ genannt, nach den Bischofssitzen, die sie darstellten, später auch „Dome“, als man die Bezeichnung der bischöflichen Residenz (domus episcopi) auf die Bischofskirchen übertrug. Jahrhundertelang hat man an ihnen gebaut, jede Generation wollte sie größer, eindringlicher, prachtvoller gestalten. Himmelhoch überragten sie die Lehmhütten oder Fachwerkkaten, in denen die Menschen hausten. Von überall waren in den Städten ihre Türme zu sehen, ihre Glocken zu hören. Auf sie liefen die Hauptverkehrsachsen zu, stundenlang hatten die Wanderer auf den Landstraßen sie als Ziele vor Augen. Die Kathedralen definierten den Stadtraum,40 die Landschaft, ihr Stundenschlag die Zeit. Nichts war einmal dem Eigenthum der Kirche zugefallen, indem wegen des Verbotes und anderer Ursachen willen nicht zu vermuthen, daß die Kirche dergleichen einmal erworbene Güter dereinsten wieder veräussern sollte [ . . . ].“ (Eisenhart: Grundsätze, S. 179). Kirchenrechtlich fixiert in L 14.100, X 3.13.5 und X 3.13.9. Nicht zuletzt darauf beruhte der Vorteil, den die Bischofsherrschaft im Hochmittelalter gegenüber der weltlichen Herrschaft besaß. Weder Erbteilungen noch Veräußerungen oder das Aussterben der Geschlechter vermochten sie zu beeinträchtigen. Ihre Vermögensgrundlage blieb ungleich stabiler als die der weltlichen Herren. Erst als der Grundbesitz im Spätmittelalter kapitalisierbar wurde, schlug die Dynamik weltlichen Besitzes in einen Vorteil um. Großräumig konnten wagemutige Fürsten jetzt nicht mehr nur Land gegen Land tauschen, sondern auch Land gegen Geld, Geld gegen Truppen, Truppen gegen Kriegsbeute, Kriegsbeute gegen Land. Es ist klar, daß Herrschaft auf diese Weise leichter zu verdichten und zu arrondieren war als durch die konservative Politik der Kirche. Es ist auch klar, daß weltliche Fürsten dadurch häufiger in Geldnot waren, Fürstbischöfe hingegen vergleichsweise flüssig. Vgl. Schubert: Fürstliche Herrschaft, S. 6 f. und 19–26. 40 „So entstand vielerorten – außer bei den schon von den Römern gegründeten Plätzen –, ehe sich eine Stadt aus Bürgerhäusern bilden konnte, eine Stadt aus Kirchen. Vor der Stadt der Familien stand die Stadt der zur Ehelosigkeit verpflichteten Priester, Mönche, Nonnen, Chorherren und -damen, selbst Laienbrüder und -schwestern. Natürlich bedurften sie des dienenden Volkes, der Landarbeiter, Handwerker, auch Kaufleute; denn man war nicht in allem,

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für ihre Ausstattung kostbar genug. Wie mögen die Menschen diese Räume erlebt haben, wenn sie aus niedrigen Stuben und engen Gassen in sie eintraten? Die leuchtenden Farben der übermenschgroßen Fresken und Figuren, das Licht, das in den bunten Scheiben aufglühte oder von den verschwenderischen Wachskerzen strömte, die imposanten Altäre, golddurchwirkten Ornate, edelsteingeschmückten Meßgeräte – und die Musik. Noch in den Reiseberichten des 17. und 18. Jahrhunderts, verfaßt von weltläufigen Männern, die nicht leicht zu beeindrucken waren, z.T. als Protestanten eher einen spöttischen Blick pflegten, steht das Staunen über diese Prachtentfaltung im Vordergrund. In den Kathedralen materialisierte sich die Gottesverehrung in einem Überfluß, den man nicht für möglich hielt. Überbietung des Menschenmöglichen, Weltlichen war ihr Prinzip. Deshalb waren die Kathedralen immer mehr als nur Mittelpunkte bischöflicher Diözesan- und Stadtherrschaft, mehr als nur Zentren geistlichen Lebens (mit Domschulen, Dombibliotheken, Chorgebet, feierlichem Gottesdienst, Wallfahrten). Nach den ältesten Hoheitszeichen der Städte Köln und Mainz gibt auch das von Würzburg ihre umfassendere Bedeutung zu erkennen (Abb. 1).41

Abb. 1: Ältestes Siegel der Stadt Würzburg, 1195

Es handelt sich um ein wächsernes Rundsiegel aus dem Jahr 1195 von beachtlichen acht Zentimetern Durchmesser. Nach dem äußeren Rand, der in feierlicher wenn auch in fast allem autark. Doch diese Bevölkerung war nicht die Voraussetzung zur Gründung, vielmehr die Folge. Die Geistlichkeit war nicht für sie da, sondern die niederen Stände für den Klerus, dieser allein garantierte Urbanität. [ . . . ] So bekam in allen Bischofsstädten die Kirchenkrone zuerst Gestalt. Die Wahl der Standorte der einzelnen Institutionen stand am Anfang nicht nur der Geschichte der Stadtbaukunst, vielmehr der Künste überhaupt.“ (Braunfels: Geistliche Fürstentümer, S. 16, vgl. Tyler: Lord, S. 1 f.; Schneider: Bauwesen, S. 96 f.). 41 Zum folgenden vgl. Bünz: Siegel der Stadt Würzburg; ders.: WIRCIBVRC.

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Antiqua gehaltenen Umschrift „+WIRCIBVRC“ und einem zweiten, schmalen, kreisrunden Rand zeigt es ein klar gegliedertes Bild. Im unteren Drittel dominieren die Waagrechten. Mehrere Schichten massiv wirkender Quader mit besonderer Bekrönung sind zu erkennen – offenbar eine Mauer, die, von den Bildrändern abgeschnitten, über den Bildausschnitt hinausreicht, der Blickrichtung massiv entgegensteht. Eine winzige Öffnung bildet am unteren Bildrand in der Mitte ein schmales Tor – zusammen mit der Mauer ergibt es die Abbreviatur der Stadt, die durch die Umschrift bezeichnet wird. Diesem lastenden Querriegel sind in den oberen beiden Bilddritteln offene Senkrechten kontrastiert: eine Architekturdarstellung mit drei Türmen, zwei vorderen, schmalen, am linken und rechten Bildrand und einem breiteren, höheren, in der Bildmitte. Mit ihren spitzen Dächern reichen sie bis an den Bildrand, die Spitze des Mittelturms ragt um ein Weniges sogar darüber hinaus in das Umschriftenfeld, direkt unter dem Kreuzeszeichen. Nicht nur das Streben nach Höhe ist in diesen Türmen dargestellt, sondern buchstäblich eine Überschreitung des Gesichtskreises – das gestattet es, diese Architektur als Kirchenbau zu deuten. Daß die drei Türme zu einem einzigen Gebäude gehören, machen, neben ihrer Staffelung, schräge Verbindungslinien deutlich, vor allem aber der große Doppelbogen im Zentrum des Bildes. Schon seine Form vermittelt zwischen den Waagrechten der Mauer und den Senkrechten der Kirchtürme. Auf die Stadtmauer ist er gegründet, das winzige Tor in ihr wiederholt er er in groß, alle drei Türme haben Anteil an ihm, die Erdgeschosse der Seitentürme bilden bescheidenere Entsprechungen. In diesen Doppelbogen ist, genau in der Bildmitte, das Brustbild einer Figur mit Kopfschmuck gestellt. Obwohl die Siegelabdrücke keinen näheren Aufschluß über sie geben, ihre Position im Zentrum von Bild, Stadt und Kirche, ihre Bedeutung als Gelenkstelle im Übergang von der Waagrechten zur Senkrechten, nicht zuletzt die Tormetapher des Doppelbogens, in die sie gestellt ist, weisen die Figur eindeutig aus: Es kann sich nur um den Heiligen handeln, der als verehrter Patron die Stadt mit dem Himmel verbindet und sie als Gemeinschaft legitimiert. Ein Vergleich mit dem typologisch verwandten, besser überlieferten, jüngeren Würzburger Stadtsiegel, das ab 1237 belegt ist, bestätigt diese Deutung (Abb. 2, S. 40). Hier weist eine Inschrift auf dem Torbogengewände den Heiligen als „S(ANCTVS) KYLIANVS“ aus, ist der Kopfschmuck eindeutig als Mitra zu erkennen, sind dem Heiligen weitere Attribute wie der Bischofsstab und der Palmzweig des Märtyrers beigegeben, handelt es sich bei der Architekturdarstellung zweifelsohne um den Würzburger Dom. Ihre Kathedrale also (deren Langhaus zugleich Stadtpfarrkirche war) haben die Würzburger Bürger des Mittelalters als Sinnbild für ihre Gemeinschaft gewählt, das Wirken eines Bischofsheiligen darin als Gemeinschaftsbildung begriffen. Untrennbar waren in den Kathedralen religiöse und politische Zentralfunktion verschmolzen – sie repräsentierten die Gemeinschaft der Gläubigen in Stadt und Bistum insgesamt.

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Abb. 2: Jüngeres Siegel der Stadt Würzburg, nachweisbar seit 1237

Wer in die Dome eintrat und das Langhaus durchmaß, das dem Laiengottesdienst diente, stieß, manchmal noch vor Vierung und Querhaus, auf eine Chorschranke oder einen Lettner. Massiv teilten sie die Kathedralen in eine Kirche der Laien und eine Kirche der Geistlichen. Über deren Rangfolge konnte niemals ein Zweifel bestehen. Nahe beim (Haupt-)Altar hatten die Geistlichen ihren Sitz, in ihrer Mitte stand der Bischofsthron. Um diesen privilegierten Raum abzusondern, hatte man aus der rechteckigen Basilika mit Apsidenschluß zuerst das Querhaus, im 8. Jahrhundert dann den Chor herausgetrieben: Er war zur exklusiven Stätte geistlichen Gesangs vor dem Sanctuarium geworden.42 Einige romanische Kathedralen stellten dem Chor von Bischof und Kanonikern programmatisch einen zweiten Chor gegenüber (häufig als monumentales Westwerk ausgebildet): mit Stifterempore oder Königssitz als dauerhaften Zeichen für die Anwesenheit der Kaiser unter oder gegenüber der Geistlichkeit. In den gotischen Kathedralen blieben davon keine Reste, wurden Presbyterium und Sanktuarium zum Einheitsraum verschmolzen, erreichte dieser Chor mit Umgang und Kapellenkranz oft die gleiche Ausdehnung wie das Langhaus. Der Kölner Dom bestand bis zum 19. Jahrhundert nur aus dem Chor. Prägnant drückt dies die Machtpole aus, zwischen denen diese Kirchen errichtet wurden, auch wie die Gewichte sich darin verschoben. Selbst als man nach dem Tridentiner Konzil Geistlichenkirche und Gemeindekirche wieder aufeinander bezog, als man Durchblicke eröffnete und beide auf einen gemeinsamen Hochaltar ausrichtete, kündeten häufig schon die Erhöhung des Chors und das aufwendige Chorgestühl von der erneuerten Hierarchie. Nicht eine Sache des Bischofs allein war der Gottesdienst in den Kathedralen, sondern vor allem eine Sache der um ihn gruppierten Geistlichen – das machten die Bischofskirchen in der Sprache der Architektur allen Besuchern klar. 42

Vgl. Gall: [Artikel] Chor.

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Wer waren nun diese Geistlichen, die den Bautypus Basilika so nachhaltig zu verändern, sich einen Kirchenraum in der Kirche zu reservieren vermochten? Als besondere Gruppe treten sie erstmals in merowingischen Quellen des 6. Jahrhunderts in Erscheinung. Hier taucht der Ausdruck „canonici“ auf, wobei offen bleibt, ob er sich von den allgemeinen canones herleitet (den Konzilsbeschlüssen zum priesterlichen Leben) oder bereits von einem besonderen Kanon: dem Verzeichnis nämlich, das in Bischofskirchen über die dort dienenden Kleriker geführt wurde.43 In jedem Fall zeichneten diese Kanoniker sich durch ihren Beitrag zum Kathedralgottesdienst aus. Vor allem sie waren es, die ihn über den Gottesdienst an anderen Kirchen heraushoben; ihn durch Wechselgesang und liturgische Dienste feierlich machten; ihn durch das Stundengebet über Tag und Nacht fortsetzten; auch seine Kontinuität sicherten, wenn der Bischof durch Amtsgeschäfte verhindert war. Dafür mußten sie vor Ort anwesend sein, sollten sie in Gemeinschaft leben, benötigten sie aber nicht die höheren Weihen, da sie nicht selbständig zelebrierten. Als Vorbild beriefen sie sich auf die Apostelgemeinschaft: Nicht nur, daß viele Kanonikergruppen sich an der Zwölfzahl (oder deren Vielfachen) orientierten, auch das Gemeinschaftsleben in der Welt war für sie maßgeblich. Askese, wie Mönche sie übten, lag ihnen fern.44 Anders als die Masse der Kleriker an ländlichen und privaten Kirchen wurden die Kanoniker aus dem Kirchengut unterhalten: zunächst durch stipendia und munera, dann aus der Tischgemeinschaft mit dem Bischof. Aus ihr entwickelte sich, wo dies möglich war, ein Gemeinschaftsleben. Um einen Kreuzgang neben der Kathedrale wurden Speise-, Versammlungs- und Schlafräume errichtet: das sogenannte Bischofskloster. Oft trugen die Kanoniker hier Schriften zusammen, unterrichteten den Klerikernachwuchs, beaufsichtigten Skriptorien, beherbergten Reisende, bewirteten Arme, führten die bischöfliche Kanzlei. Gerade ihre vielfache Verwendbarkeit zeichnete sie aus. Keine Weltabkehr, kein Ordensgelübde, keine Seelsorgepflichten, nur liturgische Dienste schränkten sie ein. Mit den Kanonikern entstand eine Truppe von Geistlichen, die, aus Kirchengut alimentiert, prinzipiell für alle möglichen Aufgaben zur Verfügung standen. Ihre Flexibilität bedingte die Vielgestaltigkeit der Kanonikergemeinschaften, die sich in der Folgezeit entwickelten. Es konnte nicht ausbleiben, daß diese Unbestimmtheit zu Problemen führte. Durch Verordnungen von außen suchte man sie aufzufangen. Die erste Sonderregel für den ordo canonicus stammt von einem Bischof. Als im Frankenreich um die Mitte des 8. Jahrhunderts die römische Liturgie eingeführt wurde, nahm Chrode43 Zur Forschungskontroverse über den Begriff s. Marchal: Kanonikerinstitut, S. 778 f., Schieffer: Entstehung, S. 124 f. Beide Arbeiten enthalten umfangreiche Verzeichnisse weiterer Literatur. Vgl. Borgolte: Mittelalterliche Kirche, S. 38–51 und den Forschungsbericht S. 102–113. 44 „Doch hatten sie nach der Vorschrift der heiligen Aposteln ein gemeinschaftliches Leben [ . . . ]. “ (Salver: Proben, S. 151). Vgl. Marchal: Kanonikerinstitut, S. 780. Vgl. ders.: [Artikel] Domkapitel; Crusius: [Artikel] Stift; neuerdings Lorenz: Einleitung, S. 2–7. Auch das Folgende auf Grundlage dieser Texte.

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gang von Metz dies zum Anlaß, umfassende Regeln für das Gemeinschaftsleben der Kanoniker niederzuschreiben. Primär sollte es damit auf den Tages- und Jahresablauf der neuen Liturgie ausgerichtet werden, auch behauptete Chrodegang, in puncto Ausbildung, Vergehen und Strafen, Speise und Kleidung, tägliche Kapitelsitzungen nur zu wiederholen, was von alters her gängige Praxis sei.45 In Wirklichkeit schuf er ein Rechtsinstrument, auf das die Bischöfe sich berufen konnten, wenn ihr praktisches Durchsetzungsvermögen an Grenzen stieß. Früh schon scheinen die Kanoniker versucht zu haben, sich von ihren Brotherren zu emanzipieren. Weitere Regelungsversuche gingen von den fränkischen Herrschern aus. Ihr Ziel war es, die Rechtsbeziehungen zwischen Reich und Kirche zu klären, die politische Einheit mit Hilfe von eindeutig ansprechbaren kirchlichen Korporationen zu sichern. Strikt sollten daher Bistümer und Klöster, Welt- und Ordensgeistliche, Kanoniker und Mönche unterschieden werden. In immer neuen Anläufen traten die fränkischen Herrscher einer Mischung der ordines entgegen, suchten sie die Besonderheit kanonikalen Lebens zu bestimmen und reichsweit festzulegen. Höhepunkt dieser Bemühungen waren die Institutiones Aquisgranenses von 816, die den Kanonikern und Kanonissen als Grundgesetz vorgeschrieben wurde wie die Benediktinerregel den Mönchen.46 Hundertdreizehn Kapitel (von hundertfünfundvierzig) verwenden die unbekannten Verfasser darauf, das kanonikale Gemeinschaftsleben theologisch zu rechtfertigen; danach suchen sie es, ähnlich wie Chrodegang, normativ zu fixieren. So wichtig seien die Kanoniker für die feierliche Liturgie, daß sie bessere Kleidung tragen dürften als die Mönche, weniger enthaltsam zu leben brauchten, weniger fasten, vor allem aber daß sie auch nach ihrem Eintritt in die Gemeinschaft private Habe behalten, ja weiter in eigenen Behausungen leben dürften. Obwohl die Verfasser mit Augustin empfehlen, auf Privateigentum zu verzichten, räumen sie die Möglichkeit seiner Nutzung ein.47 Neben dem mönchischen Ideal von Gemeinbesitz und Armut wird hier ein Typus von Weltgeistlichen zugelassen, der trotz seines Kirchendiensts und seiner Alimentierung aus dem Kirchengut private – und das heißt in dieser Zeit: familiale – Bezüge aufrechterhalten darf. Geschuldet war dies der Normativität des Faktischen. Tatsächlich stammte die Mehrzahl der Kanoniker aus der grundbesitzenden Führungsschicht.48 Auf ihr Pri45 „Si trecentorum decem et octo reliquorumque sanctorum patrum canonum auctoritats inuiolata semper duraret, et episcopus atque clerus secundum eorum rectitudinis normam uiuerent, superfluum uideretur a nobis exiguis super hanc rem tam ordinate dispositam aliquid noui retractare aut dicere.“ So gleich der erste Satz der Praefatio im ursprünglichen Text (zitiert nach Chrodegang: Old English Version, S. 162). 46 MGH Conc. II, 1, S. 312–421. „Niemals zuvor und nie später ist in der mittelalterlichen Kirchengeschichte ein ähnlich umfassender Versuch unternommen worden, das Leben der Kleriker bis ins einzelne verbindlich zu ,reglementieren‘.“ (Schieffer: Entstehung, S. 232). 47 „[ . . . ] liceat linum induere, carnibus vesci, dare et accipere proprias res et ecclesiae cum humilitate et iustitia habere, quod monachis, qui secundum regularem institutionem artiorem ducunt vitam, penitus inhibitum est.“ (MGH Conc. II, 1, S. 397).

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vatvermögen zu verzichten oder die Verfügungsgewalt darüber vollständig an die Kirche abzutreten, kam für diese Familien nicht in Frage. Auf der anderen Seite waren viele Kirchen im Frankenreich nicht ausreichend mit Besitz versehen, um eine Kanonikergemeinschaft aus eigener Kraft zu unterhalten. Wollte man die Söhne und Töchter des Adels, ihren Einfluß und ihre Beziehungen, auch ihren Besitz zumindest in Teilen für die Kirche gewinnen (und das wollten alle), so mußte man einen Kompromiß mit ihnen schließen. Der Typus des Kanonikers und der Kanonisse, wie er durch die Aachener Institutionen definiert wurde, war dieser Kompromiß. Er sicherte das Interesse des Adels an der Kirche, er räumte ihm auf Dauer eine privilegierte Stellung darin ein (wie mit dem Chor einen privilegierten Ort im Kirchenraum: „Chordienst“ wurden die Aufgaben der Kanoniker alsbald genannt), er schuf die Voraussetzungen für die institutionalisierte Symbiose von Adel und Reichskirche. Darauf wird zurückzukommen sein. Als Kompromiß erscheint die Aachener Regel, weil sie den Kanonikern zwar das Recht auf Privateigentum einräumte, zugleich aber genaue Pflichten definierte. Ausführlich beschreiben die Verfasser verschiedene Ämter, die in jeder Kanonikergemeinschaft zu schaffen seien.49 Von dem Propst, der nun anstelle des Bischofs die Ämter verteilen, die Amtsführung beaufsichtigen, die Vergehen bestrafen sollte, über den Kellermeister, der die Vorräte verwaltete, den Küster, der über das Kirchengerät wachte, den Pförtner, der die Klausur beaufsichtigte, den Gastgeber, der für Reisende und Arme sorgte, den Lektor, der bei Tisch vorlas, bis zum Betreuer des Nachwuchses sollte idealerweise jeder Kanoniker sich engagieren. Selbsterhaltung und Selbstverwaltung als Gemeinschaft – darin bestanden die Pflichten, die den Kanonikern neben ihrem Chordienst auferlegt wurden. Für die Gemeinschaft zu sorgen galt mithin als ebenso wichtig wie die liturgischen Aufgaben, ja es wurde als Voraussetzung für diese Aufgaben aufgefaßt. Mochte dies vor allem auf solche Kanoniker zielen, die wegen des mancherorts kümmerlichen Kirchenguts auf die Tischgemeinschaft mit dem Bischof verzichteten und lieber apart von ihrem eigenen Vermögen lebten, in jedem Fall stärkte es die Gemeinschaft und konzedierte ihr ein Maß von Selbständigkeit, das andernorts wohl bereits vorhanden war.50 Denn daß vor einer solchen geschriebenen Rechtsnorm eine ungeschriebene existierte, vor der normierten Ämterteilung eine praktische Ver48 Vgl. Duby: Chanoines reguliers, S. 74; Borgolte: Mittelalterliche Kirche, S. 43 f., 51. Einen prägnanten Überblick über das Verhältnis von Kirche und Adel gibt Dilcher: Adel, S. 73–76. 49 Später unterschied man dabei Dignitäten, Personate und Officia. Propst, Dekan, Scholaster, Kantor und Kustos zählten zu den Dignitäten, sie besaßen Jurisdiktionsgewalt, während die Personate mit Ehrenvorrechten verbunden waren, die Officia ausschließlich verpflichtenden Charakter hatten. Vgl. Merzbacher: [Artikel] Domkapitel, Sp. 758 und Feine: Rechtsgeschichte, S. 387. 50 „Das gemeinsame Leben der Kleriker ist offensichtlich von der Aachener Insitutitio weder erstmals eingeführt noch endgültig fixiert worden, sondern bezeichnet eher die leitende Idee, in deren Entwicklungsgeschichte auch die Kanonikerregel der Reichssynode von 816 zu sehen ist.“ (Schieffer: Entstehung, S. 242).

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gemeinschaftung, die nicht Amtsträger, sondern ganze Personen umfaßte, gehört zu den methodischen Prämissen der hier eingeleiteten Untersuchung;51 nach dieser, den Quellen vorausliegenden Vergemeinschaftungspraxis wird im weiteren immer wieder gefragt werden. Institutionalisierung kanonikaler Vergemeinschaftung durch zugestandene Verselbständigung – so könnte man den Sinn der „Institutio“ beschreiben. Als differenzierte, hierarchisch gegliederte, stark mit der eigenen Selbsterhaltung befaßte Korporation tritt das Kanonikerinstitut aus der Aachener Regel hervor. Vom kapitelweisen Verlesen dieser Regel erhielten die Kanonikergemeinschaften ihren Namen,52 der „Kapitelsaal“ am Kreuzgang der Kathedralen wurde neben dem Chor zu dem Raum, in dem die Gemeinschaft sich symbolisierte.53 Rezeption und Durchsetzung der Aachener Regel zogen sich, von West nach Ost fortschreitend, bis ins 11. Jahrhundert hin. Ganz in der Konsequenz des Textes veranlaßten sie überall einen weiteren Verselbständigungsschub: Die Kapitel erwarben eigenes Vermögen.54 Zunächst wohl erkämpften sie die Verfügungsgewalt über diejenigen Teile der mensa episcopalis, aus denen sie bislang ohnehin unter51 Die Prämisse beruht auf der Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft, wie sie von Ferdinand Tönnies 1902 eingeführt, von Max Weber und Talcott Parsons zur Grundkategorie sozialhistorischer Analyse erhoben, von Ulrich Oevermann jüngst modifiziert in Erinnerung gerufen worden ist (vgl. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 21–23 mit Oevermann: Analytical difference). Nach dieser Unterscheidung fällt die normativ fixierte Teilung verschiedener Ämter mit unterschiedlichen Aufgaben unter die Kategorie der Vergesellschaftung, stellt sie doch zweckrationale, spezifische, rollenförmige Sozialbeziehungen her. Oevermann zufolge sind solche Sozialbeziehungen allerdings sekundär, abgeleitet, vereinseitigt, gehen ihnen – zumindest konstitutionslogisch – affektive, umfassende, diffuse Sozialbeziehungen voraus, wie sie für Vergemeinschaftungen charakteristisch sind. In den rollenförmigen Sozialbeziehungen von Vergesellschaftungen muß sich rechtfertigen, wer „aus der Rolle fällt“, sprich: wer über die reine Zweckbestimmung seines Handelns hinausgeht, zweckfremde Gesichtspunkte in die Interaktion einbezieht. In den diffusen Sozialbeziehungen von Vergemeinschaftungen muß sich rechtfertigen, wer nicht als „ganze Person“ agiert, sprich: wer etwas aus der Interaktion ausschließt, für sich behält, privatisiert. Anders als Weber legt Oevermann den Akzent auf den Gegensatz von partiell und umfassend; deshalb erscheint Gesellschaft bei ihm prinzipiell in Gemeinschaft eingelassen, auf Gemeinschaft gegründet, muß, wer in den Quellen auf Vergesellschaftungen stößt, nach den implizit vorausgesetzten Vergemeinschaftungen außerhalb der Quellen fragen. Als bahnbrechendes Beispiel für einen solchen Schluß über die (kanonistischen Rechts-)Quellen hinaus sei noch einmal auf Below: Entstehung verwiesen. 52 Ab dem 12. Jahrhundert taucht er Begriff in diesem Sinne in den Quellen auf, vgl. Schieffer: Entstehung, S. 97. 53 „Capitulum, Teutsch, Capitel, hieß in denen mittlern Zeiten der Ort, da die Mönche und Canonici zusammen kamen und sich daselbst ihre Capitula oder leges vorlesen liessen: hernach überhaupt der Conuent, daher Capitulares, die eine Stelle im Capitulo haben.“ (Zedler, Bd. 5, Sp. 673). Zu Baugestalt und Ausstattung s. z. B. Scherzer: Sepultur. 54 „Es bleibt zwar richtig, daß sich die Güterteilung in gewissem Sinne aus der inneren Logik der allgemeinen Entwicklung des Kirchenvermögens ergeben hat, aber es ist nicht zu übersehen, daß sich dieser Prozeß [ . . . ] in engem Einklang mit der kirchenpolitischen Linie der karolingischen und nachkarolingischen Reform abspielte.“ (Schieffer: Entstehung, S. 287).

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halten worden waren; irgendwann gingen diese Einkünfte und die zugrundeliegenden Güter ganz an sie über. Hinzu kamen Stiftungen: weiteres zweckgebundenes Sondervermögen, vermutlich zumeist von eben jenen benachbarten Adelsfamilien stammend, die über viele Generationen ihre Kinder in die Kapitel entsandten; ferner Nachlässe und Schenkungen, etwa aus den Privatvermögen der Kanoniker. Die Kapitel wurden wirtschaftlich unabhängig. Bezeichnend ist, daß man dieses Gemeinschaftsvermögen intern in Pfründen teilte, die von jedem Kanoniker selbst zu verwalten waren. Jede Kanonikerstelle wurde dauerhaft mit einer Pfründe verbunden, die Zahl der Kanoniker an die Zahl der vorhandenen Pfründen geknüpft.55 So stark die Kapitel durch ihr Gemeinschaftsvermögen wurden, jedes einzelne Mitglied wahrte seinen Teil. Deutlich zeigt sich abermals der Unterschied zu den Ordensgeistlichen, die ihr Privatvermögen dem Kloster übertrugen und aus dem Gemeinschaftsvermögen nur insofern unterhalten wurden, wie sie sich gehorsam zeigten. Die Kanoniker hingegen, angetreten mit dem Recht auf Privatvermögen, sicherten sich von vorneherein einen festen Ertrag auch aus dem Gemeinschaftsvermögen. Als Amt, das mit festen Nutzungsrechten verbunden war, wurde eine Kanonikerstelle aufgefaßt: als „beneficium“.56 Es entstand hier eine Vor- oder Frühform des modernen Beamten:57 55 Als „eine der großen Abstraktionsleistungen der alteuropäischen Welt“ hat Peter Moraw die Schaffung der Pfründe charakterisiert (Moraw: Stiftspfründen, S. 274). Ihre Zahl hing vom Kapitelsvermögen ab und konnte sich je nach dessen Entwicklung ändern. Für die Domkapitel der Reichskirche im 17. und 18. Jahrhundert hat Peter Hersche zwischen siebenhundertneunundzwanzig und siebenhundertvierundfünfzig katholische Domherrenstellen gezählt (Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 7 f.; Bd. 3, S. 9 mit einer Übersicht über die Verteilung). 56 Erst im Hochmittelalter, als man den Begriff und das Rechtsinstitut generalisierte, wurde zwischen officium (dem ‘Amt’) und beneficium (jetzt nur noch der ‘Amtspfründe’) unterschieden; ursprünglich fiel beides im Begriff des beneficium zusammen. „Damit wurde auch in der Kirche das öffentliche Amt zur nutzbaren Gerechtsame, zur Herrschaft, wie das Grafenamt zur erblichen Grafenwürde mit nutzbaren Herrschaftsrechten über ein Gebiet geworden war. [ . . . ] Der Kirchendienst, die Abgaben werden dem Herrn von der Kirche, dem Kirchengut geleistet, die im übrigen der Herrschaft und dem Nutzen des Beliehenen dienen.“ (Feine: Rechtsgeschichte, S. 212 f.). „Diese ältere Auffassung geriet seit dem 12. Jahrhundert unter dem Wiedererwachen römisch-rechtlicher Anschauungen allmählich ins Wanken [ . . . ] und wich einer andersartigen, die das Amt mit seinen Pflichten, das officium, in den Vordergrund rückte, den Unterhalt, die Bezüge, als Annex behandelte.“ (ebd., S. 370). Vgl. Hinschius: System, Bd. 2, S. 366–369; Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 628. 57 „[ . . . ] in dem katholischen Priesterstand haben wir geradezu den ältesten Bestandteil des modernen Beamtenstaates zu sehen, das Urbild und Vorbild der weltlichen, staatlichen Beamtenhierarchie.“ (Hintze: Beamtenstand, S. 67). Was Otto Hintze über den katholischen Klerus allgemein bemerkt, gilt für die Kanoniker in besonderem Maße: Sie bildeten nicht nur die Elite des Priesterstands (einen Stand im Stand, wie sich zeigen wird), bei ihnen war auch das ständische Sonderbewußtsein, die „Beamtenmoral“ oder (da hier nicht das Selbstverständnis interessiert, sondern die objektive Haltung) der Habitus am stärksten ausgeprägt, den Hintze beschreibt. Allerdings geht er auf den Klerus nicht weiter ein, wenn er die historische Entwicklung des Beamtenstands umreißt. Auch Max Weber rückt die Geistlichkeit in die Geschichte des Beamtentums ein, ohne ausführlicher von ihr zu handeln. Was er jedoch über das Beamtentum im Patrimonialismus sagt

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eines Verwalters von Herrschaftsrechten, der durch lebenslange Anstellung, garantiertes Einkommen, formalisierte Laufbahn und Verpflichtung auf die Gemeinschaft insgesamt vor Willkür geschützt, ja wie moderne Richter verhältnismäßig unabhängig von den Regierenden war.58 Von Gehorsamspflicht jedenfalls konnte fortan keine Rede sein. Kanonikergemeinschaften waren Korporationen von Unabhängigen, ihrer sozialen Zusammensetzung und ihrem Selbstverständnis nach z. T. sogar von Freien.59 Manche von ihnen entwickelten einen ausgesprochenen Eigensinn, eine korporative Selbständigkeit, auch gegenüber ihren Gründern, ebenso gegenüber anderen Versuchen, sie von außen in den Dienst zu nehmen. Diese korporative Selbständigkeit macht die Kanonikergemeinschaften für die hier unternommene Untersuchung relevant. Zugleich wirft sie ungeklärte Fragen auf. Um sie vom modernen Verwaltungsstaat möglichst scharf abzugrenzen, hat namentlich Max Weber der patrimonialen (auf Pfründen oder Lehen beruhenden) Verwaltung jeglichen Sachbezug abgesprochen60 – und dadurch ihre relative Bedeutung für die Geschichte der Staatlich(das er typologisch streng dem der bürokratischen Herrschaft gegenüberstellt), trägt zur Analyse auch der kirchlichen Verhältnisse bei – unterschied der Umgang mit kirchlichen Amtspfründen sich doch nicht prinzipiell von dem mit weltlichen (Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 594 ff.). Für die Kanoniker ist einschlägig, was Weber über den „ständischen“ Typus des Patrimonialismus ausführt (a. a. O., S. 595 f.); darauf wird noch einzugehen sein. Vgl. allgemein Reinhard: Verwaltung der Kirche, S. 144 f.; Feine: Rechtsgeschichte, S. 205. 58 Vgl. Weber, der neben der Ähnlichkeit „im Effekt“ auch den typologischen Unterschied herausarbeitet: „Insbesondere die Appropriation der Pfründe, welche die Beamten oft [ . . . ] faktisch unabsetzbar macht, kann im Effekt wie eine moderne Rechtsgarantie der ,Unabhängigkeit‘ der Richter wirken, obwohl sie ihrem Sinn nach etwas völlig anderes ist: Schutz des Rechts des Beamten auf sein Amt, während man im modernen Beamtenrecht durch die ,Unabhängigkeit‘, d. h. Unabsetzbarkeit der Beamten außer durch Urteil, Rechtsgarantien für ihre Sachlichkeit im Interesse der Beherrschten erstrebte.“ (Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 602). 59 Dazu unten der Abschnitt über den Stiftsadel. Selbstbewußtsein und Ansehen zumal der Domkapitel erhellt daraus, daß einige von ihnen (wie Bamberg und Köln) sogar Könige unter ihre Mitglieder zählten, vgl. Borgolte: Kirche, S. 82 f.; ders.: Königskanonikate; Feine: Rechtsgeschichte, S. 387, Anm. 12. 60 „Ganz allgemein fehlt dem auf rein persönlichen Unterordnungsbeziehungen beruhenden Amt der Gedanke der sachlichen Amtspflicht. Was von ihm existiert, schwindet vollends mit der Behandlung des Amts als einer Pfründe oder eines appropriierten Besitztums. Die Ausübung der Gewalt ist in erster Linie persönliches Herrenrecht des Beamten: außerhalb der festen Schranken heiliger Traditionen entscheidet auch er, wie der Herr, von Fall zu Fall, d. h. nach persönlicher Willkür und Gnade. Infolgedessen ist der Patrimonialstaat auf dem Gebiete der Rechtsbildung der typische Vertreter eines Nebeneinander von unzerbrechlicher Traditionsgebundenheit einerseits und andererseits eines Ersatzes der Herrschaft rationaler Regeln durch ,Kabinettsjustiz‘ des Herrn und seiner Beamten. Statt der bürokratischen ,Sachlichkeit‘ und des auf der abstrakten Geltung gleichen objektiven Rechts ruhenden Ideals der Verwaltung ,ohne Ansehen der Person‘ gilt das gerade entgegengesetzte Prinzip. Schlechthin alles ruht ganz ausgesprochenermaßen auf ,Ansehen der Person‘, d. h. auf der Stellungnahme zu dem konkren Antragsteller und seinem konkreten Anliegen und auf rein persönlichen Beziehungen, Gnadenerweisen, Versprechungen, Privilegien.“ (Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 604 f.).

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keit ungeklärt gelassen. Nur ihre Pfründen hätten die patrimonialen Amtsträger genießen wollen; wo nicht das Herkommen ihnen Schranken setzte, hätten sie allein nach dem Herrenrecht gehandelt oder (mit einem neueren Ausdruck der Forschung) nach der Logik der Klientelbeziehungen. 61 Unbestreitbar ist, daß dieses Urteil sich auf zahlreiche Beobachtungen berufen kann, die gegen die Kanoniker ins Feld geführt wurden: von monastischen Kirchenreformern spätestens seit dem Investiturstreit ebenso wie von den Reformatoren und den Aufklärern. Gleichwohl hat Weber die patrimoniale Verwaltung in seine Herrschaftssoziologie aufgenommen, hat er ihr implizit eine spezifische Rationalität zugestanden. Die Frage bleibt daher, worin die Rationalität kanonikalen Gemeinschaftshandelns, positiv formuliert, bestand; ob und auf welche Weise inmitten patrimonialer Herrschaftszersplitterung Sachgesichtspunkte zur Geltung kommen konnten. Dem geistlich-weltlichen Doppelcharakter soll dabei besonderes Augenmerk gelten. Auf die Selbstverwaltung der Kanonikergemeinschaften und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit folgte die rechtliche: Seit dem Hochmittelalter führten die Kapitel Siegel, empfingen sie eigens an sie adressierte Papsturkunden, galten sie als kollegial verfaßte, selbständig agierende juristische Personen.62 Zäh rangen sie mit den Bischöfen um das Recht, frei gewordene Stellen neu zu besetzen. Im Investiturstreit von den Päpsten unterstützt, erzwangen sie über allerlei Zwischenstufen und Kompromisse spätestens im 13. Jahrhundert, daß sie über ihre Ergänzung allein entschieden. Autonomie im Wortsinn erreichten sie, als nicht mehr Bischöfe (wie Chrodegang) oder Könige (wie Ludwig der Fromme) ihr Gemeinschaftsleben regelten, sondern sie selbst. Schritt für Schritt wurden die Bischöfe aus den Kapitelsitzungen ausgeschlossen, nur noch auf ausdrückliche Einladung zugelassen oder bei Teilnahme auf die Kapitelbeschlüsse verpflichtet. Ende des 12. Jahrhunderts erschien das kapitulare ius statuendi den Päpsten selbstverständlich. In lokalen Statutensammlungen schlug diese Selbstbestimmung sich nieder – notwendigerweise, gaben die Kapitulare doch, nachdem sie ihr Gemeinschaftsvermögen in Pfründen geteilt hatten, auch ihr Zusammenleben auf. In Einzelwohnungen residierten sie jetzt, den „Kurien“: herrschaftlichen Stadthöfen, die sich wie ein Ring um die Stiftskirchen legten, eigene Stadtteile und Rechtsbezirke bildeten, eine Stadt in der Stadt. Chordienst und Selbstverwaltung waren für diese neue Lebensform neu zu regeln; das gab der Selbstgesetzgebung einen starken Impuls. Ein solches Institut mußte Erfolg haben, zu viele Vorteile bot es seinen Stiftern wie den Kanonikern selbst. Was an den Domkirchen aus dem Presbyterium entstanden war, andernorts aus Klöstern hervorging, wurde seit dem Frühmittelalter gezielt an weiteren Kirchen etabliert. Bedarf danach bestand überall, wo kirchliche 61 Maßgeblich hierfür war Wolfgang Reinhard, der postuliert, die große Geschichte der Kampagnen und Operationen (die Makropolitik) werde in vormodernen Gesellschaften nur verständlich vor dem Hintergrund klientelärer Vernetzung und Verflechtung der jeweiligen Führungsgruppen (der Mikropolitik). (Programmatisch Reinhard: Freunde und Kreaturen). Vor allem in der Sozialgeschichte hat dieser Ansatz große Verbreitung erfahren. 62 Merzbacher: [Artikel] Domkapitel.

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Amtsträger in größerer Zahl benötigt wurden: vorab in den Bischofsstädten, aber auch in den Distriktverwaltungen der Diözesen, den Gerichtszentren, den Stätten bischöflichen Königsdienstes. Hinzu kamen die Kirchen, deren Gottesdienst besonders feierlich gestaltet werden sollte: die Pfalzkapellen der Kaiser und Könige, die Hofkapellen und Grablegen des Adels.63 Sie alle mußten, um eine Kanonikergemeinschaft unterhalten zu können, mit zweckgebundenem Vermögen ausgestattet werden. In der Regel geschah dies durch Stiftung – als „Stiftskirchen“ wurden sie deshalb bezeichnet, „Stifte“ die Kanonikergemeinschaften an ihnen genannt. Im Mittelalter umfaßte der Ausdruck alle Kapitel; in der Neuzeit wurde zwischen „Domkapiteln“ (in den Erz- oder „Hochstiften“)64 und „Kollegiatkapiteln“ („Nieder-“ oder „Chorherrenstiften“) unterschieden. Als Stifter traten zunächst die Bischöfe in Erscheinung, die seit der Spätantike über das Kirchenvermögen geboten. Vor allem in und um die Bischofsstädte entstanden ganze „Kirchenfamilien“: 65 Wie ein Kranz wurden mehrere Stiftskirchen um die Kathedrale gelegt. Eine zweite, spirituelle Mauer sollten Heiligenverehrung und Gebet in ihnen bilden, Kathedrale und Stadt zusätzlich schützen, die römische Stationenliturgie ermöglichen. An den vielen Kirchtürmen in ihrem Weichbild waren Bischofsstädte schon von ferne zu erkennen. Kaiser und Könige, Fürsten und Herren, schließlich die Bürger übernahmen das Institut, folgten den Bischöfen als Stifter nach. Das ganze Mittelalter über hielt die Gründungswelle an. Die absolute Zahl ist umstritten; selbst nach vorsichtigsten Schätzungen entstanden bis zur Reformation auf dem Gebiet der Reichskirche mehrere hundert Stifte.66 Die mittelalterlichen Universitäten sind ohne sie ebensowenig zu denken wie die städtischen Bildungszentren, die fürstlichen Residenzen oder die Armenseelsorge in den Hospitälern.67 Die Reformatoren lehnten die Kanonikergemeinschaften ab – nicht nur wegen der Mißbräuche, die mit der Pfründenwirtschaft verbunden waren, sondern prinzipiell, aus theologischen Gründen. Allerdings wurde diese Haltung durch strategische Kompromisse mit dem Adel verwischt. Hatte vor Luthers Gnadenlehre schon die Priesterweihe keinen Bestand, so sollte es aufgrund der protestantischen Gemeindetheologie auch keinen verselbständigten Klerikerstand geben. Auch fei63 Zur Vielfalt dieser herrschaftssichernden und administrativen Aufgaben vgl. Marchal: Welt der Kanoniker. 64 Verfassungsrechtlich bezeichnete der Terminus im alten Reich alle geistlichen Herrschaften, wurden neben den Fürstbistümern (mit Domkapiteln) also auch Fürstabteien und Fürstprobsteien (ohne Domkapitel) darunter gefaßt. Vgl. Merzbacher: [Artikel] Hochstift, Sp. 178 f. 65 Feine: Rechtsgeschichte, S. 198 f.; Crusius: [Artikel] Stift, S. 162; dies.: Basilicae. 66 Allein in den vierunddreißig Bischofsstädten der deutschen Reichskirche hat man hundertdreißig Kanonikerstifte gezählt (Crusius: Kollegiatstift, S. 244). Für das Reich insgesamt schwanken die Schätzungen zwischen fünfhundert (Moraw: Stiftskirchen, S. 428) und siebenhundert Kapiteln (Wendehorst / Benz: Verzeichnis). 67 Moraw: Stiftspfründen.

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erliche Gottesdienste waren nicht an Chorherren zu deligieren, sie sollten die Sache aller sein, die sich im Namen des Erlösers versammelten. Wie die Klöster wurden auch die Stiftskirchen von den protestantischen Obrigkeiten säkularisiert und (zum Teil) ad pias causas verwandt. Von den ehemaligen Stiftspfründen stattete man Kollegien, Waisenhäuser und Hospitäler aus, besoldete man Pfarrer und Prädikanten, Universitäts- und Lateinschullehrer. Aus autonomen Korporationen von Amtsträgern wurden streng kontrollierte, kündbare, von Obrigkeiten, Konsistorien und Gemeinden abhängige Angestellte.68 Auch in den katholisch gebliebenen oder durch die Gegenreformation rekatholisierten Gebieten ging die Zahl der Stiftskirchen im 16. Jahrhundert z. T. erheblich zurück. Auch hier wurden Klöster und Stifte säkularisiert, dienten sie obrigkeitlicher Kirchenpolitik als Verfügungsmasse, beispielsweise um neu gegründete Jesuitenschulen und Universitäten auszustatten. Im 17. und 18. Jahrhundert jedoch erlebten die Stifte im katholischen Deutschland noch einmal eine Blüte – es kam zu Neugründungen, nicht zuletzt von Damenstiften; wesentliche Teile der katholischen Barockkultur wurden von ihnen getragen. Hätten die Kanonikergemeinschaften lediglich ihre Aufgaben erfüllt und ihre Autonomie genossen, wären sie bloß eine von vielen Korporationen der vormodernen Gesellschaft geblieben. Doch wurde ein Teil von ihnen, gerade durch seine Aufgaben, unwiderstehlich in die Politik gezogen, übernahm er bereits im Hochmittelalter mittelbar und unmittelbar politische Herrschaft. Deshalb besaßen die Domkapitel (sie sind gemeint) eine Sonderstellung, bewahrten sie unter den Kanonikergemeinschaften bis zum Ende des Reichs den höchsten Rang. Sie nämlich kontrollierten die Verwaltung der Hochstifte, sie berieten die Bischöfe und wählten sie, sie regierten in Zeiten der Sedisvakanz, sie traten mancherorts den Bischöfen als Landstand gegenüber.69 Das erlaubt, von domkapitularer Mitregierung zu sprechen, das macht die Domkapitel herrschaftsgeschichtlich relevant. Neben der dynastischen Herrschaft in den weltlichen Fürstentümern und der oligarchischen in den Kommunen hatten sie im Reich Teil an einer dritten Herrschaftsform: Als Wahlfürstentümer oder „monarchische Aristocratie[n]“ wurden die Fürstbistümer der Reichskirche von politischen Denkern aufgefaßt, wie das Reich insgesamt als eine Mischung aus aristokratischer und monarchischer Verfassung.70 Diese besonMillet / Moraw: Clerics, S. 175. Zum folgenden Marchal: Kanonikerinstitut, S. 798–805; ders.: [Artikel] Domkapitel; Becker: Senatus episcopi; vor allem den Forschungsbericht von Christ: Selbstverständnis. 70 Z. B. von F. K. v. Moser: Regierung, S. 165. Zur Diskussion über diesen Verfassungstypus s. o. S. 32, Anm. 26. Die Unterschiede zeigen sich vor allem an der Art, wie die oberste Gewalt übertragen wurde. In den weltlichen Fürstenherrschaften geschah dies durch Erbfolge, in den Fürstbistümern und Reichsstädten durch Wahlen. Das Wahlgremium war in den Fürstbistümern prinzipiell geschlossen (da die Domkapitel sich überwiegend durch Kooptation ergänzten, s. u. S. 75), in den Kommunen, zumindest dem Anspruch nach, offen, da dort auch Wahlmänner von außen entsandt oder hineingewählt werden konnten. Von daher ergab sich eine Gemeinsamkeit zwischen den Fürstbistümern und der Reichsspitze. Auch in der 68 69

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dere Herrschaftsform soll im folgenden genauer betrachtet werden. Denn in den Domkapiteln begegnet offenbar eine jener Kräfte, nach denen im vorigen Abschnitt gefragt worden war: Kräfte, die von sich aus für den Erhalt der geistlichen Fürstentümer eintraten, unabhängig von den skizzierten Funktionszusammenhängen, u. U. sogar im Widerstreit gegen die davon ausgehende Instrumentalisierung. Durch ihre Teilhabe an der Bischofsherrschaft, durch den korporativen Rückhalt, den sie den Fürstbistümern des Reiches verliehen, rückten die Domkapitel in ein Spannungsfeld von Mächten und Einflüssen, das nicht nur die Quelle ihrer Herrschaftsbeteiligung: die korporative Autonomie, auf eine harte Probe stellte, sondern zunehmend auch ihre politische Existenz bedrohte. Erwachsen ist die politische Bedeutung der Domkapitel aus den Diensten, die sie den Bischöfen leisteten. Wie die weltlichen Fürsten Herrschaft nur mit Hilfe von Hofleuten und Hintersassen üben konnten, waren die geistlichen Fürsten auf Stiftsherren und Mönche angewiesen. Und wie die Vorsteher der weltlichen Herrschaftsverwaltung allmählich selbst Anteil an Herrschaft erlangten, begab es sich mit denen der geistlichen. Es ist die tägliche Verwaltungspraxis, auf der die Macht der Domkapitel beruhte. Sichtbar wurde dies an der Ratgebertätigkeit für die Bischöfe.71 Stimmten diese ihre Entscheidungen zunächst mit dem Presbyterium der Kathedralstadt ab, später mit einem Rat, dem anfangs auch Mitglieder von Nebenstiften und Klöstern angehörten, so verengte dieses Gremium sich mit der Zeit auf einen immer kleineren Kreis; das Bischofswahlrecht erlangten die Domherren, nachdem sie den bischöflichen Rat monopolisiert hatten.72 Denn Beratung („consilium“) hieß nach römischrechtlicher Tradition unvermeidlich Handeln im Konsens („consensus“), und dieser notwendige Konsens verwandelte sich bereits in karolingischer Zeit, als die Domkapitel zu Korporationen wurden, von einer Selbstverpflichtung auf bischöfliche Beschlüsse in eine Zustimmung, die auch verweigert werden konnte.73 Consilium und consensus traten auseinander; spätestens von den Kanonisten des Hochmittelalters wurde beides klar unterschieden.74 Zugleich legten die Päpste in verschiedenen Dekretalen fest, welche Beschlüsse ein Bischof überhaupt noch ohne Forschung wurde diese Ähnlichkeit zuweilen betont (vgl. Oestreich: Verfassungsgeschichte, S. 388 mit Bosl: Charakter). 71 „§. 6. Das Dohm=Capittel bestehet aus 42. Persohnen [ . . . ] / unter denen sind nebst dem Probst 24. Capitulares, welche das innere Capitel oder Geheimbden Rath ausmachen.“ (Gude: Staat Der Fünff Teutschen Ertz Bischöffe, S. 8). „Den Herren Kapitularen werden von dem regierenden Bischofen und Fürsten die Präsidentenstellen an den hohen Regierungs= Kammer= und Gerichtshöfen und anderen Departements übertragen. Sie sind des regierenden Fürsten meistens geheime Räthe, und haben vor allen Ministern und Räthen den Vorrang; [ . . . ].“ (Salver: Proben, S. 164). 72 So zuerst Below: Entstehung, S. 48. 73 Marchal: Kanonikerinstitut, S. 799. 74 Z. B. in der 1253 vollendeten Summa des Henricus de Segusio (s. Becker: Senatus, S. 39). Vgl. X 3.10.

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Zustimmung seines Domkapitels treffen durfte.75 Daß die Domkapitel mitregierten, daß sie die Bischöfe kontrollierten, wurde so kirchenrechtlich verankert. Als „senatus et consilium episcopi“ waren sie fortan ein Organ der Kirchenverfassung.76 Offiziell erstreckte ihre Mitsprache sich auf Kernfragen der geistlichen Regierung, u. a. auf Vermögensangelegenheiten; eben deshalb aber war sie kaum darauf zu begrenzen. Denn wie sollte der nervus rerum von den übrigen Dingen, wie sollten die Finanzfragen, die das Kirchengut betrafen, auseinandergehalten werden von den weltlichen Aufgaben, die den Bischöfen in der Reichskirche zukamen und für die sie die Finanzen benötigten? Es war nicht zu vermeiden, daß die domkapitulare Mitregierung auf das weltliche Regiment übergriff; als „condomini“ und „conregnantes“ bezeichneten die Domherren sich selbst.77 In den Wahlkapitulationen, die den Bischöfen seit dem Hochmittelalter abverlangt wurden, haben die Kapitel ihre Mitsprache von Fall zu Fall, von Hochstift zu Hochstift verschieden ausgeformt. Vor allem in diesen Texten ist ihre Mitregierung Programm, vor allem auf diese Texte wird die folgende Untersuchung sich daher konzentrieren. Aus der Regierungsbeteiligung erwuchs das Wahlrecht der Domkapitel. Bis in die Karolingerzeit wurden die Bischöfe „kanonisch“: nach den Bestimmungen der Konzilien, von Klerus und Volk der Bischofsstädte gewählt, anschließend von Komprovinzialbischöfen und Metropoliten bestätigt.78 Allerdings kam dem Klerus 75 „De his, quae fiunt a praelato sine consensu capituli“ (X 3.10); vgl. Hinschius: System, Bd. 2, S. 153–156, Feine: Rechtsgeschichte, S. 384, Becker: Senatus, S. 39 und für das Beispiel Mainz Bauermeister: Stellung. Auf Konsens mit ihren Kapiteln wurden die Bischöfe hier für alle Maßnahmen verpflichtet, die in die kirchliche Infrastruktur eingriffen (Gründungen von Klöstern, Kirchen und Kapellen, Patronatsverleihungen, Exemtionen von Kirchen, Errichtung, Neuabgrenzung oder Inkorporationen von Pfarreien, Erhebung außerordentlicher Kirchenabgaben etc.) und damit verbunden für solche, die das Kirchenvermögen betrafen (Schuldaufnahmen, Verpfändungen, Veräußerungen). 76 So werden sie im Kirchenrecht allerdings erst seit 1917 bezeichnet (CIC / 1917, c. 391 § 1 u. ö.). Zwar taucht der Begriff des Senats schon im Decretum Gratiani auf (etwa C. 16 q. 1 c. 7) unter Verweis auf eine Stelle bei Hieronymus: „Ecclesia habet senatum cetum presbyterorum, sine quorum consilio nihil monachis agere licet [ . . . ] Senatum quoque Romani habebant, quorum consilio cuncta agebant, et nos habemus senatum nostrum cetum presbyterorum.“ Doch abgesehen davon, daß das Zitat nicht wie angegeben in dem Brief an Rusticus steht, sondern im Kommentar zu Jesaias n. 51 (Migne XXIV, Sp. 61) und einen anderen Wortlaut hat, kann mit diesem senatus presbyterorum zumindest bei Hieronymus nicht das Domkapitel gemeint sein. Nicht dem Titel nach also, wohl aber der Sache nach konnte aus der Verpflichtung der Bischöfe auf Konsens mit ihren Kapiteln (X 3.10) eine quasi-senatoriale Stellung abgeleitet werden. Das zeigt sich in den Wahlkapitulationen, wo die Kapitel sich selbst als Senat beschrieben (ein Beispiel bei Christ: Selbstverständnis, S. 277). 77 Etwa in Bamberg, vgl. Endres: Führungsschichten, S. 86; Christ: Selbstverständnis, S. 278; Rößler: Ergebnisse, S. 192. Vgl. unten S. 93. 78 Zusammenfassend Stockmeier: Gemeinde; Landersdorfer: Bestellung; Schreiner: Wahl, jeweils mit weiterer Literatur. „Die ,Wahl‘ durch die Ortskirche ist jedoch eingebettet in ein komplexes Zusammenwirken und Beziehungsgeflecht verschiedener Prozesse, die zudem rechtlich niemals genau fixiert waren, vielmehr in einem delikaten Gleichgewicht meist nur so lange funktionierten, wie die kirchliche ,Communio‘ innerhalb der Ortsgemeinde und zwischen den Gemeinden funktionierte.“ (Schatz: Bischofswahlen, S. 291).

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dabei schon dadurch der größere Einfluß zu, daß er die Wahl leitete und die Bischofssetzung vollzog. Aber nicht nur von dieser Seite wurde das umfassende Wahlprinzip ausgehöhlt. Je mehr politische Macht den Bischöfen zuwuchs, desto weniger waren benachbarte und erst recht übergeordnete Mächtige gesonnen, die Bistumsbesetzung den Unwägbarkeiten einer Wahl anheimzustellen. Im Frankenreich waren es daher tatsächlich die Könige, die vorab über den Wahlausgang entschieden; nur aus Rücksicht auf das kirchliche Herkommen behielt man die Form der Wahl äußerlich bei.79 An diesem Widerspruch nahm die kirchliche Reformpartei Anstoß. Kirchlicher sollten die Bischofswahlen werden, freier von weltlichen Rücksichten (soll heißen: römischer) – solange die Bischöfe politische Macht besaßen, blieb das ein unerreichbares Ziel. Nicht einmal das Wormser Konkordat sprach den Königen das Recht zur informellen Einflußnahme ab, wurde ihnen doch ausdrücklich zugestanden, daß sie bei den Bischofswahlen anwesend sein durften. Allerdings sollte die Wahl selbst (wieder) eine kanonische und „freie“ sein, von Klerus und Volk vorgenommen werden – dabei waren faktisch längst die Domkapitel an die Stelle des Presbyteriums getreten, beschränkten sie den Anteil der Laien auf die Akklamation nach der Wahl, fanden sie sich nach der Stauferzeit auch durch anwesende Könige nicht länger behelligt.80 Selbst der Bündnispartner, mit dessen Hilfe die Domkapitel ihre Macht legalisierten: das Papsttum, vermochte auf dem IV. Laterankonzil 1215 diese Praxis nur noch abzusegnen;81 lediglich ein Prüfungs- und Bestätigungsrecht behielt es sich vor. Mit dem Wiener Konkordat von 1448 suchte es gegenüber dem grundsätzlichen Wahlrecht der Domkapitel einen Anspruch auf eigene Bistumsbesetzungen zur Geltung zu bringen (vor allem in zahlreichen Ausnahmefällen), doch machte es nach dem 16. Jahrhundert davon wenig Gebrauch.82 Von den Reichsabschieden bekräftigt, in Artikel V § 16 und § 17 des 79 „Dieser Verfall des antiken Bischofswahlrechts kann nicht unabhängig vom soziologischen [sic!] Wandel der Gesellschaft verstanden werden. Er war im Grund ein Aspekt des Verfalls der antiken Stadtkultur und des Übergangs zu einer agrarischen, von der Grundherrschaft her bestimmten Gesellschaft.“ (Schatz: Bischofswahlen, S. 295). Vgl. Schreiner: Wahl, S. 86. 80 Below: Entstehung; Feine: Besetzung, S. 149; ders.: Rechtsgeschichte, S. 269 und S. 382; Ganzer: Beschränkung; Schreiner: Wahl, S. 86–92; Wolf: Simonie und Akklamation, S. 106–109. 81 „[ . . . ] eligatur, in quem omnes vel maior et sanior pars capituli consentit.“ (X 1.6.42). 82 Der Text des Wiener Konkordats in Mercati: Racolta, S. 177–181; dazu Raab: Concordata, S. 42–46; Meyer: Bischofswahl. Von den zweihunderteinundsiebzig Neubesetzungen, die zwischen 1648 und 1803 in den Reichsbistümern vorgenommen wurden, installierten die Päpste nur einmal (1763 in Trient) einen Kandidaten durch Provision, nachdem das zerstrittene Domkapitel die Wahlfrist hatte verstreichen lassen. Selbst wenn sie domkapitelsche Wahlen kassierten (was in dem genannten Zeitraum sechsmal vorkam; die einzelnen Fälle bei Kremer: Herkunft, S. 60 f.) ernannten sie danach jedesmal den vom Kapitel gewählten Kandidaten. Offenbar hatten die Provisionen also eher symbolische Bedeutung, riefen sie die päpstlichen Rechte nur prinzipiell in Erinnerung, verfolgten aber nicht eine eigene Besetzungspolitik (vgl. Christ: Selbstverständnis, S. 261 f.). Das lag an der Rücksicht, mit der die

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Westfälischen Friedens reichsrechtlich festgeschrieben, blieb die erreichte Regelung bis zur Säkularisation in Kraft. Über das „Grundgesetz der freien Bischofswahl“ war die Reichskirche formal definiert:83 Nur solche Bistümer waren reichsunmittelbar, in denen dieses Grundgesetz galt.84 Erfolgreich hatten die Domkapitel die Bischofswahlen monopolisiert. In der Kirche traten sie an die Stelle von Klerus und Volk: Sie waren es fortan, in denen das Wirken des heiligen Geistes sich vollzog, sie wurden zum Kern der Kirche (wie im Chorhaupt symbolisiert). Im Reich traten sie zudem bei der Bistumsbesetzung an die Stelle der weltlichen Großen: Ihre korporative Unabhängigkeit sollte die Kirchlichkeit der Wahl garantieren – im Mittelalter gegenüber der Einsetzungspolitik durch die Kaiser; in der Neuzeit gegenüber der Bischofsnomination durch die Landesherren. Es ist offensichtlich, daß die Bischofswahlen dadurch erhebliche Bedeutung erlangten: nicht nur, weil man sich einen Kirchenvorsteher wählte, einen Seelenhirten, der, einmal geweiht, über die kirchliche Gerichtsbarkeit verfügte, das Recht zu binden und zu lösen; auch nicht nur, weil dieser Kirchenvorsteher zugleich der eigene Fürst und Landesherr wurde, Repräsentant und Regierungschef des eigenen Gemeinwesens; nicht einmal weil man damit zugleich Reichsfürsten in Amt und Würden brachte, die Reichsunmittelbarkeit der Fürstbistümer demonstrierte; sondern (als würde das nicht genügen) auch und aus Sicht der Domkapitel vielleicht vor allem, weil jeder Wahlakt, um Geltung zu erlangen, die korporative Autonomie der Domkapitel zur Bedingung hatte, die Domkapitel sich mit jedem Wahlakt selbst sakralisierten, also ihrer Gemeinschaft die Weihe des heiligen Geistes und die Würde eines Reichsstands verliehen. Es ist diese autopoëtische Bedeutung des Wahlakts, seine auf das Wahlgremium zurückwirkende, selbstschöpferische Gemeinschaftsstiftung, der unten genauer nachgeforscht werden soll. Praktisch verschafften die Bischofswahlen den Domkapiteln Einfluß auf die Gewählten. Das begann bei der Entscheidung für die Person. Seit dem Hochmittelalter wurde wenn irgend möglich ex gremio gewählt: ein Kandidat aus den Reihen des Domkapitels – jemand, der durch seine Residenzzeit mit den Verhältnissen und Personen vertraut, seinerseits dem Domkapitel bekannt war. Das öffnete EntscheiPäpste auf die instabile Lage der Reichskirche nach der Reformation reagierten: „Seitdem jedoch Italien immer mehr zum Schauplatz des Kampfes der europäischen Großmächte wurde, und als vollends die Reformation in Deutschland über die Kirche hereinbrach, musste Rom den Gedanken an die alte Machtpolitik aufgeben. Es konnte nur unter Ausnutzung aller jeweils sich darbietenden politischen Umstände versuchen, möglichst viel von dem alten Besitzstand zu retten und die alten Formen währenddessen mit neuem Leben zu füllen. Eine Konkurrenz zwischen Bistumsbewerbern des Papstes und der Kapitel hätte mit Notwendigkeit zum gänzlichen Verlust der deutschen Bistümer an den Protestantismus führen müssen. So hören seit dem Beginn der Reformation die päpstlichen Bistumsprovisionen so gut wie völlig auf.“ (Feine: Besetzung, S. 285). 83 So für das Mittelalter Tellenbach: Kirche, S. 58 f., für die Neuzeit Raab: Wiederaufbau, S. 163 und Maurer: Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 5. 84 Wo die Bischöfe vom Landesherren eingesetzt wurde, handelte es sich um Landeskirchen, nicht mehr um Reichsbistümer (s. u. S. 55).

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dungsspielräume. Wählte man den Funktionär, der, vor Ort und durch das Kapitel sozialisiert, der Korporation von der Pike auf in verschiedenen Ämtern gedient und dabei die Autonomie der Gemeinschaft so weit verinnerlicht hatte, daß von ihm kaum konfliktträchtige Veränderungen zu erwarten waren? Oder votierte man für den Außenseiter mit den glänzenden Verbindungen, den machtvollen Fürsprechern, dem Ehrgeiz, der anderen Kreisen galt als den Hochstiftsangelegenheiten, wodurch diese möglicherweise einem Statthalter, am besten aus den Reihen des Domkapitels, anvertraut werden würden? Bevorzugte man den betagten, hinfälligen Kandidaten, der nicht lange würde regieren können? Oder, etwa in einer Krisensituation, den tatkräftigen Nachwuchs, der durch eine neue Qualifikation für anstehende Aufgaben besonders gerüstet erschien?85 Wollte man einen starken oder lieber einen schwachen Regenten? Einen präsenten oder lieber einen abwesenden? Kontinuität mit der Vorgängerregierung oder einen entschiedenen Neuanfang? Solche und weitere Wünsche konnten durch die Wahlentscheidung verfolgt werden. Von zwei Seiten wurden diese domkapitularen Einflußmöglichkeiten eingeschränkt: zuerst durch die Existenzbedingungen der Hochstifte. Mochte die Reichsverfassung die Hochstifte absichern, unumstritten waren sie nie. Zumal der Westfälische Friede wirkte durchaus ambivalent, garantierte er den Bestand einer verminderten Zahl von Fürstbistümern86 doch nur um den Preis, daß er die Mediatisierung zahlreicher anderer sanktionierte87 und die Möglichkeit vorführte, wie 85 Daß dies, anders als das verbreitete Vorurteil behauptet, durchaus möglich war, zeigt z. B. Walther: Abt Balthasars Mission, S. 133. 86 Nur die Seite der Garantie hebt F. K. v. Moser hervor: „Die geistliche Reichsstände, vom ersten Bischof an bis zum lezten Reich=Prälaten im Schwarzwald wurden also durch diesen großen und allgemeinen Königs= und Fürsten=Bund nicht nur in voller Gleichheit der Rechte ihrer weltlichen Mitstände feyerlich anerkannt, sondern, was das wichtigste war, durch das Bundes=Sacrament der Garantie von Frankreich und Schweden, von der Furcht vors künftige befreyt, irgend eine neue Umschaffung und Verwandlung besorgen zu müssen. Die Vorsicht vor diese Sicherstellung ward auf alle nur gedenkbare Fälle, auf alles, was nur geistlichen Nahmen, Strich und Farbe trug, ausgedehnt, und dieser Wachsamkeit hat der hohe und niedere Clerus seine fortdaurende Existenz, den Besiz und die Errettung seiner Aecker, Wiesen, Weinberge, Zehenden und anderer Gefälle, gegen die Gelüste und Habsucht weltliche, Catholischer so wohl als Evangelischer, Landesherrn und deren Cameralisten, Publicisten und Encyclopedisten zu verdanken.“ (F. K. v. Moser: Regierung, S. 31 f.). Andere empfanden diese Existenzgarantie nicht als so unangefochten. Gleichwohl zeigt Moser einen wichtigen Punkt: Die Reichsverfassung – und mit ihr das Dasein der Hochstifte – unterlagen seit dem Westfälischen Frieden nicht mehr der Verfügungsgewalt von Kaiser und Reichsständen allein. Sie wurden von außen stabilisiert, stellten ein europäisches Konstrukt dar (dazu Aretin: Großmächte, S. 67 f. und S. 80). Nicht zufällig war es die Garantiemacht Frankreich, die zuletzt den Umsturz der Reichsverfassung und die Säkularisierung der Reichsstifte einleitete. Für die Fürstbistümer hatte diese Gewährleistung zur Folge, daß sie wie die weltlichen Fürstentümer des Reichs als „souverän“ angesehen wurden (z. B. von Gude: Staat Der Fünff Teutschen Ertz Bischöffe, [Vorrede, S. 2]; F. K. v. Moser: a. a. O., S. 31; Salver: Proben, S. 150). Allerdings darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich durchaus um eine formale, von den Mächtigen geliehene Schein-Souveränität handelte. Weder im Innern noch im Reich noch nach außen besaßen sie tatsächlich unumschränkte Verfügungsgewalt.

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weltliche Fürsten durch die Säkularisation von Teilen der Reichskirche für anderweitige Gebietsverluste „entschädigt“ werden konnten88 – Modelle, die ihre Zukunft noch vor sich hatten. Nicht nur von Seiten protestantischer Säkularisierer standen die Hochstifte also unter Druck, auch mächtige katholische Fürstengeschlechter griffen nach ihnen: zuerst um ihren Einfluß auf die Fürstbistümer auszudehnen, in der Folge um im Zuge ihrer Herrschaftsverdichtung das Kirchenregiment über ihre Länder in die Hand zu bekommen, Reichsbistümer in Landeskirchen umzuwandeln. Ausgerechnet die kaiserlichen Vögte der Reichskirche hatten in ihren Erblanden hierfür ein Beispiel gegeben.89 Ferner suchten die Kaiser u. a. über ihre Wahlgesandten die Personalentscheidungen in ihrem Sinne zu lenken. Auf unterschiedliche Weise schränkte dieser Druck die Domkapitel ein.90 Eine erste Gruppe von Hochstiften war von Gebieten und Rechten eines übermächtigen katholischen Fürstengeschlechts so vollständig umgeben, daß ihnen keine andere Wahl blieb, als Räte oder Angehörige dieser Dynastie in ihre Reihen aufzunehmen und bei Gelegenheit zu Fürstbischöfen zu wählen.91 Obwohl sie sich dadurch fak87 Bereits im 16. Jahrundert waren die Hochstifte Meißen, Merseburg und Naumburg in sächsische, Brandenburg, Havelberg und Lebus in brandenburgische Landesbistümer verwandelt worden, d. h. sie verloren ihre Reichsunmittelbarkeit und ihren Besitz, die Bischöfe wurden von den Landesherren ernannt – eine Entwicklung, die sich in diesen Gebieten seit dem Spätmittelalter abgezeichnet hatte (Wolgast: Hochstift, S. 22–25, 218–227 und 237–253). Der Westfälische Frieden verwandelte das Faktum durch Stillschweigen in Recht. 88 So wurden Schweden durch das Erzstift Bremen und das Hochstift Verden, Brandenburg durch Magdeburg, Halberstadt, Minden und Cammin, Braunschweig durch die halbe Administratur über Osnabrück, Mecklenburg durch Schwerin und Ratzeburg für ihre Kriegsbeteiligung und die daraus hergeleiteten Ansprüche „abgefunden“. All diese Hochstifte blieben als Reichsstände erhalten – sie bildeten auf den Reichstagen fortan eine eigene Bank zwischen geistlichen und weltlichen Fürsten –, änderten jedoch ihren Verfassungsstatus, indem sie mit Ausnahme von Osnabrück in weltliche Herzog- bzw. Fürstentümer unter den neuen Besitzern umgewandelt wurden (Wolgast: Hochstift, S. 340–344). Wie in den protestantischen Landesbistümern blieben die Domkapitel z. T. bestehen (z. B. in Magdeburg, Halberstadt und Minden) und dienten zur Versorgung des protestantischen Adels. In Lübeck, Halberstadt, Minden und Osnabrück gab es sogar gemischtkonfessionelle Kapitel; „auf eine merkwürdige Art“ demonstrierten sie die fortbestehende „Einheit der deutschen Kirche auf verfassungsrechtlichem Gebiet“ (Aretin: Konfessionen, S. 197). Allerdings hatten die protestantischen Kapitel alle Mitregierungs- und Wahlrechte verloren, kam politische Bedeutung nach dem Westfälischen Frieden nur noch den Domkapiteln der selbständig gebliebenen Fürstbistümern, also denen der katholischen Reichskirche zu (Press: [Artikel] Fürstentümer, Geistliche, S. 717). 89 Nämlich durch die Errichtung der Landesbistümer Laibach, Wien und Wiener Neustadt sowie der böhmisch-mährischen Landesbistümer, in denen die Habsburger die Bischöfe nominierten. Dazu Willoweit: Rechtsgrundlagen, S. 245 ff.; Christ: Bestrebungen, mit weiterer Literatur. 90 Zum Folgenden vgl. Raab: Wiederaufbau, S. 168 und 159; Reinhardt: Dynastien. 91 „Die oft mindermächtigen geistlichen Fürstentümer gehörten vielfach zu Klientel- und Satellitensystemen im Umfeld von größeren weltlichen Territorialmächten.“ (Schindling: Reichskirche und Reformation, S. 98, vgl. ebd. S. 100 f.; ferner Wolgast: Hochstift, S. 21; Reinhardt: Kontinuität, S. 128 f.). Nach Freising, Regensburg, Passau und Salzburg entsandten die Wittelsbacher seit dem 17. Jahrhundert Wahlgesandte (analog zu den kaiserlichen

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tisch in Sekundogenituren verwandelten (so Freising und Regensburg für die Wittelsbacher), vermieden sie die Mediatisierung zu Landeskirchen und bewahrten zumindest den Anschein von Selbständigkeit – einen Anspruch, auf den man zurückkommen konnte, wenn einmal kein obligater Prinz zur Wahl stand.92 Eine zweite Gruppe von Hochstiften war durch die Reformation so in Bedrängnis geraten, daß nur die Anlehnung an ein mächtiges, gegenreformatorisches Fürstengeschlecht ihren Fortbestand zu sichern vermochte. Auf diese Weise entwickelten sich im 16. Jahrhundert etwa Köln und Münster zu Satelliten der Wittelsbacher.93 Eine dritte Gruppe (Chur, Konstanz, Worms) war schlicht zu klein, zu finanzschwach, zu verschuldet, als daß sie sich eine eigene fürstbischöfliche Hofhaltung und Vertretung im Reich noch leisten wollte.94 Sie wählte daher fast immer anderwärts bereits arrivierte, gut ausgestattete Bischöfe und ließ sich von diesen (in der Regel auch anderwärts residierenden) mitvertreten. Nur eine vierte, verhältnismäßig kleine Gruppe von Hochstiften war in der Lage, regelmäßig nach eigenem Gutdünken über die Bischofswahl zu entscheiden – umso mehr wurde, vor allem von kaiserlicher, aber auch von anderer Seite versucht, auf ihre Wahlen Einfluß zu nehmen. Mit Mainz, Würzburg und Bamberg gehörten dieser Gruppe einige (reiche!) Bistümer der Mainschiene an, die dadurch aus den übrigen der Pfaffengasse hervorstechen. Darauf wird zurückzukommen sein. Stets war die „freie“ Bischofswahl durch die Domstifte also zunächst nicht mehr als ein Anspruch, mußte die domkapitulare Entscheidung bei jeder Wahl aufs neue gegen äußere und innere Pressionen behauptet werden. Je nach Ausgangslage gelang dies unterschiedlich gut, immer aber waren die Domkapitel darauf bedacht, Unabhängigkeit zumindest zu demonstrieren.95 Man wird sich daher hüten, alle Wahlkommissaren), um die Bischofswahlen im eigenen Sinn zu beeinflussen. Allerdings trug ihnen das massive Konflikte mit den habsburgischen Kaisern ein, was den Kapiteln doch einen gewissen Spielraum eröffnete (vgl. Christ: Selbstverständnis, S. 265). Salzburg etwa schloß durch ein „Ewiges Statut“ von 1606 offiziell bayerische Prinzen und habsburgische Erzherzöge vom Bischofsstuhl aus (Kremer: Herkunft, S. 98). 92 Kremer: Herkunft, S. 99 f. 93 Als die bayerischen Wittelsbacher im 18. Jahrhundert ausstarben und durch die Koadjutorwahlen von 1781 in Köln und Münster die Habsburger an ihre Stelle traten, erregte das Aufsehen und nährte die Befürchtung, mit den österreichischen Niederlanden entstehe in Nordwestdeutschland ein habsburgischer Machtkomplex, der die deutsche Libertät gefährde (Aretin: Konfessionen, S. 186 f.). Weitere Beispiele für Bischofswahlen zur Existenzsicherung nennt Reinhardt: Reichskirchenpolitik, S. 77; ders.: Kontinuität, S. 126. Vgl. ders.: Dynastien, S. 163 f. 94 Vgl. die Gliederung der Domkapitel nach ihrem Reichtum bei Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 56. Zum Beispiel Worms Sofsky: Lage, S. 10 f. und 33; Warmbrunn: Bistum, S. 206; Reinhardt: Kumulationen, S. 218. 95 Waren sie doch darum bemüht, daß „ihre Willfährigkeit nicht in anderen Fällen zur Schuldigkeit erwachsen möge“ (Sartori: Staatsrecht, I / 2, S. 226). Gleichwohl braucht man nicht so weit zu gehen wie Hubert Wolf, der das„Ideal des freien Bischofswahlrechts der

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Hochstifte der Reichskirche über einen Kamm zu scheren. Weiterführender scheint es, wie angedeutet, aufgrund der Rahmenbedingungen verschiedene Typen zu unterscheiden; notwendig darüber hinaus, in jedem Einzelfall zu prüfen, wie gut oder wie schlecht man jeweils (und aus welchen Gründen) die verbriefte Wahlfreiheit zu behaupten verstand. Die korporative Autonomie, die in der Bischofswahl ihr vornehmstes Recht übte, darf hier wie überall nicht als etwas Gegebenes vorausgesetzt, sie muß als Herausforderung und Aufgabe begriffen werden, an der die Domkapitel sich zu bewähren hatten – deshalb das Augenmerk auf die rückwirkende Gemeinschaftsstiftung der Wahlen. Sinnfällig wurde die Einschränkung der domkapitelschen Wahlfreiheit durch das Institut der Koadjutorie.96 Bereits zu Lebzeiten wurde dem Bischof damit ein Stellvertreter an die Seite gegeben, der auch das Recht zur Nachfolge besaß; ohne weitere Wahl trat er nach dem Tod des Bischofs in dessen Amt ein. Wie wirkungsvoll das Domkapitel damit auszuschalten war, zeigt das Beispiel Köln, wo in mehr als zweihundert Jahren lediglich zwei Bischofswahlen stattfanden.97 Selbst wenn der Koadjutor vom Domkapitel gewählt wurde, konnte der amtierende Bischof seinen Einfluß geltend machen, um den Nachfolger seiner Wahl durchzubringen. In der Regel war die Koadjutorie daher ein Instrument vor allem der hochadligen Bischöfe in der Reichskirche, um das Wahlprinzip zugunsten einer dynastischen Nachfolgeregelung zu unterlaufen. In Ausnahmefällen konnte die Waffe allerdings auch gegen den Bischof gekehrt werden, etwa indem das Domkapitel ihm einen Opponenten zur Seite stellte und eine Familiennachfolge gerade verhinderte.98 Neben dem Einfluß von außen standen den Domkapiteln also auch die Bischöfe entgegen; deren Selbständigkeit bildete die zweite strukturelle Beschränkung domDomkapitel in der Germania Sacra“ in Bausch und Bogen als „Erfindung des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet (Wolf: Simonie, S. 105). Für die Beispiele, die Wolf anführt (Trierer Koadjutorwahl 1710, Osnabrück 1698, Münster 1706 / 07, Eichstätter Koadjutorwahl 1715), ist der Stimmenkauf evident. Nicht zufällig gehören sie jedoch (bis auf Trier) alle zu derjenigen Gruppe von Hochstiften, die in der Reformationszeit zu Satelliten mächtiger katholischer Fürstengeschlechter geworden waren. Daß die Domkapitulare sich den Verzicht auf ihre Wahlfreiheit hier fürstlich entgelten ließen, zeigt noch im Verfall die Fortgeltung des Prinzips. Auch war die Gratifikation der Wähler, wie Wolf bemerkt, in der Epoche üblich. Zu ihrem sozialen Sinn s. u. S. 72. 96 Zum folgenden Becker: [Artikel] Koadjutor; Reinhardt: Kontinuität; Feine: Besetzung, S. 369–399. Ebenso eingeschränkt wurde die Wahlfreiheit der Domkapitel durch die Erhebung ihres Fürstbischofs zum Kardinal – beanspruchte nach dem Tod eines Kardinals doch die Kurie, den Nachfolger zu bestimmen, s. Feine: Besetzung, S. 292 f. 97 Raab: Wiederaufbau, S. 166. Es handelt sich um die Wahlen von 1688 und 1763. Vgl. Reinhardt: Kontinuität, S. 130. 98 So z. B. bei der Mainzer Koadjutorwahl von 1710. Als der amtierende Kurfürst Lothar Franz von Schönborn dort für die Nachfolge seines Neffen Friedrich Karl arbeitete, den er zwei Jahre zuvor bereits im Fürstbistum Bamberg zu seinem Koadjutor hatte wählen lassen, beschwor er damit den Widerstand des Mainzer Domkapitels (wie auch des päpstlichen Stuhls) herauf. Gewählt wurde nicht Friedrich Karl von Schönborn, sondern der Protagonist der domkapitelschen Opposition. Vgl. Duchhardt: Mainzer Koadjutorwahl.

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kapitelscher Herrschaft. Einmal gewählt, vom Papst konfirmiert, von drei anderen Bischöfen feierlich geweiht, war ein Bischof kaum mehr abzusetzen. Nur im Einvernehmen zwischen Kapitel, Kaiser und Papst wäre eine Amtsenthebung möglich gewesen, aus all seinen kirchlichen, reichsrechtlichen, klientelären Bezügen hätte ein Bischof dafür herausfallen müssen. Praktisch kam dies im 17. und 18. Jahrhundert nicht mehr vor: Einmal als Bischof installiert, behielt man dieses Amt auf Lebenszeit.99 Schließlich zeichnete man sich durch ein besonderes Amtscharisma aus.100 Der Fürstbischof mochte seine maiestas durch Wahl erlangt haben, verliehen wurde sie ihm letztlich von Gott. Die Weihe der Bischöfe und mehr noch ihre Salbung macht wie die der Könige dieses gottunmittelbare, Gott allein verpflichtete Amtsverständnis deutlich. Leichter war es daher, einen Bischof zu töten, als ihn seines Amts zu entheben – ein Grund für die zahlreichen Bischofsmorde im Mittelalter.101 Auch die Bischöfe, hieß das, konnten sich in ihrem Amt verselbständigen. Auch ihr Amt konnte sei es als Berufung, sei es als Pfründe aufgefaßt werden, die auf Lebenszeit erteilt, zwar nicht formell vererbbar, aber auch nicht zu entziehen war. Dasselbe patrimoniale Prinzip, dem die Domkapitel ihre Selbständigkeit gegenüber den Bischöfen verdankten, machte auf der anderen Seite diese relativ unabhängig von ihren Wählern; beides konnte von den Hochstiftsobrigkeiten als Gegengewicht gegen Zugriffe von außen mobilisiert werden. So zeichnet sich beispielsweise im bischöflichen Amtscharisma eine sakral begründete Quelle für eigenständiges Handeln ab. Auch die Verselbständigung der Fürstbischöfe gegenüber ihren Domkapiteln äußerte sich in einer sinnfälligen Praxis, nämlich den Bistumskumulationen.102 Kirchenrechtlich waren sie verboten, wurde das Verhältnis des Bischofs zu seiner Diözese doch nach dem Modell der Ehe interpretiert – eine Exklusivität, wie sie auch der Bischofsring symbolisierte.103 Im Spätmittelalter aber, als man überall 99 Feine: Rechtsgeschichte, S. 38, 43 f.; ders.: Besetzung, S. 285 f; Hinschius: System, Bd. 5, S. 565; Kober: Deposition, S. 165–175 und 379–487, speziell S. 441 ff. und 467 ff. 100 „Das Gegenstück gegen die puritanische Verwerfung des Amtscharismas ist die katholische Theorie vom character indelebilis des Priesters mit ihrer strengen Scheidung von Amtscharisma und persönlicher Würdigkeit. Sie ist die radikalste Form der Versachlichung und Umwandlung der rein persönlichen, an der Bewährung der Person haftenden charismatischen Berufung in eine jedem, der in die Amtshierarchie durch eine magische Handlung als Glied aufgenommen ist, unverlierbar anhängende, den Amtsmechanismus ohne Ansehen des Werts der Person seiner Träger heiligende, charismatische Befähigung.“ (Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 675; vgl. ebd., S. 144). 101 Natalie Fryde und Dirk Reitz sprechen von mehreren tausend Bischofsmorden, die jedoch vor allem in das Frühmittelalter fallen. Zwischen 1200 und 1500 seien nördlich der Alpen nur noch vier solcher Morde vorgekommen (Fryde / Reitz: Introduction, S. 8 und 10). 102 Zum folgenden Reinhardt: Kumulationen, vor allem S. 217–221; s. a. Feine: Besetzung, S. 305–329 und die Übersicht „Die Kumulationen deutscher Reichsbistümer 1500 bis 1803“ (ebd., S. 408–420). 103 „Quemadmodum Christus mundarumque & virginearum ecclesiarum sponsus est, sic qui ubique sunt sanctarum ecclesiarum Præsules, sponsi appellantur, accepto SPIRITVS sigillo, ut annulo.“ (Thomassin: Bd. 1, S. 321).

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Pfründen zu häufen begann, kamen die Bistumskumulationen auf; vor allem die Familienpolitik des Hochadels ließ sie zur gängigen Praxis werden. Gegen das Verbot halfen Dispense: eine wichtige Einnahmequelle für die Päpste; eine erhebliche (und dennoch lukrative) Investition für die Bischöfe; eine drückende Last für die Stifte, aus denen die Gelder aufgebracht werden mußten. Was über die daher rührenden Mißstände die Reformation auslöste, konnte auch durch die Gegenreformation nicht beseitigt werden: Obwohl das Tridentinum das Verbot erneuerte, blieben die Kumulationen im Schwang.104 Den großen Dynastien ermöglichten sie die Bildung von Einflußzonen und Bollwerken gegen die Reformation; den Päpsten eröffneten sie über die Vergabe der allfälligen Dispense und Wählbarkeitsbreven Einfluß auf die Bischofswahlen; gefährdeten Hochstiften boten sie Schutz, verschuldeten oder armen den Ausweg, sich im Reich durch anderweitig versorgte Bischöfe mitvertreten zu lassen – zu viele Interessen standen dem Verbot entgegen. Da von bestimmten Dynastien oder Adelskreisen immer wieder die gleichen Hochstifte kumuliert wurden, bildeten sich in der Neuzeit regelrechte „Bistumssysteme“.105 Die Reichskirche erhielt eine Binnengliederung. In ihr zeigt sich, daß auch in der Pfaffengasse keineswegs alle Hochstifte zusammenhingen. Vielmehr gehörten die Fürstbistümer am Niederrhein (Köln und Lüttich) zu einem wittelsbachisch-westfälischen Machtgefüge, die am Oberrhein (Chur, Konstanz, Basel, Straßburg) in verschiedene, allesamt aber durch die Auseinandersetzung mit Habsburg-Vorderösterreich geprägte Konstellationen. Nur die mittelrheinischen Hochstifte (Speyer, Worms, Mainz und Trier) bildeten eine zusammengehörige, immer wieder kumulierte Gruppe; ferner zählten Würzburg und Bamberg dazu. Nicht die gesamte Pfaffengasse macht die folgende Untersuchung daher zum Thema, auf das mittelrheinisch-fränkische Bistumssystem schränkt sie sich in zweiter Näherung ein.106 So hartnäckig ein Bischof sich von seinen Wählern zu emanzipieren suchen konnte, irgendwann mußte er sterben. Und dann schlug, wenn kein Koadjutor 104 Papst Clemens XII. suchte sie 1731 durch das Motu proprio „Quamquam invaluerit“ zu steuern. Es besagte, daß Wählbarkeitsbreven nur noch in Ausnahmefällen und aus schwerwiegenden Gründen erteilt werden sollten. Habe ein Bischof bereits zwei Bistümer inne, so solle er ein Breve für eine weitere Wahl nur erhalten, wenn er verspreche, im Falle eines Wahlerfolgs auf eines seiner Bistümer zu verzichten. Wer drei oder mehr Bistümer innehabe, solle kein Breve mehr erhalten können (dazu Reinhardt: Reichskirchenpolitik Papst Klemens’ XII.). 105 „Die Mehrfachbepfründung führte zu besserer Verknüpfung der Stifter, wobei richtiggehende Bistumssysteme entstanden, deren wichtigstes das rheinisch-fränkische war (Mainz, Trier, Bamberg, Würzburg, Worms, Speyer); daneben gab es ein schwäbisches (Konstanz, Augsburg, Eichstätt), ein bayerisches (Regensburg, Freising), ein niederrheinisches-westfälisches (Köln, Lüttich, Münster, Paderborn, Hildesheim).“ (Press: [Artikel] Fürstentümer, S. 717 f.). Vgl. Schindling: Reichskirche, S. 100–103 und Maurer: Kirche, Staat und Gesellschaft, S. 4 f. 106 Zu den Gründen für dessen Entstehen s. u. S. 81.

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designiert worden war, die Stunde des Domkapitels. Ursprünglich hatte für die Zeit der Sedisvakanz107 der Metropolit einen benachbarten Bischof als Verwalter bestellt. Im Karolingerreich wurden vakante Bischofsstellen quoad temporalia von den Königen beansprucht: Jahrelang ließ Karl der Große Bistümer unbesetzt, regierte durch Prokuratoren, führte Einnahmen ab. Im Gefolge des Investiturstreits fiel dann auch die Sedisvakanzregierung den Domkapiteln zu: zuerst über die spiritualia; als die römisch-deutschen Kaiser auf das Spolienrecht verzichteten, auch über die temporalia. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde deren Zuständigkeit von den Kaisern anerkannt, an seinem Ende von den Päpsten. Allerdings konnte von Hochstift zu Hochstift differieren, wer die Sedisvakanzregierung ausübte. Mancherorts waren es vom Kapitel gewählte Vikare, andernorts wurden zumindest die temporalia von Nachbarbischöfen wahrgenommen. Erst im 16. und 17. Jahrhundert bildeten sich in der Reichskirche gemeinverbindliche Formen heraus. Nicht zufällig entwickelten sie sich zu eindrucksvollen Machtdemonstrationen der Domkapitel gegenüber den Herrschaftsansprüchen der Fürstbischöfe. Feierlich wurde 1729 in Würzburg proklamiert, daß die „völliche Regierung, Macht und Gewalt auff ein hochwürdiges Domcapitul alß die Erbmutter devolviret worden seye“.108 Umgehend hatten die Verwaltungsvorsteher, Festungskommandanten und Bürgermeister dem Domkapitel zu huldigen.109 Behörden wurden visitiert, Regierungsakten requiriert,110 Urkunden in das eigene Archiv transferiert,111 Untersuchungen gegen Beamte des verstorbenen Bischofs einge107 Das Folgende nach Marchal: Kanonikerinstitut, S. 802 und Christ: Selbstverständnis, S. 271–281. 108 „Ihro gnad[en] herr domdechant gaben forderist Zu vernehmen, [ . . . ] das s[ein]e Hochfürstl. gnad[en] ahn gestrichem abend dies Zeitliche gesegnet häden, wohero die völliche Regirung macht, und gewalt auff Ein hochwürdiges domcapitul als die Erbmuder devolviret worden seÿe, deme Zu folg sie das Eingetredene Jnterregnum und wahl peremptorium gewöhnlich publicirt, und Eröffnet haben wolten.“ (ByStAWü WDKP 1729, S. 122, Receß v. 26. März 1729). Ähnlich schon in Würzburg 1724 (ByStAWü WDKP 1724, fol. 221). Vgl. Christ: Praesentia Regis, S. 105 und ders.: Selbstverständnis, S. 318. Dort weitere Beispiele. 109 S. z. B. ByStAWü WDKP 1729, S. 126 und 135. 110 So beginnt beispielsweise die Würzburger Sedisvakanzregierung von 1719: „[ . . . ] Nach anleithüng d[es] vorig[en] Capitular Recessen, sede vacante Würd Erinnert, und dem Lehen= Amt zu bedeüthen anbefohlen das die bishero ertheylte Lehen Consens zu Specificiren, und die specification dauon mit vermeldung Jahr, und tags ad Capitulum nechstens zu überreichen. Wie deßgleichen Auch alle die Jenige Recessen, welche bishero von hochstifts wegen mit hindansezung des hochwürdigen DomCapituls, und ohne Capitular=Consens ufgerichtet worden, getreülich anzuzeigen.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 132 f., Receß v. 7. August). 111 So z. B. in Würzburg 1719: „[ . . . ] Jezt hochg: Herre DomDechants gnd: proponiren ferner, das nach anleithung der alten Capitular=Recessen verschiedene Documenta aus der DomCapit: registratur in die fürst: ehemals gekommen, in specie die opera frisÿ [= eine Handschrift der Friesschen Bischofschronik, J.S.]. Worauf befohlen worden, so wohl dem Ober=Registratori zu bedeüthen, nachzusehen, und was für Capituls=Documenta sich finden würden, wied[er] zuruckzugeben, als auch den Capit: Registratorn dahin zu weisen, das sie gleichfalls nachschlag[en], und erkundig[en] sollen, was für sachen ehemahls extradirt

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leitet.112 Mancher Ratgeber wurde in Haft genommen, um Informationen, Unterlagen, Verzichtserklärungen zu erzwingen. Großunternehmungen, die der verstorbene Bischof begonnen hatte, teure Bauvorhaben z. B., unterbrach man,113 Angelegenheiten, die jahrelang geruht hatten, wurden in größter Eile vorangetrieben, Petitionen bewilligt, Verwaltungsstellen neu besetzt.114 Einige Kapitel suspendierten während ihrer Interimsregierung drückende Abgaben,115 einige hoben fürstbischöfliche Verordnungen wieder auf.116 In den Sedisvakanzmünzen, die im 18. Jahrhundert viele Domkapitel prägen ließen,117 ist der Anspruch dieser Interimsregierungen auf den Punkt gebracht. Denn damit verschafften sie sich nicht nur zusätzliche Einnahmen, sie übten auch ein eifersüchtig gehütetes Regal aus, nahmen die Temporalien, die ihnen zugefallen waren, aktiv wahr. Durch Wahl wird das Bischofsamt verliehen, hieß das, an das Wahlgremium fällt nach dem Tod des Gewählten die bischöfliche Gewalt zurück – all seine Gewalt: die geistliche wie die weltliche. Um eine bedingte, deligierte, bloß geliehene Gewalt soll es sich handeln; und das Domkapitel versteht sich als Ursprung dieser Gewalt. Dies wird durch das Sinnbild der „Erbmutter“ ausgedrückt: „von unßerem Dhombcapitul alß rechter geberender mutter“ werde der Fürstbischof zu seiner word[en].“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 150, Receß v. 16. August). Vgl. ByStAWü WDKP 1729, S. 140, 147, 148, 181. 112 Z. B. ByStAWü WDKP 1729, S. 142–146. 113 So beispielsweise in Würzburg 1724 nach dem Tode Johann Philipp Franz’ von Schönborn die Schanzarbeiten für die Befestigung der Stadt Würzburg, ferner die Bauten an der neuen Hofhaltung und an der Schönbornkapelle (Scherf: Johann Philipp Franz von Schönborn, S. 164 f. mit Anm. 10, vgl. ByStAWü WDKP 1724, fol. 221 ff.). 114 Z. B. ByStAWü WDKP 1729, S. 136 f. 115 So erließ das Würzburger Domkapitel sowohl während seiner Interimsregierung 1724 als auch 1729 der Stadt Würzburg die Quartiergelder für die Soldaten und andere Auflagen, die der verstorbene Bischof ohne Zustimmung des Kapitels eingeführt hatte (vgl. Scherf: Johann Philipp Franz von Schönborn, S. 164 mit ByStAWü WDKP 1729, S. 135 f. und Schott: Fürstlicher Absolutismus, S. 185). 116 So kassierte das Würzburger Domkapitel am 9. September 1724 die Ratsordnung, die Johann Philipp Franz von Schönborn erst ein halbes Jahr zuvor erlassen hatte (Schott: Fürstlicher Absolutismus, S. 142 f.). 117 Was das Müntz=Recht betrifft, so wird in denen Würtzburgischen Wahl=Capitulations=Acten erzählt, daß, als das Dom=Capitul zu Bamberg An. 1693. währender SedisVacanz unter seinem Nahmen Müntzen habe prägen lassen, der Reichs=Fiscal gegen dasselbe einen Proceß vor dem Reichs= Hof=Rath angefangen und denselben starck poussiret habe. Der Ausgang dieses Handels ist mir zwar unbekannt, hingegen so vil wissend, daß seithero ein Dom=Capitul nach dem anderen, die zuvor nie daran gedacht haben, kommt und es nachmacht, davon in Herrn KOELERS historischen Müntz=Belustigung die Proben anzutreffen seynd.“ (J. J. Moser: Teutsches Staatsrecht, Bd. 12, S. 162 vgl. ders.: Persönliches Staats= Recht, Bd. 1, S. 276 f.). Vgl. Keinemann: Domkapitel, S. 59, Anm. 8. Zu dem erwähnten Bamberger Fall Weigel: Wahlkapitulationen, S. 118 und Neumar: Rechtsstellung, S. 136. Würzburger Beispiele hat Theodor Henner im Altfränkischen Kalender auf das Jahr 1896 publiziert. Vgl. Ruland: Beiträge, S. 34. Ein Mainzer Beispiel bei Jürgensmeier: Bistum Mainz, S. 250, Nr. 11.

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„würdten erhöhet“.118 Die Bischofswahl als Geburtsvorgang, das Domkapitel als Gebärende, der Heilige Geist (wie sich zeigen wird) als Erzeuger – das sind Vorstellungen, für die bei der Quellenanalyse die Grundlage freigelegt werden muß. Worauf es hier ankommt, ist die Autorität, die von den Domkapiteln beansprucht wird: ein sakral begründeter, (matriarchaler) Vorrang vor dem Fürstbischof.119 Ursprung, Teilhaber und Erbe seiner Regierungsgewalt wollen die Domkapitel sein. Der Fürstbischof ist sterblich, das Domkapitel nicht. In diesem Selbstverständnis kulminiert die domkapitelsche Herrschaft; über Mitregierung geht es weit hinaus. Als Grundlage der Stiftsherrschaft sehen sie sich selbst.120 Es ist klar, daß dies nicht nur zu Konflikten mit den Bischöfen führen mußte; auch die Kaiser sahen ihre Position bedroht. Denn nach ihrer Meinung war es das Reichsoberhaupt, von dem die bischöfliche Fürstenmacht sich herleitete. Durch Belehnung würden die Regalien verliehen, an die Person des Belehnten seien sie gebunden, an den Oberlehensherren fielen sie nach dem Tod des Fürstbischofs zurück. Je deutlicher die Domkapitel die Bischofswahl als Amtsleihe interpretierten, desto energischer erinnerten die Kaiser daran, daß der weltliche Teil dieses Amts von ihnen verliehen wurde – und zwar an die Bischöfe allein. Die Domkapitel sollten aus diesem Lehensverhältnis ausgeschlossen bleiben. Auch während einer Sedisvakanz seien sie nicht Inhaber der Regalien, sondern erhielten lediglich eine „nuda administratio“ darüber eingeräumt.121 118 Mainzer Wahlkapitulation von 1626 (ByStAWü, Mainzer Domkapitel Urkunden, Libell 21, Art. 12), zitiert nach Christ: Selbstverständnis, S. 278. Vgl. „Dies ist also einer der erhabenesten Vorzügen der Domherren des hohen Bischöflichen Domstifts Wirtzburg, daß sie das Vorrecht besitzen, aus ihrem Mittel und Schoose der nach dem Tode ihres Bischofen verwitweten Kirche einen Bischof zu erwählen [ . . . ].“ (Salver: Proben, S. 160). 119 Das kommt auch in den Bestrebungen zum Ausdruck, den Begriff „Kapitel“ von dem Wort „caput“ herzuleiten. Dagegen: „Hoc autem Canonicorum Collegium, sive corpus cum ipso Episcopo, olim dicebatur consilium Episcopi [ . . . ]. hobie [sic] vocatur Capitulum à capite, sub quo regi, vel congregari debet ad præbenda consilia: hujus verò caput est ipse Episcopus.“ (Barbosa: Tractatus, S. 10). 120 Gerade der Einfluß von außen, die Instrumentalisierung der Hochstifte für andere Interessen (und seien es die des Reichs) ließen es geraten erscheinen, den Einfluß des Domkapitels über die bloße Personalentscheidung hinaus zu sichern. Dies geschah durch die Wahleide, die man den Bischöfen abverlangte. 121 So z. B. Johann Adam Freiherr von Ickstatt, 1731 von Friedrich Karl von Schönborn zum Ordinarius für Öffentliches Recht an die Universität Würzburg berufen, 1741–45 Rechtsberater des Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern (d. h. 1742–45 Kaiser Karls VII.), seit 1746 Direktor der Universität Ingolstadt, der 1758 in einer anonym veröffentlichten Disqvisitio argumentiert: „1. Capitulorum potestatem Sede vacante non nisi vicariam, nudeque administratoriam ac tutelarem, esse, non proprio, sed alieno, nomine competentem. 2. Vicariam hancce Administrationem ad illa solum negotia restringendem aut intermissa publicam tranquillitatem, justi rectique viam, turbare apta sunt, peragantur; &c. 3. Fructus Successori (Episcopo) asservandi veniunt. 4. Temporale Episcopatus Regimen interim à Capitulo sub solo nutu Cæsareo geritur.“ (zusammengefaßt durch J. J. Moser: Persönliches Staats=Recht, Bd. 1, S. 273; der Ausdruck „nuda administratio“ bei Ickstatt: Disqvisitio, S. 21. Aufgegriffen und verallgemeinert wird er schon 1739 von Ickstatts Doktoranden Johann Georg

2. Senatus episcopi

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Den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend wurde der Streit juristisch und symbolisch zugleich ausgefochten. Juristisch führte er zur erwähnten Neuinterpretation des Reichs als Lehensverband. Erst im späteren 17. Jahrhundert wurde das Wormser Konkordat als Grundgesetz des Reiches (wieder-)entdeckt; beriefen die Kaiser sich von neuem auf die praesentia regis; entsandten sie Wahlkommissare zu allen Bischofswahlen im Reich; begannen die Juristen deren Anwesenheit als Rechtsnotwendigkeit anzusehen, gab der Reichshofrat Klagen gegen kapitulare Sedisvakanzregierungen statt. Mit der (mittelalterlichen) Geschichte legitimierte man die Rechtsansprüche in der Gegenwart. Der Streit um die Bischofsgewalt gehörte zu den Impulsen, die vor allem die Juristen um 1700 veranlaßten, sich in neuer Weise mit dem Mittelalter zu beschäftigen122 – eine Rezeption, die sich, nachdem ihre Ergebnisse Gemeingut geworden waren, im 18. Jahrhundert in zahlreichen Bildprogrammen von Residenzen und Kaisersäalen niedergeschlagen hat. Symbolisch wurde der Streit ferner im Zeremoniell für den kaiserlichen Wahlkommissar geführt. Aus einem informellen Gesandten verwandelte sich dieser, dem Auftreten nach, in einen Stellvertreter des Kaisers, bei dem der Neu-Gewählte um kaiserliche Approbation und (vorläufige) Regalienübertragung nachzusuchen hatte.123 Vor den Augen von Domkapitel und Öffentlichkeit wurde mit Hilfe des Zeremoniells die kaiserliche Rechtsposition manifestiert. Umstritten also war und blieb nach dem Westfälischen Frieden die Herleitung der fürstbischöflichen Gewalt. Und dies galt nicht nur für ihren weltlichen Teil. Denn in einem ähnlichen Strukturkonflikt, wie sie ihn um die regalia mit den Kaisern führten, standen die Domkapitel um die spiritualia mit dem Papst. Ihr korporativer Bestimmungsanspruch durch Wahl kollidierte hier mit dem Anspruch auf Ernennung, Approbation, Weihe und Verleihung des pallium durch das Kirchenhaupt. Auch waren beide Konflikte verschränkt – wurde die kanonische Wahl doch von Dresanus: „Proin ministrorum atque officialium potestatem nud administratoriam, ad tuendum, atque defendendum, nec non vicario nomine exercendum concessam esse, neminem latere potest.“ Dresanus: Dissertatio, S. 7). Dagegen führt J. J. Moser aus: „Die Dom= und übrige Capitul derer Teutschen Erz= und Hoch= auch anderen Stiffter seynd unstreitig mittelbar, so lang der Stuhl oder die Prälatur ersezet ist. [ . . . ] Ob, oder wie fern aber die Teutsche Dom=Capitel zur Zeit der Sedisvacanz unmittelbar werden, oder bleiben? wird gestritten, da ihnen Einige die völlige Unmittelbarkeit, Reichs=Standschafft und eigene Landes=Hoheit zuschreiben, Andere aber sie, bey allen denen Rechten, die sie dann würcklich davon ausüben, doch noch vor mediat halten, und glauben, daß selbiges alles Namens des Hochs=Stiffts und Fürstenthums geschehe, deme die Capitul auch zu solcher Zeit mit Unterthanen=Pflicht und Landsäßigkeit zugethan, einfolglich doch noch mittelbar, verblieben. Ich in meinem Theil halte sie solche Zeit für unmittelbar: So auch in dem Fall, wann zwar ein Stiffts=Haupt vorhanden, aber nicht im Stande ist, die Regierung zu führen, sondern dieselbige von dem Dom=Capitul verwaltet wird.“ (J. J. Moser: Reichs=Stände Landen, Bd. 1, S. 916 f.; vgl. ders.: Unterthanen Rechten und Pflichten, S. 281). Zum Streit etwa um die Würzburger Sedisvakanz von 1724 s. Christ: Bischofswahl, S. 712. 122 Vgl. Feine: Besetzung, S. 147–165; Christ: Praesentia regis, S. 154–157. 123 Davon handelt die gerade heute wieder anregende Arbeit von Christ: Praesentia Regis.

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durch die Reichsverfassung gesichert124 (durch weltliches Recht also), während aus eben dieser Wahl als sakralem Akt die Sedisvakanzregierung und damit Ansprüche auf die weltlichen Herrschaftsrechte abgeleitet wurden. Das verdeutlicht, wie die beiden Gewalten ineinander übergehen konnten. Und es zeigt, wie sie von allen Beteiligten gegeneinander ausgespielt wurden. Für die Fürstbischöfe hieß das: Sie hatten nicht nur zwei, sie hatten mindestens drei Herren. Neben oder sogar vor Papst und Kaiser beanspruchte das Domkapitel ihren Dienst. In der Praxis hatte es viel unmittelbarer an der Bischofsherrschaft teil als die beiden Universalgewalten, besaß sein korporativ geübter Einfluß vor Ort häufig viel größeres Gewicht. Eben in dieser Vielzahl konkurrierender Herleitungen und Herren lag für die Bischofsherrschaft aber auch eine Chance. Eben weil sie uneindeutig war, konnte sie in verschiedene Richtungen ausgeformt werden. Und eben weil sie konkurrierenden Einflüssen unterlag, konnten diese im Idealfall so austariert werden, daß dadurch ein eigener Handlungsspielraum entstand. Gerade aus der Gegenstrebigkeit ihrer Verpflichtungen leitete sich ihr Handlungsspielraum ab. 3. Hochstifte und Adel Wer im 18. Jahrhundert die Amtsstube eines Fürstbistums betrat, in einem Domherrenhof auf Audienz wartete oder auch nur einen Dorfkrug besuchte, kam nicht umhin, die Wappenkalender zu betrachten, die an diesen Orten aushingen.125 Mannshoch und so breit, wie ein Arm lang ist, waren sie auch in hohen Räumen nicht zu übersehen. Zudem sprangen sie durch ihre aufwendige Gestaltung ins Auge: So monumental zeigte sich die darauf dargestellte Architektur, so dramatisch bewegt die zahlreichen Heiligenfiguren, so vielfältig das Detail, daß man gar nicht anders konnte, als die Darstellung eingehend zu studieren. Ein markantes Beispiel bietet der Wappenkalender, der im Hochstift Würzburg seit 1701 in Gebrauch war (Abb. 3, S. 66). 1711 erneuert, 1740 überarbeitet, wurde er erst 1761 durch einen Nachfolger ersetzt. Doch blieb auch dieser noch so eng an die Komposition von 1701 angelehnt, daß deren Bildfindung praktisch bis zur Säkularisation die Selbstdarstellung der Stiftsobrigkeit bestimmte. Ein Jahrhundert lang hat sie den Zeitenlauf gerahmt.126 Das Kalenderblatt zeigt eine gewaltige, ja eine überwältigende Architektur. Auf eine Stufe und einen 124 In den Landeskirchen wurde das Prinzip der kanonischen Wahl durch landesherrliche Ernennungen außer Kraft gesetzt. 125 Eine Gesamtdarstellung dieser Quellensorte fehlt – erstaunlicherweise, wenn man ihre kunst-, kultur- und mentalitätshistorische Bedeutung bedenkt. Zum folgenden zusammenfassend Hofmann: Ruhmesblätter, S. 7–21; Marwinski: Zu einem glückseligen neuen Jahr gedruckt, S. 5–19. Weitere Einzelnachweise und Literatur bei Dresler: Bibliographie. 126 Allmanach Würtzburger Bistumbs [ . . . ]. Da Kalender selten aufgehoben wurden, stammt das älteste, im Mainfränkischen Museum in Würzburg erhaltene Exemplar aus dem Jahr 1713. Mit seinem Bildmaß von 178  73 cm (Plattengröße 176  72 cm) übertrifft es

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Sockel gestellt, der die Blickhöhe des vorausgesetzten Betrachters nur wenig unterschreitet, strebt sie schier endlos nach oben. Vier schlanke Pfeiler türmen sich auf: zwei äußere, vorspringende, zwei innere, zurücktretende; über Kompositkapitellen und einem schmalen Gebälk tragen sie einen wuchtigen, gesprengten Segmentgiebel. Sieben Mal so hoch wie der Sockel ragt diese Architektur auf, bis sie die Wolkendecke durchstößt und einen Blick in den offenen Himmel freigibt. Da dieser als schmaler, verkürzter Streifen am oberen Bildrand erscheint (nur wenig breiter als unten Stufe und Sockel), entsteht der Eindruck einer extremen Untersicht – die Architektur wirkt viel höher als die tatsächliche Länge des Blatts. Erreicht wird dies dadurch, daß der Fluchtpunkt der Konstruktion (zugleich die Blickhöhe des impliziten Betrachters) tief angesetzt wird; viel tiefer als die Augenhöhe der tatsächlichen Betrachter. Zudem scheinen die Pfeiler unverhältnismäßig lang: Heftig reißt ihre schlanke Überlänge den Blick in die Höhe. Vor allem sind sie extrem eng gestellt. Nicht einmal eine Pfeilerbreite lassen sie zwischen sich frei. So nahe sind sie an den Bildrand gerückt, daß sogar der Ansatz des linken Giebelsegments abgeschnitten wird. Bis zum äußersten nimmt die Architektur das Hochformat des Blatts in Anspruch. Es ist dieses Enge, Gedrängte, zu Kraftvolle und Mächtige, dabei Gezügelt-Elegante, das den Betrachter gefangen nimmt. Vor jedem Inhalt stimmt es auf Faszination und Bewunderung ein. Daß das Höhenstreben durchaus Bedeutung hat, machen weitere Bildelemente klar. Vor dem Sockel und diesen nur wenig überragend öffnet sich in einer Kartusche aus Akanthuslaub eine Ansicht auf die Stadt Würzburg, kenntlich gemacht durch ein, von Putten getragenes Schriftband (Abb. 4, S. 67).127 Damit ergeben sich drei Bildbereiche – jeder in einer anderen Darstellungsart, jeder mit einem anderen Realitätsstatus. Als Vedute aus der Vogelschau wird die Residenzstadt in der Kartusche am unteren Bildrand gezeigt: vermeintlich abbildhaft, der (inszenierte) Augenschein als die unterste Stufe der Realität. Visionär, ohne bestimmbaren Raum, über den Wolken und im Strahlenglanz kommt oben der geöffnete Himmel ins Bild. Man braucht nicht zu wissen, daß die thronende Gottesmutter mit Kind als Patrona Franconiae verehrt wurde; daß der Heilige Kilian mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan links als Apostel des Frankenlands galten; daß der Apostel Andreas Titularheiliger des Würzburger Domes war; daß die heiligen Bischöfe rechts Bonifatius der Gründer des Bistums, Burkard der erste Bischof von Würzburg und Bruno der Erbauer des Würzburger Doms waren. Es genügt zu sehen, wie deutlich die Himmelsvision oben und die Stadtvedute unten aufeinander bezogen sind. Pars pro toto steht die Kathedral- und Residenzstadt in der Kartusche für das gesamte Land, repräsentiert sie Bistum und Fürstentum, das kirchliche und das politische Gemeinwesen. alle früheren Würzburger Kalender. Abbildungen in: Brod: Mainfränkische Kalender, S. 29 und in: Brod / Mälzer: Würzburg, S. 32. Dazu Scharold: Beyträge; Brod: Mainfränkische Kalender, S. 32–40; ders.: Fränkische Kalender. 127 Dazu Feurer / Maidt: Gesamtansichten, Kat. Nr. 28, S. 88 f. 5 Süßmann

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Abb. 3: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels, seit 1701

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Abb. 4: Wappenkalender des Würzburger Domkapitels, seit 1701 – Ausschnitt

Zwischen Himmel und Erde aber: der Sphäre der Heiligen und der Sphäre der Menschen, Vision und Vedute, vermittelt die beschriebene Architektur. Daher kann sie nur Sinnbild sein. Es handelt sich durchaus nicht um eine (auch nur mögliche) Gebrauchsarchitektur. Vielmehr ist sie deutlich als Phantasiearchitektur ausgewiesen – als Zeichen. Schon das Dekor von Akanthusblättern am linken und rechten Bildrand schneidet jeden Bezug zu einem möglichen Bau ab. Es wirkt wie ein skulptierter Rahmen, es zeigt an: Man sieht ein Bild; die Räumlichkeit ist Illusion. Aufgrund von Stufe und Sockel wäre die Architektur auch für niemanden zu betreten. Niemand könnte zwischen ihren Pfeilern hindurchgehen, da in den drei Zwischenräumen das Kalendarium angebracht ist. Als architektonischer Rahmen ist sie folglich anzusehen: als räumliche Fassung der Zeit. Dazu paßt die Nutzungsweise: Das aufwendige, teure Kalenderblatt war für den dauerhaften Gebrauch bestimmt; der kalendarische Teil zwischen den Pfeilern wurde jedes Jahr mit Neudrucken überklebt.128 Insofern besitzt die Eindrucksarchitektur des Blatts Denkmalscharakter: Sie überdauert die Jahre, sie ist ein Monument der Dauer, sie stellt Beständigkeit her und dar. Doch faßt die Architektur nicht nur das Kalendarium ein, sie trägt auch etwas. Und dies führt zu ihrer eigentlichen Bedeutung. Vor dem Sockel nämlich und entlang der vier Pfeiler, vor den Kapitellen bis hinauf ins Gebälk sind Wappenschilde 128 „Ein Stiftskalender sieht sehr prächtig aus; denn es ist ein Kupferstich im größesten Folio=Formate, auf welchem rings umher die hochwürdigen Domherren mit ihren Wapen und darunter gesetzten Nahmen, mit allen möglichen Verzierungen nach ihrem Range erscheinen, und in der Mitte ein Platz leer gelassen ist, wo der für jedes Jahr neu abgedruckte Kalender eingeklebet wird.“ (Krünitz: [Artikel] Kalender, S. 535, Anm.).

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angebracht: vier lückenlose Reihen, ebenso breit wie die Pfeiler und diese nahezu verdeckend, besonders in den Kapitellen förmlich mit ihnen verschmelzend. Offenbar stellen die Wappenschilde nicht Zierrat oder Attribut der Architektur dar; sie fallen mit ihr in eins. Die Wappenschildträger bilden den Bau, sie sind der Bau, der hier interpretiert wird. Inschriften verraten, um wen es sich handelt. Auf dem Gesims über den beiden mittleren Pfeilern steht: „Die Herren Capitularen“, auf dem unteren Rand des Segmentgiebels über den beiden äußeren Pfeilern: „Die Herren Domicellaren“. Inmitten des Giebels prangt (wie als Grund für dessen Sprengung) der fränkische Rechen unter einer Krone: das Wappen des Würzburger Domkapitels wie des Herzogtums Franken.129 Links und rechts davon die Wappen von Domprobst und Domdechant: den höchsten Würdenträgern des Domkapitels. Darüber schließlich, mit der Helmzier von Büffelhörnern und Fürstenhut schon vor dem Wolkenthron der Gottesmutter aufragend, das Wappen des regierenden Fürstbischofs. Domkapitel und Fürstbischof sind es, die gesamten (mit-)regierenden Obrigkeiten, die sich in dieser Eindrucksarchitektur darstellen. Insofern handelt es sich bei dem Kalender um eine erstrangige Quelle für deren Selbstverständnis und Verfaßtheit in einem geistlichen Fürstentum des 18. Jahrhunderts.130 So wurde er auch verwendet. Nicht nur in den Amtsstuben hing man ihn aus als Information über die aktuelle Zusammensetzung der Obrigkeiten, auch an benachbarte Domkapitel, Landesherren wurde er versandt; vornehme Gäste erhielten ihn als Ehrengabe.131 Und wie die kurbayerische General-Landesdirektion ihn Kolb: Wappen, S. 31–35. In Auftrag gegeben wurde der Kalender vom Domkapitel. Sechs Wochen lang hat der Würzburger Bildhauer (!) Johann Kaspar Brandt im Bauhof des Domkapitels an dem Entwurf gearbeitet, unterstützt vom Baumeister des Domkapitels Georg Bayer – ein weiterer Beleg dafür, daß die Komposition aus der Architekturzeichnung entwickelt wurde. Vierundzwanzig Taler hat man Brandt dafür ausgezahlt, dazu sieben Achtel Eimer drei Maas (das sind neunundsechzig Liter) Wein „als Trunk zu Frühbrot, Vesper und Abend“. Zwölf Taler erhielt der Würzburger Maler Franz Joachim Deuerlein für die Zeichnung von Wappen und Stadtansicht. Siebenhundert Gulden gingen an den Augsburger Kupferstecher Johann Georg Wolffgang für das Anfertigen der Platten. Der eigentliche Druck von zweihundert Exemplaren für das Jahr 1701 und das Zusammenkleben der Bestandteile schlugen mit fünfundsiebzig Gulden zu Buche. Hinzu kamen nach der Ablieferung fünfzig Gulden Belohnung für den Stecher und dreißig Gulden für einen Mittelsmann (offenbar war man hochzufrieden mit dem Ergebnis). Insgesamt handelte es sich um eine beträchliche Investition. Möglicherweise hat das Domkapitel den Fürstbischof an den Kosten beteiligt. Auch wurde ihm der Entwurf zur Billigung vorgelegt. Doch als der eigentliche Auftraggeber erscheint hier das Kapitel. Alle Angaben nach Brod: Mainfränkische Kalender, S. 32–34 aufgrund der Quellensammlung von Scharold: Materialien. 131 Hofmann: Ruhmesblätter, S. 10 f.; Marwinski: Zu einem glückseligen neuen Jahr gedruckt, S. 9. Mit Hilfe der Stiftskalender stellten seit 1684 Jakob Wilhelm Imhoff in seinen „Notitia S. Rom. Germ. Imperii procerum [ . . . ]“, seit 1747 Varrentrapp in seinem „Neuen genealogischen Reichs- und Staatshandbuch“ Personallisten sämtlicher deutscher Domkapitel zusammen (Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 26). Bis sie von den Hof- und Staatskalendern ersetzt wurden, dienten die Wappenkalender also offenbar auch als Grundlage für die Regierungsstatistik des Reichs. 129 130

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empfand, machte sie deutlich, indem sie in einer „Höchst-landesherrliche[n] Verordnung: Die bischöflichen Vikariats-Kalender betreffend“ am 1. Februar 1803 verfügte, daß alle „langen Wandkalender“ mit Bischofs- und Domherrenwappen, wo immer man sie antreffe, abzunehmen und nach München einzuschicken seien132 – als Selbstdarstellung der nunmehr säkularisierten Obrigkeiten waren sie offenbar nicht länger zu dulden. Wenn Architektur und Obrigkeiten gleichgesetzt werden, ist klar, warum die Architektur den Betrachter in einen Zwerg verwandelt, warum sie großartig, kraftvoll, überwältigend gemacht, warum sie als Denkmal der Dauer dargestellt wird: All diese Attribute der Architektur nehmen offenbar auch die Obrigkeiten für sich in Anspruch. Wichtig ist, daß diese Attribute sinnlich vermittelt werden: durch den visuellen Eindruck, der mit Hilfe der Architekturdarstellung erzeugt wird. Bevor Bewußtsein, Sprache, Argumentation ins Spiel kommen, ist der Charakter der Obrigkeiten dadurch bereits ebenso bestimmt wie ihr Verhältnis zu den Betrachtern. Als (visuelles) Argument hingegen und Rechtfertigung für die beanspruchten Attribute erscheint die Vermittlungsleistung der Obrigkeiten: Zwischen dem profanen Gemeinwesen in der Stadtvedute am unteren Bildrand und dem sakralen in der Himmelsvision am oberen stellen sie Ordnung, Halt, Übergang her. Ihre Leistung besteht, so wird damit behauptet, in der Transzendenz: Sie sollen es sein, die das Reich des Politischen auf das Reich des Göttlichen beziehen.133 Sie sollen es sein, die beide Reiche in das rechte Verhältnis setzen. Deshalb stehen sie selbst zwischen beiden Reichen, haben sie an beiden teil, ohne in einem von ihnen aufzugehen. Die Stadtansicht in der Kartusche am Sockel ist Bestandteil und Zierrat der Architektur, das Gemeinwesen also Teil der stiftischen Obrigkeiten, nicht etwa diese von ihm. Im Gegenteil ragen sie weit darüber hinaus, scheinen sie mit ihren mächtigen Pfeilern den Himmel zu tragen, erhalten und garantieren sie die göttliche Weltordnung. Die Linienführung des gesprengten Segmentgiebels führt das Betrachterauge über das Wappen des Fürstbischofs in den himmlichen Bereich. Und auch die Engel, die sich auf diesem Giebel niedergelassen haben (sie halten die Wappenschilde der würzburgisch-hochstiftischen Erzamtsträger), bezeugen, wie sehr sich in dieser Höhenluft die Sphären vermischen. Als Welterhalter werden die Obrigkeiten auf diesem Kalenderblatt präsentiert, als diejenigen, die dafür sorgen, daß der Himmel über der Stadt Würzburg und dem Land Franken nicht leer ist; daß dort ein ganzes Pantheon fränkischer Apostel und Heiliger wirkt. 132 Brod: Fränkische Kalender, S. 275 f. Das erklärt zugleich, warum heute nur verhältnismäßig wenige Exemplare erhalten sind. 133 Man hat die Architektur auf diesem Kalenderblatt als Ehrenpforte gedeutet (Brod: Mainfränkische Kalender, S. 34). Ikonologisch lassen sich dafür Argumente anführen, doch kollidiert diese Deutung mit der Feststellung, daß die Architektur aufgrund von Stufe und Sockel keinen Zugang ermöglicht, ja aufgrund der eng gestellten Pfeiler und des Kalendariums jeden Durchgang gerade verbaut. Nicht um eine Pforte in der Horizontalen kann es sich daher handeln, nur um ein Stütze und Überleitung in der Vertikalen: um eine Architektur der Transzendenz.

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Damit nehmen die würzburgischen Obrigkeiten eine Funktion in Anspruch, die nach katholischem Verständnis der Kirche zukommt: Ihre kirchlich-sakrale Tätigkeit ist es, die auf diesem Kalenderblatt während des gesamten 18. Jahrhunderts als visuelles Argument und Legitimation angeführt wird. Dazu paßt der Titel des Kalenders, der auf dem Gebälk über den beiden mittleren Pfeilern angebracht ist: „Allmanach Würtzburger Bistumbs Hertzogthumbs Frankhen auff das Erste nach dem dritten Schaltjahr nach der gnadenreichen Geburt Jesu Christi 1713, von Anfang des Hertzogthumbs Franckhen 1387, von Erbauung der Statt Würtzburg 1083 [ . . . ]“. Das Jahr erscheint als orts- oder besser: als landesbezogene Größe. Es ist aufgeladen mit landesgeschichtlicher wie mit heilsgeschichtlicher Bedeutung; untrennbar sind beide verschränkt. Das wird klar, wenn man das Vorbild bedenkt, dem dieser Titel folgt: die feierliche Eröffnung der Osternachts- wie der Weihnachtsliturgie. In ihr werden die beiden Zentralereignisse im Leben Jesu durch die Aufzählung jüdischer, römischer und griechischer Jahreszählweisen bestimmt. An diese Form christlich-heilsgeschichtlicher Kalenderberechnung knüpft der „Allmanach“ an. Selbstbewußt übernimmt er sie für ein Gemeinwesen, das, wie er zeigt, mit einer eigenen Heilsgeschichte auch einen eigenen Himmel besitzt. Bleibt zu klären, was die Quelle über die innere Verfaßtheit der Obrigkeiten verrät, denen sie solch eindrucksvolle Aufgaben zuschreibt. Und da fällt als erstes auf, in welcher Form die Obrigkeiten vor der Architektur ins Bild gesetzt werden. Denkbar wäre etwa gewesen, daß man das Domkapitel durch ein Kollektivsymbol darstellt wie das Chorgestühl oder den Kapitelsaal. Stattdessen wird jedes Mitglied der Korporation einzeln aufgeführt. Als ganzes erscheint das Kapitel in der Architektur, davor wird es als Summe seiner Teile gezeigt. Jeder der vierundzwanzig Domherren und dreißig Domherrenanwärter ist durch einen eigenen Schild namhaft gemacht, auf dem das vollständige Familienwappen aufgemalt ist, bestehend aus Schild, Helm und Zier; gleichförmig werden diese Schilde aneinander gereiht. Als Text gelesen, ergeben sie eine Aufzählung: Durch eine Namenliste seiner Mitglieder ist das Domkapitel vor der Architektur repräsentiert. Keines seiner Mitglieder, heißt das, verschwindet hinter der Korporation oder geht darin auf. Jedes bleibt in seiner Besonderheit kenntlich, jedes weist in seiner Besonderheit über die Korporation hinaus. Diese Besonderheit besteht in einem Familienwappen. Zwar ist jedem Schild eine kleine Banderole beigegeben, auf der neben dem Familiennamen auch der Vorname und gegebenenfalls eine Amtsbezeichnung zu lesen stehen. Visuell aber dominieren die Wappen. Und diese bezeichnen hier (mit Ausnahme von zwei Wappen im Giebel) ausschließlich Familien. Nicht als Individuen, sondern als Angehörige oder Vertreter von (Adels-)Familien sind die Mitglieder des Domkapitels ins Bild gesetzt. Offenbar liegt darin der Grund für ihre Sonderung. Offenbar wird jedes Mitglied separat aufgeführt, weil es in zwei Bezügen steht: Es ist Mitglied der Korporation (kenntlich an der Stellung innerhalb der Schildreihe) ebenso wie Vertreter einer Familie (kenntlich an dem Zeichen auf seinem Schild). Anders gewendet: Da jeder Domherr Vertreter seiner Familie bleibt, geht er in seiner Korpo-

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ration nicht auf. Schließlich wird er zum Mitglied (jedenfalls des Würzburger Domkapitels) nur – darauf wird einzugehen sein –, weil seine Familienzugehörigkeit ihn dazu qualifiziert. Das Domkapitel erscheint als Korporation, die von bestimmten Familien beschickt, zu der bestimmte Familien sich zusammengeschlossen haben. Es steht nicht für sich allein, es setzt den Verbund jener Familien voraus, ist nur vor diesem weiteren Hintergrund zu verstehen. Formal sind die Domkapitulare als Familienvertreter gleichgeordnet. Alle Schilde haben die gleiche Größe, alle sind (mit Ausnahme der vier Wappen im Giebel) auf gleiche Weise gestaltet. Alle Familienvertreter, heißt das, gehören hier prinzipiell dem gleichen Stand an, haben hier prinzipiell den gleichen Ausgangspunkt. Doch regiert dabei eine strenge Hierarchie. Je nachdem, wo ein Schild sich in der Reihe befindet: ob auf den äußeren Pfeilern der Domizellare oder den inneren der Kapitulare, ob unten oder oben, besitzt das bezeichnete Mitglied einen anderen Rang. Der Status jedes einzelnen ist von seiner Position in der Schildreihe abzulesen. Da die Schilde wie das Kalendarium bei jeder Veränderung nachgedruckt und überklebt wurden, ist vorstellbar, daß ein Jungherr mit seinem Schild zunächst auf einem der äußeren Pfeiler erschien; sobald er ein freigewordenes Kanonikat übernahm, auf einem der inneren; um endlich nach der Wahl zum Dignitär in einer Spitzenposition sichtbar zu werden. Als klare Hierarchiebildung mittels eines cursus honorum: einer formalisierten Ämterlaufbahn, sind die vertikal angeordneten Schildreihen daher auch zu verstehen. Möglicherweise entspricht die gezeigte Reihen- und Rangfolge sogar dem Auftreten des Domkapitels bei öffentlichen Anlässen oder in Prozessionen. Hervorgehoben sind die Schilde von Domdekan, Domprobst und Fürstbischof: durch ihre Stellung (im gesprengten Giebel); durch ihre Form (die Wappen von Domprobst und Domdekan sind auf runde anstelle von halbrunden Schilden gemalt); im Fall des fürstbischöflichen Schilds auch durch Gestaltung, Zusammensetzung und Schmuck. Denn das Wappen des Fürstbischofs ist als einziges nicht als ein gemaltes, sondern als ein skulptiertes dargestellt: mit dem Schild in einer Kartusche, über der drei Bügelhelme mit Helmzier angebracht sind. Auch handelt es sich um eine Wappenvereinigung: Neben dem Familienwappen im zweiten und dritten Feld zeigt der Schild im ersten den fränkischen Rechen, im vierten das Rennleinfähnlein.134 Nur der Bischof führt hier also außer seinem Familien- auch ein Amtswappen: als Herzog von Franken wie als Fürst des Hochstifts Würzburg. Wie schwer die dadurch symbolisierten Amtspflichten gegenüber der Familienvertreterschaft wogen, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Auffällt jedenfalls, daß allein das bischöfliche Wappen von vier Ahnenwappen umgeben ist – als sollte das Amtscharisma durch Ahnenprobe und Familienbeziehungen sogleich wieder eingerahmt werden. Man möchte vermuten, daß eben in der Hervorbringung der hier freigelegten Verfaßtheit ein (oder der?) soziale Sinn der Domkapitel lag. Familien, die prinzi134

Dazu Kolb: Wappen, S. 147–151 und S. 31–41.

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piell den gleichen Rang beanspruchten; die prinzipiell den gleichen Zugang zu Herrschaft und Vermögen für sich in Anspruch nahmen; die entsprechend heftig konkurrierten und in Gefahr standen, einen Kampf aller gegen alle zu beginnen; solche Familien in einer Korporation zu vereinigen und ihre Vertreter mit Hilfe einer geregelten Ämterlaufbahn in eine eindeutige, doch befristete, klare, doch in Fluß befindliche Reihenfolge zu bringen – darin könnte eine wichtige soziale Funktion der Domkapitel bestanden haben. Als Institution, um die Konkurrenz familial organisierter Herrschaftseliten zu zähmen, wären sie entsprechend zu verstehen. Sie halfen den offenen Kampf zu vermeiden, indem sie die Konkurrenz formalisierten und mit Hilfe der Ämterlaufbahn klaren Spielregeln unterwarfen.135 Den Familien, die sich auf die Spielregeln einließen, verschafften sie Teilhabe an Herrschaft und Vermögensbildung, darüber hinaus die kalkulierbare Chance auf eine (befristete) Führungsposition. Die Warteschlange zu den Futternäpfen wurde von ihnen organisiert. Nur wenn man sich klarmacht, daß diese Warteschlange ständig in Bewegung war, wird der Hintersinn deutlich, sie auf einem Kalenderblatt darzustellen. Wieviel Hoffnung mag sich bei einem solchen Wappenkalender an das Fortschreiten der Zeit geknüpft haben, wieviel Erwartung! Erhärtet wird diese Interpretation, nimmt man einige der Beobachtungen hinzu, die im vorigen Abschnitt erwähnt wurden. Etwa die Bezeichnung der Domkapitel als „Senat“ – weit mehr als eine unverbindliche Antikenreminiszenz, beschreibt sie offenbar präzise den Rang und die Bedeutung der Institution mit Hilfe des ebenso funktionierenden römischen Vorbilds. Oder die Summen, die im Zusammenhang mit den Bischofswahlen flossen – nicht einfach als Stimmenkauf sind sie offenbar anzusehen. Vielmehr handelte es sich anscheinend auch um Entschädigungen für diejenigen Familienvertreter, die eigentlich, soll heißen: nach den Regeln von Ämterlaufbahn und Anciennität, an der Reihe gewesen wären, im konkreten Fall aber zugunsten eines anderen Bewerbers verzichten sollten. Die Vermutung ist leicht überprüfbar. Wenn sie zutrifft, müßten die Summen für Koadjutorwahlen höher liegen als für reguläre Bischofswahlen; hier aber müßten sie umso höher ausfallen, je größer der Abstand war, den sie zwischen der eigentlichen Rangstufe des Bewerbers und dem Amt überbrücken sollten; ferner je mehr Bischofsstühle ein Bewerber oder eine Familie auf Kosten der Konkurrenz zu kumulieren versuchte. Und so scheint es sich nach den bisherigen Forschungsergebnissen in der Tat zu verhalten.136 Dann 135 Einen Nebeneffekt dieser Regelung hebt der jüngere Moser hervor: „Die geistlichen Staaten Deutschland haben den unschäzbaren Vorzug vor den weltlichen, daß, den einigen Fall ausgenommen, wenn Prinzen gewählt oder eingekauft werden, keiner zur ersten Würde gelangt, der nicht entweder durch die untern Stuffen die höhere Dignitäten eines Probsts, Dechants, u.s.w. erstiegen und dadurch schon mehrere Kenntnisse und Uebung in Geschäften erlangt, oder der auch in andern Staats= und Landes= Bedienungen als Präsident der verschiedenen Collegien, oder wirklicher Minister, das Land und dessen politische Verhältnisse sowohl, als moralische Bedürfnisse, kennen gelernt oder doch dazu die Gelegenheit gehabt.“ (F. K. v. Moser: Ueber die Regierung, S. 117 f.). 136 Für die Koadjutorwahlen hat das Rudolf Reinhardt bemerkt (Reinhardt: Kontinuität, vgl. ders.: Dynastien).

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aber sollte die Forschung daraus auch die Konsequenz ziehen und den Sachverhalt nicht länger als Simonie beschreiben (im Banne der juristischen Kategorien), um anschließend achselzuckend vor einer Realität zu stehen, die dem ständig erneuerten Simonieverbot Hohn sprach. Wenn diese Realität analytisch durchdrungen werden soll, muß der juristische Sachverhalt als Oberflächenphänomen erkannt werden, das die darunter liegende Anerkennung und Entschädigung von Familienansprüchen (in Form von Laufbahn-Rängen der Familienvertreter) ebenso voraussetzt wie verdeckt. Nach der hier entwickelten Interpretation durften die Familienvertreter in den Domkapiteln nicht darauf verzichten, sich für das Absehen von einer regulären Wahl oder von einer eigenen Bewerbung entschädigen zu lassen. Nach der hier entwickelten Interpretation waren sie vor allem deshalb Mitglieder der Domkapitel, um die Interessen ihrer Familien wahrzunehmen, d. h. um entweder selbst eine Führungsposition zu erreichen oder sich den Verzicht darauf angemessen entgelten zu lassen. Nach der hier entwickelten Interpretation zeigen also gerade die Finanztransfers im Zusammenhang mit den Bischofswahlen das Funktionieren der Domkapitel als (Um-)Verteilungsinstitut für konkurrierende Familien an. Man mag einwenden, die innere Verfaßtheit der Domkapitel als cursus honorum mit ihrer höchst profanen Funktion bilde einen merkwürdigen Gegensatz zu der Sakralisierung, die auf dem Würzburger Wappenkalender die Selbstdarstellung als Obrigkeit gegenüber dem Gemeinwesen bestimmt. Ja, man mag versucht sein, beide Momente ideologiekritisch aufeinander zu beziehen: die sakralisierende Selbstdarstellung als Verbrämung profaner Interessenwahrnehmung zu interpretieren. Die Frage ist, ob man damit nicht eigenen Vorurteilen erliegt. Möglicherweise erscheinen beide Momente erst heute und nur deshalb als gegensätzlich, weil mit der Ausbildung des modernen Anstaltsstaats und der entsprechenden Ausformung von Anstaltskirchen auch die Vorstellungen von Universalität und Partikularität sich verändert haben. Für eine Gesellschaft mit rudimentär ausgebildeten Anstalten verstand es sich noch von selbst, daß gemeinwohlbezogene Aufgaben (wie hier: die Sorge für Transzendenz) von partikularen Gewalten wahrgenommen werden und sich für diese auch auszahlen mußten; allenfalls wurde dies als unabänderliches Übel beklagt. Auch war das Gemeinwesen, für das hier gesorgt wurde, selbst nicht so universalistisch, wie wir das erwarten – handelt es sich bei dem Himmel, für den das Domkapitel auf dem Kalenderblatt sorgt, doch erkennbar um einen landesbezogenen, regionalen. Möglicherweise wurde gerade die durch profane Interessenwahrung erreichte Friedenssicherung und Gemeinschaftsbildung als notwendige Grundlage für die Sorge um Transzendenz begriffen. Zumindest sollte eine solche Deutung nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Man wird in dieser Frage auf weitere Indizien zu achten haben. Auch um 1700 hat es in der Reichskirche durchaus gemeinständische Domkapitel gegeben.137 So hatten Bürgerliche mit Universitätsdiplom Zugang zu den Dom137 Vgl. die Übersicht bei Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 66 ff. mit Kremer: Herkunft, S. 77. Das Folgende nach Hersches Auswertungen und Tabellen in Bd. 2 und 3 sowie nach Hersche: Adel.

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kapiteln von Trient, Brixen, Chur, Freising, Passau, Augsburg, Konstanz und Basel. Vielerorts waren Stellen für Priester reserviert (die größte Zahl in Lüttich), die oft bürgerlicher Herkunft waren. Über die Doktorpfründen fanden promovierte bürgerliche Juristen oder Theologen Aufnahme sogar in das hochadlige Domkapitel von Köln. In Regensburg und Augsburg waren stets einige Stellen für Patrizier reserviert. Gut zehn Prozent aller Domherrenstellen nahmen im 17. und 18. Jahrhundert Bürgerliche ein; ungefähr genauso groß war ihr Anteil unter den Dignitären. Zudem stellten sie fast die Hälfte aller Weihbischöfe.138 Von daher ist es eine Verkürzung zu behaupten, die Reichskirche der Neuzeit sei eine Adelskirche gewesen. Allerdings galten die gemeinständischen Domkapitel als die ärmsten, politisch unbedeutendsten, rangniedrigsten; wurden die Bürgerlichen selbst aus ihnen im Verlauf der Frühen Neuzeit immer stärker herausgedrängt; ging ihr Anteil darin zwischen 1600 und 1800 von siebzehn auf acht Prozent zurück; konnten sie anders als ihre adligen Kollegen kaum je mehrere Domherrenstellen kumulieren; wurden zwischen 1648 und 1803 lediglich drei von ihnen zu Bischöfen gewählt (zwei davon waren vor der Wahl noch geadelt worden).139 Am sozialen und politischen Gewicht gemessen, hat das Vorurteil also doch seine Berechtigung. Damit stellt sich die Frage, was Adel in diesem Zusammenhang bedeutet. Für den Verbund von Adelsfamilien, die in den Domkapiteln vertreten waren, haben bereits die Zeitgenossen den Begriff des Stiftsadels geprägt.140 Daß es sich dabei keineswegs um eine einheitliche Gruppe handelte, wurde ebenfalls bereits im 18. Jahrhundert registriert.141 Wer „stiftsfähig“ war, d. h. wer vorgeschlagen werden durfte und aufgenommen wurde, bestimmten die Domkapitel und anderen Kremer: Herkunft, S. 113–21. Kremer: Herkunft, S. 94 f. 140 Die moderne Forschung hat den Begriff übernommen, z. B. Endres: Adel, S. 1, 14–16, 36, 44–46, 74 f.; 98–100 mit weiterer Literatur; ebenso Hartmann: Stiftsadel. Problematisiert und differenziert haben den Begriff Aretin: Reich, S. 82; Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 41– 49; Duhamelle: L’Héritage, S. 11. 141 Z. B. von Rudolph Friedrich Telgmann 1733: „Wie viel Ahnen aber zum Alterthum eines Stifftmäßigen Geschlechts erfordert werden, solches beruhet eintzig und allein auf das Herkommen eines jeden Dom=Capituls, deswegen die Anzahl durch eine universelle Regul nicht sicher zu determiniren stehet.“ (Telgmann: Ahnen=Zahl, S. 160). Im gleichen Sinne Hattstein: Hoheit, Bd. 1 [Vorrede, letzte Seite]). Schärfer noch Johann Jakob Moser: „Dann die Canonicate anbelangend, so liesse es sich etwa hören, wenn dißfalls die Statuta oder das Herkommen derer Teutschen Stiffter gleich wären. So aber werden in einem Stifft 4 Ahnen erfordert, anderwärts 8, anderswo 16 oder gar 32; an einigen Orten müssen alle Ahnen aus unmittelbaren Familien seyn, an andern aus einem gewissen District Landes usw. und also kann einer in einem Stifft stifftsmäßig seyn und im andern ist ers nicht, ob er gleich ein alter von Adel ja wohl besseren Adels ist, als die Capitularen des Stiffts, wo er nicht receptibilis ist. [ . . . ] Aus welchem allen dann unwidersprechlich so viel folget, daß es um den Stiffts= Adel gar nichts uniformes, sondern etwas partikulares und veränderliches seye [ . . . ].“ (J. J. Moser: Teutsches Staatsrecht, Bd. 19, § 131, S. 322 f., vgl. ders.: Unterthanen Rechten und Pflichten, S. 287–297). 138 139

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Stifte nach ihrem Gutdünken; eine gemeinverbindliche Regelung gab es nicht.142 Fixiert wurden die jeweils beobachteten Aufnahmebedingungen in den Kapitelsstatuten. Sie umfaßten einen Nachweis der ehelichen Geburt und eine Ahnenprobe (nach unterschiedlichen Regeln), ferner zusätzliche Auflagen wie die Reichsunmittelbarkeit, die Akkreditierung in einer bestimmten Adelsmatrikel oder die Herkunft aus einer bestimmten Region. Obwohl diese Aufnahmebeschränkungen gegen das kanonische Recht verstießen, wurden sie den Domkapiteln der Reichskirche von den Päpsten Schritt für Schritt konzediert;143 zugleich wurden das päpstliche und das bischöfliche Provisionsrecht sowie die kaiserlichen „ersten Bitten“ einge142 Rauch: Stiftsmäßigkeit; Duhamelle: L’Héritage, S. 34–38. Das Aufnahmeverfahren umfaßte zwei Stufen; der Archivar des Würzburger Domkapitels Johann Octavian Salver hat es 1775 am Würzburger Beispiel dargestellt (Salver: Proben, S. 165–182). Wenn eine Präbende frei wurde (durch Tod, Resignation, Bischofswahl oder Ausschluß), durfte ein Nachfolgekandidat: ein „Jungherr“ oder „Domizellar“, für sie benannt werden. Bewerben konnte man sich auf eine solche Stelle nicht, man mußte vorgeschlagen werden. Das Vorschlagsrecht besaß ursprünglich der regierende Bischof, für bestimmte Fälle auch der Papst und der Kaiser. Während des Mittelalters ist es den Domkapiteln der Reichskirche aber gelungen, es zum Teil oder ganz auf die eigenen Mitglieder zu beschränken (vgl. unten Anm. 144). Nach einem intern festgelegten Turnus durfte reihum jeder Domherr einen Nachrücker nominieren – es ist klar, daß dabei die eigene Verwandtschaft oder befreundete Familien bevorzugt wurden. Nach einer Ausbildung, die neben der Residenzzeit am Kapitel den Besuch von Schulen und Universitäten einschloß, Kavalierstouren und erste diplomatische Missionen, oft auch die Assistenz bei Verwaltungsaufgaben, kam es zur „Emanzipation“ oder „Aufschwörung“ der Jungherren, d. h. zur vollgültigen Aufnahme. Bei diesem feierlichen Akt waren die oben genannten Nachweise zu erbringen: durch Urkunden und eine gemalte Ahnenprobe, vor allem aber durch Eide des Kandidaten wie auch mehrerer Adjuranten. Im Vorfeld gab es Gelegenheit, Widerspruch gegen einen Kandidaten einzulegen und seine Aufnahme zu verhindern: „Nachdem also der mit einem Dompräbende versehen Herr Aspirans seine Anenprobe zweyfach einem hohen Domkapitel eingesand und vorgelegt hat, wird dieselbe ad valvas Ecclesiæ & Capituli an die Thüre der hohen Domkirche und des Kapitelsaales öffentlich aufgehangen. Findet sich nun Niemand, der an der aufgestellten Anenprobe was zu erinneren oder auszustellen habe, so wird zu der wirklichen Aufschwörung des Herrn Aspirantens geschritten.“ (Salver: Proben, S. 177). Die ähnlichen Mainzer Regelungen bei Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 166–197; zu den „Kapitellaufbahnen“ in Mainz ebd., Teil II, S. 264–271. 143 So schon 1207 Magdeburg von Papst Innozenz III., 1365 Neuß von Urban V., 1391 Hildesheim, 1399 Münster von Bonifaz IX., 1474 Köln, 1476 Meißen, Naumburg und Merseburg von Sixtus IV., 1492 wieder Köln von Innozenz VIII. (s. Rauch: Stiftsmäßigkeit, S. 741), am umfassendsten im Jahr 1500 für die tausend Stiftspfründen der gesamten Mainzer Kirchenprovinz von Alexander VI.: „quod non alii admittendi, nisi de illustrium ducum, principum, comitum et baronum seu nobilium, qui ad minus ex quatuor ascendentibus et ex illo gradatim descendentibus nobilibus antecessoribus suis recta linea ac militari genere sint procreati“ (zitiert nach Kisky: Domkapitel, S. 12); die gleiche Vierahnenprobe räumte Julius II. 1504 Münster ein, Leo X. 1514 Trier (s. auch Endres: Adel, S. 14). Dagegen das allgemeine Kirchenrecht, fixiert durch ein Dekretale Papst Gregors IX. an das Straßburger Domkapitel, X 3. 5. 37. In der Neuzeit wurden die tatsächlichen Aufnahmebedingungen weiter verschärft. Verlangt wurden jetzt vielerorts acht, mancherorts sechzehn adlige Ahnen, dazu etwa in Mainz die Herkunft aus einem bestimmten Ritterschaftskanton. Von den päpstlichen Privilegien war dies nicht gedeckt, ja das Mainzer Domkapitel handelte dabei bewußt gegen die päpstlichen Vorgaben (vgl. Veit: Geschichte und Recht der Stiftsmäßigkeit, S. 336 ff.).

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schränkt, wo nicht völlig ausgeschaltet.144 Vor allem der juristischen Absicherung nach außen scheint die Festlegung in den Statuten gedient zu haben.145 Denn im letzten behielten die Kapitel sich die Entscheidung im Einzelfall vor. So lassen sich Beispiele nennen, in denen Kandidaten zwar die Ahnenprobe bestanden, unter Berufung auf die weiteren Auflagen aber dennoch abgewiesen wurden;146 umgekehrt bot das Aufnahmeverfahren genug Hintertüren, um erwünschten Kandidaten trotz falscher Großmütter Zutritt zu verschaffen.147 Nicht als Rechtstitel ist die Stiftsfähigkeit also zu verstehen, sondern als fallweise Akzeptanz durch die Gruppe der etablierten Familien einer Region, nicht als Eigenschaft einer Familie 144 Erfolgreich verwahrt gegen das päpstliche Provisionsrecht haben sich die Domkapitel von Trier, Straßburg, Bamberg und Würzburg. Köln ließ päpstliche Provisionen nur für die bürgerlichen Doktorpfründen zu, verweigerte sie aber für die Adelskanonikate (Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 16). Den übrigen Kapiteln stand nach dem Wiener Konkordat von 1448 die Besetzung derjenigen Stellen zu, die in geraden Monaten frei wurden; für die übrigen lag das Besetzungsrecht bei den Päpsten. Ausgewirkt hat sich das offenbar vor allem auf die gemeinständischen und gemischtadligen Domkapitel. Just die Gruppen, die man dort aus eigenem Antrieb nicht nominierte und auf Dauer wohl verdrängt hätte: die Bürgerlichen und Hochadligen, verdanken ihren Anteil dort päpstlicher Provision (Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 11–13 und 21–28). In die homogeneren Adelskapitel hingegen scheinen die Päpste in den meisten Fällen eingesessene, bereits zum jeweiligen Stiftsadel gehörige Familien providiert zu haben, um sich diese besonders zu verpflichten. Außenseiter waren dort viel schwerer durchzusetzen und standen, wenn dies doch gelang, auf verlorenen Posten. Hier griff das päpstliche Provisionsrecht wohl nur in die interne Hierarchie des jeweiligen Stiftsadels ein, beeinflußte aber kaum seine Zusammensetzung. In einzelnen Fällen traten die Päpste ihr Provisionsrecht auch an mächtige Reichsfürsten ab, etwa an die Erzbischöfe von Mainz (Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 169). Diese bekamen damit ein Instrument in die Hand, um den Adel an sich zu binden und die Zusammensetzung ihrer Domkapitel zu beeinflussen. Die Kaiser besaßen nach dem Wiener Konkordat das Recht, in jedem Domkapitel der Reichskirche die erste, nach ihrer Wahl freiwerdende Stelle zu besetzen. Auch dieses Recht der „preces primariae“ war jedoch vielerorts nicht durchsetzbar. Im 17. und 18. Jahrhundert scheint es in etwa hundertfünfzig Fällen geübt worden zu sein, was bezogen auf alle Stellenbesetzungen in diesem Zeitraum einen Anteil von knapp vier Prozent ergibt (Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 28). Zudem ist es offenbar ähnlichen Prinzipien gefolgt wie die päpstlichen Provisionen in den Adelskapiteln (vgl. die Namen der Precisten, ebd., Bd. 3, S. 42–44). Politisch war es nun einmal wirkungsvoller, mit Hilfe von alteingesessenen Familien Einfluß zu üben, anstatt durch Außenseiter geschlossene Abwehrfronten zu erzeugen. 145 Was sich u. a. daran zeigt, daß sie stets nachträglich erfolgten, eine eingespielte und lange geübte Praxis im nachhinein kodifizierten (vgl. Kisky: Domkapitel, S. 10 ff.). 146 Vgl. Veit: Geschichte und Recht der Stiftsmäßigkeit, S. 344 und 356; Aretin: Reich, S. 84. 147 Z. B. in Würzburg: „Merkwürdig ist, daß bey dieser einem hohen Domkapitel vorzulegenden Anen= Ritterbürtig= und Stiftsmäsigkeits=Probe es nicht nöthig und üblich sey, eine Filiations-Probe oder genealogischen Stammenbaum der väterlichen und mütterlichen Familie vorzulegen. Es bedarf keiner Tauf= und Todenscheine, keiner Heiraths=Kontracten, Lehenbriefen und anderer Urkunden, in dem der vier Herren Adjuranten Attestatum scientiæ & credulitatis sub fide nobili & jurata [ . . . ] alle diese Beweise ersetzt.“ (Salver: Proben, S. 174). Nichts zeigt deutlicher, daß es hier statt um Wahrheitsfindung um korporative Willens- und Konsensbildung ging, als diese Beglaubigung der Ahnenprobe allein mit Hilfe von Zeugen. Ebenso lagen die Dinge in Mainz, vgl. Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 179–182.

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oder Person, sondern als Zuschreibung, die von einem bestimmten Stift für eine bestimmte Region zu einer bestimmten Zeit verliehen wurde und von einem anderen Stift in einer anderen Region oder zu einem anderen Zeitpunkt auch verweigert werden konnte.148 Wer zum Stiftsadel gehörte, bestimmte weder Kaiser149 noch Papst,150 weder benachbarte Fürsten noch der regierende Fürstbischof; bei den etablierten Stiftsangehörigen lag in der Praxis die Entscheidung – auch dies ein untrügliches Zeichen korporativer Autonomie; ferner ein weiterer Beleg dafür, daß es sich hier wirklich primär um Vergemeinschaftungen handelte und erst sekundär, in der Selbstbehauptung nach außen, auch um Vergesellschaftungen. Das Verhältnis zwischen den Domkapiteln und ihrem jeweiligen Stiftsadel gehört zu den reizvollsten, aber auch kompliziertesten Themen der deutschen Sozialgeschichte. Die ältere Forschung hat es dahingehend vereinfacht, daß sie nach der Logik der jeweiligen Aufnahmebedingungen fragte.151 Es entspricht der hier 148 So auch Rößler: Ergebnisse, S. 185 f. Rauch unterscheidet zwischen „Stiftsfähigkeit“ als dem Vermögen einer bestimmten Person, in dieses oder jenes Kapitel aufgenommen zu werden („Ob das in Betracht kommende Mitglied auf Stiftsfähigkeit Anspruch erheben konnte, mußte im konkreten Falle geprüft werden.“) und „Stiftsmäßigkeit“ als Eigenschaft einer Familie, die „geeignet ist bei einer Ahnenprobe im Stammbaum mit Erfolg aufgeführt zu werden“ (Rauch: Stiftsmäßigkeit, S. 754 und 757). Allerdings räumt er ein, daß in den Quellen und der Forschung beide Ausdrücke „völlig promiscue“ verwendet werden (ebd., S. 751). Auch Rauchs Stiftsmäßigkeit ist daher nicht als Rechtstitel oder objektive Eigenschaft zu verstehen, sondern vermag allenfalls Ansehen, Ruf und Selbstverständnis einer Familie zu bezeichnen, unter bestimmten Stiftsadligen eingesessen und anerkannt zu sein; zu den etablierten zu gehören. 149 Die Kaiser beanspruchten nicht nur das Recht zur Nobilitierung. Sie suchten die exklusiven Aufnahmebestimmungen der Hochstifte überdies dadurch zu unterlaufen, daß sie den Neu-Nobilitierten eine gewisse Zahl adliger Ahnen „schenkten“. Gleichwohl waren solche Vorstöße selten erfolgreich. „Denn wenn gleich ein neuer Stifftmäßig gemachter Edelmann urgiret den Effect seines erlangten Privilegii, wenn ferner gleich Kayserliche Majestät sich seiner kräfftigst annehmen, und ihn mit Macht befodert haben wollen, so pflegen dennoch die Stiffter einem solchen Competenten so viele unvermeidliche Weitläuffigkeiten zu veruhrsachen, daß er zuletzt vor Verdruß genöthigt wird sich der Ansprache auf die Stiffts= Præbende von selbsten zu begeben, und derselben künfftig nicht mehr zu gedencken.“ (Telgmann: Ahnen=Zahl, S. 191 f.). 150 „Allein die teutschen Hoch=Stiffter verfahren mit dem Jure Canonico, als wie die Protestanten in ihren Gerichten zu thun pflegen. Wir [!] folgen dem päbstl. Rechte, so fern es billig, und den angenommenen Dogmatibus Fidei nicht zu wiedern spricht. Die Stiffter respectiren dasselbe ungemein, sie setzen solches zu ihrer legalen Richtschnur in Beurtheilung und Entscheidung ihrer Actionen. Entweicht es aber von ihren hergebrachten Gewohnheiten und Statutis, so lassen sich dieselben von keinem Gehorsam etwas predigen, sie entschuldigen sich mit dem Herkommen und ihren Statutis, wobey die päbstliche Heiligkeit auch wieder ihren Willen zuletzt acquiescieren muß.“ (Telgmann: Ahnen=Zahl, S. 145 f.). 151 Zu nennen sind hier die methodisch bahnbrechenden Arbeiten von Aloys Schulte und seinen Schülern, etwa Wilhelm Kothe (über Straßburg), Wilhelm Kisky (über Köln), Otto Schmidthals (über die Frauenstifte Essen, Elten und Gerresheim), Peter Wenzel (über die Frauenstifte Thorn, Nivelles und Andenne) u. a. Leider beziehen sie sich fast ausschließlich auf das Mittelalter. Allerdings ist seither klargeworden, daß Schulte Semantiken und Verhältnisse des Spätmittelalters auf die Frühzeit zurückprojiziert hat (vgl. Duggan: Church, S. 154 f.).

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vertretenen Sicht auf die Domkapitel, daß es sich dabei um Ausschlußkriterien handelte. Ihr Sinn bestand darin, möglichst vielen Aspiranten von vorneherein den Zugang zu verbauen. Drei verschiedene Strategien zeichnen sich dabei ab, drei verschiedenen Typen lassen die adligen oder vom Adel dominierten Domkapitel der Reichskirche sich entsprechend zuordnen. Die erste Exklusivierungsstrategie bestand darin, die Ansprüche an die Vornehmheit der Mitglieder zu erhöhen. Diesem Typus sind Straßburg und Köln zuzuordnen. Schon im Mittelalter beschränkten die dortigen Domkapitel den Zugang auf Edelfreie; als deren Zahl knapp wurde, auf Reichsfürsten, Reichsgrafen und Reichsfreiherren. Man hatte dem Hochadel anzugehören, um hier aufgenommen zu werden, schottete sich gegen den niederen Reichsadel wie gegen den Landadel weitmöglichst ab.152 Da zahlreiche edelfreie Familien aber bereits im Mittelalter ausstarben, mußte man den Nachwuchs aus einem immer größer werdenden Einzugsbereich rekrutieren, tendenziell aus dem Reich insgesamt.153 Aristokratische Exklusivität wurde mit landsmannschaftlicher Diversität bezahlt. Zudem waren Fürstensöhne während ihrer Zeit als Domizellare oder durch eine Ämterlaufbahn viel weniger zu prägen (schon weil sie sich über Kapitelsämter erhaben fühlten und diese von Beauftragten wahrnehmen ließen). Ihr Habitus blieb uneinheitlich, unberechenbar, weltlich. Um sicherzustellen, daß die geistlichen Aufgaben dennoch erfüllt wurden, mußten an den hochadligen Domkapiteln Stellen für geweihte Priester oder promovierte Theologen reserviert werden, in Köln zuletzt immerhin acht von vierundzwanzig Domherrenstellen. Da die Graduierten auf diesen Doktorpfründen im 17. und 18. Jahrhundert aus dem Bürgertum stammten, wurden die Kapitel dadurch noch uneinheitlicher. Zudem waren sie wegen des Einflusses ihrer fürstlichen Mitglieder stärksten Pressionen von außen ausgesetzt. Es erstaunt daher nicht, daß in Köln das wichtigste Recht der Korporation: die Bischofswahl, durch das Institut der Koadjutorie praktisch suspendiert war, während in Straßburg im 18. Jahrhundert kein Weg an der Wahl eines Rohan vorbeiführte – die exklusiven Auswahlprinzipien kosteten das Kapitel erst die Geschlossenheit und im Anschluß die Handlungsfähigkeit als Korporation. Die umgekehrte Strategie bestand darin, auf landsmannschaftliche Einheit zu setzen und die Herkunft aus einer eng umzirkelten Landschaft zur Voraussetzung zu erheben. Dieser Typus wird am reinsten von Münster repräsentiert, ihm sind aber mit mehr oder weniger großen Abstrichen auch die übrigen westfälischen Domkapitel zuzurechnen.154 Drei Viertel aller Domherren kamen hier aus Westfalen, weitere fünfzehn Prozent vom Niederrhein.155 Abgewehrt wurden Adlige 152 Über Straßburg fehlen neuere Untersuchungen. Man ist angewiesen auf Schulte: Adel, S. 28–31 und 331–334; Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 170–174. Zu Köln Kisky: Domkapitel, S. 9, ferner Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 104–111 mit weiterer Literatur. 153 Schulte: Adel, S. 31; Kisky: Domkapitel, S. 23. 154 Zu Münster s. Kohl: Domstift und Keinemann: Domkapitel. Zum niederrheinisch-westfälischen Adel allgemein Klueting: Reichsgrafen. 155 Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 75; Bd. 3, S. 122 f.

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aus anderen Regionen, wie die Mitglieder der rheinischen Reichsritterschaft, die man allmählich aus dem Kapitel verdrängte. Zu haben war diese landsmannschaftliche Geschlossenheit allerdings nur um den Preis, daß man sich verschiedenen Adelsgruppen öffnete: vom mediaten Landadel über den niederen Reichsadel bis zum Hochadel – das Domkapitel zerfiel in ungleich große Gruppen von Mitgliedern mit unterschiedlichem Horizont, unterschiedlichen Interessen, unterschiedlichem politischen Gewicht. Der Zahl nach erlangte der Landadel eine Mehrheit, doch blieb er so stark von Landesherren abhängig und auf einen regionalen Wirkungskreis beschränkt, daß er sich gegenüber den weitgespannten Verbindungen und größeren Ressourcen höherrangiger Domherren oft nicht zu behaupten vermochte. Immer neu mußte ein empfindliches Gleichgewicht zwischen den Gruppen ausgehandelt werden – Einigkeit und funktionierender Korpsgeist konnten daher auch in diesen gemischtadligen Kapiteln nur selten erreicht werden. Die dritte Exklusivierungsstrategie setzte auf ständische Homogenität. Geübt wurde sie von der Reichsritterschaft. Die Domkapitel von Würzburg und Bamberg können als die prägnantesten Beispiele für diesen Typus gelten. Hier mußte man sowohl dem turnierfähigen Adel entstammen, um vorschlagbar zu sein, als auch einer Familie, die in einem Ritterkanton des rheinischen, fränkischen oder schwäbischen Kreises immatrikuliert war156 – eine Kombination von Aufnahmebedingungen, die ständisch wie landsmannschaftlich vereinheitlichend wirkten. Bezogen auf den Stand richtete sie sich gegen den hohen Adel auf der einen Seite, den mediaten, landsässigen, vom hohen Adel abhängigen auf der anderen. Indem es den Domkapiteln dieses Typs gelang, beide Gruppen fast völlig außen vor zu hal156 „Nachdem aber [ . . . ] die zur Oberschicht sich schwingende Herzogen und Fürsten, die zuvor nur Statthalter der Provinzen waren, sich diese Länder eigentümlich unterwarfen, und zugleich den in selbem wohnenden Adel sich als Land= und Einsassen unterjochten; Der Fränkische, Schwäbische und Rheinische Adel aber seine Freyheit und Immedietæt behauptete, begnügten sich die hohen Erz= und Domstifter nicht mehr mit den Turnierproben des Adels, sondern sie forderten zur Probe der Stiftsmäsigkeit die Probe eines unmittelbaren Freyen Reichs Adels [ . . . ].“ (Salver: Proben, S. 156). „Hiermit war aber der teutsche Reichsadel in den Fränkischen, Schwäbischen und Rheinländischen Kreisen noch nicht zufrieden; Der Adel in diesen dreyen Kreisen [ . . . ] hatten [sic] sich von der Unterwürfigkeit ihrer Territorial=Herrschaften, Herzogen und Fürsten befreyet erhalten, um also ihren freyen und unmittelbaren Adel in seiner Reinigkeit zu erhalten, kamen sie unter sich überein, daß alle die in diesen dreyen Kreisen befindliche Familien bey einem ihrer errichteten Ritterkantonen sich melden, und bey selben als eine freye unmittelbare Reichsadeliche Familie sich sollten einschreiben lassen, welches von einem solchen Ritterkanton alsdann ausgestelltes Zeugniß die Immedietät einer solchen eingeschriebenen Familie hinlänglich bewähren würde.“ (ebd. S. 171). „Die hohe Erz= und Domstifter Maynz, Bamberg und Wirzburg kamen also ebenmäsig überein, keinen in ihre Hochstifter an und aufzunehmen, der nicht nächst der Probe seiner ritterbürtigen Anen das Zeugniß seines freyen und unmittelbaren Adels von einem solchen Kanton beybringen könnte, und wird dieses eigentlich die Probe der Stiftsmäsigkeit genannt.“ (ebd. S. 172, Hervorhebung im Original). Zu den Domkapiteln in Würzburg und Bamberg s. auch Rupprecht: Herrschaftswahrung, S. 45–54, Willoweit: Staatsorganisation, S. 70, Endres: Adel als Träger, S. 101–105.

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ten, schufen sie eine entscheidende Voraussetzung, um sich gegenüber fürstlichem und kaiserlichem Druck zu behaupten. Bürgerliche waren aus diesen Kapiteln bereits im Mittelalter verdrängt worden und spielten in der Frühen Neuzeit keine Rolle mehr. Auch die Priesterkanonikate des Mainzer Domkapitels wurden mit geweihten Adligen besetzt. Abzuwehren vermochte man mit Hilfe der zweiten Aufnahmebedingung aber auch den Reichsadel aus anderen Gegenden des Reiches157 sowie neue Familien, die ihren Reichsadel kaiserlichen Standeserhöhungen verdankten.158 Das hing mit der Binnenstruktur der Reichsritterschaft zusammen.159 Schon im Mittelalter hatten die Ministerialen sich in Turniergesellschaften, Ritterorden, Altar- und Begräbnisbruderschaften organisiert; nur durch engen korporativen Zusammenhalt waren in der prekären Mittellage zwischen Fürsten und zivilen Dienstleuten ihre Interessen zu behaupten.160 Hinzu traten die Einungen und Bünde, in denen man sich bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zuhilfe kam: In einer Adelsgruppe, deren Daseinszweck der Gewaltgebrauch war, mußten solche Hilfeleistungen vergemeinschaftend wirken. Mit der ständischen Abschließung der ohnedies nicht großen Schicht wurden die Binnenheiraten zur Norm; ein engmaschiges Netz von Verwandtschaftsbeziehungen verflocht die Ritterschaft einer Gegend. Auch die Ausbildung der Jugend und das gesellige Leben spielten sich überwiegend unter gleichrangigen Verwandten, Freunden, Nachbarn ab.161 Institutionalisiert wurde diese Vergemeinschaftung in den Standesvertretungen, die man im Wettlauf um die Landeshoheit auszubilden gezwungen war. Konnten die Reichsritter auch keine Reichsstandschaft erlangen, so sicherten sie sich im Verbund doch einen Status, der dem eines reichsständischen Hochadligen vergleichbar war: Gut einem Dutzend Ritterkantonen, untergliedert z. T. in Bezirke, zusammengefaßt zu den drei Ritterkreisen in Schwaben, Franken und am Rhein, gewährten die Kaiser die Reichsunmittelbarkeit. Wer diesen Adelsrepubliken angehörte, konnte sich der Fürstenherr157 In Mainz beispielsweise richtete sich das gegen die Reichsgrafen und -freiherren aus Westfalen und vom Niederrhein. Zu den Kämpfen, die es das Mainzer Domkapitel kostete, dieses unkanonische, weder vom Papst noch vom Kaiser akzeptierte Auswahlprinzip durchzufechten vgl. Veit: Stiftsmäßigkeit und Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 175–182. Weitere Beispiele aus Bamberg nennt Riedenauer: Reichsritterschaft, S. 19, Anm. 65. 158 Zu dieser Gruppe Kremer: Herkunft, S. 84 und 91 f. 159 Zur Reichsritterschaft allgemein und mit weiterer Literatur s. Hofmann: Herrschaft, S. 95–111 sowie die Studien von Volker Press, teilweise gesammelt in Press: Das Alte Reich und in ders.: Adel im Alten Reich; ferner ders.: Kaiser Karl V. Von ihrem Untergang her beleuchtet hat die Reichsritterschaft zuletzt Walther: Treue und Globalisierung. 160 Zu den Rittergesellschaften s. Ranft: Adelsgesellschaften und Heydenreich: Ritterorden. 161 „Man traf sich bei den Ritterkonventen, korrespondierte in der Zwischenzeit über private, nachbarliche und spezielle ritterschaftliche Fragen, suchte sich gegenseitig auf den Gütern und Schlössern auf, besprach sich in seinen Ehren- oder wirklichen Funktionen an den fränkischen Fürstenhöfen oder in den geistlichen Dom- und Ordenskapiteln, soweit nicht schon gemeinsames Studium, Erlebnisse der Kavaliersreise oder des Militärdienstes nähere Bekanntschaft oder gar Freundschaft begründet hatten.“ (Riedenauer: Reichsadel, S. 186).

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schaft entziehen (obwohl er den Fürsten durch Lehensbeziehungen und Hofdienst vielfältig verbunden blieb), übte mit der Konfessionswahl, der Besteuerung und Truppenausrüstung selbst Hoheitsrechte aus.162 Nur sofern sie Mitglieder einer Korporation waren, erlangten die Ritter also die Reichsunmittelbarkeit, nur als Korporation konnten sie sich unter dem Schutz des Kaisers gegen den Mediatisierungsdruck der Fürsten behaupten. Die Reichsritterschaft war eine Zwangsvergemeinschaftung, engster korporativer Zusammenhalt ihre Überlebensbedingung. Wie stark dieser Korpsgeist war, erwies sich daran, daß auch der mächtigste Sprengstoff des 16. Jahrhunderts ihm nichts anzuhaben vermochte. Obwohl die Reformation unter den Rittern viele kämpferische Anhänger fand (Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen sind nur die bekanntesten Beispiele), blieb ein Gutteil des Ritterstands wegen seiner Verflechtung mit der Reichskirche und seiner Ausrichtung auf den Kaiser altgläubig; vielerorts ging die Glaubensspaltung mitten durch die Familien. Gleichwohl vermochten die Ritter just in dieser Zeit, ihre korporative Sonderstellung zwar nicht als status, aber doch als membra imperii verankern zu lassen. Gelungen ist dies nur, weil sie lähmende innere Konflikte über die Glaubensgegensätze vermieden.163 Hinter die ständische Vergemeinschaftung hatten die Glaubensüberzeugungen zurückzutreten. Daß in einem Gemeinwesen nicht zwei Religionen nebeneinander bestehen können – in den Kantonen der Reichsritter hatte dieser Grundsatz keine Geltung. Sie gehörten zu den wenigen Gemeinwesen, die im 16. und 17. Jahrhundert die konfessionelle Spaltung ertrugen. Eine Konfessionalisierung der Reichsritterschaft hat es nicht gegeben. Nicht zuletzt diese Immunität, Neutralität und Wendigkeit machte sie im Zeitalter der Konfessionskämpfe zu unverzichtbaren Helfern für den Kaiser.164 Diese ritterschaftlichen Gemeinschaften sind es, die hinter dem dritten Typus von Domkapiteln stehen. Zwar waren die Reichsritter in allen Domkapiteln der Reichskirche (bis auf Straßburg) vertreten, zwar besetzten sie mit einem Anteil von durchschnittlich sechsunddreißig bis vierzig Prozent mehr Domherrenstellen als jeder andere Stand, doch gelang es ihnen nur in Würzburg, Bamberg und (mit Abstrichen) Mainz die Domkapitel völlig zu usurpieren; Trier, Worms und Speyer beherrschten sie zum überwiegenden Teil.165 Möglich wurde dies, weil Würzburg, Bamberg und Trier sich als einzige deutsche Domkapitel neben Straßburg erfolg162 Dagegen vermochten Einzelpersonen oder Familien, die vom Kaiser neu zu Reichsrittern erhoben wurden, aus der mediaten Stellung gegenüber ihrem Fürsten nicht herauszutreten. Fürstenrechte durften durch die kaiserlichen Standeserhöhungen nicht geschmälert werden – insofern handelte es sich bei diesen „neuen“ Reichsrittern solange um bloßen Titularadel, bis sie immediate Rittergüter erwarben und in einem Ritterkanton immatrikuliert wurden (Endres: Adel, S. 12, 68–74; Hersche: Domkapitel, Bd. 1, S. 47). 163 Beispiele hierfür bei Sicken: Franken, S. 171–173, 288–291 und bei Jendorff: Reformatio Catholica, S. 145, 286–292. 164 Neben den bereits genannten Arbeiten von Press s. hierzu Riedenauer: Reichsritterschaft; Schindling: Reichskirche, S. 100 ff. 165 Hersche: Domkapitel, Bd. 3, S. 174–177.

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reich gegen die päpstlichen Provisionen zu verwahren vermochten; nur hier regierte die korporative Selbstergänzung allein. Nicht zufällig kommt damit abermals eine Gruppe von Hochstiften zusammen, die sich bereits bei den Bistumskumulationen als Einheit abgezeichnet hatte (oben S. 59). Sie war dort als mittelrheinisch-fränkisches Bistumssystem bezeichnet worden – als reichsritterschaftliches oder reichsritterschaftlich-dominiertes ist es nun genauer zu charakterisieren.166 Damit erklärt sich, warum gerade die Hochstifte dieses Bistumssystems innerhalb der Reichskirche das größte Maß an Selbstbestimmung erlangten (oben S. 56), auch warum die hier unternommene Untersuchung sich auf dieses mittelrheinisch-fränkische Bistumssystem konzentriert. Nur hier wurden die Domkapitel so stark von der Reichsritterschaft beherrscht, daß sie ständisch homogen erscheinen. Nur hier kam (im Gegensatz etwa zu Straßburg) mit der ständischen Homogenität eine vorgängige Vergemeinschaftung zum Zug. Nur hier wurde deshalb der Korpsgeist der die Domkapitel tragenden Familienverbünde konsequent in einen Gemeinschaftswillen und in ein Gemeinschaftshandeln umgesetzt, das diese Stifte gegenüber Papst und Kaiser, Fürsten und Reich als selbständige Akteure erscheinen läßt. Würzburg und Bamberg gehörten darüber hinaus zu den wohlhabendsten Stiften überhaupt, Mainz und Trier nahmen aufgrund der Kurwürde eine Spitzenposition ein. Als ausschreibende Fürsten und Direktoren standen die Kurfürsten von Mainz überdies dem Kurrheinischen Reichskreis vor, die Fürstbischöfe von Worms zusammen mit den Pfalzgrafen dem Oberrheinischen Kreis, die Fürstbischöfe von Bamberg im Verein mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach dem Fränkischen Kreis:167 Trotz ihrer geringen Größe besaßen sie erheblichen regionalpolitischen Einfluß. Insofern erstaunt es nicht, daß unter allen Domkapiteln der Reichskirche gerade die des mittelrheinisch-fränkischen Bistumssystems das höchste Ansehen genossen. Selbst wenn man sich auf die rheinisch-fränkische Pfaffengasse beschränkt, bleibt es schwierig zu analysieren, wie die Domkapitel und ihr ritterschaftlicher Stiftsadel sich zueinander verhalten. Denn zum einen bilden die Domkapitel nur die Spitze von sehr viel umfassenderen Familienverflechtungen und Familienkonkurrenzen. Zum anderen ist das gesamte System dauernd in Bewegung, ja, nach der oben entwickelten Interpretation des Wappenkalenders besteht sein Sinn eben darin, die Familienkonkurrenz in beständiger Bewegung zu halten. Verflochten waren die reichsritterschaftlichen Domherren zum ersten als Verwandte und Versippte. Das ergab sich aus ihrer Selbstergänzung durch Nomination. Allerdings ist gerade die Versippung häufig nur mit Hilfe der Aufschwörbücher zu rekonstruieren168 – was eine Datenerfassung voraussetzt, die bislang für keins der So auch Hartmann: Stiftsadel, S. 99 f. und S. 126 f. Dotzauer: Reichskreise, S. 82, 134, 142, 243. 168 Duchhardt: Aufschwörungsurkunde. Zum folgenden vgl. Wolfgang Reinhard: Freunde und Kreaturen sowie Rudolf Reinhardts Rezension von Peter Hersches Datensammlung über die Domkapitel (Reinhardt: Domkapitel in der neueren Forschung). 166 167

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hier interessierenden Domkapitel geleistet ist. Verflochten waren die Domherren zum zweiten generationell. Viele von ihnen wurden gemeinsam erzogen, leisteten gemeinsam Residenz, besuchten gemeinsam Schulen und Universitäten, gingen gemeinsam auf Kavalierstour, traten gemeinsam ihre Ämterlaufbahnen an. Dabei lernte man sich nicht nur gut kennen, es entwickelten sich auch die Freundschaften und Feindschaften, Bündnisse und Rivalitäten, die in den Laufbahnen später zum Tragen kamen. Verflochten waren die Domherren zum dritten durch Stellenkumulation. Nur ein Viertel bis ein Drittel von ihnen waren Mitglieder eines einzigen Kapitels. Alle anderen kumulierten zwei, wenn nicht drei oder vier Domherrenstellen.169 Nur dadurch konnten die Bistumssysteme der Reichskirche entstehen, eng wurden ihre Domkapitel durch diese Mehrfachbepfründungen verklammert.170 Doch bildeten sie lediglich die Spitze des Eisbergs. Viele reichsritterschaftliche Domherren waren nämlich Mitglieder auch von Nebenstiftern, wo sie wegen ihres Rangs oft Führungspositionen einnahmen. Wie moderne Aufsichtsratsposten vervielfachten solche Pfründenhäufungen das Einkommen der Kapitulare, auch führten sie dazu, daß man den Domherrenkollegen in immer neuen Konstellationen begegnete. Hier war man Bittender, dort Gewährender, in einer Sache verbündet, in einer anderen Gegner – daß man sich immer wiedersehen würde, daß man langfristig miteinander auskommen, sich arrangieren mußte, ergab sich daraus von selbst. Wer nicht aus familiären Gründen aus den Kapiteln ausschied oder weil er zum Bischof gewählt wurde, brachte es in den reichsritterschaftlichen Domkapiteln auf eine Verweildauer von durchschnittlich (!) dreiunddreißig Jahren; im späten 18. Jahrhundert stieg sie auf vierzig Jahre an.171 Pfleglicher Umgang miteinander war unter diesen Bedingungen elementares Gebot. Schließlich und zum vierten ergab sich eine Verflechtung nicht nur der Stiftsherren untereinander, sondern auch mit dem weltlichen Zweig ihrer Familien. Denn vor allem mit Familienmitgliedern der Domkapitulare wurden in den Hochstiften Stellen in der Verwaltung, der Regierung und bei Hofe besetzt; vor allem Verwandte und Versippte bildeten den Kern des weltlichen Regierungsapparats, dienten als Militärs oder übernahmen diplomatische Missionen.172 All dies zusammen läßt erahnen, wie eng die Symbiose zwischen Stiften und Adel war. In ihren eigenen Republiken: den Ritterkantonen, war für die Reichsritter kein Blumentopf zu gewinnen. Dafür waren diese Gemeinwesen zu klein, zu arm, zu ohnmächtig, auch zu genossenschaftlich organisiert. Nicht einmal für die bloße Subsistenz reichten die bescheidenen, durch Erbteilung zersplitterten Rittergüter Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 92–94; Bd. 3, S. 148 ff. Ein aufschlußreiches Schaubild bei Hersche: Domkapitel, Bd. 3, S. 172. Vgl. Aretin: Reich, S. 84. 171 Hersche: Domkapitel, Bd. 2, S. 34. „In BA[mberg] gab es nicht weniger als vier DHH [Domherren] mit einer Verweildauer von 70 und mehr Jahren. In WU[erzburg] andererseits waren fast ein Drittel aller DHH, die mehr als 65 Jahre in einem DK sassen, präbendiert.“ (ebd, S. 35). 172 Press: Patronat, S. 29–31. 169 170

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mit ihren wenigen Dörfern und Untertanen aus. Die standesgemäße Nahrung hatte verdient zu werden; mit Selbsterhaltung und Selbstverwaltung war es nicht getan. Als Reichsritter mußte man in kaiserliche Dienste treten, als Militär oder Diplomat, weil schon eine Stellung bei Hofe die eigenen Ressourcen weit überstieg. Oder man verdingte sich bei benachbarten Fürsten, was jedoch in eine gefährliche Nähe zu deren mediatem Landadel führte. Am lukrativsten aber, am selbständigsten und verheißungsvollsten war der Eintritt in die Reichskirche. Hier, in den Stiften, profitierte man von den (vergleichsweise) hohen kirchlichen Einkünften. Hier konnte man seinen Einfluß spielen lassen, um der eigenen Familie einträgliche Verwaltungs- oder Regierungsposten zukommen zu lassen. Hier gewann man durch eigene Verwaltungstätigkeit einen Vorsprung, um Brüdern, Vettern, Schwagern heimfallende Lehen oder zum Verkauf stehende Güter zu vermitteln. Das eigene wie das Familienvermögen ließ sich auf diese Weise vermehren – erheblich und auf Dauer. Vor allem jedoch eröffneten die Stifte über die Ämterlaufbahn Karrierechancen. Als Dignitär oder Beauftragter für die domkapitulare Mitregierung konnte man Macht gewinnen, durch eine Bischofswahl zum Fürsten aufsteigen, in Trier und Mainz sogar zum Kurfürsten und Reichserzkanzler: dem zweiten Rang im Reich nach dem Kaiser. Eine ungeheure Standeserhöhung war über den cursus honorum der Stifte zu erreichen.173 Nur über ihn konnte man mit den Reichsfürsten gleichziehen, denen man sich als Reichsritter ebenbürtig fühlte, ohne ihre Reichsstandschaft erreicht zu haben. Nur als Fürstbischof oder geistlicher Kurfürst konnte man sogar den Vortritt vor den Reichsfürsten erlangen; erst damit gelangte das gekränkte Standesbewußtsein der Reichsritter an sein natürliches Ziel. Zugleich gewann man über diese Ämter Teilhabe an der Reichspolitik – da diese, wie sich bereits bei den Bischofswahlen zeigte, oft zugleich europäische Politik war, versetzte das Fürstbischofsamt seine Träger in die erste Riege der politischen Akteure. Zum Mitgestalter des europäischen Mächtesystems konnte ein kleiner Reichsritter über die Reichskirche aufsteigen. Insofern bildeten die Domkapitel, zu denen die Reichsritter Zugang hatten, allen voran die mittelrheinisch-fränkischen, die von ihnen dominiert wurden, das natürliche Betätigungsfeld dieser Korporation. Sie stellten eine notwendige Ergänzung ritterschaftlicher Selbstverwaltung in den Kantonen und Ritterkreisen dar, sie erhielten die Korporation finanziell und liehen ihr erst politisches Gewicht. Zur Dekkung gelangten beide Gemeinwesen trotz innigster personeller Verflechtung nicht. Im Gegenteil beharrten die Reichsritter auch gegenüber den Brüdern und Vettern in den Domkapiteln und erst recht gegenüber den Fürstbischöfen aus den eigenen Reihen auf ihrer korporativen Selbstständigkeit. Hartnäckig traten sie allen Bestrebungen nach Herrschaftsverdichtung und Landesausbau entgegen, die ihre eigenen Hoheitsrechte geschmälert hätten.174 Selbst wo sie die Bischöfe stellten und die 173 Vgl. Duggan: Church, S. 159–163; Reinhard: Kirche als Mobilitätskanal; und speziell für das mittelrheinisch-fränkische Bistumssystem am konkreten Beispiel Press: Kurmainz.

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wichtigsten Regierungsämter besetzten, schränkten sie deren Machtentfaltung ein. So viel der Reichsritterschaft am Erhalt der Fürstbistümer lag, so sehr sie sich im Reich dafür einsetzte, so nachhaltig verhinderte sie deren Ausbau. Die Symbiose mit den Reichsrittern brachte den Stiften ein Maximum an korporativer Selbstständigkeit und äußerem Ansehen, aber sie setzte ihnen auch enge Grenzen. In der folgenden Untersuchung werden diese genauer auszuloten sein. Nicht zugunsten von Herrschaftsverdichtung und Staatsbildung wirkte die Symbiose von Stiften und Ritteradel sich also aus, wohl aber hielt sie den ritterschaftlichen Stiftsadel in Bewegung. Anders als das dynastische Prinzip ermöglichte das Amtsprinzip schärfste Konkurrenz. Nur auf Zeit konnte eine Familie Spitzenpositionen erreichen. Ständig traten neue Familienvertreter gegeneinander an, mit jeder Wahl wurden Einkommen und Macht umverteilt, ständig schieden durch Karrieresprünge oder Tod Familienvertreter aus. Steil konnten Familien auf diese Weise aufsteigen, rasch aber auch aussterben oder in die Bedeutungslosigkeit zurücksinken. Mochte die Reichsritterschaft sich im Verlauf der Frühen Neuzeit gegenüber anderen Ständen immer stärker abschotten, intern war sie wegen der kirchlichen Ämterlaufbahn in dauernder Umschichtung begriffen. Nicht als Elitentausch, wohl aber als interne Erneuerung der Herrschaftselite tritt der gesellschaftliche Wandel hier in Erscheinung. Vor allem dem Auf- und Abstieg der Familien, ferner Generationenbrüchen und Veränderungen im Habitus wird man bei seiner Analyse also zu beachten haben. Von einer Durchleuchtung aller Verflechtungen auch nur für eins der reichsritterschaftlichen Hochstifte ist die Forschung weit entfernt. Wer die Datenmengen kennt, die dafür zu erheben wären und die Probleme, sie aus den verstreuten Quellensorten zusammenzutragen, wird darüber nicht erstaunt sein. Um dennoch voranzukommen, hat man sich auf einzelne Adelsfamilien konzentriert: sei es, weil reiche, gut erschlossene und zugängliche Familienarchive das benötigte Material boten; sei es weil es sich um besonders erfolgreiche, hervorstechende und wichtige Familien handelte.175 Die erfolgreichste Familie von allen, die aus der Reichsritterschaft kommend, über die fränkisch-mittelrheinischen Bistümer Karriere machten, waren die Schönborn.176 Wie keine andere Familie hat sie die Karrierechancen in 174 Am genauesten hat Hanns Hubert Hofmann die „mehrfache politische Rolle“ der Ritterschaft analysiert. Was er für die Zeit um 1500 sagt, behält prinzipiell auch für spätere Epochen Gültigkeit: „ihre Glieder huldigen einzeln individuell dem Lehenherrn und leisten diesem als Lehen-, Landes oder Schirmherrn persönlich Rat und Hilfe; in individueller Korporation stehen sie im landgerichtlichen – und man darf hier schon sagen: landständischen – Personalverband diesem Landesherrn teilhaberisch gegenüber; zugleich aber ringen sie um die korporative Autonomie freier Franken in genossenschaftlicher Einung aller Ritterbürtigen, die wiederum auf einer anderen Ebene in Landfriedenseinungen mit Fürsten und Städten verbunden sind“ (Hofmann: Adel in Franken, S. 111). Vgl. ders.: Herrschaft. 175 Für die fränkische Reichsritterschaft mustergültig etwa Rupprecht: Herrschaftswahrung. 176 Gute Zusammenfassungen bieten Jürgensmeier: Die Schönborn und Maué: Schönborn. Vgl. Hartmann: Stiftsadel, S. 131 f.

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der Reichskirche zu nutzen gewußt, hat sie sich das System zu eigen gemacht, hat sie es über drei (nimmt man die anders heißenden Schwesternsöhne hinzu, sogar über vier) Generationen verteidigt und modernisiert.177 Zwischen 1642 und 1756 besetzten sechs Mitglieder der Familie vierzehn Fürstenthrone: in Würzburg und Bamberg, Trier und Mainz, Worms und Speyer; stellten sie zwei Reichskanzler, einen Reichsvizekanzler und drei Kurfürsten. Bis 1797 kamen über drei Schwesternsöhne weitere fünf Fürstenthrone hinzu, darunter mit Mainz abermals das Erzkanzleramt und die Kurwürde. Mit diesen und zahlreichen kleineren Würden beherrschten die Schönborn die Pfaffengasse an Rhein und Main, beeinflußten sie in hohem Maße die Reichspolitik. Darin besteht ihre Bedeutung: daß sie es verstanden haben, unter wechselnden politischen Konstellationen das System der Reichskirche – und damit die Möglichkeit des reichsritterschaftlichen Stiftsadels zur unmittelbaren Partizipation an der europäischen Politik – über hundertfünfzig Jahre lang fortzuentwickeln. Wenn man so will, repräsentieren die Schönborn das Alte Reich zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Reichsdeputationshauptschluß; zumindest haben sie es entscheidend mitgestaltet und geprägt. Für eine Familie aus der Reichsritterschaft war das ein ungeheurer Erfolg. Anders als bei den nachgeborenen Prinzen der Wittelsbacher, Habsburger oder PfalzNeuburger stand hinter ihnen kein weltliches Fürstenhaus, das bei Bischofswahlen sein politisches Gewicht und seine finanziellen Ressourcen in die Waagschale werfen konnte. Auch machten die Schönborn nicht in gemischtadligen oder gemeinständischen Domkapiteln Karriere, sondern in den vergleichsweise homogenen, deshalb umso eifersüchtigeren, reichsritterschaftlichen. Jede weitere Würde für einen Schönborn schränkte die Aufstiegsmöglichkeiten aller anderen, konkurrierenden Familien empfindlich ein – eigentlich hätte deren Statusbewußtsein ein Ausreißen wie das der Schönborn also verhindern müssen. Zudem erreichte die Familie durch ihren Erfolg mehrere Standeserhöhungen: einen Aufstieg in den Hochadel, der die Schönborn den Reichsrittern leicht hätte entfremden können. Stattdessen betrachteten diese offenbar auch die Grafen von Schönborn trotz deren neuen Reichs- und Kreisstandschaft noch als geeignete Vertreter von ritterschaftlichen Standesinteressen, möglicherweise als fähigere und bessere Interessenwahrer, als einer der ihren es hätte sein können. Beide Phänomene: der ungewöhnliche Erfolg wie das sich daraus ergebende Verhältnis zum reichsritterschaftlichen Stiftsadel, werden im Laufe dieser Untersuchung zu erklären sein. Am Ende des Reichs begann man von der „Schönbornzeit“ zu sprechen.178 So eng schien die Familie in der Rückschau mit der Gegend ihrer Erfolge verknüpft, 177 Eine Übersicht bei Reinhardt: Kontinuität, S. 149. Zu ergänzen ist dort für Franz Georg die Fürstabtei Prüm, die seit 1576 dem Erzstift Trier inkorporiert war. 178 So der Würzburger Professor Franz Oberthür um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, zitiert nach Freeden: Schönbornzeit, S. 55. Bis heute wird der Ausdruck in der wissenschaftlichen Literatur gebraucht, etwa in Reifenberg: Akzente, S. 143; Roda: Adam Friedrich, S. 2 u. ö; Müller: Jesuiten, S. 100, um nur drei willkürlich herausgegriffene Beispiele anzuführen.

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so stark die Gegend von der Familie geprägt, daß man sie auch als „Schönbornlande“ bezeichnete. Zu keiner anderen Familie liegen bessere Arbeiten vor, kein anderes Familienarchiv ist so bedeutend und so gut erschlossen wie das Schönbornsche, das heute als Depositum im Staatsarchiv Würzburg zugänglich ist. Am Beispiel der Schönborn soll die reichsritterschaftliche Stiftsherrschaft in den „Schönbornlanden“: dem „mittelrheinisch-fränkischen Bistumssystem“, der „Pfaffengasse an Rhein und Main“ daher neu analysiert und gedeutet werden.

4. Stiftsherrschaft Wer nun genau wissen möchte, wie fürstbischöfliche und domkapitulare Herrschaft sich zueinander verhielten: ob letztere eher als (erduldete, gewährte) Mitregierung zu gelten hat oder (dem Anspruch der Domkapitel entsprechend) als Ursprung der Bischofsherrschaft und deren Gravitationskern, kommt an den sogenannten Wahlkapitulationen nicht vorbei. In ihnen ist das Verhältnis von Domkapitel und Fürstbischof Text geworden; explizit zielten sie darauf ab, dieses Verhältnis zu regulieren. Für die hier untersuchten Fragen stellen sie die wichtigste Quellensorte dar. Wahlkapitulationen, auch Wahleide, Wahlgedinge, Wahlinstrumente oder Juramenta genannt, tauchen in schriftlicher Form zuerst im Hochmittelalter auf.179 Bei der Wahl der venezianischen Dogen sind sie für das 12. Jahrhundert belegt, bei der Wahl der dänischen Könige für den Beginn des 13. Jahrhunderts. Vor allem durch ihre Verwendung bei Bischofswahlen fanden sie seit dem 13. Jahrhundert weite Verbreitung – fungierten die Bischöfe, die sich ihnen unterwerfen mußten, doch selbst als Wähler, etwa als Kardinäle oder geistliche Kurfürsten. 1352 wurde mit Innozenz VI. erstmals ein Papst auf Wahlkapitulationen verpflichtet, 1519 mußte als erster römisch-deutscher König Karl V. förmliche Wahlkapitulationen beschwören. Bis ins 18. Jahrhundert waren nicht nur die höchsten, sondern praktisch alle gewählten Fürsten der Christenheit an Wahlkapitulationen gebunden. In den Fürstbistümern der Reichskirche erscheinen sie in dem Moment, als es den Domkapiteln gelang, den Kreis der Bischofswähler auf sich zu beschränken – just in dieser Abschließung des Wahlgremiums, in seiner Gruppenbildung lag offenbar die entscheidende Vorraussetzung für ihre Entstehung. Wahlkapitulationen waren an geschlossene Wahlgremien gebunden. Oder sollten sie diese Geschlossenheit erst herstellen? Auffällt jedenfalls, daß das Kardinalskonklave die gleiche Exklusivität beanspruchte wie das Kurfürstenkolleg und die Gremien der anderen Wahlfürstentümer, die Wahlkapitulationen hervorbrachten – ein Anspruch, der wie jener der Domkapitel in keinem Fall unangefochten war und bei jeder Wahl durch Einflußnahme von außen wie durch Konflikte im Innern infragegestellt 179

tion.

Zum folgenden vgl. Pozza: [Artikel] Wahlkapitulation; Becker: [Artikel] Wahlkapitula-

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A. Handlungsbedingungen

wurde. Auffällt zum zweiten, daß es in den Reichsstädten keine Wahlkapitulationen gab; auch bei modernen Wahlen fehlt ein Äquivalent. Das liegt vielleicht nicht nur an der größeren Offenheit der entsprechenden Wahlgremien, es könnte auf eine weitere Voraussetzung hindeuten: Die Wahlen, bei denen man Wahlkapitulationen gebrauchte, erfolgten auf Lebenszeit; eine Amtsenthebung war danach kaum mehr möglich. Beide Beobachtungen zeigen: Wahlkapitulationen waren an Wahlfürstentümer mit exklusiven (aristokratischen) Wahlgremien gebunden. Sie sind charakteristisch für solche Gebilde, sie lassen den größten Aufschluß für die Machtverteilung in ihnen erwarten. Da sie zum Erfahrungshaushalt der Moderne nicht mehr gehören, tun wir uns schwer damit, sie zu verstehen. Worum es sich bei ihnen eigentlich handelt, ist in der Forschung umstritten; präziser als für die bischöflichen hat man die Streitfragen für die kaiserliche Wahlkapitulation formuliert.180 Handelte es sich (wie vor allem das Zustandekommen der ersten kaiserlichen Kapitulation von 1519 vermuten läßt), um einen reziproken Herrschaftsvertrag zwischen den Wählern und dem Gewählten: den Kurfürsten (als den Vertretern aller Stände) und dem Kaiser; um ein typisches Zeugnis ständisch-fürstlichen Dualismus’ und geteilter Herrschaft? Oder ist die Wahlkapitulation als (mehr oder minder freiwillige) Selbstverpflichtung des Gewählten zu interpretieren, als einseitige (Selbst-)Beschränkung einer prinzipiell ungeteilten Herrschaft? Kam ihr nur der Status eines jederzeit revidierbaren Gesetzes zu, oder muß sie als kontinuierlich fortentwickelte Verfassungsurkunde angesehen werden? War sie eine „bloße Formalität“, für die konkrete Regierungspraxis ohne Belang? Oder steckte sie im Gegenteil einen verbindlichen Handlungsrahmen für den Wahlfürsten ab? Konstitutionslogik, Status, Geltung – über keinen der drei Gesichtspunkte hat die Forschung bislang Einigkeit erzielt. Bei genauerem Hinsehen reproduziert sie hier Kontroversen des 17. und 18. Jahrhunderts. Alle drei genannten Streitpunkte wurden bereits von den Juristen des Alten Reichs diskutiert. Dreißig Titel umfaßt allein Pütters Literaturbericht „von der [kaiserlichen] Wahlcapitulation selbst überhaupt“; hinzu kamen weitere Untersuchungen über einzelne Kapitulationen.181 Auch verzichtete kein ÖffentlichRechtler darauf, in seiner Darstellung der Reichsverfassung auf die kaiserliche Wahlkapitulation einzugehen. Die Reichspublizistik ist sicher nicht durch die Kontroverse über die Wahlkapitulation allein entstanden, doch zu ihren Kernthemen gehörte diese von Anfang an.182 Im Streit um die kaiserliche Wahlkapitulation 180 Gut zusammengefaßt zuletzt von Lottes: Herrschaftsvertrag, mit der jeweiligen Literatur. Die maßgebliche Studie ist immer noch Kleinheyer: Wahlkapitulationen. 181 Pütter: Litteratur, Bd. 3, S. 83–88. Aufgearbeitet ist diese reiche Literatur bislang nicht. Lediglich Eckhart Pick hat mit der Diskussion um die beständige kaiserliche Wahlkapitulation einen Ausschnitt daraus beleuchtet (Pick: Bemühungen). 182 Stolleis: Geschichte, S. 128. Eine nicht ganz so breite, aber doch gewichtige Diskussion gab es über die bischöflichen Wahlkapitulationen unter den Kanonisten. Auch sie ist bislang nicht erforscht. Vgl. aber Stolleis: Erschließung.

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konnten Juristen sich profilieren, konnten sie besser als bei jedem anderen Thema kaiserliche, kurfürstliche, ständische Interpretationen der Reichsverfassung entwickeln. Vor jeder neuen Kaiserwahl wurde die Kapitulation reformuliert, jede neue Wahl wurde zum Anlaß, die Kontroverse wiederaufzunehmen. Nicht nur in Lehrbüchern und Dissertationen, zunehmend auch in kämpferischen Traktaten und Flugschriften wurde sie vorangetrieben, erfaßte sie immer weitere Kreise. Die kaiserliche Wahlkapitulation wirkte als Kern, um den eine reichspatriotische Öffentlichkeit sich kristallisierte. Wer die alten Kontroversen nicht fortsetzen, in ihrem Bann nicht verharren will, wird diese Auslegungstradition reflektieren müssen. Viel spricht dafür, daß der Streit die Kapitulation selbst erheblich beeinflußt hat. Wie sie wahrgenommen und verstanden, wie sie verwendet und fortgeschrieben wurde, mußte sich ändern, je weiter sie aus den Kabinetten in die Hörsäale, aus Geheimverhandlungen an eine juristische Öffentlichkeit gelangten, die sich zuerst an ihr erprobte. Um es in der Terminologie Gerhard Oestreichs zu sagen: Möglich ist, daß die kaiserliche Wahlkapitulation von einem „Herrschaftsvertrag“, als der sie 1519 ausgehandelt worden war, spätestens im 18. Jahrhundert in eine „Verfassungsurkunde“ umgedeutet wurde.183 Ihr Status war veränderlich. Ein „Wesen“, das man ein für allemal auf183 Oestreich: Vom Herrschaftsvertrag zur Verfassungsurkunde. In diesem Aufsatz werden drei historisch aufeinanderfolgende Idealtypen von „konstitutionellen Instrumenten“ unterschieden (so der Untertitel): der ständische Herrschaftsvertrag; der Vertrag über die Regierung; die moderne Verfassungsurkunde. Zur Voraussetzung hätten sie jeweils die „polyarchische Ständemonarchie“ (48), die „monistische souveräne Monarchie“ (48) mit ihrer zentralen Hof- und Staatsverwaltung; schließlich den bürgerlich-demokratischen Nationalstaat. Leider ist Oestreichs Begriffsgebrauch nicht konsequent. Bereits die Rede von den „Verfassungsurkunden als spezifisch gewandelte[n] Herrschaftsverträge[n]“ (48) zeigt, daß er den Begriff des Herrschaftsvertrags auch als allgemeinen Überbegriff gebraucht. Im Fortgang des Texts werden die Verträge über die Regierung, die sogenannten „Regierungsformen“ (50), erst als „ständestaatliche Verfassungsdokumente“ bezeichnet (56), dann als „Verfassungsurkunden“ (z. B. 57 und 64), schließlich als „Verfassungen“ (65) – damit geht ihre Unterscheidung von den modernen Verfassungen wieder verloren. Ähnlich schwanken die Bezeichnungen für die Staatsformen, die hinter den konstitutionellen Instrumenten stehen. Gleichwohl ist Oestreichs Typenbildung gegen seinen inkonsequenten Begriffsgebrauch in Schutz zu nehmen. Sie bleibt hilfreich, wenn man sie als Ordnungsraster versteht, um bestimmte Tendenzen in den konkreten, stets mehrdeutigen Texten freizulegen. Deshalb werden die Wahlkapitulationen hier nicht wie von Oestreich selbst (47 f.) ein für allemal unter die ständischen Herrschaftsverträge subsumiert. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß sie ihren Charakter gewandelt haben, nach und nach auch Kennzeichen erst von Regierungsverträgen, dann von Verfassungsurkunden zugeschrieben bekommen (und möglicherweise auch angenommen) haben. – Nicht diskutiert werden kann hier, ob die kaiserliche Wahlkapitulation von 1519 aufgrund ihres Zustandekommens wirklich als Herrschaftsvertrag verstanden werden muß oder ob sie aufgrund ihrer Form nicht vielmehr als Wahl- bzw. Amtseid zu deuten ist. Zur Problematik des Vertragsbegriffs generell s. u. S. 110, Anm. 238. Analysiert hat eine Umdeutung der bischöflichen Wahlkapitulationen in der Spätaufklärung Barbara Stollberg-Rilinger. Ihre methodischen Vorüberlegungen über die Umdeutung alter Sachverhalte durch deren Beschreibung in einer neuen politischen „Sprache“ können als richtungsweisend gelten (Stollberg-Rilinger: Wahlkapitulation, S. 379–381).

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decken oder bestimmen könnte, besaß sie nicht. Vielmehr erscheint sie je nach Hinsicht und (juristischer) Begrifflichkeit, je nach Interessen und Hintergrundannahmen, je nach dem wandelbaren Charakter von Herrschaft, in unterschiedlichem Licht. Und das betrifft nicht nur ihren Status, sondern ebenso ihre Konstitutionslogik und ihre Geltung.184 Man wird sich daher davor hüten, die Geschichte der Wahlkapitulationen einzig durch die Brille der Reichspublizisten zu betrachten – so scharfsinnig deren Begriffsbildung und Deduktionen auch waren. Und man wird sich davor hüten, die Befunde über die kaiserliche Wahlkapitulation einfach auf die bischöflichen zu übertragen. Das gebietet bereits die unterschiedliche Zugänglichkeit. Die kaiserliche Wahlkapitulation wurde von Anfang an veröffentlicht; seit 1519 legte man sie nach jeder Kaiserwahl im Druck vor. Die bischöflichen Wahlkapitulationen hingegen wurden wie Staatsgeheimnisse verwahrt. Es kostete die Reichspublizisten größte Mühe, überhaupt etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Lange, sehr lange waren sie auf Nachrichten aus zweiter Hand angewiesen, auf Hörensagen und Gerüchte. Erst ein aufsehenerregendes Zerwürfnis schlug eine Bresche in diese Mauer des Schweigens. 1684 wurde Johann Gottfried von Guttenberg zum Bischof von Würzburg gewählt, zwei Jahre später geriet er mit seinem Domkapitel in Streit.185 Das Kapitel berief sich auf die Wahlkapitulation, die der Bischof geschworen hatte; dieser stellte die Zulässigkeit der entsprechenden Bestimmung infrage. Immer neue Streitpunkte kamen hinzu, die Auseinandersetzung eskalierte. Gegen sein Domkapitel klagte der Bischof bei Kaiser und Papst; geschickt machte er statt einzelner Differenzpunkte die Rechtmäßigkeit der Kapitulation insgesamt zum Thema. Der Deutschmeister als kaiserlicher und päpstlicher Kommissar entband 1690 den Bischof von seinem Eid. Jetzt sollte eine neue Kapitulation ausgehandelt werden: unter den Augen einer eigens dafür bestellten Kardinalskongregation in Rom und des Reichshofrats in Wien. Der Bischof erwirkte, daß dieser Entwurf keine Billigung fand. Darauf folgte eine Sensation: Mit der Bulle „Ecclesiae Catholicae. . .“ vom 22. September 1695 erklärte Papst Innozenz XII. ausnahmslos alle bischöflichen Wahlkapitulationen für nichtig. Unter Androhung schärfster Kirchenstrafen verbot er Kapitulationen vor der Wahl; alle nach der Wahl ausgehandelten Verpflichtungen sollten von der Kurie geprüft und bestätigt werden müssen. Dieser „Constitutio Innocentiana“ schloß der Reichshofrat sich an. Mit Reskript vom 11. September 1698 annulierte Kaiser Leopold die Würzburger Wahlkapitulation auch wegen ihrer Eingriffe in die Temporalien und Regalien. Der Sieg des Würz184 „So gesehen, stellt sich die Geschichte des Rechtsinstituts der Wahlkapitulation als Geschichte der Reichsverfassung dar, als eine dem verfassungshistorischen Prozeß in Abständen angepaßte schriftliche Bestandsaufnahme der Verfassungsverhältnisse im Sinne des englischen Verständnisses von Verfassung als einer an einer tradtionsbestimmten, aber entwicklungsoffenen Norm ausgerichteten gelebten politischen Wirklichkeit.“ (Lottes: Herrschaftsvertrag, S. 146). 185 Das Folgende nach Abert: Wahlkapitulationen, S. 103–108.

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burger Bischofs schien vollkommen, sein Erfolg die bislang geübte Rechtspraxis in allen Hochstiften des Reichs umzustürzen. Um diesen Sieg bekanntzumachen, zu verbreiten, zu zementieren, veranlaßte Johann Gottfried, daß die wichtigsten Aktenstücke des Rechtsstreits gedruckt wurden: vor allem Innocentiana und Leopoldina, daneben aber auch seine Kapitulation von 1684, die er in dem Rechtsstreit hatte zum Gegenstand machen können.186 Im Augenblick ihres Verbots wurde zum ersten Mal eine bischöfliche Wahlkapitulation in vollem Umfang veröffentlicht. Vor allem auf diese Veröffentlichung und auf weitere, die aus ähnlichen Konflikten erwuchsen, haben die Reichspublizisten sich in der Folge gestützt.187 Die Argumentation der beiden Universalgewalten ist aufschlußreich. Für Innozenz XII. stehen alle kirchlichen Amtsträger zwischen der Nachfolge Christi und der Pflicht gegenüber den Gemeinschaften, denen sie angehören – ein struktureller, prinzipiell unauflösbarer Konflikt, in dem der Papst sich als Sachwalter des universalistischen Nachfolge-Gebots sieht. Gegenüber den politischen Gemeinwesen beharrt er auf der „kirchlichen Freiheit“: Als Nachfolger Christi, dessen Erlösungswerk allen Menschen gilt, dürfe der Klerus nicht für politisch-partikulare Ziele in die Pflicht genommen werden. Das Gleiche gilt aber auch für die Gemeinschaften, die innerhalb der Kirche bestehen: 186 Die Schrift erschien anonym, aber „clementissimo jussu et approbatione speciali“ unter der Jahreszahl 1697 in Würzburg: Factum et Jus Juramenti Episcopalis [ . . . ]. Die Innocentiana ist darin gleich zweimal abgedruckt: als „Num. 18“ (S. 230–242) und noch einmal als Anhang (S. 431–444). Darauf folgt (S. 445–447) die Leopoldina, was beweist, daß das Buch (oder eine Nachauflage?) frühestens Ende 1698 erschienen sein kann. Bei der Darstellung des Rechtstreits werden zunächst die päpstlichen und kaiserlichen Privilegien, die Kapitelstatuten und Rezesse aufgezählt, die dem Würzburger Kapitulationswesen den Rahmen vorgaben. Darauf folgt Johann Gottfrieds Kapitulation vom 16. Oktober 1684 als Regest in lateinischer Übersetzung, wobei jeder Artikel mit einem ausführlichen juristischen Kommentar versehen ist, der auf einschlägige Bestimmungen und Auslegungen des kanonischen Rechts, des Reichsrechts und des Würzburger Gewohnheitsrechts verweist, um die Zulässigkeit des jeweiligen Artikels zu erörtern (S. 29–146). Zum Abdruck gelangen ferner Präzedenzfälle, in denen bischöfliche Wahlkapitulationen modifiziert oder aufgehoben wurden, beispielsweise die Modifikation, die Johann Philipp von Schönborn 1652 im Einvernehmen mit dem Domkapitel an seiner Würzburger Wahlkapitulation von 1642 ausgehandelt hatte („Num. 1“, S. 185–191) oder die Kapitulation, die Bischof Franz Wilhelm von Osnabrück 1641 bei seiner Wahl zum Koadjutor in Regensburg beschwor (S. 257–275). Das macht verständlich, warum das Buch unter Reichspublizisten sogleich zum Standardwerk über bischöfliche Wahlkapitulationen avancierte. Johann Gottfried strukturierte mit dieser Publikation die öffentlich-rechtliche Diskussion des 18. Jahrhunderts zum Thema bischöfliche Wahlkapitulationen vor. Daß er aber keineswegs nur auf dieses Fachpublikum zählte, macht eine auf Deutsch erschienene Kurzfassung deutlich: Kurtz verfaßter / doch Wahrhaffter verlauff [ . . . ]. In Form einer Flugschrift wandte sich hier erstmals ein Fürstbischof in Sachen Wahlkapitulation an die Allgemeinheit. Für den Umgang mit den bischöflichen Wahleiden ist das ein einschneidendes Datum. 187 So z. B. Johann Christian Lünig, der 1721 den Fall referiert (Lünig: Reichs=Archiv, Spicil. Eccles. Cont. II [= Bd. 20], S. 1153), 1723 dann lange Auszüge aus dem Buch verbreitet (Lünig: Selecta Scripta Illustria, S. 450–577) oder J. J. Moser für seine Darstellung des Streits (J. J. Moser: Teutsches Staats=Recht, Bd. 11, S. 445–468; vgl. ders.: Persönliches Staats=Recht, Bd. 1, S. 101–105).

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A. Handlungsbedingungen [ . . . ] accepto in nonnullis Ecclesiis de earum consuetudine observari, ut cum earum Prælati ad Ecclesias ipsas primò accederent, vel cum de recipiendis ibidem novis Canonicis ageretur, nec Prælatos admitti, nec Canonicos aliter recipi in iisdem Ecclesiis, nisi jurâssent, Statuta, & consuetudines ipsarum Ecclesiarum scripta, & non scripta inviolabiliter observare [ . . . ].188

Hier kommen die Wahlkapitulationen zusammen mit den Aufschwörungen in den Blick: Beide werden als Eide aufgefaßt, durch die man sich, sei es beim Eintritt in die Gemeinschaft, sei es bei der Wahl auf eine Funktionsstelle, den Bräuchen der Gemeinschaft unterwirft. Akzeptiert hätten die Päpste diesen Sachverhalt, weil Kirche nun einmal „Divinâ dispositione“ aus solchen Gemeinschaften bestehe; Orden und Kapitel sind nur die augenfälligsten Beispiele. Letztlich wird hier auf den alten kirchenrechtlichen Grundsatz verwiesen, daß auch die katholische (‘allgemeine’, ‘universale’) Kirche aus Ortskirchen aufgebaut ist. Diese Gemeinschaften gilt es zu schützen. Ihr Sonderrecht und Brauch dürfen nicht einfach von oben infragegestellt oder aufgehoben werden. Sonst gefährdet man die Keimzellen des Ganzen. Umgekehrt dürften sich in diese Statuten und Gewohnheiten aber auch nicht „aliqua [ . . . ] illicita, sivè impossibilia, vel Eccelsiasticæ Libertati obviantia“ einschleichen (434), denn das führe in die Sünde und gefährde das Seelenheil der Kleriker, soll heißen: Es läßt sie gegen das NachfolgeGebot handeln, macht sie zu Sachwaltern des Partikularen anstelle des Universalen und untergräbt den Grund für ihre Bevorrechtung. Das Recht lokaler Klerikergemeinschaften (wie der Domkapitel) auf Selbstgesetzgebung stoße an seine Grenze, wo es das universale Nachfolge-Gebot berühre. Lokales Kirchenrecht, heißt das, kann zu Unrecht werden – dann wird Widerstand dagegen zur Pflicht. So habe bereits Papst Nikolaus III. dekretiert: [ . . . ] talia Juramenta eá intentione facienda, vel facta, ut etiam illicita, vel impossibilia, seu Ecclesiasticæ Libertati obviantia observarentur, cùm etiam sub tali intentione præstari non possent absquè Divinæ Majestatis offensa in hujusmodi illicitis, impossibilibus, seu Libertati Ecclesiasticæ obviantibus non servanda [ . . . ] (434)

Die „Libertas Ecclesiasticæ“ besteht also nicht nur aus der Immunität der Kirche gegenüber den Ansprüchen der politischen Gemeinwesen, sie umfaßt auch eine Immunität des einzelnen Klerikers gegenüber den Ansprüchen seiner Kirchengemeinschaft, sofern sie seiner Pflicht zur Nachfolge Christi widersprechen. Ausdrücklich wird dem einzelnen Kleriker (im konkreten Fall: dem Bischof gegenüber dem Domkapitel) ein Widerstandsrecht eingeräumt. Jederzeit soll er gegen Eide, die seinem Nachfolge-Auftrag widersprechen, bei der Kurie klagen können. Das Gewissen des einzelnen Klerikers und die kirchliche Hierarchie bringt der Papst als Kontrollinstanzen gegen die Selbstgesetzgebung der kirchlichen Gemeinschaften in Stellung. 188 Constitutio Innocentiana, zitiert nach: Factum et Jus Juramenti Episcopi, S. 433. Auf diese Ausgabe beziehen sich auch die folgenden Seitenangaben im Text. Eine amtliche Neuedition in: Bullarium Romanum, Bd. IX, S. 412–416.

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Weniger grundsätzlich wird seine Argumentation, sobald sie sich speziell gegen die Wahlkapitulationen richtet. Diese würden von habgierigen und ehrgeizigen Klerikern entworfen, die meinen [ . . . ] sacras ipsas Electiones, quas Sanctissimi Ecclesiæ Canones omni pravâ pactione submotâ peragi tam districtè præcipiunt, illicitis, injustis, ac per tot Apostolicas Sanctiones reprobatis Conventionibus per Electos, quicúnque illi sint, observandis, quibus Canonica Præsulum Jurisdictio u`t plurimum circumscribitur, vacantium Ecclesiarum Jura læduntur, ac ipsius etiam Apostolicæ Sedis Authoritatis interdu`m violatur, temerè inquinare satagant, atquè ita abominationem desolationis in Sanctuarium invehere, Sacrásque Ecclesiæ Dignitates, ad quas olim nonnisi ex persecutionis tolerantia ascendebatur, in turpem quæstum, ac tenebrarum negotium commutare minimè vereantur, non sine gravissima Ecclesiasticæ Disciplinæ perturbatione, Fidelium scandalo, ac salutis animarum detrimento [ . . . ] (439)

Hier erscheinen die Wahlkapitulationen nicht mehr als Vereidigungen auf das Sonderrecht einer Gemeinschaft, sondern als Wahlversprechen, durch deren Erpressung die Wählenden sich Vorteile verschaffen. Die Vorteilsnahme gefährdet die „Heiligkeit“ der geistlichen Würden, indem sie ihre Besetzung fragwürdig erscheinen läßt; die Exemption der Wählenden durchlöchert die geistliche Gerichtsbarkeit des Gewählten und zerstört die kirchliche Hierarchie. Die Kritik zielt hier also weniger auf Inhalte als auf die Sicherung von Verfahren: Von einem „Mißbrauch“ der Wahleide ist daher die Rede (433), der durch das päpstliche Edikt abgeschafft werden soll. Der Kaiser begründet sein Eingreifen lehensrechtlich. [ . . . ] da bevorab Wir mißfällig wahrgenommen, wie daß ein und anderes Capitulum bey ereignenden Fällen durch die Capitulationes denen wählenden oder postulirenden Bischoffen und Fürsten, von denen von einem zeitlichen Röm. Kayser ihnen zu Lehen verliehenen Regalien und Weltlichkeiten einen grossen Theil ab=und an sich ziehen, und in ein Condominium eindringen wolle [ . . . ]189

Alle weltliche Macht sei den Fürstbischöfen – und nur diesen – vom Kaiser zu Lehen gegeben. Ein „Condominium“, also eine ‘Mitregierung’ oder ‘Mitverfügung’ über dieses Lehen durch die Domkapitel, wird als Entfremdung von Reichsgut angesehen. [ . . . ] wodurch dann sothane Geistliche Fürsten also eingeschrenckt worden, daß, wann ein Casus Necessitatis deß gesambten Reichs, oder auch solchen Stiffts in particulari vorgefallen, sie zu Folge ihres bey Empfahung der Reichs=Regalien abgeschwohrnen theueren Eyds nichts oder wenig præstiren können, ja wann so gar mit Uns, als Röm. Kayser zu deß Reichs und ihrer eigenen Sicherheit eine Bündnuß eingehen wollen, auch dißfalls zuweilen durch die Capitulationes gebundene Hand gehabt, als wann nicht Wir als Röm. Kayser, sondern das Capitulum dergleichen Lands=Fürstl. Jura zu übergeben hätte. (445 f.) 189 Leopoldina, zitiert nach: Factum et Jus Juramenti Episcopi, S. 445. Auf diese Ausgabe beziehen sich auch die weiteren Seitenangaben im Text. Ein weiterer Abdruck findet sich z. B. in Ickstatt: Disqvisitio, S. 86–88 und in J. J. Moser: Persönliches Staats=Recht, Bd. 1, S. 103–105.

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Die Wahlkapitulationen hinderten die Fürstbischöfe in konkreten Fällen, ihren Pflichten als kaiserliche Lehensleute nachzukommen – als Vertrag über die Regierung werden sie von den kaiserlichen Juristen also offenbar angesehen. Es liegt nahe, daß dabei die Erfahrung mit der kaiserlichen Wahlkapitulation als Folie dient. Gravierender ist, daß die Domkapitel sich damit eine Verfügungsgewalt anmaßen, die den lehensrechtlichen Ursprung fürstbischöflicher Herrschaft zu vernebeln droht. Als Vertrag über die Regierung beeinflussen die Kapitulationen auch die Vorstellungen, woher die fürstbischöfliche Herrschaft stammt und wie sie zu deuten ist. D. h. sie entfalten eine praktische Wirkung auf die Herrschaftsinterpretation und prägen diese ebenso stark, wie eine explizite Verfassungsurkunde es könnte. Mindestens vier verschiedene Hinsichten auf die bischöflichen Wahlkapitulationen bringen Innocentiana und Leopoldina also an den Tag. Grundsätzlich erscheinen sie aus päpstlicher Sicht, analog zu den Aufschwörungen, als Vereidigung auf das Sonderrecht einer Klerikergemeinschaft. Mißbraucht werde dieses Rechtsinstitut, sobald das Domkapitel damit Wahlversprechen erpresse, um sich Vorteile zu verschaffen. Als Vertrag, den Wählende und Gewählter über die Regierung schließen, stellen die Kapitulationen sich den kaiserlichen Juristen dar. Mit diesem Vertrag erlangten die Domkapitel aber Mitsprache auch über Gerechtsame, die nur den Fürstbischöfen verliehen werden – eine Vertragswirkung, die in der Folge als Auskunft über den Ursprung fürstbischöflicher Herrschaft und somit als Verfassungsurkunde verstanden werden könnte. Eindrucksvoll führen diese Unterschiede einmal mehr den Doppelcharakter fürstbischöflicher Herrschaft vor Augen. Dem Papst ist es um das bischöfliche Amtscharisma und seine plenitudo potestatis zu tun, dem Kaiser um die fürstbischöfliche Lehenpflicht und die Kennzeichnung der Regalien als Reichsgut. Einträchtig und in aller Deutlichkeit rufen beide Universalgewalten – im Jahr 1698! – diesen Dualismus in Erinnerung; erneuern sie ihn; treten sie der korporativen Herrschaftsbegründung von Seiten der Domkapitel entgegen. In diesen Dualismus bleibt fürstbischöfliche Herrschaft im anbrechenden 18. Jahrhundert eingespannt. In diesem Dualismus müssen auch die bischöflichen Wahlkapitulationen einen besonderen Charakter gewinnen. Nach ihm und damit danach, welche jener vier Hinsichten auf die Wahlkapitulationen den Sachverhalt am besten trifft, wird hier zu fragen sein. Für die ältere Forschung waren die bischöflichen Wahlkapitulationen mit Innocentiana und Leopoldina verboten und abgetan.190 Durch ihr Eingreifen hätten die 190 So z. B. Hans Erich Feine: „Dem Bunde von Kaiser und Papst mit den Bischöfen unterlag auch das Kapitulationswerk der Domkapitel in den meisten Hochstiftern [ . . . ].“ (Feine: Besetzung, S. 343). „Damit war dem Würzburger Kapitulationswerk der Todestoss versetzt.“ (ebd., S. 344). „In einem Würzburger Streitfall erging [ . . . ] die sogenannte Innocentiana, die nicht nur den Würzburger, sondern auch den Wahlkapitulationen in den meisten anderen Bistümern ein Ende bereitet oder sie praktisch entwertet hat.“ (ders.: Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 534).

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übergeordneten Gewalten Papst und Kaiser dem Kapitulationswesen ein Ende bereitet. Sei es für starke Fürstbischöfe schon zuvor keine wirkliche Einschränkung gewesen, so habe es im 18. Jahrhundert endgültig jede Bedeutung verloren. Ein genauerer Blick auf die Praxis hat ergeben, daß dies nicht stimmt.191 Nach wie vor kamen in den Fürstbistümern der Reichskirche bei fast allen Bischofswahlen Kapitulationen zum Einsatz.192 Nach wie vor wurden sie vor jeder neuen Wahl ergänzt, weiterentwickelt, umgeschrieben.193 Nach wie vor beriefen die Kapitel sich in Auseinandersetzungen mit den Bischöfen auf die Kapitulationen als auf geltendes Recht. Nach wie vor gingen auch die Reichspublizisten in ihren Lehrwerken und Kommentaren von der faktischen Geltung fürstbischöflicher Wahlkapitulationen aus.194 Als 1785 im Anschluß an eine Preisfrage des Freiherrn Philipp Anton von Bibras eine öffentliche Diskussion über die Verfassung der Fürstbistümer entbrannte, spielte die Wirkung der fürstbischöflichen Wahlkapitulationen in allen Beiträgen eine zentrale Rolle.195 Bis zum Ende der Reichskirche blieb das Verhältnis von Domkapiteln und Fürstbischöfen in den Wahlkapitulationen kodifiziert. Haben die Domkapitel Leopoldina und Innocentiana also einfach ignoriert? Blieb ihre Praxis vor Ort von den Normierungsversuchen der übergeordneten Instanzen gänzlich unberührt? Auch diese neuere Forschungsmeinung hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Tatsächlich sprachen weder Kaiser noch Papst ein völliges Verbot der Wahlkapitulationen aus. Leopolds Reskript bezieht sich expressis verbis nur auf die Würzburger Wahlkapitulation, die Johann Gottfried von Guttenberg zum Streitpunkt hatte machen können. Nur sie wird aufgehoben, nur dem Würzburger Kapitel wird verboten, „circa temporalia Regalia nempe Jura Territorialia, Cameralia & Politica“ seinen Bischof einzuschränken.196 Die Rechts191

So etwa Vierhaus: Wahlkapitulationen. „Das kann heißen, alles blieb beim alten.“

(207). 192 Vgl. den ausführlichen Forschungsbericht zum Thema Wahlkapitulationen bei Christ: Selbstverständnis, S. 281–315. Dort findet sich die gesamte Literatur zu den einzelnen Fürstbistümern, ferner geht Christ an verschiedenen Beispielen auf die Wirkung von Innocentiana und Leopoldina ein. 193 Für Würzburg belegt dies Schott: Franz Ludwig von Erthal. Vgl. Horling: Anmerkungen, S. 117 f. Zu Mainz s. Stollberg-Rilinger: Wahlkapitulation, S. 382. 194 So beispielsweise J. J. Moser: „Alleine alle vorerzählte Päbstliche Verordnungen haben bißhero noch schlechte Würckung gehabt; so gar, daß mich ein gewisser geistlicher Reichs= Fürst versicherte, es seyen in ganz Teutschland nur noch drey mir benahmste Erz= und Bischöffe, welche noch einiger massen in publicis &c. freye Hände hätten, die Andere alle müßten thun, was ihre Capitul wollten: Dann will gleich ein solcher Herr seine Capitulationen anfechten, so kostet es ihn doch grosses Geld, zu Rom einen Spruch zu erhalten, und er macht seine Familie so odios, daß er sie damit gleichsam von allen Wahlen excludirt. Er comportirt sich also meistens lieber so taliter qualiter mit dem Capitul, und dieses nimmt es auch nicht so genau, weil wie weiß, wann es zur Contradiction kommt, bestehe doch das ganze Werck nicht.“ (J. J. Moser: Persönliches Staats=Recht, Bd. 1, S. 124). 195 Vgl. Wende: Geistliche Staaten, S. 20–23. 196 Leopoldina, zitiert nach: Factum et Jus Juramenti Episcopali, S. 446.

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findung beschränkt sich auf den Präzedenzfall.197 Und wenn bei den Ausführungsbestimmungen gesagt wird, künftige Wahlkapitulationen sollten so lange unwirksam bleiben, „biß ein erwählter oder postulirter Bischoff zu Würtzburg neben dem Capitulo dergleichen Capitulationes, Concordata, Beding, oder Vergleich zu Unserer Kayserl. Erkanntnuß eingeschicket, und Wir dieselbe würcklich confirmirt haben“,198 setzen die kaiserlichen Juristen ein Fortschreiben der Kapitulationen faktisch voraus. Nur gefragt wollten sie werden – was praktisch hieß: Nur als Berufungsinstanz für künftige Streitfälle brachten sie sich ins Spiel. Ähnlich realistisch erweist sich bei genauem Hinsehen die Bulle Innozenz’. Was sie verbietet, ist der Schwur auf erpreßte Versprechungen vor der Wahl. Nach der Wahl durften die Bischöfe wie bisher auf das Sonderrecht ihrer Ortskirchen vereidigt werden, sofern dessen Bestimmungen dem allgemeinen Kirchenrecht nicht entgegenstanden. Die Entscheidung darüber behielt die Kurie sich vor. Auch die päpstlichen Juristen rechneten also mit einer Fortschreibung der Wahlkapitulationen. Nur ihren Charakter suchten sie zu verändern, sich selbst als Entscheidungsinstanz von Streitfällen in Erinnerung zu rufen. Festzuhalten ist: Beide Universalgewalten behandelten die bischöflichen Wahlkapitulationen als Bestandteil einer Praxis, die nicht abgeschafft, sondern allenfalls beeinflußt werden konnte. Ob dies gelungen ist und warum die Wahlkapitulationen so unverzichtbar waren, wird im folgenden zu klären sein. Als Material für diese Untersuchung bieten die Wahlkapitulationen sich an, die von den Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn beschworen wurden. Vierzehn Fürstenthrone der Reichskirche besetzten zwischen 1642 und 1740 sechs Träger dieses Familiennamens (die fünf weiteren ihrer anders heißenden Schwesternsöhne sollen hier außer Betracht bleiben), dreizehn Wahlkapitulationen mußten sie dafür beschwören, elf sind überliefert.199 Wie ein Brennglas bringen diese Kapitulatio197 Das durfte auch nicht anders sein, war das Recht der Domkapitel, ihre Fürstbischöfe auf Wahlkapitulationen zu verpflichten, im Westfälischen Frieden doch indirekt anerkannt worden; es galt als von der Reichsverfassung garantiert: „Postulati vero seu electi in capitulationibus suis spondeant se susceptos ecclesiasticos principatus, dignitates et beneficia nequaquam haereditario iure possessuros aut id acturos, ut haereditaria fiant, sed libera sit ubique capitulo et quibus id praeterea pariter cum capitulo pro more competit tam electio et postulatio, quam sede vacante administratio et iurium episcopalium exercitium, operaque detur, ne nobiles, patricii, gradibus academicis insigniti aliaeque personae idoneae, ubi id fundationibus non adversatur, excluduntur, sed ut potius in iis conserventur.“ (Art. 5 § 17 IPO, zitiert nach: Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 30). 198 A. a. O., S. 446 f. 199 Wahleide geleistet haben Johann Philipp von Schönborn 1642 in Würzburg, 1647 in Mainz, 1663 in Worms; Lothar Franz von Schönborn 1693 in Bamberg, 1694 in Mainz (bei seiner Wahl zum Koadjutor); Johann Philipp Franz von Schönborn 1719 in Würzburg; Friedrich Karl von Schönborn 1729 in Würzburg; Damian Hugo von Schönborn 1716 in Speyer (anläßlich der Wahl zum Koadjutor), 1722 in Konstanz ebenfalls bei der Koadjutorwahl; Franz Georg von Schönborn 1729 in Trier, 1732 in Worms, 1732 in Ellwangen. Welches Unbehagen die Familie mit diesen Kumulationen weckte, läßt sich u. a. daraus ersehen, daß man ein weiteres Mitglied der Familie: Marquard Wilhelm von Schönborn, 1723 bei seiner Wahl

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nen die Verhältnisse des fränkisch-mittelrheinischen Bistumssystems (der „Schönborn-Lande“) zur Anschauung. Zeitlich umspannen sie fast ein Jahrhundert: etwa zur Hälfte vor, zur anderen nach dem Einschnitt von Innocentiana (1695) und Leopoldina (1698) gelegen – schon deshalb eignen sie sich hervorragend, um deren Wirkung zu untersuchen.200 Mindestens drei dieser Kapitulationen gelten zudem als Höhe- und das heißt auch alsWendepunkte der Kapitulationsentwicklung im jeweiligen Stift.201 Es ist in der Forschung umstritten, ob man für die Fürstbistümer des Reichs von absolutistischer Herrschaft sprechen kann.202 Unbestritten ist aber, daß die Fürstbischöfe der Zeit nach dem Westfälischen Frieden mit absolutistischen Ideen aufwuchsen; daß sie in ihrer Ausbildung absolutistische Denker kennenlernten; daß sie im Krieg und auf Friedenskongressen, bei Hofe und im Streit mit den Behörden absolutistische Herrschaftssteigerung am eigenen Leibe erfuhren; daß sie an Ort und Stelle ein Bild absolutistischer Herrschaft gewannen – Versailles gehörte wie Wien zum Pflichtprogramm aller Kavalierstouren. Unbestritten ist auch, daß dieser Erfahrungshintergrund die eigenen Regierungsvorhaben und den eigenen Regierungsstil beeinflußten: Als Reaktion auf fürstbischöfliche Bemühungen zur Herrzum Domprobst in Bamberg gegen alles Herkommen ebenfalls eine Wahlkapitulation beschwören ließ. Ob die „Contestatio“, die Friedrich Karl 1706 bei seiner Wahl zum Koadjutor in Bamberg beschwor, als Wahlkapitulation gewertet werden kann, ist umstritten. Friedrich Karl selbst hat dies stets verneint: Er nahm für sich in Anspruch, in Bamberg durch keine Wahlkapitulation gebunden zu sein. Das Domkapitel sah dies anders. Da es sich in jedem Fall um einen Eid im Zusammenhang mit einer Wahl handelt, wird diese Contestatio in die folgende Betrachtung miteinbezogen. Vgl. die Rechts=gegründete [ . . . ] Prüffung, S. 613 f.; Wittmann: Wahlkapitulationen, S. 347; Weigel: Wahlkapitulationen, S. 123–127. Daß Johann Philipp und Franz Georg in Worms Bischofseide geleistet haben, ist durch die Wormser Domkapitelprotokolle belegt (Sofsky: Lage, S. 38, Anm. 260; Duchhardt: Wien, S. 249, Anm. 62). Doch scheinen diese Kapitulationen von 1663 und 1732 durch die Zersplitterung der Wormser Archivbestände verlorengegangen zu sein; in der einschlägigen Literatur werden sie nicht zitiert (vgl. Sofsky: Lage, S. 28; Warmbrunn: Bistum, S. 207 und 210; Ammerich: Jahrhundert, S. 235; Ochs: Schlüssel). Für den Vorgänger Johann Philipps, Hugo Eberhard Cratz von Scharffenstein, Bischof von Worms (1654 / 62–1663) hat sich im Domund Diözesanarchiv Mainz eine Kopie der Wahlkapitulation erhalten (Warmbrunn: Bistum, S. 208, Anm. 12). 200 Etwa durch den Vergleich der Wahlkapitulationen in Würzburg 1642, 1719 und 1729 sowie in Bamberg 1693 und 1706. 201 „Der Höhepunkt der Kapitulationswerke lag in den meisten Bistümern zu Ende des 17. Jahrhunderts; in Mainz war es das Wahlgedinge Johann Philipps von Schoenborn (1647), [ . . . ], in Bamberg das des Lothar Franz von Schoenborn (1693).“ (Feine: Besetzung, S. 342). „Der Rückschlag [gegen die Kapitulationen in Würzburg, J.S.] begann schon unter Johann Philipp I. von Schönborn [ . . . ].“ (Abert: Wahlkapitulationen, S. 94). 202 In den Handbüchern geschieht dies ganz unbefangen (z. B. Willoweit: Staatsorganisation, S. 67, 68 u. ö.; Schott: Fürstlicher Absolutismus), bei eingehenderer Reflexion wird der Versuch zumeist verworfen. Das ist der Grund, warum die zweite Hälfte des 17. und die erste des 18. Jahrhunderts bezogen auf die Fürstbistümer oft als Zeitalter des Barock bezeichnet werden statt als Zeitalter des Absolutismus. 7 Süßmann

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schaftsverdichtung werden die bischöflichen Wahlkapitulationen des ausgehenden 17. Jahrhunderts von der Forschung gedeutet.203 Um den fürstbischöflichen Versuchen zu steuen, die eigenen Machtmittel zusammenzufassen und zu steigern, hätten die Domkapitel immer umfangreichere, detailliertere, engmaschigere, rigidere Wahlkapitulationen verfaßt, hätten sie ihren eigenen, korporativen Herrschaftsanspruch gegen den hierarchischen der Fürstbischöfe fortentwickelt und entfaltet. Gravierend hat der alte Strukturkonflikt zwischen Bischofsregierung und korporativer Stiftsherrschaft der Domkapitel sich durch die Anschauung absolutistischer Regierungspraktiken verschärft. Ausgetragen wurde er um 1700 im Streit um die bischöflichen Wahlkapitulationen; nicht zuletzt die Schönborn haben ihn geführt. Kaum ein Schönborn-Fürstbischof vermochte die Auseinandersetzung mit seinem Domkapitel zu vermeiden, immer wieder liefen diese Auseinandersetzungen auf einen Kampf um die Wahlkapitulationen hinaus. Johann Philipp gelang es 1651 / 52 in Würzburg, 1662 in Mainz noch, sich mit den Domkapiteln zu vergleichen und Revisionen seiner Wahlkapitulationen von 1642 und 1647 auszuhandeln,204 der Streit Damian Hugos mit dem Domkapitel in Speyer eskalierte hingegen, derjenige Friedrich Karls mit dem Domkapitel in Bamberg führte zu jahrelangen, erbitterten Prozessen um die Wahlkapitulationen vor Kurie und Reichshofrat.205 Wirkungslos waren die Wahlkapitulationen also auch im 18. Jahrhundert 203 „Den unbestrittenen Höhepunkt in der Ausbildung des Kapitulationswesens stellt die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts dar, hier gehen in auffälliger Weise die gesteigerten Herrschafts- und Repräsentationsansprüche von Domkapiteln und Fürstbischöfen parallel.“ (Christ: Selbstverständnis, S. 286). 204 Beide Verträge sollten als „Statuta perpetua“ in den Kapitelstatuten verankert und zum festen Bestandteil künftiger Wahlkapitulationen werden, doch hat das Würzburger Kapitel den seinigen nach dem Tod Johann Philipps 1673 nicht weiter beachtet (vgl. Abert: Wahlkapitulationen, S. 97 f.; Mentz: Johann Philipp, Bd. 2, S. 159). Gedruckt ist das Würzburger Statut in: Factum et Jus Juramenti Episcopi, S. 185–191 (vgl. oben Fußnote 186). Das Original, eine gesiegelte Pergamenturkunde, befindet sich im ByStAWü (WüU-Libell 455, fol. 1–4), ebenso diverse Abschriften (WüU-Libell 455, fol. 5–16; WK Geistl. Sachen 59 / 1187, fol. 1–8; Standbuch Nr. 9, fol. 130–134). Dem Mainzer Statut war größere Wirkung beschieden, da es zum ersten Mal bei einer Koadjutor-Wahl zum Einsatz gelangte, die 1670 noch unter den Augen Johann Philipps vollzogen wurde und zu einer Neufassung der Mainzer Wahlkapitulation führte (vgl. Stimming: Wahlkapitulationen, S. 73–75; Liebeherr: Mainzer Domkapitel, S. 382; Mentz: Johann Philipp, Bd. 2, S. 162). Überliefert ist es als Abschrift im ByStAWü (MIB, Bd. 87, fol. 299–301). 205 Mauelshagen: Damian Hugo, S. 188–190; Wittmann: Wahl-Capitulationen, S. 347– 354; Weigel: Wahlkapitulationen, S. 125–127; Looshorn: Geschichte, Bd. 7 / 1, S. 159 ff.; Wild: Staat und Wirtschaft, S. 24–30. Vor allem Friedrich Karl von Schönborn folgte dem Vorbild Johann Gottfrieds von Guttenberg und wandte sich in diesem Streit auch an die Öffentlichkeit. Dieser Strategie sind über dreißig Flugschriften zu verdanken, ferner mehrere, umfangreiche Aktenpublikationen, allen voran 1745 die: Rechts=gegründete [ . . . ] Prüffung. Sie handelt im zweiten Teil (S. 553–736) „Von der Bischöfflichen Wahl=Capitulationen gründlichen Ursprung, Wachsthum, und denen, nach Erheischung der Umständen und Bösfolgerigkeit, darauf erfolgten so wohl Päpst= als Kayserlichen Verordnungen, wobey die wahre Beschaffenheit, oder vielmehr Ohngrund, der von Einem Bambergischen Dhom=Capitul leer gerühmten

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keineswegs, folgenlos darüber hinwegsetzen konnten sich offenbar nicht einmal die kraftvollsten Fürstbischöfe. Schon dies ist ein wichtiger Befund über die Geltung. Von beiden Seiten wurden die Wahlkapitulationen ernst genommen, jeder Verstoß dagegen konnte nervenaufreibende, teure Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen, deren Ausgang keineswegs absehbar war. Die Methode der folgenden Quellenanalyse ist der Vergleich. Verglichen werden sollen zum einen bischöfliche Wahlkapitulationen aus acht verschiedenen Stiften, zum anderen die Kapitulationen aus der Zeit vor Innocentiana und Leopoldina mit denen danach. Gefragt wird nach dem Status dieser Texte, nach ihrem Charakter zwischen Amtseid, Wahlversprechen, Regierungsvertrag und Verfassungsurkunde; das Ziel besteht darin, die Herrschaftsverhältnisse sichtbar zu machen, die diese Zeugnisse hervorgebracht haben. Vernachlässigt werden müssen daher viele Einzelbestimmungen und konkreten Inhalte, zahllose lokale Besonderheiten bleiben außer Betracht. Um den Vergleich methodisch zu kontrollieren, wird zunächst stets nur eine Kapitulation analysiert, der gewonnene Befund dann mit den übrigen verglichen. Aus pragmatischen Gründen wird dabei (wenn keine anderen Gründe dagegen sprechen) von der frühesten Quelle im Korpus ausgegangen, also von der Würzburger Wahlkapitulation Johann Philipps von Schönborn aus dem Jahr 1642. Verglichen werden die Titel bzw. Bezeichnung der Texte; ihre Einteilung oder Gliederung; ihr Umfang und das jeweilige Gewicht der verschiedenen Textteile; die wichtigsten Themenkreise; schließlich die Textpragmatik, die sich aus diesen Befunden ergibt und die Funktion der Texte in dem Handlungszusammenhang, dem sie entstammen. Titel: Keine der hier betrachteten Wahlkpapitulationen enthält einen Titel als integralen Bestandteil des Texts. In allen hebt der Text unvermittelt, ohne voranstehenden Titel an. Allerdings finden sich auf vielen Textzeugen Vermerke, um die Texte rasch identifizieren zu können. Aus dem gleichen Grund wurden bei Abschriften in Kopialbüchern in der Regel erläuternde Überschriften hinzugefügt. Nicht um offizielle Titel handelt es sich dabei also, sondern um Bezeichnungen der Schreiber und Archivare, um Erläuterungen, Interpretationen. Sie verraten etwas über den Sprachgebrauch in den jeweiligen Kapiteln, über die Sicht wenn schon nicht der Verfasser, so doch der Schreiber und Bewahrer auf diese Texte. Sie sind aufschlußreich als Zuschreibungen, werden aber an den Texten selbst überprüft werden müssen. sonderbaren Rechten, mit Geschichtmäßiger Beleuchtung der allmählig= und Rechtswidrig fortgesetzten eigen=nützigen und höchst=schädlichen Wahl=Capitulationen, aus ohntrüglichen Rechts= und That=Grühnden veroffenbaret wird“. Da beide Parteien sich in diesem Streit auf die Bamberger Wahlkapitulation Lothar Franz’ von Schönborn aus dem Jahr 1693 beriefen: das Domkapitel zum Nachweis seines Gewohnheitsrechts, Friedrich Karl als Beleg für die Unrechtmäßigkeit dieses Rechts, wurde auch diese im Druck veröffentlicht (mit juristischem Kommentar in: Rechts=gegründete [ . . . ] Prüffung, S. 616–726, ferner separat, ohne Titel- oder Vorsatzblatt, in der deutschen Originalfassung wie auch in lateinischer Übersetzung (Textzeugen z. B. im ByStABa: A 311, Nr. 96 und in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sign.: 2 Bavar. 1607 o). 7*

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Als „Juramentum Ioannis Philippi â Schönborn Episcopi Herbipolensis“ ist die Würzburger Kapitulation von 1642 in einer Abschrift überschrieben:206 als ‘Eid des Würzburger Bischofs Johann Philipp von Schönborn’, als ‘Schwur’. Das Kopialbuch, das die Abschrift enthält, trägt den Titel: „Series Juramentorum Episcopalium [ . . . ]“; auch hier lautet die Bezeichnung also ‘bischöfliche Eide’. Präziser ist der Vermerk auf einer zweiten Abschrift. Als „Forma Iuramenti praestiti Episcopi Ioannis Philippi à Schönborn Anno 1642“ wird der Text dort bezeichnet: als ‘Formel des festgelegten Eids des Bischofs Johann Philipp [ . . . ]’.207 Der Protokollführer des Würzburger Domkapitels unterscheidet somit zwischen der Eidesleistung als Handlung und der Eidesformel als Text. Aus der Erläuterung geht hervor, daß die Eidesformel vor der Handlung von Fall zu Fall neu festgelegt wird. Als veränderliche, dynamische, von Fall zu Fall neu formulierte Eidesformel stellt der Text sich nach dieser Bezeichnung dar. Das macht verständlich, warum ihm ein integraler Titel fehlt. Eidesformeln dienen unmittelbaren Sprechakten. Sie stehen für sich selbst, kommentieren und erläutern sich nicht noch einmal durch einen Vorsatz oder Titel. Anders lautet die Bezeichnung von Johann Philipps Mainzer Wahlkapitulation von 1647.208 Sie wird auf der Umschlagseite einer Urkunde als „Pacta Eminentissimi domini dn˜i Ioannis Philippi Archiepiscopi Moguntini [ . . . ]“ gekennzeichnet, als ‘Vereinbarungen’ oder ‘Verträge’. Die Pluralform ist wohl dem Umfang dieser ausführlichsten aller Mainzer Wahlkapitulationen geschuldet. Auch deutet sie dar206 Die Kapitulation ist überliefert in zwei Originalausfertigungen, zwei Abschriften und einem Konzept. Bei den Originalausfertigungen (im folgenden mit A und B bezeichnet) handelt es sich um Urkunden: auf Pergament geschrieben, unterschrieben und besiegelt (A: ByStAWü WüU-Lib 454, fol. 1–23; B: SAW Hausarchiv I. Kap. VII, Nr. 3 – dieser Textzeuge ist allerdings in Verlust). Die Abschriften (im folgenden aa und ab genannt) stehen in einem fadengehefteten Libell aus Papier (aa: ByStAWü WüU-Lib 454, S. 24–46) und in einem Kopialbuch des Würzburger Domkapitels mit dem Titel: „Series Iuramentorum Episcopalium; Tomus Secundus“ (ByStAWü Würzburger Standbuch, Nr. 41, fol. 19–41). Das Konzept (im folgenden bezeichnet mit k) ist als fadengeheftetes Libell aus Papier überliefert (ByStAWü Historischer Saal VII, [fasc. 24] Nr. 355). Vgl. Abert: Wahlkapitulationen, S. 97, Anm. 2. Der oben zitierte Titel steht über der Abschrift ab. ab ist offensichtlich direkt von A abgeschrieben, es folgt der Urkunde auch in deren fehlenden Zeilenumbrüchen. Dagegen ist aa in dieser Hinsicht und auch bei Sinndifferenzen unabhängiger. Da aa und die Ergänzungen in k von demselben Schreiber stammen, der in dieser Zeit auch die Domkapitelsprotokolle führte, muß dieser Schreiber über Zustandekommen und Absichten der einzelnen Bestimmungen genau informiert sein – besser als die Schreiber von A und ab, die wohl nur aus der Kanzlei kamen. Wahrscheinlich erfolgten die Vorverhandlungen im Domkapitel auf der Grundlage von k und führten zu den darin vorgenommenen Ergänzungen. Am Schluß der Verhandlungen schrieb der Protokollführer die neue Version der Kapitulation ins reine; so dürfte aa entstanden sein. Aber auch A muß nach der Vorlage von k ausgestellt worden sein, da ein Fehler des Schreibers von aa in den §§ 65–66 in A nicht auftaucht. A und aa sind also parallele Abschriften von k, wobei der Schreiber von aa den besseren, verständnisvolleren Text bietet. 207 So in aa, fol. 24. 208 Der Text ist überliefert auf zwei unterschriebenen und gesiegelten Pergamenturkunden (A: ByStAWü Mainzer Domkapitel U-Lib 24, fol. 1–22; B: SAW Hausarchiv I. Kap. VII, Nr. 4, fol. 15–34).

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auf hin, daß es sich um sehr verschiedenartige Gegenstände handelt, über die hier Vereinbarungen getroffen wurden. Auf jeden Fall ist die Wahlkapitulation nicht als Bischofseid aufgefaßt, sondern als Vertrag des Erzbischofs mit dem Domkapitel. Allerdings wird dabei nur der Erzbischof als Vertragspartner benannt. Das könnte an der Überlieferung liegen: Da es sich um die Urkunde handelt, die vom Domkapitel aufbewahrt wurde, verstand dessen eigene Vertragspartnerschaft sich von selbst. Es könnte aber auch darauf hindeuten, daß der Vertrag einseitig nur den Erzbischof verpflichtete. Auch dann wäre es logisch, den Vertrag nach ihm zu benennen. Eine dritte Bezeichnung begegnet in Bamberg 1693 bei der Bischofswahl des Lothar Franz von Schönborn. Hier ist der Buchrücken einer der beiden Originalausfertigungen beschriftet mit: „Capitulatio D. Lotharÿ Francisci elect. epis. Bamb.“; auf einer Art Titelblatt dieser Ausfertigung heißt sie „Capitulatio Sive Juramentum Episcopale D. Lotharÿ Francisci electi Episcopi Bambergensis“.209 Der Ausdruck „Capitulatio“ kommt von der gleichen Wurzel wie „Kapitel“. Sie bezeichnet das Einteilen in ‘Häupter’ oder ‘Hauptstücke’ – deshalb ist der Begriff zum einen auf diejenigen Schriftstücke übergegangen, die typischerweise in solche Hauptstücke oder Artikel eingeteilt sind: auf Verordnungen, Vereinbarungen, Verträge,210 zum anderen auf die Klerikergemeinschaften, die sich um solche Schriftstücke gruppieren und durch das kapitelweise Verlesen ihrer Satzung im Kapitelsaal konstituieren.211 Auch der heute vorwaltende Nebensinn: eine Festung (und / 209 Die Überlieferung besteht aus sieben Textzeugen. Die beiden eigenhändig unterschriebenen und besiegelten Originalausfertigungen (A und B) nehmen hier Buchform an. Sie sind auf Papier geschrieben, fadengeheftet, in Pappdeckel gebunden, außen mit Pergament überzogen, mit zwei Verschlußbändern ausgestattet (A: ByStABa A 25, Lade 31, Nr. 72; B: ByStABa B 84, Nr. 23). Ähnlich sieht die Abschrift aus, nur daß hier als Überzug für den Pappeinband ein Pergamentblatt aus einem alten Missale gewählt wurde; auch fehlen Unterschriften und Siegel (a: ByStABa B 84, Nr. 23). Von den drei Drucken: den beiden deutschen (ddk und dds) sowie der lateinischen (dl), die vierzig Jahre später, im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Friedrich Karl von Schönborn und dem Domkapitel von Bamberg entstanden sein dürften, war bereits die Rede (oben Fußnote 205). Ein Kuriosum stellt eine Art Regest von dieser Wahlkapitulation dar (ByStABa B 84, Nr. 23): ein Heft im Oktavformat, fadengeheftet mit dem Titel: „Compendium Vber des hochwürdigsten, des Heÿl: Römischen Reichs Fürsten und Herrns H. Lotharÿ Francisci bischoffens zu bamberg wahl Capitulation. de dato den i6t: Novemb. i693. Sambt beÿgesetzten Indice, Zusamben getragen von Johann Fridrich Rosenzweig. Juris studioso. den i7t: August: i720“. Die Durchstreichung in Bleistift stammt offenbar von späterer Hand. Tatsächlich enthält das Heft kein Register, wohl aber einen Index insofern, als die fortlaufend zusammengefaßte Kapitulation in alphabetisch gekennzeichnete Abschnitte unterteilt ist. 210 „Capitulatio, nennet man gemeiniglich die Verfassung einiger Artickel, über welche man sich in einer freyen Handlung vergleichet; in welchem Verstande auch bey denen Jtaliänern das Wort capitulare und bey denen Frantzosen capituler gebraucht wird. Jn noch weitläufftigerm Verstande aber heisset Capitulatio ein Zusammenhang unterschiedlicher Capitel. [ . . . ] Jnsonderheit aber nennen wir eine Capitulation denjenigen Vertrag, vermöge dessen ein neu erwählter Römischer Kayser oder König vor der Crönung die von denen Churfürsten ihme vorgelegten und zur Wohlfarth des Reichs abzielende Puncte annimmt, und dieselben zu halten eidlich verspricht.“ (Zedler: Universal Lexikon, Bd. 5, Sp. 670). 211 S. o. S. 44, Anm. 53.

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oder sich selbst) an einen militärischen Gegner übergeben, leitet sich von dem Vertrag ab, der vor der Übergabe zwischen den Parteien geschlossen wurde.212 Eine Kapitulation kann also durchaus auch ein erzwungener, erpreßter Vertrag sein. Die Assoziation mit dem Eid liegt nahe, wurden doch gerade heikle Verträge (und dazu gehörten die erzwungenen natürlich in erster Linie) vielfach durch Eide abgesichert. Insofern kann die Bezeichnung einer Wahlkapitulation durch die Formel „Capitulatio Sive Juramentum“ als prägnante Erläuterung dieses Verfahrens gelten. Beide Ausdrücke gehörten für die Zeitgenossen offenbar zusammen, ergänzten einander; bei jedem der beiden Ausdrücke wurde der andere mitgedacht. Ferner wird damit klar, warum anstelle von „Capitulatio“ auch von „Pacta“ die Rede sein konnte: Es handelt sich tatsächlich um Synonyme.213 Eng also hängen die Ausdrücke „Pacta“, „Capitulatio“ und „Juramentum“ semantisch und sachlogisch zusammen – das erklärt, warum sie alle für die gleiche Sache verwendet werden konnten. Gleichwohl lassen sich in diesen Bezeichnungen zwei verschiedene Betrachtungsweisen erkennen, die nicht vorschnell zu einer Definition zusammengezogen werden sollten. Es sind die gleichen beiden Ansätze, die bereits bei der Wahrnehmung der Wahlkapitulationen durch Papst und Kaiser begegnet sind. Als Formeln für Bischofseide auf der einen, als erzwungene, einseitige, deshalb aber keineswegs für ungültig angesehene, von Wahl zu Wahl fortgeschriebene Verträge auf der anderen Seite stellen die bischöflichen Wahlkapitulationen sich in ihren wechselnden Bezeichnungen dar. Beide Ansätze schließen einander nicht aus: Gerade erzwungene Verträge mußten durch Eide abgesichert werden, auch bischöfliche Amtseide konnten vertragsähnliche Verpflichtungen enthalten. Die entscheidende Frage ist aber, ob der Eid sich in der Sicherungsfunktion für den Vertragsteil erschöpft oder ob er einen Eigenwert hat und damit einen, über den Vertrag hinausreichenden, sozialen Sinn. Wir werden diese Frage erst aufgrund weiterer Anhaltspunkte beantworten können. Nach dem Eingreifen von Papst und Kaiser ändert sich der Sprachgebrauch. Die Wahlkapitulation, die Lothar Franz von Schönborn 1694 in Mainz vorgelegt wurde, unter unmittelbarem Eindruck des Prozesses um die Würzburger Wahlkapitulationen, trägt keine Bezeichnung.214 Als dieser zwölf Jahre später in Bamberg 212 „Capituler, Capituliren, heisset bey denen Soldaten, wenn sie sich auf eine gewisse Zeit, und unter gewissen Bedingungen bey einer Compagnie verbündlich machen. Jn einer Vestung oder andern Platze aber, heisset es so viel als accordiren, und auf gewisse Bedingung, wegen der Uebergabe, sich mit dem angreiffenden Theile vergleichen.“ (Zedler: Universal Lexikon, Bd. 5, Sp. 673). 213 „Die Capitulation wird auch sonst genennet: Kayserliche Wahl=Capitulation; Franckfurtische geschworne Pacta; Franckfurtische Obligation; Franckfurtischer Contract; Regenspurgische Obligation; Regenspurgischer Contract; Regenspurgische Pacta; die Capitel, so Kayserl. Majt. In ihrer Wählung zu der Römischen Crone gnädiglich verwilliget hat; Kayserliche Artickels=Brieffe; Kayserliche Verpflichtung; Kayserliche Obligation; Kayserliche Zusagung; Kayserlicher Wahl=Brief; Kayserliche Wahl=Artickel.“ (Zedler: Universal Lexikon, Bd. 5, Sp. 670).

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mit wohlorganisiertem päpstlichen und kaiserlichen Rückhalt seinen Neffen Friedrich Karl zum Koadjutor wählen ließ, vermochte er, eine Wahlkapitulation in den bisherigen Formen zu verhindern. Auch Friedrich Karl mußte nach seiner Wahl ein Versprechen ablegen.215 Doch wurde dies jetzt „Contestatio“ genannt – nach der Aussage, die ein Zeuge („testis“) unter Eid macht bzw. nach der feierlichen Verfügung, die man vor Zeugen trifft. Bewahrt wurde damit die verbindliche Aussage, verzichtet oder verdeckt hingegen wird der Vertrag – eine Linie, die durchaus dem Sinn der Innocentiana entspricht. In Würzburg hingegen wurden Friedrich Karl 1729 wie schon 1719 seinem Bruder Johann Philipp Franz216 sogenannte „Monita“ vorgelegt.217 Mit diesem Ausdruck bezeichnete man in der Rechtssprache der Zeit ‘Erinnerungen’ oder ‘Mahnungen’, also Anträge, Petitionen, Beschwerden, die man bei den Obrigkeiten und Behörden einreichte. Der Begriff betont die Hierarchie zwischen Fürstbischof und Domkapitel, und er suggeriert einen Ermessensspielraum des ersteren. Gleichwohl klingt dabei auch eine Verpflichtung an: Wie jede Obrigkeit hat der Fürstbischof einen offiziellen Vorgang zu beachten und zu bearbeiten. An die Stelle eines förmlichen Vertrags tritt ein Appell an die Amtspflicht. Deutlich zeigt dies die Defensive an, in die das Würzburger Domkapitel durch die Innocentiana geraten war. Seine Bischofswahlen standen unter verschärfter päpstlicher Beobachtung. Nur von daher ist auch der Anfang des Konzepts zu den „Monita“ von 1719 zu verstehen – eine Passage, die zum festen Bestandteil aller Würzburger Wahlkapitulationen des 18. Jahrhunderts geworden ist.218 In dieser Unbedenklichkeitserklä214 Sie ist nur durch einen einzigen Textzeugen überliefert: als Urkunde, auf Pergament, unterschrieben und besiegelt (ByStAWü Mainzer Domkapitel U-Lib 29). 215 S. oben, S. 96, Anm. 199. Der Text dieser Contestatio scheint nur in den Rezeßbüchern des Bamberger Domkapitels überliefert zu sein (ByStABa B 86, Nr. 52, fol. 79v); teilweise gedruckt bei Weigel: Wahlkapitulationen, S. 124, Anm. 4. 216 Die Monita von 1719 sind nur in einer Reinschrift (A) und in einem Konzept (k) überliefert. Die Reinschrift besteht aus sechzehn einfach gefalteten, ineinandergelegten, mit rotweißer Kordel gehefteten Papierbögen ohne Einband und ohne jeden weiteren Schmuck (ByStAWü WU-Lib 462). Sie ist weder unterschrieben noch besiegelt und könnte daher als bloße Abschrift gelten, trüge sie auf der Rückseite nicht den Vermerk: „dieses ist das exemplar, so in acti [sic] electionis Vorkommt“. Das Konzept besteht aus drei fadengehefteten Papierlibellen (ByStAWü Geistl. Sachen 1189). 217 Die Monita von 1729 sind überliefert in einer Ausfertigung (A) und zwei Abschriften (a und b). Bei der Ausfertigung handelt es sich um ein Libell, bestehend aus fünf Lagen einfach gefalteter Papierbögen, mit farbloser Kordel geheftet, in einen Schmuckkarton aus Pappe eingebunden, mit eigenhändiger Unterschrift von Friedrich Karl (fol. 34), ohne Siegel oder Petschaft (ByStAWü WU-Lib 464). Die beiden Abschriften sind nicht unterschrieben – auch nicht a, die auf der Vorderseite den Vermerk „ad DomCapitul“ trägt, durch den sie als das offizielle Domkapitelsexemplar identifiziert werden kann. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um ein Libell mit Fadenheftung, aber ohne Einband, nur mit überklebtem Rücken (ByStAWü HV MS f. 907). Die Abschrift b steht ebenfalls in einem fadengehefteten Libell, allerdings ohne jeden Schmuck (ByStAWü Geistliche Sachen 2257). 218 „Vorstellungen, welche zum Heÿl, Trost nutzen, undt Ufnahmb des Hohen Stifts Würzburg, undt des lieben Vatterlants, auch zu beÿhaltung beständtiger harmonie zwischen Haubt

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rung, die das Domkapitel seiner neuen Form der Wahlkapitulation ausstellt, wird mit dem Ausdruck „Vorstellungen“ eine gute Übersetzung von „Monita“ gegeben, mit der Aussage, der künftige Regent möge sie sich „zur glückhl. rühig= undt rühmblicher Regirung zu gemüth“ führen, auch der Umgang damit beschrieben. Auffällt dabei die nur wenig verhüllte Drohung in der Wendung, diese „Vorstellungen“ dienten einer glücklichen und ruhigen Regierung: Das Domkapitel, heißt das, mag derzeit nicht in der Lage sein, dem Fürstbischof einen förmlichen Vertrag über seine Regierung abzupressen – sie in eine unruhige und unglückliche zu verwandeln, sollte er die „Monita“ nicht beachten, vermag es allemal. Einem ähnlichen Muster folgten die neuen Bezeichnungen auch andernorts: Die bischöflichen Wahlkapitulationen wurden niedriger gehängt. Nicht mehr als formelle Verträge zeichnete man sie aus, wohl aber machte man deutlich, daß ihnen faktisch die gleiche Verbindlichkeit zukommen sollte wie bisher. Offenbar waren die Domkapitel auf einen rechtsförmigen Vertrag gar nicht angewiesen (auch wenn es natürlich schön war, einen solchen zu haben). Offenbar genügte die praktische Abhängigkeit voneinander, um den „Vorstellungen“ der Domkapitel Gewicht zu verleihen. Dafür spricht auch, daß man nach einer gewissen Schamfrist im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu den alten Bezeichnungen zurückkehrte: In den Handbüchern der Reichspublizisten und den Traktaten über die Verfassung der Fürstbistümer ist wie selbstverständlich von „Wahlkapitulationen“ die Rede. Man wird sehen, ob die folgenden Untersuchungen dieses einstweilen noch hypothetische Ergebnis bekräftigen. Gliederung: „In dem Namen der Heiligen vntheiligen Dreifaltigkeit, des Vatters, des Sohns, vndt des Heiligen Geists, Amen“ – so hebt die Würzburger Kapitulation Johann Philipps von Schönborn von 1642 an.219 Natürlich war das eine Konvention. Seit den frühesten Zeugnissen aus dem Hochmittelalter wurden alle Wahlkapitulationen mit einer solchen Invocatio eröffnet; man brauchte sich keineswegs etwas zu denken dabei. Doch auch Stereotypen haben Bedeutung. Wahrscheinlich wirken sie umso stärker, je unbewußter sie sind. Denn dann verdammen sie dazu, blind den Bahnen zu folgen, die sie vorgeben. Bewußt gehandhabt, eröffnen sie immerhin die Möglichkeit, durch eigene Akzentsetzung die Konvention an die jeweilige Situation anzupassen und zu differenzieren. Gerade vermeintliche Selbstverständlichkeiten bedürfen daher der besonderen Aufmerksamkeit der Historiker. Vndt Glidern ohnpartheÿlich= undt trewmeinendt Vf reiffe durch widerholte besondtere Deputation vorgangene berathschlagung zusammengetragen undt Von Einem Künftigen gdgsten Herrn Vndt Regenten, zur glückhl. rühig= undt rühmblicher Regirung zu gemüth genommen werdten mögen. Salva auctoritate Apostolica et Cæsareâ, dero Sie auch zu beliebiger confirmation Vorgelegt, undt Vmbso mehr Vndterworffen werdten Können, als solche zuförderist denen so geist= als weltlichen rechten ohne diß gemäs, so dan in dem löbl. undt Vhraltem HerKommen obged: Stifts begründet, auch Zu Rom Vor einer darzu Verordtneten Congregation in Substantialibus meisten theils Vor genehmb gehalten wordten, gleich wie folgt [ . . . ].“ (ByStAWü Geistl. Sachen 1189 [fol. 1]). 219 ByStAWü WüU-Lib 454, fol. 2.

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Bis heute dient eine solche Invocatio als klassische Eröffnungsformel. Mit ihr beginnt man Gebete, Gottesdienste, Sakralhandlungen aller Art. Denn sie zeigt an, daß die folgende Handlung „im Namen“ des dreifaltigen Gottes erfolgt: um seinetwillen; in seinem Beisein; auf seine Veranlassung. „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18, 20; vgl. Mt 23, 39). Die Aufzählung von Gottes Namen hebt die Handlung nicht nur prinzipiell aus allen Alltagsgeschäften heraus, sie markiert einen Handlungsraum, in dem Gott mitanwesend ist. Der dreifaltige Gott wird zum Zeugen, zum Adressaten, wenn nicht zum Veranlasser der folgenden Handlung erklärt.220 Vor Gott also wird die Würzburger Wahlkapitulation von 1642 geschlossen, als sakraler Akt in seinem Beisein und mit der Bitte um seinen Segen vollzogen. Welche Rechtsgeschäfte sie auch immer umfaßt, ausdrücklich erfolgen sie „im Namen“ Gottes und müssen daher vor ihm Bestand haben können. Die Sakralisierung durch die Eröffnungsformel setzt voraus, daß sie im Sinne Gottes und im Einklang mit seiner Weltordnung sind. Auffälligerweise werden in dieser Invocatio die Namen Gottes nicht direkt aufgezählt; vielmehr stellt man ihnen den abstrakten Begriff voran: „der Heiligen vntheiligen Dreifaltigkeit“. Das macht explizit, was die Aufzählung nur mittelbar ausdrückt: daß der eine Gott sich unter drei verschiedenen Namen offenbart.221 Gleich in der Eröffnungsformel wird also das Thema der Einheit in der Vielheit angeschlagen: Wie der Gott des nicäischen Bekenntnisses stets der eine bleibt, auch wenn er sich in drei verschiedenen Gestalten offenbart, wird, so läßt sich folgern, auch die kirchliche Regierung, die durch die folgende Kapitulation erläutert wird, als eine ungeteilte aufgefaßt, mag sie noch so vielfach zwischen Bischof und Domkapitel geteilt erscheinen. Das theologische Mysterium der Dreifaltigkeit wird betont, so kann man vermuten, weil es als Gedankenfigur die politische Ordnung des Fürstbistums erläutert. Die Invocatio macht die Wahlkapitulation nicht nur zu einer sakralen Handlung, sie liefert auch das Interpretationsmodell dafür. Im Kern theologisch wäre die Hochstiftsverfassung folglich zu verstehen, als eine „Heilig[e] vntheilig[e]“, wie die Attributierung lautet.222 220 Jesus kommt „im Namen“ (Mk 11, 9 f.; Joh 5, 43), d. h. ‘im Auftrag’ des Herrn (Joh 10, 25), er handelt stellvertretend für ihn. Wörtlich wiederholt die gewöhnliche sakrale Eröffnung die neutestamentliche Taufformel (Mt 28, 19) – auch sie, je nach Interpretation, eine Übereignung an Gott; eine Aufnahme in die Gemeinschaft derer, die sich zu ihm bekennen; eine Verpflichtung auf seinen Willen. 221 Wie Friedrich Spee zehn Jahre zuvor dichtete: „Der Vatter, Sohn vnd Heilig Geist / Jst eines nur zusamen, / doch drei mans ie verscheyden heist / Mitt eygenschafft, und Namen. / Selbstendig seind Personen drey, / Sols niemand nit verneinen: / Daß diese Drey doch Eines sey / Mitt Schrifft mans kann bescheinen.“ (Spee: Trutz-Nachtigall, S. 141). 222 Das Adjektiv „vntheilig“ leitet sich durch Verkürzung und Angleichung an das vorausgehende „heilig“ von dem Partizip „vn[ge]theilt“ ab, die lateinische Formel lautet: „In Nomine sanctæ et indiuiduæ Trinitatis“. Erstmals erscheint sie in der zweiten Würzburger Wahlkapitulation des Bischofs Johannes von Brun aus dem Jahr 1431 (ByStAWü Standbuch Nr. 13, fol. 9), ferner in den verschiedenen Fassungen der Würzburger Wahlkapitulation Gottfrieds IV., Schenken von Limburg aus den Jahren 1444–46, deren deutsche Übersetzungen

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In Urkunden – und als solche ist die Kapitulation von 1642 ausgefertigt – bleibt die Invocatio seit dem Spätmittelalter besonders herausgehobenen Typen vorbehalten.223 Während die Masse der profanen, privatrechlichen Geschäftsurkunden auf sie verzichtet, zeigt sie in päpstlichen, königlichen, fürstlichen Diplomen an, daß deren Rechtsfeststellung nach wie vor als sakrale Handlung aufgefaßt wird. Ohne göttlichen Beistand ist das öffentliche Recht bis weit in die Frühe Neuzeit nicht festzulegen. Zugleich pflegt die Invocatio in Urkunden ein verbreitetes, durch und durch konventionalisiertes Gliederungsschema zu eröffnen, wie es als erster Theodor Sickel durch den Vergleich vieler Urkunden untereinander und mit zeigenössischen Briefstellern, Formelbüchern, Rhetoriken freigelegt hat. Unschwer läßt es sich als Gliederungsprinzip auch der Würzburger Kapitulation von 1642 ermitteln. Demnach gibt sich nach der Invocatio der Aussteller der Urkunde zu erkennen.224 Die genaue Aufzählung seiner Titel macht deutlich, daß er diese Urkunde nicht als Privatmann ausfertigt. Vielmehr handelt er als Amtsträger, stellt der beurkundete Rechtsakt einen offiziellen Vorgang dar. Hat die Invocatio die Wahlkapitulation als sakrale Handlung ausgewiesen, so fügt die Intitulatio ihr den Charakter einer Amtshandlung hinzu. Beides hing zusammen, da auch das Amt „von Gottes gnaden“ erlangt und ausgeübt wurde. Nachdem mit der Intitulatio das Handlungssubjekt bezeichnet worden ist, folgt die Verkündungsformel (Promulgatio).225 Sie bekräftigt den öffentlich-rechtlichen Charakter der folgenden Rechtsfeststellung. Vor allem stellt sie klar, daß nicht die Urkunde selbst: ihre Ausfertigung, Unterzeichnung und Besiegelung der eigentliche Rechtsakt ist. Vielmehr wird dieser davon nur dokumentiert, bezeugt, eben beurkundet. Durchaus geht er der Urkunde als eigenständige Handlung voraus, ist er zunächst unabhängig von ihr. Anders als moderne Verträge weist die Wahlkapitulation über sich als Text hinaus in eine performative Praxis, die durch den Text nur dokumentiert wird, nicht aber mit ihm identisch ist.226 Dies nicht berücksichtigt, die Wahlkapitulationen wie moderne Verträge interpretiert zu haben, stellt ein entscheidendes Manko der bisherigen Forschung dar. für die folgenden Kapitulationen Formularcharakter gewannen (a. a. O, fol. 17 vgl. WU-Lib 441; Standbuch Nr. 13, fol. 23v; ebd., fol. 29, vgl. WU-Lib 442; Standbuch Nr. 13, fol. 36, vgl. WU-Lib 441). Sie erscheint auch z. B. in den Urkunden zur Königswahl. 223 Zum folgenden Bresslau: Handbuch, Bd. 1, S. 1–11 und 45–61. 224 „Wir Iohann Philipp Von Gottes gnaden erwöhlter Bischoue zue Würtzburg vndt Hertzog zue francken;“ (ByStAWü WüU-Lib 454, fol. 2). 225 „Bekennen vndt tuhen kundt allermeiniglich in vndt mit diesem brief“ (a. a. O., fol. 2). 226 In der Praxis verwandte man, wie aus den Notariatsinstrumenten und Domkapitelsprotokollen über die Bischofswahlen ebenso hervorgeht wie aus der oben (S. 100) analysierten Bezeichnung „Forma Iuramenti praestiti Episcopi“, den Text der Urkunde auch als Eidesformel. Geschuldet war dies wohl der Bequemlichkeit: Bei der Länge des Texts wäre es sehr aufwendig gewesen, die Eidesformel und die Beurkundung des Eids auseinanderzuhalten. Wer mag, kann dies als allmähliche Überwältigung der performativen Praxis durch die Schriftform interpretieren. Auch sie aber ändert nichts daran, daß es sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch um zwei Vorgänge handelte, die prinzipiell unterschieden werden müssen.

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Erst der zweite Teil der Promulgatio schildert den eigentlichen Rechtsakt: [ . . . ] daß wür [ . . . ] dieser nachgeschriebener formb, des Bischofflichen Aÿdts Eins worden seindt, denselben auch in gegenwertigkheit, wohlermeltes herrn Dechandts vndt Capituls, nach gewöhnlicher samblung des ehrgenandten Capituls in der Allerbesten form vndt weÿse, als wür ihmmer können vndt mögen, mit leiblicher berührung der schrift der Heÿligen Euangelien, für uns gelegt, alsobalden offenbahrlich vndt in guter sicherheit diesen Bischofflichen aÿdt gelobt vndt geschworen haben mit allen vndt ieglichen puncten Stückhen vndt Articuln, die getreülich zuhalten, Jnmaßen von wortten zue wortten hernach geschrieben stehet, vndt lautet alßo. (BStAWü WüU-Lib 454, fol. 2)

Es handelt sich um einen formellen Eid vor dem Domkapitel, um einen leiblichen Eid auf die Evangelien – die feierlichste und verbindlichste Form der Eidesleistung in der Frühen Neuzeit überhaupt.227 Die Aushandlung der Eidesformel und die Eidesleistung bilden den Inhalt der Promulgatio; sie sind die Vorgänge, die durch die Urkunde dokumentiert werden. Wenn die im vorigen Abschnitt analysierten Benennungen die Wahlkapitulationen mal als Eide, mal als Verträge kennzeichnen, so ergibt sich hier nun ein fester Anhaltspunkt, um diese Aspekte zu gewichten: Beide sind vorhanden, doch am Ende steht bei dem Würzburger „Jurament“ von 1642 eindeutig der „Bischofflich[e] aÿd“. Er macht den Kern dessen aus, was hier als Wahlkapitulation verstanden wird. Als „leiblicher“ Eid mit „berührung der schrift“ ist es ein performativer Akt, der seiner Beurkundung vorausliegt, durch den Text nur bezeugt wird, aber prinzipiell nicht in ihm aufgeht. Vielmehr muß er über den Text hinaus im Zusammenhang der performativen Praxis interpretiert werden, in die er gehört. Eingeschoben in die beiden Teile der Promulgatio finden sich eine Arenga und eine Narratio. In der Arenga wird eine allgemeine Begründung für den beurkundeten Rechtsakt geben.228 Hier werden die übergeordneten Wertgesichtspunkte 227 „Accedit solenni juramento ultra conceptionem verborum, locorum certorum definitio, ubi jurandum sit, & rerum expressio per quas jurandum sit, & quas tangendo juretur. Sic n. tactu & corporali juramento magis inviolabile putatur juramentum & irretractabile [ . . . ]“ (Setser: Tractatus, S. 91). „Gleichwie nun also die Juden ihr Gesetz=Buch, wann sie schwuren, in den Händen zuhalten pflegten, also legten die Christen, da sie sich zum Schwehren entschliessen müssen, die Finger auf die Evangelia.“ (Gundling: Ursprung des Cörperlichen Schwehrens, S. 316 f.). „Wer nicht leiblich schwehret, der schwehret nicht proprie, oder zum wenigsten nicht als ein Laye.“ (Gundling: Eidschwur der Geistlichen, S. 309). Die Handlung erhält noch mehr Gewicht dadurch, daß katholische Geistliche für sich in Anspruch nahmen, keine körperlichen Eide leisten zu müssen – zumindest nicht gegenüber Laien. „Ritus jurandi fuere multiplices: & aliter etiam jurarunt illi, qui vixerunt in Ecclesia, aliter qui extra Ecclesiam constituerentur.“ (Setser: Tractatus, S. 92). Begründet wurde dies mit der Vorstellung, daß Geistliche das Wort Gottes im Herzen tragen; deshalb legten sie beim Schwören gewöhnlich die Finger aufs Herz, nicht auf die Evangelien (Gundling: Eidschwur der Geistlichen). Intern hielt man das jedoch offenbar nicht für ausreichend. Insofern stellt der Gebrauch des körperlichen Eids hier implizit eine Mißtrauenserklärung dar. 228 „[ . . . ] zue lob vndt Ehr Gott dem allmechtigen, Marien seiner werthen Mutter, vndt der Heÿligen Martirern S: Kilian, vndt seiner Gesellschafft, als patronen Schutz: vndt hauptheren deß gemeinen Stüffts, auch vmb fridens, vnd guten Regimends wegen des itzgenandten Stüffts [ . . . ]“ (ByStAWü WüU-Lib 454, fol. 2).

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benannt, denen der Bischofseid dienen soll – an erster Stelle „lob vndt Ehr Gott dem allmechtigen“ (was bekräftigt, daß der Bischofseid, wie an der Invocatio bemerkt, als Sakralhandlung aufgefaßt wird: vor dem Angesicht Gottes und zu seinem Lob erfolgend); an zweiter Stelle die Verehrung der „patronen Schutz: vndt hauptheren deß gemeinen Stüffts“ (erneuert, bekräftigt, vertieft werden soll also die Vergemeinschaftung des Stifts, wobei die Hierarchie der himmlischen Schutzpatrone: Maria, des heiligen Kilians und seiner Gefährten, als Modell der Gemeinschaftsbildung dient); schließlich „vmb fridens, vnd guten Regimends wegen des itzgenandten Stüffts“. Erst an dritter Stelle zielt die Kapitulation auch auf Richtlinien für eine gute Regierung, soll heißen für ein bischöfliches Regiment, das den Frieden wahrt: die vornehmste Regentenpflicht überhaupt. Einseitig wird der Bischof auf diese Aufgabe verpflichtet, sein Eid als Mittel dafür gekennzeichnet. Gotteslob, Gemeinschaftsbildung, Friedenswahrung – man wird diese Rangfolge ernstnehmen müssen, wenn es darum geht, die verschiedenen Aspekte zu gewichten. Die Narratio schildert, wie die Eidesformel zustandegekommen ist, wobei wieder auf die Gemeinschaftlichkeit abgehoben wird.229 Den Haupteil des Texts macht dann die Dispositio aus: einhundertdreißig (unnummerierte) Abschnitte, eingeleitet mit „Wür Iohann Philipp [ . . . ] schweren vndt geloben mit gueten treüen, uf das heÿlig Euangelium das wür [ . . . ]“, danach als stereotype Aufzählung fortgesetzt.230 Die letzten beiden dieser Abschnitte können auch als Sanctio aufgefaßt werden, d. h. als Regelung, wie im Konfliktfall über diesen Eid zu verfahren ist: Verlangt wird eine gütliche Einigung, ausgeschlossen der Appell an Rom oder Wien.231 In einer Corroboratio werden die Beglaubigungsmittel 229 „[ . . . mit] vernünfftigen Rath und Vorbetrachtung die wür darüber mit den Ehrwürdigen herrn Dechandt, vndt Capitul des Dombstüffts zue würtzburg manigfaltiglich und in einem mächtigen Capitul gehabt haben“ (a. a. O., fol. 2). Die Präposition „mit“, die ursprünglich an dieser Stelle stand, ging durch einen Abschreibefehler bereits in der zweiten Kapitulation des Lorenz von Bibra vom 3. September 1495 verloren. Obwohl der Satz dadurch ungrammatisch wurde, hat man ihn bis zum Ende des 17. Jahrhunderts weiterverwendet! 230 A. a. O., fol. 2–19v. 231 „[§ 129] Letzlichen vndt zue dem beschlueß, so schwern vndt gereden wür vnserem dommCapitul, im fall sich zuträge, das wür vndt ein solcher obgeschriebener Articul, oder sonsten anderthalben, mit ein ander in Jrrthumb vndt Misverstandt kommen |: das doch nicht sein solle :| das wür darumb einige vngenadt, uf sie oder die ihrigen nicht werfen, sonderen vns mit ihnen allerdings freündt: vndt güetlich Vertragen vndt Vergleichen sollen vndt wöllen, sich gegen vns in aïnigen weege in vngueten nichts haben zubefahren, besonders aber approbieren vndt becrefftigen wür alles das ihenige, demselben im geringsten nicht dawieder zuesein, noch von anderen zugeschehen zuzulaßen, was in diesem gewehrten interregno Capitulariter gehandtlet, decidirt vndt resoluiert worden, wie wür dan daselbe zu exequiren vns selbsten befleißen, vndt obligiert sein wöllen; Alles vndt iedes getreulich vndt sonder gefehrdte. [§ 130] Vndt über diesen vnseren Aÿdt, oder aïnigung puncten oder articul darinnen begriffen, oder auch wider denselben Aÿdt oder punct, wollen wür keinerleÿ dispensation oder gnadte, erledigung, vflösung, vernichtigung, leütterung, oder auslegung von dem Stuel zue Rom, oder einem Jeglichen heÿligen Consilio oder von anderen Vnserer obristen Steürer

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genannt, die der Urkunde Geltung verleihen;232 darauf folgen Datierung und Unterschrift. Aus dieser Gliederung fallen fünf Abschnitte zwischen Dispositio und Corroboratio heraus. Als einzige Abschnitte im Text sind sie mit Überschriften versehen: „Die Form des Ratsßaÿdts der Statt würtzburg, vndt andere des Stiffts, Stätt vndt Märckt“, „Die Form der Vögt und Ambtleüths Aÿdte“, „Die Form des Schultheisen Aÿdt Zue Würtzburg“, „Die form der anderen des Stiffts Stätt, Märckt vndt dörffer, Schultheißen Aÿdt“, „Iuramentum Procuratorum“. Es handelt sich um eine Sammlung von Amtseiden. Sie fungiert als Anhang zur Dispositio, wo in mehreren Paragraphen bestimmt wird, daß die Dienstleute des Hochstifts auf Bischof und Domkapitel zusammen vereidigt werden sollen.233 Daß man, um sicherzugehen, diese Amtseide gleich ausformuliert und in den Bischofseid einfügt,234 wirft ein helles Licht auch auf ihn. Wie die anderen Eide faßt man ihn offenbar prinzipiell als Amtseid auf. Wie die anderen Ämter sucht man das Bischofsamt durch einen Eid zu definieren. Vor Gott und durch die ausdrückliche Bindung an ihn sollen die Amtspflichten verankert werden. Als Verband von Eidleistern stellt die Würzburger Obrigkeit sich in dieser Reihung dar: nicht nur hierarchisch aufeinander oder Schirmer impetriren, erworben durch vns oder Jehmandt anderst von vnsertwegen heimblich oder offentlich, vndt ob das geschehe, das von ihemandt dergleichen impetriret oder auch sonsten von aïgenen bewegnus des obristen, dergleichen Verleÿhen würdte, wie sich das möchte zutragen oder begeben; so sollen wür doch das nicht Vfnehmen, gebrauchen steth, genemb, oder güldig halten sonderen solches alles als onCrefftig Verwerffen, vndt desen vnangesehen, oder vnbedacht, beÿ allen vndt ieden puncten vndt articuln, wie dieselben von wortten zue wortten obgeschrieben seindt, stehet, Vest, Vnuerrückhet, Vestiglich vndt ohnverruckht bleiben, daselbig alles ohn wanckhelbahr halten getreülich vndt ohne alle gefehrdte, vndt argeliste; Als helff vns Gott, vndt die heÿlige Evangelien, die wür alhier leiblich mit vnserer Rechten handt berüren.“ (a. a. O., fol. 19v). 232 „Das alles vndt Jegliches obgeschriebene vndt in diesem gewehrtem JnterRegno Capitvlariter verhandtleder pvncten, stück vndt articull, durch vns geschworen, haben wür obgenandter Johan Philipp, Bischoue zue würtzburg, zue wahren Vrkundt vndt gezeügnus vnser aïgen insiegell an diesen brief vndt schrifft wißentlich gehangen, vns zuebezeügen, aller obgeschriebener ding, darzue dan die Vorgenandte herrn, Dechandt vndt Capitul zum domb zue würtzburg, vmb mehrer gezeügnus willen, auch ihres Capittels gros Insiegel gehangen haben, vndt wir vorgenandter Bischoff Johan Philipp geloben mit guttem wahren trawen, vndt vf vnser Vorgeschriebenen Aÿdt das wür das Vorgeschrieben iurament vnser obgenandten herren Vom Capitul wöllen steht vndt Vest halten, vndt wollnführen gäntzlichen vndt ohne alles gefehrdte.“ (a. a. O., fol. 21v – 22). 233 So z. B. „[§ 20] Wir sollen vndt wöllen auch von vnserer Statt würtzburg, vndt den Einwohneren daselbst auch von allen anderen vnseren vndt vnsers Stüffts vnderthanen, in vnseren Stätten Märckten, dörffern, weÿlern, oder andern ortten keine Erbhuldigung insonderheit nehmen, sonderen wir sollen die allweegen, so offt es zue schulden kombt, mit sambt vnserem Capitul, vndt den ihenigen, so sie darzue verordtnen werden zugleich nehmen, [ . . . ] nach formb der Aÿdt, die von wortten zue wortten zue letzt vor dem beschlueß hernach geschrieben stehen.“ (a. a. O., fol. 5). 234 Erstmals geschieht dies in der zweiten Würzburger Wahlkapitulation des Johannes von Brun aus dem Jahr 1431 (ByStAWü Standbuch Nr. 13, fol. 12v – 13); danach bleibt es in Würzburg üblich.

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bezogen, sondern vor allem gemeinsam auf Gott bezogen. Die transzendente Verpflichtung aller Amtsträger scheint das primäre und stärkste Band dieses Gemeinwesens zu sein. Denkt man noch die nicht eigens aufgenommenen, wohl aber durch Bestimmungen in der Dispositio geregelten Huldigungseide der Untertanen hinzu, so wird deutlich, daß hinter dieser Wahlkapitulation das gesamte Würzburger Gemeinwesen steht – als Schwurgemeinschaft oder Eidgenossenschaft. Der politische Eid hat in der neueren Forschung große Aufmerksamkeit erfahren.235 Namentlich Paolo Prodi hat die Geschichte dieser Eide erzählt. Eindringlich legt er dar, wie sie, aus griechischen, römischen, alttestamentarischen Wurzeln stammend, im Abendland, aufgrund ihrer Ausformung durch das westliche Christentum, ein spezifisches Verhältnis zwischen dem einzelnen und der politischen Ordnung begründeten. Seiner Definition zufolge ist der Eid „die Anrufung der Gottheit als Zeuge und Garant“.236 Im politischen Eid bindet der Schwörende sich umfassend an die politische Gruppe als ganze. Indem er die Gottheit zum Zeugen und Garanten aufruft, setzt er alles ein, was er ist: sein Seelenheil, seine Existenz im umfassendsten Sinn, weit mehr als seinen sozialen Ruf oder seine politische Teilhabe. Existenziell gibt er sich einem Gemeinwesen hin, das als politisches unvollkommen sein mag, vorläufig, dem Reich Gottes (noch) nicht angemessen, dessen Ordnung aber durch die Selbstverpflichtung seiner Mitglieder vor Gott besondere Würde erhält. Eine explosive Dialektik speist der politische Eid dadurch in die abendländischen Gemeinwesen ein:237 Er bekräftigt, daß die Politik nicht alles ist, daß jenseits von ihr und über ihr Gott steht als die entscheidende Instanz, die wesentliche Verpflichtung; zugleich schwört er die einzelnen in dieser Verpflichtung gegenüber Gott rückhaltlos auf das Gemeinwesen als ganzes ein. Durch den politischen Eid wird die Politik zum Schicksal, das in der Verantwortung vor Gott bewältigt werden muß. Was Prodi als existenzielle Sozialbindung „zu der ganzen Gruppe“ umschreibt, ist in der hier verwendeten, soziologischen Terminologie als politische Vergemeinschaftung zu bezeichnen. „Umfassend“ und eine „Bindung auf Leben und Tod“238 235 Vgl. den Sammelband Prodi (Hg.): Glaube und Eid sowie vor allem die eigenen Arbeiten von Prodi (Prodi: Eid in der Verfassungsgeschichte; ders.: Sakrament der Herrschaft). 236 „Mit der eidlichen Anrufung begründet der einzelne nicht nur eine Sozialbindung zu anderen Personen, sondern auch zu der ganzen Gruppe, der er angehört; entsprechend allgemeiner Glaubensvorstellungen, die die Sphäre des Politischen überschreiten, setzt er dabei sein physisches und spirituelles Leben zum Pfand.“ (Prodi: Eid in der Verfassungsgeschichte, S. 7; vgl. ders.: Sakrament der Herrschaft, S. 20). 237 Rein funktional interpretiert den politischen Eid dagegen André Holenstein. Für ihn handelt es sich lediglich um ein Herrschaftsinstrument, um mit Hilfe von Schrecken und Furcht eine „einheitliche Untertanengesellschaft und den Gehorsam ihrer Mitglieder“ zu erzeugen (Holenstein: Seelenheil, S. 14). Von der Dialektik des Eids, die Prodi wenigstens noch in dessen Geschichte erblickt, bleibt bei Holenstein keine Spur. 238 So die Formulierungen bei Prodi: Eid in der Verfassungsgeschichte, S. 5. Leider ist Prodi terminologisch nicht konsequent. Wenn er bereits das antike und mittelalterliche Gemeinwesen anachronistisch als „politischen Vertrag“ (ebd., S. 6 und 9) oder „Gesellschafts-

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kann nur eine Vergemeinschaftung sein. Per definitionem schließt diese ganze Personen ein im Unterschied zur Vergesellschaftung, die, auf bestimmte Zwecke zielend, von den beteiligten Personen abstrahiert, unpersönlich bzw. rollenförmig erfolgt. Diese Unterscheidung ist zentral, zeigt sie sich doch auch an verschiedenen Arten von Eiden. Gemeint ist damit nicht die juristische Klassifikation in assertorische und promissorische Eide:239 in Wahrheitseide, die dazu verpflichten, geschehene Dinge richtig wiederzugeben und Gelöbnisseide, die dazu verpflichten, in Zukunft etwas zu tun oder zu lassen; gemeint ist ein Unterschied innerhalb der Gelöbniseide, zu denen auch alle politischen Eide zählen: der Herrschereid ebenso wie der Huldigungseid, der Lehenseid ebenso wie der Dienst- oder Amtseid – ein Unterschied, der von der Forschung zum politischen Eid bislang zu wenig berücksichtigt wurde. Denn es bedeutet durchaus etwas anderes, ob man einen Vertrag beschwört, eine Ehe schließt, einen Lehenseid leistet, als Domkapitular aufschwört oder einen bischöflichen Amtseid ablegt. In allen fünf Fällen handelt es sich um promissorische Eide,240 in allen fünf Fällen ruft man Gott zum Zeugen an für die Verpflichtung, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen. Doch unterscheiden diese Fälle sich dadurch, daß man mit einem Vertrag ein spezifisches, zweckgebundenes, beschränktes Sozialverhältnis eingeht, in allen anderen Fällen aber ein umfassendes, selbstzweckhaftes, soziologisch gesprochen: ein diffuses. Darüber darf nicht hinwegtäuschen, daß auch diffuse Sozialverhältnisse funktional interpretiert, daß auch die Ehe, das Lehensverhältnis, die Zugehörigkeit zu einer Klerikergemeinschaft, die bischöfliche Amtsführung als Vertragsverhältnisse aufgefaßt werden können;241 notgedrungen: durch Konflikte veranlaßt, pflegen Juristen eine solche vertrag“ bezeichnet (S. 6), den Eid, den Gott seinem auserwählten Volk leistet, als „Vertrag bzw. Bund“ (S. 9), schleppt er in seine Deutung des politischen Eids eben jene utilitaristischen Gesichtspunkte wieder ein, die er durch seinen Ansatz überwinden wollte (s. etwa S. 5). Was er meint, wenn er von Vertrag spricht, ist eigentlich die Reziprozität sozialer Beziehungen. Diese muß jedoch unterteilt werden in eine vertraglich geregelte Gegenseitigkeit, die bestimmte, festgelegte Leistungen der Vertragspartner umfaßt (Vergesellschaftung) und eine umfassende Wechselseitigkeit, die nicht auf einzelne Verpflichtungen beschränkt bleibt, sondern alle möglichen Vorkommnisse als gemeinsam zu bewältigende Aufgaben einbezieht (Vergemeinschaftung). Alle Beispiele von Prodi gehören zu dieser zweiten Art von Reziprozität, deshalb ist seine Rede vom politischen Vertrag irreführend. Sie bleibt einer bestimmten politischen Sprache verhaftet, statt diese durch geeignete analytische Kategorien zu durchdringen. Die folgenden Unterscheidungen knüpfen an Prodis Ansatz an, suchen ihn aber weiterzuentwickeln und zu präzisieren. 239 Zum folgenden Erler / Kornblum / Dilcher: [Artikel] Eid. 240 Zur Parallelität von Eheschließung und politischem Eid s. Dilcher: Legitimation. 241 Offensichtlich dienten die Amtseide – auch – der transzendenten Zügelung von Amtsträgern, die institutionell wenig kontrolliert und nur mit den allergrößten Schwierigkeiten sanktioniert werden konnten. Die feierliche Bindung an Gott sollte wettmachen, was die politischen Institutionen nicht zu leisten vermochten. Nur Gott und das Gewissen schienen als Kontrollinstanzen das Gemeinwesen vor den Irrationalitäten und Partikularinteressen der Amtsträger schützen zu können.

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Sicht von Alters her. Doch ergibt sie sich erst aus dem Ende jener umfassenden Sozialbeziehung: Nur um sie aufzulösen, muß man sie als spezifische interpretieren.242 Nichts ruiniert die genannten Beziehungen gewisser als durch eine reservatio mentalis bestimmte Persönlichkeitsteile davon auszuschließen. Für ein Vertragsverhältnis gilt dies nicht. Nun mag man einwenden, der Unterschied betreffe nur die Sozialbeziehungen, zu denen man sich durch promissorische Eide verpflichtet, nicht die Eide selbst. Doch wäre das ein Irrtum. Denn die verschiedenen Arten von Bindung, die man eingeht, bedingen verschiedene Haltungen zu der Transzendenz, die man als Zeugen oder Garanten bemüht. Wer einen Eid leistet, um einen Vertrag abzusichern, macht Gott zum Notar. Wer ihn anruft, um sich einer Vergemeinschaftung zu verpflichten, überantwortet sich ihm, weil das eigene Vermögen nicht ausreicht. Spezifische Sozialbeziehungen sind leichter zu halten als diffuse. Sie beruhen auf eben jenen Partikularinteressen, die, wenn sie in den diffusen nicht ausreichend mitbefriedigt werden, sich dort zum Sprengsatz entwickeln. In Eiden zur Vertragssicherung kann Gott neutral und im Hintergrund bleiben, in Eiden, die Vergemeinschaftungen begründen, muß er konstitutiv beteiligt sein. Für politische Eide entscheidend ist ein zweites Kennzeichen. Solange Gemeinwesen aus überschaubaren Personenverbänden bestanden, hieß politische Vergemeinschaftung, sich in einer Vielzahl von Sozialbeziehungen zu konkreten Personen zu bewegen; politische Vergemeinschaftung fiel mit sozialer Bindung ineins.243 Erst die Vorstellung eines übergeordneten, entpersonalisierten Gemeinwesens gestattete es, sich statt auf verschiedene einzelne Korporationen oder Herren auf das Gemeinwesen als ganzes zu beziehen. Erst sie öffnete einen Raum des Politischen oberhalb und quer zu allen sozialen Bindungen, erst sie politisierte 242 Das bestätigen die frühneuzeitlichen Eheberedungen. Genau besehen, handelt es sich bei ihnen um Eheauflösungsvereinbarungen: Sie regeln, was mit dem eingebrachten Vermögen geschieht und wie die Hinterbliebenen zu versorgen sind, wenn die Ehe endet, ohne daß erbberechtigte Nachkommen daraus hervorgegangen sind. Daher werden sie auch von den Familien der Ehepartner geschlossen, nicht von diesen selbst. Keineswegs verwandeln sie die Ehe in eine Vergesellschaftung. 243 Anschaulich macht dies Hanns Hubert Hofmann deutlich, wenn er zeigt, wievielen Herren jeder Untertan in Franken noch im 18. Jahrhundert gegenüberstand: dem Fraischherrn, dem Landesherrn, dem Vogteiherrn, dem Dorf- und Gemeindeherrn, dem Grundherrn, dem Leibherrn, u. U. auch noch einem Kirchenherrn, Jagdherrn, Zehntherrn (Hofmann: Herrschaft, S. 81–85). Hofmann kommt zu dem Ergebnis: „Für den Untertan bestand also noch durchaus eine ,parataktische Ordnung‘ des Staatlichen wie seit je. Und diese Herrschaften waren mitten unter ihm. Die staatliche Ordnung war ja nicht nur territorial zersplittert, sie war innerhalb der Territorien kleinräumig geblieben. Das Schloß, das Amtshaus, den Kastenboden oder den Zehentstadel hat ja gerade die repräsentative Baufreudigkeit des Barock überall in die Städte, Märkte und Flecken gesetzt. Ihr Dach, der Kirchturm und der Kirchweihbaum als Rechtsmal der Gemein überragten allenthalben die niedrigen Bauernhäuser der Dörfer. In dieser Dreiheit von Herrschaft, Kirche und Genossenschaft erfüllte sich die Ordnung des Lebens, auch in den Städten. Daß Herrschaft hierbei Vielherrigkeit bedeutete, spielte keine Rolle. Den alle Herrschaft, auch die der Kirche, war Ausdruck einer adeligen Welt und wurzelte im Boden.“ (a. a. O., S. 85).

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den einzelnen unmittelbar. Dieser epochemachende Prozeß war mit schweren Konflikten verbunden, bedeutete er doch, sich unter Berufung auf eine abstrakte Allgemeinheit gegen konkrete Einzelpflichten wehren zu müssen. Der politische Eid hat dazu in der Neuzeit den Weg gebahnt.244 Indem er die Selbstverpflichtung auf das Gemeinwesen in die Verantwortung vor Gott stellte, installierte er eine Berufungsinstanz, um diese Konflikte durchzukämpfen. Als Faustregel kann daher postuliert werden: Je schwieriger es war, sich über personale Bindungen hinweg auf das Gemeinwesen als ganzes zu beziehen, desto mehr wird der Schwörende den politischen Eid als Selbstverpflichtung gegenüber Gott ansehen statt gegenüber anderen Menschen.245 Nur wenn man sich klar macht, daß der Amtseid den Schwörenden für seine Amtsführung Gott verantwortlich macht, ohne Vorbehalt, umfassend, unmittelbar, was auch heißt: selbstverantwortlich, erklären sich die Eigentümlichkeiten, die durch die bisherige Analyse der Wahlkapitulationen zutage getreten sind. Zunächst erklärt sich die oben bemerkte Einseitigkeit des Bischofseids. Jemand, der ein Amt übernimmt, schließt keinen Vertrag. Er bekennt sich zu den Pflichten, die mit dem Amt verbunden sind und ordnet sich damit in das Gemeinwesen ein. Die Akzeptanz des Amts hat diese Selbstverpflichtung zur Folge. Vorbehalte oder Verhandlungsspielraum gibt es dabei nicht – sie hätten schon im Vorfeld dazu führen müssen, das Amt entweder abzulehnen oder es verweigert zu bekommen.246 244 Prodis negative Sicht auf die neuzeitliche Staatsbildung wird hier nicht geteilt. Er sieht in der Entpersonalisierung des Gemeinwesens vor allem einen Verlust an persönlich-konkreten, d. h. immer auch beschränkten Bindungen, in der unmittelbaren Identifikation des einzelnen mit dem Gemeinwesen als ganzen die Auslieferung an einen überwältigenden Leviathan. Dagegen wird hier ein möglicher Gewinn dieser unmittelbaren Politisierung herausgestellt (wie übrigens auch die Unterscheidung von Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung hier wertfrei gebraucht wird: Erst die zunehmende Vergesellschaftung auf Kosten von Vergemeinschaftungen ermöglichte und bedingte in der Moderne beispielsweise die Entstehung von Privatheit). So sympathisch Prodis Staatsskepsis sich von der verbreiteten naiven Modernisierungstheorie abhebt, sie teilt mit ihr eine Überschätzung des modernen Staats, als handle es sich bei diesem um etwas zwangsläufig Entstandenes und Gegebenes, statt um etwas mühsam Erkämpftes und in der Gegenwart wieder höchst Gefährdetes. 245 „Juramentum Promissorium, oder Versprechnuß: vnd Angelobnuß Ayd / was er seye. [ . . . ] DJser ist / wann einer verspricht / vnnd zusagt / er wolle was geben / oder thun / vnd beaydigt sich solches zuthun / oder zu halten. Ob solcher Ayd zu halten sey / oder nit? JA: jedoch in solchen Fällen / welche zulässig / nit wider Gott / das Gewissen / die Erbar: vnd Billichkeit / noch wider eines Orths Löbl. Herkommens streitten; so aber der Contract oder das Versprechnuß für sich zulässig / vnd kombt der Ayd noch hinzue / so wird derselb nur desto steiffer / vnnd fester gemacht / ist aber ein solcher in den Gesätzen improbirt, vnd verbotten / so ist er auch für sich selbsten vntüchtig / seytemahlen ja der Ayd kein Band der Ungerechtigkeit seyn sollte. Hjehero gehören deß Römischen Kaysers Ayd / welchen er vor der Crönung den Churfürsten ableget / wie auch der Richter / vnd Obrigkeiten. [ . . . ]“ (Guggenberger: Ayd=Buch, S. 181 f.). Ebenso Remer: Tractatus de perjurio ficto, S. 12–16. Was die frühneuzeitlichen Eidbücher hier ausführen, war ein alter Grundsatz des kanonischen Rechts, s. vor allem in VI 2.11. 246 Eine Amtsübernahme mit der vorgefaßten Absicht des Putsches, der gewaltsamen Veränderung der politischen Ordnung, kann hier außer Betracht bleiben. Sie wird den deutschen

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Auch diese Überlegung zeigt, warum es prinzipiell verkehrt ist, Amtseid und Vertrag zu vermengen. Über eine Amtsführung einen Vertrag zu schließen, heißt, Amt und Amtsträger zu entwerten. Man entkleidet damit das Amt seines Ethos’, den Amtsträger seiner Verantwortlichkeit. Man erreicht das genaue Gegenteil von dem, was man möglicherweise beabsichtigt. Um der besseren Kontrolle willen ersetzt man Amtsethos durch Vertragspflichten, Hingabe an die politische Vergemeinschaftung durch kalkulierte Vergesellschaftung, den Amtsträger durch den Funktionär – mit der Selbstverantwortung zerstört man die entscheidende Voraussetzung für Innovationen, mit der Entscheidungsfreiheit an der Spitze des Gemeinwesens die gesamte Politik. Politische Führung heißt Entscheidungen treffen; dies wird durch Verträge darüber unterbunden. Weiter erklärt sich, warum die Bischöfe der Barockzeit ihre Wahlkapitulationen ernstnahmen. Wenn es sich um Amtseide handelte, die vor Gott verpflichteten, war an stillschweigendes Unterlaufen nicht zu denken. Eines war ihnen auf ihren Jesuiten-Schulen allen eingefleischt worden: daß sie für ihr Tun und Lassen als Geistliche vor Gott würden Rechenschaft ablegen müssen; hinter irgendwelchen Auflagen irgendwelcher Domkapitel gab es da kein Verstecken. Wer meinte, seinem Bischofseid zuwiderhandeln zu müssen, hatte dies offen zu tun, offensiv, er mußte, was sein Eid bestimmte, als unrechtmäßig erweisen.247 Gerade die Interpretation der Fürstbischöfen des Barock nicht einmal von ihren schärfsten Gegnern in den Domkapiteln zugeschrieben. 247 So läßt beispielsweise Johann Philipp von Schönborn seinen Weihbischof Melchior Söllner am 25. Februar 1651 vor dem Würzburger Domkapitel argumentieren: „[ . . . ] Nemblich stünden Jhre fürstl. Gdn. in denen gedancken, das zur Zeit deß Jnterregni gemachte Capitulation, eine Alienation seÿe, wider das ConciliumTridentinum, Contra Sacros Canones vndt Jura[men]tum Episcopale lauffe, welcheß die Anwesende herrn selbsten vernünfftig Consideriren könten, also dißeß zu bewilligen, oder inß werckh zu richten, nit wol sein werde, dan in Allem müsste man die Ehr Gotteß, Conscientiam vndt das bonum publicum Ecclesiae Ansehen [ . . . ]“ (ByStAWü WDKP 1651, fol. 64v). Das Kapitel muß diese Berufung auf das Gewissen akzeptiert haben, sonst hätte es nicht gestattet, daß sie auch in die Narratio des Statutum perpetuum aufgenommen wurde, in dem die Wahlkapitulation einvernehmlich revidiert wurde: „[ . . . ] Ob Wir Vns wohl ermelter vnserer Capitulation, vndt deren Disposition in diesem passu ohnabfellig genugsamb zuerinnern, vndt ohne dem ermeltem Vnsrem dombCapitull zue bezeigung aller Väderlicher trewer affection vndt wohlmeinden guten willens, beharrlich willig vndt erbiethig seindt vndt verbleiben; Deme zue folg auch in diesem mehr Als gern willfährig erscheinen wehren, Alldieweil aber Vns in reifen der sachen vndt dem darbeÿ mit einlauffenden Vmbständhen vberlegung, ahn der vollenZiehung solche erhebliche Nachdenckhens, auch in Vnsrem selbst aigenen Gewißen nit geringe beschwernus befundthen, Jndem dogleichen [ac: dergleichen] abdication vndt begebungen, in veras alienationem species, welche ob resistentiam Juris et Sacrorum Canonum, beuorab sede vacante Ecclesiâ Viduâ et Capite suo deorbatâ allerdings verbotten vndt ohnzueläßig auslauffen, dahero auch von ohnCräfftig vndt ohnuerbindtlich, der geistlichen Rechten Censuris et clausulis cassatorÿs vnderworffen, Zuemahlen auch Vnsrem der Päpstlichen Heilig kheit geleisten Juramento Episcopali gantz zuewid [ac: zuwieder], beÿ deroselben ohnueranthwortlich, vndt in den zeitlichen sowohl als dem Ewigen voller gefahr, das wir in solche Capitulationis bedingnusen, durch welche der Kirchen ichtwas ab: vndt ad priuatos usus et commoda oder directe oder indirecte, vndt in der nachfolge

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Bischofseide als Wahleide erklärt, warum die Auseinandersetzungen um die Wahlkapitulationen im Zeitalter gegenreformatorisch geprägter Bischöfe eskalierten. Nicht zuletzt verschafft dieses Zwischenergebnis endlich einen festen Anhaltspunkt, um die widerstreitenden Deutungen der bischöflichen Wahlkapitulationen analytisch zu durchdringen. Denn es macht klar, warum kein Fürstbischof eine Deutung der Wahlkapitulation als Vertrag mit dem Domkapitel: als „Pacta“ oder „Capitulatio“, hinnehmen konnte: Er hätte damit nicht nur die Würde seines Amtes verspielt, sondern auch seine Verantwortung gegenüber Gott verraten. Wenn ein Domkapitel aber genügend Format besaß, den Bischofseid ebenfalls als Amtseid zu interpretieren, geriet es in ein Dilemma: Es konnte dann zwar festschreiben, worin seiner Meinung nach die Amtspflichten des Bischofs bestanden (bzw. die Verstöße dagegen), mußte dies aber in einem Text tun, der den Bischof in unmittelbare Verantwortung gegenüber Gott rückte: Die Interpretation der Wahlkapitulation als Amtseid schloß die Anerkennung bischöflicher Selbstverantwortlichkeit – und das hieß: prinzipieller Unabhängigkeit – ein. Das verdeutlicht, daß es im Streit der Benennungen und Interpretationen um weit mehr ging als um die Macht. Das grundlegende Amts- und Selbstverständnis der Bischöfe wie der Domkapitel, ihre Werthaltungen und Daseinsgründe standen auf dem Spiel. Was hier für die Gliederung der Würzburger Wahlkapitulation von 1642 erarbeitet wurde, gilt ebenso für die übrigen Kapitulationen des Korpus aus dem 17. Jahrhundert. Unabhängig davon, ob sie als besiegelte Urkunden auf Pergament ausgefertigt wurden (wie die Mainzer Kapitulationen von 1647 und 1694) oder als Papierlibell, das der Unterzeichnende mit seinem kleinen Petschaft beglaubigte (wie die Bamberger Kapitulation von 1693), alle folgen dem Formular des Diploms, alle promulgieren einen leiblichen Eid, alle sakralisieren ihr Zeugnis durch eine Invocatio. Von daher gelten für sie auch die gleichen Implikationen wie für die Würzburger Kapitulation von 1642. Anders schon sieht die Sache bei der Bamberger Contestatio Friedrich Karls von Schönborn aus dem Jahr 1706 aus. Bei ihr handelt es sich nicht mehr um einen leiblichen Eid, sondern nur noch um ein Versprechen. Auch scheint es nicht mehr eigens beurkundet worden zu sein; nur innerhalb des Protokolls, das von dem gesamten Wahlvorgang angefertigt wurde, sind Ableistung und Formulierung überliefert. Damit entfällt das aufwendige Urkundenformular um den Eid, entfällt mit der Invocatio auch die Sakralisierung seiner Beglaubigung. Das Versprechen wird nicht mehr unter Anrufung Gottes geleistet, sondern „auf Treu, Ehr und Glauben“.248 Dennoch scheint es trotz seiner Kürze alles enthalten zu haben, was eine bischöfliche Wahlkapitulation im Kern ausmacht – sonst hätte das Bamberger Domkapitel nicht so hartnäckig darauf bestanden, daß es für eine Wahlkapitulation zu halten, gleich einer Wahlkapitulation anzusehen sei.249 zuegehet, zugehälen [?] nit vermögen, noch Vns darahn können hallten oder bindten laßen [ . . . ]“ (ByStAWü WüU-Lib 455, fol. 1 f.). 248 Vgl. den Wortlaut des Versprechens unten S. 119, Anm. 254. 8*

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Die Würzburger Kapitulation von 1719 hält hingegen, obwohl sie nur auf Papier geschrieben und weder unterzeichnet noch besiegelt ist, an der Urkundenform fest. Allerdings fehlen nun einige Elemente des Gliederungsschemas: neben der Subscriptio vor allem die Invocatio, ferner die Sanctio – die Beurkundung verliert ihre Sakralität, mangels Unterschrift auch ihre juristische Verwendbarkeit. Mag das Würzburger Domkapitel versucht haben, an der Urkundenform festzuhalten, faktisch kommt es hier wie 1706 in Bamberg nicht mehr zu einer juristisch verwertbaren Dokumentation des Rechtsakts. Das heißt aber keineswegs, daß der Rechtsakt selbst nicht dennoch vollzogen wurde und Geltung erlangte. Allerdings handelt es sich dabei um einen anderen Akt als vordem. Promulgiert wird in der Würzburger Kapitulation von 1719 nämlich, [ . . . ] das Wir [ . . . ] uns nicht entgeg[en] sein laßen, obgemelten in 58. uns nochmalen deütlich vor= undt abgelesenen puncten bestehend[en] auszug, od[er] sogenante vorstellung[en], in Fürstl. naig= undt wohlmeinung von Jhme Hochwürdigen DombCapitul vf= und anzunehmen, wohl zu erwegen, undt dieselb nicht allein gdgst. zu approbiren, sondtern auch [ . . . ] vest zu halten; wie hernach begriffen. (BStAWü WU-Lib 462, [fol. 2 f.])

Aus einer bloßen Verneinung von Unwillen scheint dieser Rechtsakt zu bestehen, aus einem bloßen Gnadenerweis. Erst bei mehrmaligem Lesen stellt man fest, daß es sich in Wirklichkeit um die geschickt verklausulierte Erklärung juristisch relevanter Vorgänge handelt: Johann Philipp Franz von Schönborn nimmt die „vorstellung[en]“ seines Domkapitels entgegen, bedenkt sie, stimmt ihnen zu und wird sich daran halten: Eine Prüfung, Billigung, Zueigenmachung von Bestimmungen wird hier vollzogen. Nun könnte man einwenden, daß es sich dabei lediglich um eine Bekundung handelt, eine bloße Absichtserklärung, ohne jede Verbindlichkeit. Doch stellt sich das anders dar, sobald man die Überleitung von der Dispositio zur Corroboratio hinzunimmt. Sie lautet: Hierauf nun versprechen Wir zu mehrer versicherung beÿ vnserer fürstl. würdte vber obigem allem steth undt vest zu halten, deme in allen seinen puncten undt clausuln nachzukommen, darwied[er] nicht zu thun, noch zu thun zu gestatten. Mit vorbehalt, darüber ein förmbliches Statutum hiernechstens vfzurichten. (a. a. O., [fol. 29v])

Aus einer Absichtserklärung, die durch ein Versprechen „beÿ vnserer fürstl. würdte“ bekräftigt wird, besteht also der Rechtsakt, den die Würzburger Kapitulation von 1719 bezeugt. Wie schon in der Bamberger Contestatio von 1706 hat der 249 Z. B. in der Protestation des Kapitels vom 7. Dezember 1738 gegen ein Patent Friedrich Karls, gedruckt in: Rechts=gegründete [ . . . ] Prüffung, Beilage 37, S. 67: „[ . . . ] unsere alte mit Päpstlichen und Kaiserlichen Privilegiis, Handvesten – per Recessus – per Juramenta episcopalia toties quoties und von Ewr. Hochfürstl. Gnaden selbsten mediante Juramento Episcopali und sonsten heiliggethanener Zusag beschworne und bestätigte Vorrechten, Freiheiten, Vorzüglichkeiten und Munitäten [ . . . ]“. Vgl. oben S. 96, Anm. 199 und S. 103, Anm. 215 .

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körperliche Eid sich in ein Versprechen verwandelt, die Verpflichtung auf Gott in eine auf die fürstliche Würde – ohne Zweifel wird damit eine radikale Säkularisierung vollzogen.250 Doch nicht nur das: Der Stellenwert des Schwurs hat sich verändert, seine Bedeutung für das Ganze. Aus dem Zentrum des promulgierten Rechtsakts rückt er an die Peripherie, aus der vormaligen Hauptsache wird ein bloßer Zusatz „zu mehrer versicherung“. An seine Stelle treten jene Vorgänge der Entgegennahme, Prüfung und Akzeptanz, die den freiwilligen Eintritt in eine bindende Verpflichtung kennzeichnen – das erweist die Kapitulation als fürstliche Selbstverpflichtung. Die Säkularisierung des Eids macht aus der Kapitulation ein weltlich Ding. Mit der Verantwortung vor Gott tilgt sie die Selbstverantwortlichkeit des Fürstbischofs: die Möglichkeit, sich unter Berufung auf Gott unmittelbar zu dem Gemeinwesen als ganzem in Beziehung zu setzen, notfalls gegen einzelne Bestimmungen der Kapitulation. Ohne Ausrichtung auf die Transzendenz erscheint das Amt insgesamt als ein weltliches: Man darf vermuten, daß die Kapitulation sich inhaltlich auf die Regelung der temporalia beschränkt. Mit einem Mal steht die Stiftsherrschaft nackt da, der spirituellen Bezüge und Legitimationen weithin251 entkleidet. Übrig bleiben die Bestimmungen, die das Domkapitel ausgearbeitet hat. Sie werden nun absolut, fallen positivrechtlich mit der Ordnung des Gemeinwesens ineins. Auf sie verpflichtet der Fürstbischof sich durch sein Fürstenwort. Ob er damit einen Vertrag schließt oder wie bisher durch einen Amtseid eine umfassende Bindung eingeht, muß die Inhaltsanalyse erweisen; die pragmatische Rahmung verrät darüber nichts mehr. Ihre Veränderung läuft zunächst nur darauf hinaus, daß aus dem Dreiecksverhältnis zwischen dem Domkapitel, dem Fürstbischof und Gott ein innerweltlicher Dualismus wird, in dem das Domkapitel als Sprecher (Vertreter? Repräsentant?) des weltlichen Gemeinwesens und seiner Ordnung erscheint. Leicht könnte man dieses Ergebnis durch eine Analyse der aufschlußreichen Narratio noch untermauern; an der Tendenz würde sich dabei nichts ändern. Daß es sich dabei nicht um einen einmaligen Ausrutscher handelt, bestätigt die Würzburger Kapitulation von 1729. Weitgehend sind die Elemente des Urkundenformulars aus ihr getilgt. Lediglich die Narratio mit eingeschobener Arenga252 ist übrig250 Was nicht unbedingt einen Verlust an Verbindlichkeit bedeutete. Schließlich galt ein Fürstenwort: „promissio solo verbo ac per fidem Principis affirmata“, als durch das Amt beglaubigt. Der Wörterbuchautor Christian Gottlob Haltaus zitiert dafür Belege wie: „Eins Fürsten Wort sol stohn Fest wie das Euangelion“ und erläutert: „Quod autem ita affirmate Princeps promiserit, bey Fürsten-Wort vnd Treue, vtique aequipollet iuriiurando.“ (Haltaus: [Artikel] Fursten-Wort vnd Treue, Sp. 571; vgl. ders.: [Artikel] Fursten-Ehre vnd Würden sowie [Artikel] Furstenmaessig, Sp. 570). 251 Nur in der Arenga, die aus den alten Kapitulationen wörtlich übernommen wurde, sind sie noch erhalten. 252 „Alldieweilen bey gegenwärtig vorseÿenden schwehren Zeiten und dabeÿ habender widrigen Erfahrnuß ohnumbgänglich vonnöthen seÿn will an vorderist zur Ehr Gottes des Allerhöchsten, von wannen aller Seegen herflüßet, dann zu größerer wohlfahrt der Kirchen

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geblieben, die Datierung und die Subscriptio. Erstmals wird darauf verzichtet, den neugewählten Fürstbischof als Aussteller oder Urheber erscheinen zu lassen; stattdessen werden unpersönliche Formulierungen gebraucht (es will „vonnöthen seÿn“, „Als will mann“). Beschrieben wird nicht mehr der Vollzug eines Rechtsakts, sondern nur noch das Vorhaben, [ . . . ] dem nechst zu erwehlen seÿenden Neüen Bischoffen Fürsten vnd Regenten vor würckhlicher Election solche Erinner: und anmahnungen vorzulegen, die Er mit Einem gantzen hochwürdigen Gremio umb so mehreres zu unterschreiben und verbindlich zu halten haben wird [ . . . ] (a. a. O.)

Daß dieses Vorhaben umgesetzt, der Rechtsakt vollzogen wurde, zeigt nur die Unterschrift Friedrich Karls von Schönborn noch an (a. a. O., fol. 34). Ebenfalls fortgefallen ist das förmliche Versprechen „beÿ vnserer fürstl. würdte“, das in der Würzburger Kapitulation von 1719 zwischen Dispositio und Corroboratio stand. Auch dieses wird durch den erläuternden Relativsatz, „die Er [ . . . ] verbindlich zu halten haben wird“ und die Unterschrift ersetzt – auch ohne förmliches Versprechen besitzt ein Fürstenwort Geltung. Eid und Versprechen haben sich verflüchtigt. An ihre Stelle ist eine Selbstverpflichtung auf „Erinner: und anmahnungen“ getreten, die das Domkapitel im Namen des gesamten Gemeinwesens formuliert und vorgelegt hat. Umfang und Inhalt: Bischöfliche Wahlkapitulationen, so hat die Gliederungsanalyse ergeben, weisen über sich selbst hinaus. Ihr primärer Zweck besteht darin, einen Rechtsakt zu dokumentieren, der ihnen vorausliegt. Sie dienen dem Nachweis, daß eine rechtswirksame Handlung vollzogen wurde. Bis zu Innocentiana und Leopoldina besteht diese Handlung aus einem körperlichen Eid des Fürstbischofs, durch den er sich in der Verantwortlichkeit vor Gott auf das Gemeinwesen als ganzes verpflichtet und auf dessen politische Ordnung, wie sie in der Kapitulation formuliert ist. Das läßt seinen Eid als Amtseid erscheinen. Nach Innocentiana und Leopoldina verwandelt der Rechtsakt sich in ein säkulares Versprechen auf die fürstliche Würde bzw. in ein Fürstenwort; das Gemeinwesen wird mit den „Vorstellungen“ identifiziert, die das Domkapitel darüber formuliert. Insofern müssen die Wahlkapitulationen primär in dem Handlungszusammenhang interpretiert werden, dem sie angehören. zu beständigen Heÿl und ufnahmb des hohen Stiffts Würtzburg und lieben Vatterlandts zu nachdaurendem Trost und befridigung deren armen unterthanen, auch zur ohnzertrennlichen Guten verständtnuß und Harmonie zwischen haupt und gliederen dem nechst zu erwehlen seÿenden Neüen Bischoffen Fürsten vnd Regenten vor würckhlicher Election solche Erinner: und anmahnungen vorzulegen, die Er mit Einem gantzen hochwürdigen Gremio umb so mehreres zu unterschreiben und verbindlich zu halten haben wird, da sie in denen Geist= und weltlichen Rechten in selbst redender natürlichen billigkeit, und der uralten Observanz und herkommen bestens gegründet, auch weder von Päbstlicher heÿligkeit noch Kaÿserl: Maÿjestät in Substantialibus nimmer improbiret, sondern im gegensteil von der zu Rom verordneten Congregation â potiori allschon für genehm gehalten worden; Als will mann [ . . . ]“ (ByStAWü WU-Lib 464, fol. 1 f.).

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Bevor dies versucht wird, sei jedoch ein Blick auf ihren Inhalt geworfen: auf die konkreten Bestimmungen der jeweiligen Dispositio, die politische Ordnung, die sie beschreibt. Dieser Blick darf kurz ausfallen, bildet die Inhaltsanalyse doch neben der genetischen Aufschlüsselung das bevorzugte Thema der bisherigen Forschung.253 Von wo dabei auszugehen ist, könnte fraglich scheinen, sind doch Zahl und Umfang der Einzelbestimmungen (also auch Detailliertheit und Inhalt) beträchtlichen Veränderungen unterworfen. Umfaßt die Würzburger Kapitulation von 1642 einhundertdreißig Verfügungen, so sind es 1719 in Würzburg nur noch achtundfünfzig, 1729 allerdings bereits wieder siebenundsechzig; deutlich mehr als die Hälfte aller Bestimmungen war zeitweilig weggefallen. Noch dramatischer fiel die Reduktion in Bamberg aus, wo Friedrich Karl von Schönborn bei seiner Wahl zum Koadjutor seines Onkels Lothar Franz 1706 nur auf einen einzigen Artikel vereidigt wurde. Im Vergleich mit den einhundertdreißig Paragraphen, die Lothar Franz 1693 bei seinem Amtsantritt dort zu beschwören hatte, scheint das eine eindrucksvolle Beschränkung.254 Bei genauerer Betrachtung besagen Zahl und Umfang der Bestimmungen jedoch wenig. Das liegt an der Eigenart dieser Bestimmungen und dem Prinzip, nach dem sie aufgestellt, vermehrt oder vermindert werden. Beide sind hier kurz zu umreißen. Vergleicht man die erste Bestimmung in den Wahlkapitulationen des hier untersuchten Korpus, so findet man überall eine pauschale Bestandsgarantie für das Partikularrecht der jeweiligen Kirche.255 Regelmäßig bildet sie den ersten (also wich253 Vgl. den Forschungsbericht bei Christ: Selbstverständnis, S. 281–315. Zu Würzburg s. Abert: Wahlkapitulationen, Schott: Erthal, Horling: Anmerkungen; zu Mainz Stimming: Wahlkapitulationen, Liebeherr: Domkapitel, Rauch: Domkapitel; Christ: Erzstift, S. 65–77; Jendorff: Reformatio, S. 149–59; zu Bamberg Wittmann: Wahl-Capitulationen, Weigel: Wahlkapitulationen, Neumar: Rechtsstellung; zu Speyer Kloe: Wahlkapitulationen; zu Konstanz Maier: Domkapitel, ders.: Bischof, ders. Domkapitel und Fürstbischof; zu Trier Kremer: Studien; zu Ellwangen Brendle: Wahlkapitulationen. 254 Tatsächlich besagt dieser eine Artikel jedoch, daß Friedrich Karl der geltenden Wahlkapitulation seines Onkels Lothar Franz beitritt und diese auch für sich als verbindlich betrachtet. Insofern ist er als Übernahme jener einhundertdreißig anderen Paragraphen anzusehen: „[ . . . ] verspreche auch hiermit und versichere auf das feyerlichste auf Treu, Ehr und Glauben all dasjenige vest zu halten, was zwischen denen bisherigen und zumahlen dem jezigen vnseren gnädigsten regenten und einem Hochwürdigen Domb-Capitul zu dieser Kayserlichen Kirch wohlfahrt und aufnahm, beybehaltung Ruhe und Einigkeit auch allerseitigen Rechten und Gerechtigkeiten verabredet, abgehandelt und befestiget worden.“ (ByStABa B 86, Nr. 52, fol. 79v, zitiert nach Weigel: Wahlkapitulationen, S. 124, Anm. 4). 255 Um nur die Würzburger Kapitulation von 1642 zu zitieren: „[§ 1] Wür Iohann Philipp [ . . . ] schweren vndt geloben mit gueten treüen, uf das heÿlig Euangelium das wür von dieser stvndt, vndt fürbas getreu sein wöllen, unserem Stüfft zue würtzburg, vndt denselben Stifft vndt sein Capitul in ihren rechten priuilegien, freÿheiten, Vortheilen, Päbstlichen, Bischofflichen, Kaÿserlichen, Königelichen vndt allen anderen freÿheiten, vndt Statuten Formen, Ordtnungen gewohnheiten, auch alle und iede deßelben Capituls underthane zue vndt eingehörige Geistlichen oder weldtlichen Standts, dergleichen alle und iede deroselben einkommende gefelle, haab vndt güterr von allen unbilligen betrangnußen unvernachtheilet

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tigsten) Paragraphen der Dispositio: die „Grundveste“, wie es in der Würzburger Kapitulation von 1729 heißt;256 den Ausgangspunkt für alle folgenden Bestimmungen. Innocentiana und Leopoldina haben diesen Kern nicht berührt. Die jeweilige Ortskirche bzw. das Stift wird darin als juristische Person begriffen, zusammengesetzt aus verschiedenartigen Einzelgliedern: als Körperschaft. Der Koadjutor und künftige Fürstbischof verpflichtet sich auf die Privilegien und das Herkommen dieser Korporation. Er fügt sich in einen Verband ein, der seinem Selbstverständnis nach aus einer Vielzahl von Bevorrechtungen und Gewohnheiten aufgebaut ist. Verpflichtung auf die Ordnung der Korporation als ganzer und Privilegiengarantie für einzelne ihrer Teile bilden keinen Gegensatz. Sie fallen zusammen, weil die Korporation ihre Rechtsgrundlage als Summe unterschiedlicher Bevorrechtungen begreift. Nicht nur stammen sie von verschiedenen übergeordneten Instanzen (Kaiser und Papst) und erstrecken sich teils auf Hoheits-, teils auf Lehens-, teils auf kirchliche Rechte, sie privilegieren auch verschiedene Rechtssubjekte: mal das Stift als ganzes, mal verschiedene Glieder desselben (Geistlichkeit, Bischof, Domkapitel). Hinzu kommt die Selbstgesetzgebung der Korporation, wie sie sich in der Eigentumsverteilung und den Domkapitelsstatuten niedergeschlagen hat, ferner die eingespielte Praxis des Zusammenlebens und -wirkens. Zusammengenommen bildet dies alles kein geschlossenes, systematisch durchgeformtes Ganzes. Vielmehr bleibt es ein Knoten aus Einzelrechten, die aufeinander beruhen und voneinander abhängen, aber auch konkurrieren, einander widersprechen oder sich gegenseitig aufheben.257 Entscheidend ist, wie die unsystematische und z. T. widersprüchliche Rechteballung praktisch gehandhabt wird.258 Dies aber muß expliziert werden, vorzugsweise anhand von Präzedenzfällen. Daraus ergibt sich das Prinzip für die Entfaltung der summarischen Bestandsgarantie: Sie wird im Hinblick auf diejenigen Gegenstände konkretisiert, für die das aufgrund von Konfliktfällen nach der bisherigen Erfahrung nötig scheint.259 wöllen beschirmen, handthaben, vndt behallten, und wöllen machen, das sie beschirmet, gehandthabt vndt gehalten werden, in der gemein, vndt besondere wie von alters herkommen ist.“ (ByStAWü WU-Lib 454, fol. 2 f.). 256 ByStAWü WU-Lib 464, fol. 2v. Vgl. Horling: Anmerkungen, S. 118. 257 Grundsätzlich dazu Hofmann: Herrschaft, S. 47–69. Diesen Knoten zu entwirren, bildet das Ziel der Einzeldarstellungen, die vom Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte über die Stifte im Reich herausgegeben werden. Minutiös sind in den Bänden der Germania Sacra-Reihe Privilegien, Statuten und Besitzverhältnisse einzelner geistlicher Korporationen beschrieben. So verdienstvoll und unverzichtbar diese Arbeiten sind, sie tendieren dazu, die geistlichen Gemeinschaften nur von den Satzungen her in den Blick zu nehmen statt von der gelebten Praxis. Zum Hochstift Würzburg s. Wendehorst: Bistum Würzburg, 3 Teile; zu Bamberg Guttenberg: Bistum Bamberg, Guttenberg / Wendehorst: Bistum Bamberg und neuerdings Weiß: Bistum Bamberg. 258 „,In Franconia non est ius, sed observantia‘ galt allen Statisten als ,reichskündiger Grundsatz‘.“ (Hofmann: Herrschaft, S. 68 mit Anm. 103). 259 Dies bestätigt das Verfahren, durch das die Bischofseide formuliert wurden. Es hatte sich im Spätmittelalter herausgebildet und war in allen Fürstbistümern gleich. Überall nahm das Domkapitel während der Zeit der Sedisvakanz die zuletzt gültige Kapitulation wieder

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Als fallbezogene Ausdeutung des Herkommens stellen die bischöflichen Wahlkapitulationen sich ihrem Inhalt nach dar, gebildet nach den Prinzipien von Kumulation und Detaillierung. Weder werden die verschiedenen Regierungsgewalten systematisiert, noch sachlogisch unterschieden oder mit dem Ziel spezifischer Zuständigkeiten verteilt. Bis in den Satzbau sind die Einzelbestimmungen stattdessen von Bedingungen, Einschränkung, Relativierungen gekennzeichnet. Von den einhundertdreißig Bestimmungen der Würzburger Kapitulation von 1642 bestehen rund die Hälfte aus kategorischen Vorsätzen, die im Anschluß durch Wendungen wie „ob es auch gleich were“ [§ 2], „es wehre dann“ [§§ 3, 4, 7, 9 u. ö.], „nicht anderst, dann“ [§ 5] für bestimmte Ausnahmen wieder zurückgenommen werden; die andere Hälfte bezieht sich von vorneherein auf Einzelfälle. Nicht auf Grundsätzen ist dieses Rechtssystem errichtet, sondern auf Ausnahmen. Nicht künftigen Zielen ist es verpflichtet, sondern der Tradition.260 Wahlkapitulationen sind strukturell rückwärtsgewandt. Sie reagieren auf die jüngstvergangene Regierung mit Bestimmungen, die das Herkommen bewahren oder wiederherstellen sollen. Sie fügen diese Bestimmungen einer Deutungsgeschichte hinzu, die sie fortschreiben, auch wenn die Anlässe für einzelne Bestimmungen entfallen sind.261 Denn die Auslegung des Herkommens, die in den Wahlkapitulationen aufbewahrt wird, ist selbst Teil des Herkommens, auf das sie sich bezieht. Form und Inhalt sind identisch. Wahlkapitulationen müssen rückwärtsgewandt und unsystematisch sein, traditionsbezogen und fallrechtlich, weil die Korporation, die sie beschreiben, all dies ebenfalls ist. Präzise spiegeln sie die politische Ordnung der Hochstifte. vor, überarbeitete sie im Licht der Erfahrung, die man mit dem letzten Regenten gemacht hatte und verabschiedete sie als neue Kapitulation. Schritt für Schritt wurden die Kerngedanken in immer zahlreicheren Einzelregelungen ausbuchstabiert oder auf neue Gegenstände der bischöflichen Regierung ausgedehnt. Wie Baumringe legten sich immer neue Bestimmungen um den, höchstens in Einzelformulierungen veränderten Kern; entsprechend nahm der Umfang der Kapitulationen von Wahl zu Wahl zu. 260 Das läßt sich auch durch eine Analyse der Arengen zeigen, in denen die übergeordneten Zwecke der Hochstifte und ihrer politischen Ordnung formuliert sind. 261 Wie eine Zeitkapsel bewahrt beispielsweise die Würzburger Kapitulation von 1642 die gesamte Geschichte der Bischofseide im Hochstift Würzburg auf. Nicht der Formulierung nach, wohl aber dem Inhalt lassen einzelne Bestimmungen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Wie bei den Jahresringen eines Baumes kann praktisch neben jeden Artikel die Jahreszahl seiner Einfügung geschrieben werden; zahlreiche Bestimmungen des 15. und 16. Jahrhunderts haben sich wörtlich erhalten. Bezeichnenderweise wurden auch Bestimmungen tradiert, deren sachlicher Hintergrund längst verschwunden war. So wird z. B. 1466 verfügt, welche Bilder und Hoheitszeichen den verschiedenen Münzsorten aufgeprägt werden soll. Obwohl einige dieser Münzen außer Gebrauch kamen, die Prägung von anderen in die Befugnis des Reichs gestellt wurde, die Bischöfe inzwischen neue Münzsorten prägten, hat man den Artikel bis 1686, mehr als zweihundert Jahre lang unverändert beschwören lassen (vgl. Abert: Wahlkapitulationen, S. 129 f.). Das kennzeichnet die Funktion dieser Texte. Ihr Sinn ist die Bewahrung und Erinnerung des Herkommens. Erst wenn dieses problematisch wird, wenn Konflikte darüber entstehen, wird es inhaltlich aktualisiert; vorher spielt die Diskrepanz zwischen der überkommenen Norm und der tatsächlich geübten Praxis keine Rolle. Zum altständisch-traditionalen Rechtsverständnis der Kapitulationen s. auch Stollberg-Rilinger: Wahlkapitulation, S. 399.

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Es handelt sich um eine vielfach geteilte, vielfach beschränkte Herrschaft. In der Würzburger Kapitulation von 1642 beispielsweise folgen auf die pauschale Garantie von Rechten und Herkommen des Stifts als ganzem [§ 1] zwei Bestimmungen über den Schutz speziell der Domkapitulare: zum einen gegen Behelligung von Dritten [§ 2], zum anderen gegen Behelligung von seiten des Fürstbischofs [§ 3]. Durch die anschließenden Bestimmungen wird dieser Schutz erst auf die „Äbbt, praelaten, Chorrherrn, anderer kirchen vndt anderer geistlichen persohnen der Statt vndt Vorstätte zue würtzburg“ ausgedehnt [§ 4], dann auf fremde Geistliche [§ 5], dann auf „alle vndt iede Graven, Freÿherrn, Ritter, vndt knecht, vnserem Stifft zugehörent“ [§ 6], schließlich auf „vnsere Statt würtzburg vndt andere vnsere Stätte vndt deroselben, VorStätte, burger vndt Inwohnere“ [§ 7]. In genauer Rangfolge und sorgsam gestuften Formulierungen wird die pauschale Privilegiengarantie in verschiedene einzelne übersetzt, für jeden Stand und einige Korporationen besondere. Die wichtigste Position kommt dabei dem Domkapitel zu. Gleich zu Beginn muß der Bischof den Würzburger Domherren persönliche Immunität garantieren.262 Nur dann darf er obrigkeitliche Gewalt gegen ein Mitglied des Domkapitels gebrauchen, wenn ein Richtspruch ihn dazu ermächtigt. Doch liegt die Gerichtsbarkeit über die Kapitulare bei diesen selbst; allenfalls als Kläger darf der Bischof auftreten. In allen anderen Fällen, etwa bei Gewaltgebrauch von dritten, ist der Bischof den Kapitularen zu Schutz und Schirm verpflichtet. Von Anfang an wird das Verhältnis von Domkapitel und Bischof damit als ein asysmmetrisches konstituiert. Das Kapitel verpflichtet den Bischof, ihm obrigkeitlichen Schutz gegen Dritte zu gewähren; gleichzeitig entzieht es sich dessen obrigkeitlicher Gewalt. Und damit ist seine Sonderstellung noch keineswegs erschöpft. 262 „[§ 3] Item das wür wöllen Praelaten vndt Dombherrn des Dombstüffts zue würtzburg oder ihemandten aus ihnen nicht fahen kerckeren, hemmen oder ihren Gottesgaben priuieren, oder ihrer Gottesgaaben gütter haab vndt rechtens nicht berauben noch auch gefangen gekercke[r]t gehemmet, priuirt oder beraubt zuwerden schicken oder verhangen, vndt da solches |: da Gott vor seÿen wolle :| von ihemandten in vnserem nahmen, oder sonsten, wie das sein möchte geschehe nach vnserem vermögen demselbigen getreülich begegnen, ein solches nicht genehm haben oder halten sonderen Vernichten zerstören, abtuhen vndt schicken, vernichtet, zerstöret vndt abgethan zuwerden ohne betrüglichen verzueg, es wehre dan das ettliche vnder denselben ein solches Offenbahres übell verbracht hetten, darumb sie billig weren zufahen, zubehalten zuarrestieren vndt zustraffen, das solle doch nicht anders geschehen oder fürgenommen werden gegen einem iedtlichen der oder die weren, dan vorhin mit GerichtsOrdtnung überwunden als Recht ist, da auch aniger Dombherr iedes verwürcken thete, oder würdte, sollen wir denselben vor dechandt vndt Capitul vnsers dombstüffts beclagen vndt vmb gebührendt einsehens vndt straff anhalten vndt für vnsere persohnen gegen ihnen sambt vndt sonders nichts handtlen noch für nehmen Vielweniger den Vnserigen zutuhen gestatten, gestaldt wür auch, da ein Dombherr aus rechtmeßigen vrsachen seiner praebenden vndt Canonicat würde priuirt werden, dem DombCapitul vndt Turnario an solcher heimbgefallener pfründt vndt deren anderwerter collation keine verhinderung thuen [k+aa zusätzlich: sondern demselben Vnuerhindert dabeilassen, noch vns deren anmaßen] wollen. Wür wollen auch niehemandt einig geleÿdt wieder sie geben, noch anderen zuegeben heisen, oder gestatten, im gemein, oder insonderheit ohne ihren willen.“ (Diese und die im Text zitierten Bestimmungen ByStAWü WU-Lib 454, hier: fol. 2v f.).

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Aus zahlreichen anderen Artikeln lassen sich weitere Vorrechte zusammentragen. Das Kapitel besitzt eigenes Vermögen: das Kapitelsgut, das der Verfügungsgewalt des Bischofs entzogen ist [§§ 1; 31–39; 43 f.; 46–49 u. a.]. Dazu gehören nicht nur die Behausungen der Domherren, die Domherrenhöfe, deren Unverletztlichkeit der Bischof garantieren muß [§ 78]. Es gehören dazu eigener Landbesitz, eigene Dörfer, eigene Untertanen, ein eigenes Einkommen aus deren Naturalabgaben und Diensten, eigene Pfarreien, eigene Kirchen, eigene Geistliche. All diese Menschen sind nur dem Domkapitel verpflichtet, nicht dem Fürstbischof. Das Domkapitel besitzt eine eigene weltliche Gerichtsbarkeit über sie (eigene Zentgerichte) und eine eigene geistliche Gerichtsbarkeit, die von der bischöflichen nicht gestört werden dürfen, von der aus auch keine Appellationen an die bischöfliche Gerichtsbarkeit möglich sind. Es bestellt eigene Amtleute, die diese Güter verwalten, eigene Richter, eigene Kämmerer, kurzum es bildet ein eigenes Gemeinwesen innerhalb des Gemeinwesens. Nichts zeigt die Immunität und Autonomie der Domkapitulare deutlicher als ihre Befreiung von jeglicher Steuerlast. Nicht nur landesweite Steuern sind davon betroffen wie etwaige Sondersteuern für Klerus oder Adel, sondern auch alle Reichssteuern wie die Türkenhilfe oder der Gemeine Pfennig. Selbst die domkapitularischen Untertanen sind von einigen Landessteuern wie dem Ungeld oder dem Geleitsgeld befreit. Asymmetrisch ist das Verhältnis von Domkapitel und Bischof, weil die Exemtion des Domkapitels von der fürstbischöflichen Gewalt auf der einen Seite mit einem umfassenden Anspruch auf Teilhabe auf der anderen Seite einhergeht. Am allgemeinsten ist dieser Anspruch in Artikel 41 formuliert; wie ein roter Faden zieht er sich jedoch durch alle Teile der Kapitulation. Zu regieren hat der Bischof gemeinsam mit einem oberen Rat – und dieser Rat ist mit Domkapitularen zu besetzen. Für den Fall seiner Abwesenheit hat er zwei Statthalter zu bestellen – auch dabei muß es sich um Domkapitulare handeln. Seine geistliche Aufsicht führt er mit Hilfe eines geistlichen Rats; tätig aber wird dieser geistliche Rat aufgrund von Hinweisen des geistlichen Vikars und Offizials – und diese Ämter sind mit Domkapitularen zu besetzen. Weder Amtsstellen darf der Bischof ohne Zustimmung des Kapitels besetzen noch hohe Hofämter, weder das Würzburger Schultheißenamt noch den Würzburger Rat – und all diese Amtsträger müssen mit dem Bischof zugleich dem Kapitel huldigen. Die Rechnungen der Kammer hat der Bischof gemeinsam mit dafür abgeordneten Domherren entgegenzunehmen; nur ausnahmsweise erhält er ohne beigeordneten Kapitular Zugang zu Stiftsschatz und Stiftsarchiv. Kein Lehen darf er ohne Zustimmung des Kapitels vergeben, keine Bündnisse eingehen, keine Reisige werben, keine Heerfahrt unternehmen, keine Kontribution genehmigen. Eng sind die Grenzen bischöflicher Regierung gezogen. Alle Bestimmungen zielen auf Mitregierung und Kontrolle durch eine Korporation, die ihrerseits der Kontrolle entzogen ist. Einen Begriff Hanns Hubert Hofmanns aufgreifend, hat Günter Christ vorgeschlagen, die Stellung der Domkapitel in diesen politischen Gebilden als „subordi-

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nierte Landeshoheit“ zu bezeichnen.263 Bewußt greift er zu einem Paradox, um zwei gegensätzliche Ansichten dieser Stellung zu kombinieren: Landeshoheit besaßen die Domkapitel ihrem Selbstverständnis nach in Bezug auf ihre eigenen Besitzungen und in Zeiten der Sedisvakanz für die Hochstifte als ganze; subordiniert waren sie nach dem Verständnis der Fürstbischöfe wie vor allem nach dem der übergeordneten Instanzen Kaiser und Papst. Denn das Haupt einer Kirche sei der Bischof; auch in Zeiten der Sedisvakanz seien die Domkapitel allenfalls Treuhänder, nicht Inhaber der Herrschaft. Ohne Stellung zu beziehen, reproduziert Christs Vorschlag den zeitgenössischen Streit. Zudem handelt er sich mit dem Ausdruck „Landeshoheit“ all die Kritikpunkte ein, die von der neueren Forschung gegen die Illusion geschlossener Landesherrschaft erhoben wurden. Keineswegs zielte domkapitulare Herrschaft auf territoriale Verselbständigung oder gar Staatsbildung. Vielmehr erkämpften die Domkapitel ihre Immunitäten, Gerichtsrechte und Verwaltungsstäbe nur, um den eigenen Grundbesitz zu sichern und ungestört die Einkünfte aus diesem Patrimonium zu genießen. Domkapitulare Herrschaft war patrimoniale Herrschaft par excellence. Sie beschränkte sich auf Besitzstandswahrung, Ausgangspunkte für eine darüber hinausführende Herrschaftsverdichtung gingen ihr ab. Wenn einzelne Kapitulare dennoch Bestrebungen in diese Richtung entwickelten, flossen diese nicht in die domkapitulare Selbstverwaltung, die über Jahrhunderte bemerkenswert stabil und das heißt unverändert blieb: auf Reproduktion beschränkt. Vielmehr nahmen diese Impulse wie selbstverständlich Richtung auf die Mitregierung der Hochstifte als ganze und auf das Bischofsamt. Nur die Bischofsherrschaft wies über die bloße Verwaltung des Kirchenguts hinaus: sei es aufgrund des bischöflichen Amtscharismas, das den Bischof zur Quelle aller Sakramente machte, zum obersten Lehrer, Aufseher über die Sittenzucht und geistlichen Richter über seine Kirche, sei es aufgrund der vom Reich verliehenen Regalien. Gleichwohl hat nicht einmal die Bischofsherrschaft sich zu einer geschlossenen Landesherrschaft verdichten lassen. Das lag sicher nicht nur daran, daß dieser Herrschaft militärische Gewalt und Zwangsmittel fehlten. Entscheidend gewesen sein dürfte, daß sie durch die Mitregierung der von ihr unabhängigen Domkapitel zum Konsens gezwungen war, gebremst wurde oder spätestens während der nächsten Sedisvakanz und durch die nächste Bischofswahl zurückgenommen werden konnte. Daraus ergibt sich der dritte, der entscheidende Einwand gegen den Begriff der subordinierten Landeshoheit. Der Ausdruck isoliert die domkapitulare Herrschaft von der bischöflichen, der sie doch konstitutiv verpflichtet bleibt: Noch wo, wie gezeigt, das Domkapitel sich vom Bischof abgrenzt und gegen dessen Zugriff immunisiert, verpflichtet es ihn auf Schutz und Schirm gegen Dritte. Domkapitulare 263 Christ: Landeshoheit. Hofmann hatte mit diesem Begriff ein Verhältnis bezeichnet, in dem Reichsritter „in den Reichsgrafenstand erhoben und als Personalisten in das Reichsgrafenkollegium aufgenommen wurden“, mit ihren Gütern aber weiterhin dem ritterschaftlichen Verband inkorporiert blieben und mit diesem Steuern zahlten (Hofmann: Herrschaft, S. 106 f.).

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Herrschaft ist als selbständige nicht vorstellbar. Notwendig bleibt sie als Widerpart auf die bischöfliche bezogen. Trotz ihres Gegensatzes gehören beide untrennbar zusammen. Strukturell betrachtet bilden sie zwei Seiten einer einzigen Herrschaft. Für diese soll hier der übergeordnete Begriff der Stifts- oder Kirchenherrschaft vorgeschlagen werden.264 Unter den zahlreichen Herrschaftsformen der Frühen Neuzeit bildet er einen eigenen Typus. Bedingt durch den Grundsatz, daß kirchliche Führungspositionen nur durch Wahl besetzt wurden, prägt kirchliche Herrschaft überall, wo sie anzutreffen ist: vom Reichsstift über die Fürstbistümer der Reichskirche bis zum „Kirchenstaat“, die gleiche Teilung, den gleichen Dualismus zwischen geschlossenem Wahlgremium und Regierungsspitze aus. Ob Stiftsherren, Domkapitel oder Kardinalskollegium, überall entstehen selbständige Körperschaften, die sich gegenüber dem gewählten Regierungshaupt immunisieren und zugleich an dessen Regierung beteiligen. Beides darf nicht als Gegensatz verstanden werden. Von Dauer sein konnte die Privilegierung des Wahlgremiums nur, wenn es seinen Widerpart ständig kontrollierte. Sich auf den Genuß der eigenen Pfründen und die Selbstverwaltung zurückzuziehen, wäre viel zu gefährlich gewesen. Wie die Herrschaft über das eigene Patrimonium kann auch die Beteiligung an der Gesamtregierung als Besitzstandswahrung gedeutet werden. Zugleich schufen der eigene Besitz und die darauf beruhende Selbstregierung aber die Voraussetzung, daß die Wahlgremien sich vergemeinschafteten. Mit der Geschlossenheit und dem Anspruch auf Unabhängigkeit, die sie erzeugten, entstand der Geist, aus dem diese Gemeinschaften lebten. Durchaus verstanden sie sich auch als Sachwalter des Stifts als ganzem. Nur dadurch konnten sie sich ihrer militärischen Schwäche zum Trotz immer wieder gegen Druck und Einflußnahme von außen behaupten. Darüber hinaus bot die Regierungsbeteiligung unruhigen Geistern ein Betätigungsfeld, schulte künftige Kandidaten für das Fürstenamt und ermöglichte bei allen Richtungswechseln eine gewisse Kontinuität der Regierung. Insofern trug auch die 264 Vermieden werden damit zwei andere Termini: die Bezeichnung „Staat“ und das Attribut „geistlich“. Gemeinwesen, die nicht einmal geschlossene Landesherrschaften waren, sollte man nicht Staaten nennen. Und als geistliche wären sie allenfalls insofern zu charakterisieren, als in ihnen Geistliche regierten. Den ebenfalls in dem Attribut anklingenden Anspruch, Theokratien zu sein, erhoben sie nicht. Den Unterschied zu wirklichen Staaten haben auch die zeitgenössischen Beobachter gesehen: „Das Zauber= und Mode=Wort: Staat, kann vor ihn [=den geistlichen Fürsten, J.S.] den Reiz nicht haben, als vor den den Repräsentanten des Staats machenden und im Nahmen des Staats alles verzehrenden, in seine Cassen und Gewölber zusammen scharrenden, in Geld= und Länder=Durst unzuersättigenden, Monarchen, nur Ehrgeiz der reinsten edelsten Gattung, nur ein Vater=Herz und Hirten=Liebe vor sein Volk kan ihn zu löblichen Thaten ermuntern und stärken, denn nur ihm kommt in buchstäblicher Bedeutung des Worts der Name eines Staats=Verwalters zu, weil schlechte, nachtheilige, unbesonnene Handlungen ihm nicht so, wie einem weltlichen Souverain, ungenossen hingehen, weil er das wachende Auge eines Capitels über und um sich hat und selbst in dem, was er nach seiner Erkänntniß als gut, nüzlich und nöthig erachtet, mit weit mehr Hindernissen, als ein weltlicher Fürst, zu kämpfen hat [ . . . ].“ (F. K. v. Moser: Ueber die Regierung, S. 149, Hervorhebungen im Original; zu den dahinterstehenden Vorstellungen bei Moser s. Hammerstein: Denken, S. 325–28). Speziell zum Hochstift Würzburg vgl. Hofmann: Herrschaft, S. 85 f., Willoweit: Staatsorganisation, S. 70 f.

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A. Handlungsbedingungen

ständische Privilegierung der Wahlgremien zum Erhalt kirchlicher Herrschaft bei. Als ständisch-patrimoniale Herrschaft kann Stiftsherrschaft daher mit Max Weber bezeichnet werden. In diese politische Ordnung vermochten Innocentiana und Leopoldina nicht wirklich einzugreifen. Sie bewirkten lediglich, daß man einige derjenigen Bestimmungen wegließ oder umformulierte, an denen Papst und Kaiser besonderen Anstoß genommen hatten, vor allem die Zustimmungspflicht des Domkapitels zur Heerfahrt. An der Grundstruktur, daß Stiftsherrschaft geteilte und beschränkte Herrschaft war, änderte dies nichts. Sie findet sich in allen Kapitulationen des Korpus ausgedrückt, vor wie auch nach Innocentiana und Leopoldina, galt trotz mancher Unterschiede im einzelnen für alle Hochstifte der Schönborn-Lande gleichermaßen. Eine mittelbare Änderung gab es aber doch. Sie betraf den Begriff der Gemeinwesen, denen Domkapitel und Fürstbischof zugehörten. Solange dieser Begriff sich aus dem leiblichen Eid ergab, den die Fürstbischöfe nach ihrer Wahl ablegten, war er sakral, umfassend und verpflichtete die Fürstbischöfe unmittelbar. Über die Einzelrechte und Privilegien verschiedener Korporationen in den Wahlkapitulationen wies er hinaus – kontrafaktisch zur Polyvalenz altständischer Gerechtsame existierte das Würzburger Hochstift als umfassende politische Vergemeinschaftung zumindest vor Gott. Seine Sakralität lieh dem Begriff dieses Gemeinwesens ein Telos, das seine reale politische Uneinheitlichkeit kompensierte – in seinem Namen konnten die Fürstbischöfe die Korrektur einzelner Formulierungen betreiben: so Johann Philipp von Schönborn, der seine Würzburger und Mainzer Wahlkapitulationen in Absprache mit den Domkapiteln revidierte; so Johann Philipp von Guttenberg, der seine Würzburger Wahlkapitulation gegen das Kapitel per Prozeß annulieren ließ. Als der Eid im Gefolge von Innocentiana und Leopoldina aber in ein weltliches Fürstenwort verwandelt wurde, schwand diese sakrale Unmittelbarkeit. Der Begriff des Gemeinwesens fiel positivrechtlich mit der politischen Ordnung zusammen, wie sie von Seiten der Domkapitel in den Wahlkapitulationen formuliert wurde. Und dagegen boten die Fürstbischöfe nun Juristen auf, die diese Ordnung am Maßstab des Naturrechts bewerteten265 – und zu vernichtenden Urteilen darüber gelangten. Nicht mehr das Gewissen einzelner Fürstbischöfe provozierten die Wahlkapitulationen, sondern die öffentlich vorgetragene Grundsatzkritik brillianter Juristen. Ein hervorstechendes Beispiel ist Johann Adam Ickstatt (1702–1776). Schüler Isaak Newtons und Christian Wolffs, nachhaltig von der englischen Aufklärung geprägt, ernannte ihn auf Empfehlung des Grafen Friedrich von Stadion-Warthausen (einer Schlüsselgestalt der katholischen Aufklärung) dessen Cousin Friedrich Karl von Schönborn 1731 zum Ordinarius für öffentliches Recht an der Universität Würzburg.266 Auf dieser Position behandelte Ickstatt in vielgelesenen Gutachten 265 Zu diesem Vorgang allgemein Stollberg-Rilinger: Wahlkapitulation, S. 379–381 mit weiterer Literatur. 266 Erst von diesem Ereignis an habe es, so Johann Stefan Pütter, eine katholische Pflege des öffentlichen Rechts an deutschen Universitäten gegeben (Pütter: Litteratur, Bd. 1, §§ 262,

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und Traktaten Fragen der domkapitularen Mitregierung, später auch der Wahlkapitulationen, veranlaßte er Doktoranden zur Disputation ähnlicher Fragen (wie der domkapitularen Sedisvakanzregierung), stellte er den fürstbischöflich-domkapitularen Dualismus insgesamt auf den Prüfstand. Mit ihm erreichte die juristische Diskussion um die bischöflichen Wahlkapitulationen eine neue Qualität. Hatte man, solange sie geheimgehalten wurden, nur allgemein davon handeln können, sich um 1700 dann auf die Publikation von Prozeßakten und umstrittenen Wahlkapitulationen beschränkt, so erörterte Ickstatt als erster positivrechtliche Einzelheiten der Stiftsherrschaft. Durch historische Untersuchungen wies er nach, daß die domkapitulare Mitregierung erst im Hoch- und Spätmittelalter institutionalisiert, von Papst und Kaiser keineswegs beabsichtigt worden war. Am Maßstab des Naturrechts prüfte er einzelne Ansprüche der Domkapitel, um sie einer radikalen Kritik zu unterziehen. Uneingeschränkt solle der Fürstbischof in seinem Land herrschen, nach außen sich in den Reichsverband einordnen und auf den Kaiser als „Ursprung des Reichs“ und advocatus ecclesiae beziehen. Ohne es zu wollen, lieferten solche katholische, auf fürstbischöfliche Herrschaftsverdichtung zielende, daher von Führern der Reichskirche wie Friedrich Karl von Schönborn geförderte Publizisten den spätaufklärerisch-protestantischen Kritikern der Stiftsherrschaft die Munition267 – nur zum unreformierbaren Geburtsfehler der Kirchenherrschaften brauchten die Spätaufklärer den Befund noch zu erklären. Die Entsakralisierung der Fürstbistümer zu innerweltlich-positivrechtlichen Ordnungen ermöglichte eine naturrechtlich und historisch argumentierende Grundsatzkritik, die diesen Gemeinwesen im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Legitimation entzog. Ohne transzendentales Telos vermochten sie als politische Gebilde nicht lange zu überzeugen. Mit anderen Worten: Bereits um 1700 geriet die Legitimation der Stiftsherrschaft in eine fundamentale Krise. Handlungszusammenhang: Als Bischofseid stellen die Wahlkapitulationen sich nach den bisherigen Ergebnissen dar, als Herrschereid, den die Bischöfe im Anschluß an ihre Wahl ablegten. Betrachtet man diese Rechtshandlung jedoch genauer, so kommt zu den bisherigen Ergebnissen ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. 263; vgl. Stolleis: Glaubensspaltung, S. 273 f.; zu Ickstatt s. Kreh: Leben, vor allem S. 22– 64, Hammerstein: Jus und Historie, S. 306–308, ders.: Aufklärung, S. 33–73 sowie Stephan: Glanz, S. 59 f.). 267 Die Diskussion führte von der Dissertation des Ickstatt-Schülers Dresanus: De superioritatis territorialis (1739) und den später veröffentlichten, durch die Lehre in Würzburg aber vorbereiteten Schriften Ickstatts: Disqvistio (1758) und ders.: Vindiciae (1759) über David Georg Strube: Erb= und Grund=Herrschaft (1742) und die Heidelberger Dissertation von Johann Philipp Pröstler: Capitulatio (1758) hin zu den Pütter-Schülern Adolph Felix Heinrich Posse: Rechtsbeständigkeit (1784) und Peter Anton Frank: Etwas über die Wahlkapitulationen (1788); ders.: Beyträge (1789; zu Frank s. Stollberg-Rilinger: Wahlkapitulation, S. 386–389). Bereits angeführt wurde der Diskussionsbeitrag von Buder: Diatriba (1725). Zu nennen ist ferner die Dissertation des Buder-Schülers Johann Jakob Schwarz: De Capitvlationibvs (1737). Und dies sind nur die selbständigen Schriften über die bischöflichen Wahlkapitulationen.

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A. Handlungsbedingungen

Bis in kleinste Einzelheiten sind die Vorgänge bei den Bischofswahlen dokumentiert. Das liegt zum einen daran, daß das Wahlverfahren im kanonischen Recht genau geregelt war.268 Um Rechtskraft zu erlangen, mußte bei den Wahlen alles richtig gemacht werden. Daher fanden sie im Untersuchungszeitraum unter Beiziehung von Notaren statt, ließ man stets ein notarielles Instrumentum Electionis oder Wahldekret darüber verfassen. Zum anderen bildete die Bischofswahl Höhepunkt und Abschluß der domkapitularen Sedisvakanzregierung. Nie war das Kapitel wichtiger, nie vergewisserte es sich seiner selbst gründlicher als bei einer solchen Wahl. Auch in den domkapitularen Protokoll- oder Rezeßbüchern wird der Rechtsakt daher auf das genaueste beschrieben. Bereits die Überlieferungslage zeigt also an, daß Bischofswahlen in der Frühen Neuzeit sowohl einen bestimmten Zweck erfüllten, indem sie eine allgemein verbindliche Entscheidung herbeiführten, als auch symbolische Bedeutung besaßen, indem das Domkapitel sich in ihnen selbst und sein Verhältnis zu dem neugewählten Bischof darstellte. Interessierte die ältere Forschung sich allein für die Ergebnisse und deren Ursachen, so hebt man neuerdings den Eigenwert solcher Verfahren für die symbolische politische Kommunikation hervor. Barbara StollbergRilinger spricht von „Verfahrensautonomie“, wenn das Verfahren aus dem Alltag herausgehoben und der Teilnehmerkreis definitorisch beschränkt ist, wenn verschiedene Verfahrensrollen existieren und die Verfahrensregeln Vorrang besitzen vor Einflüssen von außen; d. h. wenn die Beteiligten selbst entscheiden, was das Verfahren ergibt und was nicht.269 Ob diese Bedingungen bei den frühneuzeitlichen Bischofswahlen erfüllt waren, ist umstritten. Vor allem in Bezug auf das entscheidende vierte Kriterium hat man daran erinnert, daß das Wahlverfahren durch das Kirchenrecht festgelegt war (also nicht der Selbstbestimmung der Beteiligten unterlag); daß die Wahlentscheidung in einem päpstlichen Informativprozeß überprüft wurde (also nachträglich von außen revidiert werden konnte) und der Gewählte approbiert werden mußte; daß der Wahlausgang selten offen, das Wahlergebnis meist schon vor dem eigentlichen Wahlverfahren ausgehandelt war.270 Zu überzeugen vermögen diese Einwände 268 Dekretalen X 1.6.31 ff. Eine systematische Zusammenstellung findet sich z. B. in Passerinus: Tractatus de electione. 269 Stollberg-Rilinger: Einleitung, S. 15–17. „Politische Verfahren im strengen Sinne kann man definieren als Handlungsabläufe, die in ihrer äußeren Form bestimmten Regeln folgen und die zur Hervorbringung allgemein verbindlicher Entscheidungen, d. h. letztlich zur Herstellung kollektiver Handlungsfähigkeit dienen.“ (ebd., S. 14). Die Einleitung enthält zahlreiche Hinweise auf weitere Literatur zu diesem wichtigen Neuansatz der Forschung. Vgl. den Forschungsbericht Stollberg-Rilinger: Zeremoniell, Ritual, Symbol, ferner Tyler: Lord, S. 103–113. 270 So vor allem Schraut: Bischofswahl, S. 120 f. Ihr zufolge waren die Bischofswahlen des 17. und 18. Jahrhunderts bloße Symbolik vor „verabredetem Ausgang“ (so der Untertitel ihres Aufsatzes). Dabei stellt sie selbst fest, daß zumindest die Domkapitel des rheinischfränkischen Bistumssystems „sich im Allgemeinen auch erfolgreich gegen die Versuche umliegender Territorialfürsten bzw. Frankreichs oder des Hauses Habsburgs [wehrten], Bistums-

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nicht. Die kanonische Regelung des Wahlverfahrens war so formell, daß sie den Ausgang durchaus offenhielt. Die mögliche Aufhebung einer Wahlentscheidung durch den Papst mindert die Verfahrensautonomie der Wahl genausowenig – sonst wären auch moderne Parlamentsentscheidungen nicht autonom, weil sie von einem Verfassungsgericht aufgehoben werden können. Vorabsprachen schließlich findet man in modernen Parlamenten ebenfalls (nunmehr „Fraktionsdisziplin“ genannt), ohne daß ihren Entscheidungen deshalb die Verfahrensautonomie abginge.271 Wie immer und überall ist auch bei den frühneuzeitlichen Bischofswahlen Autonomie keine Sache jedesmaliger Ergebnisoffenheit; Autonomie muß sich nicht permanent gegen Einflüsse von außen beweisen. In Erscheinung tritt sie in Krisen-, also in Ausnahmesituationen: wenn sie dann erfolgreich einem Eigensinn folgt und sich gegen die gewöhnlich vorwaltenden Einflüsse behauptet. Daß dies bei frühneuzeitlichen Bischofswahlen immer wieder geschehen ist, wird man nicht abstreiten, regelmäßig zumal bei denen des rheinisch-fränkischen Bistumssystems.272 Hier jedenfalls wird von einer verleichsweise hohen Verfahrensautonomie der dortigen Bischofswahlen ausgegangen. Als zentrales politisches Verfahren in diesen Gemeinwesen werden sie angesehen. Ansetzen kann ihre Analyse bei dem Ordo Electionis, der für die Würzburger Bischofswahl am 18. September 1719 formuliert wurde.273 In Form einer Liste besetzungen und Bistumspolitik zu beeinflussen“ (123). Dennoch habe ein anderer Einfluß von außen den Wahlausgang bestimmt, nämlich „die ständische Herkunft des Bischofskandidaten“ (124). Leider ist Schrauts Argumentation zirkulär: Da sie als Variablen allein die ständische Herkunft der wahlberechtigten Domkapitulare und der gewählten Bischöfe berücksichtigt, stößt sie zwangsläufig auf eine Korrelation. Aussagekräftig ist diese Korrelation nicht, da alle anderen Einflußfaktoren ausgeblendet bleiben. 271 Von den Beteiligten wurden Vorabsprachen wohl als Dienst an der Gemeinschaft angesehen – trugen sie doch dazu bei, Konflikte bereits im Vorfeld der Wahl zu bereinigen und das allgemein angestrebte Ziel der Einstimmigkeit zu erreichen. Solche unanimitas kam zustande, indem die unterliegende Fraktion ihre Aussichtslosigkeit anerkannte und den Kandidaten der stärkeren mitwählte. Das brachte ihr u. U. nicht nur erhebliche Entschädigungssummen, es gestattete ihr auch, das Gesicht zu wahren. Denn für solche Selbstüberwindung durfte sie besondere Anerkennung beanspruchen, schließlich stellte sie die Einheit des Domkapitels wieder her, die durch Wahlen stets besonderen Belastungsproben unterworfen wurde. Wie hoch die Einmütigkeit geschätzt wurde, die nur durch Vorverhandlungen zu erreichen war, zeigt sich daran, daß sie altem kirchlichen Denken zufolge bei Wahlentscheidungen den Willen Gottes signalisierte (Schreiner: Wahl, S. 79, 82, 86, 91 f., 93). 272 Ein Beispiel dafür ist die Würzburger Bischofswahl von 1724, in der das Würzburger Domkapitel sich erfolgreich gegen massive Drohungen und Pressionen des Kaisers behauptete und die eigene Wahlentscheidung gegen alle kirchen- und reichsrechtlichen Argumente der unterlegenen Schönborn-Partei durchsetzte (vgl. die ausführliche Analyse von Christ: Bischofswahl, vor allem S. 496). 273 ByStAWü WDKP 1719, fol. 224–225. Für die folgende Beschreibung wurden die Stichpunkte des Ordo übersetzt und ausformuliert, ferner um Einzelheiten aus anderen angegebenen Quellen ergänzt. Über das Verfahren, das man in Würzburg im 18. Jahrhundert bei Bischofswahlen beobachtete s. auch die Dissertatio, die Ignaz Gropp 1744 in seiner Collectio novissima scriptorum et rerum Wirceburgensium veröffentlichte (Gropp: De hodierna pompa). 9 Süßmann

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verzeichnet er die „ordnung des wahl geschäffts [ . . . ], wie eines nach dem ande[r]n gehalten, und gerichtet werd[en] solte.“ Danach versammelten sich am Morgen des Wahltags alle Domherren im Kapitelsaal.274 Gemeinsam begaben sie sich in den Dom, wo sie eine Messe de Spiritu Sancto feierten, die Kommunion empfingen und den Heiligen Geist auf sich herabriefen.275 Nach der Rückkehr in den Kapitelsaal wurde jeder Domherr namentlich aufgerufen, um offiziell festzustellen, wer anwesend war und wer fehlte.276 Der Dekan schilderte Anlaß und Umstände der Wahl, ein Weihbischof (der nicht dem Domkapitel angehörte), wurde empfangen und erinnerte an ihre geistliche Bedeutung. Nach seiner Verabschiedung entschieden die Domherren, welchen Verfahrens sie sich für die Wahl bedienen wollten.277 Drei Wahlleiter wurden benannt, 274 Das Protokoll ergänzt: „In die Electionis frühe um Halb sechs uhr die Metten cum laudibus cursirt, die Meieste gnädige Herren Capitulares im Chor Jhre beicht verrichtet, hierauff in den CapitulSaal gang[en], von dannen vom Kerchner mit dem stab, und Kibitzen mit den Kirch[en]fahnen in chor geführt Ein Jed[er] seins orts in denen gewöhnl: stühlen betretten, Meß zu hören.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 242v). Vgl. Gropp: „Decreto per Reverendissimum Cathedrale Capitulum pro celebrandis Comitiis die, quibus novus eligendus est Episcopus, absentibus etiam Canonicis ad eundem mature vocatis, pridie sub horam 5. decantatur in Choro Matutinam cum Laudibus sequentis diei. Hoc illucescente sub horam 6. vel 7. matutinam, pro ratione temporis determinatam, conveniunt omnes DD. Capitulares in loco Capituli, a quo, præcedentibus Ædituo sceptrigero ac Vexilliferis, processionaliter in Chorum descendunt, occupantes singuli singula loca sibi competentia.“ (Gropp: De hodierna pompa, S. 206). 275 „Nach der Meß in pede Altaris das Meßgewand cum Manipulo abgenommen, das pluviale dargeg[en] angelegt, flexis genibus Hymnum: Veni Creator Spiritus. selbsten angestimt, auff der orgel völlig aus Musicirt bis zum vers: Emitte Spiritum tuum &c: darauff die Collect de Sancto Spiritu: Deus qui Corda: &c: gesung[en].“ (ByStAWü WDKP 1719, fol 242v, vgl. ebd. fol. 235v; ebenso Gropp: De hodierna pompa, S. 206). Die Heiliggeistmesse war kirchenrechtlich vorgeschrieben: Invocata Spiritus Sancti gratia, X 1.6.42. 276 Dies war nicht nur für die Stimmabgabe von Bedeutung, sondern auch für die Wahrnehmung der „ersten Bitten“ – teilten doch die anwesenden Domherren das Recht, die erste, nach dem Wahltag freiwerdende Stelle in einem Nebenstift, Spital oder Kloster unter Würzburger Oberhoheit zu besetzen (ursprünglich ein bischöfliches Vorrecht), untereinander auf (vgl. ByStAWü WDKP 1719, fol. 231 f. und Gropp: De hodierna pompa, S. 206). In den Genuß einer solchen Stellenvergabe kamen allerdings nur die vor Ort anwesenden Domherren. Offenbar war es also nötig, die Wahlberechtigten durch eine Gratifikation zu veranlassen, daß sie anreisten und sich aktiv an der Wahl beteiligten. Da der Wahlausgang in der Regel vor der Wahl ausgehandelt wurde, die eigene Stimmführung also feststand und da man die eigene Stimme im Fall einer Verhinderung auch über Bevollmächtigte abgeben konnte, bestand wohl die Gefahr, daß die Wahlhandlung zum unspaktakulären Verwaltungsakt verkam, der auch hätte von den allzeit vor Ort anwesenden Kapitularen allein vollzogen werden können (s. Feine: Besetzung, S. 195 f.). 277 Drei Vorgehensweisen standen ihnen nach dem Kirchenrecht zur Verfügung: die electio per scrutinium; die electio per compromissum; die electio per inspirationum (X 1.6.42, vgl. Schreiner: Wahl, S. 92–94; Feine: Besetzung, S. 187–237; ders.: Rechtsgeschichte, S. 380– 383 und S. 533 f.; Hinschius: System, Bd. 2, S. 657–672). Im hier betrachteten Fall entschied man sich (wie in Würzburg zumeist, s. Feine: Besetzung, S. 203) für eine electio per scrutinium, „dergestalten, das solches Præsentibus omnibus, et singulis, ohne abtritt zu mehrerer versicherung, dazumahlen, wie bereits oben Erwehnet, zu Rom beÿ d[er] vorig[en] wahl

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ein Notar und zwei Zeugen hinzugezogen und über ihre Pflichten informiert. Der Schriftführer des Domkapitels278 verlas, wem die abwesenden Domherren ihre Stimmabgabe übertragen hatten und fragte, ob es Einwände dagegen gebe. Es folgte die feierliche Vereidigung aller Beteiligten: Es schwuren der Notar und die Zeugen, es schwuren die Wahlleiter, es schwuren die Wahlberechtigten – je nach Aufgabe eine andere Eidesformel.279 Erst danach kam es zur eigentlichen Wahlhandlung. Da sie sich in strikter Klausur vollzog, mußte der Schriftführer mit allen anderen Unbeteiligten das Wahllokal verlassen; protokolliert wurde sie durch den Notar.280 Erinnert word[en], das solches ins künfftig in obacht genommen werden mögte; deme zu folge dann alle herren in eben dem Zimmer dergestalt, in parte Ejusdem remotà verblieben, das keiner des and[er]en votum hören könne“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 232 f.). Da das Ergebnis dann jedoch einstimmig ausfiel (bis auf die Stimme des Gewählten), konnte die Wahl zugleich als eine per inspirationem gelten. Das Ideal der unanimitas wurde erreicht, das Ergebnis dadurch besonders legitimiert. 278 Es handelt sich um den Syndicus des Kapitels. Im Anschluß an sein Protokoll hat er einige Absätze hinzugefügt: „Beÿ der Wahl S:r hochfürst: gn: erwehlten Bischoffs, und hertzog[en] zu franckh[en] herrn, herrn Johann Philipp Franz den 18.t: 7bris i7i9 ist im Chor hohen Domstiffs bemerckhet word[en] folgendes“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 242v) und unterschrieben (ebd., fol. 244v). Dadurch erfahren wir seinen Namen: Johann Melchior Schenkel. Ferner verraten seine Bemerkungen, daß es sich nicht um einen einmaligen Ablauf handelte. Vielmehr sollte er für künftige Wahlen als Richtschnur dienen, wie er seinerseits an vorausgegangenen Wahlen orientiert war. Bis auf einige Besonderheiten, auf die noch einzugehen sein wird, kann der hier geschilderte Ablauf also durchaus als typisch gelten. Das beweisen auch die Übereinstimmungen mit der zwei Jahrzehnte später entstandenen Dissertatio von Gropp. 279 ByStAWü WDKP 1719, fol. 233–234 führt die unterschiedlichen Eidesformeln einzeln auf; s. u. Anm. 292. 280 ByStAWü WDKP 1719, fol. 234. Dieses Protokoll, ein sogenanntes Instrumentum Electionis zur Würzburger Bischofswahl von 1719, ist durch drei Textzeugen überliefert: als Prachthandschrift, als Abschrift und als Druck. Die Prachthandschrift (ByStAWü WüU-Libell 119) ist ein Heft, bestehend aus einem Papier- und vier Pergamentbögen im Folioformat, die einfach gefaltet, ineinandergelegt, mit rotschwarzer Kordel geheftet und mit einem prachtvollen Einband versehen sind. An der Kordel hängt in einer Kapsel das Wappen des Notars. Auf der zweiten Pergamentseite findet sich ein gemaltes Wappen des neugewählten Bischofs Johann Philipp Franz von Schönborn, auf der dritten bis zehnten Pergamentseite folgt der Text. Er ist unterschrieben mit „Balthasar Ditterich, Apostolicâ et Cæsareâ Auctoritatis Notarius Publicus et Juratus, Reverendissimi Capituli Herbipol. Registrator“. Die Abschrift (von der Hand des Syndicus) findet sich im Rezeßbuch des Würzburger Domkapitels (ByStAWü WDKP 1719, fol. 234v-240). Die gedruckte Version (ByStAWü WüU-Libell 119) besteht aus drei einfach gefalteten, ineinander gelegten, mit schwarzrotweißer Kordel gehefteten Foliobögen. Auf S. 1 der handschriftliche Titel: „Instrumentum Electionis in Episcopum Factæ in Personam Reverendissimi ac Celsissimi S.R.J. Principis ac Domini, Domini Joannis Philippi Francisci, ex S: R.J. Comitibus de Schönborn Buchaimb D: Domini mei [!] gratiosissimi Die i8t. Septembris i7i9.“, S. 3–9 der gedruckte Text, S. 9 Siegel und Unterschrift von Balthasar Ditterich. Da es sich um eine Wahl „via scrutinÿ“ handelte, bestand die Handlung darin, daß die Wahlleiter jeden Wahlberechtigten einzeln und außerhalb des Kapitels befragten, wem er seine Stimme erteilte. Das Ergebnis hielten sie im Beisein von Notar und Zeugen schriftlich 9*

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Die Wahlleiter stellten vor Notar und Zeugen das Ergebnis fest und befragten einander, ob sie es einvernehmlich bekannt machen könnten; darauf teilten sie es in einem feierlichen Kürspruch dem Gewählten mit. Dieser beteuerte, er sei unwürdig, gab jedoch dem Drängen von Wahlleitern und Kapitel nach und erklärte, er nehme die Wahl an. Nun begab der Notar sich aus dem Kapitelsaal in den Dom, wo er dem versammelten Volk den Wappenschild des Gewählten zeigte und seinen Namen verkündete.281 Das Volk akklamierte, Pauken und Trompeten erschallten, die Stadtglocken antworteten, der Notar kehrte in den Kapitelsaal zurück. Dort legte der Dekan dem Gewählten eine weiße Stola um282 und führte ihn an den Tisch. Während die Domglocken läuteten, bekannte der Gewählte bei offener Kapitelstür erst seinen Glauben, dann schwur er seinen Bischofseid, dann gab er ein Ehrenwort, sich an die „Monita“ zu halten.283 Es folgte die Installation:284 In einer feierlichen Prozession führten Dekan und Domherren, Vasallen, Adel und Hof den Neugewählten in den Chor des Doms, wo fest. Nach dieser Erhebung prüften sie die Anzahl der abgegebenen Voten und ermittelten das Ergebnis (vgl. ByStAWü WDKP 1719, fol. 237 f. und Gropp: De hodierna pompa, S. 207). Die kirchenrechtliche Regelung: X 1. 6. 50. 281 Merzbacher: Kiliansdom, S. 70. 282 Die Stola wird auch als iugum Dei bezeichnet – sie dem Gewählten überzuwerfen, hieß, ihn ins Joch zu spannen, ihn in die Pflicht zu nehmen. 283 Bezeichnenderweise wird letzteres nur in dem Ordo Electionis erwähnt, der für den internen Gebrauch bestimmt war, nicht in dem notariellen Instrumentum Electionis, das dem päpstlichen Approbationsverfahren diente (vgl. ByStAWü WDKP 1719, fol. 224v und 239), ebensowenig in der für die Öffentlichkeit gedachten Darstellung von Gropp (Gropp: De hodierna pompa, S. 207). Da zu diesem Akt der Schriftführer des Domkapitels wieder zugelassen war, verfügen wir jedoch auch über dessen Bericht: „Clausà Ianuà seÿnt die monita, oder vorstellung prædicirt word[en], So von Einem ohnpartheÿischen Dritteren zu einem Zukünfftig[en] glücklich[en], innig[en], und Landsersprießlich[en] Regiment zusammen getrag[en], aus denen geist: und weltl: rechten altem stiffts herkommen= und löbl: gewohnheithen ausgezoge[en] worden, dergestalten, das Sie nöthig[en] falls beÿ Päbstlicher Heÿligkeit, und Kaÿl: Maÿ: ad confirmandum könten vorgelegt werd[en]. wie das darüber ausgefertigte Documentum weitheren Jnnhalts mit sich führet; Welches in ansehung es weitläuffig, und zum vor= und ablesen viele zeit erfordert; So Erwehnten Jhro des herrn DomDechants gn:, das S:e Neü-Erwöhlten hochfürst: gn: solches ad legendum vorhero were communicirt, und Sie selbes bereits gelesen hetten, mithin desweg[en] nit nöthig seÿn werden, nochmahlen von Worthen, zu worthen, wie bereits auch Capitulariter beschehen, abzulesen. Höchstged: S:e hochfürst: gn: haben darauff sich dahin gdgst. erclähert, das Sie diese Monita, od[er] vorstellung communicirt bekommen, und gelesen, darinnen auch in specie puncta gefund[en] hetten, welche Sie schon beÿ vorig[er] regierung für nothwendig, nutzlich, und gut erachtet hetten; Sie versprecheten hirmit beÿ Cavaliersparola sothanen ufgesezt= und Co[dif]icirten puncten nach zu kom[m]en, so viel möglich, solte sich aber in Ein= und and[er]en anstand[en] eraignen: So wolten Sie sich darüber mit dem hochwürdig[en] DomCapitul vernehmen, und in gutem frid[en] und Einigkeith mit demselben zu leben suchen; worauff Jhro gn: der herr DomDechant S:e hochfürst: gn: so wohl zu unthgster. Dankhsagung für diese gdgste. Declaration, als auch zu acceptirung[en] des hochfürst: versprechens die genommene Hand unthgst. küßen wollen.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 241 f.). 284 Zum Folgenden vgl. den Ordo (ByStAWü WDKP 1719, fol. 224v f.), das Instrumentum (ebd., fol. 239 f.) und das Protokoll von Schenkel (ebd., fol. 241v f.) sowie seine Memo-

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auf dem Hochaltar die Kopfreliquiare der Würzburger Märtyrer Kilian, Kolonat und Totnan ausgestellt waren, davor ein Lehnsessel mit einem Kissen aus rotem Samt.285 Vor den Altarstufen kniete der Neugewählte nieder und betete, dann stieg er hinauf, wandte sich um und stellte sich vor den Sessel. Hier präsentierten die Domherren ihn dem versammelten Volk und gratulierten ihm, während der Weihbischof das Te Deum laudamus anstimmte. Dann geleiteten sie ihn vom Hochaltar zum Bischofsthron auf der Evangelienseite des Chors und installierten ihn.286 Im Anschluß wurde ihm das silberne Band gereicht, um das Totenglöcklein anzuschlagen: Drei Mal, unterbrochen von kurzen Pausen, hatte das zu geschehen.287 Von der Festung antworteten die Kanonen, die übrigen Glocken fielen ein, während der Senior des Kapitels den Gewählten an seine Sterblichkeit erinnerte. Die Kollekte wurde gesungen, der Neugewählte zum Grab seines Vorgängers geführt, wo er betete, während man ihm abermals das Memento mori sagte. Vom Dom führte der Weg in die (gleich daneben gelegene) hochstiftische Kanzlei, wo der Neugewählte der Regierung präsentiert wurde und deren Gratulation rabilia über das beachtete Zeremoniell (ebd., fol. 243 f.). Ferner Merzbacher: Kiliansdom, S. 70 f. mit Deutungen. 285 Vgl. das Instrumentum (ByStAWü WDKP 1719, fol. 239) mit der Darstellung bei Gropp (Gropp: De hodierna pompa, S. 207 f.). 286 „[ . . . ] herrn domDech: und herrn Senioris hochw: und gn: haben den Neo-Electum mit einer weißen stolà umlegt |: welche sie auch anbehalten bis ins schloß :| in der Mitten mit anfaßung des Chor=Rocks in chor processionaliter geführt, allwo vor dem hochaltar ein Knie=Stuhl mit einer rothsammeten teckh, und Küßen gestand[en]; auf welcher der herr Neo-Electus Eps. Kniend etwas gebettet, darnach hienauff zu einem Roth-sammeten seßel, woruff ein Roth-sammetes sitz=Küßen gelegen, welcher in medio ahm hohen altar auf dem fuß-brett gestand[en], begleidet. Neo-Electus aber hat sich nit gesezt, stando die gratulationes angenommen; Es stunden alle gdge. herren Capitulares von dem hohen Altar hinter dem Knie=Stuhl. Nachdeme herr DomDechant die gratulation abgelegt, hat herr Weÿhebischoffs hochw: und gn: das Te Deum laudamus angestimt auff d[er] Epistelseithen in infimo gradu altaris, unter welchem alle gnädige Herren Capitulares, und Domicellares nach= und nach gratulirt, nach diesen Herrn Sÿndicus Capituli mit denen herrn officianten, herr Sÿndicus thate vor sich, und die betente das Worth allein: Neo=Electus danckhete allen gratulirenden.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 243 ff.). Die Präsentation vor dem Lehnsessel vertritt hier offenbar die Altarsetzung, die Gratulation die Huldigung durch Küssen des Rings – schließlich handelte es sich um einen Gewählten, nicht um einen Investierten oder Geweihten (vgl. Feine: Besetzung, S. 232–234, zum ursprünglichen Sinngehalt s. Schreiner: Wahl, S. 102–104 und Merzbacher: Kiliansdom, S. 70 f.). In der späteren Darstellung von Gropp wird auch die Gratulation des kaiserlichen Wahlgesandten erwähnt (Gropp: De hodierna pompa, S. 208), die in Würzburg 1724 durchgesetzt worden war (dazu Christ: Praesentia regis, S. 69–72). Interessanterweise heißt es bei Gropp auch, der Neugewählte könne die Gratulationen, „si velit“, sitzend in Empfang nehmen (a. a. O.). 287 „Die Handlung geschah zum Zeichen, daß seine eigene fürstliche Herrlichkeit ebenso vergehen werde, wie der Glockenton verhallte. [ . . . ] Nicht zuletzt aber wurden in der deutschen Rechtsvergangenheit Kirchen und Kirchengüter vielfach mittels des Glockenseiles übergeben. Es liegt nahe, hier eine Kombination von liturgischem Glockengebrauch und rechtlicher Symbolik anzunehmen. Zudem drückt bekanntlich das Glockengeläute ein Herrschaftsrecht aus, bei dem allerdings die Rechtshandlung mehr und mehr vom Brauchtum abgelöst wurde.“ (Merzbacher: Kiliansdom, S. 71).

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entgegennahm. Sechsspännig und mit großem Geleit fuhr er danach durch die Domstraße, passierte das Rathaus und gelangte zur Mainbrücke, wo ihm Bürgermeister und Rat die Stadtschlüssel überreichten.288 Nachdem er sie an den Stadtkommandanten weitergegeben hatte, setzte er den Weg zur Festung fort. Die Geschütze schossen Salut, vor dem Tor der Festung erwarteten ihn die domkapitularen Statthalter, um ihm ebenfalls die Schlüssel zu überreichen. Ansprachen hießen ihn auf seinem Amtssitz willkommen, in der Kapelle der Festung sang man abermals ein Te Deum laudamus, zum dritten Mal wurden die Geschütze gelöst. Dann begab man sich zum Mahl. Bereits diese knappe Schilderung zeigt, wie komplex der Ablauf war. Zahlreiche Akteure wirkten zusammen, mehrfach gruppierte sich um, wer gerade handelte und wer das jeweilige Publikum war. Versucht man den Ablauf zu gliedern, so lassen sich folgende vier Phasen erkennen: Von der Meßfeier mit Anrufung des Heiligen Geistes bis zu den feierlichen Eidschwüren aller Beteiligten konstituiert und formiert sich das Wahlgremium. Mit einem Terminus aus der Rechtssprache der Zeit (der in den Würzburger Quellen nicht verwendet wird) kann man diese erste Handlungsphase als „Einung“ (unio) des Wahlkörpers bezeichnen. Es folgt als zweite Phase die eigentliche Wahl (electio). Die dritte Phase reicht von der Bekanntgabe, wie die Wahl ausgefallen ist, bis zur feierlichen Vereidigung des Gewählten; sie kann als proclamatio und approbatio bezeichnet werden. In ihr wird das Wahlergebnis anerkannt: durch das Wahlgremium; durch den Gewählten; durch das Volk. Auf sie folgt viertens die installatio, nämlich die Einführung des Gewählten in seine neue Position bzw. umgekehrt sein feierlicher „Aufzug“ und die Inbesitznahme der neuen Rechte. Deutlich wird durch diese Gliederung, daß der Vorgang eine Wandlung vollzieht. Die Wahlhandlung führt zunächst zu einer Neukonstitution des Domkapitels als Wahlkörperschaft: Sie bekräftigt sein Vorrecht, über den künftigen Bischof zu entscheiden, beendet aber zugleich die Sedisvakanz und damit die interimistische Regierung des Domkapitels. Durch die Wahlhandlung gibt es sich einen neuen Herrn und unterstellt sich ihm zugleich; indem es faktisch auch Herrschaft überträgt, stellt es sich als Ursprung dieser Herrschaft dar. Dem Hochstift Würzburg 288 Offenbar wurde dieser Aufzug im Laufe des 18. Jahrhunderts immer aufwendiger, verschwenderischer, auch militärischer: „Jamnunc festivissima pompa instituitur, qua neo-electus Arcem Marianam ascendit. Præmittuntur plurimi phalerati equi tam Aulæ, quam Aulicorum. Insequuntur multæ longa serie caruccæ, quibus inprimis Ministri; deinde singuli Summæ Ædis Canonici, primum Domicellares, deinde Capitulares vehuntur. Currum præ ceteris spendidiorem, quo Princeps vehitur, præcedentibus tibicinibus, stipat frequentissima Aulæ Familia; insequitur Custodia corporis; omnes ad festivum decorem induti & exornati. Plateam a Summo templo usque ad pontem longissimam occupant cohortes militares, suoque Principi ac Duci inter concrepantium tympanorum ac fistularem clangores sua præstant obsequia. Intersonat ex omnibus Ecclesiis cæs campanum, reboant ex Arce tormenta bellica, adventantem Ducem salutantia.“ (Gropp: De hodierna pompa, S. 208; vgl. v. Freeden: Würzburger Residenz, S. 16–19 [über die Wahl Friedrich Karls von Schönborn 1729], Christ: Zeremoniell; Schott: Verhältnis, S. 55–58 und ders.: Fürstlicher Absolutismus, S. 130.

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verschafft die Wahlhandlung einen präsumptiven Bischof und Landesherrn. Den Gewählten (Johann Philipp Franz von Schönborn) verwandelt sie aus einem Domkapitular in das neue Oberhaupt. Gleich von drei Beteiligten verändert die Wahlhandlung den Status – offenkundig stellt sie einen Übergangsritus dar. Wenn man unter Ritual eine standardisierte Handlung mit „Wandlungscharakter“ versteht, also eine Handlung, die durch ihren Vollzug eine Verwandlung bewirkt,289 dann erweist die Bischofswahl sich als ein geradezu klassisches Ritual. Standardisiert bzw. ritualisiert muß sie sein, weil die Wandlungen, die sie bewirkt, kritisch sind. Wie leicht kann das Domkapitel sich über die Wahl des neuen Fürstbischofs entzweien! Wie leicht können sich unter den konkurrierenden Domherren unversöhnliche Fraktionen bilden, die dem Gegner die Anerkennung verweigern. Wie leicht kann diese interne Konkurrenz sich mit den allfälligen äußeren Pressionen verbinden, können die Fraktionen sich bei Kaiser, Papst und interessierten Fürsten Bündnispartner suchen. Wie leicht kann das Domkapitel also über eine Bischofswahl auseinanderbrechen, sich als Gemeinschaft zerstören, mehrere Gewählte hervorbringen, von denen keiner wirkliche Legitimität besitzt. Eben weil es bei diesen Wahlen um Macht geht, um Fürstenränge, können sie mißlingen. Das Ritual hilft über die, mit Wandlungen und Statusveränderungen verbundenen Krisen hinweg. Es routinisiert den Vollzug von Verwandlungen.290 Gänzlich analysiert werden kann das Bischofswahlritual hier nicht; dafür ist es zu komplex. Allein auf die Stellung der Wahlkapitulationen darin und was sie über das Verhältnis von Bischof und Domkapitel verrät, soll im folgenden eingegangen werden. Auffälligerweise kulminieren ja gleich zwei Phasen der Wahlhandlung in Eiden. Erst schwören die Wahlberechtigten und ihre Beauftragten, dann der Gewählte; von diesen beiden Eidkomplexen wird die Wahl umrahmt. Daher kann man auch sagen: Die erste Folge von Eiden eröffnet sie, die zweite beschließt sie. Die erste ermöglicht sie, die zweite fängt ihre Konsequenzen auf. Denn worin besteht die Funktion dieser beiden Eidkomplexe innerhalb ihrer Handlungssequenzen?291 289 So Werner Paravicini in der Einleitung zu dem von ihm herausgegeben Sammelband „Zeremoniell und Raum“ (Paravicini: Zeremoniell, S. 14, vgl. Stollberg-Rilinger: Zeremoniell, S. 397). Barbara Stollberg-Rilinger definiert Rituale allgemeiner „als ebenfalls äußerlich normierte und symbolisch befrachtete Handlungsabläufe, von deren korrekter Durchführung die Akteure eine bestimmte Wirkmächtigkeit erwarten.“ (Stollberg-Rilinger: Einleitung, S. 10). 290 In Anlehnung an Karl Leyser unterscheidet Paravicini daher Ritual und Zeremonie: Für das Ritual sei der Wandlungscharakter konstitutiv, es müsse echte Wandlungen vollziehen. Eine Zeremonie habe hingegen primär darstellenden Charakter. Sie könne Gemeinschaften, Herrschaftsverhältnisse, Rangfolgen symbolisieren, ohne selbst Wandlungen zu vollziehen. Deshalb könne sie potentiell alle Tätigkeiten erfassen, bei Hof etwa auch den Alltag (Paravicini: Zeremoniell, S. 14). Zeremoniell ist der umfassendere Begriff: In der Regel enthalten Rituale in der Frühen Neuzeit darstellende, zeremonielle Elemente; umgekehrt deutet Zeremoniell keineswegs immer auf ein Ritual. 291 Als erster hat Hans-Jürgen Becker den Zusammenhang dieser „Eidstufen“ durchdacht und grundlegend analysiert (Becker: Pacta conventa).

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Durch den ersten ver-schwört und verbündet sich die Wahlkörperschaft. Nachdem sie den Heiligen Geist herabgerufen, sich ihrer anwesenden Mitglieder versichert hat, nachdem sie ihre Aufgabe vergegenwärtigt und sich auf ein Verfahren dafür geeinigt hat, erneuert sie durch den Eid ihre Vergemeinschaftung: Im Namen Gottes verpflichtet jedes Mitglied sich auf die Gemeinschaft. Die gemeinsame Aufgabe der Bischofswahl wird zum Anlaß (zur Möglichkeit und zur Notwendigkeit), die Gemeinschaft neu zu begründen als Gemeinschaft der allein berechtigten Wählenden. Wie bereits die Heiliggeistmesse und die Predigt des Weihbischofs richtet auch der Eid die Gemeinschaft auf Gott aus. Im Namen Gottes bilden die Wählenden eine Gemeinschaft, im Namen Gottes und mit seinem Beistand soll die Wahl erfolgen. Durch weitere Eide werden die Funktionäre in die Pflicht genommen: der Notar, die Zeugen und die Wahlhelfer, die für die regelrechte Wahldurchführung erforderlich sind. Durch die zweite Folge von Eiden wird der Gewählte in die Pflicht genommen. Er, der bislang Mitglied der Gemeinschaft war, durch die Wahl aber aus ihr herausgelöst wird und ihr, indem er sie annimmt, gegenübertritt, er wird nun abermals auf die Gemeinschaft und ihre Regeln verpflichtet. Nötig ist dies, weil die Wahl beide verändert hat: die Gemeinschaft wie den Gewählten – als Veränderter muß er in seiner neuen Position das Glaubensbekenntnis ablegen, den Bischofseid schwören, sein Ehrenwort geben, daß er die Monita beachten wird. Trotz seiner Statuspassage erklärt er vor Gott, daß er der Gemeinschaft und ihrem Partikularrecht verpflichtet bleibt. Seine Folge von Eiden soll sicherstellen, daß die Gemeinschaft vor ihrem geistlichen und politischen Oberhaupt den Vorrang behält. Festzuhalten ist, daß dieser Sinn sich zunächst allein aus der Stellung der Eide innerhalb der Handlungssequenzen ergibt: aus der Syntax der Handlungen; vom Text der Eide war bislang noch nicht die Rede. Er kann daher zur Kontrolle der hier entwickelten Deutung herangezogen werden. Faßt man ihn unter diesem Gesichtspunkt ins Auge, so findet man die bisherigen Überlegungen nicht nur bestätigt, sie lassen sich noch weiter differenzieren. Denn bei der hier geschilderten Würzburger Bischofswahl von 1719 waren der Bischofseid und das Versprechen auf die Monita zweierlei: Beides ist auseinandergetreten und auch von dem Eid der Wahlberechtigten unterschieden.292 Allerdings nimmt der Eid der Wahlberechtig292 Der Bischofseid lautete: „Ego N:N: Iuro, quia in Episcopum herbipolensem, et Ducem franconiæ electus, me sancta Matri Romanæ Ecclesiæ, sacræ; que ejus Sedi semper, et constanter fidem flore, omnia etiam Iura, Privilegia, Immunitates Ecclesiæ Herbipolensis, nec non Cathedralis Ejusdem Capituli Iura, statuta, consuetudines, observantias, et formas omni Dolo, et fraude exclusis strictè, inviolabiliter, et firmiter et bonà fide servaturum. Sic me Deus adjuvet, et hæc Sancta Dei Evangelia. In principio erat verbum, et verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum p.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 240v). Zu der gewundenen Art, wie die Monita zugleich verbindlich gemacht, aber nicht noch einmal verlesen wurden, s. o. S. 132, Anm. 283 und S. 116 ff. Der Eid der Wahlberechtigten lautete: „Domini de Capitulo omnes, et singuli Iurabunt in Deum, et Sancta Dei Evangelia, quæ Dextera manu corporaliter contingunt, quòd solu`m propter honorem Dei, et Sanct: ejus Ecclesiæ Patronorum, et pro bono Eccl[es]iæ non aliâ ex

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ten in seinem Schlußsatz den Eid des Gewählten vorweg. Das zeigt an, daß beide Eide konstitutiv aufeinander bezogen sind. Es zeigt ferner, daß es in dem Eid der Wahlberechtigten auch um die passive Wählbarkeit geht. Alle, die ihn schwören, sind wählbar, allesamt sind sie Aspiranten auf das Bischofsamt. Auch und vor allem ihre Konkurrenz ist es also, die geraten sein läßt, ihre Vergemeinschaftung vor der Wahl zu erneuern. Ihre Schwurvereinigung soll die Konkurrenz einhegen, den künftigen Regenten vor seiner Wahl noch einmal zum Teil der Gemeinschaft machen und ihn darauf verpflichten. Vor allem jedoch verweist die Teilübereinstimmung beider Eide auf die ältere Praxis. Lange Zeit nämlich waren in Würzburg wie andernorts der Eid der Wahlberechtigten und der Bischofseid des Neugewählten identisch. Wort für Wort stimmten beide überein und bestanden aus nichts anderem – als aus den Wahlkapitulationen. Diese wurden bei jeder Wahl also zweimal beschworen: von der Gemeinschaft der Wählenden und Wählbaren vor der Wahl wie von dem Neugewählten nach der Wahl.293 Erst als sie zu umfangreich wurden, als ihre zweimalige Verlesung an den vollgepackten Wahltagen zuviel Zeit in Anspruch genommen hätte, auch um dem Drängen der Päpste zu entsprechen, die in immer neuen Bestimmungen aus der geistlichen Wahlhandlung die Kapitulationen mit ihren vielen profanen Bestimmungen auszuschließen suchten, hat man sie durch Kurzformeln ersetzt, in denen die Schwörenden sich allgemein auf das Partikularrecht der jeweiligen Kirche verpflichteten.294 Fortan wurden die Wahlkapitulationen als causà, seu quàcunque considera[r]e, aut affetu eligere velint in futurum D[omi]num Episcopum, et Antistitem Illam, quem secundùm sacros Canones, et sanctoru[m] conciliorum Lateranensis, et Tridentini, nec non Gregorÿ XiV. constitutiones habilem, et Ecclesiæ, et communi Patriæ non precibus, vel humano affectu, nec Ambientium Suggestionibus, sed eorum exigentibus meritis quàm maximè Idoneum Iudicaverint, idque non omittant Inimicitia= familiaritatis, favoris= aut largitatis= amoris, aut spei alicujus lucri, aut cujuscunque rei gratiâ, quæ humanà versatià excogitari potest, Quemadmodum de hoc ipso in novissimo Die coràm tremendo Dei Iudicio se responsuros fore confidunt, fraude, et o[mn]i sinistrà Machinatione sepositis. Quemadmodum mihi fuit prælectum, et â me Intellectum, Ira, et Ego N:N: Iuro, sic me Deus adjuvet, et hæc sancta Dei Evangelia: In principio erat verbum &c: Et si me contingat in Episcopum herbipolensem eligi, Iuro, omnia Iura, Privilegia, et Immunitates Eccle[si]æ herbipolensis, nec non Cathedralis ejusdem Capituli Iura, statuta, consuetudines, observantias, et formas, omni Dolo, et fraude exclusis, strictè, Inviolabiliter, et firmiter et bonà fide servaturum: sic me Deus adjuvet, et hæc sancta Dei Evangelia, quæ corporaliter hàc mea manu tango: In Principio erat verbum p. &c.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 233v). Vgl. Dieterichs Kurzfassung im Instrumentum: „Iurârunt omnes pro Se, et in a[nim]as D:D: Principalium absentium tactis sacrosanctis Evangelÿs, more consueto, eum se Electuros, quem credant digniorem, et Ecclesiæ tàm in spiritualibus, quàm in temporalibus futurum utiliorem.“ (ByStAWü WDKP 1719, fol. 236v). 293 So übereinstimmend Abert: Wahlkapitulationen, S. 76 und 83, Anm. 5; Feine: Besetzung, S. 196 mit Anm. 2; Pozza: [Artikel] Wahlkapitulation, Sp. 1914; Becker: [Artikel] Wahlkapitulation, Sp. 1086; ders.: Pacta conventa, S. 5. 294 Lange vor Innocentiana und Leopoldina war das der Fall, wie beispielsweise aus den Protokollen der Würzburger Bischofswahl von 1642 hervorgeht (vgl. ByStAWü WDKP 1642, fol. 196 ff. und ebd., fol. 198v). Deshalb irrt Abert, wenn er sagt, die Vereidigung aller wahlberechtigten Kapitulare auf die aufgestellten Bestimmungen sei infolge von Innocen-

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Ausführung und Konkretisierung jener vereinheitlichten, überall gleichen Kurzformeln betrachtet. Die Universalität des Verfahrens, auf dem die Päpste insistierten und die Partikularität der jeweiligen Ortskirchen traten in ein klar hierarchisiertes Verhältnis. Für die Deutung der Wahlkapitulationen ist ihre zweifache Verwendung der entscheidende Punkt. Denn sie zeigt an, daß die Wahlkapitulationen als Bischofseide noch nicht ausreichend gekennzeichnet sind. Nicht nur die Bischöfe schwuren sie, auch die Bischofswähler: die Domherren und damit der künftige Bischof noch als Mitglied derselben. Definitiv macht dieser Handlungszusammenhang klar, daß es sich bei den Wahlkapitulationen nicht um Verträge handeln kann. Denn wenn das Domkapitel sie vor der Wahl beschwur, existierte noch kein äußerer Vertragspartner; wenn der Gewählte sie nach der Wahl beschwur, bekräftigte er eine Verpflichtung, die er zuvor schon eingegangen war. Auch als Vertrag der Bischofswähler untereinander wären die Wahlkapitulationen falsch gedeutet. Denn eine Schwurvereinigung ist mehr als eine Vertragspartnerschaft: Sie begründet eine verschworene, auf Gott gegründete Gemeinschaft: eine unio, keine confoederatio.295 Positiv formuliert: Wahlkapitulationen sind Mittel eines Übergangsrituals, durch das eine Korporation einem Gemeinwesen einen Regenten gibt, wobei sie sich selbst neu vergemeinschaftet und den Regenten auf ihre Bestimmung des Gemeinwesens verpflichtet. Aus dem Kreis der Kapitulare mag der gewählte Bischof ausscheiden, als Herrschaftsspitze ihnen gegenübertreten, auf ihre Bestimmung des Gemeinwesens, wie sie in den Wahlkapitulationen vorgenommen wird, bleibt er vor Gott bezogen – hat er sie doch noch als Mitglied der Korporation selbst mitausgearbeitet und beschworen. In den Wahlkapitulationen fällt beides zusammen: die Verschwörung der Kapitulare und der Herrschereid des Fürstbischofs; sie umschreiben das Gemeinwesen, dem das Domkapitel als privilegierte Korporation wie der Fürstbischof als Herrschaftsspitze verpflichtet sind. Von dieser Umschreibung her sind beide Funktionen zu verstehen; in ihr finden beide ihr Ziel und ihre Rechtfertigung. Daß die Wahlkapitulationen sowohl der Gemeinschaftsbildung einer exklusiven Korporation dienten als auch der Verpflichtung des gewählten Herrschers, macht deutlich, wie in dieser ständisch-patrimonialen Herrschaft beides zusammenhing. Offenbar war es nötig, einen Wahlfürsten, der auf Fortsetzung seiner Politik, auf umfassende Wirkung kaum hoffen durfte, der deshalb primär als Mitglied seiner Familie und deren Partikularinteressen agierte, offenbar war es nötig, einen solchen Herrscher auf das Gemeinwohl eigens zu verpflichten. Offenbar fiel dies aber tiana und Leopoldina entfallen (Abert: Wahlkapitulationen, S. 110). Sie erfolgte vielmehr weiterhin in Form jener allgemein gehalenen Formel, das Partikularrecht der jeweiligen Kirche zu beachten. 295 Zwischen beiden Begriffen nicht zu unterscheiden und trotz seiner luziden Analyse die Wahlkapitulationen weiterhin als „pacta“ zu bezeichnen, sind die Einwände, die daher gegen Beckers grundlegenden Aufsatz zu erheben sind (Becker: Pacta conventa, S. 5 und Titel).

5. Resümee: Handlungsoptionen eines Fürstbischofs

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auch schwer. Denn je stärker man seine Herrschaft zur Sicherheit teilte und beschränkte, desto weniger trat das Gemeinwohl als das übergeordnete Ganze in den Blick. Eben darin lag offenbar das Grundproblem: daß das Gemeinwesen als konkrete politische Vergemeinschaftung kaum existierte; daß es vielmehr aus einer Kumulation vieler verschiedenartiger Einzelrechte über viele verschiedenartige Korporationen bestand, die zugleich immer noch anderen Herren verpflichtet waren.296 Die Aufgabe, es gegenüber dem Herrscher dennoch zu umschreiben, es umständlich: kumulativ, einzelrecht- und einzelfallbezogen darzustellen und es zumindest transzendental als Ganzheit vorzustellen, konnte offenbar nur von einer Korporation übernommen werden, die stabil genug war, die Herrschaft einzelner Wahlfürsten zu überdauern und informiert genug, auf die Übergriffe einzelner Fürsten immer neu zu reagieren. Um stabil genug zu sein, mußte sie sich dem gewählten Herrscher entziehen, sich selbst als verschworene Gemeinschaft und den Besitz, der sie ausmachte, aus dem Gemeinwesen exklusivieren. Um informiert genug zu sein, mußte sie sich an der Herrschaft beteiligen. Darauf kommt es an: Das partikulare Standesinteresse der Domherren an Besitzstands- und Privilegienwahrung stand nicht im Gegensatz zu der Aufgabe, die sie für die Hochstifte übernahmen; es bildete die Voraussetzung, um diese Aufgabe erfüllen zu können.297 Die enge Vergemeinschaftung der Domherren war notwendig, um die lose Vergemeinschaftung der Hochstifte von innen zusammenzuhalten; sie mußte ihr immer vorausgehen. Daher ging sie immer auch der Herrschaft des von ihr gewählten Fürsten voraus. Nicht als Dualismus von domkapitularem und fürstbischöflichem Regiment ist die Stiftsherrschaft folglich zu charakterisieren, sondern, wie der Handlungszusammenhang um die Wahlkapitulationen zeigt, als Abfolge von domkapitularer Allein- und Mitherrschaft, die sich u. a. darin bewies, daß sie aus sich heraus eine Herrschafsspitze wählte, die von ihr und auf ihre Definition des Gemeinwesens verpflichtet blieb.

5. Resümee: Handlungsoptionen eines Fürstbischofs Welche Möglichkeiten hatte ein Fürstbischof nun innerhalb dieses Herrschaftssystems? Was konnte er in einer solchermaßen institutionell geteilten, institutionell beschränkten Herrschaft erreichen? Die einfachste Antwort war: seinen Familienauftrag erfüllen. Schon nominiert wurde man für ein Domkapitel aufgrund von Familienverbindungen; aufgenom296 Hofmann spricht von einer „steckengebliebenen Territorienbildung“ (Hofmann: Herrschaft, S. 68). 297 „Bevor sich die Idee von der Rechtspersönlichkeit des Staates durchsetzt, ist unter dem Regiment eines Fürstbischofs das Domstift das einzig denkbare Rechtssubjekt, dem Vermögensrechte, Regalien, Gerichtsbarkeiten usw. zugeordnet werden können – anders als im weltlichen Fürstentum, wo die Person des Herrschers als Obereigentümer gedacht werden kann.“ (Willoweit: Staatsorganisation, S. 71).

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men wurde man als Mitglied einer Familie. Stets hatte man bei der Ämterlaufbahn Familieninteressen zu beherzigen. Die Bischofswahl wurde proklamiert, indem das im Dom versammelte Volk das Familienwappen des Neu-Gewählten vorgewiesen bekam; mit den Zeichen des Hochstifts bildete es fortan das Amtswappen des Fürstbischofs. Unmißverständlich machte dies klar, daß jeder Fürstbischof als Vertreter seiner Familie agierte. Am leichtesten machte er es sich dabei, wenn er überhaupt nicht regierte. Da das Domkapitel ohnehin in alle Behörden Vertreter entsandte, da es ohnehin überall mitreden wollte und auch ohne den Fürstbischof auskam, warum sollte man ihm die Geschäfte nicht überlassen? Je mehr man sich darauf beschränkte, das Vorgefundene bloß zu verwalten, die eingespielten Abläufe lediglich fortzusetzen, desto weniger Konflikte beschwor man herauf. Dann wurde einem auch nachgesehen, daß man möglichst viele Regierungsposten, Verwaltungsämter, Hofchargen mit Mitgliedern der eigenen Familie oder Klientel besetzte; daß man möglichst viele Gesandtschaften an Verwandte und Freunde vergab; daß man auf diese Weise möglichst viele Einkünfte in die Taschen der eigenen Leute leitete; daß man diesen ferner dazu verhalf, diesen Geldsegen in freiwerdende Lehen, Landgüter, Besitzungen zu verwandeln, die künftige Regierungswechsel und den Austausch des Personals überdauern würden. Regierungsgeschäfte, die sich partout nicht vermeiden ließen, konnte man an Nepoten deligieren, um selbst ungestört den eigenen Neigungen nachzugehen – mochten diese nun in der Jagd, im Hofleben, im Sammeln und Bauen oder in persönlicher Frömmigkeit und Askese liegen. Nach Meinung kritischer Beobachter war diese Option für die Fürstbischöfe des 18. Jahrhunderts nicht nur die nächstliegende, sondern auch die verbreitetste;298 in 298 So beispielsweise der jüngere Moser: „Eben die Gründe, warum ein durch seine Wahlkapitulation gebundener deutscher Kaiser je länger je weniger Gutes thun und vors allgemeine Beste würken kann, hindern auch einen geistlichen Reichsstand, das Gute zu thun, das er ohne diese Bande thun könnte und möchte. Dem trägen, dem gefühllosen, eigennützigen Regenten aber dient seine Wahlkapitulation zum guten Vorwand, auch das Gute zu unterlassen, welches zu thun ihm noch immer unbenommen ist.“ (F. K. v. Moser: Ueber die Regierung, S. 60). „Die wichtigste und einträglichste Landes=Bedienungen, Statthaltereyen, Ober=Aemter, Drosteyen u.s.w. sind ebenfalls in vielen, wo nicht den meisten, Erz= und Hochstiften mit Dohm=Capitularen oder doch nur mit deren Verwandten aus Stiftsmäßigen Familien besezt, bey welchen dann gewöhnlichermaßen das große Wort: Salus populi suprema lex esto! nur eine in der Schule auswendig gelernte schöne Phrase, ihre Ruhe, Gemächlichkeit, eigener und Familien=Vortheil aber das erste und lezte Ziel ihrer Wünsche und Bemühungen bleibt.“ (ebd., S. 77 f.). „Dem es mit Ernst um den Chur= und Fürsten=Hut zu thun ist (denn die Bischofsmüze und Stab sind nur Beywerk) der kan ruhig in seinem Armseßel sizen bleiben, der braucht in dem Wettkampf mit andern weder Schweiß noch Blut zu vergießen, wenn er nur bey wohlbestellter Küche und Keller desto mehr Wein vergießt, wenn er das pecuniam in tempore negligere versteht, wenn er sich zeitig Freunde im Capitel zu machen und zu erhalten weiß, wenn er keinen Neuerungs= und Reformator=Geist blicken läßt, noch andern mit überwiegenden Tugenden, Einsichten und Verstandeskräften allzulästig wird, wenn er ein guter ordinairer Mann, der fünfe gerad seyn läßt, zu scheinen sich befleißt, es mit den Weibern hält

5. Resümee: Handlungsoptionen eines Fürstbischofs

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der Spätaufklärung entstanden, hat sie das Bild der Reichskirche in der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts dominiert.299 Wenn sie dennoch, wie dieselben Beobachter einräumen, keineswegs die ganze Wirklichkeit beschrieb,300 wenn es oder doch nicht mit ihnen verderbt, wenn er aller geistlichen Welt Herr Bruder, Vetter und Freund ist, wenns ihm am besten schmeckt, doch aufzuhören weiß, um andere auch mitessen zu lassen, der Familien=Ketten, Heurathen, neue Vetterschaften zusammenkünstelt, der sich in Zeiten um die Gnade, Freundschaft und Gunst derer weltlichen Höfe, welche den stärksten Einfluß bey einer künftigen Wahl haben könnten, bewirbt, allenfalls einem jeden von ihnen heuchelt, bey getheilten Jntereßen den Achselträger macht, und es zulezt doch mit keinem, oder nur mit dem hält, der, wenn die Schäferstunde kommt, durch Bitten, mündliches, schriftliches und baares Versprechen, durch Negotiieren, Cabaliren, Jntreguiren seiner Freunde und Freundinnen die einmüthige oder mehrere Wahl=Stimmen auf sich zu vereinigen weiß.“ (ebd., S. 107 f.). 299 Um nur die einflußreichsten Werke zu nennen: Vehse: Geschichte der kleinen deutschen Höfe, Abth. 11–14 (1859–60), hier: Abth. 11, S. 25–27, aber auch ebd., S. 30 f., 91, 141–50 und 155–59; Biedermann: Deutschland, Bd. 1 (11854, 21880), S. 80, 166, aber auch Bd. 2 / 1 (11857, 21880), S. 148 f.; Häusser: Deutsche Geschichte, Bd. 1 (1854), S. 119–38, hier S. 122–25; Treitschke: Deutsche Geschichte, Bd. 1 (1879), S. 7 f., 15 f. In deren Gefolge bis heute Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 141 und 279 f. Zu dieser Beurteilung neuerdings Holtz: Staaten. 300 Um noch einmal Moser zu zitieren: „Eben so haben noch in neuern Zeiten verschiedene Erz= und Bischöfe, denen just durch ihren Wahlvertrag am stärksten die Hände gebunden waren, gleichwohlen die vortreflichste, lobwürdigste Thaten gethan und ein Regent, der nur gutes thun will, findet immer Mittel und Wege, zum Ziel zu gelangen [ . . . ].“ (F. K. v. Moser: Ueber die Regierung, S. 68). Zwei dieser Ausnahmen führt Moser namentlich an: „Der andere zum Beyspiel dienende Fürst ist der vor nun 40 Jahren in eine belohnende Ewigkeit übergegangene preiswürdige Fürst Bischof Friderich Carl von Bamberg und Würzburg aus dem Hause Schönborn, der 29 Jahre lang die Würde als Reichs= Vice=Canzler mit einer Ehre, Ansehen, Ruhm und Glanz bekleidet hat, deren sich vor ihm nur wenige, nach ihm aber noch zur Zeit keiner rühmen können. [ . . . ] Was der vortrefliche Fürst für ganz Deutschland war, das war er noch in genauester Bedeutung viel mehr vor seine Stifts=Lande. Seine Regierung war in allem Betracht Mustermäßig. Seine Liebhaberey im Bauen und die Verschönerung seiner Würzburgischen Residenz mit einem herrlichen Schloß und andern Gebäuden nicht in Anschlag gebracht, machte er in allen Theilen der Landes=Verwaltung, mit wahrer väterlichen Sorgfalt, die heilsamste Verordnungen und Anstalten, besezte die Aemter mit den rechtschaffensten und geschicktesten Männern, Freund und selbst Kenner der Wissenschaften brachte er die Universität in blühenden Stand, suchte aus ganz Deutschland berühmte Männer als Lehrer dahin zu ziehen, vermehrte ihre Besoldungen, versahe die Universität mit einer stattlichen Bibliothek und kostbaren Jnstrumenten, und suchte zu Vermehrung Handels und Wandels, mittelst Ertheilung großer Freiheiten und Vortheile, Künste und nüzliche Handthierungen ins Land zu ziehen, anderer Thaten seines schönen Lebens Kürze halber nicht zu gedenken.“ (a. a. O., S. 128–130). Auch Friedrich Karls jüngerer Bruder Franz Georg von Schönborn, wird von Moser mit hohem Lob bedacht (a. a. O., S. 141 f.), daneben weitere Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn (a. a. O, S. 141). Unparteiisch war dieses Lob nicht, handelte es sich bei Friedrich Karl von Schönborn doch um den Entdecker, Förderer und Patron, dem Mosers Vater Johann Jakob Moser den Aufstieg verdankte (s. Hammerstein: Jus und Historie, S. 300). Neben weiteren Familienmitgliedern hatte auch Franz Georg von Schönborn als Kurfürst von Trier bei der Kaiserwahl 1742 den Rat des älteren Moser gebraucht. Einige Formulierungen, die Friedrich Karl von Moser für sein Herrscherlob verwendet, sind wörtlich aus der Autobiographie seines Vaters über-

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A. Handlungsbedingungen

in der Reichskirche der Neuzeit zahlreiche Fürstbischöfe gab, die andere Optionen wählten, mußte etwas hinzukommen. Es mußten starke, andere Bestimmungsgründe wirken, um die Fürstbischöfe zu veranlassen, über das gewöhnliche Familieninteresse, die menschliche Bequemlichkeit und Konfliktscheu hinauszugehen. Vorstellbar wären da in erster Linie religiöse Anliegen gewesen. Die geistliche Seite ihres Amts hätten sie betonen, die Möglichkeiten als Seelenhirten und geistliche Lehrer in den Vordergrund stellen können – interessanterweise ist dies in der Reichskirche kaum geschehen. Hätte es nicht nahegelegen, die kirchliche Hierarchie zu überspringen? Gegen das Domkapitel mit seiner korporativen Abschottung und ständischen Exklusivität das bischöfliche Amtscharisma zu mobilisieren? Sich durch Predigt, Seelsorge, Visitationen in ein unmittelbares Verhältnis zum eigenen Kirchenvolk zu setzen? Es der Vielfalt seiner Bindungen zum Trotz als Gemeinde zu vergemeinschaften? Vor allem die Gegenreformation bot dafür auch Anstöße, Mittel, Gelegenheiten. Wahrgenommen wurden sie nicht. Trotz der forcierten Frömmigkeit einiger ihrer Protagonisten301 – einen Karl Borromäus hat die Reichskirche nicht hervorgebracht. Sie konnte es auch nicht, wie ein Vergleich etwa mit Julius Echter zeigt. Denn bei allem gegenreformatorischen Eifer, zum Selbstzweck werden durfte die Religion in den Hochstiften des Reiches nicht. Allzeit war der politische Daseinsgrund dieser Gebilde zu berücksichtigen, allzeit den Reichsinteressen und politischen Konstellationen Rechnung zu tragen. Wo Karl Borromäus gegen die Politik der spanischen Statthalter den Vorrang der Religion bewies, machte Julius Echter als Haupt der Liga selbst Politik. Unauslöschlich trug seine Seelsorge das kalte Mal politischer Berechnung. Über die fundamentale Zweideutigkeit politischer Instrumente gelangte sie nie hinaus. Zum zweiten wurden die deutschen Fürstbischöfe durch ihre Ehre daran gehindert, sich zu ihrem Kirchenvolk in ein unmittelbares Verhältnis setzen. Entsagte Karl Borromäus mit Priesterweihe und Bischofsamt von seiner hochadligen Herkunft und dem Fürstenrang des Papstnepoten, so bildete dieser für die deutschen Bischöfe gerade das Ziel. Sie rückten in eine Stellung auf, die zur Distanzierung nommen (vgl. J. J. Moser: Lebens=Geschichte [in der vierbändigen Ausgabe von 1777– 83]). Zu den „rechtschaffensten und geschicktesten Männern“, für deren Hinzuziehung Friedrich Karl von Schönborn gepriesen wird, gehörten also nicht zuletzt die Mosers selbst. Ja, es könnte sein, daß der ältere Moser die Patronage des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn u. a. dadurch auf Dauer zu stellen suchte, daß er den ersten Sohn, der ihm nach Anknüpfung des Patronageverhältnisses geboren wurde, auf den Namen des Patrons taufen ließ (so Walker: J. J. Moser, S. 40 und Rößler: Fränkischer Geist, S. 256, beide allerdings ohne Beleg). Nichtsdestotrotz behält das Zeugnis der beiden Mosers Gewicht. Denn daß sie unerschrocken genug waren, sich über ihre Brotherren auch ganz anders zu äußern, haben beide bewiesen. Gerade die Enge und Dauerhaftigkeit ihrer Patronagebeziehung über die Konfessionsgrenzen hinweg ist ein wichtiger Befund: Offenbar besaßen die Schönborn die Fähigkeit, Begabungen früh zu erkennen und sich ihrer unvoreingenommen, sachbezogen zu bedienen. Diese vorurteilsfreie Sachlichkeit wird uns bei ihnen noch öfter begegnen (vgl. Stephan: Glanz, S. 66 f.). 301 Beispiele bei Walther: Abt Balthsars Mission, S. 247 f.

5. Resümee: Handlungsoptionen eines Fürstbischofs

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zwang302 und dies umso mehr, je geborgter ihr Fürstenrang im Verhältnis zu ihrer Herkunft war. Eher ging ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein deutscher Fürstbischof zum Heiligen wurde. Notwendig machte ihr Status ihr Handeln weltlich. Die religiöse Option, über ihre Beschränkungen hinauszugelangen, hat das definitiv verbaut. Blieb als zweite Option der Weg in die Reichspolitik. Eben an dem Fürstenrang: an den Verpflichtungen, die er mit sich brachte, aber auch den Möglichkeiten, knüpfte sie an. Über die Kumulation von Hochstiften konnte man sich Einkünfte und politisches Gewicht verschaffen; wer zum geistlichen Kurfürsten gewählt wurde, erreichte eine Schlüsselposition der Reichspolitik. Mit einem Mal verkehrte er mit Fürsten, dem Kaiser, auswärtigen Mächten (Reichspolitik war auf dieser Ebene immer auch europäische Politik). Eben noch ein politischer Niemand durfte er mit einem Mal Bündnisse schließen, sich als Emissär oder Unterhändler verdingen, über die nächste Kaiserwahl verhandeln, an der Entscheidung über Krieg und Frieden in Europa teilhaben. Dem politischen Ehrgeiz öffnete sich ein riesiges Betätigungsfeld.303 Der kleinteiligen Landespolitik kehrte man dafür umso lieber den Rücken, als häufige Abwesendheit und die Regierung über Statthalter aus dem Domkapitel nur beliebt machten. Gut tröstete die geborgte Wichtigkeit der hohen Politik über die institutionelle Beschränkung der eigenen Herrschaft hinweg. Am schwersten hatten es die Bischöfe, die in ihrem Wahlfürstentum bleiben und dort aktiv werden wollten. Aktiv werden hieß vom Hergebrachten abweichen, hieß innovativ werden, hieß etwas Neues ins Werk setzen. Unausweichlich führte das zu Konflikten mit dem Domkapitel als dem Hüter der Tradition. Wer diese dritte Option wählte, mußte zermürbende Konflikte aushalten können. Er mußte damit rechnen, daß diese Konflikte in die völlige Blockade führten. Denn in der Praxis 302 Ein Detail mag das verdeutlichen. Als der Hofmeister der Grafen Reuß und zu Lynar, ein Herr von Geusau, 1731 mit seinen Schutzbefohlenen nach Bamberg kam, wurden die Kavaliere von Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn zur Tafel gebeten. Mit dem Befremden des mittellosen Protestanten schildert Geusau den Aufwand, der dort getrieben wird. Seine Beschreibung endet mit dem (positiv gemeinten) Hinweis, daß der Fürstbischof seine geistlichen Aufgaben keineswegs vernachlässige: „Der Fürst las täglich Messe, und ging deswegen Vormittags in geistlicher, und von der Tafelzeit an in weltlicher Kleidung.“ (zitiert nach Büsching: Graf zu Lynar, S. 200 f.). Offenbar hielt auch Friedrich Karl die Repräsentationspflichten einer fürstlichen Tafel für unverträglich mit dem Auftreten im geistlichen Stand. Den gleichen Strukturkonflikt konstatiert für das späte 18. Jahrhundert Zuber: Aspekte, S. 138. 303 „§. 2. Jhr [= der deutschen Erzbischöfe, J.S.] allgemeines Interesse ist / ihren Estat nicht nur zu conserviren / sondern auch wo müglich ist zu verbessern; dann ob sie gleich keine eheliche Leibes=Erben haben / in deren egard sie sich in diesem Stück so sehr zu bemühen hatten / wie die weltliche Fürsten / so sind sie dennoch nichts desto weniger hiezu verbunden / durch ihr Gewissen und geleistete Pflichte / als auch durch ihre gloire, weil dieses der sicherste Weg zur canonisation dereinst zugelangen / wie vieler anderer Nahmen schon deswegen als bene meritorum de Ecclesia im Calender mit rothen Buchstaben angezeichnet worden.“ (Gude: Staat Der Fünff Teutschen Ertz Bischöffe, S. 51 f.).

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A. Handlungsbedingungen

hieß Konsens mit dem Domkapitel weit mehr, als einzelne Beschlüsse absegnen zu lassen (obwohl gerade diese Zustimmungsrechte eifersüchtig gewahrt wurden). In der Praxis hieß Konsens Zusammenwirken von Bischof und Domkapitel in zahlreichen gemeinsam besetzten Gremien, bei zahlreichen Verwaltungsaufgaben, die von jeder Seite leicht zu verschleppen waren. Mangelnde Zusammenarbeit führte rasch zum Stillstand, beide Seiten waren aufeinander angewiesen.304 Daher war es für den Fürstbischof sinnvoller, Politikbereiche zu erschließen, die bis dahin wenig reguliert und daher wenig eingeschränkt waren. Für sie mußte er Gestaltungskompetenz erlangen, von dort aus Innovationen ins Werk setzen. Für Julius Echter hatte die Gegenreformation einen solchen Bereich eröffnet. Nach 1700, als man sich von den Verheerungen des Dreißigjährigen Kriegs erholt hatte und von den Lasten der Folgekriege, lag in der Baupolitik ein ähnliches Potential. Mit seiner Gegenreformation hatte Julius Echter auf die existenzielle Krise reagiert, in die das Hochstift Würzburg durch Bauernkrieg und Reformation geraten war. Nicht so offensichtlich, aber vielleicht noch fundamentaler erscheint die Krise, die sich am Wandel der Wahlkapitulationen um 1700 ablesen läßt. Denn diese Legitimationskrise zersetzte Stiftsherrschaft von innen. Indem die Eide säkularisiert wurden, auf denen die Stiftsherrschaft beruhte, verlor sie nicht nur ihre religiöse Legitimation, mit der Ausrichtung auf die Transzendenz kam ihr die Form abhanden, sich überhaupt als umfassende politische Vergemeinschaftung zu konstituieren. Durch die Vorgänge um 1700 schnurte Stiftsherrschaft auf die säkulare Polyarchie diverser Partikulargewalten zusammen, die sie positivrechtlich immer gewesen war. Sie hörte auf, ein Gemeinwesen zu bilden. Daß Baupolitik darauf reagieren konnte, daß sie nicht nur die bischöfliche Selbstregierung stärkte, sondern darüber hinaus geeignet war, das Hochstift Würzburg politisch neu zu vergemeinschaften, das war die epochale Entdeckung des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn.

304 „Ereignet sich in einem geistlichen Staat vollends das große Unglück, daß Fürst und Kapitel über die Grenzen ihrer Rechte und Pflichten, über Sinn und Anwendung der Kapitulationen, über Einschränk= oder Ausübung und Ausdehnung der landesherrlichen Gewalt, über Regentschaft und Mitregentschaft in Zwietracht gerathen, so leidet darunter niemand gewisser und stärker, als Land und Volk, es mag am Ende der eine oder andere Theil gewinnen, oder verliehren, so viel er immer will.“ (F. K. v. Moser: Ueber die Regierung, S. 62).

B. Handlungsgründe: Der Familienhabitus der Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn 1. Selbstdarstellung einer Familie In den Jahren 1740–45 stiftete Friedrich Karl von Schönborn, damals Fürstbischof von Würzburg und Bamberg, dem kleinen fränkischen Ort Gaibach den Neubau einer Kirche.1 Das Dorf, unweit der Volkacher Mainschleife, an der Landstraße nach Schweinfurt gelegen, gehörte seit 1650 zu den Besitzungen der Schönborn, auch das Patronat über die Pfarrei übten sie aus. Zudem besaßen sie dort ein Schloß, das Friedrich Karls Onkel, der Mainzer Kurfürst Lothar Franz von Schönborn, vierzig Jahre zuvor mit führenden Architekten der Zeit großzügig hatte umgestalten lassen.2 Zwischen Schloß und Sonnenberg, der höchsten Erhebung weit und breit, war ein französischer Garten entstanden,3 auf der Anhöhe eine Kapelle, die zu einer beliebten Station für Wallfahrer avancierte. Mit ausgreifenden Alleen und Sichtachsen vom Sonnenberg bis Schloß Weißenstein in Pommersfelden (dem prachtvollsten und repräsentativsten aller Schönborn-Sitze in Franken) gestaltete und beherrschte das Ensemble nicht nur die gesamte Gegend, durch Vedutenfolgen von Nikolaus Person und Salomon Kleiner wirkungsvoll ins Bild gesetzt,4 hatte es europäische Berühmtheit erlangt. Es war zu einer Richtgröße für adlige Bauherren geworden, zur Attraktion für reisende Kavaliere. In diesen Zusammenhang fügte Friedrich Karl die neue Pfarrkirche ein. Als Architekten verpflichtete er Balthasar Neumann, auch an der Ausstattung wurde nicht gespart. In einer jener aufwendigen Zeremonien, die er so hingebungsvoll 1 „Animis subditorum, qui animata Dei sunt Templa, bene efformandis tam solicite intentus Fridericus Carolus, nullis præterea sumptibus parcit, ut vel nova templa erigat, vel antiquata restauret.“ (Gropp: Collectio, Bd. 2, S. 698 f., vgl. Domarus: Kirchenfürsten, S. 194). Seit der Gegenreformation hat kein Bischof von Würzburg oder Bamberg so viele Kirchen neugebaut oder renoviert wie er (für einen Überblick s. Boecker: Kirchen; zu den gravierenden Schwächen dieses Buchs die Rezension v. Jürgen Emmert in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 60 (1998), S. 511 f.; zum Neubau speziell der Gaibacher Kirche s. Karlinger: Gerolzhofen, S. 80–86; Dehio: Franken, S. 369 f.; Schneider: Kirchen, ferner Reuther: Kirchenbauten, S. 54–56 mit weiterer Literatur). 2 Abert: Schloß Gaibach. 3 Wenzel: Gärten, S. 17–86. 4 Person: Hortus et castrum Geibagh; Kleiner: Wahrhaffte Vorstellung. Dazu grundlegend Wenzel: Gärten, S. 151–58, jetzt maßgeblich Völkel: Bild, S. 152–181, 321 f., 329 f. mit umfangreichem Literaturverzeichnis. Eine Detailanalyse von Kleiners Vedutenfolge über Schloß Weißenstein in Süßmann: Ästhetische Kompetenz.

10 Süßmann

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B. Handlungsgründe

pflegte,5 weihte der Bauherr am 5. September 1745 die neue Kirche. Obwohl er wenige Monate später starb, beauftragte die Familie herausragende Kunsthandwerker für die Altäre, die Kanzel und die Orgel. Inmitten der Schönborn-Lande gelegen, Familienpatronat und doch, unmittelbar neben der Landstraße jedem Durchreisenden jederzeit zugänglich, wurde der Bau zum Denkmal seines Stifters. Ja, die Gestaltung des Hochaltars machte ihn zum Denkmal einer ganzen Epoche, die mit dem Tod ihrer angesehendsten Vertreter damals zuende zu gehen begann (Abb. 5, S. 147). Auf hohem schwarzen Sockel erhebt sich eine freistehende Ädikula aus weißem Stuckmarmor.6 Über einem leicht nach außen gewinkelten Postament tragen zwei blau marmorierte Vollsäulen ein wiederum leicht nach außen geschwungenes Gebälk. Der Architrav ist aufgebrochen und enthält eine vergoldete Gloriole mit dem Auge Gottes, umgeben von Wolken und zahlreichen Engeln. Ebenfalls vergoldet sind die Säulenbasen, die Kapitelle, die Zungen am Kranzgesims, die Wolken über dem Auge Gottes, der Rahmen um das Altarblatt: Mit dem Hellblau der Säulen und dem Weiß der Ädikula ergibt das einen festlichen und dennoch kühlen Akkord. Neben den Säulen stehen auf auskragenden Konsolen lebhaft bewegte Figuren: ein heiliger Karl Borromäus links, auf das Tabernakel mit dem Allerheiligsten weisend; ein heiliger Friedrich, Bischof von Utrecht, rechts, die Schwurhand zur Bekennergeste erhoben – die Namenspatronen des Stifters. Über dem Gebälk verlängern die Säulen sich in Obelisken, an denen Krummstab, Rennleinfähnlein und Herzogschwert befestigt sind – die Hoheitszeichen des Würzburger Fürstbistums. Bereits durch Architektur und Verzierung ist der Altar somit als Denkmal seines Stifters ausgewiesen.7 Festzuhalten bleibt, wie dieser sich kennt5 „Unter allen Bischofflichen Amts-Verrichtungen seynd die beschwerlichste und mühesamste die Einweyhungen deren Gottes=Häusern und Altären, von welchen nichts desto weniger seinen [= Friedrich Karls, J.S.] grossen Bischoffs=Eyfer weder das hochgestiegene Alter, weder die dabey vorkommende Beschwernussen und lange Arbeit mogten abhalten.“ (Gropp: Collectionis [ . . . ] Tomus IV, S. 459). Bis zu acht Stunden konnte etwa eine Altarweihe dauern. „Jm Jahr 1745. wurden abermahl drey Kirchen zu ihrer Vollkommenheit gebracht, deren Einweyhung unserem nach dergleichen Verrichtungen allzeit begierigen Bischoffen neue Arbeit in die Hände geben. [ . . . ] Die zweyte Pfarr=Kirch in Dero Hoch= Gräflich=Schönbornischen Herrschafts=Orth Geübach, welche acht Tag hernach auf den 5. September, so der dreyzehende Sonntag nach Pfingsten gewesen, mit Beystand obangeführten Herrn Wey=Bischoffen und zweyer Prälaten hochfeyerlich eingewiehen worden.“ (a. a. O., S. 461; s. a. Domarus: Kirchenfürsten, S. 193; Schneider: Bauwesen, S. 108–110). 6 Zu diesem Altartyp allgemein s. Heitsch: Altarbau, S. 35–80, zum Gaibacher Hochaltar speziell ebd., S. 60 f. mit Abb. 32; ferner Schneider: Kirchen, S. 7 f. mit Abb. S. 16. Angefertigt wurde der Altar von dem Stukkateur der Würzburger Residenz Antonio Bossi in den Jahren 1747–48. 7 Gerade die „italienisierenden“ (d. h. freistehenden, bewegten, Stuckmarmor verwendenden und dadurch ungewöhnlich kostbaren, pathetischen) Ädikularetabeln Unterfrankens verdanken sich nach Heitsch in der Regel besonderen Stifterwünschen. Sie zeigten nicht nur den italienisch geprägten Geschmack ihrer Auftraggeber, der ungewöhnliche Aufwand gehe oft mit der Kenntlichmachung des Stifters einher: „[ . . . ] die auf diese Weise bewirkte Erhöhung wird auch auf die Person des Stifters bezogen.“ (Heitsch: Altarbau, S. 62, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Gaibach: S. 63).

1. Selbstdarstellung einer Familie

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Abb. 5: Gaibach, Pfarrkirche – Blick auf den Hochaltar

lich macht: nicht durch ein Familienwappen, sondern durch die Attribute seines Amtes und des Kirchensprengels, dem Gaibach zugehört; ferner durch die Namenspatronen, die als Bischofsheilige zugleich ein besonderes Amtsethos verkörpern. Als vorbildlichen Amtsträger sucht der Altaraufbau seinen Stifter in Erinnerung zu halten, als einen, der die Personalunion von Kirchenpatronat und Oberhirtenamt ernstgenommen hat. Das bestätigt sich im Altarbild (Abb. 6, S. 148).8 Mit einer Größe von 4,10 m auf 2,40 m ist es überall in der Kirche zu erkennen. Zugleich bilden der dunkle 8 Eine Analyse fehlt bislang ebenso wie eine monographische Studie über den Maler Franz Lippold, der vor allem als Porträtist geschätzt wurde (zu ihm s. Thieme / Becker, Bd. 23, S. 278). Informationen über das Bild bei Abert: Mäzenatentum, S. 29 f.; Tunk: Kurfürst, S. 35, Schneider: Kirchen, S. 8; ders.: Würdenträger; ders.: Bauwesen, S. 102 f.; Weiß: Pietas, S. 261–263. Walter Brandmüller hat das Gemälde auf den Einband von Bd. 2 seines „Handbuchs der bayerischen Kirchengeschichte“ gesetzt – und damit gleich zum Signet einer ganzen Epoche erhoben.

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B. Handlungsgründe

Hintergrund und die gedeckten Farben einen so wirkungsvollen Kontrast zu der festlichen Helligkeit des Retabels und zu der Kahlheit von Wänden und Gewölben, die allein Neumanns kunstvolle Raumschöpfung sprechen läßt, daß die Blicke wie von selbst immer wieder in dieses Zentrum wandern. Hochrechteckig, von gleicher Höhe wie die rahmenden Säulen plus Kapitelle, stößt es durch ein aufgesetztes Halbrund in die Gebälkzone der Ädikula vor und motiviert damit das Aufbrechen des Architravs. Denn dargestellt ist in diesem Halbrund ebenfalls eine goldene Gloriole. Der plastische Strahlenkranz um das Auge Gottes im Altaraufbau wird von der Malerei aufgegriffen und wiederholt – ein Indiz dafür, daß der architektonische Rahmen und das Altargemälde aufeinander Bezug nehmen; ferner, daß beide von oben nach unten zu lesen sind. Nicht nur als Spitze der Bildkomposition, auch durch ihre goldene Helligkeit, bildet die Gloriole den Blickfang des Gemäldes.

Abb. 6: Gaibach, Pfarrkirche – Hochaltarblatt v. Franz Lippold

1. Selbstdarstellung einer Familie

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Zu erkennen ist vor ihr eine Heilige Dreifaltigkeit: in der Mitte oben mit ausgebreiteten Schwingen die Taube; darunter links der auferstandene Christus, sitzend, das überwundene Kreuz im Arm, über eine Weltkugel nach rechts weisend, auf den thronenden Gottvater, der, mit Tunika, Mantel und Tiara als Papst gekleidet, ein Szepter im Arm, die Rechte zum Segen über der Weltkugel erhoben, als Weltenherrscher dargestellt ist. Auf drei Gestalten sind die Welterhaltung des Heiligen Geistes, das Erlösungswerk Christi und die Herrschaft der Kirche über die Welt verteilt; durch die Gestik von Flügeln und Händen jedoch, sowie durch die kreisförmige Komposition der Gruppe wieder zu vollkommener Einheit zusammengefaßt. Im Blickfang (und Sinnzentrum) dieses Altarbilds stoßen wir damit auf dasselbe Symbol für Einheit in der Vielheit, wie es uns bereits in der Invocatio der Wahlkapitulationen und in der Heilig-Geist-Messe vor den Bischofswahlen begegnet ist. Ferner läßt die Leserichtung mit der Abfolge der Figuren vermuten, daß der Altar eine Verbildlichung oder Konkretisierung vornehmen wird: vom Natursymbol der Taube über Christi Tod und Auferstehung als heilsgeschichtlichen Schlüsselereignissen zur Herrschaft der Kirche über die Welt; vom Geist über den Wassern zur Heilsgeschichte und schließlich zur Politik. Und wirklich läßt sich nach diesem Prinzip die Verdoppelung der Gloriolen erklären: Das Auge Gottes im Architrav zeigt geometrisch-abstrakt, was die Malerei figurativ ausgestaltet. Vom reinen Begriff über die sinnliche Vorstellung zu den Beispielen müßte der Weg dieses didaktischen Programms führen. Den Übergang zu den Beispielen vollzieht ein Schriftband, das zwei Engel rechts unterhalb des segnenden Gottvaters halten: „Benedicite Sacerdotes Domini Dei [NZ] Reges Terræ et omnes populi Principes et omnes judices Terræ Laudate Dominum. Sic Benedicitur Qui Timet Dominum“. Es handelt sich um eine freie Zusammenstellung von Versen aus den Psalmen.9 Wie Gottvater als Kirchenhaupt dar9 Vgl. Psalm 133, 1 („Ecce nunc benedicite Dominum omnes servi Domini qui statis in domo Domini in atriis domus Dei nostri“), Psalm 148, 11 („[laudate Dominum . . . ] reges terrae et omnes populi principes et omnes iudices terrae“) und Psalm 127, 4 („ecce sic benedicetur omnis homo qui timet Dominum“; alle Textfassungen nach dem Psalterium Romanum). Für den Anfang vgl. wörtlicher Dan. 3, 84 aus dem Gesang der drei Knaben im Feuerofen, der an Sonn- und Festtagen zur Laudes gesungen wurde („benedicite, sacerdotes Domini, Domino, benedicite, servi Domini, Domino“). In der Übersetzung Johann Philipps von Schönborn: „Wolan / ihr trewe Knecht / Nun gebt dem Herrn sein Recht: Verehret ihn / Vnd lobt ihn immer hin; Ihr / die ins HErrn Vorhof vnd Haus Mit Frewden steht / [Vnd darin geht Täglich ein vnd aus]“ (Johann Philipp von Schönborn: Die Psalmen, Bd. 2, S. 328–30 zu Psalm 133, 1). „Alle Herrn / vnd grosse König / Völkker / so ihm vnderthänig: Alle Fürsten dieser Welt / Alle / die ihr seyt bestellt / Daß ihr sollt / nach ewren Pflichten / Eines Richters Ambt verrichten / [GOTT den HERRN mit Lob erhebt / Sein gebührend Ehr im gebt]“ (a. a. O., Bd. 2, S. 405 f. zu Psalm 148, 11). „Also wird der Mensch gesegnet / So den HERREN förcht / vnd liebt / [Sich in Tugend übt: Gottes Herren Gnad ihm so begegnet / Daß denselben nichts betrübt]“ (ebd., Bd. 2, S. 307 zu Psalm 127, 4). Daß hier ausgerechnet Psalmenverse verwendet werden, bedarf der Erklärung – legt das Schriftband sie doch Gottvater in den Mund, obwohl sie eigentlich (der Tradition nach von

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B. Handlungsgründe

gestellt ist, fordert er für seine Priester oder, nach der kirchenlateinischen Bedeutung von „sacerdotes“, zumindest für seine ‘Bischöfe’ die Huldigung. Ihnen gilt seine Gnade unmittelbar, den weltlichen Würdenträgern nur, sofern sie die Bischöfe ehren. In aller Schärfe wird damit ein Dualismus von Apostolat und weltlicher Herrschaft postuliert, gleichzeitig eine Rangfolge etabliert. Höher selbst als Könige, Fürsten und Richter sollen die Bischöfe stehen, ein Akt der Gottesfurcht soll ihre Huldigung sein. Das setzt voraus, daß in den Bischöfen Gott selbst verehrt wird; daß sie zum Heiligen bestallt sind, wie das Wort „sacer-dos“ ausdrückt und wie auf der anderen Seite die Papstkleidung Gottvaters ebenfalls deutlich macht. Dieselbe Verehrung wie Gott soll den Bischöfen zustehen, weil sie eins mit dem Göttlichen sind. Es ist dies eine extreme Steigerung des priesterlichen, zumindest des bischöflichen Amtsanspruchs. Daß es sich dabei nicht nur um Worte handelt, macht der zweite Teil des Altarbilds klar. Von der Dreifaltigkeit des oberen Drittels durch eine Wolkendecke geschieden, gleichwohl an mehreren Stellen von Glorienstrahlen erreicht, sind dort elf Personen zu sehen. Eng zusammengerückt, gleichmäßig aufgereiht, dreifach gestaffelt, wirken sie nicht als Einzelpersonen, sondern als Gruppe. Da sie zudem in Ruhepositionen gezeigt sind, kaum Handlungen vollziehen und die Körper sich gegenseitig verdecken, wird die Aufmerksamkeit auf die stark individualisierten Gesichter gelenkt – als Gruppenporträt stellt dieser untere Bildteil sich dar. Dazu paßt, daß sechs der Dargestellten direkte Blickkontakte mit den Betrachtern aufnehmen. D. h. sie kommunizieren mit ihnen (oder mit dem Maler), sie posieren. Die Situation, die hier dargestellt wird, trägt zumindest teilweise Züge einer Porträtsitzung. Für ein Altarbild ist das ungewöhnlich.10 Ja, es gehört sich nicht. Auf Altarblättern hatten Historien dargestellt zu werden, Szenen aus der Heilsgeschichte, seien es biblische oder solche aus Heiligenlegenden. Wenn Stifter auf das Bild vordrangen, hatten sie am Rande zu stehen. Ein profanes und in der Hierarchie der Bildgattungen deutlich geringer geschätztes Genre wie das Gruppenporträt paßt nicht in diesen Comment. Handelt es sich um eine Entgleisung? Um das peinliche Ver-

König David) an Gottvater gerichtet sind. Autorschaft und Adressierung der Verse werden somit genau umgekehrt. Theologisch läßt sich das dadurch rechtfertigen, daß man die Psalmen als prophetische Rede interpretiert: Dann hätte durch den Mund des Psalmendichters Gott gesprochen, wären die Psalmen eigentlich göttliche Rede. Im Kontext dieses Altarbilds ist ihre Verwendung jedoch wohl vor allem dadurch motiviert, daß Johann Philipp von Schönborn (der auf dem Bild an prominenter Stelle porträtiert ist) die Psalmen (wie die Zitate zeigen) auf Deutsch nachgedichtet hat. Diskret verweist ihre Verwendung auf die geistliche Tat eines Schönborn; zeigt sie einen von ihnen als Medium, Inspirierten, Propheten, durch den Gott sich ausgesprochen hat; beglaubigt sie die Bildaussage durch die eigene Spiritualität. Alle drei Verse kommen auch in einer Fronleichnamsliturgie vor, die Thomas von Aquin zugeschrieben wird (s. Thomas von Aquin: Officium novae solemnitatis corporis Domini Iesu Christi „Sacerdos“, S. 122, 121, 119). 10 So auch Dieter Weiß, der mehrere Vergleichsbeispiele untersucht (Weiß: Pietas, S. 262 f.).

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sehen eines Malers, der nur Porträts beherrschte und mit einem Altarbild überfordert war? Das würde bedeuten, daß die Porträtierten aus dem Zusammenhang des Altars herausfallen. Oder sollen sie gerade umgekehrt die Betrachter in einen sakralen Handlungszusammenhang einbeziehen? Die sechs Personen mit Blickkontakt zu den Betrachtern stehen im Hintergrund. Nahezu unbewegt, allenfalls zum Zeichen der Ergriffenheit eine Hand auf die Brust legend, bilden sie eine Reihe, vor der doch etwas geschieht. Zwei Personen auf der rechten Seite beugen verehrend die Knie, zwei Personen auf der linken beten knieend, hinter ihnen hat eine dritte die Hände vor der Brust zum Gebet gekreuzt. Huldigung und Gebet sind die Handlungen, die hier gezeigt werden. Die daran Beteiligten blicken nicht auf die Betrachter. Sie sind versunken dargestellt, scheinen in ihren Aktionen aufzugehen. Gleichwohl gehorchen ihre Haltungen und Gesten strengen Regeln; nur deshalb sind sie eindeutig zu entziffern. Durch eine Rhetorik der Körper kommunizieren sie ebenfalls mit den Betrachtern. Auch sie posieren. Die Bedeutung dieser Handlungen und Haltungen wird verständlich, sobald man Kleidung und Attribute der Akteure betrachtet. Deutlich nämlich sind sie in zwei Gruppen geschieden. Brustharnische und Ordensbänder weisen die vier Personen auf der rechten Seite als Militärs bzw. Ritter aus. Sie stehen unterhalb von Gottvater, auf der Seite von Herrschaft und Politik; vor ihnen liegen auf einem Kissen am Boden Krone, Szepter und Reichsapfel – die Symbole weltlicher Macht. Es sind diese weltlichen Würdenträger, die, angefangen von dem Stehenden rechts hinten, über einen, der sich verneigt, bis zu dem, der in der vorderen Reihe sein Knie beugt, den Part der Huldigung übernehmen. Gerichtet ist diese Huldigung an die zweite Gruppe, die nicht nur weiter in den Vordergrund reicht (voransteht!), sondern auch die Bildmitte einnimmt.11 Bäffchen, Talare, Dalmatiken, Kurmäntel, ein rotes Birett zeigen an, daß es sich um Geistliche handelt. Mit Mitra, Pallium und Bischofsstab, Tiara und Papstkreuz samt Schlüssel Petri liegen vor ihnen die Symbole der kirchlichen Hierarchie. Zugeordnet sind sie der Seite des Auferstandenen: der Heilshandlungen und Erlösungswerke. Und wirklich wird von dieser Gruppe der Part des Betens übernommen: angefangen von dem Schwarzgewandeten hinten links, der die Arme vor der Brust kreuzt, über den vor ihm Knieenden, der in der gleichen Haltung in Andacht versunken ist, bis zu dem Knieenden im Vordergrund, der sich zurücklehnt und – als einziger – aufschaut zur Heiligen Dreifaltigkeit im oberen Bildteil: den Himmel offenstehen sieht und einer Vision teilhaftig wird.12 11 Deshalb sind die Titel falsch, die dem Gemälde in der bisherigen Literatur beigelegt werden. Als „Huldigung des Hauses Schönborn an die Heiligste Dreifaltigkeit“ wird es zumeist bezeichnet (so z. B. von Schneider: Kirchen, S. 9; ders.: Würdenträger). In Wirklichkeit huldigen die weltlichen Würdenträger des Hauses den geistlichen, während diese die heilige Dreifaltigkeit anbeten, wofür beide Gruppen Segen empfangen. 12 Seine Sonderstellung wird ferner dadurch betont, daß er im Vordergrund nicht von anderen Figuren überschnitten wird und als einziger im Profil dargestellt ist (vgl. Schneider: Würdenträger).

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Präzise ist in dieser Komposition der Anspruch ins Bild gesetzt, den die Psalmenverse unter Gottvater erheben: Die (hohe) Geistlichkeit hat Teil am Göttlichen und genießt Gottes Segen unmittelbar (auf ihrer Seite brechen zwei Strahlenbündel durch die Wolken), die weltlichen Würdenträger (ein Strahlenbündel) genießen den Segen, sofern sie der Geistlichkeit huldigen. Und die Betrachter? Sie, die durch direkten Blickkontakt in diese Vorgänge einbezogen werden, sie haben die unterste Stufe dieser Rangfolge einzunehmen: Als Gemeinde und Untertanen, die vor diesem Altar Gottesdienst feiern, haben sie beiden Gruppen zu huldigen. Das Altarbild erweist sich als gemalte Ständelehre, der Blickkontakt als Aufforderung. So vorbildlich, wie die Porträtierten Gottes Wort umsetzen, so pflichtschuldig sollen dies auch die Entzifferer des Bildes tun. Das Ungewöhnliche und Ungehörige der Darstellung ergibt also durchaus einen Sinn. Bewußt verletzt es die Regeln, die seit dem Tridentinum für Altarbilder galten, weil es sich durch die Ideologie, die es propagiert, dazu berechtigt glaubt. Es ist dies eine ästhetische Unverfrorenheit, die von gewaltigem Selbstbewußtsein zeugt. Die Regeln der Tradition werden außer Kraft gesetzt, die Vorschriften der Institution mißachtet, weil man überzeugt ist, ihnen mit den eigenen Innovationen besser zu dienen. Als unerschrockenen, umstürzlerischen Konservatismus kann man diese Haltung charakterisieren oder umgekehrt: als konservative, radikale Offenheit. Man mag vermuten, daß es der Stifter ist, der sich so ausspricht; von dem Maler sind vergleichbare Innovationen nicht bekannt. Der Dialektik solcher Regelverstöße entgeht das Bild jedoch nicht. Um in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine anachronistisch werdende Ständelehre zu propagieren, muß es zu einem Appell an die Betrachter greifen – unwillkürlich gesteht es ein, daß diese sich dem Anspruch auch verweigern könnten. Die dargestellten Vertreter von Geistlichkeit und Adel mögen noch so geschickt als Stützen einer transzendenten Weltordnung ins Bild gesetzt sein (im Rahmen des Altaraufbaus stehen sie zwischen den Säulen der Ädikula) und die Vermittlung zwischen Himmel und Erde übernehmen, schon daß sie die doppelte Figurengröße beanspruchen wie die Dreifaltigkeit,13 sich perspektivisch zwischen Betrachter und Gott schieben, gibt ihrem irdischen Dasein ein Übergewicht. In der Genauigkeit, mit der Gegenstände und Kleidung gemalt sind und in der Porträthaftigkeit der Gesichter setzt das Weltliche sich vollends durch. Alles Transzendente auf diesem Altarblatt ist Komposition, Pose, Behauptung; die Machart ist durch und durch profan. Indem es beide Bereiche in ausgeklügelter Weise noch einmal aufeinander zu beziehen sucht, verrät es, wie rettungslos sie auseinandergefallen sind. Gegen den gemeinten Bildsinn bewirkt das Gruppenporträt also doch eine Profanierung. In einem Kontext, der nach Historien verlangt, führt es gleichzeitig zu einer Historisierung der Dargestellten – unwillkürlich (und abermals gegen den gemeinten Bildsinn) erscheinen sie als Vertreter einer abgeschlossenen Geschichte. 13

Darauf hat Heinrich Kreisel aufmerksam gemacht (Kreisel: Familienbilder, S. 290).

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Die Porträthaftigkeit der Gesichter, die Präzision von Kleidung und Attributen erlauben, die dargestellten Personen zu identifizieren. Es handelt sich sämtlich um Mitglieder der Familie Schönborn.14 Als geschlossene, sorgsam durchkomponierte Gruppe präsentieren sie sich den Betrachtern. Von allen dargestellten Personen existieren sonst nur Einzelbildnisse.15 Mehr noch: Das Altarblatt in Gaibach ist das erste und einzige Gruppenporträt der Familie überhaupt – das erste Bild, auf dem die Schönborn sich als Familie darstellen.16 Für ihr Selbstverständnis handelt es sich um eine zentrale Quelle. Als erstes fällt auf: Es gibt auf diesem Bild weder Frauen noch Kinder. Was ein Familienbildnis gewöhnlich ausmacht: die Darstellung eines Paars mit seinen 14 Hintere Reihe von links: Johann Philipp Franz, Fürstbischof von Würzburg (1673– 1724); Lothar Franz, Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Fürstbischof von Bamberg (1655– 1729); Franz Georg, Erzbischof und Kurfürst von Trier, Fürstbischof von Worms, Fürstprobst von Ellwangen und Prüm (1682–1756); im Zentrum, vor den anderen stehend: Damian Hugo, Kardinal, Fürstbischof von Speyer und Konstanz, Fürstprobst von Weißenburg, Landkomtur des Deutschherrenordens (daher das Ordenskreuz auf der Brust) (1676–1743); rechts dahinter Marquard Wilhelm, Domprobst von Bamberg und Eichstätt (1683–1769); daneben Rudolf Franz Erwein, Kaiserlicher Geheimer Rat und Reichshofrat (daher der Orden des Goldenen Vlieses), Oberhofmarschall in Mainz, Vicedom zu Aschaffenburg, Graf und Herr zu Wiesentheid (1677–1734); Anselm Franz, Kaiserlicher General und Kammerherr, Mainzer Oberamtmann (1681–1726). Vor diesem letzteren neigt sich rechts (etwa in der gleichen Bildebene wie Damian Hugo) Melchior Friedrich, Kaiserlicher Geheimer Rat und Kämmerer, Reichshofrat, Erbtruchseß in Oberösterreich, Obermarschall von Mainz und Würzburg, Vicedom zu Aschaffenburg, Amtmann des Freigerichts Alzenau (1644–1717). Eine weitere Reihe bilden davor knieend links: Johann Philipp, Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Fürstbischof von Würzburg und Worms (1605–1673) sowie, die Kniee beugend, sein Bruder, Philipp Erwein, Reichshofrat und Kaiserlicher Pfalzgraf, Mainzer Oberhofmarschall, Erzschenk und Oberamtmann in Dieburg und Steinheim, Erztruchseß des Hochstifts Würzburg (1607–1688). Ganz vorne links schließlich kniet der Stifter: Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg, ehemaliger Reichsvizekanzler, Kaiserlicher Geheimer Rat (1674– 1746). Zu den Verwandtschaftsverhältnissen s. auch die Stammtafel unten S. 183. 15 Eine systematische Sammlung und Auswertung fehlt. Man bleibt angewiesen auf die Ausstellungskataloge von Tunk: Kurfürst, S. 35–39; Schonath: 250 Jahre, S. 31–36; Jürgensmeier / Riedel: Mittelrheingebiet; Bott: Grafen von Schönborn, S. 186–192, ferner auf die Inventare einschlägiger Schlösser und Museen. Eine reiche Folge von Einzelporträts findet sich in Lechner: Porträt, S. 107–123. In den Jahren 1948–49 hat Heinrich Kreisel die Porträts inventarisiert, die sich im Besitz des Hauses Schönborn-Wiesentheid befinden (Bott: Bibliographie, Nr. 1638), aber nur Schlaglichter darauf publiziert (Kreisel: Schönbornsche Porträtgalerie; ders.: Schönbornsche Familienbilder). 16 Keine der in Anm. 15 genannten Publikationen enthält einen Hinweis auf ein Familienoder Gruppenporträt vor 1750, auch nicht das Inventar von Kreisel (für die Auskunft über letzteres sei der Kuratorin der Kunstsammlungen Graf von Schönborn, Frau Dorothee Feldmann, M.A., herzlich gedankt). Lediglich eine weitere Darstellung von mehreren Mitgliedern der Familie findet sich auf einem Kupferstich, den Johann Octavian Salver nach einem Entwurf des Würzburger Hofmalers Anton Clemens Lünenschloß 1721 gestochen hat (ehemals vorhanden im Mainfränkischen Museum Würzburg, im Zweiten Weltkrieg verbrannt, reproduziert in Freeden: Schönbornzeit. „. . .aus Frankens besseren Tagen. . .“, S. 77; Erläuterung, S. 169). Doch handelt es sich dabei nicht um ein Gruppenporträt, sondern um eine Reihung von Einzelporträts, jedes in einer eigenen Lünette.

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Nachkommen fehlt. Das läßt den Schluß zu: Als Fortpflanzungsgemeinschaft oder Dynastie präsentieren die Schönborn sich hier nicht. Ebensowenig als „Haus“ – weder lebten die Dargestellten unter einem Dach zusammen, noch läßt ihre Anordnung sich als Verhältnis eines Hausvaters zu seinen Hausgenossen interpretieren. Nicht einmal genealogisch: als Generationenfolge, ordnen sie sich an. Zwar sind auf dem Bild drei Generationen von Familienmitgliedern vertreten, doch tauchen keineswegs alle Generationsgenossen auf (auch nicht alle männlichen)17 und die Generationenfolge wird durch die Anordnung auf dem Bild z. T. durchkreuzt.18 Das bleibt festzuhalten: Die drei wichtigsten Konzepte, die man im 18. Jahrhundert mit dem Begriff einer Adelsfamilie verband, spielten für die Selbstdarstellung der Schönborn nicht die leitende Rolle. Fragt man, was Auswahl und Anordnung stattdessen bestimmt, stößt man auf die Amtstätigkeit. Ausnahmslos Amtsträger sind hier versammelt; nur wer ein kirchliches oder weltliches Führungsamt erreicht hatte, galt als bildwürdig. Das ist die zweite, entscheidende Feststellung: Die Schönborn definierten sich über ihre Ämter. Sie waren mit ihren Ämtern verheiratet. Als Amtsinhaber empfanden sie sich als gesegnet. Für ihre Amtstätigkeit beanspruchten sie die Verehrung der Betrachter. Diese Ämter konnten kirchliche oder weltliche sein, wobei erste prinzipiell Vorrang besaßen. Entsprechend teilte die Familie sich in einen (größeren) geistlichen Stand und einen (kleineren) weltlichen. Der weltliche hatte dem geistlichen zu huldigen und zu dienen – nicht etwa umgekehrt. Als Exempel für das Verhältnis von Wehrstand und Lehrstand, Rittern und Priestern, Adel und Geist17 So fehlen aus der zweiten Generation Franz Georg von Schönborn (1639–1674), der frühverstorbene Domkustos von Mainz sowie seine Brüder Johann Philipp, Johanniterkomtur in Würzburg (1642–1703) und Johann Erwein, Herr von Reichelsberg und Heusenstamm (1654–1705). 18 Nur auf der rechten Seite ergibt sich von dem, das Knie beugenden Philipp Erwein, über den dahinter sich neigenden Melchior Friedrich, bis zu dem dahinter ganz rechts stehenden Anselm Franz eine Folge von Großvater, Vater und Sohn. Philipp Erwein ist achsensymmetrisch, in ähnlicher Haltung, auf der linken Seite und gleichen Bildebene, ebenfalls ohne Perücke, sein Bruder Johann Philipp zugeordnet. Links dahinter folgt, wie man es erwartet, Lothar Franz als der führende geistliche Amtsträger der zweiten Generation und dann ganz links Johann Philipp Franz, Angehöriger der dritten Generation und nach seinem Großonkel benannt. Allerdings wird diese Generationenfolge auf der linken Seite dadurch aufgebrochen, daß im Vordergrund (also vor Johann Philipp), der Stifter, Friedrich Karl, dargestellt ist, obwohl er als Mitglied der dritten Generation eigentlich in die hinterste Reihe gehört, wo seine Brüder stehen – den Stifter hervorzuheben ist offenbar wichtiger als die Generationenfolge. Eine zweite Abweichung kommt dadurch zustande, daß Lothar Franz als Mitglied der zweiten Generation in die hinterste Reihe gerückt ist, die eigentlich die dritte Generation versammelt. Dafür steht Damian Hugo vor dieser Reihe in der Bildmitte, auf gleicher Höhe wie sein Vater Melchior Friedrich. Der Grund könnte sein, daß Damian Hugo sich mit erheblichen Summen an Bau und Ausstattung der Kirche beteiligt hat – wieder ginge dann die Stiftermemoria (oder sollte man sagen: das Leistungsprinzip?) der Generationszugehörigkeit voraus. Als Kardinal konnte Damian Hugo zugleich „den höchsten Rang innerhalb der Familie für sich in Anspruch nehmen“ (Schneider: Würdenträger). Damit stoßen wir neben der Stiftermemoria und der Generationenfolge auf ein drittes Ordnungsprinzip.

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lichkeit stellten die Mitglieder der Familie sich dar. Eine Familie sollten die beiden Stände bilden, umgehen miteinander wie Brüder. Daß den weltlichen Amtsträgern dabei nur die dienende, schützende, ermöglichende Rolle zukam, den geistlichen die Heilstaten und Visionen, macht die Gesamtkomposition unter der Dreifaltigkeit klar. Auf geistliche Amtstätigkeit ist in dieser Familie alles gerichtet. Nicht nur Kühnheit und Selbstbewußtsein, in erster Linie ein stark ausgeprägtes Leistungsethos treibt die Familienmitglieder darauf zu. Die Bewährung im (geistlichen) Amt bildet die Rechtfertigung, daß die Schönborn sich auf einem Altarblatt darstellen und verehren ließen; sie erweist sich als das heimliche Thema des Bilds.19 Unterhalb der aufdringlichen Ständelehre und Transzendenz wirkt es dadurch überraschend zeitgemäß. Die Schönborn, so darf man schließen, machten ihre Amtsführung zur Profession. Als das Gemälde für den Hochaltar von Gaibach entstand, waren von den elf dargestellten Amtsträgern nur zwei noch am Leben – fortgerückten Alters und am Ende ihrer Laufbahnen. Nachwuchs für die Stiftskarrieren war allein von schwesterlicher Seite in Sicht, trug also nicht mehr den Schönbornschen Namen. Lange schon war abzusehen, daß die dichte Folge, in der Mitglieder des Hauses kirchliche Spitzenämter erreicht hatten, zumindest unterbrochen werden würde; auch die Zahl der kumulierten Ämter ließ sich nicht halten. Eine Epoche neigte sich ihrem Ende zu. Das erklärt die Selbsthistorisierung, die von den Dargestellten für ihr Vordringen auf ein Altarbild in Kauf genommen wurde. Es erklärt auch, warum die letzten Vertreter dieser Epoche geradezu eine „Memorialoffensive“ für die Familie begannen.20 Aufwendige Grabmäler ließ Friedrich Karl von Schönborn für seine Vorfahren auf den Bischofsstühlen von Bamberg21 und Würzburg22 errichten, wo19 Ähnlich Weiß, der das Altarbild als Ausdruck einer spezifischen Schönbornschen „pietas“ versteht. Im Rückgriff auf die Fürstenspiegel-Literatur definiert er pietas als Pflicht des christlichen Herrschers zur Förderung des Gottesdiensts (Weiß: Pietas, S. 265), ferner als „innere Frömmigkeit, die nach Ausdrucksformen sucht, die öffentlichen und liturgischen Charakter haben. [ . . . ] Der Repräsentationscharakter der Frömmigkeit bildet einen wesentlichen Grundzug des pietas-Gedankens. So muß die Frage nach der bewußt öffentlich zur Schau gestellten Religiosität im Mittelpunkt stehen.“ (ebd., S. 266). In der folgenden Untersuchung wird die These verfochten, daß die zur Schau gestellte Frömmigkeit der Schönborn nur ein Spezialfall war ihres allgemeinen Amts- und Leistungsethos. Während jene Frömmigkeit wie auf dem Gaibacher Altarbild oft forciert wirkt und als konventionelle Schauseite, ist ihr Leistungsethos niemals stilisiert; bei ihm handelt es sich um eine Triebkraft, die nicht auf allgemeinere Momente zurückgeführt werden kann. 20 Der Begriff stammt von Georg Peter Karn, der diesen Vorgang zuerst registriert hat (Karn: Mainzer Kurfürsten, S. 127). 21 Bei der Renovierung des Bamberger Doms entfernt und an die Grafen von Schönborn zurückgegeben, sind sie heute als Leihgaben im Mainfränkischen Museum Würzburg zu sehen (s. Sedlmaier: Schönborn-Grabmäler). 22 Das eigentliche Grabdenkmal in Würzburg ist die Schönborn-Kapelle; die Epitaphien darin konnten daher bescheiden ausfallen (Kupferstich-Darstellungen bei Salver: Proben, S. 616, 626, 700, 725). Die dazu gehörigen Inschriften hatte Friedrich Karl von Schönborn persönlich verfaßt.

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bei er auch für sein eigenes Andenken Vorsorge traf. Sogar in Mainz, wo er selbst kein Amt ausübte, kümmerte er sich um standesgemäße Epitaphien für seinen Onkel und Großonkel.23 In den Kathedralen, wo sie aufgestellt wurden, in der Folge der übrigen Bischofsgräber handelte es sich um Denkmäler im Wortsinn. Mit der Schönborn-Kapelle am Würzburger Dom: einer Kühnheit seines älteren Bruders Johann Philipp Franz, die er mit Beharrlichkeit und Haushaltungskunst vollendete, überbot und sprengte die Familie solche Grabmalreihen ein für alle Mal: Als einzige Familie des rheinfränkischen Stiftsadels hat sie vermocht, sich nach dem Vorbild der Medici-Kapelle in Florenz an einer Kathedrale eine eigene Grabkapelle zu errichten.24 Neben den Grabmälern waren es vor allem die Schlösser – allen voran die fürstbischöflichen Residenzen –, durch deren Errichtung, Umbau oder Vollendung die Schönborn der dritten Amtsträgergeneration sich langfristig in alltägliche Nutzungen einschreiben konnten. In Würzburg gelang Friedrich Karl, den Außenbau der Residenz zu vollenden; bis heute trägt dieser Amtssitz von Wahlfürsten sein Wappen im Portalgiebel. Mit der Schönborn-Kapelle am Dom, die über die neu geschaffene Blick- und Verkehrsachse der Hofstraße mit diesem wappengeschmückten Portalgiebel korrespondierte, standen fortan die beiden wichtigsten Funktionsbauten der Kathedralstadt: Dom und bischöflicher Amtssitz, im Zeichen der Schönborn-Familie. Auch in den Figurenschmuck der Würzburger Mainbrücke: Auftakt der Domstraße und Magistrale der Stadt, schrieb Friedrich Karl sich dauerhaft ein: Sämtliche, von ihm gestiftete Figuren der Nordseite tragen auf den Sockeln sein Wappen; zudem bilden sie ein durchdachtes, politisch-religiöses Programm, das Hochstift und fürstbischöfliche Gewalt durch Reichsdienst und vorbildliche Amtsführung legitimiert und dabei wieder die Namenspatronen des ehemaligen Reichsvizekanzlers an prominenter Stelle plaziert.25 Mit Werneck fügte Friedrich Karl den Würzburger Residenzen einen eigenen, von ihm allein errichteten Sommersitz hinzu. Ähnlich dichte Verweise vermochte er im Gefolge seines Onkels und Vorgängers Lothar Franz dem Stadtraum von Bamberg einzuprägen. Entsprechendes betrieb sein Bruder Franz Georg in Trier, ein weiterer Bruder, Damian Hugo, errichtete in Bruchsal eine völlig neue Residenzstadt. Gezielt also – das ist die dritte Feststellung, von der die folgende Untersuchung ausgeht – arbeiteten die Schönborn an ihrer Memoria. Keineswegs überließen sie dem Zufall, wie sie der Nachwelt im Gedächtnis bleiben wollten. Historiographisch hat diese Memorialpolitik sich in Werken niedergeschlagen, die die Geschichte der Hochstifte entlang der Bischofsreihe schrieben. Um die 23 Dazu Karn: Mainzer Kurfürsten, S. 127, ferner die Literatur über die Denkmäler im Mainzer Dom. 24 Maßgeblich bis heute Boll: Schönbornkapelle; zum Vorbild der Medici-Kapelle, das Johann Philipp Franz von Schönborn von seinen Italienreisen kannte und auf das er sich ausdrücklich berief, ebd., S. 116 mit Anm. 181. Vgl. Milde / Worbs: Schönbornkapelle. Neuerdings Rümelin: Schönbornkapelle. 25 Dazu Meyer: Religion, S. 594 f.

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Mitte des 18. Jahrhunderts sind solche Geschichtswerke für viele Hochstifte neu entstanden – Indiz für ein wachsendes Legitimationsdefizit dieser politischen Gebilde, dem man mit dem Nachweis „uralter Dauer“ ebenso zu begegnen suchte wie mit der Beschreibung vorbildlicher Amtsführung der Oberhirten. Mehrere solcher Geschichtswerke (oder einzelner Teile von ihnen) sind den Schönborn-Fürstbischöfen der dritten Amtsträgergeneration gewidmet; regelmäßig bilden ihre Viten darin die Höhe- und Glanzpunkte. Zu nennen sind hier die Werke Georg Christian Joannis’ für Mainz,26 des Benediktiners Ignaz Gropp für Würzburg,27 des Weihbischofs Johann Nikolaus von Hontheim für Trier,28 des Johann Friedrich Schannat für Worms.29 Von Geistlichen verfaßt, rücken diese Historien das pastorale Wirken der Fürstbischöfe in den Mittelpunkt – nicht ohne es als Vorzug der Stiftsherrschaften und (implizit) als Mittel guter Policey und Wohlfahrtspflege darzustellen. Das Amtsverständnis der Schönborn-Fürstbischöfe und ihre Schaufrömmigkeit stimmten mit dieser Argumentation überein. Als Inbegriff gelungener Bischofsherrschaft konnten ihre Regentschaften in diesen Werken deshalb präsentiert werden. Wirksam geblieben ist dieses Bild in der Kirchenhistorie. Bis heute führen die einschlägigen Bistumsgeschichten die gleichen Beispiele für das geistliche Wirken der Schönborn-Fürstbischöfe an, die schon Joannis, Gropp und Hontheim versammelten; oft belegen sie ihre Aussagen explizit aus deren Werken.30 Das ist der eine Archetypus, der das Bild der Schönborn in der modernen Forschung bestimmt. 26 Joannis: Scriptores, Bd. 1 ist die aktualisierte und fortgeschriebene Neuauflage eines Werks des Jesuiten Nikolaus Serarius. Der Band ist Lothar Franz von Schönborn gewidmet und endet mit dessen Regierungszeit (S. 985–996). Ferner enthält er ein Kapitel über Johann Philipp von Schönborn (S. 985–996) und eine Stammtafel des Hauses Schönborn über fünf Generationen (zwischen S. 984 und 985). 27 Gropp: Collectio, Bd. 2, S. 448–506 (über Johann Philipp von Schönborn), S. 662–679 (über Johann Philipp Franz), S. 693–857 (über Friedrich Karl), ferner ders.: Collectionis [ . . . ] Tomus IV, S. 247–273 (über Johann Philipp von Schönborn), S. 364–381 (über Johann Philipp Franz von Schönborn) und S. 440–679 (über Friedrich Karl von Schönborn). Bd. 2, 1744 erschienen, ist Friedrich Karl gewidmet, dessen Wirken Gropp vor Augen stand und für dessen Lebensbeschreibung er schon zu Friedrich Karls Lebzeiten Material zu sammeln begann (Gropp: Vita Friderici Caroli episcopi herbipolensis. [Um 1737?]; ungedruckt; das Manuskript im ByStAWü, HV MS f.* 140). 28 Hontheim: Historia. Das Werk ist Franz Georg von Schönborn gewidmet (Bd. 1, Widmung) und findet in dessen Regierungszeit (Bd. 3, S. 940–960) mit einer Beschreibung von Franz Georgs Einzug in Frankfurt am 2. Oktober 1745 anläßlich der Kaiserkrönung Franz’ I. einen im Wortsinn krönenden Abschluß. Zu dem Werk allgemein s. Wegele: Geschichte, S. 940. 29 Schannat: Historia. Das Werk ist Franz Georg von Schönborn gewidmet (Bd. 1, Widmung), der es auch in Auftrag gegeben hat. Bd. 1 enthält die Bischofschronik und endet mit der Wahl von Franz Georg 1732 (S. 452), Bd. 2 enthält die Urkunden. Zu Schannat s. Wegele: Geschichte, S. 569 f. 30 So für die Familie insgesamt Weiß: Pietas, für einzelne Vertreter Jürgensmeier: Bistum Mainz, S. 220–227 und S. 233–239; ders.: Vom Westfälischen Frieden, S. 233–293 und S. 375–400; Weiß: Geistliche Regierung, S. 418–421, 429–436. Weitere Beispiele bei Warmbrunn: Bistum, S. 210–215.

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Überlagert wird er häufig von einem zweiten oder besser: von einer säkularisierten Variante des ersten. Es handelt sich um den Topos von den Schönborn als Mäzenen. Von keinem geringeren als Georg Dehio in eherne Lettern gegossen,31 prägt er die kultur- und kunsthistorische Forschung bis in die Gegenwart. Zudem hat er Breitenwirkung erlangt: Was gegenwärtig im Internet über die drei Generationen von Schönborn-Amtsträgern zu lesen steht, ist fast ausschließlich durch ihn bestimmt. Auch nach seinem Ursprung, vor allem aber nach den Gründen für seine Beständigkeit wird in dem folgenden Exkurs daher zu fragen sein.

Exkurs 1: Die Ordnung des „Schönborn-Archivs Wiesentheid“ Wer heute über die Schönborn-Amtsträger forscht, wird sich ihnen über die Archivalien nähern, die der fränkische Zweig der Familie auf diversen Besitzungen verwahrte, schließlich zusammengeführt hat: über das sogenannte „SchönbornArchiv Wiesentheid“.32 Seit 1980 ist es als Deputat im Bayerischen Staatsarchiv Würzburg uneingeschränkt zugänglich. Schon aufgrund seines Umfangs von rund 1.200 Regalmetern, vor allem aber wegen der Qualität seiner Bestände gehört es zu den bedeutendsten deutschen Adelsarchiven überhaupt. Und was am bestechendsten ist: Es präsentiert sich in mustergültiger Ordnung, es wirkt hervorragend erschlossen. Wer jemals versucht hat, sich in Familienarchiven zurechtzufinden, wird erleichtert nach den achtzig Repertorienbänden greifen, die das Archivgut verzeichnen. Dankbar wird man die Arbeit mehrerer Generationen von Archivaren in Anspruch nehmen und über die vielen zuverlässigen Register oder die durchdachte Systematik rasch zu den gesuchten Beständen vorstoßen. Dabei lohnt sich durchaus, an dieser Stelle innezuhalten und die Ordnungsprinzipien des Archivs zu durchdenken. Denn einiges spricht dafür, daß man durch die vorgefundene Einteilung und den Erschließungsstand des Archivs auf eine Bahn gelenkt wird, die wie von selbst zu einem bestimmten Bild der Schönborn-Amtsträger führt. In der Einteilung des Schönborn-Archivs sind noch die unterschiedlichen Bestände zu erkennen, aus denen es seit dem 18. Jahrhundert zusammengeführt wurde: Urkunden über die Besitz- und Herrschaftsverhältnisse der Güter, die im Lauf der Zeit von der Familie erworben wurden (allen voran die der reichsständischen Grafschaft Wiesentheid sowie die ererbten Besitzungen der Truchsesse von Pommersfelden); Akten und Rechnungen über die Verwaltung dieser Güter; 31 „Es ist keine Übertreibung: in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also in der eigentlichen Blütezeit des deutschen Barocks, hat die Familie Schönborn für die Baukunst mehr vollbracht als irgendein weltlicher Fürst der Zeit.“ (Dehio: Geschichte, Bd. 3, S. 356). 32 Abgekürzt zitiert als: SAW. Grundlegende Informationen darüber bei: Kallfelz: Repertorien, S. 40–73 und Andrian-Werburg: Archiv, mit weiterer Literatur. Dem Direktor des Bayerischen Staatsarchivs Würzburg, Herrn Dr. Werner Wagenhöfer, sei für zahlreiche Zusatzauskünfte herzlich gedankt.

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ferner Urkunden und Akten der Vorbesitzer (teilweise hoch in das Mittelalter zurückreichend). Gegliedert nach den Ämtern, von denen die Güter bewirtschaftet wurden, machen diese Zeugnisse zur Besitz- und Verwaltungsgeschichte neunzig Prozent des Schönborn-Archivs Wiesentheid aus. Gewidmet ist ihnen aber nur die Hälfte der achtzig Repertorienbände. Die andere, äußerlich viel eindrucksvollere Häfte erschließt jene verbleibenden zehn Prozent, die als „Haus- und Korrespondenzarchiv“ bezeichnet werden. Fünffach besser ist dieses Haus- und Korrespondenzarchiv mithin erschlossen als die überwältigende Masse des Archivguts; um den Faktor Fünf wird es allein durch diese Bevorzugung hervorgehoben. Zusammengeführt und erschlossen hat man es vergleichsweise spät. Während die Ämter-Archive und Registraturen aus der alltäglichen Verwaltungspraxis erwuchsen und ihre heutige Systematik bereits im 18. Jahrhundert erhielten, als vor allem Friedrich Karl von Schönborn darauf drang, die erworbenen Besitzungen zusammenzufassen, das dazugehörige Archivgut für die laufende Verwaltung nutzbar zu machen, wurden die rund fünfzig Regalmeter des Hausarchivs erst im 19. Jahrhundert systematisiert und verzeichnet.33 Das sogenannte „Korrespondenzarchiv“ ist sogar ein Kunstprodukt erst des 20. Jahrhunderts. Kurz vor Ende des Kaiserreichs kam man in der Familie auf die Idee, was die wichtigsten Vorfahren hinterlassen hatten: den disparaten Wust von Privatpapieren, Korrespondenzen, Zeugnissen ihrer Amtstätigkeit etc., zu einem gemeinsamen Bestand zu verschmelzen; erst jetzt entwickelt man ein System, diesen Papierberg zu ordnen und zu verzeichnen. Jahrzehntelange Arbeit lud man sich damit auf – für Papiere, die für die eigene Güterbewirtschaftung nicht relevant, wirtschaftlich und juristisch nicht von Interesse waren. Gleichwohl beschäftigten die Grafen von Schönborn eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, um diese unproduktiven Dokumente zu erschließen. Vierzig foliogroße, auf Büttenpapier geschriebene, pergamentgebundene Repertorienbände brachten ihre Archivare hervor. Bis zu einzelnen Blättern haben sie das neu geschaffene „Korrespondenzarchiv“ über weite Strecken verzeichnet. Auch das ist eine gewaltige Investition in Memoria, abermals stoßen wir hier auf eine „Memorialoffensive“ der Schönborn-Familie. Wie läßt sie sich erklären? Als man am 16. Mai 1908 einen jungen Mann „zum Zweck der Ordnung der Gräflich Schönbornischen Archivalien“ einstellte, glaubte man, auf altvertrauten Bahnen zu wandeln.34 Wie bisher sollte die geplante Ordnung praktischen Zwecken dienen: Aus den noch ungesichteten Nachlässen sollte neues „Material für die Familien-Besitz- u. Verwaltungsgeschichte des Gräflichen Hauses“ gewon33 Den Anstoß dafür gab möglicherweise die Neuordnung des Familienbesitzes durch den revidierten Familienfideikommiß vom 13. Mai 1811. 34 So die Formel im Dienstvertrag vom 16. Mai 1908 (SAW Personalakten. Specialia, Nr. 1). Ein Brief des Schönbornschen Kanzleidirektors Dr. Adolf Schwarz vom 30. März 1908 (a. a. O.) präzisiert: „Es soll sowohl der noch ungesichtete Theil der Archivalien geordnet, als der ältere primitiv geordnete Bestand neu geordnet und registrirt werden, und zugleich anfallendes Material für die Familien-Besitz- u. Verwaltungsgeschichte des Gräflichen Hauses zu übersichtlicher Sammlung gelangen.“

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nen werden. Für den vorgesehenen Bearbeiter nahm das Unternehmen sich jedoch anders aus – durch einen Glücksfall war man an einen Experten geraten. Josef Friedrich Abert, 1879 in Würzburg geboren, stammte aus kleinbürgerlichkatholischen Verhältnissen.35 Sein Vater war Schreinermeister, sein Onkel, Friedrich Philipp Abert, schlug die geistliche Laufbahn ein, wurde Theologie-Professor an der Universität Würzburg, später Erzbischof von Bamberg. Dieser Onkel war bei den Schönborn in Wiesentheid Kaplan gewesen, die Schönborn-Residenz dadurch für den Neffen von Kindheit an ein Begriff. Abert studierte Geschichte in Würzburg, wo er 1904 von Theodor Henner promoviert wurde. Seine Dissertation über „Die Wahlkapitulationen der Würzburger Bischöfe“ setzte Maßstäbe: Fragestellung und Methode wirkten als Vorbild, regten eine ganze Reihe ähnlicher Untersuchungen an. Überdies machten sie Abert zu einem intimen Kenner der Hochstiftsgeschichte. Nach dem Studium unterzog er sich in München der Ausbildung für den Archivdienst, 1908 schloß er sie mit dem Staatsexamen ab – um sich in einer akuten Notlage wiederzufinden. Wegen „der großen Zahl von Praktikanten“ konnte damals „eine Aufnahme in den archivalischen Vorbereitungsdienst“ nicht erfolgen.36 Der Neunundzwanzigjährige mußte sich um eine Überbrückung bemühen. Die Anstellung in Wiesentheid ermöglichte ihm, seine Assessorenzeit in einem Privatarchiv zu absolvieren. Die Schönborn gewannen in ihm nicht nur einen unternehmenden jungen Archivar auf dem neuesten Stand der gerade wieder vom Pertinenz- zum Provenienzprinzip zurückpendelnden Ausbildung,37 sie bekamen es auch mit einem Geschichtswissenschaftler zu tun, der die gemeinhistorische Bedeutung der Schönborn-Amtsträger kannte; der ihre Familiengeschichte von Anfang an als Teil der allgemeinen Geschichte betrachtete; der bereits für seine Doktorarbeit im Schönborn-Archiv gestöbert hatte; der es keineswegs bloß für pragmatische Verwaltungszwecke aufzubereiten gedachte. Abert hat den Schatz erkannt, vor dem er mit den ungeordneten Verlassenschaften der Schönborn-Amtsträger stand. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, diesen Schatz zu heben. Noch vor seiner Einstellung erläuterte er dem Gräflich Schönbornschen Kanzleidirektor Adolf Schwarz, das Archiv müsse so geordnet werden, daß eine vielfältige, auch wandelbare Verwendung gesichert werde.38 Das klingt harmlos, vernünftig – und markiert doch den entschei35 Das Folgende nach Bock: [Nachruf] Abert. Vgl. auch das Verzeichnis von Aberts Schriften (Fraundorfer: Bibliographie). 36 So eine Meldung im Würzburger Generalanzeiger vom 7. Dezember 1908. Sie liegt Aberts Personalakte bei den Schönborn bei (a. a. O.). 37 In einem Nachruf auf einen Kollegen am Staatsarchiv Würzburg berichtet Abert von hitzigen Diskussionen zwischen den Vertretern des Pertinenz- und des Provenienz-Prinzips (Abert: [Nachruf] Sperl, S. 296). 38 „Persönlich bin ich der Ansicht, daß zur Ordnung eines solch reichhaltigen und verschiedenartig zusammengesetzten Archives, wie es das Wiesentheider ist, unbedingt eine archivalisch geschulte Kraft von Nöten ist. Der reine Historiker, selbst wenn er als Benutzer schon viel in Archiven gearbeitet haben sollte, wird niemals allen Teilen eines zu ordnenden

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denden Übergang von einem administrativ-pragmatischen Archiv-Verständnis zu einem professionell-universalisierten. Zwei Jahre war Abert in Wiesentheid tätig. Sobald sich eine Gelegenheit ergab, wechselte er in den staatlichen Archivdienst.39 Eng jedoch blieb er den Schönborn verbunden: Nicht allein arbeitete er stundenweise weiter für ihr Archiv,40 auch seine Nachfolger dort41 wurden von ihm angelernt und eingewiesen.42 Da es sich nicht um ausgebildete Archivare handelte, agierten sie unter seiner Aufsicht; ein Archivs das gleiche Interesse entgegenbringen. Er wird zu leicht geneigt sein, das Schema der speziellen Arbeit, die ihn momentan beschäftigt, der Ordnung der Bestände zu Grund zu legen, ohne dem organischen Erwachsensein der Archivbestände Rechnung zu tragen. Er würde einer für den Augenblick vielleicht erwünschteren rascheren Verwendbarkeit zu liebe manches zusammenlegen, was ganz verschiedener Provenienz angehört; anderes wieder trennen, was organisch erwachsen ist. Darunter könnte eine spätere Benutzbarkeit des Archivs leiden.“ (Brief an den Schönbornschen Kanzleidirektor Dr. Adolf Schwarz vom 11. April 1908. In: SAW Personalakten. Specialia, Nr. 1). 39 1910 konnte er über eine Stelle am Kreisarchiv Neuburg die staatliche Archivlaufbahn antreten. Unterbrochen vom Kriegsdienst an der Westfront und politischen Kämpfen als Freikorps-Mitglied – 1919 beteiligte er sich an der Entmachtung des Würzburger Arbeiter- und Soldatenrats und marschierte mit dem Freikorps Würzburg gegen die Münchener Räterepublik – brachte er es 1932 zum Direktor des Würzburger Staatsarchivs; seit 1929 lehrte er als Honorarprofessor Archivwesen an der Würzburger Universität. 1936 wurde er ein Opfer der nationalsozialistischen Homosexuellen-Verfolgung: Er wurde öffentlich angefeindet, mußte aus dem Archivdienst ausscheiden und ging er nach Rom, wo er bis 1941 am Deutschen Historischen Institut über die Verbindung der Kurie nach Deutschland arbeitete, Urkunden sowie Handschriften erschloß. Durch die Zerstörung Würzburgs verlor er Haus, Bibliothek, zahlreiche Sammlungen. Nach dem Krieg veröffentlichte er nur noch lokalhistorische Beiträge in der Lokalzeitung. Isoliert starb er 1959 in der Psychiatrie. 40 In Aberts Personalakte befindet sich ein Vertrag vom 9. März 1913, in dem Abert vier Stunden pro Woche die begonnene Verzeichnisarbeit fortsetzen will, wozu ihm die entsprechenden Bestände nach Würzburg geschickt werden sollen. Wie lange er dies durchhielt, ist nicht ersichtlich. 41 Es handelt sich um Kaplan Wilhelm Michel, Archivar in Wiesentheid vom 15. Mai bis 31. August 1919 sowie vom 1. November 1920 bis 1. August 1922; Pfarrer Dr. Hugo Hantsch, Archivar vom 1. März 1923 bis 31. August 1924; Dr. Hanns Fischer, Archivar vom 1. Oktober 1929 bis 31. Dezember 1955 (s. die jeweiligen Personalakten im SAW Personalakten. Specialia, Nrn. 225, 128–130, 83). Nicht freigegeben sind die Akten der weiteren Nachfolger Dr. Max Domarus und Dr. Siegfried Wenisch. Anders als Michel, Hantsch und Fischer arbeiteten sie nicht mehr unter der Aufsicht von Abert. 42 In einem Brief vom 3. Juli 1922 schreibt Michel an seinen Dienstherren: „Die formaltechnische Seite des Archivwesens, für die dem Unterzeichneten in einem archivtechnischen Kurs und in Privatbesprechungen mit Herrn Staatsoberarchivar Dr. Abert – Würzburg die Hauptrichtlinien gegeben worden sind, kommt erst in zweiter Linie in Betracht.“ (SAW Personalakten. Specialia, Nr. 225). Ebenso war Hantsch angelernt worden (vgl. dessen Dienstverträge in SAW Personalakten. Specialia, Nr. 128–130). In Fischers Dienstvertrag vom 6. April 1929 (SAW Personalakten. Specialia, Nr. 83) heißt es: „Herr Dr. Fischer ist bereits am 1. Oktober 1928 in die Dienste SEINER ERLAUCHT des Herrn Dr. Grafen von Schönborn eingetreten und hat in dessen hohem Auftrage sich einer dreimonatigen Vorbereitungs= und Einführungsdienstleistung am Bayerischen Staatsarchive zu Würzburg unter Anleitung des Vorstandes jenes Staatsarchives, Herrn Oberarchivars Dr. Abert unterzogen.“ 11 Süßmann

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von ihm entwickeltes Ordnungskonzept setzten sie um.43 Das bestätigt auch die Reihenfolge der Repertorienbände: Die ältesten stammen von Abert. Der Gliederung, die er für sie entwickelte, folgen alle weiteren. Nur unwesentlich wurde sie für den jeweiligen Bestand noch modifiziert.44 Auf Abert also geht die Systematik des Schönbornschen Korrespondenzarchivs zurück. Er hat es entdeckt, er hat es gestaltet, er hat es in gewisser Weise erfunden. Denn wie alle Ordnungssysteme ist es seinem Material gegenüber keinesweg neutral. Aberts Grundidee war, zunächst jede Archivalie aus dem vorgefundenen Bestand einem Schönborn zuzuordnen: dem wirklichen oder angenommenen Nachlasser. Der Papierberg wurde als Summe von Einzelnachlässen gedeutet; seine (Um-)Sortierung hat ihn in eine solche verwandelt.45 Wie stark Abert dabei bestimmte Vorstellungen in das Material hineintrug, zeigt das Ergebnis – beschränkte er sich doch auf siebzehn Würdenträger und Familienhäupter aus der Epoche, in der die Schönborn politische Führungspositionen einnahmen. Die Frauen der Familie bekamen ebensowenig eigene Verlassenschaften zugestanden wie spätere Familienhäupter; im Gegensatz zu den Ämterarchiven wurde das „Korrespondenzoder Nachlaßarchiv“ (so der vollständige Titel) von vorneherein als geschlossener Bestand konzipiert, war eine Fortführung durch die jeweilige Gegenwart nicht vorgesehen. Entschieden ging die Erschließung der Vergangenheit mit ihrer Abschließung einher; unbarmherzig wurde die Bedeutung der Familie historisiert. In einem zweiten Schritt ordnete Abert die Einzel„nachlässe“ nach Sachgesichtspunkten. Natürlich ging das auf Kosten der Provenienz – offenbar hielt Abert sie durch das Nachlaß-Prinzip für genügend bewahrt. Wie er die Papiere gliederte, die er Melchior Friedrich von Schönborn zugeordnet hat (einen der um43 In einem Nachruf schreibt Max Domarus, der Schönbornsche Archivar Hanns Fischer habe „in zielbewußter, mühevoller Arbeit“ durchgeführt, was seine Vorgänger, allen voran Abert, „in Umrissen“ konzipiert und in Angriff genommen hätten (Domarus: Fischer). 44 In den vierzig Repertorienbänden lassen sich neun verschiedene Handschriften unterscheiden. Ein Vergleich mit Briefen in den Personalakten erlaubt, vier davon zu identifizieren. Nimmt man die Angaben aus den Nachrufen auf die Archivare hinzu, lassen die vierzig Bände sich wie folgt zuordnen: R. 0.19.2, Bde. 16–18, 23–24 stammen von Aberts Hand. Sie sind konzeptionell die ersten, bilden den Ursprung der gesamten Ordnung, ohne daß sie auch zeitlich als erste niedergeschrieben zu sein brauchen. Denkbar ist, daß Abert in seiner Wiesentheider Zeit die Bestände nur durchgesehen und zugeordnet hat, die Niederschrift aber zu einem anderen Zeitpunkt vornahm (darauf deuten Querverweise auf spätere Bände hin). R. 0.19.02, Bde. 29+30 lassen sich durch einen Nachtrag auf der Titelseite von Bd. 30 „Kaplan Michel“ zuordnen. R. 0.19.2, Bde. 20 / II, 28, 32, 35 stammen von Hantsch; R. 0.19.2, Bde. 1–15, 19, 20 / I, 25–27, 31, 34, 36–40 von Fischer; R. 0.19.02, Bd. 33 von Domarus. Die Handschrift H1 in R. 0.19.02, Bd. 20 / III, H2 in R. 0.19.02, Bd. 22 und H3 in R. 0.19.02, Bd. 23 taucht nur je einmal auf und zwar ausnahmslos in Registerbänden; es dürfte sich um Aushilfen handeln. Von einer weiteren Hand stammen nur Nachträge und Ergänzungen. 45 Das Korrespondenzarchiv ist aus verschiedenen Beständen zusammengefügt worden, die ursprünglich aus Mainz (nach der Französischen Revolution Schloß Weiler im Spessart), Wiesentheid und Pommersfelden stammen. Spuren der Umsortierung finden sich noch bei einzelnen Nummern, die nachträglich gestrichen wurden mit dem Vermerk: „jetzt beim Bestand soundso“.

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fangreichsten „Nachlässe“ des gesamten Archivs), zeigt das Prinzip:46 Radikal trennte er die Papiere entlang der modernen Unterscheidung von öffentlichen Amtsgeschäften und privaten Familienangelegenheiten. An den Anfang stellte er „Acta publica“ (Kapitel I+II), unterteilt nach Epochen. Darunter fällt die hohe Politik, fallen die Gesandtschaften und diplomatischen Missionen, die Melchior Friedrich im Auftrag erst seines Onkels Johann Philipp, später seines Bruders Lothar Franz für Kurmainz und die Kaiser ausgeführt hat. Es folgen die „Sachen des Mainzer Obermarschallamts“ (Kapitel III) und „Mainzer Verwaltungssachen“ (Kapitel IV), also ebenfalls Amtsgeschäfte, jetzt der mittleren Ebene. Wenn darauf „Güter Verwaltungs-Sachen“ erscheinen (Kapitel V), hängt das damit zusammen, daß Melchior Friedrich zeitweise Mainzer Besitzungen als „Pfandschaft“ verwaltete; deshalb werden auch diese Geschäfte zu den öffentlichen gezählt. Schließlich folgt die „Korrespondenz mit seinen Amtleuten, Sekretären“ (Kapitel VI; wo immer möglich nahm Abert eine Scheidung von Akten und Korrespondenzen vor). Erst danach kommen die „Familien Sachen (aktiv)“ (Kapitel VII), unterteilt in verschiedene Unternehmen wie „Erziehung der Söhne und Töchter“, Erlangung von „Ämter und Stellungen“, „Verlobungen und Heiratsprojekte“ etc., ferner die „Korr[espondenz] mit Familienmitgliedern u[nd] sonstigen Verwandten“, unterteilt nach Korrespondenzpartnern. Ein dritter Block (Kapitel IX – XIV) ist neben der „Verlassenschaft“ und den „Nachträgen“ (die von der weitergehenden Umsortierung der Bestände zeugen) Papieren gewidmet, die sich in das obige Raster nicht einfügen, etwa „Korrespondenzen u. Akten verschiedenen Inhalts, teils politischer, teils privater Natur“. Zusammen ergibt das eine klare, sachliche Gliederung, die offen ist für vielerlei Nutzerinteressen und Fragen. Was Abert wollte, hat er erreicht: Das Nachlaßarchiv ist zum Hauptportal der Schönborn-Forschung geworden. Alle wissenschaftliche Beschäftigung mit der Familie wählt seither diesen Zugang. Statt ein Güterverwaltungsarchiv um eine personenorientierte Abteilung zu ergänzen, hat er ein Instrument für die Wissenschaften geschaffen. Damit hat er die Schönborn auf Dauer zum Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Forschung gemacht. Daß er das Nachlaßarchiv auf die Amtsträger und Familienhäupter der „Schönbornzeit“ beschränkte, kennzeichnet sein Interesse ebenso wie die Hierarchie von Amtstätigkeit und Familienleben, hoher Diplomatie und alltäglicher Lokalverwaltung. Fest hat er ihre politische, allgemeinhistorische Bedeutung durch seine Strukturierung der Überlieferung verankert. Indem er seinen modernen Politikbegriff, seine moderne Trennung von Amtstätigkeit und Familie in die Zeugnisse hineintrug, fixierte er eine Vorstellung von den Schönborn als modernen, selbstlosen Amtsträgern. Dauerhaft wurde sie in die Apparatur eingebaut, durch die seither alle Forscher auf die Schönborn schauen. Unabänderlich, unvermerkt filtert sie den Blick auf sie. Noch einmal: Warum hat die Familie diese Historisierung mitgemacht? Warum hat sie sie finanziert? Schließlich war sie nicht nur mit Aufwendungen verbunden, die sich über Jahrzehnte hinzogen, sie bedeutete auch eine Öffnung, Freigabe von 46

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SAW R. 0.19.02, Bd. 17: Gliederung.

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Familien-Interna, Bereitschaft, die eigenen Vorfahren dem Blick der Forschung auszusetzen – kurzum, sie erforderte Mut; bezeugt enorme Souveränität. Aberts Finderglück und Professionalität hätten nicht gereicht. Er bedurfte der Gegenüber in der Familie, die die Bedeutung des Vorhabens erkannten; die es ein Leben lang mittrugen und über wechselnde Konjunkturen hinwegretteten; die es durch zahlreiche flankierende Maßnahmen unterstützten. In Erwein Graf von SchönbornWiesentheid (1877–1942) und seiner Frau Ernestina von Schönborn (1880–1965) traf Abert auf solche Gegenüber.47 Graf Erwein war ein Praktiker, dabei durch und durch erfahrungswissenschaftlich geprägt. Auf Wunsch seines Vaters hatte er zunächst Jura studiert, 1903 erwarb er in Heidelberg den Doktorgrad. Danach durfte er den eigenen Neigungen folgen und wurde Mediziner. 1909 wurde er in München summa cum laude auch in diesem Fach promoviert. Die Approbation war keine Formalie für ihn; sein Leben lang hat er den Arzt-Beruf ausgeübt, nicht nur in den Kriegen. Vor allem konnte er darin seinen Forschungsinteressen folgen. Nach dem medizinischen Examen ging er nach Neapel, wo er an der Zoologischen Station physiologische Studien trieb, ferner forschte er am Tropeninstitut in Hamburg und am Krebsinstitut in London – drei Adressen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Weltrang besaßen. Schon in Neapel arbeitete Graf Erwein mit künftigen Nobelpreisträgern zusammen, in London war er mit Casimir Funk an der Entdeckung der Vitamine beteiligt. Eine erstrangige Forscherlaufbahn gab Graf Erwein also auf, als er nach dem Tod seines Vaters 1915 den Familienvorstand übernahm. Für die Umbrüche, die auf ihn zukamen (als wäre nicht schon die Kriegserfahrung belastend genug gewesen), erwies er sich als gerüstet. In Neapel hatte er seine künftige Frau kennengelernt, eine geborene Ruffo della Scaletta: aus einer Familie stammend, die zu den ersten Würdenträgern schon des staufischen Königreichs gehört hatte; ihre Mutter war eine geborene Borghese – wie er selbst eine tatkräftige, leistungsstarke Persönlichkeit.48 1915 wurde Graf Erwein bayerischer Standesherr, die Revolution von 1918 beseitigte dieses Privileg radikal. Aus einem Repräsentanten des staatstragenden Adels: einer Funktionselite, der aufgrund von Geburt und Besitz besondere Zugänge zu Legislative, Exekutive und Verwaltung freigehalten wurden, während ihr Vermögen besonderen Schutz genoß, verwandelte sie ihn mit einem Schlag in einen Privatmann. Verloren ging der Familie der politische Status, verlo47 Zu ihm die Biographie, die Abert über ihn verfaßt hat (Abert: Erwein Graf von Schönborn-Wiesentheid), zu ihr den Geburtstagsartikel von Abert (Abert: Förderin) sowie den Nachruf von Schonath (Schonath: [Nachruf] Ernestina Gräfin von Schönborn-Wiesentheid). Das Folgende nach den Angaben aus diesen Texten. 48 „Die große Not, die dem Zusammenbruch [von 1918, J.S.] folgte, stellte vor allem die Gräfin vor viele soziale Aufgaben.“ (Schonath: [Nachruf] Ernestina Gräfin von SchönbornWiesentheid, S. 7). Sie engagierte sich in der Armenspeisung, der Altenpflege, der Gesundheitspflege, sie veranlaßte, daß das im Zweiten Weltkrieg in Wiesentheid eingerichtete Lazarett „mit einem Teil der Ärzteschaft [in] ein Krankenhaus und ein Entbindungsheim“ umgewandelt wurde, „dessen Aufwand weitgehend von ihr bestritten wurde und das bis in die fünziger Jahre bestand“ (ebd., S. 7 f.).

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ren ging ihr die praktische Bevorrechtung.49 Mit einem Mal waren die Schönborn Privatleute in einer egalitären Bürgergesellschaft, verpflichtet auf ein zwar beträchtliches, aufgrund seiner Zusammensetzung aber nicht sonderlich produktives Vermögen. Auch war keineswegs ausgemacht, ob ihr neuer Status von Dauer sein würde. Sehr konkret zeichneten sich sogar in unmittelbarer Nähe viel radikalere Revolutionsszenarien ab.50 Zwar war die sozialistische Räterepublik 1919 unterdrückt worden, doch wirkten ihre Ziele fort und blieben in der Weimarer Republik auf der politischen Agenda. Ob man wie die Kommunisten und der linke Flügel der SPD die „Sozialisierung des Großgrundbesitzes“ forderte oder wie andere Parteien euphemistisch eine „Bodenreform“, beides lief auf Umverteilung hinaus.51 Was der Familie geblieben war, was sie als adligen Verband nunmehr ausmachte: ihr Grundbesitz, ihre Schlösser, ihre Sammlungen, ihre Vergangenheit, war akut bedroht: vordringlich durch das Damoklesschwert der Enteignung; langfristig und strukturell dadurch, daß die Schlösser und Sammlungen, auch wegen der jetzt darauf erhobenen Erbschaftssteuer, immense Kostenfaktoren darstellten. Keineswegs war ausgemacht, wie lange sie durch die Einkünfte aus dem agrarischen Grundbesitz würden gehalten werden können, zumal diese stark schwankten, wie die Agrarkrisen der 1920er Jahre zeigten. Auf diese Bedrohung mußten Graf Erwein und seine Frau reagieren. Sie taten, was ihnen aufgrund des verbliebenen Vermögens und ihrer geistesaristokratischen Überzeugungen entsprach.52 Das tote Kapital der Schlösser, Kunstsammlungen, Geschichtszeugnisse verwandelten sie in eine Produktivkraft. Aus einem Kosten49 „In der Revolution von 1918 / 19 kulminierten die Verlust- und Gefährdungserfahrungen des Adels zum noch nie erlebten Schock.“ (Reif: Adel, S. 52). „Auch dem System familialer Besitzsicherung wurden nun endgültig die Grundlagen entzogen: Hausgesetze, Autonomie, standesspezifische Heirats- und Erbregeln, insbesondere aber das Fideikommiß wurden aufgehoben [ . . . ].“ (ebd.). Ausführlich dazu Malinowski: Vom König, S. 198–209. 50 Zur Räterepublik in Würzburg s. Köttnitz-Porsch: Novemberrevolution. 51 Dazu Reif: Adel, S. 52 f. Noch die Nationalsozialisten planten eine großangelegte „Bodenreform“ und zwangen die Familie dadurch, „zum Schutze der zu unterhaltenden Bauten und Kunstschätze“ für ihren Besitz den Status eines „Großerbhofs“ zu beantragen (vgl. Schonath: [Nachruf] Ernestina Gräfin von Schönborn-Wiesentheid, S. 8). In diesem Zusammenhang entstand offenbar Aberts Schrift „Adliges Mäcenatentum in Deutschland“ (überliefert als Typoskript in: SAW Personalakten. Specialia, Nr. 2; 1950 gedruckt als Abert: Mäzenatentum). Zumindest stellt ein Brief des damaligen Wiesentheider Archivars Hanns Fischer an Abert vom 23. Juli 1945 diesen Zusammenhang her (a. a. O.). Offenbar sollte die Studie Argumentationshilfe für den Antrag leisten. 52 „Sie waren beide in einer Wertordnung begründet, in der die Welt des Geistes und das Bewußtsein der Verpflichtung dem Nächsten gegenüber obenan standen.“ (Schonath: [Nachruf] Ernestina Gräfin von Schönborn-Wiesentheid, S. 7). Zumindest Graf Erwein war durch seinen Arztberuf und die wissenschaftliche Forscherlaufbahn überdies professionell geprägt. Unter seinen Standesgenossen scheint das die Ausnahme gewesen zu sein, wenngleich der kleinen, nur ca. achtzig Familien umfassenden Gruppe der deutschen Standesherren, zu der die Schönborn gehörten, die Statuswahrung insgesamt vergleichsweise am besten gelang (Malinowski: Vom Kaiser, S. 288–292; zum Sonderstatus der Standesherren im 19. Jahrhundert Gollwitzer: Standesherren).

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faktor machten sie ein Argument für den Sinn des Gesamtvermögens. Sie bewiesen, daß der Schönbornsche Besitz schon jetzt wie von alters her aller Welt zugutekam. Sie zeigten die Gemeinwohlorientierung ihrer Familiengrundlage auf. Wie viele Mediziner war Graf Erwein praktizierender Musikliebhaber. Von einem Fachmann ließ er die Musikaliensammlung der Familie katalogisieren.53 Was man auffand, wurde erst auf Kammermusikabenden zur Aufführung gebracht, dann auf öffentlichen Konzerten in Schloß Pommersfelden, die sich in der Musikwelt hohes Ansehen erwarben. Die Jahresversammlungen der staatlichen Denkmalpfleger holte Graf Erwein ebenso auf seine Schlösser wie Veranstaltungen der „Gesellschaft für fränkische Geschichte“: dem regionalhistorischen Verein, dessen Vorsitz der Graf von 1923 bis 1942 übernahm.54 Im Salon seiner Frau verkehrten die Geschichtsprofessoren der Würzburger Universität und wer sonst in der Region für Geschichte, Musik und Kunst tätig war. In der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Gräfin den „Pommersfeldener Kreis“ gegründet: eine Privatakademie, die jungen Akademikern die Möglichkeit bot, als Gäste der Gräfin eine Woche lang zu musizieren und sich auszutauschen. Im Zweiten Weltkrieg stellte die Familie ihre Schlösser für ausgelagerte Kunstschätze zur Verfügung. Pommersfelden beherbergte die Gemäldebestände des Kölner Wallraff-Richartz-Museums, Teile des Schnütgen-Museums sowie Dombild und Dreikönigsschrein; in Gaibach zogen 1942 die Monumenta Germaniae Historica ein, die auch nach dem Krieg noch lange von der Gräfin unterstützt wurden. Vor diesem Gesamtbild ist die Erschließung des Schönbornschen Nachlaßarchivs zu verstehen. Das Mäzenatentum der Gegenwart verlängerte sie in die Geschichte; aus der Weimarer Republik griff man auf die Vorvergangenheit des Alten Reichs zurück; für das Selbstverständnis der Jetztzeit fand man eine familienspezifische Tradition. Das zeigt sich auch daran, wie Graf Erwein die Verzeichnung des Archivs flankierte. Vor allem geschah dies durch eine monumentale Edition. Die „Quellen zur Geschichte des Barocks in Franken unter dem Einfluß des Hauses Schönborn“: herausgegeben von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, deren Vorsitz der Graf innehatte; betreut von Anton Chroust, der als Geschichtsprofessor der Würzburger Universität über den Salon der Gräfin mit den Schönborn verbunden war; begonnen von Hugo Hantsch, der als Archivar in Wiesentheid zu den Verzeichnern des Archivs gehörte, sich mit einer Studie über Friedrich Karl von Schönborn habilitierte;55 vorangetrieben von Andreas Scherf und Max H. von Freeden, die als Mitarbeiter der Edition großzügige Förderung der Schönborn genossen und ihre Qualifikationsarbeiten ebenfalls über Schönborn-Themen 53 Zobeley / Dangel-Hofmann: Musikalien; vgl. die aus dieser Tätigkeit erwachsene Studie Zobeley: Musikpflege. 54 Aufschlußreich sind die bei diesen Gelegenheiten gehaltenen Vorträge von Abert: Schloß Gaibach; ders.: Pommersfelden. Am Leitfaden des Lebens auf diesen Schlössern führt Abert den Einsatz der Schloßherren für die Kunstförderung vor. Sie sind als Vorstufen seiner Schrift über das Mäzenatentum der Schönborn zu betrachten. 55 Hantsch: Reichsvizekanzler.

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schrieben;56 diese Quellenedition ging unmittelbar mit der von der Abert geleiteten Erschließung des Nachlaßarchivs einher. Sie setzte seine Ordnung voraus, trieb die Verzeichnung voran. Sie warb für das Archiv, indem sie unter einem bestimmten Aspekt: dem der Kunstentstehung, Quellenschätze daraus präsentierte. Vor allem aber stellte sie (wie schon der Titel verrät) ein Denkmal Schönbornscher Kunstförderung dar – in doppelter Weise, da sie durch solche Förderung selbst erst ermöglicht wurde und sie zugleich zum Prinzip der Quellenauswahl erhob. Nimmt man zu alledem noch die wissenschaftlichen Studien hinzu, die durch diese Tätigkeiten angeregt und ermöglicht wurden – neben den angeführten Qualifikationsarbeiten der Beteiligten sind vor allem die kunsthistorischen Studien von Walter Boll57 und Richard Sedlmaier58 zu nennen – dann erhält man einen ungefähren Begriff von dieser zweiten großen Memorialoffensive der Familie: Einen Sonderforschungsbereich zur politischen, kunst- und musikgeschichtlichen Bedeutung ihrer Vorfahren haben die Schönborn damals aus eigenen Mitteln initiiert. Das Ergebnis wurde von Georg Dehio festgeschrieben, von Abert und von Freeden noch einmal zusammenfassend auf den Begriff gebracht:59 Seitdem bildet das „Mäzenatentum der Schönborn“ einen unverrückbaren Topos der Forschung. Festzuhalten bleibt: Wie die Nachwelt über sie denken sollte, überließen die Schönborn nicht dem Zufall. Äußerst wirksame Denkmäler haben sie sich gesetzt. Bis in die Infrastruktur, in die wichtigsten Hilfsmittel hinein ist auch die moderne wissenschaftliche Forschung noch von der Selbstdarstellung der Familie bestimmt. Das heißt nicht, daß die Topoi der bisherigen Schönborn-Forschung falsch wären; daß sie eine (womöglich gezielte) Täuschung darstellten; daß sie ideolgiekritisch entlarvt werden müßten. Auch an einem solchen Versuch hat es nicht gefehlt. Im Geist der 1970er Jahre hat Alfred Schröcker das Bild von den selbstlosen Mäzenen sozialhistorisch umgestülpt: Nicht was die Schönborn für das Gemeinwohl leisteten, fragte er, sondern wie sie von ihren politischen Ämtern und Positionen profitierten.60 Mit den Vorannahmen der Historischen Sozialwissenschaft trieb Schröcker Verflechtungsanalyse: Nicht ihren Fähigkeiten war der Aufstieg der Familie seinen Forschungen zufolge zu verdanken, sondern geschickter Patronage; nicht politische Ziele bildeten den Antrieb, Spitzenämter anzustreben, sondern das Eigeninteresse einer Familie, deren Besitz sich durch die Protektion ihrer Amtsträger in kurzer Zeit vervielfachte.61 Aus frommen Geistesaristokraten und MäzeScherf: Johann Philipp Franz; Freeden: Neumann als Stadtbaumeister. Boll: Schönbornkapelle. Vgl. Bolls Aufsätze, etwa ders.: Schönborner Hof; ders.: Kunstbestrebungen; ders.: Kurfürst Lothar Franz; ders.: Graf Rudolf Franz Erwein. 58 Sedlmaier / Pfister: Würzburger Residenz. 59 Dehio wie oben Anm. 31; Abert: Mäzenatentum; von Freeden: Schönbornzeit. 60 So vor allem in seiner Monographie: Schröcker: Patronage, ferner in diversen Aufsätzen, etwa ders.: Besitz; ders.: Heiratspolitik; ders.: Sicherung; ders.: Nepotismus. Fortgeschrieben wird dieser Ansatz neuerdings von Schraut: Haus Schönborn. 61 „Die großartige ,Fortune‘ des Hauses Schönborn in den Reichsstiftern [ . . . ] lohnte jeden Einsatz: es konnte nur der Einsatz für die Erhaltung des bestehenden Systems der Reichs56 57

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nen verwandelten die Schönborn sich in Schröckers Arbeiten in eine Art Mafiafamilie: Auf höchst materielles Eigeninteresse und ein weitverzweigtes „Beziehungsnetz“ oder Klientelsystem wurde ihr Adel reduziert. Im Abstand erweisen Schröckers Arbeiten sich als genauso zeitgebunden wie die Studien der 1920er Jahre oder die kirchenhistorischen Werke aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Auch bleiben sie durch ihre Opposition auf den Topos vom Schönbornschen Mäzenatentum fixiert. Den folgenden Untersuchungen sind solche Entlarvungsabsichten fremd. Sie gehen von der Voraussetzung aus, daß prinzipiell alle Deutungsversuche für ein historisches Phänomen, wie die Schönborn es darstellen, Wahrnehmungskategorien und Begriffen der jeweiligen Gegenwart verhaftet sind. Die „Wahrheit“ hinter den unterstellten Täuschungen ist immer eine Projektion, unter allen Masken begegnet man Objektivierungen des eigenen Selbst. Recht verstanden, wirkt diese Annahme befreiend: Wer die Zeitgebundenheit früherer Deutungsversuche erkennt, vermag sie zu historisieren, vermag aus ihrem Bann herauszutreten. Statt sie fortzuschreiben, gewinnt man die Möglichkeit, das historische Material noch einmal für sich zu durchdringen: für die eigene, für eine neue Jetztzeit, mit neuen Deutungsmustern. Die folgenden Untersuchungen stellen einen Versuch in diese Richtung dar. Exkurs 2: Fragen, Modelle, Definitionen Gefragt wird im folgenden nach dem Habitus, der das Handeln der Amtsträger aus dem Hause Schönborn bestimmte. Die Frage so zu formulieren, heißt eine Reihe von Vorannahmen treffen, die hier so knapp wie möglich expliziert werden müssen. Die erste Vorannahme besagt, daß die Fürstbischöfe, die den Namen der Familie tragen, nicht als einzelne, nicht als unabhängige Individuen zu begreifen sind. Wie alle Fürstbischöfe wiesen sie sich durch Wappen aus, in denen die Hoheitszeichen ihrer Stifte mit den Zeichen ihrer Familien kombiniert wurden, wie alle Stiftsherren mußten sie sich für Pründen und Ämter durch eine Ahnenprobe legitimieren. Im Namen ihrer Familie traten sie an – als Vertreter ihrer Familie und im Austausch mit dieser sind sie daher zunächst zu betrachten. Erst in einem späteren Schritt kann auch nach dem Profil der Einzelpersönlichkeit gefragt werden. Von Anfang an zwingt diese Feststellung dazu, ein akephales, polyzentrisches Gebilde in den Blick zu nehmen. Die zweite Vorannahme besagt, daß das Handeln der Schönborn Kennzeichen aufweist, die es vom Handeln anderer Stiftsadelsfamilien unterscheiden. Ausstifter sein.“ (Schröcker: Besitz, S. 217). „Das konservative Programm [der Schönborn-Fürstbischöfe, J.S.] ergibt sich aus Besitz und Ämterpatronage.“ (ebd., S. 231). „Der private Besitz ist also in der politischen Relevanz zu sehen, und zwar nicht im Sinne einer einfachen, mechanisch verstandenen Kausalität, aber doch als ein unabdingbarer Hintergrund des politischen Geschehens.“ (ebd., S. 234).

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drücklich wird hier nach ihrer Besonderheit gefragt.62 Äußerlich manifestiert diese Besonderheit sich im Erfolg der Familie.63 Damit ist nicht der soziale Aufstieg gemeint, den (mindestens) drei Generationen in beharrlicher Anstrengung erkämpften. Aus der Westerwälder Ministerialität stammend: einem Dienstadel, der so gering begütert war, daß er sein Auskommen nie anders als durch Amtstätig-keit für verschiedene Grundherren zu fristen vermochte; der mit den Grafen von Nassau, Katzenelnbogen, Sayn und Wied, den Kurfürsten von Trier und Mainz stets mehreren Herren diente, um die Abhängigkeit von einem einzigen zu vermeiden; der deshalb den Status von Reichsrittern beanspruchen konnte; dem das Eindringen in die Stifte und Domkapitel von Trier, Mainz und Würzburg gelang; den die kirchliche Ämterlaufbahn nach mehreren Anläufen endlich in Spitzenpositionen führte; der von dort Familienangehörige in Ämter bringen konnte, wo Verdienste zu Statusverbesserungen führten: 1663 erhob Kaiser Leopold die Familie in den Freiherrenstand, 1701 machte er sie zu Reichsgrafen; die Erwerbung der Herrschaft Reichelsberg verschaffte ihnen 1674 Sitz und Stimme im Fränkischen Kreis, mit der von Wiesentheid war eine zweite Stimme im Fränkischen Kreis und die Reichsstandschaft verbunden; auch hat der Familienbesitz sich in dieser Zeit vervielfacht.64 So glänzend sich das zuletzt ausnahm, außergewöhnlich war es nicht. Die Metternich, die Stadion, die Greiffenclau sind auf die gleiche Weise aufgestiegen und viele weitere Familien – eben solche Aufstiege in geregelter (planbarer, sozialverträglicher) Form zu ermöglichen, war ja der wichtigste soziale Sinn der Stiftsherrschaften für den sie tragenden Adel.65 Nicht ihr Vorankommen hebt die Schönborn also hervor, sondern ihr Vermögen, über drei Generationen immer wieder an Spitzenpositionen zu gelangen. Keine andere Familie aus der Reichsritterschaft hat so viele Bischofswürden kumuliert. Obwohl sie nicht über die Druck- und Finanzmittel eines weltlichen Fürstenhauses verfügten, derer sie sich wie die Habsburger, Wittelsbacher, Pfalz-Neuburger bei Bischofswahlen bedienen konnten; obwohl sie sich in vergleichsweise einheitlichen Domkapiteln durchsetzen mußten gegen lauter Konkurrenten, die sich prinzipiell ebenbürtig fühlten; obwohl die Wiederholung ihres Erfolgs also hätte von ihren Standesgenossen vereitelt werden müssen, vermochten die Schönborn sich so nachhaltig an die Spitze des reichsritterschaftlichen, rhein-fränkischen Bistumssystems zu setzen, daß dieses schließlich mit ihrem Namen identifiziert wurde; daß sie in 62 Das unterscheidet die folgende Untersuchung von sozialgeschichtlichen Arbeiten, in denen die Schönborn als Vertreter des Stiftsadels in den Blick genommen werden, etwa von Hartmann: Stiftsadel; Duhamelle: L’Héritage, ferner von dem Ansatz von Schröcker, der die Heirats- und Besitzpolitik der Familie sowie ihren Nepotismus analysiert, um daran allgemeine Mechanismen in der Reichskirche aufzuzeigen; ebenso Schraut: Haus Schönborn. 63 Eine gute Übersicht bieten Jürgensmeier: Schönborn sowie Maué: Schönborn. 64 Schröcker: Besitz. 65 S. o. S. 72. Beispiele für solche Aufstiege finden sich bei Hartmann: Stiftsadel, S. 128 und S. 131 ff., allgemein dazu Reinhard: Kirche als Mobilitätskanal. Ein statisches Bild zeichnet hingegen Duhamelle: L’Héritage.

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der Rückschau als die Repräsentanten dieses Systems erscheinen. Intern ging dieser Erfolg mit einem ausgeprägten Sendungsbewußtsein einher. Die Schönborn waren der Meinung, daß die Ämter, die sie anstrebten, ihnen auch zustanden. Sie hielten sich für berufen. Felsenfest waren sie davon überzeugt, daß sie diese Ämter besser ausfüllen konnten als jeder andere. Soziologisch läßt sich das als Selbst-Charismatisierung kennzeichnen – nicht eines einzelnen, sondern einer Familie: Die Schönborn erhoben einen Führungsanspruch, indem sie sich als Familie die Befähigung zusprachen, diesen besser als alle anderen ausfüllen zu können. Selbst wenn man dies als bloße Autosuggestion bewertet, handelt es sich um einen wichtiges Indiz; grundsätzlich hebt es den Schönbornschen Familienehrgeiz über das eifersüchtige „Jetzt-sind-aber-wir-an-der-Reihe“ konkurrierender Stiftsadelsfamilien heraus. Zu klären sein wird, worauf dieses Sendungsbewußtsein beruhte, wie sachhaltig es war, wen es überzeugte, zu klären sein wird, wie der äußere Erfolg und das innere Sendungsbewußtsein zusammenhingen. Kurzum, die Besonderheit, die das Handeln der Familie von außen wie von innen charakterisiert, wird zu analysieren sein. Das führt zu der dritten Vorannahme. Sie besagt, daß die Kennzeichen, die das Handeln der Schönborn von dem anderer Adelsfamilien unterscheiden, Erzeugnisse sind eines spezifischen, tief in den Familienmitgliedern verankerten Handlungsmusters – von den Merkmalen des Besonderen soll auf die Formation geschlossen werden, die sie hervorbringt. Dafür ist das Sendungsbewußtsein wichtig, reicht als Erklärung aber nicht aus. Denn keineswegs handeln die Menschen ständig aufgrund von Prinzipien, also im Kantischen Sinne frei. Häufiger lassen sie sich hinreißen von Impulsen, Emotionen, Leidenschaften (wie z. B. Ehrgeiz). Noch häufiger gehen sie den Weg des geringsten Widerstands. Im Alltag folgen sie gedankenlos Handlungsroutinen, die ihren Überzeugungen vielleicht nicht geradezu widersprechen, aber auch nicht von ihnen bestimmt sind. Freigelegt werden muß daher das Muster, das sich in all diesen Handlungen ausprägt: in Entscheidungssituationen wie im Alltag, bei der Amtsführung wie im Kreis der Familie; gesucht wird (wenn die Metapher erlaubt ist) die Grammatik, deren Regeln das Schönbornsche Handeln folgt, zusammen mit den Auswahlprinzipien, die es unter Verwendung der allgemeinen Regeln zu etwas Besonderem machen. Das Familienhandeln als Fallstruktur zu verstehen, die sich aufgrund von spezifischen Auswahlprinzipien innerhalb einer „generativen Grammatik“ von Erzeugungsregeln (oder Algorithmen) bildet, verweist auf die Theorie, die hier herangezogen wird: den genetischen Strukturalismus.66 Sein größter Vorzug besteht darin, den schlechten Gegensatz von gesellschaftlichem Sein und Bewußtsein aufzuheben, von Struktur und Praxis, Diskurs und Körper (oder wie immer die Opposition in den verschiedenen Theoriesprachen genannt wird) – in einer Fallstruktur sind stets beide Momente verschränkt. Angenommen wird nämlich, daß das 66 In der deutschen Soziologie am exponiertesten vertreten von Ulrich Oevermann, s. Oevermann: Strukturale Soziologie; ders.: Zur Sache (hier vor allem S. 270 f.); ders. / Allert / Kohnau / Krambeck: Methodologie; ders.: Fallrekonstruktion.

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menschliche Handeln Regeln folgt, wie mit Handlungsaufgaben umzugehen, in Interaktionen zu verfahren ist. Welche Handlungsaufgaben sich den Menschen aber stellen und welches Spektrum von Lösungsmöglichkeiten ihnen offensteht, hängt ab von ihrer gesellschaftlichen Position; daher muß diese stets in die Fallstrukturanalyse eingehen – ebenso wie die Normen und Werte, die Überzeugungen und Charaktereigenschaften, die zur Bevorzugung eines bestimmten Handelns führen und die in noch höherem Maße positionsgebunden sind. Per definitionem lassen Erzeugungsregeln stets mehrere Handlungsmöglichkeiten zu: Sie eröffnen Handlungsoptionen, die im Sinne bestimmter Handlungspräferenzen genutzt werden können; je häufiger das geschieht und je bestimmter die Präferenzen sind, desto deutlicher werden die Handlungsmuster, die dadurch entstehen. Über eine Ideologiekritik, die meint, die Schaufrömmigkeit der Schönborn mit dem Eigennutz ihrer Familie konfrontieren zu müssen, führt diese Sichtweise prinzipiell hinaus. Ein weiterer Vorzug des genetischen Strukturalismus besteht darin, daß die Vorstellung, das Handeln der Menschen ergebe sich aus einer Grammatik von allgemeinen Erzeugungsregeln, verwendet nach besonderen Handlungspräferenzen, davon absehen kann, ob Regeln und Präferenzen den Handelnden bewußt sind. Für die Erklärungskraft des Modells kommt es darauf nicht an. (Fast) alle Menschen können sprechen, handeln also nach grammatischen Regeln, nur wenige können diese Regeln explizieren, noch weniger den ihnen eigenen Sprechstil begründen. Wenn überhaupt tun sie es bei Bedarf, mehr oder weniger befriedigend. D. h. für die Analyse spielt zunächst keine Rolle, wie die Schönborn selbst sich ihr Handeln erklärten und welche Beweggründe sie dafür anführten. Durchaus darf, ja muß ihr Handeln bei der Analyse erst einmal nur von außen betracht werden. Zuerst kommt es darauf an, wie bei einer Sprachanalyse die Sequenzstellen darin freizulegen: also anzugeben, welche allgemeinen Handlungsregeln befolgt, welche Handlungsalternativen dadurch eröffnet, welche Entscheidungen unter ihnen getroffen wurden. Nur indem man die möglichen Alternativen rekonstruiert, tritt die Besonderheit des tatsächlichen Handelns hervor; nur dann lassen sich auch die Präferenzen benennen, die zu den freigelegten Entscheidungen führen könnten. Erst in einem weiteren Schritt mag dann auch das Selbstverständnis (der subjektiv gemeinte Sinn) herangezogen werden: als zusätzliches Material, an dem die Strukturhypothese sich zu bewähren hat. Nur auf diese Weise kommt man über den subjektiv gemeinten Sinn hinaus, überschreitet man das Selbstverständnis. Der genetische Strukturalismus wird hier bemüht, weil er einen analytisch-aufschließenden Umgang mit dem historischen Material ermöglicht. Der Preis dafür ist, daß man über die Quellen und ihre Sprache prinzipiell hinauszugehen hat. Das Handlungsmuster der Schönborn ist als solches in keiner Quelle auffindbar. Selbstverständlich kann es nur aus einer Quellenanalyse gewonnen werden; wenn sie gelingt, erklärt sie die Hervorbringung und das So-undnicht-anders-Sein der Quellen. Konstitutiv liegt es den Quellen voraus. Es zu rekonstruieren heißt ein Modell bilden, das dann mit weiteren Quellen konfrontiert, korrigiert und verfeinert wird; notwendigerweise gehen in dieses Modell Begriffe

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und Theoreme der Gegenwart ein. Es ist ein Modell, errichtet, um uns das Handeln der Schönborn zu erklären: unserer Gegenwart, vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen und Deutungsmuster. Nichts erspart uns daher, auch unsere Begriffe und Theoreme zu verwenden. Das Modell muß anachronistisch sein. Es sucht ein vergangenes Handeln mit dem Instrumentarium einer viel späteren Epoche verständlich zu machen. Die Fremdheit der vergangenen Epoche wird dabei vorausgesetzt – aber auch aufzuschließen versucht. Soziologen pflegen solche Handlungspräferenzen als „Habitus“ zu bezeichnen; leider handelt es sich mitnichten um einen klar definierten, zuendegedachten Begriff. Beiläufig bereits 1917 von Max Weber,67 1921 / 22 von Karl Mannheim68 gebraucht, wurde er breitenwirksam erst ab 1967 von Pierre Bourdieu in die Soziologie eingeführt.69 Bourdieu allerdings knüpfte weder an Weber, noch an Mannheim an, er übernahm den Terminus von Erwin Panofsky, der seinerseits behauptete, ihn aus der Scholastik bezogen zu haben – es leuchtet ein, daß der dreimalige Kontextwechsel die Implikationen des Begriffs nicht gerade reduziert und geklärt hat. Ursprünglich meint „Habitus“ die ‘Haltung’ einer Person oder Sache, ihr ‘Aussehen’, ihre Erscheinung. Für die Scholastiker gehörte der Begriff zu den Grund67 „Jede Wissenschaft von geistigen oder gesellschaftlichen Zusammenhängen ist eine Wissenschaft vom menschlichen Sichverhalten (wobei in diesem Fall jeder geistige Denkakt und jeder psychische Habitus mit unter diesen Begriff fällt).“ (Weber: Wertfreiheit, S. 532; Hervorhebung im Original). Der Sache nach (nicht dem Begriff, den Weber in diesem Zusammenhang nicht gebraucht, wohl aber umschreibt) kann natürlich auch seine Studie über die protestantische Ethik als (immer noch vorbildliche) Rekonstruktion eines Habitus verstanden werden. 68 „In dieser Richtung kann ich aber alle seine Objektivationen auffassen, seine Miene, sein Gebärdenspiel, sein Lebenstempo, seinen Sprachrhythmus; verharre ich in dieser interpretativen Einstellung, so bekommt jede seiner Regungen und Handlungen eine neue ,Deutung‘. Nichts wird im eigentlich vermeinten Sinn (d. h. mittels intentionaler Interpretation) oder in seinem objektiven Leistungscharakter belassen, sondern alles dient als Beleg für eine von mir vorgenommene Synopsis, die, wenn sie den engeren Kreis des ethisch Relevanten verläßt, nicht nur seinen ethischen Charakter, sonden seinen gesamten ,Habitus‘ ins Auge zu fassen imstande ist.“ (Mannheim: Beiträge, S. 108 f.). Was Mannheim hier erläutert und auf den „Habitus“ zurückführt, ist der von ihm sogenannte „Dokumentsinn“ jeden Kulturgebildes. Panofsky kannte diesen Aufsatz. 1932 bezog er sich darauf, als er in dem Schlüsseltext „Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst“ die Methode der Ikonographie und Ikonologie erläuterte. Mannheims Begriff des „Dokumentsinns“ kommt dabei eine wichtige Rolle zu (s. Panofsky: Problem, S. 1074 mit Anm. 13). In den späteren englischen Versionen seines Texts hat Panofsky die Bezugnahme auf Mannheim unkenntlich gemacht (so die Herausgeber in Panofsky: Problem, S. 1077). Ebensowenig erwähnt er in seinem Gotik-Buch, daß er den Habitus-Begriff bei Mannheim vorgefunden hat. Stattdessen beruft er sich auf die scholastische Philosophie. 69 In seinem Nachwort zur französischen Ausgabe von Erwin Panofskys Buch Gothic Architecture and Scholasticism (Bourdieu: Postface). Erst in einem zweiten Schritt hat Bourdieu, über den kunstsoziologischen Zusammenhang hinausgehend, den Begriff zu einer Kategorie erweitert, um die „Dialektik von objektiven und einverleibten Strukturen“ allgemein zu analysieren (ders.: Entwurf, S. 139–202, besonders S. 164–189).

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qualitäten, die nach Aristoteles’ Kategorienlehre eine Sache beschreiben. Er bezeichnete ihre ‘Eignung’ (auch dispositio): wofür sie aufgrund ihrer Beschaffenheit ‘veranlagt’ war: eine feste, unveränderliche Eigenschaft, im Gegensatz zur Befähigung, die durch Schulung und Training entfaltet werden kann. Schon in der Grundbedeutung ist der Begriff also doppelsinnig. Er zielt auf ein Verhältnis zwischen Aussehen und Veranlagung, er stellt eine Beziehung zwischen beiden her. Durch die Rezeption des Begriffs in der Philosophie und Psychologie um 1900 wird dieser Doppelsinn noch verstärkt. Denn die äußere ‘Haltung’ einer Person, ihr Auftreten einschließlich Mienenspiel, Gebahren, Kleidung wird nun als Ausdruck einer inneren ‘Haltung’ betrachtet. Nach wie vor sieht man sie als etwas Konstantes an, doch gilt sie jetzt als erworben, erlernt, als Kulturprodukt. Sie wird zum Inbegriff dessen, was dem Menschen durch Erziehung, speziell durch Schulbildung70 vermittelt wurde, was er aber so verinnerlicht hat, daß es ihm in Fleisch und Blut übergangen ist. In der Kulturkritik um 1900 wird der Habitus die kulturell erzeugte, zweite Natur des Menschen. Er tritt das Erbe dessen an, was die deutschen Idealisten „Bildung“ genannt hatten. Als wäre das nicht Bedeutung genug, fügten Panofsky und Bourdieu dem Begriff einen weiteren Akzent hinzu. Gegen eine Kunstauffassung polemisierend, die das Kunstwerk zur individuellen Schöpfung erklärte, trachteten sie danach, in seinem „Zentrum“ „Kollektivität“ nachzuweisen und zwar nicht inhaltlich, semantisch, sondern produktionsästhetisch, genetisch: Habituell sollte der Abt Suger die scholastischen Argumentationstechniken verinnerlicht haben, die er in seinem Chorbau als gotischen Baustil fortsetzte – der Habitus-Begriff dient hier als Bindeglied zwischen dem Bauherrn / Künstler und seinem Umfeld oder Milieu, ja der Gesellschaft, die ihn geprägt hat. Er übernimmt in dieser kunst- und kultursoziologischen Argumention die Aufgabe, die im 18. Jahrhundert der „Volksgeist“, später der „Zeitgeist“ erfüllten. Er bezeichnet das Kollektive im Handeln des Einzelnen,71 die gesellschaftliche Prägung, die sich als Disposition für ein bestimmtes Handeln des Individuums zeigt. Diese Verwendungsgeschichte erhellt die Probleme, in die der Begriff führt. Er ist zu vielschichtig, zu weit. Weder Panofsky, noch Bourdieu geben eine präzise Definition, beide begnügen sich mit (wechselnden, durchaus widersprüchlichen) Umschreibungen.72 Nicht von ihnen, wohl aber von vielen Adepten wird der Be70 Dieser Wendung folgen Panofsky und Bourdieu insofern, als sie den Habitus, der sie jeweils interessiert, auf die Schule zurückführen: Panofsky den des Abts Suger auf die Scholastik an den Kathedralschulen, Bourdieu den der französischen Elite auf ihre Ausbildung an den Grands Écoles (s. dessen Buch La Distinction (1979). Deutsch u. d. T.: Die feinen Unterschiede, 1982). 71 So auch Abels: Zeit, S. 222. 72 Vgl. etwa die Aussage: „In der Terminologie der generativen Grammatik Noam Chomskys ließe sich [sic!] der Habitus als ein System verinnerlichter Muster definieren, die es erlauben, alle typischen Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen einer Kultur zu erzeugen – und nur diese.“ (Bourdieu: Postface, S. 143) mit der Rede von „dem besonderen Habitus

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griff überdies als bequemer, anspruchsvoll klingender Platzhalter verwendet: sei es als Komplement zu den vermeintlich harten, meßbaren, soziologischen Daten73 – womit man ihn auf das Selbstverständnis der Akteure reduziert; sei es als scheinbare Erklärung für Handlungsweisen, die damit allererst beschrieben werden – womit man ihn tautologisch gebraucht bzw. in einen Zirkelschluß gerät. Letzteres scheint fast unvermeidlich: Schließlich muß man den Habitus aus eben dem Handeln erst rekonstruieren, das man damit erklären will. Vor allem Bourdieu läßt seine Leser ausgerechnet dort im Stich, wo es um die Genese: die Entstehung eines neuen Habitus und seine Verankerung in den Individuen geht.74 Daß die Schulen, speziell die Hochschulen dazu nur beitragen und dies lebensgeschichtlich vergleichsweise spät, wenn die Weichen der frühkindlichen, familiären und pubertären Sozialisation längst gestellt sind, darf vermutet werden; soziologische Theorien findet man zum Habitus-Erwerb kaum. Einen Ausweg aus dem Dilemma verheißt nur strenge, begriffliche und methodische Disziplin. Unter Habitus werden im folgenden (den Grundgedanken Bourdieus differenzierend) allein die wiederkehrenden, also fest in den Familienmitgliedern verankerten Präferenzen verstanden, die das Besondere des Schönbornschen Familienhandelns hervorbringen. Die Merkmale dieser Besonderheit bleiben analytisch ebenso davon unterschieden wie die allgemeinen Handlungsregeln, des Künstlers“, die Bourdieu im Fortgang gebraucht (a. a. O., S. 155). Im Entwurf einer Theorie der Praxis bezeichnet Bourdieu Habitusformen dann als „Systeme dauerhafter Dispositionen“ (Bourdieu: Entwurf, S. 165 mit Anm. 39), die „wie eine Handlungs-, Wahrnehmungsund Denkmatrix“ funktionieren (ebd., S. 169, Hervorhebungen im Original). Problematisch sind diese Definitionsansätze, weil sie zwei verschiedenartige Dinge ineinander schieben: die Grammatik kultureller Erzeugungsregeln und die Präferenzen beim Gebrauch dieser Regeln. Bourdieu formuliert, als könne ein spezifisches Handlungsmuster sich unmittelbar aus einer spezifischen Handlungsgrammatik ergeben – dann aber wäre der Habitus eine Privatsprache, wäre etwa die Überlagerung eines familien-, eines schicht- und eines epochenspezifischen Habitus, die Bourdieu vorsieht, nicht möglich. Die Grammatik oder, in Bourdieus Worten: das „System“ der Erzeugungsregeln muß folglich universell sein; spezifisch ist nur der Gebrauch, der davon gemacht wird. Der Habitus-Begriff ist daher auf die Präferenzen zu beschränken, die diesen spezifischen Gebrauch steuern. 73 So beispielsweise Malinowski in seinem Abschnitt über „Elemente des adligen Habitus“ (Malinowski: Vom König, S. 47–117, vor allem S. 47 und 49, wo er den Begriff mit den Ausdrücken „Leitbilder und Einstellungen“ umschreibt und als „Blick hinter die Zahlen“ charakterisiert). 74 Das liegt vor allem daran, daß er den Habitus lediglich als „Verinnerlichung“ objektiver Klassenstrukturen begreift (Bourdieu: Entwurf, S. 188, vgl. ebd., S. 167 f.): als passiv empfangene Prägung durch ein unveränderliches Milieu. Entsprechend bleiben seine Ausführungen über „Die Einverleibung der Strukturen“ redundant (a. a. O., S. 189–202). Dagegen wird hier darauf insistiert, zum ersten daß die gleichen Strukturen von verschiedenen Menschen höchst verschieden erfahren werden – schon Primärerfahrungen ergeben sich in der aktiven Auseinandersetzung des einzelnen mit seiner Umgebung. Zum zweiten gilt, daß nicht einmal Geschwister in die gleiche Familie hineingeboren werden, hat doch das erste Kind Eltern und Gesamtfamilie bereits so stark verändert, daß sie dem zweiten anders begegnen werden als dem ersten. Ein Milieu oder eine Familie muß folglich als dynamische Struktur begriffen werden, die sich mit ihren Mitgliedern verändert.

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deren Gebrauch von den Präferenzen bestimmt wird. Der Habitus erzeugt die Handlungsspezifika und ist aus ihnen rekonstruierbar, kann aber vom Inhalt der jeweiligen Handlungen abgelöst werden; umgekehrt können diese, im konkreten Vollzug durch andere Einflüsse oder Motive abgelenkt, zuweilen von den Präferenzen abweichen. Habitus und Handlungsspezifika stehen also keineswegs in einem einfachen Abbild- oder Entsprechungsverhältnis. Der Gang der Untersuchung trägt dieser Unterscheidung Rechnung, indem in diesem zweiten Hauptteil der Arbeit zunächst gefragt wird, wie der Schönbornsche Familienhabitus entstanden ist, aus welchen Elementen er besteht und wie er in der Familie weitergegeben wurde. In einem dritten Hauptteil werden die Ergebnisse dann an einem ausgewählten Handlungsfeld getestet: der Schönbornschen Baupolitik, wobei zunächst deren Besonderheit freigelegt und erst danach überprüft wird, ob sie sich mit dem angenommenen Habitus erklären läßt. Die Analyse der Baupolitik kann methodisch als Test oder Falsifikationsversuch für die Hypothesenbildung bezüglich des Habitus gelten. Sie verspricht Stichhaltigkeit dadurch, daß nur die amtliche Baupolitik der Schönborn betrachtet werden wird: ein exponiertes Amtshandeln mithin, während der Habitus aus ihrem Familienhandeln freipräpariert wird. Die Handlungsfelder und Handlungsprobleme sind also hinreichend verschieden, um einen wirklichen Übertragungsversuch zu ermöglichen. Als fest verankerte Präferenz bewirkt der Habitus ein besonderes Handeln, indem er scharfe Urteile darüber erzeugt, welche Handlungen einer bestimmten Situation angemessen sind, welche nicht. Der Habitus erzeugt Angemessenheitsurteile, die sich den Handelnden als Befriedigung oder Empörung äußern, als Verhaltenssicherheit oder Takt, jedenfalls als vorgängiges Gespür oder Emotion, für die sie bei Bedarf nachträglich Gründe anführen – kaum je die wirklichen. Denn diese ergeben sich – das ist die vierte Vorannahme, die hier gemacht wird – aus einer milieu- oder familienspezifischen Lebensordnung, in die man hineingeboren wird; die vor einem da ist; die sich schon durch die Verbindung der Eltern erneuert hat; die den eigenen Lebenslauf bereits konfiguriert, bevor man zur Welt kommt. Der Habitus entsteht, indem die milieu- oder familienspezifische Lebensordnung der eigenen Ursprünge verinnerlicht wird; er ist die Prägung durch die eigene Herkunft.75 Daher wird er nicht gewählt (wie ein Lebensstil), kann er allenfalls zum Teil bewußt werden, ist er kaum kontrollierbar, durch Selbstformung nur oberflächlich zu verändern. Nach dem Habitus der Schönborn fragen heißt folglich fragen, wie sie durch die Lebensordnung ihrer Familie geprägt wurden. Mit einer Betrachtung der Bildungsgänge ist es dabei nicht getan. Auch eine Untersuchung der Erziehung vermag die Frage nicht ausreichend zu beantworten. Denn Bildungsgänge setzen lebensgeschichtlich erst ein, wenn die Prägung durch die Herkunftsfamilie längst erfolgt ist; über Schulen, Universitäten, Kavaliers75 „[ . . . ] weil der Habitus nichts anderes ist als dieses durch die primäre Sozialisation jedem Individuum eingegebene immanente Gesetz [ . . . ]“ (Bourdieu: Entwurf, S. 178).

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touren führen sie sogar gezielt darüber hinaus. Und Erziehung ist per definitionem nur der bewußte, absichtliche Umgang mit dem Nachwuchs: ein eher geringer Teil des Einflusses, den Kinder in einer Familie tatsächlich erfahren. Um wenigstens einige Hauptgesichtspunkte familiärer Prägung in den Blick zu bekommen, wird man daher das Hineinwachsen in die vorfindliche Familien-, Milieu- und Gesellschaftsordnung insgesamt betrachten müssen – was Sozialwissenschaftler und Entwicklungspsychologen „Sozialisation“ nennen, wird somit zum Thema. Dafür benötigt man einen Begriff dieses Vorgangs: ein Sozialisationsmodell, das gegenüber den Quellen als Such- und Frageanweisung fungiert. Die geschichtswissenschaftliche Familienforschung hat sich in den letzten Jahren soweit etabliert, daß erste Gesamtdarstellungen, Handbücher und Einführungen erschienen sind.76 Gleichwohl ist sie von einem belastbaren historischen Sozialisationsmodell weit entfernt. Das liegt zum einen daran, daß vormoderne Familien- und Sozialisationsformen im Anschluß etwa an Philippe Ariès allzu lange nur als Kontrastfolie für moderne Entwicklungen in den Blick genommen wurden. Die Aussagen darüber blieben plakativ und schematisch, entsprangen eher geschichtsphilosophischen Konstruktionen als empirischen Interessen. Zum anderen wurde das Forschungsfeld von der Historischen Sozialwissenschaft erschlossen. D. h. lange Zeit dominierten darin strukturgeschichtliche Ansätze: Fragen nach der Besitzverteilung, den Heirats- und Vererbungsstrategien, der Haushaltsgröße, der Wirtschaftsweise; erst die Wendung zur Geschlechter- und Erfahrungsgeschichte hat in den letzten Jahren eine vorsichtige Beschäftigung auch mit sozialpsychologischen Fragen erlaubt. Daß die aktuellen Einsichten der entwicklungs- und sozialpsychologischen Sozialisationsforschung in den Geschichtswissenschaften bereits angekommen seien, wird man indessen nicht behaupten. Für die folgenden Untersuchungen wird daher ein Modell herangezogen, das der Soziologe Ulrich Oevermann seit den 1970er Jahren ausgearbeitet hat.77 Es verbindet soziologische und entwicklungspsychologische Erkentnisse, hat sich in zahlreichen empirischen Untersuchungen bewährt und bietet den Vorteil, Strukturanalyse und Erfahrungsrekonstruktion in ein empirisch überprüfbares Verhältnis zu setzen. Wie stets im genetischen Strukturalismus gehen die sozialstatistischen Daten über die Familie ebenso in die Analyse ein wie die subjektive Wahrnehmung, ja deren Zustandekommen wird aus jenen überhaupt erst erklärt. Erfahrung ist hier nicht (wie allzu oft in der Erfahrungshistorie) letzter, unhintergehbarer und lediglich nachvollziehbarer Gegenstand, vielmehr wird erklärt, wie sie sich aus einer besonderen Konstellation objektiver Strukturiertheiten selbst ergibt. 76 Burguière / Klappisch-Zuber / Segalen / Zonabend (Hg.): Geschichte; Goody: Family; Gestrich / Krause / Mitterauer: Geschichte; Gestrich: Vergesellschaftungen. 77 Jüngst zusammengefaßt in: Oevermann: Sozialisation. Der Sammelband, in dem dieser Aufsatz erschienen ist, bietet einen guten Überblick über die aktuelle Diskussion. Vgl. Oevermann: Generationenbeziehungen. Beide Aufsätze enthalten eine Fülle von Verweisen auf weitere Literatur.

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Oevermann faßt Sozialisation als individualpsychologische Auseinandersetzung eines Menschen mit seinem Herkunftsmilieu,78 mit derjenigen Lebenswelt also, die sich in der Regel bereits durch die auf Dauer gestellte Partnerschaft der Eltern gebildet hat, die der Mensch jedenfalls vorfindet, wenn er geboren wird. Diese bildet das Erfahrungsmaterial, an dem seine Selbstwerdung sich vollzieht. Durch die Geburt eines Kindes entsteht eine Ausgangskonstellation, die zum einen durch die extreme Versorgungsbedürftigkeit des Neugeborenen gekennzeichnet ist, zum anderen dadurch, daß seine primäre Bezugsperson immer schon in anderen Sozialbeziehungen lebt. Einerseits ist es auf eine enge Symbiose mit der lebensspendenden und beschützenden Bezugsperson angewiesen, andererseits wird diese Symbiose durch den oder die vorhandenen Dritten aufgebrochen. Im Anschluß an Freud nennt Oevermann diese Ausgangskonstellation die „ödipale Triade“; in ihr erblickt er den „Strukturkern der Familie als sozialisatorischer Praxis“.79 Von Seiten der geschichtswissenschaftlichen Familienforschung handelt er sich damit die üblichen Einwände gegen das Freudsche Familienmodell ein: Es sei an der bürgerlichen Kleinfamilie gebildet und dann zur Norm erklärt worden, treffe weder die moderne Patchwork-Familie, noch sei es (etwa wegen der Arbeitsteilung der Hausstände und der Ammenerziehung) auf das frühneuzeitliche Haus übertragbar. In der Tat ist Oevermanns Modell nicht historisch-offen formuliert. Es geht von der Kleinfamilie aus, setzt was darin historisch zusammenfällt: leibliche Elternschaft und die Wahrnehmung der psychosozialen Eltern-Funktionen, absolut, erhebt vorschnell analytische Befunde zur Norm. Gleichwohl läßt es sich – mit Gewinn, wie im folgenden gezeigt werden soll – historisch öffnen. Denn die Konstellation, die Oevermann „ödipale Triade“ nennt, kann als soziale Struktur verstanden werden, die unabhängig davon entsteht, wer die Funktionsstellen der primären Bezugsperson übernimmt, wer die des dazukommenden Dritten. Die symbiotische Versorgungsbedürftigkeit des Neugeborenen reicht aus, um sie zu erzeugen, sofern die Bezugsperson in dauerhaften Sozialbeziehungen lebt, die ihr die Konzentration auf das Kleinkind erlauben. Es handelt sich um eine Konstellation, die verschiedenen Interessen der Beteiligten Rechnung trägt; gleichsam naturwüchsig stellt sie sich deshalb immer aufs neue her. Ihr Zustandekommen ist auf die Rechtsstellung oder Absichten der Beteiligten nicht angewiesen, wohl aber prägt es das Kind, wer die Funktionsstellen übernimmt und in welcher Weise das geschieht. Entscheidend ist (um nur diesen elementaren Punkt herauszugreifen), ob die ödipale Triade sich innerhalb von diffusen Sozialbeziehungen herstellt oder innerhalb von rollenförmigen. Da das Neugeborene völlig von seiner primären Bezugsperson abhängt, kann es Vertrauen nur gewinnen, wenn dieses Verhältnis körperbasiert ist, alle möglichen Affekte aushält, Tag und Nacht, in guter und schlechter Verfassung fortgesetzt wird und sich in eine prinzipiell offene Zukunft erstreckt. Mit anderen 78 Indem er ihn als „Prozeß der Krisenbewältigung“ charakterisiert, hebt er die Eigenaktivität des bzw. der Sozialisierten hervor (Oevermann: Sozialisation, S. 163 f.). 79 Oevermann: Generationenbeziehungen, S. 84.

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Worten: Vertrauen kann nur bilden, wer eine körperbasierte, umfassende, unkündbare Vergemeinschaftung mit der Mutter-Instanz erfahren hat. Je stärker dieses Verhältnis rollenförmig eingeschränkt wird (etwa auf die leibliche Versorgung des Kindes), desto traumatisierender wirkt es, bis zu schweren Entwicklungsschäden oder dem Tod des Kindes. Ebenso wird der oder werden die beteiligten Dritten für das Kind nur in dem Maße zur Vater-Instanz, wie es ihnen in einer umfassenden Beziehung zu seiner Mutter-Instanz begegnet (in die es hineingenommen wird) oder, sofern die Dritten sich in Konkurrenz oder als Alternative zur primären Versorgungssymbiose auf das Kind beziehen, wie sie diesem ebenfalls eine umfassende und unkündbare Vergemeinschaftung bieten. Ob es sich um die leiblichen Eltern handelt, zu denen die ödipale Triade ausgebildet wird oder nicht, psychosoziale Kind-„Eltern“-Beziehungen entstehen notwendig als Vergemeinschaftungen. In rollenförmigen Beziehungen sind die Beteiligten austauschbar; in den elementaren Vergemeinschaftungen der ödipalen Triade führt ein solcher Austausch dazu, daß die Beziehungen sich als solche auflösen oder grundlegend verändern – mit genau beschreibbaren Folgen für das Kind.80 Als notwendiger Ausgangspunkt der Sozialisation gilt die ödipale Triade für Oevermann auch, weil sie durch ihre strukturellen Ambivalenzen die Dynamik erzeugt, die für den Prozeß der Selbstwerdung unverzichtbar ist. Eingehend schlüsselt Oevermann diese Ambivalenzen auf, indem er die ödipale Triade in die unterschiedlichen Dyaden auffächert, aus denen sie sich zusammensetzt, die jeweiligen Strukturkonstellationen analysiert und schließlich zur „Drei-Generationen-Heptade“ als der „Minimal-Form einer in sich geschlossenen Sozialität“ wieder zusammensetzt.81 Der springende Punkt ist, daß im Normalfall jede Strukturkonstellation innerhalb der ödipalen Triade eine Exklusivität aufweist, die den jeweils Dritten ausschließt. Die Versorgung des Neugeborenen begründet eine symbiotische Nähe zu seiner primären Bezugsperson, an der deren Beziehungspartner nicht teilhaben (selbst wenn sie ebenfalls Versorgungsaufgaben übernehmen). Erwachsengeheimnisse, zumal die Sexualität, begründen eine Intimität der Beziehungspartner, von der das Kind ausgeschlossen bleibt. Die (schwierige, am wenigsten familiarisierte und daher gefährdetste) Beziehung zu dem oder den Beziehungspartnern der Bezugsperson kann dem Kind Zugänge eröffnen zu einer Welt jenseits der beschützenden, gewährenden Versorgungsbeziehung, gegen die es sich deshalb systematisch abgrenzt. Unvermeidlich werden durch diese Exklusivitäten Ausschließlichkeitswünsche enttäuscht. Jeder Beteiligte muß zulassen, daß ein Dritter den gleichen unbeschränkten Ausschließlichkeitsanspruch auf sein Gegenüber erhebt wie er selbst; daß beide andere Beteiligte gleichzeitig einen solchen Anspruch auf ihn erheben; aber auch daß die beiden anderen eine Dyade bilden, aus der er selbst wirksam und zu Recht ausgeschlossen bleibt.82 Unvermeidlich also macht das 80 81 82

Oevermann: Sozialisation, S. 172 f. Oevermann: Generationenbeziehungen, S. 101 f. Oevermann: Sozialisation, S. 173.

Exkurs 2: Fragen, Modelle, Definitionen

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Kind (wie die Eltern-Instanzen) die Erfahrung des Ausgegrenzt-Seins und der innerfamiliären Eifersucht – sie bringen eine schmerzliche Beziehungsdynamik in Gang, die für seine Entwicklung bedeutsam ist, ja sie regelrecht erzeugt.83 Denn das Kind gewinnt nicht nur die Erfahrung der symbiotischen Verschmelzung, sondern auch die einer enttäuschten, zornigen, deshalb mit Schuldgefühlen verbundenen Abkehr von ihr, die jedoch mit einem Gewinn an Selbstgefühl und Handlungsfreiheit einhergehen kann. Es erwirbt somit die Beziehungspolarität, in der seine Sozialisation sich vollzieht. Oevermann unterscheidet in diesem Vorgang Phasen der Ruhe und des Schutzes, in denen das Streben nach symbiotischer Einheit überwiegt, von (mindestens) vier großen Ablösungskrisen, in denen die Abgrenzung handlungsbestimmend wird. Das beginnt mit dem Geburtsvorgang als der Lösung aus der biologischen Ursprungssymbiose der Schwangerschaft, reicht über die „Trotzphase“, in der das Kind sich aus der primären Symbiose mit der Mutter-Instanz löst, weiter über die Pubertät, in der es, um sich aus der ödipalen Triade zu befreien, die Vergemeinschaftung in einer Gleichaltrigengruppe sucht, bis zur Adoleszenzkrise, durch die der einzelne endgültig ins Erwachsenalter übertritt. Ausdrücklich betont Oevermann, daß der Stellenwert dieser Krisen ebenso wie ihre Dauer und ihr Verlauf starken kulturellen und historischen Schwankungen unterliegen;84 gleichwohl benötigt ein solch formales Gesamtmodell, wer Sozialisationsverläufe überhaupt historisch und kulturell vergleichen will. Für die hier gestellte Frage nach der Entstehung des Schönbornschen Familienhabitus besitzt Oevermanns Sozialisationsmodell drei gewichtige Vorzüge. Statt als bloße Reproduktion des Herkunftsmilieus begreift es erstens Sozialisation als einen Mechanismus zur systematischen Erzeugung des Neuen85 – nur so wird er83 „In dem Maß, in dem das sich bildende Subjekt in der ödipalen Triade die affektive Solidarität und das sexuelle Begehren in der Gattenbeziehung erfährt, aus der es grundsätzlich ausgeschlossen ist, verfügt es über die Erfahrung einer die widersprüchliche Spannung zugleich erzeugenden und schlichtenden erstrebenswerten affektiven Einheit, die den Konflikt nicht als Sackgasse und Dilemma zeigt, sondern auch als Verkörperung dieser Einheit und damit als Basis einer optimistischen Entscheidung fungiert. Damit verfügt es grundsätzlich über einen Erfahrungsschatz bezüglich von ihm noch verschlossenen, aber in Zukunft winkenden Möglichkeiten, die ein Erwachsen-Werden erstrebenswert erscheinen lassen.“ (Oevermann: Generationenbeziehungen, S. 98). 84 Oevermann: Sozialisation, S. 163; ders.: Generationenbeziehungen, S. 107 f. 85 „Humane Sozialisation stellt eine Prozesslogik bzw. eine Ablauffigur der systematischen Erzeugung des Neuen par excellence dar. Die ihr vorausgehende Bildung des Elternpaares bedeutet schon auf der biologischen Ebene der Paarung als solche eine Erzeugung von Neuem in der Gestalt der Rekombination des Genoms als jeweils einzigartigen. [ . . . ] Die biologische Erzeugung des Neuen wiederholt sich analog gesteigert auf der sozio-kulturellen Ebene, wenn nach dem Übergang von Natur zur Kultur aus der Paarung die individuierte Paarbeziehung wird, in der sich zwei Lebenswelten und Lebensläufe, die von den Partnern verkörpert werden, zu einem jeweils neuen, einzigartigen und so zuvor nicht da gewesenen konkreten sozialisatorischen Milieu rekombinieren und synthetisieren.“ (Oevermann: Sozialisation, S. 156 f., Hervorhebungen im Original).

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klärlich, wie innerhalb eines Milieus, einer Schicht oder sozialen Gruppe (hier: dem reichsritterschaftlichen Stiftsadel der rhein-fränkischen Territorien) überhaupt ein spezifischer Familienhabitus entstehen kann. Nur so wird auch deutlich, daß Sozialisation ein zentraler Impulsgeber des gesellschaftlichen Wandels ist. Zweitens nämlich ergibt sich aus dem Modell der vier großen Ablösungskrisen eine elegante Erklärung dafür, wie ungefähr Gleichaltrige zu mentalitätsähnlichen Bezugsgruppen werden: zu „Generationen“, die, sei es durch offene Generationenkonflikte, sei es durch verdeckte generationenspezifische Verhaltensänderungen, wiederum gesellschaftlichen Wandel erzeugen.86 Vor allem was während der Jugend: in der instabilen Phase eines kollektiv (nämlich in der Gleichaltrigengruppe) hervorgebrachten Selbstentwurfs und während der Adoleszenzkrise an akuten Handlungsproblemen innerhalb des Gemeinwesens erfahren wird und zu gemeinsamer (u. U. rebellischer) Stellungnahme veranlaßt, kann zur Prägung werden, die eine Alterskohorte in eine Erlebnisgeneration verwandelt.87 Nur das Modell von Ablösungs- als Entscheidungskrisen und anschließender Verfestigung der gefundenen Lösungen zu Handlungsroutinen vermag solche Generationenprägungen rational zu erklären. Drittens schließlich ermöglicht das Modell wichtige Differenzierungen zwischen Habitus und Wissen.88 Unabhängig davon, ob man Wissen als propositionales Wissen (Wissen, daß etwas der Fall ist), als Regelwissen (Wissen, wie etwas getan werden soll) oder als praktisches Wissen in den Blick nimmt (als Fähigkeit, etwas korrekt und erfolgreich zu tun), stets ist dieses Wissen von seinen Trägern ablösbar. Wissen ist per definitionem intersubjektiv. Das liegt daran, daß es durch gesellschaftliche Zuschreibung entsteht: Nur solche Meinungen, Regeln und Fähigkeiten werden als „Wissen“ bezeichnet (und damit aus vielen anderen Meinungen, Regeln und Fähigkeiten herausgehoben), die als methodisch bewährt gelten, als über ihren Entstehungskontext hinaus verallgemeinerbar. Verallgemeinerbar ist nur, was von den konkreten Subjekten abstrahiert werden kann. Wissen muß als alltäglich gewordene Routine von Sprechakten oder Fertigkeiten begriffen werden. Dagegen bleibt der Habitus an die Erfahrungssubjekte gebunden. Als ihre spezifische Prägung ist er nicht von ihnen ablösbar. Mehr noch: Er ist die innere Instanz, mit deren Hilfe sie Entscheidungskrisen bewältigen, er ist die Präferenz, die ihnen überhaupt ermöglicht, sich zu entscheiden. Indem der Habitus Urteile darüber erzeugt, was einer Person in einer bestimmten Situation angemessen ist, liegt er dem Wissen prinzipiell voraus. Wie sich zeigen wird, steuert der Familienhabitus der Schönborn u. a. ihr Verhältnis zum schulischen und universitären Wissenserwerb. Er „sagt“ ihnen nicht nur, was sie wissen müssen, sondern auch mit welchem Ein86 Zum Konzept der Generationen und seiner Bedeutung für die Historie s. jetzt Grebner / Schulz: Generationen. 87 Oevermann: Generationenbeziehungen, S. 79 f. und 109 f. 88 Zum folgenden Oevermann: Sozialisation, S. 175 f.; ders.: Generationenbeziehungen, S. 106 f.

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satz sie es sich anzueignen haben, wie weit sie dabei gehen sollen, welcher Gebrauch davon zu machen ist. Der Habitus entscheidet, wie mit dem verfügbaren Wissen umzugehen ist – ein weiterer Grund, warum im folgenden über die Betrachtung von Bildungswegen hinausgegangen wird. Nicht selten zeigt sein Vorrang vor dem Wissen sich auch daran, daß er die Menschen zu einem bestimmten Handeln veranlaßt, obwohl sie es „besser wissen“. D. h. der Habitus kann mit dem kodifizierten Wissen in Konflikt geraten, auch mit den Normvorstellungen eines Milieus, beispielsweise einem kirchlichen Amtsverständnis – in dem Regelverstoß, für das Gaibacher Altarblatt ein Gruppenporträt in Auftrag zu geben, ist uns hierfür bereits ein Beispiel begegnet. Das Sozialisationsmodell der vier Ruhephasen im Wechsel mit den vier Ablösungskrisen vermag diesen Vorrang genetisch zu begründen. Nach ihm und in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie sind es nämlich die Primärphasen der Symbiosen, in denen die Erfahrungen gemacht werden, die zu den wirkmächtigsten Bestandteilen des Habitus werden. Auf die Entstehung des Urvertrauens während der Symbiose zwischen Säugling und Mutter-Instanz wurde schon hingewiesen. In dieselbe Phase fällt nach diesem Modell die Entstehung von Überzeugungen. Dagegen entsteht der persönliche Glaube aus der Verarbeitung der Schuld, die durch die Ablösungen während der ödipalen und der Adoleszenzkrisen empfunden wird. Wie die verschiedenen Sozialisationsphasen erfahren und wie erfolgreich sie durch die Ablösungskrisen überwunden werden, wirkt somit unmittelbar in die Persönlichkeitsbildung hinein. Das gewählte Modell bietet ein Suchraster, um diesen Zusammenhängen nachzugehen.

2. Abstammungslinien, Laufbahnentscheidungen, Partnerwahl, Geschwisterreihen und Besitz – die Aufstiegsdynamik der Schönborn Ihr später so stark ausgeprägtes Selbst- und Sendungsbewußtsein besaßen die Schönborn nicht von jeher. Sie haben es sich durchaus erarbeitet; als Errungenschaft ist es zu analysieren. Noch 1655, als ihr spektakulärer Aufstieg längst begonnen hatte, wußten sie über sich selbst als Familie wenig.89 Sie kannten ihre (bescheidenen) Besitzverhältnisse und vermochten die acht adligen Vorfahren nachzuweisen, um in die Domkapitel der rheinfränkischen Bistümer aufgenommen zu werden. Sobald sie über diese vier Generationen hinauszugehen suchten, verloren sie sich im Gestrüpp ungeklärter Verhältnisse. Auf pragmatische Zwecke war ihr Erinnerungsraum offenbar beschränkt. Erst im Gefolge der geistlichen Ämter, erst mit der politischen Bedeutung also, stellte auch eine Geschichte sich ein – oder sollte man sagen: ein Familienroman? Entworfen hat ihn der Jesuit Wolfgang Schwan – nicht ohne zuvor ausdrücklich 89

Gensicke: Zur Geschichte, S. 259 mit Anm. 3.

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B. Handlungsgründe

auf die Dunkelheit der Schönbornschen Abstammung hingewiesen zu haben.90 In seiner Würzburger Totenklage um den verstorbenen Johann Philipp von Schönborn, den ersten Fürstbischof der Familie, verlängerte er dessen Ahnenreihe bis zu einem Ritter Eucharius von Schönborn aus der Zeit um 1192.91 Ein Fürstbischof, der, von Würzburg ausgehend, anerkanntermaßen eine reichspolitische Führungsrolle erlangt hatte, von dem ein Neffe im Würzburger Domkapitel ähnliche Wege gehen mochte, ein solcher Fürstbischof mußte einfach aus einer Familie stammen, die zumindest bis in die Stauferzeit zurückreichte: in diejenige Epoche mithin, in der Würzburg zum geistlichen Herzogtum erhoben, die Bischöfe gegenüber den Kaisern eine vergleichbare Spitzenposition einnahmen wie in Schwans Gegenwart. Im Hinblick auf die politische Geschichte der Würzburger Fürstbischöfe also fand Schwan für die Schönborns eine Genealogie; aus der aktuellen Schönbornschen Stellung in den Hochstiften leitete er sie ab; in eine ganze Reihe von „Vorgängern“ dieses Namens rückte er Johann Philipp ein. Spätere Huldigungen, die Hochstiftshistorien92 und genealogischen Handbücher93 übernahmen die Konstruktion, spätestens in Zedlers Universal Lexikon erlangte sie den Status anerkannten Wissens.94 Die Wirklichkeit sah anders aus.95 Solange die Schönborns sich urkundlich zurückverfolgen lassen (und das ist nur bis ins ausgehende 13. Jahrhundert möglich, gesicherte Verwandtschaftsbeziehungen lassen sich gar erst im 14. Jahrhundert rekonstruieren),96 war die Familie in verschiedene Linien geteilt. Nach den jewei90 „Uti pulcherrimorum fructuum radix est occulta; / Sic Illustrium Stemmarum origo est obscura; / Plurimorum Solium occasu tumultata. / Fontis etiam Speciosi scaturigo non est liquida: / Fons enim, licet sit & ipsa, / Profundior est tamen, quam ut bolide scrutentur / Temporum Urinatores.“ (Schwan: Lessus, S. 464). 91 Geschickt verwendet er dafür die Randglossen, in denen er die Bilder seiner versifizierten Totenklage erläutert. Als (vermeintlich) historische Präzisierung einer emphatischen Bildrede gewannen sie große Überzeugungskraft. Zu Schwans Lessus vgl. Marigold: De Leone, S. 211, Jürgensmeier: Schönborn, S. 2. 92 Z. B. Joannis: Scriptores, Bd. 2, S. 245 und 395 f. 93 Z. B. Humbracht: Zierde, Tafel 201 f. Das Buch ist Lothar Franz von Schönborn gewidmet. 94 „Schönborn, ein uraltes adeliches, nunmehro Reichs=Gräfliches Geschlecht, welches von undenckbahren Jahren her unter der freyen Reichs=Ritterschafft im Westerwalde seinen Platz gehabt [ . . . ]. Eucharius von Schönborn, Ritter, lebte um das Jahr 1180 [ . . . ].“ ([Artikel] Schönborn. In Zedler: Universal Lexikon, Bd. 35, Sp. 757–763, hier: S. 757; vgl. Maué: Schönborn, S. 53). Zedler rückt diesen legendären Eucharius also noch näher an Würzburgs goldene Freiheit heran als Schwan. 95 Das Folgende nach Gensicke: Zur Geschichte. Visualiert sind dieser Forschungsergebnisse in den Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 138 f. Vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 6–11. Wenig ergiebig Domarus: Wappen. Noch Schwans Legende verhaftet sind Habersack: Stammtafel und Vogel: Beiträge, auch Domarus: Kirchenfürsten, S. 13 f. spinnt die Legende fort. 96 Noch die Übersichten in den Europäischen Stammtafeln (Bd. 4, Nr. 118 und N. F. IV, Nr. 138) suggerieren durch eine gestrichelte Linie eine lediglich vermutete Verbindung zwischen den beiden Linien zu Beginn des 14. Jahrhunderts – urkundlich belegt ist sie nicht.

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Abb. 7: Das Haus Schönborn

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ligen Stammsitzen im Westerwald und im Taunus ist eine Linie mit Zweigen in Burgschwalbach und Hahnstätten von einer zweiten in Freienfels zu unterscheiden; auch diese spaltete sich im 16. Jahrhundert in verschiedene Zweige auf. Nur Name und Wappen hielten sie zusammen, in ihren Dienstbeziehungen gingen sie ebenso getrennte Wege wie in ihren Laufbahnen – wie viele Ministerialenfamilien integrierten auch hier die verschiedenen Linien und Zweige sich in unterschiedliche Milieus. Beide Linien waren so gering begütert, daß sie sich um Ämter bemühen mußten: Im Dienst vor allem der Grafen von Katzenelnbogen und Kurmainz sind die Burgschwalbach / Hahnstätter Schönborn anzutreffen, als Amtmänner vor allem der Grafen von Nassau und Wied ein Zweig der Schönborn-Freienfels. Nur Mitglieder der ersten Linie traten auch in den Kirchendienst: In Klöstern erreichten einige den Rang von Äbten, im Johanniter- und Deutschen Orden machten sie Karriere, im 16. Jahrhundert erlangten sie Zugang zu den Domkapiteln in Trier und Mainz.97 Mehrfach entschieden sich gleich mehrere Brüder für kirchliche Laufbahnen98 – mit einem Geistlichen: dem Mainzer Domherren Friedrich Georg von Schönborn (1572–1640),99 starb der Name Schönborn in dieser Linie aus. Bevor es aber soweit kam, entsann Friedrich Georg sich seiner Namensvettern aus der anderen, der Freienfelser Schönborn-Linie. Auch dort konnte von einem Blühen des Geschlechts keine Rede sein. Nur zwei Vettern waren verheiratet und hatten männliche Nachkommen. Von letzteren: drei jungen Männern,100 hing in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Überleben des Namens Schönborn ab. Ihrer nahm Friedrich Georg sich an und dies umso leichter, als zwei davon durch den Tod ihres Vaters in jungen Jahren zu Halbwaisen geworden waren.101 Mochte die leibliche Verwandtschaft mit ihnen sich im Sagenhaften verlieren, 1623 verschaffte Friedrich Georg seinem Nenn-Neffen Johann Philipp eine Domherren97 Gensicke: Zur Geschichte, S. 261; s. z. B. Nr. 27, 28, 45, 78, 80, 81, 91, 92, 94a. Die Domherren sind mit ihrem Adelsproben auch überliefert z. B. bei Hattstein: Hoheit, Bd. 1, S. 511–513. Allerdings sind dessen Stammtafeln nicht immer vollständig, noch verläßlich, da Hattstein den offiziellen Ahnenproben der Domherren und Prälaten folgt – und diese stimmten keineswegs immer mit der Wirklichkeit überein. Nur zur Ergänzung und wo neuere Literatur fehlt, wird das Werk hier herangezogen. 98 Nach Gensicke: Zur Geschichte, handelte es sich bei den Nrn. 91, 92 und 94a ebenso um Brüder wie bei den Nrn. 78, 80 und 81 sowie den Nrn. 27 und 28. Aus der letzten Brüdergeneration dieser Linie ist 1589 ein Philipp von Schönborn (Nr. 94a) von einer Kanonikerpfründe in Bleidenstadt zurückgetreten – offenbar erkannte man die Gefahr, die aus der bevorzugten Karrierewahl erwuchs. 99 Zu ihm s. Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil III, S. 140. 100 Es handelt sich um Johann Georg von Schönborn (= Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 110) sowie um die Brüder Johann Philipp und Philipp Erwein von Schönborn (ebd., Nr. 113 und 114). Johann Georg starb kinderlos im Jahr 1654. 101 Jürgensmeier nennt als Todesjahr des Georg von Schönborn stets 1614 (z. B. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 14), Gensicke gibt, Philipp Erwein folgend, April 1613 an (Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 108 mit Anm. 4). Geht man davon aus, daß der Sohn das folgenreiche Datum korrekt überliefert, dann war Johann Philipp sieben, Philipp Erwein keine sechs Jahre alt, als ihr Vater starb. Vgl. Schraut: Haus Schönborn, S. 17.

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pfründe in Mainz,102 im Ehevertrag seiner Nenn-Nichte Agatha Maria agierte er 1633 als Oberhaupt der Familie,103 sein nicht unbeträchtliches Vermögen hinterließ er Johann Philipp und Philipp Erwein – zumindest von ihm, dem Letzten seiner Linie, wurde Familie als Funktion von Namen und Wappen begriffen. Kinderlos starb 1654 der älteste jener drei letzten Schönborn-Söhne.104 Damit trat ein, was sich schon geraume Zeit abgezeichnet hatte: Allein von den Halbwaisen Johann Philipp und Philipp Erwein hing ab, was aus der Familie werden würde, allein ihr Handeln entschied über das Schicksal des Namens Schönborn. Was an Abstammungslinien auf sie zugelaufen war, jetzt mit einem Mal um sie herum abbrach, versetzte sie unter hohen Bewährungsdruck. Sie mußten zu Neugründern der Familie werden. In dieser Lage, den geistlichen Stand zu wählen, wollte etwas heißen. Um den vaterlos gewordenen Knaben ein Einkommen zu sichern, ihnen ein Studium zu ermöglichen, mochten die Kirchenpfründen noch hingehen, die dem älteren der beiden die Mutter, Maria Barbara, aus der angesehenen Familie von der Leyen, in Würzburg verschaffen konnte,105 der Schönborn-Hahnstätter Nenn-Onkel in Mainz. Die kirchliche Laufbahn aber weiterzuverfolgen, mit ihr ernstzumachen, wie Johann Philipp es tat, als er sich 1625, kaum zwanzigjährig, zum Mainzer Domherren aufschwören ließ,106 war ein Wagnis. Es konnte auch in ein Vergehen gegen die Familie umschlagen, als Flucht vor den Stammhalterpflichten gewertet, zum Versagen werden. Daß der Bewährungsdruck durch diese Entscheidung höher wurde, leuchtet ein. Spätestens die Wahl einer Stiftskarriere war nur durch außergewöhnliche Leistung zu rechtfertigten. Durch die Verwaltung seiner Kirchenämter hatte Johann Philipp von Schönborn den Familiennamen unsterblich zu machen, dessen Verlöschen er mit seiner Entscheidung riskierte. Die Radikalität dieser Lebensentscheidung zeigt sich nicht nur daran, was Johann Philipp aufs Spiel setzte. Sie ist auch an der Beherztheit zu erkennen, mit der er aus dem väterlichen Lebenskreis heraustrat. Keiner seiner väterlichen Vorfahren – das sei gegenüber der Schwanschen Legende und der gesamten bisherigen Literatur noch einmal ausdrücklich betont – hatte je ein kirchliches Amt inne.107 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 16 mit Anm. 66 und ebd., S. 17 f. mit Anm. 81. SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 2. Vgl. Gensicke: Zur Geschichte, S. 261, wo fälschlich von „Maria Barbara“ die Rede ist. 104 Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 110. 105 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 17 f. mit Anm. 79. Der Vater von Mutter und Bruder, Philipp Erwein von der Leyen, war selbst zunächst Domherr in Trier gewesen, bevor er resignierte, um zu heiraten. Ein Bruder von ihm, Marsilius Gottfried, war Domherr in Würzburg und Mainz gewesen, zwei weitere Brüder waren Chorherren in Bleidenstadt. Vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 39. 106 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 20. 107 Noch 1977 schreibt Jürgensmeier, der ältere Bruder von Johann Philipps Vater Georg, ein Johann von Schönborn, sei Domkapitular in Würzburg in Mainz gewesen (Jürgensmeier: Johann Philipp, S. 10), doch verwechselt er hier, Humbracht folgend, diesen leiblichen Onkel 102 103

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Von väterlicher Seite gab es keine Familientradition, keine Vorbilder, keine Mentoren, die ihm den Weg in die Stiftskarriere geebnet hätten. Im Gegenteil: Aller Wahrscheinlichkeit nach war Johann Philipps Vater Georg von Schönborn Protestant.108 Wie seine Vorfahren aus diesem Zweig der Freienfelser Linie stand er im Dienst protestantischer Lehensherren, 1605 erscheint er im Dienst der reformierten Grafen von Wied; von dem lutherischen Pfarrer Jakob Staudt aus Blessenbach ließ er im gleichen Jahr seinen Sohn taufen. Nach einer ungesicherten Überlieferung hat Johann Philipp sogar sein Latein noch auf der lutherischen Schule in Weilburg gelernt.109 Auch als Abwendung von dieser Sphäre ist Johann Philipps Lebensentscheidung also zu verstehen. Den väterlichen Lebensentwürfen und Überzeugungen der protestantischen Amtsträger-Sphäre kehrte er den Rücken, in die Lebenskreise der katholischen Mutter, die aus einer der ältesten und angesehensten rheinischen Stiftsadelsfamilie stammte, trat er ein. Möglicherweise liegt hier sogar ein Motiv für seinen Entschluß.110 Daß er damit zugleich das Erbe der aussterbenden Hahnstätter (und des anderen Zweigs der Freienfelser) Schönborn antreten, sich an ihnen orientieren konnte, mag die Entscheidung erleichtert haben, verdeckte es doch den tatsächlichen Bruch mit der väterlichen Welt. Nicht wie sein Erzeuger zu werden, entschied sich Johann Philipp. Das schloß ein: seinen Namen nicht durch Kinder weiterzutragen. Zu zeugen für ihn hatte die außergewöhnliche Leistung im Amt. Sichtbar wird in dieser genealogischen Konstellation die Urszene der neueren Schönbornschen Familiengeschichte: Von hier nimmt sie ihren Ausgang, hier empfängt sie ihre Prägung. Auf das Brüderpaar Johann Philipp und Philipp Erwein zog sich alles zusammen: der bescheidene Besitz und die heterogenen Traditionen der älteren beiden Schönbornschen Familienzweige, die Optionen und das Vermögen der mütterlichen Seite;111 nur von ihnen hing ab, was sie aus diesem Erbe machen, (= Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 109) mit einem bloßen Nenn-Onkel aus der Hahnstätter Linie (= Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 91). Jürgensmeier hat selbst gemerkt, daß daran etwas nicht stimmt (a. a. O., S. 16, Anm. 67). In anderen Veröffentlichungen stellt er die Verhältnisse richtig, ohne allerdings auf ihre Bedeutung einzugehen (Jürgensmeier: Johann Philipp (b), S. 162; ders.: Schönborn, S. 3). Vgl. Schraut: Haus Schönborn, S. 16, Anm. 8. 108 Diese zentrale Erkenntnis ist Friedhelm Jürgensmeier zu verdanken (Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 8 und 11–13. 109 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 13 f. mit Anm. 53. 110 Offenbleiben muß, wie sich hier die körperlichen Gebrechen auswirkten, mit denen Johann Philipp geschlagen war. Seine Nase soll übergroß gewesen sein, ein Bein zog er nach, noch als Staatsmann sprach leise und wie gehemmt, war er nur schwer zu verstehen (Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 13, Anm. 52a). Diplomatisch hat dies der Marschall Gramont beschrieben, der sein Gegenüber bei der Aushandlung des Rheinbunds im höchsten Maße schätzen gelernt hatte: „Sa Phisionomie, témoignoit la douceur de son naturel; son parler étoit un peu lent, en Allemand, comme en François, & donnoit dans les commencements quelque peine; mais pour peu qu’on le pratiquât, l’on lui démeˆloit tant de bon sens, qu’on ne pouvoit s’empeˆcher de concevoir pour lui beaucoup d’estime.“ (Gramont: Memoires, S. 169). Hätten diese Beeinträchtigungen Johann Philipp (dem Erstgeborenen) etwa die Ablehnung des Vaters, die besondere Zuwendung der Mutter eingetragen, so ließe sich seine Entscheidung leicht verstehen.

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ob sie den Familiennamen erhalten würden. Bewältigt haben sie diese Aufgabe durch eine Umorientierung, die für beide eine Lösung aus dem väterlichen Herkommen bedeutete – einen wirklichen Neuanfang. Johann Philipp wurde über die Stiftskarriere zum Staatsmann. Als Architekt des Westfälischen Friedens machte er den Namen Schönborn unsterblich und begründete ein Amtsverständnis, das für seine Familie maßgeblich wurde. Philipp Erwein heiratete und zog mit seiner Frau zwölf überlebende Kinder heran. Er wurde zum Stammvater aller folgenden Schönborn bis heute. Insofern müssen beide tatsächlich als Neugründer der Familie Schönborn angesehen werden. Was das Hochaltarbild in Gaibach zeigt, entspricht der Wirklichkeit: Durch ihren Neuanfang unterscheiden sie sich von all ihren Vorfahren, sie haben als Vertreter einer neuen, einer „ersten“ Familiengeneration zu gelten. Der Neubeginn machte Epoche. Drei Konsequenzen lassen sich aus ihm herleiten, die Stellung und Handeln der Familie in der Folge bestimmten. Oder umgekehrt formuliert: Die Familiengeschichte der Schönborn ist für die hier unternommene Untersuchung nur solange relevant, wie sie durch jene drei Konsequenzen bestimmt wurde. Nur die Epoche im Zeichen und unter dem Einfluß jener Neugründung kommt hier in Betracht. Die erste Folge des Neuanfangs war: Die Schönborn wurden andere, und als Veränderte richteten sie sich auf ein neues Umfeld aus. Auch dies läßt sich, zunächst äußerlich,112 von den familiengeschichtlichen Daten ablesen, am deutlichsten von der Verlagerung des Familienbesitzes.113 Johann Philipps Wahl erst zum Fürstbischof von Würzburg (1642), dann zum Erzbischof von Mainz (1647) ermöglichte ihm, heimfallende Lehen in diesen Hochstiften an seinen Bruder zu vergeben. Ferner besetzte er wichtige und einträgliche Ämter mit Philipp Erwein, verschaffte er ihm soviel Kredit, daß er den Familienbesitz durch den Kauf von Herrschaften vermehren konnte. So machte er ihn zum kurmainzer Amtmann in Steinheim, zum Erbschenken des Erzstifts Mainz, Mainzer Geheimrat und Reichshofrat, ferner verlieh er ihm das Erbtruchsessenamt des Hochstifts Würzburg. In der Konsequenz konnte Philipp Erwein an der Nahe Güter erwerben (Martinstein, Planig, Bad Kreuznach, Gaubickelheim), im Rheingau (Geisenheim) und bei Frankfurt am Main (die Herrschaft Heusenstamm), im Spessart (Weiler) und schließlich in Franken (Gaibach) – die Neuorientierung zum Dienst in den rheinfränkischen Stiften 111 Als der ältere Bruder der Mutter, Hans Wolf von der Leyen 1625 kinderlos starb, erbten Johann Philipp und Philipp Erwein auch dessen gesamtes Vermögen (Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 16, Anm. 65). Vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 39. 112 Daß mit der äußeren Verlagerung der Familienorientierung eine innere einherging, läßt sich an den Vornamen zeigen, die Philipp Erwein und Maria Ursula für ihre Kinder wählten. Anders als die väterlichen: die Schönborn-Freienfelser Vorfahren gaben sie vor allen ihren Söhnen die Namen von einflußreichen Paten aus anderen Familien – die neuen Bündnisse, Verflechtungen und Patronagebeziehungen werden internalisiert. Näheres dazu unten S. 215 ff. 113 Das Folgende nach Schröcker: Besitz, S. 215–217; Jürgensmeier: Schönborn, S. 8.

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verschob den Besitz der Schönborn in deren Einflußbereich. So unvermeidlich sich das aus den neu erworbenen Ämtern ergab, so auffallend ist, wie die Söhne des Philipp Erwein mit dem großväterlichen Erbe in Taunus und Westerwald umgingen: Ohne viel Federlesens wurde es 1686 von ihnen als unrentabel und abgelegen verkauft. Das zeigt, daß es in der Familie keine Bindung an dieses Herkommen mehr gab. Emotionslos entledigte man sich des kargen Besitzes, in den die Vorfahren sich jahrhundertelang verkrallt hatten, vollständig trennte man die Vergangenheit von sich ab.114 Wer bedenkt, wie stark Adel sich über Besitz definiert, kann daran unmißverständlich erkennen: Die Schönborn waren andere geworden. Daß ihre Herkunft durch Ärmlichkeit gekennzeichnet war, hat sie nie gestört. Sowohl Johann Philipp als auch, in der zweiten Generation, Lothar Franz bezeichneten sich gelegentlich als „arme westerwälder Edelleute“ – d. h. sie kokettierten damit, waren stolz, die Armut überwunden zu haben. Mehr als solches Kokettieren allerdings blieb von der Familiengeschichte nicht übrig. Bereitwillig haben die Schönborn die von Schwan konstruierte Genealogie akzeptiert, ihre tatsächliche Herkunft durch Vermengung mit den Hahnstätter Schönborn verdecken lassen. Die Vergangenheit interessierte sie nicht. Vielleicht wollten sie auch den Makel vergessen (lassen), den der Protestantismus der leiblichen Vorväter, wäre er bekannt geworden,115 in ihrem neuen Betätigungsfeld bedeutet hätte. Wie dem auch sei, sie vertrauten auf sich selbst, sie blickten nach vorne: Als Menschen ohne (echte) Vergangenheit, ohne Geschichte, ohne Tradition traten Johann Philipp und Philipp Erwein von Schönborn an. Sie wurden zu Pionieren. In den Stiften der Reichskirche, die durch Johann Philipps Laufbahnentscheidung zum Tätigkeitsfeld der Familie wurden, waren diese Schönborn Neulinge; als solche wurden sie von den eingesessenen Stiftsadelsfamilien auch angesehen. Sie waren neu, und sie waren anders als die Arrivierten. Sie waren hungriger, gierten nach Anerkennung und Statussymbolen, sie hatten Nachholbedarf. Aber sie nahmen ihre Ämter auch ernster, sie standen unter Druck, sie mußten sich beweisen. Das machte sie zu Aufsteigern. Ihr Ehrgeiz war ungeheuer, ihr Anspruch stets höher als bei anderen. Sie waren verbissen, ihr Koordinatensystem stimmte mit dem der Alteingesessenen nicht überein. Dadurch sahen sie die Dinge anders, sahen sie andere Dinge. Ihr Horizont war ein anderer, ihre Politik hatte andere Bezugsgrößen. Unbestreitbar war: Sie hatten Erfolg. Ihre Unvoreingenommenheit ließ sie Möglichkeiten entdecken, auf die kein Mensch sonst gekommen wäre. Aus ihrem Anders-Sein entsprang ihr Erfolg, deshalb hat er dieses Anders-Sein immer aufs neue bestätigt und vertieft. Hinzukam der Neid: Je erfolgreicher die Schönborn wurden, je höher sie als Familie stiegen, desto entschiedener formierte sich So auch Schröcker: Jungen Jahre, S. 260. In den Informativprozessen, die Johann Philipp 1642 nach der Wahl zum Bischof von Würzburg, 1648 nach der zum Erzbischof von Mainz durchzustehen hatte, sagten alle befragten Zeugen aus, Johann Philipp und seine Familie seien stets gut katholisch gewesen (Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 12). 114 115

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gegen sie eine Opposition. Statt sie zu integrieren, verfestigte ihr Erfolg ihre Ausnahmestellung noch. In homines novi hatte ihre Umorientierung die Schönborn verwandelt. Daraus ergab sich als zweite Konsequenz ihres Neuanfangs ein extremer Familienzusammenhalt. Zwar wäre es übertrieben zu behaupten, die Schönborn seien im rheinfränkischen Stiftsadel isoliert gewesen (immerhin konnten sie von Anfang an auf das gut funktionierende Beziehungsnetz der alteingesessenen, mütterlichen Familie von der Leyen zurückgreifen), doch als Schönborn standen sie in der Tat vor der Aufgabe, sich ein eigenes Netz von Verwandtschafts- und Klientelbeziehungen erst aufzubauen. Ihre Freienfelser Vorfahren hatten durchaus in anderen Kreisen geheiratet: regional wie im Hinblick auf Begüterung, Mitgift und Ansehen der Partner.116 In der neuen Bezugsgruppe nutzten diese ärmlichen, älteren Allianzen wenig, im Gegenteil: Hier konnten sie sogar kompromittierend wirken,117 die Vorbehalte gegenüber den Neuankömmlingen und Aufsteigern verstärken. 116 Das läßt sich an den Namen der Schönborn-Freienfelser Heiratspartner zeigen: Kaum einer begegnet auch in den Domherrenlisten der rheinfränkischen Bistümer. Eine Ausnahme ist der Name Waldbott von Bassenheim (Gensicke: Zur Geschichte, Nrn. 55+115; mehr dazu unten) sowie vor allem der Name von Johann Philipps und Philipp Erweins Mutter: von der Leyen. Ein anderer Freienfelser Schönborn hatte bereits eine von der Leyen geheiratet, ein weiterer tat dies wenige Jahre nach Johann Philipps und Philipp Erweins Vater (Gensicke: Zur Geschichte, Nrn. 52+105). Allerdings handelte es sich in beiden Fällen nicht um direkte Vorfahren oder Verwandte. Da die von der Leyen sich stärker noch als die Schönborn in verschiedene Linien und Zweige geteilt hatten, waren die Bräute trotz des gemeinsamen Namens (wenn überhaupt) nur entfernt miteinander verwandt (s. Europäische Stammtafeln, N. F. IV, Nr. 39; Ursula Philippina von (!) Leyen (= Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 105) taucht dort nicht auf). Daher geht durchaus fehl, wer zwei Heiratsverbindungen, die fünf Generationen auseinanderliegen und nicht einmal die gleichen Familienzweige betreffen, als Kontinuität auffaßt oder gar in einen Wirkungszusammenhang bringt (so Duhamelle: L’Héritage, S. 136). Man erliegt damit der Suggestion der gemeinsamen Namen und dem Wunsch, verborgene Gesetzmäßigkeiten in Heiratsverbindungen zu entdecken, verstellt sich aber den Blick für die unterschiedlichen Orientierungen der verschiedenen Familienzweige und die historischen Veränderungen. 117 Bezeichnenderweise bekam Johann Philipp Schwierigkeiten mit der Ahnenprobe: Seine Großmutter väterlicherseits, die er als Agatha Donner von Lorch angegeben hatte, war den Würzburger Domherren nicht als adlig bekannt. Johann Philipp mußte sich über den einflußreichen, in Würzburg als Zeuge akzeptierten Bruder seiner Mutter (!), Hans Wolf von der Leyen, ein Zeugnis der Ritterschaft am Rheinstrom und in der Wetterau besorgen, daß das Geschlecht der Donner von Lorch ritterbürtig und immatrikuliert sei (vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 17 f., Anm. 79). Nach den Urkunden, die Gensicke durchforstet hat, hieß diese Großmutter aber in Wirklichkeit Donner von Lohrheim; auch hat Johann Philipp zu dieser Großmutter eine andere Mutter benannt, als Gensicke ermitteln konnte, nämlich eine Liebmuth Köth von Wanscheid anstelle der urkundlich belegbaren Anna von der Tann (vgl. Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 100 und Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 139 z. B. mit ByStAWü Standbuch Nr. 44, fol. 559). Johann Philipps eigenen, offiziell gewordenen Angaben folgen die genealogischen Handbücher wie Humbracht und Hattstein. Eindrucksvoll zeigt das, wie elastisch die Stiftsmäßigkeit eines Prätendenten in Wirklichkeit war, aber auch welche Mühe (und sicher auch Kosten) mit solchen nachträglichen Korrekturen verbunden waren. Neben dem Protestantismus der Vorväter gab es in der Herkunft

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Hinzukam: Die Familie war zunächst verzweifelt klein. Auf zwei Brüder waren die Namensträger zusammengeschmolzen, eine einzige Schwester, Agatha Maria, bildete mit ihnen die erste Generation. Ihre Heirat mit Georg Anton Waldbott von Bassenheim führte zwar im Sinne von Mutter und Brüdern ebenfalls in den rheinisch-katholischen Stiftsadel,118 doch gab es zunächst eben nur diese eine Schwester, über die solche Verbindungen geknüpft werden konnten. Und dann entschied Johann Philipp sich auch noch für eine Laufbahn, die legitime Namenserben ausschloß. So sehr wurde die Familie dadurch in ihrer Existenz bedroht, daß diese Entscheidung außer durch das Ansehen, das Johann Philipp in seinen Ämtern für die Familie erwarb, nur durch besondere Fürsorge wiedergutzumachen war, die er gegenüber seinem Bruder und dessen Nachkommen bewies.119 Wie Pech und Schwefel mußten die Brüder zusammenhalten – das erzwang neben der Fremdheit in der neuen Bezugsgruppe und der Aufgabe, die Familie fortzupflanzen, auch die Verfaßtheit der Stiftsherrschaften, deren Leitung Johann Philipp errang. Keineswegs waren Regierung und Verwaltung schon so weit ausgebaut, daß Johann Philipp in ihnen über zuverlässig-neutrale Apparate verfügt hätte. Gerade die Schlüsselpositionen waren vielmehr sämtlich mit Mitgliedern anderer, also konkurrierender Stiftsadelsfamilien besetzt. Wenn Johann Philipp ungewöhnliche Politik machen wollte (und das tat er), wenn er bei den Westfälischen Friedensverhandlungen, am Kaiserhof oder gegenüber Rom eine Linie vertreten lassen Johann Philipps also noch weitere dunkle Flecken, die der Neuorientierung und dem angestrebten Aufstieg hätten verderblich werden können. Auch Leichen im Keller stärken den Familienzusammenhalt. 118 Näheres dazu unten, S. 192. Nach der Eheberedung vom 18. September 1633 (SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 2) betrug die Mitgift Agatha Maries 3.000 Gulden in Form eines fest angelegten Kapitals mit fünf Prozent Zinsen. Als Sicherheit werden „alle vnd ÿede obged[ach]t[e]r Herrn gebrüdern Von Schönborn [= Johann Philipp und Philipp Erwein, J.S.] güether, renthen Vnd gefälle, wo dieselbige auch ahnzutreffen, Vnd so Viel hierzu Vonnöthen sein möchten“ eingesetzt – daraus läßt sich ersehen, daß sie damals alle zusammen gerade als Äquivalent von 3.000 Gulden angesehen wurden. Für das Zusammenstehen der Brüder als Bürgen der Mitgift verzichtete Agatha Marie auf alle Erbansprüche gegenüber ihrer Herkunftsfamilie. Obwohl Philipp Erwein damals noch nicht einmal verheiratet war, müssen die Brüder also bereits entschlossen gewesen sein, die männliche Stammfolge fortzusetzen. Solidarität gegenüber der Schwester und die Bevorzugung einer noch zu zeugenden männlichen Linie gehen hier Hand in Hand. 119 In einem eigenhändig geschriebenen Vertrag mit seinem Bruder Philipp Erwein verzichtete Johann Philipp am 2. April 1630 zu dessen Gunsten auf sein gesamtes väterliches und mütterliches Erbteil (SAW Hausarchiv I, unverzeichneter Bestand; vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 26). Mit dem Auge des Diplomaten, der gehalten ist, die Leidenschaften seines Gegenübers als Einfallstore auszuspähen, um dessen Wohlwollen zu erobern, bemerkt der Marschall Gramont über Johann Philipp: „Il avoit une grande tendresse pour ses parents, & l’on ne se brouilloit point avec lui, pour leur faire du bien, aussi leur en procuroit il autant que les voyes honneˆtes & licites lui pouvoient permettre.“ (Gramont: Memoirs, S. 169). Hätte es sich nur um den Familienzusammenhalt gehandelt, für den der deutsche Stiftsadel notorisch war, wäre er keiner eigenen Bemerkung wert gewesen. Offenbar ging Johann Philipps Familienbindung über das Gewöhnliche eklatant hinaus. So auch Press: Kurmainz, S. 277.

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wollte, die schwere Konflikte mit übermächtigen Verhandlungspartnern heraufbeschwor, dann benötigte er Emissäre, auf die er sich verlassen konnte: die nicht durch Pressionen oder angebotenen Vergünstigungen für ihre Angehörigen ins Wanken zu bringen waren. Vielleicht noch stärker gilt das für die Politik innerhalb der Stiftsherrschaften, wo fast jede Entscheidung die Interessen irgendwelcher Stiftsadelsfamilien berührte. Das ist der rationale Grund, warum Johann Philipp seinen Bruder mit all den hohen Verwaltungsämtern und Positionen bei Hofe betraute, warum er umgekehrt mit seinem wichtigsten Mainzer Mitarbeiter Johann Christian von Boineburg sich durch die Heirat von dessen Tochter und einem Sohn Philipp Erweins auch verwandtschaftlich verband. Persönlich-verwandtschaftliche und politisch-sachliche Beziehungen waren nicht zu trennen. Letztere funktionierten kaum ohne den Bund, den erstere stifteten. Und das hing nicht nur mit dem Geldsegen zusammen, den die symbiotische Verquickung mit der Politik über die Familie ausstreuen half. Vielmehr bot die (engere) Familie mit der in ihr notwendigen Vergemeinschaftung auch ein Beziehungsprinzip, das zumindest einige der kalten, kalkulierten Zweckbeziehungen frühneuzeitlicher Politik in umfassende, echte Bündnisse und Gefolgschaften verwandeln half. Ohne solche wäre eine Politik wie diejenige Johann Philipps nicht möglich gewesen. Kern der neuen Schönbornschen Familienstruktur bildete also ein Arbeitsbündnis zwischen den Brüdern. Johann Philipp, der geistliche Amtsträger und gewählte Fürst, verfolgte seine aufsehenerregende Politik mit Hilfe seines loyalen Bruders Philipp Erwein, später auch von dessen Söhnen, die er dafür mit wichtigen administrativen und politischen Ämtern ausstattete, womit er zugleich Einkünfte, Besitz und Ansehen der Familie nachhaltig mehrte. Der geistliche Amtsträger war angewiesen auf den weltlichen Teil der Familie, der seinerseits von dem politischen Dienst für ihn profitierte. Eintracht und engste Zusammenarbeit zwischen ihnen ermöglichten den Aufstieg der Familie. In der sozialhistorischen Forschung wird ein solches Verhältnis gewöhnlich als Nepotismus bezeichnet, vielfach auch, aufgefaßt als Ausformung eines allgemeineren Beziehungsmodells, als Patronage.120 Einseitig wird damit, neben dem Rangunterschied der Beteiligten, ihr persönliches Familien- bzw. Privatinteresse zum Beziehungsgrund erklärt. Regelmäßig wird impliziert, diese persönlichen Interessen hätten jede Sachlichkeit der Beziehung wenn nicht ausgeschlossen, so doch völlig der strategischen Interessenverfolgung unterworfen. Dagegen soll mit dem hier verwendeten Begriff des Arbeitsbündnisses auf die Sachorientierung der Beziehung zwischen Johann Philip und Philipp Erwein von Schönborn hingewiesen werden. Das heißt nicht, daß das Familieninteresse für sie keine Rolle gespielt hätte: Sehr wohl gab es einen Glutkern von Emotionen in diesem Verhältnis; einige davon sind von der familiengeschichtlichen Konstellation hergeleitet und freigelegt worden. Allerdings schlossen sie die Sachhaltigkeit der Beziehung keineswegs 120 Grundsätzlich etwa zuletzt Droste: Patronage; in ihrer Bedeutung für das Wachstum der Staatsgewalt in Europa Lind: Friends; jeweils mit weiterer Literatur.

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aus. Kennzeichnend für die neuen Schönborn war gerade, daß sie ihr Familieninteresse prinzipiell als Dienst an einer Sache, als Ermöglichung einer bestimmten Politik definierten, die außer ihnen keiner betreiben konnte. Nur so waren der Nachholbedarf und die partikulare Gier der Aufsteiger zu rechtfertigen: daß sie zurücktraten und eingebunden wurden in die Ermöglichung einer universellen, gemeinwohlorientierten Politik, für die man einstand und einstehen konnte. Der Familienzusammenhalt wurde transzendiert: In ein politisches Programm fügten ihn die Gründerväter der ersten neuen Schönborn-Generation ein. Das führt zur dritten Konsequenz, die sich aus dem Neubeginn der Familie ergab: Der Bewährungsdruck, dem er entsprang, brachte ein starkes Leistungsethos hervor. Zu Leistung verpflichtete nicht nur die Aufgabe, den bedrohten Familiennamen zu tradieren. Zu besonderer Leistung verpflichtete der Bruch mit der Welt der Vorväter; verpflichtete die Neuorientierung auf eine Bezugsgruppe, in der man als Neuankömmling Anerkennung erst erringen mußte; verpflichteten die Makel, die man nach den Maßstäben der neuen Bezugsgruppe heimlich mit sich herumtrug; verpflichtete der Vertrauensvorschuß, den man aufgrund der mütterlichen Familienverbindungen gewährt bekommen hatte. In dieser Lage konnten die Schönborn gar nicht anders als all ihre neuen Kollegen, Freunde, Konkurrenten zu überbieten. Es ist das alte Schicksal aller Aufsteiger, das Cicero-Syndrom: Die Schönborn mußten die Werte und Überzeugungen ihrer neuen Bezugsgruppe besser, anspruchsvoller, reflektierter verfechten als diese selbst. Sie mußten zu Weltmeistern der Stiftsherrschaft werden. Bevor in den nächsten Abschnitten dagestellt wird, was diese Werte und Überzeugungen besagten, sei hier noch betrachtet, wie lange die bemerkten Folgen der Schönbornschen Familienneugründung sich im Heirats- und Fortpflanzungsverhalten sowie in den Laufbahnentscheidungen manifestierten.121 Bereits durch die Ehe, die Johann Philipps und Philipp Erweins Schwester Agatha Maria 1633 einging, hatten die Schönborn sich, wie bemerkt, mit einer weiteren eingesessenen Familie des rheinischen Stiftsadels verbunden.122 Der Ehemann Georg Anton Waldbott von Bassenheim war zunächst selbst Domherr in Speyer und Worms gewesen, bevor er, um heiraten zu dürfen, der Stiftskarriere entsagte. Sein Bruder 121 Zum Folgenden vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 139 f. (leider mit Fehlern, vor allem bei den Datumsangaben) und die Stammtafel „Das Haus Schönborn“ in Bott (Hg.): Grafen von Schönborn, nach S. 600 (ebenfalls unvollständig und nicht überall korrekt), s. auch Schraut: Haus Schönborn, S. 71–84. 122 S. o. Anm. 116 und Anm. 118; vgl. Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 115; Hattstein: Hoheit, Bd. 1, S. 514; Humbracht: Zierde, Tafeln 112+113, vor allem aber Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nrn. 162+167. Humbracht gründet seine Stammtafeln primär auf Selbstauskünfte der Adelsfamilien, weshalb ihnen wie denen von Hattstein mit Vorsicht zu begegnen ist. Zur Stiftung von Allianzen durch Heiraten im Stiftsadel allgemein und speziell bei den Schönborn, s. Schrauth: Ehen. Die Familie Waldbott stammte ursprünglich aus Flandern, gelangte jedoch Mitte des 12. Jahrhunderts an den Mittelrhein und wählte die Herrschaft Bassenheim, unweit von Koblenz, zu ihrem neuen Stammsitz.

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Johann Schweickard war Domherr in Mainz. Die Familie stand seit mehreren Generationen im Dienst der rheinischen Fürstbischöfe; sowohl ein Onkel wie ein Vetter Georg Antons waren ebenfalls Domherren – potentielle Ansprechpartner also für ihren neuen Schönborn-Schwager in den Domkapiteln. Aus der Ehe gingen vier Töchter und zwei Söhne hervor, von denen einer, Georg Schweickard Waldbott von Bassenheim, Domherr in Mainz und Speyer wurde, während sein Bruder, benannt nach seinem Schönborn-Onkel Johann Philipp, es zum kurmainzer Kämmerer und Rat, Oberamtmann in Lohr und Oberforstmeister im Spessart brachte – auch so wuchsen den Schönborn-Fürstbischöfen loyale Amtsträger zu. Als noch vorteilhafter erwies sich die Ehe, die Philipp Erwein von Schönborn zwei Jahre später mit Maria Ursula von Greiffenclau (genannt zu Vollraths) schloß. Nicht nur saß ein Bruder der Braut, Friedrich von Greiffenclau, mit Johann Philipp von Schönborn im Domkapitel von Mainz, nicht nur hatte der Vater der Braut, Heinrich von Greiffenclau, mit dem Vizthum im Rheingau eins der höheren Ämter im Kurzerzstift inne, vor allem war ein Onkel der Braut, Georg Friedrich von Greiffenclau, bis zu seinem Tod 1629 Fürstbischof von Worms und Kurfürst von Mainz gewesen.123 Mit den Greiffenclau gewannen die Schönborn Assoziierte, die kurz zuvor die Spitze der Stiftsämterlaufbahn erreicht und entsprechend davon profitiert hatten; in eine führende Familie des rheinischen Stiftsadels heirateten sie damit ein. Zwölf Kinder vermochte das Paar am Leben zu halten und bis zur Ämterlaufbahn bzw. Verheiratung zu bringen.124 Allein dies war eine beachtliche Leistung. Denn so viele Kinder man in diesen Adelsfamilien auch bekam, zum Alter des Heraustretens aus der Familie brachten es (wenn überhaupt) meist nur eine Handvoll. Daß hier mehr als Glück im Spiel war, zeigt die Wiederholung des Erfolgs in der nächsten Generation.125 Überdurchschnittliche Sorgfalt müssen Philipp Erwein und Maria Ursula auf das Gedeihen ihrer Kinder verwendet haben – hing doch allein von ihnen ab, ob der Name Schönborn fortleben würde. Von den sieben Töchtern wählte nur eine, Eva Katharina, den geistlichen Stand. Die übrigen sechs heirateten, teils in den rheinischen (Wambolt von Umstadt,126 123 Vgl. Europäische Stammtafeln N. F. XI, Nr. 47, Hattstein: Hoheit, Bd. 1, S. 517 und 238 f., Humbracht: Zierde, Tafel 33. Zu Georg Friedrich und den Greiffenclau allgemein s. Jürgensmeier: [Artikel] Greiffenclau von Vollrads, Georg Friedrich. Ein Neffe von Maria Ursula und Patensohn ihres Schwagers, Johann Philipp von Greiffenclau, wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Domherr in Würzburg und Mainz, Domdechant in Mainz und Fürstbischof von Würzburg. Zu ihm s. Greipl: [Artikel] Greiffenclau zu Vollraths, Johann Philipp. 124 Falls die Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 140 in dieser Hinsicht korrekt sind, hatten Philipp Erwein und Maria Ursula insgesamt siebzehn Kinder, von denen fünf in jungen Jahren starben. 125 Philipp Erweins und Maria Ursulas dritter Sohn, Melchior Friedrich, zog mit seiner Frau Maria Sophie von Boineburg vierzehn Kinder groß. Ausführlich dazu u. 126 Die Familie stammt vom Mittelrhein und war zunächst im Ritterkanton Odenwald immatrikuliert, später auch in der fränkischen Reichsritterschaft. Mit Anselm Kasimir Wambolt

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Metternich-Burscheid,127 Dalberg,128 Hatzfeld und Gleichen129), teils bereits in den fränkischen Adel (Hohenlohe-Waldenburg,130 Truchseß zu Wetzhausen131). Ausgesucht hatte man Verwandte von einflußreichen kirchlichen Amtsträgern: kaum ein Bräutigam, der nicht zumindest Großneffe, wenn nicht Neffe oder Bruder eines Fürstbischofs war;132 dafür erhielt jeder von ihnen eine Nichte des mächtigsten Kirchenhaupts im Reich. Wieder zeigt sich, wie sehr dieser Adel allen Ahnenproben zum Trotz Amtsadel blieb – Johann Philipps Amtsstellung machte seine Nichten attraktiv; daneben fiel ihre etwas obskure Herkunft nicht ins Gewicht. Wieder zeigt sich, daß es die kirchlichen Führungspositionen waren, von denen aus in den Hochstiften die weltlichen Ämter verteilt wurden, Güter und Einkünfte, von Umstadt hatte sie von 1630 bis 1647 einen Kurfürsten von Mainz gestellt. Er war ein Vetter des Bräutigamvaters Friedrich Wambolt von Umstadt (s. Humbracht: Zierde, Tafeln 177 f.) und unmittelbarer Vorgänger von Johann Philipp in Mainz. Die Heirat folgte also dem bekannten Muster, demzufolge ein neuer Bischof sich mit der Familie seines Vorgängers zu verbinden hatte (vgl. Schraut: Ehen, S. 21 f.). 127 Zu den Metternich insgesamt s. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 48. Ein Bruder des Bräutigams Wolfgang Theodor von Metternich-Burscheid, Lothar Friedrich, hatte es 1652, zwei Jahre vor der Hochzeit, zum Fürstbischof von Speyer gebracht, 1671 wurde er Koadjutor, 1673 Kurfürst von Mainz, 1674 Fürstbischof von Worms. Zu ihm Jürgensmeier: [Artikel] Metternich-Burscheid, Lothar Friedrich. Er war zeitweilig ein enger politischer Verbündeter Johann Philipps von Schönborn. Zu den Schönbornschen Hoffnungen im Zusammenhang mit dieser Heirat vgl. SAW KA Johann Philipp, Nr. 2774. 128 Die verzweigte Familie, auch geführt unter dem Titel Kämmerer von Worms, hatte in den rheinischen Bistümern bereits mehrere Fürstbischöfe gestellt, zuletzt mit Wolfgang von Dalberg 1582–1601 den Kurfürsten von Mainz. Der Bräutigam, Friedrich Dietrich von Dalberg, gehörte zu seinen Urgroßneffen. Zahlreiche Mitglieder der diversen Familienzweige (u. a. ein Bruder und ein Onkel des Bräutigams) saßen in den rheinfränkischen Domkapiteln. Vgl. Europäische Stammtafeln N. F. XI, Nr. 57; Humbracht: Zierde, Tafeln 14–16. 129 Die Stammherrschaft der Familie liegt im Hessischen (unweit Battenberg an der Eder), doch war das Rittergeschlecht früh in der rheinischen Reichsritterschaft immatrikuliert; später erwarb es Besitzungen, die zum Kanton Ottenwald im Fränkischen zählten. Vgl. Humbracht: Zierde, Tafel 209; Europäische Stammtafeln N. F. VIII, Nr. 115. Der Ehemann Katharina Elisabeths von Schönborn, Heinrich Graf von Hatzfeld und Gleichen, hatte nicht nur einen Bruder Franz in den Domkapiteln von Würzburg, Trier und Mainz, er war auch ein Neffe jenes älteren Franz von Hatzfeld, der als Bischof von Würzburg (ferner von Bamberg) Johann Philipp von Schönborn unmittelbar vorausgegangen war. Zu ihm Greipl: [Artikel] Hatzfeldt, Crottorf und Gleichen, Franz. Die Eheberedung vom 25. November 1670 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 7. 130 Die Eheberedung von 1668 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 3. Die Hohenlohe führten den Vorsitz im fränkischen Grafenkollegium, s. Europäische Stammtafeln N. F. XVII, Nr. 16+ 19. 131 Die Eheberedung von 1669 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 6 und Hausarchiv II. Titel III, Nr. 2. Dazu die Korrespondenzen SAW KA Philipp Erwein, Nrn. 185 und 209. 132 Vgl. Schraut: Ehen, S. 21–24. Eine Ausnahme bildet nur Ludwig Gustav von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, der dafür (wie Heinrich von Hatzfeld und Gleichen) Graf war, während die Schönborn zum Zeitpunkt der Hochzeit 1668 nur die Freiherrenwürde besaßen. Ja, die Hohenlohe gehörten zu den angesehendsten deutschen Grafenhäusern überhaupt.

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selbst die Heiratskandidaten und damit die Aufstiegschancen künftiger Generationen. Wieder zeigt sich schließlich, wie sehr die weltlichen Familienmitglieder von den kirchlichen Amtsträgern abhingen, wie stark sie ihr Handeln (bis zur Wahl des Heiratspartners) von dem Drang nach Nähe zu diesen Ämtern und dem Kampf um ihre künftige Besetzung bestimmen ließen. Dicht jedenfalls war das Netz von Heiratsverbindungen, das die Schönborn dank ihrer heiratswilligen Töchter bereits in der zweiten Generation mit arrivierten Stiftsadelsfamilien knüpfen konnten. Wie rasch sie sich damit neue Kreise eroberten, belegt der Vergleich mit den älteren genealogischen Daten: Lediglich ein Familienname Schönbornscher Heiratspartner der ersten und zweiten Generation taucht bereits in den Stammtafeln der älteren Schönborn auf.133 In einer gewaltigen Kraftanstrengung faßte man in völlig neuen Kreisen Fuß. Von den fünf Söhnen Philipp Erweins und Maria Ursulas entschieden drei sich für den geistlichen Stand: der älteste, Franz Georg, der in die Domkapitel von Mainz, Bamberg und Würzburg aufgenommen wurde;134 der zweitälteste, benannt nach seinem Onkel Johann Philipp, der dem Johanniter-Orden beitrat; ferner der jüngste, Lothar Franz, dem der Einfluß seines Onkels zunächst zwei Domherrenstellen verschaffte, in Bamberg und Würzburg. Nur zwei Söhne: der drittälteste, Melchior Friedrich, und der viertälteste, Johann Erwein, heirateten. Damit wiederholt sich das Entscheidungsmuster, das Johann Philipp und Philipp Erwein in der ersten Generation geprägt hatten: Wieder sind es die Älteren, also Höherrangigen, die bevorrechtigten Erben, die den Kirchendienst wählen, während der profane Dienst an der Familie den Jüngeren, Nachgeordneten überlassen bleibt. Wieder sind diese Laufbahnentscheidungen riskant, entziehen sie der Familie doch mehr als die Hälfte ihrer Fortpflanzungsmöglichkeiten. Wie groß das Risiko tatsächlich war, erwies sich, als Johann Erwein trotz zweier Heiraten kinderlos blieb.135 Aber133 Nämlich Waldbott von Bassenheim (wie oben: S. 189 Anm. 116). Die dichte Vernetzung mit dem Stiftsadel bemerkt auch Schröcker, nur hält er sie für die Fortsetzung der Familientradition (Schröcker: Heiratspolitik, S. 197). 134 Zu ihm vgl. Joannis: Scriptores, Bd. 2, S. 314 und 395 sowie Amrhein: Reihenfolge, Bd. 2, S. 96 und Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil III, S. 159; ferner Jürgensmeier: Lothar Franz, S. 105 f. 135 Seine erste Frau war eine Maria Anna Waldbott von Bassenheim (die Eheberedung, SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 8, ist datiert auf den 15. August 1675), seine zweite ebenfalls – nur daß es sich bei ihr um eine gleichnamige Nichte der ersten handelte (um die Tochter eines Halbbruders der ersten Frau, s. Humbracht: Zierde, Tafel 112 sowie Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 163). Mit dem Ehemann seiner Tante Agatha Maria von Schönborn, Georg Anton Waldbott von Bassenheim, waren Johann Erweins Ehefrauen hingegen nur entfernt verwandt (vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nrn. 162, 163, 165, 167). Mochte die Wahl der zweiten Frau pragmatische Gründe haben (bei Kinderlosigkeit fiel die Mitgift an die Familie der Frau zurück, sie konnte damit die Nichte ausstatten, die ihrerseits in den bestehenden Ehevertrag eintrat – tatsächlich ist die zweite Eheberedung, SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 12 von 1704, mit der ersten weitgehend identisch; man vermied also die Rückzahlung der Mitgift und das Aushandeln einer neuen Gütergemeinschaft), so zeugt es doch von einer radikalen Instrumentalisierung zumindest der zweiten Ehe für den Besitz,

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mals reduzierten die Überlebensaussichten des Familiennamens sich dadurch auf die Ehe eines einzigen Sohns – auch die zweite Generation der „neuen“ Schönborn setzte also durch ihre Laufbahnentscheidungen die Fortdauer der Familie aufs Spiel. Nichts beweist deutlicher den Vorrang, den die Schönborn der kirchlichen Ämterlaufbahn einräumten. An den Rand der Selbstaufgabe hat sie dies zweimal geführt. Auch die zweite Generation stand also unter erheblichem Bewährungsdruck. Zu bewähren hatte sich nicht nur Melchior Friedrich als Vater, von dem wiederum alles abhing, zu bewähren hatten sich vor allem die drei Geistlichen, deren riskante und für die Familie bedrohliche Entscheidung nur durch besondere Laufbahnerfolge zu rechtfertigen war. Als neuer, überaus gewichtiger Faktor kam hinzu, daß sie von ihrem so erfolgreichen Onkel Johann Philipp mit allen Kräften gefördert – aber eben auch gefordert wurden. Vielleicht hätten sich Mißbilligung und Neid ertragen lassen, die Isolation, die ihnen der rabiate und selbst für diese Zeit außergewöhnliche Nepotismus Johann Philipps unter ihren Altersgenossen eintrug, der zusätzliche Leistungsdruck aber, sich solch eklatante Bevorzugung verdienen zu müssen und dies unter einem Onkel, der zu den bedeutendsten Staatsmännern seiner Zeit gehörte, war gewaltig. Einiges deutet darauf hin, daß er zu groß war. Franz Georg von Schönborn, der Älteste, auf dem die größten Hoffnungen ruhten, den Johann Philipp gegen alle Regeln und zum Unmut des Mainzer Domkapitels schon als Kapitular zum Mainzer Domkustos und Probst des Frankfurter Bartholomäusstifts erhoben hatte,136 1667 auch noch zum Statthalter von Erfurt und am liebsten zu seinem Koadjutor gemacht hätte,137 starb 1674, kurz nach seinem Onkel, im Alter von knapp fünfunddreißig Jahren, vor einem definitiven Laufbahnerfolg. Sein jüngerer Bruder, Johann Philipp, nach dem übermächtigen Onkel benannt, hätte sich, um in die Führungsränge des JohanniterOrdens aufzusteigen, militärisch hervortun müssen – eine Aufgabe, an der er scheiterte – nicht ohne sich dabei hoch zu verschulden und mit der Familie zu überwerfen, machte er doch mangelnde finanzielle Unterstützung von zuhause für seinen Mißerfolg verantwortlich. Deutlich zeichnet sich in beiden Lebenswegen die Möglichkeit des Scheiterns ab. Nimmt man die Kinderlosigkeit Johann Erweins hinzu, so wird klar, daß die Schönborn schon in der zweiten Generation nach ihrer Neuorientierung auch hätten untergehen können. Zumindest drohte ihnen der Rückfall weit hinter den Erfolg der ersten Generation. So hoch hatte Johann Philipp den Maßstab gelegt, daß es eher unwahrscheinlich war, Wege für eine Fortsetzung des Erfolgs zu finden. ferner von Trägheit und der Bereitschaft, sich den Möglichkeitshorizont erheblich einschränken zu lassen. Da erstaunt es nicht, daß auch die zweite Ehe kinderlos blieb. Als Johann Erwein 1705 im Alter von einundfünfzig Jahren starb, hatte sie gerade ein Jahr gedauert. 136 Vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 258, Anm. 321 und S. 309 mit der Korrespondenz von Johann Philipp und Philipp Erwein über die Mainzer Wahl (SAW KA Johann Philipp, Nr. 2783). 137 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 308 f.

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Wenn das Unwahrscheinliche dennoch eintrat, so ist das neben Melchior Friedrich vor allem dem jüngsten Schönborn der zweiten Generation zu verdanken: Lothar Franz. Er war der Benjamin, der einzige, der die volle, von weiteren Schwangerschaften und Geburten ungestörte Zuwendung der Mutter genoß. Zudem schützte ihn seine Jugend vor dem überwältigenden Zugriff des Onkels. 1655 geboren, war Lothar Franz beim Tod Johann Philipps 1673 keine achtzehn Jahre alt. D. h. er hatte nicht einmal seine Schulzeit abgeschlossen, geschweige die Residenz als Domizellar absolviert. Anders als seine Brüder kam er nie in die Verlegenheit, sich in Ämtern oder diplomatischen Missionen unter den Augen von Johann Philipp bewähren zu müssen. Der einzige seiner Brüder, dem dies gelungen war, der ein wirkliches Arbeitsbündnis mit Johann Philipp hatte aufbauen können, war Melchior Friedrich.138 Ihn schützte vermutlich der Umstand, daß er von vorneherein für die weltliche Ämterlaufbahn bestimmt, mithin zum Nachfolger seines Vaters ausersehen war. Als Vorbild und Maßstab fungierte für ihn nicht Johann Philipp, sondern Philipp Erwein. In das Arbeitsbündnis von Onkel und Vater wurde der Sohn Schritt für Schritt einbezogen – eine Dreieckskonstellation, die sicher schwierig genug war, aber auch Entlastungen bot und im Fall Melchior Friedrichs insgesamt förderlich wirkte. Lothar Franz hingegen hatte, als er seine Kirchenkarriere antrat, kein älteres Familienmitglied mehr vor sich. Sowohl der Vater wie der Onkel waren tot, ebenso der älteste Bruder,139 der zweitälteste eher Mahnung als Vorbild, die beiden ande138 Davon zeugen nicht nur die Korrespondenzen über diverse Missionen, die Melchior Friedrich für seinen Onkel übernahm (z. B. SAW KA Johann Philipp, Nrn. 1726 f., 1749, 2089b, 2259, 2376, 2379, 2385, 2441, 2473a+b, 2483) oder die zahlreichen „Acta publica“ im Korrespondenzarchiv Melchior Friedrich (etwa SAW KA Melchior Friedrich, Nrn. 100, 102–104, 115, 122), es wird auch durch auswärtige Quellen bezeugt. So berichtet beispielsweise der französische Außenminister Marquis de Pomponne in seinen Memoiren von den diplomatischen Missionen, die den jungen Schönborn im Auftrag seines Onkels nach Versailles geführt hatten: „Le baron de Schonborn [= Melchior Friedrich, J.S.], neveu de ce prince [=Johann Philipp von Schönborn, J.S.], vint de sa part trouver Sa Majesté [= Ludwig XIV., J.S.] au commencement de l’année 1672. Il étoit chargé de ses justifications et des assurances de son affection ordinaire pour ses intéreˆts. Il témoignoit eˆtre dans le dessein de faire tout ce qui seroit en lui pour obliger l’Empereur à ne pendre aucune part à la querelle de la Hollande; mais, afin de se rendre l’Empire favorable, il conseilla à Sa Majesté d’y rendre publiques les intentions qu’elle avoit dans cette guerre.“ (Pomponne: Mémoirs, Bd. 1, S. 195). „L’Électeur de Mayence [= Johann Philipp von Schönborn, J.S.] ne crut point de moyen plus propre pour empeˆcher les liaisons capables de se former contre Sa Majesté que de se rendre avec quelques autres princes, médiateur de la paix. Il envoya pour ce sujet, à Sa Majesté, sur la fin de l’année 1672, le meˆme baron de Schonborn, son neveu, qui avoit été peu de mois auparavant auprès d’elle.“ (ebd., S. 198). Beide Missionen waren von größter politischer Delikatesse, da Johann Philipp durch sie die aggressive französische Expansionspolitik im französischniederländischen Krieg einzufangen suchte, um Frankreich nicht als Bündnispartner der Reichsstände und Gegengewicht gegen die habsburgischen Kaiser zu verlieren. Sie dem damals erst achtundzwanzigjährigen Melchior Friedrich anzuvertrauen, zeigt die Wertschätzung, die dieser bei seinem Onkel genoß. 139 Erst der Tod von Franz Georg verschaffte Lothar Franz 1674 Zutritt zum Mainzer Domkapitel, dessen Statuten die gleichzeitige Mitgliedschaft von zwei Brüdern untersag-

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ren mit weltlicher Amtstätigkeit und Familie beschäftigt. Lothar Franz konnte sich seinen eigenen Weg an die Spitze suchen. Er tat dies anders und in einem deutlich anderen Stil als sein Onkel Johann Philipp. Statt die unerbittliche Notwendigkeit der großen politischen Entwürfe herauszukehren, setzte Lothar Franz auf diplomatische Geschmeidigkeit und suchte den Ausgleich, statt charismatisch seine Willensstärke und Durchsetzungsfähigkeit zu beweisen, kultivierte er eine Verbindlichkeit, die sogar politischen Gegnern liebenswürdig erschien.140 In Bamberg machte er sich als Mitarbeiter des (nicht mit ihm verwandten) Fürstbischofs Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg so unentbehrlich und, was noch viel schwieriger war, auch beim Domkapitel so beliebt, daß dieses ihn 1693 zu dessen Nachfolger wählte. Daß man ihn deshalb nicht für weich halten sollte, bewies er im folgenden Jahr. Die politische Konstellation ausnutzend und den Nimbus des Onkels, erkämpfte er sich einundzwanzig Jahre nach dessen Ableben den Kurfürstenhut in Mainz. Wider alle Wahrscheinlichkeit war zum zweiten Mal ein Schönborn an die Spitze des rheinfränkischen Bistumssystems gelangt, gleich aus der zweiten Familiengeneration. Trotz erheblicher Verwerfungen hatte die Struktur, die Johann Philipp und Philipp Erwein vorgaben, sich damit vollständig reproduziert. In solcher Vollendung ist den Schönborn eine weitere Reproduktion ihrer Familienstruktur nicht mehr geglückt; darüber können die Erfolge der dritten Generation nicht hinwegtäuschen. Dabei schienen die Ausgangsbedingungen der zweiten Generation zunächst günstiger als die der ersten. Nicht nur der Besitz hatte sich vermehrt, der Rang erhöht, sechs Schwestern verknüpften Lothar Franz und Melchior Friedrich mit einflußreichen Familien – die Schönborn hatten Fuß gefaßt im rheinfränkischen Stiftsadel. Hinzukam, daß die Verlagerung der Karrierepflicht vom ältesten auf den jüngsten Bruder dem Stammhalter Melchior Friedrich einen Zeitvorsprung verschaffte: Als in der ersten Generation Johann Philipp 1642, im Alter von siebenunddreißig Jahren, einen Bischofsthron erklomm, war sein ältester Neffe gerade drei Jahre alt gewesen. Nur die lange Lebensdauer Johann Philipps (in Würzburg regierte er einunddreißig Jahre) hatte ihm ermöglicht, für Neffen und Nichten zu sorgen – was durchaus zwiespältig wirkte, da deren Sozialisation dadurch von Anfang an unter dem Eindruck seiner Erwartungen stand. Als dagegen in der zweiten Generation Lothar Franz 1693 mit achtunddreißig Jahren zum Fürstbischof gewählt wurde, war sein ältester Neffe bereits zwanzig Jahre alt. D. h. die dritte Generation wuchs zum großen Teil nicht im Starren auf einen regierenden ten. Vgl. Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 183; Jürgensmeier: [Artikel] Schönborn, Lothar Franz, S. 444. 140 „’Tis certain there are few Princes who are better made than the Elector of Mayence. He is of a fine Stature, and has a very majestick Mien. There is naturally in his Countenance something very sweet and engaging, which inspires at once Love and Respect; and his generous, affable, humane, benificent Temper is quite answerable to his Looks. He is a very wise, judicious, understanding Prince, thoroughly acquainted with his own Interests an those of every Potentate in Europe.“ Dies notierte 1705 der Herr de Blainville, ein Hugenotte, der zwei englische Kavaliere als Hofmeister begleitete, nach einer Audienz (de Blainville: Travels, S. 186).

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Onkel heran. Sie hatte Zeit, sich zu entwickeln, konnte (dank der vorhandenen Geldmittel) sorgfältiger erzogen werden und mußte dies auch, da der Erfolg des Onkels keineswegs absehbar war. So war sie in vielem schon gefestigt, als Lothar Franz mit dem Fürstenrang auch die Familienführung übernahm. Da er es ebenfalls zu einer langen Regierungszeit brachte (sechsunddreißig Jahre in Bamberg), fiel seine Protektion im Fall der meisten Neffen stärker in die Lebensphase von Studium, Kavalierstour und Ämterlaufbahn als in die von Kindheit und Jugend. Nur dieser Umstand ermöglichte, daß vier seiner Neffen acht geistliche Fürstenthrone erobern konnten. Daneben wirkte der ungeheure Reproduktionserfolg entlastend für die Familie; er muß zunächst beleuchtet werden. Schon seine Partnerwahl hebt Melchior Friedrich aus den Geschwistern der zweiten Generation heraus. Als einziger heiratete er nicht in die Nähe eines Fürstbischofs oder nach oben. Mit dem Freiherrenstand besaß die Familie seiner Frau Sophia von Boineburg den gleichen Rang, den er selbst 1668, im Jahr der Hochzeit, innehatte.141 Entscheidend war, daß es sich um die Tochter Johann Christians von Boineburg handelte (1622–1672): des Mainzer Oberhofmarschalls und Rats, entscheidende Jahre der rechten Hand Johann Philipps von Schönborn im Reichserzkanzleramt. Wie Johann Philipp war Johann Christian von Boineburg ein imponierender Staatsmann.142 Aus alter, hessischer, protestantischer Familie stammend, war er 1653 konvertiert und hatte in der Zusammenarbeit mit Johann Philipp eine glänzende Karriere gemacht. Zum mächtigsten Minister am Mainzer Hof war er aufgestiegen, zu einem Vordenker der Reichspolitik während des Rheinbunds, vom französichen und englischen Hof ebenso umworben wie vom kaiserlichen. Auch für ihn und seine Familie wurde also eine grundsätzliche Neuorientierung bestimmend. Er gehörte zu der Aufbaugeneration, die nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Kriegs ein politisches und geistiges Leben im Reich über die Konfessionsgrenzen hinweg allererst wieder in Gang brachte. Für die Intellektuellen, die Johann Philipp an seinem Hof sammelte, um über eine konfessionelle Union nachzudenken als Voraussetzung für die politische Erneuerung des Reichs, war er der wichtigste Ansprechpartner. Er hat als der eigentliche Entdecker und erste Förderer von Leibniz zu gelten.143 Politisch, geistig, persönlich war sein Schicksal durch das Arbeitsbündnis mit Johann Philipp von Schönborn bestimmt – auch in seinem plötzlichen Sturz. Als treulos bezeichnete Johann Philipp ihn, als Verräter, enthob ihn von allen Ämtern, ließ ihn inhaftieren. Obwohl Boineburg bald rehabilitiert wurde, hielt Johann Philipp ihn fortan von der Macht fern, bemühte sich aber, ihn auf andere Weise zu ehren. Die Allianz der beiden Familien sollte die Versöhnung des Kurfürsten mit seinem ehemaligen Regierungschef signalisieren. Die Eheberedung SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 4. Zu ihm s. Saring: [Artikel] Boineburg 1) Johann Christian; vgl. Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 20. 143 Vgl. Hammerstein: Leibniz, S. 88; Guhrauer: Kur-Mainz, S. 87; Hirsch: Leibniz, S. 13–21. 141 142

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Um bloße Vollzugsorgane einer solchen politischen Familienverbindung handelte es sich bei Melchior Friedrich und Sophia allerdings nicht. Als einziger Neffe Johann Philipps war Melchior Friedrich im Gefolge seines Vaters Philipp Erwein erfolgreich in die Arbeitsbündnisse seines Onkels hineingewachsen. Aus nächster Nähe hatte er von Jugend an das Wirken seines künftigen Schwiegervaters miterlebt; neben Vater und Onkel zählte dieser bei den Gesandtschaften und diplomatischen Missionen, für die Melchior Friedrich herangezogen wurde, zu seinen wichtigsten Lehrmeistern. Praxis und Programm der Reichspolitik, die Johann Philipp von Schönborn und Johann Christian von Boineburg von Mainz aus betrieben, hatte Melchior Friedrich verinnerlicht. Die politische Avantgarde war seine Schule, ihre Maximen haben ihn geprägt. Ebenso fest und klar tritt Sophia aus ihren Briefen entgegen. Ein Bruder war vor ihrer Geburt gestorben, dadurch wurde sie das älteste von Johann Christians überlebenden Kindern, sogar mit Abstand, denn erst ein vier Jahre jüngerer Bruder blieb wieder am Leben. Eine Vatertochter wuchs dadurch heran, die viel von Lebenshaltung und Horizont ihres Vaterhauses übernommen haben muß.144 Möglicherweise fand Melchior Friedrich in ihr jemanden, die sich nach der Neuorientierung ihrer Familie ebenso energisch (wenn auch vielleicht wegen des Sturzes ihres Vaters noch offensiver) in einer neuen Bezugsgruppe behauptete wie die Schönborn. Nur wenn man postuliert, daß Sophia mit dem acht Jahre älteren Melchior Friedrich das Arbeitsbündnis erneuerte und fortsetzte, das ihre Väter sowie Johann Philipp begründet hatten, ist der Erfolg dieser Ehe zu erklären. Die Sachlichkeit, die das Amtshandeln der Schönborn kennzeichnet, wurde in ihr zum bestimmenden Prinzip auch des inneren Familienlebens. Schon Melchior Friedrich war eine Effizienzbestie. Da er nichts wegwarf, bilden seine Papiere einen der umfangreichsten Nachlässe im Schönbornschen Korrespondenzarchiv. Darunter hat sich ein Blatt erhalten, auf dem er eigenhändig eine Tabelle über seinen Nachwuchs angelegt hat.145 Unter der Überschrift „Genealogia Deß Hochgebohrnen Herrn Melchior Friderich Graffen Von Schönborn mit der auch Hochgebohrnen Sophia Gräffin Von Boinebourg, So anno i668 den 23ten julÿ copulirt worden“ werden dort nicht etwa Ahnen, sondern achtzehn Kinder aufgelistet – mit Namen, Jahr und Geburtsdatum; Spalten und Überschriften in roter Tinte abgesetzt, wie in einem Rechnungsbuch. Die Geburten beginnen dreizehn Monate nach der Hochzeit und folgen im Abstand von dreizehn bis höchstens vierundzwanzig Monaten aufeinander; nur vor den letzten beiden liegen je drei Jahre. Als die Folge 1695 endet, umfaßt sie seit der Hochzeit siebenundzwanzig Jahre. Ein Kind (das sechste) wurde, wie der Vater vermerkt, tot geboren. Drei (das siebente, das sechzehnte und das siebzehnte) müssen jung gestorben sein, ohne daß dies jedoch auf der Liste angezeigt würde.146 Vierzehn von achtzehn geborenen 144 Ausgemessen werden kann dieser Horizont jetzt an dem Buchbesitz Johann Christian von Boineburgs, s. dazu Paasch: Bibliothek. Vgl. die Korrespondenz zwischen Vater und Tochter (SAW KA Johann Philipp, Nr. 3274). 145 SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 860.

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Kindern haben Melchior Friedrich und Sophia durchgebracht und großgezogen – sieben Schwestern, sieben Brüder; die dritte Schönborn-Generation; die erfolgreichste Geschwistertruppe, die es im Stiftsadel je gegeben hat. Alle sieben überlebenden Schwestern heirateten. Mit den Partnern, die für sie gewählt wurden, setzte die Familie zunächst die Politik der zweiten Generation fort:147 Wieder verbanden die Schönborn sich mit eingesessenen rheinfränkischen Stiftsadelsfamilien (Stadion,148 von der Leyen,149 Ostein150), wieder heiratete man 146 Möglicherweise ist sie also vor deren Ableben entstanden. Da die Liste bei der Ordnung und Verzeichnung des Archivs aus ihrem Überlieferungszusammenhang gelöst wurde, ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck sie angelegt wurde. Vor den Namen der Kinder gibt es eine schmale erste Spalte ohne Überschrift: Bis auf zwei Namen sind dort alle Kinder abgehakt. Nebenbei geht aus der Liste hervor, daß viele Geburtsdaten, die man für die Schönborn dieser Generation in den Handbüchern findet, falsch sind. So ist beispielsweise Johann Philipp Franz nach Auskunft seines Vaters am 15. Februar 1673 geboren, nicht am 5. Februar (Abert: Jugendzeit, S. 12) noch gar am 15. Januar (Greipl: [Artikel] Schönborn, Johann Philipp Franz, S. 442). Die Beispiele ließen sich mehren. Da das Geburtsdatum durch den Taufschein nachgewiesen wurde, dürften viele solcher Fehler sich schon im 18. Jahrhundert in die offiziellen Angaben eingschlichen haben, indem das Ausstellungsdatum des Taufscheins (also der Tag der Taufe) fälschlich als Geburtstag übernommen wurde. Auch das Datum, an dem Melchior Friedrich und Maria Sophie heirateten, ist gegenüber der Angabe in den Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 140 zu korrigieren. Vgl. die Eheberedung SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 4. Konnten die beiden Schönborn-Brüder der ersten Generation unter Einsatz ihres gesamten Vermögens 1633 ihre Schwester Agatha Maria mit einer Mitgift von gerade 3.000 Gulden ausstatten, so wurde Melchior Friedrich, dem Stammhalter der zweiten Generation, bereits ein Gegenwert von 10.000 Gulden in die Ehe mitgegeben (in Form der Güter Hattenheim und Frauenstein im Rheingau); Maria Sophie von Boineburg brachte in ihrer Mitgift die gleiche Summe als Geldvermögen ein. 147 So auch Schraut: Ehen, S. 24. 148 Die Eheberedung von 1685 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 9. Zwei Brüder des Bräutigams Johann Philipp: Franz Kaspar und Georg Heinrich von Stadion, waren Domherren in Würzburg und Bamberg, wo sie es zum Domprobst bzw. Domdechant bringen sollten; zu ersterem s. Dolinar: [Artikel] Stadion, Franz Caspar. Ein weiterer Bruder, Christoph Rudolph, war Domherr in Mainz, wo er unter Johann Philipp von Schönborn 1669 Generalvikar geworden war, ferner Hofratspräsident und 1685 Domdekan, 1695 Domprobst; zu ihm s. Jürgensmeier: [Artikel] Stadion, Christoph Rudolph. Unter den Onkeln und Großonkeln finden sich weitere Domherren und Prälaten, ein Bruder des Ururgroßvaters war 1517 Bischof von Augsburg gewesen. Ein Sohn des Bräutigams aus einer ersten Ehe mit Anna Maria Eva Faust von Stromberg: der 1679 geborene Franz Konrad von Stadion sollte es 1722 in Bamberg zum Domdekan, 1727 in Würzburg zum Domprobst und 1753 in Bamberg zum Fürstbischof bringen. Zu ihm s. Greipl: [Artikel] Stadion und Thannhausen, Franz Konrad; zu den Stadion allgemein Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 158. 149 Der Ehemann von Maria Sophie von Schönborn, Karl Kaspar von der Leyen, war ein Neffe des gleichnamigen Kurfürsten von Trier, ebenso von dessen Bruder Damian Hartard von der Leyen, der es gleichfalls zum Kurfürsten von Trier brachte. Mit der Mutter der ersten Schönborn-Generation, Maria Barbara von der Leyen, waren sie hingegen nur sehr entfernt verwandt (vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nrn. 39+40). 150 Die Eheberedung von 1687 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 10. Ein Bruder von Anna Charlotta Marias von Schönborn Ehemann Johann Franz Sebastian von Ostein, nämlich

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in den Umkreis führender Amtsträger. Dabei brauchten das nicht mehr ausschließlich Stiftsadlige zu sein. Der Horizont der Schönborn begann sich zu weiten. Mit den Seinsheim151 und den Limburg-Stirum152 tauchen unter den Heiratspartnern Amtsträgerfamilien auf, die in benachbarten Territorien wie Kurbayern oder in kaiserlichen Diensten Schlüsselpositionen errungen hatten und denen erst die Schönborn (wieder) den Zugang zu den rheinfränkischen Domkapiteln eröffneten. Mit welchem Erfolg, erwies sich in der nächsten (der vierten) Generation: Drei der sieben Schwestern zogen Söhne auf, die ihrerseits Fürstbischöfe wurden, einer davon: Johann Friedrich Karl von Ostein, folgte seinen Schönborn-Ahnen in Mainz gar an die Spitze der Reichskirche. Treffsicher also programmierten diese Allianzen den Erfolg. Allerdings verwandelten sie die Schönborn aus Empfangende in Gebende, aus Nutznießern in Einzahlende: Für die vierte Familiengeneration erwies eine Schönborn-Mutter sich von größerem Vorteil als ein Schönborn-Vater. Das zeigt sich, wenn man den Erfolg der Schwestern-Söhne mit dem ihrer Vettern aus der männlichen Linie vergleicht. Von den sieben überlebenden Söhnen Melchior Friedrichs und Sophias pflanzten nur zwei: der vierte und der fünfte, Rudolf Franz Erwein und Anselm Franz, die Familie fort. Daß sie dies eher als lästige Pflicht betrachteten, beweist die Mühe, die es kostete, Anselm Franz überhaupt zum Heiraten zu bewegen.153 Er hatte die Militärlaufbahn gewählt und fühlte sich unter Soldaten wohl; von sich aus brachte er wenig Interesse an Frauen auf. Erst 1717, im Alter von sechsunddreißig Jahren, beugte er sich dem Druck, den seine Brüder und sein Onkel Lothar Franz auf ihn übten. Sein gut drei Jahre Johann Heinrich von Ostein war Domherr in Würzburg, ein Onkel des Vaters war Fürstbischof von Basel gewesen; im Elsaß waren die Ostein ursprünglich beheimatet, s. Europäische Stammtafeln N. F. VII, Nr. 163. Aus der Ehe gingen sieben Söhne hervor, von denen einer, Franz Gottfried Johann Friedrich Karl, Kurfürst von Mainz und Fürstbischof von Worms wurde, zwei weitere Domherren in Würzburg und Bamberg, einer Domherr in Eichstätt, einer Domherr in Trier. Zu Johann Friedrich Karl s. Jürgensmeier: [Artikel] Ostein, Johann Friedrich. 151 Zwar gehörten die Seinsheim mit ihrem Stammsitz unweit von Ochsenfurt am Main zu den ältesten fränkischen Adelsgeschlechtern, doch hatte die Familie im 16. Jahrhundert beträchtlichen Besitz im Bayerischen erworben und mußte ihre fränkischen Güter nach langen Prozessen an den Familienzweig der Schwarzenberg abtreten. Wie seine Vorfahren machte Maximilian Franz de Paula Maria Marquard Philipp von Seinsheim, der Ehemann von Anna Maria Philippina von Schönborn, als kurbayerischer Amtsadliger Karriere (Europäische Stammtafeln N. F. V, Nr. 118). Ihrer beider Sohn hingegen, Adam Friedrich von Seinsheim, wurde 1753 Fürstbischof von Würzburg, 1754 Fürstbischof von Bamberg. Er setzte die Personalunion der beiden fränkischen Hochstifte fort, die sein Onkel Friedrich Karl von Schönborn so erfolgreich vorgeführt hatte. Zu ihm s. Greipl: [Artikel] Seinsheim, Adam Friedrich. 152 Die Familie war am Niederrhein und im Westfälischen ansässig. Otto Ernst Leopold von Limburg-Stirum, der Ehemann von Anna Elisabeth von Schönborn, brachte es zum kaiserlichen General, sein Vater war kaiserlicher Generalfeldmarschall gewesen. Ein Sohn des Paars, Damian August Philipp Karl, wurde 1770 Fürstbischof in Speyer, wo er seinem Onkel Damian Hugo von Schönborn nachfolgte. Vgl. Europäische Stammtafeln N. F. VI, Nr. 7 und Ammerich: [Artikel] Limburg-Styrum, Damian August Philipp Karl. 153 Schröcker: Heiratspolitik, S. 199 f.

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älterer Bruder Rudolf Franz Erwein hatte zwar schon 1701, im Alter von vierundzwanzig Jahren, geheiratet. Allerdings blieb auch er in seiner Partnerwahl auffällig timid: Mit Charlotte von Dernbach, einer geborenen Hatzfeld-Gleichen nahm er eine Tochter seiner Tante Katharina Elisabeth zur Frau.154 Wir stoßen hier auf eine echte Kusinenheirat, nachdem bereits Rudolf Franz Erweins Onkel Johann Erwein sich als zweite Frau eine Nichte seiner ersten ausgesucht hat. So weit die Töchter in den Stiftsadel hinausgegeben wurden, so umschränkt blieb die Partnerwahl der Söhne. Offenbar gehorchten beide verschiedenen Strategien. Über die Töchter wandte die Familie sich nach außen und knüpfte neue, möglichst breit gestreute Allianzen. Die Stammhalter hingegen sollten lieber introvertiert bleiben, um den Familienbesitz zusammenzuhalten und wohl auch die gemeinsamen Überzeugungen: das Grundgefühl von der Besonderheit der Schönborn, ihrer Einzigartigkeit. Immerhin war Rudolf Franz Erweins Wahl für die Familie insofern von Vorteil, als Charlotte aus einer ersten Ehe mit Johann Otto von Dernbach ein reiches Erbe mitbrachte. Sie war es, die den Schönborn mit Wiesentheid ein reichsgräfliches Territorium übertrug und damit die Möglichkeit, in den Reichsgrafenstand aufzusteigen.155 Daß diese Pflege der eigenen Grandiosität die Familie teuer kommen konnte, hatte sich schon bei Johann Erweins Kusinenheirat abgezeichnet, es bestätigte sich an der von Rudolf Franz Erwein. Neun Kinder gingen aus ihr hervor, sieben überlebten, zwei waren Söhne. Einen, Melchior Friedrich Karl, ließ man den geistlichen Stand wählen, doch anders als die Söhne seiner Tanten brachte er es nicht zum Fürstbischof. Als er 1754 mit nicht ganz dreiundvierzig Jahren starb, war er Domkustos in Mainz und Rektor der dortigen Universität.156 Anselm Franz dagegen hatte so spät geheiratet, die Geburten seiner Kinder folgten in so großen Abständen, daß gar nur eins davon am Leben blieb. Für eine Kirchenkarriere kam dieser Sohn von vorneherein nicht in Frage. Hier zeigt sich ein elementarer Grund, warum die Schönborn der vierten Generation (die Namensträger, die Nachkommen der männlichen Linie) den Erfolg ihrer Vorfahren nicht fortsetzen konnten: Es fehlte an männlichem Nachwuchs. Der eine, einsame Kandidat, der in vierter Generation die Kirchenkarriere antrat, starb zu früh (und war wohl auch nicht durchsetzungsfreudig genug), um eine Führungsposition zu erreichen. Wie schon die timide, unlustige Partnerwahl deutet vor allem der auffällige Rückgang der Geburtenzahlen darauf hin, daß die Stammhalterpflichten in der dritten Generation nicht mehr mit dem gleichen Hochdruck verfolgt wurden wie in den beiden Generationen zuvor. Möglicherweise lag dies anfangs an der Übermacht des väterlichen und großväterlichen Beispiels: Zu über154 Die Eheberedung von 1701 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 11. Europäische Stammtafeln N. F. VIII, Nr. 115. S. o. Anm. 129. 155 Schröcker: Heiratspolitik, S. 198. Vgl. Schraut: Haus Schönborn, S. 171–179. 156 Zu ihm Amrhein: Reihenfolge, Bd. 2, S. 296. In den Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 140 erscheint er unter dem Namen Melchior Friedrich Joseph.

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bieten waren Melchior Friedrich und Philipp Erwein als Stammhalter ohnedies nicht. Sogar mit ihnen gleichzuziehen, mußte schwerfallen, selbst wenn man nicht der vierte und fünfte Sohn einer Brüderreihe gewesen wäre, in denen die drei Älteren sowie die beiden Jüngeren, weil sie den geistlichen Stand gewählt hatten, bevorzugt und gefördert wurden, alle Aufmerksamkeit, allen Ehrgeiz, alle Begabung für sich und ihre Kirchenkarrieren verzehrten. Aber auch objektiv schwand der Bewährungsdruck im Hinblick auf die Stammhalterpflichten, als sowohl Rudolf Franz Erwein wie Anselm Franz mindestens einen männlichen Nachkommen hatten. Die Familie teilte sich in zwei verschiedene Zweige. Zum ersten Mal seit der Neuorientierung von Johann Philipp und Philipp Erwein war sie nicht mehr vom Aussterben bedroht. Außergewöhnliche Leistungen waren zuerst in diesem Punkt nicht mehr erforderlich. Die Schönborn hatten ein erstes Ziel erreicht, die vierte Generation durfte sich normalisieren. Da sie nach Melchior Friedrich Joseph keine überzähligen männlichen Nachkommen mehr in die Domkapitel entsandte, brauchte der weltliche Teil der Familie sich auch nicht mehr ausschließlich in den Dienst an den mörderischen Kirchenkarrieren zu stellen. Die Schönborn konnten zu gewöhnlichen Gutsherren und Grafen werden, nach der Säkularisation der Reichskirche zu bayerischen Standesherren. Weitere Umstände haben diese Entwicklung verstärkt. Zu nennen ist an erster Stelle die abermalige Neuorientierung der Familie. Sie zeigt sich zuerst an den Heiratsprojekten, die Lothar Franz, seit seiner ersten Wahl zum Fürstbischof das nominelle Familienhaupt, für Anselm Franz ausheckte. Von den zahlreichen Kandidatinnen, die in er seiner Korrespondenz diskutierte: von Steinau, Milandon, Dietrichstein, Liechtenstein, Sternberg,157 stammte keine mehr aus dem rheinfränkischen Stiftsadel. Auch die endgültige Braut: Maria Theresia von Montfort, gehörte dessen Heiratskreisen ebensowenig mehr an wie die Heiratspartner der letzten beiden Schönborn-Schwestern aus der dritten Generation. Mit den Montfort158 und den Oettingen-Baldern159 wählte man vielmehr Familien, die sich durch hohe Ämter am Kaiserhof auszeichneten; mit Franz Wenzel Graf von Nostitz-Rieneck drang man in die österreichischen Erblande vor.160 Solche „Allianzen in den Landen, wo man sich ohnedem zu etablieren gedenket“,161 strebte Lothar Franz von Schönborn an. Mit anderen Worten: Die drei letztgenannten Heiratsverbindungen wiesen über den rheinfränkischen Stiftsadel hinaus. Kaum in Schröcker: Heiratspolitik, S. 198 ff. Zu ihnen s. Europäische Stammtafeln N. F. XII, Nr. 54. Die „Verlobigung“ von 1716 SAW Hausarchiv II. Titel III, Nr. 3, die Eheberedung von 1717 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 13. Vgl. Schraut: Haus Schönborn, S. 179–184. 159 Zu ihnen s. Europäische Stammtafeln N.F. XVI, Nr. 108. 160 Schröcker: Heiratspolitik, S. 202. Die Eheberedung von 1719 SAW Hausarchiv I. Titel III, Nr. 14 und Hausarchiv II. Titel III, Nr. 4. 161 Brief des Lothar Franz an Friedrich Karl von Schönborn vom 14. Februar 1711 (SAW KA Friedrich Karl, Nr. 14). Hier zitiert nach Schröcker: Heiratspolitik, S. 202 mit Anm. 60; vgl. Schraut: Ehen, S. 24. 157 158

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dessen Kern etabliert, ergab sich für die Schönborn ein neues gesellschaftliches und politisches Koordinatensystem. Vor allem daß sie Friedrich Karl, den zweiten Bruder der dritten Generation, als Reichsvizekanzler in Wien etablieren konnten, öffnete ihnen das Tor zu einer neuen Welt.162 Friedrich Karl hielt sich lange am Kaiserhof: Fast dreißig Jahre (von 1705 bis 1734) vertrat er dort die Belange des Reichs. Immer aufs neue hatte er sich der Habsburger Hausmachtspolitik entgegenzustemmen, blies ihm der Wind ins Gesicht. Entsprechend mußte er auftreten. Der Anspruch des mißliebigen Amts war einem der glanzvollsten Höfe Europas ebenso deutlich zu machen wie sein familiäres und persönliches Vermögen, ihn auszufüllen. Friedrich Karl mußte in Wien etwas darstellen.163 Anfangs noch mit geliehenem Geld richtete er in der Hofburg die Diensträume der Reichskanzlei ein. Bereits 1706 erwarb er ein Gartenpalais in der Alservorstadt, das er sogleich umzubauen und auszustatten begann. Drei Jahre später erwarb er mit Hilfe der Familie den gewaltigen Allodialbesitz des Franz Anton von Buchheim, zu dem u. a. Göllersdorf gehörte, eine knappe Tagesreise von Wien, wo er mit Johann Lukas von Hildebrandt, dem Architekten des Kaisers und des Prinzen Eugen, ebenfalls sofort zu bauen begann.164 Für die dortige Gallerie machte er sich an den Aufbau einer Kunstsamlung. Und obwohl in Wien nach der endgültigen Abwehr der Türken jedermann baute, obwohl der gesamte Hofadel danach trachtete, sich durch Bauten, Gartenanlagen und Sammlungen zu überbieten, war Friedrich Karl in diesem Wettbewerb so erfolgreich, daß der französische Botschafter Du Luc ihn 1715 als den einzigen wirklichen Kavalier in Wien bezeichnete,165 die verwöhnte englische Lady Montague 1716 das höchste Lob für den Geschmack seines Palais’ und Gartens fand.166 Damit erhielt die Aufstiegsdynamik der Schönborn eine neue Richtung. Wie den beiden Generationen zuvor verschaffte auch jetzt wieder das Amt einen Vorsprung: Zum folgenden nach wie vor maßgeblich Hantsch: Reichsvizekanzler. Das Folgende nach Kersting: Kunstleidenschaften, S. 24 f. 164 Dazu Seeger: Marly und Rom. 165 Vintimille Du Luc: Mémoire, S. 164, zitiert nach Kersting: Kunstleidenschaften, S. 24. 166 „Gestern [der Brief ist datiert „Wien, den 8. Septembr, A. St. 1716“, J.S.] war ich in des Vicekanzlers, Grafen Schönborn, Garten, wohin ich zu Mittag gebeten war; und ich muß gestehen, ich habe nie etwas so vollkommen angenehmes und reizendes gesehen, als die Wiener Vorstadt. Sie ist sehr groß und besteht fast gänzlich aus schönen Palästen, die wegen ihrer Lage und Bauart zum Entzücken sind. Fände es der Kaiser für dienlich, die Stadtpforten wegzuschaffen, und Wien mit der Vorstadt zu vereinigen, so würde er eine der größten und bestens gebauten Städte in Europa haben. Graf Schönborns Landsitz ist einer der prächtigsten. Die Ausmeublirung ganz von reichem Brocat, mit so vielem Geschmack angebracht und ausgeziert, daß man sich nichts lebhafteres und glänzenderes vorstellen kann; ich schweige von der Gallerie, die voller Seltenheiten in Korallen und Perlemutter ist; auch von denen in allen Theilen des Hauses bis zur Verschwendung angebrachten Verguldungen, Bildhauerarbeiten, schönen Schildereien, dem besten Porcellan, allebasternen und elfenbeinernen Bildsäulen, und grossen Orange und Zitronenbäumen in verguldeten Töpfen. Die Mahlzeit war vollkommen gut ausgesucht, wohl angeordnet, und durch die aufgeweckte Laune des Grafen noch annehmlicher gemacht.“ (Montague: Briefe, S. 32 f.). 162 163

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Als einer der ersten erfuhr Friedrich Karl, wo ein Lehen heimfallen, ein Besitz zum Verkauf gestellt, eine gute Partie in die Gesellschaft eingeführt würde – nur daß seine Informationen sich nicht mehr auf die rheinfränkischen Fürstbistümer bezogen, sondern auf das Reich insgesamt sowie die österreichischen Erblande: auf das Umfeld des Kaiserhofs. Als einer der ersten konnte Friedrich Karl dadurch „Expektanzen“ erwerben, ein verbrieftes Vorkaufsrecht für seine Familie. Wieder verschaffte das Amt ihm außerdem die Einkünfte und den Kredit, um solche Projekte zu finanzieren, spülte seine geschickte Amts- und Vermittlungstätigkeit doch zusätzliche Gratifikationen und Gunsterweise in die Kasse. Das eröffnete neue Kombinationen. Die Schönborn begannen, über Rheinfranken hinauszudenken. Sollten sie eine Reichsgrafschaft in Baden erwerben, ein Fürstentum in Reichsitalien oder Güter in Böhmen?167 Der Ankauf der Buchheimschen Güter (auch er, wie gesagt, eine direkte Konsequenz aus Friedrich Karls Vizekanzlerschaft) beendete diese Orientierungskrise; zugleich lenkte er die Schönborn-Interessen dauerhaft über die rheinfränkischen Bistümer hinaus. Mit Gütern, die Kaiser Joseph I. Friedrich Karl in Bayern schenkte und einer Expektanz auf ehemalige Tillysche Lehen in der Oberpfalz vermehrten sich in den ersten Jahren von Friedrich Karls Amtstätigkeit die Einnahmen aus ihrem Familienbesitz auf das Doppelte.168 Keine der neuen Besitzungen lag mehr im Einzugsgebiet der Reichskirche und des Stiftsadels. Stattdessen wiesen sie in die Erblande und an den Kaiserhof. Und waren die Fürstbistümer nicht auch viel zu exponiert, politisch viel zu bedroht, um die die eigene Familie langfristig an diese Herrschaften zu binden? War die Opposition gegen den Führungsanspruch der Schönborn dort nicht in gleichem Maße gewachsen wie ihr Erfolg? Ihre Schlüsselstellungen im Reich und vor allem im direkten Umfeld der Kaiser öffneten den Schönborn die Augen für die Gefahren, die der Reichskirche drohten: der Überwältigung des ritterschaftlichen Stiftsadels durch den fürstlichen; den Säkularisierungsplänen auch von katholischer Seite; dem schwankenden Rückhalt an der Reichsspitze.169 Auch diese politischen Erfahrungen legten eine abermalige Neuorientierung nahe: Auf Dauer schien eine enge Verbindung mit dem Kaiserhof die beste Gewähr für einen weiteren Aufstieg und die Konsolidierung des Erreichten zu bieten. Spätestens mit dieser abermaligen Neuorientierung kippte das politische Programm, für das der Name Schönborn bis dahin stand. Das ist der tiefere Grund, warum der Erfolg der Schönborn in der vierten Generation nicht fortzusetzen war. Das Ansehen, das Johann Philipp der Familie verschafft hatte, beruhte darauf, daß er charismatischer, wagemutiger, origineller als alle alteingesessenen Stiftsadligen die Interessen der Fürstbistümer, der kleinen, nicht-armierten Stände, des Reichs insgesamt zur Geltung gebracht hatte: gerade auch gegen das Vormachtstreben der 167 168 169

Schröcker: Besitz, S. 221 f. Schröcker: Besitz, S. 226. Schröcker: Besitz, S. 226 f.; ders.: Heiratspolitik, S. 200.

2. Die Aufstiegsdynamik der Schönborn

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habsburgischen Kaiser und gegen die Intransingenz der europäischen katholischen Partei. Unter Lothar Franz wandelte sich der Stil dieser Politik, auch verlor sie durch den Expansionismus Ludwigs XIV. ihren wichtigsten Bündnispartner gegen Österreich, doch schienen die Kreisassoziationen die alte Linie diplomatisch weiterzuführen. Tapfer vertrat schließlich auch Friedrich Karl diese Politik, doch wurde er in der isolierten Position am Kaiserhof noch geschmeidiger als sein Onkel Lothar Franz, auch formeller, juristischer. Deutlich zeigt sich: Mit ihren Spielräumen, ihren Kombinationsmöglichkeiten, ihrer Phantasie verlor diese Politik zunehmend ihre Distanz zu den Kaisern und auf die Dauer ihre Glaubwürdigkeit. Ihr Aufstieg führte die Schönborn an den Wiener Hof – er ermöglichte den Sprung nach Österreich. Aber er kostete sie ihre politische Klientel. Nicht abrupt wurde die abermalige Neuorientierung der Familie vollzogen, kaum bewußt, nicht durch eine einzige Entscheidung. Vielmehr ergab sie sich Schritt für Schritt aus den Möglichkeiten und Notwendigkeiten, die Friedrich Karls Vizekanzlerschaft mit sich brachte. Auch schien die neue Option keine ausschließliche, glaubte man doch zunächst, sich neben ihr die Karrieremöglichkeiten in der Reichskirche durchaus offenhalten zu können. Alles lief auf eine Arbeitsteilung innerhalb der Familie hinaus. Durch das Familienfideikommiß, das die Schönborn im Jahre 1711 schlossen, 1719 modifizierten, wurde sie familienrechtlich fixiert.170 170 Der Familienvertrag ist in zwei Textzeugen vollständig, in zwei weiteren teilweise überliefert; ferner existiert ein Druck. Bei dem ersten vollständigen Textzeugen (SAW Hausarchiv I. Titel IV, Nr. 2a) handelt es sich um einen, in rotes Leder gebundenen Band im halben Folioformat (ungefähr A4). Eingeprägt in das Leder sind Zierleisten aus Gold sowie eine ovale Kartusche, darin mit Tinte der Titel: „Original der anno 1711 resp. 1719 errichteten graefl. v. Schoenborn[schen] Famil[ien] Fid[ei] Com[mi]s[se]. Fam. Archiv Tit IV No 2“ (die Signatur erweist diese Beschriftung als nachträgliche Archivtitulierung). Von den ehemals vorhandenen vier Messingschließen sind zwei abgängig. Der Blattschnitt ist an allen drei Seiten vergoldet, die Einbände sind innen mit Schmuckpapier abgeklebt. Auf drei unbeschriebene Vorsatzblätter folgen 82 zeitgenössisch oben rechts und links paginierte und beschriebene Seiten, dann zehn weitere beschriebene, aber unpaginierte Seiten, zwei Leerseiten, 15 weitere beschriebene, aber nicht paginierte Seiten, eine Leerseite, danach noch einmal 65 beschriebene, aber nicht paginierte Seiten, zuletzt drei unbeschriebene Seiten und drei leere Nachsatzblätter. Diese Art der Paginierung, die Gestaltung der Seiten (S. 1-[84] mit, S. [85– 122] ohne, S. [123–178] wieder mit um den Text gezogenen Rahmen) sowie die unterschiedlichen Schreiberhände zeigen, daß dem Familienfideikommiß von 1711 (= A1) die von gleicher Hand vorgenommene Abschrift eines anderen Dokuments (= A2), ab S. [85] fünf Originalschriftstücke (A3–A7) von anderer Hand beigebunden sind, bis S. [123–175] der Fideikommiß in der revidierten Fassung von 1719 folgt (= A8) – insgesamt handelt es sich also um ein Konvolut von acht Schriftstücken, davon sieben original unterzeichneten und gesiegelten! S. 18 f. die eigenhändigen Unterschriften und Siegel von Lothar Franz, Melchior Friedrich, Friedrich Karl, Johann Philipp Franz, Damian Hugo, Franz Erwein, Anselm Franz, Franz Georg und Marquard Wilhelm von Schönborn, S. 80 Unterschrift und Siegel dreier Zeugen, S. 82 weitere drei Unterschriften und Siegel von Zeugen für die nachträgliche Unterschriftleistung von Damian Hugo; S. [83 f.] „Copia Cæsareæ Confirmationis“ (= A2) mit Beglaubigung durch Unterschrift und Siegel von Friedrich Karl; S. [85–92] Schreiben von Lothar Franz mit eigenhändiger Unterschrift und Siegel (auf S. [92]) (= A3); S. [95–109] Heusenstammer Rezeß vom 30. September 1717 (= A4) mit den eigenhändigen Unterschrif-

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B. Handlungsgründe

Als Ziel wird darin angegeben, daß „unser nahm und geschlecht nach der ohnergründlichen barmhertzigkeit Gottes in dem durch seine gnad erlangten vndt augenscheinlich annoch zunehmenden reichlichen Wachßthumb und aufnahmb nach Menschlicher vorsichtigkeit vnd vernunft so viel immer möglich beÿbehalten werden mögte“.171 Schon in der Fassung von 1711 sah es die Gründung von zwei Familienlinien vor: einer, die den Besitz der Schönborn im Reich, einer zweiten, „Buchheimschen“, die den Besitz in Österreich verwalten sollte.172 Dabei war von ten und Siegeln von Lothar Franz, Johann Philipp Franz, Friedrich Karl, Franz Erwein und Anselm Franz auf S. [108 f.] (mit Lücken für die fehlenden Unterschriften von Damian Hugo, Franz Georg und Marquard Wilhelm); S. [111–114] der nachträgliche Konsens Damian Hugos zum Heusenstammer Receß (= A5) mit Unterschrift und Siegel auf S. [113]; S. [115–118] der nachträgliche Konsens von Franz Georg (= A6) mit Unterschrift und Siegel auf S. [117]; S. [119–122] der nachträgliche Consens von Marquard Wilhelm (= A7) mit Unterschrift und Siegel auf S. [121]; S. [123–175] folgt die neue Fassung des Familienfideikommisses aus dem Jahr 1719 (= A8) mit den eigenhändigen Unterschriften und Siegeln von Lothar Franz, Friedrich Karl, Johann Philipp Franz, Damian Hugo, Franz Erwein, Anselm Franz, Franz Georg und Marquard Wilhelm von Schönborn auf S. [174 f.]. Bei dem zweiten vollständigen Textzeugen (SAW Hausarchiv I. Titel IV, Nr. 2b) handelt es sich um eine spätere Abschrift. Sie trägt den Titel: „Copia Vidimata Fidei-Commissi Schönborniani“ und umfaßt einen in Karton mit Pergamentüberzug gebundenen Band mit zwei Schließen aus Lederbändern. Auf der Vorderseite befindet sich ein aufgeklebtes Kartonschild mit dem genannten Titel. Auf ein leeres Vorsatzblatt folgen 133 beschriebene, aber nicht paginierte Seiten, auf der letzten die Urkunde des Notars, der die Abschrift hat vornehmen lassen und ihre Richtigkeit garantiert mit Papiersiegel und Datum vom 1. Mai 1742. Eine vollständige und eine unvollständige Abschrift nur der Urkunde von 1711 [= A1] finden sich in SAW Hausarchiv II. Titel IV, Nr. 2a. Der Druck trägt den Titel: Gräflich von Schönbornische Familien-Urkunden. Würzburg: Friedrich Ernst Thein 1842 (ein Ex. in SAW Hausarchiv I. Unverzeichneter Bestand). Es handelt sich um einen schmalen Band von 176 Druckseiten ohne Angabe eines Auftraggebers oder Herausgebers, wahrscheinlich um einen Privatdruck. Er enthält S. 1–98 einen vollständigen Abdruck von A1–A8, ferner die kaiserliche Konfirmation (S. 99–102) sowie den kurmainzischen, markgräflich brandenburg-bayreutischen, bambergischen, würzburgischen, passauisch-bischöflichen und passauisch-domkapitularen Lehenskonsens dazu (S. 103–125). Darüber hinaus enthält der Druck eine Verordnung Damian Hugos vom 22. Juli 1740 über die Stiftung einer Kadettenkasse für die eine Linie der Schönbornschen Familie (S. 124–126) und einen Auszug aus dem Testament Friedrich Karls über eine ebensolche Stiftung für die andere Linie (S. 127 f.). Zuletzt folgt der Familienvertrag zwischen beiden Schönbornschen Linien vom 4. und 14. September 1766 (S. 129–176). Zum Schönbornschen Familienfideikommiß allgemein vgl. Schröcker: Sicherung, S. 95 ff. und Schraut: Haus Schönborn, S. 194–200. 171 SAW Hausarchiv I. Titel IV, Nr. 2a, S. 3 f. 172 „Es solle also hinkünftig für vnd für Art: i. Ersterwehntes fideicommiss beÿ gegenwärtigen Zustand des in Unserm Gräflichen Hauß von Schönborn vorhandenen mannlichen geschlechts und verschiedener aller schont mannjährigen gebrüderen, auf Zwey Haubt-Stipites gestellet, und zu deren einem der Ober Marschall graf Frantz Ehrwein, Zum andern aber der ienige bruder, welcher sich annoch wird verheÿrathen wollen, der gestalten erkiesen seÿn, daß das gantze vermögen tam in antiquis, quam noviter acquisitis et acquirendis, in Zwey anligende [ . . . ] theil |: deren der eine in denen hieraußigen untern Reichs-Landen, der andtere aber in Österreich vnd angräntzenden Landen constituiret :| Zerschlagen, und dem grafen Frantz Ehrwein utpote seniori die option, welchen derselbe erwehlen wolte, gelaßen

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den Brüdern der dritten Generation zu diesem Zeitpunkt allein Rudolf Franz Erwein verheiratet; für Anselm Franz gab es lediglich Heiratspläne. D. h. die österreichische Linie wurde gegründet, bevor dafür überhaupt ein Anwärter vorhanden war. Die aus Friedrich Karls Wiener Stellung erwachsenen Besitzverhältnisse begannen die Familie bereits zu regieren, ehe sie selbst so weit war. Bewahrung und Sicherung des Familienbesitzes, „vorsichtigkeit und vernunft“ wurden zu einer Maxime eigenen Rechts, ja zur vordringlichen Maxime. Hatten die Schönborn bis dahin all ihr Trachten und Tun auf Ämter gerichtet: vor allem auf die kirchlichen Spitzenpositionen, die von den geistlichen Familienmitgliedern angestrebt wurden, in zweiter Linie auf die weltlichen Ämter im Umfeld und Dienst jener ersteren, so verselbständigte sich demgegenüber nun ihr Besitz. Bisher waren sie stets und vor allem Amtsadlige gewesen, aller Familienbesitz leitete sich von ihrer politischen Tätigkeit her und blieb auf das Streben nach weiteren Ämtern bezogen. Jetzt verwandelten sie sich in Gutsbesitzer, in Verwalter von Großgrundbesitz, der sich selbst genügte. Gegenüber 1640, also den Jahren, bevor Johann Philipp als erster Schönborn einen Fürstenthron bestieg, und 1729, als Friedrich Karl für seine Verdienste als Reichsvizekanzler vom Kaiser mit großen Ländereien in Ungarn abgefunden wurde, wuchs der Familienbesitz um das Sechzigfache.173 Der rasante Erfolg der Familie ging mit einer schwindelerregenden Besitzexpansion einher, die Schönborn wurden Magnaten. Die Möglichkeiten, die ihnen die Ämter boten, nutzten sie, um günstige Ausgangspositionen für künftige Ämterlaufbahnen zu erlangen. Die Besitzvermehrung folgte der gleichen Logik wie die Heiratspolitik: Alles war in die Zukunft gerichtet, alles sollte der nächsten Generation Startvorteile verschaffen. In einer ungeheuren Anspannung handelte man mit Blick auf künftige Optionen. Das zeigt sich vor allem daran, daß die Besitzexpansion weitgehend auf Pump finanziert wurde (wie übrigens auch die eng damit verbundenen Schlösserbauten und Sammlungen). Die Ämter machten ihre Inhaber und deren Angehörige kreditwürdig, auf neu gekaufte Güter konnte man Hypotheken aufnehmen, die Klärung dieser Vermögensverhältnisse überließ man der Zukunft – fest rechnete dieses Verhalten künftige Amtsgewinne und weiteren Aufstieg mit ein. In der dritten Generation allerdings kam die Dynamik an ihr Ende. Als Lothar Franz bei seinem Tod 1729 eine ungeheure Schuldenlast hinterließ, stand die Familie am Rande des Bankrotts: Friedrich Karl und Damian Hugo hatten erhebliche Zweifel, ob die Höhe der Schulden durch den Wert des gesamten Vermögens gedeckt war.174 Entschieden warfen sie das Ruder herum: Bewahrung des Erreichten, Konsolidierung, Abtragen der Schulden wurden durch sie zu neuen Familienmaximen. Schon weil männlicher Nachwuchs für künftige kirchliche Ämterlaufbahnen kaum mehr in werden, auch mehrberührtes fideicommiss in dißen Zweÿen Haupt-linien mannlichen abstammens, vnd beÿ deren iedes mahligen Primogenito absque saltu et absque omni confusione linearum ewig – das geschlecht selbsten aber in dem ansehentlichen Reichs-Grafenstand bestendig und ohnverenderlich bleiben solle [ . . . ]“ (SAW Hausarchiv I. Titel IV, Nr. 2a, S. 6 f.). 173 Vgl. Schröcker: Sicherung, S. 92 und ders.: Besitz, S. 228 f. 174 Schröcker: Besitz, S. 227 mit Anm. 43. 14 Süßmann

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B. Handlungsgründe

Sicht war, blieb ihnen keine andere Wahl. Die Schönborn mußten haushälterisch werden. Die eiserne Disziplin und Askese, die ihre kühnen Entwürfe immer begleitet hatte, gewann die Oberhand. Nicht der Politik diente sie mehr, sondern allein noch dem Besitzerhalt. Verursacht wurde dieser Strukturwandel durch den übergroßen Erfolg der Familie in der dritten Generation. An ihm hat sie sich erschöpft, er hat die Veränderungen, die er auslöste, lange verdeckt. Wo hatte es so etwas schon einmal gegeben: daß von sieben Brüdern fünf die geistliche Laufbahn wählten, wieder die drei älteren (also höherrangigen), ferner die beiden jüngsten; daß diese fünf Brüder acht geistliche Fürstenhüte auf sich vereinigten, darunter ein Kurfürstentum, ferner ein Kardinalat, das Amt des Reichsvizekanzlers und drei Prälatenwürden; daß sie die gesamte rheinfränkische Reichskirche beherrschten und in das engste Verhältnis zum Kaiserhof brachten. Selbst im fürstlichen Stiftsadel war ein solcher Erfolg noch nicht vorgekommen. Für die Zeitgenossen waren diese Schönborn das Staunen ihrer Welt.175 Zu erklären ist der Erfolg zunächst mit der günstigen Ausgangskonstellation, die Lothar Franz als dem erfolgreichsten Vertreter der zweiten Generation, kaum daß er 1695 in Mainz die Spitze der Reichskirche erklommen hatte, eine ganze Schar von Neffen im richtigen Alter bereitstellte, mit einer herausragenden Ausbildung und sehr guten Ausgangspositionen in den Domkapiteln. Lothar Franz konnte sofort beginnen, diese Neffen systematisch aufzubauen; bald gab es keine Bischofswahl in den rheinfränkischen Fürstbistümern mehr, zu der die Schönborn nicht unter vollem Einsatz ihrer sorgsam geknüpften Familienverbindungen antraten. Hinter all ihrer Beziehungsarbeit, all den Vergünstigungen, die sie den wahlberechtigten Domherrenkollegen in Aussicht stellten, den Geldmitteln, die sie mobilisierten, hinter all dieser Patronage stand jedoch der Anspruch, die Belange der Reichskirche, die Selbständigkeit der Fürstbistümer und die Libertät der kleinen Reichsstände im Reich wirkungsvoller vertreten zu können als jede andere Familie.176 Vor allem daß Lothar Franz es fertigbrachte, 1705 gegen den anfänglichen Widerstand des Kaisers seinen gerade einunddreißigjährigen Lieblingsneffen Friedrich Karl von Schönborn als Reichsvizekanzler in Wien zu etablieren, verlieh diesem Anspruch Plausibilität. Denn dadurch ergab sich für mehrere Jahrzehnte eine Situation, in der Lothar Franz als Erzkanzler mitten im Reich dessen Belange (soll heißen: die der kleinen, nicht-armierten Stände) formulierte und politisch organisierte, während Friedrich Karl sie mit Nachdruck, aber auch erfolgreicher Verbindlichkeit am Kaiserhof vertrat. Jedes Fürstbistum oder gar Kurfürstentum, das fortan ein Schönborn gewann (und die Wahlerfolge für die Mitglieder der dritten Generation setzten erst ein, als die Zusammenarbeit von Lothar Franz und Friedrich Karl sich als Erfolgsmodell erwiesen hatte), stärkte diese Kombination – der Nepotismus des Lothar Franz erschien dadurch mit einem Mal sachhaltig, er nahm ein 175 176

Roegele: Systema, S. 152. Vgl. Schröcker: Personalunionsplan, S. 141 f.

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politisch vertretbares, rationales Aussehen an. Stärker als je zuvor stand der Familienname für ein politisches Programm. Bei näherer Betrachtung fiel der Laufbahnerfolg für die fünf Schönborn-Brüder der dritten Generation allerdings ungleich aus. Das lag nicht nur an den Unberechenbarkeiten der Bischofswahlen, es gibt Aufschluß auch über innerfamiliäre Verhältnisse. Als erstes fällt auf, daß anders als in den beiden Vorgängergenerationen weder der älteste, noch der jüngste Bruder sonderlich weit kamen: der älteste, Johann Philipp Franz, nicht, weil er 1724, kaum fünf Jahre nach seiner Wahl zum Fürstbischof von Würzburg, im Alter von zweiundfünfzig Jahren starb; der jüngste, Marquard Wilhelm, nicht, weil er es trotz seines langen Lebens von sechsundachtzig Jahren in drei Domkapiteln, deren Mitglied er war, nur zum Probst brachte, sich also mit dem Status des ewigen Zweiten begnügen mußte. Nun war Marquard Wilhelm anders als Lothar Franz keineswegs das jüngste Kind und Liebling der Mutter. Nach ihm gebahr Sophia sechs weitere Kinder, von denen vier überlebten; für die Nummer Zwölf der Geschwisterreihe blieb da offenbar keine besondere Zuwendung übrig. Zudem fiel Marquard Wilhelm dem Erfolg seiner älteren Brüder zum Opfer: Sowohl in Bamberg als auch in Würzburg, Trier und Speyer kam vor ihm ein älterer Bruder an die Regierung, nicht ohne sich danach z. T. heftig mit dem Domkapitel zu überwerfen. Der Jüngere geriet häufig zwischen die Fronten. Er erntete die Opposition, den Neid und das Mißtrauen, das der Erfolg und die Politik seiner Brüder provozierten.177 Auf Johann Philipp Franz hingegen, dem Ältesten, lag von Anfang an die Last der größten Erwartung. Sein Name war aus dem der beiden erfolgreichsten Familienmitglieder der ersten und zweiten Generation zusammengesetzt; an diesen Vorbildern wurde er gemessen. Als wäre das nicht Druck genug, mußte er auch noch verkraften, daß sein Onkel und wichtigster potentieller Förderer Lothar Franz ihn nicht leiden konnte und ihn hinter seinem ein Jahr jüngeren, gewandteren Bruder Friedrich Karl immer wieder zurücksetzte: Diesen und nicht etwa Johann Philipp Franz installierte Lothar Franz 1705 als seinen Vertrauensmann und Reichsvizekanzler in Wien. Diesen und nicht etwa Johann Philipp Franz machte er 1708 zu seinem Koadjutor, also potentiellen Nachfolger, im Fürstbistum Bamberg. Diesen und nicht etwa Johann Philipp Franz wollte er 1719 als Kandidat in den Kampf um die Würzburger Bischofswahl schicken. Zu Friedrich Karl baute Lothar Franz das engste Arbeitsbündnis auf, Friedrich Karl, dem Zweitältesten, wuchs dadurch unter den Brüdern der dritten Generation lange Zeit der höchste Rang und auf Dauer der größte Einfluß zu.178 Dabei war Johann Philipp Franz keinesfalls unbegabt – wenn 177 Das zeigt sich z. B. daran, daß das Bamberger Domkapitel ihn 1723 als ersten Domprobst überhaupt eine Wahlkapitulation unterschreiben ließ, s. ByStABa A 25, Lade 37, Nr. 200 und ebd. A 81, Nr. 170 und 171. 178 Wenn nicht er es war, der die Idee zu dem Familienfideikommiß hatte, so trug er als Vertrauter von Lothar Franz doch erheblich zu dessen Ausgestaltung bei; spätestens bei der Revision des Vertrags bis 1719 war dann er die treibende Kraft. Im SAW Hausarchiv II. Titel IV, Nr. 2a und 2b haben sich dazu ansehnliche und aufschlußreiche Konvolute erhalten.

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von seiner Erziehung die Rede sein wird, wird sich das ebenso zeigen wie an der Baupolitik, die er in Würzburg einleitete. Zumindest in Würzburg führte Friedrich Karl lediglich das Konzept fort, das sein älterer Bruder entworfen hatte. Gleichwohl lag dieser mit den Autoritäten seiner Familie häufig im Streit, nicht nur mit dem einflußreichen Onkel, sondern schon als Jugendlicher auch mit dem Vater. Die Selbstbehauptung gegenüber dem Erwartungsdruck führte ihn offenbar in einen Dauerkonflikt, der ihn stets um die Anerkennung brachte, für die er kämpfte. Da Johann Philipp Franz sich damit in den gleichen Netzen verstrickte, die schon seinen Onkel Johann Philipp (den Malteser) um einen wirklichen Laufbahnerfolg gebracht hatten, überrascht es nicht, daß er wie sein Onkel Franz Georg (der Älteste der zweiten Generation) verhältnismäßig früh verstarb – er muß zu den Opfern gezählt werden, die der Leistungsdruck der Schönborn in der Familie produzierte. Profitiert davon haben die mittleren Brüder: Alle fanden sie Möglichkeiten, die Erwartungen, die an sie gerichtet wurden, auf die eine oder andere Weise zu übertreffen, alle kamen sie weiter, als die Familie zu hoffen gewagt hatte. Dazu trug bei, daß, um Kosten zu sparen, ungefähr gleichaltrige Brüder zusammen erzogen wurden: Gemeinsam wurden sie zur Schule geschickt, gemeinsam ans Germanicum nach Rom oder / und auf eine Universität, gemeinsam auf Kavallierstour. Der Zufall der Geschwisterreihe bedingte, daß dabei fast immer Zweierkombinationen entstanden. Johann Philipp Franz und Friedrich Karl bildeten ein solches Paar, ebenso Damian Hugo und Rudolf Franz Erwein. Anselm Franz hatte keinen männlichen Altersgenossen und wurde allein erzogen, Franz Georg und Marquard Wilhelm hingegen schickte man wieder gemeinsam ins Rennen. Partnerschaft und Konkurrenz blieben überschaubar, keiner brauchte sich ständig gegenüber allen Brüdern zu behaupten. Auch traten die Brüder danach ihre Ämterlaufbahnen durchaus in verschiedenen Umfeldern an: Johann Philipp Franz in den fränkischen Domkapiteln, Friedrich Karl als Diplomat am Kaiserhof in Wien, Damian Hugo im Deutschen Orden und als Gesandter des Kaisers im Norden des Reiches, Anselm Franz als Militär, Franz Georg in den Domkapiteln eher des Mittelrheins – zumindest anfangs hatten sie dadurch keinen Bruder als unmittelbaren Konkurrenten in der Nähe. Nur Marquard Wilhelm fand, wohin immer er kam (bis auf Eichstätt), einen älteren Bruder vor. Allerdings warf der Erfolg der mittleren drei Kirchenkarrieristen aus der dritten Generation ein Problem auf, das die Familie in den beiden Generationen zuvor nicht gekannt hatte: Das Oberhaupt ging ihr verloren. Schon in der zweiten Generation hatte nur die Rochade zwischen Franz Georg und Lothar Franz erlaubt, diese Position zu besetzen. Daß dies funktionierte, obwohl damit der Jüngste über seine beiden älteren, weltlich gebliebenen Brüder und deren Kinder (mit-) zu bestimmen begann, war der Weltklugheit von Lothar Franz und der eisernen Beherrschung von Melchior Friedrich zu verdanken gewesen; die unterschwelligen Spannungen, die es heraufbeschwor, zeigen sich im Verhältnis zwischen dem Kurfürsten und

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seiner Schwägerin Sophia.179 Als Lothar Franz 1729 starb, fand er keinen Nachfolger als Familienoberhaupt mehr. Zwar wurde sein Lieblingsneffe, dem er so hohe Ämter und auch in der Familie so großen Einfluß verschafft hatte, nun der älteste der noch lebenden Brüder, doch liefen ihm Damian Hugo 1713 mit dem Kardinalat, Franz Georg 1729 mit der Kurfürstenwürde durchaus den Rang ab: Nach dem offiziellen Rückzug vom Amt des Reichsvizekanzlers 1734 war Friedrich Karl „nur“ noch Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, stand er im Rang also unter seinen beiden jüngeren Brüdern. Zudem entwickelten alle Brüder der dritten Generation auf ihren Karrierewegen und zwar eher früher als später das Selbstverständnis von Autokraten. Wer sich in jahrelangen Kämpfen gegenüber seinem Domkapitel und seinen Standesgenossen durchgesetzt hatte, ließ sich auch von einem Bruder nicht mehr dreinreden. Und seit die Schönborn zu Magnaten geworden waren, seit sie sich einem Familienbesitz widmeten, der immer mehr zum Selbstzweck wurde, erwiesen auch die Stammhalter und Väter der künftigen Erben sich gegenüber ihren Brüdern Fürstbischofen zunehmend als widerspenstig. Zu behaupten, die Familie sei auseinandergefallen, wäre übertrieben, doch erheblich lockerer wurden die Familienbande unter den Mitgliedern der dritten Generation schon. Wie anders erscheinen Friedrich Karl, Damian Hugo und Franz Georg im Alter als vor ihnen Lothar Franz oder Johann Philipp: Statt Patriarchen im Kreis ihrer Brudersfamilien, umdrängt von Neffen und Nichten, Schwagern und sonstigen angeheirateten Verwandten, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten, sich fördern und lenken ließen, sehen wir einsame, alte, gravitätische Männer, isoliert, freudlos, wenn nicht verbittert, zuweilen ein wenig wunderlich. Gerade ihre Vielzahl – auch sie ein Teil des Familienerfolgs – hatte sie auseinandergetrieben und auf Höhen, wo es nur noch Einsamkeit gab. Untereinander verkehrten sie als das, was sie waren: selbständige Reichsfürsten von höchstem Rang. Daß die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern immer kühler, immer formeller wurden, entsprach der Entwicklungslogik des Schönbornschen Familienhabitus durchaus. Bereits die Ehe von Melchior Friedrich und Sophia trug alle Züge eines Arbeitsbündnisses. In der dritten Generation wurde der Grundzug zur Versachlichung noch einen Schritt weitergetrieben: Spätestens das Familienfideikommiß von 1711 / 19 juridifizierte die Verhältnisse innerhalb der Familie. So unüberschaubar und kompliziert waren sie geworden, so wenig künftig durch eindeutige Hierarchien bestimmt, daß man meinte, sie rechtlich festschreiben zu müssen. Von nun an verkehrte man als juristische Personen. Friedrich Karl war so durch und durch Jurist, daß er auch an seiner Tafel keine anderen Themen kannte;180 seine Brüder Damian Hugo und Franz Georg standen ihm kaum nach. Schröcker: Heiratspolitik, S. 198. „Der Fürst [= Friedrich Karl von Schönborn, J.S.] saß an der Tafel oben an, auf einem Armsessel mit rothem Sammet beschlagen, und mit goldenen Tressen besetzt, und über ihn war ein Himmel von gleicher Art. Die Tafel war mit einem ausserordentlich grossen und schweren Plat de menage und 14 Schüsseln besetzt, welche letzen zweymal abgehoben wurden, und der dritte Gang bestund in 15 Confectschalen. Die Speisen wurden durch Trabanten 179 180

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B. Handlungsgründe

Unter der Hand wurde die Familie ihnen zu einer Gesellschaft – das Umfassende, Bedingungslose einer Familiengemeinschaft ging ihnen verloren. Möglicherweise lag dies auch am Schwinden des mütterlichen Einflusses. Die Neuorientierung der Familie hatte begonnen, indem Johann Philipp und Philipp Erwein von Schönborn sich für die Welt ihrer Mutter Maria Barbara entschieden; seinen Charme, seine Liebenswürdigkeit und Unabhängigkeit hatte Lothar Franz der Tatsache zu verdanken, daß er die ungeteilte Zuwendung seiner Mutter Maria Ursula genoß. Die Schönborn-Söhne der dritten Generation hingegen kannten ihre Mutter Sophia nur von ferne: Die dichte Geburtenfolge und vor allem deren lange Dauer ließen ein Näheverhältnis nicht zu. Ohne erkennbaren weiblichen Einfluß wuchsen die Brüder in eine reine Männerwelt hinein. Über welche Beziehungsmodelle als die von Gefolgschaft und Konkurrenz hätten sie da verfügen können? Zuletzt scheint diese Verarmung der Familienbeziehungen der Grund gewesen zu sein, warum die Schönborn ihren Erfolg auf die bisherige Weise nicht fortzusetzen vermochten. Alle drei Besonderheiten, die sich aus der krisenhaften Neuorientierung der Familie ergeben hatten, kamen mit dieser dritten Generation an ein Ende: die Isolation der Aufsteiger in den rheinfränkischen Stiftsadel; der extreme Familienzusammenhalt; die überbordende Bewährungsdynamik. Die Krise, von der die Familienmitglieder zu Höchstleistungen gezwungen worden waren, hatten die Schönborn bewältigt: Ihr Fortbestand war gesichert, ihren Namen hatten sie unsterblich gemacht. In die Bezugsgruppe, deren Anerkennung sie erkämpfen, deren Anliegen sie sich zu eigen machen, deren Interessen sie vertreten wollten, waren sie integriert, ja darüber schon wieder hinausgewachsen. Ihren Besitz hatten sie so vermehrt, daß er sie vom Kampf um die Ämterlaufbahnen entband. Als Magnaten traten sie in eine neue Epoche ihrer Familiengeschichte ein. Damit findet die Selbsthistorisierung der Familie auf dem Hochaltarbild von Gaibach ihre Erklärung. Was für die drei dort dargestellten Familiengenerationen galt, fand keine Fortsetzung; auch im Bewußtsein der Auftraggeber ging der Aufstieg der Familie im Zeichen der Kirchenkarrieren hier zuende. Möglicherweise war es gerade dieses Bewußtsein, daß den Auftraggebern den Wagemut verlieh, auf einem Hochaltarblatt sich selbst und ihre Familie darzustellen: Was die dort verherrlichten Kirchenkarrieren anging, so hatten sie nichts mehr zu verlieren.

aufgetragen, welche mit Stiefeln, Sporen und Carabinerriemen versehen waren, und vor welchen ein Unterofficier mit dem Huth unter dem Arm herging, und ein anderer hinterher. Auf den Tisch wurden die Speisen durch einen Pagen gesetzt, deren neun um die Tafel herstunden. Der Fürst redete mehrentheils von ernsthaften in das deutsche Staatsrecht einschlagenden Materien, insonderheit von dem Kammergericht. Zuletzt wurde noch von den Fehlern der deutschen Völker gesprochen, und jedes derselben hatte oder bekam ein Fleckgen.“ (Zitiert nach Büsching: Graf zu Lynar, S. 200). Der Hofmeister des Grafen Lynar berichtet hier von der fürstbischöflichen Tafel, der er am 30. Juli 1731 in Bamberg hatte beiwohnen dürfen.

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3. Namengebung in der Familie Schönborn Personennamen stellen soziale Beziehungen her.181 Durch die Namen, die ein Neugeborenes erhält, wird es aufgenommen in ein komplexes System von Zugehörigkeiten und Verweisungen, von Bindungen und Ansprüchen; es erhält einen bestimmten Platz in einem Sozialgefüge zugewiesen. Dies gilt nicht nur für den Familiennamen, der im Abendland seit dem Hochmittelalter (wie zuvor in der römischen Antike) die Zugehörigkeit zu einem, nach den Vätern oder Ehemännern benannten Personenverband anzeigt, es gilt spezifischer und differenzierter noch für die Vornamen. Denn Vornamen sind in Europa, anders als beispielsweise im Judentum der Patriarchenzeit, keine einmaligen, für jeden Menschen neugebildeten Satznamen, es sind „Nachbenennungen“: Neu- und Wiederverwendungen von bestehenden Namen. Mit dem Akt der Namengebung (im christlichen, vormodernen Europa mit der Taufe) rückten die namengebenden Personen (meist die Eltern, zuweilen aber auch andere Verwandte, Taufpaten oder Pfarrer) den neugeborenen Menschen in ein spezifisches Verhältnis zu bestimmten bisherigen Trägern seines Namens ein. Die Wahl des Namensvorbilds verrät, in welche Sozialbeziehungen die namengebenden Eltern ihre Kinder aufgenommen sehen wollten. In Betracht kamen dabei, wie sich zeigen wird, zunächst die eigenen Vorfahren. Deren Namen auf die Kinder zu übertragen, hieß, die eigene Abstammung zu betonen und damit die Kontinuität. Wen der Tod der Familie geraubt hatte, wurde ersetzt, indem man Nachkommen nach ihm bzw. ihr benannte – die Familie bewahrte Umfang und Bestand. Auch konnte sie auf diese Weise gezielt bestimmte Ahnen unsterblich machen, konnte sie signalisieren, daß sie das Lebenswerk von besonders angesehenen Familienmitgliedern fortzuführen gedachte. Vor allem dem Adel waren die Namen der Ahnen Synonyme für Leistungen, die man erbracht, für Verdienste, die man erworben hatte, für Ansprüche, die man daraus ableiten konnte. Indem man diese Namen weiterreichte, tradierte man den eigenen Status. Stolz brachte man ihn mit jeder Familiengeneration in Erinnerung, um ihn jederzeit aktualisieren zu können. Aber auch alle anderen Familien, die einen oikos führten, waren bestrebt, diesen Besitz an künftige Generationen zu vererben. Die Namen der Ahnen symbolisierten dieses Erbe: die Rechte, aber auch die Aufgaben, die damit verbunden waren. Die Benennung nach den Vorfahren verpflichtete die Kinder, selbst zu Ahnen zu werden, die den Familienbesitz weitergaben. Gegen die familiale Selbstbezüglichkeit, die sich aus dem System der Hauswirtschaft ergab, war das Christentum schon im Römischen Reich angetreten. Vehement betonten die Kirchenlehrer die Bedeutung der Taufe (als geistlicher Menschwerdung) gegenüber der Abstammung; der gelebten Tugend gegenüber den Verdiensten der Ahnen; der christlichen Lebensführung gegenüber der Verpflichtung 181 Seinen methodischen Ansatz verdankt der folgende Abschnitt dem inspirierenden Buch von Michael Mitterauer: Ahnen und Heilige (hier: S. 16). Mitterauers qualitative, an Otto Brunner anknüpfende, hermeneutisch verfahrende Sozialhistorie scheint dem Verfasser vorbildlich.

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auf den Familienbesitz; entschieden traten sie für eine Benennung der Kinder nach heiligen Vorbildern ein.182 Gott und der Gemeinde sollten die Menschen in erster Linie angehören, und dies sollte ihr Taufname bezeugen. Auf ganz andersartige Sozialbeziehungen: transzendente und gemeindliche, wies die Benennung nach heiligen Vorbildern also hin. Zu der nach den Ahnen trat sie in Konkurrenz – partikulare Vergemeinschaftung in der Familie und universale Vergemeinschaftung im Glauben rangen fortan um Einfluß auf die Menschen.183 Noch der Catechismus Romanus von 1566 hat den Vorbildcharakter der Heiligen als Grund für die Benennung nach ihnen betont.184 Beschwichtigt und verdeckt wurde der Dauerkonflikt durch die Kompromißbildung der Heiligennamen. Indem bestimmte Heilige zu Namenspatronen wurden, das Namengut in Westeuropa sich zunehmend auf sie reduzierte und sie allmählich in den Familien auch als Namen der Vorfahren auftauchten,185 konnte man Kinder nach Ahnen und Heiligen zugleich benennen. Die Namen wurden mehrdeutig: Sie rückten ihre Träger in mehrere, durchaus konfliktträchtige Sozialbeziehungen zugleich ein – ein Konfliktpotential, das jederzeit aufbrechen konnte, wenn die religiöse Verpflichtung der Namen ernstgenommen wurde. Einen dritten Bezugspunkt erhielten die Namen durch das Institut der Taufpatenschaft.186 Oft nämlich gab man Kindern nicht den Namen ihrer leiblichen Ahnen, 182 So beispielsweise im 4. Jahrhundert Johannes Chrysostomos in einer Predigt über das Buch Genesis: „Siehst du, daß auch in den bloßen Benennungen ein reicher Schatz an Gedanken liegt! Nicht nur zeigt sich darin die Frömmigkeit der Eltern, sondern auch ihre Sorgfalt für die Kinder, nämlich wie sie sofort und vom Anfang an ihre Neugeborenen durch die Benennungen, die sie ihnen geben, zum Streben nach Tugend anleiten [ . . . ] [Die Alten, J.S.] wandten alle Mühe an, um solche Benennungen den Neugeborenen zu erteilen, die nicht nur die Benannten auf die Tugend aufmerksam machten, sondern auch allen anderen und den kommenden Geschlechtern ein vollständiger Unterricht in vernünftiger Lebensführung wurden. So sollen auch wir nicht nicht irgendwelche Namen den Kindern geben, weder von Großvätern und Urgroßvätern noch von solchen, die durch adelige Geburt sich auszeichneten, sondern sie nach heiligen Männern nennen, die durch Tugend hervorragten und mit Zuversicht vor Gott auftreten konnten. Auch nicht auf solche Namen an und für sich sollen Eltern und Kinder Vertrauen setzen; denn eine Benennung bringt keinen Nutzen, wenn sie leer an Tugend ist, sondern auf die Übung der Tugend muß man die Hoffnung des Heiles aufbauen.“ (Migne: Patrologia Graeca 53 (1859), Sp. 515, zitiert nach Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 15). 183 Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 368–370. 184 „Zuletzt aber wird dem Getauften ein Name gegeben, der aber von einem solchen herzunehmen ist, welcher wegen seiner ausgezeichneten Herzensfrömmigkeit und Gottesfurcht unter die Zahl der Heiligen aufgenommen ist. Denn so wird es leicht geschehen, dass ein jeder durch die Ähnlichkeit des Namens zur Nachahmung der Tugend und Heiligkeit angeregt wird und überdies denjenigen, welchem er nachzuahmen trachtet, auch anruft und hofft, dass er ihm als Sachwalter zur Verteidigung sowohl des geistigen als leiblichen Heiles beistehen werde.“ (Catechismus Romanus [II, 76], S. 149). Eine entsprechend Bestimmung enthielt auch das Rituale Romanum von 1614. 185 Dieser komplizierte und mehrdimensionale Vorgang steht im Mittelpunkt von Mitterauers Buch, s. Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 86–122 und 241–403. 186 Erhellend dazu grundsätzlich Goody: Entwicklung, S. 211–221.

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sondern den ihrer Taufpaten oder eines seiner Angehörigen; symbolisch wurden die Paten damit zu geistlichen Vorfahren erklärt. Nach kanonischem Recht begründet Patenschaft eine Form der Verwandtschaft; wie die Ehe bot sie eine Möglichkeit, über die eigene Familie hinauszugehen, sie durch Allianzen mit Machthabern, Lehnsherren, anderen Familien zu verknüpfen. Dies zeigt, daß die Namensgebung keineswegs nur bestehende Sozialbeziehungen abbildet. Vielmehr kann sie auch zum Mittel werden, um neue Beziehungen einzugehen. Namensgebung spiegelt die Sozialbeziehungen einer Familie und verändert sie zugleich. Sie drückt die Zukunftsoptionen, die man für die Kinder eröffnen wollte, ebenso aus, wie das Erreichte. Sie greift in die Verhältnisse ein, von denen sie bedingt wird. Wie der Ausdruck „Namenspatron“ zeigt, wurde das Verhältnis zwischen dem Namensvorbild und dem neuen Namensträger als Patronagebeziehung vorgestellt.187 Ob es sich um einen Ahnen handelte, einen Heiligen oder einen Taufpaten, das ältere, höherrangige, mächtige Namensvorbild sollte den neuen, jüngeren, hilfsbedürftigen Namensträger schützen, für ihn sorgen, ihn miterziehen; dafür war dieser verpflichtet, sich an seinem Namensvorbild zu orientieren, es zu verehren und ihm nachzueifern – durch – imitatio Ehre für den gemeinsamen Namen einzulegen. Durchaus gegenseitig sollte das Verhältnis der beiden also sein, wenn auch ungleichgewichtig: Soviel Fürsorge jemand von seinem Namenspatron erfahren mochte, für ihn selbst war sein Name Verpflichtung und Auftrag.188 Daher wirkt Namengebung sich sozialisatorisch aus. Was Psychoanalytiker als „die determinierende Kraft des Namens“ beschrieben haben,189 ist nichts anderes als der Auftrag, der einem Menschen mit seinem Namen erteilt wird, ein Auftrag, zu dem er sich verhalten muß – ob er ihn nun im Sinne von Namensgebern und Namenspatron erfüllt oder nicht. Auch weil sie neben den Sozialbeziehungen Aufschluß verspricht über die Aufträge, die den jungen Schönborn erteilt wurden, wird die Namengebung innerhalb der Familie im folgenden untersucht. Gerade für die frühkindliche Sozialisation nämlich fehlt es an Quellen, gerade die allerersten, elementaren Weichenstellungen für die späteren Lebensläufe müssen aus indirekten Hinweisen wie den vergebenen Namen erschlossen werden. Dabei ist zunächst von einem äußerlichen Befund auszugehen, nämlich von der Zahl der Vornamen. Von der ersten Schönborn-Generation an, die der väterlichen Lebenswelt den Rücken kehrte und in die rheinfränkischen Bistümern strebte (sie ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts geboren), tragen alle Familienmitglieder, weibliche wie männliche, mindestens zwei Vornamen, genauer wohl: einen Doppelnamen („Johann Philipp“). In der dritten Generation kommt bei mehreren Kindern ein dritter Name hinzu („Johann Philipp Franz“), in der folgenden ein vierter 187 Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 112 ff. Im Fall des Heiligen wird diese Beziehung als geistige Vaterschaft verstanden. Die Religion schafft zwischen den Menschen eine „Verbindung, die der Blutsbindung zwischen Vater und Sohn analog gedacht wird, oft als wichtiger angesehen wird als diese und mit ihr daher in Konkurrenz tritt“ (a. a. O., S. 116). 188 Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 57, 94, 111 u. ö. 189 Abraham: Kraft.

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(„Joseph Franz Bonaventura Kilian“) oder gar ein fünfter und sechster („Eugen Erwein Franz Wilhelm Anselm Karl“). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte die Namenvermehrung ihren Höhepunkt, danach ging die Zahl wieder zurück. Gewiß entsprach diese Entwicklung einem allgemeinen Trend; im Reich ging der Adel dabei nur voran.190 Mit den Vornamen vermehrte man die Zahl der Namenspatrone, vermehrte man die sozialen Bezüge, in die man ein Kind stellte. Ob dies überall wie in italienischen Kommunen, von wo die neue Mehrnahmigkeit sich seit dem 14. Jahrhundert über Westeuropa verbreitete, den Sinn hatte, Bezüge zu Ahnen mit solchen zu Heiligen zu kombinieren, wäre zu prüfen.191 Im Adel scheint es oft eher darum gegangen zu sein, mehrere Abstammungslinien einzubeziehen (etwa auch die mütterliche) oder den (bzw. die) Taufpaten im Namen mitaufzuführen. Wie es scheint, verloren bisherige Prinzipien der Namengebung ihre Verbindlichkeit, traten neue Möglichkeiten hinzu. Die dahinter stehenden sozialgeschichtlichen Prozesse sind noch noch kaum diskutiert. Es liegt aber nahe, die wachsende Zahl von Sozialbezügen, in die Eltern ihre Kinder über die Namensgebung stellten, als Ausdruck eines Strukturwandels zu interpretieren, der größere soziale Mobilität nach sich zog. Wenn beispielsweise für Söhne nicht mehr nur die väterliche Abstammungslinie zählte, sondern auch die mütterliche relevant werden konnte, wenn mit der Zahl der Taufpaten auch die Zahl der Patronagebeziehungen wuchs, die einem Kind weiterhelfen sollten, wenn Bezüge, die man bisher auf verschiedene Kinder verteilt hatte, nun im Namen jedes einzelnen Kinds kombiniert wurden, dann hatten offenbar die Gemeinschaften und Korporationen, denen der einzelne angehörte, ebenso an determinierender Eindeutigkeit verloren wie die Herrschaftsbeziehungen und die Laufbahnwahl. Statt sich zu entscheiden, die Optionen zu verteilen und eindeutig vorzuschreiben, kombinierte man sie – wie die Vermehrung der Titel wurde die der Vornamen zu einer Sache des Prestiges, kumulierte man damit doch Lebensoptionen für die eigenen Nachfahren. Wie es sich mit diesem Strukturwandel im einzelnen auch verhalten mag, Tatsache ist, daß doppelte Vornamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts im deutschen Adel üblich geworden waren. Für umso signifkanter hat die Beobachtung zu gelten, daß der Vater von Johann Philipp und Philipp Erwein nur einen Namen trug, nämlich Georg.192 Lediglich einen Vornamen besaß auch sein Bruder Johann, lediglich einen Vornamen sein Vater Philipp sowie dessen Geschwister.193 Alle Schönborn in diesem Zweig der Familie194 waren bislang einnamig gewesen; die 190 Bach: Personennamen, Bd. 2, S. 193 und 36–40; Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 396–401. 191 Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 397; Klapisch-Zuber: Haus, S. 34 f. 192 Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 108. 193 Gensicke: Zur Geschichte, Nrn. 109, 100, 99, 101, 102, 103, 104. 194 Anders sah es in den Burgschwalbach / Hahnstätter Zweigen aus. Dort tauchen doppelte Vornamen bereits im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts auf (Gensicke: Zur Geschichte,

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doppelten Vornamen der Generation, die sich dann neu orientierte, stellen einen Bruch mit dem Herkommen dar. Das ist in mehrerer Hinsicht aufschlußreich. Zum einen stärkt es die Vermutung, dieser Familienzweig habe (wie seine Brotherren: die Grafen von Wieck) der reformierten Konfession angehört – entschieden nämlich wurde Doppelnamigkeit wegen des damit verbundenen Heiligenglaubens von den Calvinisten bekämpft.195 Zum zweiten läßt es erkennen, daß der Bruch mit der väterlichen Linie, den Johann Philipp und seine Geschwister vollzogen, schon bei ihrer Taufe angelegt, wenn nicht eingeleitet wurde. Man wird nicht fehlgehen, wenn man darin abermals den Einfluß der katholischen Mutter erkennt. Maria Barbara trug nicht nur selbst einen doppelten Vornamen, sie stammte auch aus einer Familie, in der Doppelnamen länger schon üblich waren. Nicht nur ihr Vater Philipp Erwein von der Leyen zeichnete sich durch einen solchen aus, all ihre Onkeln und Tanten hatten von Maria Barbaras Großeltern väterlicherseits Doppelnamen erhalten.196 Daß Georg von Schönborn und Maria Barbara entgegen dem Schönbornschen Herkommen jedem ihrer drei Kinder doppelte Vornamen gaben, muß als Übernahme von der Leyenscher Namensgebungsprinzipien interpretiert werden. Allerdings scheinen die Schönbornschen Prinzipien dabei eher überwölbt als ersetzt worden zu sein. Wie Georg von Schönborn von seinem Vater Philipp offenbar nach dessen Vater Georg benannt worden war, gab er jedem seiner beiden Söhne den Namen seines Vaters Philipp, seiner Tochter den Namen seiner Mutter Agathe. Die Benennung nach den Großeltern war ein Ausdruck von Pietät, handelten die namengebenden Väter doch nach dem vierten Gebot, wenn sie in ihren Kindern die Namen ihrer Eltern ehrten.197 Statt mechanisch mit dem Familienbesitz einen immer gleichen Leitnamen zu vererben oder verstorbene Familienangehörige so schnell wie möglich durch gleich benannte Nachkommen zu ersetzen, zeugt die Benennung nach dem Großvater von einer Wahl: Sie erfolgte aufgrund der Hochschätzung, die man einem Vorfahren erwies, drückte Ehrerbietung aus, nicht Erbzwänge oder die Pflicht zur Erneuerung.198 Nr. 77), in der nächsten Generation scheinen sie bereits breit eingeführt (Gensicke: Zur Geschichte, Nrn. 92, 93, 94; vgl. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 138). Selbst bei dem anderen Zweig der Freienfelser Schönborn taucht zumindest in einem Fall (Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 106) ein doppelter Vorname schon eine Generation früher auf. Daß es sich bei letzteren um Amtsträger der Kurfürsten von Mainz handelte, also um Angehörige eines katholischen Milieus, dürfte dabei kein Zufall sein. 195 Bach: Personennamen, Bd. 2, S. 41–43 und 47–50; Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 400 f. 196 Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 39. In der Familie von Maria Barbaras Mutter hingegen: den von Heppenheim, genannt von Saal, scheint Einnamigkeit die Regel gewesen zu sein (vgl. Hattstein: Hoheit, Bd. I, S. 514). 197 Mitterauer: Ahnen und Heilige, S. 391. 198 Diese – relative – Freiheit zeigt sich auch daran, daß die Benennung nach dem Großvater in diesem Zweig der Schönborn neu war. Georgs Vater Philipp scheint der erste gewesen zu sein, der sie praktizierte – es sei denn, er habe seinen Sohn Georg nach seinem

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In diesem System war der Name Philipp doppelsinnig, denn nicht nur Georg von Schönborns Vater hatte so geheißen, auch im Namen von Maria Barbaras Vater Philipp Erwein von der Leyen war er enthalten. Auf beide Großväter, von mütterlicher wie von väterlicher Seite, konnte der Name also verweisen. Da Philipp Erwein von Schönborn genauso heißt wie sein Großvater Philipp Erwein von der Leyen, möchte man vermuten, daß er als der jüngere Sohn nach dem Vater der Mutter benannt wurde, Johann Philipp hingegen als der ältere nach dem Vater des Vaters. Selbst wenn Georg von Schönborn so gedacht haben sollte – die Polysemie seines Namens ermöglichte Johann Philipp, die Laufbahn seines mütterlichen Großvaters einzuschlagen statt die des väterlichen: Wie der (später resignierte) Philipp Erwein von der Leyen wurde er Domherr in Mainz und strebte eine Kirchenkarriere an; der nassauischen Amtsträgerwelt Philipps von Schönborn kehrte er den Rücken. So groß war der Einfluß der mütterlichen Linie (ablesbar daran, daß man zu den dort üblichen Doppelnamen überging und einen Sohn nach dem Muttervater benannte): Er verschaffte Johann Philipp und seinen Geschwistern die Option, sich an ihr statt an den väterlichen Vorfahren zu orientieren. Und hatte die Namenverwandtschaft mit dem Großvater für Johann Philipp nicht stets an zweiter Stelle gestanden? Anders als bei seinen Geschwistern regiert sie erst seinen zweiten Vornamen; auf wen sein erster verweist, ist allerdings kaum mehr zu eruieren. Johannes, Johann, Hans war seit dem Hochmittelalter der häufigste Männername überhaupt; allein aus dem engeren Umfeld Johann Philipps kommen mehrere Personen als Namensvorbilder in Betracht. Da ist als erstes der überlebende Bruder des Vaters.199 Er könnte Johann Philipps erster Namenspatron gewesen sein, falls er auch Taufpate war; eine solche Kombination von Onkel, Taufpate und Namensgeber kann bei den älteren Schönborn mehrfach vermutet werden.200 Leider gibt es dafür keinen Beleg. Wer Johann Philipps Taufpate war, ist nicht bekannt.201 Johann von Schönborn starb 1611, noch vor seinem Bruder jüngeren Bruder benannt (= Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 101). Sinnvoll wäre dies, wenn man annimmt, daß dieser Bruder auch als Taufpate fungierte; nach diesem Prinzip könnte auch Philipp selbst zu seinem Namen gekommen sein (vgl. Gensicke: Zur Geschichte, Nrn. 100+86). Vorher ist jedenfalls keine Benennung nach den Großeltern zu erkennen und daß zumindest Georg von Schönborn nach ihr verfuhr, ist aufgrund des seltenen Namens Agatha und der Kombination von Philipp Erwein eindeutig. 199 Gensicke: Zur Geschichte, Nr. 109. Ein zweiter, schon als Kind verstorbener Bruder des Vaters soll ebenfalls Johann geheißen haben, nämlich Johann Andreas (vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 9, Anm. 25). Der Doppelname wäre hier mit der Notwendigkeit zu erklären, das Kind von seinem älteren Bruder Johann zu unterscheiden. 200 Vgl. oben Anm. 198. Die gleiche Kombination könnte den zweiten Vornamen von Johann Philipps Schwester Agatha Maria erklären: Wenn man nicht annimmt, daß sie nach ihrer Mutter Maria Barbara heißt, kommt als nächste Verwandte und mögliche Taufpatin eine Schwester der Mutter mit Namen Maria (verheiratete von Schmidburg) in Betracht. Die Mutter der Mutter kommt als Namensvorbild nicht in Betracht, da sie Anna hieß, nicht Maria (s. Europäische Stammtafeln N. F., Nr. 39). 201 Domarus: Kirchenfürsten, S. 21. Eine Benennung nach den Heiligenfesten im Umkreis von Geburts- und Tauftag scheidet aus: Johann Philipp wurde am 6. August 1605 geboren

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Georg. Als Vormünder von dessen minderjährigen Kindern treten in den Urkunden Hans (!) Georg von Mauchenheim, genannt von Bechtolsheim und Gottfried von Selbach, genannt Quadfasel in Erscheinung202 – auch einer von ihnen könnte Johann Philipps Pate und Namensvorbild gewesen sein. Ferner trägt ein Bruder der Mutter den Namen Johann Wolf von der Leyen;203 auch unter ihren einflußreichen Onkeln mit den Kirchenpfründen taucht der Name mehrmals auf.204 Und schließlich findet er sich unter den älteren, allerdings schon recht weit entfernten SchönbornAhnen.205 Daß Klarheit über ihn nicht zu gewinnen ist, deutet darauf hin, daß er nicht spezifisch wirksam wurde: Wie ein überdeterminierter und dadurch neutraler, mit subjektivem Sinn aufladbarer Schutzschild steht er zwischen seinem Träger und der Verpflichtung durch den zweiten Vornamen, schwächt er dessen Wirkung ab. Während die Angehörigen der ersten Generation, die sich später neu orientierte, von ihren Eltern noch in deren altem (allerdings widerstreitendem, auf beide Abstammungslinien verweisenden) Sinn getauft wurden, erhielten die Angehörigen der zweiten Generation ihre Namen, als die Neuorientierung bereits vollzogen war. Vor allem an ihrer Benennung müßte ein neues Selbstverständnis der Familie sich also ablesen lassen. Ihr erstes Kind, eine Tochter, nannten Maria Ursula und Philipp Erwein ebenfalls Maria Ursula; beide Vornamen der Mutter wurden auf die erstgeborene Tochter übertragen. Das war neu. Unter den Schönbornschen Vorfahren läßt sich kein Vorbild dafür finden.206 Doch sollte diese Neuerung Schule machen: In den folgenden Generationen wurden immer wieder Töchter mit zwei oder zumindest einem Vornamen der Mutter bedacht, wenn auch nicht immer die ältesten.207 Ausdrückund am 24. August getauft (a. a. O.; vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 12 mit Anm. 46) – von den Kirchenfesten aller in Frage kommender Namenspatrone war dies weit entfernt. Auch Nikolaus Mohr, sein späterer Beichtvater, der in einer Leichenpredigt ausführlich Johann Philipps religiöses Leben darstellte, weiß von einer Verehrung heiliger Namenspatrone nichts zu berichten (s. Mohr: Lebens=Wandel). 202 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 14 f. mit Anm. 58–60. 203 Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 11 mit Anm. 39 und S. 16. 204 Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 39. 205 Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 139. 206 Allenfalls daß eine Generation früher Maria Barbara ihre Tochter Agatha Maria genannt hatte, könnte als Schritt in diese Richtung gedeutet werden, doch ist wegen der Häufigkeit des Namens Maria keineswegs ausgemacht, daß wirklich die Mutter das Namensvorbild war. Aus dem gleichen Grund kann nur vermutet werden, daß Maria Ursula von Greiffenclau möglicherweise selbst schon nach ihrer Mutter Maria, geborener von Eltz, benannt worden war. Ansonsten ist eine regelmäßige Benennung nach der Mutter auch bei den Greiffenclau zuvor nicht zu erkennen (vgl. Europäische Stammtafeln N. F. Nrn. 139 / 138 und Europäische Stammtafeln N. F. XI, Nr. 47). 207 Zur Benennung der Töchter aus der dritten Generation s. unten S. 226. In der vierten Generation nannte Maria Eleonore Charlotte ihre sieben Töchter Anna Katharina Maria Sophie Karoline, Maria Anna Katharina Elisabeth, Maria Anna Sophie Henriette, Maria Karolina Theresia Katharina, Eva Theresia Amalia Philippine Isabella, Maria Anna Eva Eleonora und Maria Anna Johanna. Auch hier trägt also nur eine Tochter nicht wenigstens

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lich verpflichtete man die Töchter damit auf das Lebensmodell der Mutter, entschieden wurden sie zur Wiederholung der mütterlichen Laufbahn angehalten. Einen enormen Druck lassen diese Namenswiederholungen erkennen: Vor allem von den eingeheirateten Partnerinnen aus dem etablierten Stiftsadel scheint er ausgegangen zu sein. Für die folgende Tochter Anna Margareta gibt es unter den näheren Schönbornschen Vorfahren ebenfalls kein Namensvorbild, sehr wohl jedoch unter den Greiffenclau. Eine Schwester von Maria Ursula hieß Anna Margareta wie in der Generation zuvor schon eine Tante.208 Neben der Blutsverwandtschaft wird man hier von einer Patenschaft auszugehen haben. Ebenfalls nach Schwestern der Mutter scheinen zunächst die weiteren Töchter benannt worden zu sein: Clara Elisabeth nach Katharina Elisabeth von Greiffenklau, Eva Katharina nach derselben sowie nach Eva von Greiffenklau. Wie stark solche Patenschaften die Lebenswege beeinflußten, ist daraus zu ersehen, daß Eva Katharina als einzige Schönborn-Tochter dieser Generation Geistliche wurde und in dasselbe Kloster Marienberg bei Boppard eintrat, dem ihre beiden Namensvorbilder angehörten und dem Eva von Greiffenklau als Äbtissin vorstand. Der Einfluß der Patin(nen?) überwog hier das Vorbild der Mutter – ein Fall, der sonst nur bei den Söhnen anzutreffen ist. Daß diese sich gegen das Lebensmodell des Vaters für eine Kirchenkarriere entschieden, die ihnen ein Pate von einer Führungsposition aus erleichtern sollte, lag nach der Neuorientierung der Familie nahe. Von Söhnen erwartete man geradezu, daß sie von ihren Paten über die Familie als Abstammungslinie hinausgeführt wurden. Töchter dagegen waren (wie im vorigen Abschnitt gezeigt) dafür zuständig, die Familie mit konkurrierenden Stiftsadelsfamilien zu assoziieren. Tatsächlich blieb Eva Katharina in den drei ersten Generationen nach der Neuorientierung die einzige Schönborn, die in ein Kloster eintrat. Gerade die Ausnahme aber legt Sinn und Bedeutung der Patenschaft für diesen Stiftsadel frei: Töchter sollten nach dem Vorbild der Mutter durch Schwestern oder Schwägerinnen von dieser zu einer vorteilhaften Heirat, Söhne durch möglichst einflußreiche und daher u. U. nicht einmal blutsverwandte Paten aus der Familie heraus auf die kirchliche Ämterlaufbahn gebracht werden. Die Namensvorbilder der jüngeren Töchter sind nicht klar zu erkennen. Philippine könnte nach ihrem Onkel Johann Philipp benannt worden sein, aber auch unter den Brüdern ihrer Mutter gab es einen einen Georg Philipp; ein weibliches Familienmitglied dieses Namens existiert nicht.209 Maria Clara könnte im ersten einen Vornamen der Mutter, die sechste Tochter deren zwei; ferner sind unschwer die Namen von Patentanten aus der vorangegangenen Generation zu erkennen. Die Schwägerin Maria Theresia Ernestina Magdalena nannte ihre einzige Tochter Maria Anna Sophia Charlotte und wiederholte dabei ebenfalls zumindest einen Namensteil. 208 Europäische Stammtafeln N. F. XI, Nr. 47. 209 Die entfernte Kusine von Johann Philipp und Philipp Erwein, Philippine Margarethe von Schönborn, verheiratete von Jaxtheim, aus dem anderen Zweig der Freienfelser Schönborn, kommt als Namensvorbild kaum in Betracht (s. Europäische Stammtafeln N. F. IV, Nr. 139).

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Vornamen nach der Mutter ihrer Mutter, Anna Barbara im zweiten nach der Mutter ihres Vaters heißen. Die Heiligenfeste in zeitlicher Nähe zu dem Geburtsdatum scheinen für die Benennung keine Rolle gespielt zu haben.210 Als Namensvorbilder dürften vielmehr auch hier die Patinnen gedient haben – nur daß diese bei den jüngeren Töchtern offenbar nicht mehr aus der nächsten Verwandtschaft genommen wurden und daher aus den Stammtafeln nicht zu erkennen sind. In den Vornamen des ältesten Sohns Franz Georg begegnet an zweiter Stelle der des Vatervaters.211 Deutlich wird das Schönbornsche Prinzip der Benennung nach dem Großvater wiederholt. So radikal war die Neuorientierung der Familie also nicht, daß man darüber die Pietät gegenüber den Ahnen vergessen hätte. Allerdings scheint sie gegenüber der Vorgängergeneration deutlich abgeschwächt. Nur im zweiten Namen des ältesten Sohns taucht der Großvatername auf, anders als in der Generation zuvor regiert er nicht mehr die Namen sämtlicher Söhne. Auch wird er einem Namen nachgestellt, der bis dahin bei den Schönborn noch nie vergeben worden war und auch unter den Greiffenclau kein Vorbild hat. Da in zeitlicher Nähe von Franz Georgs Geburt am 6. Januar 1639 kein heiliger Franz gefeiert wurde, scheidet eine Benennung nach dem Geburts- oder Taufdatum aus.212 Als Vorbild für den ersten Namen kommt allein der (leider unbekannte) Taufpate in Betracht. Was oben als Erwartung an die Patenwahl für die Söhne formuliert wurde, wird gleich durch den ersten Fall bestätigt. Gewählt wird nach der Neuorientierung ein Namenspatron, der nicht aus der Familie stammt, einflußreich war, wahrscheinlich hohe Ämter innehatte und seinem Patensohn den Weg in eine Stiftskarriere bahnen konnte.213 Spirituelle Verwandtschaft zählt von nun an mehr als Abstammung; die zukunftweisende Patronagebeziehung wird der zu dem ohne210 Es sei denn, die 1652 am 1. Mai geborene Katharina Elisabeth verdankte ihren zweiten Namen der Translatio der heiligen Elisabeth, die in Mainz am 2. Mai, andernorts auch am 1. Mai gefeiert wurde. 211 Theoretisch kommt auch ein Bruder der Mutter: Georg Philipp von Greiffenclau, als Namensvorbild in Betracht, aber es ist kaum anzunehmen, daß Philipp Erwein seinen Erstgeborenen nach einem Schwager benannte. Allerdings könnte dieser als Taufpate fungiert haben. Der Onkel der Mutter: Georg Friedrich von Greiffenclau, Kurfürst von Mainz und Fürstbischof von Worms, war bereits 1629 verstorben, kommt also als Taufpate und Namenspatron nicht in Betracht. 212 Der später am 24. Januar gefeierte heilige Franz von Sales wurde erst 1661 selig, 1665 heilig gesprochen. 213 Handelte es sich möglicherweise um den damaligen Fürstbischof von Würzburg und Bamberg Franz von Hatzfeld, Crottorf und Gleichen (1596–1642)? Johann Philipp scheint mit ihm nicht nur das Kölner Exil geteilt zu haben, offenbar war er 1632 auch im Auftrag seines Bischofs an politisch heiklen Neutralitätsverhandlungen mit Frankreich beteiligt (vgl. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 28 f.). Jedenfalls war ihm Franz von Hatzfeld verpflichtet, auch zu dessen Bruder Melchior von Hatzfeld, dem kaiserlichen Feldmarschall, gab es enge Verbindungen (a. a. O., S. 31 und 33). Schon bei der Aufschwörung des Franz von Hatzfeld im Würzburger Domkapitel hatte am 24. April 1607 ein Onkel Johann Philipps: Johann von Schönborn (Gensicke: Geschichte, Nr. 109), die Hatzfeldsche Ahnenprobe beschworen (ByStAWü Standbuch Nr. 44, fol. 498 f.; vgl. ebd. Standbuch Nr. 46, fol. 247v). Insofern scheint eine Patenschaft für den ersten Neffen Johann Philipps durchaus denkbar.

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hin ferngerückten Großvater vorangestellt. Theoretisch ließ das dem ältesten Sohn die Wahl zwischen beiden Laufbahnmöglichkeiten, die durch die Namen symbolisiert wurden, faktisch dürfte mit der Wahl von Paten und erstem Namen der Auftrag für eine kirchliche Karriere verbunden gewesen sein. Dies gilt auch für den zweiten Sohn. Johann Philipp ist nach seinem Onkel benannt, der kurz vor seiner Geburt zum Bischof von Würzburg gewählt worden war. Hätte Philipp Erwein nur seinen älteren Bruder ehren wollen, so wäre dies auch mit der Patenschaft für den ersten Sohn schon möglich gewesen. Jetzt aber kam das Bischofsamt hinzu: Es verdoppelte die Eignung des Bruders zum Paten und Namenspatron, es wies den danach Benannten eindeutig auf eine Stiftskarriere an. Der dritte Sohn, Melchior Friedrich, trägt zwei Namen für die es in der väterlichen Ahnenreihe keine Vorbilder gibt. Immerhin findet sich unter den Brüdern der Mutter ein Friedrich von Greiffenclau, der als kurmainzer Rat und Vizedom im Rheingau eine wichtige Position im Kurfürstentum einnahm; er könnte als Namenspatron fungiert haben. Für den ersten Namen aber gibt es auch in der Familie der Mutter kein Vorbild. Da Melchior Friedrich am 16. März 1644 geboren wurde, scheidet eine Benennung nach dem Heiligenfest des Geburts- oder Taufdatums aus. Wieder bleibt nur ein (zweiter?) Taufpate als dominierender Namensgeber,214 wieder erweist die Patenschaft von jemandem außerhalb der Herkunftsfamilien sich als entscheidendes Prinzip. Für einen, bald nach der Geburt gestorbenen Sohn von Philipp Erwein und Maria Ursula ist der Name nicht bekannt, ein weiterer frühverstorbener Sohn war nach dem Vater benannt worden.215 Erst hier, bei den mittleren bzw. jüngeren Söhnen griff man zur Benennung nach den unmittelbaren Vorfahren – von ihnen wurde offenbar erwartet, daß sie heirateten und das Familienerbe weitergaben. Das gilt auch für den siebten Sohn Johann Erwein von Schönborn. Er hieß im zweiten Namen nach seinem Vater, im ersten wahrscheinlich nach seinem Onkel oder nach einem unbekannten Taufpaten, ebenso ein dritter frühverstorbener Sohn namens Johann Ludwig. Der jüngste Sohn, Lothar Franz, erhielt dagegen wieder Namen, die aus der Familientradition völlig herausfielen. Den ersten verdankt er seinem Taufpaten Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid (1617–75), seit 1642 Fürstbischof von 214 Infrage kommt der erwähnte kaiserliche Feldmarschall Melchior von Hatzfeld (1593– 1658), dem Johann Philipp von Schönborn so eng verbunden war, daß einige Forscher der Ansicht zuneigten, er habe unter diesem als Offizier gedient (so z. B. Mentz: Johann Philipp, Bd. 1, S. 14; dagegen Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 31–33). Die enge Assoziation der Schönborn mit den Hatzfeld beweist auch die Verheiratung von Melchior Friedrichs Schwester Katharina Elisabeth mit Heinrich von Hatzfeld, einem Neffen des Feldmarschalls. Falls Melchior von Hatzfeld tatsächlich Taufpate und Namensvorbild Melchior Friedrichs war, könnte dies dazu beigetragen haben, daß dieser sich für eine weltliche Diplomaten- und Amtsträgerlaufbahn entschied. 215 Europäische Stammtafeln N. F. Bd. IV, Nr. 140.

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Speyer und daher als Namenspatron attraktiv.216 Dessen Neffe Wolf Heinrich von Metternich-Burscheid hatte ein Jahr zuvor die zweitälteste Schwester von Lothar Franz geheiratet – die Familien waren also bereits eng assoziiert. Das Vorbild für den zweiten Namen scheint der heilige Franz von Assisi gewesen zu sein, an dessen Gedenktag: dem 4. Oktober, Lothar Franz 1655 geboren wurde. Damit ist Lothar Franz das erste Familienmitglied, das erkennbar nach einem Heiligen benannt wurde. Dreißig Jahre war es her, daß die Schönborn sich bewußt für eine Neuorientierung in den katholischen Stiftsadel entschieden; nach dreißig Jahren und beim letzten von siebzehn Kindern wurde Frömmigkeit zum namengebenden Prinzip.217 Insgesamt zeigt sich, daß die zweite Familiengeneration in der Tat nach anderen Prinzipien benannt wurde als ihre Vorfahren. Waren deren Namensvorbilder entweder die Großeltern gewesen oder Geschwister der Eltern, die wohl zugleich als Taufpaten bzw. Patinnen fungiert hatten, so dominierten bei den Söhnen jetzt Taufpaten, die nicht mehr aus den elterlichen Familien stammten. Allenfalls Onkel, die aufgrund ihres Amts besonderen Einfluß besaßen, kamen als Namensvorbilder in Betracht. Nicht mehr aus Pietät wählte man den oder die Taufpaten, nicht mehr um den Familienzusammenhalt zu befestigen, entscheidend wurden strategische Gesichtspunkte bei der Karriereplanung für die Söhne. Daß nun Taufpaten aus anderen Familien attraktiver waren als Verwandte, zeigt an, daß man für die Söhne andere Karrieren plante als bisher: Für kirchliche Ämterlaufbahnen war man viel stärker auf Assoziationen und Patronage angewiesen denn als weltlicher Amtmann, waren deren Stellen vielerorts doch bereits erblich geworden. Taufpatenschaften konnten neue Familienverbindungen stiften, sie entsprachen dem Bedürfnis der Schönborn, sich nach ihrer Neuorientierung in den rheinfränkischen Stiftsadel zu integrieren. Deutlich werden die Befunde des vorigen Abschnitts durch die Analyse der Namensgebung bestätigt. Bei den jüngeren Söhnen erscheint ferner der Vater als neues Namensvorbild – die Orientierung auf die Hochstifte führte offenbar dazu, daß man prinzipiell zwei Laufbahntypen für die Söhne zu unterscheiden begann: die höherrangige Kirchenkarriere für die älteren, die weniger angesehene weltliche, einschließlich der Stammhalterpflichten nach dem Vorbild des Vaters, für die jüngeren Söhne. Die Töchter hingegen sollten am besten allesamt heiraten und neue Familienverbindun216 1671 wurde er Koadjutor von Johann Philipp von Schönborn in Mainz, 1673 dessen Nachfolger (vgl. Jürgensmeier: [Artikel] Metternich-Burscheid, Lothar Friedrich). Seiner Provision hatte es Lothar Franz später zu verdanken, daß er 1674 nach dem Tod seines Bruders Franz Georg auf eine Domherrenstelle im Mainzer Kapitel nachrücken konnte – unabdingbare Voraussetzung für die eigene Wahl zum Mainzer Koadjutor im Jahr 1694, zum Kurfürsten im darauf folgenden Jahr (vgl. Schröcker: Jungen Jahre, S. 250). 217 Sonderlich ausgewirkt zu haben, scheint dieser Namenspatron sich, anders als der Taufpate, nicht. Als Lothar Franz einmal in Lebensgefahr geriet, wandte er sich direkt an den Gekreuzigten, dem er für seine Errettung in Gaibach eine Hl. Kreuz-Kapelle errichtete (Schneider: Kirchen, S. 11). Der heilige Franz eignete sich wohl nicht als Vorbild für einen der glänzendsten Barockprälaten der Reichskirche.

15 Süßmann

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B. Handlungsgründe

gen knüpfen; deshalb wurden sie nach der Mutter sowie nach leiblichen oder angeheirateten Tanten benannt. Als Melchior Friedrich und Sophia die dritte Generation von Schönborn nach der Neuorientierung benannten, folgten sie weitgehend den neu etablierten Prinzipien – mit einigen interessanten Ausnahmen. Die ältesten Töchter Maria Anna und Maria Sophia erhielten Vornamen der Mutter (sie hieß mit vollem Namen Maria Anna Sophia Johanna); unter den vier weiteren Töchtern gibt es nur eine, deren Vornamen keinen Bestandteil des mütterlichen Namens enthalten, nämlich die jüngste: Katharina Elisabetha.218 In den Namen der anderen: Anna Charlotta Maria,219 Anna Maria Philippina, Amalia Elisabetha Maria und Johanna Eleonora Maria,220 taucht mindestens ein Vorname der Mutter auf, ja diese Wiederholung scheint hier sogar der Grund dafür gewesen zu sein, von zwei zu drei Vornamen überzugehen. Allerdings war Maria auch der erste Vorname der Vatersmutter, Anna der erste der Muttersmutter – die Mädchen könnten also zugleich nach ihren Großmüttern benannt worden sein. Pietät und die Anweisung auf das mütterliche Vorbild gingen Hand in Hand und dies bei Namen, die von sich aus bereits für vorbildliche Mutterschaft stehen. Bei den Söhnen kamen andere Gesichtspunkte zum Tragen. Gleich der erste: Johann Philipp Franz, wurde nach seinem berühmten Großonkel benannt, der drei Tage vor der Geburt verstorben war.221 So sehr erschütterte dieses Ereignis offenbar die Familie, daß man spontan reagierte und alle anderen Namensgebungsprinzipien hintanstellte; so gravierend wurde der Verlust empfunden, daß man in der Familie umgehend auf Wiederherstellung sann. Erstmals taucht das Motiv der Wiederherstellung hier auf – es bezeugt, wie ungleich die Bedeutung war, die den verschiedenen Familienmitgliedern inzwischen für das Familienganze zugemessen wurde. Auch dies muß als Ergebnis der sozialen Neuorientierung verstanden werden. Die Familie auf die rheinfränkischen Hochstifte auszurichten, hatte bedeutet, sie in den Dienst derjenigen Familienmitglieder zu stellen, die als Geistliche in den Stiftsämtern Karriere machten. So hoch die weltlichen Familienmitglieder steigen mochten, so beachtlich ihre Ämter in der Regionalverwaltung oder bei Hofe waren, in den Hochstiften blieben sie Trabanten der geistlichen Würdenträger. Von diesen hingen die weltlichen Ämter und Einkünfte ab, auf sie war die Familie fixiert wie ein Bienenstock auf die Königin. Und wer dann noch das Bischofsamt erlangte oder mit einem Kurfürstentum eine Führungsposition in der Reichskirche, 218 Sie scheint nach ihrer Tante benannt worden zu sein, der verheirateten Gräfin von Hatzfeld, die auch Patin gestanden haben könnte. 219 Nicht: Anna Karolina Maria, wie es in den Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 140 heißt; vgl. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 860. 220 In den Europäischen Stammtafeln N. F. IV, Nr. 140 wird als Geburtsdatum der 2. Juli 1688 genannt – das wäre das Fest Mariä Heimsuchung. Melchior Friedrich hingegen notiert den 2. Juni als Geburtstag (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 860). 221 Domarus: Kirchenfürsten, S. 109.

3. Namengebung in der Familie Schönborn

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wurde förmlich zum Daseinsgrund der Familie; ihn zu verlieren, konnte unerträglich erscheinen. Daß dies sogar für noch nicht arrivierte Hoffnungsträger der Familie galt: für diejenigen Familienmitglieder, die im Namen der Familie die stiftische Ämterlaufbahn antraten, zeigt das Beispiel Franz Georgs von Schönborn. Als er, der älteste Bruder der zweiten Generation, 1674 im Alter von fünfunddreißig Jahren überraschend starb, führte dies zu erheblichen Verwerfungen. Die Familie mußte umplanen, Erbansprüche und Karrierewege wurden neu verteilt, im Benjamin der zweiten Generation, Lothar Franz, fand man einen neuen Kandidaten für die Stiftskarriere. Acht Jahre später benannte Melchior Friedrich seinen siebten Sohn nach dem verstorbenen Bruder und machte damit deutlich, daß die Familie auch in diesem Fall nicht gesonnen war, den Verlust hinzunehmen. Für die so Benannten war dies eine klare Anweisung auf die geistliche Laufbahn. Mehr noch – es war eine Anweisung auf Wiederholung. Mindestens die Ämter des Namensvorbilds sollten sie erreichen oder sogar, wie im Fall Franz Georgs, dessen abgebrochene Karriere allererst vollenden. Daß sich dies für die Betroffenen zu einer erheblichen Hypothek auswachsen konnte, liegt auf der Hand. Kirchliche Spitzenpositionen waren wesentlich schwerer zu erlangen als weltliche Ämter. Bevorzugung in und durch die Familie ging für die solcherart Auserkorenen mit erheblichem Erwartungsdruck einher. Und wie schwer mußte dieser lasten, wenn das Namensvorbild so übergroß war wie Johann Philipp. In der Benennung nach verstorbenen Familienmitgliedern zeigt sich, wie schnell die Schönborn nach der Neuorientierung alterten. Bereits in der dritten Generation wurden zwei Söhne auf die Wiedererlangung verlorener Positionen und Chancen verpflichtet. Für den zweiten, vierten und neunten Sohn ist die Benennung nach Kirchenfürsten aus anderen Familien nachweisbar, die zugleich die Patenschaft übernahmen; auch diese Söhne waren offenkundig für Kirchenlaufbahnen vorgesehen. Friedrich Karl wurde von demselben Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid über die Taufe gehalten, der dies schon bei Lothar Franz getan hatte; nur daß dieser Pate inzwischen Kurfürst von Mainz war.222 Wer nicht an Zufälle glauben mag, kann bereits in der Ausrichtung auf den gemeinsamen Paten die Grundlegung für das später so enge Arbeitsbündnis zwischen Neffe und Onkel erkennen. Zur Seite stand dem Mainzer der Kurfürst von Trier Karl von der Leyen – glänzendere Namenspatrone waren im rheinfränkischen Stiftsadel kaum vorstellbar. Bei dem zwei Jahre jüngeren Damian Hugo Philipp standen die Nachfolger Pate: Damian Hartard von der Leyen als Kurfürst von Mainz und Johann Hugo von Orsbeck als Kurfürst von Trier.223 Damian Hugos dritter Vorname „Philipp“ verweist auf Johann Philipp, sei es auf den Johanniter, sei es auf den Begründer Schönbornschen Ruhms. Für Marquard Wilhelm schließlich übernahm der Fürstbischof von Eichstätt Mar222 223

15*

Domarus: Kirchenfürsten, S. 160. Strnad: Kardinal, S. 108 f.

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B. Handlungsgründe

quard II. Schenk von Castell die Patenschaft, ferner der Fürstbischof von Würzburg Konrad Wilhelm von Werdenau.224 Ähnlich illustre Taufpaten dürfen für weitere Söhne vermutet werden. Interessant ist der 1675 zur Welt gekommene Sohn. Tot geboren,225 erhielt er doch die Taufe und die Namen Johann Christian. D. h. er wurde nach dem Vater der Mutter benannt: nach Johann Christian von Boineburg, der drei Jahre zuvor verstorben war. Um Wiederherstellung kann es sich hier nicht handeln, als Ehrung war diese Nachbenennung sicher gemeint, soviel sie zugleich über eine gewisse Ambivalenz gegenüber Boineburg verrät. Auch der fünfte Sohn: Rudolf Franz Erwein, wurde nach einem Großvater benannte, jetzt nach dem Vatersvater. Schon bei der Taufe wurde er damit auf eben jene weltliche Laufbahn angewiesen, die er später tatsächlich eingeschlagen hat. Im Hinblick auf die historische Sozialisationsforschung ist das vielleicht das eindrucksvollste Ergebnis, wenn man die Schönbornsche Namengebung analysiert: wie früh in der Familie über die Lebenswege der Nachkommen entschieden wurde und wie bereitwillig die Familienmitglieder die über die Vornamen (aber nicht darüber allein) an sie ergangenen Aufträge erfüllt haben. Offene Konflikte, Ausbruchsversuche, Verweigerungen kamen nach der Neuorientierung der Familie mindestens zwei weitere Generationen lang nicht vor. Mehr oder weniger freiwillig, letztlich aber ohne offen dagegen aufzubegehren, haben alle Familienmitglieder im Sinne des Familienverbands funktioniert, haben alle sich die verschiedenen, nach dem Geschlecht und der Stellung in der Geschwisterreihe verteilten Lebensaufgaben zu eigen gemacht, sie, so gut sie es vermochten, zu erfüllen, durch herausragende Leistungen gar zu überbieten versucht. Das bleibt festzuhalten: Die Neuorientierung der Familie und ihr sozialer Aufstieg gingen mit einem harten Zugriff auf die folgenden Generationen einher, vor allem aber mit einem höchst beachtlichen Sozialisationserfolg. Psychologisch läßt dieser Befund sich als gelungene Internalisierung beschreiben. Internalisiert wurde mit den neu in die Familie aufgenommenen Namen der Patinnen und Paten erstens das Vorhaben, sich in das Beziehungsnetz des rheinfränkischen Stiftsadels als neuer, maßgeblicher Bezugsgruppe zu integrieren. Internalisiert wurde zweitens eine neue Verteilung der Aufgaben innerhalb der Familie, die sich aus dem Versuch ergab, über drei Generationen immer neue Anwärter für Stiftskarrieren in Stellung zu bringen und über die stiftische Ämterlaufbahn in Spitzenpositionen zu führen. Internalisiert wurde drittens die Akzeptanz der daraus resultierenden Spezialisierung und konfliktträchtigen Unterscheidungen innerhalb der Familie. Die Schönborn haben es vermocht, noch die letzte Enkelin und den letzten Enkel in den Richtungswechsel der Familie einzubeziehen. Sie haben es 224 Domarus: Marquard Wilhelm, S. 15. Auch hier wurde der Einfluß eines der Paten lebensbestimmend, indem er Marquard Wilhelm den Weg in das Domkapitel von Eichstätt ebnete, wo die Schönborn bis dahin keine Pfründe innegehabt hatten. 225 SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 860.

4. Sozialisationsverläufe

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geschafft, sie alle von den damit verbundenen Notwendigkeiten zu überzeugen, sie alle für den erforderlichen Einsatz zu gewinnen. Daraus läßt sich schließen: Das Familienunternehmen muß große Plausibilität besessen haben. Es muß die Betroffenen überzeugt, es muß sie begeistert haben, es muß ihnen so lohnend erschienen sein, daß sie bereit waren, existenzielle Opfer dafür zu bringen. Auch dies beweist, daß es dabei um mehr ging als um den sozialen Aufstieg und die Selbsterhaltung der Familie.226 Denn diese allein könnten eine so vollständige Mobilisierung nicht erklären; als partikulares Ziel hätten sie auch zu viel schwereren Konflikten über die Verteilung von Aufgaben, Laufbahnen und Profiten in der Familie führen müssen. Nur wenn man annimmt, daß die von den Eltern bei der Namengebung verteilten Aufträge, Lebenswege, Rangfolgen sachliche Notwendigkeit für sich hatten, daß sie durch die Lebensleistung der Benannten Schritt für Schritt sachlich eingeholt und beglaubigt wurden, daß die Hingabe an die Familie zugleich Hingabe an eine übergeordnete, überzeugende Sache war, wird man dem Phänomen gerecht. Nach dieser Sache sowie der Art und Weise, wie sie den heranwachsenden Schönborn vermittelt, wie sie von ihnen internalisiert wurde, wird im folgenden zu fragen sein.

4. Sozialisationsverläufe Von den entscheidenden Prägejahren des Schönborn-Nachwuchses: der frühesten Kindheit und Jugend, schweigen die Quellen. Am ergiebigsten sind noch die Korrespondenzen der Eltern227 – doch entstanden sie nur, wenn die Väter dienstlich unterwegs waren, bei Hofe oder auf Gesandtschaften, auch sind sie keineswegs vollständig überliefert und selbst in dem, was erhalten ist, kommen die Kindern selten vor: mit Krankheiten vor allem, überstandenen Gefahren, drolligen Begebenheiten. Der Alltag war zu selbstverständlich, um beschrieben zu werden, vor der Sentimentalisierung der Kindheit im späten 18. Jahrhundert ohnedies nicht briefwürdig. Wohl aber läßt sich aus diesen Zeugnissen sowie aus weiteren Angaben die Welt schildern, in der die zweite und dritte Schönborn-Generation ihre Kindheit erlebte, lassen sich auf diese Weise zumindest indirekt Prägefaktoren ausmachen. 226 Anders Alfred Schröcker: „Der Einsatz für die Reichsstifter, für die katholische Konfession und für das Reich beinhaltet in dieser Sicht ein kräftiges ideologisches Moment. Mit rationalen Gründen wird eine Politik verfolgt, deren eigentliches, wenn auch uneingestandenes Ziel Wahrung und Expansion des privaten Besitzes ist. Erhaltung der Stifter, des Reichs und der Religion dient demnach dem privaten Zweck der Selbsterhaltung des Hauses Schönborn und darüber hinaus einer Adelsgruppe.“ (Schröcker: Besitz, S. 231). Ähnlich Schraut: Haus Schönborn, S. 58 f.+62. 227 Spärlich erhalten für die erste Generation (SAW KA Philipp Erwein, Nr. 208), dicht und aufschlußreich für die zweite (SAW KA Melchior Friedrich, Nrn. 1304–26), weniger ergiebig für die dritte (SAW KA Rudolf Franz Erwein, Nrn. 576–95). Vgl. die Äußerungen Philipp Erweins in Briefen an seinen Bruder (SAW KA Johann Philipp, Nr. 2780 f.).

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B. Handlungsgründe

Die Schönborn-Kinder wuchsen nicht in Schlössern auf. Auch als die Familie, anfangs durch Erbschaften, später durch den Einfluß Johann Philipps als Landesund Lehensherr, schon ansehnliche Güter erworben hatte, wurden diese noch lange nicht zu ihren Wohnsitzen. Von Verwaltern bestellt, gab es immer wieder Ausflüge dorthin, den Lebensmittelpunkt aber bildeten die Amtssitze, die von den weltlichen Familienhäuptern eingenommen wurden. Im Schatten von Amtshäusern spielte das Familienleben der Schönborn sich fast zwei Generationen ab. Nicht als Nachwuchs von Grundherren wurden die Kinder sozialisiert, sondern von Amtsträgern. Daß das Leben der Männer aus Dienstgeschäften bestand, das Leben der Frauen aus dem Gebären und der Organisation eines großen Haushalts zur Ermöglichung der Geschäfte, daß der einzelne und die Familie zurückzustehen hatten hinter einem Dienst, der Rang und Ansehen verlieh, das stand den Schönborn-Kindern von Anfang an und stets vor Augen. Durch den Einfluß seines Bruders Johann Philipp wurde Philipp Erwein, der Stammhalter der ersten Generation, 1643 kurmainzer Amtmann in Steinheim am Main.228 Obwohl er über die Jahre weitere Ämter und Würden erwarb, obwohl zu den hohen Positionen bei Hofe später unausweichlich Adelshöfe in den Residenzstädten kamen,229 bildete der Steinheimer Amtssitz für seine Frau Maria Ursula und ihn jahrzehntelang die Hauptwohnung230 – hier wuchsen die Schönborn der zweiten Generation heran. Von ihrer Mutter können sie nicht viel gehabt haben; dafür war die Geburtenfolge zu dicht, die Inanspruchnahme durch immer neuen Familienzuwachs zu groß. Wahrscheinlich wurden die Säuglinge deshalb von Ammen versorgt,231 auf 228 Schröcker: Jungen Jahre, S. 250. Über das Amt Steinheim gründlich Christ: Erzstift, S. 134–137. 229 1661 erwarb Philipp Erwein das sogenannte Molitorsche Haus und das Cratzische Anwesen in Mainz, wo er 1665 zunächst ein Sommerhaus und einen Garten, seit 1667 dann einen repräsentativen Stadthof errichten ließ. Die Fertigstellung erlebte er nicht mehr. Am 4. November 1668 starb Philipp Erwein, die Bauarbeiten zogen sich bis 1670 hin. Der Hof blieb im Besitz der Familie und wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter Leitung von Leonhard Dienzenhofer, später noch einmal von Balthasar Neumann umgebaut (vgl. Wenzel: Gärten, S. 9; Boll: Schönborner Hof und Hubala: Grafen, S. 26). 230 1661 konnte Philipp Erwein die Herrschaft Heusenstamm erwerben – kaum zehn Kilometer lag sie von Steinheim entfernt. Zufall oder nicht: Die Familie richtete sich in der Nähe ihres (bis dahin) wichtigsten Amtssitzes ein; die eingewurzelte Logik der Amtsträgervorfahren machte sich bemerkbar. Vor der alten Burg von Heusenstamm begann Philipp Erwein 1663 den Bau einer großzügigen Schloßanlage, doch gelangte das Unternehmen weder zu seinen Lebzeiten, noch zu denen seines Sohns und Erben Anselm Franz über den ersten von vier geplanten Flügeln hinaus. Auch der Herrengarten, den Anselm Franz vor dem Schloß anlegen ließ, fand in der Familie keine Anerkennung. Der erste Versuch, einen repräsentativen Familiensitz zu errichten, blieb in den Anfängen stecken (vgl. Söder: Kulturdenkmäler, S. 171 f.; Schäfer: Kunstdenkmäler, S. 84–87; Schönborn: Gartenanlagen, S. 102). 231 In der Hausväter-Literatur wurde gegen Säugammen protestiert, das eigene Stillen als „von GOtt in der Natur gegebene“ Pflicht dargestellt (s. z. B. Florinus: Oeconomvs I 7 § 5, S. 39 und 46). Gerade die umständliche Erörterung zeigt, daß die Praxis häufig anders aussah.

4. Sozialisationsverläufe

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die Kleinkinder achteten Frauen aus dem Gesinde. Gerade die primären Versorgungsbeziehungen wurden also mit Menschen erlebt, an die man, wie die Kinder feststellen sollten, sein Herz nicht hängen durfte. Die erste, elementare Erfahrung des eigenen Körpers wurde in Beziehungen gemacht, die, als Dienstverhältnis organisiert und häufig wechselnd, zwar nicht notwendigerweise lieblos waren, aber doch formalisiert, eingeschränkt, spezifisch, jedenfalls nicht umfassend, diffus. Daß die eigene Leiblichkeit gering zu achten war, dürften die Schönborn-Kinder ebenso früh gelernt haben wie daß auf die Beziehungen zu dem versorgenden, gewährenden Mutter-Ersatz kein Verlaß war. Rituell (das Küssen der elterlichen Hände) und sprachlich vermittelte Autorität zählte stets mehr als Kreatürlichkeit, sie war beständiger und bestimmender, in der Beziehung zur Mutter so gut wie in der zum Vater. Früh wurde der Grund für die Formalisierung aller Beziehungen, auch der engsten, bereitet. Steinheim war winzig: ein Landstädtchen mit einem Marktplatz und zwei Ringstraßen, an eine zum „Schloß“ ausgebaute Burg geschmiegt, alles auf einem Basaltrücken über dem Main gelegen – damit an einer Hauptverkehrsader durch die Region. Das Haus, in dem die Schönborn lebten, ist erhalten:232 ein stattliches Fachwerkgebäude am Markt, in Steinheim eins der größten Häuser, im Vergleich aber selbst mit Bürgerhäusern anderer Städte ausgesprochen bescheiden, nur durch einen Eckerker hervorgehoben. Gleichwohl verkörperte Philipp Erwein hier die kurmainzer Obrigkeit, wurde er mit der Zeit der mächtigste Mann weit und breit. Wenige Schritte nur lagen zwischen dem Schönborner Hof und dem Amtshaus, wo er die Geschäfte führte, zu Gericht saß, Bittsteller empfing. Wie oft mögen seine Kinder ihm dabei zugesehen haben. Leicht war seine Aufgabe nach den Verheerungen der Kriegsjahre nicht. 1622 hatten die Kaiserlichen unter Tilly das Land besetzt, 1631 war Steinheim nach kurzer Belagerung von den Schweden genommen und geplündert worden, 1634 kam es bei ihrem Abzug zu weiteren Plünderungen. Die Festung Hanau auf der gegenüberliegenden Mainseite wurde von ihnen gehalten; umgehend begannen die Kaiserlichen mit der Belagerung. Steinheim wurde zur Schlüsselstellung: Nur von hier aus war der Verkehr auf dem Main zu sichern, den die Schweden bedrohten. Eine große Garnison legten die Kaiserlichen daher nach Steinheim, immer neu mußten die wechselnden Truppen von der Bevölkerung versorgt werden. Dabei wütete die Pest, die von den Soldaten eingeschleppt worden war, verwandelte die Beschlagnahmung für die Belagerungstruppen Getreide in eine Mangelware. Erst erzeugte sie unerhörte Teuerung, dann eine fürchterliche Hungersnot in der Region.233 Kaiser: Steinheim, S. 71 f. William Crowne, der den englischen Gesandten Lord Arundel 1636 als Sekretär begleitete, notiert schon in Bacharach: „[ . . . ] heere the poore people are found dead with grasse in their mouthes [ . . . ].“ (Crowne: Relation, S. 8). „Then to Mentz a great City seated close by the Rhine on the right side against which wee cast Anchor and lay on ship-board, for there was nothing in the Towne to relieve us, since it was taken by the King of Sweden, and miserably battered, [ . . . ] heere likewise the poore people were almost starved, and those that could 232 233

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B. Handlungsgründe

Selbst als die Belagerung von Hanau aufgehoben werden mußte, die Festung 1638 von den Schweden wieder an die Grafen von Hanau kam und für neutral erklärt wurde, besserte die Situation sich kaum. Weiterhin lag eine große kaiserliche Besatzung im Land, unbarmherzig wurden beispielsweise von den Dragonern alle Pferde requiriert. 1646 kam der offene Krieg zurück. Der Marschall Turenne ließ Steinheim zusammenschießen, die kaiserliche Garnison ergab sich und zog ab, die Stadt wurde von den Franzosen geplündert. 1647 eroberten die Kaiserlichen die Stadt zurück, übergaben sie aber kurz darauf wieder an die Franzosen. Buchstäblich freikaufen mußte Kurmainz das Land zuletzt von ihrem Regime. Eine entvölkerte, völlig verarmte, schwerst-traumatisierte Region wurde Philipp Erwein zur Verwaltung anvertraut. Die Dörfer waren niedergebrannt, die Menschen versprengt, manche Ortschaft mußte ganz aufgegeben werden und fiel wüst.234 Jahrzehntelang hatten hier der Krieg, das Recht des Stärkeren, die nackte Gewalt regiert. Offen stand aller Welt die Ohnmacht des kurmainzer Landesherren vor Augen, der, von Freund und Feind mißachtet, nicht in der Lage gewesen war, seine Untertanen zu schützen. In dieser Situation sollte Philipp Erwein das Ansehen der kurmainzer Obrigkeit wiederherstellen, von diesen Untertanen sollte er die hohen Abgaben eintreiben, die nach dem Westfälischen Frieden für die Kompensation und Abrüstung der Kriegsvölker gebraucht wurden. Man mußte ein tatkräftiger Mensch sein, um solche Aufgaben zu lösen, mußte rasch entscheiden, vorangehen, mitanpacken.235 Wie sein Bruder der Kurfürst, wie sein Vorgesetzter der Kanzler Boineburg, mit dessen Tochter er einen Sohn verheiraten würde, fand Philipp Erwein sich in die Wiederaufbausituation nach dem Dreißigjährigen Krieg gestellt. Tief hat die Notdurft dieser Jahre, die Kargheit der Steinheimer Lebensrelieve others before, now humbly begged to bee relieved, and after supper all had reliefe, sent from the Ship ashore, at the sight of which they strove so violently, that some of them fell into the Rhine and were like to have bin drowned.“ (a. a. O., S. 9). In Frankfurt konstatiert er: „[ . . . ] from Collein hither, all the Townes, Villages, and Castles bee battered, pillaged or burnt [ . . . ].“ (ebd.). Steinheim wird wegen der Schweden in Hanau von der englischen Gesandtschaft weiträumig umgangen. Leonhard Walz, Subprior und Chronist des Klosters Seligenstadt, das kaum zehn Kilometer mainauf von Steinheim lag, berichtet in seiner „Klageschrift“ über diese Zeit: „Ich sah unmittelbar danach einen früher sehr stattlichen und starken Mann aus Froschhausen, der von Hunger entkräftet einen so jämmerlichen Anblick bot, daß man ihn mehr für einen Geist als für einen Menschen hätte halten können. Dieser holte sich nach Art der Schinder das Fleisch verendeter Tiere und aß es gekocht als Speise. Du hättest fürwahr Menschen sehen können – ihre Zahl war zu groß – die nach Art des Weideviehs scharenweise auf die Brachfelder zogen und mit Hacken und Holzspaten die Erde umgruben, um die Wurzeln von Kräutern zu suchen, herauszureißen und als Speise zu verzehren.“ (zitiert nach Schopp: Seligenstadt, S. 46). 234 Walz berichtet, von den vierunddreißig Herdstellen, die es 1631 in Klein-Krotzenburg gegeben hatte, seien im Jahr 1649 noch neun übrig gewesen, von zwanzig Herdstellen in Froschhausen zwei (Schopp: Seligenstadt, S. 53). Zur Wüstung wurde beispielsweise das Dorf Dreckhausen, an dessen Stelle später die Wallfahrt zur Liebfrauenheide entstand (Wagner: Wüstungen, S. 207). In der Stadt Steinheim zählte der kurmainzer Oberamtmann Hans Georg von Ingelheim nach der Pest von 1638 noch 120 Einwohner (Imgram: Geschichte, S. 59). 235 Dazu etwa die Quellen in SAW KA Philipp Erwein unter I C „Oberamt Steinheim“.

4. Sozialisationsverläufe

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umstände, die pragmatische Konzentration auf das Vordringliche seine Kinder geprägt. Die Pracht der Schlösser, die sie nach der langsam-langen wirtschaftlichen Erholungsphase errichten sollten, ist auch vor diesen Kindheitseindrücken zu verstehen. So klein-klein die Verhältnisse in Steinheim anmuten, ihr Horizont war der Main. Eine halbe Tagesreise mainauf lag Aschaffenburg: die Verwaltungszentrale des Oberstifts und Zweitresidenz des Kurfürsten, eine halbe mainab die Großstadt Frankfurt mit ihren Handelshäusern und dem Kaiserdom, eine weitere halbe Tagesreise mainab Mainz mit seinen Kirchen und Stiften, der Hauptresidenz und Regierung. Ständig machten Reisende in Steinheim Station, oft auch der Kurfürst mit seinem Gefolge. Vor ihm hatte selbst der mächtige Vater das Haupt zu entblößen, das Knie zu beugen – heftig konnte da bei den Söhnen der Wunsch sich regen, selbst einmal die Position des Kurfürsten einzunehmen. Lothar Franz jedenfalls kehrte als Mainzer Kurfürst so gerne nach Steinheim zurück, daß er hier eine Fasanerie erichten ließ, die seine Aufenthalte als Jagdvergnügen legitimierten.236 Doch der Blick aus dem bescheidenen Steinheimer Amtswohnhaus reichte viel weiter. Im Dienst für seinen Bruder hatte Philipp Erwein zu reisen. Gesandtschaften waren zu übernehmen: zu den Nachbarständen, mit denen Kurmainz im Streit lag (vor allem der Kurpfalz und Hessen-Kassel); an den Reichstag in Regensburg; an den Kaiserhof in Wien; nach Versailles.237 Mit den Ansprechpartnern an diesen Höfen wurden Briefe gewechselt – was Philipp Erwein über seine Erfahrungen an den Bruder schrieb und als Notiz im Steinheimer Amtshaus bewahrte, wird er seinen Kindern nicht vorenthalten haben. Die Titulaturen am französischen Hof waren hier bekannt, Denkschriften, z. B. über die Kaiserwahl von 1658, sind hier entstanden. Festungsbauten wurden diskutiert, alchemistische Versuche gemacht,238 in Zusammenarbeit mit dem Bruder die Bibel in deutsche Verse gebracht.239 Steinheim mochte klein sein – das Arbeitsbündnis seines Oberamtmanns mit dem Reichserzkanzler schloß es an die europäischen Machtzentralen ebenso an wie an den Bildungshorizont des Hochadels. Seine diversen Amtsgeschäfte besorgte Philipp Erwein mit Hilfe von Sekretären – entweder einer von ihnen oder der Steinheimer Pfarrer dürfte seinen Kindern Lesen und Schreiben sowie das Einmaleins beigebracht haben. Selbstverständlich geschah dies im Privatunterricht. Die zahlreichen Geschwister hatten die Gleichaltrigengruppe zu ersetzen. Sie waren Spielgefährten, Mitunterrichtete, Mitunterrichtende, Konkurrenten, sie bildeten für die heranwachsenden Schönborn die entscheidende Bezugsgruppe. Familienintern: im Verhältnis zu Vater und Onkel, aber auch zu den Geschwistern, wurden die Maßstäbe gebildet, an denen man sich ein Kaiser: Steinheim, S. 136 f. Vgl. die Überlieferung im SAW KA Philipp Erwein unter I A „Reichssachen“, B „Mainzer Sachen“, D „Eigenhändige Entwürfe, Denkschriften, Aufzeichnungen“. 238 SAW KA Johann Philipp, Nr. 2119 und SAW KA Philipp Erwein, Nrn. 273–275. 239 SAW KA Johann Philipp, Nr. 2759. 236 237

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B. Handlungsgründe

Leben lang orientierte. Früh entstand bei den jungen Schönborn die Überzeugung, etwas Besonderes zu sein; sich nach eigenen Maßstäben bewähren zu müssen. Das isolierte Aufwachsen dürfte diese Überzeugung stark befördert haben. Beigebracht bekamen die Schönborn-Kinder das Lesen und Schreiben gewiß anhand von geistlichen Texten: vor allem des Katechismus, aber auch Gebeten, Liedern, der Bibel – hatten sie doch einen Vater und Onkel, die es als ihre Aufgabe betrachteten, das geistliche Wort zu verbreiten; die es dafür faßlich und einprägsam machen wollten; die daher nach dem Vorbild von Martin Opitz und Friedrich Spee geistliche Lieder dichteten und an Reimübersetzungen der Perikopen feilten.240 Die jüngeren Geschwister werden ihr ABC nach einer Schrift gelernt haben, die der Kurfürst 1665 ohne Autornamen, aber mit seinem Wappen auf der ersten Seite hatte herausbringen lassen: einem Neue[n] A: B: C: Büchlin für die Jugend.241 Die kleine Fibel verrät viel über die erzieherischen Grundsätze der Zeit. Lernen hieß, geistliche Merksprüche zu inkorporieren. Sie sollten in Fleisch und Blut übergehen, sollten memoriert werden wie die Antworten auf Katechismus-Fragen und die Responsorien der Meßfeier, sollten auf diese Weise zum unerschütterlichen Rahmen werden, in dem, je nach den Umständen, dann auch persönliche Andacht sich einfinden mochte. Dazu gehörte ein Kanon immer gleicher Gebete: nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen; beim Morgen-, beim Ave- und beim Vesperläuten; vor und nach jeder Mahlzeit; in der täglich besuchten Messe – durchgängig war der Alltag durch Gebete strukturiert.242 Hinzu kamen Gebete zu besonderen Anlässen, ferner die Stoßgebete, die zahlreiche Alltagshandlungen begleiteten; unwillkürlich sollte jedes Handeln, auch das profane, mit formalisiertem Gottesgedenken verknüpft sein. Wer die angemessenen religiösen Formeln beherrschte, konnte mithalten oder die Situation bestimmen: Das begann mit dem Gruß, den man entbot und endete mit der Wechselrede im Beichtstuhl noch lange nicht. Formalisierte Religiosität, so war zu lernen, eröffnete rituelle Handlungsmöglichkeiten. Was später in den Ordensschulen ausgeformt wurde, hat sich den jungen Schönborn sicher schon im Elternhaus eingeprägt: eine robuste, habitualisierte, von persönlichen Regungen, Zweifeln, Gedanken unabhängige Ritualfrömmigkeit. In diesem Sinne waren alle Schönborn später fromm. Eine wichtige Weichenstellung erfolgte am Ende der Kindheit: Im Alter zwischen neun und zwölf Jahren erhielten die Söhne, die für die Stiftskarrieren vorgesehen waren, die Tonsur und die ersten kirchlichen Pfründen; vor allem auf 240

Marigold: Mainz, S. 151 f. mit weiterer Literatur; Domarus: Kirchenfürsten, S. 75–

92. 241 A: B: C: Büchlin. Zu jedem Buchstaben wird darin ein Merkwort angegeben und durch ein kurzes Gedicht erläutert. So heißt es z. B.: „A – Aberglaub. Aberglauben vnd heücheleÿ / gibt es servil vnd mancherleÿ. / glaub Gotteswort, bekenn es freÿ / förcht dich vor niemand wer er seÿ“. 242 Vgl. die aufschlußreiche Darstellung, die Helmut Dotterweich von der religiösen Adelserziehung nach der Gegenreformation gibt (Dotterweich: Maximilian, S. 66–75).

4. Sozialisationsverläufe

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Präbenden in den Domkapiteln kam es dabei an.243 Allerdings handelte es sich zunächst mehr um Vorsorge: Möglichst vielen Söhnen sollte möglichst früh der Einstieg in die stiftische Ämterlaufbahn eröffnet werden – schließlich zählte in der Konkurrenz dort auch Anciennität. Ferner trugen die Einkünfte aus den Pfründen zu den hohen Ausbildungskosten für die Söhne bei. Zurücktreten von der Kirchenkarriere und auf die Pfründen verzichten („resignieren“), konnte man immer noch, 243 Franz Georg, 1639 geboren, erhielt 1647 eine Mainzer und eine Bamberger, 1648 eine Würzburger Domherrenpfründe übertragen (Amrhein: Mitglieder, Bd. 2, S. 96). Johann Erwein, 1654 geboren, wurde 1665 tonsuriert (Jürgensmeier: Lothar Franz, S. 106) – sicher ebenfalls, um eine kirchliche Pfründe annehmen zu können. Lothar Franz, geboren 1655, wurde 1665 tonsuriert und im gleichen Jahr als Domizellar in das Domkapitel von Würzburg, zwei Jahre später in das von Bamberg aufgenommen; in das Mainzer Domkapitel gelangte er erst 1674 nach dem Tod seines Bruders Franz Georg (Schröcker: Jungen Jahre, S. 251; Jürgensmeier: Lothar Franz, S. 106). Zu den Aufnahmebedingungen s. z. B. die Würzburger „Requisita Eines Jungen Dombherrens So beÿ alhiesigen Hohen Dombstift aufgeschwohren württ“ von 1688 (ByStAWü, HV MS f. 234): „Erstlich: Solle Er neün Jahr völlig alt sein, und das zehente antretten: Zum anderen: So mus Er keinen defectum ahn leib haben, vndt derentwegen, da Er in propriâ personâ sich nicht præsentiret, testimonium Corporis non vitiati exhibiren. Drittens: So mus Er primam tonsuram, oder erste weÿhe haben, zu bezeügung das er ein Clericus seÿe, vnd derentwegen ein attestatum ab Episcopo datum auflegen p. Vierttens: Mus Er seine :8: Agnaten [ . . . ] darthuen vndt probiren: auf pergament mit ihren farben abgemahlt einschickhen auf das selbiges in Cora Capitulari zu der[en] approbation eine zeitlang vor der aufschvehrung assigirt werden können. Fünftens: Mus Er zur aufschwehrung: 4 Adeliche Adiurant[en] haben, deren Agnaten aber nur 4: nit weniger nambhaft vorzuelegen sein: Sechstens: Mus ferner Er, wann Er in personâ nicht aufgeschworen württ per instrumentum Mandatorium vollmöchtigter procurator, so aus denen uicarÿs sein kann, von dem Turnario coram Notario et testibus super Canonicatu prouidiert, und dem dhombCapitul p ad inuestituram et Cæpiendam possessionem præsentiert werden, p Zum Siebenten: dan mus Er auch Testimonium von vatter vndt Mutter, da Sie noch in dem leben, oder in eorum defectum von denen taufPadten, oder anderen Adelichen Zeügen, die deßen wißenschaft geben, seines alters wegen, darinnen solches alter beÿ Adelichen Ehren, ahngeschwohrne Aÿdt statt zuerkündigen. Zum Achten: Muß von Zween von Adell, seinen negsten befreündten eine Adtelicht bekandtnus übergeben werdten, das die übergebene Agnaten, die rechte anzuzweiffliche Jngenuinische wehren, und keine supponirte geschlechter seÿen. Letzlich vndt Zum Neüten [sic]: Mues Er, sobalten beÿ der aufschwehrung :20: goltgulden in specie possess gelt, vnd .5: Reichsdahler für das wappen in dem Calender vflegen, dann den Jungen dombh:n Chorschühleren :4 R: auch dem Notarius .2: Rthlarer vnd den 2 Zeugen des Notarÿ, Jhrer gn. H:r dhombdechants p Caplan wie auch dem Sÿndico entlich ein Discretion p:“ Zusammen ergaben diese Nachweise die sogenannte Probationsurkunde. Lag sie vollständig vor, so konnte die Aufnahme erfolgen. Sie wurde „Aufschwörung“ genannt: „Diese Aufschwörung muß in einem größeren Peremptorio geschehen, deren das hohe Domkapitel zu Wirzburg im Jahre zwey hält: Das erste an dem ersten Februarius. Das andere den siebenden Julius.“ (Salver: Proben, S. 177). „Nachdeme nun alle besagten Erfordernisse in gehörigem Stande sind, erscheinet der Herr Aspirans mit seinen hierzu erbetenen vier Adjuranten in dem angesetzten Peremptorio Majori in dem hohen Domkapitels=Saale, und nach abgelegten Juramento credulitatis & scientiæ der vier Herren Adjuranten geschihet die feyerliche Aufschwörung des neuen Herrn Candidati durch Aufsetzung des Birets. Welcher feyerlichen Handlung zwey Herren Domvikarien als hierzu ersuchte Zeugen beywohnen, und hernach von dem dieser Handlung zugegen gewesenen Notario Apostolico das Instrumentum Publicum aufgesetzt, unterschrieben und besigelt wird.“ (Salver: Proben, S. 181 f.).

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B. Handlungsgründe

d. h. positiv formuliert: Auch Stiftsgeistlichen, die schon als Kinder von ihren Familien auf den Weg gebracht worden waren, wurde später noch einmal eine ausdrückliche Entscheidung für diese Laufbahn abverlangt. Dennoch trennten sich nach dem Elementarunterricht die Wege. Töchter und Söhne wurden in unterschiedliche Schulen gegeben: die Töchter zu den Ursulinen,244 die Söhne zu den Jesuiten; Alternativen gab es keine. So kritisch Johann Philipp von Schönborn zu den Jesuiten stand,245 seine Neffen mußte er ihnen anvertrauen; katholische Lateinschulen vergleichbarer Qualität waren im Erzstift nicht vorhanden. Um das zehnte Lebensjahr kamen die Kinder außer Haus. Fortan oblag ihre Erziehung Ordensschulen, die, als Internate geführt, vom Wecken bis zum Einschlafen, von der Kleidung bis zur Redeweise jeden Atemzug ihrer Zöglinge reglementierten. Völlig wurden diese aus ihrem bisherigen Alltag herausgelöst, in ein Paralleluniversum integriert. Glücklich, wer diese Schulen als Externer besuchen durfte wie später die dritte Generation der Schönborn-Söhne das Jesuiten-Gymnasium in Aschaffenburg. Auch dann aber erstreckte der Erziehungsanspruch sich auf die ganze Person: Umfassend sollte der einzelne in diesen totalen Institutionen verwandelt und geformt werden. An der jesuitischen Erziehung haben sich im 17. Jahrhundert alle anderen katholischen Schulorden orientiert, auch die Ursulinen; oberstes Ziel war, konfessionell gefestigte Persönlichkeiten hervorzubringen.246 Weder als Selbstzweck wurde Bildung von der Gesellschaft Jesu verstanden, noch im Hinblick auf einen weltlichen Nutzen: Zu einem Werkzeug der höheren Ehre Gottes hatte sie den einzelnen zu machen. Praktische katholische Religiosität war Ausgangspunkt, Mittel und Ziel dieser Erziehung, sie sollte am Ende so selbstverständlich geworden sein, daß die Zöglinge, was immer sie später taten, stets in ihrem Sinn handeln würden. Überall zogen die Jesuiten primär Ordensnachwuchs heran. Externe Schüler wurden unentgeltlich mitunterrichtet, aber in genau der gleichen Weise zu universell verwendbaren Soldaten Christi gemacht wie die eigenen Leute. Das erklärt, warum es 244 Schraut: Ehen, S. 18 f.; dies. / Pieri: Schulbildung, S. 20 f., 30 f., 46–66, mit ausdrücklichem Bezug auf die Schönborn-Töchter der dritten Generation: S. 51 f. und 272–276; dies.: Haus Schönborn, S. 64–71 245 Diese Ablehnung beruhte durchaus auf (kirchen-)politischen Gegensätzen: Die katholische Intransingenz der Jesuiten und ihre strikte Orientierung an Rom widersetzte sich der Verständigung, die Johann Philipp auf Reichsebene mit den Protestanten suchte, ebenso wie seinem erzbischöflichen Führungsanspruch in den Diözesen und dem metropolitanen in der Reichskirche. Weder in Würzburg, noch in Mainz mochte er die Ausbildung seines Klerus der Gesellschaft Jesu anvertrauen (differenzierend Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 202– 208). Dafür könnten auch biographische Erfahrungen eine Rolle gespielt haben. Möglicherweise hat Johann Philipp als Kind zunächst das protestantische Gymnasium in Weilburg besucht, bevor er nach dem Tod seines Vaters von der katholischen Mutter und ihren Verwandten in die Obhut der Mainzer Jesuiten gegeben wurde (Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 13 f. und 16 f.); möglicherweise hat er bei diesem Vergleich Erfahrungen gesammelt, die ihn nicht zu einem Freund des Ordens werden ließen. 246 Das Folgende nach Hammerstein / Müller: Gymnasialwesen. Dort ist die gesamte einschlägige Literatur verzeichnet.

4. Sozialisationsverläufe

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sich um eine streng formale Bildung handelte. Selbst das Theologie-Studium, auf das der dreistufige Ausbildungsgang zulief, wurde als Mittel gestaltet, um konfessionelle Kontroversen zu bestehen, wirkungsvolles Argumentieren und polemisches Zuspitzen zu lernen. Ein innerer Bezug zu Inhalten hätte dabei gestört. Er konnte nicht vermittelt werden, da die entscheidenden (Glaubens-)Inhalte nicht zur Disposition standen, also nicht thematisiert werden durften. Alles, worauf es ankam, wurde in dieser Erziehung indirekt eingeprägt. Man versteht, wie dadurch robuste, weltoffene Persönlichkeiten entstanden, hervorragend geschulte Praktiker – daß das Leben technisch bewältigt werden könne, wurde den Jesuiten-Zöglingen zur Gewißheit gemacht. Die unterste Ausbildungsstufe bildete das fünfjährige Gymnasium. Auf ihm wurden drei Jahre lang Grammatik (d. h. Latein und Grundlagen des Griechischen) gelehrt, dann Poetik und Rhetorik. Täglich übersetzten die Schüler ausgewählte, von allem Anstößigen gereinigte, klassische Texte. An den Alten wurden die Regeln der Grammatik, des Stils, der Texterzeugung illustriert, Cicero und Aristoteles dienten als Vorbilder, um die eigene mündliche wie schriftliche, lateinische wie deutsche Ausdrucks- und Argumentationsweise zu schulen. Das Erbe der Humanisten war in den Dienst einer gelehrten und redegewandten Frömmigkeit gestellt. Auf das Gymnasium folgte (an großen Jesuiten-Kollegien wie Mainz oder Würzburg im gleichen Haus) das Lyzeum: ein dreijähriger Philosophieunterricht, der das Universitätsstudium der Artes ersetzen sollte. Tatsächlich wurden neben Dialektik und Logik im ersten Jahr, Naturphilosophie („Physik“) im zweiten, Metaphysik im dritten auch Mathematik und Ethik als Nebenfächer unterrichtet. Hinzu kam, besonders wichtig für die Schönborn der dritten Generation, die Musik. Wer verschiedene Instrumente erlernen und gemeinsam musizieren durfte, öffnete sich Freiräume in dem streng geregelten Tagesablauf. Das Logikjahr sollte mit dem Bakkalauriatsexamen, der gesamte Kurs mit der Magisterpromotion abgeschlossen werden.247 In der Vollausbildung schloß sich als dritte Stufe ein vierjähriges Theologie-Studium an. Sogar dieses konnte an den großen Jesuiten-Kollegien absolviert werden, sodaß viele Jesuiten-Zöglinge niemals eine Universität besuchten. Und selbst wenn sie es taten – an den katholischen Universitäten hatten die Jesuiten die artistische und die theologische Fakultät fast überall übernommen. Um die humanistische und dadurch gefährlich weltlich gewordene Universität zu überwinden, sie wieder durch geistliche höhere Bildung zu ersetzen, waren die Jesuiten angetreten. Nur in den medizinischen und juristischen Fakultäten überdauerten Ansätze zu einem säkularen Denken – ein Grund, warum die Jurisprudenz ab dem späten 17. Jahrhundert in die Rolle einer Leitwissenschaft hineinwuchs, warum von ihr die Impulse für eine aufklärerische Umgestaltung der Universitäten ausgingen. Praktische Religiosität war den Schönborn-Kindern wie jedermann im Barockzeitalter von klein auf eingeprägt worden; an diese verinnerlichte Ritualfrömmig247

Seifert: Schulwesen, S. 318.

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B. Handlungsgründe

keit schlossen die Jesuiten an. Täglich war vor dem Unterricht die Frühmesse zu besuchen, an Sonn- und Feiertagen wurde die Schule ganz durch Festgottesdienste ersetzt, zu deren Gepränge die Schüler sei es musikalisch, sei es durch Prozessionen oder geistliches Theater beitrugen. Jedes Schuljahr begann mit Exerzitien, die in regelmäßigen Abständen wiederholt wurden. Sie bildeten die geistliche Grundlage der Gesellschaft Jesu. Früh wurde der Ordensnachwuchs dadurch in seinen Entscheidungen befestigt, bewußt aber auch die externe Schülerschar einbezogen.248 Ignatius hatte formuliert, wozu diese geistlichen Übungen dienten: „sich selbst zu überwinden und sein Leben zu ordnen, ohne sich durch irgendeine Neigung, die ungeordnet wäre, bestimmen zu lassen“.249 Vollkommen sollte man die eigenen Neigungen beherrschen lernen, das eigene Leben unter Kontrolle bringen. Doch nicht ein starkes Selbst war dazu nach Meinung des Ignatius in der Lage, im Gegenteil: Gerade aus dem Stolz auf eigene Leistungen erwuchsen die entsetzlichsten Sünden, gerade das Bewußtsein der eigenen Anlagen führte in den Abgrund der Gottesferne. Am Anfang der Exerzitien hatte daher ein Schock zu stehen: Die Schüler sollten erkennen, daß ihr eigenes Selbst einem gottgefälligen 248 Als Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn, die ältesten Brüder der dritten Schönborn-Generation, am 24. Februar 1690 im Collegium Germanicum in Rom eintrafen, wurden sie – offenbar als Teil des Aufnahmerituals – gleich am folgenden Tag zu geistlichen Exerzitien abgeordnet. Interessant ist der Ton, in dem Johann Philipp Franz in einer Nachschrift zu einem Brief seines Bruders darüber an die Mutter berichtet: „bitte uhmb genädige Verzeihung, das nicht ebenmeßig gleich mein[em] H[errn] bruder midt meinem underthänigen Schreibem aufgewardt allein [ . . . ] mißen wihr etwa in einer schiere firteil stundt in die speckkammer auff 3 tag welche wann vollendet so werden wihr danechst die Habitis ahnlegen [ . . . ]“ (Friedrich Karl und Johann Philipp Franz aus Rom an Sophie von Schönborn in Würzburg, 25. Februar 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). Eine „Speckkammer“ war eine Räucherkammer bzw. die Kammer, wo der geräucherte Speck aufbewahrt wurde. Im übertragenen Sinn bezeichnete man so Arreststuben und Karzer. Daß ihnen in den nächsten drei Tagen kräftig eingeheizt werden würde, wird hier mit einer gewissen Wurstigkeit vermerkt. Den gleichen Scherz treibt Friedrich Karl, wenn er am 4. März 1690 an seine Mutter schreibt: „Vergangenen letzeren mittwoch haben wir das erste mahl nachdem wir 3 doch fur her die geistliche exercitia gemacht hatten das erste mahl unser rothe Kleyder, und gekochte Krebs rök dan wir von Romanern nicht anderst genennet werden als Cambari cotti, ahngelegt, und dem völligen Collegio assocÿrt worden, in unsere örder, wie auch in der kirch als Canonici Cathedralis, oder dombherrn von tieser St Appollinars kirch, welche eben in dem rang ist als die zu wirtzbourg, installiret worden und unseren novitiat ahngetretten, gott der allmachtige gebe das wir diese Kleyder zu seinen ehren, und himlischen tragen, und unsere zeit in seynem himlisch wohlgefallen zu bringen damitt wir seynen göttlichen willen erfüllen unsern H. elteren und allen ahnverwandeten Gäntzliche Satisfaction geben, das alte auslöschen und emendiren können [ . . . ]“ (Friedrich Karl aus Rom an Sophie von Schönborn, 4. März 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). Von dem Empfinden, weichgekocht worden zu sein, leitet das Stoßgebet zurück zu dem, was die Exerzitien offenbar vermittelt haben und was vor der Mutter als Lernerfolg wiederholt wird – Wurstigkeit, Spott und identifikatorischer Eifer schlossen sich also keineswegs aus. Das „alte auslöschen und emendiren“ war offenkundig der Sinn der Exerzitien im Aufnahmeritual – und dies obwohl die beiden Kandidaten auch zuvor schon von Jesuiten erzogen worden waren. Umkehr und neue Initiation wurden mehrfach wiederholt. 249 Ignatius von Loyola: Exerzitien, §§ 21 und 23. Zum folgenden auch Walther: Abt Balthasars Mission, S. 242–248.

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Leben im Wege stand, daß es niedergerissen und überwunden werden mußte, um der göttlichen Verdammnis zu entgehen. Minutiös war ihr bisheriges Leben zu rekapitulieren, als Abfolge von Versagen und Schuld mußten sie es erkennen. Erst wer darüber in vollkommene Verzweiflung gestürzt war, erst wer sich, getrieben von Angst, Zerknirschung und Scham, als nichtswürdig erfahren hatte, fand durch den geistlichen Führer Hilfe, sein Leben neu zu ordnen. Das Mittel dazu war die Versenkung in die Geschichte Jesu. Mit der gleichen Anschaulichkeit, mit der sie sich ihr eigenes Leben als Weg in die Sünde und Hölle vor Augen geführt hatte, sollten sie sich jetzt das Leben des Erlösers vergegenwärtigen. All ihre Einbildungskraft war dabei gefordert, alle sinnlichen und intellektuellen Vermögen sollten sie dafür einsetzen. So nichtswürdig deren vormaliger Gebrauch gewesen sein mochte, so richtungslos sie durch das Niederreißen des Selbst geworden waren, im ergriffenen, visionären Nacherleben der Heilsgeschichte fanden sie Berechtigung, Ordnung, Sinn. Wer seine Begabung in den Dienst der Nachfolge stellte, so war in den Exerzitien zu lernen, der fand Erlösung vor Einsamkeit und Schuld – den Schrecken der Individuation. Befestigt wurde diese Erfahrung durch regelmäßige Gewissenserforschung und Beichte bei dem geistlichen Führer, ständigen Anreiz erhielt sie durch das Institut der Marianischen Kongregation, das die Jesuiten für ihre Schüler einrichteten. Dort aufgenommen zu werden, war eine Auszeichnung, die nur besonders begabten, besonders engagierten Schülern zuteil wurde. Unter Anleitung eines Paters traf man sich nach dem Unterricht, um zu beten, geistliche Bücher zu lesen, zusätzliche geistliche Übungen wie das Rosenkranzbeten oder Wallfahren auf sich zu nehmen, gute Werke zu vollbringen, indem man Kranke und Gefangene besuchte oder Bittgänge unternahm. Solch ostentative Nachfolge zahlte sich aus: Wer Mitglied der Kongregation wurde, gehörte bei Wallfahrten, Prozessionen, Gottesdiensten zu einer herausgehobenen Gruppe, bei der Feier von Marienfesten stand er im Mittelpunkt, Ablässe und Privilegien im Schulalltag waren ihm gewiß, wie die Jesuiten überhaupt die Lust an Konkurrenz und Überbietung förderten.250 Jedem Schüler war ein anderer als Rivale zugeordnet, der die Fehler des Konkurrenten anzuzeigen und zu verbessern hatte. Täglich waren in den Unterricht mündliche Wettkämpfe (concertationes) eingebaut, im Lyzeum traten an ihre Stelle die öffentlichen Disputationen. Alle Leistungen wurden öffentlich gemacht, Jahr um Jahr zeichnete man die besten Schüler durch Preise aus. Im Wettstreit um streng formalisierte Fähigkeiten und praktische Frömmigkeit fand die Jesuiten-Erziehung ihr Ziel. Hervorgehoben wurde, wer die Muster besonders weltgewandt beherrschte; ihm wurde die Überzeugung vermittelt, die Speerspitze des göttlichen Erlösungswerks auf Erden zu bilden. In diese dreistufige Ausbildung hatten die Aspiranten auf eine Kirchenkarriere ihre Residenzpflichten als Domizellare einzubauen. War die Aufschwörung im wesentlichen ein Geschäft der Erwachsenen gewesen: des Domherrn, der ihn 250

Engelbrecht: Geschichte, Bd. 2, S. 160 f.

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B. Handlungsgründe

nominiert hatte, des Kapitels, das ihn empfing, der Adjuranten, die für seinen Adel bürgten, des Notars, der den Vorgang protokollierte, so diente die Residenz einer wirklichen Eingewöhnung. In ihr sollte der Jungherr seine Pflichten und die Bräuche im Domkapitel kennenlernen, auch sich selbst dort einführen. Schließlich würden die anderen Domizellare, auch viele Kapitulare Jahrzehnte mit ihm verbringen müssen, eng mit ihm zusammenarbeiten, irgendwann aber auch auf das schärfste konkurrieren. Oft wurde die Residenz gleich nach der Aufschwörung geleistet, d. h. im Alter von neun bis zehn Jahren. Das hatte einmal den Sinn gehabt, die Knaben möglichst früh an die Domschulen zu holen; nur als Jungherren konnten sie überhaupt eine Schule besuchen. Im 17. und 18. Jahrhundert hatten die Domschulen diese Bildungsfunktion längst an die Jesuiten-Gymnasien verloren. Gezielt in Kathedralstädten waren diese gegründet worden, um Nachwuchs für die Geistlichkeit heranzuziehen. In der Praxis gingen die Jungherren seitdem bei den Jesuiten zur Schule, während sie ihre Residenz ableisteten. Da dies, je nachdem wieviele Pfründen ihre Familie ihnen verschafft hatte, in der Regel an mehreren Domkapiteln geschah, mußten sie die Schulen mehrmals wechseln – eine Mühe, die dadurch erleichtert wurde, daß die Jesuiten überall nach dem gleichen Lehrplan und mit den gleichen Lehrbüchern unterrichteten. Im Vergleich mit dem Zugriff durch die Jesuiten war die Residenz als Domizellar eine leichte Bürde. Die Jungherren unterstanden dem Domscholaster:251 einem milden Kapitularen, nicht selten ein Verwandter, der den eigentlichen Schulmeister beaufsichtigte, wenn dieser mit ihnen Kniebeugen übte und das Brevierbeten, das Chorrocktragen und wie man sich in den verschiedenen Gottesdiensten zu benehmen hatte.252 Für Disziplin waren bei adligen Zöglingen ohnedies die Hofmeister zuständig,253 auch an den Jesuiten-Gymnasien blieben die meist jungen Lehrer 251 „Die adeliche Jugend, nachdem sie zu der Zahl der Domicellaren und neu antretenden Geistlichen angenommen und eingeschrieben ware, stunde solang unter dem Gehorsam und Obsicht des Domscholasters, sowohl was die zu erlernende Wissenschaften, als die Sitten betrafe, biß sie ihre Studien vollbracht hatte [ . . . ]“ (Salver: Proben, S. 162); vgl. Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 185 und S. 188. 252 Leider sind erst die Residenzen der dritten Schönborn-Generation durch Briefe und Rechnungen dicht überliefert; Josef Friedrich Abert hat sie in einer schönen Miniatur dargestellt (Abert: Jugendzeit). Es dürfte aber nicht ungewöhnlich gewesen sein, daß als erstes Breviere und Talare beschafft werden mußten und der Umgang damit zu üben war (ebd., S. 13 f.). 253 So berichtet der Hauslehrer von Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn an deren Vater: „nach dem mittag mahl wurd ich von dem H. Von Stadion [= Georg Heinrich von Stadion, der damalige Würzburger Domdechant, J.S.] beruffen, so mihr meine obligation und function scharff zu gewißen geführt, eine bequemliche regul Von puncten zu puncten die Jungen Herrn zu tractiren dictirt, welche gehorsahmbst amplectirt und fleisig nach zu kommen versprochen und verspreche.“ Heinrich Humbert aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn in Aschaffenburg, 15. November 1687 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864). Hier wie mit den Jesuiten hatten die Hauslehrer zu kooperieren, die Hausaufgaben zu kontrollieren, schwierige Lektionen zu üben und zu vertiefen.

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vom Strafen entlastet. Die Pflichten der Residenten waren gering. Verlangt wurde, daß sie sechs bis zwölf Monate ununterbrochen in der Kathedralstadt anwesend waren254 und dabei täglich im Domchor an wenigstens einem Stundengebet oder der Messe teilnahmen.255 Da die Kapitulare nicht zusammen lebten, wurde dies auch von den Domizellaren nicht verlangt. Sie logierten entweder bei den Jesuiten im Internat, als Gast bei einem Kapitular, der ihrer Familie verbunden war, bei Verwandten oder zur Untermiete. Vorstellungen und Antrittsbesuche spielten eine große Rolle, beim Ballspiel und Kegeln lernte man die Chorbrüder besser kennen.256 Prägend wirkte ein solcher Aufenthalt kaum, dafür war er zu locker und zu kurz. Man erkennt auch hier, welchen Mängeln die Jesuiten-Gymnasien abhalfen. Allerdings sollte es bei der ersten Residenz nicht bleiben.Vorgesehen war durchaus, daß die Domizellare danach andernorts weitere Residenzen ableisteten, ferner für eine gewisse Zeit (vorgesehen waren meist zwei Jahre) eine Universität bzw. ein Jesuiten-Kolleg besuchten.257 Im Anschluß aber würde schon ihr Interesse an 254 In einem Dekret vom 23. Februar 1667 hat das Würzburger Domkapitel diese Anwesenheit folgendermaßen geregelt: „[ . . . ] soviehl der Domicellarn Erste Residentz, oder Auch der DhumbCapitularherrn oder Domicellarherrn, wan sie absentes Einmahl wordten, oder de facto weren, oder würdten vndt Jhre Andere, dritte, oder Virte Residentien reassumiren da Ist, vnndt verbleib[en] solche Continua dergestalt, vndt mit deütlichen Verstandt, daß Kein Herr Einige Nacht aus der Statt, wan er Anderst seine Residentz nit interrumpiren will, verbleiben, oder pernoctiren sollte, oder Könne, sondern 26 Wochen 1 Tag Aneinander in der statt sein müßen [ . . . ]“ (ByStAWü, WU 84 / 146 und Standbuch Nr. 9, fol. 141v–142v). In Mainz dagegen wurde eine Residenz von einem Jahr verlangt, allerdings konnten anderwärtig verbrachte Residenzen teilweise angerechnet werden (Rauch: Mainzer Domkapitel, Teil I, S. 188). 255 „[ . . . ] weihlen zugleich Ein Herr deß tagß Einmahl in die Kirchen zukommen mit der maaß verbunden, daß Ihme sonst beÿ der Pforten, Vnndt Præsentz, für solchem tag die verdinst abgezochen werden: Jedoch das dieser tag dan versaumbten Kirchen, Eß seien nun dieser, Einer oder mehrer Jhnen [= den Domizellaren, J.S.] an Vnderbrechung, oder Interruption der Residentz nit, schädlich oder nachtheilig sein sollen, sondern diesem oder mehrern Wiegesagt, verabsaumbten tag: hernach zu Complirung der Residentz wiederumb müßen Ersetzet vnndt Ergäntzet werden [ . . . ]“ (a. a. O.). Schon Johann Philipp von Schönborn hatte sich veranlaßt gesehen, 1650 in Würzburg ein Statut anzuregen, um „den acatholisch[en], so ohne daß ein vleißiges, vndt wachtbahres aug, auff die Catholische christliche tragen, kein bößes exempel, oder scandalum in modo viuendi zugeben, viehlweniger demm Zorn Gottes über vnß weitters zuerweckhen, welcher durch bößes leben über vns prouocirt wirdt“ und darin auch den Domkapitularen ihre Pflicht zum täglichen Erscheinen im Domchor eingeschärft: „[ . . . ] weil beÿ den Domicellaren, welche Entweder in studÿs oder nimmer in studÿs die inspection der oberen vndt deren Disciplin daß beste mittell, also daß so wohl in bonis morib[us]; als lectione horarum Canonicarum, in täglicher Ersuchung der Kirchen, Jhres christlichen beruffs, vndt standts haltung, beÿnebenß in studÿs wohl zu informiren, vndt darzu anzuweißen, damit dieselbe heüth oder morgen, der Kirchen nützlichen dienen, vndt Jhrer vocation gemeß leben, vndt als stiefft sich deren, alß nachuolgendter Capitum, vndt membrorum verfreÿlich zugetrösten; [ . . . ]“ (ByStAWü, WU 84 / 145 und Standbuch Nr. 9, fol. 136v–138) 256 Abert: Jugendzeit, S. 19. 257 Auch dies war durch Statuten geregelt, in Würzburg etwa durch eine „Jnstructio noua et correcta Anno i652“ (ByStAWü, HV MS f. 234): „Ein Jeder Junger Domicellar des domb-

16 Süßmann

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B. Handlungsgründe

einem Einkommen sie wieder zurückbringen, kamen doch nur die Domizellare vor Ort in den Genuß der Präsenzgelder und zahlreicher weiterer Vergünstigungen. Auch mußte sich für die Selbstverwaltung des Domkapitels und seiner Besitzungen engagieren, wer über die Ämterlaufbahn aufsteigen wollte. Die erste Residenz war also lediglich ein Einstieg, viele weitere, kürzere und längere Aufenthalte hatten zu folgen. Nur vor diesem Hintergrund ist das Ritual zu verstehen, mit dem die Domizellare aus der Aufsicht des Domscholasters entlassen wurden: die sogenannte Emanzipation.258 Sie fand oft lange nach der ersten Residenz statt, in Würzburg z. B. erst, wenn fünfzehn weitere Domizellare Präbenden übernommen hatten. Entscheidend war der Rang, der durch das Dienstalter erworben worden war, nicht ein formaler Bildungsabschluß. Knieend mußte der Emanzipand den Domscholaster stifts zu Würzburg so sich ûf eine Vniversitet ad studia begeben will, ist vermög des Stifts statuten nachfolgendten puncta sub poena supensionis zu halten schuldig, Nemblichen vnd. Fürs Erste. das Er sich intra illud Tempus, so ihme von dem herrn dombdechandt, oder einem Ehrwürdtigen dombCapitl ad Jtineris Confectionem præfigirt, vnd angesezt, ad locum studÿ verfüge, nisi legitimum impedimentum das Er in solcher Zeith dahin nicht gelangen könte, illi acciderit. Fürs Andere. da Er ahn das selbig orth gelangt, soll Er den nechsten â Rectore Vniversitatis sich in matriculam einschreiben, vndt deßwegen Rvdissimo Capitula Ein Testimonium zu kommen laßen. Fürs dritte p. die weil in der nechsten Reformation Cleri, auch vnder anderem versehen, was maßen sich die Junge dombherrn in ihren studÿs verhalten sollen, So ist dahero ein Jeder alle Jahr seines verhaltens vnd studirens â suis Præceptorib[us], seu superiorib[us] Academiæ wohlbedachtem Einem Ehrw: dombCapitl ein Testimonium zu vberschickhen schuldig. Zum Vierten p da Er sich von derselben Vniversitet uf eine andere begeben würde, mus Er Ratione discessus a dictis Superiorib[us] deßen Ein Vrkundt begehren, vndt dieselbig neben dem Testimonio Jmmatriucla[tion]is alteri[us] Academiæ, uf welche Er sich begibt, gleichfals Rdissimo Capitulo zue senden, wie auch, da etwan sterbens, oder kriegs leüften einfielen, Er Zu thuen schuldig ist, dan sonsten, das [sic] Es verbleiben, vnd nicht geschehen solte, werdten ihm die fruct[us] præbenda ûfgehoben, vnd wirdt Er dardurch nicht allein suspensus, sondern auch Absens, bis weilen aber von dem Orth da Er studiret, recreandi animi causa Städt, vndt ländter zu besichtigen, sich ûf etliche wochen zu absentiren, ist ihme ohne gefahr, es wirdt ihme aber verbodten contra statuta Ecclesiæ Herb: et R.dissimum Capitulum, nec Romæ aut alibi nichts zu impetriren, vnd aus zu bringen, nec Jmpetratis uti. p So auch Ein Junger dombherr sich ex Academia Germanicâ ad Exteras Nationes, als in Jtaliam, franckhreich begeben wolt, mus Er wie oben gemelt, ratione discessus Ein Testimonium, das mit gutem willen, vnd nahmen, von dem einem Orth Er Abreÿse, dan hingegen, wo Er in franckhreich, Jtaliam, oder Hispaniam, uf eine andere Vniversitet anlangt, Ebenmeßig ein Testimonium aliud novum Jmmatriculationis ibidem factæ, vnderthenig Capitulo Einschickhen, vnd ist vnnöthig, das Er deßwegen zuvor widerumb anhero Raÿse vnd petire, sondern Rectâ von einer Vniversitet ûf die andere servatis prædictis Raÿsen möge.p.“ 258 „Und forderte es alsdann Zeit, Alter und Rang, und zehlten 15 Domicellaren nach sich, so wurden sie gleichsam von der Schule freygesprochen, und dem Gehorsam des Herrn Domdechants unterworfen [statt dem des Domscholasters, J.S.]; Diese Freysprechung, die man die Emancipation nannte, und den Namen von den Römern erborgte, geschahe nach der Gewohnheit der Domstiftern mit verschiedener Feyerlichkeit, um gleichsam ihren noch zarten Gemütern das Andenken ihrer Lehrjahren, und der in selben erhaltenen Känntnisse sowohl in Wissenschaften als guten Sitten einzudrucken. Welche hohe Würde alleinig von einem zeitlichen Bischofe vergeben wird.“ (Salver: Proben, S. 162 f.).

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um Freisprechung bitten, erst nach zwei symbolischen Hieben bekam er sie gewährt – nicht ohne danach im Spalier der rangniederen Domizellare noch Spießruten laufen zu müssen.259 Das zeigt, daß der Domscholaster das Recht besessen haben muß, die Jungherren körperlich zu strafen, ja daß Schlagen und Geschlagen-Werden einmal Mittel domkapitularer Vergemeinschaftung war.260 Als klassischer Männerbund gibt das Domkapitel sich durch sein Freisprechungsritual zu erkennen. An diesen Rahmenbedingungen hat sich für die dritte Schönborn-Generation nur an zwei Stellen etwas geändert: am Anfang und am Ende. Statt in Steinheim erlebte sie ihre Kinderjahre in Aschaffenburg, wo ihr Vater Melchior Friedrich das Amt des Mainzer Vizedoms wahrnahm, in das er 1672 von seinem Onkel Johann 259 Nach einer Frühmesse im Kreis der noch nicht emanzipierten Domizellare begab man sich zur Domschule in den Kreuzgang der Kathedrale. „Da angelangt, setzte sich der Scholastikus auf einen einige Stufen erhöhten Sitz, bis zu demselben hin bildeten die anwesenden Domizellare eine Doppelreihe, der Schulmeister in sonntäglichem Anzug bot hierauf dem Scholastikus und jedem Domizellare eine am Griff roth umbundene Birkenruthe, und der Emanzipand, der sich inzwischen in einem Nebengemache bis auf die Beinkleider gänzlich entkleidet hatte, trat mit 2 kreuzweise über die Brust gehaltenen größern und an ihrem Griff gleichfalls roth umbundenen Birkenruthen, die sich über die Schultern nach dem Rücken hin umbogen, in Begleitung zweier dazu erbetenen Zeugen (stets Vikare) durch die aufgestellte Doppelreihe seiner Mitbrüder vor dem Scholastikus. Hier kniete er sich auf die mit einem Teppiche belegten Stuffen dessen Sitzes und beantwortete die an ihn gestellte Frage: ,Quid petis?‘ mit den Worten: ,Peto emancipationem‘; wornach der Scholastikus ihm mittelst der in Händen habenden Birkenruthe die beiden Schulterseiten unter dem Ausspruche berührte: ,Ego te emancipo in nomine patris et filii et spiritus sancti, amen.‘ Alsdann erhob sich der Emancipirte, bezeugte mit einer Verbeugung gegen den Scholastikus seinen Dank, und repassirte die Reihe seiner Mitdomizellare, deren jeder ihm im Durchgehen einen leichten Hieb ertheilte. Im Nebengemach legte er sofort die vordem angehabten Chorkleider wieder an, und wurde bei seiner Rückkunft zu den Versammelten unter dreimaligem Vivatrufe der Domschuljugend von seinen Chorbrüdern beglückwünschend empfangen.“ Es folgte ein üppiges Frühstück im Kapitelhaus mit Zeugen und Gästen, das nicht weniger als hundert Reichstaler kosten durfte (Anonym: Erläuterung, S. 138). In einer Anmerkung weist der Herausgeber darauf hin, daß der „Herr Verfasser des obigen Aufsatzs, ein hochverehrtes Ehrenmitglied des historischen Vereins“, eine solche Emanzipation persönlich durchlaufen hat. Es handelte sich also um ein Mitglied des Würzburger Domkapitels, das sich lange nach der Säkularisation an untergegangene Bräuche erinnerte. Der Text wurde 1838 veröffentlicht, die Emanzipation habe unter dem Domscholaster Karl Theodor von Dalberg stattgefunden, als dieser „auch schon Koadjutor von Mainz, Worms und Konstanz war“. Sie muß also vor dem Jahr 1800 stattgefunden haben, in dem Dalberg Fürstbischof von Konstanz wurde. 260 Als das Ritual um 1800 entschärft werden sollte, äußerten die älteren Domherren Bedenken, weil sie es „als eine Schutzwehre“ ansahen, „wodurch die Prinzen aus großen Regenthäusern abgehalten werden dürften, sich in die Stifte einzudrängen“ (Anonym: Erläuterung, S. 139). Bestätigt wird dies durch eine Information, die David Hume auf einer Reise durch Würzburg aufgeschnappt hat: „The Bishop of Wurtzburg is chosen from amongst the Cannons, who have a very good Artifice to exclude Princes. Tis a Rule, that every one at entring shall receive a very hearty drubbing from the rest: A Brother of the Elector of Bavaria offerd a Million of Florins to be exempted from the Ceremony, & could not prevail.“ (David Hume an John Home of Ninewells, Würzburg 30. März 1748. In Hume: Letters, Bd. 1, S. 124).

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Philipp berufen worden war.261 Eine weitere Stufe war die Familie damit aufgestiegen: Mit der Erfurter Statthalterei bildete das Aschaffenburger Vizedomamt den ranghöchsten und einträglichsten Posten, der in der kurmainzer Provinzverwaltung (und damit einigermaßen unabhängig von den Wechselfällen bei Hofe) zu vergeben war.262 Einhundert Jahre lang: bis 1772, wurde das Amt von einem Schönborn an den nächsten weitergereicht; nach Aschaffenburg verlagerte sich daher der Lebensmittelpunkt des weltlichen Familienkerns. Bald nachdem er das Amt übernommen hatte, ließ Melchior Friedrich an exponierter Stelle den prächtigsten Adelshof errichten, den die Stadt bis dahin gesehen hatte:263 Die Straße über die Mainbrücke – Keimzelle und Magistrale der Stadt – lief direkt darauf zu. Selbst das kurfürstliche Schloß rückte damit städtebaulich an die Peripherie. Unmißverständlich signalisierte die Familie ihren Herrschaftsanspruch über die zweite Residenzstadt des Kurfürstentums. Städtischer verlief dadurch die Sozialisation der dritten Schönborn-Generation, formeller als die ihres Vaters und seiner Geschwister im kleinen Steinheim, auch prätentiöser. Etiquette zwang ein Gebäude wie der Schönborner Hof in Aschaffenburg seinen Bewohnern auf. Weit weniger blieben die Kinder sich selbst überlassen – mit dem Rang der Ämter, der Vielzahl von Funktionen beschäftigte der Vater auch mehr Sekretäre; von ihnen dürften die Kinder schon früh Privatunterricht erhalten haben.264 Sie zu fördern, gab es in Aschaffenburg zahlreiche Möglichkeiten. Da war das Jesuiten-Gymnasium, das die Söhne unweigerlich besuchten mit seiner Bibliothek, den Theateraufführungen, den eloquenten Predigern. Da war das alte Stift St. Peter und Alexander, in dessen Kirche die prachtvollen Altäre und Grabmäler einander überboten. Hier bekam man die aufwühlenden Predigten des Stiftsherrn Johann Jakob Senft zu hören: eines charismatischer Seelsorgers, der, am Collegium Germanicum der Jesuiten in Rom ausgebildet, in späteren Jahren zum Weihbischof von Thüringen ernannt wurde, wo er rücksichtslos für die Sittenstrenge des Klerus kämpfte.265 Ihm könnte die religiöse Früherziehung der Schönborn-Kinder oblegen haben, seiner Lenkung jedenfalls wurden 1689 die Studien der beiden ältesten Söhne anvertraut, als diese nach den Residenzen in Würzburg und Mainz in Aschaffenburg das Lyzeum besuchten.266 Senft war es offenbar Dazu ausführlich Domarus: Vizedomamt. Christ: Erzstift, S. 46–50, 84–86, 112–120; ders.: Aschaffenburg, S. 63–66. 263 Mader: Kunstdenkmäler, S. 298–302. 264 Als die ältesten Söhne Johann Philipp Franz und Friedrich Karl ihr Elternhaus verließen, um in Würzburg die Residenz als Domizellare anzutreten, kauften sie als erstes vier Kalender, die sie „auff Asschaffenb. [sic] Geschikt für den H. præceptor und Herrn christian“ (Abrechnung des Hofmeisters Heinrich Humbert, Würzburg 17. Dezember 1687. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864). Christian Schad war einer der engsten Sekretäre Melchior Friedrichs – zu ihm wie zu einem namentlich nicht identifizierbaren eigenen Hauslehrer gab es offenbar eine innere Bindung. 265 Zu ihm s. Raab: Informativprozeß; Jürgensmeier: [Artikel] Senfft, Johann Jakob. 266 Abert: Jugendjahre, S. 25. 261 262

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auch, der sie auf die Idee brachte, ihre Studien am Germanicum in Rom zu vollenden. Mit Auskünften, die nur von ihm stammen konnten, bedrängten sie ihre Eltern und den Onkel Lothar Franz, der Bitte zu willfahren.267 Das ist die zweite eklatante Änderung, die sich in den Werdegängen zeigt. Hatte an den Jesuiten-Gymnasien kein Weg vorbei geführt, die Wahl der Universitäten verrät, woran den Schönborn gelegen war. Johann Philipp und Philipp Erwein, die Weichensteller der ersten Generation, hatten in den 1620er Jahren zusammen in Orleans und Siena studiert.268 Um Theologie war es dort nicht gegangen. Zwar wurden auch in Orleans die Artes von den Jesuiten gelehrt, doch das Fach, auf das die Brüder zielten, war die Jurisprudenz. Juristische Studien bescheinigen ihnen die Zeugnisse, die sie aus Würzburg und Siena dem Domkapitel vorlegten. Dabei folgten der junge Stiftsgeistliche und sein Bruder den Gepflogenheiten des Standes.269 Um Weltläufigkeit und Weltklugheit war es ihnen zu tun. Ersterem diente das Erlernen der modernen Sprachen. Vor allem Französisch: das Distinktionsmittel des Adels und der Höfe, mußte perfekt beherrscht werden; um mit Rom und der Kurie zu kommunizieren, war gutes Italienisch vonnöten. Außerdem hatte man seinem Auftreten als Kavalier Schliff zu verleihen, hatte man die richtige Kleidung, die richtige Frisur, das richtige Benehmen zu kennen – in dieses adlig-höfische Bildungsideal fügte die Jurisprudenz sich ein. Auch für die zweite Schönborn-Generation behielt es an Geltung. Als Leibniz 1673 für den Sohn seines Gönners Boineburg den Arbeitsplan für einen Studienaufenthalt im Ausland aufstellte, nannte er Französisch, Latein, Mathematik, Tanzen, Fechten, Geschichte, Geographie, Gitarre und den Besuch der Komödie;270 die Konversation bei Visiten sei „der gröste Nuz so man von Paris haben kann“.271 Deutlicher strenger, aber nicht weniger weltlich ist das „Reglement“, das Melchior Friedrich 1699 für den Universitätsaufenthalt seines Sohns Anselm Franz verfaßte:272 Die juristischen Studien stehen dort im Mittelpunkt, sie sollen mit aller Ernsthaftigkeit betrieben werden, umrahmt aber vom Französischen und der Musik. Nun waren weder Philipp Wilhelm von Boineburg noch Anselm Franz von Schönborn für die geistliche Laufbahn ausersehen. Das Hofmann-Ideal aber, dem ihre Väter in diesen Vorgaben folgten, hatte offensichtlich mit deren Erziehung auch die ihrer geistlichen Brüder bestimmt. Franz Georg von Schönborn beispielsweise, den Erstgeborenen und großen Hoffnungstrager der zweiten Familiengeneration, ließen Vater und Onkel 1654–56 in Paris studieren.273 Augenscheinlich erAbert: Jugendjahre, S. 26. Jürgensmeier: Johann Philipp (a), S. 19–22. Daraus die folgenden Angaben. 269 Borchardt: Universitätsstudium, S. 156–159 und 168. 270 Stundenplan für Philipp Wilhelm von Boineburg, März (?) 1663 (Leibniz: SSB I / 1, S. 332 f.); vgl. Schröcker: Jungen Jahre, S. 253 f. mit Anm. 15. 271 Leibniz an Jakob Münch, Herbst 1673 (Leibniz: SSB I / 1, S. 369–373, hier: S. 370). 272 SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 870; in Teilen gedruckt bei Abert: Jugendjahre, S. 10 f. 273 Jürgensmeier: Lothar Franz, S. 105. 267 268

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achteten sie es für die angestrebte Stiftskarriere für vorteilhafter, wenn der junge Mann die französische Hauptstadt kennenlernte und den Hof nach dem Scheitern der Fronde – war Frankreich doch bis dahin der wichtigste Bündnispartner für Johann Philipps Reichspolitik gewesen. Mit einem Kardinal Mazarin verkehren zu können, ihn zu kennen und ihm gewachsen zu sein, wenn es galt mit französischer Hilfe den Kaiser im Reich in Schach zu halten, das war die Qualifikation, die ein Schönborn der zweiten Generation erwerben sollte. Nach den Erfahrungen, die man dann mit dem persönlichen Regiment Ludwigs XIV. machte, änderte sich die politische Orientierung der Schönborn. Aus der wichtigesten Garantiemacht der westfälischen Friedensordnung verwandelte Frankreich sich in eine Bedrohung auch für die kleinen Reichsstände; empfindlich schränkte dies die Bündnisoptionen der Reichspartei ein. Der jüngste Sohn aus der zweiten Familiengeneration wurde nicht mehr nach Paris geschickt; stattdessen besuchte er 1675–76 in Wien die Universität.274 Jetzt mußte sich am Kaiserhof orientieren, wer in der Reichskirche vorankommen wollte. An der Kavaliersbildung der jungen Stiftsgeistlichen änderte dies nichts. Auch Lothar Franz hat in Wien nach dem obligaten Grundstudium bei den Jesuiten die Rechte studiert. Von den sieben Söhnen der dritten Familiengeneration dagegen studierten vier am Collegium Germanicum in Rom.275 Hatten die Schönborn ihre Orientierung weiter verändert? Waren sie unter dem steten Einfluß der Jesuiten klerikal geworden? Zwei Umstände zeigen, daß davon keine Rede sein kann. Zum einen hatte das Germanicum sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts allmählich in eine „Adelsanstalt“ verwandelt.276 Nicht mehr nur Priester und Missionare für das umkämpfte Reich wollte man dort heranziehen, vielmehr ging es zunehmend darum, den adligen Führungsnachwuchs zu formen. Dafür nahm man eine gewisse Verweltlichung in Kauf. Der wissenschaftliche Anspruch wurde reduziert; anstelle von Dogmatik und Exegese lehrte man Kirchenrecht; kräftig wurde für das Fortkommen der Alumni gesorgt. Das Germanicum entwickelte sich zur Kaderschmiede für die Reichskirche: Wer in ihr Karriere machen wollte, durfte die dort vermittelten Chancen und Bekanntschaften nicht ignorieren. Zum anderen haben die Schönborn sich mit dem Germanicum nicht begnügt. Alle Söhne, die ihre Studienjahre dort absolviert hatten, wurden anschließend auf eine Kavalierstour geschickt – das erste Brüderpaar u. a. nach Paris, wo es noch 274 Schröcker: Jungen Jahre, S. 255; vgl. Jürgensmeier: Lothar Franz, S. 107 f., der als erster auf die politischen Implikationen dieser Universitätswahl hingewiesen hat. 275 Nämlich Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von 1690 bis 1693, Damian Hugo und Rudolf Franz Erwein von Schönborn von 1693 bis 1696. Schmidt verzeichnet sie in seiner Liste der Germaniker und nennt die Matrikelnummern, unter denen sie sich von den Jesuiten eingeschrieben wurden: 1 / 2773, 1 / 2774, 1 / 2856, 1 / 2857 (Schmidt: Collegium Germanicum, S. 297). 276 So Wolfgang Reinhard in seiner Einführung zu Schmidt: Collegium Germanicum, S. XIV. Das Folgende nach den Ergebnissen dieser Studie. Ebenso Borchardt: Universitätsstudium, S. 168.

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einmal juristische Vorlesungen besuchte;277 das zweite in Ergänzung seines bisherigen Studiums an die Universität Leiden.278 Auch alle jüngeren Söhne haben dort studiert.279 Wo wurde damals eine bessere Einführung in das Reichsrecht geboten? Protestantische Universitäten im Reich kamen für den Schönborn-Nachwuchs nicht infrage. Ohnhin begannen die Errungenschaften Hermann Conrings sich dort auch gerade erst durchzusetzen. Leiden war da weiter: Für Studierende aller Konfessionen aus dem Reich hatte man dort Professuren geschaffen, an denen eine fortschrittliche Darstellung der Materie zu hören war.280 Wenn schon die konfessionelle Festigkeit nach einer vollständig durchlaufenen Jesuiten-Erziehung über alle Zweifel erhaben war, konnte man die jungen Männer auch ins Ausland schicken, damit sie richtig gute Rechtswissenschaft lernten. Im Vergleich mit ihren Vorfahren hat sich die Studienzeit dieser Schönborn dadurch fast verdoppelt. Und nicht nur quantitativ gewann die Hochschulausbildung an Gewicht. In Leiden saßen die angesehendsten Juristen Europas: Bei Hugo Grotius hörten die jungen Schönborn Völker- und Naturrecht;281 neben dem Reichsrecht wurden Zivil- und Handelsrecht studiert.282 Direkt nach Leiden, ohne Studium in Rom, gingen die jüngeren Söhne Anselm Franz und Franz Georg – auch die Schönborn der dritten Generation erwarben ihre entscheidenden Verfahrenskenntnisse also in der Jurisprudenz. Für Friedrich Karl wurde die Juristerei nachgerade zur Leidenschaft. In Amt und Würden gelangt, förderten alle Schönborn, die das Germanicum besucht hatten, an ihren Landesuniversitäten nicht die Jesuiten und die Theologie, vielmehr stutzten sie deren Dominanz zugunsten von Jurisprudenz und Geschichte zurück. So unmißverständlich ihr Studium an Germanicum und Universität Leiden die Schönborn der dritten Generation als Elite und künftige Führungskräfte auswies, ganz außergewöhnlich war es nicht. Durchaus lassen sich im rheinfränkischen Domarus: Kirchenfürsten, S. 114 und 159. Zobeley: Musikpflege, S. 13; Domarus: Rudolf Franz Erwein, S. 20. 279 Domarus: Marquard Wilhelm, S. 33–37. 280 Zur Bedeutung der Jurisprudenz in Leiden s. Schneppen: Universitäten, S. 54 f. und S. 98–105; Otterspeer: Groepsportret, Bd. 2, S. 73; Hammerstein: Jus, S. 105. Kritik an dem Ansehen, das die Leidener Rechtsprofessoren dadurch bei dem katholischen Adel im Reich gewonnen hatten, übt dreißig Jahre später, als die Errungenschaften längst Gemeingut geworden waren, Johann Jakob Moser: „Vitriarius hörte Böcklern, [ . . . ] wurde hernach Professor zu Leyden, allwo er und sein noch lebender nun auch zu Leyden docirender Herr Sohn wegen ihrer Wissenschaft in Jure publico in solcher Reputation resp. gestanden und noch stehen, daß mich ein fürnehmer Kayserlicher noch lebender Minister [= Friedrich Karl von Schönborn?, J.S.] versichert, wann ein Oesterreichischer Cavalier den Vitriarium gehört habe, so habe er in Oesterreich schon die Praesumption für sich, daß er was verstehe und wann er hingegen Vitriarium nicht gehöret habe, so habe er die Praesumption wider sich, ob er auch noch so geschickt wäre.“ (Moser: Bibliotheca, Bd. 1, S. 6; zitiert nach Schneppen: Universitäten, S. 55). 281 Von Rudolf Franz Erwein soll es in Pommersfelden ein Kollegheft mit der Mitschrift von Grotius’ Vorlesung „De pace et bello“ geben (Zobeley: Musikpflege, S. 13); der Verfasser erhielt keine Genehmigung, es einzusehen. 282 Domarus: Rudolf Franz Erwein, S. 20. 277 278

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Stiftsadel vergleichbare Bildungsgänge finden. Nicht die äußeren Stationen unterschieden die Schönborn von ihren Konkurrenten, man wird nach dem Geist fragen müssen, in dem sie studierten. Dafür liegt mit den Korrespondenzen zwischen Eltern, Hofmeistern und Kindern erst für die dritte Generation eine dichte Überlieferung vor. Diese aber ist sprechend genug; auch läßt sie über die Eltern Melchior Friedrich und Maria Sophie Rückschlüsse auf den Einfluß von deren Vätern und Mentoren zu. Von den Vätern muß dabei zuerst die Rede sein, denn Erziehung bei den Schönborn war streng patriarchal.283 Der elterliche Wille, vor allem der des Vaters, stand dem göttlichen so nahe, daß beide oft in einem Atemzug genannt wurden.284 Mit der gesamten Autorität der eingeschliffenen Ritualfrömmigkeit war die elterliche Stellung assoziiert,285 Auflehnung dagegen so undenkbar wie Kritik. Für seine So schon Abert: Jugendjahre, S. 9 f. und Schröcker: Jungen Jahre, S. 253. Z. B. „postremas nobis â gratiosissimo Domino parente Datas admonitiones, ut sincero obedientique convenit filio; submisissime expleturus eum, et ita quidem ut Gratiosissimo Domino parenti servitio, et omnibus et gaudio et honori esse possim, hisce Gratiosissimum Dominum parentem Tutelæ altissimi, me veˆro celsissimæ gratiosissimi Domini parentis gratiæ recommendatum et rogo et obsecro [ . . . ]“ (Johann Philipp Franz aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn in Aschaffenburg, 15. November 1687. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864). Die Wahl des Lateinischen sollte dem Vater wohl die Fortschritte in dieser Sprache dokumentieren. Sie führte aber auch dazu, daß durch die verwendeten Floskeln aus dem religiösen Sprachschatz „der gnädigste Herr Vater“ mit dem himmlischen Vater praktisch identisch wird. Zugleich verwandelt es den Ausdruck völliger Zerknirschung (der Sohn antwortet auf ein briefliches Donnerwetter des Vaters) in eine lateinische Stilübung – gerade die Formelhaftigkeit dieses Lateins ermöglichte, die verlangte Entschuldigung zu rhetorisieren. Was der Sohn wirklich empfunden haben mag, spielt angesichts der Formvollendung keine Rolle. „[ . . . ] gott der allmachtige gebe das wir [ . . . ] unsere zeit in seynem himlisch wohlgefallen zu bringen damitt wir seynen göttlichen willen erfüllen unsern H. elteren und allen ahnverwandeten Gäntzliche Satisfaction geben [ . . . ]“ (Friedrich Karl aus Rom an Sophie von Schönborn, 4. März 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). « [ . . . ] ie me Laisseray aisement [Textverlust! Möglicherweise: convaincre et] ne vous demande que des actions conformes a la volonté de Dieu et d’un Pere qui a des sentiments pour vous sans reproches [ . . . ] » (Abschrift eines Briefs des Melchior Friedrich an Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn in Rom, 9. [?] Juni 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). Die Beispiele ließen sich mehren. 285 Daß dies auch für die Mutter galt, belegen nicht nur die respektvollen Briefe an sie, es wurde auch von Außenstehenden vermerkt. So äußerte ein enger Vertrauter der Familie: Gottfried Bessel, der Abt von Göttweig, „mehrmalen“ zu Johann Jakob Moser: „Wann er den Segen des vierten Gebots jemals sichtbarlich erblickt habe, so sei es in der Schönborn’schen Familie gewesen; denn alle Herren Söhne haben, da sie schon in den größten Würden gestanden, gegen ihre Frau Mutter einen solchen Respekt bezeugt, dergleichen nicht leicht Privat=Eltern von ihren Kindern zu gewarten haben, und sei mit Erstaunen anzusehen gewesen, wie, wenn die Frau Mutter in das Zimmer getreten, alles in einer solchen Ehrfurcht sich bezeuget habe, als wenn sie Kinder gewesen wären, die noch unter der Ruthe stehen und er habe das zeitliche Glück dieser Herren großentheils mit solchem ihrem Gehorsam gegen die Frau Mutter zugeschrieben.“ (Schmid: Leben, S. 29 f., Anm., im Anschluß an Moser: Lebens=Geschichte). Was im Barock im Verhältnis zwischen adligen Eltern und Kindern üblich war, wurde von den Schönborn also offenbar deutlich überboten! 283 284

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Kinder kam der Vater gleich nach Gott. Als „Jllustrissime Generosissime Gratiosissime D. Domine“ oder „Hochwohlgebohrner Freÿherr, Aller genædigster Herr Vatter“ redeten sie ihn in ihren Briefen an, „midt allen [sic!] erdencklichen Respect“ unterschreiben sie als „úhnwúrdigeß kindt“.286 Auch gab er sich wie Gott: genau, streng, allwissend, fürchterlich in seinem Zorn, unerbittlich in seinen Forderungen und Strafen. Noch wenn die Söhne aus dem Haus gingen, um Residenzpflichten zu erfüllen oder Internatschulen zu besuchen, ließ er sie wöchentlich berichten; auch die eigens dafür bestellten Begleiter hatten beständig zu rapportieren. Unvermeidlich beschwor jede gemeldete Verfehlung ein Donnerwetter herauf. Leider sind die Briefe der Eltern nur erhalten, wenn es Konzepte gab – beruht die Überlieferung doch allein auf den Schriftstücken, die Melchior Friedrich aufbewahrt hat. Doch lassen die erhaltenen Antwortschreiben der Söhne und Lehrer Rückschlüsse auf das Verlorene zu. Immer wieder finden sich Briefe, in denen die Söhne väterlichen Zorn zu besänftigen suchen.287 Mit einem Klassikerzitat schildert der Hofmeister Heinrich Humbert einmal, wie solch ein väterliches Zuchtschreiben wirkte: „[ . . . ] has prælegens meis Junioribus Dominis obstupuit, steteruntque comæ uox faucibus hæsit utriusque“.288 Auflehnung war hier ausgeschlossen, völlig mußte man sich den väterlichen Vorgaben unterwerfen. Willkürlich waren diese nicht. Ausdrücklich wies Melchior Friedrich seine Söhne darauf hin, daß seine Forderungen nichts Unbilliges hatten.289 Vielmehr ver286 Johann Philipp Franz an Melchior Friedrich von Schönborn, undatiert [August oder September 1689?]. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 865. 287 Z. B. Johann Philipp Franz aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn in Mainz, 13. Dezember 1687 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864); Friedrich Karl aus Rom an Sophie von Schönborn, 4. März 1690 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). 288 Heinrich Humbert aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn, 13. Dezember 1687 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864); vgl. Abert: Jugendjahre, S. 17. Für die Hofmeister lag darin eine große Versuchung. Als Rangniedere hatten sie es ohnehin schwer, den Respekt ihrer pubertierenden Zöglinge zu erringen – da lag der Gedanke nahe, sich durch die eigenen Rapporte ein Stück von der väterlichen Autorität abzuschneiden. Unverblümt schlug Heinrich Humbert vor, eine solche Regelung vor den Kindern fest zu institutionalisieren: „[ . . . ] auch nach so Vielen guten und ernstlichen ermahnungen thunn die Junge Herrn die studia embsieger amplectiren, mehr solle sie doch zur forcht treiben und stimuliren wann ich ihnen in einem brieff Zeygen könte, daß Ewer Excellentz mohnatlich Von mihr begehrten einen Catalogum wie sich ein Jedweder taglich Verhalten Hette [ . . . ]“ (Heinrich Humbert aus Würzburg an Melchior Friedrich in Mainz, 6. Dezember 1687. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864). Daß eine solche Anlehnung an den Brotherrn die Beziehung zu den Zöglingen zerstörte, braucht nicht eigens betont zu werden. Entsprechend kritisch fiel in der Rückschau das Urteil der Schönborn-Söhne über ihre Hofmeister aus: „[ . . . ] sonsten aber seint wir mit hofmeistern sehr unglücklich gewesen, wie es auch wohl bekannt ist, datum Stattschreiber, Humbert, Jakobi, Obercamp, Horneck, Zipp, Oberrichter und Hofrat Bauer, Buschmann und noch ein schlechter dero zu Wien beym Sintzendorf als Geistlicher gestorben ist [ . . . ]“ (Rudolf Franz Erwein an Friedrich Karl von Schönborn, 11. Januar 1727. SAW KA Friedrich Karl, Nr. 35. Zitiert nach Domarus: Rudolf Franz Erwein, S. 18). 289 « [Je . . . ] ne vous demande que des actions conformes a la volonté de Dieu et d’un Pere qui a des sentiments pour vous sans reproches et [Textverlust]ettes ne scauvoient estre

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stand er seine Strenge als Ausdruck der Pflicht, für seine Kinder zu sorgen, indem er sie auf den rechten Weg brachte.290 Das Bartholomäusstift in Frankfurt bat er, den Stiftherrn Nikolaus Horneck zu beurlauben, damit dieser zwei SchönbornSöhne als Hofmeister nach Rom begleiten könne – eine Bitte, zu der Melchior Friedrich sich berechtigt glaubte, „da mir dann billig obligt zu education meiner kinder alle ersinnliche sorg zu tragen“.291 Das war keine Phrase: Als Pflichtethiker tritt Melchior Friedrich uns aus all seinen Briefen entgegen. Was Franz Philipp Florinus 1702 in seinem „Kluge[n] und Rechts=verständige[n] Haus-Vatter“ schreibt – einem Buch, das Melchior Friedrichs Bruder Lothar Franz von Schönborn gewidmet ist und die Normen der katholischen Lebenswelt im Reich formulierte –, hatte Melchior Friedrich verinnerlicht: §. 3. Die erste Pflicht, die Eltern ihren Kindern schuldig sind, ist die wahre Gottseligkeit, welcher der wahre Grund ist, worauf alles, was Eltern den Kindern schuldig seynd, beruhen muß. Diese sollen sie nicht allein durch gottselige Ermahnungen, sondern zuförderst mit ihren eigenen Exempel, so gleich in den ersten Jahren ihrer zarten Kindheit in sie drucken [ . . . ] §. 4. Auf diesem Grunde soll die andere Pflicht der Eltern stehen, nach deren sie ihre Kinder zu lieben schuldig sind. [ . . . ] darinn sie ihre Kinder als ihr eigen Fleisch und Blut, oder als einen Theil ihrer selbst, in denen sie auch nach dem Tod leben, lieben sollen. [...] §. 5. Aus der Liebe fliesset drittens die Auferziehung [ . . . ] [die Nahrung, Kleidung sowie Fürsorge bei Krankheit und Bedürftigkeit umfasse, J.S.] §. 8. Dieweil es auch Göttlicher Ordnung gemäß ist, daß ein jedweder Mensch in einem gewissen Beruff seine Lebens-Art führen, und in demselben von seiner Arbeit sich nähren solle, so erfordert der Eltern Schuldigkeit hiebey, daß sie ihre Kinder etwas redliches und rechtschaffenes lernen lassen [ . . . ]“.292 rejetter de vous qua[nd] vous viendrez une fois a La parfaicte connoissance du bien et du mal. » (Abschrift eines Briefs des Melchior Friedrich an Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn in Rom, 9. [?] Juni 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). 290 « A moins [Textverlust] vous ne croyez que vostre bonne Mère et moy [ont qu]elque merite envers vous, par un soing contin[uel . . . ]ller pour vostre bien et afin que vous vous venerez [ho]nestes gens [ . . . ] » (Abschrift eines Briefs des Melchior Friedrich an Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn in Rom, 9. [?] Juni 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). 291 „Ew. hochw: vnd meinen hochgeehrten herrn laße ich hiermit ohnterhalten, welcher gestalten mir die längst gewünschte gelegenheit zu hand kommen meine 2 ältiste Söhne nacher Rom ins collegium germanicum zu bringen, umb sich ferner in studÿs vnd anderen sittlichen tugendten zu üben vnd desto beßer perfectioniren zu können, da mir dann billig obligt zu education meiner kinder alle ersinnliche sorg zu tragen; [ . . . ]“ (Entwurf eines Briefs von Melchior Friedrich von Schönborn in Augsburg an das Bartholomäus-Stift in Frankfurt, 5. Dezember 1689. SAW, KA Melchior Friedrich, Nr. 866). Die Stelle zeigt außerdem, daß die Erziehung am Germanicum nicht nur der Gelehrsamkeit dienen sollte, sondern auch der sittlichen Festigung. Dazu und zum Folgenden vgl. Schraut / Pieri: Schulbildung, S. 18–26; Schraut: Haus Schönborn, S. 57. 292 Florinus: Oeconomvs I 7, S. 38–40. Vgl. die „Rechts-Anmerckungen“, a. a. O., S. 44– 47.

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Seine väterlichen Pflichten ließ Melchior Friedrich sich einiges kosten. Obwohl sie zum größeren Teil in eine Zeit fielen, in der die Familie keinen Fürstbischof stellte; in der sie vielmehr von den Nachfolgern Johann Philipps in Mainz hart bedrängt wurde; in der ihre, vielfach auf Pump getätigten Erwerbungen durchaus wieder auf der Kippe standen; in der sie politisch wie finanziell in einiger Bedrängnis war, scheute Melchior Friedrich keinen Aufwand: Allein die beste, ihm vorstellbare Erziehung kam für seine Kinder infrage, entschieden ging er über das im Stiftsadel Übliche hinaus. Nicht zu den Ursulinen in der Nachbarschaft wurden die Töchter geschickt, sondern auf das vornehmere (und teuerere) Internat des Ordens nach Metz;293 nicht bloß aufs Germanicum nach Rom die Söhne, sondern zu besseren Professoren nach Paris oder Leiden; nicht allein die Gelder für ihre Studien brachte er auf, auch die erheblich kostspieligeren, standesgemäßen Kavalierstouren ermöglichte er. Von seinen Söhnen wurde dies anerkannt. „Was den herrn vater sel. angeht“, schrieb Rudolf Franz Erwein 1727 in der Rückschau, „so ist uns nichts geschenket worden“,294 doch billigte er die hohen Forderungen wegen der Opfer, die Melchior Friedrich für die Erziehung seiner Kinder gebracht hat: „unser rechtschaffener vater, der uns in seinem üblen zustand, in allen verfolgungen von den landen, herren und dienern, dennoch sozusagen miraculosé erhalten, erziehen und studieren lassen“.295 Als gemeinsame Herausforderung wurde Erziehung im Hause Schönborn also begriffen, als gemeinschaftlich zu bewältigende Bewährungsprobe – ein Arbeitsbündnis gingen die Generationen dafür ein: Unter erheblichen Schwierigkeiten und Opfern ermöglichten die Eltern außergewöhnliche Bildungswege; dafür forderten sie von ihren Kindern außergewöhnliche Leistungen. Melchior Friedrich spricht dies offen aus: a moins [ . . . ] vous ne croyez que vostre bonne Mère et moy [ont qu]elque merite envers vous, par un soing contin[uel d’a]ller pour vostre bien et afin que vous vous venerez [ho]nestes gens; et nous Serons d’accord avec vous, que vous ne nous rec[ . . .. . . ]ifisier plus pour Père et Mére comme nous ne vous connoistrons plus pour nostre cher et sang si vous n’y respondez pas.296 Schraut / Pieri: Schulbildung, S. 51 f. und S. 272–276. Rudolf Franz Erwein an Friedrich Karl von Schönborn, 11. Januar 1727. SAW KA Friedrich Karl, Nr. 35. Zitiert nach Domarus: Rudolf Franz Erwein, S. 17. 295 Rudolf Franz Erwein an Friedrich Karl von Schönborn, 7. Juli 1725, zitiert nach Domarus: Rudolf Franz Erwein, S. 18. Zur bedrängten Situation der Familie nach dem Tod Johann Philipps vgl. Schröcker: Jungen Jahre, S. 257–261. 296 Abschrift eines Briefs des Melchior Friedrich an Johann Philipp Franz und Friedrich Karl von Schönborn in Rom, 9. [?] Juni 1690 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867; Auszüge in deutscher Übersetzung bei Abert: Jugendjahre, S. 35). Erhalten ist dieser Brief nur in einer Abschrift von unbekannter Hand. Anders als die erhaltenen Originale ist das Blatt in sehr schlechtem Zustand: das Papier in Auflösung begriffen, als hätte jemand es jahrelang mit sich herumgetragen. Zahlreiche Schmutz- und Fehlstellen haben zu Textverlusten geführt. In den eckigen Klammern ist entweder die geschätzte Zahl der fehlenden Buchstaben angegeben oder ein Vorschlag, was dort gestanden haben könnte. 293 294

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B. Handlungsgründe

Sogar die Verwandtschaft mit seinen Kindern: ihre Anerkennung als sein eigen Fleisch und Blut, macht Melchior Friedrich davon abhängig, daß sie ihren Teil des Arbeitsbündnisses erfüllen. Verwandtschaft mit ihm, heißt das, mußte durch Leistung erworben werden. Ebensowenig galt Adel (« se vénérer honestes gens ») ihm als etwas Angeborenes, Gegebenes. Wie Verwandtschaft verstand er ihn als Aufgabe. Deshalb schrieb er seinen Söhnen über ihre Ausbildung zu Geistlichen am Germanicum in Rom: et Dieu vous a mis par sa vocation dans un estat auquel si L’on [ . . . ] faict le mondre déshonneur l’on parit a son salut temporel et eternel et le scandal en est autant plus grand que vostre profession est distinguée des autres comme La plus [nob]le des touttes. Les annee resquises pour vous perfectionner au lieu ou vous estez escoulant bien vist, C’est pourquoy il les faut employer auec application pour acquerir vne vraye solidité en ce que l’on ap[ . . . ]ce sera au bout a vous en ceuillir les fr[uits qu]i vous sembleront si doux quand vous v[ou]sne voudrez plus Souvenir des peines que vous e[ . . . ]ez qu’il vous ont coustez a les gouster et cela [d]u profit de vostre Patrie Laquelle deseruir souspire soubs vne appression inouyie. vous les ceuillerez touts seuls mes fils.

Zu bewähren hatten seine Söhne sich wie er selbst vor Gott: also rückhaltlos, existenziell. Auf dem Spiel stand ihr „weltliches und geistliches Heil“, der Kern ihrer Existenz. Das zwang zu existenzieller Ernsthaftigkeit. Nur wer sich „mit Fleiß“ beizeiten „wahre Festigkeit“ erwarb: wirkliche Kompetenz, nur wer sich rechtzeitig „perfektionierte“, durfte hoffen, die Probe zu bestehen und dermaleinst die „Früchte“ seiner Anstrengungen zu kosten. Diese Früchte erwiesen sich am „Nutzen“, den das „Vaterland“ von den jungen Schönborn haben wird – eine Art Zivilreligion war, was Melchior Friedrich vermittelte. Vorgestellt wurde sie als ein dynamischer, zukunftsoffener Prozeß: Rückhaltlos mußte sich in der Gegenwart anstrengen, effizient die verrinnenden Ausbildungsjahre nutzen, methodisch mit der knappen Lebenszeit umgehen, wer Erträge in einer Zukunft gewinnen wollte, in der er: der strenge, fordernde Vater, längst nicht mehr da sein wird. Über ihn selbst wies Melchior Friedrichs Bewährungsvorstellung hinaus: Er war nur Glied in einer Kette; seine Pflichterfüllung als Vater bereitete eine Ernte vor, die erst seine Söhne für das Vaterland werden einfahren können. Man versteht, warum Kinder, die in diesem Geist erzogen wurden, wohin sie auch kamen und was sie auch anfingen, binnen kurzer Zeit die besten wurden. Wie ein Refrain zieht durch die Schreiben der Hofmeister und Lehrer, die jungen Schönborn hätten die Spitzenpositionen in ihren Jahrgängen eingenommen; wiederholt heißt es von Abschlußprüfungen oder Disputationen, die Schönborn hätten das bestmögliche Ergebnis erzielt.297 Für ihre Alters- und Standesgenossen muß diese 297 So z. B. Heinrich Humbert aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn in Mainz, 31. Januar 1688 (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 864); ders. aus Würzburg an Melchior Friedrich von Schönborn in Mainz, undatiert [Februar 1688?] (a. a. O.). Aufschlußreich ist der erste Brief, den Friedrich Karl von Schönborn am 25. Februar 1690 aus dem Germanicum in Rom an seine Mutter Sophie nach Würzburg schickte (SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). Darin berichtet er, welche Bekannte er angetroffen hat und vor allem, wie jeder

4. Sozialisationsverläufe

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rabiate Leistungsethik etwas Kränkendes gehabt haben. Nicht nur daß sie überflügelt wurden, daß jemand an ihnen vorbeizog, war das Problem, vielmehr daß es auf ihr Urteil und ihre Anerkennung offenbar nicht ankam. Nicht die Standesgenossen waren die Instanz, an die die Schönborn ihre Leistung adressierten, sondern „Gott“; nicht gegenüber ihresgleichen trachteten sie sich zu bewähren bzw. gegenüber einem Stiftsadel, der ihnen (nach dem Verständnis der alteingesessenen Familien) als Aufsteigern sogar überlegen war, sondern gegenüber dem „Vaterland“ – in ein unmittelbares Verhältnis zu universalen Instanzen sahen sie sich gestellt. Mit anderen Worten: Die Schönborn setzten ihre Maßstäbe selbst. Ihr Leistungsethos war dynamisch, zukunftsoffen, universalistisch: Triebfeder und Ausdruck von Souveränität. Deshalb irrt, wer ihr Leistungsdenken als standestypisches Vorteilsstreben für die eigene Familie charakterisiert.298 Selbstverständlich sollte ihre Leistung sich für die Familie auch auszahlen; schließlich wurde sie im Namen der Familie erbracht und von dieser ermöglicht. Doch war der partikulare Vorteil nicht das Ziel, sondern die willkommene Nebenfolge eines existenziellen und universalistischen Verständnisses von Bewährung. Es bestimmte ihre Einstellung zur Politik und wird in ihrer Baupolitik wiederbegegnen; wie ein roter Faden zieht es sich durch all ihre Aktivitäten. Ob sie dichteten oder Schlösser bauten, ob sie Kunst sammelten oder Gärten anlegten, ob sie eine Hofkapelle zusammenstellten oder selbst musizierten, stets und überall galt dasselbe Prinzip: etwa hervorzubringen, das in seiner Art vortrefflich war. Ihr Tun sollte Ergebnisse zeitigen, die den Maßstab der Beurteilung selbst definierten; etwas Herkömmliches oder Gewöhnliches, etwas Nachgeahmtes oder Biederes kam keinesfalls in Betracht. Ohne Zögern, ohne Schuldgefühl brach diese Leistungsethik mit der Tradition, ebenso ging sie über den Horizont des ritterschaftlichen Stiftsadels hinaus: Durch ihr Leistungsethos warfen die Schönborn sich dem äußeren sozialen Aufstieg voraus. Ihre Selbstbestimmung der Maßstäbe demonstrierte Souveränität. Sie verwandelte die Schönborn in etwas, das sie ihrem persönlichen Stand nach in dem hier untersuchten Zeitraum nicht waren – in Aristokraten.299 „von den herren Jesuitern“ „æstimirt wird“. Es bedarf keiner Worte, daß diese Konkurrenten rasch überflügelt wurden. Auch die Lehrer haben diesen Leistungswillen erkannt. Nach der ersten Unterredung urteilt der Rektor des Germanicums P. Dominicus Brunacius über die beiden neuen Schüler: „Optima enim apparet indoles et capacitas ad maxima quæque.“ (An P. Philipp Rottenberg, Rektor des Jesuiten-Gymnasiums in Aschaffenburg, 25. Februar 1690. SAW KA Melchior Friedrich, Nr. 867). 298 Etwa Alfred Schröcker über Lothar Franz von Schönborn: „Bereits im Alter von zwanzig bis dreißig Jahren zeichnete ihn ein zähes Leistungsstreben für die ,Fortune‘ seiner Person und seines Hauses aus. Die Leistung bezieht sich auf den gezielten Einsatz der Mittel, auf das diplomatische Taktieren im Rahmen der Domkapitulare, auf den Aufbau der vielen Beziehungen, die ihm die Wahl zum Fürstenamt erleichterten und auf das Durchsetzungsvermögen im Konkurrenzkampf der Gruppen innerhalb des reichsritterschaftlich-stiftmßigen Adels.“ (Schröcker: Besitz, S. 218). Vgl. ders.: Jungen Jahre, S. 258, 261 f., 266 f. und 275: „Der entscheidende und alles zusammenfassende Punkt ist ein materiell und ideell orientiertes Leistungsstreben“, wobei Schröcker in einer Anmerkung ergänzt: „ideell ist im Sinne von Prestige, Reputation, gloire zu verstehen und schließt Materielles unbedingt mit ein.“

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B. Handlungsgründe

5. Resümee: Wie untypisch waren die Schönborn? Der Herkunft nach waren die Schönborn in den rheinfränkischen Fürstbistümern Neuankömmlinge, der sozialen Stellung nach Aufsteiger – mit diesem Befund aus den ersten Abschnitten dieser familiengeschichtlichen Studien paßt ihr zuletzt freigelegter Habitus zusammen. Ihre Aufstiegsdynamik findet in ihrem zivilreligiösen Bewährungsglauben eine Entsprechung, ja, man ist versucht, ihren Aufstieg ursächlich auf diesen existenziellen Bewährungszwang zurückzuführen. Entstanden sein dürfte dieser Druck aus der familialen Konstellation, von der die erste Generation ausging: dem drohenden Aussterben der Familie; dem sozialen (und möglicherweise konfessionellen) Bruch, den Johann Philipp mit seinen Geschwistern vollzog; seiner Entscheidung, dennoch die Stiftskarriere zu wählen. Der Bewährungsdruck endete, als der Fortbestand der Familie in mehreren Zweigen gesichert schien; als die Schönborn durch den Besitz, den sie im Zuge ihres Aufstiegs erwarben, zu Magnaten und damit von der Ämterlaufbahn in den rheinfränkischen Hochstiften unabhängig wurden. Festzuhalten bleibt – und das ist ein entscheidender Punkt –, daß ihr Leistungsethos sich niemals auf die neue soziale Bezugsgruppe bezog. Auch dies trieb die Schönborn neben dem erworbenen Großgrundbesitz aus dem Stiftsadel wieder hinaus. Mochten sie als „arme westerwälder Edelleute“ unter den rheinfränkischen Domherren anfangs wie verhungerte Hinterwäldler erschienen sein, die Ehre, auch die Meßlatte dieser Gruppe zu übernehmen, erwiesen die Schönborn dem Stiftsadel nicht. Die Kränkung, in den rheinfränkischen Hochstiften als homines novi beginnen zu müssen, bewältigten sie, indem sie sich über die Anschauungen der Etablierten von Anfang an hinwegsetzten. Schon Johann Philipp verstand sich in dem Sinne als souverän, daß die Regeln und Maßstäbe seiner Politik nur von ihm selbst vor Gott bestimmt wurden; auf Augenhöhe trat er Mazarin und Kaiser Ferdinand III. gegenüber. In dieser – aus strategischen Gründen zuweilen verhohlenen – Souveränität liegt das entscheidende Merkmal, das die Schönborn von ihren Stiftsgenossen unterschied. Aus diesem Ergebnis ergibt sich das hohe Maß von Sachhaltigkeit ihres Tuns: ihrer künstlerischen und wissenschaftlichen Interessen wie ihrer Politik. Beide entsprangen demselben universalistischen Bewährungsdruck. In den Künsten wie in der Politik hatten die Schönborn ihre Vortrefflichkeit immer aufs neue nachzuweisen, mußten sie vor sich selbst Familienangehörigkeit und Adel, nach außen aber ihren Führungsanspruch durch besondere Leistungen immer aufs neue erwerben. Wie Melchior Friedrichs patriarchale Gewalt war auch dieser politische Führungsanspruch keineswegs willkürlich; der Anspruch, eigene Maßstäbe zu setzen, darf 299 In diesem – universalistischen – Sinn, nicht in dem eines partikularen Familieninteresses, glaubten die Schönborn durch ihre Leistungen Ehre für den Familiennamen zu erwerben. Ehre, umschreibt Asfa-Wossen Asserate, sei „das starke Bewußtsein, unter einem eigenen, für niemanden als einen selbst geltenden Gesetz zu stehen, für dessen Einhaltung man ganz allein verantwortlich ist“ (Asserate: Manieren, S. 37).

5. Resümee: Wie untypisch waren die Schönborn?

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nicht mit Subjektivität verwechselt werden. Vielmehr meinte er eine Leistung, die dadurch vortrefflich wurde, daß sie eine bestimmte Aufgabe besonders gut ausführte, eine bestimmte Sache auf neue und überraschende Weise, aber besonders angemessen und sachhaltig bewältigte. Der aristokratische Wettstreit war kein leeres Auftrumpfen. Er bemaß sich an der Ernsthaftigkeit und Radikalität, mit denen man sich auf eine Sache in ihrer Eigengesetzlichkeit einließ. Spielerisches Streben nach Originalität und Überbietung verschränkten sich mit dem harten Ringen um die meisterhafte Beherrschung der Sache: zu „perfektionieren“ hatten die jungen Schönborn sich in all ihrem Tun. Die Sache, in der die drei Generationen Schönbornscher Amtsträger sich politisch auszuzeichnen trachteten, war die Leitung ihrer Fürstbistümer; aufgrund ihrer Kurfürstenämter die der Reichskirche; aufgrund ihrer Stellungen als Reichserzkanzler bzw. Reichsvizekanzler die der Reichspolitik.300 Beiläufig ist, wo es notwendig war, wiederholt davon die Rede gewesen, auch kann eine Gesamtdarstellung dieser Politik sich hier auf Umrisse beschränken, da zu diesem Thema einige gute Übersichten existieren;301 nur darauf, wie der freigelegte Habitus sich in der Politik der Schönborns ausprägte, kommt es für die Fragestellung dieser Arbeit an. Seit Johann Philipps Einsatz für das Westfälische Friedenswerk standen alle Schönborn-Fürsten für die Wahrung der ständischen „Libertät“ im Reich. In erster Linie waren damit natürlich die kirchlichen Reichsstände gemeint: diejenigen Fürstbistümer, denen die Schönborn vorstanden, speziell also die des rheinfrän300 Alfred Schröcker hat dem jungen Lothar Franz von Schönborn jeglichen Sachbezug abgesprochen: „Die Gruppierungen [die sich beim Tauziehen um Pfründen und Ämter bildeten, J.S.] hatten zwar teilweise einen festen Kern; er bestand aber nicht in einem Sachprogramm, sondern in einem traditionellen und langsam aufgebauten System von Beziehungen, in deren Mittelpunkt eine erfolgreiche Familie stand oder eine Familie, die einen starken Willen zum Erfolg entwickelte. Unter Erfolg wird hier, das braucht nicht näher erläutert zu werden, der Gewinn von Positionen, Besitz usw. verstanden.“ (Schröcker: Jungen Jahre, S. 263). „Diesen Konkurrenzkampf um Positionen trug man nicht im politisch-sachlichen Bereich aus. Für Lothar Franz persönlich bedeutete das: Vor der Wahl spielt das politische Sachprogramm keine Rolle.“ (ebd., S. 267). Daran ist richtig, daß Reichspolitik aus den Hochstiften dauerhaft nur von Führungspositionen aus betrieben werden konnte – und diese Führungspositionen mußte man erst einmal erobern. Wie die Listenplätze und Kandidaturen in den heutigen Parteien wurden die Prälaturen oder das Bischofsamt primär von personalen Netzwerken besetzt: Zum Netzwerker mußte also werden, wer überhaupt Politik machen wollte. Daß politische Inhalte dabei keine Rolle spielen, wird man dennoch nicht behaupten können. Im Gegenteil pflegt der polarisierende Kampf um Posten sich stets mit politischen Argumenten aufzuladen: Das Freund-FeindSchema zwingt die Konkurrenten zu erklären, wofür sie stehen; damit zwingt es ihnen inhaltliche Differenzierungen auf. Im Vorteil ist dabei, wer dies nicht ad hoc und rein strategisch tun muß, sondern glaubwürdig an eingeführte, bewährte, gar bewunderte Positionen anknüpfen kann. Eben dies tat Lothar Franz, indem er sich auf das Vorbild von Johann Philipps Politik berief. Bei den Bischofswahlen seiner Neffen aus der dritten Generation war der Name Schönborn bereits ein politisches Programm. 301 Genannt seien hier nur die jüngsten Überblicksdarstellungen bei Stephan: Glanz, S. 49– 58 und Gotthard: Friede – jeweils mit umfangreicher weiterer Literatur; s. auch die anderen Beiträge zu Hartmann (Hg.): Mainzer Kurfürsten.

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B. Handlungsgründe

kischen Bistumssystems. Sie, die im Dreißigjährigen Krieg erst zu Durchzugsland, dann zum Kampfplatz, schließlich zur Beute der großen, kriegführenden Mächte (egal welcher Konfession) geworden waren, sie, die daran nahezu ausgeblutet und untergegangen waren, sie sollten wiederhergestellt werden und politischen Einfluß im Reich zurückgewinnnen. Nach Lage der Dinge konnte dies nur im Rahmen einer dauerhaften Friedensordnung geschehen, verfügten die exponierten (weil an den Hauptverkehrsadern gelegenen), aber kleinen Territorien doch nicht über die Ressourcen, um in den neuzeitlichen Kriegen noch mithalten zu können. Allenfalls Verteidigung schien militärisch möglich – zu mächtigen Festungen wurden beispielsweise Würzburg und Mainz nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgebaut. Nicht nur militärisch, auch politisch hing die Existenz der Stiftsherrschaften am Frieden: Einen dauerhaften Frieden zu erwirken, forderte ihre Räson. Dafür mußte man sich mit den Protestanten verständigen, die militärisch und politisch nicht zu besiegen gewesen waren, mußte man eine überkonfessionelle Verständigungspolitik betreiben. Ferner mußte man die Blockade der gegnerischen Lager im Reich überwinden, indem man deren europäische Verbündete einbezog: in erster Linie Frankreich und Schweden, aber auch Spanien und England, mußte man eine europäische Gleichgewichtspolitik betreiben. Und auf lange Sicht mußte man den Krieg entideologisieren, denn nur wenn er nicht mehr als Konfessionskrieg geführt wurde, durfte man sich für neutral erklären und auf Verteidigung beschränken. Am besten versuchte man, ihn ganz einzuhegen und durch eine Verrechtlichung der Politik zu ersetzen. Über die Fürstbistümer wies dieses politische Programm hinaus. Eine große Zahl von Reichsständen, auch weltliche, auch protestantische, fanden, daß ihre Interessen damit übereinstimmten; in eine neue Führungsrolle wuchs Johann Philipp von Schönborn als Reichserzkanzler durch geschicktes Ausbuchstabieren dieser Leitlinien hinein. In den Auseinandersetzungen um den Westfälischen Frieden und seine Bewahrung entstand eine neue „Reichspartei“. Als deren Sprecher und Häupter traten die Schönborn-Fürsten fortan auf. D. h. sie beanspruchten, das Interesse der zahllosen kleinen und mittleren Stände des Reichs, verstanden als das Reich insgesamt, zu artikulieren302 und zuerst im Rheinbund, dann in weiteren Einungen politisch zu organisieren. 302 „Ich seze zum Fundament“, schreibt Leibniz (vermutlich) 1672 in einer Denkschrift mit dem Titel „Wag=schahl gegenwärtiger Conjuncturen. Was aniezo zu thun: zu ChurMaynz und des Reichs besten“, „daß ChurMaynz und das Reich ein interesse haben. Denn ChurMaynz hat, meines bedünckens, keinen andern Zweck seiner Consiliorum, als diese Glori nach sich zu laßen, daß er [sic] dem Reich und seinen Landen wohl vorgestanden, also daß er einigen privat=Nuzen sein oder der seinigen der Gemeinen wohlfart nimmer mehr vorziehen wird. Nun haben das Reich und das Erz=Stifft ein interesse, denn das Erz=Stifft fürnehmlich durch seinen Rang, und Direction so in Reichssachen dem Erzbischoff und Churfürsten gebühret, mehr als durch eigne Kräffte vor andern sonderlich considerabel. Folgt also daß ein verständiger und gewißenhaffter Churfürst zu Maynz, maßen der iezige ist, mit dem Reich gemeines interesse haben werde.“ (Leibniz: SSB IV / 1, S. 514–516, hier: S. 514, Hervorhebungen im Original). Vgl. auch Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 18 f.

5. Resümee: Wie untypisch waren die Schönborn?

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Gegner dieser Politik waren zunächst die Intransingenten, allen voran das Haus Habsburg mit seinem Streben nach einer Fortsetzung des Krieges, um nach dem Modell des Prager Friedens doch noch ein monarchisch-zentralistisches Kaisertum zu errichten. Gegen diesen Anspruch war die Formel von der „teutschen (sprich: ständischen) Libertät“ gerichtet. Das Reich wurde von den Schönborn als Vereinigung der Stände betrachtet. Zusammengehalten durch ihre Lehensbindung an die gemeinsame Reichsspitze und dadurch zur Sorge für das gemeinsame Vaterland und sein Oberhaupt verpflichtet, sollten sie in ihrer Willensbildung und vor allem bei der Regelung ihrer eigenen, inneren Angelegenheiten doch politisch frei sein. Diese „teutsche Libertät“ der Reichsstände zu erhalten, galt als Daseinsgrund und Legitimation des Reiches. Der habsburgisch-französische Gegensatz räumte der Reichspartei die Möglichkeit ein, das kaiserliche Vormachtstreben mit französischer Unterstützung auszubalancieren; als katholische Macht, die seit dem Ende der Hugenottenkriege auch mit protestantischen Gemeinwesen wie England und den Niederlanden gute Beziehungen pflegte, war Frankreich der natürliche Ansprechpartner für eine Entkonfessionalisierung der Politik. Seiner ganzen Prägung nach neigte Johann Philipp von Schönborn ihr zu, anheimgegeben hat er sich ihr nicht. Seine Politik beruhte auf Uneindeutigkeit, auf Äquidistanz zwischen Wien und Versailles. Nur indem er Oberhaupt zweier unbedeutender Gemeinwesen, sich den Spielraum bewahrte, gegenüber zwei europäischen Großmächten situativ-pragmatisch zu verfahren, konnte er glaubwürdig die Interessen der kleinen, nicht-armierten Stände im Reich vertreten. Die aggressive Hegemonialpolitik Ludwigs XIV. verschob dieses Koordinatensystem. Bereits der Krieg gegen die Niederlande machte Frankreich als Bündnispartner unmöglich. Und als dann Kaiser Leopold I. die monarchischen Bestrebungen im Reich hintanstellte, orientierte die Reichspartei sich neu. Jetzt war das Reich, war man selbst gegen Franzosen und Osmanen zu verteidigen, jetzt mußte Unterstützung für Österreich organisiert werden, das die Hauptlast dieser Verteidigung trug. Zu Gegnern wurden damit die mächtigen, armierten Stände im Reich, die von der allgemeinen Bedrängnis für ihr Souveränitätsstreben zu profitieren suchten. Diese „potentiores“, wie Lothar Franz von Schönborn sie nannte, die sich „an keine Reichsgesatz und die in selbigen hergebrachten übliche Gebräuch mehr binden lassen, sondern nur tun wollen, was ihnen gefallet und sie vermeinen, daß dero Konvenienz und Interesse seie“,303 erschienen jetzt als die größte Bedrohung für den Zusammenhalt des Reichs und das Fortbestehen der kleinen Stände. Die Staatsbildung der aufstrebenden Territorien, allen voran des brandenburgischen, wurde von ihm bekämpft. Eng mußten die Schönborn deshalb an das Haus Habsburg heranrücken. 1663 empfingen sie von Leopold I. die Freiherrenwürde, 1701 den Reichsgrafenstand, 303 Lothar Franz von Schönborn an Ignaz Anton von Otten, 10. Dezember 1707. Zitiert nach Schröcker: Ein Schönborn, S. 12 mit Anm. 13.

17 Süßmann

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B. Handlungsgründe

die Heiratspartner für die Schwestern der dritten Generation suchten sie in der kaiserlichen Klientel. Vereinnahmen ließen sie sich dennoch nicht. Tief saß das Mißtrauen gegen die kaiserliche Politik. Mußte Österreich sich nicht, gerade weil die habsburgischen Zentralisierungspläne im Reich gescheitert waren, ebenfalls als europäische Macht begreifen und auf Kosten des Reichs verselbständigen? Scharf sah Lothar Franz, daß „von Seiten des Reichs kein völliges Vertrauen in Österreich gesetzt werden kann“; das Reichsinteresse sei „zu Zeiten nicht mit dem österreichischen [ . . . ] verknüpfet“.304 Im klaren Bewußtsein eines unaufhebbaren Strukturkonflikts zwischen Reichspartei und habsburgischem Herrscherhaus gingen die Schönborn auf die Kaiser zu, genau aus diesem Bewußtsein etablierte Lothar Franz trotz scharfer Konflikte mit Leopold seinen Neffen Friedrich Karl von Schönborn als Reichsvizekanzler in Wien. Aus der Nähe sollten die Habsburger immer wieder an ihre Pflichten gegenüber dem Reich erinnert, aus der Nähe sollte ihr Souveränitätsstreben im Sinne der Reichspartei aufgefangen werden, während man das der anderen „potentiores“ im Bündnis mit den Habsburgern konfrontativ bekämpfte. In den Kreisassoziationen suchte Lothar Franz dieser Linie politisches Gewicht zu verleihen.305 Wieder war also eine Politik erforderlich, die trotz eines gewaltigen Machtungleichgewichts Handlungsspielräume für die Masse der ohnmächtigen Reichsstände organisierte. Wieder durfte man sich einem übermächtigen Bündnispartner nicht völlig überantworten, mußte man ihm trotz der eigenen Ohnmacht begegnen, als wäre man ihm gleichgestellt. Das war es, wozu ihr Außenseitertum die Schönborn qualifizierte. Eine alte Familie aus der kaiserlichen Klientel wäre dazu nicht in der Lage gewesen, beruhten Klientelbeziehungen doch gerade auf der Ungleichheit der beteiligten Partner. Auch hätte es für die zeitweilige Anlehnung an Frankreich in einer solchen Konstellation keine Chance gegeben. Beide Faktoren: die verinnerlichte Abhängigkeit von den Kaisern und die europäische Dimension, hinderten gewöhnliche Angehörige der Reichsritterschaft, eine solch wagemutige und stolze Politik überhaupt zu denken. Ebenso galt dies für die alteingesessenen Familien des rheinfränkischen Stiftsadels. Nur die Traditionslosigkeit der Schönborn in Verbindung mit ihrem Aufsteigerehrgeiz und ihrer sachhaltigen Ernsthaftigkeit brachten das nötige Selbst- und Sendungsbewußtsein hervor, ferner die nötige Unvoreingenommenheit und die nötigen Fähigkeiten, um einem Mazarin und einem Ludwig XIV., 304 Lothar Franz von Schönborn an Johann Philipp von Stadion, 4. April 1710. Zitiert nach Schröcker: Ein Schönborn, S. 61 mit Anm. 69. Vgl. die Denkschrift, die Friedrich Karl von Schönborn 1709 nach einer Reise durch das Reich über das Verhältnis von Kaiser und Reichsständen verfaßte. Der Reichsvizekanzler nutzte diese Relation, um Kaiser Joseph I. seinen gravierenden Ansehensverlust im Reich vor Augen zu halten und auf die Fehler der österreichischen Machtpolitik zurückzuführen (Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 121–124). 305 Dazu Hammerstein: Wurmbrand; ders.: Kreis-Assoziationen; ferner die übrigen Beiträge aus dem Sammelband, dem der letztgenannte Aufsatz entstammt; außerdem Schröcker: Ein Schönborn, S. 25–47.

5. Resümee: Wie untypisch waren die Schönborn?

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einem Ferdinand III. und Leopold I., einem Karl VI.und Friedrich Wilhelm I. auf Augenhöhe entgegenzutreten. Nur weil die Schönborn untypisch waren, konnten sie zu politischen Führern der rheinfränkischen Fürstbistümer und der Reichspartei werden, nur weil sie sich habituell vom Stiftsadel unterschieden, konnten sie dessen Interessen wahren. Das war der rationale Kern ihres Führungsanspruchs. Von der Gefolgschaft, an deren Spitze sie sich stellten, in deren Namen sie agierten, waren sie prinzipiell unterschieden. Und in diesem Unterschied bestand ihre Qualifikation.306 Nach dem Tod des Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn 1729 wurde die Stellung seines Neffen in Wien immer schwieriger, 1734 trat Friedrich Karl vom Amt des Reichsvizekanzlers zurück, um sich auf seine Fürstbistümer Bamberg und Würzburg zu konzentrieren. Nur sein jüngerer Bruder Franz Georg machte seit 1729 als Kurfürst von Trier noch unmittelbar Reichspolitik; vor allem in den Auseinandersetzungen um das wittelsbachische Kaisertum Karls VII. spielte er eine wichtige Rolle.307 Die Tendenz ist unverkennbar: In der dritten Generation verloren die Schönborn an Einfluß auf die Reichspolitik. Da ihnen der Zugriff auf das Reichserzkanzleramt nicht mehr gelang, mußten sie ins Glied zurücktreten. Entsprechend gewannen die Kreispolitik308 und die Herrschaft über die Fürstbistümer für sie an Bedeutung. Daß ihre Politik dort nicht minder wagemutig war, daß sie dort ebenfalls mit Traditionen brach und auf neue Universalien zielte, daß sie folglich demselben Habitus entsprang wie die Schönbornsche Reichspolitik, soll im folgenden am Beispiel der Würzburger Baupolitik gezeigt werden.

306 Einer Betrachtung, die nach dem Typischen oder Repräsentativen einer gesellschaftlichen Gruppe fragt, bleibt ein solcher Zusammenhang verborgen. Zu erkennen gibt er sich erst, wenn man die gesellschaftliche Stellung, das Selbstverständnis und das tatsächliche Handeln der Schönborn in ein Verhältnis setzt – wenn man ihren spezifischen Habitus analysiert. Eindrucksvoll zeigt dies, was nur ein solch hermeneutisch-qualitatives Vorgehen zu leisten vermag. 307 Dazu Göring: Politik. 308 Verwiesen sei nur auf den erfolgreichen Widerstand, den die Schönborn dem Versuch Brandenburg-Preußens entgegensetzten, im Fränkischen Kreis Fuß zu fassen. Dazu Endres: Preußens Griff, auch Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 63–65, 89, 134–136, 223–226; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 20–25.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg 1. Prioritäten Am 18. September 1719 wurde Johann Philipp Franz von Schönborn zum Fürstbischof von Würzburg gewählt.1 Im Dom erklang das Te Deum, die Glocken läuteten, von der Festung Marienberg dröhnte Salut. Sechsspännig zog der Neugewählte durch eine Ehrenpforte zum Rathaus, wo die Bürgermeister ihm die Stadtschlüssel überreichten. Über die Mainbrücke führte sein Zug weiter zur alten Hofhaltung der Würzburger Bischöfe auf dem Marienberg; vor dem Tor erhielt er von den Statthaltern auch deren Schlüssel. In Gedanken war er schon beim Bauen. Bereits im Frühjahr 1720: zum frühstmöglichen Termin, wurde damit begonnen. Das Ergebnis ist bekannt. Angefangen hat Johann Philipp Franz den Bau der Würzburger Residenz: „de[n] vollkommenste[n] Profanbau des 18. Jahrhunderts“, wie Georg Dehio 1926 befand;2 auch nach heutigem Urteil einen der bedeutendsten deutschen Residenzbauten des Ancien Régime.3 Weniger bekannt ist und bislang kaum thematisiert, daß Johann Philipp Franzens Bautätigkeit sich keineswegs auf den Residenzbau beschränkte. Zahlreiche weitere obrigkeitliche Bauvorhaben leitete er ein, ungezählte private lenkte und förderte er. So unterschiedlich diese Maßnahmen waren, zusammengenommen ergeben sie – so die hier vertretene These – eine systematische, gezielte Baupolitik. Da diese Politik von seinem zweiten Nachfolger und jüngerem Bruder Friedrich Karl von Schönborn wiederaufgenommen, von dessen zweiten und dritten Nachfolgern, die mit den Schönborn teils verwandt, teils liiert waren, ebenfalls fortgeführt wurde, hat sie die Bautätigkeit in Würzburg bis ins ausgehende 18. Jahrhundert bestimmt. Radikal wurde die Würzburger Stadtgestalt durch sie verändert – ein Umbau, den erst die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der modernisierende Neuaufbau unkenntlich werden ließen. 1 Ausführlich beschrieben und analysiert ist der Wahlvorgang oben S. 127–139. Vgl. die dort genannten Quellen, vor allem Gropp: De hodierna pompa, ferner die Beschreibung bei Schott: Verhältnis, S. 55–58 und ders.: Absolutismus, S. 130. 2 Dehio: Geschichte, Bd. 3, S. 364. 3 „Allein in ihren Dimensionen (167 m Fassadenbreite) und in ihrer aufwendigen Ausstattung präsentiert sich die Würzburger Residenz als eines der bedeutendsten Barockschlösser Europas. Auch die sich über zwanzig Jahre bis 1740 hinziehende Planungsphase für das Äußere verrät, daß wirklich Einmaliges geschaffen werden sollte.“ (Stephan: Glanz, S. 11).

1. Prioritäten

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Die Prioritäten dieser Politik zeigen sich an der Chronologie. Schon im Frühjahr 1720, kaum sechs Monate nach seiner Wahl, begann Johann Philipp Franz von Schönborn mit dem Bauen – und zwar an der Festung über der Stadt Würzburg sowie an den städtischen Bastionen.4 Bemüht um Vorsorge für sein Gemeinwesen, machte er sich, als der Krieg dann ausblieb, bei den einfachen Leuten nachhaltig unbeliebt: bei den Landbewohnern, weil er mehrere Jahre lang in der guten Saison bis zu tausend Mann am Tag zum Schanzen zwangsrekrutierte;5 bei den Stadtbewohnern, weil sie diese Schanzarbeiter beherbergen und verpflegen mußten.6 Für die hochstiftischen Truppen, die er kräftig vermehrte,7 wurden eigene Quartiere geschaffen: eine große Kaserne in der Stadt Würzburg,8 zwei weitere in anderen Städten9 – Maßnahmen, die Johann Philipp Franz mit Hilfe der Quartiergelder sowie einer neuen Steuer: dem sogenannten „Paraquen Monath“, finanzierte.10 Ferner wurde die Feste Königshofen (der zweitwichtigste Militärstützpunkt im Stift) praktisch von Grund auf neuerbaut.11 Militärbauten waren es also, die den barocken Stadtumbau Würzburgs einleiteten. Das verweist auf die politische Lage im Reich.12 1697 war Friedrich August 4 Lusin: Entwicklung, S. 272–277 mit weiterer Literatur, vor allem Seberich: Stadtbefestigung II, S. 57 und S. 70–76. „Meines orts mueß ich bekennen, daß diese umständen [= die Konfessionsstreitigkeiten im Reich, J.S.] allbereits bei mir erheblich genug seien, meine führende civile baugedanken ein einiger maßen zurückzusetzen, um mein fortificationswesen sowohl am schloß als an der statt wenigstens gegen den ersten anlauf, teils mit aushebung deren gräben, teils mit anlegung eines bedeckten wegs und eines neuen werks am schloß vor dem Höchberger tor im stand zu setzen und zu verfahren [ . . . ].“ (Johann Philipp Franz an Lothar Franz von Schönborn, 24. Januar 1720. QueGeBa I / 2, Nr. 685). 5 So z. B. in den Jahren 1720 und 1721, s. Scherf: Johann Philipp Franz, S. 32 f.; Christoforatou: Wirtschaftsgeschichte, S. 426 f. 6 Scherf: Johann Philipp Franz, S. 34 f.; Schott: Verhältnis, S. 232–236. 7 Anfang 1720 einigten der Fürstbischof und das in Militärausgaben gewöhnlich sehr zurückhaltende Domkapitel sich in großer politischer Sorge auf eine beträchtliche Truppenverstärkung. Ein Jahr später konnte der Fürstbischof dem Kapitel mitteilen, es stünden nun drei Bataillone Infanterie von je achthundert Mann unter Waffen, ferner fünfhundert Kürassiere und fünfhundert Dragoner (Scherf: Johann Philipp Franz, S. 28 f.). All diese Truppen mußten neu eingekleidet und exerziert werden, die Bewaffnung ergänzt. Hinzu kam eine Landmiliz und Bürgermilizen in den verschiedenen Städten – allerdings von sehr zweifelhaftem Wert. 8 Dazu Scherf: Johann Philipp Franz, S. 30 f. und Schott: Verhältnis, S. 236–240. 9 Nämlich in Kitzingen und Walkershofen (Scherf: Johann Philipp Franz, S. 31). Dadurch sollte die Landbevölkerung von den Lasten der Einquartierung befreit, die Truppe diszipliniert werden, provozierten die untätigen Soldaten doch vielfältige Mißhelligkeiten. 10 Schott: Absolutismus, S. 185 mit Anm. 192. 11 Scherf: Johann Philipp Franz, S. 35 f. 12 Das Folgende nach Scherf: Johann Philipp Franz, S. 12–17 und Schröcker: Religionspolitik, S. 242 ff. Wie ernst die Spannungen waren, erfuhr Johann Philipp Franz von seinem Bruder aus erster Hand: Einen großen europäischen Krieg sah der Reichsvizekanzler heraufziehen (Friedrich Karl an Johann Philipp Franz von Schönborn, 21. Januar 1721. SAW KA Johann Philipp Franz, Nr. 121).

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

von Sachsen zum Katholizismus konvertiert, 1712 folgte der sächsische Kurprinz, 1685 hatten die katholischen Neuburger die Pfälzer Kurwürde geerbt; gleich zwei Kurhäuser waren der protestantischen Partei damit verloren gegangen. Das im Westfälischen Frieden mühevoll austarierte Gleichgewicht der Konfessionsparteien schien zu kippen, zumal die Pfälzer Kurfürsten, anders als die sächsischen, eine Rekatholisierung ihrer protestantischen Untertanen versuchten. Am 21. April 1719 verbot Kurfürst Karl Philipp den Gebrauch des Heidelberger Katechismus, weil er in den Anmerkungen darin als Götzendiener bezeichnet wurde; im September 1719 vertrieb er die Reformierten aus der Heidelberger Hauptkirche zum Heiligen Geist – Vorgänge, die großes Aufsehen im Reich erregten. Das Corpus evangelicorum formierte sich zur Gegenwehr. Unter Führung von Brandenburg, Hannover und Hessen-Kassel äußerte es auf dem Regensburger Reichstag zahlreiche Beschwerden gegen Kurpfalz, Kurmainz (d. h. gegen Lothar Franz von Schönborn, zu dessen Diözese die Pfalz gehörte), den Fürstbischof von Speyer (Damian Hugo von Schönborn, der mit der protestantischen Stadt Speyer in Konflikt geraten war) und den Herzog von Pfalz-Zweibrücken. Auch griff man zur Selbsthilfe, um zu demonstrieren, daß man die Gegenpartei ebenfalls treffen könne: Der Kurfürst von Hannover (und König von England) ließ die katholische Kirche in Celle sperren, der Kurfürst von Brandenburg (und König in Preußen) zog das Kloster Hammersleben ein und schloß den Dom zu Minden, Hessen-Kassel drohte mit ähnlichen Maßnahmen. Begleitet von einem Heer von Juristen, publizistisch breit diskutiert, weitete der Konfessionsstreit sich zu einer allgemeinen Krise der Reichsverfassung aus, ja zu einem Machtkampf zwischen den protestantischen Ständen und der kaiserlichen Konfliktlösungsautorität. Auf Mahnschreiben an Hannover und Berlin, in denen er das ungesetzlich-willkürliche Vorgehen gegen Reichsuntertanen tadelte, erhielt der Kaiser von Friedrich Wilhelm eine Antwort, in der mit seiner Unparteiischkeit infragegestellt wurde, ob er überhaupt befugt sei, den Konflikt zu schlichten. Als Leopold darauf ein Reskript erließ, in dem er die gesamte Politik des Soldatenkönigs als reichsfeindlich charakterisierte und unverhohlen mit Gegenmaßnahmen drohte, erreichte die Krise im Frühjahr 1720 ihren Höhepunkt. Umgehend suchten alle Parteien sich auswärtige Verbündete; jederzeit schienen wieder Konfessionskämpfe im Reich aufflammen zu können. Das Fürstbistum Würzburg grenzte an das evangelische Hessen-Kassel, die Markgrafschaften, die sächsischen Fürstentümer; Johann Philipp Franz war ein Neffe des Reichskanzlers und ein Bruder des Reichsvizekanzlers, die, der eine als Beklagter, der andere als Verhandlungsführer, als Speerspitze des Corpus catholicorum wahrgenommen wurden;13 vor allem gegen Würzburg konnten die Spannungen sich also entladen. Um strikte Neutralität war Johann Philipp Franz daher bemüht. Gegen das Drängen des Onkels hielt er Distanz zur katholischen Partei, 13

Vgl. Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 239–264, besonders S. 242.

1. Prioritäten

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fieberhaft rüstete er Würzburg für den Fall einer Verteidigung.14 Was militärische Auseinandersetzung bedeutete, hatte die verkehrstechnisch und militärstratetisch wichtige Stadt genug erfahren: Seit dem Dreißigjährigen Krieg war keine Regentschaft ohne Truppendurchzüge und Kriegshandlungen vergangen. Darüber hinaus griff der militärische Stadtausbau ein unvollendetes Familienprojekt auf. Schon Johann Philipp Franzens Namensvorbild und bewunderter Vorgänger auf dem Würzburger Bischofsthron: Johann Philipp von Schönborn, hatte in seiner Regierungszeit (1642–1673) begonnen, die Stadt Würzburg mit einem zeitgemäßen Befestigungsgürtel zu umgeben. Mit seinem Namen war die Verwandlung der Stadt in eine Festung verknüpft; wie für das exponierte Mainz gehörte der Festungsbau zu den Kernbestandteilen der Politik, für die Johann Philipp gerühmt wurde. Hatte man im Dreißigjährigen Krieg nicht erlebt, wie wenig Schutz die spätmittelalterlichen Stadtmauern gewährten? War man nicht traumatisiert durch die Erfahrung wechselnder Besatzung? Wie die Soldaten unter den hilflosen Bürgern gehaust hatten, darüber konnte jedermann Geschichten erzählen – um von dem zu schweigen, was in den Erzählungen nicht vorkam. Was man erlebt hatte, war unerträglich, sich für die Zukunft dagegen zu verwahren, ein Gebot der Selbstachtung. Als eine Art Wiederherstellung, als Umgang mit einem Trauma, als Politik des Nie-wieder! müssen die allenthalben nach dem Dreißigjährigen Krieg begonnenen Befestigungsanlagen begriffen werden. Die schwer mißhandelten Residenzstädte des „teutschen Salomo“ waren Vorzeigestücke dieser Politik. Natürlich spielten militärische Belange eine Rolle. Schon die Schweden hatten begonnen, die Festung Marienberg nach neuesten Erkenntnissen des Festungswesens auszubauen. Dafür durfte sie nicht länger isoliert betrachtet werden: In den Augen der Strategen verwandelte sich das Mainviertel in ein Vorwerk, mußte es, bislang unbefestigt, in den Festungsneubau integriert werden. An die schwedischen Pläne knüpfte Johann Philipp an – und tat den nächsten Schritt, indem er auch die rechtsmainische Stadt in die Militärplanungen einbezog. Wie sollte sich die Festung über der Stadt halten, wenn letztere (wie 1631 geschehen) von einem Feind mühelos überrannt werden konnte, die Mainübergänge damit offenlagen?15 Seit 1652 drängte Johann Philipp den Stadtrat, das Domkapitel, die geistlichen Korporationen, die wie z. B. das Stift Haug von den Plänen betroffen waren, 1656 begann man mit dem Bauen. In einer ungeheuren Kraftanstrengung zog man eine gewaltige Bastionärsbefestigung nach italienischen und niederländischen Vorbildern16 um die Stadt, nicht ohne sie gegenüber den linksmainischen Anlagen noch einmal fortzuentwicklen und an die fortschreitende Verteidigungstechnik anzupassen. Zu 14 Dem Diplomaten Friedrich Karl schien das zu voreilig. Für ihn war der Ausgang des Spiels durchaus offen, auch fürchtete er, der Bruder könne durch seine Rüstung die katholische Partei kompromittieren (s. Hantsch: Reichsvizekanzler, S. 246 mit Anm. 16). 15 Seberich: Stadtbefestigung II, S. 27 f. 16 Longo: Petrini, S. 17.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

drei Vierteln war das Werk vollendet, als Johann Philipp starb. Provisorisch ließ man die neuen Bastionen in die veraltete Zwingeranlage übergehen,17 die teuren Arbeiten kamen zum Stillstand. Als unvollendetes Riesenwerk seines Namensvorbilds fand Johann Philipp Franz von Schönborn die Fortifikationen vor. Die Krise von 1720 / 21 rief den Mangel in Erinnerung. Nach den neuesten Prinzipien des Marschalls Vauban ließ Johann Philipp Franz die Arbeiten wiederaufnehmen. Obwohl sein Hochdruck mit der politischen Entspannung nachließ, die Prioritäten der Würzburger Bautätigkeit sich verschoben, konnte man fortan den letzten Bauabschnitt nicht einfach wieder ruhen lassen. Trotz vielfältiger Finanznöte und Widerstände setzten auch Johann Philipp Franzens Nachfolger das Unternehmen fort, immer neue Kriegsgefahren spornten es an, 1783 war die barocke Stadtbefestigung vollendet. In der neueren Forschung wird der barocke Festungsbau oft negativ beurteilt.18 Zivile Kosten und militärischer Nutzen hätten in keinem Verhältnis gestanden; die Städte seien eingeschnürt, entmündigt, in ihrer Entwicklung behindert worden; im Ernstfall hätten die riesigen Anlagen mangels Truppen gar nicht gehalten werden können. Speziell gegen Würzburgs Befestigung wird angeführt, sie sei militärisch von vorneherein sinnlos gewesen, da, wie der Major Ribaupierre 1802 gutachtete, wegen der umliegenden Höhen „nicht zu vertheidigen“.19 Um ein Demonstrationsund Prestigeobjekt habe es sich gehandelt, nicht um wirklichen Schutz.20 Diese Sicht stützt sich auf Urteile aus dem späten 18. Jahrhundert, sie vernachlässigt den rasanten Fortschritt, den die neuzeitliche Geschütz- und Belagerungstechnik in Koevolution mit dem Festungsbau durchlief. Mochten die barocken Bastionen bei ihrer Vollendung 1783 militärisch überholt gewesen sein, bei ihrer Planung und Errichtung waren sie es nicht. Gustav Adolph jedenfalls, militärisch auch nicht ganz unbeschlagen, hatte für nötig erachtet, auch die rechtsmainische Stadt zur Festung auszubauen,21 der ausgebildete Geschützgießer und Festungsarchitekt Balthasar Neumann beaufsichtigte die Wiederaufnahme der Arbeiten. Daß die Stadtbefestigung auch demonstrativen Charakter hatte, ist richtig; gerade in ihm aber lag ein mehrfacher Sinn. Wenn Johann Philipp Franz von Schönborn sich zum Ziel setzte, seine Fortifikationen „wenigstens gegen den ersten anlauf“ haltbar zu machen,22 formulierte er in realistischer Selbstbescheidung ein 17 Auf Balthasar Neumanns Plan der Stadt Würzburg aus dem Jahr 1715 ist das Provisorium im Süden gut zu erkennen (s. Lusin: Entwicklung, S. 282 mit Abb. 82; Seberich: Stadtbefestigung II, S. 68–70; vgl. unten Anm. 24 und Abb. 8, S. 266). 18 Belege bei Schott: Verhältnis, S. 223 f., der sich dieser Sicht anschließt. 19 Hofmann: Erkundung, S. 19. Zu dem gleichen Urteil war schon der Verfasser eines Lexikonartikels über Würzburg gelangt (Zedler: Universal Lexicon, Bd. 59, Sp. 1348 f.). 20 So Sicken: Residenzstadt, S. 133, differenzierter Seberich: Stadtbefestigung II, S. 156– 159. 21 Seberich: Stadtbefestigung II, S. 9 und S. 27 mit Anm. 69. 22 Johann Philipp Franz an Lothar Franz von Schönborn, 24. Januar 1720. QueGeBa I / 2, Nr. 685.

1. Prioritäten

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wichtiges Ziel. Konnte man einen Angreifer zu einer professionellen Belagerung zwingen, so trieb man seinen logistischen Aufwand und seine Kosten derart in die Höhe, daß er in den allermeisten Fällen von seinem Vorhaben absehen würde. Schon mit dieser Abschreckung erfüllten die Bastionen nach außen ihren Zweck. Nach innen nahmen sie dem Gemeinwesen das Gefühl hilflosen Ausgeliefertseins. Sie demonstrierten den Willen zur Selbstbehauptung. Solange man Bastionen baute, war das Gemeinwesen lebendig. Wer den Bau vorantrieb, machte sich um das Gemeinwohl verdient. Der Ausbau zur Festungsstadt veränderte Würzburg grundlegend.23 Die neuen Bastionen umschlossen zwar nur wenig mehr Fläche als die spätmittelalterliche Vorstadtbefestigung, doch fügten sie das alte Stadterweiterungsgebiet erst eigentlich in die Stadt ein. Aus Vorstädten machten sie Stadtviertel, aus peripherem Weide- und Gartenland Baugrund, aus unsicherem Vorfeld eine hervorragende Lage. Daß man die liegengelassene Fortifikation ernstlich zu vollenden begann, brachte die gesamte städtische Topographie in Bewegung. Erst jetzt bot die Stadterweiterungsfläche anspruchsvollen Bauherren die nötige Sicherheit, erst jetzt entstand eine Alternative zur drangvollen Enge der mittelalterlichen Stadt. Was bisher „Stadt“ geheißen und das Eigentliche, Ganze des Gemeinwesens ausgemacht hatte, verwandelte sich in die „Altstadt“: in einen (veralteten) Teil, dem man etwas Eigenes, Neues entgegenstellen konnte. So verlieh die barocke Stadtbefestigung auch der privaten Bautätigkeit einen mächtigen Schub. Darauf hoffte Johann Philipp Franz, ihn dachte er zu steuern. Die Grundlage bildete ein detaillierter Stadtplan, den sein Militärbaumeister und daher der Feldmesserei kundige Balthasar Neumann 1715 gezeichnet hatte: der erste (wenigstens in Kopie) überlieferte, grundrißtreue Plan Würzburgs überhaupt (Abb. 8).24 Eine neue Technik der Bestandsaufnahme, die Beherrschung einer neuen Darstellungsform und hervorragende Lokalkenntnisse waren es also, die den zweiunddreißigjährigen unbekannten Fähnrich dazu qualifizierten, erst ein Gutachten über die künftige Würzburger Stadtgestaltung anzufertigen,25 dann über eine neu eingerichtete Baukommission den Stadtumbau zu lenken. Zahlreiche weitere Bauvorhaben für Tore, Brücken, Brunnen, eine Säge, ferner die Pflasterung von Straßen und Plätzen sollten die Infrastruktur der neuen Festungsstadt verbessern.26 Eng griffen Militär- und Zivilarchitektur ineinander. Einiges dazu bei Sicken: Residenzstadt und Hamann: Sviluppo, S. 67. Lusin: Entwicklung, S. 282 mit Abb. 82; Feurer / Maidt: Gesamtansichten, S. 27 f.; Bechtold / Pfister: Stadtplan. Eine brauchbare Einführung in Leben und Werk von Neumann gibt Hansmann: Neumann; maßgeblich für Neumanns Tätigkeit in Würzburg ist nach wie vor von Freeden: Stadtbaumeister (zu Neumanns Stadtplan ebd., S. 11 mit Abb. 4). 25 Neumann war als militärischer Amtsträger des Stifts gerade zur Hand, als Mitarbeiter der eingesessenen Würzburger Baumeister in der Stadt bekannt, einmal auch schon als Wasserbauer für die Familie Schönborn tätig gewesen. Die angeseheneren Würzburger Architekten hatten alle für die Vorgänger-Bischöfe gearbeitet und wurden von dem neuen Regierungschef schon deshalb zur Seite geschoben. 23 24

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Abb. 8: Balthasar Neumann, Stadtplan von Würzburg, 1715 – Kopie v. Joseph Fischer, 1775

Chronologisch und konzeptionell an dritter Stelle stand der Bau der Residenz.27 Ursprünglich hatte Johann Philipp Franz nur ein vorhandenes „Schlößchen“ in26 Detailliert aufgelistet werden diese Baumaßnahmen auf dem Thesenblatt des Franz Wilhelm von Reitzenstein (mehr dazu unten S. 274). Vgl. auch Schott: Verhältnis, S. 211–223. 27 Die Planungs-, Bau- und Ausstattungsgeschichte der Würzburger Residenz gehört zu den großen Themen der deutschen Kunstgeschichte. Denn es handelt sich, wie als erster Richard Sedlmaier herausgearbeitet hat, um einen komplizierten Prozeß, zu dem in „einer kollektivistischen Arbeitsmethode“ die Auftraggeber ebensoviel beigetragen haben wie die Architekten (Sedlmaier / Pfister: Residenz, S. 2 und S. 13 ff.); die landläufige Entgegenstellung beider Seiten führt hier in die Irre. Und da Johann Philipp Franz von Schönborn als Bauherr von Onkel und Brüdern unterstützt, kritisiert, angefeuert, beraten wurde – ein Vorgehen, das er (anfangs widerwillig) duldete, weil die bauerfahrenen Verwandten über Kenntnisse, Künstler, Beziehungen verfügten, denen er nur seinen unbekannten, im Zivilbau unerfahrenen, zum Leutnant beförderten Neumann zur Seite stellen konnte –, verwandelte die Auftraggeberschaft sich in einen ganzen Chor von eigensinnigen Stimmen (Kummer: Neumann, S. 79 f., im Ergebnis aber die Vorstellung von der kollektivistischen Arbeitsmethode verwerfend: ebd., S. 88 f.). Sowohl Friedrich Karl in Wien als auch Lothar Franz in Mainz hatten angesehendste Architekten zur Hand, die umgehend an den Entwürfen beteiligt

1. Prioritäten

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standsetzen lassen wollen.28 Lange widersetzte er sich dem Ansinnen von Bruder und Onkel, die aus dem Vorhaben eine größere Sache machen wollten. Friedrich Karl beispielsweise plädierte dafür, Lukas von Hildebrandt, den Baumeister des Kaisers und des Prinzen Eugen hinzuzuziehen, damit „die gantze posterität Ihro obligation und Dero memorie das recht hatt, etwas fürstliches und rechtschaffenes gemacht zu haben“.29 Lothar Franz bedauerte, daß der Neffe seine Mittel für die Stadtbefestigung verbrauchte statt für eine neue Residenz: Unser bischoff von Würzburg wirdt je mehr undt mehr der gott Mars undt mueß alles über kopf und hals schantzen. Ich meines orths thete bei der fortificirung des schloss pleiben, indem doch aus der statt, mann mag sie sieden oder brathen, nichts besonderes gemacht werden kann.30

Etwas Besonderes: „etwas fürstliches und rechtschaffenes“ zu machen, war für Lothar Franz und Friedrich Karl von Schönborn der Sinn fürstlichen Bauens. Von Anfang an betrachteten sie die Würzburger Residenz als Denkmal: nicht nur an die Zeitgenossen adressiert, sondern an „die gantze posterität“; nicht als Zweckbau, sondern als Monument der eigenen Familie.31 Johann Philipp Franz sah das anders. Er fürchtete, „es mögte dessen [= Lukas von Hildebrands, J.S.] nach ksl. kgl. und reichsvicekanzlars concepten ausgeteilte große maastaab sich in meinem land und beutel nicht brauchen lassen“.32 Das war nicht nur Finanznot, nicht nur Empfindwurden: Lukas von Hildebrandt, „für jezige zeiten in seiner profession, ohnparteiisch zu sagen, gewiss einer von denen berühmtesten“ (Friedrich Karl an Johann Philipp Franz, 24. Oktober 1724. QueGeBa I / 2, Nr. 634), zählte ebenso dazu wie der Franke Maximilian Welsch und der böhmisch geprägte Oberbayer Johann Dientzenhofer; auch die bedeutendsten französischen Architekten der Zeit: Robert de Cotte und Germain Boffrand, wurden konsultiert. Die Verbindungen der Schönborn-Familie ließen die Würzburger Residenz zu einem europäischen Kunstwerk werden, in dem Einflüsse, Vorbilder, Lokalstile aus Paris und Wien, Prag und Franken sich kreuzten. Diesen Vorgang aufzudröseln, Baugedanken und Eigentümlichkeiten der Beteiligten nachträglich zu sondern, das Gewicht jedes einzelnen zu bestimmen, daran arbeiten die Kunsthistoriker bis heute; vor allem über den Anteil Balthasar Neumanns wird dabei heftig gestritten (grundsätzlich dazu Hubala: Genie; ders. / Mayer: Residenz, S. 37–54). Über die älteren Quellenauszüge und die klassischen Darstellungen von Sedlmaier / Pfister und Hubala / Mayer soll beispielsweise eine Quellensammlung hinausführen, die derzeit unter der Leitung Stefan Kummers von Verena Friedrich und Michaela Neubert erstellt wird (DFG-Projekt „Die Genese der Würzburger Residenz. Baugeschichte und Ausstattung“). Für den hier entwickelten Argumentationszusammenhang genügt es, sich auf die bekannten Grundzüge zu beschränken. 28 Vgl. den Briefwechsel zwischen Johann Philipp Franz und Lothar Franz von Schönborn aus dem Oktober 1719 (QueGeBa I / 2, Nrn. 626 f.) und das Protokoll der Würzburger Hofkammersitzung vom 23. Oktober 1719 (ebd., Nr. 633). 29 Friedrich Karl an Johann Philipp Franz von Schönborn, 24. Oktober 1719. QueGeBa I / 2, Nr. 634. 30 Lothar Franz an Friedrich Karl von Schönborn, 20. Februar 1720. QueGeBa I / 2, Nr. 724. Vgl. Stephan: Glanz, S. 11. 31 Zu den dahinterstehenden Vorstellungen s. Süßmann: Ästhetische Kompetenz, S. 49 f. 32 Johann Philipp Franz an Friedrich Karl von Schönborn, 22. Oktober 1719. QueGeBa I / 2, Nr. 630.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

lichkeit gegenüber dem weltläufigeren jüngeren Bruder, nicht nur Sorge, das Unternehmen könnte ihm aus der Hand genommen werden,33 es entsprang einer anderen Prioritätensetzung. Für Johann Philipp Franz kam zuerst die Stadtbefestigung, dann die Infrastruktur, dann die Residenz; zuerst das Gemeinwesen, dann der Fürst; zuerst das Ganze, dann die Teile. In ein städtebauliches Gesamtkonzept war der Residenzbau für ihn integriert, über das Denken in aufsehenerregenden Einzelbauten ging er prinzipiell hinaus. Das änderte sich auch dann nicht, als sein Onkel Lothar Franz von Schönborn das Bauvorhaben zur Familiensache erhob, als er einen kollektiven Planungsprozeß mit führenden Architekten des Reichs eröffnete, als die Aufklärung einer Korruptionsaffäre Geldmittel für eine großzügige Neuplanung in die Kasse spülte.34 Zwar ließ der zögernde Johann Philipp Franz sich nunmehr auf das Vorhaben ein, zwar verwandelte er es in einer für ihn typischen Volte – und ganz im Sinne des adligen Wettstreits um Ruhm – in den größten und bedeutendsten europäischen Schloßbau der Zeit, doch machte er es zugleich zum Angelpunkt der neuen Würzburger Stadtstruktur, zu einem Impuls für die Umgestaltung des Ganzen. Was er als ältester Sohn der Familie schuldig war, erfüllte, ja überbot er, seinen Prioritäten blieb er treu. Denn sein Gesamtkonzept lieh der schieren Überbietungsgröße neuen Sinn: Mehr als ein Denkmal der Schönborn-Familie wurde die Würzburger Residenz durch Johann Philipp Franz zum Manifest einer politischen Neuordnung des Gemeinwesens. Nicht isoliert, sondern als Teil eines Gesamtkonzepts ist sie zu verstehen.35 Dieses gilt es im Folgenden zu entschlüsseln.

2. Der Anspruch Neben der Chronologie gewähren drei Schlüsselquellen weiteren Aufschluß über die Beteiligten und wie ihr Konzept von Baupolitik sich entwickelte. Allen voran steht das erwähnte Gutachten, das Balthasar Neumann am 19. Juni 1720 über die angestrebte Stadtentwicklung verfaßte.36 Schon der Titel dieser Denkschrift, „Project Wie ein und das andere zur zier der hochfürstl. Residenz statt Würtzburg nach und nach einzurichten“, zeigt, daß Stadtgestaltung darin noch 33 Obwohl all diese Affekte mitspielten, s. etwa Johann Philipp Franz an Rudolf Franz Erwein von Schönborn, 25. Oktober 1719. QueGeBa I / 2, Nr. 636. 34 Dazu Baum: Finanzierung; Schott: Verhältnis, S. 184 f.; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 37–43. 35 In der bisherigen Literatur wird dieser Aspekt zu wenig berücksichtigt. Lediglich die Positionierung der Residenz im Verhältnis zu Bastionen und Vorplatz hat man bislang interpretiert. Mehr dazu unten S. 284. 36 Die Denkschrift ist lediglich in einer Kopie überliefert und nicht unterschrieben; aus inneren Gründen kommt aber nur Neumann als Verfasser in Betracht (so von Freeden: Stadtbaumeister, S. 12; ebenso Lusin: Entwicklung, S. 282). Zusammengefaßt ist sie bei Lusin (a. a. O., S. 283), vollständig abgedruckt bei von Freeden (a. a. O., S. 109 f. und bei Hamann: Sviluppo, S. 75 f., Anm. 52).

2. Der Anspruch

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kumulativ verstanden wird: als Folge von „nach und nach“ durchzusetzenden Einzelmaßnahmen. Implizit werden durchaus städtebauliche Grundprobleme angepackt, etwa wie mit der funktionslos gewordenen, mittelalterlichen Stadtmauer umgegangen werden soll, doch argumentiert Neumann einzelfallbezogen, pragmatisch, ohne allgemeines Prinzip. Die Promenaden, die er neben Teilen der ehemaligen Mauer und des ehemaligen Stadtgrabens anlegen will, sollen „jedermann honetten sonderlich denen Juristen“ für „Spaziergäng“ dienen – sowohl die vorgesehenen Nutzer als auch die Nutzungsweise bleiben spezifisch, beschränkt. Hauptstraßen der Stadt sollen begradigt, Blickachsen freigelegt, Hausfassaden vereinheitlicht werden, ebenso die Mainfront – Maßnahmen, die Neumann sich zu diesem Zeitpunkt nur als Oktroyierung obrigkeitlicher Muster vorstellen kann.37 Nur durch Zwang scheinen das Denken im Einzelfall und der Wunsch nach „gleichförmigkeit“ (vor allem der Fluchtlinien, aber wohl auch der Fassaden) vermittelbar, der mehrere Punkte bestimmt. Dienen soll die Gleichförmigkeit neben dem Verkehr vor allem „zur zier“ der Residenzstadt, „damit wann frömdte passagiers durch die Stadt ziehen“ Straßenzüge und Fassaden „herrlich in die augen falle“. Als Ausweis der fürstlichen Machtentfaltung, mit der sie durchgesetzt wird, erscheint „gleichförmigkeit“ hier noch selbstbezüglich, tautologisch. In der zweiten Quelle sieht das dann anders aus (Abb. 9, S. 270).38 Es handelt sich um einen Kupferstich von fünf Platten (bei genauem Hinsehen sind die Stoßkanten zu erkennen) mit dem Gesamtmaß 118,5  151 cm. Die Darstellung hat Plakatgröße, das gibt einen ersten Hinweis auf ihren Zweck. In dieser Größe entfaltet sich eine überbordende, vielfältige, detailreich-kleinteilige Komposition – unmöglich, das Dargestellte auf einen Blick zu erfassen! Die Betrachter werden überwältigt; von Fülle und Pracht erschlagen; durch Wechsel der Maßstäbe und Proportionen irritiert. Doch setzt sich aufgrund des Querformats und der dominierenden Architekturdarstellung allmählich ein Eindruck von Festigkeit und Ruhe durch: Das Bild ist strukturiert, es ist lesbar, in drei Bereiche ist es bei näherem Hinsehen gegliedert. Da ist zunächst, am unteren Bildrand erkennbar, eine gestufte Bodentäfelung wie bei einem Podest oder einer Bühne. Ihr korrespondiert am oberen Bildrand ein geraffter Vorhang, der durch eine davor befindliche Bordüre und die Halteseile in den Ecken als Theatervorhang ausgewiesen ist. Ein Theater also ist der äußerste, 37 „3. Solle am Eck der alten Stadt Mauern [ . . . ] eine neue Caserne [ . . . ] aufgeführet, und denen Innwohnern allda gegen nach laß einig Jähriger Schatzung zuge / / werden [sic], daß Sie in gleichförmigkeit der Casarne ihre Häuser bis an die Brück einrichten lassen [ . . . ].“ (von Freeden: Stadtbaumeister, S. 109). 38 Das einzige vollständig überlieferte Exemplar befindet sich im Mainfränkischen Museum Würzburg, s. Trenschel: Thesenblatt sowie Feurer / Maidt: Gesamtansichten, S. 98–101 (mit Großabbildung auf der Faltbeilage), jeweils mit weiterer Literatur. Eine Beschreibung bei Lusin: Entwicklung, S. 284–286.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

erste dargestellte Gegenstand, es erscheint als Rahmen für alles weitere. Von den vielen Bedeutungen, die das Theater im Barock hatte, sei hier nur an die elementaren erinnert:39 Es ist eine festliche, öffentliche Veranstaltung, eine Schau, bei der durch feierliche Steigerung etwas zum Vorschein gebracht wird, das im Alltag verborgen bleibt. Und es ist eine Inszenierung: eine kalkulierte, künstlich-künstlerisch gestaltete Darstellung. Auf diese drei Rahmenbedeutungen wird die Erwartung der Betrachter gestimmt.

Abb. 9: Balthasar Neumann, Thesenblatt des Freiherrn v. Reitzenstein, 1723

Eingestellt in das Theater ist eine prachtvolle, überreiche Architektur. Auf hohem Sockel erheben sich sowohl am linken als auch am rechten Bildrand zwei hintereinandergestellte Vollsäulenpaare, dahinter Halbpfeiler – damit führt die Architektur in die Bildtiefe hinein bzw. schafft überhaupt erst eine Illusion von Tiefe. Schon für sich ist die Vollsäule ein Pathossignal. Paarweise verwendet, signalisiert sie in der Architektur der Zeit Erhabenheit, etwa in imperialen, kaiserlichen Bauten. Selbst dieses Pathos wird hier noch einmal verdoppelt. Zudem stehen die Säu39

Nach wie vor maßgeblich Alewyn: Welttheater.

2. Der Anspruch

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len für ihre Mächtigkeit zu dicht (weshalb sie nicht als Kolonnade gedeutet werden können), auch ist ihre stützende Kraft viel größer, als für die Attika darüber nötig wäre.40 Die Architektur wirkt übertrieben, ihre Funktion ist nicht zu erkennen. Man sieht nur eine Fassade und über der Balustrade den Himmel, kein Gebäude, das den Aufwand rechtfertigen würde. Das Ganze wirkt wie eine Kulisse, wie gemalte Architektur. Damit führt es das Theatermotiv des Rahmens fort. Offensichtlich handelt es sich um eine Schau- oder Scheinarchitektur, wie sie in der Frühen Neuzeit zu höfischen Festen, Einzügen, Triumphen, Huldigungen geschaffen wurde. Zur Bildmitte hin sind die architektonischen Elemente horizontal verbunden, wobei dort nur ein mächtiger durchbrochener Dreiecksgiebel zu erkennen ist: wie über einem Risaliten oder Portal. Insgesamt bildet die überreiche Architektur also eine Art Ehrenhof vor einem Durchgang. Rechts und links davon ist an den Bildrändern je ein Stück Mauer zu erkennen mit weitgehend verdeckten Pflanzenkübeln; dadurch wird die Vorstellung einer Eingangssituation noch verstärkt. Um welche Art von Portal handelt es sich? Auskunft gibt die vertikale Mittelachse des Bilds. Über dem Giebel zeigt sie ein Wappen, das von zwei Löwen gehalten wird. Sein Baldachin mit dem hermelingefütterten Vorhang und der Stoff unter den Füßen der Löwen lassen an einen Thron denken: Ein Fürstenwappen wird hier offenbar präsentiert. Links und rechts davon, an den Gelenkstellen zwischen den vorgeschobenen Säulenpaaren und der Portalzone, turnt je ein Putto vor einem Aufbau aus Rutenbündeln, Standarten, Rüstungsteilen, Kriegsgerät – den Hoheitszeichen ziviler und militärischer öffentlicher Gewalt. Darunter, wieder auf der Mittelachse, schwebt vor dem Dreiecksgiebel ein von Gott Merkur gehaltenes Medaillon mit einem Porträt: ein Mann, durch Perücke, Bäffchen, Mantel und Brustkreuz als geistlicher Amtsträger ausgewiesen, offenbar die gleiche Person, die durch das Wappen bezeichnet wird.41 Unten auf der Mittelachse, direkt auf de Bühne, findet sich eine Texttafel mit einer Widmung. Adressiert ist sie an den „Reverendissimo et Celsissimo S.R.I. Principi ac Domino D. IOANNI PHILIPPO 40 Auf der rechten Bildseite ist dem Stecher ein Fehler passiert. Der Zusammenhang einer weiteren Säule rechts von den vorgestellten Säulenpaaren mit dem darüberliegenden Architrav ist nicht richtig erfaßt. Statt auf der Säule zu ruhen, geht der Architrav in Wand über, die am Rande der Kupferplatte abrupt endet. Erklärbar ist der Fehler damit, daß die Bildebene der Halbpfeiler und der äußersten Säulen im Verhältnis zu den vorgeschobenen Säulenpaaren zu nah erscheint (die umgekehrte perspektivische Unsicherheit oder Ungenauigkeit findet sich in dem Verhältnis von Baldachin und Wappen, die zu weit auseinandergezogen scheinen). Will man das nicht als bloßes Unvermögen deuten, so verweist es darauf, daß die Architektur in mehrerer Hinsicht unmotiviert und übertrieben erscheint. 41 Die Doppelung von Wappen und Porträt verrät eine klare Unterscheidung von Amt und Person. Das kleinere Porträtmedaillon links zeigt einen Mann, der durch sein höheres Alter und die prägnanteren Gesichtszüge als Vorfahre, Vorbild, Archetyp gekennzeichnet ist. Es handelt sich, so kann man vorwegnehmen, um Johann Philipp von Schönborn: das Namensvorbild von Johann Philipp Franz – seinerseits Fürstbischof von Würzburg; seinerseits Bauherr, hat er doch den Festungsgürtel um die Stadt Würzburg begonnen, dessen Vollendung der Großneffe gerade betreibt. Als Familiensache der Schönborn wird das stadtgestaltende Bauen in Würzburg durch diese Huldigung dargestellt.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

FRANCISCO D.G. Episcopo Herbipol. Franciæ Orient. Duci [ . . . ]“. Damit wird auch sprachlich benannt, wen die heraldischen Zeichen und das Porträt visuell eingeführt haben, war das Wappen für die Kundigen doch als Amtswappen des Johann Philipp Franz von Schönborn zu erkennen.42 Das Rennleinfähnlein (Feld 9 des Wappens) weist ihn als Würzburger Landesherrn, der fränkische Rechen (Feld 2) als Herzog von Franken aus;43 die übrigen Felder symbolisieren Besitztümer und Ehrentitel der Familie Schönborn. Durch diese Adressierung wird klar, worum es sich bei dem Portal handelt: Im Medium des Kupferstichs errichtet das Blatt eine Ehrenpforte bzw. einen Triumphbogen für den amtierenden Fürstbischof, es stellt eine Huldigung dar. Der Urheber der Huldigung findet sich ebenfalls auf der Mittelachse: als der Name nämlich, mit dem die Widmung unterschrieben ist. Es handelt sich um den Freiherrn Franz Wilhelm von Reitzenstein; er hat das Blatt in Auftrag gegeben und finanziert. Den Anlaß verraten die beiden Texttafeln links und rechts der Widmung. Sie laden zum Besuch einer Promotionsprüfung der Würzburger Universität, sie machen die Thesen bekannt, die der Kandidat Reitzenstein in der Disputation verteidigen wollte. Der pragmatischen Funktion nach handelt es sich also um ein Thesenblatt – daher die Plakatgröße; daher das Medium Kupferstich (Vervielfältigung); daher die Überlieferung in nur einem vollständigen Exemplar.44 Stattgefunden hat die Disputation, wie aus der rechten Texttafel hervorgeht, am 3. Juli 1723; in den Monaten davor muß das Blatt entstanden sein. Wer vergleicht, wieviel Raum auf dem Blatt von den Thesen eingenommen wird, wieviel von der Huldigung des Fürstbischofs, begreift das Kalkül des kostspieligen Werks. Als Landesherr beaufsichtigte Johann Philipp Franz von Schönborn die Würzburger Universität, als Regierungschef war er ein möglicher Patron des Absolventen. Es handelt sich offensichtlich um eine Investition über die Doktorprüfung hinaus – Werbungskosten im elementaren Sinn. Huldigen darf man einem Mächtigen nur für das, was diesem am Herzen liegt. Eine Huldigung ist auch riskant. Trifft sie nicht das Richtige oder im Richtigen nicht das Selbstverständnis des Gehuldigten, verwandelt sie sich in eine Blamage. Was lag nun nach Meinung des Freiherrn von Reitzenstein Johann Philipp Franz von Schönborn am Herzen? Worin sah er den Kern von dessen Regierung? Antwort geben die mythologischen und allegorischen Figuren sowie die Medaillons an den Säulen. Auf der Attika über den Säulen thront links mit gezücktem Schwert in der Hand Mars, der Gott des Krieges, rechts mit der Lanze Minerva, die Schirmerin der Künste und Wissenschaften als Grundlage bürgerlicher Wohlfahrt. Auf der Seite des Mars erkennt man unten links, an den Sockel gelehnt, eine Frauengestalt mit Buch und Stechzirkel, die den linken Fuß auf eine Kanone stellt: Vgl. Kolb: Wappen, S. 152–157. Dazu Kolb: Wappen, S. 31–41. 44 Als Gebrauchsgraphiken wurden Thesenblätter nach der Prüfung abgerissen oder überklebt; nur Beteiligte bewahrten sie als Erinnerungsstücke auf. 42 43

2. Der Anspruch

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eine Verkörperung der Artillerie; ihr den Rücken zukehrend, sitzend, ebenfalls mit Stechzirkel und weiteren architektonischen Instrumenten zu ihren Füßen eine Verkörperung der Militärarchitektur. Auf der Seite der Minerva stehend eine Frau mit Zeichenstift und Zeichenblock, zu ihren Füßen Skulpturfragmente: die bildende Kunst; links von ihr, sitzend die Verkörperung der Zivilarchitektur. Das Bauen also ist es: für den Krieg wie für den Frieden, für das dem Fürstbischof hier gehuldigt wird. Die Medaillons vor den Säulen zeigen die wichtigsten Hervorbringungen dieses Bauens an. Beschriftungen auf Textbändern weisen sie (von links oben nach rechts unten) als Ansichten der Würzburger Universitätsbibliothek von innen; der Residenz aus der Vogelperspektive; der Stadt Würzburg im Grundriß; der SchönbornKapelle am Dom von außen, der Schönborn-Kapelle im Schnitt; der Festung Königshofen im Grundriß aus. In der Sockelzone ist links ein Fassadenaufriß der Würzburger Residenz, rechts ein Grundriß derselben zu erkennen. Auf unterschiedliche Weise werden diese Bauwerke präsentiert, deshalb auch z. T. mehrfach: einmal im Grundriß, einmal im Aufriß, hier im Schnitt, dort aus der Vogelperspektive. All diese Präsentationsformen entstammen dem architektonischen Planungsprozeß. D. h. die Bauwerke werden primär als Erzeugnisse dieses Planungsvorgangs dargestellt. Darin also besteht die Leistung, die hier als Triumph gefeiert wird: in Architektur, im Planen und Bauen. Bauwerke erscheinen als (Helden-) Taten von dem gleichen Rang wie Schlachten, die sonst auf Triumphbögen dargestellt werden. Das Bauen wird als herrscherliches Handeln dargestellt, das den gleichen Rang wie militärisches Handeln besitzt. Erhärtet wird diese Interpretation durch die Widmung auf der mittleren Texttafel. Nempè maximorum Principum primas Curas et Studia æmularis, qui utilitati publicæ minimeˆ Se consuluisse existimabant, nisi decori pariter, Ornamentis, ac Securitati urbium Suarum prospexissent [ . . . ].

Als Beispiel dient Augustus, der in seinem Rechenschaftsbericht von all seinen Taten die Wiederherstellung der Stadt Rom als die wichtigste ansah. Mit ihm wird Johann Philipp Franz verglichen. Wie Augustus ein aus Ziegeln erbautes Rom vorgefunden und ein marmornes hinterlassen habe, mache der Schönborn, „pro antiquæ urbis decore Sol[l]icitus“ in Würzburg, ‘alles neu’ („novam o[m]nino facis“) – als grundlegende Erneuerung wird seine Bautätigkeit beschrieben. absterguntur enim annosæ vetustatis pulveres, FONTE SPECIOSO, non in civium Solu`m animos, Sed et mœnia Principali munificentiâ SeSe effundente.

Angeführt werden: „urbi Ducale Palatium, Basilicæ Suppar, hinc Mausolæum, inde` Principalis aulæ Sacrarium, nova urbis et arcis propugnacula, et quæ inter Academiæ porticus, ac magni Nosocomii hortenses areas eruditioni ac Saluti publicæ erigis Sapientiæ ac Botanicæ Armaria“ – wie auf der Ehrenpforte erscheinen in der Widmung Militärarchitektur und Zivilarchitektur als die beiden Säulen von Johann Philipp Franzens Bautätigkeit. 18 Süßmann

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Entscheidend ist, daß diese dadurch systematisiert wird. Aus einer Folge pragmatischer Einzelmaßnahmen in Balthasar Neumanns Gutachten ist ein Programm geworden: eine Politik, ja, wie der Verweis auf die Taten des Augustus zeigt, der vornehmste und wichtigste Politikbereich Johann Philipp Franzens überhaupt. Ferner ist diese Baupolitik jetzt einem übergeordneten Prinzip unterstellt: dem ‘öffentlichen Nutzen’ („utilitas publica“) oder ‘Gemeinwohl’ („salus publica“), wie es sich zum einen in der ‘Sicherheit’ („securitas“), zum andern in ‘Schmuck’ („decorum“) und ‘Ausstattung’ („ornamenta“) der Stadt zeige. Auf einer Banderole am rechten Bildrand werden die neuen Bauwerke aufgelistet, die unter der Regierung von Johann Philipp Franz bis 1723 errichtet wurden oder errichtet werden sollten. Dazu zählen neben den genannten neue Pflasterungen, ein Getreidespeicher, eine Säge – typische Zweckbauten für die allgemeine Infrastruktur also. Sogar das Herrscherlob ist diesem übergeordneten Prinzip unterstellt. Mit Cassiodor stellt Reitzenstein fest: Hæc peregrinis Sub admiratione monstrantur et prima fronte talis Dominus talis Princeps esse creditur, quale ejus habitaculum, urbs eius et Metropolis Comprobatur.

Nur was zuerst dem Gemeinwohl dient, zeichnet auch den Fürsten aus. Fürstliches Bauen geht hier prinzipiell über Einzelbauten und partikulare Ziele hinaus. Es wird zur Politik auch insofern, als es tendenziell das gesamte Gemeinwesen betrifft und umgestaltet, ihm eine neue Form verleiht. Daß diese Systematisierung und Gemeinwohlorientierung von Johann Philipp Franzens Bautätigkeit keine Erfindung des Akademikers Reitzenstein war, läßt sich aus einem weiteren Umstand ersehen. Reitzenstein hat sich, wohl um wirklich die Anliegen des Fürstbischofs zu treffen, der Mitarbeit von dessen wichtigstem Bausachverständigen versichert, seiner rechten Hand in der Baupolitik: Von Balthasar Neumann stammt die Vorzeichnung, das Konzept für dieses Thesenblatt; seine Signatur befindet sich ganz unten auf der Mittelachse des Bilds. Aufgrund von Neumanns Stellung ist davon auszugehen, daß er die Vorstellungen des Fürstbischofs genau kannte. Was sich im Vergleich mit dem Gutachten von 1720 verändert hat, dürfte somit auf Johann Philipp Franz zurückgehen. Auf die Vorstellungen und das Selbstverständnis des Fürstbischofs kann man von dieser Huldigung schließen. Neumann hat sich kaum je für Kupferstich-Entwürfe gewinnen lassen; das Blatt scheint die einzige solche Arbeit für einen Privatmann zu sein.45 Was ihn (neben dem vermutlich üppigen Honorar) zu der Aufgabe bewogen hat, zeigt sich im Zentrum des Blatts. Zu sehen ist dort eine Gesamtansicht der Stadt Würzburg und ihrer Umgebung aus der Vogelschau. Ziemlich in der Mitte erkennt man den Dom – letzten Hinweis auf christliche Transzendenz; ansonsten kommt das Blatt ohne jeden religiösen Bezug aus. Um den Dom sieht man die extrem verdichtete Altstadt, 45 Joachim Hotz nennt in seiner Übersicht sonst nur Entwürfe, die Neumann in offiziellem Auftrag, d. h. im Dienst seiner Fürstbischöfe, ausgeführt hat (s. Hotz: Neumann als Zeichner).

2. Der Anspruch

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dann die mittelalterliche Mauer, zwischen ihr und der neuen Bastionärsbefestigung die barocke Stadterweiterung. Im Gegensatz zur Altstadt ist die Bebauung dort noch spärlich, aufgelockert durch zahlreiche Gärten, dafür großzügig und regelmäßig. Das Julius-Spital im Vordergrund und die Residenz erscheinen als Großbauten. Deutlich zu erkennen ist, daß sie neue Maßstäbe setzen. Strenge Perspektivität, Detailgenauigkeit, lebhafte Licht-Schatten-Kontraste erzeugen den Eindruck größter Übersichtlichkeit und Abbildtreue – eine Wirkung, die allerdings dadurch konterkariert wird, daß als Bildgrund dieser Ansicht eine von sechs Genien gehaltene Stoffbahn gezeigt wird – die Assoziation zu einem Bühnenvorhang liegt nahe. Abermals wird damit das Theatermotiv des Rahmens aufgegriffen. Bezogen auf die dahinter dargestellte Architektur ist der Vorhang entweder zu gigantisch, um noch als Stoffbahn gelten zu können, oder er läßt umgekehrt die Architektur zusammenschrumpfen – ein Mißverhältnis, das sowohl das Kulissenhafte der Huldigungsarchitektur betont wie das Schwebende, Unwirkliche der Stadtansicht. Zudem verdeckt der Vorhang den eigentlichen Durchgang. Die Stadtansicht auf der Stoffbahn ersetzt, was man durch den Triumphbogen sehen könnte; sie nimmt es im Wortsinn vorweg. Damit verleiht sie dem Theatermotiv eine zusätzliche Bedeutung: Die Stadtansicht ist ein „Prospekt“ dessen, was erst noch entstehen soll, sie nimmt die Zukunft vorweg, sie hat programmatischen Charakter. Alles auf diesem Bild ist somit als Inszenierung ausgewiesen, als Fiktion,46 als Schein – aber nicht im Sinne von Täuschung und Lüge, sondern im Sinne eines kalkuliert gestalteten Vor-Scheins. Offen macht die alles durchwaltende Theatralität darauf aufmerksam, daß das Blatt über den Ist-Zustand hinausgeht. Es wirbt für eine Zukunftsvision. Im Modus der Darstellung wird die Zukunft in die Gegenwart hereingeholt, um die Gegenwart auf die Zukunft zu verpflichten. Auch Hypergenauigkeit und Abbildtreue der Stadtansicht, heißt das, sind Schein.47 In der Tat stellt diese Vedute keineswegs ein Abbild dar, vielmehr ist sie 46 In der rahmenden Triumpharchitektur zeigt das Fiktive sich in zweierlei Gestalt: Die Bauwerke auf den Medaillons haben z. T. den Status von Planzeichnungen, d. h. sie sind fiktiv, sofern sie (noch) nicht gebaut sind, ihre Ausführung in der Zukunft liegt. Die Portalarchitektur hat den Status des Kulissenhaften, Gemalten, Imaginierten, d. h. sie ist fiktiv, insofern sie bloß ausgedacht ist. Damit repräsentiert sie ein architektonisches Welttheater, ein Universum architektonischer Möglichkeiten, einen Möglichkeitsraum der Architektur. Das Unmotivierte, Übertriebene, Überreiche dieser Architektur hat offenbar Aufforderungscharakter. Dem Adressaten wird nahegelegt, die geplanten Bauten auszuführen und damit zugleich weiter in den Kosmos des Bauens vorzudringen. 47 Bei genauer Betrachtung gibt die Stadtansicht sich in mehrerer Hinsicht als Kompromißbildung zu erkennen. Um der Einsehbarkeit des Grundrisses willen geht Neumann in der hinteren Hälfte von der perspektivischen Verkürzung ab – die Stadt wird dem Betrachter gleichsam entgegengeklappt. Die Gebäude tragen Kennziffern, die auf den beschriebenen Stoffbahnen am linken und rechten Bildrand erläutert sind; auch gehören die Pfeile, die die Fließrichtung des Mains anzeigen, eher in eine Landkarte als in eine Ansicht. Als Kombination von Grundriß, Stadtplan, Ansicht und Reliefkarte muß diese Stadtdarstellung gelten,

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Abb. 10: Balthasar Neumann, Stadtansicht von Würzburg, 1723 – Ausschnitt aus dem Reitzensteinschen Thesenblatt im Nachdruck durch Johann B. Homann, Nürnberg 1723 (Detail)

als Zielvorstellung anzusehen, was durch das Bauen erreicht werden soll. Eine solche Vision zu entwerfen – das war es offenbar, was Neumann gereizt hat. Die Stadt wirkt wie ein Modell, das in unwirklicher Genauigkeit vorhandene Bauten erfaßt, sie aber auch um erst geplante ergänzt (indem es z. B. die Stadtbefestigung und die Residenz mit ihren Nebengebäuden bereits als vollendet zeigt) und dem Ganzen dabei exemplarischen Charakter verleiht. Eingebettet in die umgebende Landschaft, aber durch Glacis und Bastionen zugleich davon geschieden, militärisch auf das stärkste befestigt, aber im Innern großzügig und reich, mit einem kleinteiligen, alten Kern und einem Kranz riesiger öffentlicher Gebäude (Juliusspital, Residenz, Universität), die sich entlang der mittelalterlichen Mauer und einer Promenade reihen, gewachsen und doch geometrisch (planerisch, rational) überformt, so erscheint die Stadt als Inbegriff eines wohlgeordneten, gut regierten, schönen Gemeinswesens – wobei diese Attribute durch die Darstellung zu Synonymen werden. Wenn die Stoffbahn vor der Triumpharchitektur das Stück ankündigt, das auf der Bühne der architektonischen Möglichkeiten gegeben werden soll, dann geht es nicht als realistisches Abbild, sondern als künstlich-künstlerische Präsentation. Wie die Triumpharchitektur changiert sie zwischen Inszenierung und Information; zwischen spielerischer Freiheit und präziser Ernsthaftigkeit; zwischen der Erzeugung eines Scheins, der als solcher überall kenntlich gemacht wird, und dem, was im Modus dieses Scheins ausgedrückt wird.

2. Der Anspruch

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darin um die Bauzukunft Würzburgs, die aus der Stadt ein vorbildliches Gemeinwesen machen soll. Architektur, hier: in Form von Stadtplanung, wird als Politik verstanden: als Umgestaltung des Gemeinwesens, als Gesellschaftspolitik. Die Portalarchitektur zeigt das Vokabular und die Mittel an, mit denen die Zukunftsvision herbeigeführt werden soll; die Huldigung ist der Durchgang in diese Zukunft; sie wirbt unter den Gebildeten für eine so verstandene universalistisch-politische Architektur. Mit seinen verschiedenartigen Elementen (Stadtvedute, Ehrenpforte, Allegorien, Widmung), der darin enthaltenen, teils impliziten, teils expliziten Argumentation, schließlich seinem Charakter als Vision muß das Blatt als gehaltvollste Quelle zu den Leitvorstellungen des barocken Würzburger Stadtumbaus gelten. Gleichwohl bleiben sie: der „öffentliche Nutzen“ oder das „Gemeinwohl“, darin noch relativ allgemein. Was die Beteiligten konkret darunter verstanden, verrät eine dritte Quelle. Es handelt sich um ein „Bau=Mandat“ von 1722, eine, wie der Untertitel ausführt, „Hochfürstliche Würtzburgische Verordnung / Wie In hiesiger Hochfürstlicher Residentz=Stadt sich jeder im Bau=Wesen künfftig zu verhalten habe“.48 Bemerkenswert an dieser Bauordnung ist nicht nur, daß darin Gestaltungsfragen zum Gegenstand gemacht werden, bemerkenswert ist auch die Argumentation. So wird in der Narratio berichtet, dem Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn habe „mehrmahls der von Uns darüber selbst eingenommene hohe Augenschein gezeiget / und in der That erwiesen“,49 daß „einem jedem in seinem von ihme vorgehabten Bauen ohne observir- und Haltung einer geraden Linien / zugeschweigen einer Egalitè [sic] an Stockwercken / Dächern und Fenstern seines eigenen Gefallens freye Hand gelassen worden“. Daß jeder Bauherr mit anderen Geschoßhöhen, Stockwerkzahlen, Dach- und Fensterformen baut, wird als Übermaß an Freiheit empfunden, als Verwahrlosung. Gestalterischer Eigensinn erscheint als Ausweis ungehemmter Partikularinteressen. Drastisch malt Johann Philipp Franz die Konsequenzen aus: Worab also nebst anderen Beschwehrnussen dem Publico nichts wenigers als eine allgemeine schädliche Deformität wegen so mancher davon hergekommenen schändlich= und beschwehrlichen Winckeln / item Ubergebäuen / Erckern / Vorsprüng= und dergleichen wohl erachtlich zugezogen.

Eine „allgemeine schädliche Deformität“ – untrennbar sind in diesem Ausdruck ästhetische und funktionale Betrachtung verquickt. Die architektonische Form 48 Separat Würzburg 1722 (ein Exemplar z. B. ByStAWü HV MS f. 483). Wieder in [Anonym]: Sammlung der hochfürstlich-wirzburgischen Landesverordnungen [ . . . ]. Würzburg 1776, Teil 1, S. 678–681. Zur Entstehung von Freeden: Stadtbaumeister, S. 14–17 und Schott: Verhältnis, S. 196–200. 49 Argumentiert wird also mit etwas allgemein Sichtbarem, für jedermann Nachprüfbarem. Interessanterweise hat der Fürstbischof „selbst“ den Sachverhalt „mehrmals“ in „Augenschein“ genommen, d. h. er hat die Sache persönlich untersucht. Deutlich gemacht wird damit eine persönliche Anteilnahme an der Sache, zugleich aber auch eine Unterwerfung unter den „Augenschein“ als allgemeine Erfahrungsquelle.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

wird als direkter Maßstab für den Grad von Vergemeinschaftung und Gemeinsinn genommen; umgekehrt erscheint dieser als Formproblem. Der Fürstbischof tritt als Sachwalter des Gemeinsinns auf, der Schaden von „dem Publico“ abzuwenden sucht. Im Interesse der Allgemeinheit beansprucht er gegen „schädliche Mißbräuch“ durch die Einzelinteressen der Bauherren vorzugehen. Dafür erläßt er das Mandat, „umb daß sich darnach jedermann in seinem besonderlich gegen offene Gassen und Strassen intendirendem Bauen führo richten könne und möge“. Die Einschränkung macht klar, worum es geht: um die Gestaltung der Fassaden nämlich. Das heißt, es geht um die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen („gegen offene Gassen und Strassen“) und einem davon unterschiedenen nicht-öffentlich Raum. Wie letzterer: die Hinterhäuser und Höfe, das Innere der Häuser, gestaltet wird, ist nicht Gegenstand des Mandats; das bleibt jedem Bauherrn selbst überlassen. Wohl aber werden Regeln aufgestellt, wie der einzelne sich baulich in die Gemeinschaft einzufügen hat. Anders formuliert: Das Bau=Mandat sucht bewußt die Form der Vergemeinschaftung zu regulieren. Sein Ausgriff ins Gestalterische ist ein Eingriff ins Soziale. Indem der Fürstbischof den öffentlichen Raum mit Hilfe der Ästhetik neu definiert, sucht er eine neue Form von Vergemeinschaftung zu etablieren.50 Baupolitik wird hier unmittelbar zur Gesellschaftspolitik. Zugleich erzeugt sie einen neuen Gegensatz von reglementierter Öffentlichkeit und unreglementierter NichtÖffentlichkeit. Darauf wird zurückzukommen sein. Wie die neu geformte Vergemeinschaftung aussehen soll, zeigt sich auch in der Adressierung: „Als ergehet hierauff an alle und jede so von Geist= als Weltlichen / dann Adelich= und Unadelichen Stands sich dahier befindliche Innwohnere und Bürgere ins gesambt und sonders Unser ernstlicher Befelch“. Gezielt hebt diese Formulierung bestehende Rechtsunterschiede auf.51 Ausdrücklich werden dem „Bau=Mandat“ sowohl die Geistlichkeit als auch der Adel unterworfen. Ebenso ebnet es den Statusunterschied zwischen Einwohnern und Bürgern ein. Offenkundig ist die neue Bauordnung mehr als nur Stadtrecht, von dem Geistlichkeit und Adel ausgenommen waren. Offenkundig geht sie über die älteren Regelungen hinaus. Offenkundig ist sie ein Mittel, um eine neue Art von Gemeinwesen zu erzeu50 Darüber darf nicht hinwegtäuschen, daß das Bau=Mandat von 1722 sich nur als Wiederherstellung „von Weyland so vieler unserer in Gott ruhenden Herren Vorfahrern darumben so nutz= als löblich ergangene Verordnungen“ ausgibt. Das Neuartige seiner Regelungen wird nicht hervorgehoben, sondern verdeckt. Die Argumentation in der Narratio läuft darauf hinaus, die eigenen (in Wirklichkeit neuen) Regelungen hätten immer schon gegolten, nur seien sie zwischenzeitlich durch Verwahrlosung „ausser Sorg gesetzt“ worden. Eine solche Selbstdeutung ist typisch für traditionale Gesellschaften. Sie ist nicht als Täuschung zu interpretieren, sondern als verbreitetes und notwendiges Deutungsmuster. Übernehmen kann der Historiker diesen subjektiv gemeinten Sinn nicht. 51 Bereits im Untertitel verkündet das Mandat, es regele, „Wie In hiesiger Hochfürstlicher Residentz=Stadt sich jeder im Bau=Wesen künfftig zu verhalten habe“. Entsprechend wird später negativ formuliert, „niemand von was Condition der auch immer seyn möge“, sei von den Regelungen ausgenommen.

3. Fürstbischöflicher Absolutismus?

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gen. Bauen macht in Würzburg künftig rechtlich alle gleich. Baupolitik als Gesellschaftspolitik heißt mithin, daß der Landesherr durch seine Baupolitik eine nivellierte Gemeinschaft von Rechtsgleichen hervorbringt, der nur er: als Sachwalter der ihm obliegenden Zwangsvergemeinschaftung, gegenübersteht. Die angestrebte Gleichheit soll sich ästhetisch äußern: durch die Gestaltung der Gebäudefassaden als den Schnittstellen zwischen öffentlichem und nicht-öffentlichem Raum, durch „observir- und Haltung einer geraden Linien [ . . . und] einer Egalitè an Stockwercken / Dächern und Fernstern“ – die barocke Stadtgestaltung wird als ästhetische Vorwegnahme einer überständischen Öffentlichkeit eingeführt. Festzuhalten bleibt: Das Bauen, wie es der Würzburger Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn um 1720 einleitete, entwickelte sich rasch zu einer veritablen Baupolitik. Es wurde zur Politik, insofern es eine Fülle unterschiedlicher Maßnahmen systematisch auf ein Ziel hin orientierte; insofern es das Gemeinwesen als ganzes zum Gegenstand hatte; insofern es sich durch die Berufung auf das Gemeinwohl (Sicherheit, Infrastruktur, Wohlfahrt) legitimierte. Mehr noch: Es wurde zu einer Politik, die das Gemeinwesen umzugestalten trachtete, es wurde zur Reformpolitik. Das Bauen und seine Regulierung erscheinen als Mittel einer Strukturtransformation. Transformiert werden sollte die ständische Gesellschaft in eine überständische – in das also, was wir in der Moderne überhaupt erst unter Gesellschaft verstehen. Baupolitik tritt uns hier als gezielte Erzeugung der modernen Gesellschaft entgegen.

3. Fürstbischöflicher Absolutismus? Wie kommt ein solch radikales Konzept zustande? Wie ist eine solch grundstürzende Politik ausgerechnet in einer Stiftsherrschaft zu erklären? Spricht sie nicht allem Hohn, was die Untersuchung im ersten Hauptteil dieser Arbeit über die Machtverhältnisse in den Fürstbistümern ergeben hat? Stiftsherrschaft, hatten wir dort festgestellt, war prinzipiell geteilte Herrschaft. Aufmerksam wachte das (zumindest in den führenden rheinfränkischen Bistümern) autonome Domkapitel darüber, daß der von ihm gewählte Fürstbischof so wenig allein regieren konnte wie möglich. Eifersüchtig wahrte es die eigenen Gerechtsame, stellvertretend für eine Ständeversammlung sorgte es dafür, daß auch die Privilegien anderer Stände und Korporationen bei jeder Bischofswahl erneuert wurden – notwendig lief seine Teilhabe an der Herrschaft auf deren Zersplitterung hinaus. Lediglich von außen, von Kaiser und Papst, wurde das Selbstverständnis des Domkapitels als „Erbmutter“ der Stiftsherrschaft infragegestellt – damit aber auch die politische Selbständigkeit der Stiftsherrschaften. Dabei war die Reichsverfassung ihr wichtigster Schutz, mußte der Kaiser sie doch gegen die Einvernahme beschirmen, die von anderer Seite drohte: sei es durch Säkularisierung, sei es durch katholische Sekundogenituren. Nicht bloß als geteilte, auch als rechtlich umstrittene, bedrohte Herrschaften waren uns die Fürstbistümer um 1700 erschienen.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Zur Krise verschärft hatten diese Strukturprobleme sich damals nicht nur, weil das wiedererstarkte Kaisertum dem Autonomie-Anspruch der Domkapitel entgegentrat und sich durch die Leopoldina als Berufungsinstanz für Streitfälle zwischen Domkapitel und Fürstbischof ins Spiel brachte, viel wichtiger scheint, was der Schock durch Leopoldina und Innocentiana an den Tag brachte: daß die altständisch-transzendente Form der politischen Vergemeinschaftung durch Eide in den Hochstiften an ihr Ende kam. Aus Eiden, die erst das Wahlgremium vor Gott vergemeinschaftet und auf das Hochstift als ganzes verpflichtet hatten, dann den neu gewählten Fürstbischof auf sein Gemeinwesen, verwandelten die Wahlkapitulationen sich in innerweltliche Monita und Versprechen; umfassende politische Bindungswirkung ging von ihnen nicht länger aus. Durch die Pyramide von politischen Eiden, aus denen Stiftsherrschaft bis dahin bestanden hatte, zog sich von der Spitze her ein Riß. Auf einmal hielt nur noch das Papier von Verfassungsurkunden, Verträgen, Gerichtsurteilen sie zusammen. So sehr man den Riß damit verkleistern mochte – wer ein Gespür für die Verhältnisse hatte, mußte ihre Brüchigkeit erkennen. Johann Philipp Franz von Schönborn hatte solches Gespür. Nicht nur von außen: durch einen neuen Konfessionskrieg im Reich, sah er sein Fürstbistum in höchster Gefahr, auch im Innern, inmitten seiner Residenzstadt entdeckte er eine „allgemeine schädliche Deformität“. Gegen beide Bedrohungen wehrte er sich mit der Waffe, über die er verfügte: dem Bauen. Gegen die Überwältigung von außen veranlaßte er die Vollendung der Stadtbefestigung, gegen den Zerfall im Innern suchte er sein Gemeinwesen architektonisch, rechtlich, sozial umzugestalten, es auf eine neue Grundlage zu stellen. Als Reaktion auf die Krise der Stiftsherrschaft um 1700 wird die Würzburger Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn hier interpretiert: als Versuch einer innerweltlichen Neuvergemeinschaftung. Das ist die zentrale These dieser Studie. Selbstverständlich ging es dabei auch um fürstbischöfliche Herrschaftsverdichtung. Bauen war in den Würzburger Wahlkapitulationen nicht verboten, im Gegenteil: Seit 1675 hatte das Domkapitel die Fürstbischöfe immer wieder gedrängt, ihre Hofhaltung aus der Festung Marienberg in die Stadt zu verlegen, vorgeblich um Kosten zu sparen.52 In der Tat nahm der Aufwand, der für die fürstliche Hofhaltung getrieben wurde, im 16. und 17. Jahrhundert ständig zu – und all das Holz, Heu und Stroh, all die Kapaune und Weinfässer, Stoffe und Kerzen, Möbel und Gemälde mußten umständlich auf den Marienberg geschafft werden. Der Weg war „im hohen sommer und winter bei großer hitz, kält, regen und schnee, über die 52 Kraus: Hofhaltungen, S. 55 mit Quellenabdruck S. 67; Schott: Verhältnis, S. 183 f. In einem Gutachten, „warum die neue hofhaltung besser und nüzlicher dies seits ufm Rennweg als jenseits des Mains zu erbauen sein werde“, gilt bereits für ausgemacht, daß durch einen neuen Residenzbau in der Stadt Kosten gespart werden könnten; fraglich ist nur noch, wo der Neubau errichtet werden solle, damit die Ersparnis am größten sei (QueGeBa I / 2, Nr. 658; vgl. ebd., Nrn. 633+645). Von Freeden datiert das Gutachten in seiner Edition auf das „Ende des 17. Jahrhunderts“, Hubala und Mayer setzen es mit guten Gründen auf 1719 (Hubala / Mayer: Residenz, S. 60 f.).

3. Fürstbischöflicher Absolutismus?

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brücken über die maßen beschwehrlich“,53 bei Hochwasser überhaupt nicht passierbar. Selbst wenn die Domherren sich mit Kutschen aus ihren behaglichen Kurien abholen ließen, schien ihnen der Gang zu Hofe unbequem. Dabei wollten sie doch mitregieren, präsent sein, den Fürstbischof kontrollieren! Dafür mußte er in die eigene Mitte zurückgeholt werden.54 Aus der hochgelegenen Zwingburg, die Julius Echter zum eindrucksvollen Herrschaftszeichen ausgebaut hatte, sollte er wieder in die Stadt ziehen. Als besseren Adelshof stellten die Kapitulare sich die neue Residenz vor: inmitten ihrer eigenen Familienpalais gelegen, das gewachsene Ensemble aus Domherren- und adligen Stadthöfen fortschreibend55 – ein „Schlößchen“, in dem der Bischof primus inter pares blieb. QueGeBa I / 2, Nr. 658, S. 520. Nicht zufällig fallen diese Bestrebungen just in die Zeit schärfster Konflikte zwischen den nach größerer Unabhängigkeit strebenden Fürstbischöfen und dem Domkapitel; als Versuch, die Bischöfe auch räumlich stärker einzubinden, werden sie hier gedeutet. Anders Schott: Verhältnis, S. 184. 55 Städtebaulich gruppierten die Domherrenhöfe sich in einem Halbkreis östlich des Doms. „Mit weiterem geistlichen Besitz nahmen sie rund ein Drittel der mittelalterlichen Stadtfläche ein, ein in sich geschlossenes ,Geistliches Viertel‘, oder mehr noch, eine ganze ,Stadt der Geistlichkeit‘.“ (Lusin: Baugeschichte, S. 13). Das Viertel bildete die Spitze der Bischofsmitra, als die der mittelalterliche Stadtgrundriß gedeutet wird (Kummer: Stadt Würzburg, S. 23+26). Auch juristisch handelte es sich um eine Stadt in der Stadt: Weder waren die Höfe der geistlichen Korporationen dem Stadtrecht unterworfen waren, noch hatte, zumindest auf die der Domherren, der Fürstbischof Zugriff. In den Monita, die zu beachten Johann Philipp Franz von Schönborn nach seiner Wahl zum Fürstbischof versprach, heißt es wie von alters her in den Wahlkapitulationen: „Vor das Vierzigste Were herrn dombProbsten, dombdechandt, vndt dombCapitul ahn ihren habendten Jmmuniteten, undt freÿheith[en], es seÿe in der Kirchen, Kirch höfen, undt Creützgäng[en], bruderhoff, undt dombherrn höfen, Vicareÿ haüsern, wie ein Jegliches von alters herkommen, in Keiner weis einiger Eintrag nicht zu thun, noch gethan zu werdten zu schaffen.“ (ByStAWü WüU-Lib 462 [S. 41 f.]). Die Gärten und Weinberge, die außerhalb des mittelalterlichen Zwingers lagen, gehörten im Osten der Stadt vielfach Stiftsadelsfamilien. Vor allem diese Richtung nahmen daher adlige Neubauten, als die barocke Stadtbefestigung den Bereich in die Stadt einfügte. Ein Vorreiter war der dreiflügelige Rosenbachhof, 1701–04 wohl nach Plänen von Antonio Petrini errichtet; er gab den Maßstab für die neuen barocken Familienpalais vor (vgl. Mader: Stadt Würzburg, S. 611 f. mit Fig. 492 und Tafel LXVII; Longo: Petrini, S. 60 f.). 1706–09 folgte der „Rote Bau“, den Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau als Stadtwohnung für seine Familie errichten ließ (Mader: Stadt Würzburg, S. 596 f. mit Fig. 475). Hier residierte er meist auch, da das 1700–05 wahrscheinlich nach Plänen von Antonio Petrini errichtete „Schlösschen am Rennweg“ aufgrund statischer Mängel nicht bezogen werden konnte (Kraus: Hofhaltungen, S. 60–65; Schott: Verhältnis, S. 184; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 100 f.; ein Grundriß des „Schlößchens“ bei Kraus: Hofhaltungen, Abb. 3 sowie bei Longo: Petrini, S. 61; Abb. 9a). Alle drei Bauten nahmen Bezug auf den Rennweg: „das fürnemste tor, haubstraß und passage der hin und herreisenten“ (QueGeBa I / 2, Nr. 658, S. 521) sowie auf den alten Graben (Kummer: Neumann, S. 80; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 126; Kraus: Hofhaltungen, S. 63), d. h. die Positionierung der Domherrenhöfe wurde von den Neubauten außerhalb des mittelalterlichen Zwingers entlang der bestehenden Wege fortgesetzt (ablesbar etwa an einem Situationsplan aus dem Oktober 1719, der heute in Berlin aufbewahrt wird, abgebildet bei Kraus: Hofhaltungen, Abb. 2; Hubala / Mayer: Residenz, S. 12; Kummer: Neumann, S. 83). 53 54

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Auf diesen Wunsch schien Johann Philipp Franz einzugehen – dabei kehrte er das Unternehmen völlig um, verwandelte er es in ein Mittel bischöflicher Herrschaftsmehrung. Zuerst ließ er das bestehende „Schlößchen“ abbrechen; im Einvernehmen mit dem Domkapitel sollte entweder auf den Fundamenten ein Neubau entstehen oder nahebei einer von gleichem Volumen.56 Doch dann kam bei einer Untersuchung heraus, wie tief der Hofkammerdirektor der Vorgängerregierung Gallus Jakob in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte. Um einem Prozeß zu entgehen, zahlte er aus seinem Vermögen die unfaßliche Summe von 640.000 Gulden an den Fürstbischof zurück.57 Johann Philipp Franz hatte einen „Schatz“ gefunden.58 Jetzt brauchte er seine Residenz nicht länger aus dem Haushalt des Fürst-

Abb. 11: Lage des Schlößchens am Rennweg Eine Stadterweiterung zeichnete sich ab, die den Kranz von Domherrenhöfen um die Kathedrale mit einem Kranz von Familienpalais umgeben hätte: derjenigen Adelsfamilien, deren Angehörige im Domkapitel saßen und auch künftig darin sitzen sollten. Die Bischofsresidenz wäre darin, wie das „Schlößchen am Rennweg“ sinnfällig macht, nur eine Verlängerung des patrionialen Herrschaftsanspruchs gewesen. 56 QueGeBa I / 2, Nr. 662; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 101 f. 57 S. o. S. 268, Anm. 34. Das Schlößchen am Rennweg hatte gut 38.000 Gulden gekostet (Sedlmaier / Pfister: Residenz, S. 268 f.; die detaillierte Abrechnung bei Kraus: Hofhaltungen, S. 71–75). 58 So Lothar Franz an Johann Philipp Franz von Schönborn, 30. Januar 1720 (QueGeBa I / 2, Nr. 692).

3. Fürstbischöflicher Absolutismus?

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bistums zu finanzieren,59 jetzt konnte er ohne Zustimmung des Domkapitels planen. Wagemutiger als alle anderen Beteiligten ließ er den Bau ins Riesenhafte wachsen: nicht weil Größe ihm Selbstzweck gewesen wäre,60 sondern weil er Ideen verfolgte, die, sollten sie mit den Maßregeln des Schloßbaus wenigstens ungefähr versöhnt werden, eine Vergrößerung der Proportionen erforderten.61 Dazu zählte in erster Linie der Entschluß, die neue Residenz als Regierungszentrale zu nutzen. Sämtliche bislang verstreute Hochstiftsbehörden sollten hier und in dem benachbarten „Kammerbau“ untergebracht werden. An den beiden Halbgeschossen, auf denen Johann Philipp Franz und Balthasar Neumann beharrten, obwohl sie im Schloßbau des 18. Jahrhunderts nicht ihresgleichen hatten, ist dieser praktische Zweck an der Fassade sichtbar gemacht.62 Ebenso bestimmte er die Ausdehnung der Binnenhöfe, die weitläufig sein mußten, um die Amtsstuben für den Publikumsverkehr zu erschließen.63 Beides trieb den Bau ins Große. Die Würzburger Residenz wurde eins der monumentalsten Residenzschlösser im Reich, gerade weil die prunkvollen Repräsentationsräume des Corps de Logis und der Apparte59 „[ . . . ] dann der famose Jaqueli [= Jakob, J.S.] iust würklich nuhnmehr undt zwahr so gesch[w]echt, daß der h. bischoff nicht allein das nöthigste in der fortification, sondern auch sein vorhabenden residenzbauw, so kostbahr er auch sein möge, ohne zuthung eines einzigen pfennigs von der cammer ganz reichlich undt gemächlich wirdt bestreithen können. Ergo nur wacker bauconcepten her [ . . . ].“ Lothar Franz an Friedrich Karl von Schönborn, 30. Januar 1720 (QueGeBa I / 2, Nr. 693). Daß diese Annahme sich als zu optimistisch erwies, lag nicht nur an der notorischen Kostenblindheit des leidenschaftlichen Bauherren Lothar Franz, sondern auch daran, daß Johann Philipp Franz das Unternehmen über alle Maßen vergrößerte. 60 Wie Richard Sedlmaier behauptet (Sedlmaier / Pfister: Residenz, S. 15+17). 61 Zu erkennen beispielsweise an der Liste, die Philipp Christoph von Erthal am 24. Februar 1720 an Lothar Franz von Schönborn schickte, um die Änderungswünsche des Bauherren an den vorgelegten Plänen zu resümieren (QueGeBa I / 2, Nr. 734), ferner an dem Brief vom 28. Februar 1720 (a. a. O., Nr. 741). So auch Kummer: Neumann, S. 85. 62 Das Ungewöhnliche des vierteiligen Aufrisses (je ein Halbgeschoß und ein Vollgeschoß durch zwei übereinandergestellte kolossale Pilasterordnungen zusammengefaßt) betonen auch Hubala / Mayer: Residenz, S. 100 f. und Kummer: Neumann, S. 87. Letzterer führt diese Auffälligkeit darauf zurück, daß die Residenzfassade am Vorbild des Rosenbachhofes orientiert worden sei. Damit wird diesem aber wohl zuviel Gewicht beigemessen. Vor allem vernachlässigen solche formalen und formgeschichtlichen Betrachtungen den Gesichtspunkt der Nutzung bzw. die Aussage, die eine Fassade über die Gebäudenutzung macht. Vgl.: „Ob auf Hildebrandt auch das einigermaßen befremdliche, mehr für einen Stadtpalast als für ein Residenzschloß charakteristische Fassadensystem mit zwei Zwischengeschossen zurückgeht, ist mehr als fraglich. Es fehlt jedenfalls in seinem Œuvre sonst ganz. Auch den französischen Architekten, die im übrigen energisch dagegen Einspruch erhoben hatten, war es wesensfremd, da die kleinteilige Vielfenstrigkeit ein mehr bürgerliches als höfisches Element in die Front bringt. In der Tat ist das System im Amsterdamer Rathaus des Jacob van Campen vorgebildet, das seinerseits wieder, ähnlich wie die Münchener Residenz, oberitalienische, vor allem Genueser Fassadensysteme variiert. [ . . . ] Möglicherweise kam das Mezzanin daher durch den Würzburger Bauherrn und seinen Architekten in die Planung, da die Beschränktheit des Baugeländes eine weitere Ausdehnung des Grundrisses ohnehin verbot.“ (Bachmann / von Roda: Residenz, S. 10 f.). 63 Auch Hubala und Mayer erblicken in ihnen (wenn auch aus anderen Gründen) einen Schlüssel für die Deutung der Residenz (Hubala / Mayer: Residenz, S. 101–104).

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

ments in ihr nur den kleineren Kern bilden, um sie aber der gesamte Regierungsapparat des Landes versammelt wurde. Als Stätte sachlichen Regierungshandelns sprengte sie die Maßstäbe der umliegenden Familienpalais und Domherrenhöfe. Ein Geniestreich kam hinzu. Statt an der Straße wie das Vorgängerschlößchen und die umliegenden Adelspalais wurde die Residenz an der neuen Stadtbefestigung orientiert: Mit der Winkelhalbierenden der dahinterliegenden Bastion hat man ihre Mittelachse zur Deckung gebracht, sie gegenüber dem Vorgängerbau erheblich gedreht (Abb. 12).64

Abb. 12: J. A. Timler, Stadtplan von Würzburg um 1750 (Detail)

Lothar Franz von Schönborn, von dem die Idee stammte,65 wollte damit wohl in erster Linie einen großen, achsensymmetrischen Garten gewinnen – absichtlich oder nicht rückte sein Vorschlag die Residenz jedoch in ein völlig neues Verhältnis zur Stadt.66 Angelehnt an den barocken Festungsgürtel, kehrt sie sich der Stadt, kehrt sie sich auch den dort zunächstgelegenen Domherrenhöfen erstmals frontal zu, tritt sie ihnen gegenüber,67 nicht ohne sie durch einen riesigen, ansteigenden, leicht gewölbten Platz zugleich auf Abstand zu halten. Aus dem Ensemble der umliegenden Adelspalais bricht sie aus, rückt sie wie den Rosenbachhof an die Peripherie, verwandelt sie in Flankierung. Als einsame, aus ständischen Bezügen gelöste, militärisch gestützte Regierungsgewalt stellt die fürstbischöfliche Obrigkeit sich in Johann Philipp Franzens Residenzbau dar. Wie seine WahlkapitulatioLusin: Entwicklung, S. 285; Kummer: Neumann, S. 86. „[ . . . ] wie ich allenfalls einen vorschläglichen zusatz in deme noch beizurücken glaubte, daß das ganze gebau alsdann noch mehrers zu regularität gedrehet und dessen mitte nach den point der bastion spitze gerichtet werden möge [ . . . ]“ Brief des Lothar Franz aus Mainz an Johann Philipp Franz von Schönborn in Würzburg, 30. Dezember 1719 (QueGeBa I / 2, Nr. 652). 66 Vgl. Hubala / Mayer: Residenz, S. 13 f.; Hamann: Sveluppo, S. 72. 67 „So erhält der Bau ein Janus-Gesicht: Zur Stadt hin präsentiert er sich hinter einem weiten Platz in abweisender, fast burgartiger Strenge, dem Garten zu aber dehnt sich das Schloß breit und gelassen aus. Die Stadtfassade provoziert die Erinnerung an wehrhafte Schlösser der nordalpinen Renaissance, die Gartenfassade vertritt den Typus des spätbarocken Lustschlosses.“ (Kummer: Neumann, S. 80). 64 65

3. Fürstbischöflicher Absolutismus?

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nen sich aus einem leiblichen Eid vom gleichen Wortlaut wie der, den zuvor das Wahlgremium geschworen hatte, in ein fürstliches Versprechen verwandelt hatten, löste er seinen Regierungssitz aus dem überkommenen ständisch-patrimonialen Zusammenhang – der Wandel der politischen Verfaßtheit fand einen städtebaulichen Ausdruck. Durch Bauten wurde mit den alten Verhältnissen gebrochen, eine neue Form der politischen Vergemeinschaftung symbolisiert. Und noch eine dritte Bedeutung ist zu erkennen. Die Neupositionierung richtete die Mittelachse der Residenz (wenn auch nicht geradlinig) auf den Dom aus: das geistliche Zentrum der Stadt; den Bischofssitz, auf dem die weltliche Macht des Fürstbischofs beruhte.68 Hier verlief der einzige Straßenzug, über den Residenz und Stadt direkt verbunden sind:69 Gegen den Widerstand der betroffenen Hausbesitzer wurde die Gasse begradigt und in den Folgejahren zur „Hofstraße“ ausgebaut. Dadurch öffnete sich eine Blickverbindung zwischen den Repräsentationsräumen des Corps de Logis, über denen in einem prunkvollen Giebel das Fürstenwappen mit den Schönbornschen Löwen prangte und der Kapelle, die Johann Philipp Franz zur gleichen Zeit am Würzburger Dom errichten ließ: eine Grablege für die Fürstbischöfe der Familie; die einzige Familienkapelle am Würzburger Dom überhaupt.70 Wie von der Residenz das Schönbornsche Wappen tritt vom Dom in dieser Achse nur die Schönbornsche Grabkapelle in den Blick. Nimmt man hinzu, daß an der Hofstraße die Kurie Altlobdeburg lag: ein Domherrenhof, den seit 1672 Franz Georg von Schönborn, seit 1693 Lothar Franz von Schönborn als Kapitulare des Würzburger Domkapitels innegehabt hatten; daß dieser Hof 1712 säkularisiert und an Lothar Franz verkauft worden war;71 daß hier also das Würzburger Familienpalais der Schönborn lag, dann wird deutlich, wie sehr die neue Hofstraße in eine via triumphalis des Hauses Schönborn verwandelt wurde. Städtebaulich meldete die Familie einen dynastischen Anspruch an, implizit, in der Sprache der Architektur, ließ sie das Wahlfürstentum Würzburg als Schönbornschen Erbhof erscheinen. An der Rückseite des Doms war die Hofstraße zuende. Sie mündete dort in zwei Gassen, die in weiten Bögen rechts oder links um die Kathedrale herumführten; an Hubala / Mayer: Residenz, S. 56. Die anderen beiden Auffahrtstraßen führen entlang der mittelalterlichen Mauer, sie sammeln den Verkehr aus der Stadt anderwärts, ehe sie ihn entlang der Altstadtgrenzen der Residenz zuführen (Lusin: Entwicklung, S. 286; Hamann: Sviluppo, S. 72). Die Verbindung zwischen Stadt und Residenz ist dadurch überwiegend eine indirekte – was den Eindruck von Isolation des Residenzbaus noch verstärkt. Nähert man sich ihm über jene beiden diagonal darauf zuführenden Auffahrtstraßen, so erscheint wegen der Vielgesichtigkeit des Schlosses (seiner Kombination unterschiedlicher Schloßtypen, je nachdem von welcher Seite man es ins Auge faßt) nicht zuerst der Ehrenhof, vielmehr treten aufgrund der Schrägsicht die beiden seitlichen Baublöcke in den Vordergrund – jene Teile also, die den sachlich-funktionalen Aspekt des Baus als Regierungssitz symbolisieren (vgl. Bachmann / von Roda: Residenz, S. 12 und 37). 70 Dazu Boll: Schönborn-Kapelle. 71 Lusin: Baugeschichte, S. 61; Mader: Stadt Würzburg, S. 578. 68 69

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

die städtischen Hauptverkehrswege war sie nicht angebunden. Dennoch kann sie als Verlängerung der Würzburger Magistrale aufgefaßt werden: der städtischen Längsachse von der Festung Marienberg über die Mainbrücke zum Dom; dem Kernraum der Stadt.72 Aufgehalten nur durch den Dom (oder durch ihn hindurchführend?), läßt diese Magistrale sich über die neue Hofstraße zur Residenz verlängern: Nicht praktisch, wohl aber visuell und konzeptionell bringt die Neupositionierung die Residenz auf diese Linie,73 macht sie aus dem Neubau einen Gegenpol zu der alten Zwingburg auf dem Berg – nichts, aber auch gar nichts von dem Machtanspruch der Fürstbischöfe wird durch den Umzug ihrer Hofhaltung aufgegeben. Im Gegenteil: Qualitativ gesteigert, stellt er sich durch den Residenzneubau dar. Auch die Militärbauten mußte die domkapitelsche Mitregierung angesichts der akuten Spannungen im Reich unterstützen; wegen des Arguments, es gehe um den Ausbau Würzburgs als Reichsfestung,74 sogar die Heranziehung des Klerus, der geistlichen Korporationen und der exemten domkapitelschen Untertanen dulden.75 Zugleich nahm der Bischof mit der Sorge um die neue Stadtbefestigung auch seiner Residenzstadt eine elementare Aufgabe aus der Hand. Aus einer Sache der Bürger und ihrer Selbstverwaltung wurde Sicherheit zur Sache des Landesherrn,76 für die er Schanzarbeiter rekrutierte, Steuern erhob, Berufssoldaten beschäftigte. Erheblich griffen seine Bauordnung, die kommissarisch bestellte Baukommission,77 die Umgestaltung der Stadt durch Balthasar Neumann in städtische SelbstKummer: Stadt Würzburg, S. 24. „La Hofstraße rappresentava il proseguimento ideale dell’asse ponte-Domstraßeduomo.“ (Hamann: Sviluppo, S. 72). 74 In Wirklichkeit besaß die Stadt diesen Status nicht. Er war aber 1689 von Johann Gottfried von Guttenberg beantragt und damals positiv begutachtet worden; deshalb wurde er 1720 wieder als Argument verwendet (Schott: Verhältnis, S. 224). 75 Schott: Verhältnis, S. 224–226. „Die Bischöfe beanspruchten durch ihre Politik allen Einwohnern Schutz zu bieten, deswegen hielt [auch später noch z. B., J.S.] Friedrich Karl es für die Pflicht aller, ,in Vollzug ihrer natürlichen Landespflicht, zu des Landes Schutz, hinwiederum zu konkurrieren‘.“ (ebd. S. 225 f. mit Anm. 381). Vgl. ders.: Absolutismus, S. 145; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 34 mit Anm. 35 und S. 68 mit Anm. 27. 76 Der Sinn der Stadtbefestigung kehrte sich geradezu um: Hatte sie sich im Mittelalter, errichtet, unterhalten und verteidigt von den Bürgern, auch und nicht zuletzt gegen den fürstbischöflichen Landesherrn auf dem Marienberg gerichtet, so wurde sie seit Johann Philipp von Schönborn zu einer Aufgabe, die der Landesherr übernahm, einerseits weil die Bürger davon überfordert waren, andererseits um sie zu disziplinieren und neu zu vergemeinschaften (vgl. Sicken: Residenzstadt; Schott: Verhältnis, S. 225). Der Stadtrat bestätigte 1768, durch das „milite perpetuo“ habe sich die Verfassung „gantz abgeänderet“ (ebd. mit Anm. 379). 77 Bis zu Johann Philipp Franz von Schönborn unterstand das Würzburger Bauwesen vier Stadtgeschworenen (zwei Zimmerern, einem Steinmetz, einem Maurer), die vom Oberrat bestellt wurden. Bei Baustreitigkeiten fungierten sie als öffentliche Richter, Streit um Erbteilungen wurde von ihnen geschlichtet (Schott: Verhältnis, S. 197). Gerichtet wurde „nach dem Augenschein“ und „den traditionellen Handwerksprinzipien“ (Statistik, S. 36), d. h. die Bauaufsicht gehörte zur städtischen Selbstverwaltung, ihr Prinzip war die informelle Selbstregulierung. Das Bau=Mandat von 1722 änderte dies grundsätzlich. Es installierte eine Baukom72 73

3. Fürstbischöflicher Absolutismus?

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verwaltungsrechte ein.78 In der Baupolitik fand der Schönborn ein Mittel, um ganze Politikbereiche neu zuzuschneiden: allein auf sich hin und seine Behörden statt auf Domkapitel und Stadt, die zuvor beteiligten Korporationen. Die Baupolitik wurde zum Schlüsselressort, weil von ihr aus alle anderen Ressorts umgestaltet werden konnten.79 Sie wurde zum Mittel, fürstbischöfliche Macht zu verdichten, die gesamte Herrschaftsstruktur des Hochstifts zu verwandeln. In der Forschung ist diese Politik als „absolutistisch“ gekennzeichnet worden – durchaus in dem Bewußtsein, daß in einer Stiftsherrschaft wie Würzburg dem Absolutismus im Sinne souveräner Fürstenherrschaft, eines Machtstaats, eines zentralistischen Regierungssystems alle Strukturbedingungen entgegenstanden. Nicht die mission, deren Mitglieder durch fürstbischöfliches Dekret ernannt wurden (von Freeden: Neumann, S. 17 f.; von Lüde: Studien, S. 44 f.) – der Fürstbischof nahm der Stadt die Bausachen aus der Hand. Das Stadtgeschworenengericht blieb zwar bestehen, war aber nur noch für Streitigkeiten um Erbteilungen und Altbauten zuständig. Die alten Selbstregulierungsinstanzen wurden nicht abgeschafft, aber durch obrigkeitliche Kommissare entmachtet und überformt – ein Vorgang, der von Verwaltungshistorikern als Kennzeichen des Absolutismus bezeichnet worden ist (Hintze: Commissarius). Ausnahmslos alle Bauvorhaben in der Stadt Würzburg mußten der Kommission vor Baubeginn vorgelegt werden; diese begutachtete die Pläne und formulierte gegebenenfalls Änderungsvorschläge – nicht erst bei Streitfällen, also ausnahmsweise und nachträglich, sondern schon im Planungsstadium und generell griff die neue Behörde ein. In die Kommission entsandt wurden von Johann Philipp Franz zwei Geheime Räte, zwei Hofräte, Balthasar Neumann, ein Bürgermeister und der Beauftragte für die stadteigenen Bauten (von Freeden: a. a. O.); die hochrangige Besetzung zeigt, wie wichtig dem Fürstbischof das Bauwesen schien. Detailliert erhielten die Kommissare Aufgaben und Arbeitsweise vorgegeschrieben: Zweimal wöchentlich sollten sie tagen, ihre Sitzungen protokollieren, die Entscheidung über die Änderungsvorschläge behielt Johann Philipp Franz sich vor. 78 Dieser Politik entsprach, daß Johann Philipp Franz sich nach seinem Regierungsantritt weigerte, die Ratsordnung der Stadt zu bestätigen. Unter Verweis auf verschiedene Mißstände setzte er eine Kommission ein, die eine neue Ratsordnung ausarbeitete. In dieser wurde der Stadtrat weitgehend entmachtet und zu einer subalternen Verwaltungsbehörde degradiert. 1724 nahm der Stadtrat diese neue Ordnung an, gleich nach dem Tod des Fürstbischofs wenige Monate später wurde sie von der Sedisvakanzregierung kassiert und feierlich aufgehoben, da sie auch den Einfluß des Domkapitels auf die Verwaltung der Residenzstadt erheblich zurückgeschnitten hatte (Schott: Absolutismus, S. 142 f.; ders.: Verhältnis, S. 107 f.; Scherf: Johann Philipp Franz, S. 134–36). 79 Wie weit das ging, beweist ein Gutachten, das eine von Johann Philipp Franz ernannte Kommission 1724 „über einige Gegenstände der landesherrlichen Administration“ verfaßte (UBWü M. ch. qu. 289; abgedruckt und erläutert bei Denzinger: Gutachten; dazu Scherf: Johann Philipp Franz, S. 72–82). In merkantilistischem Geist wird darin geplant, wie das gesamte Sozial- und Wirtschaftsleben des Hochstifts Würzburg zu befördern sei, um größere Steuereinnahmen zu erhalten – überall stehen dabei wieder Baumaßnahmen als Stimulans im Mittelpunkt. Beispielsweise sollten die Landstraßen verbessert und durch die Pflanzung von Obstbäumen befestigt werden, sollten wegen der Feuergefahr die Strohdächer abgeschafft, Steinkamine und Feuermauern auch den Landbewohnern zur Auflage gemacht werden, sollten Manufakturen – oft in Verbindung mit Armen- und Zuchthäusern – errichtet werden, sollten am Main Niederlassungen eingerichtet werden, in denen der Frachthandel von Schiffen auf Fuhrwerke umgeladen werden konnte. Das Gutachten wurde zur „Grundlage weitgehender, bis über die Regierungszeit Johann Philipp Franzens hinaus durchgeführter Reformen“ (Scherf: a.a.O, S. 73).

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Verfassung sei absolutistisch gewesen, sondern die „Regierungsgrundsätze“,80 mit denen Johann Philipp Franz von Schönborn die altständischen Herrschaftsverhältnisse umzugestalten begann: sein Versuch, die domkapitelsche Mitregierung auszuschalten; allein zu regieren, gestützt lediglich auf Hof, Verwaltung, Amtsträger wie Balthasar Neumann; Herrschaft zu versachlichen und zu rationalisieren, ihren Zuständigkeitsbereich auszuweiten; Domkapitel und Bürgerstadt frontal entgegenzutreten; ständische Privilegien zu kassieren (wie die Befreiung von Steuern, Schanzdiensten, Beherbergung von Schanzleuten); einen nivellierten Untertanenverband zu schaffen. All dies müsse man absolutistisch nennen, all dies hat in der Baupolitik Gestalt angenommen und die gebaute Wirklichkeit des Würzburger Gemeinwesens bestimmt. Einwenden ließe sich dagegen, was von einer ganzen Generation von Historikern gegenwärtig gegen den Absolutismus-Begriff ins Feld geführt wird:81 in erster Linie der Widerspruch zwischen dem absolutistischen Anspruch und der tatsächlich geübten Praxis. Selbst in Frankreich sei der Absolutismus kaum mehr als eine Inszenierung gewesen, überall hätten die Fürsten die Verdichtung, Monopolisierung, Rationalisierung ihrer Herrschaft nur fingiert, die altständisch-konsensualen Traditionen seien davon ebensowenig berührt worden wie die sozialen Beziehungen, auf denen sie beruhten. Nun sind diese Einwände nicht neu: Schon vor zwanzig Jahren rückte in dem maßgeblichen Forschungsbericht zum Thema die Diskrepanz von absolutistischem Anspruch und ständisch-geteilter Herrschaft in den Mittelpunkt,82 schon Absolutismus-Forscher wie Gerhard Oestreich nahmen verstärkt die Rolle der Stände in den Blick. Doch veranlaßte sie dies keineswegs dazu, den Absolutismus-Begriff aufzugeben. Im Gegenteil fanden sie ihn durch ihre Forschungen auf einer neuen: verfassungs- und sozialgeschichtlichen Grundlage bestätigt. Das lag an einer Pointe 80 So Scherf: Johann Philipp Franz, S. 156; vgl.: „Das Bestreben [!] des Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn, die Residenzstadt vollkommen nach seinen absolutistischen Grundsätzen [!] zu bestimmen und zu gestalten, führte ihn dann im Jahre 1724 dazu, Würzburg eine neue Ratsordnung zu verleihen.“ (a. a. O., S. 134 f.). Undifferenzierter: „Johann Philipp Franz von Schönborn war vielleicht der Würzburger Bischof, der den Absolutismus am konsequentesten verkörperte.“ (Schott: Absolutismus, Anm. 54, S. 885). 81 Am bemerkenswertesten wohl von Heinz Duchhardt, dem Verfasser des maßgeblichen Handbuchs zum Thema und vorzüglichen Kenner der Materie (s. Duchhardt: Abschied; Asch / Duchhardt: Einleitung). Mit einem Verteidiger des Absolutismus-Begriffs ist er darüber in einen Schlagabtausch geraten (Baumgart: Absolutismus; Duchhardt: Absolutismusdebatte) – auf breiter Front aufgegriffen worden ist der Streit jedoch bislang nicht. Für viele Angehörige der Achtundsechziger-Generation scheint sein Ergebnis offenbar schon ausgemacht: Sie sprechen von „konsensgestützter“ oder „konsensualer“ Herrschaft, um die Herrschaftsverhältnisse in der Frühen Neuzeit zu charakterisieren, betonen die Rolle der Stände und intermediären Gewalten, verwenden den Begriff des „Republikanismus“ nicht mehr nur für die Republiken, sondern zur Bezeichnung frühneuzeitlicher Herrschaft insgesamt (vgl. die Forschungsberichte von Schorn-Schütte: Einleitung, mit zahlreichen Literaturangaben; dies.: Staatsformen). 82 Hinrichs: Einleitung.

4. Gesellschaftliche Impulse

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ihrer Argumentation, die der gegenwärtigen Diskussion verlorengegangen ist: daß nämlich die sozialen Beziehungen innerhalb der ständischen Gesellschaft und die ständische Mitregierung nicht die gleichen bleiben konnten, als die Herrschaftsspitze sich dynamisierte und die Bedeutung von Herrschaft qualitativ veränderte.83 Mochten die intermediären Gewalten noch so sehr an Herrschaft beteiligt sein, mochten sie, weil die Herrschaftsspitze ambitioniert war, weil sie für ihre Vorhaben Mittel benötigte, weil sie diese Mittel nicht allein aufbringen konnte, an Einfluß sogar gewinnen, mochte Herrschaft dadurch noch stärker den Charakter eines Aushandlungsprozesses annehmen – Einfluß und Mitherrschaft wurden erkauft, indem man zu Unternehmen beitrug, die ihre Strukturlogik von anderer Seite erhielten: von der europaweiten Konkurrenz der Herrschaften: ihrem Wettlauf um Staatsbildung und neue politische Vergemeinschaftung; von der innerweltlichen (statt konfessionellen) Legitimation der Herrschaft (Policey); von der durch beides erzwungenen Versachlichung und Rationalisierung. Absolutismus war für die Klassiker der Absolutismus-Forschung kein fertiges Herrschaftssystem, sondern ein Verwandlungsprozeß, in den Staatlichkeit und ständische Gesellschaft hineingerissen wurden und zu dem sie durch ihre Beteiligung selbst beitragen mußten.84 In diesem Sinne scheint der Begriff nach wie vor brauchbar, auch notwendig, da keine der vorgeschlagenen Alternativen diese qualitative Veränderung erfaßt. Angewendet auf den Würzburger Fall, heißt dies, nur dann darf die Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn absolutistisch genannt werden, wenn dargelegt wird, daß sie einen Umbruch vollzog; das Würzburger Gemeinwesen qualitativ veränderte. Nicht ob sie ihre Ziele erreichte, ob der bekundete Anspruch vollständig umgesetzt wurde, ist entscheidend, sondern ob und inwiefern er die Rahmenbedingungen des Politischen bzw. Sozialen umdefinierte, es auf eine neue Grundlage stellte. Dies muß im folgenden Abschnitt noch diskutiert werden.

4. Gesellschaftliche Impulse Zwei Einwände werden gewöhnlich angeführt, wenn es um die Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn geht: Sie sei nicht neu gewesen, und sie habe nichts bewirkt. 83 „Eine zureichende Begriffsbildung hätte [ . . . ] zu berücksichtigen, daß das politische System des Absolutismus die zugrundeliegende Ständegesellschaft zwar nicht eliminierte, aber so entscheidend funktionalisierte und in den Dienst nahm, daß daraus eine neue Qualität wurde.“ (Hinrichs: Einleitung, S. 16). 84 Für Frankreich hat die Forschung den Begriff der « société absolutiste » geprägt, um die neue „funktionale Interdependenz“ zu bezeichnen, die zwischen der absoluten Monarchie und Teilen der Ständegesellschaft entstand (Hinrichs: Einleitung, S. 17 f. mit weiterer Literatur). Der Begriff hebt darauf ab, daß die Krone eine soziale Mobilität ermöglichte und steuerte, die unterschiedliche Gruppen der ständischen Gesellschaft auf sie hin orientierte und zu Nutznießern absolutistischer Politik machte.

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

Nicht für neu könne sie gelten, denn ob kommunale Selbstverwaltungen oder fürstliche Stadtherren, alle hätten sie Bauordnungen erlassen, häufig wie das Würzburger Bau=Mandat von 1722 auch Gestaltungsfragen geregelt. Schon im Spätmittelalter habe man beispielsweise in Stadtrepubliken wie Venedig, Bern, dem fränkischen Nürnberg85 auf die Gleichförmigkeit der Fassaden hingewirkt; für Residenzstädte sei die systematische Regulierung, Erweiterung, Neuplanung seit der Renaissance als genuine Aufgabe der Fürstenherrschaft begriffen worden.86 Seit es fürstliche Policey-Ordnungen gibt, hätten sie daher Bauordnungen enthalten; speziell für Würzburg seien „unzählige“ Vorläufer für das Mandat von 1722 zu nennen.87 Von einer richtigen Beobachtung führt dieser Einwand zu falschen Schlüssen. In der Tat wirft gemeinschaftliches Bauen immer und überall Regelungsnotwendigkeiten auf. Seit die Menschen im Neolithikum begannen, dauerhafte Siedlungen zu errichten, mußten sie diesen „sozialen Raum“ gestalten; eine Fülle immer neu zu bewältigender Folgeprobleme beschwor ihre Seßhaftigkeit herauf.88 Da die Materie ebenso folgenreich wie konfliktträchtig ist und die Siedlungsgemeinschaften leicht gefährden kann, ergeben sich hier immer Gemeinwohlinteressen, die gegen die Interessen der einzelnen Bauherren zur Geltung gebracht werden müssen. Das betrifft zum einen die Frage, wie die Siedlungsgemeinschaft als ganze sich nach außen abgrenzt und sichert (konkret: wer all die Bollwerke, Deiche, Wege, Brücken, Brunnen finanziert, die nur gemeinschaftlich errichtet und unterhalten werden können; oder welche Vorkehrungen gegen Feuer, Wasser, Verletzungsgefahr getroffen werden müssen), zum anderen die Frage, wie einzelne Bauten sich von anderen absetzen dürfen, ohne ihnen zu schaden (konkret: ohne den Nachbarn Zugangswege oder bestimmte Nutzungen zu verbauen). Da diese Fragen die gesamte Siedlungsgemeinschaft betreffen, liegt es nahe, daß sie nicht nur nachbarschaftlichinformell entschieden wurden, sondern von den jeweiligen Machthabern. Seit es Stadtobrigkeiten gibt, dürften sie Einfluß auf Baufragen genommen haben. 85 Zu den Nürnberger Bauordnungen und der Bauaufsicht durch das städtische Bauamt s. Schwemmer: Bürgerhaus, S. 12–14. 86 Dazu für den deutschsprachigen Bereich jetzt umfassend Seng: Stadt. 87 So Rudolf Pfister, der für Würzburg dann aber nur ein einziges Beispiel anzuführen vermag: das „Gebot der uberschuß und unbew halben“ des Fürstbischofs Lorenz von Bibra von 1504 (Pfister: Wohnhaus, S. 26; mehr dazu unten Anm. 91). Trotzdem ähnlich Schott: Verhältnis, S. 196 f. 88 Vgl. Selmer: [Artikel] Hausbau. Die Soziologen haben Raum lange Zeit physikalisch begriffen: als vor- oder außersozialen „Behälter“ sozialer Praxis, erst ihn in jüngster Zeit betrachten sie ihn häufiger als „sozial strukturiert“. Nicht nur wie Raum subjektiv erfahren werde, sei sozial bedingt und damit Thema der Soziologie, auch wie er von Menschen gegliedert und gestaltet werde, sei immer schon Teil sozialer Praxis – nämlich der Innen-AußenAbgrenzung sozialer Akteure. Gründlich setzt sich beispielsweise der Frankfurter Soziologe Oliver Schmidtke mit der einschlägigen Literatur auseinander: In enger Anlehnung an Ulrich Oevermann entwickelt er ein differenziertes Modell des sozialen Raums, das speziell auf die sozialen Handlungsprobleme von Bauherren und Architekten zielt (Schmidtke: Architektur, S. 33 – 70). Daran sind die folgenden Ausführungen angelehnt.

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Zu den regelungsbedürftigen Fragen gehört nicht zuletzt die des baulichen Erscheinungsbilds. Bauen in Siedlungen dient niemals nur praktischen Funktionen, stets stellt es auch eine symbolische Kommunikation des Bauherrn mit Konkurrenten wie mit der Siedlungsgemeinschaft insgesamt dar. Wichtigster Inhalt dieser Kommunikation sind Rangunterschiede. Bauen kann sozialen Rang abbilden, es kann aber auch Ansprüche erheben und auf der Ebene des Symbolischen neue Rangunterschiede etablieren. Aus diesem Grunde birgt Bauen sozialen Sprengstoff. Es ist gefährlich, kann es doch offizielle Rangvorstellungen durchkreuzen, unerwünschte herstellen. Zudem rückt jeder Bau den Bauherrn in ein Verhältnis zur Siedlungsgemeinschaft insgesamt, betrifft er die Gemeinschaftsvorstellungen der Siedelnden: ihre Selbstbilder und Werte als soziale und politische Vergemeinschaftung. Ihnen sollen Bauten entsprechen. Beide Probleme können durch Gestaltungsrichtlinien entschärft werden. Lange geschah dies wohl nachbarschaftlichinformell, wurde zumindest nicht schriftlich fixiert. Seit dem Spätmittelalter tauchen dann kodifizierte Verfahrensregeln auf, die sicherstellen sollten, daß gegen das gewünschte bauliche Erscheinungsbild nicht verstoßen wurde. Bei alledem handelt es sich um mehr oder weniger universale, mehr oder weniger konstante Strukturbedingungen stadtplanerischer Gestaltung. Daß diese Bedingungen aber historisch verschieden ausgeformt werden, daß sie Entwicklung und Veränderung zulassen, auch qualitative Neuerungen, darauf kommt es hier an. Je nach Gemeinwesen und Herrschaft werden die gleichen drängenden Fragen unterschiedlich beantwortet; umgekehrt können äußerlich gleiche Antworten je nach Gemeinwesen unterschiedliche Bedeutungen haben. Dies gilt etwa für den Versuch, Hausfassaden in eine gemeinsame Fluchtlinie zu stellen und gleichförmig zu gestalten: Kommunen wie Venedig, Bern oder Nürnberg demonstrierten damit die republikanische Selbstbeschränkung gerade ihrer vornehmsten Mitglieder; wie das Luxusverbot in Kleiderordnungen sollte die Regelung das Patriziat ständisch uniformieren, es selbst und die ständische Stadtgesellschaft stabilisieren. Wenn dagegen Johann Philipp Franz von Schönborn in seiner altständischen Residenzstadt Würzburg die „observir- und Haltung einer geraden Linien“ forderte, eine „Egalitè [sic!] an Stockwercken / Dächern und Fenstern“,89 wenn er diese ästhetische Gleichheit als Ausdruck einer Rechtsgleichheit begriff, der auch die bislang vom städtischen Baurecht ausgenommenen geistlichen Korporationen und der Adel unterworfen wurden, dann griff er die überkommene Ständegesellschaft an, löschte er – im Bereich des Bauens mit seiner Indikatorfunktion – die alten Rechtsunterschiede ebenso aus wie die ästhetischen Unterscheidungsmerkmale der Stände. Es führt daher in die Irre, Nürnberg als „Vorbild“ des Würzburger Bau=Mandats anzuführen. Ebensowenig hilft es weiter, mit der Stadtgestaltung weltlicher Herrscher zu argumentieren, gar noch mit der in den neuzeitlichen Planstädten. Ein Fürstbischof hatte schon deshalb ein völlig anderes Verhältnis zu seiner Kathedralstadt, weil es 89

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Johann Philipp Franz von Schönborn: Bau=Mandat.

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sich nicht primär aus seiner Residenz ergab, sondern aus dem Bezug zur Bischofskirche. Die Residenz ließ sich auslagern (wie von Mainz nach Aschaffenburg, von Speyer nach Bruchsal, von Konstanz nach Mersburg),90 die Bischofskirche nicht. Selbst wenn die Kathedralstadt unter der Hoheit des Fürstbischofs stand, wie es in Würzburg seit dem Bauernkrieg der Fall war, regierte das Domkapitel mit und verweigerte sich, oft zusammen mit weiteren geistlichen Korporationen, dem planerischen Zugriff. Fürstbischöfliche Stadtgestaltung hatte in den Kathedralstädten vom Bestehenden auszugehen, sie konnte immer nur versuchen, Gewachsenes umzuformen, sie traf auf viel größere Widerstände als die von weltlichen Fürsten. Da ihre Strukturbedingungen spezifisch waren, läßt sie sich nur für das jeweilige Gemeinwesen periodisieren. Es ist sinnlos zu argumentieren, in Mannheim hätten die Pfälzer Kurfürsten die Fassaden schon früher reglementiert – ob Johann Philipp Franzens Baupolitik in Würzburg qualitativ neu war, muß geklärt werden. So gestellt, läßt die Frage sich eindeutig beantworten. Vor Johann Philipp Franz von Schönborn gab es in Würzburg keine fürstbischöfliche Baupolitik. Zu finden sind fürstbischöfliche Baumandate, doch betreffen sie nur Rechte und Pflichten der Bauleute, hygienische oder Sicherheitsfragen.91 Nachweisen lassen sich punktuelle Eingriffe in die bürgerliche Bausubstanz, einem umfassenden Programm folgten sie nicht.92 Am nachhaltigsten hatte in der Neuzeit Julius Echter das Stadtbild 90 Allgemein dazu Press: Bischöfe, speziell zu Mainz und Aschaffenburg Christ: Erzbischöfe. 91 Um 1620 erließ Fürstbischof Johann Gottfried I. von Aschhausen eine Bauordnung, in der die Rechtsbeziehungen der Personen geregelt wurden, die an öffentlichen Großbauten beteiligt waren (ByStAWü HV MS f. 483). Von Fürstbischof Johann Gottfried II. von Guttenberg sind mehrere Mandate zu Fragen der Bausicherheit überliefert, etwa das vom 13. September 1688 „Die Abschaffung der Strohdächer betreffend“ (gedruckt in [Anonym:] Sammlung, Bd. 1, S. 376), das vom 24. März 1700 „Die Säuberung der Gassen und Straßen in der Stadt Würzburg betreffend“ (gedruckt a. a. O., S. 497–499). Das immer wieder als Gegenbeispiel angeführte „Gebot der uberschuß und unbew halben“, in dem Fürstbischof Lorenz von Bibra 1504 Vorbauten im ersten und zweiten Stock von Häusern an öffentlichen Straßen und Plätzen verbot (ByStAWü ldf Laurentii 18, fol. 66), hatte keine ästhetischen Gründe, sondern sollte in den engen Gassen Würzburgs Nachbarschaftsstreitigkeiten und weitere Verschattung verhindern. 92 Beispiele bei Schott: Verhältnis, S. 196 f. Abzuzeichnen beginnt ein umfassendes Konzept sich im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts, als die Bauten Antonio Petrinis, vor allem Fassade und Kuppel von Stift Haug und der Turm der Universitätskirche gezielt auch im Hinblick auf städtebauliche Fernwirkungen errichtet worden zu sein scheinen (so Hamann: Sviluppo, S. 68 f.), in den Quellen belegbar ferner um 1700 bei Fürstbischof Johann Gottfried II. von Guttenberg – demselben, der in jahrelangem Kampf gegen das Domkapitel Innocentiana und Leopoldina erwirkt hatte. Ihm schreibt Johann Peter Holtzheimer 1704 posthum die Absicht zu, Würzburg „mit neuen und schönen gebauen zu ziren, die alte zu merckhlicher diformitet der Statt gestandene winckhel und Schwibbögen abzuschaffen, auch gassen und Strassen in bessere Ordnung zu bringen [ . . . ], die bögen und die so genente greten vor dem hohen Domb hinwegräumen, die alte uff der brückhen gestandene häuser [ . . . ] abbrechen[,] die strassen zu Schöneren prospect reguliren, und anstatt der alten [ . . . ] under dem grünen baumb [ . . . ] Neue Häuser [ . . . ] erbauen, ingleichen auch die kleine seithen der statt, [ . . . ] mit fortification versehen lassen [ . . . ]“, schließlich den Markt zu erweitern und zu regulieren

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geprägt. Indem er die Festung Marienberg umgestaltete, schuf er ein machtvolles, auch optisch wirksames Symbol der Bischofsherrschaft über der Stadt; seine Großbauten: die (Alte) Universität mit ihrer Kirche sowie das Julius-Spital, griffen über den mittelalterlichen Stadtkern hinaus und definierten neue Maßstäbe. Ob diese Bauten aber auf die Stadt als ganze zielten, scheint zweifelhaft93 – nachweisen lassen sich städtebauliche Überlegungen in den Schriftquellen jedenfalls nicht. Daher war Johann Philipp Franz von Schönborn eben doch der erste, der – zusammen mit Balthasar Neumann – für Würzburg ein städtebauliches Gesamtkonzept entwickelte. Er war der erste, der militärische und zivile Bauten, öffentliche und private in dieses Konzept einbezog. Er war der erste, der ein solches Konzept aus politischen Sachgesichtspunkten (Sicherheit, Gemeinwohl, öffentlicher Nutzen) herleitete. Er war der erste, der diese Sachgesichtspunkte ästhetisch ausbuchstabierte und deswegen Gestaltungsfragen zum Thema machte. Er war der erste, der ein solches Konzept in ein Bau=Mandat goß. Er war der erste, der alle Bauherren in Würzburg, unabhängig von ihrer Standeszugehörigkeit, demselben Einpassungsverfahren unterwarf. Er war der erste, der das städtische Geschworenengericht entmachtete und mit der Baukommission ein neues Instrument zur Durchsetzung seines Konzepts schuf. Daß all dies nur Konzept geblieben sei, ist der zweite Einwand, der gegen die Baupolitik des Schönborn erhoben wird. Die Quellen, aus denen sie rekonstruiert werden kann, seien normativer Natur: Es habe sich um Absichten, Programme, Pläne gehandelt – schöne Ideen, die niemals in der Wirklichkeit angekommen seien. Wie so viele frühneuzeitliche Gesetzestexte94 sei auch das Bau=Mandat Papier geblieben: hilflose Bekundung eines überzogenen Anspruchs. Die soziale Praxis habe es kaum erreicht, geschweige denn wirksam verändert.95 (Holtzheimer: Cameral Anmerckungen. ByStAWü HV MS f. 13, zitiert nach Kraus: Hofhaltungen, S. 59). Diese Absichten umzusetzen war Johann Gottfried nicht vergönnt. „In conclusione il periodo dei vescovi principi Guttenberg e Greiffenclau non mostra un’idea urbanistica generale e uniforme. Furono realizzati progetti isolati che crearono alcuni centri piccoli nell’ambito della città, cha mancavano però di un elemento unificante.“ (Hamann: Sviluppo, S. 69). 93 Stefan Kummer argumentierte im Jahr 2000 mit dem Zusammenhang, den die verschiedenen Einzelbauten faktisch ergeben (Kummer: Stadt Würzburg, S. 26; ähnlich Lusin: Entwicklung, S. 268–71), ein Schüler von ihm, Markus Maier, ist in die Archive gestiegen und vertritt seither die These, Julius Echter habe kein städtebauliches Gesamtkonzept verfolgt; nicht einmal seine Einzelbauten seien im Hinblick auf ihre städtebauliche Wirkung entworfen worden (Maier: Stadtbild). Ebenso Matthias Hamann: „I vescovi principi [bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs, J.S. . . . ] arricchirono la città di singoli edifici, questi mancavano però di un’idea urbanistica generale. È soltanto sotto il regno della famiglia degli Schönborn che l’aspetto di Würzburg sarà destinato a subire una traformazione radicale e durata.“ (Hamann: Sviluppo, S. 63). 94 Grundsätzlich Schlumbohm: Gesetze; Dinges: Normsetzung; Landwehr: „Normdurchsetzung“. 95 „Ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung war gegen die oft rücksichtslosen Maßnahmen des Johann Philipp Franz in der Baupolitik, besonders das vielfach betroffene und

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Nun könnte man es sich leicht machen und auf die gebaute Evidenz verweisen. Der Weiterbau der Stadtbefestigung, den Johann Philipp Franz anstieß, führte nun mal zu deren Vollendung; die Residenz, die er begann, wurde errichtet; das Stadtbild Würzburgs gewann in der geplanten Weise neue Gestalt.96 So wirksam war das Programm also doch: Zumindest in Gebäude und Straßen, in öffentlichen Raum hat es sich umgesetzt; buchstäblich haben die Normen sich materialisiert. Was Johann Philipp Franz in Gang gebracht hat, gilt heute als Weltkulturerbe und ist der Grund, warum man Würzburg besucht. Insofern gehört sein Programm zu den folgenreichsten Taten eines Würzburger Fürstbischofs überhaupt.97 nicht gefragte D[om]k[apitel] [ . . . ] Johann Philipp Franz begann viel, besonders die Residenz und Fortifikationsmaßnahmen, initiierte viel, so die Bauordnung (s. u.), scheiterte aber an den hohen Zielen, die er sich gesteckt hatte.“ (Schott: Verhältnis, S. 199). „Nicht nur mit einem manchmal anders denkenden Rat kämpfte die Baukommission, sondern auch mit ihren zu hoch gesteckten Vorgaben.“ (ebd., S. 201). „[ . . . ] die Kommission litt in ihrer Arbeit an der Mißachtung weiter Bevölkerungskreise. [ . . . ] Die erhaltenen Baukommissionsprotokolle sind voll von Übertretungen: Risse wurden nicht vorgelegt, entgegen approbierten Rissen gebaut, Veränderungen z. B. an den Fenstern ungenehmigt ausgeführt. Die Baukommission reagierte auf solche Verstöße halbherzig, drohte mit Geldstrafen oder Verweigerung von Freijahren.“ (ebd., S. 202). Schott spricht deshalb von einem „mindestens partiellen Scheiter[n]“ der Kommission (a. a. O.), die bischöflichen Baupolitik werde gemeinhin überschätzt (ebd., S. 97 f.). 96 So urteilen die Kunsthistoriker, allen voran von Freeden, der das Bau=Mandat von 1722 als Urkunde bezeichnet, „die für das städtebauliche Schicksal Würzburgs so entscheidend geworden ist“ (von Freeden: Neumann, S. 16), ferner von Lüde, derzufolge die Baukommission „das Gesicht der Stadt“ geprägt hat (von Lüde: Studien, S. 182, Anm. 413). Überprüft werden könnte ihr Urteil durch eine Studie, in der die Akten der Baukommission verglichen werden mit dem tatsächlich Gebauten (soweit es vor den Kriegszerstörungen dokumentiert ist), wobei stets der städtebauliche Effekt abzuwägen wäre. So wünschenswert eine solche Studie ist, sie fehlt. Daher sind einstweilen nur Vorüberlegungen möglich. Die erste besagt, daß die von Schott angeführten Übertretungen gegen das Bau=Mandat dessen Geltung und Wirkung ebensowenig mindern wie die zahllosen täglichen Übertretungen die Straßenverkehrsordnung – Verstöße gegen eine Norm setzen diese nicht außer Kraft. Daß die Baukommission zahlreiche Übertretungen registriert und einzelfallbezogen, flexibel damit umgeht, deutet im Gegenteil darauf hin, daß die Norm als solche fest etabliert war und nicht mehr infrage stand. Da sie bis 1804 galt, ist wohl doch von einer starken städtebaulichen Wirkung auszugehen. Dafür sprechen auch die Beispiele, die von Freeden für die städtebauliche Arbeit Balthasar Neumanns anführt, sei es als Gutachter in der Baukommission, sei es als beauftragter Baumeister (von Freeden: Neumann, S. 20–52 und S. 73–108). Dafür spricht noch eine zweite Überlegung. In der Plansammlung Balthasar Neumann der Universitätsbibliothek Würzburg (Sign.: Delin. II) finden sich Pläne verschiedener Würzburger Bauvorhaben, die (wie vom Bau=Mandat verlangt) vor der Ausführung eingereicht und von Neumann als der grauen Eminenz der Baukommission eigenhändig korrigiert wurden (Beispiele in Mälzer (Bearb.): Neumann, S. 12–13). Geht man davon aus, daß es in Würzburg allenfalls eine Handvoll Baumeister gab und gesteht diesen normale Lernfähigkeit zu (oder auch nur den Wunsch, sich nicht mehrmals vor der Kommission zu blamieren), dann ist klar, daß es nicht vieler Eingriffe bedurfte, um bestimmte Grundgedanken durchzusetzen – zumal Neumann (wie später die Bauhaus-Architekten) Pläne für Musterbauten, Musterfassaden, Musterwohnungen etc. zeichnete und verbreiten ließ. 97 So trotz seines skeptischen Urteils über die Baupolitik letztlich auch Schott: „Johann Philipp Franz setzte trotz seiner kurzen Regierungszeit Zeichen, die das Leben [!] in der Stadt das ganze Jahrhundert und teilweise darüber hinaus prägen sollten.“ (Schott: Absolutismus, S. 141).

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Hartgesottene Sozialhistoriker werden das trotzdem zu Äußerlichkeiten erklären. Noch Gebäude und Straßen gelten ihnen als „bloß normative“ Quellen: Schließlich sage eine bestimmte Gestaltung des öffentlichen Raums nichts darüber aus, wie er tatsächlich genutzt wurde; die soziale Praxis werde durch den gebauten Rahmen nicht determiniert. Das ist der Grund, warum Sozialhistoriker solche Baupolitik im Anschluß an Norbert Elias und Gerhard Oestreich allenfalls als „Sozialdisziplinierung“ betrachten: als Versuch, die soziale Praxis von oben zu manipulieren: gewaltsam; herrschaftlich; durch Überwältigung.98 Wie die Praxis sich dem zäh widersetzte, wie sie die obrigkeitlichen Vorgaben unterlief und listig konterkarierte, ist das Erzählmuster, das sich aus einer solchen Prämisse ergibt. Dagegen wird hier darauf beharrt, daß die Froschperspektive ihrerseits ein ziemlich eingeschränktes Bild der sozialen Vorgänge liefert. Wahrscheinlich hat es die Renitenz gegeben, die sie thematisiert – ob die Menschen ihre Gewohnheiten aber wirklich zu bewahren vermochten oder ob sie sich nur trotzig einer Strukturtransformation entgegenstellten, die sich gleichwohl vollzog, in die sie verwickelt waren, die sie gegen ihren Willen selbst vorantrieben, das ist doch die Frage. Vertreter von mikrohistorischen und erfahrungsgeschichtlichen Ansätzen sollten makrohistorische und strukturgeschichtliche nicht für irrelevant erklären: Leicht könnte die falsche Entgegenstellung auf sie zurückfallen. Hier wird dafür plädiert, beide Perspektiven aufeinander zu beziehen. Für den konkreten Fall heißt das, es wird gefragt, ob die Baupolitik des Schönborn-Fürstbischofs statt nur von oben nicht auch von unten gelesen werden kann: ob es nicht soziale Entwicklungen gab, Veränderungen im Sozialgefüge des Würzburger Gemeinwesens, Transformationen der Praxis, denen die Baupolitik sich einschrieb, auf die sie antwortete, die sie beförderte. Diese Erweiterung oder Umkehrung der Perspektive ist für die absolutistische Baupolitik generell noch zu leisten. Sie kann hier am Würzburger Beispiel allenfalls eingeleitet, nur in Umrissen angegangen werden. Die Würzburger Situation im frühen 18. Jahrhundert beruhte zum ersten auf einem steten Steigen der Bevölkerungszahl.99 Falls die Schätzungen stimmen, machte Würzburg bereits vor 1700 seine Verluste aus dem Dreißigjährigen Krieg wieder wett, 1703 wurden ein Viertel mehr Einwohner gezählt als 1621. Danach scheint die Zahl langsamer gewachsen zu sein, um sich jedoch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fast zu verdoppeln. Schon quantitativ muß also immer mehr Raum zum Wohnen und Arbeiten nachgefragt worden sein. Wurden im späten 17. Jahrhundert noch Gebäude abgerissen, die seit dem Dreißigjährigen Krieg leergestanden hatten, wandelte sich um 1700 das Bild. Der Immobilienmarkt scheint sich konsolidiert zu haben: Mit den Lebensmittelpreisen dürften die Mieten angezogen sein,100 dadurch mußten die Renditen steigen, Bauen wurde wieder lukrativ. So grundsätzlich Dinges: Residenzstadt, mit weiterer Literatur. Das Folgende nach Schott: Verhältnis, S. 99 f.; ders.: Absolutismus, S. 158 f.; Soder von Güldenstubbe: Sozialgeschichte, S. 467–472. 100 Christoforatou: Aspekte, S. 427; Soder von Güldenstubbe: Sozialgeschichte, S. 480. 98 99

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Wer Land besaß, mit Wein oder Lebensmitteln handelte, erwirtschaftete Jahr für Jahr höhere Gewinne. Und er hatte Grund, das Surplus zu investieren, schließlich stagnierten wegen der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt die Löhne. Bauen war kostengünstig – wer überhaupt daran denken konnte, mußte sich durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angestoßen fühlen. Nach 1700 jedenfalls entwickelte Bauen sich in Würzburg zu einer Breitenbewegung.101 Hatten in den Jahrzehnten zuvor nur der Fürstbischof, die geistlichen Korporationen und der Stiftsadel Bauten in Auftrag gegeben, so erfaßte die Bauleidenschaft nun die Amtsträger und die höfischen Kavaliere. Es bauten die eingesessenen Handelsleute und die zugezogenen Luxuswarenhändler, es bauten die alten Handwerker und die neuen Kunsthandwerker, es bauten die Winzer und die Bauern, die von den steigenden Preisen für Agrarprodukte profitierten. Denn das war der zweite Impuls von Seiten der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Die Würzburger Oberschicht fächerte sich in immer heterogenere Eliten auf. Später als andernorts und in dem bescheidenen Rahmen von rund 14.000 Einwohnern um 1700, rund 20.000 um 1800 entstand auch hier rudimentär, aber unaufhaltsam, was die Forschung zum französischen Absolutismus als « société absolutiste » bezeichnet hat:102 jene Mischung aus altständisch-traditionaler Ackerbürgerstadt, erweitert um die Einsprengsel der geistlichen Korporationen einerseits, der Universität andererseits, jetzt aber zunehmend dynamisiert und durcheinandergebracht durch die immer größer werdende Hofgesellschaft mit ihren Kavalieren aus altem und neuem Adel, ihren geadelten oder (noch) nicht geadelten Ministern, ihren Juristen, Schreibern und Amtsdienern, ihren Hofchargen und Lakaien, ihren Offizieren und Militärs, ihren von nah und fern zuziehenden Künstlern, Musikern, Architekten, ihren Kunsthandwerkern und Luxuswarenhändlern, ihren herbeisubventionierten bourgeoisen Manufakturbetreibern und Transportunternehmern – lauter Personenkreise, die sich nicht über die alten Stände, sondern durch ihre Beziehung zu Hofe definierten, die Standesschranken häufig überschritten oder quer dazu standen. Wer von diesen Leuten sich in Würzburg niederlassen wollte, baute: 101 „Petrinis Kirchen und die große Reihe der Stifts- und Adelshöfe bildeten die erste Epoche in der Neugestaltung Würzburgs. Doch das Bürgertum hatte sich nicht so schnell wie der Adel von den Folgen des furchtbaren Krieges erholen können. Erst in der zweiten Epoche, die sich mit dem Namen [Joseph] Greisings [seit 1698 als Zimmermann in Würzburg tätig, seit 1715 Hofbaumeister, J.S.] am besten umreißen läßt, können Bürger, Handwerker und Beamte in größerer Zahl daran denken, Neubauten vorzunehmen. Nachdem dann die Regierung diesem Bestreben durch Steuererleichterungen entgegenkam, wie sie 1722 [in dem Bau= Mandat, J.S.] festgesetzt wurden, gehörte es bald zum ,guten Ton‘, durch Neubauten oder Reparaturen sich bemerkbar zu machen. Den großen Adelshöfen der ersten Stufe stehen jetzt die reich ausgestatteten Bürgerhäuser gegenüber; die Wende ist, obwohl natürlich vorher schon bürgerliche Neubauten entstanden, immerhin so klar ausgeprägt, daß nach Vollendung des Roten Baus 1715 auf Jahrzehnte hinaus kein neuer Adelspalast oder Domherrenhof entsteht.“ (von Freeden: Neumann, S. 11 f.; vgl. Mader: Stadt Würzburg, S. 632–655; Lusin: Entwicklung, S. 272–281). 102 Hinrichs: Einleitung, S. 18.

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vorzugsweise in der Nähe des Hofes; vorzugsweise an den Promenaden und Zubringerstraßen der Residenz; vorzugsweise in den Vierteln, die durch die barocke Stadtbefestigung gesichert und durch die Residenz attraktiv gemacht wurden. Der mittelalterliche Stadtkern und die barocke Neustadt, die altständische und die Hofgesellschaft standen in Spannung – nach 1700 wurde ihre Konkurrenz auch über das Bauen ausgetragen. Es liegt auf der Hand, daß daraus akuter Regelungsbedarf erwuchs. Schon aus Sicherheitsgründen war es nötig, den Bauboom in gemeinverträgliche Bahnen zu lenken; selbstverständlich thematisierte das Bau=Mandat von 1722 auch Schutzvorkehrungen gegen Feuer, Überschwemmung, Abwasser, Verletzungsgefahr, die bei Um- und Neubauten zu beachten waren. Darüber hinaus verpflichtete es jeden Bauherren, allen Anwohnern sein Vorhaben vor Baubeginn bekannt zu machen; bei Auseinandersetzungen sah es obrigkeitlich moderierte Schlichtungsverfahren vor. Schon im Ansatz suchte es die Nachbarschaftskonflikte zu entschärfen, die durch das Bauen entstanden. Ausdrücklich setzte es sich solche Konfliktbereinigung zum Ziel.103 Den wirksamsten Beitrag dazu leistete es durch die Sorge um gestalterische Einheitlichkeit. Alles, was an der Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn neu war: daß sie auf das gesamte Gemeinwesen ausgriff, alle Bauherren einbezog, die Standesunterschiede rechtlich und ästhetisch einebnete, läßt sich vor den geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungen als Entschärfung gesellschaftlicher Konflikte interpretieren. Die altständische Differenzierung versagte. Rechtlich wie symbolisch war die neue Hofgesellschaft in die alte Ständegesellschaft nicht mehr zu integrieren. Die „observir- und Haltung einer geraden Linien“, die „Egalitè an Stockwercken / Dächern und Fenstern“ wies einen Ausweg: Sie bot der entstehenden absolutistischen Gesellschaft eine Form: Einheitlichkeit auf hohem, aber nicht 103 „Fürs 6.te viele öfftere unnöthige Zwiespalt und Uneinigkeiten nicht weniger daher entstanden / daß wann jemand einen dergleichen Bau zu führen angefangen / daß ein solcher denen daran gestossenen Nachbarn / wie er ein= und anderes in selben einzurichten gewillet / es weder vorhero eröffnet / noch darüber einen Riß gezeiget; am wenigsten aber / daß auch anderer Seithen sich diese bey jenen gemeldet hätten / wo sie doch hernachmahls bald über dieses und jenes (welchem allem nichts destoweniger / wann nur einer gegen den anderen sich bey Zeiten hätte vernehmen lassen wollen / leicht und kürtzlich abzuhelffen gewesen wäre) zu ihrem beederseitigen Verdruß und Schaden in ein langwüriges Zancken und processiren gerathen. Als ist Unsere gleichmässige gnädigst= und ernstlich=befehlende Meynung / daß demnach und füro / der da zu bauen vorhabens ist / gleich bey dem Empfang seines von uns approbirten [ . . . ] Abriß / mithin ehe und bevor solcher noch was eingerissen / oder zu bauen angefangen / vor sie als unsere ersternandte Commissarios [ . . . ] nebst seinen Nachbarn / und anderen / welchen etwann mit daran gelegen / vorbescheiden / darauffhin dessen Riß ihnen gezeigt / und außgelegt / dann ob und was selbe gegen deß anderen vorhabendes Bauen mit Fug und Grund einzuwenden hätten / umbständlich vernommen / und also ihre Differenzien / wann sie deren einige hätten / entweder zwischen ihnen in der Güte verglichen / oder wo diese an ihnen nichts verfanget / sothane ihre Stritt= und Jrrungen / worüber alsbalden die Stadt=Geschwohrne in ihrer Meynung zu vernehmen / durch Richterlichen Spruch erörtert / und außgemacht [ . . . ]“ (Johann Philipp Franz von Schönborn: Bau=Mandat).

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länger ständisch definierten Niveau. Was Johann Philipp Franz von Schönborn und Balthasar Neumann anboten, war gebaute « honneˆté »: ein mondäner Kavalierstraum, der die ständeübergreifende Weltgewandheit zum stadt- und gesellschaftsplanerischen Prinzip erhob.104 Das machte die Regelung für die Betroffenen attraktiv: Statt einer fürstlichen Drangsal konnten sie (bis auf das Domkapitel und den Stiftsadel) ihre eigenen Zukunftswünsche und Umgangsformen darin erkennen; eine Lösung ihrer Schwierigkeiten; ein Leitbild, das sie teilten; eine gesellschaftliche Vision. Wer immer sich in Würzburg nach 1720 zum Bauen veranlaßt sah: Alteingesessene und Neubürger, Gelehrte und Kavaliere, Weinhändler am Markt und Juweliere in der Nähe der Residenz, wer immer sich belauerte und in heillosen Überbietungsdruck versetzt sah, durfte aufatmen. Diesen Konkurrenzdruck hat das Bau=Mandat entschärft. Eine dritte Entwicklung kam hinzu. Bauen wurde nach 1700 auch deshalb zur Breitenbewegung, weil ein radikaler Wandel der architektonischen Formensprache stattgefunden hatte. Statt Fachwerk aus Holz und Lehm baute man (zumindest die Fassaden) aus Stein. Statt mit hohen spitzen Giebeln stellte man die Häuser mit der Dachtraufe zur Straße. Statt jedes Stockwerk ein Stück weiter in den Straßenraum vorzuschieben oder sie durch unterschiedliche Höhen, Erker, Auskragungen abzusetzen, bildeten die Hausfronten vertikal wie horizontal einheitliche Flächen, die stockwerkübergreifend axial und symmetrisch gegliedert wurden (durch Leibungen, Sohlbänke, Brüstungen, Gesimse, Risalite etc.). Statt Scheiben aus Butzenglas oder kleinen Glastücken, mit Hilfe von Bleistegen verbunden und entsprechend undurchschaubar, verwendete man Flachglas, das neue Technik zu immer größeren Flächen auszuwalzen erlaubte; so konnte man die Fenster zu regelmäßigen, großzügigen, durchsichtigen Wandöffnungen weiten. Wie Häuser auszusehen hatten, wie sie einzuteilen und zu gestalten waren, wie sie sich nach außen und nach innen darstellten, hatte sich völlig verändert. Eine neue Form des Hausens war entstanden, nie gekannte Großzügigkeit und Wohnkomfort, an denen man teilhaben wollte. Um- oder neuzubauen wurde zum Bedürfnis, zur Mode. Binnen weniger Jahrzehnte verwandelte es nach 1700 das Aussehen ganz Frankens. Die Form der giebelständigen Häuser hatte sich aus dem Wunsch ergeben, möglichst vielen Hausbesitzern und Bewohnern Anteil am öffentlichen Raum der Straße oder eines Platzes zu geben.105 Deshalb rückten die Häuser dicht zusammen, waren sie schmal, erstreckten sich aber in die Höhe und verhältnismäßig weit auch in die Tiefe. Für einen Flur waren solche Häuser zu eng: Angefangen von der Eingangshalle nahmen viele Räume die volle Hausbreite in Anspruch; auch gegen104 Zum dahinterstehenden Ideal vorzüglich Walther: [Artikel] Honne ˆ te homme, honneˆte femme. Johann Philipp Franz war nach diesem Ideal erzogen worden und hatte es am französischen Hof perfektioniert. 105 Das Folgende nach Mader: Stadt Würzburg, S. 618; Pfister: Wohnhaus, S. 22 f., 33 f.; Friedhoff: „Magnificence“, S. 620–625, 630–633.

4. Gesellschaftliche Impulse

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über den Treppen waren sie kaum je abgegrenzt. Mithin mußten sie Durchgangsund damit Multifunktionsräume sein. Wie in der Eingangshalle oft Besucher begrüßt, gehandelt oder gehandwerkert wurde, in den Wohnstuben gegessen, Hausarbeiten verrichtet, gespielt, gefeiert, in oder über den Schlafkammern noch Vorräte verwahrt, ging es überall zu: Die Hausgemeinschaft war in der Regel auch eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft, Absonderung von ihr nicht vorgesehen, schon räumlich unmöglich. Das änderte sich nun. Die traufständigen Häuser waren in der Regel breiter als hoch und tief. Sie setzten die unbebauten Flächen der barocken Stadterweiterungen voraus, durften, damit dort schnell durchgehende Straßenfronten entstanden, verschwenderisch mit der Schnittstelle von Straße und Einzelhaus umgehen.106 Schon damit signalisierten sie Reichtum und Macht, ungewohnte Großzügigkeit. Die neue Breite der Häuser erlaubte, sie von einem Vorplatz über einen Korridor und ein eigenes Treppenhaus zu erschließen. Wie die Fassaden regelmäßig und symmetrisch wurden, sollte dies für die Aufteilung des Innern gelten. Die Räume traten auseinander; separat war fortan jeder über den Flur zu betreten. Das erlaubte, Arbeiten, Wohnen und Schlafen stärker zu trennen, es eröffnete Rückzugsmöglichkeiten. Einzelne Mitglieder der Hausgemeinschaft konnten eigene, ihnen allein vorbehaltene Zimmer erhalten. Erstmals entstanden die räumlichen Voraussetzungen für Intimität. Vorreiter dieser Entwicklung waren nicht zufällig die Mitglieder der Hofgesellschaft: die Kavaliere und Amtsträger, Offiziere und Künstler. Ihre Arbeit fand ohnehin außerhalb ihrer Häuser statt, sie wohnten von Arbeit entlastet, die Trennung von Arbeiten und Wohnen verstand sich für sie von selbst. Damit entfiel die wichtigste Funktion, um die das Wohnen in Privatbauten bislang organisiert worden war; an ihre Stelle traten Repräsentation und Luxus, etwa für Empfangs-, Speiseund Festsäale, Sammlungen und Galerien. Das Zusammenkommen in diesen Räumen wurde zur zweckfreien Geselligkeit, jederzeit konnte man sich davor in Séparées oder ins eigene Boudoir zurückziehen. Der barocke Wohnbau ermöglichte, lehrte, popularisierte, was bis dahin der Aristokratie vorbehalten gewesen war. Er setzte den Einzelnen in ein neues Verhältnis zu seiner Wohn- und Lebensgemeinschaft. Nicht nur die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, auch die zwischen Haushalt und Intimsphäre wurde neu definiert. Dieser Entwicklung verhalfen Johann Philipp Franz von Schönborn und Balthasar Neumann in Würzburg zum Durchbruch. Kategorisch verbot das Bau=Mandat, daß weiterhin giebelständige Häuser gebaut wurden, alle Neubauten hatten sich in 106 In die dichtbebauten Innenstädte wurde das neue Bauen eingeführt, indem seit der Renaissance einzelne Bauherrn Nachbargrundstücke hinzukauften, bis sie Raum genug hatten, um bei einem Um- oder Neubau den Dachfirst zu schwenken. Die starken Besitzverschiebungen im 16. Jahrhundert u. a. durch die Konfessionskämpfe, die Hexenverfolgungen und den Verfall der Zünfte beförderten die Entwicklung (dazu Pfister: Wohnhaus, S. 34 f.). Allerdings war sie im 16. Jahrhundert noch nicht das eigentliche Ziel, vielmehr ergab sie sich damals indirekt, etwa aus feuerpolizeilichen Gründen (ebd., S. 37).

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

eine einheitliche Fluchtlinie mit ihren Nachbarn zu stellen, auch auf Geschoß- und Dachhöhen, Fensterformen und die Fassadengestaltung wurde die Pflicht zur Einheitlichkeit ausgedehnt, Erker und Vorsprünge waren verpönt, Steinfassaden wurden durch Steuernachlässe subventioniert. Außer durch diese Rahmenrichtlinien förderte Balthasar Neumann das neue Bauen durch Pläne für Musterhäuser und Musterfassaden, die er durch sein Architekturbüro vervielfältigen und verbreiten ließ;107 ferner errichtete er einige Privathäuser (u. a. für sich selbst), die den neuen Prinzipien Überzeugungskraft verliehen.108 Was für viele bislang nur ein Wunsch, ein Traum, ein vager Eindruck gewesen war, erhielt jetzt konkrete Umsetzungsmöglichkeiten, ja es wurde zur steuerbegünstigten Norm. Auf breiter Front und für jeden, der überhaupt bauen konnte, setzte sich das barocke Bauen damit durch. Alle drei Entwicklungen: die demographisch-konjunkturelle, die Differenzierung und Polarisierung der Eliten, der Wandel des Wohnens, hatten z. T. lange vor 1720 begonnen. Sie fanden unabhängig von der Baupolitik des Schönborn statt, sie wären weitergegangen, auch wenn er sie wie mancher Fürstbischof vor und nach ihm ignoriert oder gar bekämpft hätte. Die Leistung des Johann Philipp Franz von Schönborn bestand darin, sie zu erkennen und aufzufangen, sie für die fürstliche Herrschaftsverdichtung zu nutzen, sie in eine konsistente Zukunftsvorstellung für sein Gemeinwesen einzufügen. Wirtschaftlich wirkte seine Baupolitik als Anreiz, die entstehenden Kapitalien durch Bauen zu verausgaben, zahllose Handwerker und Bauleute in Lohn und Brot zu setzen. Gesellschaftlich wirkte sie als Leitbild, die starren, dysfunktional gewordenen Standesgrenzen zu schleifen, privilegierten, altständischen Korporationen einen Teil ihrer Vorrechte zu nehmen, für die aufstrebenden neuen Eliten eine sozialverträgliche Form zu finden. Im Alltag des Hausens wirkte sie als Popularisierung und Verbreitung von Errungenschaften, die bislang wenigen vorbehalten gewesen waren. Insofern wäre diese Politik als Sozialdisziplinierung völlig unzureichend beschrieben. Sie war material-rational im Sinne Max Webers, sie war sachhaltig und vernünftig, daraus bezog sie ihre Überzeugungskraft und anhaltende Wirkung. Charakteristisch ist das Verfahren, das Johann Philipp Franz durch sein Bau= Mandat etablierte. Kein architektonisches Schema wurde vorgegeben, Bauherren und Baumeister behielten die Freiheit für eigene Entwürfe, ihre Privatinitiative wurde respektiert, sie blieb Ausgangspunkt und treibende Kraft. Die angestrebte Einheitlichkeit beruhte auf den wenigen genannten Grundsätzen, vor allem aber wurde sie durch das Verfahren hergestellt: Jeder Bauherr mußte einen Plan seines Vorhabens einreichen, der durch die Baukommission begutachtet und dem Fürstbischof zur Entscheidung vorgelegt wurde; danach erfolgte eine Revision des Plans in Absprache mit Bauherrn und Architekt. Kern des Verfahrens war also eine Einzelfallprüfung, die nicht standardisierbar war und daher professionalisiert werden mußte. Der städtebauliche Zusammen107 108

Beispiele bei Mälzer (Bearb.): Neumann, S. 14 f.; Hansmann: Neumann, S. 191. Dazu Mader: Stadt Würzburg, S. 655–666; von Freeden: Neumann, S. 23–33.

5. Resümee

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hang wurde nicht vorgeschrieben, sondern wuchs aus der Umformung von Privatbauvorhaben. Das unterscheidet das Würzburger Verfahren prinzipiell von dem in den neuen Planstädten Mannheim, Karlsruhe, Ludwigsburg einerseits, der ungeregelten Barockisierung in den Reichsstädten andererseits. Auch zeugt es von der Professionalität der Beteiligten: sowohl Balthasar Neumanns in der Kommission wie des entscheidenden Fürstbischofs. Wer ein solches Verfahren etablierte, mußte sich einiges zutrauen. Man mußte Emergenz aushalten können, wenn man sich so mit immer neuen, unverhofften Privatinitiativen konfrontierte. Und man mußte sachverständig sein, um diese disparaten Einzelfälle in ein Ganzes integrieren zu können. Als Versachlichung und Professionalisierung der (Bau-)Politik durch Unterstellung unter die Eigendynamik der gesellschaftlichen Entwicklung ist diese Würzburger Lösung daher zu interpretieren.

5. Resümee: Öffentlicher Raum und die Entstehung der Privatsphäre Unter Johann Philipp Franz von Schönborn beginnt in Würzburg eine obrigkeitliche Baupolitik. Erstmals beschränkt diese Politik sich nicht mehr auf Einzelbauten, sie bemächtigt sich des städtebaulichen Ganzen. Durch den Weiterbau der barocken Stadtbefestigung nimmt sie die Abgrenzung der Stadt nach außen und ihre militärische Sicherung in die Hand. Durch den Bau der Residenz und der Schönborn-Kapelle am Dom überformt sie den Stadtgrundgrundriß, verlängert sie die Magistrale, gibt sie der Stadt einen neuen Angelpunkt. Durch das Bau=Mandat reglementiert sie den städtischen Raum: wie die Straßen geführt und eingefaßt, wie die Straßen- und Platzwände durch Hausfassaden gestaltet werden. Durch zahlreiche Einzelbauten verbessert sie die Infrastruktur und öffentliche Wohlfahrt der Stadt. Mit all diesen Maßnahmen zielt Johann Philipp Franz auf die politische und soziale Ordnung seines Gemeinwesens. Das Bauen ist nicht Selbstzweck, es erscheint als Mittel einer politischen und sozialen Strukturtransformation. Politisch fördert es die Herrschaftsverdichtung des Fürstbischofs, verleiht es ihm als Herrschaftsspitze einen neuen Status. Denn es löst ihn, städtebaulich wie verwaltungstechnisch, aus der Bindung an Domkapitel und Stiftsadel, stellt ihn der Stadt und den mitregierenden Korporationen gegenüber, stuft diese zu intermediären Gewalten herab, während es seine Herrschaft, schon durch ihren umfassenden Anspruch, zur absolutistischen versachlicht. Sozial beraubt es Domkapitel, geistliche Korporationen und Stadtrat alter Kompetenzen, ebnet es ständische Rechtsunterschiede ein, formiert es eine neue, überständische Gesellschaftsordnung, eine « société absolutiste ». Zu verstehen ist diese radikale, ausgreifende Baupolitik als Reaktion zum einen auf die Krise der politischen Vergemeinschaftung, die sich bei der Analyse der Wahlkapitulationen gezeigt hatte. Johann Philipp Franz von Schönborn erfindet

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

sein Gemeinwesen neu: Als säkulare politische Vergemeinschaftung sucht er es neu zu begründen. Zum anderen reagiert er auf Entwicklungen, die aus der Gesellschaft kamen. Der Bevölkerungsanstieg machte das Bauen notwendig, die günstige Konjunktur wirtschaftlich attraktiv. Die Auffächerung der Eliten überforderte die alte ständische Differenzierung, ließ ein Bedürfnis nach einem ständeübergreifenden Leitbild entstehen. Der Wandel des Wohnens ermöglichte eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen; im Innern der Haushalte schuf er die Voraussetzung für funktionale Differenzierung und persönliche Intimität; er signalisiert einen tiefgreifenden Wandel der Lebensweise, der ebenfalls nach den neuen Ausdrucksformen verlangte, die die Baupolitik bot. So unbeliebt Johann Philipp Franz war, so erleichtert zahlreiche Menschen auf seinen Tod reagierten,109 man sollte sich davon nicht täuschen lassen: Wie das Thesenblatt des Freiherrn von Reitzenstein zeigt, hatte seine Baupolitik den Charakter einer hinreißenden, begeisternden Vision. So viel sie den Schänzern und denen, die sie beherbergen mußten, abverlangte, so unbequem sie einzelnen Bauherren, so empfindlich sie dem Stadtrat und dem Domkapitel war, insgesamt fanden viele Menschen sich in ihr wieder, löste sie so viele Probleme, daß sie letztlich alternativlos war. Der Absolutismus des Johann Philipp Franz ist zwar von gesellschaftlichen Entwicklungen nicht ableitbar, aber er beruhte doch weit stärker auf ihnen, als dies bisher gesehen worden ist. Und er hatte Folgen. Auf eine elementare sei hier zuletzt noch hingewiesen. Bei der Analyse des Bau=Mandats hat sich gezeigt, daß die Bestimmungen darin erheblich weitergehen als alle früheren Bauordnungen; daß sie in die Baugestaltung und Rechtsstellung der Bauherren ausgreifen; daß sie eine neue Qualität annehmen. Allerdings reglementieren sie nur, wie jedermann sich „in seinem besonderlich gegen offene Gassen und Strassen intendirendem Bauen führo richten könne 109 Der plötzliche Tod des Fürstbischofs verursachte in Würzburg, wie der Chronist des Klosters Himmelspforten vermerkte (eine jener Korporationen, die durch Johann Philipp Franzens Politik hatten Nachteile hinnehmen müssen), eine „allgemeine erstaunung, aber kaum große traurigkeit, als allein bei einigen hofbedienten“ (zitiert nach Scherf: Johann Philipp Franz, S. 164 mit Anm. 8). Die Wahl seines Nachfolgers Christoph Franz von Hutten hingegen, des Kandidaten der konservativen Fraktion, der zu einer altständischen Politik zurückkehrte, rief „dahier als auch auf dem land eine solche ungemeine freudensbezeignung“ hervor, „daß dergleichen solang Würzburg stehet, nicht gewesen sein wird, gestalten unter jedermann so groß als klein nicht nur das lustige vivat mit vollen stimmen intonieret, sondern auch nebst dem prächtigen ufzug viele illuminationes in der stadt gemachet, so fort die ganze nacht hindurch mit schießen und schreien ein großer jubel verbracht und also noch einige täg noch continuiert worden (zitiert nach ebd., S. 166 f., Anm. 16). Auf solche Zeugnisse beruft sich Hartmut Zückert, um das barocke Bauen pauschal als ruinös für die Gemeinwesen und als Bedrückung für die Untertanen hinzustellen (Zückert: Barockbau-Erfahrungen). Dabei wirft er disparate Bauten durcheinander (Residenzschlösser, Lustschlösser, Klöster), vermischt verschiedene Bedeutungen des Bauens (Behausung, Repräsentation gegenüber den Untertanen, Konkurrenz der Fürsten und Höfe), gewichtet es als Ursache für die Verschuldung der Regierungen viel zu hoch und versäumt den Blick auf die Regelungsnotwendigkeiten in den Gemeinwesen.

5. Resümee

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und möge“: Die Regelungen bleiben auf die Gestaltung der Hausfronten beschränkt. Das heißt, es geht um die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen („gegen offene Gassen und Strassen“) und einem nicht-öffentlichen Raum. Wie letzterer gestaltet wird, wie die Hinterhäuser und Höfe, das Innere der Häuser geformt werden, ist nicht Gegenstand des Mandats; das bleibt jedem Bauherrn selbst überlassen. Öffentlicher und nicht-öffentlicher Raum werden unterschieden. Indem jeder anders behandelt wird, jeder anderem Einfluß unterliegt, treten sie in kategorial geschiedene Sphären auseinander. Die strikte Reglementierung des öffentlichen Raums treibt Residuen aus sich heraus. Den nicht-öffentlichen Raum des Hauses verwandelt sie in Privatraum. Nun ist die Entgegenstellung von öffentlich und privat keineswegs neu. Im römischen Recht genießt das Haus als Raumform des einzelnen Haushalts (derjenigen, die ein Haus halten) besonderen rechtlichen Schutz, im germanischen ist es nicht anders, wahrscheinlich geht die Abgrenzung auf den Beginn der menschlichen Siedlungsgeschichte im Neolithikum zurück.110 Auch dieser Universalismus aber schließt historischen Wandel und qualitative Neuerungen nicht aus. So galt das Private in der Antike, wie der Ausdruck besagt, als der Bereich, den man der Öffentlichkeit ‘vorenthielt’, ‘entzog’. Eigentlich, läßt diese Vorstellung sich explizieren, hatte das Gemeinwesen Anspruch auf den ganzen Menschen, war wie die politische Verpflichtung auch die Öffentlichkeit total; nur aus pragmatischen Gründen gestand man dem einzelnen oikos einen eigenen (Rechts-)Raum zu. Im frühen und hohen Mittelalter hingegen bezeichnete „publicus“ die Rechtssphäre des Königs. „Privat ist hier alles, was unter dem König, in den Territorien unter dem Landesherrn steht.“111 Die Entgegenstellung hat sich völlig verschoben. Auch der Raum zwischen den Häusern, Straßen und Plätze der Stadt fallen in den Bereich des Privaten. Daran zeigt sich, wie sehr diese Sphäre von den Einzelhaushalten gestaltet wurde: Über Nachbarschaften, Stadtviertel, Geschworene bestimmten die Menschen über den gemeinschaftlich genutzten Raum. Das Einzelhaus war eine Freiung und immun, aber der Haushalt verlängerte sich in den Stadtraum, den er mit anderen teilte, war nicht prinzipiell davon geschieden. Das ändert sich durch den Absolutismus. Indem der absolutistische Herrscher die Gestaltung des öffentlichen Raums an sich zieht, indem er Regeln aufstellt, wie der einzelne Bauherr sich in die Gemeinschaft einzufügen hat, indem er sich für die Form der Gemeinschaft zuständig erklärt, spaltet er den sozialen Raum ihrer Mitglieder in einen öffentlichen und einen privaten, sie selbst in Bürger und Privatleute. Nur dadurch kann er seine Befugnisse umfassend machen, daß er sie an einer genau definierten Grenze innehalten läßt, nur dadurch kann er die obrigkeitliche Gewalt verabsolutieren, daß er ihr gegenüber einen Freiraum läßt. Damit erzeugt er den abgeschirmten Binnenbereich des Hauses, in dem wenig später die AufSo auch Schmidtke: Architektur. Brunner: Land, S. 123. Vgl. Hölscher: Öffentlichkeit, S. 11–19; ders.: [Artikel] Öffentlichkeit. 110 111

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C. Ein Handlungsfeld: Die Baupolitik

klärung und damit die neue bürgerliche „Öffentlichkeit“ entstehen wird, zugleich aber auch die moderne Privatsphäre; beide resultieren aus der Polarisierung, die der Absolutismus bewirkt.112

112 „Die Notwendigkeit, einen dauerhaften Frieden herbeizuführen, veranlaßt den Staat [des Absolutismus, J.S.], dem Individuum einen Binnenraum zu konzedieren, der die souveräne Entscheidung so wenig beeinträchtigt, daß er vielmehr unabdingbar wird für sie. Daß der Innenraum politisch indifferent sein muß, ist konstitutiv für den Staat, wenn er seine politische Form wahren will.“ (Koselleck: Kritik, S. 30, auch S. 29). „Der Staat als Antwort auf die sich zersetzende christliche Katholizität war ein formales Ordnungsgefüge, das den Menschen als Menschen bewußt ausklammern mußte, wenn er seine Form wahren wollte. Der Untertan wurde als Mensch privatisiert. Um seine Souveränität zu gewährleisten, ging es dem absolutistischen Staat darum, jenseits von Religion und Politik einen Raum der Indifferenz freizulegen, der den Menschen vor den Schrecken eines Bürgerkriegs sichert und ihn in Ruhe seinen Geschäften nachgehen läßt. Der desintegrierte Mensch als Untertan schließt sich – zunächst in den Spitzen seiner Intelligenz – zur bürgerlichen Gesellschaft zusammen und sucht im apolitischen, areligiösen Bereich seine Heimat zu finden. Er findet diese Heimat in der Moral, dem Produkt der privatisierten Religion im formvollendeten Staat. Ihr Aktionsfeld ist die eine und grenzenlose Welt.“ (ebd., S. 154). Kritik an der These von der Entpolitisierung dieses Binnenraums hat Ursula Becher geübt. Ihre Studien zeigen, daß sich der vom Absolutismus geschaffene Binnenraum schon im frühen 18. Jahrhundert wieder politisierte: „Mit der Entpolitisierung der alten Gesellschaft wird etwas Neues geschaffen: eine neue repolitisierte Gesellschaft, die sich in der Kritik, die Freimaurer und Philanthropen am Staat üben, ankündigt. Dieser Entwicklungsprozeß der Repolitisierung, die sich aus der ursprünglichen Entpolitisierung ergibt und sie geradezu hervorbringt, läßt sich auch an der Entwicklung des Vereinswesens ablesen.“ (Becher: Politische Gesellschaft, S. 26). Ähnlich Gestrich: Absolutismus. Kosellecks grundlegende Einsicht wird damit nicht infragegestellt. Denn die neue Politisierung erfolgte auf der Grundlage und zu den Bedingungen, die der Absolutismus erst geschaffen hatte; sie setzt ihn voraus. In dem Binnenraum, den der Absolutismus (in Würzburg anschaulich durch die Baupolitik) erzeugte, entwickelte sich beides: die Aufklärung, aus der die bürgerliche „Öffentlichkeit“ wurde (jener neue „öffentliche Wille“, der das Handeln im öffentlichen Raum durch persönliche Urteilsbildung des Publikums zu kontrollieren beansprucht), wie die entpolitisierte Privatsphäre der bürgerlichen Familie. Nachhaltig ist Kosellecks These durch Jürgen Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit verbreitet, aber in einen erheblich veränderten Argumentationszusammenhang gerückt worden. Habermas’ Buch hat eine breite Diskussion ausgelöst, auf die hier nicht eingegangen werden kann (zum Themenkomplex insgesamt s. Gall: Gesellschaft, etwa S. 59 f.). Hingewiesen sei jedoch auf die jüngste materiale Studie zu der angesprochenen Dialektik von normiertem öffentlichen Raum und abgeschirmtem Binnenraum. Sie stammt von dem englischen Historiker Timothy Blanning (Blanning: Power). Er bezeichnet jenen Binnenraum nicht als „Öffentlichkeit“, er spricht von „Kultur“. Ausgehend von Habermas, aber diesen in wichtigen Punkten zurechtrückend, zeichnet er für England, Frankreich und das Reich nach, wie die gesteigerten Ansprüche neuzeitlicher Herrschaft diese auf einen öffentlichen Raum beschränkten, dem gegenüber ein anderer Raum entstand: ein Sammelbecken für das Ausgegrenzte, in die höfische Gesellschaft Nicht-Integrierbare; eine Retorte, in der unter äußerem Druck neue („zivile“) Umgangsformen und neue („vernünftige“) Denkformen, neue Formen der Produktion wie des Konsums sich bildeten; Reagenzraum für eine neue Macht („die öffentlichen Meinung“), die nach und nach den öffentlichen Raum zu erobern und zu kontrollieren begann.

Schluß: Wie reformierbar war Stiftsherrschaft im 18. Jahrhundert? Im August 1724 besuchte Johann Philipp Franz von Schönborn den Großmeister des Deutschen Ordens, zugleich Kurfürst von Trier und Koadjutor von Mainz, den Pfalzgrafen Franz Ludwig in Mergentheim.1 Man jagte, man tafelte und zechte, man sondierte, ob der Wittelsbacher bereit sein könnte, zugunsten des Schönborn auf die Mainzer Koadjutorie zu verzichten. In der Nacht bekam Johann Philipp Franz starke Schmerzen. Dennoch reiste er am Morgen des 18. August von Mergentheim ab. Kurz nachdem die Gesellschaft die Stadt verlassen hatte, wurden die Schmerzen so unerträglich, daß der Fürstbischof aus dem Wagen steigen mußte, um sich hinzulegen. Der eilends geholte Leibarzt des Großmeisters vermochte nicht zu helfen. Johann Philipp Franz starb für alle Welt überraschend in seinem einundfünfzigsten Lebensjahr neben einer Landstraße. Nicht einmal fünf volle Jahre hatte er das Fürstbistum Würzburg regiert. So unerwartet kam dieser Tod, so viele Feinde hatte Johann Philipp Franz sich durch seine Regierung gemacht, daß die Familie an einen Giftmord glaubte. Da war das Würzburger Domkapitel, dessen Privilegien Johann Philipp Franz mehrfach verletzt hatte, waren die übrigen geistlichen Korporationen, die unter seiner Baupolitik zu leiden hatten. Da war die Familie des Würzburger Vorgängerbischofs Greiffenclau, die sich von Johann Philipp Franz mit dem Vorwurf konfrontiert sah, sie habe sich Stiftsgut angeeignet.2 Eine Untersuchungskommission hatte belastendes Material zusammengetragen, ein Prozeß vor dem Reichshofrat war angestrengt worden und nur weil Lothar Franz von Schönborn sich vehement ins Mittel legte, um die Familie Schönborn nicht beim gesamten Stiftsadel verhaßt zu machen, hatte man sich 1722 auf einen Vergleich geeinigt. Da waren die Minister und Beamten der Vorgängerregierung. Sie konnten nicht so einflußreiche Fürsprecher mobilisieren, mußten wie etwa Gallus Jakob ihre gesamten Vermögen abtreten, um die Einstellung der drohenden Prozesse zu erreichen. Und da war nicht zuletzt die Stadt Würzburg, die von dem Fürstbischof gerade eine drückende neue Ratsordnung vorgeschrieben bekommen hatte. War nicht wenige Monate zuvor ein verdächtiges Subjekt aufgegriffen worden mit einem Schreiben, das zur Ermordung der Schönborn rief? Die Atmosphäre war vergiftet. Unmittelbar nach dem Tod begann die Reaktion. 1 2

Das Folgende nach Scherf: Johann Philipp Franz, S. 162 f. Dazu Scherf: Johann Philipp Franz, S. 44–47.

20 Süßmann

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Schluß

Das Domkapitel übernahm die Sedisvakanzregierung. Sogleich ließ es alle Schanzarbeiten für die Stadtbefestigung einstellen. Die Arbeiter wurden nach Hause geschickt; auf die Steuer, die für den Kasernenbau erhoben worden war, gewährte man Nachlaß.3 Auch die Bauarbeiten an der Residenz und an der Schönborn-Kapelle kamen zum Erliegen. Sämtliche Hofmusikanten und zahlreiche Hofbediente wurden entlassen, den Privatbesitz des Verstorbenen stellte man unter Sequester. Nachdem sorgfältig ausgesondert worden war, was dem Stift gehörte, wurden alle Bilder, Bücher und Waffen, alle Kunstgegenstände und Sammelobjekte, wurde die gesamte fahrende Habe des prunkliebenden Herrschers versteigert, ohne damit jedoch nur einen kleinen Teil der Schulden bezahlen zu können. Den eingewanderten Künstlern gab man zu verstehen, daß ihre Anwesenheit in Würzburg nicht länger erwünscht sei. Auf ein altes, bescheidenes Maß suchte man die Hofgesellschaft zurechtzustutzen. Auch die neu erlassene Ratsordnung wurde vom Domkapitel umgehend aufgehoben, die vormalige von 1618 mit ihren zahlreichen Sonderrechten wieder in Kraft gesetzt.4 Exponent der Anti-Schönbornschen Reaktion war der Domdekan Christoph Franz von Hutten; ihn wählte das Domkapitel am 2. Oktober 1724 zu Johann Philipp Franzens Nachfolger.5 Christoph Franz setzte fort, was die Sedisvakanzregierung unter seiner Leitung begonnen hatte. Geweihter Priester, der er war, kehrte er zu einer ostentativ frommen, karitativen, altständischen Politik zurück. An den Befestigungen baute er weiter, der Residenzbau stockte, von einer umfassenden Baupolitik konnte keine Rede mehr sein. Fünf Jahre später allerdings, 1729, wechselte das Domkapitel abermals den Kurs. Oder sollte man sagen, nach den mit Hutten gemachten Erfahrungen gewann die Schönborn-Fraktion wieder das Übergewicht? Jedenfalls wählte man Friedrich Karl von Schönborn zum Fürstbischof,6 in dem klaren Bewußtsein, daß er die Baupolitik seines älteren Bruders in vollem Umfang wiederaufnehmen würde. So kam es in der Tat. Was Johann Philipp Franz vorgedacht und eingeleitet hatte, womit er durch Radikalität und Ungestüm, vor allem aber durch seinen jähen Tod gescheitert war, das wurde unter der siebzehnjährigen Regierung seines Bruders konsolidiert. Erst jetzt gewannen die kühnen Entwürfe Gestalt, erst jetzt entwickelten die liegengelassenen Fragmente sich zur Kenntlichkeit. Die Schönborn-Kapelle wurde vollendet, ebenso der Außenbau der Residenz. Die Bau-Kommission nahm ihre Arbeit wieder auf, entfaltete erst jetzt beständige Wirkung. Balthasar Neumann 3 „Es erfolgte bei sotanem interregno eine gewaltige änderung bei hof unter den bedienten. Alle hofmusikanten wurden cassieret, die schanzarbeit und bau an der fortification und residenz eingestellet, die schatzung auf ein simplum reduzieret, die vielen mundköch dimittieret, alle jagden eingestellet, dagegen wurde das kleine und große wild in ziemlicher mänge hier und dort von den domherrn hinweggeschossen.“ (Chronik von Unterzell, zitiert nach Scherf: Johann Philipp Franz, S. 165, Anm. 10; vgl. ebd., S. 164–166.). 4 Schott: Absolutismus, S. 142 f. 5 Ausführlich dazu Christ: Bischofswahl; vgl. Greipl: [Artikel] Hutten, Christoph Franz. 6 Einen Überblick über sein Wirken gibt Greipl: [Artikel] Schönborn, Friedrich Karl.

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gewann seine vormalige Beraterfunktion zurück. Neben der Bauaufsicht über die Stadt Würzburg erhielt er nun die über das gesamte Hochstift übertragen, ferner die über das Fürstbistum Bamberg, wo Friedrich Karl ebenfalls Fürstbischof war. Aus einem Guß, in engster Abstimmung mit dem Fürstbischof vollzog sich das Bauen in Stadt und Land. Noch einmal wuchs seine Bedeutung. Als Friedrich Karl von Schönborn 1746 starb, kam mit Anselm Franz von Ingelheim wieder der Exponent einer Gegenpartei ans Ruder.7 Seine beiden Nachfolger allerdings Karl Friedrich von Greiffenclau (1749–54)8 und Adam Friedrich von Seinsheim (1755–79, ein Schwestersohn der beiden Schönborn-Fürstbischöfe)9 setzten die beschriebene Baupolitik abermals fort. So fest war sie inzwischen verankert, so selbstverständlich geworden, daß künftige Regierungswechsel nichts mehr daran änderten. Trotz zweier Rückschläge wurde sie zu einem prägenden Faktor für die Entwicklung Würzburgs im 18. Jahrhundert. Der Ausblick verdeutlicht ein Strukturproblem der Stiftsherrschaften, das schon zeitgenössischen Beobachtern auffiel.10 Der Konkurrenzdruck der Adelsfamilien im Domkapitel ließ Fraktionen entstehen, deren Auseinandersetzung sich inhaltlich auflud. Wenn der Fürstbischof wechselte, wurden nicht nur Hofchargen, Minister und höhere Amtsträger ausgetauscht, die neue Regierung änderte oft (zumindest in der Landespolitik, wo dies am leichtesten war) auch den politischen Kurs. Häufig nahm sie Neuerungen des Vorgängers gezielt zurück – eine Auslöschung, die umso besser gelang, je kürzer der verstorbene Fürstbischof am Ruder gewesen war. Unter normalen Umständen hätte die Baupolitik des Johann Philipp Franz von Schönborn sang- und klanglos untergehen müssen. Unter normalen Umständen: soll heißen der Strukturlogik der Stiftsherrschaften entsprechend, hätten solch radikale, aus dem Innern kommende, statt von außen erzwungene Veränderungen keine Chance gehabt. Der ungewöhnliche Fall mußte eintreten, daß derselbe Familienhabitus, der Johann Philipp Franz zu seinen Neuerungen getrieben hatte, wenige Jahre später einen weiteren Schönborn, noch später einen Neffen der beiden an die Regierung brachte: Männer, die das Programm trotz seiner Kühnheit verstanden, es trotz aller Widerstände aufgriffen, es mit Geschick in den genialen Wurf verwandelten, der es zuvor nur im Ent-Wurf gewesen war. Insofern wird dieser Versuch, das Hochstift Würzburg säkular neu zu begründen, es auf absolutistische Weise politisch zu vergemeinschaften, es in einen Staat zu verwandeln, nur mit Greipl: [Artikel] Ingelheim, Anselm Franz. Greipl: [Artikel] Greiffenclau zu Vollraths, Karl Philipp. 9 Greipl: [Artikel] Seinsheim, Adam Friedrich. 10 Etwa der jüngere Moser. Er bemerkt, in den Fürstbistümern könne kein Gemeingeist und keine „National=Denkungsart“ aufkommen, weil es aufgrund des Wahlprinzips nur wenig Kontinuität der Regierungen gebe, alle Reformansätze von der Lebensdauer des Regenten abhingen und viele Vorhaben durch die häufigen Regierungswechsel abgebrochen würden (F. K. v. Moser: Regierung, S. 72). 7 8

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Einschränkungen als Indiz für die Reformierbarkeit der Stiftsherrschaften gewertet werden können. Er war – wie der Familienhabitus der Schönborn im Vergleich mit dem alteingesessenen Stiftsadel – ein Sonderfall, eine Ausnahme. In der aktuellen Forschung wird die Lebensfähigkeit der Stiftsherrschaften ausschließlich für das ausgehende 18. Jahrhundert diskutiert. Der Blick ist auf ihr Ende gerichtet: Ob es gewaltsam von außen erzwungen wurde oder sich konsequent aus inneren Entwicklungen ergab, ob es Zufall war oder Notwendigkeit, willkürlich oder sinnvoll, das ist der (mehr oder weniger offen ausgesprochene) Kern des Streits. Wie das Alte Reich insgesamt meint man mit den Stiftsherrschaften eine seiner bezeichnendsten Merkwürdigkeiten gegen das Verdikt der liberalen (überwiegend protestantischen) Geschichtsdeutung in Schutz nehmen zu müssen. Indem man ihren Zustand am Ende des 18. Jahrhunderts als Blüte beschreibt: die spätaufklärerischen Fürstbischöfe als fortschrittlich, die Verwaltung als auf der Höhe der Zeit, die Untertanen als prosperierend, Bildung und Kultur als Höchstleistungen, läßt man die Säkularisation als eine Art Panne erscheinen, als historischen Irrtum. Je nach Temperament empört und anklagend oder wehmütig und elegisch steht man davor. Als revisionistisch wird man den Großteil der Forschung im Gedenkjahr der Säkularisation bezeichnen dürfen.11 Über diesen Diskussionsstand sucht die vorgelegte Arbeit hinauszugelangen. Erstens weitet sie die Perspektive, verschiebt sie den Blick vom Ende des 18. Jahrhunderts zu dessen Beginn. Dadurch wird sichtbar, daß die Stiftsherrschaften bereits um 1700 in eine schwere Krise geraten waren. Die Eingriffe von Papst und Kaiser durch Innocentiana und Leopoldina rufen in Erinnerung, wie abhängig Stiftsherrschaft von den übergeordneten Gewalten war, wie prekär ihre politische Ordnung. Nicht erst in der Spätaufklärung stand ihre Daseinsberechtigung zur Debatte, nicht erst Friedrich II. hatte ihre Säkularisation erwogen. Immer wieder hatte es zuvor schon Versuche gegeben, in sie einzugreifen, sie (etwa als Sekundogenituren) in dynastische Herrschaftssysteme einzugliedern, sie (etwa für den Kaiser) zu funktionalisieren – Versuche, die wenn nicht rechtlich und ideologisch, so doch faktisch ihre politische Selbständigkeit zu beseitigen drohten. Die vorgelegte Studie kann als Beispiel gelten, wie ein Fürstbistum auf diese Existenzbedrohung reagierte. Man wird feststellen müssen, daß es sich ihr gegenüber behauptet hat. Auf den Eingriff in die Wahlkapitulationen, den Zerfall der politischen Vergemeinschaftung durch Eide reagierte Johann Philipp Franz von Schönborn, indem er den Umbau 11 Dies gilt für viele Beiträge zu einer Tagung, die Kurt Andermann veranstaltet hat (Andermann (Hg.): Staaten). Nur Heinz Duchhardt versieht das behauptete Modernisierungspotential mit einem Fragezeichen (Duchhardt: Staaten, S. 64), Uwe Zuber beurteilt es ebenfalls skeptisch, räumt aber ein, daß die weltlichen Herrschaften vergleichbarer Größe bei der Staatsbildung auch nicht weiter vorangekommen waren (Zuber: Aspekte). Regelrecht verklärend war das Konzept diverser Ausstellungen, die anläßlich des zweihundertsten Jahrestages der Säkularisation gezeigt wurden, s. etwa Himmelein / Rudolf (Hg.): Klöster.

Schluß

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zur Landesherrschaft forcierte, das Gemeinwesen auf eine neue politische Grundlage zu stellen versuchte. Auch wenn er damit nicht selbst durchdrang, wenn es seines zweiten, vierten und fünften Nachfolgers bedurfte, um den Ansatz in entschärfter Form durchzusetzen, im Ergebnis ist das Unwahrscheinliche doch geschehen: Die Stiftsherrschaft Würzburg setzte sich über ihre Strukturlogik wechselnder Regierungen und immer wieder zurückgenommener Reformansätze hinweg, sie wuchs gewissermaßen über sich hinaus, sie blieb, was die Herrschaftsentwicklung anging, auf der Höhe der Zeit. Das bezeugt zumindest bei den politisch Verantwortlichen ein beträchtliches Maß an Selbstbehauptungswillen und Vitalität. Auch das Domkapitel und die darin vertretenen Adelsfamilien haben die Reform im letzten nicht blockiert. Natürlich wehrten sie sich dagegen, daß ihre Privilegien eingeschränkt, ihre Mitregierung reduziert wurde. Natürlich opponierten sie dagegen, daß der Fürstbischof über die Baupolitik seine Herrschaft verdichtete, sich aus der Gemeinschaft mit dem Domkapitel zu lösen und ihr absolutistisch gegenüberzutreten trachtete. Indem sie bei den Bischofswahlen wiederholt die Opposition ans Ruder brachten, konnten sie die Reform verzögern, indem sie sich auf die Dauer selbst daran beteiligten, konnten sie die Baupolitik so weit entschärfen, daß sie mit der bestehenden politischen Ordnung verträglich wurde. Eine fundamentalistische Verweigerungspolitik betrieb der Stiftsadel also nicht. Im Gegenteil: Mochten die Schönborn bei den alteingesessenen Familien für neureich und hochmütig gelten, mochten sie als weiße Raben und ein wenig verrückt angesehen werden, zuletzt ließ man sie doch wieder an die Regierung, nicht nur, weil sie am meisten dafür bezahlten oder vom Kaiser favorisiert wurden. Auch das Domkapitel fühlte sich für das Gemeinwesen verantwortlich, auch der Würzburger Stiftsadel erkannte, wenn eine Politik vernünftig und sachhaltig war. Sie dann zuzulassen, dabei aber mit der eigenen Mitregierung verträglich zu machen, war offenbar das Prinzip. Mindestens in dem hier untersuchten Beispiel ist das gelungen. Zweitens bringt die vorgelegte Untersuchung an den Tag, daß der Stand, den die Staatsbildung in den Stiftsherrschaften erreichte, noch von weiteren Indikatoren ablesbar ist, als in der gegenwärtigen Diskussion meist angeführt werden. Nicht nur Aufbau und Funktion der hochstiftischen Regierungsinstanzen geben darüber Auskunft, nicht nur Gliederung und Zuständigkeit der mittleren Verwaltungsgremien und lokalen Ämter, nicht nur das Verhältnis von Behörden, Justiz und kirchlicher Verwaltung, nicht nur die Rolle etwa vorhandener Landstände, nicht nur die Politik, die im Hinblick auf Religion und Kirche, Policey und Armenwesen, Schulen und Universitäten betrieben wurde. Wichtig sind diese Aspekte gewiß. Doch unterlag ihre Entwicklung Hemmnissen, die sich aus den Struktureigenschaften der Stiftsherrschaften ergaben (vor allem aus der geteilten Regierungsgewalt) und dadurch hier eher größer waren als anderswo. Auch wenn die Fürstbistümer nach den Ergebnissen der neueren Forschung in den genannten Hinsichten nicht rückständiger waren als weltliche Herrschaften vergleichbarer Größe, hervor stachen sie durch ihre Behördenorganisation und die Politik in den genannten Bereichen auch nicht gerade.

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Worin sie aber hervorragten, worin zumindest das Fürstbistum Würzburg sich für die Zeitgenossen wie für die Nachwelt auszeichnete, worin es auch weltliche Mächte, für einen Beobachter wie David Hume selbst die führende Kulturmacht Frankreich übertraf, war das Bauen. Sobald man dieses nicht nur als fürstbischöfliche Repräsentation ansieht, nicht nur als gleißnerische Prachtentfaltung, wird klar, daß es, verstanden als umfassende Baupolitik, dem Gemeinwesen eine neue Gestalt verlieh. In dieser Gestalt war die kleine Stiftsherrschaft Würzburg weiter als andere Gemeinwesen, in dieser Gestalt gewann sie eine Vorreiterrolle, in dieser Gestalt nahm sie Entwicklungen vorweg, die auf der Ebene von Regierungsorganisation und Verwaltung noch lange nicht erreicht wurden. Daraus ergibt sich eine Anschlußfrage für weitere Untersuchungen, auch eine Perspektive, die über das Starren auf die Säkularisation hinausweist. Was die Würzburger Baupolitik erzeugte, was in ihr aufscheint, ist jene neue Polarität von normiertem öffentlichen Raum und abgeschirmten Binnenräumen, die nach der bisherigen Forschung zum Movens für die Entstehung bürgerlicher Öffentlichkeit und Gesellschaft geworden ist. Zu prüfen wäre daher, ob und wie diese Polarisierung sich gerade in Würzburg auf die Dauer ausgewirkt hat. Wenn die Baupolitik tatsächlich die rekonstruierte sozialstrukturelle Bedeutung hatte, müßte sich das an dem zeigen lassen, was in den neu geteilten, neu strukturierten Räumen geschah. Änderten sich in Würzburg die Formen der Geselligkeit und des öffentlichen Lebens in besonderer Weise? Entstanden hier zahlreichere und bedeutendere Instanzen der bürgerlichen Öffentlichkeit wie Vereine, Lesegesellschaften, Zeitungen, Verlage? Entwickelte Würzburg sich im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu einem Zentrum der öffentlichen Meinung? Trug, so wäre zu fragen, die neue Form von politischer Vergemeinschaftung durch die Baupolitik eventuell sogar über das Ende der Stiftsherrschaft hinaus? Das führt zum dritten Ergebnis, das diese Untersuchung zu der Diskussion um die Lebensfähigkeit der Stiftsherrschaften beitragen kann. Von Anfang an wurde hier darauf hingewiesen, daß diese politischen Gebilde nicht aus eigener Kraft existierten. Weder sind sie von sich aus entstanden, noch vermochten sie sich allein zu behaupten. Stets beruhte ihr Dasein auf übergeordneten Gewalten: zunächst der Kirche, dann dem Reich. Von ihnen stammten der Besitz und die Herrschaftsrechte, von ihnen die Rationalität der Organisation und Verwaltung, von ihnen die Legitimität: die ideologische, rechtliche und politische Bewahrung. Nur im Schutz und Schirm dieser Gewalten konnten die Stiftsherrschaften bestehen, d. h. nur solange es diese Gewalten gab und die Stiftsherrschaften für sie von Bedeutung waren. Das Reich ist nicht untergegangen, weil die Stiftsherrschaften säkularisiert wurden. Es war umgekehrt: Die Stiftsherrschaften gingen unter, weil das Reich zerfiel, dem sie ihr Dasein verdankten. Niemand war zuletzt bereit, für das Reich auch nur die Hand zu heben: der Kaiser nicht und die Reichsstände auch nicht. Niemand setzte sich nach den verlorenen Koalitionskriegen zur Wehr, als Frankreich, die ehemalige Garantiemacht des Westfälischen Friedens, begann, ihr Umfeld politisch neu zu ordnen. Der Stiftsadel ließ sich auszahlen, die Fürstbischöfe gingen in

Schluß

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Pension, an ihnen testete man, wie bei der weitergehenden Flurbereinigung mit den kleineren weltlichen Herrschaften zu verfahren sei. Die Hegemonialmacht Frankreich und ein paar Mittelmächte, die endlich die Stunde der Souveränität gekommen sahen, teilten das Reich als Beute, Österreich und Preußen wurden mit besonderen Happen abgefunden und hielten still. Nicht weil sie rückständig gewesen wären oder sklerotisiert, wurden die Stiftsherrschaften also aufgehoben, sondern weil sie keine selbständigen Mächte waren. Daran haben alle Reformen, alle Ansätze zu Landesausbau und Staatsbildung nichts zu ändern vermocht, auch nicht die hier thematisierte Baupolitik. Das ist die harte, machtpolitische Grenze, die den Formen der politischen Vergemeinschaftung hier gesetzt war. Zum Staat ist das Fürstbistum Würzburg nicht geworden (so wenig wie die Mainzer Republik oder das Großherzogtum Frankfurt), dennoch haben die Anläufe dazu etwas Bleibendes geschaffen.

Abbildungsnachweis Abb. 1:

Ältestes Siegel der Stadt Würzburg, 1195 (S. 38). In: Bünz: Siegel, S. 251.

Abb. 2:

Jüngeres Siegel der Stadt Würzburg, nachweisbar seit 1237 (S. 40). In: Bünz: Siegel, S. 253.

Abb. 3:

Wappenkalender des Würzburger Domkapitels, seit 1701 (S. 66). In: Brod / Mälzer: Würzburg, S. 32.

Abb. 4:

Wappenkalender des Würzburger Domkapitels, seit 1701 – Ausschnitt (S. 67). In: Feurer / Maidt: Gesamtansichten, S. 89.

Abb. 5:

Gaibach, Pfarrkirche – Blick auf den Hochaltar (S. 147). In: Schneider: Kirchen, S. 16.

Abb. 6:

Gaibach, Pfarrkirche – Hochaltarblatt v. Franz Lippold (S. 148). Ansichtskarte der Firma „Kunstschätzeverlag“, nach einem Photo v. „Foto Zwicker-Berberich“, Gerchsheim.

Abb. 7:

Das Haus Schönborn (S. 183). In: Bott (Hg.): Grafen von Schönborn, nach S. 600.

Abb. 8:

Balthasar Neumann, Stadtplan von Würzburg, 1715. Kopie v. Joseph Fischer, 1775 (S. 266). In: Feurer / Maidt: Gesamtansichten, S. 27.

Abb. 9:

Balthasar Neumann, Thesenblatt des Freiherrn v. Reitzenstein, 1723 (S. 270). In: Feurer / Maidt: Gesamtansichten, S. 99.

Abb. 10: Balthasar Neumann, Stadtansicht von Würzburg, 1723 – Ausschnitt aus dem Reitzensteinschen Thesenblatt im Nachdruck durch Johann B. Homann, Nürnberg 1723 (Detail) (S. 276). In: Wagner (Hg.): Geschichte, Bd. 2, hinteres Vorsatzblatt. Abb. 11: Lage des Schlößchens am Rennweg (S. 282). In: Hubala /Mayer: Residenz, S. 12. Abb. 12: J. A. Timler, Stadtplan von Würzburg um 1750 (Detail) (S. 284). In: Hubala / Mayer: Residenz, S. 57.

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Quellen und Literatur

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Quellen

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Quellen

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Literatur

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Quellen und Literatur

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Literatur

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Dinges, Martin: Residenzstadt als Sozialdisziplinierung? Zur Rekonstruktion eines kulturgeschichtlichen Forschungsstandes. In: Disziplinierung im Alltag des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Internationaler Kongreß Krems an der Donau, 8. bis 11. Oktober 1996. Vorgelegt v. M. Herwig Wolfram. Hrsg. v. Gerhard Jaritz (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte. 669; Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit. 17). Wien 1999, S. 57–74. Dinges, Martin: Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozeß der „Sozialdisziplinierung“. In: Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Gerhard Jaritz (= Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. 2). Wien 1997, S. 39–53. Dolinar, France M.: [Artikel] Stadion, Franz Caspar (seit 1686 Reichsfreiherr) von (um 1644–1704). In: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648 bis 1803. Hrsg. v. Erwin Gatz unter Mitwirkung v. Stephan M. Janker, S. 480 f. Domarus, Max: Hanns Fischer y. geb. Schönbrunn 17. 9. 1889, gest. Wiesentheid 5. 1. 1978. In: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 31 / 4 (1978), S. 578. Domarus, Max: Würzburger Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn. Gerolzhofen 1951. Domarus, Max: Marquard Wilhelm Graf von Schönborn. Dompropst zu Bamberg und Eichstätt 1683–1770. Eichstätt 1961. Domarus, Max: Rudolf Franz Erwein von Schönborn 1677–1754. Graf und Herr zu Wiesentheid. Mensch – Künstler – Staatsmann. Wiesentheid 1954. Domarus, Max: Das Aschaffenburger Vizedomamt unter den Grafen von Schönborn (1672– 1772). In: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 4 / 2 (1957) (= „1000 Jahre Stift und Stadt Aschaffenburg“. Festschrift zum Aschaffenburger Jubiläumsjahr 1957, Bd. 2), S. 737–768. Domarus, Max: Wappen und Linien des Hauses Schönborn. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 12 (1960), S. 128–143. Dotterweich, Helmut: Der junge Maximilian. Biographie eines bayerischen Prinzen. Jugend und Erziehung des bayerischen Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian I. von 1573 bis 1593. 2. Aufl. München 1980. Dotzauer, Winfried: Die deutschen Reichskreise in der Verfassung des Alten Reiches und ihr Eigenleben (1500–1806). Darmstadt 1989. Dresler, Adolf: Zur Bibliographie der Wappenkalender. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe 23 (1967), Nr. 17, S. 363 f. Nachtrag ebd., Nr. 53, S. 1468 f. Droste, Heiko: Patronage in der Frühen Neuzeit. Institution und Kulturform. In: Zeitschrift für historische Forschung 30 (2003), S. 555–590. Duby, Georges: Les chanoines réguliers et la vie économique du XIe et XIIe s. In: La vita commune del clero nei secoli XI e XII. Atti della Settimana di studio, Mendola, settembre 1959 (= Pubblicazione dell’Università Cattolica del S. Cuore. Seria terza: Scienze storiche. 2 = Miscellananea del Centro di studi medievali. 3), Bd. 1. Mailand 1962, S. 72–89.

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Quellen und Literatur

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Literatur

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Literatur

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Literatur

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Quellen und Literatur

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Literatur

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Literatur

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Schraut, Sylvia: Die Bischofswahl im Alten Reich seit Mitte des 17. Jahrhunderts. Symbolische Formen einer Wahl mit verabredetem Ausgang. In: Vormoderne politische Verfahren. Hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, S. 119–137. Schraut, Sylvia: Das Haus Schönborn. Eine Familienbiographie. Katholischer Reichsadel 1640–1840. Paderborn / München / Wien / Zürich 2004. Schraut, Sylvia: „Die Ehen werden in dem Himmel gemacht“. Ehe- und Liebeskonzepte der katholischen Reichsritterschaft im 17. und 18. Jahrhundert. In: Tugend, Vernunft und Gefühl. Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten. Hrsg. v. Claudia Opitz, Ulrike Weckel und Elke Kleinau. Münster / New York / München / Berlin 2000, S. 15–31. Schraut, Sylvia / Pieri, Gabriele: Katholische Schulbildung in der Frühen Neuzeit. Vom „guten Christenmenschen“ zu „tüchtigen Jungen“ und „braven Mädchen“. Darstellung und Quellen. Paderborn / München / Wien / Zürich 2004. Schreiner, Klaus: Wahl, Amtsantritt und Amtsenthebung von Bischöfen. Rituelle Handlungsmuster, rechtlich normierte Verfahren, traditionsgestützte Gewohnheiten. In: Vormoderne politische Verfahren. Hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, S. 73–117. Schröcker, Alfred: Besitz und Politik des Hauses Schönborn vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. In: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 26 (1973), S. 212–234. Schröcker, Alfred: Die Heiratspolitik des Lothar Franz von Schönborn (1655–1729). In: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 71 (1976), S. 197–204. Schröcker, Alfred: Die jungen Jahre des Lothar Franz von Schönborn (1655–1693). In: Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg 112 (1976), S. 249–277. Schröcker, Alfred: Der Nepotismus des Lothar Franz von Schönborn (1655–1729). In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 43 (1980), S. 95–157. Schröcker, Alfred: Die Patronage des Lothar Franz von Schönborn (1655–1729). Sozialgeschichtliche Studie zum Beziehungsnetz in der Germania sacra (= Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit. 10). Wiesbaden 1981. Schröcker, Alfred: Der Personalunionsplan des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn und seine Verwirklichung. In: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 73 / 74 (1978 / 79), S. 141–145. Schröcker, Alfred: Zur Religionspolitik Kurfürst Lothar Franz’ von Schönborn. Ein Beitrag zum Verhältnis zwischen Adel und Kirche. In: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde N. F. 36 (1978), S. 189–299. Schröcker, Alfred: Die Sicherung des Schönbornschen Hausbesitzes zur Zeit des Fürstbischofs Lothar Franz. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 29 (1977), S. 92–103. Schröcker, Alfred: Ein Schönborn im Reich. Studien zur Reichspolitik des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn (1655–1729) (= Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit. 8). Wiesbaden 1978.

352

Quellen und Literatur

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Literatur

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Quellen und Literatur

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Literatur

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Literatur

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Register 1. Personenregister Die Namen erscheinen in der heute bekannten und gebräuchlichen Form, auch wenn diese von der im Text auftauchenden abweicht. Römer sind nicht unter ihrem Gentilnamen aufgeführt, sondern unter ihrem heute bekannten Beinamen. Fürstbischöfe sind unter dem Namen ihrer Herkunftsfamilien aufgeführt, nicht unter ihren Vornamen, Engländer unter ihrem Herrschaftstitel, nicht unter ihrem Familiennamen. Abert, Friedrich Philipp 160 Abert, Josef Friedrich 137, 160–167, 240 Alexander VI. 75 Andermann, Kurt 308 Andreas, Apostel 65 Ariès, Philippe 176 Aristoteles von Stageira 173, 237 Arundel, Thomas Howard Earl of 231 Aschhausen, Johann Gottfried (I.) von 292 Asserate, Asfa-Wossen 254 Augustinus von Hippo 42 Augustus, Gaius Octavius 273 Aventinus, Johannes 34 Barthel, Johann Casper 32 Bayer, Georg 68 Becher, Ursula 304 Becker, Hans-Jürgen 135, 138 Bessel, Gottfried 248 Bibra, Lorenz von 108, 290, 292 Bibra, Philipp Anton Freiherr von 95 Blainville, Monsieur de 197 Blanning, Timothy 304 Boffrand, Germain 267 Boineburg, Johann Christian von 191, 199, 200, 228, 232, 245 Boineburg, Maria Sophia von s. u. Schönborn Boineburg, Philipp Wilhelm von 245 Boll, Walter 167 Bonifatius, Winfried 26 Bonifaz IX. 75

Borghese (Familie) 164 Borromäus, Karl 142, 146 Bosl, Karl 21 Bossi, Antonio 146 Bourdieu, Pierre 172–174 Brandmüller, Walter 147 Brandt, Johann Caspar 68 Brunacius, Pater Dominicus 253 Brunner, Otto 20–22, 31, 32, 215 Bruno, Bischof von Würzburg 65 Buchheim (Familie) 206 Buchheim, Franz Anton von 205 Buder, Christian Gottlieb 32, 127 Burkard, Bischof von Würzburg 65 Calixtus II. 32 Campen, Jacob van 283 Cassiodor, eigentlich Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator 274 Chateaubriand, François-René de 20 Christ, Günter 49, 95, 123, 124 Chrodegang von Metz 41, 42, 47 Chroust, Anton 166 Cicero, Marcus Tullius 192, 237 Clemens XII. 59 Conring, Hermann 247 Cotte, Robert de 267 Crowne, William 231 Dalberg (Familie) 194 Dalberg, Friedrich Dietrich von 194 Dalberg, Karl Theodor von 243

1. Personenregister Dalberg, Wolfgang von 194 David, Biblischer König 150 Dehio, Georg 158, 167, 260 Dernbach, Charlotte von s. u. Schönborn Dernbach, Johann Otto von 203 Deuerlein, Franz Joachim 68 Dientzenhofer, Johann 267 Dientzenhofer, Leonhard 230 Dieterich, Balthasar 131, 137 Dietrichstein (Familie) 204 Dilcher, Gerhard 21, 22 Domarus, Max 161, 162 Donner von Lorch (Familie) 189 Donner von Lorch, Agatha 189 Dotterweich, Helmut 234 Dresanus, Johann Georg von 62, 63, 127 Droysen, Johann Gustav 23 Duchhardt, Heinz 288, 308 Durkheim, Emile 17 Eike von Repgow 29 Elias, Norbert 19, 295 Elisabeth von Thüringen 223 Eltz, Maria von s. u. Greiffenclau Erthal, Philipp Christoph von 283 Faust von Stromberg, Anna Maria Eva 201 Feine, Hans Erich 94 Ferdinand III., Römischer Kaiser 254, 259 Ficker, Julius 27, 30 Fischer, Hanns 161, 162, 165 Florinus, Franz Philipp 250 Frank, Peter Anton 127 Franz I., Römischer Kaiser 157 Franz von Assisi 225 Franz von Sales 223 Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg 305 Freeden, Max H. von 166, 167, 280, 294 Freud, Sigmund 177 Friedrich, Bischof von Utrecht 146 Friedrich II., König in Preußen 53 Friedrich, Verena 267 Friedrich August I. von Sachsen 261, 262 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 259, 262 Fries, Lorenz 60 Fryde, Natalie 58 Funk, Casimir 164

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Gallus, Jakob 282, 283, 305 Gensicke, Hellmuth 184, 189 Georg I., König von England 262 Gesau, Herr von 143 Goethe, Johann Wolfgang von 21 Gotthard, Axel 255 Gramont, Antoine de 186, 190 Gregor IX. 75 Greiffenclau (Familie) 169, 193, 221–223 Greiffenclau, Clara Elisabeth von 222 Greiffenclau, Eva von 222 Greiffenclau, Friedrich von 193, 224 Greiffenclau, Georg Friedrich von 193, 223, 305 Greiffenclau, Georg Philipp von 222, 223 Greiffenclau, Heinrich von 193 Greiffenclau, Johann Philipp von 193, 281 Greiffenclau, Karl Friedrich von 307 Greiffenclau, Maria von, geb. Eltz 221 Greiffenclau, Maria Ursula von s. u. Schönborn Greising, Joseph 296 Gropp, Ignaz 129, 133, 157 Grotius, Hugo 247 Gustav Adolph, König von Schweden 36, 264 Gustav Samuel Leopold von Pfalz-Zweibrücken 262 Guttenberg, Johann Gottfried (II.) von 90, 91, 95, 98, 292, 293 Guttenberg, Johann Philipp von 126, 286 Habermas, Jürgen 304 Habsburg (Familie) 33, 34, 59, 86, 169, 197, 205, 207, 257, 258 Haltaus, Christian Gottlob 117 Hamann, Matthias 293 Hanau, Grafen 232 Hantsch, Hugo 161, 166 Hattstein, Damian Hartard von 184, 189 Hatzfeld und Gleichen (Familie) 194, 203, 224 Hatzfeld und Gleichen, Franz von (1596– 1642) 194, 223 Hatzfeld und Gleichen, Franz von (1682– 1685) 194 Hatzfeld und Gleichen, Heinrich Graf von 194, 224

360

Register

Hatzfeld und Gleichen, Katharina Elisabeth von s. u. Schönborn Hatzfeld und Gleichen, Melchior von 223, 224 Heinrich II., Römischer Kaiser 26, 27 Heinrich V., Römischer Kaiser 32 Heitsch, Gabriele 146 Henner, Theodor 61, 160 Henricus de Segusio 50 Heppenheim, gen. Saal (Familie) 219 Hersche, Peter 45, 82 Hieronymus, Sophronius Eusebius 51 Hildebrandt, Johann Lukas 205, 267 Hintze, Otto 45 Hofmann, Hanns Hubert 32, 85, 112, 123, 124, 139 Hohenlohe (Familie) 194 Hohenlohe-Waldenburg (Familie) 194 Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Ludwig Gustav von 194 Holenstein, André 110 Holtzheimer, Johann Peter 292 Homer 21 Hontheim, Johann Nikolaus von 157 Horneck, Nikolaus 250 Hotz, Joachim 267 Hubala, Erich 267, 280, 283 Humbert, Heinrich 240, 249, 252 Humbracht, Johann Maximilian von 185, 189 Hume, David 12, 243, 310 Hutten, Christoph Franz von 302, 306 Hutten, Ulrich von 81 Ickstatt, Johann Adam Freiherr von 62, 126, 127 Ignatius von Loyola 238 Imhoff, Jakob Wilhelm 68 Ingelheim, Anselm Franz von 307 Ingelheim, Hans Georg von 232 Innozenz III. 75 Innozenz VI. 87 Innozenz VIII. 75 Innozenz XII. 90, 91, 96 Jaxtheim, Philippine Margarethe von s. u. Schönborn-Freienfels

Jesus von Nazareth 70, 91, 92, 105, 149, 239 Joannis, Georg Christian 157 Johannes von Brun 105, 109 Johannes Chrysostomos 216 Joseph I., Römischer Kaiser 206, 258 Jürgensmeier, Friedhelm 184–186 Julius II. 75 Kant, Immanuel 170 Karl Albrecht von Bayern 62 Karl der Große, Römischer Kaiser 27, 60 Karl V., Römischer Kaiser 34, 87 Karl VI., Römischer Kaiser 259 Karl VII., Römischer Kaiser 62, 259 Karl III. Philipp von der Pfalz 262 Karn, Georg Peter 155 Karolinger (Familie) 17, 36, 50, 51, 60 Katzenelnbogen (Familie) 169, 184 Kilian, Heiliger 65, 107, 108, 133 Kisky, Wilhelm 77 Kleiner, Salomon 145 Kleinheyer, Gerd 88 Kolonat, Heiliger 65, 133 Konstantin I., Römischer Kaiser 27 Koselleck, Reinhart 304 Köth von Wanscheid, Liebmuth 189 Kothe, Wilhelm 77 Kreisel, Heinrich 152, 153 Kummer, Stefan 267, 293 Leibniz, Gottfried Wilhelm 199, 245, 256 Leo X. 75 Leopold I., Römischer Kaiser 90, 95, 169, 257, 258, 259, 262 Leyen (Familie) 185, 189, 190, 201, 219 Leyen, Damian Hartard von der 201, 227 Leyen, Johann (Hans) Wolf von der 187, 189, 221 Leyen, Karl von der 227 Leyen, Karl Kaspar von der 201 Leyen, Maria von s. u. Schmidburg Leyen, Maria Barbara von der s. u. Schönborn Leyen, Maria Sophia von der s. u. Schönborn Leyen, Marsilius Gottfried von der 185

1. Personenregister Leyen, Philipp Erwein von der 185, 219, 220 Leyen, Ursula Philippina von der 189 Leyser, Karl 135 Liechtenberger, Hans 35 Liechtenstein (Familie) 204 Limburg-Stirum (Familie) 202 Limburg-Stirum, Anna Elisabeth von s. u. Schönborn Limburg-Stirum, Damian August Philipp Karl von 202 Limburg-Stirum, Otto Ernst Leopold von 202 Lippold, Franz 147 Lottes, Günther 88 Ludwig der Fromme, Römischer Kaiser 47 Ludwig XIV., König von Frankreich 207, 246, 257, 258 Lünenschloß, Anton Clemens 153 Lünig, Johann Christian 91 Luther, Martin 48 Luxemburg (Familie) 33 Lynar, Grafen zu 143 Lynar, Rochus Friedrich Graf zu 214 Maier, Markus 293 Malinowski, Stephan 174 Mannheim, Karl 172 Marchal, Guy P. 41 Maria, Mutter Jesu 108 Mauchenheim, Hans Georg von, gen. von Bechtolsheim 221 Maximilian I., Römischer Kaiser 35 Mayer, Otto 267, 280, 283 Mazarin, Jules 246, 254, 258 Medici (Familie) 156 Merowinger (Familie) 41 Mespelbrunn, Julius Echter von 18, 142, 144, 281, 292, 293 Metternich (Familie) 169, 194 Metternich-Burscheid (Familie) 194 Metternich-Burscheid, Lothar Friedrich von 194, 224, 227 Metternich-Burscheid, Wolfgang Theodor von 194 Metternich-Burscheid, Wolf Heinrich von 225 Michel, Wilhelm 161

361

Milandon (Familie) 204 Mitterauer, Michael 215–217 Mohr, Nikolaus 221 Montague, Mary Wortley Lady 205 Montfort (Familie) 204 Montfort, Maria Theresia von s. u. Schönborn Moraw, Peter 30, 45 Moser, Friedrich Karl 54, 72, 140–142, 307 Moser, Johann Jakob 63, 74, 95, 141, 142, 247, 248 Napoleon I., Kaiser der Franzosen 35 Nassau (Familie) 169, 184 Neubert, Michaela 267 Neumann, Balthasar 145, 230, 264–269, 274–276, 283, 286–288, 293, 294, 298– 301, 306 Newton, Isaak 126 Nikolaus III. 92 Ninewells, John Home of 12, 243 Nostitz-Rieneck, Franz Wenzel Graf von 204 Nostitz-Rieneck, Katharina Elisabeth von s. u. Schönborn Novalis, eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg 20 Oberthür, Franz 86 Oestreich, Gerhard 19, 89, 288, 295 Oettingen-Baldern (Familie) 204 Oevermann, Ulrich 44, 170, 176–179, 290 Oexle, Otto Gerhard 21 Opitz, Martin 234 Orsbeck, Johann Hugo von 227 Ostein (Familie) 201 Ostein, Anna Charlotta Maria von s. u. Schönborn Ostein, Franz Gottfried Johann Friedrich Karl von 202 Ostein, Johann Franz Sebastian von 201 Ostein, Johann Friedrich Karl von 202 Ostein, Johann Heinrich von 202 Otten, Ignaz Anton von 257 Otto der Große, Römischer Kaiser 31 Ottonen (Familie) 27–29, 36

362

Register

Panofsky, Erwin 172, 173 Paravicini, Werner 135 Parsons, Talcott 44 Person, Nikolaus 145 Petrini, Antonio 281, 292, 296 Petrus, Apostel 151 Pfalz-Neuburg (Familie) 86, 169, 262 s. auch u. Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg Pfister, Hans 267, 290 Philipp II., Spanischer König 34 Pick, Eckhart 88 Posse, Adolph Felix Heinrich 127 Press, Volker 80, 81 Prodi, Paolo 16, 110, 111, 113 Pröstler, Johann Philipp 127 Pütter, Johann Stephan 88, 126, 127 Ranke, Leopold von 31 Rauch, Karl 77 Reinhard, Wolfgang 17, 21, 47, 82, 246 Reinhardt, Rudolf 72, 82 Reitz, Dirk 58 Reitzenstein, Franz Wilhelm von 266, 272, 274, 302 Reuß, Grafen 143 Ribaupierre, Karl Roger 264 Rohan (Familie) 78 Rottenberg, Philipp 253 Ruffo della Scaletta (Familie) 164 Ruffo della Scaletta, Ernestina von s. u. Schönborn Salier (Familie) 28, 33, 36 Salver, Johann Octavian 75, 153 Savoyen-Carignan, Eugen Franz von 205, 267 Sayn (Familie) 169 Schad, Christian 244 Schannat, Johann Friedrich 157 Scharffenstein, Eberhard Cratz 97 Schenk von Castell, Marquard II. 227, 228 Schenk von Stauffenberg, Marquard Sebastian 198 Schenkel, Johann Melchior 131, 132 Scherf, Andreas 166 Schieffer, Rudolf 41 Schlegel, Friedrich 20 Schlözer, August Ludwig von 17 Schonath, Wilhelm 164

Schmidburg, Maria von, geb. von der Leyen 220 Schmidt, Peter 246 Schmidthals, Otto 77 Schmidtke, Oliver 290 Schönborn (Familie) 13–18, 85–87, 96–98, 126, 141, 142, 145, 146, 150, 151, 153– 163, 165–172, 174, 175, 179, 181, 182, 185–189, 191–197, 200–214, 217–223, 225–231, 233, 234, 236, 237, 240, 243– 248, 250–260, 265, 267, 268, 271, 272, 285, 287, 295, 305, 308, 309 Schönborn, Agatha Marie von 185, 190, 192, 195, 201, 219–221 Schönborn, Amalia Elisabetha Maria von 226 Schönborn, Anna Barbara von 223 Schönborn, Anna Charlotta Maria von, verh. Ostein 201, 226 Schönborn, Anna Elisabeth von, verh. Limburg-Stirum 202 Schönborn, Anna Katharina Maria Sophie Karoline von 221 Schönborn, Anna Margareta von 222 Schönborn, Anna Maria Philippina von, verh. Seinsheim 202, 226 Schönborn, Anselm Franz von 153, 154, 202–204, 207–209, 212, 230, 245, 247 Schönborn, Charlotte von, geb. Dernbach 203 Schönborn, Clara Elisabeth von 222 Schönborn, Damian Hugo von 96, 98, 153, 154, 156, 202, 207–209, 212, 213, 227, 246, 262 Schönborn, Eucharius von 182 Schönborn, Eva Katharina von 193, 222 Schönborn, Eva Theresia Amalia Philippine Isabella von 221 Schönborn, Franz Erwein von 207, 208 Schönborn, Franz Georg von (1639–1674) 154 Schönborn, Franz Georg von (1682–1756) 86, 96, 97, 141, 153, 156, 157, 195–197, 207, 208, 212, 213, 223, 225, 227, 235, 245, 247, 259, 285 Schönborn, Friedrich Karl von 11, 57, 62, 96–99, 101, 103, 115, 116, 118, 119, 126, 127, 134, 141–143, 145, 153–157, 159,

1. Personenregister 166, 202, 204–213, 227, 238, 240, 244, 246, 247, 249–252, 258, 259–261, 263, 266, 267, 283, 286, 306, 307 Schönborn, Georg von 184–186, 218–221 Schönborn, Johann von 185, 218, 220, 223 Schönborn, Johann Andreas von 220 Schönborn, Johann Christian von 228 Schönborn, Johann Erwein von 154, 195, 196, 203, 224, 235 Schönborn, Johann Georg von 184 Schönborn, Johann Ludwig von 224 Schönborn, Johann Philipp von (1605– 1673) 96–100, 104, 106, 108, 109, 126, 149, 150, 153, 154, 157, 163, 182, 184– 200, 204, 206, 209, 212–214, 218–225, 227, 229, 230, 236, 241, 243–246, 251, 254–257, 263, 264, 271, 286, 305 Schönborn, Johann Philipp von (1642– 1703) 154 Schönborn, Johann Philipp Franz von 11, 12, 14, 16–18, 23, 61, 96, 103, 114, 116, 131, 135, 153, 154, 156, 157, 201, 207, 208, 211, 212, 223, 226, 238, 240, 244, 246, 248–251, 260–268, 271–274, 277, 279–289, 291–294, 297–302, 305–308 Schönborn, Johanna Eleonora Maria von 226 Schönborn, Katharina Elisabeth von, verh. Hatzfeld und Gleichen 194, 203, 223, 224, 226 Schönborn, Katharina Elisabetha von, verh. Nostitz-Rieneck 226 Schönborn, Lothar Franz von 57, 96, 97, 99, 101, 102, 119, 145, 153, 154, 156, 157, 163, 188, 195, 197–199, 202, 204, 207– 214, 224, 225, 227, 233, 235, 245, 246, 250, 253, 255, 257–259, 262, 264, 266– 268, 282–285, 305 Schönborn, Maria Anna von, verh. Stadion 226 Schönborn, Maria Anna von, geb. Waldbott von Bassenheimn 195 Schönborn, Maria Anna Eva Eleonora von 221 Schönborn, Maria Anna Johanna von 221 Schönborn, Maria Anna Katharina Elisabeth von 221

363

Schönborn, Maria Anna Sophia Charlotte von 222 Schönborn, Maria Anna Sophie Henriette von 221 Schönborn, Maria Barbara von, geb. von der Leyen 185, 201, 214, 219–221 Schönborn, Maria Clara von 222 Schönborn, Maria Eleonore Charlotte von 221 Schönborn, Maria Karolina Theresia Katharina von 221 Schönborn, Maria Sophia von, verh. von der Leyen 201, 226, 248 Schönborn, Maria Sophia von, geb. Boineburg 193, 199–202, 211, 213, 214, 226, 238, 249, 252 Schönborn, Maria Theresia von, geb. Montfort 204 Schönborn, Maria Theresia Ernestina Magdalena von 222 Schönborn, Maria Ursula von 221 Schönborn, Maria Ursula von, geb. Greiffenclau, gen. zu Vollraths 187, 193, 195, 214, 221, 222, 224, 230 Schönborn, Marquard Wilhelm von 96, 153, 211, 207, 208, 212, 227, 228 Schönborn, Melchior Friedrich von 153, 154, 163, 193, 195–202, 204, 207, 212, 213, 224, 226, 227, 240, 243–245, 248– 252, 254 Schönborn, Melchior Friedrich Joseph von 204 Schönborn, Melchior Friedrich Karl von 203 Schönborn, Philipp von (gest. 1589) 218, 219, 220 Schönborn, Philipp von (gest. 1612) 184 Schönborn, Philipp Erwein von 153, 154, 184–193, 195–198, 200, 204, 214, 218, 220–224, 229–233, 245 Schönborn, Philippine von 222 Schönborn, Rudolf Franz Erwein von 153, 202–204, 209, 212, 228, 246, 247, 249, 251, 268 Schönborn-Buchheim (Familienzweig) 208 Schönborn-Burgschwalbach (Familienzweig) 184, 218

364

Register

Schönborn-Freienfels (Familienzweig) 184, 186, 187, 189, 219 Schönborn-Freienfels, Philippine Margarethe von, verh. von Jaxtheim 222 Schönborn-Hahnstätten (Familienzweig) 184, 186, 188, 218 Schönborn-Hahnstätten, Friedrich Georg von 184, 185 Schönborn-Wiesentheid (Familienzweig) 153 Schönborn-Wiesentheid, Ernestina Gräfin von, geb. Ruffo della Scaletta 164–166 Schönborn-Wiesentheid, Erwein Graf von 161, 164–166 Schott, Herbert 294 Schraut, Sylvia 128, 129 Schröcker, Alfred 17, 167–169, 195, 229, 253, 255 Schubert, Ernst 31, 32 Schulte, Aloys 77 Schwan, Wolfgang 181, 182, 185, 188 Schwarz, Adolf 159–161 Schwarz, Johann Jakob 127 Schwarzenberg (Familie) 202 Sedlmaier, Richard 167, 266, 267, 283 Seinsheim (Familie) 202 Seinsheim, Adam Friedrich von 18, 202, 307 Seinsheim, Anna Maria Philippina von s. u. Schönborn Seinsheim, Maximilian Franz de Paula Maria Marquard Philipp von 202 Selbach, Gottfried von, gen. Quadfasel 221 Senft, Johann Jakob 244 Serarius, Nikolaus 157 Sickel, Theodor 106 Sickingen, Franz von 81 Sigismund, Römischer Kaiser 35 Sixtus IV. 75 Söllner, Melchior 114 Spee von Langenfeld, Friedrich 105, 234 Stadion (Familie) 169, 201 Stadion, Christoph Rudolph von 201 Stadion, Franz Kaspar von 201 Stadion, Franz Konrad von 201 Stadion, Georg Heinrich von 201 Stadion, Johann Philipp von 201, 258 Stadion, Maria Anna von s. u. Schönborn

Stadion-Warthausen, Friedrich Graf von 126 Staudt, Jakob 186 Staufer (Familie) 33, 52, 164, 182 Steinau (Familie) 204 Stephan, Peter 255 Sternberg (Familie) 204 Stollberg-Rilinger, Barbara 89, 128, 135 Strube, David Georg 127 Suger von Saint-Denis 173 Tann, Anna von der 189 Telgmann, Rudolph Friedrich 74 Thomas von Aquin 150 Tilly, Johann Tserclaes Graf von 206, 231 Tönnies, Ferdinand 44 Totnan, Heiliger 65, 133 Truchsess zu Wetzhausen (Familie) 194 Turenne, Henri de Latour d’Auvergne Vicomte de 232 Urban V. 75 Vintimille du Luc, Charles-François de 205 Waldbott von Bassenheim (Familie) 189, 192, 195 Waldbott von Bassenheim, Georg Anton 190, 192, 193 Waldbott von Bassenheim, Georg Schweikkard 193 Waldbott von Bassenheim, Maria Anna s. u. Schönborn Walz, Leonhard 232 Wamboldt von Umstadt (Familie) 193 Wamboldt von Umstadt, Anselm Kasimir 193, 194 Wamboldt von Umstadt, Friedrich 194 Wartenberg, Franz Wilhelm von 91 Weber, Max 17, 23, 44–47, 126, 172 Weber, Wolfgang 32 Weiß, Dieter 150, 155 Welsch, Johann Maximilian von 267 Wende, Peter 32 Wenisch, Siegfried 161 Wenzel, Peter 77 Werdenau, Konrad Wilhelm von 228

2. Geographica Wieck, Grafen 219 Wied, Grafen 169, 184, 186 Wittelsbach (Familie) 56, 59, 86, 169, 259, 305 Wolf, Hubert 56, 57 Wolff, Christian 126

365

Wolffgang, Johann Georg 68 Zedler, Johann Heinrich 182 Zincgref, Julius Wilhelm 35 Zuber, Uwe 308 Zückert, Hartmut 30

2. Geographica Bei Fürstbistümern wurde unterschieden zwischen Erwähnungen, die das Bistum als Kirchenprovinz betreffen und solchen, die das Herrschaftsgebilde meinen. Aachen 42, 43 Aragon 34 Aschaffenburg 233, 236, 243, 244, 292 Augsburg (Bistum) 26, 74

Celle 262 Chur (Bistum) 26, 74 Chur (Fürstbistum) 56, 59 Dänemark 87

Bad Kreuznach 187 Bamberg (Bistum) 26, 36, 79, 81, 155, 160, 195 Bamberg (Fürstbistum) 14, 56, 59, 82, 86, 98, 101, 102, 115, 116, 119, 145, 155, 198, 199, 211, 213, 259, 307 Bamberg (Stadt) 156 Basel (Bistum) 26, 74 Basel (Stadt) 25 Bayern (Herzogtum) 68, 202, 204, 206 Bayern (Königreich) 164 Berlin 262 Bern 290, 291 Birs 25 Blessenbach 186 Bodensee 25 Böhmen (Königreich) 206 Boppard 222 Brabant 34 Brandenburg-Preußen 257, 262 Brandenburg-Ansbach (Markgrafschaft) 82 Braunschweig-Lüneburg (Herzogtum) 262 Breusch 25 Brixen (Bistum) 74 Brixen (Stadt) 74 Bruchsal 156, 292 Burgschwalbach 184 Burgund 34 Byzanz 27

Eichstätt (Bistum) 26, 212 Eichstätt (Fürstbistum) 227 Elbe 26 England 199, 256, 257, 262 Erfurt (Bistum) 196, 244 Flandern 25, 34 Florenz 156 Franken (Herzogtum) 68–71, 272 Franken (Reichskreis) 82, 169 Franken (Ritterkanton) 80 Frankenreich 41, 42, 43, 52 Frankfurt am Main (Großherzogtum) 311 Frankfurt am Main (Stadt) 26, 187, 196, 250 Frankreich 34, 199, 205, 232, 233, 246, 256–258, 288, 310, 311 Freienfels 184 Freising (Bistum) 74 Freising (Fürstbistum) 56 Gaibach 145, 147, 153, 155, 166, 181, 187, 214 Gaubickelheim 187 Geisenheim 187 Germanien 26 Göllersdorf 205 Hahnstätten 184 Hamburg 164 Hammersleben 262

366

Register

Hanau 231, 232 Hannover 262 Heidelberg 262 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 12–14, 29–31, 33, 42, 49, 53, 63, 86, 88, 199, 200, 205, 206, 208, 210, 212, 246, 247, 256–258, 261, 262, 280, 283, 308, 310, 311 Hessel-Kassel (Landgrafschaft) 233, 262 Heusenstamm 187 Ill 25 Italien 218, 263 Karlsruhe 301 Kastilien 34 Katzenelnbogen (Grafschaft) 169, 184 Koblenz 25 Köln (Erzbistum) 26, 40, 57, 74 Köln (Fürsterzbistum) 56, 59 Köln (Stadt) 25, 26, 38, 166 Königshofen 261, 273 Konstanz (Bistum) 26, 74, 77 Konstanz (Fürstbistum) 56, 59 Konstanz (Stadt) 25, 292 Kurpfalz 233, 262, 292, 305 Kurrhein (Reichskreis) 82 Leiden 247, 251 Lohr 193 London 164 Ludwigsburg 301 Lüttich (Bistum) 74 Lüttich (Fürstbistum) 59 Mailand 34 Main 24, 26, 34, 36, 37, 56, 86, 87, 195, 230, 231, 233, 244, 260 Mainz (Erzbistum) 26, 80, 81, 156, 184, 185, 187, 192, 193, 196, 203, 210, 220, 244, 305 Mainz (Fürsterzbistum) 14, 29, 35, 56, 59, 82, 84, 86, 98, 100, 102, 115, 126, 145, 156, 157, 163, 169, 184, 187, 191, 193, 198–200, 202, 224, 227, 230–233, 243, 244, 251, 262 Mainz (Republik) 311

Mainz (Stadt) 25, 26, 38, 203, 233, 237, 256, 263, 292 Mannheim 292, 301 Martinstein 187 Mergentheim 305 Mersburg 292 Metz 251 Minden (Bistum) 262 Mosel 25, 33 München 160 Münster (Bistum) 78 Münster (Fürstbistum) 56 Nahe 187 Nassau (Grafschaft) 169, 184, 220 Neapel 164 Neckar 25 Niederlande 26, 34, 257, 263 Nürnberg 290, 291 Oberlahnstein 35 Orleans 245 Osmanenreich 205, 257 Österreich (Erzherzogtum) 33, 204, 206– 209, 257, 258, 311 Österreich-Ungarn 20 Paris 245, 246, 251 Passau (Bistum) 74 Pfalz-Zweibrücken (Herzogtum) 262 Planig 187 Pommersfelden (Herrschaft) 158 Pommersfelden, Schloß Weißenstein 145, 166 Preußen s. u. Brandenburg-Preußen Regensburg (Fürstbistum) 56 Regensburg (Stadt) 233 Reichelsberg 169 Reichsitalien 34, 206 Rhein (Fluß) 24–26, 34–37, 82, 86, 87, 212 Rhein (Ritterkanton) 80, 82 Rom 27, 90, 108, 190, 212, 244–247, 250– 252, 273 Sayn (Grafschaft) 169 Schwaben (Ritterkanton) 80 Schweden 231, 232, 256, 263

2. Geographica Schweinfurt 145 Siena 245 Spanien 34, 142, 256 Speyer (Bistum) 26, 81, 192, 193 Speyer (Fürstbistum) 14, 59, 86, 98, 211, 225 Speyer (Stadt) 25, 33, 262, 292 Steiermark (Herzogtum) 33 Steinheim 187, 230–233, 243, 244 Straßburg (Bistum) 26, 78, 81 Straßburg (Fürstbistum) 59, 82 Straßburg (Stadt) 25 Trient (Bistum) 74 Trient (Stadt) 74 Trier (Erzbistum) 26, 81, 184 Trier (Fürsterzbistum) 14, 59, 82, 84, 86, 157, 169, 211, 227, 259, 305 Trier (Stadt) 25, 156 Ungarn 209 Utrecht 26 Venedig 87, 290, 291 Versailles 97, 233, 257 Volkach 145 Vorderösterreich 59

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Weiler 187 Wied (Grafschaft) 169, 184, 186 Wien 90, 97, 108, 205, 207, 209–212, 233, 246, 257, 259 Wiese 25 Wiesentheid (Grafschaft) 158, 169, 203 Wiesentheid (Dorf) 158–161, 166 Worms (Bistum) 26, 81, 192 Worms (Fürstbistum) 14, 56, 59, 82, 86, 157, 193 Worms (Stadt) 25, 33 Würzburg (Bistum) 26, 39, 65, 68, 70, 71, 73, 79, 81, 133, 155, 156, 160, 185, 195, 211, 224, 242, 244, 245, 267, 285 Würzburg (Fürstbistum) 11, 12, 14, 19, 22, 35, 56, 59, 60, 64, 69–71, 82, 86, 90, 95, 98, 100, 102–104, 106, 107, 109, 115– 123, 126, 129, 134, 136, 137, 145, 146, 155–157, 169, 182, 187, 198, 211, 213, 228, 259, 260, 262, 268, 272, 283, 285, 287, 295, 305, 309–311 Würzburg (Stadt) 11–13, 16, 19, 23, 35, 38, 39, 65, 69, 70, 109, 155, 156, 158, 160, 166, 212, 237, 256, 259–261, 263 265, 273, 274, 277, 279, 280, 286, 288–296, 299, 301, 305, 307, 310